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Full text of "Archiv für Naturgeschichte"

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ARCHIV 

FÜR 

NATURGESCHICHTE 


GEGRÜNDET  VON  A.   F.  A.  WIEGMANN, 
FORTGESETZT  VON  W.  F.  ERICHS ON. 


IN    VERBINDUNG    MIT 


PROF.  DR.  GRISEBACH   IN  GÖTTllNGEIN , 

PROF.  DR.  VON  SIE  BOLD  IW  MÜNCHEN,  PROF.  DR.  A.  WAGNER 

IN  MÜNCHEN    UND    PROF.   DR.  LEU  CK  ART  IN  GIESSEN. 

HERAUSGEGEBEN 


VON 


Db.  f.  H.  TROSCHEZ.y 

PROFfiSSOll    AN    DER    FRIBDRICH-WILHELUS-UNIVERSITÄT    ZV    BONN. 


NEUNZEHNTER  JAHRGANG. 

Erster   Band« 

Mit  vierzehn  Tafeln. 


BERLIN,    1853. 

VERLAG  DER  NICOLAISCHEN  BUCHHANDLUNG. 


Inhalt  des  ersten  Bandes. 


Seite 
üeber   die    Mundtheile    der   Cephalopoden.     Vom   Herausge- 
ber.    (Hierzu  Taf.  I.) •) 

Berichtigende    Notiz    über  die    Färbung    einigef  Fische.      Von 

MaximilianPrinzzuWied     .         .         .         .         .         13 

lieber  die  Verschiedenheiten  im  Schädelbau  der  Mustela  Mar- 
tes  und  M.  Foina.  Von  Dr.  R.  Hensel  in  Breslau. 
(Hierzu  Taf.  II.  Fig.  1-4.) 17 

Ueber   das  Vorkommen    von  Eckzähnen    bei   Cervus   capreolus. 

Von  Demselben.     (Hierzu  Taf.  II.  Fig.  5— 7.)      .         .         23 

Beitrag,  zur.  Mikromammalogie    des    mittlem   Finnlands.      Von 

Carl  Lundahl.     Uebersetzt  von  Fr.  Creplin     .         .         25 

Beschreibung   zweier    neuer  deutscher    Fledermausarten.     Von 

J.  H.  Blasius,  Professorin  Braunschweig     ...         35 

Ueber  eine  neue  und  eine  weniger  gekannte  Siphonostomen- 
Gattung.  Von  Dr.  A.  Gerstaecker  in  Berlin.  (Hierzu 
Taf.  III.  und  IV.) 58 

Bemerkungen  über  die  Phyllopoden,  nebst  einer  Uebersicht 
ihrer  Gattungen  und  Arten.  Von  Dr.  A.  E.  Grube,  Pro- 
fessor in  Dorpat.     (Hierzu  Taf.  V— VIII.)         ...         71 

Beitrag  zur  Entwickelungsgeschichte  derKammkiemer  von  Ko- 
ren und  Danielssen.  Aus  dem  Dänischen  übersetzt 
vom  Herausgeber.     (Hierzu  Taf.  IX.)  ....       173 

Dorycrinus,  ein  neues  Crinoidengeschlechl  aus  dem  Kohlenkalke 

Nordamerikas.  Von  Dr.  Ferd.  Roemer.  (Hierzu  Taf.  X.)       207 

Ein  neuer    Bandwurm    aus  Polypterus   bichir.      Beobachtet  von 

Dr.  Leydig  in  Würzburg.     (Hierzu  Taf.  XI.  Fig.  1—5.)       219 

Ueber  einen  neuen,    mit  Wimpersegeln   versehenen  Gasteropo- 

den.     Von  Dr.  A.  Krohn.     (Hierzu  Taf.  XI.  Fig.  I— II.)       223 

Uebersicht  der  Lophobranchier.  Von  Dr.  J.  Kaup  in  Darmstadt.       226 


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Seite 

Die  organischen  Missbildungen  der  glatten  Schneckenschale.  Von 

Dr.  G.  0.  Piper  in  Bernburg 235 

Nachträgliche  Bemerkungen  über  den  Bau  von  Phyllirhoe.  Von 

Dr.  Rud.  Leuckart 243 

lieber  den  Bauchsaugnapf  und  die  Copulationsorgane  bei  Firola 

und  Firoloides.  Von  Demselben 253 

Ueber  die  Gehörwerkzeuge  der  Krebse.     Von  Demselben     .      255 

Nachträgliche  Bemerkungen  über  den  Bau  der  Gattung  Sagitta, 
nebst  der  Beschreibung  einiger  neuen  Arten.  Von  A. 
Krohn.     (Hierzu  Taf.  XII.) 266 

Ueber  die  Natur  des   kuppeiförmigen    Anhanges   am  Leibe  von 

Phyllirhoe  bucephalum.     Von  Demselben     .         .         .       278 

Ueber  Vorkommen  von  Sarcophagamaden  in  den  Augen  und  der 
Nase  von  Menschen.  Von  Dr.  Ed.  Grube,  Prof.  in 
Dorpat       .         .         , 282 

Beschreibung    einer  neuen    deutschen  Fledermaus.     Von  J.  H. 

Blasius,  Prof.  in  Braunschweig 286 

Ueber    Heloderma  horridum   Wiegm.       Vom    Herausgeber. 

(Hierzu  Taf.  XIII  und  XIV.) 294 


lieber  die  Hfuiidtlieile  der  Cephalopoden. 

Vom 
(Hierzu  Taf.  I.). 


Die  Cephalopoden  haben  in  neuster  Zeit  dadurch  ein 
besonderes  Interesse  der  Naturforscher  erregt,  dass  bei  eini- 
gen Octopus- Arten  und  bei  Argonaiita  die  Geschlechtsver- 
hältnisse in  so  seltsamer  Weise  auftreten.  Seit  Kolli ker 
zuerst  den  Zusammenhang  der  von  Delle  Chiaje  undCu- 
vier  beschriebenen,  von  leizierem  Hectocoiylus  genannten 
Thiere  mit  den  Cephalopoden  erkannt  hat ,  haben  besonders 
Verany,  Vogt,  HeinrichMülIer  und  RüppeU  sich  da- 
mit beschäftigt,  die  wahre  Natur  dieser  Wesen  zu  erforschen. 
So  weiss  man  jetzt,  dass  bei  den  Männchen  an  der  Stelle  des 
dritten  Armes  (von  oben  gezählt  )  eine  Blase  hervorwächst , 
die  sich  in  eigenthümlicher  Weise  zu  einem  Hectocotylus  ent- 
wickelt, der  später  sich  lostrennt,  um  parasitisch  an  dem 
Weibchen  weiter  zu  leben,  v.  S  i  eb  old  hat  dann  einige  Stel- 
len des  Aristoteles  citirl ,  aus  denen  hervorgeht,  dass  dieser 
erste  Naturforscher  schon  Kenntniss  von  den  Geschlechtsver- 
hältnissen der  Cephalopoden  gehabt  habe. 

Man  hatte  bisher  die  Männchen  \on  Ar gonauta  nicht  ge- 
kannt, eben  so  wenig  von  mehreren  Octopus -Arien.  Die 
Abhandlung  von  Rüppell  „Beiträge  zur  Naturgeschichte  des 
Papiernautilus  und  insbesondere  Beschreibung  des  bisher  un- 
bekannten vollständigen  Männchens  dieses  Thieres,"  welche 
im  vorigen  Jahrgange  dieses  Archivs  (1852.  I.  p.  209.)  ab- 
gedruckt ist ,  hatte  hauptsächlich  zum  Zweck ,  zu  erweisen , 
dass  der  Octopus  Carenae  von  Verany  das  Männchen  zu 
Argonauta  Argo  L.  sei. 

Archiv  f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  1 


2  Troschel: 

Schon  damals,  als  der  eben  erwähnte  Aufsatz  im  Drucke 
begriffen  war,  erschien  es  mir  sehr  wichtig,  die  Vermuthung 
RüppeU's  auf  eine  nach  meiner  Meinung  sehr  leichte  Weise 
zu  beweisen  oder  zu  widerlegen ;  und  ich  bat  denselben  , 
der  die  Güte  gehabt  hatte  ,  mir  sein  Exemplar  von  Octopus 
Carenae  ,  dem  vermeintlichen  Argonauten  -  Männchen  ,  zur 
Ansicht  zu  übersenden,  um  die  Erlaubniss,  durch  einen  Schnitt 
den  Mundtheilen  näher  zu  treten,  und  die  sogenannte  Zunge 
untersuchen  zu  dürfen.  Mit  grosser  Bereitwilligkeit,  für  die 
ich  Herrn  Rüppell  aufrichtig  dankbar  bin,  gestattete  der- 
selbe die  Operation,  die  ich  denn  auch  mittelst  eines  Längs- 
schnittes bewerkstelligt  habe,  so  dassdie  äussere  Erscheinung 
des  Exemplars  auch  nicht  das  Geringste  an  seiner  Vollstän- 
digkeit eingebüsst  hat. 

Es  konnte  hier  nur  zweifelhaft  sein  ,  ob  das  in  Rede 
stehende  Thier,  der  Octopus  Carewae  Verany,  das  Männchen 
zu  Argonauta  oder  zu  irgend  einer  Octopus- Art  sei.  Da 
nun  nach  meinen  Untersuchungen  die  Zunge  von  Argonauta 
und  die  Zunge  von  Octopus  hinreichende  Differenzen  zeig- 
ten ,  um  die  Gattungen  unterscheiden  zu  können ,  so  musste 
durch  Ansicht  der  Zunge  von  Octopus  Carenae  sich  unmit- 
telbar ergeben,  welcher  Gattung  dieses  Männchen  angehöre. 
Ich  setzte  hierbei  voraus,  dass  die  Mundlheile  der  Männchen 
und  Weibchen  keine  auffallende  Verschiedenheit  zeigen,  und 
glaubte  mich  zu  dieser  Voraussetzung  berechtigt ,  da  ich  bei 
den  sehr  zahlreichen  Untersuchungen  über  diese  Organe  noch 
bei  keinem  Moilusk  eine  Geschlechtsverschiedenheit  gefun- 
den habe. 

Das  Resultat  meiner  Untersuchung  war,  dass  der  Octo- 
pus Carenae  keine  Argonauta,  sondern  ein  Octopus  sei.  Ich 
musste  es  somit  bedauern,  Herrn  RüppeU's  Vermuthung 
nicht  bestätigen  zu  können;  bei  dem  rein  wissenschaftlichen 
Interesse  dieses  hochgeachteten  Naturforschers  darf  ich  aber 
voraus  setzen  ,  dass  ihm  das  Resultat  nicht  weniger  Werth 
haben  wird,  als  wenn  es  seine  Meinung  bestätigt  hätte. 

Wenngleich  nun  sehr  bald  nach  diesen  Vorgängen  in 
der  Zeitschrift  für  wissensch.  Zoologie  von  v.  Siebold  und 
Kölliker,  und  schon  vor  der  Ausgabe  des  Heftes  unseres  Ar- 
chivs,  in  welchem  sich  die  Rüppell'sche  Abhandlung  be- 


üeber  die  Mundtheile  der  Cephalopoden.  3 

fand,  das  wirkliche  Argonauten-Männchen  durch  Heinrich 
Müller  bekannt  gemacht,  und  dadurch  der  nächste  Zweck 
meiner  Untersuchung  überflüssig  geworden  ist,  so  scheint  es 
mir  doch  nöthig,  wiederholt  auf  die  Wichtigkeit  der  Mund- 
theile der  Mollusken  hinzuweisen  und  namentlich  hervorzu- 
heben ,  dass  bei  den  mit  Hectocotylus  versehenen  Männchen 
der  Octopus- Arien  gewiss  die  Zunge  einen  sehr  werlhvoUen 
Anhalt  dafür  giebt,  zu  bestimmen,  welchen  Weibchen  diese 
Männchen  zugehören.  Ich  beschreibe  daher  im  Folgenden  die 
Mundtheile  der  mir  zu  Gebote  stehenden  Cephalopoden,  und 
hoffe  dadurch  die  Aufmerksamkeit  auf  diese  Organe  hinzulenken. 
Schon  Swammerdam  hat  die  Mundtheile  der  Sepie  be- 
obachtet ,  er  hat  die  Kiefer  und  die  Zunge  beschrieben  und 
sogar  abgebifd et  *'^),  natürlich  aber  in  einer  Weise,  die  un- 
seren jetzigen  Anforderungen  nicht  genügt.  Er  wusste  je- 
doch schon,  dass  die  Platten  auf  der  Zunge,  die  er  „knor- 
pelige Warzgen''  nennt,  in  sieben  Reihen  geordnet  sind,  und 
er  hat  in  jeder  Reihe  mehr  als  60  Platten  gezählt. 

Savigny  hat  zwar  in  der  Description  de  l'Egypte.  Ce- 
phalopodes  PL  1.  Fig.  l.  e  die  Zunge  von  Octopus  in  zwei 
Ansichten  von  oben  und  von  der  Seite  abgebildet;  auch  ib. 
Fig.  3.  e  zwei  Ansichten  der  Zunge  von  Sepia  gegeben ;  die- 
selben müssen  auch  wie  alle  Abbildungen  dieses  grossarti- 
gen Werkes  bewundert  werden,  da  sie  einen  neuen  Beweis 
von  der  grossen  Sorgfalt  geben ,  mit  der  der  Verf.  bereits 
im  Jahr  1812  die  feinsten  Organe  der  Thiere  untersucht  hat; 
ja  man  erkennt  sogar  an  diesen  Darstellungen  die  generischen 
Verschiedenheiten;  dennoch  reichen  auch  sie  für  die  gegen- 
wärtigen Forderungen  nicht  aus ,  wo  es  darauf  ankommt , 
selbst  specifische  Merkmale  von  den  Zungen  zu  entnehmen. 

Die  Abbildungen,  welche  in  der  Medicinischen  Zoolo- 
gie von  Brandt  und  Ratzeburg  Band  II.  Tab.  XXXII. 
Fig.  6—10.  von  Sepia  enthalten  sind,  stehen  weit  hinter  de- 
nen von  Savigny  zurück,  und  sind  für  unsere  Zwecke  un- 
brauchbar. 

Von  Ferussac  sind  in  dem  Prachtwerke  über  die  Ce- 
phalopoden „Histoire   naturelle  generale    et  particuliere   des 


^)  Bibel  der  Natur,  Leipzig  1752.  p.  348.  Tab.  L.  Fig.  IV— VI. 


4  T  r  0  s  c  h  e  I : 

Mollusques.  Cephalopodes  acetabuliferes"  die  Zungen  von 
Octopus,  Argonauta  und  Sepia  abgebildet.  Jedoch  auch  sie 
entsprechen  nicht  den  Ansprüchen ,  welche  wir  jetzt  an  die 
Genauigkeit  im  Einzelnen  machen  müssen. 

Vollkommen  delaillirt  sind,  so  weit  es  mir  bekannt  ge- 
worden ist,  von  Cephalopoden  nur  die  Zungen  von  drei  Ar- 
ten und  zugleich  von  drei  Gattung-en  abgebildet,  nämlich  von 
Eledone  cirrosa,  Sepiola  Rondeletü  und  Loligo  vulgaris.  Diese 
Abbildungen  finden  sich  in  der  vortrefflichen  Arbeit  von  L  o  - 
v  e  n  *"* j.  Auf  sie  werde  ich  mich  im  Folgenden  mit  beziehen. 

Was  die  Terminologie  betrifft,  so  sehe  ich  mich  nicht 
veranlasst,  der  von  Loven  eingeführten  zu  folgen.  Er  nennt 
die  mittelste  Platte  jeder  Querreihe  Zahn,  dens  ,  die  übrigen 
Haken  ,  uncini.  Allerdings  weicht  die  Mittelplatte  häufig  an 
Gestalt  und  Grösse  sehr  auff'allend  ab,  indessen  hat  dieselbe 
doch  im  Allgemeinen  dieselbe  Bedeutung ,  wie  die  übrigen 
Platten  ,  und  die  Haken  haben  in  sehr  vielen  Fällen  gar 
nicht  eine  Gestalt,  welche  diese  Benennung  rechtfertigt.  In 
unserem  Falle  bei  den  Cephalopoda  dibranchiata  sind  stets 
sieben  Längsreihen  solcher  Platten  vorhanden,  von  denen  die 
beiden  äusseren  jederseits  unter  sich  mehr  Aehnlichkeit  ha- 
ben, als  mit  den  übrigen.  So  ist  es  auch  bei  den  allermei- 
sten Schnecken.  Daher  glaube  ich  meine  alte  Bezeichnungs- 
weise beibehalten  zu  müssen.  Ich  vermeide  den  Namen  Zahn 
ganz,  und  nenne  die  einzelnen  festen  Stücke  der  Zunge  Plat- 
ten, die  Benennung  Zahn  lieber  für  spitzige  Vorsprünge,  wie 
sie  so  oft  am  Rande  der  einzelnen  Platten  gefunden  werden, 
vorbehaltend.  Ich  nenne  die  mittlere  Platte  Mittelplatte,  die  ihr 
jederseits  zunächst  gelegene  Zwischenplalte,  die  beiden  äus- 
seren jederseits  Seitenplatten,  wobei  falls  es  nöthig  ist,  leicht 
die  innere  und  die  äussere  Seitenplatte  unterschieden  wer- 
den können.  Will  man  dies  in  lateinischer  Sprache  ausdrük- 
ken,  so  schlage  ich  lamina  media,  lamina  interiecta  und  la- 
minae  laterales  vor.  Auch  bei  den  Schnecken  wird  diese  Be- 
zeichnungsvveise  überall  Anwendung  finden,  natürlich  mit  der 


•")  Öfvers.  af  Kongl.   Vetenskaps.-Academiens  Förhandlingar  d, 
9.  Juni  1847.  Tab.  3. 


lieber  die  IVInndtheile  der  Cephalopoden.  5 

Modification ,  dass  sowohl  die  Mittelplatten  so  wie  auch  die 
Zwischenplalten  oder  Seitenplatten  fehlen  können  ,  und  dass 
die  letzteren  an  Zahl  ungemein  variiren. 

lieber  den  Bau  der  Mundtheile  will  ich  nur  bemerken, 
dass  alle  Cephalopoda  dibranchiata ,  die  uns  hier  allein  be- 
schäftigen, zwei  Kiefer  besitzen,  einen  Oberkiefer  und  einen 
Unterkiefer,  wie  das  ja  zur  Genüge  bekannt  ist.  In  ihrer  Ge- 
stalt liegen  wohl  Verschiedenheiten,  die  geeignet  sein  möch- 
ten, die  Gattungen  zu  unterscheiden,  indessen  fallen  diesel- 
ben nicht  sehr  in  die  Augen  ,  lange  nicht  so  sehr  wie  die 
Verschiedenheiten  der  Zungenplatten.  Sie  bewaffnen  den  vor- 
deren Eingang  in  die  fleischige  Mundmasse.  Im  Grunde  der- 
selben liegt  auf  einer  knorplig-fleischigen  sehr  beweglichen 
Grundlage  die  Zunge.  Die  Zungenstütze  ist  nicht  bei  allen 
Gattungen  gleich  gebildet.  Bei  Octopus  z.  B.  besteht  sie  aus 
ZV/ei  knorpligen  Muskeln,  die  in  der  Längsrichtung  desThiers 
liegen  ,  in  ihrem  Grunde  mit  einander  durch  eine  Membran 
verbunden  sind,  und  so  einen  oben  offenen  Canal  bilden,  in 
dem  die  Zunge  liegt.  —  Bei  Sepia  liegt  vorn  in  der  Mitte 
ein  stumpfer  unten  gewölbter  oben  etwas  concaver  Fleisch- 
körper ,  der  sehr  beweglich  zu  sein  scheint.  Auf  seinem 
hinteren  Theile  liegt  eine  andere  Fleischmasse,  welche  gleich- 
sam die  Fortsetzung  der  ersteren  bildet;  sie  ist  vorn  fast  ge- 
rade abgestutzt,  und  verzweigt  sich  hinten  in  viele  Muskel- 
bündelchen ,  mittelst  derer  sie  an  den  benachbarten  Theilen 
befestigt  ist.  Auf  diesen  beiden  Fleischmassen  liegt  die  Zunge, 
und  zwar  auf  eine  ganz  eigenthümliche  Art.  Vor  der  Mitte 
der  hinteren  findet  sich  ein  Loch,  welches  durch  einen  am 
hinteren  Rande  desselben  befindlichen  Vorsprung  eine  halb- 
mondförmige Gestalt  erhält.  In  dieser  Höhlung  steckt  das 
hintere  Ende  der  Zunge,  und  der  daraus  hervorgehende  Theil 
legt  sich  über  den  vordem  Theil  dieser  Fleischmassen;  die 
vordere  trägt  wahrscheinlich  zur  Beweglichkeit  dieses  Organs 
besonders  bei. 

Da  jedoch  die  Verschiedenheiten  dieser  muskulösen  Theile 
des  "Kauapparates  sich  zur  practischen  Unterscheidung  der 
Gattungen  und  Arten  weniger  eignen  als  die  Zunge  mit  den 
starren  bestimmt  conturirten  Platten ,  so  lasse  ich  mich  hier 
auf   ihre   nähere   Beschreibung  nicht   ein ,    sondern   wende 


6  Troschel: 

mich  nun  zu   dem    eigentlichen    Zweck  dieser  Mittheilung, 
nämlich  zur  Beschreibung  der  verschiedenen  Zungen. 

Grattnng^  dledone  lieacli* 

Loven  hat  bereits  a.  a.  0.  auf  die  Eigenthümlichkeit  der 
Zunge  von  Eledone  cirrosa  hingewiesen ,  die  darin  besteht, 
dass  die  Mittelplatte  nicht  in  allen  Querreihen  gleich  ge- 
staltet, sondern  alternirend  verschieden  ist;  eine  Eigenschaft 
die  noch  von  keinem  anderen  Molluskengeschlecht  bekannt 
ist.  Dasselbe  Verhalten  hat  auch  die  Zunge  der  von  mir 
untersuchten  Eledone  moschata,  und  dadurch  steigt  die  Wahr- 
scheinlichkeit ,  dass  alle  Arten  darin  übereinstimmen ;  auch 
liegt  darin  der  Beweis,  dass  Eledone  eine  vortreffliche  Gat- 
tung ist. 

Eledone  moschata.  Lam. 
(Taf.  I.  Fig.  1.) 

Die  Zunge  von  Eledone  moschata  hat,  wie  die  Verglei- 
chung  mit  der  citirten  Loven'schen  Abbildung  klar  ergiebt , 
eine  grosse  generische  Uebereinstimmung  mit  E.  cirrosa  in 
allen  ihren  Theilen,  die  Abweichungen  im  Einzelnen  sind  je- 
doch bedeutend  genug,  um  eine  specifische  Verschiedenheit  zu 
begründen. 

Die  Mittelplatten  sind  unsymmetrisch  gebaut,  doch  wird 
ihre  Symmetrie  dadurch  in  etwas  wieder  hergestellt,  dass  die 
linke  Seite  der  einen  immer  der  rechten  Seite  der  folgenden 
gleich  ist,  und  umgekehrt.  Jede  Platte  läuft  in  einen  langen 
mittleren,  dornartigen,  geraden  Vorsprung  aus,  und  hat  je- 
derseits  zwei  kräftige  Zähne.  Wenn  diese  an  einer  Platte 
so  geordnet  sind,  dass  der  Basalzahn  der  linken  Seite  klein, 
der  andere  kräftig  und  etwa  auf  ein  Drittel  der  ganzen  Plat- 
tenlänge liegt,  wogegen  an  der  rechten  Seite  der  Basalzahn 
gross  ist ,  der  andere  Zahn  auf  der  Hälfte  der  ganzen  Plat- 
lenlänge  liegt,  dann  haben  die  vorhergehende  Platte  und  die 
folgende  die  Zähne   in  umgekehrter  Anordnung. 

Die  Zwischenplatlen  sind  klein  ,  und  an  ihrem  Hinter- 
rande ragen  zwei  ziemlich  spitze  Zähne  hervor  ,  von  denen 
der  äussere  ansehnlicher  ist  als  der  innere  stumpfere;  zwi- 
schen beiden  Zähnen  liegt  eine  runde  Ausbucht.  Bei  E.  cir- 
rosa ist  der  äussere  Zahn  dieser  Platten,  viel  spitzer,  vorsprin- 
gender. 


üeber  die  Mundtheile  der  Cephalopoden.  7 

Die  Seitenplatten  sind  einander  nicht  gleich.  Die  innere 
Seitenplatte  ist  breit  und  kurz;  ihr  Hinterrand  dehnt  sich  in 
einen  grossen ,  spitzen  Zahn  aus ,  der  eine  ungefähr  dreiek- 
kige  Gestalt  hat,  und  dessen  Basis  etwa  die  innere  Hälfte  der 
Plattenbreite  einnimmt.  Die  äussere  Seitenplatte  ist  ein  wah- 
rer Haken,  und  hat  die  Gestalt  eines  kurzen  stark  gekrümm- 
ten Hornes,  das  von  der  Basis  nach  der  rückwärts  blicken- 
den Spitze  allmählich  sich  verschmälert. 

Neben  diesen  Platten  ist  die  Zungenmembran  noch  mit 
bandförmigen  Streifen  belegt ,  von  denen  immer  einer  der 
Basis  einer  äusseren  Seitenplatte  anliegt. 

fwattungr  ^Ictopus  Tjani* 

Von  dieser  Gattung  habe  ich  die  Zungen  zweier  Ar- 
ten untersucht,  von  0.  vulgaris  und  0.  Carenae.  Wenn  es 
erlaubt  ist,  von  zwei  Arten  auf  das  Allgemeine  der  Gattung 
einen  Schluss  zu  machen  ,  so  scheint  die  Eigenthümlichkeit 
der  Gattung  darin  zu  liegen,  dass  die  Mittelplatte  drei  Zähne 
trägt,  von  denen  der  mittelste  der  bei  weitem  längste  ist; 
dass  die  Zwischenplatten  ihr  ähnlich  sind,  jedoch  eine  schiefe 
Richtung  annehmen,  ein  wenig  nach  innen  schauend;  dass 
die  Seitenplatten  sehr  unter  sich  verschieden  sind,  indem  die 
innere  breit  ist  mit  zwei  sehr  ungleichen  Zähnen,  wogegen  die 
äussere  dornförmig  und  ein  wenig  gekrümmt  erscheint.  Eine 
Vergleichung  beider  Abbildungen  lässt  die  specifische  Ver- 
schiedenheit deutlich  ins  Auge  fallen. 

Octopus  vulgaris  Lam, 
(Taf.   1.  Fig.  2.) 

Wie  bei  den  meisten  Cephalopodenzungen ,  so  zeichnet 
sich  auch  hier  die  Mittelreihe  der  Platten  durch  ihre  dunkler 
braune  Farbe  und  geringere  Durchsichtigkeit  vor  den  übrigen 
aus.  Beides  hat  wohl  darin  seinen  Grund,  dass  diese  Platten 
aus  dickerer  Masse  bestehen  ,  als  die  übrigen  ,  und  dass  sie 
in  ihrer  Mitte  sich  stark  erhebend,  einen  ziemlich  bedeuten- 
den Kiel  bilden.  Alle  Platten  sind  mit  dem  freien  Rande 
nach  hinten  gerichtet,  wodurch  die  Vorderränder  jedesmal 
durch  den  Hinterrand  der  vorhergehenden  Platte  verdeckt 
werden,  und  somit  nur  undeutlich  zu  erkennen  sind. 


8  Troschel: 

Die  Mittelplatten  laufen  nach  hinten  in  drei  Zähne 
aus  ,  einen  mittleren  langen  ,  und  zwei  seitliche  kurze  ,  die 
nicht  völlig  die  Hälfte  der  Länge  des  mittleren  erreichen. 
Die  Buchten  zwischen  Mittelzahn  und  Seitenzähnen  sind  aus- 
gerundet; die  Seitenränder  der  Platten  sind  convex  und 
tragen  in  sanfter  Biegung  zur  Bildung  der  seitlichen  Zäh- 
ne bei. 

Die  Zwischenplatten  haben  in  der  Gestalt  viel  Aehnlich- 
keit  mit  den  Mittelplatten,  aber  sie  sind  schief  gestellt,  da- 
her nicht  symmetrisch  gestaltet  und  so  bedeutend  kleiner,  dass 
ihre  Breite  nur  wenig  mehr  als  den  dritten  Theil  der  Breite 
der  Mittelplatten  ausmacht.  Sonst  hat  der  Hinterrand  drei 
Zähne,  einen  mittlem  grösseren  und  zwei  seitliche  kleinere. 

Die  Seitenplatten  sind  sehr  verschieden,  und  lassen  un- 
ter sich  keinen  Vergleich  zu.  Die  inneren  Seitenplatten  sind 
noch  etwas  breiter  als  die  Mittelplatten ,  haben  einen  ausge- 
schweiften Vorderrand ,  und  tragen  am  Hinterrande  zwei 
Zähne.  Der  grössere  steht  auf  dem  inneren  Drittel  des  von 
seiner  Basis  nach  aussen  fast  gerade  verlaufenden  Hinter- 
randes,  der  kleinere  steht  am  Innern  Rande,  und  ist  durch 
eine  rundliche  Ausbucht  von  dem  grösseren  getrennt.  —  Die 
äusseren  Seitenplatten  sind  dornförmig,  ziemlich  stark  nach 
hinten  gekrümmt,  und  erreichen  mit  ihrer  Spitze  den  Innen- 
rand der  inneren  Seitenplatten  nicht  völlig.  An  sie  schlies- 
sen  sich  nach  aussen  bandförmige  Querstreifen  auf  der  Zun- 
genmembran. 

Octopus  Carenae  Verany. 
(Taf.  1.  Fig.  3.) 
Die  Mittelplatten  haben  mit  denen  der  vorigen  Art  sehr 
grosse  Aehnlichkeit,  nur  sind  die  Seitenränder  weniger  nach 
aussen  gebogen  und  der  Mittelzahn  ist  kräftiger  und  weni- 
ger spitz.  Dadurch  dass  die  drei  Zähne  über  den  hintern 
Rand  der  horizontal  liegenden,  mondförmigen  Plattenbasis  her- 
vorragen, tritt  bei  durchscheinendem  Lichte  die  Erscheinung 
ein,  als  wenn  jeder  Zahn  scharf  von  seiner  Platte  abgesetzt 
wäre.  Dies  ist  jedoch  nicht  der  Fall,  die  obere  Fläche  dehnt 
sich  unmittelbar  in  die  Fläche  der  Zähne  aus.  Zuweilen 
stimmt  die  scheinbare  Absalzlinie  nicht  ganz  mit  dem  Rande 
der  Plattenbasis  überein,  dann  bezeichnet  diese  Linie  die  Stelle, 


Ueber  die  Mundtheile  der  Cephalopoden.  9 

an  welcher  die  untere  Fläche  des  Zahns  von  der  Platlenbasis 
sich  erhebt;  von  der  Seite  betrachtet,  würde  man  hier  einen 
Einschnitt  zwischen  dem  Zahn  und  der  Plattenbasis  bemerken. 

Die  Zwischenplatten  sind  nicht  nur  an  Gestalt,  sondern 
auch  an  Grösse  den  Mittelplatten  sehr  ähnlich;  sie  unterschei- 
den sich  von  ihnen  durch  ihre  schiefe  Stellung,  wodurch  sie 
unsymmetrisch  werden.  Während  bei  0.  vulgaris  die  Zwi- 
schenplatten nur  etwa  dem  dritten  Theile  der  Breite  der 
Mittelplatten  gleichkommen  ,  so  übertreffen  sie  hier  dieselben 
sogar  noch  ein  wenig  an  Breite.  Hierin  liegt  ein  sehr  in  die 
Augen  fallender  specifischer  Unterschied. 

Die  Seitenplatlen  sind  auch  hier  sehr  verschieden.  Die 
inneren  Seitenplattcn  sind  breit  und  tragen  zwei  Zähne.  Der 
kleinere  steht  am  Innenrande,  der  grössere  übertrifft  ihn  an 
Länge  und  Kräftigkeit  sehr  auffallend,  ist  von  ihm  durch  eine 
runde  Ausbucht  getrennt,  und  seine  Basis  reicht  fast  bis  zur 
Hälfte  der  Breite  der  Platte.  —  Die  äusseren  Seitenplatten 
sind  dornförmig ,  lang  ,  wenig  gebogen  ,  verhältnissmässig 
länger  als  bei  der  vorigen  Art.  Auch  neben  ihnen  liegen 
nach  aussen  bandförmige  Streifen  auf  der  Zungenmembran. 

twattung'  Arg^onauta  Eiam. 

Wenngleich  immer  eine  gewisse  Aehnlichkeit  zwischen 
der  Zunge  von  Argonauta  argo ,  der  einzigen  Art ,  die  ich 
habe  untersuchen  können,  mit  denen  von  Octopus  vorhanden 
ist,  so  weicht  sie  doch  mehr  ab,  als  beide  Arten  der  genann- 
ten Gattung  unter  einander.  Als  generische  Verschiedenhei- 
ten scheinen  sich  anzudeuten  ,  so  weit  die  Vergleichung  der 
wenigen  Arten  ein  Urtheil  zulässt ,  das  Verschwinden  der 
seitlichen  Zähne  an  den  Zwischenplatten ,  und  die  ganz  ab- 
weichende Gestalt  der  inneren  Seitenplatten,  die  den  äusseren 
dornförmigen  Platten  schon  sehr  ähnlich  werden. 

Argonauta  Argo  Lam. 
(Taf.   1.  Fig.  4.) 

Die  Platten  der  Mitt.elreihe  haben  eine  vorn  ausge- 
schweifte, hinten  abgerundete^  also  im  Ganzen  mondförmige 
Basis;  von  ihr  erhebt  sich  die  Platte  so  ,  dass  ein  freier  Hin- 
terrand entsteht,  der  sich  in  einen  langen  mittlem  Dorn  aus- 


10  Tröschel: 

dehnt,  ganz  wie  bei  Octopus.  Die  Seitenzähne  dieses  Hin- 
terrandes sind  zwar  geringe,  aber  doch  vorhanden ;  am  deut- 
lichsten sind  sie  an  den  vorderen  Platten,  nach  hinten  zu 
werden  sie  allmählich  kleiner,  und  verschwinden  an  den  letz- 
ten Platten  völlig. 

Die  Zwischenplatten  haben  eine  etwa  viereckige  Basis, 
von  der  ein  etwas  nach  innen  gerichteter  grosser  dornför- 
miger  Zahn  sich  erhebt;  Seitenzähne  sind  an  diesen  Platten 
nicht  vorhanden,  wenigstens  verdient  die  vordere  und  innere 
Ecke,  die  etwa  einen  rechten  Winkel  bildet,  diese  Benennung 
nicht  mehr. 

Die  Seitenplatten  haben  beide  eine  viereckige  Basis, 
von  der  ein  Dorn  entspringt ,  der  mit  seinem  Grunde  die 
ganze  Breite  der  Plattenbasis  einnimmt.  Die  innere  Seiten- 
platte unterscheidet  sich  von  der  äusseren  nur  darin,  dass 
sie  breiter  und  ihr  Dorn  kürzer  ist. 

Oattungr  liolig^o  liam. 

In  dieser  Gattung  ist  es  mir  wieder  vergönnt,  zwei  Ar- 
ten zu  vergleichen,  da  Loven  a.  a.  0.  die  Zunge  von  L.  vul- 
garis abgebildet  hat;  L.  sagittata  habe  ich  selbst  untersuchen 
können.  Beide  stimmen  im  Folgenden  überein:  die  Mittel- 
platten  sind  breit  und  haben  nach  hinten  drei  Zähne,  von 
denen  die  äusseren  kleiner  und  ein  wenig  nach  aussen  ge- 
richtet sind;  die  Zwischenplatten  haben  keinen  Zahn  am  in- 
neren Rande;  die  Seitenplalten  sind  dornförmig. 

Loligo  sagittata  Lam. 
(Taf.   1.  Fig.  5.) 

Die  Mittelplatten  sind  viel  breiter  als  lang;  ihr  freier 
Hinterrand  läuft  in  drei  Zähne  aus  ,  von  denen  der  mittlere 
etwa  doppelt  so  lang  ist,  wie  die  seitlichen  ;  die  letzteren  sind 
etwas  nach  aussen  gerichtet.  Die  Mitlelplatte  von  L.  vulgaris 
hat  nach  Loven's   Zeichnung   einen  längeren  mittleren  Zahn. 

Die  Zwischenplalten  sind  gleichfalls  breit,  ihre  Breite 
beträgt  etwa  vier  Fünftel  der  Miltelplatten ;  sie  sind  ein  we- 
nig schief  gestellt.  Ihr  freier  Hinterrand  trägt  zwei  Zähne, 
von  denen  der  grosseste  ein  mittlerer  genannt  werden  kann, 
der  kleinere  ist  ein  äusserer;  am  inneren  Rande  steht  kein 
Zahn.    Der  innere  Rand  des  grossen  Zahnes  wendet  sich  an 


lieber  die  Mundtheile  der  Cephalopoden,  11 

der  Basis  nach  aussen  und  unten ,  um  in  die  Plattenbasis 
überzugehen;  bei  gewissem  Liclite  kann  nun  wohl  der  An- 
schein eines  kleinen  Zahnvorsprungs  entstehen,  indessen  in 
der  Wirklichkeit  ist  ein  solcher  nicht  vorhanden.  Hierdurch 
erkläre  ich  mir  die  Loven'sche  Abbildung;  dass  der  hier 
dargestellte  Vorsprung  der  Plattenbasis  angehört,  und  kein 
Zahn  ist,  geht  schon  daraus  hervor ,  dass  er  unter  der  Mit- 
telplatte verborgen  liegt. 

Die  beiden  Seitenplatten  sind  dornförmig;  die  innere 
dabei  mehr  flach  ,  breiter  und  kürzer  als  die  äussere.  An 
sie  schliessen  sich  nach  aussen  die  gewöhnlichen  Streifen 
der  Zungenmembran ,  die  jedoch  ziemlich  kurz  sind. 

Oattung^  Onyclioteutliis  I^iclitst. 

Die  Zunge  dieser  Gattung  ist  im  Verhältnisse  kleiner  als 
bei  den  übrigen  Cephalopoden,  die  nach  hinten  gerichteten 
Zähne  der  Platten  länger  und  spitzer,  und  namentlich  zeich- 
net sich  der  Zahn  der  Mittelplatte  durch  seine  linienförmige 
Schmalheit  und  Länge  aus. 

Ony  choteuthis  Bergii   Lichtst. 
(Taf.  I.  Fig.  6.) 

VTenn  man  die  Mittelplatlen  vom  vorderen  Theile  der 
Zunge  nach  hinten  verfolgt,  so  zeigt  sich  eine  allmählich 
übergehende  Verschiedenheit.  Die  vordem  Zähne  erschei- 
nen durch  den  Gebrauch  abgenutzt,  daher  mit  kurzen  abge- 
rundeten Zähnen;  die  hinteren  sind  noch  nicht  gehörig  ent- 
wickelt. Eine  Querreihe  etwas  hinter  der  Mitte  der  ganzen 
Länge  der  Zunge  wird  am  besten  den  normalen  Zustand  der 
Platten  ausdrücken. 

Die  Mittelplatten  sind  ziemlich  breit ,  vorn  ausgerundet, 
nach  hinten  trägt  der  freie  Rand  drei  Zähne,  voa  denen  die 
äusseren  sehr  klein,  spitz,  ein  wenig  nach  aussen  gewendet 
sind ,  der  mittlere  dagegen  sehr  lang  und  sehr  schmal  ist, 
so  dass  er  nadeiförmig  nach  hinten  hervorragt.  Von  seiner 
breiten  Basis  verschmälert  er  sich  schnell,  wird  dann  aber  wie- 
der um  ein  Unbedeutendes  breiter,  und  endigt  ziemlich  stumpf. 

Die  Zwischenplatten  sind  ein  wenig  schief  gelegen, 
doch  in  anderem  Sinne  als  bei  den  bisher  besprochenen  Gat- 
tungen ;   ihr  Hinterrand  blickt  etwas  nach  aussen  ,  ihr  Dorn 


12  Troschel:  lieber  die  Mundtheile  der  Cephalopoden. 

ist  gerade  nach  hinten  gerichtet.  Derselbe  ist  lang  und  kräf- 
tig, an  seinem  Grunde  ist  kaum  eine  Andeutung  von  einem 
zweiten  inneren  Zahne  vorhanden. 

Die  Seitenplalten  sind  dornförmig,  lang,  etwas  gekrümmt, 
die  inneren  und  äusseren  von  fast  gleicher  Länge.  An  der 
äusseren  habe  ich  deutlich  bemerkt,  dass  sie  auf  ihrer  un- 
leren Fläche  der  ganzen  Länge  nach  ausgehöhlt  sind  ;  sie 
stellen  einen  Kanal  dar.  Neben  ihnen  fehlen  die  Bänder  auf 
der  Zungenmembran  oder  sind  doch  nur  kaum  merklich  an- 
gedeutet. 

Gattung:  üepiola  lieacli. 

Von  Sepiola  habe  ich  die  Zunge  nicht  uniersucht ;  es 
ergiebt  sich  jedoch  aus  der  Abbildung  bei  Loven  a.  a.  0. 
von  Sepiola  Rondeletii,  dass  dieselbe  abweichend  genug  ist, 
um  eine  generische  Verschiedenheit  zu  beweisen.  Nament- 
lich sind  die  Mittelplalten  von  eigenlhümlich  lanzetlförmiger 
Gestalt.     Ich  verweise  auf  die  Abbildung. 

Oattang-  Sepia  Ijinn. 

Diese  in  so  vieler  Beziehung  interessante  Gattung  weicht 
von  allen  andern  Cephalopoden  am  auffallendsten  ab,  und 
zeichnet  sich  durch  die  Einfachheit  ihrer  Platten  aus,  von 
denen  die  Miltelplatten,  Zwischenplatten  und  inneren  Seiten- 
platten fast  gleiche  Gestalt  haben;  nur  die  äusseren  Seiten- 
platten  sind  länger,  mehr  dornförmig  und  gekrümmter.  Ich 
kenne  nur  die  Zunge  einer  Art. 

Sepia  o fficinalis  Linn. 
(Taf.   1.  Fig.  7.) 

Die  Mittelplatlen  erscheinen  als  dre  eckige  Zähne,  die 
mit  ihrer  Spize  nach  hinten  und  oben  gerichtet  sind;  ihre 
Basis  ist  ein  durchsichtigerer  elliptischer  Raum  am  vorderen 
Ende  des  Zahnes.     Die  Mittelplatten  sind  völlig  symmetrisch. 

Die  Zwischenplatten  haben  sehr  grosse  Uebereinstim- 
mung  mit  den  vorigen,  und  unterscheiden  sich  nur  durch 
eine  etwas  schiefe  Lage  ihrer  elliptischen  Plattenbasis,  und 
dadurch  entstehende  Asymmetrie  des  Zahnes. 

Noch  mehr  schief  sind  die  inneren  Seitenplatten,  sonst 
aber  gleichfalls  mit  den  Mittelplatten  übereinstimmend.  Die 
äusseren  Seitenplatten  sind  etwas  gekrümmte  Dornen ,  die 
schmaler  und  länger  sind  als  die  übrigen  Platten  dieser  Zunge. 


vCV 


Bericlitig^eiide  Motiz  über  die  Färbung: 
eiiiig^er  Fische« 

Von 
Jffaxiinilian  Prinz  zu  IWied* 


So  viel  in  der  neueren  Zeit  für  die  Ichthyologie  ge- 
»schehen  ist,  wofür  wir  vorzüglich  den  Herren  Cu  vi  er,  Va- 
lenciennes,  Johannes  Müller  und  Andern  unseren 
Dank  schuldig  sind,  so  findet  man  doch  in  den  neueren  Wer- 
ken über  diese  Thierklasse  bedeutende  Lücken  und  Irrthümer, 
besonders  in  Hinsicht  der  Färbung.  Gewöhnlich  werden  die 
Fische  nach  längst  verblichenen  Exemplaren  beschrieben,  und 
sie  behalten  alsdann  nur  noch  sehr  wenig  Aehnlichkeit  mit 
der  Natur,  auch  vernachlässigen  die  Reisenden  gar  zu  häufig 
die  genaue  Angabe  der  Farben  nach  dem  Leben.  Selbst  in 
dem  grossen  und  ausgezeichneten  Werke  von  Cuvier  und 
Valenciennes,  welches  indessen  leider  einen  grossen  Theil 
dieser  interessanten  Thiere  unberührt  lässt,  würde  man  sich 
in  Hinsicht  der  Färbung  der  Fische  häufig  vergebens  zu  un- 
terrichten streben,  und  es  ist  daher  wohl  Pflicht,  in  vorkom- 
menden Fällen,  dergleichen  Unrichtigkeiten  zu  rügen.  Hier 
nur  einige  wenige  Beispiele: 

Cybium  Caballa  Cu\.  etValenc.  hist.  nat.  d.  poiss. 
Vol.  Vlll.  p.  187.  Hier  liest  man,  dass  dieser  Fisch  (der  an 
der  Ostküste  von  Brasilien  in  der  Nähe  des  Bahia  de  todos 
OS  Santos  Sardo  genannt  wird )  „in  der  Seile  bleifarbene 
Flecke  trage." 

Bei  Mittheilung  eines  Exemplars  dieses  Fisches  an  Ba- 
ron Cuvier  war  folgende  Notiz  beigegeben,  die  aber  nicht 
benutzt  worden  ist ; 


14  Maximilian  Prinz  zu  Wied: 

„Beschreibung  der  Färbung  nach  dem  Le- 
ben: Der  Rücken  oder  die  Oberseite  dieses  schönen  Fisches 
ist  dunkel  bläulich  -  grün ,  die  Seiten  und  das  ganze  übrige 
Thier  sind  von  dem  reinsten  schönsten  Silberweiss,  mit  schö- 
nem Silberglanze;  an  jeder  Seite  des  Leibes  stehen  zu  An- 
fang drei ,  an  der  hinteren  Körperhälfte  zwei  Reihen  runder, 
goldfarbener  Flecke  von  der  Grösse  einer  Erbse  oder  etwas 
kleiner  (also  nicht  aschgrau).  Sie  stehen  am  .Vorderkörper 
unterhalb  der  Seitenlinie,  und  setzen  dann,  da  sich  jene  Li- 
nie in  der  Mitte  des  Körpers  senkt ,  am  Hinterkörper,  ober- 
halb derselben,  in  zwei  Längsreihen  fort.  Die  Flossen  dieses 
Fisches  sind  silberweiss  oder  silberfarben ,  an  ihren  Enden 
dunkelgrau ;  Brustflossen  gänzlich  schwärzlichgrau ;  Bauch- 
flossen silberweiss;  das  grosse  Auge  hat  eine  silberfarbene 
Iris.  —  Im  December  wurde  dieser  Fisch  bei  Bahia  in  Menge 
gefangen.« 

S  comb  er  scombrus,  die  gemeine  Makrele. 
Dieser  so  gemeine  Fisch  wird  in  allen  Abbildungen  falsch 
illuminirt.  Man  stellt  gewöhnlich  seine  Obertheile  schön  blau 
dar,  mit  schwarzen  Querbinden ,  und  dieses  ist  richtig,  wenn 
man  den  Fisch  nach  seinem  Tode  betrachtet.  Wenn  derselbe 
aus  dem  Meere  gezogen  wird,  so  ist  er  sehr  schön.  Seine 
Obertheile  sind  alsdann  von  einem  höchst  angenehmen,  sanf- 
ten Meergrün  mit  schwarzen  Querbinden  ,  welche  sehr  nett 
auf  dieser  Grundfarbe  abstechen.  Stirbt  das  Thier ,  so  ist 
augenblicklich  das.  schöne  Grün  in  ein  halbdunkles  Blau  ver- 
ändert, welches  alsdann  bleibt, 

Trachinotiis  pampanus  Cuv.  et  Valenc.  Tra- 
chinote  pample:  Vol.  8.  p.  416.  Dieser  Fisch  wird  in  der 
von  mir  bereisten  Gegend  von  Brasilien  Chicharro  genannt, 
und  ich  theilte  Herrn  Valenciennes  seine  weitläufige  Be- 
schreibung nach  dem  frischen  Thiere  mit,  worauf  er  aber 
gar  keine  Rücksicht  nahm.     Er  sagt  p.  416: 

„La  couleur  de  ce  poisson  dans  la  liqueur  parait  un  gris 
brunätre,  qui,  sur  le  dos,  se  change  en  brun  fonce.  Les  na- 
geoires  sont  brunes  et  sans  taches." 

Nachfolgend  die  Färbung  des  12"  langen  Fisches  nach 
dem  Leben :  Die  oberen  Theile  des  Fisches  sind  längs  dem 
Rücken  bläulich  -  aschgrau,  am  übrigen  Leibe  silberglänzend; 


Börichtig^ende  Notiz  über  die  Färbung  einiger  Figehe«  15 

Rüssel,  untere  Hälfte  der  Kiemendeckel,  Seiten  der  Brust  und 
Bauch  goldgelb  gefleckt ,  übrigens  der  Bauch  weiss  ;  Brust- 
flossen schmutzig  grünlich -aschgrau;  Bauchflossen  weiss  mit 
gelben  Strahlen;  Rückenflosse  schmutzig  grau,  die  einzeln 
davor  stehenden  Strahlen  schwärzlich ;  Afterflosse  graugelb 
mit  rein  gelbem  Saume  nach  aussen ;  Schwanzflosse  ebenfalls 
graugelb  mit  hellgelbem  Saume  am  Ende. 

Dieser  Fisch  lebt  in  dem  brasilianischen  Ocean. 

Coryphaena  equis  elis:  In  keinem  Fische  ist  aber 
wohl  die  Veränderung  grösser  als  in  dem  hier  genannten, 
der  in  dieser  Hinsicht  weder  richtig  beschrieben,  noch  ab- 
gebildet wurde.  Wenn  dieser  prachtvolle  Fisch  aus  dem  Meere 
heraufgezogen  wird,  so  ist  er  durchaus  goldfarben  und  über- 
all prachtvoll  himmelblau  schillernd,  und  auf  dieser  überaus 
reichen  Grundfarbe  sind  unzählige  ullramarinblaue  Punkte 
zerstreut.  Die  Flossen  sind  ebenfalls  von  letzterer  Farbe 
und  die  Iris  im  Auge  ist  goldblau.  Im  Absterben  wird  die- 
ser unvergleichliche  Fisch  gelb ,  und  wenn  er  präparirt  und 
getrocknet  ist,  so  tritt  an  die  Stelle  der  letzteren  Färbung  ein 
unansehnliches  Bleigrau. 

Balis  tes  vetula:  Dieser  schöne  Fisch  ist  in  seinen 
Hauptfarben  richtig  abgebildet  in  dem  zoologischen  Atlasse  der 
Reise  des  Schiff'es  Coquille  (poissons  tab.  9.  flg.  2.).  An  einem 
an  der  Ostküste  von  Brasilien  gefangenen  Exemplare  dieser  Art 
hatte  die  Schwanzflosse  eine  von  jener  Abbildung  abweichende 
Zeichnung.  Sie  war  gänzlich  dunkelgraulich- grün,  aber 
rundum  von  allen  Seilen  sehr  schön  blau  eingefasst.  Die  erste 
Rückenflosse  war  dunkelgrau,  die  zweite  schön  dunkelgrau- 
grün mit  sehr  feinen  blauen  Querlinien  durchzogen;  After- 
flosse wie  die  des  Schwanzes  ,  rundum  schön  blau  einge- 
fasst ;  Brustflossen  weisslich  ;  alle  oberen  Theile  des  Fisches 
sind  schön  blassgrün,  die  unteren  röthlich-grau,  nach  dem 
Bauche  hin  bläulich -grau;  die  grünen  Lippen  des  Mundes 
sind  sehr  schön  ultramarinblau  eingefasst,  von  der  Einfas- 
sung des  Oberkiefers  läuft  ein  starker  blauer  Streifen  bis  un- 
ter die  Brustflosse  hin,  und  über  der  letztern  läuft  ebenfalls 
ein  solcher  Streifen  bis  dicht  an  die  Flosse  heran ;  die  Stirn 
hat  sechs  feine  schön  blaue  Querbinden  ,  welche  an  ihren 
beiden  Seiten  schön  citrongelb   eingefasst  sind.     Die  blauen 


16        Maximilian  Prinz  zu  Wied:  Berichtigende  Notiz  etc. 

Linien  laufen  meistens  concentrisch  auf  das  Auge  hin,  und 
zwei  derselben  setzen  jenseits  des  Auges  noch  ein  Stück  fort, 
wo  sie  schmal  werden  und  versiegen;  zwischen  der  zweiten 
Rücken  -  und  der  Schwanzflosse  befindet  sich  ein  blauer  Fleck, 
der  einen  solchen  Streifen  abwärts  sendet,  und  auf  diese  Art 
die  schmale  Stelle  des  Körpers  vor  der  Schwanzflosse  umgiebt; 
zwischen  diesem  Streifen  und  der  Schwanzflosse  bemerkte 
man  noch  eine  blaue  feine  Linie. 

Dieser  schöne  Fisch,  der  von  Marcgrave  Guaperra 
genannt  wird,  trägt  an  der  Ostküste  von  Brasilien  weiter  süd- 
lich, den  Namen  Peruah.  Er  lebt  im  Meere  und  wird  gerö- 
stet gegessen. 

Malthea  vespertilio^Wsil,  In  der  Histoire  naturelle 
des  poissons  liest  man  Vol.  XII.  p.  2.  die  Worte:  „Tout  le 
dessus  du  poisson  parait  d'un  brun  noiratre,  le  dessous  d'un 
gris-blanc  roussatre,  les  bouts  des  pectorales  noirätres."  Hier 
die  Beschreibung  dieses  Fisches  nach  dem  Leben: 

Die  ganze  Unterseite  des  platten  Fisches  hat  eine  glatte, 
weiche,  nackte  Haut,  welche  durchaus  sehr  lebhaft  ziegelroth 
gefärbt  ist,  und  von  derselben  Farbe  sind  auch  die  Brust - 
und  ßauchflossen ,  nach  ihrer  Spitze  hin  etwas  dunkler  ge- 
färbt; die  ganze  Oberseite  des  Thiers,  so  wie  der  Kopf  und 
die  Seiten  des  Kiemenfortsatzes  dunkelgräulich -olivenbraun; 
Seiten  des  Thiers  schmutziggräulieh-olivengrün;  Iris  im  Auge 
dunkelbraun  mit  aderartiger  gelblicher  Zeichnung;  Rücken- 
flosse gefärbt  wie  der  Rücken.  —  Das  grösste  Exemplar  hielt 
11  Zoll  4  Linien  in  der  Länge. 

Bei  Villa  Vigoza  an  der  Oslküste  von  Brasilien  ist  die- 
ser Fisch  nicht  selten,  und  wird  gegessen.  Er  kommt  auch 
in  Guiana  vor,  scheint  also  über  die  Meere  der  heissen  Zone 
von  Amerika  verbreitet  zu  sein.  Bei  Vi^oza  nannte  man 
dieses  Thier  Peixe  Anjo  (Engel-Fisch). 


tleber  die  Verschiedenheiten  im  i^ftchädelbau 
der  Muiitela  Martes  und  M.  Foina. 

Von 
»r.  R.  Hensel 

in  Breslau. 
(Hierzu  Taf.  II.  Fig.  1—4.) 


In  den  Memoires  nouveaux  de  la  societe  imper.  des 
naturalistes  de  Moscou  1834.  Tom.  III.  p.  283— 298  befindet 
sich  ein  Aufsatz  von  Fischer  v.  Waldheim  „Recherches  sur 
les  ossemens  fossiles  de  laRussie,«  in  welchem  unter  andern 
Petrefacten  auch  der  fossile  Schädel  eines  iltissartigen  Thieres 
beschrieben  und  abgebildet  wird.  Giebel  citirt  in  seiner 
„Fauna  der  Vorwelt"  Beschreibung  und  Abbildung  unter  Pu- 
torius  antiquus,  doch  lässt  uns  ein  Blick  auf  die  Abbildung 
den  Schädel  einer  Mustela  und  nicht  eines  Putorius  erken- 
nen. Der  linke,  besser  erhaltene  Oberkiefer  zeigt  hinter  der 
Alveole  des  Eckzahnes  deutlich  die  des  einwurzligen  ersten 
Lückenzahnes.  Eine  darauf  folgende  längliche  Grube  möchte 
ich  als  die  verschmolzenen  Alveolen  des  2ten  aber  zweiwurzli- 
gen Lückenzahnes  deuten ;  darauf  folgen  die  getrennten  Al- 
veolen des  3len  gleichfalls  zweiwurzligen  Lückenzahnes  ;  der 
erhaltene  Reisszahn  und  der  Mahlzahn  stimmen  mit  denen  des 
Marders  in  Gestalt  und  Stellung  vollkommen  überein.  Die 
einfache  Thatsache,  dass  5  Backenzähne  vorhanden  waren, 
genügt  schon  den  Schädel  keinem  Putorius,  der  nur  4  Backen- 
zähne hat,  sondern  einer  Mustela  zuzuschreiben. 

Um  nun  die  Verwandtschaft  des  fossilen  Marders  mit 
M.  Martes  oder  M.  Foina  festzustellen,    wird   es  nölhig  sein 

Archiv  f.  Naturgasch.  XIX.  Jahrg.  1.  Bd.  2 


18  Hensel: 

die  Verschiedenheiten  im  Schädelbau  dieser  genauer  zu  er- 
mitteln. —  Keyserling  und  Blasius  sagen  in  ihrer  vortrefflichen 
„Fauna  der  Wirbelthiere  Europas"  von  dem  Schädel  der  M. 
Martes:  „die  beiden  vom  Stirnbein  nach  hinten  verlaufenden 
Leisten  vereinigen  sich  hinten  zu  einem  Kiel  u.  s.  w.  ;"  — 
von  dem  der  M.  Foina :  „sie  verlaufen  getrennt  bis  an  das 
Hinterhaupt  und  schliessen  eine  lanzettliche  Fläche  ein."  — 
Nach  den  in  meinem  Besitze  befindlichen  Marderschädeln 
kann  ich  jedoch  diese  angegebenen  Merkmale  als  charakte- 
ristisch nicht  bestätigen ,  sondern  niuss  sie  vielmehr  nur  als 
Altersverschiedenheiten  ansehen.  Denn  der  Schädel  einer 
alten  männlichen  M.  Foina  zeigt  eine  Parietal-Leiste  von  39"^"^ 
Länge,  bei  ihm  ist  also  die  Vereinigung  der  beiderseitigen 
lineae  semicirculares  sehr  bald  erfolgt;  umgekehrt  sehe  ich 
an  dem  Schädel  zweier  männlichen  bereits  erwachsenen  M. 
Maries  die  betreffenden  Linien  getrennt  bis  an  das  Hinter- 
haupt verlaufen,  und  bei  ihrer  Einmündung  in  die  Hinterhaupts- 
Leiste  noch  einen  Abstand  von  8™"^  zeigen,  nachdem  dieser 
jedoch  vorher  mehrfach  gewechselt  hat.  An  einem  dritten, 
aber  weiblichen,  und  nach  der  Abnutzung  der  Zähne  zu 
schliessen,  älteren  Schädel  von  M.  Martes,  findet  sich  eine 
Parietal  -  Leiste  von  9'""^  Länge.  Ferner  besitzt  das  hiesige 
zootomische  Museum  das  Skelet  eines  Edelmarders,  dessen 
Schädel  mit  einer  sehr  bedeutenden  Parietal-Leiste  versehen 
ist,  die  an  Länge  der  oben  von  M.  Foina  angeführten  Nichts 
nachgiebt.  Ein  junges  Individuum  von  M.  Foina,  dessen  blei- 
bendes Gebiss  noch  nicht  vollständig  ausgebildet  ist,  hat  gar 
keine  Parietal-Leiste,  sondern  die  halbkreisförmigen  Linien 
haben  bei  ihrem  Eintritt  in  die  Lambdanaht  noch  einen  Ab- 
stand von  ii"^n\  Die  angeführten  Fälle  beweisen  ohne  Zwei- 
fel, dass  das  Vorhandensein  eines  Scheitel -Kammes  beiden 
Species  zukommt,  dieser  sich  aber  erst  im  höheren  Alter  fin- 
det. Das  Aller  aber  lässt  sich  bei  den  Mustelinen  wegen  der 
frühzeitigen  Verwachsung  der  Schädeltheile  ( am  spätesten 
verwachsen  die  Nasenbeine  untereinander)  nur  sehr  ungenau 
bestimmen ,  selbst  Folgerungen  für  dasselbe  aus  der  grösse- 
ren oder  geringeren  Abnutzung  des  Gebisses  sind  sehr  un- 
zuverlässig, da  eine  vorzeitige  Abnutzung  durch  viele  Ne- 
benumstände hervorgerufen  werden  kann.  So  zwingt  ein  ge- 


Hensel:   Ueber  den  Schädel  von  Mustela  Maries  u.   Foina.       19 

wisser  Grad  des  Nahrungsmangels  die  Thiere  gegen  ihre 
sonstige  Gewohnheit  auch  die  Knochen  ihrer  Beute  zu  ver- 
zehren oder  wenigstens  zu  benagen,  was  namentlich  die  Ab- 
nutzung der  Zähne  sehr  beschleunigt.  Ist  dagegen  die  Nah- 
rung sehr  reichlich ,  so  begnügen  sich  die  Mustelinen  be- 
kanntlich mit  dem  Blute  des  Raubes  ,  oder  verzehren  höch- 
stens noch  einige  Weichtheile  desselben,  eine  Nahrungsweise, 
die  ganz  geeignet  ist ,  die  Schärfe  der  Zähne  bis  ins  hohe 
Alter  zu  bewahren.  So  hat  der  zuerst  erwähnte  Schädel 
einer  M.  Foina  ein  noch  sehr  scharfes  Gebiss,  obgleich  er 
von  einem  alten  und  grossen  Individuum  herrührt,  da  dieses 
in  einer  hiesigen  Vorstadt  lebte,  die  wegen  vieler  und  gros- 
ser Magazine  zahlreichen  Ratten  und  Mäusen  zum  Aufenthalt 
dient ,  so  dass  der  Marder  ohne  'alle  Mühe  stets  reichliche 
Nahrung  fand.  Aber  noch  ein  anderer  Umstand  lässt  die 
Abnutzung  der  Zähne  für  Altersbestimmungen  nur  mit  Vor- 
sicht anwenden.  Die  meisten  Individuen ,  wenigstens  unter 
den  Hausmardern,  werden  in  eisernen  Fallen  gefangen,  aus 
denen  sie  sich  durch  heftiges  Beissen  in  das  festhaltende 
Eisen  zu  befreien  suchen ;  dabei  brechen  gewöhnlich  die 
Spitzen  aller  Zähne  mehr  oder  weniger  weit  ab;  wird  nun 
das  gefangene  Thier  bald  aus  der  Falle  erlöst  und  getödtet, 
so  lassen  sich  die  Bruchflächen  der  Zähne  durch  ihre  Zacken 
und  Spitzen  leicht  von  den  glatten  Abnutzungsflächen  unter- 
scheiden; hat  jedoch  der  Gefangene  das  Unglück,  längere 
Zeit  in  der  Falle  bleiben  zu  müssen,  so  werden  durch  das 
fortgesetzte  und  zugleich  aus  Ermattung  immer  schwächer 
werdende  Beissen  die  Bruchflächen  der  Zähne  ziemlich  eben, 
so  dass  nun  eine  Verwechselung  mit  Abnutzungsflächen  nicht 
unmöglich  ist. 

Im  Allgemeinen  ist  der  Gesichtstheil  des  Schädels  bei  dem 
Edelmarder  gestreckter  als  bei  dem  Hausmarder,  daher  bei 
gleicher  Länge  des  Schädels  und  gleicher  Breite  des  Hinter- 
hauptes, nach  vorn  mehr  zugespitzt ,  und  länger  im  Verhält- 
niss  zum  Hinterhaupt.  Alle  charakteristischen  Verschieden- 
keiten im  Schädelbau  sind  nur  eine  Folge  des  verschiedenen 
Verhältnisses  der  Länge  zur  Breite.  Beifolgende  Maasse  kön- 
nen als  Beleg  dafür  dienen,  da  sie  von  zwei  gleich  langen 
Schädeln  genommen  sind. 


20 


Hensel: 


1)  Länge  des  Schädels  vom  untern  Rande  des 
Hinterhauptsloches  bis  zum  hintern  Rande 
der  Alveolen  der  mittlem  Schneidezähne  . 

2)  Grösste  Entfernung  der  Jochbogen  zwi- 
schen den  äussern  Seiten  gemessen  *). 

3}  Entfernung  der  foramina  infraorbitalia  zwi- 
schen den  Innern  Rändern  gemessen     .     . 

4)  Enlfernung  der  Spitzen  der  oberen  Eck- 
zähne von  einander   ........ 

5)  Grösste    Breite    aller    Schneidezähne    des 

Oberkiefers 

Die  Breite  des  Hinterhauptes    war  an  bei- 
den Schädeln  gleich. 


Foina 

75inm 

51   " 

23  V2 

13 

10 


Mart. 

75nim 

47% 
22 
11 
9 


Diese  wenigen  Angaben  werden  genügen,  um  die  spit- 
zere Gestalt  des  Schädels  derM.  Martes  darzuthun.  Eine  Folge 
dieser  Bildung  sind  mehrere  Eigenthümlichkeiten,  welche  so- 
mit conslant  sind,  und  als  specifische  Merkmale  angesehen 
werden  können.  —  Bei  dem  Hausmarder  haben  die  falschen 
Backenzähne  des  Oberkiefers  in  Folge  dessen  grösserer  Ver- 
kürzung nicht  so  viel  Raum,  um  genau  in  der  Richtung  des 
Kiefers  stehen  zu  können.  Sie  richten  sich  mit  ihrem  Vor- 
derrande mehr  nach  Innen,  so  dass  sie  einander  fast  dach- 
ziegelförmig  decken.  Bei  dem  Edelmarder  stehen  sie  genau 
in  der  Richtung  des  Kiefers.  Der  letzte  Backenzahn  ist  brei- 
ter und  kürzer  als  der  entsprechende  Zahn  des  Edelmarders. 
Seine  grösste  Länge  beträgt  in  der  Richtung  des  Kiefers  ge- 
messen 5'/2""",  bei  dem  Edelmarder  6'""\  seine  grösste  Breite 
senkrecht  auf  den  Kiefer  gemessen  fast  9""",  bei  dem  Edel- 
marder 8"^'".  Ausserdem  zeigt  die  äussere  Kante  der  Krone 
bei  dem  Hausmarder  einen  seichten  Einschnitt.     Fig.  4. 

Das  beste  Kennzeichen  liefert  die  äussere  NasenöfTnung. 
Diese  ist  bei  dem  Hausmarder  herzförmig,  bei  dem  Edelmar- 
der oval     Fig.  1. 


*)  Bei  dem  Hausmarder  ungefähr  in    der  Mitte  der  Jochbogen, 
bei  dem  Edelmarder  am  hintern  Ende  derselben. 


üeber  den  Schädel  von  Mustela  Martes  u.  Foina. 


21 


Ihr  grösster  Breitendurohmesser 
Die  Entfernung  des  Vorderrandes 
der  Nasenbeine    von  dem  Vor- 
derrande der  Alveolen  der  mit- 
telsten Schneidezähne      .     .     . 


Hausmard. 


12 


Edelmard. 


13 


Es  hat  also  der  Hausmarder  eine  verhältnissmässig  brei- 
tere und  kürzere  Nasenöffnung.  Von  der  Seite  gesehen  bil- 
det ferner  die  Ebene  der  Nasenöffnung  mit  dem  Gaumen  bei 
dem  Hausmarder  einen  stumpferen  Winkel  als  bei  dem  Edel- 
marder. Bei  diesem  ungefähr  59°,  bei  jenem  öö^.  Fig.  2. 
Eine  Folge  der  grösseren  Gestrecktheit  des  Schädels  bei  M. 
M.  ist  auch  die  ziemlich  gerade  Richtung  seines  Jochbogens, 
während  der  von  M.  F.  eine  grössere  Krümmung  macht,  Ver- 
hältnisse, die  durch  die  beigefügte  Zeichnung  deutlicher  wer- 
den.    Fig.  3. 

Dies  wären  ungefähr  die  wichtigsten  und  nicht  vom 
Alter  abhängigen  Merkmale  der  Schädel  unserer  Marder.  — 
Was  den  Unterkiefer  anbetrifft,  so  entbehrt  er  bestimmter 
charakteristischer  Merkmale,  jedoch  ist  er  bei  M.  F.  verhält- 
nissmässig kürzer  und  breiler  als  bei  M.  M. 

Wenden  wir  nun  die  gefundenen  Merkmale,  so  weit  als 
möglich,  zur  näheren  Bestimmung  des  am  Anfang  erwähnten 
fossilen  Schädels  an,  so  ergiebt  sich,  dass  dieser  weder  mit 
M.  M.  noch  mit  M.  F.  ganz  genau  übereinstimmt.  Seine  Länge, 
auf  die  schon  erwähnte  Weise  gemessen,  beträgt  84 '/j^"^", 
übertrifft  also  die  des  Haus-  oder  Edelmarders  bedeutend. 
Das  Verhältniss  dieser  Länge  zu  der  Breite  der  Schneide- 
zähne ist  genau  wie  bei  M.  F.  Wahrscheinlich  stimmt  auch 
die  Gestalt  der  äusseren  Nasenöffnung  mehr  mit  der  von  M. 
F.  überein,  obgleich  sie  etwas  niedriger  zu  sein  scheint,  doch 
ist  der  Winkel  der  Nasenöffnung  und  des  Gaumens  wie  bei 
M.  M.  Die  Gestalt  des  letzten  Backenzahns  im  Oberkiefer 
erinnert  an  M.  Martes.  So  viel  scheint  also  wenigstens  ge- 
wiss, dass  das  Petrefact  nicht  zu  Cuvier's  M.  Martes  fossilis 
gestellt  werden  kann ,  ebenso  wenig  aber  als  M.  Foina  fos- 
silis bezeichnet  werden  darf.  (Dass  der  von  Fischer  v.  W. 
abgebildete  Unterkiefer   nicht  derselben   Species    angehören 


22        Hensel:  Ueber  d.  Schädel  von  Mustela  Maries  u.  Foina. 

kann,  zeigt  schon  die  Abbildung  ohne  allen  Zweifel).  Leider 
habe  ich  weder  den  Schädel  des  Zobel  noch  die  Abbildungen 
in  Blainville's  Osteographie  vergleichen  können  ,  so  dass  ich 
nicht  zu  entscheiden  wage,  ob  eine  neue  Mustela  prisca 
gerechtfertigt  wäre.  —  Beifolgende  Abbildungen  verdanke 
ich  der  Güte  meines  Freundes  Faber. 


Erklärung   der  Abbildungen. 


Fig.  1.     NasenöfFnungen  von  vorn. 

a.  Must.  Foina.     b.  M.  Maries. 
Fig.  2.     Dieselben  von  der  Seite. 

a.  Must.  Foina.     h.  M.  Maries. 
Fig.  3.     Linker  Jochbogen. 

a.  M.  Foina.     h.  M.  Maries. 
Fig.  4.     Der  letzte  Backenzahn  des  rechten   Oberkiefers. 

a.  M.  Foina.     h.  M.  Maries. 
Sämmlliche  Figuren  sind  in  natürlicher  Grösse. 


lieber  das  Torkoniitieii  von  Uckzälineii  bei 
Cepvus  eapreoliis. 

Von 
Demselben. 

(Hierzu  Taf.  IL  Fig.  5—7.) 


Unter  den  systematischen  Unterschieden  zwischen  C. 
elaphus  und  C.  capreolus  wird  in  der  Begel  auch  das  Vor- 
kommen von  Eckzähnen  im  Oberkiefer  bei  jener  Species  und 
ihr  Fehlen  bei  dieser  als  sehr  bezeichnend  angeführt.  In 
der  That  finden  sich  nicht  bloss  bei  den  Männchen  von  C. 
elaphus  Eckzähne  conslant  und  nach  meinen  Beobachtungen 
auch  bei  den  W^eibchen,  obgleich  sie  bei  diesen  erst  im  spä- 
teren Alter  aufzutreten  pflegen,  sondern  ihr  Vorkommen  gehört 
auch  bei  C.  capreolus  zu  den  grössten  Seltenheiten.  Es  dürfte 
also  wohl  nachfolgende  Mittheilung  nicht  ganz  ungerecht- 
fertigt erscheinen.  —  Im  Laufe  dieses  Jahres  wurde  in  der 
Umgegend  von  ßrieg  ein  Rehbock  erlegt,  der  erst  vor  Kur- 
zem sein  Gehörn  abgeworfen  hatte.  Die  verhältnissmässig 
dünnen  und  langen  Rosenstöcke  deuteten  ein  Alter  von  etwa 
2  Jahren  an.  Merkwürdigerweise  enthielten  die  Oberkiefer 
Eckzähne.  Hart  an  dem  vorderen  Ende  des  Oberkiefers  be- 
fand sich  die  ziemlich  bedeutende  Alveole ,  und  zwar  so, 
dass  ihr  Vorderrand  zum  Theil  noch  vom  Zwischenkiefer  ge- 
bildet wurde  (Fig.  5).  In  ihr  befand  sich  ziemlich  lose  ein 
Eckzahn  (Fig.  6  in  natürlicher  Grösse),  der  ganz  verschie- 
den von  dem  des  Edelhirsciies,  grosse  Achnlichkeit  mit  dem 
vergänglichen  Eckzahn  des  Schweines  halte;  seine  Länge 
betrug  16""". 

Noch  seltener  als  der  angeführte  Fall  ist  der  folgende, 


24    Hensel:  üeb.  d.  York,  von  Eckzähnen  bei  Cerv.  capreolus. 

da  er  ein  weibliches  Reh  betrifft.  In  Fig.  7.  ist  der  Schnau- 
zentheil eines  weiblichen  Rehschädels  abgebildet.  Er  ge- 
hörte aller  Wahrscheinlichkeit  nach  einem  sehr  alten  Indivi- 
duum an ,  da  die  Schneidezähne  so  wie  auch  die  Backen- 
zähne, fast  bis  zu  den  Wurzeln  abgenutzt  waren.  Der  rechte 
Oberkiefer  hat  an  seinem  Vorderende  eine  Alveole ,  die  je- 
doch nicht  an  dem  unteren  Rande,  sondern,  wie  die  Abbil- 
dung zeigt,  ein  wenig  darüber  mündete.  In  ihr  steckte  ganz 
fest  ein  kleiner  Eckzahn,  dessen  Spitze  so  abgenutzt  war, 
dass  er  fast  gar  nicht  über  die  Alveole  herausragte.  Seine 
Wurzel  lag  so  dicht  in  der  Aussenfläche  des  Oberkiefers, 
dass  dieser  an  zwei  Stellen  geöffnet  war,  und  die  Wurzel 
auf  diese  Weise  an  zwei  Stellen  sichtbar  wurde;  an  der 
letzten  Oeffnung  war  das  Wurzelende  befindlich.  Der  linke 
Oberkiefer  zeigte  keine  Spur  einer  Alveole  oder  eines  Eck- 
zahnes. Im  Zusammenhange  damit  schien  eine  andere  Ei- 
genthümlichkeit  zu  stehen.  Der  linke  Stirnhöcker  war  etwas 
stärker  als  gewöhnlich  bei  Ricken  entwickelt ,  wich  jedoch 
nicht  von  der  bekannten  Form  ab,  der  rechte  Stirnhöcker  da- 
gegen war  fast  doppelt  so  hoch  wie  der  linke,  und  spitzte 
sich  auch  noch  auffallend  zu,  als  sei  er  im  Begriffe  gewe- 
sen sich  zu  einem  kleinen  Rosenstock  auszubilden.  Vielleicht 
haben  gehörnte  Ricken  auch  ausgebildete  Eckzähne,  obgleich 
die  Beschreibungen  deren  nicht  Erwähnung  thun. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Fig.  5.     Vom  Rehbock  (in   natürlicher  Grösse). 

Fig.  6.     Dessen    Eckzahn    der    rechten    Seite     (in     natürlicher 

Grösse). 
Fig.  7.     Von  der  Ricke  (in  natürlicher  Grösse). 


Beitrag'  zur  Mikroinainfnaloglo  des  itiitt- 
lerii  Fiiiiilaiids. 

Von 

Carl  liundalil. 

(Vorgetragen  am  10.  Novbr.    1851   in  der  Gesellschaft  der  Wissen. 
Schäften  zu   Helsingfors). 

Aus  dem   Schwedischen  übersetzt. 

Von 

Vriedr.  Creplint 


Vesperlüio  (  Vesperus^  borealis  N  i  I  s  s.  ist  die  gemeinste 
und  anfi  weitesten  verbreitete  von  allen  Finnländischen  Fle- 
dernriäusen  und  scheint  sehr  hoch  nach  Norden  hinauf  zu 
gehen.  In  Helsingfors  ist  sie  nicht  selten ,  und  aus  Torneä 
habe  ich  Exemplare  von  ihr  erhalten.  In  der  Umgegend  von 
Tammerfors  kommt  sie  in  so  grosser  Menge  vor  ,  dass  ich 
während  eines  einzigen  Sommers  (1850)  im  Stande  gewe- 
sen bin,  des  Abends  über  50  Exemplare  todtzuschlagen.  Auf 
Hausböden  und  in  Vorrathshäusern  habe  ich  sie  am  Tage 
hangen  sehen.  Kurz  nach  Untergang  und  vor  Aufgang  der 
Sonne  fliegt  sie,  gewöhnlich  sehr  niedrig,  eine  oder  andert- 
halb Stunden  herum  und  zwischen  Gebäuden  ,  wo  ich  auch 
alle  meine  Exemplare  todtgeschlagen  habe.  Den  dunkelsten 
Theil  der  Nacht  scheint  sie  auf  Bäumen  zuzubringen.  Ich 
habe  oft  zur  Nachtzeit,  durch  ein  eigenthümliches  Zwitschern 
geleitet,  mit  einer  Leuchte  diese  Thiere  auf  einem  Baume  bei 
Häusern  überrascht ,  wo  ich  sie  an  einem  Aste  bisweilen  zu 
5 — 6  Individuen  neben  einander,  hangend  fand. 

Vespertilio  iVesperus}  c?«sco/or  N a 1 1.  et  Auct.  (==  Vesp> 


26  Lundahl: 

murinus  Nilss.)-*  Von  dieser  Art  erschlug  ich  im  August 
1834  in  einem  Garten  in  Tammerfors  6  Exemplare ,  von 
denen  ich  noch  einen  Balg  und  einen  Schädel  vorzeigen  kann. 

Vespertüio  mystacinus  Leisl.  ist  im  mittlem  Finnland 
sehr  gemein  und  nächst  Vesp.  borealis  die  gemeinste  Fle- 
dermaus. Sie  scheint  hier  bei  uns  die  Stelle  des  Vespertilio 
Pipistrellus  zu  vertreten,  welcher  nach  Nilsson  in  Schwe- 
den gemein ,  in  Finnland  aber ,  meines  Wissens  ,  noch  nicht 
angetroffen  worden  ist.  Ich  habe  sie  bei  Tage,  sowohl  auf 
Hausböden,  als  in  hohlen  Bäumen  am  Strande  gefunden.  Des 
Abends  kann  man  sie  oft  in  Menge  todtschlagen.  Sie  fliegt 
dann  an  denselben  Stellen,  wie  Vesp.  borealis,  doch  am  lieb- 
sten in  der  Nähe  von  Wasser.  Dennoch  scheint  sie  das  Was- 
ser nicht  so  ausschliesslich  zu  lieben,  als 

Vespertilio  Daubentonii  Leisl,  welcher  in  den  Gegen- 
den um  Helsingfors  in  grösster  Menge  über  Teichen  und  klei- 
neren Wasserläufen  fliegend  angetroffen  wird  ,  im  mittleren 
Finnland  dagegen  sehr  selten  ist. 

Plecotus  auritus  L  ,  selten.  —  Ein  paarmal  ist  es  mir 
möglich  gewesen,  Individuen  dieser  Art  in  der  Gefangenschaft 
sehr  lange  am  Leben  zu  erhalten  und  sie  zu  zähmen ,  wel- 
ches mir  bei  anderen  Fledermäusen  nicht  gelungen  ist. 

Sorex  vulgaris  L.,  gemein. 

Sorex  pygmaeus  ? a\\.,  nicht  allzu  selten.  Man  trilTt  ihn 
in  Garbenhaufen  auf  Aeckern  in  Gesellschaft  von  Articola  agre-- 
stis  an. 

Sorex  iCrossopiis)  fodie7is  ?  üU.,  sehr  selten.  Das  Ske- 
ett  des  einzigen,  mir  vor  vielen  Jahren  zu  Theile  geworde- 
nen Exemplars  befindet  sich  in  der  anatomischen  Sammlung  der 
Universität  [Abo],  i) 


1)  Talpa  europaea  L.  ist,  so  viel  ich  weiss,  im  mittlem  Finn- 
land bis  jetzt  nicht  gefunden  worden ;  seitdem  ich  aber  Exemplare  aus 
dem  südlichen  Finnland,  wie  auch  weit  hinauf  aus  Karelen  gesehen 
habe,  zweifle  ich  gar  nicht  an  ihrem  Vorkommen  hier.  —  Der  fin- 
nische Käme  des  Maulwurfs,  Müürä  ,  ist  indessen  in  unseren  Gegen- 
den an  den  Hypudaeus  amphibius  vergeben  worden. 

Erinaceits  europaeus  L.,  welcher  auf  Aland  nicht  selten  ist,  auch 
hier  und  da  an  der  südlichen  Küste  von  Finnland  angetroffen  wird, 
dürfte  wohl  li?ium  die  nördliche  Gränze  von  Nyland  überschreiten. 


Beitrag  zur  Mikromammalogie  des  mittlem  Finnlands.        27 

Lemmus  (Eypudaeus)  amphibius  L.  Oefter,  als  die  schwarze 
Varietät,  kommt  bei  uns  die  braune  vor.  Individuen  der  er- 
stem habe  ich  einigemal  auf  Bächen  und  grösseren  Wasser- 
gräben in  Sümpfen  erschossen,  die  der  andern  sehr  oft  in 
und  bei  ihren  Gängen ,  sowohl  an  niedrigen  Stellen  und  am 
Strande,  als  auch  auf  hochgelegenen  Aeckern  ,  doch  immer 
in  der  Nachbarschaft  von  Wasser  angetroffen.  Unsere  Ex- 
emplare von  dieser  Abart  haben  gewöhnlich  an  den  unteren 
Körpertheilen  einen  stark  rostbraunen  Anstrich.  Bisweilen 
geht  dieser  in  rothgelb  über,  und  dann  gleicht  das  Thier  im 
Aeussern  Exemplaren  des  Hypudaeus  terrester  Herrn,  aus  der 
Schweiz. 

Lemmus  (^Hypudaeus)  glareoliis  Schreb.   und 
Lemmus  {Hypudaeus)  rutilus  Fall,  sind  in  Knopio  von 
Hrn.  W.  V.  Wright  gefangen  worden.      Mir   ist    es  bisher 
nicht  geglückt,  diese  Arten  zu  finden. 

Lemmus  (^Armcola)  ogrestis  kommt ,  besonders  in  ge- 
wissen Jahren,  in  ungeheurer  Menge  auf  den  Aeckern  vor, 
auf  denen  man  im  Herbste  überall  sein  rundes,  aus  fein  zer- 
bissenem Stroh  verfertigtes  Nest  unter  den  Garbenhaufen  an- 
trifft. Früher  im  Sommer  findet  man  ihn  mit  seinen  Jungen 
in  Gängen,  welche  er  unter  der  Erdoberfläche  auf  den  Ae- 
ckern oder  in  denBülten  der  Sümpfe  ausgegraben  hat.  Diese 
Art  variirt  hier  sehr,  so  wie  in  Schweden,  (s.  Skandinav.  Fauna, 
L,  S.  368.),  nicht  allein  in  der  Farbe ,  sondern  auch  in  der 
Länge  des  Schwanzes.  0  Es  finden  sich  oft  weisse  Flecke 
an  verschiedenen  Körpertheilen.  So  fand  ich  in  diesem  Som- 
mer in  einem  Nest  ein  Weibchen  und  ein  Männchen  nebst  5 
dritthalb  Zoll  langen  Jungen,  welche  alle  einen  kleinen  keil- 
förmigen weissen  Fleck  mitten  auf  dem  Rücken  hatten.  ^) 


1)  Z.  B.  ein  Weibchen  mit  sträubigem,  oben  schwarzem  und 
unten  weissem  Haarbusch  an  dem  l'/jj"  langen  Schwänze,  und  ein 
anderes,  —  das  rothgelbste,  welches  ich  gesehen  habe  —  von  4"  Länge 
mit  einem  nur  ^q"  langen  Schwänze,  ergaben  sich  beide,  beim  Un- 
tersuchen des  Zahnbaues,  als  dieser  Art  angehörend.  Ich  besitze  sie 
in  meiner  Sammlung. 

2)  Als  eine  Merkwürdigkeit  erwähne  ich  eines  Exemplars  von 
Lemmus  agrestis ,  welches  an  Grösse  alle  anderen  übertraf,  die  ich 
von  dieser  Art  gesehen  habe.  Der  Körper  war  ^^\\j,  und  der  Schwanz 


28  Liindahl: 

Lemmus  (Myodes)  schisticolor  L  i  1  Ij  e  b.  ist  vom  Hrn. 
Protokollsecretär  V.  Falck  bei  Helsingfors  und  vom  Hrn.  W. 
V.  Wright  bei  Knopio  gefangen  worden. 

Mus  Rattus  L.  findet  sich  in  Menge  in  den  weiter  land- 
einwärtsliegcnden  Oertern.  In  den  meisten  Seeörtern  ist  er 
dagegen  von  M.  decumamis  Fall,  schon  verdrängt  worden. — 
Man  findet  oft  weisse  Varietäten  mit  rothen  Augen;  auch 
scheinen  solche  erblich  zu  sein;  denn  man  trifft  mehrere 
Decennien  hindurch  dergleichen  Individuen  in  gewissen  Häu- 
sern an. 

Mus  sihaticus  L.  Sowohl  die  rostbraune,  als  die  graue, 
Varietät  kommt  bei  uns  vor.  Durch  meine  Erfahrung  kann 
ich  die  Behauptung  nicht  bestätigen,  dass  die  erstere  eine 
Winter-,  die  andere  eine  Sommertracht  sei.  Ich  habe  zwar 
im  Winter  keine  grauen  Exemplare  gefunden,  dagegen  aber 
oft  (und  zuletzt  diesen  Sommer)  im  Julius  und  August  rost- 
braune ,  deren  Balg  ich  noch  vorzeigen  kann.  Selten  dürf- 
ten Individuen  von  derselben  hellen,  gelbrothen  Farbe  sein  , 
welche  man  an  erwachsenen  Exemplaren  von  M.  minutus  sieht. 
Zwei  solche  fing  ich  vor  vielen  Jahren  im  Julius  in  einem 
Garten  ,  besitze  jetzt  aber  nur  noch  ein  Skelett  von  ihnen. 
Eine  Verschiedenheit  zwischen  diesem  und  Skeletten  von  der 
grauen  Abart  habe  ich  nicht  entdecken  können.  —  Ueber 
das  Vorkommen  schöner,  grosser,  gelbrotlier  Ratten  habe 
ich  auch  bisweilen  andere,  glaubwürdige  Personen  sprechen 
hören  '). 

Mus  Musculus  L.  Die  beiden  in  der  Skandinavisk  Fn. 
(I.  S.  350.)  beschriebenen  Farbenvarietäten  kommen  in  Menge 
vor.  Die  graue  habe  ich  ausschliesslich  in  Städten  in  den 
Häusern  und  die  andere,  gelbliche  (Var.  B.  Nilss.  =  Mus 
islandicus  Thien.^  meistens  auf  dem  Felde  gefunden. 

Mus  minutus  Fall,  scheint  in  diesen  Jahren  die  Absicht 
zu  haben  ,   in  grossen  Schaaren  in   Finnland  einzuwandern. 


ly^"   lang.      Das  Thier  ward  am   28.    Aug.    1850   gefangen,    war  ein 
Weibchen,   und  steht  bei  mir  noch   in  Weingeist  aufbewahrt. 

1)  Ich  besitze  ein  ungewöhnlich  grosses  Männchen  von  dieser 
Art,  welches  am  12.  .Tulius  1848  gefangen  ward.  Der  Körper  ist  4*/^ 
und  der  Schwanz  iy^  gchwed.  Zoll  lang.  Die  Farbe  desThiers  war  grau. 


Beitrag  zur  Milcromammalogie  des  mittlem  Finnlands.        29 

Im  Jahr  1845  im  August  sah  ich  im  Kirchspiele  Birkkala  die 
erste  rothe  Maus  (Hr.  W.  v.  Wright  hatte  vorher  diese  Art 
in  der  Gegend  von  Knopio  bekommen)  und  im  Jahre  1850 
—  welches  auch  ein  „rechtes  Mäusejahr«,  wie  der  gemeine 
Mann  sagt ,  war ,  konnte  ich  jeden  Vormittag,  wenn  ich  auf 
Aecker  hinausging,  von  denen  Garbenhaufen  weggebracht 
wurden,  40  bis  70  Individuen  von  Mus  minutus,  meistens  je- 
doch nur  junge,  bekommen.  Diese  haben  auf  den  ersten  An- 
blick viel  Aehnlichkeit  mit  den  Jungen  von  Mus  Musculus. 
Es  findet  sich  noch  keine  Spur  von  der  hübschen  gelbrothen 
Farbe;  der  Mantel  ist  bei  den  Zwergmäusen,  welche  sogar 
eine  Körperlänge  von  beinahe  2V2"  erreicht  haben,  noch 
ganz  und  gar  schwarzgrau,  mit  undeutlich  gelblicher  Farben- 
gränze ;  der  Bauch  ist  nicht  rein  weiss,  und  die  Beine  sind 
dunkel,  bei  kleineren  Jungen  selbst  schwärzlich.  Doch  kann 
man  diese  Art  stets  an  dem  verhältnissmässig  kleineren  Kopf, 
an  den  kleinen  abgerundeten  oder  ,  richtiger  ,  abgestutzten 
Ohren,  ferner  an  dem  auf  eine  eigne  Weise  geringelten 
Schwanz  erkennen,  welcher  so  charakteristisch  ist,  dass  man 
wenn  man  ihn  einmal  gesehen  hat,  an  ihm  allein  die  klein- 
sten Jungen  von  M.  minutus  von  den  Jungen  des  M.  Mus- 
culus unterscheiden  kann.  Das  erwachsene  Thier  steht  da- 
gegen von  verschiedenen  Schriftstellern  in  vielen  Werken  be- 
schrieben, von  denen  ich  besonders  auf  die  Etudes  de  Mi- 
cromammalogie  von  E.  d  e  S  ely  s -Longcha  m  ps  p.68.,  in 
dieser  Hinsicht  verweisen  möchte,  bei  welcher  Beschreibung 
ich  sonst  Nichts  zu  bemerken  habe,  als  dass  die  Haarbeklei- 
dung der  Beine  nicht  ganz  und  gar  gelb ,  sondern  stets  mit 
mehrerm  oder  wenigerm  Weiss  besprengt  ist.  —  Wie  Pal- 
las an  den  sibirischen,  sah  ich  auch  an  den  finnischen  Ex- 
emplaren den  Schwanz  ansehnlich  kürzer,  als  der  Körper'). 
M.  minutus  ist  in  Schweden  noch  nicht  gefunden  worden  und 


4)  Von  den  vielen  Ausmessungen,  welche  ich  an  Individuen 
dieser  Art  vorgenommen  habe,  will  ich  nur  die  folgenden  erwähnen: 
Trächtiges  ^  gef.  am  28.  Aug.   Körperl.  2%,  Schwanz  ^Ys"  Schwed. 

-     1%     - 


<? 

—     —24.   Septbr.     -^ 

■i%, 

— 

Junges 

_     __  14.       —        — 

2, 

— 

— 

—     ~  20.  August     — 

l'A 

— 

—       1 


78 


1%    - 


30^  Lundahl: 

aus  der  Ursache  in  der  Skandinavisk  Fauna  nur  mit  Hinzu- 
fügung einer  kurzen  Diagnose  genannt  worden.  Da  man 
aber  auch  in  anderen  Handbüchern  und  Localfaunen  vergebens 
nach  einer  Beschreibung  des  Skelettes  dieses  Thieres  sucht,  so 
halte  ich  mich  für  verpflichtet,  hier  w^enigstens  einiger  Un- 
terschiede zwischen  den  Schädeln  dieses  Thiers  und  des  M. 
Musculus  zu  erwähnen,  mit  welchem  es  am  leichtesten  ver- 
wechselt werden  kann.  Die  Antlitzgegend  ist  im  Verhält- 
nisse zur  Hirnschale  viel  kleiner  ,  als  bei  unseren  übrigen 
Mäusen,  und  die  vordere  Hälfte  der  letztern  ist  stark  an- 
geschwollen, wie  es  einige  hier  folgende  Längen  -  und  Brei- 
tenverhältnisse ausweisen.  Länge  des  Schädels  beträgt  öy^ 
— 6  Linien  (oder  Achlelzoll)  schwed. ,  wovon  der  Abstand 
der  Schnauzenspitze  vom  Jochforlsatze  des  Kinnbackens  iV4"' 
ausmacht ,  Breite  desselben  mitten  über  den  Scheitelbeinen 
3'";  Abst-and  beider  Enden  der  Kranznaht  querüber  S'/,'", 
zwischen  den  Augenhöhlen  1'".  —  Das  Zwischenscheitelbein 
ist  im  Verhältnisse  zur  Grösse  des  Schädels  überall ,  beson- 
ders aber  an  den  Seiten,  viel  länger,  als  he\M.  silvaticus;  sein 
Vorder-  und  Hinterrand  sind  gleich  lang,  fast  parallel,  die 
Seitenränder  abgerundet.  Eine  bedeutende  Spitze  findet  sich 
an  seinem  Vorderrande  nicht.  Die  Kranznaht  ist  auch  we- 
niger gebogen,  als  bei  den  übrigen  Arten,  und  oben  auf  der 
Mitte  fast  gerade,  welches  Alles  dazu  beiträgt,  dass  die  Pfeil- 
naht viel  bedeutend  länger  ist,  als  bei  dem  grössern  M.  Mus- 
culus. Am  Ende  der  Kranznaht  entspringt  kein  spitziger  Fort- 
salz, weder  aus  dem  Scheitel,  noch  aus  dem  Stirnbeine.  Am 
Jochbogen  ist,  wie  bei  M.  Musculus  ,  die  flache  Seite  nach 
aussen  gekehrt,  ist  aber  am  breitesten,  nicht  an  der  Wurzel, 
sondern  am  Ende  seines  vordem  Drittels.  Die  Foramina  pa- 
latina  et  magnum  verhalten  sich  wie  bei  M.  silvaticus ;,  wel- 
chem diese  Art  weit  näher ,  als  dem  M.  Musculus ,  steht.  — 
Sowohl  der  erste,  als  der  andere  Backenzahn  im  Oberkiefer 
ist ,  wie  bei  M.  silvaticus  ,  mit  drei  deutlichen  Höckern  an 
der  Innern  Seite  der  mittlem  grossen  Höckerreihe  versehen. 
Wie  schon  erwähnt  kommt  die  Zwergmaus  in  der  Ge- 
gend von  Tammerfors  in  grösster  Menge  vor.  Sie  ist  völlig 
so  gemein  wie  Arvicola  agrestis,  mit  welchem  sie  allenthal- 
J)en  zusammen  lebt.     Unzählige  Male  habe   ich  diese  beiden 


Beitrag  zur  Mikromammalogie  des  mittlem  Finnlands.  31 

Thiere  in  ein  und  demselben  Garbenhaufen,  unter  demselben 
Erbsenstroh,  in  denselben  Sumpfgegenden  u.  s.  w.  angetrof- 
fen. Ihr  Nest  habe  ich  mehr  als  einmal  in  Garbenhaufen  auf 
den  Aockern  gefunden.  Es  gleicht  vollkommen  dem  des  Ar- 
vicola  agrestis,  ist  aber  bedeutend  kleiner  und  liegt  nicht 
unter  den  Garben,  sondern  in  denselben,  einen  oder  einige 
Fuss  hoch  über  der  Erdoberfläche.  In  den  Nestern  fand  ich 
6  oder  7  Junge.  Diese  sind,  wenn  sie  geboren  werden,  im 
Verhältnisse  zur  Mutter  sehr  gross.  In  einem  trächtigen 
Weibchen  fand  ich  7  fast  voll  ausgetragene  Fötus,  welche 
2/3"  lang  waren,  den  Schwanz  ungerechnet.  ') 

Sminihus  beiuUnus  Fall.  (=  Sm.  loriger  Nor  dm.  = 
Sm.  Nordmamii  Keys,  et  Blas.)  O-  Diese  ausgezeichnet 
schöne  Maus  scheint  immer  gemeiner  in  Europa  zu  werden. 
Prof.  V. Nordmann  erhielt  sie  in  Menge  im  südlichen  Russ- 
land, und  Prof.  Nilsson  beschrieb  (Skand.  Fn.I.p.  333.)  Ex- 
emplare aus  dem  südlichen  Schweden.  In  den  Umgegenden 
von  Tammersfors  habe  ich  im  Verlaufe  zweier  Herbste  (1850 
und  1851),  im  Seplbr.  und  Octbr.  ausser  einer  Menge  jünge- 
rer, 5  erwachsene  Individuen,  fast  alle  von  verschiedenen 
Stellen  her,  aber  immer  aus  Birkenwäldern  in  der  nächsten 
Nahe  irgend  eines  Waldsees  oder  Baches,  erhallen.  Ich 
fand  zwar  auch  ein  Exemplar  unter  einem  Garbenhaufen  auf 
einem  kleinen  Haferfelde;  dieses  aber  war  von  Birkenwald 
umgeben.  Die  übrigen  ertappte  ich,  als  sie  aufZvvergbirken 
ganz  nahe  an  einem  Wasser  kletterten.  Sie  lassen  sich  ohne 
besondere  Schwierigkeit  mit  den  blossen  Händen   greifen.  3) 


1)  Durch  die  Freigebigkeit  des  Hrn.  Staatsr.  Prof.  v.  Kord- 
mann  bin  ich  in  den  Besitz  zweier  Exemplare  von  M.  mimihts  ge- 
kommen, welche  bei  Ljubor  in  Podolien  aufgcgriften  worden  sind. 
Einige  weniger  bedeutende  Verschiedenheiten  übergehend,  will  ich 
bloss  erwähnen,  dass  der  Schwanz  bei  diesen  weit  dichter  haarbedeckt 
ist,  als  bei  den  Finnischen;  was  aber  den  Zahnbau  und  die  ganze 
Schädelbildung  betrifl't,  so  stimmen  sie  in  diesen  ganz  mit  unseren 
Exemplaren  überein. 

2)  Nach  des  Hrn.  v.  Nordmann  eigener  Versicherung.  — 
Keyserling  und  Blasius  haben  (Die  Wirbelth.  Europa's,  I.  S.38.) 
unrichtig  den  Schwanz  zu  kurz  angegeben. 

3)  Die  Ursache  dieser  ihrer  Unbehülflichkeit  später  im  Herbste 


32  L  u  n  d  a  h  1 : 

Ihr  Nest  habe  ich  nicht  gefunden.  Uebrigens  weiss  ich  von 
ihrer  Lebensart  nur,  dass  sie  am  Tage  mehr  als  unsre  übri- 
gen Mäusearten  in  Bewegung  zu  sein  scheinen  und  dass  sie 
sich  hauptsächlich  von  Vegetabilien  ernähren.  In  ihrem 
Darmcanale,  welchen  ich  allemal  untersucht,  habe  ich  bloss 
fein  zerkaute  Pflanzentheile  gefunden. 

Die  mir  zuTheile  gewordenen  Exemplare  zeigen  einige 
Verschiedenheiten  von  der  Beschreibung  ,  welche  Nilsson 
(a.a.O.)  vom  Sm.  betulinus  gegeben  hat.  Die  wichtigsten 
derselben  kann  ich  nicht  unterlassen  hier  mit  einigen  Worten 
zu  erwähnen ,  besonders  da  sie  conslant  zu  sein  scheinen. 
Erstlich  beginnt  bei  allen  meinen  Exemplaren  der  schwarze 
Rückenstreif  nicht  über  den  Schullerblättern,  sondern  schon 
vorn  mitten  auf  der  Stirn.  Er  ist  freilich  etwas  blässer  vor 
als  hinter  den  Schultern,  kann  aber  doch  dort  keineswe- 
ges  übersehen  werden  ,  besonders  da  er  auf  der  Stirn  am 
breitesten  ist  und  dann  in  einer  Fortsetzung  gleichbreit  nach 
hinten  läuft,  bis  er  über  dem  Becken  wieder  etwas  an  Breite 
zunimmt.  Zweitens  sagt  Nilsson,  die  Füsse  seien  bei 
Sm.  betulinus  bis  zum  Fersengelenke,  („ända  tili  hasleden«) 
ganz  nackt.  An  allen  meinen  Exemplaren  sind  sie  dagegen 
dünn  bedeckt  mit  knapp  anliegenden,  glänzenden ,  ziemlich 
langen  Haaren,  welche  sowohl  an  den  Zehen  der  Vorder- 
füsse ,  als  der  Hinterfüsse ,  bis  über  die  Krallen  hinaus  rei- 
chen. Sie  sind  auf  allen  Zehen  ganz  weiss,  auf  den  Tatzen 
entweder  ganz  und  gar  weiss  ,  oder  auch  an  den  Spitzen 
theils  gelb,  theils  schwärzlich,  und  am  dunkelsten  auf  der 
äussern  Seite  der  Hinterbeine.  Je  älter  das  Thier  ist,  desto 
weisser  sind  die  Beine.  0     I^ie  Sohlen   sind  nackt.     Drit- 


schreibe  ich  vorzüglich  ihrer  Ungeheuern  Fettigkeit  zu.  Die  beiden 
fettesten,  beide  Männchen,  waren  last  kugelrund  von  Körper.  Als  sie 
todt  und  auf  ein  Brett  gelegt  worden  waren,  lagen  sie  da  wie  eine 
Teigmasse,  mochte  ich  sie  auch  wenden  auf  welche  Seite  ich  wollte. 
1)  Dies,  glaube  ich,  ist  das  "Verhalten  bei  den  meisten  unserer 
Mäusearten  ,  und  dass  dieses  Blässerwerden  mit  dem  Alter  sich  nicht 
bloss  auf  die  Haarbekleidung  der  Beine,  sondern  auch  auf  die  der  Haut, 
erstrecke,  kann  man  am  deutlichsten  an  M.  silvalicus  und  M.  minutus 
beobachten.  Von  der  erstem  Art  habe  ich  z.  B.  ein  paarmal  Indivi- 
duen gefunden,  bei  denen  entweder  alle,  oder  einige  der  in  derSkand. 


Beitrag  eup  Mikromammalogie  des  mittlem  Finnlands.  33 

tens  ist  der  Schwanz  bei  meinen  Exemplaren  kürzer,  im 
Verhältnisse  zum  Körper  ,  als  N  i  1  s  s  o  n  ihn  angiebt.  Der 
Körper  meiner  erwachsenen  Ex.  niaass  2y8  bis  Syg  und  der 
Schwanz  ungefähr  S'/^"  schwed.  M.  0 

Das  erwachsene  Thier  ist  oben  strohgelb  mit  eingestreu- 
ten schwarzen  Grannhaaren.  Der  Rückenstreif  ist  schon  oben 
beschrieben.  Die  unteren  Körpertheile  sind  aschgrau  mit  mehr 
oder  weniger  starkem  ,  rothgelbem  Anstriche,  welcher  ge- 
wöhnlich am  stärksten  auf  der  Brust  und  um  den  After  ist. 
Die  Ohren  sind  klein  und  spitzig.  Der  Schwanz  ist  dicht 
haarbekleidet,  oben  dunkel-,  unten  heller  grau.  Sein  Schup- 
penreihen sind  an  der  Zahl  160—170.  ^} 


Fn.,I.  S.347.  erwähnten  schwarzen  Höcker  unter  dem  Tarsus  ebenso 
hell  waren,  wie  die  Sohle.  Beim  Untersuchen  des  Skeletts  erwie- 
sen scharf  markirte  Ansatzstellen  der  Muskeln,  lange  Fortsätze  und 
abgenutzte  Zähne  ,  dass  die  Individuen  sehr  alt  gewesen  waren.  — 
Ausserdem  haben  viele  andere  ähnliche  Fälle  mich  überzeugt ,  dass 
das  Blasswerden  der  Beine  bei  unseren  Mäusen  nicht  demCretinismus 
oder  irgend  einer  andern  Zufälligkeit  zuzuschreiben  sei,  sondern  dass 
es  auf  dem  Alter  der  Thiere  beruhe, 

1)  In  Sibirien  scheint  diese  Art  nicht  dieselbe  Grösse,  wie  im 
Worden  von  Europa,  zu  erreichen.  Pallas  giebt  (Novae  spec.  qua- 
drup.  e  glir.  ord.p.  334.)  dieKörperJänge  zu  2"3y.j,"'  und  die  Schwanz- 
länge zu  3"  2y4'"  engl.M.  an  —  ein  mit  dem  der  finnischen  Ex.  über- 
einstimmendes Verhalten. 

2)  Keyserling  und  Blasius  haben  unrichtig  140  gezählt 
(s.  oben.)  —  Nordmann  hat  die  Güte  gehabt,  mir  sowohl  Häute, 
als  auch  Schädel  von  Sm.  belulinus  aus  der  Gegend  von  Wosnesensk 
zuzusenden.  Sie  stimmen  überall  mit  den  finnischen  Ex.  überein,  auch 
darin,  dass  der  Rückenstreif  vorn  auf  der  Stirn  anfängt.  Bei  einem , 
zu  einer  andern  Jahreszeit  (im  Anfange  des  Aprils)  eingefangenen  Ex. 
kommt  jedoch  die  Verschiedenheit  vor,  dass  die  Grundfarbe  des  Man- 
tels rothgelb  ist  und  dass  die  schwarzen  Haare  an  den  Seiten  sehr 
dicht  stehen  und  grosse  Flecken  oder  Querwellen  bilden,  welche  be- 
sonders auf  den  Lenden  zusammenlaufen  —  ein  Umstand,  welcher  die 
Vermuthung  des  Barons  v.  Düben  und  einiger  anderer  Schriftsteller 
zu  bestätigen  scheint,  dassJWws  betulinus  und  M.  vagus  Fall,  identisch 
seien.  Von  der  erstem  Art  sagt  Pallas  (a.a.O.):  „Vellus  supra 
totum  griseo-ferrugineum,  pilis  paucissimis,  fuscescentibus  inspersum  ;" 
und  von  der  letztern:  „Color  supra  pallido -cinereus,  pilis  nigri» 
mixtus  et  quasi  undulatus.« 

Archiv  f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  1.  Bd.  3 


34  '  XuttdaKl:   Beitrag  zur  MikronMtniiklälogie  ettfJ  '^ 

Im  Uebrigen  stimmen  die  finnischen  Exemplare  sowohl 
hinsichtlich  des  Aeussern  ,  als  auch  der^chädelbildung,  mit 
der  oben  angeführten  Beschreibung  des  Sm.  behilimis  von  Nils- 
s  0  n  überein ,  in  welcher  dieser  vortreffliche  Unterschei- 
dungsmerkmale zwischen  den  Schädeln  dieses  Thieres  und 
unserer  übrigen  kleineren  Mäuse  liefert ,  und  auf  dessen 
Buch  ich  hier,  wie  überall,  hinweisen  muss.  Da  aber  Nils- 
son  nur  zu  jüngeren  Ex.  Zugang  gehabt  zu  haben  scheint, 
so  muss  ich  bemerken ,  dass  die  Schädel  älterer  Individuen 
eine  sehr  scharfe  Kante  zwischen  der  Stirn  und  der  Schlä- 
fengrube und  eine  (nicht  bloss  relativ)  eben  so  breite  Schnauze, 
wie  der  Schädel  des  M.  Musculus^  besitzen.  Was  die  Be- 
schreibung des  Zahnbaues  betrifft,  so  erlaube  ich  mir,  hin- 
zuzufügen, dass  der  vorderste  Backenzahn  im  Oberkiefer  3 
Höcker  hat;  der  vordere  ist  gross  und  stark,  die  beiden 
hinteren  sind  klein ,  bisweilen  kaum  bemerkbar.  Der  vierte 
hat  3  Höcker,  zwei  vordere  und  einen  hinteren.  Ferner  be- 
finden sich  auch  auf  den  mittleren  Backenzähnen;  besonders 
im  Oberkiefer,  mehr  oder  weniger  deutliche,  ganz  kleine 
Höcker ,  welche  nebst  dem  vordersten  hohen  Höcker  eine 
dritte,  ununterbrochene,  kleine  Reihe  zwischen  den  grösse- 
ren, vonNilsson  beschriebenen  Höckern  bilden  — ein  Ver- 
halten ,  welches  dem  bei  der  Gattung  Mus  entgegengesetzt 
ist,  bei  welcher  die  Höcker  im  Oberkiefer  in  der  mittlem 
Reihe  am  grössten,  in  den  beiden  Seitenreihen  kleiner  sind. 
—  Uebrigens  muss  ich  hinzufügen,  dass  die  Kauflächen  bei 
Sminthus  sehr  schief  stehen,  so  dass  die  der  hinteren  Bak- 
kenzähne  im  Oberkiefer  sich  immer  mehr  und  mehr  aus- 
und  aufwärts  wenden  und  im  Unterkiefer  umgekehrt. 

Sciurus  vulgaris  L.,  gemein. 

Pleromys,  volans  L.  ist  bei  uns  nicht  eben  selten.  Ich 
habe  von  demselben  mehrmals  aus  verschiedenen  Gegenden 
her  lebende  Junge  erhalten ,  welche  ich  in  gewöhnlichen 
Eichhörnchen -Käfigen  aufgezogen  habe,  die  aber  doch  nie 
so  zahm  geworden  sind,  wie  Junge  vom  Eichhörnchen. 


Beschreibung:  zweier  neuer  deutscher 
Flederinaiisarten. 

Von 

•I«  H*  Blasius, 

Professor  in  Braunschweig. 


Seit  dem  Jahre  1847  habe  ich  an  verschiedenen  Punkten 
der  Centralalpen  wiederholt  eine  Fledermaus  erhalten,  die  ich 
nach  den  sorgfältigsten  Untersuchungen  von  zahlreichen  In- 
dividuen für  eine  ausgezeichnete  neue  Art  der  Gattung  Ve- 
sperugo  Keys,  et  Blas,  halten  muss.  Eine  andere  Fledermaus, 
die  ich  in  demselben  Jahre  zuerst  in  Mailand ,  später  am 
Gardasee  und  in  Triest  erhielt,  ist  eine  ebenso  ausgezeich- 
nete neue  Art  der  Gattung  Rhinolophus  Geoffr. 

A.     Vesperugo  Maurus  nov.  spec. 

Die  erste  Art  hat  im  Ober  -  und  Unterkiefer  5  Back- 
zähne, gehört  also  zur  Untergattung  Vesperugo ;  jedoch  zu 
keiner  der  beiden  von  mir  früher  aufgestellten  natürlichen 
Gruppen  dieser  Untergattung.  Die  Bildung  des  Ohrdeckels, 
der  Flügel,  der  Schwanzflughaut  und  der  Hinterfüsse  macht 
es  nolhwendig,  für  diese  neue  Art  eine  dritte  Gruppe  aufzu- 
stellen, in  welcher  sie  bis  jetzt  allein  steht.  Der  Habitus 
dieser  neuen  Art  erinnert  andererseits  so  auffallend  an  den  des 
V.  Nilssonii  Keys,  et  Blas. ,  dass  man  sie  bei  oberflächlicher 
Betrachtung  leicht  für  eine  kleinere  Varietät  derselben  halten 
könnte.  In  mancher  Beziehung  ist  in  dieser  neuen  Art  ein 
so  auffallendes  Bindeglied  zwischen  den  beiden  Untergattun- 
gen Vesperugo  und  Vesperus  gegeben ,  dass  es  zu  einer 
scharfen  und  sicheren  Unterscheidung  wünschenswerlh   sein 


36  Bla 


S  lUS 


mag,  die  natürlichen  Abtheilungen  beider  Gattungen  hier  auf- 
zuführen, und  kurz  zu  charakterisiren. 

I.     Vesperugo  Keys,  et  Blas. 

Im  Ober-  und  Unterkiefer  jederseits  5  Backzähne:  im 
Ganzen  34  Zähne  in  beiden  Kiefern. 

a.     Erste   Gruppe:   Waldfledermäuse. 

Der  Ohrdeckel  erreicht  seine  grösste  Breite  über  der 
Mitte,  und  ist  an  dem  nach  vorn  gebogenen  Ende  breit  ab- 
gerundet;  am  Aussenrande  des  Ohrdeckels  nur  ein  breiter, 
winkeliger,  zahnartiger  Vorsprung  dicht  über  der  Basis.  Die 
Fusswurzel  querrunzelig,  ohne  Schwielen.  Die  Körper- 
flughaut bis  zur  Fus  swur  zel  angewachsen.  Nur  das  letzte 
rudimentäre  Schwanzglied,  nicht  halb  so  lang  wie  der  Dau- 
men, steht  frei  aus  der  Schwanzflughaut  vor.  Die  Unterseite 
der  Flughäute  längs  dem  Arm  und  der  Wurzel  der  Finger 
dicht  behaart.  Die  Flughäute  sehr  schmal ,  so  dass  der  5te 
Finger  nur  wenig  über  das  Gelenk  des  Isten  und  2len  Glie- 
des am  3ten  Finger  hinaus  ragt. 

Hieher  gehören  von  deutschen  Arten:  V.  Nociula  Schreb. 
und   V.  Leisleri  Kühl. 

b.     Zweite   Gruppe:   Zwergfledermäuse. 

Der  Ohrdeckel  erreicht  seine  grösste  Breite  unter  der 
Mitte,  und  ist  an  dem  nach  vorn  gebogenen  Ende  schlank 
zugerundet;  am  Aussenrande  des  Ohrdeckels  nur  ein  brei- 
ter, winkeliger,  zahnartiger  Vorsprung  dicht  über  der  Basis. 
Die  Fusswurzel  querrunzelig,  ohne  Schwielen.  Die  Kör- 
perflughaut bis  zur  Zehen  Wurzel  angewachsen.  Nur  das 
letzte  rudimentäre  Schwanzglied  ,  nicht  halb  so  lang  als  der 
Daumen,  steht  frei  aus  der  Schwanzflughaut  vor.  Die  Un- 
terseite des  Flughäute  längs  dem  Unterarm  und  der  Hand- 
wurzel nackt.  Die  Flughäute  ziemlich  breit,  so  dass  der  5te 
Finger  bis  zum  Gelenke  des  2ten  und  3ten  Gliedes  des  3ten 
Fingers  vorragt. 

Hierher  gehören  von  deutschen  Arten :  V,  Kuhlii  Natte- 
rer, V.  Nathusii  Keys,  und  Blas,  und  F.  Pipistrellus  Schreb. 


Beschreibung  zweier  neuer  deutscher  Fledermausarten.         37 

c.     Dritte  Gruppe:  Alpenfledermäuse. 

Der  Ohrdeckel  erreicht  seine  grösste  Breite  in  der 
Mitte,  und  ist  an  dem  nach  vorn  gebogenen,  stark  ver- 
schmälerten Ende  schlank  abgerundet ;  über  dem  breiten, 
w^inkeligen,  zahnartigen  Vorsprung  dicht  über  der  Basis  be- 
findet sich  noch  ein  zweiter,  kleiner  zahnartiger  Vor- 
sprung etwas  unter  der  Mitte  des  Aussenrandes  des  Ohrdek- 
kels.  Auf  der  Basis  der  Fusssohle  eine  breite ,  flache 
S  c  h  w  i  e  1  e ;  an  den  Zehenwurzeln  undeutlichere  kleinere  Schwie- 
len. Die  Körperflughaut  bis  zur  Zehen  würze  1  angewach- 
sen. Ausser  dem  letzten,  rudimentären  Schwanzgliede  steht 
noch  das  vorletzte  Glied  ganz  oder  grösstentheils  frei 
aus  der  Schwanzflughaut  vor.  Die  Unterseite  der  Flughäute 
längs  dem  Unterarm  und  der  Handwurzel  nackt.  Die  Flug- 
häute ziemlich  breit,  so  dass  der  5te  Finger  bis  über  das 
Gelenk  des  2ten  und  3ten  Gliedes  des  3ten  Fingers  vorragt. 

Hierher  gehört  nur  die  erwähnte  neue  Art  aus  den  Cen- 
tralalpen,  die  ich  mit  dem  Namen  Vesperugo  Maurus  zu  be- 
zeichnen beabsichtige. 

II.     Vesperus  Keys,  und  Blas. 

Im  Oberkiefer  4,  im  Unterkiefer  5  Backzähne :  im  Gan- 
zen 32  Zähne  in  beiden  Kiefern. 

a.    Erste  Gruppe:  Bergfledermäuse. 

Der  Ohrdeckel  erreicht  seine  grösste  Breite  über  der  Mitte 
des  Aussenrandes,  und  ist  an  dem  nach  vorn  gebogenen  Ende 
ziemlich  breit  abgerundet;  nur  ein  winkliger,  zahnartiger 
Vorsprung  dicht  über  der  Basis  des  Aussenrandes.  An  der 
Basis  der  Fusswurzel  eine  breite,  flache  rundliche  Schwiele. 
Die  Körperflughaut  bis  zur  Zehenwurzel  angewachsen. 
Die  beiden  letzten  Schwanzglieder  stehen  etwa  um  die 
Länge  des  Daumens  frei  aus  der  Schwanzflughaut  vor.  Die 
Unterseite  der  Flughäute  längs  dem  Unterarm  und  der  Hand- 
wurzel nackt.  Die  Flughäute  breit,  so  dass  die  Wurzelglie- 
der des  3ten,  4ten  und  5ten  Fingers  wenig  verschieden  sind. 
Hierher  gehören  von  deutschen  Arten  :  V,  NUssonii  Keys, 
u.  Blas,  und  F.  discolor  Natt. 


38  rj  I   if  Blasius: 

b.     Zweite    Gruppe:    Niedrigfliegende 
Fledermäuse. 

Der  Ohrdeckel  erreicht  sein«  grösste Breite  unter  der 
Mitte  des  Aussenrandes,  und  das  nur  schwach  nach  vorn  ge- 
bogene, verschmälerte  Ende  ist  schlank  zugerundet;  nur  ein 
winkeliger,  zahnartiger  Vorsprung  dicht  über  der  Basis  des 
Aussenrandes.  An  der  Basis  der  Fusswurzel  eine  breite, 
flache,  rundliche  Schwiele.  Die  Körperflughaut  bis  zur 
Zehenwurzel  angewachsen.  Die  beiden  letzten 
Schwanzglieder  stehen  etwa  um  die  Länge  des  Daumens  frei 
aus  der  Schwanzflughaut  vor.  Die  Unterseite  der  Flughäute 
längs  dem  Unterarme  und  der  Handwurzel  nackt.  Die  Flug- 
häute breit,  so  dass  die  Wurzelglieder  des  3ten,  4ten  und 
5ten  Gliedes  wenig  verschieden  sind. 

Hierher  gehört  von  deutschen  Arten  nur:  F.  seroti- 
WMS  Schreb. 

Die  erwähnte  neue  Art : 

Vesper ugo  Maurus^ 
hat  etwa  folgende  Artkennzeichen. 

Gebiss:   i_'  •  1  •  ili  •  i  •  '-^  =  34  Zähne. 

5  16  15 

Die  Schneide  der  unteren  Vorderzähne  einander  pa- 
rallel, quer  zur  Richtung  der  Kiefer  gestellt  Der  erste 
obere  Vorderzahn  zweispilzig,  die  äussere  Spitze  etwas  schräg 
nach  hinten  gerichtet,  fast  so  hoch  als  die  innere.  Der 
zweite  obere  Vorderzahn  etwas  niedriger,  oder  ebenso  hoch 
als  die  äussere  Spitze  des  ersten.  Der  Eckzahn  im  Oberkie- 
fer mit  der  hintern  Kante  dicht  an  den  zweiten  Backzahn  ge- 
rückt ,  so  dass  der  zwischen  beiden  stehende  erste ,  sehr 
kleine  Lückenzahn  ,  der  sich  kaum  über  das  Zahnfleisch  er- 
hebt, ganz  nach  innen  gedrängt  wird,  und  von  aussen  nicht 
sichtbar  ist.  Der  erste  untere  Backzahn  kaum  halb  so  hoch, 
und  im  Querschnitt  kaum  halb  so  breit  als  der  folgende. 
Der  Aussenrand  des  Ohrs  endet  in  der  Höhe  der  Mundspalte, 
hinter  dem  Mundwinkel,  unter  dem  Hinterrande  des  Auges. 
Der  mit  der  stark  verschmälerten  Spitze  vorwärts  nach  innen 
gerichtete  Ohrdeckel  erreicht  seine  grösste  Breite  ziemlich 
in  der  Mitte ;  etwas  unter  der  Mitte  des  Aussenrandes  ein 
kleiner,  stumpfgerundeter,  und  dicht  über  der  Bms  ein  gros- 


Beschreibung  zweier  neuer  deutscher  Fledermausarten.         3^ 

serer,  winkdig  vorspringender  Zahn.  Die  Körperflughaut  bis 
zur  Zehenwurzel,  die  Schwanzflughaut  bis  an  das  vorletzte 
Glied  angewachsen.  Der  angedrückte  Unterarm  reicht  bis  zum 
Mundwinkel  vor.  Ohren  und  Flughäute  dickhäutig,  und  dun- 
kel braunschwarz.  Der  Pelz  auf  Ober-  und  Unterseite  braun- 
schwarz, oben  mit  bräunlichen,  unten  mit  gelblich  weisslichen 
Haarspilzen.     Flugweite:   8  Zoll  6  Linien. 

Beschreibung.  Der  Schädel  ist  in  der  Gegend  der 
hintern  Hälfte  der  Stirnbeine  etwas  aufgeblasen ,  nach  oben 
höher  gewölbt  und  nach  den  Seiten  erweitert;  der  hintere 
Theil  des  Schädels,  die  Gegend  der  Scheitelbeine,  so  wie  der 
Nasenrücken,  etwas  niedriger.  Der  Nasenrücken  nach  der 
Stirn  hin  der  Länge  nach  flach  gehöhlt.  Die  Seitenflächen 
der  Oberkieferbeine  zwischen  dem  vordem  Augenhöhlenrande 
und  der  grossen  Zwischenkieferlücken  ebenfalls  breit  und 
flach  gehöhlt.  Das  Hinterhaupt  flach  gewölbt,  und  von  der 
Mitte  an  ziemlich  senkrecht  abschüssig.  Das  Hinterhauptsloch 
etwas  breiter  als  hoch  ,  gleichmässig  gerundet ,  fast  kreis- 
förmig. Die  Zwischenkieferlücke  in  der  Mitte  am  weitesten, 
nach  hinten  spitzeiförmig  verschmälert,  mit  fast  geradlinigen 
Seitenkanten,  hinten  spitz  gerundet. 

Die  obern  Vorderzähne  treten  nicht  ganz  so  weit  vor,  als 
der  vordere  Kronrand  des  oberen  Eckzahns.  Der  erste  obere 
Vorderzahn  zweispitzig,  die  äussere  oder  hintere  Spitze  etwas 
niedriger  als  die  innere ,  und  etwas  nach  hinten  angefügt. 
Der  zweite  obere  Vorderzahn  einspitzig  ,  ungefähr  so  hoch 
wie  die  äussere  Spitze  des  ersten  ;  bei  abgenutzten  Zähnen  ge- 
wöhnlich etwas  niedriger.  Beide  Vorderzähne  im  Querschnitt 
ungefähr  von  gleicher  Stärke.  Von  den  untern  Vorderzäh- 
nen sind  die  zwei  seitlichen  jederseits  quer  zur  Richtung  des 
Kiefers  gestellt ,  so  dass  deren  innere  Hälfte  von  den  vor- 
stehenden Zähnen  von  vorn  gesehen  verdeckt  erscheint.  Diese 
Zähne  sind  im  Querschnitte  querelliptisch,  ungefähr  doppell 
so  breit  als  dick,  und  die  hintern  kaum  stärker  als  die  vor- 
dem. Die  querslehenden  Schneiden  sind  gezähnelt,  jede 
Schneide  dreispitzig. 

Der  obere  Eckzahn  ist  von  den  Vorderzähnen  durch  eine 
Lücke  getrennt,  jedoch  unmittelbar  mit  dem  ersten  und  zwei- 
ten Backzahn  zusaminengerüokt ,  und  fast  anderthalbmal   SQ 


40  Blasius: 

weit  vortretend  wie  der  zweite  oder  höchste  Backzahn.  Der 
untere  Eckzahn  steht  mit  den  Vorderzähnen  und  dem  er- 
sten Backzahn  in  Berührung,  und  erhebt  sich  nur  wenig 
über  den  zweiten  oder  höchsten  Backzahn. 

Von  den  fünf  obern  Backzähnen  ist  der  erste  sehr  klein 
und  schlank,  cylindrisch,  mit  etwas  zugespitzter  Krone,  die 
sich  kaum  über  das  Zahnfleisch  erhebt,  auf  dem  sie  als  dunk- 
leres Fleckchen  sichtbar  ist;  er  tritt  aus  der  Alveole  unmit- 
telbar vor  der  Innern  Hälfte  des  Vorderrandes  des  zweiten 
Backzahns  heraus,  richtet  sich  etwas  schräg  nach  vorn,  und 
keilt  sich  zwischen  den  Vorderrand  des  zweiten  Backzahns 
und  den  ausgehöhlten  Innenrand  des  Eckzahns  ein,  ohne  über 
den  Kronrand  des  Eckzahns  sich  zu  erheben,  oder  den  Kron- 
rand des  zweiten  Backzahns  an  Höhe  zu  erreichen.  Da  die 
hintere  scharfe  Kante  des  Eckzahns  mit  der  Vorderseite  des 
zweiten  Backzahns  ausserhalb  des  ersten  Backzahns  dicht  zu- 
sammentritt; so  ist  dieser  erste  kleine  Backzahn  von  aussen 
gänzlich  verdeckt ,  und  nur  von  der  Gaumenfläche  aus ,  und 
schräg  von  vorn  sichbar.  Die  vier  hinteren  normalen  Back- 
zähne bieten  wenig  wesentliche  Abweichungen  von  den  Zäh- 
nen der  Gattungsverwandten  dar. 

Von  den  fünf  unteren  Backzähnen  ist  der  erste  eben- 
falls aufl'allend  kleiner  als  die  folgenden;  im  Querschnitt  ist  er 
kaum  halb  so  lang  und  kaum  halb  so  breit  wie  der  zweite 
Backzahn ,  und  erreicht  an  Höhe  nicht  die  Hälfte  der  Höhe 
desselben  zweiten  Backzahns.  Die  vier  letzten  untern  Back- 
zähne weichen  wenig  von  denen  der  Gattungsverwandlen  ab. 

Unter  allen  Gattungsverwandlen  kommt  ein  solches  Ver- 
hältniss  des  ersten  oberen  und  unteren  Backzahns  zu  den  an- 
liegenden nicht  wieder  vor. 

Der  Kopf  ist  kurz;  die  Schnauze  vorn  breit  gerundet, 
fast  halbkreisförmig  ,  mit  etwas  vorstehenden  Nasenlochrän- 
dern. Die  Nasenlöcher  vorn  unterhalb  der  Schnauzenspitze 
geöff'net ,  ziemlich  halbmondförmig  in  einen  nach  oben  hoh- 
len Bogen  verlaufend.  Das  Gesicht  über  die  Stirn  hinaus  bis 
auf  die  Mitte  des  Nasenrückens  dicht  und  lang  behaart.  Die 
Augenumgebung  lockerer  mit  einzelnen  borstigen  Haaren  be- 
setzt. Vorn  über  dem  Auge  eine  rundliche  Warze  mit  einem  star- 
ken Büschel  langer  borstiger  Haare.    Die  grossen  gewölbten 


Beschreibung  zweier  neuer  deutscher  Fledermausarten.  41 

Fettdrüsen  zwischen  Auge  und  Nase  sind  nur  hinten  mit  lan- 
gen Haaren  besetzt ,  vorn  sehr  kurzhaarig  und  fast  nackt. 
Kurze  gekrümmte  Borstenhäärchen  verlaufen  über  die  Mitte  des 
Nasenrückens  bis  zwischen  die  Nasenlöcher.  Der  Rand  der 
Oberlippe  ist  ebenfalls  mit  abwärts  gekrümmten  kleinen  Bor- 
stenhäärchen besetzt ,  die  von  der  Mitte  der  Mundspalte  an 
bis  zum  Aussenrande  des  Ohrs  länger  ,  feiner  und  dichter 
werden,  und  einen  abwärts  überhängenden  Bart  bilden.  Der 
Unterkiefer  vorn  in  der  Mitte  und  längs  der  Lippe  hin  bis 
zur  Mitte  der  Mundspalte  kahl;  von  hier  an  nach  dem  Mund- 
und  Kinnwinkcl  mit  vorn  rückwärts  und  hinten  vorwärts  ge- 
richteten Häärchen  besetzt,  die  nach  dem  Halse  hin  allmäh- 
lich länger  werden.  Die  Ausführungswarze  der  seitlichen 
Unterkieferdrüse,  etwas  hinter  der  Basis  des  Eckzahns  gele- 
gen, ist  kegelförmig  verlängert,  mit  etwas  gerundeter  Spitze. 

Das  Ohr  hat  im  Allgemeinen  eine  abgerundet  rhombi- 
sche Gestalt.  Der  Innenrand  löset  sich  etwas  über  der  Linie, 
die  das  Nasenloch  mit  dem  Auge  verbindet ,  vom  Kiel  ab, 
und  bildet ,  sich  allmählich  vom  Kiel  entfernend  ,  den  nach 
vorn  vorspringenden ,  fast  rechtwinkelig  abgerundeten  vor- 
dem Ohrwinkel,  von  dem  aus  der  innere  Ohrrand  in  einen 
schwach  concaven  Bogen  sich  nach  der  Ohrspitze  hin  dem 
Kiel  wieder  nähert.  Eine  um  die  Kante  herum  lang  behaarte 
Haut  verläuft  von  dem  vordem  Ohrwinkel  aus  über  dem 
Auge  hin  bis  zur  Stirn.  Der  nach  hinten  liegende  Aussen- 
rand  des  Ohrs  ist  etwas  über  der  Mitte  desselben  winkelig 
eingebuchtet,  so  dass  derselbe  über  den  hintern  stumpfgerun- 
deten Ohrwinkel  lappenförmig  vorspringt.  Der  Aussenrand 
des  Ohrs  endet  weit  vor  dem  Ohrdeckel ,  etwas  hinter  dem 
Mundwinkel,  ungefähr  in  der  Höhe  der  Mundspalte.  Das  Ohr 
ist  auf  der  Rückseite  in  der  Endhälfte  kahl ,  in  der  Wurzel- 
hälfte dicht  behaart.  Die  Innenseite  des  Ohrs  ist  grösstentheils 
mit  kurzen,  entferntstehenden  angedrückten  Häärchen  be- 
setzt; längs  dem  Rande  kahl. 

Der  Ohrdeckel  weicht  in  seiner  Gestalt  von  allen  be- 
kannten Arten  ab.  Wie  bei  allen  Gattungsverwandten  ist  die 
schlank  abgerundete  Spitze  nach  vorn  oder  innen  gebogen, 
und  der  Innenrand  verläuft  in  der  Mitte  concav,  der  Aussen- 
rand convex.     Die   grösste  Breite   erreicht  er  jedoch  unge- 


42  Blasius: 

fahr  in  der  Mitte  des  Aussenrandes,  etwas  unterhalb  der  Mitte 
des  Innenrandes,  und  hat,  ausser  dem  grossen,  winldig  vor- 
springendem Zahn  an  der  Basis  des  Aussenrandes  noch  einen 
kleinern  ,  stumpfwinkelig  vorspringenden  Zahn  etwas  hoher 
hinauf,  zwischen  dem  vorhererwähnten  Zahn  und  der  Mitte  des 
Aussenrandes.  Dieser  zweite  Zahn  ist  so  auffallend,  dass  ich 
ihn  Anfangs  für  zufällig  hielt,  bis  ich  mich  an  mehr  als  vierzig 
Individuen  von  der  Beständigkeit  und  Uebereinstimmung  der 
Form  überzeugt  hatte.  An  trockenen  Häuten  ist  jedoch  von  die- 
ser Eigenthümlichkeit  wenig  mehr  zu  sehen»  Der  Ohrdeckel 
ist  auf  der  Rückseite  kahl;  auf  der  Vorderseite  von  der  in- 
nern  Basis  bis  gegen  die  Mitte  kurz  und  einzeln  behaart. 

Die  Fusssohle  weicht  von  der  aller  Gattungsverwandten 
ab,  und  stimmt  mit  der  Bildung  derselben  bei  den  Arten  von 
Vesperus  ziemlich  überein.  Eine  grössere,  flache,  gerundete 
Wulst  liegt  an  der  Basis  der  Fusswurzel;  kleinere  Wülste 
liegen  unter  der  Spitze  der  Fusswurzel  und  bezeichnen  die  Ba- 
sis der  Zehen.  Nur  die  Mitte  der  Sohle  ist  unregelmässig  quer- 
runzelig. Das  Spornbein  am  Hinterfusse  trägt  nach  aussen 
einen  gerundeten  Hautlappcn  und  endet  am  Rande  der  Schwanz- 
flughaut, der  Schwanzspitze  näher  als  dem  Fusse,  in  einer 
vorstehenden  Spitze.  Die  beiden  letzten  Schwanzglieder  ste- 
hen ganz,  oder  das  vorletzte  doch  noch  grösstentheils ,  frei 
aus  der  Schwanzflughaut  vor.  Die  Körperflughaut  ist  bis  zur 
Wurzel  der  Zehen  am  Fusse  angewachsen, 

Die  Flughäute  sind  ziemlich  breit;  die  Wurzelglieder 
des  3ten,  4ten  und  5ten  Fingers  fast  einander  gleich,  und 
nicht  ganz  so  lang  wie  der  Unterarm;  die  Spitze  des  5ten 
Fingers  ragt  über  das  2te  Glied  des  3ten  und  4ten  Fingers 
hinaus.  Der  an  den  Körper  angedrückte  Unterarm  ragt  bis 
zum  Mundwinkel  vor. 

Die  Flughäute  sind  auf  der  Ober-  und  Unterseile  nur 
längs  dem  Körper  hin  behaart,  auf  der  Unterseite  etwas  wei- 
ter in  die  Flughaut  hinein,  als  auf  der  Oberseite.  Die  Be- 
haarung der  Unterseite  erstreckt  sich  vom  Körper  aus  all- 
mählich lockerer  und  vereinzelter  bis  an  den  Ellbogen,  an 
das  Knie  und  bis  gegen  das  Endviertel  des  Schwanzes  hin; 
ausserdem  sind  die  Qucradern  seitwärts  vom  Unterarme  mit 
entfernt  stehenden  schwachen  Haarbüscheln  besetzt. 


Beschreibung  zweier  neuer  deiÄscher  Fledermausarten.         43 

Alle  nackten  Theile,  die  Ohren,  das  Gesicht  und  die 
Flughäute  und  Füsse,  haben  eine  dunkele,  bräunlichschwarze 
Färbung,  dunkler  als  bei  irgend  einer  verwandten  Art.  Nur 
V.  Nilssonii  K.  u.  Bl.  steht  dieser  neuen  Art  in  dieser  Be- 
ziehung nahe.  Sie  kann  in  Hinsicht  der  Hautfarbe  als  der 
Negertypus  der  europäischen  Fledermäuse  angesehen  werden, 
so  dass  man  den  Arlnamen  V.  Maurus  als  besonders  geeig- 
net für  sie  ansehen  darf. 

Auch  die  Farbe  des  Pelzes  ist  im  Allgemeinen  sehr 
dunkel.  Obwohl  die  Farbennuanzen  bei  verschiedenen  Indivi- 
duen sehr  abweichen.  Das  Haar  ist  vom  Grunde  an  bis  ge- 
gen die  Mitte  dunkel  schwarzbraun  ,  auf  der  Oberseite  mehr 
ins  Röthlichbraune,  auf  der  Unterseite  ins  Schwärzlichgraue 
neigend.  Die  Haarspitzen  sind  überall  heller,  auf  der  Ober- 
seite licht  goldbraun  ins  Braungelbe  oder  Rothbraune,  auf  der 
Unterseite  nur  etwas  heller  und  mehr  ins  Weissliche  tiberge- 
hend. Auch  arä  Kinn  und  unter  dem  Halse  sind  die  Haare 
im  Haargrunde  dunkel  und  zweifarbig,  wodurch  sich  die  Art 
leicht  von  den  nahestehenden  V.  Nilssonii  und  V.  discolor 
unterscheidet.  Die  Jungen  zeichnen  sich  im  Ganzen  durch 
eine  dunklere  Färbung ,  durch  einen  mehr  braunschwarzen 
Haargrund,  und  mehr  graubraune  Raarspitzen  aus.  Die  hel- 
len Haarspitzen,  die,  besonders  auf  der  Oberseite,  beim  le- 
benden Thiere  wie  ein  lichter  lockerer  Goldreif  auf  dunkel- 
braunem Grunde  aussehen  ,  und  die  in  ähnlicher  Weise  nur 
noch  bei  V.  Nilssonii  K.  u.  Bl.  und  V.  discolor  Nalterer  vor- 
kommen, geben  dieser  Art  ein  besonders  reizendes  Ansehen. 

In  der  Grösse  hält  diese  Art  ungefähr  die  Mitte  zwi- 
schen V.  Kuhlii  Natt.  und  V.  Nilssonii  K.  u.  Bl.  oder  V.  dis- 
color Natt. 

Die  wesentlichen  Maasse  sind  folgende: 
Flugweite 
Totallänge 
Kopflänge 
Schwanzlänge 
Dessen  freistehendes  Ende 
Ohrlänge  von  d.  Basis  d.  Aussenrandes 
Ohrlänge  von  der  Basis  d.  Innenrandes 
Ohrbreite,  deg  ausgebreiteten  Ohrs 


8" 

6'"     Par.  Maass. 

3'' 

2"' 

— 

7,4'" 

1" 

3"' 

— 

1,2'" 

— 

6,4"' 

.__ 

4,4"' 

— 

5,0'" 

44 


Blasius: 


1" 


1" 
1" 


1,8'" 
2,4'" 
1,0'" 
10,0'" 
3,5'" 
2,0'" 
0,6'" 
0,6'" 
1,5'" 
5,5'" 
4,5'" 
2,6'" 


1' 


1- 


Ohrdeckel  längs  dem  Innenrande         —       1,8'"    Par.  Maas. 

Ohrdeckel  längs  dem  Aussenrande 

Breite  des  Ohrdeckels 

Oberarm 

Unterarm         .... 

Der  Daumen  ohne  Nagel 

Der  Daumennagel     , 

Das  Iste  Glied  des  2len  Fingers 

Das   Iste  Glied  des  3ten  Fingers 

Das  2te  Glied  des  3ten  Fingers 

Das  3te  Glied  —     —        — 

Das  Nagelglied  des   ~         — 

Das  Iste  Glied  des  4ten  Fingers 

Das  2te  Glied     —     —         — 

Das  3te  Glied     —     —         — 

Das  Nagelglied    —     —         — 

Das  Iste  Glied  des  5ten  Fingers 

Das  2te  Glied     —     —         — 

Das  3te  Glied     —     —         — 

Das  Nagelglied   —     —        — 

Schenkel  .... 

Schienbein       .... 

Fuss 

Länge  d.  Schädels  bis  zum  Vorderzahn    — 
Länge   des  Schädels  bis  in  die  Zwi- 
schenkieferlücke 
Breite  zwischen  den  Stirnbeinen 
Breite  zwischen  den  Augenhöhlen 
Breite  zwischen  den  Jochbogen 
Breite  des  Hinterhauptslochs     . 
Höhe  des  Hinterhauptslochs     . 
Länge  der  Unterkieferäste 
Grössle  Entfernung  der  Gelenkköpfe     — 

Diese  Fledermaus  scheint  die  Centralkette  der  Alpen  der 
ganzen  Ausdehnung  nach  zu  bewolinen.  Ich  habe  sie  aus 
den  höchsten  Sennhütten  am  MonlblancundSt.  Gotthardt, 
aus  dem  obern  Oetzthal  in  Tyrol ,  aus  den  Sennhütten  in 
der  Nähe  des  Pasterzengletschers  unter  dem  Gross- 
g  lockner  und  im  Nassfelde  bei  Gastein  erhalten,  Sie 


1,3'" 
5,0'" 
3,3'" 
1,3'" 
J,3'" 
4,0'" 
2,4'" 
0,5"' 
5,7'" 
5,8'" 
3,5'" 
6,5'" 

5,4'" 

3,3'" 

1,8'" 
4/// 

1,5"' 
1,3'" 

4,7'" 
3,2'" 


Beschreibung  zweier  neuer  deutscher  Fledermausarten.         45 

scheint  überall  bis  zur  lelzten  Grenze  der  Sennhütten  hinauf 
vorzukommen.  Wie  weit  sie  abwärts  in  den  Gebirgsthälern, 
oder  seitwärts  von  der  Ccntralkette  in  den  nördlichen  und 
südlichen  Kalkalpen ,  oder  noch  weiter  hin  verbreitet  ist , 
muss  die  Folge  lehren.  Ich  kann  nur  bemerken,  dass  ich 
sie  nirgend  in  den  Seitenzügen  der  Alpen  und  in  niedrigen 
Alpenthälern  bis  jetzt  bemerkte,  während  ich  sie  oft  in  den 
höhern  Thälern  der  Centralalpen  habe  fliegen  sehen.  Es 
wäre  interessant,  auszumachen,  ob  sie  in  den  hohen  Regio- 
nen ihres  Sommeraufenthalts  auch  überwintert,  oder  wie  V. 
discolor  und  V.  Nilssonii  sich  wärmere  Gegenden  zu  ihrem 
Winterschlaf  aufsucht. 

Sie  gleicht  in  ihrer  Lebensweise  sehr  der  V.  Nilssonii. 
Schon  bald  nach  Sonnenunlergang,  in  der  frühen  Dämmerung, 
verlässt  sie  ihre  Schlupfwinkel  in  hochgelegenen  Wohnge- 
bäuden und  Sennhütten,  und  fliegt  ziemlich  hoch  und  mit 
grosser  Gewandtheit  an  lichten  Stellen  und  Waldrändern  um- 
her. Bei  feuchter  Witterung  fliegt  sie  weniger  hoch,  scheut 
übrigens  weder  Wind  noch  einen  leichten,  warmen  Regen, 
und  ist  in  ihrer  Bewegung  sehr  mannichfallig.  Nicht  selten 
ändert  sie  die  Richtung  ihres  Fluges,  schlägt  plötzliche  Ha- 
ken ,  und  stürzt  sich  mit  grosser  Schnelligkeit,  gleich  einem 
Raubvogel,  auf  ihre  Beute.  Sie  scheint  den  grössten  Theil 
der  Nacht  hindurch  in  Bewegung  zu  sein ,  da  sie  aus  ihren 
gewöhnlichen  Jagdrevieren  erst  in  der  Morgendämmerung  wie- 
der verschwindet.  Ihre  Nahrung  besteht  ausschliesslich  aus 
nächtlich  fliegenden  Insekten. 

lieber  ihre  Fortpflanzung  ist  mir  nichts  bekannt,  indem 
ich  sie  bei  meinen  Ausflügen  in  die  Alpen  frühestens  mit 
halberwachsenen  Jungen  gefunden  habe. 

Obwohl  die  beiden  genannten  Arten,  V.  Nilssonii  und 
Maurus,  auch  von  der  Zahl  der  Zähne  abgesehen,  sich  aus- 
gezeichnet unterscheiden;  so  ist  doch  die  allgemeine  Aehn- 
lichkeit  derselben  so  gross,  dass  ich  wiederholt  meine  sämmt- 
lichen  Exemplare  und  Schädel  von  V.  Nilssonii  einer  genauen 
Untersuchung  unterwarf,  um  mich  zu  vergewissern,  dass 
ich  bei  Nilssonii  einen  etwaigen  versteckten  oberen  Lücken- 
zahn nicht  übersehen  habe.  Der  Gedanke ,  dass  sie  zu  ein 
und  derselben  natürlichen  Gruppe  gehören  könnten,  stieg  im- 


mer  auf's  Neue  wieder  in  mir  auf.  UnwillkührÜGh  kamen 
mir  dabei  die  von  Bonaparte  und  Savi  unterschiedenen  Ar- 
ten :  Y.  Savii  Bon. ,  V.  Aristippe  Bon. ,  V.  Leucippe  Bon. ,  V. 
Alcythoe  Bon.  undV.  Bonapartii  Savi,  die  ich  nicht  Gelegen- 
heit gehabt  habe ,  genauer  zu  untersuchen ,  in's  Gedächtniss. 
Aus  der  blossen  Beschreibung  bin  ich  nicht  ganz  sicher  über 
deren  Stellung  gewesen.  Nach  der  Beschreibung  und  An- 
gabe des  Gebisses  habe  ich  die  Ueberzeugung  gehabt ,  dass 
V.  Savii,  Leucippe  und  Aristippe  Bon.  in  die  Gruppe  von  dis- 
color  und  Nilssonii  zu  der  Untergattung  Vesperus  gerechnet 
werden  müssten;  bei  V.  Alcythoe  Bon.  und  V.  Bonapartii  Savi 
ist  mir  dies  jedoch  trotz  der  Angabe  des  Gebisses,  32  Zähne, 
nicht  wahrscheinlich  gewesen,  und  ich  habe  vermuthet,  dass 
sie  iu  die  Untergattung  Vesperugo ,  in  die  Nähe  von  V. 
Kuhlii  und  V.  Pepistrellus  gehören  könnten.  Bei  der  Leichtig- 
keit, den  kleinen  Lückenzahn  im  Oberkiefer  zu  übersehen,  ist 
mir  die  Stellung  der  drei  erstgenannten  Arten  noch  zwei- 
felhafter geworden.  Es  ist  sehr  zu  wünschen ,  dass  eine 
sorgfältige  Untersuchung  der  Originalexemplare  vorgenom- 
men werde,  um  über  die  Stellung  dieser  Arten  ganz  klar  zu 
werden.  Soviel  aus  den  im  Ganzen  ausgezeichneten  Beschrei- 
bungen Bonapartes  in  der  Iconografia  della  fauna  italica,  in 
denen  nur  ein  genaues  Eingehen  auf  die  Eigenthümlichkeiten 
des  Gebisses  und  des  Ohrdeckels  vermisst  wird,  zu  entneh- 
men ist,  sind  die  genannten  südeuropäischen  Arten  nicht  mit 
dem  oben  beschriebenen  V.  Maurus  zu  verwechseln.  Eine 
Identität  wäre  übrigens  auch  schon  nach  der  ganz  abweichen- 
den Verbreitung  höchst  unwahrscheinlich. 

V.  Savii  Bonap.,  von  Toscana  bis  Sicilien  verbreitet,  die 
Temminck  auch  aus  Cattaro  erhallen  haben  will,  kann  nur  in 
die  Nähe  von  V.  Nilssonii  oder  V.  Maurus  gehören.  In  der 
Grösse  stimmt  sie  am  meisten  mit  V.  Maurus  überein.  Der 
länger  als  der  Ohrdeckel  frei  aus  der  Flughaut  vorstehende 
Schwanz  lässt  die  Gruppe  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden, 
würde  jedoch  mehr  für  Verwandtschaft  mit  V.  Nilssonii  stim- 
men. Die  nur  wenig  ungleichen  obern  Vorderzähne  hat  sie 
mit  beiden  gemein.  Darin  ,  dass  der  angedrückte  Unterarm 
bis  zur  Schnauzenspitze  reicht,  unterscheidet  sie  sich  von  bei- 
den.   Dass  Bonaparte  den  Ohrdeckel  vollkommen  nirenförmig 


Beschreibung  zweier  neuer  deutscher  Fledermausarten.  47 

nennt,  würde  mehr  nach  V.  Nilssonii  hindeuten.  Darin,  dass 
der  Anhang  des  Spornbeins  an  der  Schwanzflughaut  sich  in 
der  Mitte  zwischen  Schwanzspitze  und  Fuss  loslöset,  weicht  sie 
von  beiden  ab,  nähert  sich  jedoch  am  meisten  V.  Nilssonii.  Trolz 
dem ,  dass  bei  dieser  Art  die  genauem  Angaben  über  das 
Gebiss  ganz  fehlen  ,  scheint  die  Stellung  neben  V.  Nilssonii 
und  V.  discolor ,  mit  welcher  letztern  Bonaparte  selber  sie 
vergleicht,  nicht  unwahrscheinlich. 

Wenn  man  bei  F.  Aristippe  Bonap.  aus  Sicilien  von  der 
Zahl  der  Zähne,  deren  32  aufgeführt  werden,  absieht;  so  bleibt 
es  zweifelhaft,  ob  man  sie  neben  V.  Nilssonii  oder  V.  Mau- 
rus  stellen  soll.  Dass  die  beiden  letzten  Schwanzglieder  frei 
vorstehen,  und  der  Ohrdeckel  halb  elliptisch  ist,  würde  ziem- 
lich für  beide  Gruppen  passen  können.  In  der  Grösse  steht 
sie  V.  Maurus  am  nächsten.  Die  bis  über  die  Schnauzen- 
spilze  hinausragenden  Unterarme,  und  das  nach  unten,  unter- 
halb der  Mitte  am  Aussenrande  ausgeschnittene  Ohr  unter- 
scheidet sie  von  beiden  Arten.  Ist  die  Zahl  der  Zähne  richtig; 
so  muss  sie  mit  V.  Nilssonii  und  V.  discolor  in  dieselbe 
Gruppe  zusammen  gestellt  werden. 

In  fast  derselben  Lage  ist  F.  Leucippe  Bon.  aus  Sici- 
lien. Ich  bin  über  deren  Stellung  sogar  trotz  der  32  Zähne 
noch  unsicherer.  Eine  Angabe,  wie  weit  die  Schwanzspitze 
frei  vorsteht ,  ist  nicht  vorhanden.  Der  halbrunde  ,  in  der 
Beschreibung  „configurato  a  mezzo  tondo"  genannte  Ohr- 
deckel giebl  keinen  bestimmten  Anhalt.  Dass  das  Ohr  ober- 
halb der  Mitte  am  Aussenrande  eingebuchtet  ist,  stimmt  mit 
beiden  Arten,  V.  Nilssonii  und  V.  Maurus,  überein,  und  darin, 
dass  die  Schenkelflughaut  weder  Ausschnitt,  noch  Anhang  be- 
sitzt, weicht  sie  von  beiden  und  allen  galtungsverwandten 
Arten  ab.  In  der  Grösse  stimmt  sie  ziemlich  mit  V.  Maurus 
überein. 

Von  V.  Alcythoe.  Bon.  aus  Sicilien  werden  ebenfalls 32 
Zähne  angegeben.  Da  die  Schwanzflughaut  den  Schwanz  ganz 
einschliesst ;  so  kann  sie  jedoch  nicht  zu  einer  der  jetzt  be- 
kannten Gruppen  der  Untergattung Vesperus  gehören,  und  Bo- 
naparte erklärt  selber,  dass  sie,  gegen  den  ersten  Anschein, 
zur  Gruppe  von  Noctula  gehöre.  Der  kleine  obere  Lücken- 
zahn muss  demnach  wohl  übersehen  sein  ,   und  die  Art  zur 


48  :  j.jßp „ o  7,  B 1  a  s  i  u  s : 

Untergattung  Vesperugo  gehören.  Die  Gestalt  des  Ohrdek- 
kels :  „trago  recto ,  semicordato-aculiusculo  etc.",  die  grosse 
Ungleichheit  der  Schneidezähne,  deutet  auf  V.  Kuhlii  Natt. 
oder  F.  marginatus  Cretschm.  hin,  bei  welchen  der  2le  obere 
Vorderzahn  auffallend  kleiner  als  der  Iste  ist.  Dabei  liesse 
es  sich  auch  am  leichtesten  einsehen,  wieder  kleine,  Lücken- 
zahn im  Oberkiefer  habe  übersehen  werden  können;  denn 
nur  bei  V.  Kuhlii  und  V.  marginatus  oder  albolimbatus  ist 
dieser  von  dem  mit  dem  2ten  Backzahn  zusammenstossenden 
Eckzahn  so  verdeckt,  dass  man  ihn  von  aussen  nicht  sehen 
kann,  während  derselbe  kleine  Lückenzahn  bei  V.  Pipistrellus 
Schreb.  und  V.  Nalhusii  K.  und  Blas,  von  aussen  deutlich 
sichtbar  ist.  Dass  Bonaparte  bei  F.  albolimbatus  diesen  Zahn 
wirklich  übersehn  hat,  zeigt  sich  im  Fase.  XXIV.  der  Ico- 
nografia ,  wo  32  Zähne  für  diese  Art  angegeben  werden.  Ich 
habe  an  den  Originalexemplaren  von  Küster  selbst  34  Zähne 
beobachtet.  Dass  der  helle  Rand  der  Flughaut  nicht  erwähnt 
wird,  kann  nicht  befremden,  indem  Bonaparle  in  der  spätem 
Beschreibung  des  V.  Bonaparlii  Savi  ausdrücklich  erwähnt, 
er  habe  diese  Eigenlhümlichkeit  bei  seinem  V.  Vispislrellus 
verschwiegen ,  weil  er  sie  nicht  für  conslant  gehalten.  Ich 
halte  es  aus  allen  erwähnten  Andeutungen  nicht  für  gewagt, 
in  V.  Alcythoe  Bon.  eine  der  schwer  zu  unterscheidenden 
Arten,  V.  Kuhlii  Natt.  oder  V.  marginatus  Cretschm.,  oder 
eine  nahe  verwandte,  zu  verniuthcn. 

Eine  andere  Bewandtniss  hat  es  aber  mit  V.  Bonapartii 
Savi,  von  der  Bonaparte  ausdrücklich  erwähnt,  dass  sie  keine 
so  zierlich  weiss  gerandete  Flughaut  habe ,  wie  sein  V.  Vis- 
pislrellus. Bonaparte  führt  bei  dieser  Art  32  Zähne  an  und 
vergleicht  sie  selber  mit  V.  Savii,  wonach  sie  also  zur  Unter- 
gattung Vesperus  neben  V.  discolor  und  Nilssonii  gehören 
würde.  Dahin  würde  auch  der  stärker  als  bei  V.  Vispi- 
slrellus abgerundete  Ohrdeckel  deuten.  Die  Bemerkung,  dass 
kaum  die  äusserste  Spitze  des  Schwanzes  aus  der  Flughaut 
frei  vorstehe,  macht  jedoch  eine  solche  Deutung  wieder  un- 
zulässig. Aus  demselben  Grunde  kann  man  diese  Art  auch 
nicht  mit  V.Maurus  in  dieselbe  Gruppe  zusammenstellen  wol- 
len. Gegen  beide  Deutungen  würde  auch  einigermassen  die 
Färbung  sprechen,  so  weit  sie  von  Bonaparte  angedeutet  wird, 


Beschreibung  zweier  neuer  deutscher  Fledermausarten.        49 

obwohl  hierauf  am  wenigsten  Werth  zu  legen  wäre.  Die 
grosse  Verschiedenheit  der  obern  Vorderzähne  lässt  sie  we- 
der mit  einer  der  genannten  Arten ,  noch  mit  V.  Nathusii  K. 
und  Blas,  identifiziren,  die  ich  selbst  südlich  von  den  Alpen 
gefunden  habe.  Den  Maassen  nach  steht  sie  etwa  in  der 
Grösse  zwischen  V.  Nathusii  uud  V.  Pipislrellus.  Ich  muss 
gestehen,  dass  ich  über  die  natürliche  Stellung  dieser  Art  zu 
gar  keiner  bestimmten  Vermulhung  habe  kommen  können. 

Uebrigens  sind  ausser  Dinops  Cestonii  Savi  und  Vesper- 
tilio  Capacinii  Bonap. ,  die  unserer  V.  dasycneme  Boie  sehr 
nahe  steht,  die  obengenannten  Arten  die  einzigen  Südeuro- 
päer, die  nicht  bis  zum  adriatischen  Meere  hin  auf  deutschem 
Boden  gefunden  worden  wären. 

B.     Rhinolophus  Euryale  nov.  spec. 

Um  die  Eigenthümlichkeiten  dieser  neuen  Hufeisennase 
klar  herauszustellen,  wird  es  nothwendig,  auf  die  Kopf- und 
Gesichtsbildung  der  natürlichen  Gruppe  einzugehen  ,  zu  der 
diese  Art  gehört.  Sämmtliche  europäische  Arten,  mit  noch  etli-, 
chen  verwandten  Arten  aus  Afrika,  sind  nach  demselben  Typus 
gebaut.  Sie  haben  einen  in  seinen  allgemeinem  Eigenschaf- 
ten übereinstimmenden  Nasenaufsatz,  der  bei  jeder  Art  aus 
drei  wesentlich  verschiedenen  Theilen  ,  dem  Hufeisen  ,  dem 
Längskamm  und  der  Lanzette,  besteht,  und  den  Nasenrücken 
von  der  Schnauzenspitze  bis  zur  Stirn  einnimmt.  Die  Nasen- 
löcher liegen  auf  dem  Nasenrücken,  etwas  vor  der  Mitte  des- 
selben, in  einer  tiefen  Hautfalte  versteckt  und  sind  nach  aus- 
sen und  vorn  umgeben  von  einer  flachen,  hufeisenförmigen 
Haut.  Die  Mitte  des  Hufeisenbogens  liegt  vorn  auf  der  Schnau- 
zenspitze und  ist  tief  eingebuchtet;  die  beiden  Seitenäste  des 
Hufeisens  liegen  nach  hinten  und  enden  etwas  vor  den  Au- 
gen, oder  sind  dort  vielmehr  durch  eine  tiefe  Hautfalte  ab- 
gegrenzt, die  sich  schräg  nach  vorn  in  die  tiefere  und  schär- 
fere Hautfalte  fortsetzt,  in  der  die  Nasenlöcher  liegen.  Hin- 
ter jener  die  Spitzen  des  Hufeisens  abgrenzenden  falligen 
Vertiefung  setzt  sich  diese  Haut  in  abweichender  Bildung  und 
verengt  bis  auf  die  Mitte  des  Nasenrückens  fort ,  und  trägt 
hier  einen  nach  vorn  in  der  Richtung  des  Nasenrückens  sich 
erhebenden  Längskamm,  während    hinter  ihr,  zwischen  der 

Archiv  f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  4 


50  Blasius:  -l'.ui-^.tX 

genannten  Hautforlsetzung  und  der  Stirn,  sich  eine  qli^rstc!- 
hende  Hautlanzette  erhebt,  mit  der  sie  ebenfalls  längs  der 
Mitte  verwachsen  ist.  Der  hinler  den  Nasenlöchern  sieh  er- 
hebende Längskamm  ist  vorn  mit  einer  erweiterten,  bei  den 
einzelnen  Arten  sehr  verschieden  gestalteten  Querfläche  ver- 
sehen ,  die  sich  nach  den  Nasenlöchern  hin  in  scharf  vor- 
tretenden Kanten  erhebt,  welche  vor  den  Nasenlöchern  in  der 
Mittellinie  des  Nasenrückens  mit  der  Hufeisenhaut  verschmel- 
zen. Der  frei  vorstehende  Rücken  des  Längskamms  ist  durch 
eine  saiteiförmige  Vertiefung  bezeichnet,  hinter  der  der  Längs- 
kamm mit  einer  bei  den  verschiedenen  Arten  zu  verschie- 
dener Höhe  ansteigenden  Spitze  endet.  Auf  der  dicht  vor  den 
Augen,  unter  den  Enden  der  Hufeisenäste  sich  erhebenden, 
quer  zur  Stirn  gestellten  Lanzette  befinden  sich  jederseits  von 
derMitlellinie  drei  zellenförmige  Vertiefungen,  die  durch  zwei 
Querhäute  hervorgebracht  werden,  welche  sich  jederseits  vom 
Aussenrande  der  Lanzette  erheben  und  bis  zu  der  oben  erwähn- 
ten Haut  verlaufen,  auf  welcher  der  Längskamm  sich  erhebt. 
In  der  Bildung  des  Hufeisens ,  des  Längskammes  und  der 
Lanzette  sind  die  Arten  am  auffallendsten  verschieden. 

Das  Ohr  der  Hufeisennasen  hat  keine  häutig  entwickele 
ten  Ohrdeckel,  ist  aber  unter  der  Mitte  des  Aussenrandes  so 
tief  eingebuchtet ,  dass  der  untere  Theil  des  Aussenrandes 
lappenförmig  vorspringt  und  das  Ohr  von  aussen  zu  schlies- 
sen  im  Stande  ist.  Auch  in  der  Gestalt  dieses  Ohrlappens 
liegen  Artunterschiede. 

Der  Zwischenkiefer  ist  nicht,  wie  bei  den  übrigen  Fle- 
dermäusen,  mit  dem  Oberkieferknochen  verwachsen,  son- 
dern bis  zur  Gaumenfläche  gesenkt,  und  mit  dem  Gaumen- 
knochen verwachsen. 

Bei  allen  europäischen  und  bei  den  verwandten  afrika- 
nischen Arten  mit  einem  ähnlichen  Nasenaufsatz  ist  die  Zahl 
der  Zähne  ganz  dieselbe.  Im  Oberkiefer  befinden  sich  zwei 
durch  eine  Lücke  gelrennte,  im  Unterkiefer  vier  geschlossene 
Vorderzähne  und  in  jedem  Kieferaste  oben  1  Eckzahn  und 
5  Backzähne,  und  unten  1  Eckzahn  und  6  Backzähne.  Die 
Formel  des  Gebisses  für  alle  europäischen  Arten  ist  also: 

4.1  1       1.1       1  1.4 


1.1       1  4         1        1.1.4 


32  Zähne. 


Beschreibung  zweier  neaer  deül^cher  Fledermausarten.         51 

Der  Isle  Backzahn  im  Oberkiefer  und  der  2te  im  Unterkiefer 
ist  aber  bei  einigen  Arten  sehr  klein  und  abweichend  eing-e- 
fügt,  und  bei  jungen  Thieren  kaum  über  das  Zahnlleisch  vor- 
tretend. Der  2te  Backzahn  im  Unterkiefer  ist  bei  allen  eu- 
ropäischen Arten  aus  der  Zahnreihe  herausgedrängt  und  aus- 
sen eingefügt ,  so  dass  der  Iste  und  3te  Backzahn  unmit- 
telbar einander  berühren.  Der  Iste  Backzahn  im  Oberkiefer 
steht  nur  bei  Rh.  clivosus,  Euryale  und  Hippocrepis  in  der 
Zahnreihe:  daher  die  frühere  irrige  Angabe,  dass  er  bei  Rh. 
ferrum  equinum  und  capensis  fehle.  Dieser  Zahn  fehlt  nur 
bei  Arten  mit  abweichendem  Nasenaufsatz,  wie  bei  Rh.  tri- 
dens,  so  dass  diese  Form  oben  nur  4  Backzähne  besitzt: 

Der  leichtern  Unterscheidung  wegen  will  ich  die  auffal- 
lendsten Unterschiede  der  vier  europäischen  Arten  zusam- 
menstellen. 

1.    Rhinölophus  ferrum  equinum  Schreb. 

Die  vordere  Quer -Fläche  des  Längskammes  auf  def 
Nase  ist  in  der  Mitte  verschmälert ,  oben  und  unten  gleich- 
massig  erweitert,  und  an  der  Spitze  breit  abgerundet.  Die 
hinler  dem  Sattel  gelegene  Spitze  des  Längskamms  erhebt 
sich  über  die  vordere  Querfläche  noch  um  die  Hälfte  der 
Höhe  der  Querfläche,  und  ragt,  auf  die  Lanzette  angedrückt, 
nur  wenig  über  die  erste  Querwand  in  die  zweite  Zellenreihe 
hinein.  Das  Hufeisen  ist  vorn  an  der  Einbucht  auf  der  Mit- 
tellinie abgerundet,  ohne  irgend  einen  Einschnitt  zur  Seite 
der  Mittelbucht,  nach  aussen  hin  ganzrandig.  Die  Einbucht 
am  Aussenrande  des  Ohrs  ist  spitzwinkelig  und  tief,  und  der 
obere  Winkel  des  Wurzellappens  weit  spitzer  abgerundet  und 
weit  höher  als  der  unlere.  Der  Eckzahn  im  Oberkiefer  tritt 
mit  seiner  hinteren  Kante  in  unmittelbare  Berührung  mit  dem 
2ten  Backzahn,  so  dass  der  sehr  kleine  Iste  Backzahn  ganz 
aus  der  Zahnreihe  hinaus  nach  aussen  gedrängt  wird.  Die 
Flughaut  ist  bis  dicht  vor  die  Fusswurzel  angewachsen. 

Flugweile   .... 

Totallänge  .         . 

Länge  des  Kopfes 

Länge  des  Schwanzes 

Lättge  des  Unterarms 


12" 

— 

3" 

6'" 

•           — 

11/// 

1" 

4,5"' 

2" 



52  Blasius: 

2.     Rhinolophus  clivosus  Cretschm.  Rüpp.  Atl. 

Die  vordere  Querfläche  des  Längskammes  auf  der  Nase 
ist  in  der  untern  Hälfte  ziemlich  gleichbreit,  dicht  über  der 
Mitte  bis  fast  auf  die  Hälfte  der  Breite  verschmälert,  und  von 
hier  aus  bis  zur  Spitze  noch  gleichmässig  verengt.  Die  hin- 
ter dem  Sattel  gelegene  Spitze  des  Längskammes  erhebt  sich 
über  die  vordere  Querfläche  fast  um  deren  ganze  Höhe,  und 
ragt,  auf  die  Lanzette  angedrückt,  über  die  zweite  Querwand 
hinaus  in  die  letzte  Zellenreihe  hinein.  Jede  Hälfte  des  Huf- 
eisens hat  vorn  auf  der  Nase  neben  der  gemeinschaftlichen 
Einbucht  nach  aussen  noch  eine  kleinere  Einbucht,  zwischen 
welcher  letztern  und  der  Mittelbucht  der  Rand  jederseits 
deutlich  zahnförmig  vorspringt;  der  Aussenrand  des  Hufei- 
sens verläuft  im  Uebrigen  ganzrandig.  Die  Einbucht  amAus- 
senrande  des  Ohrs  ist  flach  und  stumpfwinkelig,  und  der 
Wurzellappen  nach  oben  und  unten  ziemlich  gleich  hoch  und 
gleichmässig  abgerundet.  Der  kleine  erste  obere  Backzahn  ist 
in  der  Mittellinie  der  Zahnreihe  eingefugt,  und  trennt  den 
Eckzahn  vom  zweiten  Backzahn.  Die  Flughaut  erreicht  die 
Fusswurzel  nicht,  sondern  lässt  das  Schienbein  um  die  halbe 
Länge  der  Fusswurzel  frei  vorstehen.  Der  Schwanz  halb  so 
lang  als  der  Unterarm.  Der  Unterarm  ragt  bis  zur  Mitte  der 
Mundspalte  vor.  Die  angedrückten  Ohren  erreichen  nur  die 
Schnauzenspitze. 


Flugweite 

10"        6'" 

Totallänge  .... 

2"        8"' 

Länge  des  Kopfes 

—       9,5"' 

Länge  des  Schwanzes 

—     10,5'" 

Länge  des  Unterarms 

1"      8,5'" 

3.    Rhinolophus  Euryale  nov.  spec. 

Die  vordere  Querfläche  des  Längskammes  auf  der  Nase 
ist  der  ganzen  Länge  nach  ziemlich  gleichbreit,  und  an  der 
Spitze  breit  abgerundet.  Die  hinter  dem  Sattel  gelegene 
Spitze  des  Längskammes  erhebt  sich  über  die  vordere  Quer- 
fläche fast  um  deren  ganze  Höhe,  und  ragt,  auf  die  Lanzette 
angedrückt ,  über  die  zweite  Querwand  hinaus  in  die  letzte 
Zellenreihe  hinein.    Jede  Hufeisenhälfte  hat  vorn  auf  der  Nase 


Beschreibung  zweier  neuer  deutscher  Fledermausarten.  53 

neben  der  gemeinschaftlichen  Mittelbucht  nach  aussen  noch 
eine  kleinere  stumpfe  Einbucht,  zwischen  welcher  letzteren 
und  der  Mittelbucht  der  Rand  jederseits  schwach  zahnförmig 
vorspringt;  der  Aussenrand  des  Hufeisens  verläuft  im  Uebri- 
gen  ganzrandig.  Die  Einbucht  am  Aussenrande  des  Ohrs  ist 
flach  und  stumpfwinkelig,  und  der  Wurzellappen  nach  oben 
und  unten  ziemlich  gleichhoch  und  gleichmässig  abgerundet. 
Der  sehr  kleine  erste  obere  Backzahn  ist  in  der  Mittellinie 
der  Zahnreihe  eingefügt  und  trennt  den  Eckzahn  vom  zwei- 
ten Backzahn.  Die  Flughaut  erreicht  die  Fusswurzel  nicht, 
sondern  lässt  das  Schienbein  ungefähr  um  die  Länge  der 
Fusswurzel  frei  vorstehen.  Der  Schwanz  ist  über  halb  so 
lang  wie  der  Unterarm.  Der  angedrückte  Unterarm  ragt  über 
die  Schnauzenspitze  hinaus.  Die  an  den  Kopf  angedrückten 
Ohren  überragen  die  Schnauzenspitze  auffallend. 

Flugweite 10"     — 

Totallänge 2"      8'" 

Länge  des  Kopfes       ....  —       9"' 

Länge  des  Schwanzes 
Länge  des  Unterarms 


1"     — 

1"    8,5- 


4.     Rhinolophus  Hippocrepis.  Herrn. 

Die  vordere  Querfläche  des  Längskamms  auf  der  Nase 
ist  der  ganzen  Länge  nach  ziemlich  gleichmässig  verschmä- 
lert, und  am  Ende  spitz  zugerundet.  Die  hinter  dem  Sattel 
gelegene  Spitze  des  Längskammes  erhebt  sich  kaum  zur  Höhe 
der  vorderen  Querfläche ,  und  ragt,  auf  die  Lanzette  ange- 
drückt, nur  bis  zur  Kante  der  ersten  Querwand  vor,  nicht 
einmal  in  die  zweite  oder  mittlere  Zellenreihe  hinein.  Das 
Hufeisen  ist  von  der  Mittelbucht  an  längs  dem  ganzen  Vor- 
derrande hin  eingeschnitten  gekerbt.  Diese  Kerbzähne  wer- 
den um  die  Mitte  des  Aussenrandes  allmählich  undeutlich.  Die 
Einbucht  am  Aussenrande  des  Ohrs  ist  spitzwinkelig  und  tief, 
der  obere  Winkel  des  Wurzellappens  weit  höher  und  viel 
spitzer  zugerundet,  als  der  untere.  Der  Lückenzahn  im  Ober- 
kiefer ist  fast  halb  so  gross  wie  der  2te  Backzahn,  trennt  den 
Eckzahn  und  2ten  Backzahn  auffallend,  und  ist  in  der  Mittel- 
linie der  Zahnreihe  eingefügt.  Die  Flughaut  ist  bis  etwas  über 
die  Furche  hinaus  am  Fuss  angewachsen. 


2" 

7"' 

— 

7,5'" 

1" 

1,5'" 

1" 

5'" 

54  Blafittft 

Fluffweite 

Totallänge 

Länge  des  Kopfes    . 

Länge  des  Schwanzes 

Länge  des  Unterarms 

Beschreibung  der  neuen  Art : 

Rhinolophus  Euryale, 

Die  neue  Art  steht  in  der  Grösse  Rhinolophus  clivosus 
Rüpp.  am  nächsten ;  ist  etwas  kleiner,  als  die  letzte  Art,  je- 
doch entschieden  grösser  als  Rh.  Hippocrepis  Herrn. 

Der  Schädel  zeigt  keine  auffallenden  Abweichungen  von 
dem  von  Rh.  clivosus,  ist  aber  in  der  Mitte  des  Scheitels  weit 
stärker  gewölbt  und  aufgetrieben ,  wie  der  von  Rh.  ferrum 
equinum  und  Hippocrepis.  Auch  im  Gebiss  steht  diese  Art  dem 
Rh.  clivosus  am  nächsten.  Der  Iste  sehr  kleine  Backzahn 
im  Oberkiefer  liegt  in  der  Mittellinie  der  Zahnreihe  und  trennt 
den  Eckzahn  vom  2ten  Backzahn,  wie  bei  Rh.  clivosus.  Die 
ganze  flache  Krone  des  Isten  Backzahns  erhebt  sich  fast  so 
hoch  wie  der  vordere  Kronrand  des  2ten  Backzahns,  während 
bei  Rh.  clivosus  der  Iste  Backzahn  bei  weitem  nicht  die  Höhe 
des  vorderen  Kronrandes  am  2ten  Backzahn  erreicht.  Der 
Iste  Backzahn  im  Unterkiefer  ist  verhältnissmässig  weit  klei- 
ner und  schwächer,  wie  bei  Rh.  clivosus;  dieser  Zahn  ist  bei 
Rh.  Euryale  kaum  halb  so  hoch  wie  der  2te  Backzahn,  und 
erreicht  ungefähr  ein  Drittel  der  Höhe  des  Eckzahns,  während 
derselbe  bei  Rh.  clivosus  ungefähr  zwei  Drittel  der  Höhe  des 
2ten  Backzahnes  ,  und  stark  die  halbe  Höhe  des  Eckzahnes 
erreicht. 

Das  Hufeisen  ist  vorn  in  der  Mittellinie  tief  und  scharf 
eingebuchtet  und  die  Ränder  an  der  Einbucht  sind  leistenar- 
tig erhöht.  Der  Vorderrand  des  Hufeisens  ist  dicht  neben 
dem  leistenartig  vorspringenden  Rande  schwach  eingekerbt,  so 
dass  die  erhöhte  Leiste  vorn  schwach  zahnartig  sich  absetzt. 
Bei  Rh.  clivosus  ist  dieser  zahnartige  Vorsprung  noch  weit 
schiefer  durch  Einbucht  abgetrennt,  bei  Rh.  Hippocrepis  kaum 
angedeutet,  während  bei  Rh.  ferrum  equinum  die  Winkel  an  der 
Mittelbucht  abgerundet  sind.  Der  übrige  Vorder-  und  Aus- 
senrand  des  Hufeisens  vejrläuft  ganzj'andig,  wie  bei  Rh,  clivo- 


Beschreibung  iweier  neuer  deutsch  er  Fledermausarten.  55 

sus  und  ferrum  equinum,  mit  kaum  ang-edeuteten  Wellenbie- 
gurigen ,  während  bei  Rh.  Hippocrepis  der  Vorderrand  mit 
rundlich  vorspringenden  Zähnen  eingekerbt  ist.  Die  Form  des 
Hufeisens  hält  also  die  Mitte  zwischen  der  von  Rh.  clivosus 
und  Rh.  Hippocrepis.  Die  vordere  Qucrfläche  des  Längs- 
kammes ist  der  ganzen  Länge  nach  gleichbreit  und  am  Ende 
breit  und  flach  abgerundet.  Hierin  weicht  sie  von  allen  übri- 
gen Arten  ab ,  indem  diese  Querfläche  bei  Rh.  clivosus  von 
der  Mitte  an,  bei  Rh.  Hippocrepis  von  der  Basis  bis  zur  Spitze 
verschmälert,  bei  Rh.  ferrum  equinum  aber  von  der  Mitte  bis 
zur  Spitze  erweitert  ist.  Die  hintere  Spitze  des  Längskammes 
hinter  dem  Sattel  erhebt  sich  über  die  vordere  Querfläche  des 
Längskammes,  ähnlich  wie  bei  Rh.  clivosus,  fast  um  deren 
ganze  Höhe,  und  ragt,  auf  die  Lanzette  angedrückt,  über  die 
2te  Querwand  hinaus  in  die  3te  oder  letzte  Zellenreihe  der 
Lanzette  hinein,  während  sie  bei  den  beiden  andern  Arten 
wenig  oder  gar  nicht  bis  in  die  2te  Zellenreihe  hinein  vor- 
ragt. Auf  der  Vorderfläche  der  Lanzette  erhebt  sich  in  der 
Wurzelhälfte,  als  Fortsetzung  des  Längskammes,  eine  Längs- 
leiste, die  von  2  Querleisten  durchschnitten  wird,  und  dadurch 
6  Zellen  bildet,  von  denen  die  4  oberen  so  flach  liegen,  dass 
man  sie  ganz  übersieht,  während  deren  Basis  bei  Rh.  ferrum 
equinum  und  clivosus  versteckt  erscheint. 

Das  Ohr  ist  am  Aussenrande  nur  flach  eingeschnitten, 
der  Wurzellappen  nur  wenig  von  der  Hauptfläche  des  Ohrs 
getrennt,  und  nach  beiden  Seiten  ziemlich  gleichmässig  ab- 
gerundet, wie  bei  Rh.  clivosus,  während  bei  Rh.  ferrum 
equinum  und  Hippocrepis  die  Einbucht  am  Aussenrande  viel  lie- 
fer und  spitzer ,  und  der  Wurzellappen  nach  der  Basis  hin 
viel  stärker  als  nach  der  Spitze  hin  abgerundet  ist.  Auf  der 
Innern  Ohrhälfte  verläuft  ein  gekörnelter  bogiger  Kiel  von  der 
Basis  bis  zur  Spitze;  die  äussere  Hälfte  ist  von  10  bis  12  Quer- 
fallen durchzogen,  welche  längs  dem  Aussenrande  hin  zier- 
lich mit  einander  verwachsen  sind.  Die  Ohren  ragen  ange- 
drückt aufFaflend,  fast  um  2  Linien,  über  die  Schnauzenspitze 
hinaus  vor,  während  sie  bei  Rh.  clivosus  die  Schnauzenspitze 
nur  erreichen. 

Die  Fusssohle  ist  querrunzelig,  dicht  vor  der  Basis  der 
Zehen  längsrunzelig.  Aus  der  Flughaut  steht  der  untere  Theil 


66 


Blasius 


des  Schienbeins,  ungefähr  von  der  Länge  der  Fusswurzel,  frei 
vor.  Nur  die  äusserste  Schwanzspitze  steht  aus  der  hinten 
in  der  Mitte  fast  gradlinig  abgeschnittenen  Schwanzflughaut 
kaum  merklich  vor.  Der  Schwanz  ist  auffallend  kurz,  jedoch 
verhältnissmässig  länger^  als  bei  Rh.  clivosus,  bei  welcher 
Art  er  nur  die  halbe  Länge  des  Unterarms  erreicht.  Der 
an  den  Körper  angedrückte  Unterarm  ragt  hinten  bis  fast 
zur  Schwanzwurzel,  vorn  etwas  über  die  Schnauzenspitze  hin- 
aus vor,  während  der  Unterarm  bei  Rh.  clivosus  dieSchnau. 
zenspitze  nicht  erreicht.  Das  2le  Glied  des  3ten  und  5ten 
Fingers  ragt  bis  zum  Ellenbogen  vor;  das  2te  Glied  des  4ten 
Fingers  ist  etwas  kürzer. 

In  der  Behaarung  und  Färbung  ist  kein  wesentlicher 
Unterschied  von  den  verwandten  Arten  zu  beobachten.  Die 
Individuen  sind  ohne  Unterschied  des  Geschlechts  sowohl  sehr 
hellfarbig,  als  dunkler  rauchbraun  überflogen,  besonders  auf 
der  dunkleren  Oberseite. 

Zu  den  schon  oben  erwähnten  Maassen,  die  von  einem 
der  grössten  Exeniplare  von  Triest  entlehnt  sind ,  will  ich 
die  eines  mittelgrossen  Männchens  von  Mailand  hinzufügen. 


Flugweite 

9" 

6"'    Par.  Maass. 

Totallänge 

2" 

y/// 

Kopflänge         

— 

g/// 

Schwanzlänge 

1" 

— 

Ohr  von  der  Basis  des  Innenrandes     . 

— 

7,5'" 

Ohr  vom  Einschnitt  am  Aussenrande 

— 

5,5'" 

Breite  des  Wurzellappens  am  Ohr 

— 

3,5'" 

Breite  des  Ohrs  in  der  Mitte    . 

— 

6'" 

Oberarm 

— 

11'" 

Unterarm          .        ,        . 

1" 

8,5'" 

Der  freie  Daumen,  ohne  Nagel 



1,6'" 

Der  Daumennagel     . 

— 

1'" 

Das  Iste  Glied  des  2ten  Fingers     . 

1" 

3,0'" 

Das  Iste  Glied  des  3ten  Fingers     . 

1" 

2,3'" 

Das  2te       _     —      __       _ 

— 

5,8"' 

Das  3te       —     —      —      — 



11,3'" 

Das  Nagelglied        .        .        .        . 

— 

1'" 

Das  Iste  Glied  des  4ten  Fingers     . 

1" 

3/// 

Das2te      — —     —        — 

— 

3,4'" 

Beschfeibung  zweier  neuer  deutscher  Fledermausarten.  57 


Das  3te  Glied  des  4ten  Fingers 

.     — 

7,8'"  Par.  Maass. 

Das  Nagelglied 

.     — 

0,7'" 

Das  Iste  Glied  des  öten  Fingers 

.     1" 

3,4'" 

Das  2te      —      —     —       — 

— 

5"' 

Das  3te       —      —    —       — 

.     — 

5,8'" 

Das  Nagelglied 

.     — 

0,5'" 

Schenkel          .... 

.     — 

7,5'" 

Schienbein       .... 

.     — 

7,6'" 

Fuss 

.     — 

4,6'" 

Diese  neue  Art,  die  in  ihrem  Aufenthalt  und  in  der  Le- 
bensweise dem  Rhinolophus  clivosus  am  nächsten  steht,  ist 
bis  jetzt  nur  in  Südeuropa  von  den  Südabhängen  der  Alpen 
an  gefunden  worden.  Ich  selber  habe  sie  in  Mailand,  Triest 
und  in  Riva  am  Gardasee  erhalten.  Im  Fluge  ist  sie  kaum 
von  Rh.  clivosus ,  mit  der  ich  sie  am  Gardasee  zusammen 
fliegen  gesehen ,  zu  unterscheiden.  Ausser  diesen  habe  ich 
auch  etliche  Exemplare  aus  dem  mittleren  Dalmatien  gesehen. 
Rhinolophus  Hippocrepis  undferrum  equinum  sind  die  ein- 
zigen Arten,  welche  nördlich  von  den  Alpen  gefunden  sind. 
Beide  kommen  in  den  Centralalpen ,  z.  B.  am  St.  Gotlhardt 
und  bei  Heiligenblut,  bis  fast  in  die  Schneeregion  vor.  Rh. 
ferrum  equinum  erreicht  ihre  Nordgrenze  am  Südrande  des 
Harzes ;  Rhinolophus  Hippocrepis  kommt  bis  zu  den  Küsten 
der  Nord-  und  Ostsee  vor ;  und  Rhinolophus  clivosus  und 
Euryale  erreichen  ihre  Nordgrenze  an  den  Südabhängen  der 
Alpen. 

Braunschweig,  im  März  1853. 


lieber  eine  neue  und  eine  wenig^er  g^ekannte 
Siplionostomen  -  Oattung^. 

Von 
Dr.  A.  Crerstaecker. 

in  Berlin. 
(Hierzu  Taf.  III.  und  IV.). 


Bei  der  Durchsicht  und  Bestimmung  derCrustaceen  der 
Königl.  Zoologischen  Sammlung  zu  Berlin  fielen  mir  zwei 
Thiere  aus  der  Familie  Siphonostomala  Lalr.  in  die  Hände  , 
von  denen  ich  das  eine  als  Repräsentanten  einer  noch  unbe- 
kannten Gattung  erkannte;  das  andere  schien  mir  nähere 
Aufschlüsse  über  das  bisher  nur  mangelhaft  bekannte  Genus 
Nogagus  Leach  zu  geben.  Ich  lasse  die  Beschreibung  bei- 
der folgen. 

!•     Klytropliora  ^>  nov*  g^en« 

Diagn.  „Antennae  biarticulatae,  margini  frontali  annexae. 
Oculi  nulli  (?).  Corporis  pars  thoracica  cephalothorace  tri- 
busque  annulis  thoracicis  satis  distinctis  composita,  abdomen 
annulis  duobus,  appendicibusque  duabus  terminalibus ,  setife- 
ris.  Dorsum  appendicibus  foliaceis  in  mare  duabus,  quattuor 
in  femina  ornatum.  Pedum  maxillarium  paria  tria,  in  cepha- 
lothorace affixa,  simplicia,  ungue  terminali.  Pedum  branchia- 
lium  paria  quattuor,  quorum  tria  annulo  thoracico  primo,  al- 
tero  quartum  affixum :  singuli  bifidi,  lamina  branchiali  interna 
gressoria  externa  compositi,  utraque  setis  ciliatis  longis  in- 
structa.  Femina  mare  duplo  maior,  tubis  oviferis  duabus  lon- 
gis, appendiceque  furcata  infra  instructa.« 

Der  Cephalothorax  ist,  wie  überhaupt  in  der  Gruppe  der 
Caligiden,  von  hufeisenförmiger  Gestalt,  oben  convex,  unten 


0  Hierzu  gehört  Taf.  III. 


Gerstaecker:  lieber  eine  Siphonostomen -Gattung.  5^ 

concav ;  er  zeigt  auf  der  Oberseite  die  gewöhnlichen,  ein  H 
darstellenden  Furchen.  Der  Slirnrand  ist  schmal  abgesetzt , 
in  der  Mitte  merklich  eingeschnitten  und  trägt  an  der  Un- 
terseite die  seitlichen  Antennen  (Fig.  11.),  welche  aus  einem 
breiteren  Basal-  und  einem  schmäleren,  mit  einigen  Borsten 
versehenen  Endgliede  bestehen.  Augen  habe  ich  nicht  wahr- 
nehmen können;  sie  finden  sich  weder  wie  bei  Dinematura, 
Trebius  u.  a.  auf  dem  Mittelfelde  der  Rückenseite,  noch  wie 
bei  Caligus  und  Nogagus  vor  oder  hinter  den  Antennen,  auf 
der  Unterseite;  ich  will  damit  jedoch  nicht  sagen,  dass  sie  un- 
bedingt fehlen.  Der  Rüssel  (Fig.  12.)  ist  kurz  und  dick;  er 
besteht  aus  der  Oberlippe  (a)  mit  den  zwei  zu  ihrer  Seite 
sitzenden  vorderen,  zweigliedrigen  Palpen,  (6)  der  breiteren  Un- 
terlippe (c)  mit  einem  zweiten  Paare  kleiner  und  meist  sehr 
versteckt  sitzender  Palpen  (c?)  und  den  zwischen  beiden  Lip- 
pen liegenden  langen  Kiefern  (e) :  die  am  unteren  Ende  des 
Rüssels  liegende  Oeffnung  ist  oval  und  ziemlich  gross.  Zu 
beiden  Seilen  des  Mundes  liegen  zwei  dreieckige,  hornartige 
Platten  (/")  von  dunkelbrauner  Farbe;  ihre  dem  Munde  zuge- 
kehrten, convexen  Ränder  sind  frei  und  scheinen  scharfschnei- 
dend zu  sein;  an  das  diesem  Rande  gegenüberliegende  Ende 
setzen  sich  ziemlich  starke  Muskelbündel.  Als  was  für  Or- 
gane dieselben  zu  deuten  seien,  wage  ich  nicht  zu  entschei- 
den ;  ich  habe  sie  bei  den  verwandten  Gattungen  nicht  auffin- 
den können. 

Von  den  drei  Fusspaaren,  welche  an  der  Unterseite  des 
Cephalolhorax  befestigt  sind,  sitzt  das  erste  (Fig.  3.)  zu  bei- 
den Seiten  des  Rüssels.  Das  kurze  Basalglied  derselben  ist 
mit  einem  starken,  nach  hinten  gerichteten  Dorn  bewaffnet; 
auf  dieses  folgt  der  kurze  und  ziemlich  starke  Schenkel,  an 
dem  ein  mit  einem  kurzen  Endhaken  versehenes ,  dünneres 
Glied  eingelenkt  ist.  —  Die  Füsse  des  zweiten  Paares  (Fig.  4  ) 
nehmen  unmittelbar  hinter  und  etwas  nach  aussen  von  den 
vorigen  ihren  Ursprung;  das  Basalglied  ist  unbewaffnet,  das 
zweite  länger  und  dünner  als  beim  ersten  Paar ,  das  dritte 
sehr  lang,  gegen  das  Ende  hin  stark  gekrümmt,  mit  einem 
kürzeren  und  einem  längeren,  sehr  dünnen  Haken  versehen. 
—  Die  Füsse  des  dritten  Paares  (Fig.  5.)  sind  der  Mittellinie 
des  Körpers  wieder  nahe  gerückt  und  zeichnen  sich  durch 


60  Gerstaecker: 

ihre  besondere  Plumpheit  aus ;  die  drei  Glieder  sind  sehr  kurz 
und  dick,  und  von  geringer  Beweglichkeit  unter  einander; 
am  Ende  ist  ein  sehr  kräftiger,  stark  gekrümmter  Haken  ein- 
gelenkt. —  Ob  diese  drei  Fusspaare  mit  Recht  als  Analoga 
der  Maxillarfüsse  bei  den  höheren  Crustaceen  zu  betrachten 
sind,  wie  es  von  Milne  Edwards  geschieht,  ist  sehr  fraglich; 
wenigstens  haben  sie  noch  andere  Funktionen.  Bei  der  Be- 
gattung umklammert  das  Männchen  mit  dem  dritten  Fuss- 
paare den  letzten  Thoraxring  des  Weibchens  seitlich  und 
schlägt  das  erste  kurze  Fusspaar  über  den  vorderen  Theil 
desselben. 

Der  übrige  Theil  des  Thorax  besteht  aus  drei  Ringen , 
von  denen  jedoch  der  erste  auf  der  Rückenseite  nicht  deut- 
lich vom  Cephalothorax  geschieden  ist;  auf  der  Unterseile 
erstreckt  er  sich  weit  nach  vorn  und  trägt  die  drei  ersten 
Kiemenfusspaare.  Der  zweite  Ring  (Fig.  1  und  2,  c)  ist  kurz, 
von  der  Breite  des  hinteren  Ausschnittes  des  Cephalothorax, 
aussen  abgerundet,  und  trägt  an  seinem  Hinterrande  zwei 
kurze,  rundliche,  den  folgenden  Ring  zum  Theil  bedeckende, 
freie  ßlättchen;  an  seiner  Unterseite  ist  das  vierte  Paar  der 
Kiemenfüsse  befestigt.  Der  dritte  Ring  (Fig.  1.  und  2.,  d)  ist 
beim  Weibchen  gross  und  breit  und  trägt  an  seinem  Hinter- 
rande ebenfalls  zwei  rundliche ,  freie  Blättchen,  welche  den 
ersten  Ring  des  Abdomen  zum  Theil  bedecken.  Er  enthält  die 
Ovarien,  welche  sich  als  gewundene  Schläuche  bemerkbar 
machen;  an  seinem  Ende  entspringen  beiderseits  die  langen 
geringelten  Eiertrauben.  Der  hintere  Rand  dieses  Ringes 
zeigt  beim  Weibchen  eine  eigenthümliche  Beschaffenheit;  durch 
zwei  seitliche  Vorsprünge  wird  eine  doppelte  Einbuchtung  ge- 
bildet, aus  welcher  zwei  dünne,  geschlängelte  Canälchen  ent- 
springen, die  sich  an  ihrem  Ende  jedes  zu  einer  durchsich- 
tigen, ziemlich  dickwandigen  Blase  von  hellbrauner  Farbe  er- 
weitern (Fig.  13.,  a).  Ich  fand  sie  unter  einer  grösseren  An- 
zahl ,  die  mir  zu  Gebote  stand  ,  bei  allen  denjenigen  Weib- 
chen vor,  welche  ihr  Männchen  am  Leibe  trugen;  bei  der 
Mehrzahl  der  ledigen  fehlten  sie  dagegen.  Aehnliche  Organe 
habe  ich  ausserdem  nur  noch  bei  dem  von  Otto  0   als  Ca- 


1)  Nova  Acta  Acad.  Caes.  Leopold.  Tom  XIY.,  p.  35^. 


Ueber  eine  Siphonostomen  -  Gattung.  61 

ligus  paradoxus  und  von  v.  Nordmann  ')  als  Binoculus  sexse- 
taceus  beschriebenen  Siphonostomen-Weibchen  gesehen,  finde 
auch  ihre  Existenz  sonst  nur  von  Müller  bei  der  Beschreibung 
seines  Caligus  productus  erwähnt.  Dieser  ist  aber,  wie  ich 
weiter  unten  zeigen  werde,  mit  dem  von  Otto  und  v.  Nord- 
mann beschriebenen  Thiere  identisch,  und  darf  keineswegs , 
wie  es  Milne  Edwards  thut,  zu  Dinematura  gezogen  werden. 
Müller  wirft  die  Frage  auf  ^) ,  ob  die  besprochenen  Organe 
vascula  spermatica  seien  ^  durch  das  später  entdeckte  Männ- 
chen erledigt  sich  dieselbe  von  selbst,  v.  Nordmann  meint, 
sie  dienten  wahrscheinlich  zum  Festhalten  an  der  schlüpfrigen 
Oberfläche  des  Fisches ;  doch  dann  könnte  sie  ja  das  Männ- 
chen ebenfalls  nicht  entbehren !  Jedenfalls  ,  da  sie  nur  beim 
Weibchen  vorkommen  und  in  der  Nähe  der  GenitalöfFnung 
ihren  Sitz  haben,  scheinen  sie  mit  den  Geschlechtstheilen  in 
irgend  einer  Beziehung  zu  stehen ;  was  jedoch  ihre  eigent- 
liche Bestimmung  ist,  muss  die  fernere  Beobachtung  lebender 
Exemplare  lehren. 

Beim  Männchen  ist  der  dritte  Ring  des  Thorax  verhält- 
nissmässig  schmäler  und  verengt  sich  nach  hinten,  während 
er  sich  beim  Weibchen  erweitert;  es  fehlen  ihm  auch  die 
blattförmigen  Anhängsel.  Untersucht  man  ihn  von  der  Un- 
terseite, so  erkennt  man  darin  deutlich  die  am  hinteren  Ende 
liegenden  ovalen  Hoden  (Fig.  14.,  a},  aus  welchen  die  Aus- 
führungsgänge (Fig.  14.  &)  zuerst  nach  vorn  gehen,  sich  dann 
umbiegen  und  vor  der  Mitte  mit  einer  Oeffnung  endigen.  Zwi- 
schen beiden  Mündungen  liegt  die  äussere  männliche  Geni- 
talölTnung  in  Form  einer  länglichen  Spalte  (Fig.  14.,  c.) 

Die  vier  Kiemenfusspaare  (Fig.  6—9.)  stimmen  ihrer 
Anlage  nach  durchaus  mit  einander  überein;  sie  bestehen  alle 
aus  einem  länglichen  Basalgliede,  welches  mit  dem  der  an- 
deren Seite  durch  einen  hornigen  Bogen  verbunden,  und  bei 
den  drei  ersten  Paaren  am  Grunde  mit  einem  starken,  etwas 
gekrümmten  Dorn  bewaffnet  ist.  An  diesem  Basaltheil  sind 
zwei  unter  sich  verschiedene  Portionen  eingelenkt;  die  in- 
nere ist  der  Kiementheil  des  Fusses  (Fig.  6—9.,  ö),  und  be- 


1)  Mikrographisclie  Beiträge  IL,  p.37. 

2)  Entomostraca,  pag.  134. 


62  Gerstaecker: 

steht  beim  Isten  und  4ten  Paar  aus  zwei,  beim  2ten  tllid  3i&i 
aus  drei  Gliedern;  die  Endglieder  sind  mit  langen,  gebogenen-, 
dicht  bewimperten  Borsten  von  verschiedener  Anzahl  vei-*- 
sehen;  es  finden  sich  nämlich  am  ersten  Paar  deren  drei , 
am  2ten  sieben,  am  3ten  und  4ten  fünf.  —  Die  äussere  Por- 
tion (Fig.  6 — 9.,  a)  ist  der  eigentliche  Fuss;  sie  besteht  bein* 
ersten  Paare  aus  zwei,  bei  den  übrigen  aus  drei  deutlich  ge- 
schiedenen Gliedern;  das  Endglied  ist  bei  den  drei  ersten 
Paaren  ebenfalls  mit  gewimperten,  an  Zahl  und  Länge  ver- 
schiedenen Borsten,  beim  letzten  Paar  hingegen  mit  Stangen 
Dornen  besetzt.  Ausserdem  finden  sich  auch  Dornen  an  der 
Basis  der  übrigen  Glieder.  —  Dicht  vor  diesen  vier  Kie- 
menfusspaaren  findet  sich  beim  Weibchen  ein  gabelförmig  ge- 
spaltenes Anhängsel  in  der  Mittellinie  aufgehängt,  welches  man 
als  ein  rudimentäres  überzähliges  Fusspaar  betrachten  könnte. 
(Fig.  10.) 

Der  Hinterleib  besteht  aus  zwei  beim  Männchen  gleich 
breiten  Gliedern ;  beim  Weibchen  ist  das  erste  Glied  breiter 
als  das  zweite;  an  der  Spitze  des  letzteren  liegt  der  After 
(Fig.  14.,  d).  Zu  beiden  Seiten  desselben  ist  ein  längliches 
Blättchen  eingelenkt,  das  mit  vier,  beim  Männchen  verhält- 
nissmässig  längeren  gefiederten  Borsten  besetzt  ist. 

Diese  Gattung  bildet  einsehr  interessantes  Verbindungs- 
glied der  von  Milne  Edwards  aufgestellten  Gruppen  der  Ca- 
ligiden  und  Pandaliden,  indem  sie  mit  jenen  die  Bildung  der 
Füsse,  mit  diesen  die  Deckschilde  auf  der  Oberseite  des  Kör- 
pers gemein  hat;  sie  würde  meiner  Ansicht  nach  in  die  Nähe 
der  Gattung  Trebius  Kroyer  gestellt  werden  müssen. 

Von  der  einzigen  mir  bisher  bekannt  gewordenen  Art, 
welche  ich 

Elytrophora  brachyptera, 
nennen  will,  ist  das  Männchen  47/",  das  Weibchen  6'"  lang. 
Der  Cephalothorax  ist  beim  Weibchen  ebenso  lang  wie  breit, 
beim  Männchen  etwas  schmäler;  der  Seitenrand  ist  hinter  der 
Mitte  bei  beiden  Geschlechtern  eingebuchtet ,  wodurch  der 
hintere  Theil  des  Kopfschildes  etwas  schmäler  wird ;  die  den 
ersten  Thoraxring  einschliessenden ,  seitlichen  Lappen  sind 
beim  Männchen  zugespitzt,  beim  Weibchen  abgerundet.  Die 
am  zweiten  Thoraxringe  sitzenden  Blätlchen  sind  rundlich  und 


lieber  eine  Siphonostomen  -  Gattung.  63 

bedecken  kaum  den  4ten  Theil  des  folgenden  Ringes;  die- 
ser verschmälert  sich  nach  hinten  beim  Männchen,  erweitert 
sich  dagegen  beim  Weibchen  und  trägt  hier  zwei  ebenfalls 
rundliche,  den  ersten  Ring  des  Abdomen  zur  Hälfte  bedek- 
kende  Blältchen.  Die  geringelten  Eierlrauben  des  Weibchens 
sind  6'"  lang. 

Auf  welcher  Fischart  das  Thier  parasitisch  lebt,  ist  mir 
unbekannt;  es  stammt  aus  dem  mittelländischen  Meere. 


3«     SBnr  MLenntnSss  der  Cwatfungr  ]¥og^a^as  ^)  lieacli* 

Milne  Edwards  charakterisirt  die  von  Leach  aufgestellte 
Gattung  Nogagus  in  seiner  Hisloire  naturelle  des  Crustaces, 
tom.  III.,  p.  459.  folgendermassen :  „Die  Füsse  des  letzten  Paares 
sind  nicht  einfach  undGehfüsse  wie  bei  Caligus,  sondern  gleich 
denen  der  drei  vohergehenden  Paare  zweilheilig  undSchwimm- 
füsse.  Der  Cephalothorax  ist  weniger  entwickelt  und  die 
Stirnfortsätze  kleiner  und  abgesetzter.  Der  Thorax  besteht 
aus  vier  grossen,  deutlich  geschiedenen  Ringen,  von  denen 
der  erste  zwei  kleine  seitliche  Fortsätze  zeigt.  Endlich  sind 
die  beiden  Blättchen,  welche  am  Ende  des  Abdomen  sitzen, 
mehr  entwickelt  als  bei  den  meisten  Caligus  ähnlichen  Thie- 
ren."  —  Aus  den  Beschreibungen  der  Arten  ^wohl,  als  aus 
den  dazu  citirten  Abbildungen,  von  denen  sich  die  eine  in 
der  neuen  Ausgabe  von  Cuvier's  Regne  animal,  pl.  78.,  fig.  3. 
die  andere  in  den  Nov.  Act.  Academ.  Caes.  Leopold.  XVII., 
pl.  23.,Fig.  1.  (von  Burmeister)  findet,  ist  deutlich  zu  erse- 
hen, dass  Milne  Edwards  nur  Männchen  gekannt  und  danach 
die  Charaktere  der  Gattung  festgestellt  hat;  übrigens  ein  son- 
derbarer Zufall,  da  die  Weibchen  derartiger  Thiere  in  der  Re- 
gel die  bei  weitem  häufigeren  sind.  Da  nun  das  Weibchen 
in  dieser  Gattung  eine  vom  Männchen  sehr  verschiedene  Ge- 
stalt hat,  so  wird  sich  natürlich  die  Diagnose  durch  Mitauf- 
nahme seiner  Charaktere  ganz  anders  gestalten.  Merkwür- 
dig ist  es  allerdings ,  dass  ein  zu  dieser  Gattung  gehöriges 
Weibchen  schon  dreimal  beschrieben  und  zweimal  abgebil- 
det, trotzdem  aber  nie  als  solches  erkannt  worden  ist;  doch 
walteten  immer  Gründe  ob ,  die  das  Verkennen  rechtfertigen. 


*)  Hierzu  Taf.  IV. 


64  Gerstaecker: 

Die  erste  Abbildung*  eines  Nogagus  -Weibchens  gab  0.  F. 
Müller  (Entomostraca  Tab.  XXI. ,  Fig.  3.  und.  4.)  unter  dem 
Namen  Caligus  productus;  da  dieselbe  sehr  unvollkommen 
ist,  so  beging  Milne  Edwards  den  Irrthum ,  sie  unter  seiner 
Gattung  Dinemura  aufzuführen  ,  womit  sie  jedoch  nur  eine 
entfernte  Aehnlichkeit  hat;  es  sprechen  dagegen  die  in  der 
Müller'schen  Figur  gut  wiedergegebenen  vier  deutlichen  Tho- 
raxringe, die  drei  kleinen  Deckplatten  des  letzten  Thorax- 
ringes, die  viel  zu  langen  Trauben,  und  besonders  die  ganz 
verschiedene  Form  des  Abdomen  und  dessen  Endblät^chen. 
Da  jedoch  die  Füsse  in  der  Abbildung  ganz  verpfuscht  sind, 
und  ausserdem  das  Männchen  fehlt,  so  war  die  richtige  Deu- 
tung, ohne  das  Original  gesehen  zuhaben,  schwierig. —  Zum 
zweiten  Male  ist  dasselbe  Weibchen  von  Otto  unter  dem  Na- 
men Caligus  paradoxus  (Nov.  Act.  Acad.  Caes.  Leopold.  XIV., 
Taf.  XXII.  Fig.  5.),  aber  unglücklicherweise  nur  von  unten 
abgebildet  worden ,  so  dass  die  charakteristische  Form  der 
Oberseite  abermals  verborgen  blieb,  v.  Nordmann,  dem  die 
Abbildung  und  Beschreibung  Otto's  entgangen  war,  hat  das 
Thier  in  seinen  mikrographischen  Beiträgen  zum  dritten  Male 
alsBinoculus  sexsetaccus  beschrieben;  die  Abbildung,  auf  die 
er  in  der  Beschreibung  hinwies,  ist  jedoch  nicht  erschienen. 
Es  scheint  mir  daher  nicht  überflüssig,  auf  dieses  noch  we- 
nig gekannte  Thier,  zumal  da  es  der  einzige  weibliche  Re- 
präsentant einer  Gattung  ist,  von  neuem  die  Aufmerksamkeit 
hinzulenken. 

Nogagus  productus. 

Caligus  productus  Müll. 

Caligus  paradoxus  Otto. 

Binoculus  sexsetaceus  Nordm. 

Die  Länge  des  Weibchens  beträgt  ohne  die  Eiertrau- 
ben nahe  an  7'",  mit  diesen  13'".  Der  Cephalothorax  ist 
von  der  gewöhnlichen  hufeisenförmigen  Gestalt  und  ebenso 
breit  wie  lang;  der  Stirnfortsatz  zerfällt  in  zwei  seitliche  Hälften, 
die  auf  der  Oberseite  in  der  Mitte  nicht  zusammenhängen; 
an  der  Unterseite  derselben  entspringen  die  zweigliedrigen 
Antennen  (Fig.  8.  a),  jedoch  nicht  nahe  dem  Seitenrande  , 
wie  bei  der  vorigen  Gattung  ,   sondern    in    der  Mitte  jeder 


Ueber  eine  Siphonostomen  -  Gattung.  65 

Hälfte.  Dicht  hinter  ihnen,  an  der  Stelle,  wo  der  Vorderrand 
des  Cephalothorax  in  den  Seitenrand  übergeht ,  sitzen  die 
birnförmigen  Augen  (Fig.  8.  6).  Der  Rüssel  ist  sehr  lang 
und  schmal,  die  Kiefer  sehr  dünn,  und  die  Endöffnung  klein. 
Am  vorderen  Theile  sitzen  zu  beiden  Seiten  die  Palpen  (Fig. 
9.  d),  welche  aus  einem  kurzen,  mit  einem  Dorn  bewaffne- 
ten Basal-  und  einem  länglichen  Endgliede  bestehen;  das 
letztere  trägt  an  seinem  unteren  Ende  einen  kurzen  Zapfen. 
An  der  Aussenseite  dieser  Palpen  sitzen  zwei  grössere  ähn- 
liche Organe  (Fig.  9.  e),  welche  jedoch  mit  dem  Rüssel  nicht 
direct^  zusammenhängen,  sondern  ihn  von  der  Seite  umfassen. 

Von  den  drei  Fusspaaren  des  Cephalothorax  ist  das  erste 
sehr  klein  (Fig.  3.)  und  liegt  vor  dem  Munde.  Es  besteht 
aus  einem  kurzen,  dicken  Basal-  und  einem  länglichen,  ge- 
bogenen Endgliede  ,  das  in  einen  kurzen  Haken  ausläuft. 
Das  zweite Fusspaar  (Fig.  4.)  liegt  zu  beiden  Seiten  des  Rüs- 
sels ,  und  besteht  ebenfalls  aus  zwei  Gliedern  ,  die  jedoch 
beide  sehr  lang  gestreckt  sind;  der  Haken,  welcher  an  dem 
stark  eingeschnürten  Ende  des  zweiten  befestigt  ist,  ist  gross 
und  stark  gebogen.  Die  Füsse  des  dritten  Paares  (Fig.  5.) 
sind  wie  bei  der  vorigen  Gattung  sehr  plump,  liegen  von  der 
Mittellinie  etwas  entfernt  und  endigen  in  zwei  sehr  kräftige, 
stark  gebogene,  einander  gegenüberstehende  Klauen. 

Der  Thorax  besteht  aus  vier  deutlich  geschiedenen  Rin- 
gen. Der  erste  derselben  ist  kaum  von  der  Breite  des  hin- 
teren Einschnittes  des  Cephalothorax,  schickt  aber  zwei  seit- 
liche Fortsätze  nach  aussen,  die  sich  innerhalb  der  nach  hin- 
ten vortretenden  Flügel  des  Kopfschildes  nach  unten  umbie- 
gen. Der  zweite  Ring  ist  wiederum  etwas  schmäler  und  zu- 
gleich auch  kürzer  als  der  erste;  sein  Vorder-  und  Hinter- 
rand bilden  Kreisabschnitte  ,  die  seitlich  zusammenstossen ; 
auch  er  schickt  zwei  seitliche  Fortsätze  nach  aussen.  Der 
dritte  Ring  ist  bedeutend  breiter ,  als  die  beiden  vorherge- 
henden und  trägt  an  seinem  Hinterrande  zwei  rundliche  Blätt- 
chen, die  den  folgenden  Ring  zum  Theil  bedecken;  dieser 
letzte  endlich  ist  sehr  lang  und  scheint  auf  der  Rückenseite 
von  zwei  neben  einander  liegenden  harten  Platten  bedeckt 
zu  sein ;  an  seinem  Ende  trägt  er  zwei  obere,  etwa  die  Form 
eines  Quadranten  darstellende,  und  ein  darunter  liegendes, 

Archiv  f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  1.  Bd.  5 


66  Gerslaecker: 

zugerundetes  Blätlchen.  Auf  der  Unterseite  trägt  der  erste 
Thoraxring  zwei,  der  zweite  und  dritte  jeder  ein  Kiemenfuss- 
paar  (Fig.  2.). 

Beim  ersten  Kiemenfusspaar  (Fig.  6.)  ist  das  Basalglied 
kurz,  bei  den  übrigen  ziemlich  lang,  daher  auch  jenes  näher 
der  Mittellinie,  diese  mehr  nach  aussen  liegen  ;  beim  zwei- 
ten (Fig.  7.)  und  dritten  Paare  ist  es  ausserdem  mit  einem 
langen  Dorn  bewaffnet.  Am  Basalgliede  sind  bei  allen  4 
Fusspaaren  ,  wie  in  der  vorigen  Gattung,  je  zwei  Portionen 
eingelenkt,  voii  denen  die  innere  den  Kiemenlheil ,  die  äus- 
sere den  eigentlichen  Fuss  darstellt;  beide  nähern  sich  jedoch 
in  der  Form  einander  sehr,  wie  es  auch  bei  der  GattungDi- 
nemura  Edw.  der  Fall  ist,  und  sind  je  aus  zwei  Gliedern  zu- 
sammengesetzt. Das  erste  Glied  der  äusseren  Portion  zeigt 
bei  allen  Füssen  am  Ende  einen  kurzen  Dorn;  das  zweite  ist 
am  Aussenrande  mit  drei  Dornen,  am  Innenrande  mit  gefie- 
derten Borsten  besetzt,  und  zwar  beim  ersten  Paar  mit  vier, 
bei  den  übrigen  mit  5.  —  An  der  inneren  Portion  trägt  das 
erste  Glied  bei  den  drei  letzten  Fusspaaren  eine  lange  ge- 
fiederte Borste;  beim  ersten  Paare  fehlt  diese:  das  zweite  Glied 
ist  beim  ersten  Paare  mit  3,  beim  zweiten  mit  8,  beim  drit- 
ten mit  6,  beim  vierten  mit  5  an  Länge  von  aussen  nach  in- 
nen zunehmenden,  gefiederten  Borsten  besetzt. 

Betrachtet  man  das  vierte  Thoraxglied  von  unten  ,  so 
bemerkt  man,  dass  aus  seinem  Hinterrande  jederseits  die  Ei- 
ertrauben entspringen.  Otto  und  v.  Nordmann  geben  ihre 
Zahl  auf  sechs,  d.  h.  drei  zu  jeder  Seite  an ;  dies  beruht  je- 
doch nur  auf  einem  Irrthum.  Das  Weibchen  von  Nogagus 
trägt  wie  alle  andere  verwandte  Siphonostomen  -  Weibchen 
nur  eine  Traube  auf  jeder  Seite,  welche  jedoch  wegen  ihrer 
ungewöhnlichen  Länge  dreifach  zusammengelegt  ist ,  wahr- 
scheinlich um  der  Gefahr,  leicht  beschädigt  zu  werden,  zu 
entgehen.  Die  Einrichtung  ist  in  der  schematischen  Fig.  10. 
dargestellt.  Nur  der  mittelste  der  drei  neben  einander  hän- 
genden Stränge  communicirt  mit  dem  Ausführungsgange  des 
Ovariums,  welches  im  vierten  Thoraxringe  zu  jeder  Seite 
des  Darmes  gelegen  ist;  es  ist  in  Fig.  2.  als  durchscheinend 
angedeutet.  Dieser  mittlere  Strang  steigt  nun  bis  zu  einer 
gewissen  Länge   abwärts  ,    biegt  sich  dann  nach  aussen  um 


Ueher  eine  Siphonostomen  -  Gattung.  67 

und  geht  so  in  den  zweiten  ,  wieder  nach  aufwärts  steigen- 
den Strang  über;  wenn   derselbe  wieder   am  hinteren   Rand 
des  vierten  Thoraxringes  angelangt  ist,    so  schlingt  er  sich 
hinter  dem  ersten  Strang  herum  ,    kommt  an  dessen  innerer 
Seite  wieder  zum  Vorschein,  und  steigt  nun  als  dritter  Strang 
wieder  abwärts,  um  etwas  früher  als  die  beiden  anderen  ge- 
schlossen zu  endigen.     Möller  giebt  in  seiner  Abbildung  nur 
einen  einzelnen  Strang  wieder,  was  v.  Nordmann  veranlasste, 
das  Thier  als    eine   von    der   seinigen  verschiedene  Species 
aufzufassen ;  es  ist  indess  zu  berücksichtigen  ,    dass  die  von 
Müller  gezeichnele  Eiertraube    dreimal   so   lang   ist   als    das 
Thier  selbst.      Da  nun  die  dreimal  zusammengelegte  Traube 
des  vorliegenden  Thieres  gerade  so  lang  ist  wie  dieses  selbst, 
so  würde  sie,  wenn  sie  entfaltet  wäre,  gerade  der  von  Mül- 
ler angegebenen  Länge  entsprechen.  Es  ist  daher  wohl  aus- 
ser Zweifel,  dass  sich  entweder  die  Traube  unter    gewissen 
Umständen  ganz  auseinander  legen  und  so  einen  Strang  von 
der  dreifachen  Länge  des  Thieres  bilden  kann,  wie  Müller  sie 
abbildet,  oder  dass  dieser  eine  künstliche  Trennung  vornahm, 
um  ihre  Länge  recht  zur  Ansicht  zu  bringen.  Jedenfalls  bietet 
die  Müller'sche  Abbildung  sonst  keinen  Grund  dar,    um   sie 
nicht  auf   das   vorliegende  Thier  zu  beziehen.  —  v.   Nord- 
mann unterscheidet  zwischen  den  sechs   ungegliederten 
fadenförmigen  Anhängen  und  den  Eiertrauben   von  gleicher 
Anzahl,  welche  jedoch  nach  seiner  Beschreibung  beide  genau 
dieselbe  Lage  haben;  die  von  uns  als  Trauben  bezeichneten 
Organe  hält  er   für  blosse  Anhängsel ,    die  er  irriger  Weise 
als  nicht  geringelt  angiebt;  was  er  alsTrauben  angesehen  hat, 
ist  mir  unklar.  —  Die  Lage  der  Trauben  ist  beim  Nogagus- 
Weibchen  in  so  fern  eine  etwas  abweichende,  als  sie  nicht, 
wie  bei  den  verwandten  Gattungen,  frei  zu  beiden  Seiten  des 
Abdomen  herabhängen  ,    sondern   sich    zwischen  dieses  und 
das  dritte  Endblättchen  des  vierten  Thoraxringes  einschieben. 
Dicht  vor  dem   Ursprung    der  Trauben   finden   sich  an 
der  Unterseite  des  letzten  Thoraxringes  die  beiden  schon  frü- 
her erwähnten  kreuzweis  gelagerten  Organe,  welche  von  de- 
nen der  vorigen  Gattung  in  der  Form  merklich   abweichen. 
Die  beiden  Canälchen  sind  viel  kürzer,  nur  in  geringem  Grade 
beweglich  und  gehen  ganz  allmählich,  ohne  Abschnürung  in 


68  G  e  r  s  t  a  e  c  k  e  r : 

die  Blasen  über ,  welche  eine  längliche ,  gekrümmte  Gestalt 
haben  (Fig.  10.  a);  auch  entspringen  dfc  Canälchen  nicht  aus 
einer  Ausbuchtung  des  letzten  Thoraxringes,  sondern  aus  zwei 
warzenförmigen  Erhöhungen.  (Fig.  10.  b).  In  der  Müller'- 
schen  Figur  sind  sie  zwar  wenig  kenntlich  dargestellt ,  aus 
seinen  Worten  geht  jedoch  ihr  Vorhandensein  deutlich  her- 
vor, und  sie  sind  der  sicherste  Beweis,  dass  das  Thier  nicht 
zur  Gattung  Dinemura  Edw.  gehören  kann,  da  bei  dieser  solche 
Organe  nicht  vorkommen. 

Das  Abdomen  des  Weibchens  besteht  aus  einem  einzi- 
gen Ringe  ,  an  dessen  Ende  zwei  sehr  grosse ,  ovale  ,  mit 
vier  kurzen  Borsten  besetzte  Blättchen  eingelenkt  sind. 

Das  hierzu  gehörige  Männchen,  welches  schon  von  Otto 
abgebildet  worden  ist ,  stimmt  mit  den  von  Milne  Edwards 
beschriebenen  in  den  Haupisachen  überein,  indem  der  dritte 
und  vierte  Thoraxring  keine  ßlättchen  tragen  und  das  Ab- 
domen aus  drei  Ringen  zusammengesetzt  ist. 

Was  die  Synonymie  betrifft ,  so  schien  mir  an  Stelle 
des  von  Otto  gegebenen  Namens  die  ältere  Müller'sche  Benen- 
nung wieder  eingesetzt  werden  zu  müssen,  da  die  Identität 
aus  den  angegebenen  Gründen  erwiesen  ist.  Uebrigens  müs- 
sen in  Folge  dieses  Nachweises  noch  weitere  Veränderungen 
in  der  Nomenklatur  eintreten.  Latreille  basirte  nämlich  auf 
den  Caligus  productus  Müller's  seine  Gattung  Dinemura,  wel- 
chen Namen  Burmeister  mit  Recht  in  Dinematura  umänderte; 
die  späteren  Schriftsteller,  Milne  Edwards  und  Kroyer,  brach- 
ten nun,  da  sie  die  Müller'sche  Abbildung  verkannten,  ganz 
andere  Thiere  in  diese  Gattung  hinein.  Es  muss  daher  nach 
dem  Gesetz  der  Priorität  für  das  jetzige  Genus  Nogagus  Leach 
der  alte  Latreille-Burmeister'sche  Name  Dinematura  wieder- 
hergestellt werden  und  die  von  Edwards  angenommene  Gat- 
tung Dinemura  einen  anderen  Namen  erhalten. 

Eine  Charakteristik  der  Gattung  würde  nun  ,  mit  Hin- 
sicht auf  das  oben  beschriebene  Weibchen,  etwa  folgender- 
massen  lauten: 

Genus  Nogagus  Leach. 

Dinemura  Latr. 
Dinematura  ßurm. 
Caligus  Müll.  Otto. 
Binoculus  Nordm. 


lieber  eine  Siphonostomen  -  Gattung.  69 

Diagn.  Antennae  biarticulatae,  laminae  frontali  infra  an- 
nexae.  Oculi  pyriformes,  in  inferiori  cephalothoracis  facie, 
post  antennas  positi.  Thorax  articulis  qiiattuor  distinctis  com- 
positus ;  anterloribus  duobiis  iitroque  in  sexu  processibiis  la- 
teralibus  instniclis ;  tertio  in  femina  appendicibus  foliaceis 
(luabus,  in  mare  nulla;  quarto  in  fernina  elongato,  triphyllo,  in 
mare  simplice,  subquadralo.  Pedum  maxillarium  paria  tria; 
tertium  robustum,  iinguiculis  duobus  terminalibus,  validissimis 
instruclum.  Pedum  branchialiiim  paria  qualtuor;  singuli  bifidi, 
lamina  utraque  biarticulala,  setisque  ciliatis  ornata.  Abdo- 
men in  femina  uno,  in  mare  tribus  articulis  compositum. 


Auch  diese  Gattung  gehört  ihrer  Fussbildung  nach  in 
die  Gruppe  der  Caligiden  und  bildet  durch  die  blattförmigen 
Anhängsel  auf  der  Oberseite  des  Weibchens  einen  Ueber- 
gang  zu  den  Pandaliden.  Es  würde  demnach  das  von  Milne 
Edwards  angenommene  Merkmal  für  die  Gruppe  der  Caligi- 
den „keine  blattförmigen  Anhängsel  auf  dem  Rücken«  zu  strei- 
chen, und  folgende  Eintheilung  aufzustellen  sein: 

Gruppe  Caligides. 

a)  Keine  blattförmigen  Anhängsel  auf  dem  Rücken: 

Caligus,  Chalimus,  Trebius. 

b)  Blattförmige  Anhängsel  auf  dem  Rücken; 

1)  Weibchen  mit  fünf,  Männchen  ohne  Blättchen: 

Nogagus.  _ 

2)  Weibchen  mit  vier,  Männchen  mit  zwei  Blättchen: 

Elyfrophora. 


Erklärung  der  Tafeln. 


Tafel  III. 


Kig.  1.  Das  Weibchen,  4mal  im  Durchmesser  vergrössert;  c  und  d. 
zweiter  und  dritter  Thoraxring,  beide  mit  blattförmigen  An- 
hängseln versehen. 

Fig.  2.  Das  Männchen  in  derselben  Vergrösserung;  nur  der  zweite 
Thüiaxring  c  mit  blattförmigen  Anhängseln  versehen. 


70  GerstaecUer:  üeber  eine  Siphonps.lo^jei^  -  Gattung. 

Fig.  3.     Fuss  des  ersten  Paares. 

Fig.  4.     Fuss  des  zweiten  Paares. 

Fig.  5.     Fuss  des  dritten  Paares. 

Fig.  6 9.  Die  vier  Kiemenfüsse  dereinen  Seite  desThieres,  in  na- 
türlicher Reihenfolge.  a.  Pars  gressoria.  b.  Pars  bran- 
chialis. 

Fig.  10.     Gabelförmiges  rudimentäres  Fusspaar. 

Fig.  11.     Antenne. 

Fig.  12.  Mundwerkzeuge,  a.  Oberlippe  mit  den  vorderen  Palpen  fi. ; 
c.  Unterlippe  mit  den  hinteren  Palpen  d. ;  e.  Maxillen.  f. 
hornartige  dreieckige  Platten. 

Fig.  13.  Der  hintere  Theil  des  Weibchens  von  unten  gesehen,  x. 
Dritter  Thoraxring.  z.  Abdomen,  a.  a.  Die  beiden  hornarti- 
gen  Bläschen,  vermittelst  derCanälchen  b.b.  aus  einer  Aus- 
buchtung des  letzten  Thoraxringes  entspringend. 

Fig.  14.  Der  hintere  Theil  des  Männchens  von  unten  gesehen,  x. 
Letzter  Thoraxring.  z.  Abdomen,  a.  Hoden,  b.  Geschlän- 
geiter Ausführungsgang  desselben,  c.  Äussere  männliche 
Geschlechtsöffnung,     e.  Darmkanal,     d.  After, 

Tafel  IV. 

Fig.  1.  Das  Weibchen  von  oben  gesehen,  a.  Blattförmige  Anhäng- 
sel des  dritten  Thoraxringes,  b.  Obere  seitliche,  c.  unteres 
mittleres  Blättchen  des  vierten  Thoraxringes. 

Fig.  2.  Das  Weibchen  von  unten  gesehen,  a.  Abdomen  mit  den  zwei 
grossen  Endblättchen  b. ;  z.  Die  durchscheinenden  Ovarien 
mit  ihren  Ausführungsgängen. 

Fig.  3 — 5.     Die  drei  Füssc  des  Cephalothorax  in  natürlicher  Folge. 

Fig.  6.     Kiemenfuss  des  ersten    Paares. 

Fig.  7.  Kiemenfuss  des  zweiten  Paares,  dem  die  beiden  folgenden 
sehr  ähnlich  sind. 

Fig.  8.     a.  Antenne,     b.  Auge. 

Fig.  9.  a.  Oberlippe,  b.  Unterlippe,  d.  Palpen,  c.  Maxillen.  e. 
Palpenförmige  Organe  zur  Seite  des  Mundes. 

Fig.  10.  Schematische  Figur,  um  die  Anordnung  der  Eiertrauben  zu 
versinnlichen,  a.  Hornartige  Blasen,  aus  den  warzenför- 
migen Erhöhungen  b  des    letzten  Thoraxringes  entspringend. 


Bemerkungen  über  die  Pliyllopoden«  nebst 
einer  Uebersicht  ihrer  Oattungen  und  Wirten, 

Von 

Dr.  Adolpli   l^duard  Orube  9 

Professor  zu  Dorpat. 

(Hierzu  Taf.  V— VIII.) 


In  den  kleinen  Lachen,  welche  die  flache  waldarme  Um- 
gebung Dorpat's,  ein  rother  mit  Lehm  gemengter  devonischer 
Sand,  bis  etwa  gegen  das  Ende  des  Juni  (neuen  Styles)  dar- 
bietet, leben  mit  Polyphemus  oculus  und  grossen  Schaaren 
von  Cyclopsine  castor  und  Daphia  pulex  zusammen  auch  drei- 
erlei Phyllopoden  :  Branchipus  Josephinae  Grube,  Apus  pro- 
ductus  Lv.  und  jenes  kleine  zweischalige  Thierchen,  welches 
vor  wenigen  Jahren  Lievin  unter  dem  Namen  Hedessa  Sie- 
boldii  beschrieben  hat;  Apus  vorzugsweise  in  den  Pfützen 
und  Gräben  des  Laubgehölzes  bei  Rathshof,  die  anderen  in 
dem  offenen,  der  Sonne  ausgesetzteren  Busch-  und  Weide- 
land. Lievin's  Mittheilungen  in  seiner  hübschen  Schrift  über 
die  Branchiopoden  der  Danziger  Gegend  ^)  machte  die  Ver- 
öffentlichung meiner  um  dieselbe  Zeit  angestellten  Beobach- 
tungen, wenn  sie  auch  in  einigen  Stücken  vollständiger  wa- 
ren, damals  beinahe  überflüssig,  und  ich  wollte  diesen  Ge- 
genstand nicht  eher  abermals  zur  Sprache  bringen  ,  bis  ich 
auch   über   die  Jugendgeschichte   des  Thierchens   berichten. 


1)  Neueste  Schriften  der  naturforsch en^en  Gesellschaft  in  Panzig 
1848.  p.  4.  Taf.  I.  und  IL 


72  Grube: 

und  SO  zugleich  eine  durchgeführtere  Vergleichung  mit  der 
von  Joly  untersuchten  Isaura  cycladoides  und  den  übrigen 
Phyllopoden  anstellen  konnte.  Erst  in  diesem  Frühjahre  war 
ich  so  glücklich,  den  rechten  Zeitpunkt  für  diese  Beobach- 
tungen abzupassen,  und  die  Gefälligkeit  der  Herrn  Studiosus 
Fr.  Schmidt  setzte  mich  dadurch  ,  dass  ich  von  ihm  täglich 
mit  frischem  Vorrathe  versorgt  ward,  in  den  Stand ,  diesel- 
ben ohne  grossen  Zeitverlust  bis  zu  einem  gewissen  Ab- 
schlüsse zu  bringen. 

Bevor  ich  zu  der  Auseinandersetzung  der  äussern  und 
innern  Organisation  in  den  verschiedenen  Lebensstadien  über- 
gehe, muss  ich  einiges  zur  Geschichte  unserer  Kenntniss  von 
Lievins  Hedessa  anführen,  und  zuvörderst  bestätigen,  was 
bereits  v.  Siebold  ausgesprochen  hat '),  dass  dieses  Crustaceum 
nämlich  nicht  eine  neu  entdeckte  Thierform,  sondern  bereits 
0.  Fr.  Müller  bekannt  gewesen  ist  ^).  Es  unierliegt  keinem  Zwei- 
fel, dass  Müller's  Lynceus  hrachyurus  ^  der  einzige  Lynceus, 
bei  welchem  die  Zahl  der  Fusspaare  auf  10  oder  12  angege- 
ben, und  die  Grösse  des  Körpers  und  die  seitliche  Befesti- 
gung der  Eier  hervorgehoben  wird,  der  einzige,  den  Des- 
marest  und  Milne  Edwards  übergangen  haben ,  mit  Hedessa 
Sieboldii  zusammenfällt.  Doch  hatte  Lievin  vollkommen  Recht, 
in  diesem  Entomostracon,  welches  sich,  ohne  mit  Isaura  ver- 
eint werden  zu  können,  näher  an  diese  als  an  Lynceus  an- 
schliesst,  den  Repräsentanten  einer  eigenen  Gattung  zu  er- 
kennen, und  man  würde  seinen  Gattungsnamen  beibehalten, 
wenn  er  nicht  einem  älteren,  dem  bereits  1845  von  Loven 
geschaffenen  ,  Limnetis,  weichen  müsste  ^3.  Loven ,  der  die 
Lievin'sche  Arbeit  kennt,  hält  die  von  ihm  beschriebene  Art, 
welche  er  nach  einigen  vom  Cap  gesammelten  Weingeist- 
exemplaren aufgestellt,  und  Limnetis  Wahlbergii  genannt  hat, 
für  verschieden  von  der  unsrigen ,  und  nach  seinen  mir 
freundlichst  mitgetheilten  Abbildungen  und  deren  Erläuterung, 


1)  Neueste  Preussische  Provinzialblätter  J849.  Bd.  VII.  (XU.) 
Heft  3.  p.  198.  Auf  die  Aehnlichkeit  beider  Thierc  hat  auch  Lievin 
in  einem  Briefe  an  Siebold  hingewiesen. 

2)  0.  Fr.  Müller  Entomostraca  1785.  p.  75.  Tab.  IX.  Fig.  7—9. 

3)  Öfvers.  Vet.  Acad.  Förhandl.  3.  Jahrg.  1846.  Stockholm  1847. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopodcn.  73 

scheint  auch  mir  dies  nicht  weiter  fraglich:  namentlich  ist 
bei  Limnetis  Wahlbergii  der  Kamm  des  Kopfes  gegen  die 
Schnabelspitze  hin  mit  einer  Furche  versehen,  die  unserem 
Thier  fehlt,  die  Oberlippe  am  Ende  zugespitzt,  nicht  verbrei- 
tert, die  Zähnchen  derMandibeln  zahlreicher  und  der  untere 
Ast  vom  äussern  borstenrandigen  Branchialanhang  schärfer 
gegliedert,  der  obere  entschieden  länger  als  dieser  und  S 
förmig  gekrümmt.  Uebrigens  waren  die  von  Lievin  untersuch- 
ten Exemplare  nur  Weibchen  ,  das  Männchen  ist  noch  nicht 
beschrieben.  Somit  kennen  wir  von  der  Gattung  Limnetis 
zwei  Arten  und  die  bei  Danzig  und  Dorpat  beobachtete,  mit 
Müller's  Lynceus  brachyurus  zusammenfallende,  wird  hinfort 
den  Namen  Limnetis  brachyurus  führen  müssen. 

Eine  Charakteristik  der  Gattungen  Limnetis,  Isaura,  — 
oder  richtiger  EsthetHa ,  weil  dieser  von  Rüppell  gegebene 
Name  der  ältere  ist  —  ferner  Limnadia  und  Lynceus  wird 
ihre  Aehnlichkeiten  und  Unterschiede  sogleich  vor  Augen 
führen  : 

Limnetis  Loven  (Hedessa  Liev.).  Corpus  breve,  scuto 
dorsuali  bivalvi  s.  testa  laevi  inclusum;  caput  mobile,  sub  eo 
recondendum,  in  rostrum  aduncum  exiens,  oculis  compositis 
2  paene  connatis,  simplici  infero  1,  foveis  ante  eum  sitis  2; 
antennae  anteriores  sub  rostro  affixae,  brevissimae,  clavae- 
formes,  biarticulatae ,  posteriores  (natatoriae)  bifurcae,  arti- 
culis  ramorum  11  ad  15,  basilaribus  obsoletis  ,  labrum  basi 
aequali,  mandibulae  fortissimae,  acie  denticulata,  maxillae  te- 
nerae,  serie  setarum  armatae,  truncus  corporis  distincte  ar- 
ticulatus,  segmentis  pedes  gerentibus  maris  10  (an  etiam  in 
L.  Wahlbergii?},  feminae  12,  postremo  ex  2  composito,  la- 
mella  infera  transversa  munito ,  setis  extremitatis  2  dorsuali- 
bus,  processibus  brevibus  2  inferioribus;  pedes  foliacei  la- 
ciniati,  margine  setis  armato ,  appendicibus  branchialibus  te- 
neris  2  exterioribus ,  maxillari  interno  1,  pedes  posteriores 
minus  compositi  appendicibus  branchialibus  nullis;  par  pri- 
mum  marium  uncis  armatum  ;  scutum  dorsuale  ulrinque  area 
ovali  e  canalibus  concentricis  constante  ornatum;  ova  ad  la- 
tera  corporis  stylis  pedis  9ni  et  lOmi  sustenlata.  Ventricu- 
lus  organis  glandulosis  9.  munitus ,  intestinum  rectum.  Ani- 
nialia  prone  nantia. 


•74        '  Grube: 

Larvae  adultis  dissimiles,  scuto  dorsuali  paene  piano, 
univalvi,  capite  contiguo  haud  mobili,  utrinque  in  spinam 
lateralem  exeunte,  subtus  in  clypeum,  maximum  subrenifor- 
mem  ,  labrum  imitantem,  producto,  pedibus  solis  natatoriis 
bifurcis,  2,  (i.  e.  antennis  posterioribus  et  mandibulis)  oculo 
simplici  1,  pedibus  trunci  nullis. 

^Ä^Äerä  Röppell  (Cyzicus  Audouin,  IsauraJoIy)  0-  Cor- 
pus elongalum,  testa  bivalvi,  concentrice  striata,  inclusum; 
Caput  a  latere  visum  obtuse  triangulum,  rostro  nullo,  anten- 
nae  anteriores  quasi  filiformes,  articulis  brevibus  13,  poste- 
riores bifurcae,  articulis  ramorum  13  ad  17,  segmenta  trunci 
pedes  gerentia  21  ad  24  (27?),  postremum  uncis  mobilibus  2 
armatum ;  supra  spinulosum,  par  pedum  primum  et  secundum 
in  maribus  uncis  armatum,   cetera  Limnetidi  similia. 

Larvae  adultis  dissimiles,  ut  Limnetidis,  spinis  capitis 
lateralibus  nullis,  clypeo  labrum  imitante  angustiore  trilobo. 

Limnadia  Brongniart.  Corpus,  oculi,  antennae  posterio- 
res, partes  oris,  pedes  (utrinque  18  ad  22)  Eslheriae  similia, 
Caput,  a  latere  visum,  obtuse  triangulum  processu  parvo  py- 
riformi,  supra  oculos  sito,  ad  corpus  affigendum  idoneo,  an- 
tennae anteriores  breves  quasi  styliformes,  articulis  pluribus  : 
ovorum  gestus  ut  in  Esthcria.  Animalia  supine  nantia ;  larvae 
haud  cognitae. 

-  Lynceus  Müll,  (sensu  strict.  ßaird).  Corpus  brevissimum, 
testa  bivalvi  laevi  inclusum,  caput  mobile,  haud  omnino  re- 
condendum,  in  rostrum  aduncum  exiens,  oculis  compositis  in 
unum  confluentibus,  simplici  infero  1,  antennae  anteriores  bre- 
ves, simplices,  medio  tumidulae,  posteriores  bifurcae,  articu- 
lis ramorum  3,  labrum  nasutum,  mandibulae  fortissimae  den- 
ticulatae ,  maxillae  tenerae ,  truncus  corporis  scuto  longior, 
inflexus,  segmentis  pedes  gerentibus  5,  extremitale  elongata, 


1)  Die  Namen  Cyziats  und  Estheria  haben  gleichen  Anspruch 
auf  Geltung,  beide  sind  im  Jahre  1837  aufgestellt,  Isaura  ist  der  jün- 
gere und  miiss  deshalb  zurückstehen  ;  wenn  ich  ihn  in  dieser  Ab- 
handlung dennoch  gebrauche,  so  geschieht  es  nur  wiegen  der  wie- 
derholten Hinweise  auf  Joly's  Arbeit;  übrigens  würde  ich  den  Rüp- 
pell'schen  Namen  vorziehen,  weil  er  durch  die  ausführliche  Arbeit 
begründet  ist. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  75 

pedibus  nuda,  supra  tenere  denticulala,  setis  dorsualibus  2, 
calcaribus  inferis  posterioribus  2 ;  pedes  laciniati  breves,  in- 
ier se  differentes,  appendicibus  branchialibus  nullis,  maxillari 
in  singulis  tantiim  obvio;  ova  inter  scutum  dorsumque  su- 
stentata.  Organa  venlriculi  glandulosa  nulla,  intestinum  la- 
queos  2  componens.  Animalia  prone  nantia,  piilli  adultis 
similes. 

Demnach  ähnelt  das  ausgewachsene  Thier  einer  Lim- 
netis  in  Kopf-  und  Schalenform  allerdings  am  meisten  einem 
Lynceus,  und  da  innerhalb  der  Gattung  Cyzicus  die  Zahl  der 
Fusspaare  schwankt ,  so  könnte  man  dies  auch  für  Lynceus 
geltend  machen ,  und  Limnetis  mit  dieser  zu  verschmelzen 
geneigt  sein,  wenn  nicht  die  ganz  abweichende  Gestalt  der 
Füsse  und  Antennen,  die  Gegenwart  von  concentrischen  wul- 
stigen Streifen  in  der  Schale,  die  Beschaffenheit  des  verdau- 
enden Kanals,  und  das  Vorhandensein  einer  Metamorphose 
entschieden  dagegen  sprächen.  In  allen  anatomischen  und  phy- 
siologischen Characteren  schliesst  sich  Limnetis  an  Cyzicus 
an ,  und  es  ist  hauptsächlich  der  Unterschied  in  der  Form 
des  Kopfes,  der  vordem  Antennen  und  der  Schale,  sowie  in 
der  Gestalt  der  jungen  Thiere,  der  auch  hier  eine  Vereini- 
gung beider  Gattungen  unmöglich  macht. 

Die  jüngsten  Zustände  von  Limnetis  brachyurus,  die  mir 
überhaupt  zu  Gesichte  kamen,  erhielt  ich  am  12ten  Mai 
(neuen  Styles)  in  diesem  Jahre.  Sie  maassen  nur  f  Linie  in 
der  Länge,  und  hatten  einen  flachgewölbten,  ziemlich  kreis- 
runden, etwas  quergezogenen,  hinten  verjüngten  und  jeder- 
seits  fast  zapfenartig  vortretenden  Rückenschild ,  auf  den  sie 
meistens  zu  liegen  kamen ,  wenn  ich  sie  auf  den  Objecliv- 
tisch  brachte  (Taf.  VL  Fig.  12).  Ueber  den  Vorderrand  ragte 
von  unten  her  ein  kurzer  in  zwei  Spitzchen  endender  Kegel 
(Fig.  12.  C)  hervor,  welcher  an  seiner  Basis  auf  der  Bauch- 
seite nach  rechts  und  links  einen  starken,  ganz  seitlich  ge- 
richteten geraden  Stachel  abschickt,  die  Enden  derselben  ra- 
gen noch  über  den  Seitenrand  des  Rückenschildes  hinaus. 
Hinter  dieser  Stelle  verengt  sich  die  Basis  ein  wenig,  und 
verbreitert  sich  dann  plötzlich  zu  einer  ansehnlichen  quer- 
ovalen ,  vorn  abgestutzten  oder  fast  etwas  nierenförmigen 
Scheibe  (Taf.  VL  Fig.  12  L.},  welche  gerade  unter  der  Mitte 


76  Grube:  '  "- 

des  Rückenschildes  zu  liegen  kommt,  und  zwei  Dritttheil  sei- 
ner Breite,  aber  etwa  nur  die  Hälfte  seiner  Länge  misst.  Sie 
liegt,  wie  man  bei  vorübergehend  seitlichen  Wendungen  des 
Thierchens  wahrnimmt,  der  Ebene  des  Rückenschildcs  nicht 
parallel,  sondern  stark  geneigt  gegen  dieselbe  0  ""d  über- 
deckt, wie  eine  enorme  starre  Unterlippe,  von  unten  her  die 
Mundöffnung:  soviel  ich  erkennen  kann,  bildet  eine  zarte  Quer- 
linie  die  Grenze  gegen  den  keglichen  Theil  des  Kopfes.  Ich 
nenne  diese  Scheibe  die  Lippenplatte.  An  der  Basis  jenes 
Kegels,  vor  dem  Abgange  seiner  seitlichen  Stacheln,  fällt  fer- 
ner sogleich  ein  rundlich  dreieckiger ,  mit  der  Spilze  nach 
hinten  gekehrter  durchscheinender  Körper  in's  Auge,  wel- 
cher auf  opakem  Grunde  milch  weiss  und  glänzend  aussieht, 
und  von  einer  breiten  Zone  rothen  Pigments  umgeben  ist; 
er  befindet  sich  im  Innern,  schimmert  nur  durch  die  farb- 
losen Integumente  durch ,  und  ist  das  Sehorgan.  Der  Mund 
selbst  ist  schwer  zu  erkennen  ,  und  liegt ,  wenn  mich  mein 
Auge  nicht  täuscht,  unmittelbar  vor  der  oben  beschriebenen 
Querlinie;  zu  seinen  Seiten  und  hinter  ihm  sieht  man  2  mäch- 
tige mit  langen  Borsten  versehene  Schwimmorgane  und  hin- 
ter ihnen  muss  der  eigentliche  Leib  beginnen,  welcher  sich 
längs  des  Rückenschildes  hinzieht;  aber  eine  scharfe  Grenze 
ist  auch  hier  nicht  zu  erkennen.  Jene  Schwimmorgane  ha- 
ben die  Form  von  Ruderfusspaaren  und  sind  die  einzigen 
zur  Bewegung  des  Körpers  dienenden  Extremitäten.  Das 
vordere  derselben  (Taf.  VI.  Fig.  12.  Ä}  entspringt  genau  über 
der  Stelle,  an  welcher  sich  der  Stirnkegel  in  die  Lippenplatte 
verbreitert;  das  hintere  (Taf.  VI.  Fig.  12.  itf)  folgt  unmittel- 
ban  darauf,  und  um  über  ihre  Bedeutung  keinen  Zweifel  zu 
lassen,  will  ich  sogleich  bemerken,  dass  jenes  den  hintern 
oder  Ruderantennen  des  ausgebildeten  Thieres  entspricht, 
dieses  dagegen  sich  zu  seinen  Mandibeln  umgestaltet;  der 
Abstand  der  Ursprungsstellen  rechter  und  linker  Seite  würde 
also  die  Breite ,  die  Insertion  des  zweiten  Extremilälenpaars 
die  hinlere  Grenze  des  Kopftheils  bezeichnen.  Die  darauf 
folgende  Körperabtheilung,  der  Rumpf,  verbreitert  sich  sehr 


l)  Vgl.  die  Seitenansicht  von  der  Larve  in  einem  etwas  späte- 
ren Stadium  Taf.  "VL  Fig.  13.  a. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  77 

schnell  und  verschmälert  sich  dann  langsamer,  so  dass  er 
ungefähr  eine  Eiform  darstelll,  welche  jedoch  am  Hinterendc 
ahgeslulzt  oder  vielmehr  seicht  ausgeschnitten  ist  und  in  zwei 
kurze  Spitzen  ausläuft ;  er  zeigt  weder  in  seiner  vordem  un- 
terhalb von  der  Lippenplatte  überdeckten,  noch  in  seiner  hin- 
tern Partie  eine  Spur  von  Gliederung  oder  Fussbildung,  und 
ist  durchaus  mit  dem  Rückenschilde  vereinigt.  —  Was  die 
Ruderextremitäten  anlangt,  so  ist  das  vordere  Paar  das  grös- 
sere und  zusammengesetztere:  es  besteht  aus  einem  dicken 
zweigliedrigen  Stamm,  welcher  etwa  mit  dem  Seitenrande  der 
Lippenplalte  abschneidet,  und  in  zwei  Aeste  ausläuft,  einen 
vordem  ungefähr  eben  so  langen ,  über  den  Seitenrand  des 
Rückenschildes  hinausreichenden  und  einen  hintern  kürzeren; 
an  jenem  sieht  man  ein  längeres  Grund-  und  drei  Endglie- 
der, an  diesem  nur  zwei  ziemlich  gleichlange  Glieder,  an  je- 
nem 2  Endborsten  und  ausserdem  noch  am  Hinterrande  jedes 
der  3  Glieder  1  Borste,  an  dem  hintern  Ast  nur  3  Endbor- 
sten. Auch  der  Stamm  selbst  schickt  nach  hinten  ein  Paar 
Fortsätze  ab  ,  nämlich  sein  Endglied  einen  langen  linearen 
sanft  nach  hinten  gekrümmten  borstenartigen,  nahe  dem  Hin- 
terrande, doch  nicht  an  ihm  selbst  entspringenden,  das  Ba- 
salglied aber  einen  stärkeren  sichelförmigen,  undeutlich  zwei- 
gliedrigen, gabiig  gespaltenen,  welcher  durch  einen  eigenen 
Muskel  bewegt  wird,  offenbar  einem  Kaustück  entspricht  und 
sich  ebenso  zu  seinem  Stamm  wie  eine  Mandibel  oder  Maxille 
zu  ihrer  Palpe  verhält.  Das  hintere  Paar  der  Ruderextremi- 
läten  ist  dünner,  nicht  gabelästig  und  viergliedrig :  das  End- 
glied trägt  2  oder  3  Borsten,  das  dritte  eine  etwas  stärkere 
zartgefiederte  am  Hinterrande,  das  zweite  2  ähnliche  dicht 
neben  einander,  alle  nach  hinten  gerichtet. 

Bei  der  Durchsichtigkeit  der  Ruderfüsse  lassen  sich  in 
ihren  freiliegenden  Theilen  ganz  gut  die  zu  ihrer  Bewegung 
dienlichen  Muskeln  erkennen,  schwerer  ist  nur  das  Verhält- 
niss  der  Grundglieder  zu  ermitteln  ,  weil  diese  ganz  hinler 
der  Lippenplatte  versteckt  liegen ;  jedenfalls  greift  der  gabiige 
Kauhaken  des  ersten  Extremitätenpaars  über  (von  unten  ge- 
sehen unter)  das  zweite  hinaus.  Die  ganze  Oberfläche  des 
Rückenschildes  mit  Ausnahme  einer  längsovalen  Stelle,  wel- 
che sich  von    dem  Ursprung  der  seitlichen  Kopfstacheln   bis 


78  Grube: 

nahe  vor  die  Mitte  desselben  erstreckt  (Taf.  VI.  Fig.  14.  /'), 
die  Lippenplatte,  der  vordere  Theil  des  Stirnkegels  und  das 
äusserste  Hinterende  des  Leibes  sind  mit  winzigen  Spitzchen, 
die  ersteren  beiden  am  Rande  mit  kleinen  nach  hinten  ge- 
richteten Zähnchen  besetzt,  und  der  Stirnkegel  läuft  vorn  in 
2  kurze  Hörnchen  aus.  Die  Spitzchen  stehen  meistenlheils 
in  Reihen,  die  sich  auf  den  grossen  Flächen  öfters  zu  fünf- 
oder  sechseckigen  Feldern  verbinden  (Taf.  VL  Fig.  12.  Fig.  14). 
Von  innern  Organen  schimmerte  deutlich  der  mit  schwar- 
zem Inhalt  gefüllte  Darmkanal  durch,  ein  gerades,  verhält- 
nissmässig  dickwandiges  ,  durch  eine  Einschnürung  in  eine 
vordere  und  hintere  Partie  getheiltes  Rohr.  Die  vordere  ist 
merklich  weiter,  am  Vorderende  slumpfzweilappig,  in  der 
Mitte  etwas  verschmälert  und  dann  wieder  erweitert;  ob  von 
dem  Munde  ein  kurzer  Schlund  in  jenen  Blindsack  knieför- 
mig  hinauf  geht,  oder  ob  die  Nahrung  geradezu  in  ihn  ge- 
langt, davon  konnte  ich  mich ,  weil  die  Breite  des  Rücken- 
schildes das  Thierchen  nicht  gut  dauernd  in  eine  seitliche 
Lage  bringen  lässt,  nicht  durch  Anschauung  überzeugen. 
Die  hintere  viel  kürzere  Partie  des  Darmkanals  beginnt  ein 
wenig  vor  dem  Hinterrande  der  Lippenplalte ,  ist  spindelför- 
mig, und  endet  mit  einem  After  in  Gestalt  einer  Längsspalte; 
sie  enthält  ein  ihrer  Form  entsprechendes,  ziemlich  festes  und 
durch  die  Einschnürung  von  dem  Inhalte  der  vorderen  Ab- 
theilung getrenntes  Excrement.  Wie  rasch  die  Verdauung 
vor  sich  gehen  ,  und  wie  viel  Nahrung  die  Limnetislarve  zu 
sich  nehmen  muss ,  kann  man  aus  den  ungemein  häufigen 
Entleerungen  und  dem  stets  gefüllten  Zustande  des  Dannka- 
nals ersehen.  Sehr  auffallend  sind  die  fast  ununterbrochenen 
Bewegungen  der  Afterspalte,  welche  in  der  Art  erfolgen, 
dass  ihre  Erweiterung  am  Hinterende  beginnt ,  und  nach 
vorn  fortsetzt,  wodurch  es  den  Anschein  gewinnt,  als  ob 
durch  den  After  eine  Wasserslrömung  eintreten  sollte ,  — 
eine  Erscheinung,  welche  ich  auch  bei  jüngeren  Individuen 
von  Branchipus  bemerkt  habe  —  dennoch  konnte  ich  mich 
nie  davon  überzeugen,  dass  dem  Wasser  beigemengte  Farbe- 
partikelchen in  das  Darmrohr  hineingelangten.  Von  Blutlauf 
und  einem  Herzen  ist  noch  keine  Spur  zu  entdecken,  über 
das  Nervensystem  nicht  in's  Klare  zu  kommen.     Die  Körper- 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  79 

bewegungen  sind  munter  und  etwas  schwankend ;  das  Thier- 
chen  schwimmt  etwas  ruckweise  und  bald  auf  der  Rücken - 
bald  auf  der  Bauchseite. 

Sehen  wir  uns  in  der  Reihe  der  Entwicklungsstufen  von 
Isaura  cycladoides,  dem  einzigen  hierauf  untersuchten  zwei- 
schaligen  Phyllopoden ,  nach  der  entsprechenden  Form  um, 
so  würde  es  am  ersten  diejenige  sein,  welche  Joly  Fig.  41. 
abgebildet  hat,  nur  dass  hier  schon  die  ersten  5  Fusspaare 
des  Rumpfes  durchschimmern,  von  denen  bei  unserm  Thier- 
chen  noch  nichts  zu  erkennen  war,  auch  erwähnt  Joly  schon 
der  Bewegung  spärlicher  Blutkügelchen;  demnach  würde  seine 
Abbildung  einen  etwas  späteren  Zustand  darstellen,  und  da 
sie  einer  Larve  von  5  Tagen  angehört,  unser  Thierchen  etwa 
einer  dreitägigen  Isaura  entsprechen.  Der  Analogie  nach 
müsste  dem  von  mir  beschriebenen  Zustande  noch  ein  sol- 
cher vorausgegangen  sein,  in  welchem  der  Leib  nackthäutig, 
der  Rückenschild  nicht  ausgebildet  und  eine  Lippenplatte  nur 
angedeutet  ist.  Immer  aber  unterscheidet  sich  die  Larve  von 
Isaura  durch  die  Schmalheit  und  den  dreizackigen  Hinterrand 
ihrer  Lippenplatte,  die  Schmalheit  des  Rückenschildes,  welches 
weder  soweit  die  Ruderfüsse  bedeckt,  noch  das  Ende  des  Lei- 
bes erreicht,  durch  den  Mangel  der  seitlichen  Kopfstacheln 
und  der  Rauhigkeiten  und  Zähnchen  an  den  obengenannten 
Theilen,  dagegen  stimmt  die  Gestalt  der  Ruderextremitäten 
fast  ganz  überein,  und  namentlich  ist  auch  der  gabiige  Ha- 
ken am  Grundgliede  des  vordersten  Paares  vorhanden.  Bei- 
den Gattungen  fehlen  in  diesem  Entwicklungsstadium  die  vor- 
dem (einfachen}  Antennen,  welche  Apus  und  Branchipus 
schon  mit  auf  die  Welt  bringen,  und  von  denen  ich  nur  eine 
Andeutung  in  einer  kleinen  durchsichtigen  kreisrunden,  an 
der  Wurzel  der  seitlichen  Kopfstacheln  gelegenen  Stelle  zu 
erkennen  glaube  ,  welche  genau  dem  Ort  entspricht,  wo  spä- 
terhin diese  Organe  zum  Vorschein  kommen;  auch  sind  die 
hintern  Ruderorgane  bei  Apus  und  Branchipus  bei  weitem 
kürzer.  Sie  treten  bei  letzterem  gleich  anfangs  auf,  bei  er- 
terem  erst  etwas  später. 

Am  nächsten  Tage  fand  ich  die  allgemeine  Körperform 
wenig  verändert  (Taf.  VI.  Fig.  13.):  der  Rückenschild  erschien 
mehr  in  die  Länge  gezogen,  mehr  gerundet  quadratisch,  der 


80  Grube: 

Hinterrand  mehr  ausgeschnitten,  die  Afterhörnchen  mehr  her- 
vortretend, das  Hinterende  des  Leibes  deutlicher  mit  Quer- 
reihen kleiner  Spitzchen  besetzt,  und  die  Gesammtlänge  halte 
bis  auf  0,23  Linie  und  mehr  zugenommen.  Die  beiden  Blind- 
zipfel (Fig.  13.  b.  S),  mit  denen  der  verdauende  Kanal  be- 
ginnt, hallen  sich  etwas  verlängert,  und  zeigten  sehr  merk- 
lich Bewegung,  indem  sie  sich  bald  seitlich  nach  aussen  und 
vorn  streckten,  bald  wieder  in  ihre  alte  Lage  zurückkehrten. 
Um  das  Auge  (Fig-  13.  b.  0.)  liegen  verschiedene  durchsich- 
tige Massen,  deren  Verhältniss  zu  diesen  mir  aber  nicht  ganz 
klar  geworden  ist:  zwei  starke  Anschwellungen  hinler  ihm 
(Fig.  13.  b.  0)  sind  jede  für  sich  in  einen  kurzen  Strang  nach 
vorn  und  hinten  ausgezogen,  die  vordem  derselben  begeben 
sich  zu  einem  durchsichtigen  querovalen  vorn  flachen  Kör- 
per (Fig.  13.  b.  tu),  in  welchem  die  vordere  Hälfte  des  Auges 
wie  eingesenkt  erscheint,  die  hintern  Stränge  dagegen  ver- 
schwinden unler  den  Blindsäckchen  des  Magens  (Fig.  13.  b.  S) 
und  scheinen  sich  hier  mit  einem  mitlleren  Körper  zu  ver- 
einen, welcher  eine  zwischen  den  Strängen  verlaufende  Fort- 
setzung zur  Basis  des  einfachen  Auges  schickt.  Sollten  jene 
beiden  mitten  angeschwollenen  Stränge  nicht  die  Nerven  der 
zusammengesetzten  ,  jetzt  noch  nicht  ausgebildeten  Augen 
und  die  unpaarige  hintere  Masse  das  Gehirnganglion  sein?  Die 
Gestalt  dieser  Theile  beim  ausgebildeten  Thier  ist  der  hier 
beschriebenen  so  ähnlich,  dass  ich  diese  Frage  bejahen  möchte 
(vgl.  Fig.  26). 

Hinter  jenem  queren  durchsichtigen  Körper,  der  sich 
zwischen  den  Enden  der  Blindsäckchen  erstreckt,  glaube  ich 
auch  den  Eingang  in  den  Magen  in  Gestalt  einer  Querspalte 
zu  erkennen.  Hinter  dem  zweiten  Paare  der  Ruderextremi- 
tälen  haben  sich  die  Anlagen  zu  5  oder  6  Paar,  nach  hinten 
an  Länge  abnehmenden  Füssen  gebildet,  welche  wohl  alle 
weiterhin  zu  sogenannten  Kiemenfüssen  werden  (Fig.  13., 
Fig.  13.  a).  Joly  in  seiner  Erläuterung  zu  Fig.  41,  mit  wel- 
cher wir  den  hier  vorliegenden  Zustand  zu  vergleichen  ha- 
ben, spricht  zwar  nur  von  5  Paar  ansehnHcheren  Beinen  (?/), 
hinter  denen  noch  die  ganz  winzigen  Keime  von  2  andern 
liegen,  bildet  aber  ausser  diesen  in  der  Thal  6  ab.  Da  ich 
die  Entstehung  oder  das  Vorhandensein  von  Maxillen  bis  hie- 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  S?l 

her  nicht  bemerken  konnte,  und  sie  doch  nach  der  bald  zu 
beschreibenden  Häutung  sichtbar  sind,,  so  fiel  mir  späterhin 
ein,  ob  nicht  vielleicht  das  vorderste  Fusspaar^  -an  welchem, 
wie  bei  den  nächsten,  ein  den  Maxillen  analoger  Fortsatz 
existirt,  sich  in  diese  verwandelt;  da  ich  mich. aber  nicht  ev- 
innern  kann ,  irgend  eine  Verkleinerung  desselben  gesehen 
zu  haben,  so  ist  mir  wahrscheinlicher,  dass  die  von  der  Lipr 
penplatte  und  zum  Theil  auch  durch  das  Spiel  der  Eudercx-r 
tremitäten  nothwendig  verdeckten  Maxillen  sich  wegen  ihrer 
Kleinheit  meiner  Beobachtung  gänzlich  entzogen  hal>ei»wiii{'>u 
Am  dritten  Tage  meiner  Beobachtungen  war  bei  'man- 
chen Individuen  schon  die  Anlage  zu  einem  7ten,  bei  andern 
erst  zu  einem  6ten  Fusspaar  zu  erkennen  ,  und  der  Hinter- 
rand der  vordem  5  zeigt  mindestens  4  kurze  Einkerbungen, 
der  Rumpf  deutliche  Segmente;  doch  fehlt  allen  diesen  Ex- 
tremitäten noch  die  Bewegung,  welche  sich  erst  mit' der  nuin 
bald  eintretenden  Häutung  einstellt.  Unterhalb  des  Magens 
und  hinter  seinen  Blindsäcken  bemerke  ich  da,  wo  die  ei- 
gentliche Oberlippe  zu  liegen  kommt,  einen  etwa  ihrem  Con- 
tour  entsprechenden  Zug  von  winzigen  rostgelben  Fettbläs- 
chen, welche  man  nach  dem  Eintritt  der  Verwandlung  deut- 
lich im  Innern  der  Oberlippe  wieder  erkennt.  Endlich  ent- 
decke ich  bei  einigen  Individuen  auch  die  ersten  Anfänge 
des  Blutlaufs.  Sehr  spärliche  klare ,  ziemlich  ovale ,  gleich 
grofse  Körperchen  bewegen  sich  vereinzelt  in  dem  vor  den 
Magenblindsäcken  gelegenen  Räume  und  besonders  deutlich 
längs  der  Unterseite  des  Darms  von  vorn  nach  hinten,  und 
verschwinden  hier  plötzlich,  indem  sie  nach  der  Rückenseite 
umbiegen.  W^ endet  man  das  Thierchen  auf  die  Bauchseite, 
so  sieht  man  gleichzeitig  das  über  dem  Darme  gelegene 
Herz  (Taf  VI.  Fig.  14.  F),  welches  mit  dem  Isten  Fusspaare 
beginnt,  am  4ten  endet  und  etwa  160  Schläge  in  der  Minute 
macht,  auch  bemerkt  man  eine  Blutströmung  in  dem  Rücken- 
schilde selbst:  sie  tritt  ungefähr  an  der  Grenze  der  Inser- 
^tionen  des  Isten  und  2ten  Fusspaars  in  denselben  hinein, 
zieht  sich  längs  seinem  Seifenrande  in  einer  hellen  ziemlich 
breiten  Bahn  von  vorn  nach  hinten ,  und  biegt  am  letzten 
Fusspaare,  wie  der  Strom  an  der  Unterseite  des  Darms  um 
und  in  den   Rückenraum  hinein  ,  in    welchem  sich  das  Herz 

Archiv  f.  Naturgescb.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  Q 


82  ai'jijO([<)l(Y/l'iGri*biedr>  n')-i>iuiA'i  }iii')H 

befindet.  Durch  vVelolie  Oeffnungem  d^s  Blut  in  daö  Her« 
hineintritt,  bleibt  noch  zu  ermiltehi.  Die  eigenlhümlißhen  Af^ 
terbewegungen  gehen  wie  früher  fort.  In  allen  diesen  In-r 
dividiicn  zeigten  sich  Zeitlich  hinter  dem  einfachen  Auge  zwei 
blassroslfarbene  unbeslinimt  begrenzte  Fleckchen  ( Taf.  VL 
Fig.  13.  0'),  die  ersten  Anlagen  der  zusammengesetzten, 
jetzt  noch  weit  getrennten  Augbn;;  Seh  vermisse -sie,  b^i^olr 
chen  Individuen,  deren  Füsse  zwar  ebensoweit  ausgebildet 
waren,  denen  aber  noch  Herz  und  ßliitbewegung  fehlten. 
Uebrigens  lassen  sich  jetzt  auch  die  Vorbereitungen  zU  der 
alsbald  eintretenden  Häutung  nicht  verkennen:  denn  vorn  in- 
nerhalb des  gleichmässig  gekrümmten  stachligen  Contours 
des  Rückenschildes  wird  man  bereits  f  einen  Ziweiten  mitten 
eingezogenen  glatten  wahrnehmen  ,  dessen  Gestalt  dör  nun 
entstehenden  zweihälftigen  Schale  entsprechend,  bis  zum  Ur- 
sprung der  hintern  Rudercxtrejnitäten  (der  Mahdibeln)  geht, 
der  dazwischen  liegende  Mittellheil  gehört  dem  Kopf!  an» 
Ebenso  zieht  sich  an  der  Lippenplattte  der  Contour  der  weii- 
ehen  Innensubstanz  merklich  von;  der  äussern  Bekleidung  zu- 
rück. Endlich  bemerke  ich  in  der  Mitte  der  Bauchseite  un- 
ter dem  Darme  eine  Zeichnung  wiö  von  einein  knotigen 
Strange,  dessen  Anschwellungen  der  ZähÄ  der  Leibessegmente 
zu  entsprechen  scheinen,  und  den  man  wohl  auf  dert  Nerven- 
strang deuten  könnte,  wenn  dieser  nicht  späterhia  eine  so 
ganz  verschiedene  Gestalt  zeigte.  In'jii'iü)!  -j 

.!  >  liii  Die  Häutung,  welche  ein  paar  Mal  unter  meineh  Augen 
auf  dem  Objectivtische  des  Mikroskops  vorging,  geschieht  in 
der  Art,  dass  die  alte  Hülle  an  einer  Von  der  Lippenplatte 
-überdeckten  Stelle  der  Bauchseile  zerreisst;  das  Thierchen 
steckt  seinen  Kopf  zwischen  der  Lippenplatte  und  dem  Rümpf- 
theil  der  alten  Haut  hervor,  und  beharrt  in  dieser  Lage  über 
2  Minuten,  während  die  Füsschen  hin  und  her  zu  schwingen 
beginnen,  bis  sich  endlich  auch  der  Hinterkörper  langsam 
hervorschiebt:  in  weniger  als  4  Minuten  ist  der  ganze  Act 
beendigt.  ;  i  >-ii  .    r  *i:    1  >;  ; 

Die  Form,  welche  unsere  Limtietis  niach  dieser  Häutung, 
also  vermuthlich  in  einem  Alter  von  4  oder  5  Tagen  zeigt, 
ist  im  Allgemeinen  die  des  erwachsenen  Thieres  (Taf.  YIL 
Fig.  21):  der  Rücken  des  Rumpfes   hat  sich  von  dem  Irühe- 


Bemerkungen  üher  di;€i  Phyllopoden.  83 

ri$n  einfachen  flachen  Rückenschilde  bis  auf  den  vordem  Theil 
abgelöst,  der  Schild  sich  in  eine  zweiklappige  mit  dem  Rumpfe 
verwachsene  Schale  verwandelt,  zwischen  deren  Hälften  vorn 
ein  nicht  bloss  abgesetzter,  sondern  auch  beweglicher  schna- 
beUörmiger  Kopf  hervortritt;  es  ist  nur  noch  ein  Paar  Ru- 
derextremiläten  übrig  geblieben,  die  hinlern  oder  Ruderan- 
lennen,  das  zweite  in  Mandibeln  verwandelt,  dagegen  ein  vor- 
deres Paar  ganz  kurzer  Antennen  hinzugekommen,  die  Tast- 
antennen, statt  der  starren  Lippenplatte  ist  eine  bewegliche 
rüsselförmige  Lippe  aufgetreten  ,  und  über  dem  einfachen 
Auge  das  zusammengesetzte  ausgebildet;  aber  die  Zahl  der 
Fusspaare  ist  noch  imitier  nicht  mehr  als  6,  und  die  der  Glier 
der  an  den  Aesten  der  Ruderantennen  noch  lange  nicht  so 
gross  wie  im  erwachsenen  Thier  (vgl.  Taf.  Vi,  l'ig.  21.  a). 
Die  Länge  der  mei;st  notjh  .Jklaffeo.d.ea  .Schale  beträgt  noch 
iiicl^t.ys  Linie.     ,h'rham  Vmlo^  m^wA    f  '< 

i.i;,  Von  der  Entwicklung  von  Nebalia  ist  mir  nichts  Nähe» 
res  bekannt.  Kroyer  sagt  in  seinem  Aufsatz  über  Nebalia  bi- 
p-es  nur,  dass  sie  von  Apus  abweiche  und  sich  mehr  einigen 
Decapoden  anschliesse.  Dennoch  habe  ich  weiterhin  bei  der 
Vergleichung  der  ausgebildeten  Limnetis  mit  den  übrigen  Phyl- 
lopoden  auch  jene  Gattung  hinzugezogen,  da  sie  sich  jeden- 
falls denselben  nähert. 

Ich  gehe  nun  ^ur  Beschreibung  der  ausgebildeten  Form 
über,  wobei  ich  das  Ob-en  auf  die  Rückenfläche,  an  welcher 
die  Schalenhälften  verbunden  sind,  das  Unten  auf  die  entge- 
gengeset«^,e  Seite  bezißhei.  bei  Lißvin  ist  jenes  Hinten,  die* 
ßes  Vora.;:i:v>-  ;-  ..-iv-'-'s  mih-  li-i  :^ 
ir.'ih  Dm?  Form  des  Kopfes  ist^  wie  sie  meine  Vorgänger  be^ 
gehreiben,,  die  eines  starken  seitlich  zusammengedrückten 
sichelförmig  gebogenen  Schnabels  (Taf.V.  Fig.  1.  2.  Taf.  VU. 
Fig.  23),  an  dessen  Seitenflächen  sich  von  der  Wurzel  bis 
zur  Spitze  eine  scharf  markirte  Kante  oder  Leiste  (Gewölbe 
Liev.)  hinzieht  (Taf.  V.  Fig.  I.  2.;  Taf.  VH.  Fig.  23.  c);  über 
ihr  steigt  jede  Seitenfläche  steil  in  die  Höhe  und  bildet  so 
ein  scharffirstiges  Dach,  während  die  unterhalb  gelegene  Par- 
tie sanft  gewölbt  ist ,  und  nach  hinten  in  die  Oberlippe  und 
den  Rumpf  übergeht.  Die  grosse  Verschiedenheit  dieser  Kopf- 
form von  den   andern  Phyllopoden,   bei  denen   er  frei  und 


84  ti.ioqoÜYii'lGvube: '   a€»3n«;tio«i^Ü 

beweglich  ist,  nämlich  bei  Isaura  ,  Limnadia  und  Branchipus 
springt  in  die  Augen;  bei  Apus  ist  er  ganz  jnit  dem  Rücken- 
schilde verwachsen.  Der  Verlauf  jener  Seitenkanle  oder  Lei- 
ste c  bei  Limnelis,  durch  welche  also  der  Kopf  in  zwei  Hälf- 
ten gelheilt  wird,  entspricht  nicht  ganz  der  Krümmung  sei- 
ner First ,  ist  vielmehr  fast  rechtwinklig  gekniet,  und  jeder 
Schenkel  des  Knie's  nicht  geradlinig,  sondern  leicht  geschweift, 
der  untere-läuft  in  die  Schnabelspitze,  der  obere  in  das  Hin- 
terende des  Scheitel-  oder  Nackeniheiles  aus.  Unmittelbar 
hinter  und  längs  dieser -Leiste  liegen  die  Ruder^ntennen  im 
Zustande  der  Ruhe,  wie  namentlich  dann,  wenn  der  Kopf 
zwischen  die  Schalen  zurückgezogen' ist.  Die  obere  schmä- 
lere und  festwandigere  Kopfhälfte  enthält  die  Augen,  die  un- 
terhalb der  Leiste  gelegene  trägt  die  Antennen,  die  Ober- 
lippe und  die  Mandibeln.  Man  bemerkt  ferner  vor  jener 
Scheilelpartie  einen  kurzen  scharf  markirten  •  Randeinschnitt 
(Taf.V.  Fig.  1.  2.  Taf.  VH.  Fig.  23.  «)  ,  von  dem  eine  Naht 
nach  unten  und  etwas  nach  hinten  herabsteigt  und  die  Leiste 
trifft.  Lievin  nennt  den  vor  und  unterhalb  derselben  liegen- 
den grösseren  Theil  den  eigentlichen  Kopf,  den  hintern  obern 
ganz  kurzen ,  seillich  gesehen  dreieckigen ,  das  Nacken- 
schildchen;  an 'seiner  Hintorecke  beginnt  das  sogenannte 
Rückenband  oder  Ligament  der  Schalen  (Taf.  V.  Fig.  1.  ^.  A), 
und  hier  befindet  sich  die  gelenkige  Verbindung  zwischen 
Rumpf,  Schale  und  Kopf,  vermöge  welcher  der  letztere  sich 
bald  so  stark  emporrichtet,  dass  er  bis  hinler  das  zusammen- 
gesetzte Auge  über  den  Schalenrand  hinaustritt,  bald  so  stark 
herabkrümmt,  dass  er  sich  ganz  zwischen  die  Schalenhälften 
zurückzieht,  und  diese  sich  über  ihm  schliessen.  Aus  dem 
Raum  zwischen  der  seitlichen  Kopfleiste  und  dem  vordem 
Schalenrande  treten  die  grossen  Ruderantennen  hervor  (Taf.V. 
Fi^.  I.  2.  3.;  VII.  Fig.  23.  A^),  deren  Muskeln  theils  vor  dem 
Scheiteleinschnitle  i ,  theils  an  der  Bauchwand  des  Kopfes 
entstehen ;  unmittelbar  hinter  diesen  Organen  sind  die  Man- 
dibeln aufgehängt  (Taf.  V.  Fig.  1.  2.  Taf.  Vli.  Fig.  23.  M),  un- 
terhalb derselben  erstreckt  sich  in  fast  horizontaler  Richtung 
die  etwa  in  der  Höhe  der  Augen  von  der  Hinterfläche  des 
Kopfes  herkommende  Oberlippe  (L) ,  und  unter  ihrer  Basis 
weiter  nach  vorn  sitzen  die  Tastantennen  (Fig.  1.  2.  3.  23.^1'). 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  85 

Der  ganzo  Köpf  macht  noch  nicht  die  Hälfte  des  Körpers 
aus,  und  ist  beim  Weibchen  etwas  grösser  und  vom  Männ- 
chen abweichend,  so  dass  man  schon  daran  die  Gesclilechter 
erkennen  kann.  Beim  Weibchen  nämlich  (Fig.  1)  läuft  die 
First  des  Schnabels  in-  eine  scharfe  Spitze  aus,  wälircnd  die 
Seitenkanten  oder  Leisten  merklich  zurückbleiben ,  wodurch 
jederseits  ein  seichler  Ausschnitt  entsteht  (Fig.  1.«),  beim 
Männchen  hingegen  hören  alle  drei  fast  gleichzeitig  auf,  ohne 
jedoch  zusammenzustossen,  die  Schnabelspit^e  erscheint  abge- 
stützt und  endigt  mit  einer  dreieckigen  Fläche  (Fig.'§..(^.  Der 
Kopf  der  Isauren  zeigt  gewöhnlich  gar  keine  schnabelförmige 
Verlängerung ,  die  seitlichen  Leisten  sind  ganz  nach  vorn 
gerückt  und  bilden  die  Ränder  der  platten  Stirnfläche,  und 
die  Partie  hinter  denselben  ist  fast  blattartig  von  den  Seiten 
zusammengedruckt;  über  dem  zusammengesetzten  Auge  er- 
hebt sich  ein  Buckel  0- 

Das  Organ,  welches  bei  den  verwandten  Thieren  von  den 
meisten  Forschern  als  einfaches  Auge  betrachtet,  und  auch 
hier  von  Lievin  als  solches  aufgefasst  wird  (Fig.  1.  2.  3.  21 
26.  0) ,  sitzt  unbeweglich  im  Kopfe  nahe  dessen  Vorderwand; 
es  hat  etwa  die  Form  einer  dreiseitigen  breitabgestutzten  Py- 
ramide mit  abgerundeten  Kanten  (Taf.  VIL  Fig.  29)  ,  deren 
Basis  nach  vorn  und  unten  sieht,  diese  Fläche  ist  fast  drei- 
eckig, die  beiden  Seitenflächen  trapezoidisch,  und  wenn  man 
von  oben  herabschaut,  fällt  der  Blick  auf  die  stumpfe  Kante, 
in  welcher  die  letzteren  zusammenstossen;  die  hintere  un- 
tere Fläche  ist  dem  Gehirnganglion  zugekehrt.  Das  Organ 
besteht  aus  einem  durchscheinenden ,  auf  opakem  Grunde 
milchweissen,  bei  raschen  Körperwendungen  glänzenden,  seine 
Form  bestimmenden  Körper,  dessen  Kanten  mit  schwarzem 
Pigment  bedeckt,  die  beschriebenen  Flächen  rahmenartig  ein- 
fassen, und  ich  habe  mich  öfters  überzeugt,  dass  jene  durch- 
scheinende Masse  aus  diesen  Rahmen  etwas  hervorragt,  aus- 
serdem aber  sehe  ich  noch,  dass  das  Organ  in  eine  äussere 
durchscheinende  Masse  eingebettet  ist,  sie  ist  namentlich  sehr 
deutlich   vor  der    nach   unten   gerichteten    Basalflache.     Bei 


1)  Joly  Annal.  des  sciene.   nat,  Seconde  Serie.   Tom.  XYIl.  pl.  7. 
Fig.  2. 


86  jfol;oqoflYfi'lGTübec!"i    iV)V,nuA^^(tv^l\ 

genauerer  Betrachtung  der  einzelnen  Flächen  habe  ich  f^ra 
ner  erkannt,  dass  innerhalb  des  schwarzen  Rahmens  ein  ihm 
concentrischer  schmaler  weisslicher  Saum  bemerkbar  ist.^  in 
dön  das  Pigment  zackig  eingreift,  und  der  sich  von  der 
durchscheinenden  Masse  ziemlich  merklich  absetzt  (TafVlI. 
Fig.  30)  ,  allein  nie  ist  es  mir  gelungen  ,  wirkliche  Linsen 
herauszupräpariren,  und  das  Organ  macht  den  Eindruck,  al4 
wenn  es  durch  Trübung  und  Wucherung  der  durchsichligein 
Medien  in  einen  unbrauchbaren  Zustand  versetzt  wäre,  eine 
Ansicht,  die  auch  Zaddach  bei  dem  erwachsenen  Apus  awf»^ 
stellt.  Selbst  das  Pigment  scheint  sich  mitunter  aufzulösen, 
und  erscheint  dann  nur  als  eine  etwas  verwischte  Einfassung. 
Für  die  Schödler'sche.  Behauptung,  nach  welcher  dies  Organ 
bei  Acanthocercus  und  den  Cladoceren  feinem  Gehörorgan 
entsprechen  soll  0>  finde  ich  keine  Begründung,  da  ich  ei- 
nen von  hier  zu  den  Tastantennen  führenden  und  an  ihrer 
Basis  mündenden  Gang  nicht  wahrnehmen  kann,  sondern  der 
dünne  von  dem  Organ  nach  vorn  und  unten  zur  Kopfwand 
laufende  Strang  (Fig.  23. /)),  wie  es  scheint,  hioss  zur  Be- 
festigung dient.  Ebensowenig  scheint  ein  anderer  vor  dem 
einfachen  Auge  gelegener  Körper  (vielleicht  eine  bloss  an- 
ders beschaffene  Stelle  der  Kopfbekleidung)  eine  solche  Be- 
deutung zu  haben.  Es  ist  dies  ein  länglich  rundes  mit  einer 
Reihe  von  Häärchen  besetztes  Mal  (area  oblonga  Loven),  wel- 
ches wie  eine  fensterartige  Verliefung  aussieht  (Fig.  23.  js), 
und  von  dem  sich  ein  dicker  h^rabgekrümmter  Strang  zum 
Unlerrande  des  Auges  begiebt,  er  hat  nicht  das  Ansehen 
eines  Muskels,  ist  öfters  gelblich  gefärbt  und  zeigt  mitunter 
einen  gewissen  Schimmer.  Schliesslich  muss  ich  hinzufügen, 
dass  der  vom  Pigment  umrandete  Kern  des  Auges,  mit  Sal- 
petersäure behandelt,  etwas  einschrumpft,  und  eine  gelbliche 
Färbung  annimmt,  aber  durchaus  keinen  kohlensauren  Kalk 
enthält.  Joly  spricht  bei  der  erwachsenen  Isaura  von  kei- 
nem einfachen  Auge,  ich  habe  es  bei  meinen  Weingeistex- 
emplaren bald  mehr  bald  minder  deutlich  erkannt,  und  halte 
dafür  den  Körper  k  in  seiner  Fig.  5;  ebenso  kann  der  dunkle 


1)  S.  Wiegmanu's  Archiv  für  Katurgeschichte  1846.   I.  p.  360. 
Taf.  XL  Fig.  2.  3.  n. 


Bemerkungen  übet  die  Phyllopoden.  8^ 

unter  deiri  zusammengesetzten  Auge  liegende  Fleck  bei  der 
jungen  zweischaligen  Form  (Fig.  43.  et)  nichts  anderes  als 
das  jetzt  noch  grössere,  nachher  aber  von  jenem  an  Grösse 
überholte  einfache  Auge  seiri;fi  liPei  Nebalia  fehlt  dieses 
Organ.   ''■•■     ■         ■■■■■■■  ■■   ■     •■;:..    :  ^ü   !'  :  //  '  ^i'.:. 

Das  z: uis  »  hi  m  e n  g"  e  s  e  in  l  e  A  U  g  e  (Taf.  ,V.  Fig.  1 .  ^.  3. 
Taf.  Vir.  Füg.  23.  2ö  0)  zeigt  aulcJü  beim  erwachsenen  Thier 
noch  deutlich  seine  Entstehung  aus  zweien,  da  man  nicht 
nur  beim  Zergliedern  zwei  Sehnerven  nachweisen  kann  (Fig. 
ii%:^y/ßöi\dem  auch  am  Hinterrande  einen  mittleren  tiefen 
Einschnitt  wahrnimmt.  Es  bildet  einen  von  oben  gesehen 
querovalen:  starkgewölbten ,  von  Pigment  umkleideten  ,  am 
Umfang  jeder  Hälfte  mit  jetwai  14  kleinen  Lip:sen  eingefass- 
ten  Körper,  deren  jede  vor  einem  lang  kegel-  oder  fast 
birnförmigen  Glaskörper  liegt,  und  der  wahrscheinlich  eben 
so  viele  :durch  das  Pigment  hindurchgehende  Fäden  vom  Seh- 
nerven erhält  Das  Auge  ist  von  einer  durchsichtigen  Hülle 
umgeben,  an  welche  sich  mehrere  Muskelstränge  ansetzen, 
indem  sie  einen  Kegel  bilden,  die  Spitze  des  Kegels  liegt  an 
dem  Oesophagus,  die  Achse  des  Kegels  bildet  der  mitten 
angeschwollene  Sehnerv;  die  Höhlung,  welche  von  vorn  das 
Auge  umgiebt  und  so  seine  Läge  in  dem  Kopfe  sichert  (Fig. 
23.  er)  ist  schwer  bemerkbar:  man  muss,  um  sie  zu  erken- 
nen, Säuren  anwenden ,  wodurch  sich  das  Auge  zusammen- 
zieht und  sein  Abstand  von  dem  Contour  der  es  umgeben- 
den Höhlung  hervortritt.  Die  anhaltejiden  Erschütterungen 
dieses  Organs,  welche  ich  so  oft  unter  dem  Mikroskope  be- 
obachtet habe,  können  wohl  schwehrlich  im  normalen  Zu- 
stande vorkommen,  da  sich  sonst  ein  deutliches  Sehen  nicht 
erklären  lässt.  Auf  beweglichen  Stielen  sitzen  die  Augen 
sonst  nur  bei  den  nackten  Phyllopoden :  aber  Nebalia,  obwohl 
mit  einer  Rückenschale  versehen,  zeigt  dasselbe  Verhalten. 

Die  vordem  Antennen  (Ta  f.  V.  Fig.  1.  2.3.  Taf.  VII. 
Fig.  23.  i4'),  welche  bei  Branchipus  i),  Artemia  und  Isaura 
fast  fadenförmig,  bei  letzterer  mehrgliedrig,  bei  Nebalia  ganz 
besonders  entwickelt  Und  sogar  gabiig  sind  ,  finden  wir  bei 

1)  Milne  Edwards  Hist.  nat.  des  Crust  pLcJ5,  Fig.  9;  Taf.  VIII, 
Fig.  2.  A'  dieser  Abbandl. 


88  uaboqollYi'*?  Grub  er  f-a^aiDhamofl 

Limnietis  eingeschrumpft  und  klein ,  wenrb  auch  nicht  in  dem 
Grade  wie  bei  Apus.  Sie  haben  die  Gestall  eines  zweiglie- 
drigen Kolbens,  dessen  Endglied  merklich  länger  als  das  an- 
dere und  ganz  mit  abstehenden  Häärchen  besetzt  ist.  Ge- 
wöhnlich durch  das  Spiel  der  Ruderantennen  verdeckt,  kann 
man  sie  am  lebenden  Thiere  nur  selten  zu  Gesichte  bekom- 
men •  bei  Jüngern  habe  ich  sie  bisweilen  in  lebhafter  Vir 
bration,  bei  erwachsenen  während  der  Begattung  in  einer 
längsamen,  teilweise  unterbrochenen  Hin-  und  Herbewegung 
gesehen,  in  der  Regel  hängen  sie  ruhig  von  der  Hinterwand 
des  Kopfschnabels  herab.  Die  4  Muskeln,  welche  in  sie  hin- 
eintreten und  von  denen  2  bis  in  das  Ende  des  Kolbens  zu 
gehen  scheinen,  entspringen  ringsum  in  der  Nähe  ihrer  In- 
sertion von  der  Kopfwandung.  -• 
Die  hintern  oder  Ruder-Antennen  (Taf.V. Fig.  li 
2.3.  Taf.  VII.  Fig.  23.  ^2^  bestehen  aus  einem  dicken  undeut- 
lich 7-gliedrigen  Stanim,  dessen  Grundglied  unten  3  oder  4 
hintere  lange  gefiederte  Borsten  trägt,  und  dessen  schärfer 
abgesetztes  Endglied  unten  und  zwar  vorn  mit  5  kurzen 
Borsten  besetzt  ist,  und  sich  gabiig  in  zwei  fast  gleich  grosse, 
den  Slamm  kaum  an  Länge  übertreffende  Aeste  spaltet.  Diese 
sind  mit  Ausnahme  des  Basalgliedes  kurzgegliedert,  die  Zahl 
der  Glieder  in  der  Jugend  kleiner  als  weiterhin.  So  zählte 
ich  bei  der  eben  ausgeschlüpften  zweischaligen  Form  an  bei- 
den Aesten  nur  4  Glieder,  bei  einem  Thierchen  von  0,42  Lin. 
Länge  am  vordem  Ast  8,  am  hintern  6  Glieder,  beim  er- 
wachsenen Thier,  wie  Lievin,  am  vordem  meist  15  oder  14, 
am  hintern  14  oder  13  Glieder.  Jedes  Glied  trägt  am  Hin- 
terrand eine  längere,  bei  stärkerer  Vergrösserung  gefiederte 
Borste,  die  Glieder  des  Vorderasles  auch  noch  am  Vorder- 
rand eine  kurze  einfache  Borste,  jedes  Endglied  zwei  gefie- 
derte und  das  des  Vorderasles  auch  noch  eine  kurze  Borste, 
die  Basalglieder  aber,  deren  mehrere  (am  Vorderast  nach 
Lievin  2  hintere  und  2  vordere,  am  Hinterast  4  hintere;  ich 
finde  die  Zahl  nicht  so  constant).  Die  Länge  der  Borsten 
nimmt  gegen  die  Basis  hin  so  rasch  ab,  dass  sie  hier  kaum 
die  Breite  des  Astes  übertrifft,   während  die  Endborsten  oft 


1)  Taf.  VIIL  Fig.  2.  A^  dies.  AbhandL  und  Fig.  3. 


Bemerkungen  üher  die  Phyllopoden.  89' 

bedeutend  länger  als  die  Aeste  selber  sind.  Bei  Isaura  fm'J.> 
den  wir  die  Glieder  schärfer  markirt  und  gleichmässig-,  ihre 
Zahl  steigt  bis  auf  17,  die  Borsten  sind  ungleich  zahlreicher, 
aber  kürzer.  Diese  Organe  dienen  bei  den  Limnetis,  den 
Isauren,  Cypris,  Daphnien  und  übeihaupt  allen  Branchiopoden 
allein  zum  Schwimmen,  die  Fusspaare  des  Rumpfes  tragen, 
trotz  ihrer  fast  unausgesetzten  Schwingungen,  nichts  dazu  bei, 
wogegen  sie  bei  Apus ,  wo  das  hintere  Antennenpaar  ver- 
kümmert uhd  bei  Branchipus  und  Artemia ,  wo  es  ein  blos- 
ses Greiforgan  wird,  diese  Function  ausschliesslich  überneh- 
men müssen.  Die  Hebemuskeln  der  Ruderantennen,  3  an  der 
Zahl  (Fig.  23  m'),  entspringen  von  der  First  des  Kopfes  vor 
dem  Scheiteleinschnitte  i  und  erstrecken  sich  durch  Stamm 
und  Aesle,  die  Vorwärlszieher  (Fig.  23.  m^),  etwas  tiefer  und 
vor  den  Aufhebern  von  der  Seitenwand  des  Kopfes  abge- 
hend, laufen  blos^  durch  den  Stamm  und  befestigen  sich  an 
seinem  Hinterrande,  nahe  dem  untern  Ende;  2  andere  kür- 
zere Muskeln,  welche  hinter  dem  Munde  an  der  Bauchwand 
des  Kopfes  neben  einander  entspringen  (Fig.  23. 7W^)  und  sich 
an  der  Innenseite  der  Ruderantennen  inseriren,  müssen  zum 
Zurückziehen  der  vorwärtsgestreckten  Organe  und  ihrer  ge- 
genseitigen Annäherung  dienen.  Uebrigens  geschieht  die  Kör- 
perbewegung nicht  ruckweise  wie  bei  Daphnia  pulex  und  an- 
dern ,  sondern  wird  durch  die  stete  Wiederholung  der  nur 
kurzen  Ruderschläge  eine  fast  gleichmässig  fortlaufende;  der 
Rücken  bleibt  dabei  nach  oben  gekehrt,  was  Joly  auch  bei 
Isaura  beobachtete. 

Die  ziemlich  weichhäutige  feinbehaarte  Oberlippe, 
labre,  chaperon  Joly  (Taf.  V.  Fig.  1.2.3.  Taf.VII.  Fig.  23.  L) 
ist  in  der  Ruhe  ziemlich  parallel  dem  Bauch  fortgestreckt, 
und  so  lang,  dass  sie  bis  zum  2ten  Fusspaar  reicht.  Sie 
erscheint  etwas  niedergedrückt,  an  ihrem  lappenarlig  verbrei- 
terten Ende  seitlich  zusammengedrückt,  ihre  Rückenseite  flach 
rinnenartig  ausgehöhlt,  so  dass  sie  die  Fortsetzung  der  zwi- 
schen den  Fussreihen  beider  Seiten  hinlaufenden  Bauchrinne 
bildet ,  und  mit  zwei  gegen  die  Basis  zusammenstossenden 
und  dann  wieder  aus  einander  weichenden  Hornstreifen  ver- 
sehen, denen  ein  eben  solcher  gabiiger  mit  mikroskopischen 
zahnartigen  Borsten   besetzter  Hornstreif  an  der  gegenüber 


90 


. nohoff n f f y f)'*ti TiU b e< Cfi    rirn nn ?ff '» fri» H 


liegenden  Bauchwand  des  Kopfes  entspricht  (Fig»  ^4.  «).  Plef 
Lippe  kann  durch  2  lange  dünne  hinter  den  Augen  entspriur, 
gende  Muskeln  (Fig.  23.  m\),  welche  zwischen  dem  Hirngani^ 
glion  und  Oesophngus  herabsteigen,  und  sich  an  ihrer  Unter- 
fläche inseriren,  abwärts  gekrümmt,  durch  ein  paar  kurze 
über  ihrer  Basis  entspringende  der  Bauchwand  genähert  wer^ 
den,  und  besitzt  ausserdem  viele  Bündelchen  von  Quermus-» 
kein,  durch  welche  die  Ränder  der  Rinne  einander  genähert 
werden  müssen.  Zwischen  den  letzteren  sehe  ioh  noch  ein 
feinkörniges  Gewebe,  dessen  .Bedeutung,  mir  md}i  klar  ge-. 
worden  ist. ;M;(n')lfifnoJ)ij<l 'lob  nio>l<n!nod*.ll  yiü  .ifsgp.fjin  i  m 
Unmillelbiarübördbr  Oberlippe  erblickt  man  den  Kau-\ 
theil  (Kronentheil  Lievin)  der  starken  wie  die  Arme  eine?', 
Kneipzange  gebogenen  M  an  (Jibeln;  (Taf.v  V)./  F-iig.  1.  2i  '\Qy, 
Taf.yJI.  Fig.  23.  24.  M).  Der  obere  viel  längere  Schenkel 
des  Knies  ist  aussei  gerundet,  unten  breit,  nach  oben  spitz 
zulaufend,  hier  flirtEnde  der  hornigeö  bei,  i  beginnenden  Naht 
aufgehängt,  und  auch  durch  die  Schale  hindurch,  leicht  wahr- 
nehmbar; er  ist  der  Theil,  den  Krynicki '),  ohne  ihn  weiter  zu 
deuten,  bei  seiner  Limnadia  als  „une  ertiinence  semblable  ä 
un  pepin  de  pomme"  beschreibt.  Die  Innenfläche  ist  ganz 
ausgehöhlt  und  mit  Muskeln  erfüllt,  welche  durch  eine  dünne, 
quere  an  der  Bauchwandung  verlaufende  Sehne  in  die  der 
andern  Mandibel  übergehen;  die  untern  Fasern  dieser  Mus- 
keln müssen  das  Zusammentreten  der  Kauflächen  bewirken, 
während;  die  mehr  von  oben  herkommenden  die  spitz  zu- 
laufende Schenkelpartie  etwas  nach  innen  ziehen  und  so  die 
Kauflächen  von  einander  entfernen  müssen.  Von  der  Sei- 
tenwand des  Nackenschildchens  zwischen  dem  Schenkel  der 
Mandibel  und  dem  Darm  sieht  man  einen  Muskel  herab- 
steigen, der  ebenfalls  zu  der  Sehne  der  Mandibeln  tritt  (Fig. 
23.  m"»)  und  dem  Muskel  f  bei  Joly  (Fig.  22),  dem  Muskel  w 
bei  Zaddach  (Tab.  I.  Fig.  II.)  entsprechen  muss.  Zaddach 
sagt ,  dass  er  dem  sogenannten  ventriculus  cordis  arteriosus 
angehöre ,  Joly  nennt  ihn  einen  Abductor  der  Mandibeln. 
Letzteres  kannüich  nicht  zugeben,   und   ersteres  nicht   beur- 


1)  Bulletin  de  la  societö  Imperiale   des  naturalistes  de  Moscou 
1830.  p-178..  lab.VIL  Fig.2.  rf.     vj\ah^-j-  ■    ■iiimiilfci: 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  ^t 

thdfen,  da  ich  bei  uns^eriri  kleinen  Thierclien  jenen  Ventrir 
culus  nicht  herausziipräpariren  im  Stande  bin. 

Das  Kaustück  besteht  aus  einer  starken  schmal  vier- 
eckigen Platte^  deren  Innenrand,  die  Schneide,  durch  tiefe 
parallele  Furchen  in  16  Leisten  getheilt  ist,  die  hinterste  er- 
hebt sich  zu  einem  ansehnlichen  stumpfen  Zahn,  und  der 
Vorderrand  des  Kaustücks  nahe  der  Kniebucht  bildet  einen 
kleinen  stumpfen  Vorsprung.  Diese  Gestalt  haben  die  Man- 
dibeln  der  Limnetis  sogleich  nach  dem  Uebergange  aus  der 
ein-  in  die  zvveischalige  Form,  doch  scheint  mir,  dass  schon 
einige  Zeit  vor  der  Häutung  das  Grundglied  der  entsprechen-^ 
den  Ruderextremilätcn  merklich  angeschwollen,  die  Endglie- 
der dünner,  und  die  Bewegungen  langsamer  geworden  wa- 
ren. Mitten  zwischen  den  Schneiden  der  Mandibeln  verläuft 
jener  hornige  borstig  gezähnelte  Gabelstreif,  welcher  über 
dem  entsprechenden  der  Oberlippe  liegt,  und  dessen  schon 
oben  gedacht  ist.  11 

Sehr  viel  schwächerund  kleiner  als  die  Mandibeln  sind 
die  Maxillen  (Taf.V.  Fig.  11.;  Taf.VlI.  Fig.  23.  24.  J»i'),  wel- 
che so  versteckt  .liegen,  dass  ich  sie  am  lebenden  Thier  nie?t 
mals  erkennen  konnte.  Ihre  Gestalt  ist  knieförmig,  der  Endrr 
theil  halb  oval,  sein  abgestutzter  Innenrand  mit  etwa  8,  bei 
jungen  Thieren  mit  weniger  als  8,  steifen,  leicht  gekrümm- 
ten Borsten  besetzt,  der  äussere  sanft  convexe  fein-  und 
kurz  behaart,  sie  ähneln  so  sehr  dem  entsprechend  gelege- 
nen Lappen  oder  Fortsatz  an  der  Hüfte  der  Beine,  dass  iöh 
mir  auch  hier  die  Frage  wiederholte,  ob  man  diese  Organe, 
die  so  wenig  einem  bestimmt  ausgeprägten  Segment  angehö- 
ren und  ganz  auf  der  Grenze  von  Kopf  und  Rumpf  liegen, 
nicht  vielleicht  als  das  erste  nur  in  seinem  Hüftglied  ausge- 
bildete Beinpaar  des  Rumpfes  zu  betrachten  und  den  Kopf 
jedenfalls  mit  den  Mandibeln  abzugrenzen  habe.  Wenn  aber 
"auch  ein  diesen  Organen  entsprechendes  Segment  erkennbar 
wäre ,  würde  man  es  zum  Kopf  oder  zum  Rumpf  rechnen, 
•und  in  letzterm  Falle  würde  man  es  den  andern  Rumpfsegmen- 
ten gleich  stellen  oder  von  ihnen  der  Bedeutung  nach  unter- 
scheiden; es  als  dem  Thorax  höherer  Arthropoden  entspre- 
chend ansehen?  Die  Zeit  des  Auftretens  dieser  Extremitäten 
Würde  ein  enlscheiUendeß  Moment  abgeben.,  vorausgesetzt, 


92  ^nFinfTof'-r:     Grube: 

dasö  jede  Körperabtheilung  ihre  Gliedmassen  gleichzeitig  her- 
vortreibt. Allein  in  der  Beobachtung  des  ersten  Auftretens 
bin  ich  nicht  glücklicher  gewesen  als  diejenigen,  welche  die 
Entwicklung  ähnlicher  Crustaceen  behandelt  haben,  und  der 
zweite  Punct  ist  keineswegs  durchweg  begründet;  ja  nicht  ein- 
mal das  kann  als  Gesetz  gelten  ,  dass  die  Gliedmassen  sich 
nur  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten  entwickeln.  Ich 
kanH  nur  soviel  angeben  ,  dass  zu  der  Zeit ,  in  welcher  die 
Limnetislarve  bloss  die  beiden  Paare  Ruderexlremitäten  be- 
sitzt, ich  noch  keine  Maxillen  bemerkt  habe,  und  dass  spä- 
ter, wenn  sich  die  Anlagen  derFüsse  am  Rumpftheil  bemerk- 
bar machen,  ich  aus  keiner  derselben  Maxillen  entstehen  ge- 
sehen. Möglich,  dass  sie  sich  überhaupt  meiner  Beobachtung 
entzogen,  möglich  dafs  sie  unter  der  gewalligen  Lippenplatle 
der  einschaligen  Form  versteckt,  durch  die  fast  unausgesetzte 
Bewegung  der  Ruderextremitäten  dem  Auge  noch  unzugäng- 
licher wurden ;  sind  sie  aber  wirklich  später  als  diese  und 
als  die  vordersten  Paare  der  Rumpffüsse  entstanden ,  so  ist 
damit  noch  nicht  über  ihre  Zugehörigkeit  zu  dieser  oder  je- 
ner Körperabtheilung  entschieden.  Wie  am  Rumpf  hinter  den 
0  zuerst  auftretenden  Fusspaaren  noch  andere  nachwachsen, 
kann  etwas  ähnliches  auch  am  Kopf  stattfinden,  und  wie  am 
Kopf  des  Flusskrebses  die  Antennen  später  als  die  Mandibeln 
auftreten  sollen  ,  könnte  auch  am  Rumpfe  ein  vorderes  Ex- 
tremitätenpaar später  als  die  andern  hervorspriessen.  Bei 
Branchipus  und  Apus,  wo  2  Maxillenpaare  existiren,  erschei- 
nen sie  erst  mit  dem  Auftreten  der  Rumpffüsse,  und  schlies- 
sen  sich  offenbar  näher  den  Mandibeln  ,  als  diesen  an.  Das 
zweite  sieht  bei  Branchipus  mehr  wie  ein  dickes  Läppchen 
aus  als  dem  ersten  ähnlich,  und  bei  Apus  kommt  hinter  dem 
2ten  deutlich  randzähnigen  Maxillenpaar  noch  ein  Paar  zwei- 
lappiger Organe  vor  (Zaddach  Tab.  I.  Fig.  VI ,  par  tertium 
pedum  thoracicorum),  welche  wie  rudimentäre  Füsschen  mit 
einem  grossen  lederartigen  Hüftlappen  aussehen. 

Von  den  Rumpffüssen  giebt  es  bei  den  Männchen 
(Taf.  V.  Fig.  2.  3.)  10,  bei  den  Weibchen  (Taf.  V.  Fig.  1.) 
12  Paar,  alle  sind  blattartig  zusammengedrückt,  mit  kaum  hin 
und  wieder  angedeuteter  Gliederung,  weshalb  auch  die  wei- 
terhin gegebene  Bezeichnung  ihrer  einzelnen  Lappen  nicht 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  Q3 

sicher  begründet  werden  kann.  Der  eine  Rand  der  Füssc 
ist  nach  aussen,  der  andere  nach  innen  gekehrt,  der  letztere 
vielfach  lappenarlig-  eingeschnitten;  die  Füsse  liegen  dicht 
hinler  einander,  während  zwischen  den  beiden  Reihen  der- 
selben eine  Rinne  offen  bleibt,  und  nehmen  so  bedeutend  an 
Länge  ab  ,  dass ,  wenn  man  die  ganze  Reihe  in  einen  Rah- 
men brächte,  dieser  beinahe  die  Gestalt  eines  an  der  Spitze 
etwas  abgestuzten  Dreiecks  haben  würde,  doch  ist  genau  ge- 
nommen das  2teFusspaar  das  längste,  das  Iste  kürzer.  Wäh- 
rend die  Länge  des  2ten  von  der  Rasis  bis  zur  Spitze  0,64 
Lin,  und  von  dem  Ende  des  längsten  Rückenanhanges  bis 
zur  Spitze  sogar,  0,82  Lin.  beträgt,  finde  ich  die  Länge  des 
toten  von  der  Basis  bis  zur  Spitze  nur  0,17  Lin.;  der  Rük- 
kenanhang  fehlt  dem  letzteren.  Die  vorderen  Füsse,  welche 
die  zusammengesetzteren  sind,  glaube  ich  am  richtigsten  und 
anschaulichsten  in  der  Art  darzustellen,  dass  ich  ihre  Achse 
als  aus  3  Hauptstücken  bestehend  betrachte,  welche  wiederum 
seitlich  in  Lappen  auslaufen  ,  nämlich  aus  einem  der  Hüfte 
entsprechenden  Basalstück  mit  einem  nach  innen  gerichte- 
ten Fortsatz  (Taf.  V.  Fig.  4.,  5—8  31),  einem  am  Aussen - 
und  Innenrande  mit  Anhängen  und  Lappen  versehenen  Mit- 
telstück (/> — /^)  dem  ansehnlichsten  von  allen,  und  einem  ein- 
fachen Endstück  (Fig.  5.  /^}.  Das  Miltelstück  betrachte  ich 
als  eine  mehr  oder  minder  innige  Verbindung  von  Femur 
und  Tibia,  das  Endstück  als  Tarsus.  Der  Fortsatz  des  ganz 
kurzen  Basalstücks  ist  an  Gestalt  und  Richtung  durchaus  den 
Maxillen  ähnlich,  sein  Unter-  und  Aussenrand  sanft  convex  und 
fein  und  kurz  behaart,  der  Ober-  oder  Innenrand  abgestutzt 
und  gegen  die  Spitze  hin  mit  einer  kurzen  Reihe  von  Bor- 
sten besetzt,  aus  diesem  Grunde  und  weil  diese  Fortsätze  die 
bis  zu  den  Kiefern  und  der  Lippe  hinlaufende  Rinne  bilden, 
kann  man  sie  als  Kiefer-  oder  M  axillar  fort  s  ä  tz  e  be- 
zeichnen. Das  Mittelstück,  eine  sehr  breite  und  lange  Ab- 
theilung, zeigt  einen  in  sehr  ungleiche  Lappen  zerschlitzten 
Innenrand,  und  einen  in  lange ,  theils  auf- ,  theils  abwärts- 
gerichtete Anhänge  auslaufenden  Aussenrand.  Man  unter- 
scheidet 4  Lappen  des  Innenrandes  ,  von  denen  die  beiden 
oberen  (Fig.  5.  /'  l-^  die  breitesten  und  am  wenigsten  vor- 
tretenden, die  beiden  untern  (/^/^)  ganz  schmal  und  messer- 


94  GiubeJ  .i^wnif^l'i^KiaH 

förmig  sind.  :;l>er  oberstö,  Lappen  (O  dehnt,  sich  Ähi.  väti^ 
sten  aus  und  dürfte  alsFemurzu  betrachten  sein,  da: i er  sich 
am  Isten  Fusspaar  des  Männchens  C^af- V.  Fig. 4.)  eiilsdiieden 
am i 'Stärkstell  gegen  die  folgenden  drei,  näher  zusammenge- 
h;örigen  absetzt.  Das  Endglied  des  Fusses  (Taf.  V.Fig.57&) 
ist  ebenfalls  seh tnal  und  messerförmig,  wie  die  untern  beiden 
LappiJ«  äesiTibialslücks,  und  wird  von  mir  deshalb  als  ei- 
genes Glied  angesehen  ,  weil  es  sich  gegen  jene  sdhon  bei 
den  gewöhnlichen  Füssen,  ganz  besonders  aber  bei  dem  Isten 
Fusspaar  des  Männchens,  schärfer  absetzt,  und  hier :  s5ogai!  dQUt+ 
lieh  mit  dem  Tibialtheil  eingelenkt  ist ,  indem  es  die  Form 
eines  „Hakens  oder  einer.  Klaue  angenommen  hat  und  gegen 
dien  untern  Rand  jenes  Theiles  einschlägt  (Taf.  V.  Fig.  4.  ^^). 
Was  endlich  die  oben  erwähnten  von  dem,  Aussenrande  des 
Feiiioraltbeils  abgehenden  Anhänge  betrifft ,  so  haben  wir 
zwei  zu  unterscheiden;  der  äussere  derselben  ist  ein  sehr 
langes  schmales  Blatt ,  dessen  Form  man  einigermassen  mit 
einer  an  ihren  Stiel  gerade  angesetzten  Sense  vergleichen 
kann  (Taf.  V;  Fig,  4.,  5.  b'  (>");  wo  beide  zusammenstossön  , 
geschieht  die  Anheftung  an  den  Feniorallheil  ,  von  da  ab 
steigt  das  Blatt  der  Sense  (6')  nach  oben,  der  Stiel  (// }  nach 
unten,  während  aber  der  letztere  ziemlich  mit  dem  Endglied 
des  Fusses  abschneidet,  reicht  das  mit  der  Concavität  nach 
innen  sehende  Sensenblalt  ,  weit  über  die,  Basis  des  Beines 
hinaus  in  die  Höhe ,  und  nimmt  den  Raum  zwischen  der 
Flanke  des  Segments  und  der  Innenwand  der  ausgehöhlten 
Schale  ein.  Zwischen  dem  Sensenblätt  und  der  Basis  des 
Beines  endlich  sitzt  dei*  zweite,  ebenfalls  aufwärts  steigende 
Anhang  (Taf.  V.  Fig.  4 ,  5.6),  nicht  sowohl  auf  dem  Grunde 
des  ßlattrandes,  wie  ihn  Lievin  darstellt,  als  auf  dem  Ober- 
rande des  nach  aussen  vortretenden  Femoralstücks.  Er  hat 
das  Ansehen  eines  etwas  zusammengedrückten  langen  und 
schmalen  Beutels,  ist  zuweilen  mit  Flüssigkeit  gefüllt,  schlauch- 
artig angeschwollen  (Beutelchen  Schaff.,  vesicale  cylindri- 
que  Joly),  und  durchaus  haarlos,  während  die  andern  Anhänge 
und  Lappen  am  Rande  behaart  sind  ,  stimmt  aber  darin  mit 
dem  sensenförmigen  Blatt  überein,  dass  beide  viel  zarter  als 
die  andern  Fusslheile  gebaut,  und  nicht  von  Muskeln  durch- 
bogen sind;  was  von  dem  Stieltheil  (6")  weniger  gilt.     Aus 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  95 

diesem  Grunde  uiul  weil  diese  Anhänge  an  einer  Stelle  sitzen, 
an  welcher  bei  höher  entwickelten  Grustaceen  Kiemeii.  vor^ 
zukommen  pflegen,  will  ich  sie  die  kie nie n  artigen  oder 
Braih  ch  ia.l-Anhäng  e,  und  nach  ihrer  Lage  den  einen 
den  äussern,  den  andern  den  Innern  nennen  ,•  wenn 
ich  auch  nichtnüt  Sicherheit  darlhun  kann,  dass  sie  der  Ath4- 
mungsfunction  vorstehen.  .Die  Behaarung  an  den  Anhängen 
und  Lappen  ist  nicht  iitrerall  gleich  vertheilt  und  dieselbe: 
an  den  Lappen  des  Fcmoral-,  Tibial-  und  Tarsustheils  ist  nur 
der  Innenrand  behaart;,jam  äusseTn  ßranchialanhang  aber  alle 
Ränder  meist  anch  die  Strecke  des  Innenrandes,  die  dem 
Innern  haarlosen  Anhange  (6)  zugewandt  ist,  an  den  breiten 
wieirigi  vortretenden  Femoral-  und  Tibiallappen  sehe  ich  die 
üaare  oder  Borsten  in  zwei  gegen  einander  geneigten  Ebe- 
nen, so  etwa  iÄ?ie  die  Arme  eines  Spanischen  Reiters  stehen, 
(Taf.  V.  Fig  4.,  5,)  ,  und  die  einen  pflegen  merklich  kürzer 
als  die  andern  zu  sein,  an  den  übrigen  Theüen  stehen  sie 
in  einfacher  Reihe,  und  aridem  äussern  Branchialanhang  weit- 
läufiger als  anderswo.  Alle  Borsten  sind  von  Grund  an  ge- 
fiedert, dieFiederchen  aber  erst  bei  einer  mehr  als  öOfachen 
Vergrösserung  deutlicher  erkennbar ,  auch  überzeugt  man 
sich  bei  stärkerer  Vergrösserung ,  dass  die  Borsten  unten 
liohl  sind  und  sich  das  nach  innnen  von  der  Oberhaut  lie- 
gende Gewebe  in  sie  hinein  erstreckt.  Die  längsten  Borsten 
stehen  immer  an  den  Spitzen  der  messer  -  und  stielförmi- 
gen.  Fortsätze,  wie  auch  am  oberen  Ende  des  Sensenblat- 
tes und  werden  nur  von  den  längeren  an  dem  Femoral-  und 
Tibiallappen  übertroffen.  Uebrigens  liegen  nicht  alle  Theile 
der  Beine  so  in  einer  Ebene  ausgebreitet,  wie  sie  in  den  Fi- 
guren 4  bis  8  dargestellt  sind,  sondern  das  sensenförmige 
Blatt  b'  ist  seiner  Quere  nach  merklich  gewölbt,  so  dass  der 
Aussenrand  entschieden  nach  hinten  sieht  und  den  haarlosen 
Branchialanhang  etwas  umhüllt;  der  sliellörmige Fortsatz  des- 
selben ist  hingegen  ein  wenig  nach  hinten  gerichtet.  Von 
diesem  letzteren  muss  ich  noch  bemerken,  dass  er  im  fri-r 
sehen  Zustande  eine  Andeutung  von  Gliederung  oder  weit- 
läufiger Querstreifung  besitzt,  doch  habe  ich  sie  nur  an  Wein- 
^eistexemplaren  so  stark  gesehen,  wie  sie  Lievin  darstellt,  ich 
aählte  dann  am  Isten  Fusspaar  des  Weibchens  8  bis  9  Glieder, 


©6  .u>IjoqollY«'     Grübet  aö^aiivl'fjm'jä 

an  frisch  untersuchten  Beinen  ist  sie  oftmals  gar  nicht  wahr- 
nehmbar. —  Dass  man  in  alle  diese  Einzelheiten  nicht  bei 
der  blossen  Betrachtung  des  lebenden  Thieres  eindringen 
kann,  versteht  sich  von  selbst,  weder  die  Stellung,  noch  die 
anhaltende  Bewegung  der  Füsse  erlaubt  bei  der  geringen 
Durchsichtigkeit  der  Schale  auch  nur  die  grösseren  Fort- 
sätze und  Anhänge  genauer  kennen  zu  lernen,  allein  von  der 
Gestalt  der  Branchialanhänge  und  von  dem  Gegensatz,  den 
sie  zu  den  übrigen  Fusstheilen  bilden ,  kann  man  sich  auch 
ohne  zur  Zergliederung  zu  schreiten ,  auf  leichte  Weise 
eine  richtige  und  überraschende  Anschauung  verschaffen. 
Man  darf  in  das  Wasserschälchen,  in  dem  man  die  lebende 
Limnetis  unter  derLoupe  beobachtet,  nur  einen  Tropfen  ver- 
dünnter Salpetersäure  bringen,  so  beginnen  alsbald  die  Bran- 
chialanhänge sich  schwach  zu  röthen  und  aufzublähen,  und 
diese  Färbung  wird  in  kurzer  Zeit  so  intensiv ,  dass  sie 
orange-  oder  blutroth  aussehen,  während  die  übrigen  Par- 
tien weisslich  bleiben ,  und  erst  allmählich  eine  Andeutung 
davon  zeigen.  Da  durch  die  Einwirkung  der  Salpetersäure  die 
Bewegung  der  Körpertheile  nicht  sobald  aufhört,  so  hat  man 
Müsse  genug,  sich  an  diesem  artigen  Anblick,  dem  Spiel  der 
zweifarbigen  heftig  schwingenden  Füsschen  zu  erfreuen;  al- 
lein einen  Beweis  für  die  Bedeutung  jener  Anhänge  als  Re- 
spirationsorgane, wie  ich  anfänglich  gehofft,  hatte  ich  darum 
doch  nicht  gefunden,  da  andere  entschieden  blutreiche  Kör- 
pertheile durch  die  Salpetersäure  nicht  geröthet  wurden,  hier- 
aus also  auf  keinen  besondern  Blutreichthum  der  sogenann- 
ten Branchialanhänge  ,  sondern  nur  auf  einen  ihnen  eigen- 
Ihümlichen  Farbesloff  geschlossen  werden  konnte.  Bringt 
man  einen  solchen  Fuss  unter  das  Mikroskop,  so  erscheinen 
die  Branchialanhänge  wie  Schläuche  mit  gelbrother  Flüssig- 
keit gelullt,  und  man  kann  in  ihnen  einen  Innern,  im  gesunden 
Zustande  dem  Hautüberzuge  dicht  anliegenden  zartwandigen 
Sack  unterscheiden,  in  welchem  eben  die  Flüssigkeit  enlhal- 
ien  ist,  während  sie  sonst  mehr  blattartig  aussehen  und  ihr 
Inneres  aus  einer  weisslichen  weichen  von  vielen  hellen  Zwi- 
schenräumen durchsetzten  Masse  besteht.  Man  überzeugt  sich 
ferner,  dass  die  blassrothe  Färbung,  welche  allmählich  auch 
in    den    andern  Fusstheilen    entsteht,  sich  nicht   auf   deren 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  97 

Muskeln  erstreckt,  sondern  an  der  unter  der  Haut  befindli- 
chen Lage  haftet.  Es  ist  bekannt ,  dass  auch  bei  Apus  die 
entsprechenden  unbehaarten  Fussanhänge  oftmals  und  von 
selbst  eine  rothe  Färbung  annehmen  ,  wie  sie  Schäffer  auch 
in  seinen  Figuren  darstellt  ');  bei  ßranchipus  Josephinae  hin- 
gegen habe  ich  eine  solche  Veränderung  weder  von  selbst 
noch  durch  Salpetersäure  eintreten  sehen,  ebenso  wenig  wird 
ihrer  bei  -den  übrigen  Phyllopoden  gedacht. 

Bevor  ich  zur  Beschreibung  der  hintern  Fusspaare  über- 
gehe, ist  es  an  der  Zeit,  einen  Blick  auf  den  Bau  derFüsse 
bei  den  andern  Phyllopoden  zu  werfen,  um  sich  zu  überzeu- 
gen ,  wie  derselbe  Plan  der  Anlage  überall  hindurchgeht, 
und  welche  Modificationen  eintreten.  Bei  Estheria  (Isaura) 
beschränken  sie  sich  darauf,  dass  der  behaarte  Branchialan- 
hang  in  seiner  untern  Partie  merklich  an  Breite  zunimmt,  in 
der  obern  daran  abnimmt,  dass  der  Femorallappen  gelheilt, 
und  der  mittlere  der  3  nach  unten  gerichteten  schmalen  Lap- 
pen, (der  unterste  desTibialstücks)  an  den  vordem  12  Fuss- 
paarcn  der  längste  und  schlankesle  und  deutlich  eingelenkt 
ist 2),  auch  erscheint  der  nächst  vorhergehende  wenigerlang 
und  schmal  als  bei  Limnetis.  Der  Fussbau  von  Limnadia 
scheint  ähnlich  zu  sein.  Was  ßrogniart  hier  den  „canal  re- 
current"  nennt,  ist  unser  unbehaarter  Branchialanhang,  und 
Joly's  „Crochet  cilie"  unser  Kieferfortsatz.  Diesen  Gattun- 
gen schliesst  sich  am  nächsten  Apus  an:  hier  haben  die  bei- 
den bei  Limnetis  breiten  Lappen  des  Femoral-  und  Tibial- 
stücks  /',  P  die  schmale  zapfenähnliche  Gestalt  der  untern  /^,  l^ 
angenommen,  woher  auch  die  Schäffer'schen  Bezeichnungen 
„spadelähnliche  und  Blatt-Spitze",  wenn  sie  auch  nicht  die 
Länge  der  untern  und  des  Endgliedes  (Schäffer's  After-,  Un- 
ter- und  Oberscheere)  erreichen,  dagegen  ist  der  Kieferfort- 
satz (Schäifers  Afterzahn)  breiter  und  ansehnlicher  geworden, 
was  auch  vom  unbehaarten  Branchialanhang  gilt  (Schäffer's 
Beulelchen),  am  behaarten  finden  wir  umgekehrt  wie  bei  Lim- 


1)  Schäffer  der  krebsartige  KiefenfussAbhandl.  von  Insect.  Bd  II. 
Tab.  IL,  IIL 

2)  Joly  Ann.   des  scienc.   nat.    Seconde  ser.  Tom.  XVIL  pl.  7. 
Fig.  7.  »;  Taf.  VIIL  Fig.  9.  dies.  Abhandl. 

Archiv  f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  1.  Bd.  7 


98  Grube: 

nelis  die  obere  Hälfte  verschmälert,  die  untere  verbreitert 
und  beide  so  gleichmässig  in  einander  übergehend ,  dass  sie 
ein  oben  spitzes,  unten  abgerundetes  dreiseitiges  Blatt  bilden. 
Das  Iste  Fusspaar  von  Apus  cancrifonnis  (nicht  aber  produ- 
ctus)  weicht  durch  die  fadenartige  Verlängerung  der  Tibial- 
und  des  Tarsallappens  ab  und  gewinnt  dadurch  ein  ganz  ei- 
genthümliches  Aussehen,  und  bei  den  Füssen  hinter  dem  Uten 
Paar,  welche  Schäffer  die  geblätterten  nennt,  erscheint  der 
Tarsallappen  auffallend  breit,  der  äussere  Branchialanhang  wird 
noch  kürzer  und  breiter  als  bisher,  bis  zur  Form  einer  bei- 
nahe kreisrunden  Platte  ,  die  Borsten  seines  Randes  spärli- 
cher ,  und  der  Tibialtheil  des  Fusses  schickt  auch  an  dem 
Aussenrande  einen  bald  kleineren  bald  grösseren  ebenfalls 
borstentragenden  Fortsatz  aus,  der  sich  zwischen  den  äussern 
Branchialanhang  und  die  Tarsalplatle  schiebt,  so  dass  diese 
nun  fast  mitten  am  Unterrande  des  Tibiallheils  sitzt  (vgl. 
Schaeff.  Tab.  111.  Fig.  V.).  Eine  Andeutung  hiervon  sehe  ich 
schon  bei  Estheria.  0-  Bei  den  nackten  Phyllopoden  endlich 
lässt  sich  die  Fussbildung  noch  am  ersten  mit  dem  Typus  der 
hintern  Apusfüsse  vergleichen,  zeigt  aber  doch  noch  einige 
eigenthümliche  und  ganz  abweichende  Verhältnisse.  Der  äus- 
sere borstentragendc  Branchialanhang  ist  verschwunden,  der 
unbehaarte  schlauch-  oder  beuteiförmige  ganz  abwärts  ge- 
richtet, so  dass  er  bis  zur  Basis  des  Tarsallappens  reicht,  und 
an  die  Stelle  des  äussern  Branchialanhangs,  der  immer  unter 
jenem  entsprang,  ein  einfaches  oder  doppeltes  oberes  Blatt 
getreten ;  diese  Blätter  haben  einen  eben  so  zarten  Bau  wie 
der  beuteiförmige  Anhang  und  tragen  keine  Borsten  am  Rande, 
weshalb  ich  in  ihnen  eher  wahre  Kiemen ,  als  blosse  Deck- 
oder Schutzblättchen  sehen  möchte.  In  den  altern  Abbildun- 
gen vonBranchipus  sucht  man  sie  vergeblich,  findet  sie  aber 
bei  Milne  Edwards  2),  Burmeister  %  Budge  ^)  und  Fischer  ^). 


1)  Vergl.    die  Abbild,  der  Füsse   von  Apus    product.  Taf.  VIII. 
Fig.  6— 8. 

2)  Bist.  nat.  des  Crust.  pl.  35.  Fig.  11.  c. 

3)  Organis,  der  Trilobit.   Taf.  VI.  Fig.  12.  L. 

4)  Verband],   des  naturhist.  Vereins  der  Rbeinlande  1846.  Taf,  I. 
Fig.  7. 

5)  S.  Fischer  Middendorf's  Sibir.  Reise  Branchiopod.  p.  5. 


Bemerkungen  über  die   Phyllopoden.  99 

Der  Fortsatz  am  Aussenraude  des  Tibiallheils  ist  wenig  be- 
merkbar. Der  Tarsallappen  schmal,  der  Innenrand  des  Fus- 
ses  nicht  wie  sonst  5-  sondern  6 -lappig;  den  obersten  Lap- 
pen kann  man  wegen  seiner  flachgeriindeten  gestreckten  Ge- 
stalt und  weil  er  so  wenig  vorspringt,  nicht  mehr  Kieferfort- 
satz  nennen,  muss  ihn  aber  zum  Hüftslück  rechnen,  den  un- 
tersten, die  andern  an  Grösse  weit  übertreffenden,  als  untern 
Tibiallappen,  die  übrigen  als  obere  Tibial-  und  Femoralläpp- 
chen  oder  überhaupt,  da  hier  eine  Gliederung  so  wenig  aus- 
geprägt ist,  diese  alle  als  Läppchen  des  Mittelfusstheils  be- 
trachten. —  Nach  Rathke's  Abbildungen  von  Artemia  Milhau- 
senii  zu  urtheilen  (Memoir.  der  Petersburg.  Akad.  Tom.  III. 
1836.  Tab.  VI.  Fig.  19.,  20.)  würden  diesem  Phyllopoden  jene 
Obern  Branchiallappen  fehlen,  allein  so  mitlelmässig  auch  die 
in  der  Dorpater  Sammlung  bewahrten  Weingeistexemplare  er- 
halten, glaube  ich  sie  doch  an  einzelnen  Füssen  gesehen  zu 
haben  und  werde  hierin  durch  die  Darstellungen  und  Be- 
schreibungen Joly's  0  und  S.  Fischer's  2)  bestärkt;  er  ist  un- 
gemein zart  und  ebensowenig  aufgebläht  wie  bei  Branchipus, 
der  unlere  sackförmige  Branchialanhang  und  die  übrigen 
Fusstheile  stimmen  auch  mit  dieser  Galtung  überein.  Dage- 
gen zeigen  die  Füsschen  von  Nebalia  einen  andern  und  zwar 
einen  bei  weitem  einfacheren  Bau,  indem  man,  wie  auch  die 
Abbildungen  von  Milne  Edwards  lehren  ^),  nur  3  Theile  un- 
terscheiden kann:  einen  schmalen,  platten  am  borstentragen- 
den Innenrande  nicht  mehr  lappig  eingeschnittenen  Stammtheil 
und  2  sehr  zarte  schmal- blattförmige  Anhänge  an  seinem 
Aussenrande,  neben  einander ,  von  denen  man  den  äussern 
höher  ansitzenden  und  weit  hinabgehenden  mit  dem  obern 
Branchialanhang  der  nackten  Phyllopoden,  den  inneren  zwi- 
schen ihm  und  dem  Stamm  eingeschobenen  mit  dem  untern 
vergleichen  könnte,  wobei  ich  jedoch  bemerken  muss,  dass 
der  erstere  nackt,  der  letztere  am  Rande  behaart  ist.  Die 
hintern  Füsse ,  welche  Edwards    im  Gegensatz  zu    den  vor- 


1)  Ann.  des  scienc.  nat.  Seconde  ser.  Tom.  XIII.  Sur  l'Artemia 
salina  pL  8.  Fig.  1. 

2)  L.  0.  Taf.VII.  Fig.  36.  a. 

3)  L.  0.  pl.  35.  Fig.  3.,  Guerin  Iconogr.  Crust.  pl.  32.  Fig.2.Ä. 


lÖO  Grube: 

dem  oder  Kiemenfüssen  (pieds  branehiales) ,  die  Schwimm- 
füsse  (natatoires)  nennt,  bestehen  aus  einem  gestreckten  Grund- 
glied und  2  noch  schlankeren  Endanhängen  ').  Sehen  wir 
also  von  Nebalia  ab  ,  so  ergiebt  sich,  dass  alle  Phyllopoden 
ausser  dem  unbehaarten  beuteiförmigen  Branchialanhang  noch 
einen  zweiten,  blattförmigen  besitzen,  die  nackten  einen  obe- 
ren einfachen  oder  doppelten ,  ebenfalls  unbehaarten ,  die 
schalentragenden  einen  untern  oder  äussern,  randborstigen, 
dass  dieser  aber  nur  bei  denzweischaligen  einen  besonderen 
Rückenast  treibt;  was  den  Innenrand  des  Fusses  anlangt,  so 
fehlt  dem  Hüftstück  der  nackten  ein ,  den  Maxillen  ähnlicher 
weit  vorspringender  Kieferfortsatz,  während  ihn  die  schalen- 
tragenden besitzen;  dagegen  entwickelt  sich  die  untere  Par- 
tie des  Tibialtheils  bei  den  zweischaligen  und  an  den  vordem 
Füssen  der  einschaligen  am  wenigsten,  bei  den  nackten  am 
meisten;  die  zwischenliegenden  Läppchen  wechseln  an  Zahl 
und  Grösse,  der  Tarsallappen  ist  immer  vorhanden,  an  den 
hintern  Füssen  der  einschaligen  am  breitesten. 

Was  wir  bisher  von  der  Fussbildung  unserer  Limnetis  gesagt 
haben,  bezieht  sich  nur  auf  die  7  vorderen  Fusspaare  derselben : 
am  IstenFusspaar  des  Männchens  cTaf.  V.  Fig.  4.)  lassen  sich 
zwar  alle  an  den  6  übrigen  vorkommenden  Theile  nachweisen, 
allein  das  Tibialstück  mit  seinen  Fortsätzen  (Fig.  4.  l\l\l^^  und 
das  Tarsalglied  {l""^  nehmen  eine  andere  Gestalt  an,  indem 
sie  zu  einem  bei  der  Copula  thätigen  Greiforgan  werden.  Das 
Tibialstück  setzt  sich  schärfer  gegen  das  Femoralstück  ab, 
seine  nach  innen  gelegene  vorragende  Partie  (der  obere  Ti- 
biallappen  der  andern  Füsse,  l^)  verdickt  sich  wie  ein  fla- 
ches Polster,  der  Innenrand  selbst  ist  stärker  convex  und  aus- 
ser den  gewöhnlichen  Borsten  mit  einer  Längsreihe  von  7 
oder  8  kurzen  starken  Stacheln  besetzt,  die  sonst  messerför- 
migen  Fortsätze  des  Unterrandes  (^^^)  werden  hier  stum- 
pfer, und  der  unterste  /+  klauenartig  gekrümmt,  wobei  sich 
seine  Behaarung  nur  auf  die  Spitze  beschränkt,  das  Tarsal- 
glied/^  ist  in  eine  noch  stärkere  und  grössere,  ganz  von  Haa- 
ren entblösste  Klaue  umgewandelt,  deren  Basis  mit  ihrer  gan- 
zen Breite  von  der  Vorderwand   herabsteigt  ,   wogegen    die 


1)  L.  c.  pl.  35.  Fig.  4.,  Taf.  Vm.  Fig.  10.,  U.  dieser  Abhandl. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  101 

andern  beiden  Anhänge  hinten  liegen.  Die  beiden  Klauen 
schlagen  sich  gegen  den  grossen  convexen  Lappen  l^  ein, 
und  die  Spitze  der  grösseren  Klaue  würde ,  wenn  sie  sich 
anlegte,  zwischen  die  Stacheln  desselben  eingreifen.  Eine 
ähnliche  Umwandlung  tritt  bei  den  Männchen  der  Isaura  ein, 
nur  mit  dem  Unterschiede  ,  dass  sie  sich  hier  in  Ueberein- 
stimmung  mit  der  ansehnlicheren  Körperlänge  und  grösseren 
Zahl  der  Fusspaare  auf  die  b  e  i  d  e  n  ersten  derselben  erstreckt ; 
statt  der  Stachelreihen  am  Innenrande  des  grossen  Tibiallap- 
pens  finden  wir  hier  nur  einen  tiefen  Ausschnitt,  in  den  die 
Spitze  der  Endklaue  hineinpasst,  auch  bemerke  ich  bei  mei- 
nem Weingeistexemplar  dieselbe  Verdrehung  dieser  Fuss- 
paare, die  Joly  abbildet  i),  so  dass  der  Aussenrand  der  un- 
tern Fusshälfte  nach  hinten,  der  Innenrand  und  die  Spitze 
der  Klauen  nach  vorn  gerichtet  sind,  eine  Stellung,  die  wäh- 
rend der  Copula  auch  bei  Limnetis  eintreten  muss. 

Auf  das  7te  Fusspaar  folgen  noch  einige  andere,  min- 
der zusammengesetzte,  deren  Zahl  nach  dem  Geschlecht  ver- 
schieden ist:  beim  Weibchen  5,  beim  Männchen  nur  noch  3, 
so  dass  jenem  12 ,  diesem  nur  10  Fusspaare  zukommen,  ein 
Geschlechtsunterschied  ,  auf  den  man  bisher  nicht  geachtet 
hat,  und  der  um  so  auffallender  ist,  da  er  bei  den  so  nalie 
verwandten  Isauren,  wenigstens  bei  J.  cycladoides  und  da- 
halacensis  nicht  vorkommt.  Schon  0.  Fr.  Müller  spricht 
von  10  oder  12  Fusspaaren  2),  ohne  jedoch  die  eineZahlauf 
die  Männchen,  die  andere  auf  die  Weibchen  zu  beziehen,  ich 
habe  mich  aber  durch  stets  wiederholte  Untersuchung  davon 
überzeugt,  dass  das  oben  angegebene  Verhältniss  constant, 
also  Gesetz  ist ,  und  rathe,  um  bei  der  Prüfung  meiner  An- 
gabe jeden  Irrlhum  zu  vermeiden,  das  Thierchen  ,  nachdem 
man  es  durch  verdünnte  Salpeter-  oder  eine  andere  Säure 
getödtet  und  Kopf  und  Schale  abgetrennt,  an  der  Bauchseite 
auszubreiten,  und  durch  einen  richtig  geführten  Längsschnitt 
zu  halbiren.  Bei  einer  Tödtung  durch  mechanische  Mittel 
oder  Weingeist  pflegen  sich  die  Füsschen  eng  aneinander  zu 


1)    Annales   des   sciences   naturelles    Seconde    Ser.   Tom.  XVII, 
pl.  7.  Fig.  6. 

1)  Müller  Entomostraea  p.  70. 


102  Grube: 

legen,  und  will  man  sie  von  dem  unverletzten  Rumpf  einzeln 
ablösen,  und  so  die  Zählung  veranstalten,  so  erfordert  dies 
grössere  Vorsicht  als  die  vorgeschlagene  Behandlung.  Die 
Formverschiedenheit  dieser  hrntern  sehr  kleinen  Füsschen  be- 
steht zuvörderst  darin,  dass  der  beuteiförmige  haarlose  Bran- 
chialanhang  b  verschwunden  ist,  wie  dies  die  Abbildung  am 
8ten  Fusspaar  des  Männchens  (Taf.  V.  Fig.  6.)  und  am  9len 
(Fig.  7.)  darstellt;  den  beiden  letzten  Fusspaaren  d.  h.  dem 
9ten  und  lOten  des  Männchens  und  dem  Uten  und  12ten 
des  Weibchens  fehlt  auch  der  Rückenast  des  behaarten  Bran- 
chialanhanges  (b'),  der  Bauchast  (6")  schrumpft  zu  einem 
kurzen  aber  immer  noch  mit  Borsten  umrandeten  Stummel 
ein,  und  alle  Lappen  und  Fortsätze  des  Innen-  und  Unter- 
randes werden  einander  ähnlicher,  die  untern  indem  sie  sich 
verkürzen,  die  obern  durch  Verschmälerung. 

Das  9te  und  lOtc  Fusspaar  des  Weibchens  endlich  zeich- 
net sich  dadurch  aus,  dass  aus  dem  Aussenrande  nach  oben 
hin  ein  dünner  drehrunder,  griffeiförmiger  Theil  hervorwächst : 
er  reicht  über  die  Höhe  des  Rückens  hinaus,  ist  leicht  nach 
innen  gekrümmt,  hohl,  an  seinem  stumpfabgerundelen  Ende 
mit  einem  sehr  zarten  Haarbüschel  versehen,  und  dient  zum 
Tragen  der  Eier,  die  sich  um  ihn  befestigen  (Taf.  V.  Fig.  1., 
Fig.  8.  e,  Taf.  VI.  Fig.  15,  17.)  —  ich  nenne  daher  diese  Or- 
gane „die  Eierträger."  Man  könnte  zweifelhaft  sein,  ob  man 
dieselben  als  eine  Umwandlung  des  borstenlosen  Branchial- 
anhanges  (ö)  oder  des  Rückenastes  von  dem  behaarten  (ö') 
ansehen  soll,  ich  glaube  das  letztere,  da  sie  die  Verlängerung 
des  eingeschrumpften  ßauchastes  bilden  und  der  andere  Anhang 
bereits  am  8ten  Fusspaar  nicht  mehr  aufgetreten  ist.  Auch 
bei  Apus  fehlt  der  innere  Branchialanhang  an  dem  eiertra- 
genden Fusspaar,  er  ist  in  der  Jugend  vorhanden,  schrumpft 
aber  allmählich  ein,  und  verschwindet  sobald  sich  die  Eier- 
kapsel bildet  (s.  Zaddach  Tab.  IV.  Fig.  XXIX.,  XXX.).  Da- 
gegen überzeuge  ich  mich  bei  einem  Exemplar  von  Isaura, 
dass  hier  neben  den  Eierträgern  noch  der  innere  borsten- 
lose Anhang  vorkommt,  doch  fehlt  er  hier  auch  den  nächst 
vorhergehenden  und  folgenden  Füssen  nicht ,  und  nur  die 
3  hintersten  scheinen  sich  in  der  Art  zu  vereinfachen  wie 
das  Ute  und  12tc  des  Limnetisweibchens.  Bei  Limnadia  sollen 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  103 

nach Milne  Edwards  die  Eierträger  des  Uten,  12ten  und  13ten 
Fusspaar  sitzen  0,  doch  zeigt  die  Abbildung  vonL.  inauritiana^) 
sie  bloss  am  9ten  und  löten  ,  wie  ich  sie  auch  an  meinem 
Exemplar  der  Isaura  finde,  während  Strauss-Dürkheira  bei 
seiner  Estheria  (Isaura/  dahalacensis  eine  ähnlichen  Umwand- 
lung am  lOten,  Uten,  12ten,  I3ten  und  i4ten  Fusspaar  des 
Weibchens  beschreibt-^).  Die  einschaligen  und  nacklen Phyl- 
lopoden weichen  bekanntlich  in  der  Art,  wie  sie  ihre  Eier 
tragen,  von  den  zweischaligen  vollkommen  ab  ,  indem  Apus 
am  Uten  Fusspaar  eine  zweiklappige  durch  Umgestaltung  des 
äussern  Branchialanhanges  und  der  angrenzenden  Fusspartie 
entstandene  Kapsel  ^3 ,  Branchipus  einen  aus  zwei  Hälften 
verwachsenen  an  der  Bauchseite  des  Rumpfes  hinter  dem 
letzten  Fusspaar  hervortretenden  Schlauch  zu  diesem  Behuf 
besitzt ;  so  ist  also  nur  die  Gegend  ,  in  welcher  diese  Or- 
gane vorkommen ,  dieselbe  geblieben.  Nebalia  soll  nach 
Kroyer  die  Eichen  unter  der  Schale  zwischen  den  Füssen  be- 
herbergen. 

Der  farblosen  mehr  oder  minder  langgestreckten  Kör- 
perchen, welche  so  häufig  an  den  Borsten  aller  Füsse  ange- 
troffen werden,  soll  weiter  unten  ausführlicher  Erwähnung  ge- 
schehen. 

Die  7  vordem  Fusspaare  befinden  sich  in  fortgesetzter  nach 
vorn  und  hinten  schwingender  Bewegung,  welche  nur  dann 
unterbrochen  wird,  wenn  sich  der  Körper  in  seine  Schale  zu- 
rückzieht, und  dies  kann  mehrere  Minuten  dauern:  sie  füh- 
ren durch  die  zwischen  ihren  Kieferfortsätzen  gebildete  Rinne 
dem  Munde  Nahrung  zu,  und  erneuern  das  zur  Respiration 
befindliche  Wasser;  dass  sie  keinen  Einfluss  auf  die  Ortsbe- 
wegung ausüben,  rührt  daher,  weil  sie  sich  in  einem  seitlich 
durch  die  starke  Wölbung  der  Schalenhälften  und  vorn  durch 
den  Kopf  abgeschlossenen  Raum  befinden.  Dagegen  sieht 
man  die  3  hintern  Fusspaare  des  Männchens  und  die  5  hin- 
tern des  Weibchens  nur  selten   in  schwingender  Bewegung; 


1)  Histoire  naturelle  des  Crustaces  Tom.  III.  p.362. 

2)  L.  c.  pl.35.  Fig.  7. 

3)  Museum  Senckenbergianum  Bd.  II.  Heft.  2.  p.l25. 

4)  Zaddach  I.  c.  Tab.  I.  Fig.  IV. 


104  Grube: 

Lievin  bemerkte,  dass  die  Thierchen  mittels  derselben  an 
Wasserpflanzen  herumkrochen.  Was  die  Verlheilung  der 
Fussmuskeln  betriff't,  so  ist  diese  ähnlich  wie  bei  Apus.  Längs 
der  Seitenwand  jedes  Rumpfsegments  steigt  ein  nach  unten 
spitz  zulaufender  Fächer  von  4  Muskelsträngen  zum  Hüft- 
stück herab ;  sie  müssen  den  Fuss  heben,  die  vordersten  der- 
selben ihn  zugleich  nach  vorn,  die  hintern  nach  hinten  zie- 
hen (Fig.  4.  5.  a)^  diesen  entgegengesetzt  wirken  2  von  der 
Bauchseite  in  das  Bein  tretende  Adductoren  (/?).  Zwischen  bei- 
den Systemen  befindet  sich  eines,  das  vom  Hüftstück,  und  zwar 
von  da,  wo  sich  die  Levatoren  ansetzen,  herkommt,  und  seine 
4  oder  5  Stränge  durch  verschiedene  Theile  des  Fusses,  na- 
mentlich auch  zur  Basis  des  Rücken-  und  wie  es  scheint 
auch  des  Bauchastes  vom  äussern  Kiemenanhang  schickt  (y). 
Während  besondere  Quermuskeln  (J) ,  welche  in  schräger 
Richtung  von  der  Basis  des  Rückenastes  zum  Femoral-  und 
Tibiallappen  gehen ,  wie  die  letztgenannten  (y) ,  die  quere 
Wölbung  des  Fusses  bewirken  ,  thun  dies  die  Stränge  ß  für 
die  Wölbung  desselben  in  verticaler  Richtung.  Der  äussere 
Kiemenanhang  (b'  6")  wird  durch  einen  eigenen  Längsmus- 
kel gekrümmt. 

Der  Zeitraum,  in  dem  sich  die  hintern  Fusspaare  bil- 
den ,  scheint  sich  auf  wenige  Tage  zu  beschränken.  So  be- 
merkte ich  am  4ten  Mai  bei  einem  so  eben  aus  der  Haut 
gekrochenen  zvveischaligen  Thierchen  noch  nicht  mehr  als  5 
Fusspaare,  am  5ten  Mai  ausser  jenen,  sich  lebhaft  bewegen- 
den noch  2  nur  angedeutete,  am  7ten  Mai  schon  8,  und  zwar 
alle  hin-  und  herschwingend,  am  lOten  bei  einem  Indivi- 
duum mit  bereits  blassgefärbter  Schale  von  0,52  Lin.  Länge, 
lO  Fusspaare.  Wann  das  Ute  und  12te  des  Weibchens  ent- 
stehen ,  und  ob  das  Männchen  seine  GreifTüsse  sogleich  bei 
der  Verwandlung  der  einschaligen  Form  in  die  zweischalige 
oder  erst  später  bekommt,  bleibt  noch  zu  untersuchen  übrig. 

Der  Rumpf  unserer  Limnetis  ist  etwas  drehrund,  nach 
hinten  verjüngt  zulaufend ,  und  mit  Ausnahme  der  vorder- 
sten Partie ,  wo  sich  der  Rücken  in  die  Schale  fortsetzt, 
deutlich  gegliedert,  so  dass  ich  beim  Männchen  10,  beim 
Weibchen  1 1  Segmente  zählen  kann,  von  denen  nur  das  letzte 
keine  Füssc  trägt.     Man    muss  es   als  aus  zwei  Ringeln  zu- 


Bemerkungen  über  die  Phyllopod'en. 


1Ö5 


sammengeselzt  ansehen,  indem  es  bei  Limnetis  durch  eine 
vollständige,  bei  Isaura  durch  eine  nur  unten  angedeutete 
Ringfurche  in  eine  vordere  kurze  und  eine  lange  Hinterhälfte 
zerfällt.  Jene  trägt  an  der  Unterseite  einen  breiten  Anhang 
von  Gestalt  einer  halbkreisrunden,  feinbehaarten,  oft  fast 
horizontal  fortgestreckten  und  sich  an  die  Hinterhälfte  anle- 
genden Platte  (Taf.  V.  Fig.  1.  2.  9.  a;),  die  Endhälfle  ist  hin- 
ten, wo  der  After  mündet,  durch  eine  senkrechte  tiefe  Ein- 
kerbung in  zwei  seitliche  Lippen  getheilt,  der  Hinterrand 
derselben  schräg  abgestutzt,  sehr  kurz  und  fein  behaart,  un- 
terhalb der  obern  Ecke  mit  einer  längern  Borste  versehen, 
die  untere  Ecke  in  einen  kurzen  weichen  Spornzipfel  aus- 
gezogen. Statt  der  Haarbüschel,  Dörnchen  und  Haken,  die 
der  Rücken  von  Isaura  trägt,  findet  man  bei  Limnetis  nur  den 
Hinterrand  der  Segmente  mit  einer  weitläufigen  Reihe  zarler 
kurzer  Borsten  besetzt.  Beim  Schwimmen  wird  der  Rumpf 
leicht  S  -  förmig  gebogen,  und  so  gestreckt,  dass  sein  End- 
segment über  den  hintern  Schalenrand  hinausragt,  soll  aber 
die  Schale  geschlossen  werden ,  so  legt  er  sich  in  eine  ih- 
rem Rücken  entsprechende  Krümmung,  was  durch  die  beiden 
geraden  von  der  Unterwand  des  Kopfes  entspringenden  Bauch- 
muskeln bewirkt  wird.  Am  Rücken  sehen  wir  ähnlich  gela- 
gerte Muskeln.  Vergleicht  man  den  Rumpf  der  zweischali- 
gen  und  der  übrigen  Phyllopoden,  so  muss  bei  jenen  die 
Kürze  der  fusslosen  Partie  auffallen,  welche  bei  Apus  4  bis  6, 
bei  Branchipus  sogar  9  Segmente  umfasst.  Nebalia  nähert 
sich  in  dieser  Hinsicht  den  zweischaligen,  entfernt  sich  aber 
wieder  von  ihnen  dadurch,  dass  die  vordem  8  Fusspaare 
breit  und  blattartig,  die  folgenden  4  schlanker  und  gabelästig 
gebaut  sind,  mit  langem  Grundgliede  ')■ 

Ich  gehe  nunmehr  zur  Betrachtung  der  Schale  über 
CTaf.  V.  Fig.  1.  2.  3.  Taf.  VII.  Fig.  21.  22).  Sie  besteht  aus 
zwei  am  Rücken  durch  eine  blosse  Falte  gesonderten  Hälf- 
ten, weshalb  man  nur  uneigentlich  von  zwei  Schalen  sprechen 
kann,  und  älinelt  ihrer  ganzen  Gestalt  nach  viel  mehr  einer 
Cyclas  als  die  der  Isaura  cycladoides ,  die  davon  ihren  Na- 
men trägt ,   doch   besitzt  sie  keine  Andeutung   von  Wirbeln 


1)  Milne  Edwards  Histoirc  naturelle  des  Crustaces  pl.  35.  Fig.  % 


^^  Grube: 

und  concentrischen  Streifen  wie  jene.  Sie  ist  vielmehr  ganz 
glatt,  auch  ohne  Randhaare,  dabei  von  ansehnlicher  Dicke, 
wie  man  am  Rande  erkennen  kann,  ihrem  verticaien  Umfange 
nach  ziemlich  stumpf  eiförmig,  vorn  merklich  höher  als  hinten, 
stark  gewölbt,  und  erreicht  nicht  selten  eine  Länge  von  1,5  Lin. 
bei  einer  Höhe  von  1,25  Lin.  Ihre  Substanz  besteht  nach 
der  Untersuchung  meines  geehrten  Collegen  C.  Schmidt  aus 
Chitin  und  amorphem  kohlensaurem  Kalk,  letzterem  aber  nur 
in  so  geringer  Menge  ,  dass  ihr  kaum  eine  pergamentartige 
Festigkeit  zukommt,  ihre  Wölbung  nimmt  durch  Druck  Ein- 
biegungen an,  die  sich  durch  seitlichen  Gegendruck  nur  schwer 
ausgleichen  lassen.  Anfangs  vollkommen  farblos,  verliert  sie 
mit  ihrer  allmählichen  Verdickuno-  diese  Eigenschaft,  bleibt 
nur  durchscheinend ,  und  färbt  sich  bräunlichgelb,  olivengrün 
oder  rein  lauchgrün  ;  letzteres  habe  ich  vorzugsweise,  doch 
nicht  ausschliesslich,  bei  Männchen  bemerkt,  auch  zeigen 
Thiere  aus  derselben  Lache  verschiedene  Färbung.  Chemi- 
sche Zusammensetzung  und  Structurverhältnisse  der  Schale 
stimmen  mit  Isaura  überein.  Ihren  Bau  fasse  ich  so  auf,  dass 
ich  an  ihr  drei  Blätter  unterscheide ,  von  denen  das  äussere 
hauptsächlich  und  das  innere  wohl  ausschliesslich  Oberhaut 
sind  und  am  Rande  in  einander  übergehen,  dass  mittlere, 
minder  consistent  und  mehr  eine  dünne  Schicht  als  ein  Blatt 
zu  nennen,  dabei  sehr  blutreich,  muss  als  Matrix  von  jenen 
betrachtet  werden  und  ist  die  Partie,  welcher  die  ovale,  aus 
zackigen  concentrischen  Streifen  gebildete,  sogleich  in's  Auge 
fallende  Zeichnung  angehört.  Man  kann  diese  Blätter  am 
leichtesten  erkennen  und  gesondert  darstellen,  wenn  man  das 
Thier  in  salpetersaurem  Wasser  tödtet ,  und  einige  Stunden 
darin  liegen  lässt;  alsdann  hat  sich  zwischen  dem  äussern 
und  innern  Blatt  der  Schale  eine  so  grosse  Menge  Flüssigkeit 
gesammelt,  dass  sie  wie  ein  Paar  flachgedrückter  durch  einen 
ziemlich  scharf  markirlen  Mitteltheil  verbundener  Säcke  aus- 
sieht, in  welchen  sich  die  eingeschlossene,  nun  fester  ge- 
wordene Mittelschicht  als  eine  eigene  Lamelle  abhebt.  Der 
Mittelraum  zwischen  den  beiden  Schalenhälfion  wird  von  oben 
durch  die  scharfe  Falte,  durch  welche  ihre  Aussenwände  in 
einander  übergehen,  unten  aber  durch  die  Stellen  begrenzt, 
an  welchen  ihre  Innenwände  in  die  Epidermis  des  Rumpfes 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  107 

umbiegen ,  und  ist  so  stark  aufgetrieben ,  dass  er  den  sonst 
in  der  Schale  versteckten  Leib  ganz  hervorgedrängt  hat. 
Dasselbe  ereignet  sich  zuweilen  bei  lebenden  Thieren,  die 
längere  Zeit  im  Zimmer  in  demselben  Wasser  aufbew^ahrt 
sind.  Durch  jene  Auflreibungen  verlängert  sich  zugleich  der 
Muskel  bedeutend  ,  der  quer  durch  den  Rumpf  unterhalb  des 
vordem  Darmtheils  von  einer  Schalenhälfte  zur  andern  geht 
und  beide  an  einander  zieht  (Taf.  V.  Fig.  1.  2.  Taf.  VII.  Fig. 
21.  22.  23.  m'^),  und  man  erkennt  nun  sehr  deutlich  ,  dass 
seine  Fasern  kurz  in  die  durch  die  Säure  fester  geronnene 
Mittelschicht  ausstrahlen.  Diese  Stelle  liegt  wie  in  dem  Fo- 
cus  einer  elliptischen  oder  ovalen ,  aus  concentrischen  Bän- 
dern gebildeten  Figur,  deren  scharfzackige  Ränder  an  die 
Zeichnungen  eines  Festungsachates  erinnern;  von  dem  Um- 
kreis dieser  Figur  aus  erstreckt  sich  eine  Menge  netzartig 
verbundener  blutführender  sehr  zarter  Kanäle,  deren  Maschen 
eine  Unzahl  winziger  bei  durchfallendem  Lichte  dunklerer 
Inselchen  umschliessen.  Lievin  hat  diese  Partie  der  Schale 
(auf  Taf.  I.  Fig.  4  seiner  Abhandlung)  abgebildet,  ohne  näher 
auf  ihre  Beschaffenheit  einzugehen,  Joly  ^)  beschreibt  die 
bandartigen  Streifen  bei  Isaura  als  „canaux  concentriques 
renfermant  le  suc  destine  ä  l'agrandissement  de  la  coquille," 
Zaddach  2)  die  ganz  ähnlichen  in  der  Schale  von  Apus  vor- 
kommenden als  hohle  durch  schmale  Streifen  von  Schalen- 
substanz getrennte  Gänge,  nennt  sie  Kanäle  (Canales)  im  Ge- 
gensatze von  Gefässen  (Vasa),  und  giebt  ihre  Zahl  in  jeder 
Schalenhälfle  beim  erwachsenen  Thier  auf  7  oder  9  an,  näm- 
lich einen  unpaarigen  (1.  c.  Tab.  II.  Fig.  I.  X.  c'}  und  jeder- 
seits  daneben  3  oder  4  (c^,  c\  c^,  und  Fig.  X.  c^} ,  die  zu- 
nächst an  dem  unpaarigen  liegenden  c~  sollen  am  Hinterende 
in  einander,  der  zweite  und  dritte  jederseits  c^  und  c^  am 
Vorderende  in  einander,  am  Hinterende  jeder  für  sich  in  den 
gleichnamigen  der  andern  Seite  umbiegen,  der  vierte  c^  nach 
aussen  weniger  scharf  begrenzt  sein.  Auch  Zaddach's  Vor- 
gänger haben  diese  Figur  als  aus  Kanälen  bestehend  angese- 
hen,  doch  die  Zahl   derselben    zum  Theil  geringer  angege- 


1)  Joly  1.  c.  p.  303.,  348.  Fig.  43.  y. 

2)  Zaddach  o.  c.  p.  12. 


fdS  Grube: 

ben.  Ich  vermisse  sie  bei  den  einschaligen  Limnetislarven, 
sehe  sie  aber  schon  deutlich  bei  ganz  jungen  zwcischaligen 
Thieren,  und  kann  immer  nur  einen  mittleren  unpaarigen  ge- 
raden Streifen  und  rechts  und  links  von  ihm  drei  andere,  an 
den  Enden  scharf  umgebogene  und  am  Hinterende  paarweise 
in  einander  übergehende  erkennen,  welche  sich  um  den  Mus- 
kelansatz und  den  unpaarigen  Mittelstreifen  in  Gestalt  eines 
Ovals  herumziehen.  Dies  Oval  ist  bei  Limnetis  gleichmässig 
und  etwas  kürzer  als  bei  Isaura ,  wo  ich ,  von  Joly  abwei- 
chend, den  Hinterrand  in  der  Mitte  stark  eingezogen  sehe, 
was  damit  zusammenhängt ,  dass  der  Schalenschliessmuskel 
hier  zweitheilig  ist ,  und  seine  obere  Partie  in  den  Wirbel 
der  Schale  hineinzieht;  bei  Apus  aber  ist  die  Figur  noch 
gestreckter  und  etwas  bohnenförmig.  Die  paarigen  Streifen 
kann  man  in  Bezug  auf  die  hintere  Umbiegung  als  die  Schen- 
kel dreier  Bogen  betrachten,  von  denen  wir  den  dem  unpaarigen 
Streifen  zunächst  liegenden  mit  I,  den  darauffolgenden  mit  II, 
den  äussersten  mit  III  bezeichnen  wollen.  Der  unpaarige  liegt 
unmittelbar  oberhalb  des  Muskels  und  läuft  von  vorn  nach 
hinten,  endigt  blind,  und  legt  sich  hier  in  die  scharfe  Um- 
biegung des  Bogens  I,  er  sieht  dünnwandig  aus  ,  und  seine 
Ränder  sind  höchstens  etwas  wellig,  die  paarigen  dagegen 
haben  das  Ansehen  gallertiger  oder  überhaupt  durchschei- 
nender Wülste  mit  zackigen  Rändern,  welche  durch  sehr 
schmale  Gräben  gelrennt  sind.  Die  Zacken  sind  kurz,  un- 
gleich spitz,  folgen  rasch  auf  einander,  und  erinnern  in  ih- 
rer Gestalt  an  Knochennähle,  mitunter  gehen  auch  wohl  ei- 
nige Zacken  in  die  ihnen  begegnenden  des  angrenzenden 
Wulstes  über.  Die  Betrachtung  des  Durchschnittes  lehrt,  dass 
sowohl  der  unpaarige  als  die  anscheinend  soliden  wulstigen 
Streifen  hohl  sind,  wovon  man  sich  noch  leichter  bei  Apus 
überzeugen  kann,  ob  aber  ihre  Höhlungen,  und  wie  sie  an 
den  Vorderenden  in  einander  übergehen,  ist  schwer  zu  er- 
mitteln und  mir  nicht  ganz  klar  geworden,  meistens  schienen 
die  Schenkel  des  Bogens  I  an  dem  Vorderende  in  die  des 
Bogens  III  überzugehen,  wodurch  denn  eine  geschlossene 
Figur  entsteht,  während  die  Schenkel  des  Bogens  II  w^eiter 
nach  vorn  hinausliefen  und  hier  den  Muskel  zu  umgehen 
schienen,  in  manchen  Fällen  aber  kam  es  mir  vor,  als  wenn 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  109 

nur  der  untere  Schenkel  des  Bogens  I  und  III  in  einander 
umböge,  der  obere  Schenkel  III  aber  in  den  entsprechenden 
des  Bogens  11  überginge  ,  und  der  untere  Schenkel  des  Bo- 
gens II,  der  obere  des  Bogens  I  vorn  um  den  Muskel  her- 
umträten. Bei  Apus  sah  ich  gewöhnlich  die  Schenkel  der 
Bogen  I  und  II  am  Vorderende  in  einander  umbiegen  und 
die  des  Bogens  III  weiter  nach  vorn  laufen,  aber  zuweilen 
galt  dies  nur  für  die  innere  Hälfte,  und  in  der  äussern  ver- 
einigten sich  die  Schenkel  von  I  und  III,  wogegen  hier  der 
Schenkel  weiter  nach  vorn  ging.  Einen  offenbaren  Zusam- 
menhang mit  dem  unpaarigen  Streifen  habe  ich  nie  wahrge- 
nommen, ebensowenig  eine  ßlutcirculation  in  diesen  Kanälen 
bemerken  können,  wohl  aber  sah  ich  einen  Blutstrom  um  den 
äussersten  Wulst  herumziehen,  der  sich  in  zahllosen  Bächen 
überall  hin  zwischen  den  Inselchen  der  mittleren  Schalen- 
schicht verbreitete.  Wenn  ich  bei  einem  lebenden  Thier  die 
eine  Schalenhälfte  so  rasch  und  vorsichtig  als  möglich  ab- 
löste, oder  sie  bloss  so  stark  vom  Rumpfe  abbog,  dass  man 
ihre  Innenfläche  übersehen  konnte,  so  fand  ich  regelmässig 
den  unpaarigen  Blindkanal  mit  einer  blassgrünen  Flüssigkeit  ge- 
füllt, die  wohl  nichts  anderes  als  Blut  sein  kann.  Dieselbe  Fär- 
bungzeigte sich  an  dem  Kanal  II,  wogegen  die  andern  Kanäle 
farblos  wie  gewöhnlich  aussahen,  ein  Unterschied,  den  die 
Beobachter  bei  Apus  nicht  angeben.  Jedenfalls  scheint  der 
unpaarige  Kanal  der  Hauptbehälter,  und  von  ihm  aus  scheint 
das  Blut  in  die  Schale  vertheilt  zu  werden.  Legte  ich  ein 
Thierchen  in  Aether,  worauf  sogleich  der  Tod  erfolgte,  und 
untersuchte  nach  einiger  Zeit  die  Schale,  so  fand  ich  allein 
den  unpaarigen  Behälter  gelbbräunlich  oder  rostbraun  ge- 
färbt, die  Wülste  aber  ebenso  farblos  als  sonst.  Salpeter- 
säure führte  durchaus  nicht  jene  lebhafte  Röthung  herbei,  die 
wir  bei  den  Branchialanhängen  der  Füsse  beschrieben  ha- 
ben. Die  Inselchen  der  mittleren  Schalenschicht  sind  etwas 
zackig  (Taf.  VII.  Fig.  25.)  und  haben  ein  ähnliches  gallertiges 
Aussehen  wie  die  Wülste;  bei  jungen  zweischaligen  Thieren 
konnte  ich  sie  noch  nicht  wahrnehmen,  sondern  sah  die  ganze 
Schalenwand  mit  rundlichen  leichtgetrübten  Zellen  angefüllt, 
aus  deren  Umwandlung  jene  hervorgegangen  scheinen,  bei 
erwachsenen,  die  ich  durch  Aether  getödtet  und  dann  einige 


ilO  Grube: 

Zeit  in  Weingeist  aufbewahrt  halte,  glaube  ich  ähnliche  Zel- 
len auch  in  den  Wülsten  bemerkt  zu  haben.  Das  äusserste 
und  innerste  Blatt  der  Schale  besitzen  eine  sehr  ungleiche 
Dicke,  das  letztere  ist  sehr  zart,  das  erstere,  wie  man  am 
Rande  sehen  kann,  sehr  viel  stärker,  doch  nicht  aus  meh- 
reren Lamellen  zusammengesetzt,  wie  ich  sogleich  erörtern 
werde.  Wenn  man  nämlich  die  Randpartie  der  Schalenfläche 
bei  einer  auch  nur  öOfachen  Vergrösserung  untersucht,  zeigt 
sich  in  derselben  ringsum  eine  starre  netzförmige  Zeichnung 
von  meist  sechseckigen  durch  doppelte  Contoure,  begrenzten 
Maschen  (Taf.VII.  Fig.  25),  deren  Durchmesser  etwa  0,006  bis 
0,010  Lin.  Doch  erreicht  dieses  Netzwerk  von  grossen  star- 
ken Maschen  nicht  den  Rand  selbst,  sondern  wird  durch  eine 
schmale  Zone  von  anderem  Ansehen  von  ihm  getrennt.  Sie 
erscheint,  wenn  man  die  Schalenblätter  noch  nicht  getrennt 
hat,  wie  ein  heller  innerer  Randsaum,  was  davon  herrührt, 
dass  auf  der  Grenze  dieses  Randsaumes  die  mittlere  weiche 
minder  durchsichtige  Schalenschicht  aufhört  oder  sehr  zart 
werden  muss;  so  dass  hier  die  beiden  durchsichtigen  Blätter 
unmittelbar  oder  doch  sehr  nahe  auf  einander  liegen.  Die 
Maschen- Zeichnung  muss  von  einer  einfachen  Zellenschicht 
herrühren  und  kann  nur  dem  äussersten  Schalenblalt  ange- 
hören ,  da  man  das  mittlere  weiche  und  das  innerste  zarte 
Blatt  abschaben,  und  durch  Zerren  entfernen  kann,  ohne  dass 
jenem  Muster  Eintrag  geschieht,  in  dem  hellen  inneren  Rand- 
saum erkennt  man  ebenfalls  Zellen ,  doch  haben  sie  weniger 
starke  Contoure  und  einen  kleineren  Durchmesser  (F^ig.  25.  R). 
Im  Ganzen  konnte  ich  etwa  5 — 6  concentrische  Reihen  sol- 
cher kleinerer  Zellen  in  dem  hellen  innern  Randsaum  und  25 
—30  Reihen  von  den  grösseren,  nach  innen  von  ihm  gelegenen 
unterscheiden,  die  innersten  wurden  etwas  grösser  als  die 
meisten  andern  ,  aber  auch  undeutlicher ,  bis  sie  endlich  in 
den  structurlosen  Theil  des  äussersten  Schalenblatts  verschwan- 
den. Ebenso  structurlos  finde  ich  das  ganze  Innenblatt.  Der 
Rand  selbst  zeigt  sich  mehr  oder  minder  regelmässig  ge- 
zackt (Fig.  25.  r  r')  oder  vielmehr  gekerbt. 

Bei  Isaura  habe  ich  durchaus  weder  eine  helle  Rand- 
zone noch  eine  maschige  Zeichnung  bemerkt,  auch  erwähnt 
Joly    ihrer  nicht.      Joly   beschreibt  die  Schalenhäutung  von 


I 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  111 

Isaura  in  der  Art,  dass  sich  nur  das  Innenblatt  der  Schale 
ablöst  und  hier  die  neugebildete  Schicht  an  die  Oberfläche 
tritt,  wogegen  dies  bei  dem  Aussenblatt  nicht  stattfinden, 
sondern  dasselbe  sich  durch  die  neu  hinzukommenden  Schich- 
ten von  unten  her  verdicken  soll ,  so  dass  die  Schale  ihre 
oft  durch  Schmutz  verunreinigte  und  mit  kleinen  andern  Or- 
ganismen  besetzte  Oberfläche  behält.  Ich  muss  offen  geste- 
hen, dass  ich  bei  unserer  Limnetis,  nachdem  sie  die  zwei- 
schalige  Form  angenommen,  weder  unter  meinen  Augen  eine 
Häutung  beobachtet,  noch  auch  irgend  wann  eine  abgewor- 
fene Hülle  gefunden  habe  ,  obschon  sich  doch  manche  Indi- 
viduen und  zwar  vom  verschiedensten  Alter  6  bis  7  Tage 
lebend  in  meinem  Zimmer  erhielten.  Bei  Isaura  wie  bei  Apus 
caucriformis  geht  die  Häutung  Nachts  vor  sich. 

Aus  dem  grossen  Blutreichthum  der  Schale,  der  Zart- 
heit des  Innenblattes,  welche  das  Blut  dem  Wasser  zugäng- 
lich macht  und  der  steten  Erneuerung  des  letzteren  durch 
die  hin-  und  herschwingenden  Rückenäste  der  Füsschen,  lässt 
sich  mit  Recht  vermuthen,  dass  sie  die  Rolle  eines  Athmungs- 
organes  spielt,  und  dass  ausser  ihr  auch  die  so  zarthäutigen, 
von  weniger  oder  gar  keinen  Muskelsträngen  durchzogenen 
Branchialanhänge  als  solche  fungiren,  ist  mir  sehr  wahrschein- 
lich, wenn  ich  hier  auch  die  Circulation  aus  den  oben  ange- 
führten Gründen  nicht  beobachten  konnte.  Namentlich  wird 
dies  von  dem  inneren  unbehaarten  Rückenanhang  b  gelten, 
den  man  öfters  von  Flüssigkeit  beutelartig  aufgetrieben  findet 
(bei  Weingeistexemplaren  der  Estheria  dahalacensis  sah  ihn 
Strauss- Dürckheim  mit  rothbrauner  leigartiger  Masse  gefüllt) 
—  der  Rückenast  des  borstenartigen  Branchialanhanges  b' 
lässt  sich  mehr  mit  einem  Kiemendeckblatt  vergleichen,  was 
auch  schon  andere  Forscher  ausgesprochen  haben,  der  un- 
tere stielartige  mehr  mit  Muskeln  erfüllte  b"  kann  weniger  in 
Betracht  kommen. 

Der  Darmkanal  der  Limnetis  (Ta  f.  VH.  Fig.  21.  23.  rf) 
ist  wie  bei  allen  Phyllopoden  ein  gerades,  nur  vorn  herab- 
gebogenes ,  den  ganzen  Körper  durchziehendes  Rohr.  Die 
vorderste  Abtheilung,  der  Oesophagus,  ist  ganz  kurz  und  scheint 
durch  einige  Muskeln  sowohl  an  die  vordere  Kopfwand  als 
auch  hinten  befestigt ,    die  hintern  gehen  in  die  Sehne  der 


112  Grube: 

Mandibelmuskeln  über.  Der  kaum  weitere  Magen  nimmt  die 
Kniebiegimg  ein,  und  vorn  mündet  in  ihn  jederseits  durch 
einen  ansehnlichen  Gang  ein  flach  traubenförmiges  ,  bräun- 
lichgelbes, mitunter  weisses  Organ  (Taf.  VII.  Fig.  23.,  26.  S), 
welches  in  den  schnabelförmigen Kopftheil  fast  bis  zur  Spitze 
herabhängt;  und  aus  einem  Hauptkanal  mit  5  bis  7  Paar  ge- 
lappten, nach  der  Spitze  hin  kleiner  werdenden,  ihm  anhän- 
genden Blindsäckchen  besteht.  Die  eine  Reihe  ist  nach 
vorn,  die  andere  nach  hinten  gerichtet,  und  das  obere  Säck- 
chen der  letzteren,  das  grosseste,  erstreckt  sich  bis  in  die 
Wurzel  der  Oberlippe.  Diese  beiden  dicht  an  einander  lie- 
genden nur  durch  ein  paar  Muskelstränge,  und  den  Oesopha- 
gus und  seinen  Nervenring  getrennten  Secretionsorgane  kön- 
nen als  Speicheldrüsen  aufgefasst,  auch  mit  den  Appendices 
pyloricae  der  Fische  verglichen  werden.  Wir  haben  oben 
gezeigt,  dass  sie  als  Ausstülpung  des  Magens  entstehen  und 
Anfangs  lebhafte  Conlraction  und  Expansion  zeigen  ').  Wei- 
lerhin werden  sie  dann  durch  Ausläufer  zusammengesetzter, 
wenn  diese  auch  nicht  so  verästelt  und  so  zahlreich  wie  bei 
Apus  auftreten  ,  wogegen  diese  Organe  bei  Branchipus  und 
Artemia  einfacher  erscheinen.  Es  wäre  sehr  auffallend,  wenn 
sie  bei  Isaura  gänzlich  fehlten,  wie  man  aus  Joly's  Schwei- 
gen entnehmen  müsste,  ich  glaube  vielmehr,  dass  seine  „mas- 
ses  d'apparence  glanduleuse  entourant  le  cerveau",  von  de- 
nen er  vermulhet,  dass  sie  ein  Hirnanhang  seien  ,  oder  die 
Bindemasse  der  Eier  absonderten  2),  nichts  anderes  wie  diese 
Organe  sind.  Ihre  Wandung  ist  durchsichtig,  fast  farblos, 
dicker  als  die  des  Darms,  und  enthält  wie  diese  kleine  Körn- 
chen, die  wohl  einer  Drüsenschicht  entsprechen,  und  spärliche 
Muskelfasern  (?).  Die  Darmwandung  besteht  abgesehen  von 
dem  auskleidenden  Epithelium  hauptsächlich  aus  Ringmuskeln, 
die  Längsmuskeln  stehen  weiter  aus  einander,  und  beschrän- 
ken sich  gegen  den  Mastdarm  hin  nur  auf  8  dünne  Züge; 
dieser  Theil  ist  mitten  etwas  angeschwollen. 


1)  Lievin  bemerkte  auch  bei  erwachsenen  Thieren  eine  langsame 
Contraction,  mitunter  selbst  ein  Zurücktreten  von  Darminhalt  in  sie 
hinein. 

2)  Annal.  des  scienc.  nat.  Seconde  Serie  Tom.  XVII.  p.  311. 
Fig.  21.  d. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  113 

Den  Darm  finde  ich  fast  beständig  mit  schwarzbraunem 
oder  grauen  Inhalt,  vermuthtlich  zerstörter  organischer  Sub- 
stanz gefüllt,  die  kurzen  wurstförmigen  Excremente  werden 
oft,  bei  Weibchen  öfters  selbst  während  der  Begattung,  ent- 
leert, und  bleiben  mitunter  eine  Zeit  lang  am  After  hängen^ 
so  dass  die  Thierchen  mittels  derselben  an  Wasserpflanzen 
kleben  bleiben. 

Bei  dem  von  mir  beobachteten  Branchipus  bildete  der 
Darminhalt  einen  dunkelbraunen  Strang ,  der  im  vorderen 
Theile  des  Darms  dünner  und  geschlängelt,  im  hintern  dicker 
und  in  den  letzten  Segmenten  ganz  gerade  war,  während 
das  Darmrohr  selbst  überall  denselben  Durchmesser  zeigte. 
War  in  ihm  wenig  enthalten,  so  wurden  die  Excrementbal- 
len  vom  Hinterende  bis  zum  Kopfe  und  in  umgekehrter  Rich- 
tung ruckweise  hin  und  her  getrieben.  Die  Mandibeln  be- 
wegten sich  oft,  auch  ohne  Nahrung  zwischen  sich  zu  haben, 
eben  so  rythmisch  wie  die  Füsse  ,  beim  Fressen  schlagen 
Mandibeln  und  Maxillen  zusammen ,  während  die  Oberlippe 
etwas  nach  hinten  gezogen  und  ihre  Spitze  gehoben  wird.  Alle 
im  Wasser  umherschwimmenden  gröberen  Theilchen  treibt  die 
Bewegung  der  Füsse  längs  ihrem  Aussenrande  nach  hinten  fort. 
Die  Schwierigkeit,  den  Blutlauf  bei  erwachsenen 
Thieren  zu  beobachten ,  liegt  nach  meinen  Erfahrungen  we- 
niger in  der  Kleinheit  und  Spärlichkeit  der  Blutkörperchen, 
wie  Lievin  meint,  als  in  der  unvollkommenen  Durchsichtig- 
keit und  starken  Wölbung  der  Schale,  in  den  fast  ununter- 
brochenen Schwingungen  der  Füsse,  deren  Rückenäste  den 
grössten  Theil  vom  Rücken  des  Leibes  bedecken  und  das 
Auge  stören ,  und  in  der  Unruhe  der  Ortsbewegungen ,  die 
man  durch  künstliche  Mittel  beschwichtigen  muss.  Bei  den 
Erwachsenen  ist  das  Herz  (Fig.  23.  F}  etwas  gestreckter  als 
bei  der  einschaligen  Larve,  und  ziemlich  spindelförmig,  die 
Mitte  dicker.  Vorder  -  und  Hinterende  verjüngt  zulaufend  und 
abgerundet ,  wobei  der  obere  und  untere  Contour  drei  lange 
sanfte  Wellenrücken  bildet.  Es  beginnt,  wie  bei  der  Larve, 
unmittelbar  hinter  dem  Kopfe,  und  zieht  sich  durch  die  vier 
ersten  fusstragenden  Segmente;  an  der  Grenze  je  zweier 
scheint  eine  seitliche  verticale  Spaltöff*nung  zu  liegen,  so 
dass  jederseits  drei  vorhanden  wären,  durch  welche  das  hin- 

Archiv  f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  g 


114  Grube: 

ten  geschlossene  Herz  das  Blut  aufnimmt ,  welches  in  den 
dasselbe  umgebenden  Raum  aus  Körper  und  Schale  zusam- 
menströmt. Ob  dieser  Raum  mit  einer  eigenen  Membran  aus- 
gekleidet sei,  und  ob  überhaupt  das  Blut  in  wahren  Gefässen 
oder  blossen  Lücken  des  Körpers  ströme ,  ist  eine  Untersu- 
chung ,  zu  der  sich  unsere  Limnetis  nicht  eignet ,  ich  kann 
nur  sagen,  dass  die  Circulation  an  den  dem  Auge  zugäng- 
lichen Stellen  sehr  regelmässig  fortgeht ,  und  ihre  Bahnen 
festhält.  Der  Austritt  des  Blutes  aus  dem  Herzen  findet  vorn 
statt,  ohne  dass  ich  jedoch  die  OeiTnung  selbst  genauer  er- 
kannt hätte ;  die  Ringmuskeln  der  Wandung  ,  durch  deren 
Contraction  es  geschieht,  kann  man  sowohl  bei  Jüngern  wie 
altern  lebenden  Thieren  unterscheiden,  wenn  diese  eine  durch- 
sichtige Schale  besitzen.  Die  Einzelheiten  des  Blutlaufs  in 
den  verschiedenen  Körpertheilen  zu  ergründen,  ist  unmög- 
lich, namentlich  gilt  dies  von  den  Füssen,  die  bei  ihrer  von 
vorn  nach  hinten  plattgedrückten  Gestalt  dem  Beobachter  im- 
mer nur  den  Rand  zukehren,  und  sich  gegenseitig  verdecken. 
In  der  Schale  sieht  man  das  Blut  aus  der  Gegend  des  Scha- 
lenschUessers  herkommen  ,  und ,  wie  schon  erwähnt,  aus  ei- 
nem das  Oval  der  wulstigen  Kanäle  umgebenden  Strömchen 
in  zahlreichen  Rinnen  nach  allen  Richtungen  gegen  die  Pe- 
ripherie hin  fliessen,  wo  es  ein  gegen  den  Kopf  hin  gehender 
Zug  von  Blutkörperchen  aufnimmt;  er  verschwindet  am  Vor- 
derende des  Herzens,  tritt  also  vermuthlich  geradezu  in  das- 
selbe oder  in  den  es  umgebenden  Raum.  Der  vorn  aus  dem 
Herzen  kommende  Strom  von  dicht  gedrängten  Blutkörper- 
chen findet  sogleich  ein  kleines  Hinderniss  an  der  zwischen 
dem  vordem  und  hintern  Theil  des  Kopfes  befindlichen  Ein- 
senkung,  biegt  um  sie  herum,  und  fliesst  dann  theils  längs 
dem  Rückenrande  des  Kopfschnabels ,  theils  abwärts  hinter 
der  Insertionsstelle  der  Ruderantennen  weiter;  der  vordere 
Strom  bespült  die  Augen,  breitet  sich  über  die  drüsigen  An- 
hänge des  Magens  aus  ,  wendet  sich  zur  hintern  Kopfwand 
und  dann  weiter  zur  untern  Rumpffläche.  Ob  alles  aus  dem 
Kopf  in  den  Rumpf  tretende  Blut  in  die  Schale  fliesst,  wie 
Lievin  bei  Sida  angiebt ,  oder  ob  nur  ein  Theil  desselben, 
wie  Zaddach  bei  Apus  fand  ,  habe  ich  aus  den  oben  ange- 
führten Gründen  nicht  untersuchen  können. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  115 

Bei  Branchipus  Josepliinae  wie  bei  den  andern  Arten 
dieser  Gattung  endet  das  Herz  im  vorletzten  Segment,  es  hat 
in  jedem  Segment  (etwa  am  Ende  des  zweiten  Dritttheils) 
ein  Paar  mit  einer  Klappe  versehene  Spalten ,  durch  welche 
das  Blut  einströmt,  ausserdem  beschreibt  Budge  am  Hinter- 
ende noch  eine  unpaarige  Oeffnung  '),  deren  Anwesenheit 
mir  nicht  aufgefallen  war,  Joly  sagt  bei  Artemia  salina,  dass 
nur  eine  hintere  vorhanden  sei.  Im  Herzen  fliesst  das  Blut 
nach  vorn ,  wo  es  ausgetrieben  wird  ,  um  sich  in  die  ver- 
schiedenen Partieen  des  Körpers  zu  vertheilen :  in  die  Au- 
genstiele tritt  es  fast  ringsum  herein ,  aber  nur  in  einem 
Strömchen  längs  dem  Hinterrande  hinaus ,  ähnlich  verhält  es 
sich  mit  den  hinteren  hornförmigen  Antennen,  während  ich 
in  den  vorderen  fadenförmigen  durchaus  keine  Circulation 
bemerken  konnte.  In  die  Füsse  tritt  das  Blut ,  so  viel  ich 
gesehen,  von  der  Vorderseite  und  fliesst  hinten  aufwärts  und 
in  das  zugehörige  Segment.  Rechts  und  links  neben  dem 
Herzen  treiben  die  Blutkörperchen  in  einem  ansehnlichen  Strome 
von  vorn  nach  hinten,  ein  Theil  schlüpft  sogleich  in  die  seit- 
lichen Spalten  desselben,  der  andere  zieht  bis  an  das  Kör- 
perende. Was  Apus  betrifft,  so  muss  ich  auf  die  sehr  aus- 
führliche Beschreibung  seines  Blutlaufs  in  der  von  Zaddach 
gelieferten  Arbeit  verweisen. 

Die  Blutkörperchen  von  Limnetis  feind  schmal  oval,  ziemlich 
gleich  gross,  und  die  Farbe  der  Blutflüssigkeit  scheint  grün- 
lich :  bei  einem  jungen  und  auch  einem  erwachsenen  ganz 
bleichsüchtig  aussehenden  Individuum  konnte  ich  gar  keine 
Blutkörperchen  entdecken,  bei  andern  ebenfalls  blassen  waren 
sie  mindestens  nur  sehr  spärlich  vorhanden.  —  Werfen  wir 
zum  Schlüsse  noch  einen  Blick  auf  das  Herz  der  nächst- 
verwandten Gattung  Isaura;  da  mir  keine  andere  Data  ihres 
Circulalionsapparats  vorliegen,  so  scheint  dasselbe,  trotz  der 
bei  weitem  ansehnlicheren  Körperlänge ,  eine  ganz  ähnliche 
kurze  Form  zu  besitzen,  wenigstens  zeigt  die  Abbildung  der 
jungen  zweischaligen  Isaura  2),  dass  es  sich  bloss  durch  die  4 
ersten  Segmente  erstreckt,  und  Joly  glaubt,  dass  es  sich  beim 


1)  L.  c.  p.  93. 

2)  Joly  1.  c.  Fig.  43.  r. 


116  Grube: 

erwachsenen  Thier  nicht  anders  verhält.  Diese  Kürze  muss 
auffallen,  wenn  man  damit  das  durch  1 1  Segmente  hindurch- 
gehende Herz  von  Apus,  und  vollends  das  von  Branchipus 
und  Artemia  vergleicht,  bei  denen  es  die  ganze  Rumpflänge 
einnimmt,  und  man  sieht  offenbar,  wie  sehr  sich  auch  in  die- 
ser Beziehung  die  zweischaligen  Phyllopoden  den  Cladoce- 
ren  nähern. 

Dass  ich  von  dem  Nervensystem  unserer  Limnetis  keine 
ausführliche  Beschreibung  liefern  kann,  wird  die  Kleinheit  und 
geringe  Durchsichligkeit  ihres  Körpers,  sowie  die  Schwierigkeit 
des  Präparirens  erklärlich  machen.  Was  ich  auf  dem  lelz- 
genannten  Wege  ermitteln  konnte,  war  Folgendes:  Die  Mund- 
öffnung umgiebt  ein  gestreckter  Nervenring,  dessen  Schen- 
kel vorn  in  ein  sehr  ansehnliches  fast  länglich  rechteckiges 
breitgedrücktes  Hirnganglion  übergehen  (Fig.  26.  c),  sie  tre- 
ten von  hinten  in  seine  Basis,  während  vorn  aus  jeder  Ecke 
derselben  ein  zarter  Nerv  entsteht  (Fig.  26.  /),  der  sich,  längs 
den  drüsigen  Magenanhängen  (S)  verlaufend  zu  den  Tast- 
antennen begiebt.  Am  obern  Rande  des  Ganglions  treten 
nach  hinten  und  oben  die  beiden  mitten  merklich  angeschwol- 
lenen Sehnerven  hervor  (Fig.  26.  o),  von  denen  jeder  zu  ei- 
nem der  mit  einander  verschmolzenen  zusammengesetzten 
Augen  geht  (Fig.  26.  0');  zwischen  und  vor  den  Sehnerven 
sieht  man  auf  dem  Ganglion  eine  fast  halb  eiförmige  Erha- 
benheit sitzen ,  deren  obere  flache  Seite  das  einfache  Auge 
trägt  (Fig.  26.  0).  Die  Schenkel  des  Mundringes  (Fig.  26.  w) 
sind  sehr  dünn  und  ungefähr  in  der  Mitte  ihres  Verlaufs 
durch  eine  zarte  um  die  Wurzel  der  Oberlippe  herumlaufende 
Brücke  verbunden  i^ig.  26.3),  nachdem  jeder  vorher  zwei 
Aeste  nach  aussen  zu  den  Adductoren  der  Ruderantennen 
geschickt  hat  (Fig.  26.  2).  Hinter  den  Ursprüngen  dieses  Brük- 
kenbogens  schwillt  jeder  Schenkel  zu  einem  länglichen  Gang- 
lion (7)  an,  welches  wahrscheinlich  der  Anschwellung  D  am 
Mundringe  von  Apus  in  Zaddach's  Fig.  V.  Tab.  HI  entspricht, 
und  vermuthlich  durch  einen  Querfaden  mit  dem  der  andern 
Seite  zusammenhängt.  Hierauf  nähern  sich  die  Schenkel, 
indem  sie  sich  allmählich  verdicken,  und  setzen  sich  in  die 
Bauchstränge  fort,  welche  in  jedem  Segment  eine  wenig 
scharf  abgegrenzte,   durch  eine  Commissur  verbundene  An- 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  117 

Schwellung  bilden.  An  einigen  vorderen  Segmenten  schien 
mir  die  Commissur  einfach,  an  den  hintern  aber  bestand  sie 
deutlich  aus  zwei  von  einander  getrennten  Strängen  (Fig.  27); 
hiedurch  und  indem  die  Bauchstränge  ziemlich  weit  und  wei- 
ter als  bei  Apus  aus  einander  liegen  i),  gewinnt  dieser  Theil 
des  Nervensystems  durchaus  das  Ansehen  einer  Strickleiter. 
Aus  mehreren  dieser  Ganglien  sah  ich  drei  Fäden  nach  aussen 
treten.  Das  vorderste  Ganglienpaar  (Fig.  26.  M)  versorgt  die 
Mandibeln  und  schickt  ausserdem  noch  einen  Nerven  nach 
vorn  und  innen  ab,  den  ich  aber  nicht  weiter  verfolgen  konnte, 
und  der  verinuthlich  dem  Nerven  k  in  Zaddach's  Fig.  V.  Tab.  III 
entspricht,  das  zweite  (ilf)  dient  wahrscheinlich  für  die  Ma- 
xillen,  die  folgenden  gehören  zu  den  Rumpffüssen.  Jene  vor- 
deren Ganglien  sind  besonders  schwer  herauszupräpariren, 
weil  sie  unmittelbar  von  den  sehr  festen  Aponeurosen  der 
hierin  einander  übergehenden Mandibel-  und  Ruderantennen- 
muskeln bedeckt  sind,  ich  habe  niemals  die  Fig.  26  gegebene 
Darstellung  des  Mundringes  nach  einem  einzigen  Präparat 
entwerfen  können,  sondern  war  genöthigt,  dieselbe  aus  meh- 
reren zu  combiniren.  Die  Dicke  der  Nervenstränge  fand  ich 
gegen  das  Körperende  hin  nur  0,028  Lin.,  die  der  einen  Com- 
missur 0,015  Lin.,  der  andern  nur  0,003  Lin.,  gegen  den 
Mund  hin  nimmt  die  Dicke  der  Stränge  bis  auf  0,036  Lin.  zu, 
und  die  der  Brücken,  wo  sie  ungetheilt  sind,  beträgt  hier 
0,022  Lin.  Von  den  übrigen  Phyllopoden  kennen  wir  nur 
das  Nervensystem  bei  Apus,  und  zwar  durch  die  vortreffliche 
Arbeit  Zaddach's.  Die  Grundzüge  dieses  Nervensystems  sind 
dieselben  wie  bei  unserer  Limnetis,  deren  Kleinheit  mir  für 
jetzt  nicht  weiter  in  seiner  Erkenntniss  vorzudringen  gestat- 
tete. Von  Isaura  und  Artemia  haben  wir  nur  eine  Darstel- 
lung der  Augennerven,  und  meine  Exemplare  sind  so  wenig 
gut  erhalten,  dass  ich  ihre  Zergliederung  ohne  Erfolg  ver- 
suchen würde. 

So  leicht  sich  äusserlich  die  Geschlechter  der  Limne- 
tis durch  die  Kopfform,  die  Zahl  und  die  Gestalt  der  Fuss- 
paare  unterscheiden  lassen,  so  ist  es  mir  doch  nur  mit  Mühe 
gelungen,    über    die   innern    Geschlecht  sth  eile  und 


1)  Zaddach  Tab.  IlL  Fig.  1. 


118  Grube: 

deren  Ausführungsgänge  vollkommenen  Aufschluss  zu  erhal- 
ten. Die  weiblichen  Genitalien  erstrecken  sich  unter  und 
neben  dem  Darme  und  bestehen  aus  kurzen  ästigen  in  einen 
Hauptgang  ausgehenden  Kanälen ,  an  deren  Blindenden  die 
Eierchen  entstehen ;  an  derselben  Stelle  liegen  bei  den  Männ- 
chen die  trübe  weisslich  aussehenden  traubigen  Hoden,  in  de- 
nen ich  durchaus  keine  sich  bewegende  oder  auch  nur  auf- 
fallend geformte  Spermatozoen ,  sondern  nur  kleine  ovale 
Ballen  von  0,045  Lin.  Länge  erkennen  konnte.  Jedes  die- 
ser Organe  bei  Männchen  und  Weibchen  ist  von  einem  zier- 
lichen Netzwerk  ziemlich  weitläufiger  schräg  sich  durchkreu- 
zender Muskelbündel  umgeben,  ganz  so  wie  Zaddach  bei 
Apus  abbildet  ^).  Die  Begattung  kann  nur  eine  innere  sein. 
Gegen  das  Ende  des  Mai  entwickeln  sich  die  Eierchen  im 
Ovarium.  Die  kleinsten  mit  deutlichen  Keimbläschen,  die  ich 
beobachtet  habe,  massen  0,027  Lin.  im  Durchmesser,  die 
grössten  unbefruchteten  0,051  Lin.  —  Bei  eben  so  grossen 
nahe  der  Mündung  gelegenen  fehlte  schon  das  Keimbläschen; 
mit  den  ersten  Tagen  des  Juni  treten  sie  aus  dem  Oviduct  her- 
vor und  werden  aussen  am  Körper  getragen :  solche  messen 
0,053  bis  0,063  Lin.  im  Durchmesser,  sehen  blassgrün  oder 
grünlichgrau  aus,  und  sind  jedes  ausser  seiner  Dotterhaut 
(Fig.  17.  V)')  noch  von  einer  besondern  durchsichtigen  Hülle 
umgeben  («)"),  welche  anfangs  von  derselben  weiter  absteht, 
dann  aber  zusammenschrumpft,  sich  eng  an  sie  anlegt,  und 
auf  ihrer  Oberfläche  eine  Menge  kleiner  flacher  Vertiefungen 
zeigt,  so  dass  der  Contour  bei  210facher  Vergrösserung  klein- 
wellig erscheint  (Fig.  18).  —  Wird  ein  solches  Eichen  ge- 
presst,  so  zerreissen  die  Hüllen  mit  einem  leichten  Knick  und 
es  fliesst  ein  feinkörniger  Inhalt  mit  starker  Molekularbewe- 
gung heraus,  in  ihm  auch  spärliche  Fettbläschen  von  0,0012 
Lin.  im  Durchmesser  und  kleiner.  Bei  einigen  dieser  Eichen 
konnte  ich  bereits  die  Anfänge  der  Dotterfurchung,  obwohl 
nur  undeutlich,  erkennen.  Demnach  stimmen  die  Eier  der 
Limnetis  sowohl  in  ihrem  Inhalte  als  auch  in  ihren  Hüllen 
mit  den  sogenannten  Wintereiern  der  Daphnien,  Polyphemen 
und  anderer  Cladoceren  überein ,  mit  denen  sie  auch  dieBe- 


1)  Zaddach  0.  c.  Tab.  L  Fig.  L  LL\ 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  119 

Stimmung  theilen,  nach  dem  Austrocknen  der  Pfützen  nämlich 
und  dem  Tode  der  Mütter  den  Herbst  und  Winter  zu  über- 
dauern ,  und  sich  erst  im  nächsten  Frühjahr  zu  entwickeln. 
Lievin  giebt  an ,  dass  die  an  dem  Rumpfe  des  Weibchens 
getragenen  Eier  von  einem  gemeinsamen  zarthäutigen  Sack 
umgeben  seien,  ich  muss  dies  aber  für  eine  Täuschung  hal- 
ten, dadurch  entstanden,  dass  er  nicht  ganz  frisch  gelegte, 
sondern  schon  etwas  ältere  Eier  vor  sich  gehabt  hat,  deren 
äussere  Hüllen  bereits  fester  an  einander  liegen ;  bei  frisch- 
gelegten kann  man  deutlich  die  dazwischen  befindlichen  und 
sich  gleichbleibenden ,  zum  Theil  mit  einer  durchsichtigen 
Masse  ausgefüllten  Zwischenräume  erkennen  (Taf.  VI.  Fig.  17). 
Auch  Joly  ')  spricht  bei  seiner  Isaura  von  einer  schalenartigen 
Hülle  (coque  membraneuse  assez  epaisse),  welche  die  frisch- 
gelegten Eier  umgiebt,  und  weiterhin  sie  so  fest  vereinigt,  dass 
die  ganze  Masse  das  Ansehen  einer  Platte  von  horniger  Con- 
sistenz  hat.  In  solcher  Form  sehe  ich  sie  auch  bei  meinem 
Weingeistexemplar.  Die  hakig  gebogenen  Häärchen  (cils 
crochus)  ,  welche  Joly  an  der  Dotterhaut  abbildet,  habe  ich 
nicht  bemerkt,  ebensowenig  konnte  ich  an  den  Eiern  von 
Branchipus  losephinae  die  Stacheln  wahrnehmen,  die  Prevost 
und  Budge  an  denen  von  Br.  diaphanus  beschreiben.  Darin 
aber  stimmen  alle  Phyllopoden  überein,  dass  sie  Eier  legen; 
diese  sind  grösser  und  weniger  zahlreich  bei  den  Nebalien, 
kleiner  und  in  grösserer  Menge  vorhanden  bei  den  übrigen. 
Nur  Artemia  salina  soll  zu  Zeiten  auch  lebende  Junge  ge- 
bären und  zwar  hat  dies  Joly  in  den  Sommermonaten  be- 
merkt, während  vor  dem  Juli  und  nach  dem  September  die 
Fortpflanzung  durch  Eier  geschieht.  Bei  letzterer  tritt  zu- 
weilen der  merkwürdige  Umstand  ein,  dass  sich  fünf  bis  sechs 
Weibchen  vereinen,  um  die  Eier  mit  einer  gemeinsamen  aus 
Fäden  bestehenden  Hülle  zu  umgeben.  Was  Lievin  von  der 
Ausmündung  der  weiblichen  Genitalien  sagt  2),  muss  ich  der 
Hauptsache  nach  bestätigen,  er  glaubte  sie  „in  einer  eigenen 
segeiförmigen  Falte  am  Rücken  der  untern  (d.  h.  der  hin- 
tern) Leibesringe  erkannt  zu  haben,"  sie  liegt  vielmehr  da- 


1)  Joly  1.  c.  p.  319. 

2)  Lievin  1.  c.  p.  12. 


120  Grube: 

neben.  Man  findet  nämlich  bei  den  Weibchen  der  Limnetis 
beiderseits  hoch  oben  an  der  Seilenwand  der  drei  letzten 
fusstragenden  Segmente  ein  etwas  schräg  nach  hinten  her- 
absteigendes häutiges  Blatt,  dessen  oberer  Rand  in  drei  an- 
sehnliche Zipfel  ausläuft  (Taf.V.  Fig.  1.  Taf.Vl.  Fig.  15.  16), 
deren  Form  und  Lage  aber  so  verschieden  ist,  dass  ich  die- 
ses Blatt  für  selbstständiger  Bewegungen  fähig  halten  muss. 
Am  Grunde  desselben,  und  zwar  an  der  Aussenseite,  gelangt 
man  durch  eine  weite  Oeffnung  in  den  zur  Seite  des  Darms 
gelegenen  Raum ,  in  welchem  sich  die  Eier  befinden  ,  das 
Lumen  der  Oeffnung  ist  so  ansehnlich,  dass  man  eine  feinere 
Nadel  ohne  Mühe  hineinführen  kann,  auch  schien  das  Her- 
vortreten der  Eier,  das  hin  und  wieder  unter  meinen  Au- 
gen vor  sich  ging,  immer  sehr  leicht  und  ohne  Anstren- 
gung zu  geschehen.  Vermuthlich  machen,  wenn  das  Thier 
nicht  beunruhigt  wird,  die  oben  beschriebenen  Eierträger  des 
9.  und  10.  Fusspaars  cTaf.  V.  Fig.  1.  Fig.  8.  Taf.  VL  Fig.  15  e), 
welche  unmittelbar  vor  jenem  Blatte  liegen,  und  in  der  Ruhe 
nach  oben  gerichtet  sind,  eine  Bewegung  abwärts  gegen  die 
hervortretenden  Eichen  hin ,  und  die  ersten  heften  sich  an 
ihre  Spitze.  Oftmals  habe  ich  diese  Organe,  nachdem  sie 
sich  schon  ein  Eichen  angelegt  hatten,  in  solcher  Krümmung 
gefunden ,  und  wenn  sie  abgeschnitten  wurden ,  erregte  die 
Energie  ihrer  Bewegungen  meine  Verwunderung.  Dass  sie 
hohl  sind,  hat  auch  Lievin  angegeben  ;  er  fand  die  gekernten 
Zellen,  mit  denen  ihr  Inneres  erfüllt  ist,  denen  ähnlich,  die 
er  in  den  männlichen  Organen  mancher  Cladoceren  gesehen, 
und  gründet  hierauf  eine  Vermuthung,  die  ich  nicht  theilen 
kann  und  sogleich  besprechen  werde.  Mir  scheint  nur  frag- 
lich, ob  jene  Eierträger  nicht  auch  vielleicht  zur  Bereitung 
der  Flüssigkeit  dienen,  welche  die  äussere,  nachher  so  stark 
einschrumpfende  Hülle  der  Eier  bildet.  Ich  vermisste  die- 
selbe bei  den  unter  meinen  Augen  austretenden,  welche  sich 
nicht  anhefteten.  Doch  kann  dies  auch  darin  seinen  Grund 
haben ,  dass  dies  Geschäft  nicht  seinen  ruhigen  Fortgang 
hatte,  dass  das  vielleicht  im  Augenblick  des  Legens  von  den 
Genitalien  selbst  ergossene  Fluidum  nicht  Zeit  hatte,  sich  ge- 
hörig um  das  Eichen  zu  formen  und  es  zu  überziehen:  an- 
dererseits habe  ich   an  dem  mit  dem  Haarschopf  versehenen 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  121 

Ende  des  Eierträgers  (Taf.  VI.  Fig.  17)  keine  deutliche  Mündung 
des  innern  Kanals  wahrgenommen,  wüssle  auch  nicht  zu  er- 
klären, wie  sich  eine  Flüssigkeit  von  hier  aus  über  solche  Eier 
ergiessen  sollte,  welche  erst  dann,  nachdem  der  Eierträger 
selbst  schon  ganz  umlagert  ist,  hervortreten  und  sich  an  die 
andern  befestigen.  Zur  Empfangnahme  solcher  Eier  kann  auch 
der  Eierträger  schwerlich  eine  Bewegung  machen  ,  zumal  da 
öfters  die  Borsten  der  benachbarten  Branchialanhänge  dem 
Eierklumpen  mit  ankleben,  und  so  die  freiere  Bewegung  jenes 
Organes  behindern  müssen.  Die  Zahl  der  Eierchen  steigt 
allmählich  jederseits  bis  auf  50,  60  und  mehr,  s-ie  legen  sich 
so  an  einander,  dass  sie  einen  platten  Knochen  oder  eine 
Scheibe  bilden,  welche  lange  von  den  emporgestreckten  Grif- 
feln getragen ,  zuletzt  aber  an  die  Innenfläche  der  Schale 
abgesetzt  wird. 

Lievin  glaubt  zuweilen  nahe  vor  der  Ansatzstelle  der 
Eierträger  kleine  Oeffnungen  bemerkt  zu  haben,  durch  wel- 
che ,  wie  er  meint ,  der  Same  bei  der  Copula  eintreten 
würde,  um  durch  den  Kanal  jener  Organe  zu  den  Eiern  zu 
gelangen,  ist  also  geneigt  eine  äussere  Befruchtung  anzu- 
nehmen ,  was  schon  deshalb  nicht  wahrscheinlich  ist,  weil 
aus  den  Eierträgern,  wenn  sie  schon  rings  von  Eiern  umge- 
ben sind,  der  Same  nicht  füglich  mehr  zu  den  spätem  An- 
kömmlingen gelangen  kann.  Ueberdies  aber  spricht  meine 
Beobachtung  über  das  Verschwinden  des  Keimbläschens  der 
Eier  in  den  Genitalien  dagegen  ;  die  Begattung  muss  also 
eine  innere  sein.  Das  Hervortreten  des  Samens  zu  se- 
hen, wird  wegen  der  unvollkommenen  Durchsichtigkeit  der 
Schale  schwerlich  gelingen ,  doch  habe  ich  nach  langem 
Suchen  die  Oeffnungen  gefunden ,  durch  welche  er  hervor- 
tritt. Es  war  mir  unwahrscheinlich,  dass  sie  sich  am  End- 
segmente selbst  befinden  sollten,  da  sich  dieses  bei  der  Be- 
gattung dem  Leibe  des  Weibchens  nicht  unmittelbar  anlegt, 
und  indem  ich  eines  Tages  mit  einer  Nadelspitze  an  den  vor- 
hergehenden Leibesringen  eines  in  Aether  getödteten  und 
stark  aufgetriebenen  Männchens  tastend  umherfuhr,  gelangte 
ich  nahe  der  Basis  eines  der  betreffenden  Fusspaare  in  das 
Innere  des  Körpers.  Es  war  dies  aber  eines  der  letzten 
Männchen,    die  ich  überhaupt   noch  frisch  getödtet  unlersu- 


ItS  Grube: 

dien  konnte,  und  wiederholte  Versuche  wollten  nicht  gelin- 
g-en ;  alle  frühere  Zeit  hatte  ich ,  ohne  ein  Resultat  zu  erlan- 
gen, auf  die  Betrachtung  der  einzeln  abgelösten  Füsschen  und 
die  Durchmusterung  ihrer  einzelnen Theile  behufs  jener  Nach- 
forschung gewendet.  In  dieser  Verzweiflung  griff  ich  zu 
meinen  Weingeistexemplaren,  indem  ich  ihre  Rückenfläche 
mit  meinen  schärfsten  Linsen  durchmusterte ,  und  so  ent- 
deckte ich  genau  an  derselben  Stelle ,  wo  beim  Weibchen 
die  Eierklappen  liegen ,  nämlich  an  der  Rückenseite  der 
drei  letzten  fusstragenden  Segmente  jederseits  ein  zartes 
längliches  horizontalliegendes  Blättchen,  dessen  schwach  drei- 
lappiger Rand  nur  wenig  über  die  Basis  der  Füsse  hervor- 
ragt, weshalb  es  auch  so  schwer  zu  erkennen  ist.  Führte 
ich  eine  feine  Nadel  unter  dies  Blättchen,  d.  h.  zwischen 
dasselbe  und  den  Rücken  des  Rumpfes,  so  gelangte  ich  durch 
eine  Oeffnung  in  den  Innenraum  des  Körpers,  in  dem  die 
männlichen  Genitalerzeugnisse  liegen. 

Von  den  Genitalien  der  Apus  und  von  der  Art,  wie  sie 
ihre  Eier  tragen,  ist  schon  p.  85  und  p.  118  die  Rede  gewe- 
sen ,  sie  stimmen  mit  Limnetis  noch  eher  überein  als  die 
Branchipus,  deren  Genitalien  theils  in  dem  Rumpfe  selbst, 
theils  in  einem  von  der  Bauchseite  desselben  herabhängenden 
Sack  enthalten  sind  ^).  Er  besitzt  an  den  beiden  ersten,  bei 
manchen  Arten  angeblich  bloss  an  dem  ersten  der  fusslosen 
Segmente,  und  endigt  bei  den  Männchen  jederseits  in  ein 
Paar  Zipfel,  unter  deren  äusserem  weiter  vorragenden  die  Oeff- 
des  Vas  deferens  liegt ,  welche  also  doppelt  ist,  wogegen  die 
entsprechende  der  Weibchen  unpaarig  ist  und  sich  gerade 
in  der  Mitte  befindet.  Die  kleinen  Eier  in  der  Partie  des 
Eierschlauchs,  welche  hin  und  her  gewunden  in  dem  Behäl- 
ter liegt,  zeigen  die  auffallende  Erscheinung,  einer  beständi- 
gen Hin-  und  Herbewegung,  indem  dieser  Schlauch  sich  ab- 
wechselnd verkürzt  und  verlängert;  an  den  grossen,  reifen 
nahe  der  Mündung,  und  an  den  im  hintern  Rumpftheile  selbst 
gelegenen  Eiern  bemerkt  man  diese  Bewegung  durchaus  nicht. 
Der  Paarungsact  geht  bei  unserer  Limnetis  in  folgen- 
der Weise  vor  sich:   nachdem  das  Männchen  die  eine  Schale 


1)  Taf.  Yin.  Fig.  1.  Fig,  5.  dieser  Abhandl.  tr.  o. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  123 

des  Weibchens  am  Rande  mit  seinen  Greiforganen  gepackt 
hat,  —  wobei  sich  die  beiden  Körper  rechtwinklig  gegen 
einander  zu  stellen  pflegen,  die  gabiigen  Antennen  des  Männ- 
chens wie  Stützen  auf  der  Schale  des  Weibchens  ausgespreizt 
werden,  und  die  Kopfspilze  des  ersteren  auf  dieser  ruht 
—  hört  für  eine  kurze  Zeit  die  Bewegung  der  Füsse  auf, 
das  Männchen  legt  die  hintern  an  die  entsprechenden  des 
Weibchens,  und  macht  eine  Bewegung,  als  wenn  es  etwas 
andrückte ,  und  das  Weibchen  schliesst  während  dessen  die 
vorhin  weit  klaffenden  Schalen  so  viel  als  möglich ;  hierauf 
werden  diese  wieder  geöffnet  und  die  Füsse  beider  Thiere 
setzen  sich  von  neuem  und  zwar  in  heftigere  Schwingung. 

Der  Act  der  Samenübertragung  ,  denn  diese  scheint 
durchaus  beim  Anlegen  der  hintern  Fusspaare  zu  erfolgen, 
wiederholt  sich  nach  einer  kürzern  oder  längern  Pause,  ohne 
dass  das  Männchen  losliesse;  es  hält  das  Weibchen  vielmehr 
so  fest  gepackt ,  dass ,  wenn  man  dieses  mit  einer  Pincette 
heraushebt,  das  Männchen  an  ihm  hängen  bleibt.  Lievin  hat 
die  Paarung  bis  8  Minuten,  ich  das  Zusammenbleiben  noch  län- 
ger anhalten  gesehen,  ohne  dass  es  einem  von  uns  gelungen 
wäre,  den  genaueren  Vorgang  der  Samenübertragung  wahr- 
zunehmen; so  sehr  behindert  die  geringe  Durchsichtigkeit 
der  Schale  die  Beobachtung.  Die  Männchen  sind  so  hitzig, 
dass  zuweilen  ein  Weibchen  von  zweien  gefasst  wird ,  von 
einem  an  der  rechten,  vom  andern  an  der  linken  Schale,  und 
indem  beide  ihren  Geschlechtstrieb  gleichzeitig  befriedigen 
wollen,  stören  sie  sich  gegenseitig.  Auch  ergreift  wohl  ein 
Männchen  ein  anderes  oder  ein  todtes  Weibchen,  und  oft 
bilden  sich  ganze  Gruppen  von  vier  oder  fünf  Thieren,  wie 
schon  Müller  angiebt  i)  und  tummeln  so  sich  lustig  durch's 
Wasser. 

Aehnliche  Scenen  und  überhaupt  ein  ähnliches  Ver- 
halten bei  der  Paarung  ,  soweit  er  sie  beobachten  konnte, 
beschreibt  auch  Joly  bei  seiner  Isaura  2) ,  bei  der  er  eben- 
falls eine  innere  Begattung  vermuthet.  Doch  scheint  hier  die 
Zahl  der  Männchen  grösser ,   indem   sich  unter  den  30  von 


1)  0.  Fr.  Müller  Entomostr.  p.  70. 

2)  Annal.  des  gcienc,  nal.  1.  c.  p.  318. 


124  Grube: 

ihm  untersuchten  Individuen  nur  6  Weibchen  befanden.  Bei 
unserer  Limnetis  tritt  keines  der  beiden  Geschlechter  über- 
wiegend auf,  doch  waren  gegen  das  Ende  ihrer  Zeit  die 
Weibchen  etwas  spärlicher.  Dasselbe  Verhältniss  scheint  im 
Allgemeinen  auch  bei  unserni  Branchipus  stattzufinden,  des- 
sen Begattung  mir  leider  entgangen  ist^  obwohl  ich  Männ- 
chen und  Weibchen  Tage  lang  zusammenhielt.  Prevosl,  der 
diesen  Act  bei  Br.  diaphanus  gesehen  hat  ')?  beschreibt  ihn 
in  der  Art,  dass  das  Männchen  nach  längerer  vergeblicher 
Verfolgung  des  Weibchens,  dasselbe  endlich  mit  dem  hintern 
Anlennenpaar  umfasst,  und  es  den  Schwanztheil  rückwärts 
in  die  Höhe  zu  krümmen  und  seinen  eigenen  Genitalien  zu 
nähern  nöthigt,  und  setzt  hinzu,  dass,  wenn  dies  wirklich  die 
Paarung  ist,  sie  nur  einen  Augenblick  dauert.  Budge  2)  be- 
merkte nur  das  Ergreifen  mit  den  Antennen,  wobei  das  Männ- 
chen auf  dem  Rücken  liegend  unter  das  Weibchen  schwimmt, 
die  Begattung  selbst  sollte  am  Boden  des  Gefässes  ausgeführt 
sein.  Unter  den  bis  zum  Anfang  des  Mai  gefangenen  er- 
wachsenen gab  es  etwa  ömal  so  viel  Weibchen  als  Männ- 
chen ,  bei  den  um  diese  Zeit  erscheinenden  Jungen  war  das 
männliche  Geschlecht  überwiegend,  bis  mit  dem  Anfang  des 
Juni  auch  hier  wiederum  die  Weibchen  vorherrschend  wur- 
den. Joly,  der  dasselbe  Thier  bei  Toulouse  beobachtet,  fand 
im  Allgemeinen  die  Zahl  der  Männchen  hinter  der  der  Weib- 
chen weit  zurückstehend.  Die  männlichen  Thiere  der  übri- 
gen Phyllopoden  sind  zumTheil  noch  gar  nicht  bekannt,  zum 
Theil  äusserst  selten.  So  hatBrongniart  unter  mehr  als  1000 
Individuen  von  Limnadia  Hermanni  nicht  ein  einziges  Männ- 
chen angetrofren_,  und  Schäffer,  der  sich  vier  Jahre  lang  mit 
dem  Apus  cancriformis  beschäftigt,  sowie  Berthold  und  Zad- 
dach  waren  bei  ihren  Bemühungen  nicht  glücklicher,  woher 
sie  vermuthen  ,  dass  diese  Crustaceen  Zwitter  seien  ,  doch 
zweifelt  Siebold,  ob  die  Organe,  die  Zaddnch  für  die  männ- 
lichen hält,  nicht  zu  dem  weiblichen  Geschlechtsapparat  ge- 
hören.   Für  die  Artemien  waren  die  Aussichten  nicht  günsti- 


1)  Jurine  Histoire  des  Monocles  p.  212. 

2)  Verhandlungen  des  naturhist,  Verein?    der  Rheinlande  1846. 
pag.87, 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  1*5 

ger.  Nachdem  nämlich  Joly  3000  Individuen  der  Artemia 
salina  uniersucht,  und  nur  weibliche  Thiere  gefunden,  neigte 
auch  er  sich  zu  der  Ansicht,  dafs  es  keine  Männchen  gäbe, 
und  deutete  die  Angaben  des  Dr.  Schlosser,  des  ältesten  Be- 
obachters dieser  Thiere,  dahin,  dass  die  von  ihm  ausser  den 
Weibchen  beschriebenen  Individuen  mit  langen  in  jeder  Rich- 
tung beweglichen,  zwischen  dem  Kopf  und  ersten  Fusspaar 
befindlichen  Armen,  nichts  anders  als  Larven  seien.  Seitdem 
wir  jedoch  durch  S.  Fischer  ')  die  Männchen  der  Artemia 
arietina  kennen  gelernt  haben,  gewinnt  Schlossers  Mittheilung 
ein  neues  Gewicht,  und  die  Gattungen  Limnadia  ,  Apus  und 
Nebalia  würden  als  die  einzigen  übrig  bleiben,  deren  Männ- 
chen man  noch  zu  entdecken  hätte. 

Keine  Art  von  Phyllopoden  der  Binnengewässer  scheint 
den  Sommer  zu  überdauern ,  die  meisten  sind  wahre  Früh- 
lingsthiere  und  erleben  kaum  die  Mitte  des  Sommers.  Die 
Artemien ,  welche  Salzseen  bewohnen  ,  kommen  um  ,  sobald 
das  Wasser  durch  die  Sonnenhitze  zu  concentrirt  wird  ,  die 
übrigen  durch  das  Austrocknen  ihrer  Pfützen.  Aus  Budge's 
Beobachtungen  ,  der  bei  Bonn  bereits  im  April  erwachsene 
Männchen  und  Weibchen  von  Branchipus  diaphanus  antraf, 
geht  nicht  nothwendig  hervor ,  dass  diese  dort  den  Winter 
ausgehalten  haben;  sie  können  bereits  im  März  aus  Eiern 
entstanden,  und  die  im  Mai  erschienenen  Jungen  eine  zweite 
Generation  gewesen  sein,  wie  denn  auch  aus  Prevost's  Dar- 
stellung ersichtlich  scheint,  dass  sich  die  von  ihm  beschrie- 
benen Jungen  aus  Sommereiern  entwickelt  hatten.  Ebenso 
hat  Joly  aus  einigen  Eiern  seiner  Isaura  während  des  Som- 
mers Junge  gezogen.  Von  Apus  productus  und  Branchipus 
Josephinae  erscheinen  bei  uns  im  frühesten  Frühjahr  nur  Ju- 
gendzustände, wachsen  während  des  Mai  aus,  begatten  sich, 
und  sterben,  nachdem  die  Eier  gelegt  sind,  ohne  dass  diese 
in  demselben  Jahr  auskommen,  und  gleiches  gilt  von  unse- 
rer Limnetis.  Sobald  die  Oberfläche  des  Wassers  vom  Eise 
befreit  ist,  zeigen  sich  ihre  Larven,  im  Anfang  des  Juni  erfolgt 
die  Paarung  und  beginnt  das  Eierlegen  ,  und  mit  dem  Ende 
dieses  Monats  sind  bereits  alle  Thierchen  verschwunden.  Die 

1)  Middendorf  Sibir.  Reise.  Branchiopod.  p.  10. 


126  Grube: 

zuletzt  übrig  bleibenden  haben  ein  lustiges  oder  vielmehr  ein 
trauriges  Ansehen;  ihre  Schale,  zum  Theil  auch  ihr  Körper, 
ist  aussen  und  innen  mit  Conferven  und  Vorticellen  bedeckt, 
trotz  den  Anstrengungen  ihrer  Füsse  muss  es  ihnen  schwer 
fallen ,  das  zur  Athmung  erforderliche  Wasser  zu  erneuern, 
und  dennoch  halten  sie  in  diesem  Zustande  im  Freien  noch 
lange  aus,  während  sie  im  Zimmer  aufbewahrt  sehr  bald  da- 
durch zu  Grunde  gehen.  Bei  dieser  Gelegenheit  muss  ich  auf 
die  schon  oben  erwähnten  bald  mehr  schlauch-  bald  gestreckt 
eiförmigen  Bläschen  oder  Säckchen  zurück  kommen,  welche 
sich  fast  immer  und  oft  in  so  grosser  Zahl  an  den  Füssen, 
zuweilen  auch  an  den  Ruderantennen  zeigen ,  und  derer  die 
Beschreiber  nicht  gedenken  (Taf.  VI.  Fig.  19.  w).  Sie  sind 
bald  etwas  länger  bald  etwas  kürzer  als  die  Borsten,  aufdun- 
kelem  Grunde  glänzend,  und  sitzen  beständig  mit  einem  ihrer 
Enden  entweder  am  Rande  einer  Fläche,  oder  an  einer  Borste 
selber  an.  Dieses  Ende  läuft  in  einen  kurzen  Stiel  aus.  An 
dem  Körperchen  selbst  unterscheidet  man  eine  starre  oder 
straffe  farblose  Hülle  und  einen  weisslichen  aus  feiner  bläs- 
chenartig-körniger Masse  bestehenden  Inhalt.  Ich  muss  ge- 
stehen, dass  ich  diese  Blindschläuche  anfänglich,  da  ich  sie 
zufällig  nur  an  weiblichen  Thieren  fand,  für  angeklebte  Sa- 
menschläuche halten  wollte ,  als  ich  aber  in  ihrer  Structur 
keine  Aehnlichkeit  mit  der  von  Siebold  bei  Cyclopsine  ca- 
stor  beschriebenen  entdecken  konnte,  auch  bald  darauf  diese 
Körperchen  an  den  Füssen  von  Männchen ,  ja  sogar  junger 
noch  nicht  begaltungsfähiger  Thierchen  antraf,  auch  nach  er- 
folgter Begattung  keine  Verminderung  derselben  wahrnahm, 
musste  ich  von  dieser  Vermuthung  zurück  kommen.  Ueber- 
dies  habe  ich  ganz  ähnliche  Körperchen  auch  an  den  Füssen 
von  Branchipus  paludosus  gesehen,  bei  welchem  die  Begat- 
tung durch  Ruthen  geschieht,  es  kann  also  nur  noch  die  Frage 
entstehen,  ob  man  sie  als  Organe  dieser  Thiere  oder  als  etw^as 
ihnen  bloss  anhängendes  fremdartiges  betrachten  soll.  Das  er- 
stere  ist  deshalb  nicht  annehmbar,  weil  man  keinen  Zusammen- 
hang mit  dem  Innern  der  Füsse  oder  Antennen  erkennen  kann, 
und  ich  möchte  daher  in  diesen  Körperchen  die  Anfänge  an- 
derer Organismen  vermulhen ,  über  die  man  weitere  Unter- 
suchungen anstellen  müsste.    Ich  kann  nur  noch  hinzufügen, 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  1Ö7 

dass  ich  in  einem  Falle  beobachtet,  dass  sich  der  Inhalt  des 
Schlauches  von  beiden  Enden  zurückgezogen  hatte,  und  von 
einer  besondern  Hülle  umgeben  schien,  die  Enden  des  Schlau- 
ches selbst  waren  vollkommen  durchsichtig.  Ob  nicht  die  frei- 
lich viel  kleineren  Bläschen,  welche  Joly  an  den  Borsten  ei- 
nes stark  vergrösserten  Fusses  von  Isaura  abbildet*),  etwas 
ähnliches  sein  sollten? 

Directe  Versuche  über  die  Reproduclionskraft  der  Lim- 
netis  habe  ich  nicht  angestellt,  doch  sind  mir  bei  der  Unter- 
suchung der  Extremitäten  niemals  Parlieen  aufgefallen,  an 
welchen  Spuren  von  Reproduction  sichtbar  gewesen  wä- 
ren. Oefters  fehlte  den  vordem  Füssen ,  auch  wohl  den 
Ruderantennen  ein  grösseres  oder  kleineres  Stück  ihres  End- 
theils,  oder  der  Schale  ein  Stück  ihres  Randes,  dann  er- 
schienen aber  jedesmal  die  Wundränder  scharf  begrenzt  und 
schwarz  gefärbt ,  eine  Beobachtung  ,  welche  auch  Joly  bei 
Isaura  gemacht  hat  2}.  Dasselbe  sieht  man  mitunter  sogar  an 
Borsten  unserer  Limnetis,  welche  nahe  der  Basis  abgebrochen 
sind.  Aus  Joly's  Untersuchungen  über  die  Artemia  salina 
entnehmen  wir,  dass  abgeschnittene  Körpertheile  nie  ersetzt, 
das  Leben  durch  solche  Operation  vielmehr  meistens  gefähr- 
det wurde. 

So  ergeben  sich  denn  aus  diesen  Untersuchungen  für 
die  Gattung  Limnetis ,  theils  als  Bestätigung ,  Iheils  als  Er- 
gänzung von  Loven's  und  Lievin's  Arbeiten  folgende  Re- 
sultate: 

1.  Die  Larve,  deren  Gestalt  unmittelbar  nach  dem 
Auskriechen  aus  dem  Ei  noch  unbekannt  ist,  hat,  wenn  sie 
eine  Länge  von  '/j  Lin.  erreicht,  einen  flachgewölbten  Rük- 
kenschild ,  einen  noch  nicht  beweglichen  vorn  conischen 
Kopftheil  mit  zwei  gewaltigen  Seitenstacheln,  eine  auffallend 
grosse,  ebenfalls  nicht  bewegliche  Lippenplatle ,  die  von  der 
Bauchseite  des  Kopfes  abgeht ,  und  nach  hinten  und  unten 
gerichtet  ist ,   nur  ein  einfaches  Auge  und  zwei  Paar  Ruder- 


1)  Annales  des    scienc.   natur.  Seconde   Serie  Tom.  XVIL  pl.8. 
Fig.  18. 

2)  L.  c.  p.339. 


128  Grube: 

extremitäten,  von  denen  das  vordere  zu  den  Ruderantennen, 
das  hintere  zu  den  Mandibeln  des  erwachsenen  Thieres  v^^ird. 

2.  In  diesem  Zustande  entstehen  allmählich  auch  die 
Rumpffüsse  (doch  ohne  in  Thätigkeit  zu  treten) ,  die  zusam- 
mengesetzten Augen ,  und  mit  ihnen  gleichzeitig  Herz  und 
Blutbevvegung. 

3.  Durch  eine  Häutung  (nach  ungefährer  Rechnung  am 
4ten  oder  öten  Tage  nach  dem  Ausschlüpfen  aus  dem  Ei) 
geht  das  Thierchen  in  die  Form  über,  die  es  fortan  behält, 
d.  h.  es  bekommt  eine  zweiklappige  Schale,  einen  beweglichen 
Kopf  und  Oberlippe,  Tastantennen  und  lappig  eingeschnittene 
blattartige  borstenrandige  Rumpffüsse,  deren  Zahl  anfangs  nicht 
mehr  als  5  bis  6  beträgt.  Ruderantennen  und  Mandibeln  ha- 
ben die  auch  weiterhin  bestehende  Gestalt ,  doch  sind  jene 
erst  dreigliedrig. 

4.  Im  erwachsenen  Zustande  zeigt  der  Stamm  des  Ner- 
vensystems die  Form  einer  Strickleiter ,  indem  die  Bauch- 
stränge ziemlich  weit  von  einander  abstehen,  und  durch  Quer- 
fäden verbunden  sind. 

5.  Der  Mundring  ist,  wie  gewöhnlich,  bedeutend  in 
die  Länge  gestreckt,  seine  Schenkel  in  der  Mitte  ihres  Ver- 
laufs durch  einen  Quernerven  verbunden ,  geben  die  Aeste 
für  die  Ruderantennen  ab. 

6.  Das  einfache  Auge  verkümmert  im  erwachsenen 
Zustande,  die  zusammengesetzten  vereinigen  sich,  ohne  ganz 
zu  verschmelzen,  auch  bleiben  ihre  Sehnerven  getrennt. 

7.  Das  Herz  ist  kurz  und  erstreckt  sich  durch  die  vier 
ersten  fusstragenden  Segmente. 

8.  An  der  Schale  kann  man  drei  Blätter  unterschei- 
den; dem  mittleren,  einer  weichen  von  zahlreichen  Blut- 
strömchen  netzartig  durchzogenen  Schicht,  verdanken  die  an- 
deren ihre  Entstehung,  sie  bilden  die  Ueberzüge  und  ent- 
sprechen der  Epidermis. 

9.  Die  Fasern  des  Schalenschliessmuskels  entspringen 
aus  der  mittleren  Schicht,  welcher  auch  die  ihn  in  einem 
Oval  umgebenden  concentrischen  Kanäle  angehören. 

10.  Der  äussere  Ueberzug  der  Schale  ist  das  stärkste 
und  festeste  Blatt  derselben ,    der  innere  dagegen  sehr  zartj 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  129 

woher  wahrscheinlich  an   der  Innenfläche  dieses    blutreichen 
Organs  die  Respiration  vor  sich  geht. 

11.  Die  Schale  besieht  aus  zwei  durch  eine  elasti- 
sche Rückenfalte  verbundenen  Klappen  ,  das  obere  und  un- 
tere Blatt  der  Falte  geht  in  die  Haut  des  Kopfes  und  Rum- 
pfes über. 

12.  Der  Bau  der  Füsse  stimmt  am  meisten  mit  Esthe- 
ria  cisaura)  überein;  die  Rückenanhänge  ihres  Aussenrandes 
(Branchialanhänge)  ,  besonders  der  unbehaarte  scheint,  wie 
die  Schale,  besonders  als  Respirationsorgan  zu  dienen. 

13.  Der  Darmkanal  ist  ein  gerades  Rohr;  die  beiden 
kurzen  einfachen  Blindsäckchen  des  Larvenmagens  bilden 
sich  zu  den  grofsen  vielfach  gelappten  Secretionsorganen  aus, 
welche  beim  erwachsenen  Thier  bis  in  die  Spitze  des  Kopf- 
schnabels herabreichen  und  in  den  Magen  münden. 

14.  DieOeffnung,  durch  welche  die  Eier  hervortreten, 
befindet  sich  am  Grunde  und  zwar  an  der  Aussenseite  ei- 
nes rechts  und  links  am  Rücken  sitzenden,  häutigen,  dreizipf- 
ligen Blattes  ,  das  sich  über  die  3  hintersten  fusstragenden 
Segmente  erstreckt. 

15.  Die  griffeiförmigen  beweglichen  Stiele,  des  9ten  und 
lOten  Fusspaars,  um  welche  sich  die  befruchteten  Eier  be- 
festigen ,  sind  eine  Umwandlung  der  borstenrandigen  äusse- 
ren Rückenanhänge  der  vorderen  Füsse. 

16.  Die  männlichen  Oeffnungen  liegen  an  derselben 
Stelle,  an  welcher  die  weiblichen,  doch  bleibt  das  Blatt,  das 
sie  bedeckt,  rudimentär. 

17.  Bewegliche  Samenkörperchen  fehlen,  vielmehr  bil- 
den sich  nur  rundliche  Samenballen. 

18.  Die  Begattung  ist  eine  innerliche. 

19.  Die  Uebertragung  des  Samens  muss ,  da  beson- 
dere Ruthen  fehlen  ,  durch  die  hintern  Fusspaare  gesche- 
hen ,  während  die  Greiffüsse  des  Männchens  das  Weibchen 
an  der  Schale  gepackt  haben. 

20.  Keines  der  beiden  Geschlechter  ist  der  Zahl  nach 
merklich  überwiegend. 

21.  Männchen  und  Weibchen  sind  schon  äusserlich  un- 
terscheidbar : 

Archiv  f.  Natursescb.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  9 


ISO  Grube: 

a)  durch  die  Gestalt  des  Kopfes,  dessen  Schnabel  beim 
Männchen  in  eine  abgestutzte  ,  beim  Weibchen  in 
eine  scharfe  Spitze  ausläuft. 

b)  durch  die  Zahl  der  Fusspaare  ,  die  beim  Männchen 
nur  10,  beim  Weibchen  12  beträgt. 

c)  durch  die  Beschaffenheit  der  hintern  drei  fusstragen- 
den  Segmente  ,  auf  denen  bei  den  Weibchen  jeder- 
seits  ein  ansehnliches  dreizipfliges  Blatt  hervorragt. 

d)  durch  die  Beschaffenheit  des  9len  und  lOten  Fuss- 
paars,  dessen  Rückenanhänge  beim  Weibchen  grif- 
feiförmig sind  und  die  Eier  tragen,  beim  Männchen 
fehlen. 

22.  Indem  die  Pfützen,  welche  den  Limnetis  zum  Auf- 
enthalt dienen,  im  Sommer  austrocknen^  gehen  die  ausgebil- 
deten Thiere  unter  und  es  erhalten  sich  nur  die  Eier. 

23.  Die  Entwicklung  der  Eier  fällt  in  das  erste  Frühjahr. 

24.  Sowohl  in  der  Organisation  wie  in  den  Lebensver- 
hältnissen schliefst  sich  Limnetis  am  meisten  an  Estheria 
(Isaura)  an. 


II. 


Da  mich  die  Untersuchungen  über  den  Bau  und  die  Ent- 
wicklung der  Limnetis  und  ihre  Vergleichung  mit  den  übri- 
gen Phyllopoden  zu  einer  genauem  Durchsicht  dieser  Gruppe 
nöthigten,  so  glaube  ich  späteren  Bearbeitern  Zeit  zu  erspa- 
ren ,  wenn  ich  hier  eine  Zusammenstellung  sämmllicher  Gat- 
tungen und  Arten  folgen  lasse,  und  mit  einigen  kritischen 
Bemerkungen  begleite.  Es  werden  im  Ganzen  '9  Gattungen 
aufgeführt:  Branchipus  Schaff.,  Artemia  Leach,  Polyartemia 
S.  Fisch.,  Eulimene  Latr.,  Apus  Schaff.,  Limnetis  Lov.,  Esthe- 
ria Rüpp.,  Limnadia  Brong.  und  Nebalia  Leach.  Von  diesen 
stehen  die  erstgenannten  acht  in  einer  nähern  Verwandtschaft, 
während  Nebalia ,  deren  Innern  Bau  wir  freilich  noch  nicht 
kennen,  sich  jedenfalls  durch  die  Beschaffenheit  ihrer  Extre- 
mitäten und  nach  den  Andeutungen  von  Kröyer  auch  durch 
ihre  Jugendzuslände   weiter   von  ihnen    entfernt,   und  nach 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  131 

Milne  Edwards  den  Uebergang  von  Apus  zu  Mysis  zu  bilden 
scheint,  weshalb  wir  sie  zuletzt  betrachten  wollen.  Jene  acht 
lassen  sich  nach  ihren  Bedeckungen  leicht  in  drei  Abthei- 
lungen bringen,  wie  die  folgende  Uebersicht  zeigt. 

A.     Phyllopoden  i.  e.  S. 

1 .  Körper  nackt :  Branchipus,  Polyartemia,  Artemia,  Eulimene, 

2.  3.     Körper grossen-l  ^   „..  ,         , -u  n    i  ^■^u^     » 

^  2.  Ruckenschild  flach  gewölbt:  Apus. 

theils   oder    ganz    vonL,    „..  ,         ,  ., ,       .  ... 

„     ,         ,  ., ,  (3.  Ruckenschild     eine     zweiklappige 
einem      RückenschildeK   ,    ,       _.       ,.     t^.,     .      t-        i- 

,     ,  Schale:  Limnetts,  Esthena.  Ltmnadia. 

bedeckt  | 

1.  Bei  den  Phyllopoden  der  ersten  Abtheilung  (Familie  Bran- 
chipiens  Edw.)  haben  wir  einen  vom  Rumpf  abgesetzten  und 
durch  eine  quere  Einschnürung  zweitheiligen  Kopf,  mit  ge- 
stielten beweglichen  Augen ,    und  zwei  ansehnlichen  Anten- 
nenpaaren ,   von  denen  keines   als  Bewegungsorgan  dient  0 ; 
das  vordere  derselben  oder  das  erste  sitzt  über  dem  andern, 
und  ist  borstenförmig ,  dieses  aber  hat  die  Gestalt  von  Hör- 
nern ,  entwickelt  sich  bei  den  Männchen  bei  weitem  stärker 
und  wird  zum  Ergreifen  und  Halten    der  Weibchen   bei  der 
Begattung  benutzt.     Am  hintern  Kopftheil  sitzen   1  PaarMan- 
dibeln  und  2  Paar  Maxillen^  deren  zweites  rudimentär.    Die 
Vorderhälfte  des  Rumpfes  trägt  wenigstens  UFusspaare,  die 
hintere  ist  fusslos,  und  endet  in  zwei  mehr  oder  minder  aus- 
gebildete Blättchen,  an  den  Füssen  kann  man  keinen  Kiefer- 
fortsatz unterscheiden  ,   und  von  den  Anhängen  des  Aussen- 
randes  ist   der    haarlose   (schlauchförmige)  Branchialanhang 
seitlich  und  nach  unten  gerichtet,  über  ihm  kommen  ein  oder 
zwei  ebenfalls  unbehaarte  und  sehr  zarte  Blätter  vor ,    nach 
innen  wie  ober-  und  unterhalb  ein  schmaler  behaarter  An- 
hang, derTarsallappen,  der  untere  Tibiallappen  ist  der  grösste, 
die  übrigen  winzig.     Die  Füsse  dienen  allein  zur  Ortsbewe- 
gung.     Männchen  und  Weibchen  tragen  unten  an  den  vor- 
dersten   fusslosen  Segmenten    einen  Beutel ,    der   den  grös- 
seren Theil  der  Genitalien  ,  und  beim  Weibchen   namentlich 
die  reifen  Eier  enthält  (vgl.  p.  121.). 

1)  Vgl.  die  Figuren  1—5.  Taf.  VIII.  dieser  Abhandlung,  welche 
sich  überhaupt  auf  Branchipus   beziehen. 


132  Grube: 

Wenn  die  Larven  aus  dem  Ei  schlüpfen ,  besitzen  sie 
3  Paar  Kopfextremitäten,  von  denen  die  beiden  hintern  (dem 
2ten  Antennenpaar  und  den  Mandibeln  entsprechenden)  zum 
Rudern  dienen,  die  vordem  wie  bei  den  Erwachsenen  ge- 
staltet sind.  Von  den  Schwanzanhängen  sieht  man  noch 
keine  Spur. 

Die  drüsigen  Magenanhänge  dieser  Phyllopoden  entvvik- 
keln  sich  wenig  ,  ihr  Herz  erstreckt  sich  durch  den  ganzen 
Rumpf,  und  die  Eileiter  machen  lebhafte  Bewegungen,  durch 
welche  die  Eier  beständig  hin  und  her  geschoben  werden. 

Was  die  Aufstellung  der  Gattungen  betrifft,  so  ist  zu- 
vörderst zu  untersuchen  ,  ob  die  Gattung  Artemia  auch  fer- 
nerhin von  Branchipus  getrennt  bleiben  darf,  dessen  nahe 
Verwandtschaft  alle  Forscher  anerkannt  haben.  Der  Grund, 
welcher  Leach  zur  Gründung  dieser  Gattung  bewog ,  war 
nach  Edwards  die  Endigung  des  Leibes,  dessen  letztes  Seg- 
ment bei  Branchipus  2  ansehnliche  ringsum  mit  Borsten  be- 
setzte Blättchen  trägt ,  bei  Artemia  einfach  zweilappig  sein 
soll  (simplement  bilobe).  Joly  beschreibt  aber  an  diesem 
Segment  der  Artemia  salina  ')  zwei  nicht  unansehnliche  fin- 
gerförmige Fortsätze  ,  oder  wie  er  sie  p.  289.  nennt,  „An- 
hänge" (appendices) ,  welche  freilich  nur  an  der  Spitze  mit 
Borsten  versehen  sind,  bei  andern  Arten  schrumpfen  sie  zu 
blossen  Knöpfchen  ein.  Edwards  fügt  ferner  hinzu  die  min- 
der deutliche  Ringelung  des  Körpers,  die  starke  Entwicklung 
der  Oberlippe,  und  die  Beschaffenheit  der  untern  Antennen, 
welche  weder  borstenartige  Fortsätze  noch  fingerförmige  An- 
hänge trügen.  Den  Leib  finde  ich  nur  schlanker,  nicht  eben 
weniger  deutlich  gegliedert,  die  fusslosen  Segmente  gestreck- 
ter und  dünner  als  hei  den  Branchipus  ,  und  ihre  Anzahl 
würde  nach  Joly  nur  6  betragen ,  wogegen  Branchipus  deren 
9  besitzt.  Die  Oberlippe  scheint  nicht  ansehnlicher  als  bei 
diesen,  ist  freilich  beiA.  salina  nach  Joly  entschieden  abge- 
stutzt, und  oblong  mit  flach  gerundeten  Seitenrändern,  beiA. 
Milhausenii  dagegen  nach  hinten  verschmälert,  fast  dreieckig  ; 
bei  den  von  mir  untersuchten  beiden  Arten  von  Branchipus 
und  auch  bei  Br.  diaphanus  (nach  Prevost)   endet  sie  in  ei- 


1)  Annal.  des  scienc.  nat.   Seconde  ser.  Tom.  XllL 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  133 

nen  dreieckigen  Lappen.  Was  endlich  Milne  Edwards  von 
den  untern  Antennen  sagt,  konnte  sich  nur  auf  diese  Organe 
bei  den  Weibchen  beziehen  ,  da  man  damals  die  Männchen 
nicht  genauer  kannte  und  die  erste  von  Schlosser  gegebene 
Beschreibung  derselben  theils  nicht  ausführlich  genug  war, 
theils  geradezu  bei  Seite  geschoben  wurde.  Seitdem  wir  nun 
durch  Herrn  Dr.  S.  Fischer  von  einer  Art  Arteniia  wenig- 
stens das  Männchen  kennen  ')?  wissen  wir,  dass  hier  die  un- 
tern hornförmigen  Antennen  einen  ähnlichen  warzenartigen 
Basalauswuchs  zeigen,  wie  manche  Branchipusarlen ;  Borsten 
und  fingerförmige  Fortsätze  sind  auch  kein  allgemeiner  Cha- 
rakter für  die  Männchen  der  Gattung  Branchipus.  Man  könnte 
in  der  Form  des  Eierbehälters  und  in  dem  Bau  der  Füsse 
einen  unterscheidenden  Charakter  suchen :  der  erstere  wird 
bei  Artemia  salina  aufgebläht  herzförmig,  bei  arietina  kuglig 
und  hinten  zugespitzt  beschrieben,  während  er  bei  den  Bran- 
chipus fast  spindelförmig  oder  conisch  gerundet  ist,  aber  A. 
Köppeniana  scheint  sich  in  dieser  Hinsicht  den  Branchipus  zu 
nähern.  Die  Füsse  zeigen  zwar  in  der  Anordnung  der  Fe- 
moral-, Tibial-  und  Tarsallappen  keine  Abweichung,  ihnen 
würden  jedoch,  wenn  man  nach  Rathke's  Abbildung  urtheilt, 
die  zarten  Blätter  des  Aussenrandes  fehlen  ,  die  über  dem 
haarlosen  schlauchförmigen  Branchialanhang  bei  Branchipus 
sitzen.  Joly's  Figur  aber  stellt  uns  allerdings  ein  solches 
sehr  durchsichtiges  Blatt  (pl.  8.  Fig.  7.  /?)  dar  -)  ,  und  ich 
glaube  es  an  den  schon  viele  Jahre  inAVeingeist  aufbewahr- 
ten Exemplaren  unserer  Artemia  Milhausenii  ebenfalls  erkannt 
zu  haben.  An  der  einfachen  Zahl  dürfen  wir  keinen  Anstoss 
nehmen,  da  sie  auch  bei  Branchipus  torvicornis  vorkommt: 
bei  Br.  diaphanus  und  Josephinae  giebl  es  deren  zwei,  allein 
sie  sind  kleiner  und  zusammengenommen  etwa  so  gross  wie 
jenes  eine;  bei  Br.  spinosus  ist  vielleicht  das  grössere  ovale 
Blatt  c  das  von  Milne  Edwards  „vesicule  branchiale  represen- 
tant  le  fouet«  genannt  wird  ,  das  in  Rede  stehende  und  der 
unter  ihm  befindliche  schmale  und  kurze  Anhang  der  schlauch- 


1)  Middendorf's  Sibir.    Reise  ßranchiopod.   p.  10.  Artemia  arie. 
tina  Taf.  VII.  Fig.  32. 

2)  Anna),    des  scicnc    natur.  Sccondo  ser,  Tom.  XIII.  p.  236, 


134  Grube; 

förmige  der  andern  Arten.  So  würden  denn  die  angeblichen 
Unterschiede  zwischen  Artemia  und  Branchipus  theils  fort- 
fallen, theils  wenigstens  nicht  so  bedeutend  erscheinen ,  um 
darnach  zwei  Genera  aufzustellen  ,  und  selbst  das  ist  kein 
durchgreifender  Charakter,  dass  alle  Branchipus  im  süssen, 
alle  Artemien  aber  in  salzigem  Wasser  leben,  da  Br.  spino- 
susNordm.  in  einem  Salzsee  gefunden  wird;  ich  würde  dem- 
nach, so  lange  keine  durchgreifenderen  Untersuchungen  an- 
gestellt sind ,  die  Artemien  als  eine  besondere  Gruppe  der 
ersteren  Gattung  unterordnen. 

Auch  über  die  Begründung  der  von  Latreille  aufgestell- 
ten Gattung  Eulimene  hege  ich  einigen  Zweifel:  eine  Abbil- 
dung liegt  nicht  vor  ,  Latreille  und  Risso  scheinen  die  ein- 
zigen, die  dieses  im  Meerwasser  lebende  Thierchen  gesehen 
haben,  die  Beschreibung  des  ersteren  ist  mir  nicht  genügend, 
und  der  letztere  fügt  nichts  hinzu.  Die  Zahl  der  Fusspaare 
ist  wie  bei  den  bisher  betrachteten  Gattungen  II,  die  Anten- 
nen werden  kurz,  fast  fadenförmig  genannt,  doch  zwei  klei- 
ner beschrieben  (plus  petites,  presque  semblables  ä  des  pal- 
pes,  placees  ä  l'extremite  anterieure  de  la  tete),  was  ganz 
gut  auf  die  untern  Antennen  bei  den  Weibchen  von  Artemia 
passen  würde.  Der  kuglige  Körper  am  oten  Fusspaar  könnte 
ein  blasenartiger  aufgetriebener  Branchialanhang  sein,  womit 
ihn  auch  Latreille  selbst,  auf  Apus  hinweisend  vergleicht,  aber 
sehr  abweichend  von  allem  Bekannten  klingt  das,  was  über  die 
Endigung  des  Körpers  gesagt  wird.  Immediatement  apres  les 
pates  branchiales  une  piece  terminale  presque  globuleuse  rem- 
plagant  la  queue  et  de  laquelle  sort  un  filet  allonge,  qui  est 
peutetre  un  oviduct  i).  Desmarest  —  ich  weiss  nicht  ob 
aus  eigener  Anschauung  —  vervollständigt  „une  piece  ren- 
flee  presque  demi-globuleuse,  remplie  d'une  matiere  noirätre, 
terminant  le  corps  poslerieurement  et  rempla^ant  la  queue, 
de  laquelle  sort  un  filet  semblable  ä  un  boyau  alonge,  aussi 
noirätre,  que  M.  Latreille  soupgonne  etre  un  oviductus  2). 
Ein  Blick  auf  die  Abbildung  einer  Artemia  legt  hier  dieVer- 
muthung  nahe,  dass  der  halbkuglige  mit  schwärzlichem  Inhalt 


1)  Milne  Edwards  Hist.  nat.  des  Crustac.  Tom.IIL  p.  371. 

2)  Desmarest.  Consider.  p.394. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  l^i 

gefüHtc  Theil  nichts  anderes  als  der  Eiersack,  und  der  von 
ihm  ausgehende  schwärzliche  Faden  nichts  anderes  als  das 
sehr  dünne,  über  ihm  fortgehende  und  den  Darm  enthallende 
Schwanzende  sei.  Leach  führt  das  vonLatreille  beschriebene 
Thier  nicht  als  eigene  Gattung ,  sondern  als  eine  Art  von 
Artemia  auf,  worin  ich  ihm  folge. 

Es  bleibt  noch  die  ganz  kürzlich  von  S.  Fischer  aufge- 
stellte Gattung  Polyartemia  übrig  ') ,  welche  von  Branchipus 
darin  abweicht,  dass  die  Zahl  der  Fusspaare  statt  11,  19  und 
dagegen  die  Zahl  der  fusslosen  Segmente  nur  3  oder  4,  auch 
die  Gestalt  der  untern  Antennen  oder  Hörncr  des  Männchens 
entschiedener  gabiig  ist.  Wenn  Avir  uns  hier  auch  in  einer 
Gruppe  der  Cruslaceen  bewegen  ,  bei  welchen  die  Zahl  der 
Rumpfextremitäten  nicht  ein  solches  Gewicht  in  die  Wagschale 
legt  wie  bei  den  Malacostracis,  wenn  wir  sie  in  andern  Gat- 
tungen dieser  Gruppe  sogar  schwanken  sehen ,  so  scheint 
doch  die  Vermehrung  einer  nicht  eben  bedeutenden  Zahl  um 
mehr  als  zwei  Drittel  kein  unerhebliches  Moment,  und  ich  möchte 
deshalb  eine  generische  Trennung  dieser  Form  von  Branchi- 
pus unterstützen ,  wenn  uns  nicht  unter  den  Arten  der  Gat- 
tung Apus  eine  bekannt  geworden  wäre ,  deren  Fusszahl  von 
den  andern  um  mehr  als  die  Hälfte  abwiche.  Die  gabiige 
Gestalt  der  Hörner  würde  sich  ohne  Mühe  auf  Branchipus 
zurückführen  lassen,  wie  denn  auch  bei  manchen  Arten  die- 
ser Gattung  ein  mittlerer  Stirnlappen  begegnet. 

Branchipus  Schaff. 

Corpus  gracile,  nudum  in  foliola  2  setosa  vel  nuUa 
exiens. 

Caput  transverse  bipartitum  ,  fronte  rotundata  vel  lo- 
bata,  oculis  compositis  mobilibus  pediculatis  2,  simplici  uno; 
antennae  superiores  (anteriores)  filiformes  ,  apice  setigerae, 
articulis  obsoletis  longis  vel  nullis,  inter  oculos  positae,  in- 
feriores (posteriores  ceterorum  Crustaceorum)  validae,  cur- 
vatae,  corniformes,  articulis  2  vel  pluribus,  in  maribus  ma- 
iores,  magis  compositae;  partes    oris:   labrum  longiusculum, 


1)  Middend,  Sibir.  Reise  Branchiop.  p.  8.  Tab.  YIL  Fig.  %^-28: 


136  Grube: 

mandibulae  2,  maxillae  elaborataeS  (barbillons  de  mandibu- 
les  Prev.)j  papillaeformes  2  (papilles  Prev.). 

Segmenta  pedigera  11  — 19,  nuda  9—4,  horum 
anteriora  2  genitalia  externa  ferentia. 

Fe  des  foliacei,  laciniati ,  lobis  marginis  interioris  5, 
maxillari  haud  prominente,  tibiali  infimo  maximo,  ceteris  mi- 
nimis,  tarsali  plus  minus  angusto  appendicibus  marginis  ex- 
terioris  2  ad  3,  omnibus  nudis,  superioribus  1  vel  2  foliaceis, 
inferiore  dependente  utriculari. 

Ova  theca  saccove  ventrali  inclusa  a  primis  segmen- 
tis  nudis  dependente;  penes  2,  basi  iuncti ,  ovorum  thecae 
quodammodo  similes  Larvae  nudae,  pedibus  nalatoriis  utrin- 
que  2  0,  antennis  anterioribus  2. 

Conspectus  specierum. 

A.  Pedum  paribus  11,  corpore  gracili,  segmentis  apo- 
dibus  9 ,  aeque  longis  ac  latis  vel  paulo  tantum  longioribus, 
appendicibus  caudalibus  angustis,  elongatis,  depressis,  acutis, 
circum  circa  setosis.     {Branchipus  s.  str.). 

1.  Br,  ferox. 

Branchipus  ferox  Milne  Edw.hist.  nat.  des  Crust.  Tom.  III. 
p.  369. 

Im  süssen  Gewässer  bei  Odessa. 

2.  Br.  spinös  US. 

Branchipus  spinosus  Nordm.  ,  M.  Edw.  Hist.  nat.  des 
Crusl.  Tom.  III.  p.  367.  pl.  35.  Fig.  9. 

In  dem  Salzsee  Hadjibe  bei  Odessa  (Nordmann). 

3.  Br.  lacunae. 

Branchipus  lacunae  Guer.  Iconogr.  Crust.  p.  39.  pl.  33. 
Fig.  4. 

In  kleinen  Lachen  auf  den  Sandsteinfelsen  bei  Fon- 
tainebleau  (Guer.).  Das  Weibchen  scheint  unbekannt ,  vom 
Männchen  ist  nur  der  Kopftheil  beschrieben. 

4.  Br.  Middendo  rfianus. 


2)  Den  Ausdruck  pedes   habe  ich  hier  im  weitesten  Sinne  für 
Extremitäten  gebraucht. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  137 

Branchipus  Middendorßamis  S.  Fischer  in  Middendorf's 
Sibir.  Reise  Branchiopod.  und  Entomostr.  p.  7.  T.  VII.  F.  17—23. 

Von  Middendorf  am  Taimyrfluss  und  der  Boganida  im 
nördlichsten  Sibirien  und  bei  Triostrowa  in  Lappland  ge- 
sammelt ,  desgleichen  auf  der  Uralexpedition  unter  Hofmann. 

Dieser  Art  nahe  verwandt,  vielleicht  mit  ihr  identisch 
ist:  Branchipus  paludosus  Müll.  Zool.  Dan.  Vol.  II.  p.  10 
Tab.XLVIll.  Fig.  1—8.,  cop.  Encycl.  method.  Crust.  pl.  336. 
Fig.  12.  13.  und  Herbst  Nalurg.  der  Krabb.  Bd.  Il.Tab.  XXXV. 
Fig.  3—0.,  der  in  Grönland  vorkommt. 

5.  Br.  torvicornis, 

Branchipus  torvicornis  Waga  Ann.  de  la  sog.  entom. 
de  France  Tom.  XI.  1842.  p.  261.  pl.  II.  Fig.  1—4.  Hieher 
ziehe  ich  auch :  Branchipus  auritus  Koch  Deutschi.  Crust. 
Arachn.  Myriap.  Heft  35.  Taf.  1.  ($  nach  einem  Weingeist- 
exemplar gezeichnet). 

Bei  Odolany  unweit  Warschau  mit  Estheria  tetracera  in 
einem  tiefen  trüben  Weiher  gefunden  (Waga). 

6.  Br.  caffer. 

Branchipus  caffer  Loven,  Öfvers.    Vet.  Acad.  Förhandl. 
1846.  p.  57.  (Wiegm.  Archiv.  1847.  IL  p.  203.,  1849.  IL,  327.). 
Aus  dem  KafFernlande. 

7.  Br,  stagnalis. 

Apus  pisciformis ,  der  fischförmige  Kiefenfuss  Schäffer 
Abhandl.  von  Insect.  Bd.  IL  1764.  c.  tab.,  cop.  Herbst  Naturg. 
der  Krabben  und  Krebse  Bd.  IL  Tab.  XXXV.  Fig.  8—10., 
Schrank  Fauna  boica  Bd.  HL  p.  250. 

Branchipus  pisciformis  Schaff.  Elementa  entomol.  Tab. 
XXIX.  Fig.  6—7.  (nach  Milne  Edw.). 

Cancer  stagnalis  Linn.  Fauna  Suec.  N.  2043.  Syst.  naL 
Ed.  XIL  p.  1056.,  Gmel,?  Fabric.  Fauna  groenl.  p.  247. 

Gammarus  s^a^wa/««  Fabric.  Entom.  System  Tom.  IL  p.  5 10. 

Branchipus  s/a^wa/is  Lam.,  Latr.,  Desm.,  Edw.,  BurmeisL 
Organis,  der  Trilobiten  Taf.  VI.  Fig.  3.  ,  6.,  12.,  14.,  Budge 
Verhandl.  des  naturhist.  Vereins  der  Rheinl.  1846.  p.  88. 

Branchipus  Schäfferi  Thomps.  Zool.  Research.  Fase.  7. 
pl.3.  Fig.  1—3.  (M.  Edw.) 

Hieher   ziehe    ich   auch:   Branchipus   mekmurus    Koch 


138  Grube: 

Deutschi.  Crust.  Araohn.  Myriap.  Heft  35.  Taf.  2.  ($  nach  ei- 
nem Weingeistexemplar  gezeichnet). 

Bei  Regensburg  in  einem  regnigen  Sommer  im  August 
und  September  gefunden  (Schaff.),  bei  Ingolstadt  und  Burg- 
hausen (Schrank)  ,  in  der  Rheinprovinz  und  Westphalen 
(Budge),  in  der  Umgegend  von  Paris  (M.  Edw.).    ~ 

8.  Br.  Josephitiae.  Grube  nov.  spec.  Taf.  VIII. 
Fig.  1—5. 

In  Lachen  des  lehmig- sandigen  Devonischen  Bodens 
bei  Dorpat,  jährlich  bis  gegen  Ende  Juni  n.  St.  (Grube). 

9.  Br.  birostratus. 

Branchipus  birostratus  S.  Fisch.  I.  c.  p.  56.  Taf.  VII. 
Fig.  12—16. 

Aus  der  Gegend  von  Charkow. 

10.  B r.  diaphanus. 

Chirocephalus  diaphanus  B.  Prevost,  in  Jurine  Hist.  des 
Monocles  p.  201.  pl.20— 22. 

Branchipus  paludosus  Latr.  Regne  anim.  Ed.  II.  Tom.  IV. 
p.  176.,  Encycl.  method.  Crust.  pl.  336.  Fig.  14— 16.  (Cop. 
Prevost),  Desmar.  Consider.  pl.56.  Fig.  2— 5.  (Cop.  Prevost), 
Budge  Verhandl.  des  naturhist.  Vereins  d.  Rheinl.  1846.  p.  86. 
c.  tab. 

Branchipus  chirocephalus  Guer.  Iconogr,  Crust.  pl.  33. 
Fig.  3.  (Cop.  Prevost). 

Branchipus  diaphanus  Milne  Edw.  Hist.  nat.  des  Crust. 
Tom.  III.  p.  368.,  Lievin  Neueste  Schrift,  der  naturf.  Gesellsch. 
in  Danzig.   1848.  Bd.  IV.  Heft.  H.  p.3. 

An  manchen  Orten  in  Frankreich  bei  Montauban  (Pre- 
vost) in  Lachen  auf  Sandsteinfels  bei  Fontainebleau  (Desmar.), 
bei  Toulouse  (Joly)_,  bei  Bonn,  von  Anfang  April  bis  Juni 
gefunden  (Blasius,  Budge),  bei  Danzig  auf  ziemlich  fettem 
Boden  im  April  und  Mai  (Siebold,  Lievin). 

Dasselbe  Thier  scheint  E.  King  bei  Norwich  beobach- 
tet zu  haben.  Phil.  Transact.  Vol.  LVIL  P.  L  1768.  p.  72., 
doch  ist  die  Abbildung  nicht  genau. 

11.  Br.  claviger. 

Branchipus  claviger  S.  Fischer  Middend.  Sibir.  Reise 
Branchiop.  p.  1.  Tab.  VIL  Fig.  1-11. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  139 

Am  Taimyrfluss  in  Sibirien  von  Middendorf  entdeckt. 

B.  Pedum  paribus  II.,  corpore  quasi  lineari,  segmen- 
,  tis  apodibus  6,  multo  longioribus  quam  latis,  appendicibus  cau- 
dalibus  brevibus  ,  apice  tantum  setosis  aut  nullis  (^Artemia 
Leach). 

12.  Bi\  (A)  salinus. 

Cancer  salinus  L.  Syst.  nat.  Ed.  XII.  p.  1056.  Schlos- 
ser in  Gautier  Observ.  period.  sur  la  phys.  1756;,  Gmel.,  Ka- 
chelt Linn.  Transact.  Vol.  XI.  p.  205.  Tab.  14.  Fig.  8— 10. 
(Rathke). 

Gammanis  salinus  Fabric.  Entom.  syst.  Tom.  II.  p.  518. 

Artemia  salina  Leach  Dict.  des  seien c.  nat.  Entomostr. 
Tom. XIV.  p.  543.,  Desm. ,  Latr.  ,  Thomps.,  M.  Edw. ,  Joly 
Annal,  des  scienc.  nat.  Seconde  ser.  Tom.  XIII.  p.  225. 
pl.  7.  und  8> 

Artemisus  salinus  Lam.  Hist.  des  anim.  sans  vertebr. 
Ed.  I.  Tom.  V.  p.  135.  Ed.  II.  Tom.  V.  p.  198. 

In  den  Salinen  bei  Lymington  in  England  (Schlosser) 
und  bei  Montpellier  (Joly). 

13.  Br.  (A.)  Milhausenii. 

?  Cancer  salinus  Fall  Reise  durch  verschiedene  Pro- 
vinzen des  Russ.  Reichs.  Theil  II.  Buch  I.  p.  282.  357.  359. 

Branchipus  Milhausenii,  Fischer  de  Waldheim  Bull,  des 
Natur,  de  Moscou  1834.  Tom.  VII.  p.  452..  Tab.  XVI. 

Artemia  salina  Rathke  Fauna  der  Krym,  Mem.  der  Pe- 
tersb.  Akad.  Th.  III.  p.  105.  Tab,  VI.  Fig.  14-21. 

Artemia  Milhausenii  M.  Edw.  Hist.  nat.  des  Crust.  Tom.  III. 
p.  370.,  S.  Fischer  1.  c.  p.  9.  Tab.  VII.  Fig.  29.  30. 

In  einem  Salzsee  beim  Dorfe  Laak  auf  dem  Wege  von 
Kosloff  nach  Sympheropol  in  der  Krym,  bis  zum  August  (Mil- 
hausen). 

Pallas  in  seiner  Reise  durch  verschiedene  Provinzen  des 
Russischen  Reichs  (Th.  II.  Buch  I.)  erwähnt  an  3  Orten  eines 
Crustaceums,  das  in  einigen  Salzseen  der  Kirgisensteppe  vor- 
kommt und  das  er  Salzassel  Cancer  salinus  nennt.  Diese 
Seen  sind  der  kleine  Kulat-kul  zwischen  dem  Miäss  und 
Ui  (p.  288),   ein  See^  dessen  Wasser  blosses   Kochsalz:  zu 


140  Grube: 

enthalten  scheint,  und  massig  concentrirt  ist,  so  dass  in  ihm 
auch  noch  Cancer  pulex  (Gammarus  pulex  Fabr.  ?)  lebt,  und 
drei  andere  Seen  der  Isetzkischen  Provinz,  welche  Koch-  und 
Bittersalz  enthalten  und  ausser  dem  Cancer  salinus  keine 
andere  Crustaceen  zu  beherbergen  scheinen,  der  grosse  Schime- 
lee  und  der  kleinere  Schimelee-kul  (p.  357}  und  der  sehr 
seichte  Ailaban  (p.  359).  Wahrscheinlich  sind  diese  Thier- 
chen,  die  Pallas  schmal  und  hochroth  beschreibt ,  eine  oder 
mehrere  der  von  S.  Fischer  aufgezählten  Artemia -Arten, 
welche  von  ihnen ,  bleibt  noch  zu  untersuchen.  Sie  sollen 
die  Hauptnahrung  der  dort  zu  grossen  Schaaren  lebenden 
Anas  Tadorna  und  einer  weissen  Möwenart  ausmachen,  und 
ihre  grauen  die  Grösse  eines  Sandkorns  erreichenden  Eier 
wie  Sand  die  Ufer  bedecken. 

14.  Br.  (A.)  Kö ppenianus. 

Artemia  Köppeniana  S.  Fischer  1.  c.  p.  11.  Tab.  VII. 
Fig.  34—37. 

Im  südlichen  Russland  gefunden  (Koppen). 

15.  B r.  (A.)  arietinus. 

Artemia  arietina.  S.  Fischer  1.  c.  p.  10.  Tab.  VII.  Fig. 
24—27. 

Aus  der  Umgegend  von  Odessa. 

16.  Br.  (A.)  Eulimene? 

Eulimena  albida  Latr.  Nouv.  Dict.  d'hist.  nat.  Tom.  X. 
p.  333.  Desmar.,  Risso  Hist.  nat,  des  princ.  product.  d'Eur. 
mer.  Tom.  V.  p.  144. 

Artemia  Eulimene  Leach.  Dict.  des  scienc.  nat.  Tom.  XIV. 
p.  542.  (M.  Edw.) 

C.  Pedum  paribus  19,  corpore  gracili,  segmentis  apo- 
dibus  3  vel  4,  appendicibus  caudalibus  rotundatis,  circumcirca 
setosis  iPoly artemia  S.  Fischer). 

17.  ß  r.  (A.)  forcip  atus. 

Polyarlemia  forcipata.  S.  Fischer  1.  c.  p.  8.  Tab.  VII. 
Fig.  24—28. 

In  Pfützen  der  Tundra  an  den  Flüssen  Taimyr  und  Bo- 
ganida  von  Middendorf  entdeckt. 

Die  Arten  der  Gattung  Brancbipus  sind,  wenn  man  männ- 
Jiche  Thiere  vor  sich  hat ,  nach  der  Gestalt  der  untern  An- 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  14 1 

tenneii ,  die  man  der  Kürze  wegen  auch  wohl  die  Hönier 
(Cornes  cephaliqucs  Edvv.)  nennt,  ziemlich  leicht  zu  unter- 
scheiden ;  sie  sind  bei  ihnen  immer  grösser  als  bei  den  Weib- 
chen und  bald  an  dem  dicken  Wurzeltheil,  bald  an  der  ge- 
streckten mehr  oder  minder  hörn  förmig  gekrümmten  Hälfte 
mit  Borsten,  Zinken  oder  andern  Auswüchsen  versehen,  klei- 
nere kommen  nicht  selten  auch  an  der  Stirn  vor.  Den  Weib- 
chen pflegen  sie  zu  fehlen  ,  und  da  bei  den  Artbeschreibun- 
gen auf  die  übrigen  Körpertheile  und  deren  Verhältniss  we- 
niger Rücksicht  genommen  ist,  dürfte  es  für  jetzt  schwierig 
sein,  die  weiblichen  Thiere  der  verschiedenen  Arten  zu  un- 
terscheiden. Zur  leichteren  Vergleichung  der  für  die  Fuss- 
theile  der  Phyllopoden  gebrauchten  Ausdrücke  gebe  ich  hier 
eine  Zusammenstellung  derselben: 

Processus  maxülaris,  Kieferfortsatz  Gr.,  bei  Bran- 
chipus  nicht  maxillenarlig  ausgebildet:  Afterzahn  Schaff.,  cro- 
chet  cilie  Joly,  Basis  interna  libera  Burm. ,  eigentliches  Kie- 
menblatt Lievin,  Branchialplatte  S.  Fischer^,  Coxa  Zadd. 

Lohns  femoralis,  F  e  m  o  r  a  1 1  a  p  p  e  n ,  Gr. :  spadelähn- 
liche  Spitze  Schaff. 

Lobt  tibiales ,  T  i  b  i  a  1 1  a  p  p  e  n  Gr. :  Blattspitze  ,  After  - 
und  Unterscheere  Schaff.,  Branchialblättchen  und  Ruderlamelle 
S.  Fisch.,  Ruderlappen  Burm. 

Lobus  iarsalis^  T  a  r  s  a  1 1  a  p  p  e  n  Gr. :  Oberscheere  Schaff., 
Palette  Joly,  Endlamelle  F.  Fisch. ,  Ruderlappen  Burm. 

Appendix  hrancMalis  inferior^  unterer  (unbehaarter, 
schlauch-  oder  beuteiförmiger)  B  r  a  n  c  h  i  a  1  a  n  h  a  n  g,  bei  Bran- 
chipus,  entsprechend  dem  interior ,  i nn  ern  Branc hial- 
a  n  h  a  n  g  bei  Apus,  Limnetis  u.  s.  w. :  Beulelchen  Schaff.,  ve- 
sicule  cylindrique  Joly,  Appendix  digitiformis  Loven ,  unte- 
rer Branchialsack  S.  Fisch.,  Branchia  interior  Zadd. 

Appendix  branchialis  superior ^  oberer  Branchial- 
anhang  Gr.  (bei  ßranchipus  vorkommend):  membrane  bran- 
chiale  Joly;  Schulzlappen  Burm.,  oberer  Branchialsack  S.  Fisch. 

Appendix  branchialis  exterior,  äusserer  Branchia  I- 
anhang  Gr.  (bei  Apus  ,  Limnetis  u.  s.  w. ,  aber  nicht  bei 
Branchipus  vorkommend) :  Kiefe  Schaff. ,  Branchia  exterior 
Zadd.,  er  ist  bei  Nebalia,  wie  der  superior  bei  Branchipus, 
unbehaart,  sonst  aber  am  Rande  mit  Borsten  besetzt. 


142  Grube: 

lliag^nosis    sfiecieruin« 

A.     Br  an  Chip  US  s.  slr. 

a.  Fronte  nuda. 

Br.  ferox.  Cornibus  simplicibus  acuminatis,  segmentis 
corporis  haud  armatis,  appendicibus  caudalibus  longis  aiigu- 
stis.  Long.  c.  15  lin. 

Br.  spinosus.  Cornibus  niaris  processu  styliformi  ante 
basin  internam  munitis,  ceterum  simplicibus  aequis„  deflexis, 
segmentis  apodibus  subtus  spina  (simplici?)  armatis ,  pacne 
aeque  longis  ,  longioribus  quam  latis  ,  appendicibus  caudali- 
bus longitudine  segmenlorum  2  proximorum  (iunctorum),  ap- 
pendice  branchiali  superiore  simplici  ovali,  inferiore  ea  haud 
magis  prominente,  lobo  tibiali  infimo  lato,  triangulo,  vix  bre- 
viore  quam  tarsali.     Long.  c.  14  lin. 

B r.  lacunae.  Cornibus  maris  gracilibus  utrinque  den- 
ticulatis,  basin  versus  processum  externum  lunatum  ferenti- 
bus,  curvamine  affixum,  parte  basilari  interna  valida,  libere 
producta ,  margine  interno  bidente  (dentibus  paulo  bifurcis) 
apice  truncata^  introrsum  in  uncum  exeunte.     Long.  6,5  lin. 

b.  Fronte  in  processum  medium  producta. 

Br.  Middendorfianus.  Processu  frontis  membra- 
naceo  triangulo  vel  truncato,  parle  basilari  cornuum  elongata, 
margine  interno  denticulis  10  ad  18  (aciem  haud  excedenti- 
bus)  armato,  apice  corneo,  in  feminis  multo  breviore,  in  ma- 
ribus  modo  breviore  modo  longiore  quam  illa,  quasi  cochlear 
mentiente ,  appendice  branchiali  superiore  simplici,  leniter 
crenata,  breviore  quam  inferiore,  tibiali  infimo  quadrato  ro- 
lundato  apendicibus  caudalibus  brevibus,  ferme  qualer  longio- 
ribus quam  latis ,  selis  c.  20  tantum  cinctis ;  theca  ovorum 
elongata.  Long.  7 — 9  lin. 

Br,  torvicornis.  Processu  frontis  nullo  in  feminis, 
in  maribus  brevi,  triangulo,  cornibus  feminae  lobos  depres- 
sos  oblongos,  oblusos  exhibentibus,  margine  altenuato,  c.  ma- 
ris longissirais  usque  ad  segmentuin  6tum  perlinentibus,  tor- 
luosis,  basin  versus  seta  breviore  ornatis,  apice  bifurcis,  ra- 
mis  furcae  longis,  altero  quasi  recto,  altero  paulo  geniculato, 
longiore,  ad  radicem  dilatato ;  appendice  branchiali  superiore 
simplici,  paulo  crenata ,    breviore  quam  inferiore,  segmentis 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  143 

apodibus  vix  longioribus  quam  latis,  appendicibus  caudalibus 
Br.  stag-nali  similibus ,  theca  ovoriim  coniformi.  Long.  ^/^ 
12  lin.  $  14  lin. 

Bi\  c  äff  er.  Processu  fronlis  rostriformi  lunalo,  cor- 
nibus  longis  flexuosis  ,  appeiidice  brevi  interna,  lacinulata, 
segmentis  corporis  inermibus,  lamina  branchiali  externa  (?) 
maiore,  Integra  (Lov.).     Long.   15  lin. 

Br.  stagnalis.  Processi!  frontis  nullo  in  feminis,  in 
maribus  brevi,  bifurco  ,  ferrum  equinum  mentiente,  cornibus 
feminae  vix  curvalis,  annulatis ,  sensim  acuminatis,  siniplici- 
bus,  c.  maris  multo  longioribus,  corneis,  seta  basilari  supera 
denteque  externo  armatis ,  apice  bidentibus;  seta  cornibus 
antennisque  longiore  ;  appendice  branchiali  superiore  duplici 
ovaii  (Burin.),  segmentis  apodibus  longiludine  decrescentibus, 
postremis  latioribus  quam  longis ,  appendicibus  caudalibus 
praelongis  Iriangulis,  margine  dense  setosis  ,  longitudine  se- 
gmentorum  proximorum  6  Qunetorum);  theca  ovorum  brevi, 
paulo  cordiformi,  ovis  coeruleis.  Long.  6  lin. ;  color  flavens 
vel  viridis^  pellucens. 

c.     Fronte   marium   appendices   papillasve  2  armatas 
gerente 

tt.  Papillis  frontalibus. 
Br.  losephinae  (Taf. iV.  Fig.  1 — 5).  Papillis  frontis 
parvis  subglobosis ,  spinulosis  ,  subtus  ad  radicem  cornuum 
sitis ,  cornibus  maris  ad  basin  internam  processu  valido  fron- 
tem  versus  curvato,  margine  postico  spinoso  armatis,  radice 
crassissimis,  leniter  arcuatis,  medio  tumidulis,  feminae  sub- 
rectis,  simplicibus,  gracilibus;  appendice  branchiali  superiore 
duplici,  breviore  quam  inferiore,  margine  externo  truncato, 
crenulato  ,  lobo  tibiali  infimo  triangulo  rotundato  ,  breviore 
quam  appendice  branchiali  inferiore,  segmentis  apodibus  paene 
quadratis,  appendicibus  caudalibus  longitudine  proximorum  5 
(junclorum)  ,  margine  dense  setosis  ;  theca  ovorum  cylindrata 
oblusa,  Ovis  flavidis.  Long.  7  lin. ;  color  flavens  vel  viridis 
pelhicens^  segmentis  postremis  appendicibusque  saepe  rubricis. 

ß.     Appendicibus   frontis  longioribus, 
Br.  birostratus.    Appendicibus  frontis  longiusculis, 
depressis,  breviter  obsolete  arliculatis ;,  utrinque  spinis  c.  19 


144  Grube: 

pinnatis ,  cornibus  maris  ad  basin  internam  processü  recto 
spinuloso  armatis^  apicebi-  vel  tricarinato  in  uncum  exeunle, 
c.  feminae  simplicibus ,  dorso  segmentorum  corporis  sulco 
mediano  diviso,  primo  apodum  utrinque  in  angulum  producto; 
theca  ovorum  obtusa.     Long.  10 — 12  lin. 

Br.  diaphanus,  Appendicibus  frontalibus  in  spiram 
planam  contortis,  utrinque  dentibus  pinnatis,  ramis  4  digitiformi- 
bus  denticulatis,  inferis,  sibi  adiacentibus,  cornibu  smaris  in  un- 
cum gracilem  obtusum  exeuntibus,  ad  basin  internam  processü 
digitiformi  membranaque  lata ,  triangula ,  crenata  ornatis,  c. 
feminae  brevibus  crassis,  pedibus  ßr.  losephinae  similibus; 
segmentis  apodibus  quadratis  ,  appendicibus  caudalibus  lon- 
gitudine  proximorum  4  (junctorum);  theca  ovorum  quasi  fu- 
siformi ;  ovis  flaventibus.  Long.  9 — 12  lin.,  color  viridis  vel 
flavens,  pellucens. 

Br.  Clav  ig  er.  Appendicibus  frontalibus  in  ramos  8 
—  10  spinulosos  divisis,  cornibus  maris  margine  interno  den- 
ticulis  12 — 15,  aciem  paulo  excedentibus ,  armatis,  apice  bi- 
dente^  fronte  paulo  biloba,  c.  feminae  simplicibus ,  lobo  ti- 
biali  infimo  lato  rotundato ,  spinis  rarioribus  fortioribus  ar- 
mato;  theca  ovorum  longiuscula,  antice  lamina  semicirculata, 
margine  spinulosa  tecta.  Long.  8 — 10  lin.,  color  ex  subfusco 
flavens. 

B.     Artemia. 

a.    Processibus  seligeris  2. 

Br.  (A)  salinus.  Processibus  caudalibus  styliformi- 
bus  ,  setas  5—8  gerentibus  ,  cornibus  gracilibus,  antennis 
filiformibus  apice  simplicibus  lobo  tarsali  pedum  rotundato, 
selis  marginis  fortibus    lt.    Long.  4 — 5  lin. 

Br.  (A)  arietinus.  Processibus  caudalibus  brevissi- 
mis,  conicis  ,  setas  3  gerentibus ,  cornibus  maris  depressis, 
apice  maxime  dilatato,  triangulo ,  parte  basilari  multo  angu- 
stiore,  aequa,  elongata,  tuberculum  subglobosum  anticum  ad' 
radicem  ferente,  antennis  filiformibus  apice  bidentibus,  denti- 
bus inaequalibus;  lobo  tibiali  infimo  infra  setis  fortibus  un- 
clnalis  armato,  tarsali  maxime  prominente;  theca  ovorum 
subglobosa,  postice  paene  triangula.  Long.  4—6  lin. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  l45 

b.     Processibus  caudalibus  minimis  aut  nullis. 

Br.  (A.)  Mil  hau  senil.  Processibus  caudalibus  mi- 
nimis nudis,  cornibus  gracilibus  subrectis,  lobo  tarsali  pedum 
subtus  dilatato^  setis  marginis  fortibus,  rectis  c.  17;  theca 
ovorum  rotundala.     Long.  3 — 4.  lin. 

Br.  (A)  Köppeniana,  Processibus  caudalibus  nullis  apice 
caudae  truncato ,  forma  corporis  B.  arietino  simili ,  pedibus 
longioribus,  lobo  tibiali  infiino  pedum  maxime  fornicato,  se- 
tis marginis  brevibus  tencris ,  cornibus  parvis  quasi  lanceo- 
latis;  theca  ovorum  ovali,  apice  attenuato.     Long.  2,5— 3  lin. 

Br.  CA)  Eulimene  Colore  albido  ,  extremitate  corporis 
oculisque  nigris  (Latr.). 

C.     Polyartemia. 

Br.  (Pj  forcipatus.  Fronlis  limbo  anteriore  plus  minus 
producto,  triangulo,  antennis  (superioribus)  brevibus,  longi- 
tudine  coni  oculigeri,  cornibus  maris  depressis,  processu  ba- 
silari  magno  infero  bifurcis  ,  ad  radicem  tuberculo  interno 
subgloboso  spinuloso  ornatis ,  margine  interno  cornuum  et 
processuum  seriebus  2 — 4  spinularum  armato,  segmentis  pe- 
digeris  19,  apodibus  3  vel  4,  appendicibus  caudalibus  brevi- 
bus ovalibus,  margine  setosis;  theca  ovorum  oblonga.  Long, 
c.  8.  lin. 

2.  Bei  den  Phyllopoden  der  zweiten  Abtheilung  ist 
der  grössteTheil  des  Körpers  von  einem  flach  gewölbten^  je- 
derseits  ein  Oval  von  concentrischen  Kanälen  einschliessen- 
den  Rückenschilde  bedeckt.  Er  ist  mit  dem  Kopf  und  dem 
vordersten  Rumpfsegment  verwachsen,  während  die  übrigen 
Segmente  selbstständig  bleiben  ,  und  trägt  die  festsitzenden 
Augen.  Die  zusammen  gesetzten  Augen  sind  getrennt,  vor 
ihnen  wie  immer  das  einfache  Auge,  hinter  ihnen  ein  Organ 
von  unklarer  Bedeutung,  das  fälschlich  mit  einem  Auge  ver- 
glichen ist  *).  Die  Antennen  sitzen  in  dieser  Gruppe  an  der 
Unterseite  dicht  vor  den  Mandibeln  ,  und  sind  ganz  einge- 
schrumpft, die  vordem  haben  die  Gestalt  kurzer  zweigliedri- 
ger Fädchen  und  existiren  beständig,  die  hintern  aber,  ganz 
winzige  Spitzchen,  scheinen   gar  keine  Bedeutung  zu  haben, 

1)  S.  Zadd.  De  Apodis  cancriformis  anatome  p.  48. 
Archiv  f.  Naturgescb.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  K) 


tA6  Grube: 

während  sie  doch  bei  der  Larve  das  mächtigste  Ruderorgan 
darstellen ,  und  fehlen  sogar  im  erwachsenen  Zustande  oft- 
mals gänzlich.  Ausser  der  Oberlippe  und  denMandibeln  fin- 
den wir  2  Paar  ausgebildete  Maxillen,  und  hinter  diesen  noch 
ein  rudimentäres  zweilappiges  Fusspaar  ')•  I^ie  Fusspaare 
des  Rumpfes  sind  bei  weitem  zahlreicher  als  in  der  ersten 
Gruppe  der  Phyllopoden  —  ihre  Zahl  steigt  bis  auf  60  — 
und  die  Ortsbewegung  wird  allein  durch  sie  vermittelt.  Die 
vorderen  bis  zu  den  eiertragenden  (incl.)  entsprechen  eben 
so  vielen  Segmenten,  und  zeichnen  sich  durch  ihre  Grösse 
aus,  die  hintern  sind  zahlreicher  als  die  Segmentfurchen,  und 
nehmen  rasch  an  Grösse  ab,  bei  jenen  erscheinen  alle  Lap- 
pen schmäler  und  länger,  bei  diesen  breiter  und  kürzer  und 
derTarsallappen  wird  überwiegend,  bei  allen  kommt  ein  Kie- 
ferfortsatz am  Hüftstück,  ein  äusserer  am  Rande  borstentragen- 
der und  ein  innerer  nackter  (beuteiförmiger)  Branchialan- 
hang  vor,  der  letztere  ist  nach  unten  gerichtet.  Die  Tibial- 
lappen  entwickeln  sich  mit  Ausnahme  des  untersten  ungleich 
stärker  als  bei  Branchipus.  Die  letzten  Körpersegmente  sind 
fussloss,  und  das  Endsegment  läuft  in  zwei  lange  Borsten 
aus.  Man  hat  bisher  nur  weibliche  Individuen  kennen  ge- 
lernt, und  diese  tragen  die  Eier  in  einer  zweilappigen  Kapsel, 
welche,  wie  oben  gezeigt  worden,  durch  eine  Umwandlung 
des  äussern  Branchialanhangs  und  der  Fussplatte  entsteht. 
Wenn  die  Larven  aus  dem  Ei  schlüpfen  ,  besitzen  sie  nur  2 
Paar  Kopfextremitäten  (den  Antennen  entsprechend)  und 
noch  keinen  Rückenschild  ,  nach  einmaliger  Häutung  bildet 
sich  dieser,  die  Mandibeln  und  die  noch  ganz  kurzen  Schwanz- 
anhänge. Die  drüsigen  Magenanhänge  der  Erwachsenen  sind 
stark  entwickelt ,  das  Herz  ist  kürzer  als  bei  der  ersten 
Gruppe  und  beschränkt  sich  auf  die  Vorderhälfte  des  Rumpfes. 
Man  kennt  bis  jetzt  nur  eine  Gattung,  und  deren  Arten 
leben  in  Süsswasserlachen  und  Gräben. 

itpus  Schaff. 
Corpus  elongatum  ,    maximam  partem    scuto  dorsuali 


1)  Taf.  Vin.  Fi«.  8. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  147 

piano  oculos  organumque  peculiare  pone  eos  ferente  tectum, 
in  setas  2  longas  annulatas  exiens. 

Caput  et  segmentum  primum  cum  scuto  connatum, 
oculi  compositi  sessiles  2,  simplex  1,  antennae  inferae  an- 
teriores minutae,  biarticulatae,  posteriores  breviores,  saepius 
desideratae  ;  partes  oris :  labrum  subquadratum,  mandibularum 
par  1  ,  maxillarum  paria  2,  pone  eos  par  pedum  minimum 
bilobum  1. 

Segmenta  pedigera  26 — 34  vel  35,  apoda  4 — 16. 

Pedes  foliacei,  laciniati,  lobis  marginis  interioris  5  (ma- 
xillari  1,  femorali  1,  tibialibus  3)  infimo  (tarsali)  1,  appen- 
dicibus  marginis  exterioris  2,  branchiali  interiore  nudo  sim- 
plici,  exteriore  margine  setoso,  lobo  tarsali  pedum  posterio- 
rum  latiore  quam  anteriorum;  pedes  paris  primi  (perfecti) 
lobis  tibialibus  et  tarsali  setaceis,  longissimis. 

Scutum  dorsuale  rotundatum  ,  plane  fornicatum, 
carinatum,  postice  emarginatum,  utrinque  canales  concentri- 
cos  figuram  oblongam  componentes  includens. 

Ova  theca  bivalvi  pedum  11.  paris  contenta. 

Larva  e  initio  nudae,  deinde  scuto  dorsuali  munitae. 

Conspectus  specierum« 

1.     A.  cancriformis. 

Scolopendra  aquatica  scutata  Klein  Phil.  Transact.  1738. 
p.  150.  Tab.  I.  Fig.  A— D. 

Der  krebsartige  Kiefenfuss  mit  der  kurzen  Schwanz- 
klappe Schaff.  Abhandl.  von  Insect.  Bd.  11.    1764.  Tab.  I— V. 

Branchipus  cancriformis  Schaff.  Elem.  entom.  tab.  XXIX. 
Fig.  1.  2.  (nach  Edw.). 

Monoculus  apus  L.  Syst.  nat.  Ed.  XII.  p.  1058.,  Gmel. 

Limulus  palustris  0.  Fr.  Müll.  Entomostr.  p.  127. 

Apus  cancriformis  Latr.  Hist.  nat.  des  Crust.  et  Insect. 
Tom.  IV.  p.  193.  pl.  19—27.,  Sav.  Mem.  sur  les  anim.  sans 
vert.  Fase.  I.  pl.  7.,  Desmar. 

Limulus  cancriformis  Lam.  Hist.  nat.  des  anim.  sans 
vert.  Ed.  I.  Tom.  V.  p.  144.,  Ed.  II.  Tom.  V.  p.  215. 

Binoculus  cancriformis  Leach  Dict.  des  scienc.  nat.  Tom. 
XIV.  p.538.  (nach  Edw.). 


148  Grube: 

Apus  Montagui  Leach  Encycl.  Brit.  Suppl.  Tom.  1. 

In  Deutschland  bei  Regensburg  (Schaff.),  in  Preussen 
bei  Königsberg  in  einer  Pfütze  eines  lehmigen  Feldweges  des 
Gutes  Schanwitz  im  Mai  gefunden  (Grube),  Klein  hatte  sein 
Exemplar  aus  dem  nicht  weit  davon  gelegenen  Uderwangen 
erhalten,  bei  Danzig  und  Marienwerder  in  dem  Graben  eines 
lehmig-sandigen  Bodens  (Lievin),  im  Russischen  Lithauen  im 
Telscheschen  Kreis  bei  Satanty  an  einem  ähnlichen  Fund- 
ort cC  Gorski)  ,  in  Dänemark  wie  in  der  Umgegend  von 
Paris  selten. 

Dieser  Art  soll  sich  nach  M.  Edw.  Apus  Guildingi 
Thomps.  Zool.  Research,  p.  108.  Mem.  VI.  pl.  6.  Fig.  3.  nahe 
anschliessen. 

2.  A.  pro  ductus. 

Der  krebsartige  Kiefenfuss  mit  der  langen  Schwanzklappe 
Schaff.  Abhandl.  v.  Ins.  Bd.  II.  1764.  T.VI. 

Monoculus  apus  L.  Syst.  nat.  Ed.  XII.  p.  1058.,  Faun, 
suec.  1761.  p.  498. 

Limulus  palustris  0.  Fr.  Müller  Entomostr.  p.  127. 

Apus  productus  Bosc  Hist.  des  Crust.  Tom.  II.  p.  244. 
pl  16.  Fig.  7.  (nach  Edw.),  Latr.,  M.  Ed. 

Lepidurus  productus  Leach  Dict.  des  scienc.  nat.  Tom. 
I.  p.  539.  (nach  Edw.),  Desm.  Consid.  p.360.  pl.  52.  Fig.  2., 
Guer.  Iconogr.  Crust.  pl.34.  Fig.  3. 

Limulus  productus  Lam.  Hist.  nat.  des  anim.  sans  vert. 
Ed.  I.  Tom.  V.  p.  144.,  Ed.  II,  Tom.  V.  p.216. 

In  Deutschland  bei  Regensburg  (Schaff.)  ,  in  Preussen 
bei  Königsberg  in  Pfützen  auf  Weideland  im  Mai  (Zaddach, 
Grube);  bei  Dorpat  in  den  Gräben  des  Wäldchens  von 
Rathshof,  auf  lehmig-sandigem  Boden,  mitunter  selbst  in  den 
Gräben  der  Stadt,  die  periodisch  mit  dem  Embachfluss  in 
Verbindung  stehen,  bei  Warschau  (Waga),  in  Frankreich  ge- 
mein, so  bei  Maison - Alfort  (Desm.),  in  Dänemark  (0.  Fr. 
Müller). 

3.  A.  glacialis. 

Apus  glacialis    Kroyer    Naturhist.  Tidsskr.  Neue   Reihe 
Bd.  II.  Heft  IV.  p.  431.  (Wiegm.  Arch.  1849.  II.  p.327.). 
Im  nördl.  Grönland  bei  Jacobshavn  (Dr.  Rudolph). 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  149 

Lepidurus  viridis  Baird  Ann.  of  nat.  bist.  1852.  Second 
Series  Vol.  X.  p.  56.,  nach  der  Angabe  2  Zoll  lang-,  1  Zoll 
breit,  aus  Van  Diemensland.  Ich  kann  ans  der  Beschreibung 
nicht  die  Charaktere  entnehmen,  auf  welche  ich  bei  der  Un- 
terscheidung der  andern  Arten  besonderes  Gewicht  gelegt. 
Die  Originalbeschreibung  lautet:  Body  of  animal ,  including 
the  Aap  of  tail  segmenl,  about  two  inches  long  and  one 
broad.  The  carapace  and  whole  body  are  of  a  fine  green 
colour,  the  carapace  covering  about  two-thirds  of  the  abdo- 
men ;  the  edges  of  the  notch  in  the  posterior  part  of  the  ca- 
rapace are  strongly  toothed ,  and  those  of  the  inferior  half 
of  Ihe  carapace  are  very  finely  serrated;  these  teeth  are  of 
two  sets,  the  one  much  larger  than  the  others;  the  larger 
teeth  are  of  a  green  colour,  tipped  at  the  point  with  dark 
brown;  the  are  about  eleven  in  number ,  and  between  each 
there  are  two  or  three  much  smaller  ones  interspersed.  The 
appendages  of  the  first  pair  of  feet  are  very  short  and  small, 
scarcely  extending  beyond  the  edge  of  the  carapace.  The 
Segments  of  the  abdomen  are  each  studded  with  a  row  of 
stout ,  slightly  curved  spines  of  a  green  colour  tipped  at 
their  edges  with  dark  brown.  The  tail  Aap  is  oval  ,  keeled 
down  the  centre,  the  keel  being  beset  with  short  sharp  spi- 
nes, and  the  edges  of  the  Aap  are  finely  serrated.  The  long 
setae  of  the  tail  are  nearly  the  lenghth  of  the  whole  animal, 
and  are  covered  with  short  hairs. 

4.     A.  longicaudatus. 
Apus  longicaudatus  J.  Le  Conte  Ann.  of  nat.  bist,  of  the 
Lyc.    of  New-York  IV.  p.  155.  Abbild.  (Wiegm.  Arch.  1847. 
II.  p.  203.). 

Nordamerica,  Rocky-Mountains  zwischen  Lodge-poolcreek 
und  Crowecreek. 

Diagrnosis  specieruin. 

a.  Lamina  setis  caudalibus  interiecta  nulla,  colore  cor- 
poris subflavo,  primo  pede  longissimo,  multo  lon- 
giore  quam  secundo. 

A.  cancriformis,  Scuto  ovali,  sinu  posticodentibusulrin- 
que  c.  12  brevibus,  simplicibus,  Serie  rontinu9  armato,  pedum 


150  Grube: 

paribus  60  (11+49)0?  segmentis  34  (11+23),  posterioribus 
16  scuto  non  obteclis,  iunctis  linea  media  eius  paulo  longio- 
ribus,  postremis  5 — 6  apodibus,  setis  caudalibus  corpore  Yg 
longioribus,  ramo  longissimo  primi  pedis  angulos  scuti  haud 
attingente.     Long.  corp.  P^  unc. 

A,  longicaudatus.  Scuto  paene  orbiculato,  postice  pro- 
ducto ,  sinu  ad  angulos  tantum  denlatis  (ex  icone) ,  pedum 
paribus  23,  (11  +  12),  segmentis?,  posterioribus  eorum  fere 
30  (ex  icone)  scuto  non  tectis,  iunctis  linea  media  eius  tri- 
ente  fere  longioribus,  apodibus  16,  ramo  longissimo  pedis 
primi  angulos  scuti  excedente,  setis  caudalibus  corpore  fere 
Ys  brevioribus.    Long.  corp.  1%  unc.  Angl. 

b.  Lamina   setis  caudalibus  interiecta;   colore   corporis 

obscure  viridi,  primo  pede  vix  longiore  quam  secundo. 

A.  productus.  Lamina  caudali  triangula,  fere  V3  longiore 
quam  lata ,  apioe  paulo  rotundata,  carinata,  carina  margineque 
spinulosis, pedum  paribus 41  (11+30),  segmentis  27(11  +  16), 
posterioribus  11  scuto  non  obtectis,  postremis  5  apodibus, 
scuto  ovali,  sinu  postico  dentibus  utrinque  c.  25  brevibus, 
simplicibus  armato.     Long.  corp.  1  unc. 

A.  glacialis,  Lamina  caudali  postice  angustata,  profunde 
emarginata,  carinata,  margine  spinuloso,  duplo  minus  longiore 
quam  lata,  cum  segmento  suo  proxima  4  aequante,  pedum  pa- 
ribus c.  41  ,  segmentis  26  (11+15),  posterioribus  11  —  15 
scuto  non  obtectis ,  postremis  4  apodibus.  Long.  corp.  vix 
1  unc. 

Die  Gattung  ProsopistomaL^Llr.  Ann.  du  Museum  Tom.  II. 
p.  23.  mit  der  Art  Pr.  variegatum  Latr. ,  welche  bei  Guerin 
auf  Lepidurus  folgt,  hat  einigermassen  das  Aussehen  von 
Apus,  indem  der  Körper  grösstentheils  von  einem  ovalen, 
mitten  gekielten,  vorn  mit  einer  halbkreisrunden  Kopfnaht 
versehenen  hinten  flach  ausgeschnittenen  Rückenschilde  be- 
deckt ist,  doch  reicht  Latreille's  Beschreibung,  welche  Milne 
Edwards  (Bist.  nat.  des  Crust.  Tom.  III.  p.  552.)  wiederholt, 
nicht  aus,  und  was  dieser  an  einem"  getrockneten  Exemplare 


1)  Die  Angaben  dieser  Zahlen  in  den  Artbeschreibungen  beziehen 
sich  nur  auf  die  vollständigen  Füsse,  das  rudimentäre  vorderste  Paar 
ist  nicht  mit  gerechnet. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  151 

gesehen  hat,  lässt  uns  in  Zweifel,  ob  wir  es  nicht  mit  einem 
Parasitenkrebs  oder  der  Larve  eines  andern  Crustaceums  zu 
thun  haben.  Da  ,  von  den  Mundtheilen  abgesehen  ,  die  aus 
2  Kieferpaaren  und  einer  sie  bedeckenden  halbkreisrunden 
Platte  bestehen  sollen ,  3  Paar  fadenförmige  an  den  Seiten 
eines  Brustschildes  sitzende  Beine  angegeben  werden  ,  kann 
das  Thier  wenigstens  nicht  seinen  Platz  in  der  Reihe  der 
eigentlichen  Phyllopoden  finden.  Guerins  Abbildung  pl.  34. 
Fig.  4.  scheint  eine  Copie  des  Binocle  ä  queue  en  plumet  von 
Geoffroy  (Hist.  des  Insects  Tom.  IL  p.  660.  pl.  2L  Fig.  3.) 
zu  sein,  welchen  Edwards  für  identisch  hält,  0.  Fr.  Müller 
(Entomostr.  p.  128.)  unter  Limulus  pennigerus  anführt;  und 
Herr  Montandon  bei  St.  Germain  in  der  Seine  wieder  ent- 
deckt haben  soll  (Guerin.  1.  c).  Prosopistoma  varicgatum 
aber  stammt  aus  Madagascar. 

3.  Die  dritte  Gruppe  der  eigentlichen  Phyllopoden  zeigt 
durch  ihre  zweiklappige  Schale,  in  welche  sich  der  Körper 
ganz  zurückziehen  kann,  durch  die  gabiige  Gestalt  der  hin- 
tern Antennen,  die  die  einzigen  Ruderorgane  darstellen,  das 
Zusammenrücken  der  zusammengesetzten  Augen,  das  Vor- 
kommen nur  eines  Maxillenpaars  und  die  Verringerung  der 
fusslosen  Segmente  ohne  Zweifel  die  grösste  Annäherung  an 
die  Daphnoiden  und  zwar  zunächst  an  die  Lynceus.  In  der 
Schale  sieht  man  beständig  die  von  Kanälen  gebildeten  Ovale, 
die  schon  bei  Apus  vorkommen;  die  Gestalt  und  Länge  der 
vordem  Antennen,  die  Zahl  der  Füsse  und  die  Bewaffnung 
des  Endsegments  wechselt:  ist  der  Kopf  gestreckt  und  schna* 
beiförmig,  so  sehen  wir  kurze,  verkürzt  sich  der  Kopf,  län- 
gere mehrgliedrige  Vorderantennen,  aber  immer  sind  sie  ein- 
fach, und  sitzen  an  der  Unterseite  nahe  der  ansehnlichen 
schnabelförmigen  Oberlippe,  die  Mandibeln  sind  ähnlich  wie 
bei  den  übrigen  gebaut.  Die  Zahl  der  Fusspaare  schwankt 
zwischen  10  und  24,  aber  immer  verwandelt  sich  das  erste 
derselben,  das  schon  bei  Apus  eine  auffallende  Form  annahm, 
bei  den  Männchen  in  wahre,  nur  bei  der  Begattung  fungi* 
rende  Greiforgane,  worin  ihm  zuweilen  auch  das  zweite  Paar 
folgt.  Von  den  am  Aussenrande  sitzenden  Branchialanhän- 
gen  ist    der  eine  haarlos,   schlauchförmig 5  stets  nach  oben 


152  Grube: 

gerichlet  und  nach  innen  von  dem  andern  gelegen,  dessen 
Rand  mit  Borsten  besetzt  ist,  und  an  welchem  sich  bald  die 
obere  bald  die  untere  Hälfte  stärker  entwickelt.  Dieses  äus- 
sere Branchialblatt,  das  hier  ganz  die  Rolle  eines  Deckblat- 
tes spielt,  nimmt  bei  einigen  Füssen  des  Weibchens  eine 
etwas  andere  Form  an,  und  dient  zum  Tragen  der  Eier, 
welche,  indem  sie  an  einander  backen,  jederseits  eine  platte, 
scheibenförmige  ganz  von  der  Schale  bedeckte  Masse  bil- 
den. An  allen  Füssen  sieht  man  innen  an  der  Basis  einen 
Kieferfortsatz,  der  Femorallappen  ist  breit,  die  untern  Ti- 
bial-  und  der  Tarsallappen  schmal  und  vorspringend.  Der 
erste  Zustand  der  Larven  zeigt  noch  keine  Schale  und  nur 
2  Paar  Kopfextremitäten,  die  einzigen  Bewegungsorgane  — 
es  ist  das  hintere  Paar  der  Antennen  und  die  Mandibeln  — 
in  kurzer  Zeit  entsteht  die  Schale,  sie  hat  aber  nur  die  Form 
eines  einfachen  Rückenschildes  wie  bei  Apus,  sobald  die 
Häutung  eintritt ,  wird  sie  zweiklappig  und  die  RumpfFüsse 
treten  in  Thätigkeit,  ohne  jedoch  zum  Schwimmen  zu  dienen. 
Die  Gestalt  des  Körpers  verändert  sich  dann  nicht  weiter  mit 
Ausnahme  der  Theile  ,  in  welchen  ein  Geschlechtsunterschied 
ausgeprägt  wird. 

Das  Herz  ist  kürzer  als  bei  Apus,  die  Länge  der  drü- 
sigen Magenanhänge  richtet  sich  nach  der  Länge  des  Kopfes. 

Estlieria  Rüpp. 

Corpus  elongatum,  scuto  dorsuali  s.  testa  bivalvi,  con- 
centrice  striata  inclusum,  segmento  postremo  supra  spinuloso, 
in  uncos  2  recurvos  exeunte. 

Caput  transverse  bipartitum,  mobile,  parte  anteriore  a 
latere  visa  triangula,  antice  late  rotundata,  supra  plana,  ro- 
stro  plerumque  nullo,  oculis  compositis  sessilibus  paene  con- 
fluentibus,  simplici  1;  antennae  anteriores  quasi  füiformes, 
articulis  brevibus  13,  posteriores  bifurcae,  articulis  ramo- 
rum  13—17;  partes  oris :  labrum  rostriforme,  mandibulae  2, 
maxillae  2. 

Segmenta   pedigera  21 — 24. 

Pedes  foliacei  laciniati,  lobis  marginis  interioris  6, 
supremo  maxillari,  infimo  longiore  quam  tarsali,  parle  supe- 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  153 

riore  appendicis  branchialis  exterioris  angustata  ,  inferiore 
latiore.     Par  primum  et  secundum  mariuni  in  uncos  exeuntia. 

Testa  oblonga,  canales  ulrinque  figuram  oblongam 
componentes  includens. 

Ova  appendice  pedum  aliquot  mediorum  gestata.  Ani- 
malia  prone  nantia. 

Larvae  scuto  dorsuali  siniplici  piano  tectae,  capite  conti- 
guo  haud  inobili  subtus  in  clypeum ,  labrum  imitantem,  ob- 
longum,  trilobum  producto,  pedibus  natatoriis  ulrinque  2. 

1.  E,  dahalacensis. 

Estheria  dahalacensis  Rüppell.  Straus  Dürckheim  Mus. 
Senkenb.  Bd.  IL  Heft  2.  p.  119.  Taf.  VII. 

In  Süsswassersümpfen  der  Insel  Dahalak  an  der  Küste 
von  Abyssinien,  häufig  im  Monat  December. 

2.  E.  cycladoides. 

Cyzicus  Bravaisii  Aud.  Ann.  de  la  soc.  entomolog. 
1837.  p.  9. 

Isaura  cycladoides  Joly  Ann.  des  scienc.  nat.  Seconde 
ser.  Tom.  XVII.  p.  293.  pl.  7— 9, 

In  Nordafrika,  Oran  bei  Arzen  ,  bei  Toulouse  (Joly) , 
in  Sicilien  (Grohmann). 

3.  E.  tetracera  Taf.  VIII.  Fig.  9. 
Limnadia   tetracera  Krynicki  Bull,    de  la  soc.  imp.  des 

natural,  de  Moscou  Tom.  II.  p.  173.  Tab.  VII.  Biblioth.  entom. 
p.  357.  pl.  12.  (nach  Edwards). 

Bei  Charkow  (Krynicki),  bei  Odolany  unweit  W^arschau 
(Waga). 

4.  E.  australis. 

Cyzicus  australis  Loven  Öfvers.  af  Kongl.  Vetenskap. 
Acad.  Förhandl.  III.  Jahrg.  1846.  Stockh.  1847.  V^iegm.Arch. 
1847.  IL  p.  203.  1849.  IL  p.  326.    Im  Caffernlande. 

lliag^nosis    specieruin. 

a.     Rostro  truncato,  laevi,  pedibus  utrinque  24. 
a.     Margine  testae  dorsuali  et  ventrali  rectis. 

E.  dahalacensis.  Testa  quasi  Areas  imitante,  sed  a  la- 
tere  compressa,  margine  dorsuali  et  ventrali  rectis,  paralle- 
lis,  anteriore  subtruncalo,  posteriore  obliquo,  angulo  infero 


154  Grube: 

late-rotundato  posteriora  versus  producto,  striis  incrementi 
c.  14,  altifudine  Vu  longitudinis ,  dorso  segmenti  postremi 
spinulis  nullis  armato,  ramo  antennarum  bifurcarum  anteriore 
14-,  posteriore  13-articulalo. 

ß.  Margine  testae  ventrali  leniter,  anteriore  et  po- 
steriore maxime  curvato,  dorsuali  recto  multo  bre- 
viore  quam  ventrali,  umbonibus  prominulis. 

E.  cycladoides.  Testa  altius  concamerala,  Cycladibus 
similiore,  striis  incrementi  c.  24—26,  altiludine  Vio  longitu- 
dinis, longitudine  9,6— 13  millim.,  altitudine  6,5— 9  m.,  cras- 
sitie  4 — 6  m. ,  dorso  segmenti  postremi  spinulis  glabris  10 
ad  12  armato,  ramo  antennarum  bifurcarum  anteriore  12 — 16-, 
posteriore  13— 17-articulato. 

E.  tetracera.  Testa  magis  compressa  ,  Tellinis  similiore, 
striis  incrementi  20  velamplius,  longiludine  10—12  m.,  alti- 
tudine 7 — 9  m. ,  crassitie  3 — 4  m. ,  dorso  segmenti  postremi 
spinulis  asperis  60—80  armato. 

Krynicki  giebt  27  Fusspaare  an,  ich  habe  an  meinen 
von  H.  Waga  in  Warschau  herstammenden  Exemplaren,  so- 
wohl männlichen  als  weiblichen ,  nicht  mehr  als  24  zählen 
können. 

b.     Rostro  producto,  pedibus  utrinque  21. 

E.  ausfralis,  Segmento  postremo  aculeis  c.  13  armato, 
ramis  antennarum  bifurcarum  10 — 11-articulatis.  Longilu- 
dine 3,5  m.,  altitudine  2,3  m. 

liimnadia  Brongn. 

Corpus,  Caput,  antennae  posteriores,  Organa  oris,  ovo- 
rum  gestus  Estheriae  similia,  pedes  utrinque  18 — 22,  similiter 
compositi,  processus  capitis  parvus  ,  supra  oculos  sitos  ,  ad 
corpus  affigendum  idoneus;  antennae  anteriores  breves,  sty- 
liformes,  articulis  pluribus,  segmentum  postremum  elongatum, 
appendicibus  2  styllformibus  acuminatis.  Animalia  supine 
nantia. 

Conspectus    speciernm. 

1.    L  gigas. 
Daphnia  gigasUerm.  Mem.  apterol.  p.  134.  pl.  5.  (nach 
Milne  Edwards. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  1Ö5 

Limnadia  Hermanni  Brongiart  Mem.  du  Museum  d'hist. 
nat.  Tom.  VI.  pl.  13.,  Desm.  Consider.  p.  380.  pl.  56.  (cop.), 
Milne  Edw,  Hist.  nat.  des  Crust.  p.  561.  p.  35.  Fig.  7.;  ? Lim- 
nadia Hermanni  Koch  Deutschi.  Crustac,  Arachnid.,  Myriap., 
Heft  XXXV.  Taf.  10. 

In  kleinen  Lachen  bei  Fontainebleau. 
2.    L.  mauritiana. 

Limnadia  mauritiana  Guer.  Mag.  Zool.  1837.  VlI.  pl.21. 
Fig.  1  —  11.,  Iconogr.  Crust.  p.  38.  pl.  33.  Fig.  2. 

Auf  der  Insel  Mauritius. 

Diag-nosis   specierum« 

L.  gigas.  Pedum  paribus  22,  antennis  anterioribus  sty- 
liformibus,  obsolete  6-articulatis ,  subtus  paulo  denticulatis, 
longitudine  pediculi  posteriorum,  posterioribus  dimidiam  cor- 
poris longitudinem  paene  aequantibus,  ramis  fere  12-articu- 
latis,  testa  ovali. 

Die  Copie  der  Hermann'schen  Figur  bei  Desmarest  zeigt 
die  Schale  hinten  zugespitzt. 

L.  mauritiana.  Pedum  paribus  18 ,  antennis  antoriori- 
bus  (ex  icone)  paulo  fusiformibus,  pediculo  posteriorum  mi- 
nus longis,  posterioribus  dimidia  corporis  longitudine  brevio- 
ribus,  ramis  9-articulatis,  testa  ovali  utrinque  paulo  acuminata, 
dorso  minus  quam  ventre  arcuato. 

liimnetis  Loven. 

Corpus  breve,  testa  bivalvi  laevi  inclusum,  segmento 
postremo  in  processus  2  breves  acutos  inferos  producto,  setis 
superioribus  2. 

Caput  transverse  bipartitum,  mobile,  parte  anteriore 
adunca  ,  rostriformi ,  compressa,  crista  laterali  humili  angu- 
lata,  parle  posteriore  brevi;  oculis  compositis  paene  omnino 
confluentibus,  simplici  uno,  foveis  minutis,  ante  eum  sitis  2; 
antennae  anteriores  brevissimae,  biarticulatae,  clavaeformes, 
inferae,  a.  posteriores  bifurcae,  articulis  ramorum  II  ad  15, 
partes  oris  ut  Estheriae. 

Segmenta  pedigera  10  ad  12,  postremum  ex  dwobus 


156  Grube: 

compositum  pedibus  carens,  lamella  infera  annulo  anteriori 
adhaerente. 

Pedes  foliacei ,  laciniati ,  Estheriae  similes,  parle  su- 
periore  appendicis  brancliialis  exterioris  latiore,  curvata,  in- 
feriore angusta;  par  primum  marium  in  uncos  exiens. 

Testa  ovalis^  maxime  fornicata^  canales  utrinque  figu- 
ram  ovalem  componentes  includens. 

Ova  appendice  slyliformi  pedis  9.  et  10.  gestala.  Ani- 
malia  prone  nantia. 

Larvae  scuto  dorsuali  simplici  lectae,  capite  contiguo, 
haud  mobili,  utrinque  in  spinam  validam  producto,  clypeo 
labrum  imilante  maximo  subreniformi ,  pedibus  natatoriis 
utrinque  2. 

Conspectus  specierum. 

1.  L.   brachyurus. 

Lynceus  brachyurus  0.  Fr.  Müll.  Entomostr.  p.  69.  Tab. 
VIII.  Fig.  1—12»). 

Uedessa  Sieboldü  Lievin  Neueste  Schrift,  der  naturf. 
Gesellsch.  in  Danz.  Bd.  IV.  Heft  II.  p.  4.  tab.  I.  II. 

Hedessa  brachyura  Siebold  Neueste  Preuss.  Provincialbl. 
1849.  Bd.  VII.  (XLI.)  Heft  3.  p.  198. ,  S.  Fischer  Middend. 
Sibir.  Reise  Branchiop.  p.  9. 

In  kleinen  Lachen  :  in  Dänemark  (Müller)  ,  auf  lehmig 
sandigem  Boden  bei  Danzig  (Lievin),  ebenso  bei  Dorpat  (C. 
Gorski,  Grube)  ,  auch  bei  Charkow  (nach  Fischer). 

2.  L.    Wahlb  ergii. 

Limnetis  Wahlbergii  Loven  Öfvers.  Vet.  Acad.  Förhandl. 
1846.  p.  57.,  Kongl.  Vet.  Akad.  Handl.  1845.  Tab.  IV.  p.203. 
Wiegm.  Arch.  1847.  II.  p.  203. 

Im  CafFernlande,  in  Sümpfen   (in  paludibus  Lov.). 

Uiag-nosia    specierum* 

L.  brachyurus.  Rostro  capitis  aequaliter  curvato,  com- 
presso,  a  latere  haud  sinuato,  sulco  supero  nullo,  apice  fe- 
minae  sensim    et  subtiliter  acuminato,   maris  truncato,  labro 


1)  Die  Tafeln   fehlen   leider    dem   Exemplar  der   üniversitätsbi- 
bliolhek,  und  sind  leider  noch  nicht   zu  bcschalTcn  gewesen. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  157 

paulo  depresso,  apice  obtuso  a  latere  compresso,  Stria  Cor- 
nea bifurca,  inier  mandibulas  sita,  subtililer  spinulosa,  scuto 
aequaliter  fornicato,  processu  niaxillari  pedum  ad  apicem 
Spina  fortiore ,  brevi ,  duplici  armato ,  interiore  appendicum 
branchialium  (nuda,  digitiformi)  breviore  quam  exteriore, 
lamina  superiore  a,  exlerioris  leniler  falcata,  inferiore  slyli- 
formi,  obsolete  vel  minime  articulata,  illa  vix  breviore,  pe- 
dibus  maris  utrinquc  10,  manu  1.  paris  postice  rotundata, 
circumcirca  setosa,  serie  spinarum  7  vel  8  armata  ,  uncis  2 
marginem  plantae  versus  reflectendis ,  anteriore  setis  nudo; 
posteriore  ad  apicem  fasciculo  setarum  ornato,  pedibus  femi- 
nae  utrinque  12,  9no  et  lOmo  stylum  ovigerum  ferentibus, 
slylo  gracili.     Long,  testae  1,5  lin.,  alt.  1,25. 

Lievin  giebt  die  Länge  des  Körpers  selbst  bis  auf  2,3 
Lin.  an  ;  Exemplare  von  dieser  Grösse  sind  mir  nie  begegnet. 

L.  Wahlbergii  Rostro  maxime  curvato,  sub  oculis  dila- 
tato  quasi  alato,  a  latere  sinuato,  sulco  dorsi  mediano  ab  oculo 
simplici  decurrenle,  apice  breviter  acuminato,  labro  subcari- 
nato  rostrato,  acuminato,  Stria  Cornea  bifurca,  inter  mandi- 
bulas sita,  fortius  dentala,  margine  anteriore  scuti  (ex  icone) 
paulo  reflexo,  processu  maxillari  pedum  apice  in  setam  cir- 
riformem  exeunte,  interiore  appendicum  branchialium  (nuda, 
digiliformi)  aeque  longa  atque  exteriore  (in  primo  pede  bre- 
viore) ,  lamina  superiore  a.  exterioris  acinaciformi,  inferiore 
slyliformi  ,  distincte  articulata,  ea  mullo  breviore,  margine 
externo  haud  setoso  ,  stylis  ovigeris  pedis  9.  et  10.  crassiu- 
sculis,  pede  ipso  vix  longioribus,  Long.  corp.  1,2  lin.,  alt.  1  lin. 

ß.  Diesen  Gattungen  gegenüber,  welche  in  der  Einfach- 
heit des  Isten  Antennenpaars,  der  Gestalt  der  Mundtheile  und 
Füsse,  dem  Bau  der  Schale,  wo  diese  vorhanden  ist,  und 
der  Art  ihrer  Entwicklung  übereinstimmen,  und  in  einem  en- 
geren Verbände  stehen  —  Phyllopoden  i.  e.  S.  —  sehen  wir 
eine  in  allen  diesen  Stücken  abweichende  Gattung ,  die  wir 
als  Repräsentanten  einer  zweiten  Abiheilung  betrachten  kön- 
nen, es  ist  die  Gattung  Nebalia,  deren  Arten  nur  im  offenen 
Meere  leben. 

Ihr  Körper  trägt  eine  Rückenschale,  welche  die  Mitte 
zwischen  der  Bildung  von  Apus   und  von  Limnadia  und  de- 


158  Grübet 

ren  Verwandten  hält :  sie  ist  nicht  flachgewölbt,  wie  bei  je- 
nem, sondern  zweiklappig,  wie  bei  diesen,  ohne  jedoch  den 
Körper  ganz  in  sich  aufnehmen  ,  sich  schliessen  und  öffnen 
zu  können  '3,  sie  bedeckt  vielmehr,  wie  bei  Apus ,  nur  die 
vordere  Hälfte  des  Körpers  (doch  nicht  den  Kopf  mitgerech- 
net); ihre  Gestalt  ist  durchaus  seitlich  zusammengedrückt, 
so  dass  ihre  Klappen  kaum  eine  Spur  von  Wölbung  zeigen, 
auch  gehen  sie  durch  keine  Einsenkung  ,  keine  Falte  oder 
sogenanntes  Ligament  in  einander  über ,  sondern  entstehen 
bloss  durch  eine  scharfe  Brechung  der  Schalenfläche  in  der 
Mittellinie  des  Rückens,  weshalb  M.  Edwards  hier  nur  von 
einer  „carapace  ploye  sur  la  ligne  mediane  du  dos«  spricht, 
sie  enthalten  zwar  ein  Geäder  netzartig  verbundener  Kanäle, 
aber  die  Maschen  sind  verhältnissmässig  grösser,  weniger 
strahlig  als  parallel  geordnet,  und  es  fehlt  ihnen  die  eigen- 
thümliche  ovale  von  ansehnlichen  concentrischen  Kanälen  ge- 
bildete Figur,  welche  die  Insertion  des  Schalenschliessmuskels 
bei  Limnetis,  Estheria,  Limnadia  und  Apus  umgiebt.  Edwards 
vergleicht  sie  mit  der  Schale  der  Salicoques,  setzt  auch  hinzu, 
dass  sie  wie  bei  diesen  nur  vom  Kopf  ausgehe,  und  unter 
ihr  die  Rumpfsegmente  ganz  frei  lägen.  Obwohl  mir  nicht 
mehr  als  ein  Weingeistexemplar  zu  Gebote  stand,  welches 
schon  viele  Jahre  aufbewahrt  war,  so  glaube  ich  mich  doch 
überzeugt  zu  haben,  dass  ihr  Verhältniss  zum  Körper  durch- 
aus dasselbe,  wie  in  den  eben  genannten  Gattungen  ist,  dass 
sie  nämlich  mit  dem  unmittelbar  auf  den  Kopf  folgenden  Rumpf- 
segmente zusammenhängt ,  und  der  Kopf  selbst  frei  zwischen 
dem  Anfang  der  Schalenhälften  hervorguckt ,  welche  ihn  nur 
seitlich  etwas  zwischen  sich  nehmen.  Diese  hintere  Partie  des 
Kopfes  entspricht  der  Scheitelpartie  oder  dem  Nackenschild- 
chen  Lievins  bei  Limnetis,  und  setzt  sich  nach  vorn  in  ein 
längliches  dachziegelartig  oder  richtiger  wie  eine  Mulde  aus- 
gehöhltes Blatt  fort,  dessen  Convexität  nach  oben  sieht,  und 
das  wagerecht  nach  vorn  gestreckt,  dabei  aber  beweglich 
ist  und  ansehnlich  vorragt;  es  überdeckt  etwas  die  gestielten 
zusammengesetzten  Augen  ,  und  scheint  einigermassen  ein 
Schutz  für  sie  zu  sein.     Die  vordere   oder  untere  Kopfpartie 


1)  Milne  Edwards  Hisl.  nat.  des  Crust.  pl.  35.  Fig.  2. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  159 

entwickelt  sich  so  wenig  selbstständig,  dass  sowohl  die  An- 
tennen als  die  Augenstiele  beider  Seiten  einander  berühren 
und  sie  ihnen  nur  zum  Ansatz  dient.  Man  müsste  diese  Theile 
erst  abtrennen,  um  die  Gestalt  des  winzigen  Kopfes  ganz  zu 
beurtheilen,  was  ich  bei  meinem  einzigen  Exemplar  von  Ne- 
balia  Geoffroyi  nicht  vornehmen  wollte.  Das  vordere  Anten- 
nenpaar liegt  eine  kleine  Strecke  unter  den  Augen  und  un- 
mittelbar über  dem  untern  oder  hintern.  Die  genauere  Lage 
und  Beschaffenheit  des  Mundes  konnte  ich  nicht  erkennen: 
als  Mundtheile  nennt  Kroyer  eine  Oberlippe  ,  und  er  sowohl 
als  M.  Edwards  ein  Paar  Mandibeln  (M.  Edw.  Crust.  pl.  35. 
Fig.  2«)  und  zwei  Paar  Maxillen  0-  c.  pl.  35.  Fig.  2<^  erstes 
Paar,  Fig.  2^  zweites  Paar) ,  Edwards  giebt  ausserdem  eine 
zweitheilige  Unterlippe  zwischen  den  Mandibeln  und  Maxillen 
an,  die  Kroyer  nicht  anführt ,  sondern  als  einen  Theil  des 
ersten  Maxillenpaars  zu  betrachten  scheint.  Alle  diese  Kie- 
ferpaare besitzen  Palpen ,  sind  also  zusammengesetzter  als 
bei  den  übrigen  Galtungen,  wogegen  die  Rumpfextremitäten 
eine  einfachere  Gestalt  annehmen.  Diese  treten  nämlich  in 
zwei  Formen  auf:  die  vorderen  (M.  Edw.  1.  c.  pl.  35.  Fig.  3.), 
welche  dicht  auf  einander  folgen,  lassen  sich  auf  die  Blalt- 
form  der  andern  Phyllopoden  zurückführen,  und  unterschei- 
den sich  hauptsächlich  durch  die  Einfachheit  ihres  Stammejs, 
dessen  Innenrand  durchaus  keine  Lappen  oder  Fortsätze  zeigt, 
wogegen  am  Aussenrande  zarte  kiemenartige  Blätter  vorkom- 
men; die  hintern  weiter  aus  einander  stehenden  Fusspaare 
bestehen,  wie  die  Postabdominalfüsse  der  Cariden,  aus  einem 
langen  Grundgliede  und  2  gelenkig  angefügten ,  schmalen 
mit  Borsten  gerandeten  Endanhängen  (M.  Edw.  1.  c.  pl.  35. 
Fig.  4.),  die  letzten  Segmente  tragen  nur  rudimentäre  Füss- 
chen  von  Gestalt  einfacher  Blältchen  oder  gar  keine,  und  das 
Endsegment  2  schmal  dreieckige  borstenrandige  Blätter  wie 
bei  Branchipus.  Wie  diese  Thiere  sich  paaren,  wo  ihre  Ge- 
nitalien münden,  wie  die  Weibchen  die  Eier  befestigen,  wel- 
che nach  Kroyer  zwischen  den  Kiemenfüssen  unter  der  Schale 
liegen  sollen,  darüber  wissen  wir  ebensowenig  wie  über  ihre 
Anatomie.  Die  Eier  der  Nebalia  bipes  sind  nach  den  Mit- 
theilungen desselben  Naturforsehers  gross  und  nicht  eben 
zahlreich ,  und  die  Entwicklung  des  Embryo  ähnlich  wie  b«i 


160  Grube: 

Decapoden.  Der  Körper  lässt  einen  Vorder-  und  Hinterleib 
unterscheiden,  beide  mit  winzigen  Gliedmassen,  jener,  wie 
Kroyer  meint,  mit  13,  dieser  mit  11  Paar  Extremitäten  und 
13  Segmenten ,  das  Endsegment  soll  eine  grosse  ovale  mit 
einer  ansehnlichen  Borste  endende  Platte  sein.  Ein  Rücken- 
schild war  nicht  deutlich  erkennbar,  und  ebenso  wurden  die 
Augen  vermisst.  Man  muss  fast  vermuthen,  dass  Kroyer  den 
Embryo  bereits  in  den  von  der  Mutter  getragenen  Eiern  so- 
weit entwickelt  fand,  dass  diesen  Thieren  also  ein  den  übri- 
gen Phyllopoden  ähnlicher  Larvenzustand  abgeht,  und  sie  zu 
keiner  Zeit  blosse  Kopfextremitäten  zu  Ruderorganen  haben. 
Ob  aber  die  Entwicklung  wirklich  mit  der  der  Decapoden 
verglichen  werden  könne,  scheint  mir  noch  wiederholter  Un- 
tersuchungen zu  bedürfen.  Namentlich  ist  mir  die  Angabe 
aufgefallen,  dass  die  Augen,  die  bei  den  Decapoden  doch  so 
früh  auftreten ,  in  dem  beschriebenen  Nebalienembryo  noch 
nicht  bemerkbar  waren. 

Nach  den  bisherigen  Untersuchungen  würde  man  die 
Nebalien  folgendermassen  charakterisiren  können. 

IVebalia« 

Corpus  gracile  ,  maximam  partem  scuto  dorsuali  bi- 
valvi  tectum,  in  appendices  2  acuminatas  exiens. 

Caput  vix  prominulum,  vertice  in  laminam  acutam 
fornicatam ,  antrorsus  vergentem  mobilem  producto  ,  oculis 
compositis  mobilibus  pediculalis  2  pediculo  spinam  gereute, 
oc.  simplici  nullo;  antennae  anteriores  articulis  pediculi  3 
vel  4,  extremo  in  processum  producto,  appendicibus  2,  altera 
lamina  oblonga,  altera  flagello  multiarticiilato,  a.  posteriores 
proxime  sub  iis  ortae  ,  articulis  pediculi  3 ,  flagello  simplici 
multiarticulato  ,  ut  anteriore ,  subtus  verso ;  partes  oris :  la- 
brum  parvum  bilobum,  mandibulae  2,  palpo  Iriarticulato,  ma- 
xillarum  paria  2,  anteriores  palpo  longissimo,  filiformi,  mul- 
tiarticulato, retroverso,  posteriores  mala  multiloba,  appendi- 
cibus 2,  exteriore  simplici,  interiore  biarticulata. 

Segmenta  pedigera  16.,  penultimum  nudum,  po- 
stremum  ceteris  longius,  appendicibus  angustis  triangulis,  se- 
tiger is  2. 


Bemerkungen   über  die   Phyllopoden.  161 

Pedes  minus  laciniati,  duplicis  generis,  paria  8  ante- 
riora  foliacea,  tenera,  stipite  simplici  appendicibus  externis  2, 
exteriore  nuda  eadem  Jongitudine,  interiore  breviore  ,  mar- 
gine  setoso  ,  p.  sequentia  4  gracilia ,  longiora  ,  bifurca,  sti- 
pite elongato,  ramis  styliformibiis,  postrema  2  minima,  sim- 
plicia  ^). 

Scutum  dorsuale  bivalve,  plica  dorsuali  (ligamento) 
nulla,  canalibus  concentricis  nuUis  2). 

0  V  a  inter  pedes  foliaceos  sub  scuto  gestata. 

Conspectus  speciernm* 

1.  ^^  bipes. 

Cancer  bipes  Fabric.  Faun,  groenl.  p.  24ö.  Fig.  2.,  Can- 
cer gammarellus  bipes  HerbstNaturg.  derKrabb.  Bd.  ll.p.  111. 
pl.  34.  Fig.  7. 

Nebalia  Herbstii  Leach  Zool.  misc.  Vol.  I.  p.  100.  pl.44. 
(nach  Edw.),  Tomps.  Zool.  research.  pl.  ll.Fig  1.  (nachEdvv.) 
Desmar.  Consid.  p.  243. 

Nebalia  bipes  Kroyer  Naturh.  Tidsskr.  Neue  Reihe  Bd.  II. 
Heft  IV.  p.446. 

An  den  südlichen,  seltener  an  der  nördlichen  Küste  von 
Grönland. 

2.  iV.  Geoffroyi. 

JSebalia  Geoffroyi  Milne  Edw.  Ann.  des  scienc.  nat. 
Tom.  XIII.  p.  297.  pl.  15.,  Seconde  ser.  Tom.  III.  p.  309.  Guer. 
Iconogr.  Crust.  pl.  32.  Fig.  2.,  cop.  Milne  Edvv.Hist.nat.  des 
Crust.  Tom.  III.  p.  355.  pl.  35.  Fig.  1—4.  Cuv.  Regne  anim. 
Crust.  Ed.  III.  pl.  4.  Fig.  5. 

An  den  Küsten  der  Bretagne. 

Zu  dieser  Art  gehört  nach  M.  Edwards  wahrscheinlich 
auch  Nebalia  Strausi  Risso  Hist.  nat.  Tom.  V.  p.  84.  Fig.  20 
— 22.,  welche  bei  Nizza  vorkommt. 

Als  dritte  Art  wird   Nebalia   Montagui   von  Milne  Ed- 


1)  Taf.  VIII.  Fig.  10,  11. 

2)  Taf.  VIII.  Fig.  12. 

Archiv  f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  1.  Bd.  H 


liÖ2  Grube: 

wards  aufgeführt,  Monoculus  rostratus  Morvt.Transact.  of  the 
Ljnn.  soc.  VoL  XI.  p.  2.  Fig.  5.,  Nebalia  Montagui  Tliomps. 
(nach  IVJ.  Edw.);  sie  ist  sehr  wenig  gekannt  und  scheint  nui* 
3  hintere  Fusspaare  zu  haben. 


Diag-nosis  specieruxn. 

N.  Mpes  Pediculis  oculorum  subcylindricis,  basi  haud 
coarctatis,  appendiceantennarum  superiorum  lamellosa  73  fcre 
longitudinis  flagelii  aequante ,  secundo  inferiorum  articulo 
multo  breviore  quam  tertio,  supraaculeo  magno  terminali  in- 
structo  penultimo  et  antepenullimo  segmento  abdominis  multo 
altioribus  quam  longis,  appendicibus  caudalibus  segmentis  po- 
stremis  3  iunctis  longioribus ,  '/^  longitudinis  totius  animalis 
superantibus.     Long.  corp.  3 — 5  lin. 

N.  Geoffroyi  Pediculis  oculorum  basi  attenuatis ,  appen- 
dice  antennarum  superiorum  lamellosa  fere  '/.  longitudinis 
flagelii  aequante,  inferioribus  aculeo  nullo  armatis,  segmento 
penultimo  et  antepenullimo  abdominis  paene  aeque  altis  ac 
longis  appendicibus  caudalibus  segmenta  postrema  3  iunctai 
vixdum  aequantibus.     Long.  .4  ,lin. 


bnfilnö'!^ 


über  die  Phyllopoden.  163 

Erklärung    der   Abildungen. 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden 


Taf.  V. 

^^i       Abbildungen  von  erwachsenen  Thieren  beiderlei  Geschlechts  der 
Linfinelis  brachyurus. 

Fig.   1.,  l.a,  8,  vom  Weibchen. 

Fig.  2.,  2.ß,  3  und  alle  übrigen  Figuren  vom  Männchen;  Fig. 
6.  7.  9.  10.  11.  könnten  sich  eben  so  gut  auf  das  Weibchen  bezie- 
hen, desgleichen  Fig.  5.  sein  erstes  Beinpaar  darstellen. 

Fig.  1.  Limnetis  brachyurus,  trächliges  Weibchen,  lömal  im 
Durchmesser  vergrössert,  nach  Abnahme  der  linken  Schalenhäl/te. 

Man  sieht  an  dem  schnabelförmigen  scharf  zugespitzt  endenden 
Kopf  die  seilliche  knieförmig  gebogene  zarte  Leiste  c,  vor  w^elcher 
das  zusammengesetzte  Auge  ,  das  unter  diesem  liegende  einfache  und 
die  dem  Rande  nähere  mit  Haaren  besetzte  Vertiefung;  hinter  der  Lei- 
ste befinden  sich  unten  die  kleinen  keulenförmigen  zweigliedrigen 
Tastantennen  (Istcs  Antennenpaar)  J.',  oben  die  starken  gabelästigen 
Ruderantennen  A"^  (2tes  Antennenpaar,  Istes  Paar  der  Ruderextremiläten 
bei  der  Larve  mit  einfachem  Rückenschild)  ,  hinter  ihnen  die  Rlandi- 
beln  (2tes  Paar  der  Ruderextremiläten  bei  derselben  Larve)  mit  ihrem 
birnförmigen  Basallheil,  und  unter  diesen  die  nach  hinten  fortgeslreckte, 
zum  Theil  zwischen  den  Vorderbeinen  versteckle  Oberlippe ;  das  ein- 
zige Maxillenpaar  ist  durch  die  Vorderbeine  verdeckt.  Von  der  Basal- 
spitze  der  Mandibelh  nach  dem  Scheitel  läuft  die  Naht  ,  welche  den 
vordem  sehr  viel  grössern  Kopftheil  vo'm  hintern  trennt ;  unter  dem 
letztern  uiid  hinter  den  Mandibeln  sieht  man  den  zum  Schliessen  der' 
Schale  dienenden  von  der  linken  Hälfte  abgelösten  Muskel,  in  dessen 
Umgegend  die  noch  kleinen,  in  dem  Vordertheil  des  Körpers  enthalte- 
nen Eierchen  durchschimmern.  An  dem  Rückenrande  der  Schale  macht 
sich  die  Falte  A  (das  sogenannte  Ligament)  bemerkbar,  durch  welche 
eine  Schalenhälfte  in  die  andere  übergeht ,  unter  ihm  die  Stelle  ,  an 
welcher  der  Haulüberzug  des  Rumpfes  sich  in  die  auskleidende  Mem-" 
bran  der  Schale  fortsetzt. 

Am  Rumpf  erscheint  am  deutlichsten  die  linke  Fussreihe ,  12 
Fusse  verschiedener  Gestalt  enthaltend,  die  vordem  8  Füsse  mit  bor- 
stenrandigen  Aussenästen,  hinter  welchen  bei  den  7  vordersten  —  mehr 
oder  minder  verdeckt  —  ein  borstenloser  schlaucharliger  Branchialan- 
hang  vorkommt  (vgl.  Fig.  5.  i),  am  9ten  und  lOten  ist  der  sonst  blatt- 
artige Rückenasl  durch  einen  ICierträger  ersetzt,  einen  biegsamen  Grif- 
fel, um  den  herum  die  befruchteten  Eierchen  ankleben,   das  Ute  und 


164  Grube: 

12te  Fusspaar  ohne  Rückenäste ;  dahinter  an  der  Bauchfläche  des  End« 
segments  ein  kleines  unpaariges  ßlältchen  als  Anhang.  Das  Iste  Fuss- 
paar des  Weibchens  weicht  in  seiner  Zusammensetzung  durchaus  nicht 
vom  2ten  ab.  Hinter  den  Eierträgern  das  dreizipfelige  Blatt,  an  des- 
sen Basis  die  Oefi'nung  für  den  Austritt  der  Eier  (vgl.  Fig.  15.). 

Fig.  1.  a.  Die  Endspitze  des  schnabelartigen  Kopftheils  vom 
Weibchen,  von  vorn  gesehen,  etwas  stärker  vergrössert. 

Fig.  2.  Erwachsenes  Männchen ,  lömal  vergrössert ,  ebenfalls 
von  der  linken  Seite  nach  Wegnahme  der  linken  Schale:  Lage  der 
Kopforgane,  seitliche  Kopfleiste,  Schalenschliesser  und  Schalenligament 
wie  bei  dem  Weibchen,  nur  ist  der  Schalenschliesser  kurz  am  Rumpf, 
nicht  wie  in  Fig.  1.  an  der  linken  Schale  selbst  abgeschnitten.  Das 
Ende  des  schnabelförmigen  Kopfes  erscheint  vom  Weibchen  verschie- 
den, abgestuzt,  am  Rumpf  nur  10  Fusspaare ,  von  denen  man  haupt- 
sächlich die  linke  Reihe  sieht,  auch  hier  die  vordersten  8.,  mit  bor- 
stenrandigen  Aussenäslen,  davon  die  7  ersten  wie  beim  Weibchen  mit 
schlauchartigen  Branchialanhängen  (vgl.  Fig.  4.  Fig.  5.  b),  das  9le  und 
lOte  Fusspaar  ohne  beides,  das  Iste  Fusspaar  vom  2ten  abweichend, 
sehr  auffallend  gebildet,  indem  seine  Endglieder  ein  bei  der  Begattung 
thäliges  Greiforgan  bilden. 

Fig.  2.  a.  Das  abgestutzte  Ende  vom  schnabelförmigen  Kopfe 
des   Männchens,  von  vorn  gesehen,  etwas  stärker  vergrössert. 

Fig.  3.  Männchen  ,  von  der  Bauchseite  und  etwas  links  gese- 
hen, um  die  zwischen  den  Hüftgliedern  und  Schenkellappen  der  Beine 
entstehende  Rinne  zu  zeigen,  durch  welche  ein  Wasserstrom  die  Nah- 
rungstheilchen  bis  zu  der  mitten  unter  dem  Kopfende  erscheinenden 
Oberlippe  und  über  (in  dieser  Lage  unter)  sie  hinweg  zum  Munde 
führt,  zu  beiden  Seiten  der  Oberlippe  die  kleinen  Tastantennen. 

Fig.  4 — 8.  Abbildungen  -verschiedener  Füsse  in  18facher  Ver- 
grösserung,  von  hinten  gesehen,  so  dass  die  Buchstaben  b'h"  den  Aus- 
senrand,  JK",  ^,  P  den  Innenrand  bezeichnen:  in  allen  diesen  Figuren 
bedeutet  M"  den  vom  Hüftstück  abgehenden  Kiefer-  oder  Maxillarfort- 
satz,  P — l^  die  Lappen  des  Innen-  und  Unterrandes  der  übrigen  Bein- 
ablheilungen,  und  zwar  l  den  des  Femoralstücks,  l\l^,l^,  die  des  Ti- 
bialstücks,  l'=  das  Tarsalstück;  b,b\b"  die  Anhänge  des  Aussenrandes, 
b  den  borstenlosen  schlauchartigen  ßranchialanhang  (sog.  Kiemenblase), 
b'  den  Rücken-,  6"  den  Bauchast  des  borstenrandigenBranchialanhangs 
(Kiemendeckblattes) . 

Fig.  4.  Der  linke  Fuss  vom  Isten  Paar  des  Männchens,  von  al- 
len andern  abweichend  durch  die  Verlängerung  des  Femorallappens  l' 
und  den  starken  durch  einen  Randeinschnitt  gebildeten  Absatz  dessel- 
ben gegen  die  verkürzten  übrigen  Fussabtheilungen ;  der  Tibiallappen 
P  hat  einen  sehr  convexen,  ausser  den  Borsten  mit  einer  Reihe  kurzer 
Stacheln  besetzten  Innenrand,  l^  ist  am  wenigsten  verändert,  P  und  l^ 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  165 

klauenarlig  gekrümmt,  letzteres  Stück  haarlos,  entsclueden  vor  l^  ge- 
legen, und  für  sich  beweglich,  seine  Länge  ansehnlicher,  seine  Basis 
breiter  und  liefer  angesetzt  als  Z*,  welches  wenigstens  an  der  Spitze 
einen  Borslenbüschel  trägt. 

Fig.  5.  Der  linke  Fuss  vom  2ten  Paar  des  Männchens  ,  etwas 
länger  als  derlste:  mit  ihm  stimmen  der  3te  bis  7te  (incl.)  des  Männ- 
chens und  der  Ite  bis  7le  des  Weibchens  überein,  nur  dass  sie  je  wei- 
ter nach  hinten  gelegen,  desto  mehr  an  Länge  abnehmen. 

In  beiden  Füssen  ist  der  Verlauf  der  Muskeln  dargestellt:  a  die 
Muskeln  ,  welche  vom  Rücken  her  an  der  Seilenwand  des  Kumpfseg- 
ments  herabsteigen,  und  sich  an  die  Aussenecke  des  Hüfstücks  ,  nach 
innen  von  der  Basis  des  schlaucharligen  Branchialanhangs  ansetzen, 
ß  die  Muskeln,  welche  von  der  Bauchwand  des  Segments  herkommen, 
und  theils  zu  demselben  Funkt  ,  Iheils  zur  Basis  des  Kieferfortsatzes 
{M"),  theils  zum  borstenrandigen  Branchialanhang,  sicher  wenigtens  an 
die  Basis  seines  Rückenastes  b'  treten;  die  auf  den  Bauchast  (6")  be- 
züglichen haben  diesen  Ursprung  nicht  so  deutlich ,  sie  scheinen  we- 
nigstens durch  solche  Fasern,  welche  von  der  Mitte  der  Fussplatte  her- 
kommen, verstärkt  zu  werden,  wenn  sie  nicht  überhaupt  hier  entstehen. 

y  die  Muskeln  ,  welche  vom  Hüftstück  des  Beines  ausgehen 
und  sich  an  die  verschiedenen  Lappen  des  Innenrandes  verlheilen. 

(f  die  Muskeln  ,  welche  an  der  Basis  des  Rückenastes  vom  bor- 
stenrandigen Branchialanhang  (6')  fächerartig  ausstrahlen,  und  theils  in 
den  Bauchast  desselben  Blattes  (6")  herabsteigen  ,  theils  in  schräger 
Richtung  qner  durch  die  ganze  Fussplatte  zu  den  Lappen  des  Innenran- 
des laufen. 

Fig.  6.  Ein  Fuss  vom  8ten  Paar  des  Männchens,  ihm  fehlt  der 
innere  borstenlose  Branchialanhang  ,  oder  die  sog.  Kiemenblase  6,  und 
die  Borsten  an  der  Spitze  des  Rückenastes  b'  sind,  wie  man  es  auch 
an  den  nächst  vorhergehenden  Füssen  sieht,  merklich  verlängert,  alle 
Lappen  des  Innenrandes  sehr  Terkürzt:  mit  diesem  Fusspaar  stimmt 
auch  das  8te  des  Weibchens  überein. 

Fig.  7.  Ein  Fuss  vom  9ten  Paar  des  Männchens;  ihm  fehlt  so- 
wohl die  Kiemenblase  b,  als  auch  der  Rückenast  des  borstenrandigen 
Deckblatts,  und  der  Bauchast  (6")  desselben  erscheint  ausserordentlich 
kurz,  die  übrigen  Lappen  werden  einander  ähnlicher:  eine  gleiche  Ge- 
stalt zeigt  das  lOte  Fusspaar  des  Männchens,  und  das  Ute  und  12te 
des  Weibchens. 

Fig.  8.  Ein  Fuss  vom  9ten  Paar  des  Weibchens,  e  der  Eier- 
träger, ein  beweglicher,  als  eine  Umwandlung  von  dem  Rückenast  des 
borstenrandigen  Branchialanhangs  zu  betrachtender  Griffel  ,  der  sich 
nach  unten  in  einen  kurzen  Bauchast  b"  fortsetzt;  dieselbe  Form  hat 
auch  dat  lOte  Fusspaar  des  Weibchens. 

Fig.  9.     Das  zweiringlige  End  -  und  das  vorletzte  Segment,     a 


166  Grube: 

der  After  mit  seinen  Lippen,  i  der  an  der  Rückenseite  durchschimmernde 
Darm,  ^  das  von  dem  vordem  Ringel  des  Endsegments  herabhängende 
unpaarige  Blältchen,  p*«  das  am  vorletzten  Segment  befestigte  lOte 
Fusspaar. 

Fig.  10.     Die  linke  Maudibel  von  der  Innenseite. 

Fig.  11.     Die  linke  Maxille. 

Taf.  VI. 

Abbildungen  von  Jugendzuständen  der  Limnetis  und  von  einzel- 
nen Theilen  eines  erwachsenen   Weibchens. 

Fig.  12.  Die  jüngste  Form,  welche  beobachtet  wurde,  etwa  65 
mal  im  Durchmesser  vergrössert,  von   der  Bauchseite  gesehen. 

C.  Der  keglig  zugespitzte  in  zwei  winzige  Hörnchen  auslaufende 
Kopf  mit  langem  rechten  und  linken  Seitenstachel,  C  der  noch  un- 
gegliederte fusslose ,  am  Ende  in  zwei  kurze  Fortsätze  ausgehende 
Rumpf,  D  der  einfache  flach  gewölbte  Rückenschild  ,  an  welchem  der 
Rumpf  haftet  ,  L  die  gewaltige  einen  grossen  Theil  des  Rumpfes  von 
unten  her  bedeckende,  ganz  mit  Stachclchen  besetzte  Lippenplatte,  in 
welche  sich  der  Kopf  frei  nach  hinten  fortsetzt,  und  die  nicht  dem 
Rückenschild  parallel  sondern  schräg  nach  unten  gerichtet  ist:  zwi- 
schen ihr  und  dem  Rumpf  ist  der  Zugang  zum  Munde,  welcher  etwa 
an  ihrer  vorderen  Grenze  liegt. 

A',  M.  Die  beiden  Paare  der  Ruderexlremiläten  ,  welche  zwi- 
schen der  Basis  des  Kopfkegels  und  dem  Rumpf  entspringen.  Ä  das 
vorderste  deutlich  gabelästige  Paar  ,  welches  sich  später  in  die  hin- 
tern Antennen  oder  Ruderantennen  umwandelt;  von  ihrer-Basis,  von 
der  Lippenplatte  überdeckt ,  gehl  hinterwärts  ein  grosser  gespaltener 
Hacken  ab  («'). 

M  Das  hintere,  einfachere  Paar,  aus  welchem  weiterhin  dieMan- 
dibeln  entstehen;  es  ist  kürzer  und  fast  gaiiz  von  der  Lippenplatte 
überdeckt.  Das  vordere  Antennenpaar  (oder  die  Tastantennen)  ist  jetzt 
noch  gar  nicht  vorhanden ,  bildet  sich  aber  später  an  der  Stelle  ,  wo 
jetzt  das  helle  runde  Fleckchen  an  der  Basis  der  seitlichen  Kopfsta- 
bhein sichtbar  ist.  im  Kopf  schimmert  das  einfache  Auge  0  durch, 
dahinter  beginnt  der  Darmkanal,  mit  zwei  kurzen  contractilen  Zipfeln, 
aus  welchen  sich  weiterhin  die  traubigen  durch  einen  Kanal  in  den 
Magen  mündenden  Speichel-  oder  Leberorgane  bilden,  die  hir.tere  in 
den  Alter  endende  Partie  des  Darmkanals  ist  gegen  die  vordf^re  durch 
eine  Einschnürung  abgepelzt.  In  dem  Darm  sieht  man  den  dun- 
keln von  seinem  äussersten  Contour  weit  abstehenden  Inhalt,  «  der  After. 

Fig  13.  Eine  weiter  vorgeschrittene,,  um  etwa  48  Standen  al- 
lere  und  grössere    Larve,    ebenfalls    von   der  Bauchseite  gesehen  und 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  1Ö7 

ebenso  stark  vergrössert.  Die  Gesamnitform  hat  sich  wenig,  die  Haupt- 
Iheile  fast  gar  nicht  verändert,  aber  hinter  dem  einfachen  Auge  wer- 
den die  ersten  Anfänge  der  zusammengesetzten  (0')  in  Gestalt  zweier 
rothen  Fleckchen,  bemerkbar,  und  am  Rumpf  haben  sich  die  Anlagen 
zu  6  Fusspaaren  gebildet ,  die  jedoch  noch  keine  Bewegung  zeigen. 
Gleichzeitig  mit  den  zusammengesetzten  Augen  ist  das  Herz  aufgetre- 
ten, das  man  aber,  weil  es  durch  den  Darm  verdeckt  wird,  bei  die- 
ser Lage  nicht  wahrnehmen  kann.  In  diese  Figur  ist  auch  die  strang- 
förmige  in  der  Mittellinie  der  Bauchwand  liegende  Zeichnung  aufge- 
nommen, derer  in  der  Abhandlung  gedacht  ist,  und  die  man  leicht  für 
den  Nervenstrang  halten  könnte,  obwohl  sich  diese  Identität  nicht  nach- 
weisen lässt. 

Fig.  13.  a.  Dieselbe  Larve  seitlich  gesehen  ,  weniger  vergrös- 
sert. D  der  Rückenschild  ,  L  die  Lippenplatle  ,  C  der  Leib  mit  den 
Anlagen  der  Kiemenfüsse,  A'^  M  die  Ruderextremitäten. 

Fig.  13.  b.  Der  vordere  Theil  des  Kopfes  stärker  vergrössert, 
0  das  einfache  Auge,  w  der  querovale,  vorn  flache  durchsichtige  Kör- 
per, in  den  dasselbe  wie  eingesenkt  erscheint  und  der  vielleicht  die  er- 
ste Anlage  der  zusammengesetzten  dahinter  liegenden  Augen  ist,  o  die 
beiden  mitten  angeschwollenen  Stränge,  welche  ich  für  die  Sehnerven 
der  jetzt  entstehenden  zusammengesetzten  Augen  halte  ,  S  die  Ma- 
genzipfel. 

Fig.  14.  Eine  Larve  aus  demselben  Stadium  vom  Rücken  ge- 
sehen, um  die  obere  mit  feinen  Spitzchen  besetzte  Fläche  des  Rücken- 
-schild'es  zu  zeigen  ,  von  welchen  nur  eine  einzige ,  gleich  bei  den 
seitlichen  Kopihörnern  beginnende  ovale  Stelle  (t')  frei  ist.  Das  Ende 
des  Kopfes  und  seiner  seitlichen  Hörner  oder  Stacheln  überragt  den 
Rand  des  Rückenschildes  ,  alles  andere  schimmert  nur  durch ;  so  das 
über  dem  Darm  und  unmittelbar  hinter  jener  glatten  Stelle  des  Rük- 
keaschildes  gelegene  Herz  (t>). 

Fig.  15.  Das  Körperende  eines  trächtigen  Weibchens,  etwa  20 
mal  vergrössert,  von  der  linken  Seite  und  etwas  von  vorn  gesehen  ,  e 
die  grifFelförmigen  Eierträger,  E  eine  Gruppe  an  ihnen  und  an  einan- 
der festklebender  Eier,  w  die  dreizipfelige  Klappe  ,  an  der  Flanke  des 
vor-  und  drittletzten  Segments  ,  hinter  welcher  die  Oeffnung  des  Ovi- 
ducts;  sie  ist  mehr  als  gewöhnlich  abwärts  gewendet,  eine  Stellung, 
die  ich  zur  Zeit  des  Eierlegens  öfter  bemerkt  habe  ;  p9p'Op'«p<2  die 
vier  letzten  Fusspaare,  /  das  unpaarige  Blättchen  an  der  Bauchseite  des 
letzten  Segments. 

Fig.  IG.  Die  rechte  Eierklappe  von  rechts  gesehen  ,  ihre  Sei- 
tenränder haben  sich  gegen  einander  gekrümmt  ,  und  bilden  so  eine 
Art  Rinne,  durch  welche  das  Eichen  heraustritt.  Durch  tlie  Seitenwand 
des  Leibes  schimmern  die  zum  Austritt  reifen  Eier  durch. 

Fig.   17.     Eine  Gruppe  Eierchen  an  dem  zarten  Haarschopf  eines 


168  Grube: 

Eierträgers  (e)  haftend.  Die  äussere  Hülle  (v")  welche  den  einzelnen 
Dotter  (c)  umschliesst,  ist  mit  den  benachbarten  durch  eine  klare  Masse, 
eine  über  dieselben  ergossene  und  dann  erhärtende  Flüssigkeit  verbun- 
den,  v'  die   Dotterhaut  der  einzelnen  Dotter  selbst. 

Fig.  18.  Ein  einzelnes  Ei  stärker  vergrössert  aus  einer  spätem 
Zeit.  V  der  Dotter  ,  v"  die  äussere  bald  einen  bald  mehrere  Dotter 
umschliessende  Eibülle,  welche  hier  schon  eingeschrumpft  ist,  sich  mit 
der  Dotterhaut  vereinigt  hat  und  dann  einen  unregelmässig  feinzackigen 
Contour  zeigt. 

Fig.  19.  Einer  von  den  mittleren  Füssen ,  an  dessen  Borsten 
einige  jener  straffen  mit  zarter  blasig  körniger  Masse  gefüllten  Schläu- 
che u  hängen,  welche  ich  für  Anfänge  anderer  Organismen  halte. 

Fig.  20.  Ein  Paar  dieser  Schläuche  vergrössert,  um  das  kurze 
Stielchen^  mit  welchem  sie  anhangen,  und  den  von  der  Haut  des  Schlau- 
ches merklich  abstehenden  Inhalt  zu  zeigen. 

Taf.  VII. 

Fig.  21.  Eine  junge  zweischalige  Limnetis  einige  Stunden  nach 
ihrem  Uebergange  aus  der  einschaligen  Form  in  die  jetzige:  in  die- 
sem Stadium  pflegen  ibre  Schalenbälften  noch  weit  auseinander  zu  ste- 
hen, wie  es  auch  die  Abbildung  zeigt,  7  Fusspaare  sind  entwickelt  und 
in  Bewegung,  die  übrigen  noch  in  der  Bildung  begriffen_,  Tast  -  und 
Ruderantennen  vorhanden,  Kopf,  Mandibeln  ,  Oberlippe  zusammenge- 
setztes Auge  ,  Schalenkanäle  und  Schalenschliessmuskel  wie  beim  er- 
wachsenen Thier,  nur  die  Zahl  der  Glieder  an  den  Aesten  der  Ruder- 
antennen und  die  der  Borsten  an  ihnen  wie  an  den  Fusslappen  min- 
der gross. 

Fig.  21.  a.  Eine  Ruderantenne  desselben  Thieres  stärker  ver- 
grössert. 

Fig.  21.  b.     Ein  Fuss  desgleichen. 

Fig.  22.  Die  linke  Schalenhälfte  einer  erwachsenen  Limnetis, 
von  der  Innenfläche  betrachtet,  vergrössert.  Man  sieht  den  nahe  der 
Schale  abgeschnittenen  Schliessmuskel  und  die  ovale  von  den  3  con- 
centrischen  Kanälen  gebildete  Figur,  die  ihn  umzieht.  Gegen  die  zak- 
kigen  durch  Gräben  gelrennten  wulstigen  Kanäle  sticht  der  fast  die 
Längsachse  der  Figur  einnehmende  dünnwandige  ßlindkanal  ab  ,  wel- 
cher oberhalb  des  Muskels  herkommt,  und  gerade  nach  hinten  verläuft. 
Von  den  oberen  Schenkeln  der  Wülste  sieht  man  den  innersten  in  den 
äussersten  umbiegen,  von  den  untern  dagegen  scheint  der  mittelste  in 
den  äussersten  überzugehen;  der  obere  Schenkel  vom  mittelsten  und 
der  untere  vom  innersten  Wulst  scheinen  sich  weiter  nach  vorn  fort- 
zusetzen und  so  den  Muskel  zu  umziehen.     Von  dem  Umfang  des  aus- 


Bemerkungen  über  die  Phyllopoden.  169 

sersten  Wulstes  strahlt  das  helle  Geäder  aus,  welches  wie  die  Wülste 
der  mittleren  weichen  Schalenschicht  angehört  ,  und  in  welchem  das 
Blut  fliesst.  Der  helle  Kandstreif  zeigt  die  Dicke  des  Schalenrandes 
selbst  an.  X  Die  Falte,  durch  welche  eine  Schalenhälfte  mit  der  an- 
dern zusammenhängt  (sog.  Ligament). 

Fig.  23.  Der  Kopf  eines  erwachsenen  Weibchens  etwa  20mal 
vergrössert,  mit  einem  Stück  vom  Vordertheil  des  Rumpfes,  dem  Scha- 
lenschliessmuskel  und  den  ihm  anhängenden  concentrischen  Kanälen 
aus  der  Mittelschicht  der  Schale,  von  der  linken  Seite  gesehen, 

Ä .  Die  linke  der  zweigliedrigen  Taslantennen  (Istes  Antennen- 
paar), A^  die  linke  Ruderantenne  (2tes  Antennenpaar) ,  m\nnP-,m^  Mus- 
keln der  Ruderantennen,  m'  die  Aufheber,  zum  Theil  auch  als  Rück- 
wärtszieher  wirkend,  sie  entspringen  unter  dem  Scheitelrande  der  vor- 
dem Kopfabiheilung,  ?n^  die  Vorwärtszieher,  welche  weiter  nach  vorn 
und  etwas  tiefer  entspringen  und  schon  im  Stamm  der  Ruderantennen 
aufhören,  m^  die  von  der  Unterseite  des  Kopfes  herkommenden  Rück- 
wärtszieher;  i  die  Einkerbung  und  Naht  zwischen  der  vordem  und 
hintern  Kopfabtheilung  (dem  Nackenschildchen  Lievin's) ;  e  die  knie- 
förmig  gebogene  Seitenleiste  der  vordexn  Kopfabtheilung,  bis  zu  wel- 
cher der  Stamm  der  Ruderantennen  seinen  Spielraum  hat ,  0'  das  zu- 
sammengesetzte Auge  der  linken  Seite,  auf  seinem  Sehnerven  sitzend, 
umfasst  von  einem  Kegel  zarter  Muskeln,  w  die  Aushöhlung,  in  der  es 
sich  befindet;  0  das  einfache  Auge,  p  ein  Strang  der  zu  seiner  Befe- 
stigung zu  dienen  scheint,  z  die  mit  Häärchen  besetzte  Vertiefung  der 
linken  Kopfseite;  m*  ein  von  der  Kopfwand  hinter  dem  Auge  0'  ent- 
springender dünner  Muskel  ,  der  zur  Unterfläche  der  Oberlippe  geht, 
S  das  zerschlitztlappige  in  den  Magen  mündende  Secretionsorgan  der 
linken  Seile  ,  L  die  Oberlippe ,  M  die  linke  Mandibel ,  in^  ein  hinter 
ihrem  Schenkel  zur  Sehne  ihrer  Adductoren  herabsteigender  Muskel ; 
/  der  Darmkanal,  v  das  Herz  (wie  es  scheint,  jederseits  mit  3  Spalt- 
öffnungen versehen) ,  m^  der  Schliessmuskel  der  Schalen  mit  den  ihm 
anhängenden,  bei  der  Zerreissung  der  Schale  hinausgetretenen  Schalen- 
kanälen,  M'  die  linke  Maxille. 

Fig.  24.  Die  rechte  Mandibel  M,  die  Maxille  M'  und  die  Ba- 
salparlie  des  Isten  Fusspaars  von  der  Bauchseile  gesehen  ,  nämlich  p 
das  Hüftstück  selbst,  M"  der  Kieferfortsatz,  6  der  borstenlose  schlauch- 
förmige, b'  der  borstenrandige  Branchialanhang. 

Fig.  24.  a.  Der  gabiige  hornige  zum  Theil  gezähnelte  Strei- 
fen, an  der  Bauchseite  des  Kopfes  gerade  über  der  Lippe  gelegen,  zwi- 
schen den  Mandibeln. 

Fig.  25.  Ein  Stück  vom  Rande  der  Schale,  von  innen  gesehen, 
etwa  200mal  vergrössert;  rr'  der  Rand  selbst,  R  der  helle  Randsaum, 
dessen  Zellen  kleiner  sind  ,  q  die  Grenze  zwischen  ihm  und  den  an- 
stossenden  grösseren  Zellen,  e  das  Aussenblatt    der  Schale  in  dem  die 


170  j':-.v  Grube: 

Zellen  liegen,  i  das  zarte  Innenblatt,  m  die  aus  gallertigen   zackigen  . In- 
selchen bestehende  vom   Blut  durchströmte  minder  durchsichtige  Mittel- 
'Schicht,  die  bis  q  reicht. 

Fig.  25.  rt.  Die  Randdicke  selbst,  der  äussere  Contour  r  er- 
scheint zackig. 

Fig.  26.  Der  Mundring  des  Nervensystems,  etwa  l6mal  ver- 
grlössert;  C  das  vordere  3Iund-  und  Gehirnganglion,  n  die  Schenkel 
des  Schlundringes,  0'  die  zusammengesetzten,  0  das  einfache  Auge,  o 
die  beiden  zu  0'  gehörigen  Sehnerven  ,  1  der  Nerv  der  Taslanlennen, 
2  Nerven  der  Ruderantennen,  3  der  um  die  Wurzel  der  Oberlippe  her- 
umgehende Verbindungsladen  der  Schenkel  des  Mundringes,  y  das  da- 
hinter gelegene  kleine  Ganglion  ,  das  w^ahrscheinlich  mit  dem  der  an- 
dern Seite  ebenfalls  verbunden  ist  ,  31  das  erste  Ganglienpaar  der  ei- 
gentlichen Bauchkelte,  das  die  Mandibcin  versorgt  und  noch  einen  Ner- 
ven nach  vorn  abschickt,  M'  das  zweite  Ganglienpaar,  vermulhlich  für 
die  Maxillen  bestimmt,  P'  das  dritte,   F'  das  vierte. 

Fig.  27.  Ein  Stück  von  der  hintersten  Partie  derBauohkette  be- 
deutend stärker  vergrössert. 

Fig.  28.  Ein  vertikaler  Durchschnitt  des  Segments,  welches  das 
Iste  Fusspaar  trägt.  £>  die  Schalenhälften,  A  die  Falte  die  sie  verbin- 
det, unter  l  die  Stelle  an  der  die  Oberhaut  des  Rumpfes  in  die  aus- 
kleidende Membran  der  Schale  übergeht,  v  das  Herz,  /  der  Darm,  N 
die  ßauchkette  des  Nervensystems,  G  die  Genitalien,  M"  der  Kiefer- 
fortsalz, /' — l^  die  Lappen  und  Anhänge  des  Innenrandes,  b,b',b"  die 
Branchiallappen  der  Füsse. 

Fig.  29.  Das  einfache  Auge  von  oben  gesehen ,  so  dass  der 
Blick  gerade  auf  die  mit  Pigment  bekleidete  Längs -Kante  zwischen 
den  beiden  Seitenflächen  des  beinahe  telraedrisch  gelormten  Organs 
fällt,  und  die  Basalfläche  verkürzt  erscheint;  alleFlächen  sind  von  Pig- 
ment eingerahmt. 

Fig.  30.  Eine  der  3  dem  Beobachter  zugänglichen  Flächen  des 
«infachen  Auges  im  verticalen  Durchschnitt. 

Taf.  VIII. 

Fig.   1 — 5.     Branchipus  Josephinae. 

Fig.  1.  Der  Kopf  eines  Weibchens  etwa  lOaial  vergrössert,  von 
der  Rückenseite. 

A'  die  fadenförmigen  oberen  Antennen  (den  vordem  der  andern 
Phyllopoden  entsprechend),  A^  die  untern  sehr  viel  dickeren,  hornartig 
gekrümmten  (den  hinteren  der  anderen  Phyllopoden  entsprechend),  0 
das  einlache,  0'  die  gestielten  zusammengesetzten  Augen  ,  C  die  vor- 
dere, die  Sinnesorgane   tragende,  C  die  hintere,     die  Fresswerkzeuge 


Bemerkungen  über  die  PhyHopoden.  171 

(tragende  Kppfhälfte  ,  P'  das  erste  init  ausgel^ildeten  Füssen  versehene 
Rumpfsegment. 

Fig.  2.     Ein  Jilänncben,  /im,^!  vergrössert,  von  der  Bauchseite. 

^'.  0'  wie  ;in  Fig.  1.,  die  untern  Antennen  (sog.  Hörner)  sind 
hier  viel  grösser  und  zusammengesetzter  als  beim  Weibcheu  und  tra- 
gen an  der  Unterseite  der  Basis  ein  stachliges  Wärzchen  «',  an  der 
Innenseite  der  Basis  ejn  zarter  gebautes  Kebenhorn  «;  M  die  Majndi- 
beln,  JT'  ,,4J,e  fJHajtiUen,  p  die  .kleinen  Papillen,  vor  dem  4ten  ausgebil- 
deten Fusspaar,  w^elche  man  entweder  als  ein  rudimentäres  Fusspaar 
oder  als  ein  zweites  Maxillenpaar  betrachten  kann,  auf  dieses  folgt 
die  Reihe  der  11,  nach  vorn  und  hinten  an  Länge  abnehmenden  Ru- 
derfusspaare  P,  und  dann  die  9  fusslosen  Segmente  S,  von  deren  2 
vordersten  der  die  männlichen  Genitalien  umschliessende  Behälter  w 
herabhängt,  to  die  äusseren  Papillen  desselben  ,  unter  (oder  in  norma- 
ler Lage  über)  welchen  das  Vas  deferens  mündet,  w"  die  innere  mit 
einer  hornigen  Leiste,  einem  Nebenzahn  und  meist  noch  kleineren  mi- 
kroskopischen Zähnchen  versehene  Spitze:  a  die  beiden  Schwanz- 
blättchen. 

■  -  -  j,,  j  ^  c 

Fig.  3.      Der  Kopf    eines  Männchens,  von    der  Rückienseite  und 

etwas  aufgerichtet,  so  dass  man  noch  das  Wärzchen  der  Bauchseite  a' 
hervorgucken  sieht;  viel  stärker  vergrössert ,  um  die  an  der  Unter - 
und  Hinterseite  des  Nebenhorns  befindlichen  stumpfen  Zähne  oder  Za- 
pfen zu  zeigen. 

Fig    3.  a.     Einzelne   dieser  Zähnchen  und 

Fig.  3.  b  das  AVärzchen  «'  noch  stärker  vergrössert,  so  dass  man 
deutlich  die  winzigen  Zacken  erkennt,  mit  denen  es  grösstentheils  be- 
setzt ist. 

Fig.'  4.  Der  dritte  Fuss  der  rechten  Seite  etwa  I6mal  vergrös- 
sert M' ;  l* — Z*  die  Lappen  des  Innenrandes,  l^  der  unterste  und  grössle 
derselben  (Ruderlamelle  S.  Fischer),  P  der  Tarsallappen  (Endlamelle 
S.  Fischer) ,  b,  unlerer  (beuteiförmiger,  unbehaarter)  Branchialanhang, 
i+  6+  die  beiden  oberen  (blattförmigen,  ebenfalls  unbehaarten),  am 
Rande  leicht  gekerbten  Branchialanhänge. 

Fig.  5.  Der  Hinterkörper  des  Weibchens  vergrössert ,  seillich 
gesehen,  um  das  Verhältuiss  des  Eierbehälters  o  (Theca)  zu  den  bei- 
den vorderen  fusslosen  Segmenten  zu  zeigen.  P"  der  rechte  Fuss  des 
Uten  Paares. 

Fig.  6.  7.  8.     Füsse  von  Apus  productus. 

Fig.  6.  Der  linke  Fuss  des  ersten  vollständigen  Paares  3*/2»nal 
vergrössert:  M  der  Kieferfortsatz,  l*—l^  Lappen  des  Innenrandes,  /' 
der  Tarsallappen,  b  der  innere  (beuteiförmige,  unbehaarte)  Branchial- 
anhang, b'  der  äussere  (blattförmige),  am  Rande  mit  Borsten  besetzte 
Branchialanhang. 

Fig.  7.      Ein    Fuss   von    den  auf  das  Ute  Fusspaar  folgenden; 


172  Grube:   Bemerkungen  über  die  Phyllopoden. 

Syi^al  vergrössert,  die  Bezeichnung  der  entsprechenden,  nur  breiteren 
und  kürzeren  Lappen  und  Anhänge  ist  dieselbe. 

Fig.  8.  Das  vor  dem  ersten  vollständigen  Fuss  und  hinter  der 
2ten  Maxille  der  linken  Seite  stehende  rudimentäre  Füsschen,  4mal 
vergrössert. 

Fig.  9.  Der  5te  Fuss  linker  Seits  von  Estheria  tetracera  ver- 
grössert:  die  Bezeichnung  der  Theile  wie  in  Fig.  6,  der  Lappen  i* 
ist  hier  gegliedert  angesetzt,  der  blattförmige  äussere  Branchialanhang 
so  sehr  nach  oben  und  unten  in  die  Länge  gestreckt,  dass  man  einen 
Rücken-  und  Bauchast  (6',  6")  wie  bei  Limnetis  unterscheiden  kann. 

Fig.  10.   11.   12.     Theile  von  Nebalia  Geoffroyi. 

Fig.  10.  Der  rechte  Fuss  von  einem  der  8  vordem  Paare, 
vergrössert.  Pder  hier  am  Innenrande  nicht  lappenartig  zerschlitzte, 
sondern  einfache  Stamm  des  Fusses,  b  der  innere  (hier  am  Unter- 
rande spärlich  behaarte),  b'  der  äussere  Branchialanhang. 

Fig.  11.  Ein  Fuss  der  4  folgenden  gabelästigen  Fusspaare, 
weniger  stark  vergrössert. 

Fig.  12.  Die  linke  Schalenhälfte  von  der  Innenfläche  gesehen, 
6*/imal  vergrössert,  um  das  Netzwerk  der  sie  durchziehenden  Blut- 
kanäle zu  zeigen.  Am  Rückenrande  vorn  ist  die  Stelle  markirt,  wo 
die  Schale  mit  dem  ersten  Rumpfsegment  zusammenhängt. 


Beitrags  zur  Kntwicklung^sg^ejichiclite  der 
Kamitikiemer 


J.  Roren  und  !>•  C*  Danielssen  ^>« 

Aus  dem  Dänischen  übersetzt 

vom 

Heräiisg^elber« 

(Hierzu  Taf.  IX.). 


Es  sind  ungefähr  5  Jahr,  seit  wir  in  „Nyt  Magazin  for 
Naturvidenskaberne"  dem  naturforschenden  Publicum  einige 
Abhandlungen  unter  dem  Titel:  „Zoologischer  Beitrag"  vor- 
legten, worin  wir  versprachen ,  die  Entwicklung  von  Bucci- 
num  undatum  gründlich  aufzuklären.  Jeder,  der  sich  selbst 
ein  wenig  mit  der  Entwicklungsgeschichte  niederer  Thiere 
beschäftigt  hat_,  wird  es  leicht  einsehen,  wie  Jahre  verge- 
hen können,  ohne  dass  es  glückt,  selbst  die  Probleme  aufzu- 
klären, welche  Gegenstand  der  fleissigsten  Forschung  gewor- 
den sind.  Und  wenn  dies  überhaupt  richtig  ist,  wieviel  mehr 
für  uns,  die  wir  an  einem  isolirten  Ort  wohnen,  50  Meilen 
entfernt  von  der  Universität,  und  entblösst  von  den  nöthigen 
Hülfsmitteln.  Dafs  wir  jetzt  im  Stande  sind  unser  Verspre- 
chen zu  lösen ,  ist  uns  um  so  angenehmer,  als  wir  zugleich 


*)  Diese  Abhandlung  erschien  als  besondere  kleine  Schrift  in 
Bergen  1851  mit  4  Tafeln,  ein  späterer  Nachtrag  ist  vom  September 
1852  datirt. 


174  Koren  und  Danielssen: 

dadurch  Veranlassung  bekommen ,  die  Irrthumer  zu  berich- 
tigen, welche  sich  in  der  obengenannten  Arbeit  befinden. 
Bergen,  den  20.  Septbr.  1851. 

Bucciiium  uiidatuiii  Linne. 

Obgleich  wichtige  Beiträge  zur  Entwicklungsgeschichte 
der  Mollusken  von  Nord  mann  9,  Vogt  2),  Quatrefa- 
ges  3),  L  ove'n^OVI^eid  5j^iifii*d^L'ey  dig'<^j  geliefert  sind, 
seit  wir  unsere  Untersuchun^ii  im  Magazin  for  Naturviden- 
skaberne  bekannt  machten,  glauben  wir  doch,  dass  unsere 
fortgesetzten  Beobachtungen,  die  wir  hier  vorzulegen  wagen, 
nicht  ohne  Interesse  sein  werden,  theils  weil' wir  Schritt  für 
Schritt  die  ganze  Entwickeluiig  zweier  Gattungen  haben  ver- 
folgen können,  theils  weil  sie  'zu  Aufklärungen  über  die  Bil- 
dung von  Embryonen  geführt  haben,  die,  soweit  es  uns  be- 
kannt ist,  für  die  Wissenschaft  neu  sind. 

Am  sechsten  März'  dieses  Jahres  erhielten  wir  einige 
Eikapseln  von  Buccinum  ufiklatikin'.  >  E's  ist  bekannt,  dass  die 
Kapseln  meist  zusammenhängen ,  und  kugelrunde  oder  ovale 
Trauben  bilden,  welche  zuweilen  die  Grösse  einer  geballten 
Faust  erhalten.  Sie  sind  an  verschiedenen  Körpern ,  wie 
Steine,  alte  Holzstücke,  Tang  u,  s.  w.  befestigt.  In  manchen 
Trauben  enthielten  alle  Kapseln,  entwickelte-  Junge  ,.n  in  an- 
dern dagegen  waren  dieselben  noch  mit  Eiern  versehen,  undl 
wir  besassen  daher  hier  das  nöthige  Material.  Sowohl  aus... 
dem  verschiedenen  Inhalt  dieser  Trauben ,  wie  aus  unseren 
sonstigen  Untersuchungen,   darf  man  wohl  den  Schluss  zie-  ' 


1)  Versuch  einer  Monographie  von  TergipesEdwardsii.  Peters- 
burg 1844.  <'Jiir  ii'i 

2)  Recherches  sur  l'embryogeniedfeTAöteön,  Annales  des  Scien- 
ces naturelles,  troisieme  ser.  VI.  1846.  p,  1. 

3)  Annales  des  sciences  naturelles,  troisieme  ser.  IX.   p.  33. 

4)  Bidrag  tilKännedomen  on  Utvecklingen  af  Mollusca  Acephala 
Lamellibranchiata.  Kongl.  Vet.  Akad.    Handl.  1848. 

5)  Ueber  die  Entwicklung  der  Eier  der  Mollusca  nudibranchiata. 
Frorifep's  Tagsberichte.  Januar  1850. 

6)  Ueber  Paludina  vivipara.     Zeitschrift  für  wissehsch.  ZÖölti-*' 
gie.  2.  Band.  Leipzig  1850.  •'^'  ' 


Beitrag  zur   EntwieklungÄgeschi^hte' dfer  Kammkiemer.        l75^ 

hen,  dass  die  Zeit  des  Eierlegens  vonßucciniim  undälum  im 
Januar  beginne,  und  bis   zum  Ende  des  Aptil  dauerte;     Wir 
öffneten  einige  Kapseln,  um  den  Inhalt  unter  dem  Mikröskof^' 
zu   prüfen.     Eine  jede  enthielt   eine  wasserhelle  ,  zähe ,  ei- 
weissartige  Flüssigkeit,  worin  sich  eine  beträchtliche  Menge 
Eier  (600^-800)  befanden  ,    die  sich  wegen  des  sie  einhül- 
lenden zähen  Schleims  schwer  von  einander  trennen  Hessen. 
Jedes  Ei  bestand  aus  einer  dünnen  durchsichtigen  Haut  (cho- 
rion) ,   innerhalb    derselben   befand   sich    eine   feinere  Haut, 
die  den   kugelrunden  Dotter  dicht  umscliloss.     Derselbe  be- 
stand aus  einer  zähen  Flüssigkeit,  welche  eine  Menge  grös-^ 
sere  oder  kleinere  hellgelbe   runde  Körnef  enthielt.     Weder 
von  Keimbläschem   noch  von   Keimlleck    bemerkte   man  einie^^ 
Spur.     Der  Durchmesser   der   Eier   variirte   von    0,257  tß&^ 
0,264  m.  m.  -  "  ^^> 

Den  8.,  13.,  löten  und  20sten  März  untersuehtt^n  wir - 
wieder  einige  Kapseln  derselben  Traube.  Die  Eier' Wä^öir'' 
zu  unserer  grossen  Verwunderung  noch  kugelförmig  und  uft'-^' 
gefurcht^). 

Am  24sten März  waren  die  Eier  gleichfalls  ungefureht^; 
aber  anstatt  dass   sie  früher  zerstreut  lagen,   hatten  sie  sich  ' 
nun  genähert.     Das  Chorion  hatte  begonnen  sich  aufzulösen, 
die  meisten  Dotter  waren  ausgetreten  ,  und  lagen  eingehüllt^ 
in  der  zähen,   eiweissartigen  Flüssigkeit,   bloss  umhüllt  von 
der  Dotierhaut.     Nach   einigen  Tagen    hatten   die  Eier  auch 
äüsserlich  sich  ztsammengehäuft,  und  bildeten  eine  gemein- 
same Masse,    die  an  der  Oberfläche  gleichsam    in    mehrere 
Gruppen   abgetheilt   war ,    so    dass   man    selbst   mit   blossen 
Augen  jede  einzelne  bemerken  konnte.      Ihre  Anzahl  betrug 
im  Allgemeinen  von  6 — 16. 

Den  29slenMärz  untersuchten  wir  abermals  einige  Kap- 
seln. Die  einzelnen  Gruppen  fanden  sich  schärfer  ausge- 
prägt, und  an  jeuer  von  ihnen,  die  nun  eine  ovale  oder  nie- 
renförmige  Gestalt  angenommen  hatten ,  war  ein  überaus 
dünnes  Häutchen  gebildet.  Die  Gruppen  blieben  noch  zu- 
sammenhängend- 


1)  An  einzelnen  Eiern  sahen  wir  indessen,  dass  die  Dotter  eine 
konische  Hervorragung  hatten. 


176  Koren  und  Danielssen: 

Am,  Isten  April  untersuchten  wir  wieder  einige  Kapseln. 
Eine  von  ihnen  enthielt  zwölf  bereits  ausgebildete  Embryonen 
die  eine  ovale  und  nierenförmige  Gestalt  hatten,  und  mit 
zwei  runden  Lappen  (velum)  und  dem  Fuss  (Fig.  2.  c.)  ver- 
sehen waren.  Die  Flüssigkeit,  welche  die  Kapseln  erfüllte,  war 
durchaus  wasserhell  und  dünn ,  so  dass  man  mit  grosser 
Leichtigkeit  Individuen  herausnehmen  konnte.  In  einer  an- 
dern Kapsel  befanden  sich  nur  6  Embryonen,  von  denen  vier 
noch  vereinigt  waren. 

Wir  begannen  nun  den  Zusammenhang  zu  begreifen, 
der  uns  so  eigenthümlich  vorkam,  dass  es  lange  dauerte,  ehe 
wir  rechtes  Vertrauen  in  unsere  eigenen  Beobachtungen  setz- 
ten; denn  es  schien  so  stark  nicht  nur  gegen  alles  ,  was 
man  bisher  von  der  Entwicklung  der  Mollusken  wusste,  son- 
dern auch  gegen  alle  bekannten  physiologischen  Thatsachen 
zu  streiten.  Die  voraus  liegende  Wahrheit  entfernte  jedoch 
leicht  jeden  Zweifel,  und  verrückte  nicht  allein  den  Begriff, 
den  wir  bisher  von  dem  Ei  hatten,  sondern  nöthigte  uns  so- 
gar an  einem  Gesetz  zu  rütteln,  das  bereits  durch  mannich- 
faltige  Thatsachen  seine  Berechtigung  erhalten  hatte.  Wir 
hatten  nämlich  eine  Entwicklungsweise  vor  uns,  die  bei  ihrer 
wesentlichen  Abweichung  es  schwierig  machte,  unsere  Un- 
tersuchungen auf  alle  früher  angestellten  zu  beziehen,  und 
wir  konnten  daher  nicht  anders  vermulhen ,  als  dass  diese 
neuen  Phänomene  bei  weiterer  Forschung  ihren  Anknü- 
pfungspunkt an  anderen  A^erwandten  Geschlechtern  finden 
würden.  Wir  werden  später  beweisen  ,  dass  diese  Vermu- 
thung  richtig  war.  Aber  wie  hätten  wir  nicht  bestürzt  sein 
sollen,  dass  wir,  als  wir  das  primitive  Ei  untersucht,  und  be- 
fruchtet gefunden  hatten  ,  vergebens  auf  die  Veränderungen 
warteten  ,  die  jedes  solches  Ei ,  zufolge  der  bisher  bekann- 
ten Gesetze  unter  günstigen  Bedingungen  eingehen  muss. 
Keine  Furchung  zeigte  sich  ,  keine  Zellen  entstanden ;  kurz, 
das  Innere  des  Eies  bUeb  scheinbar  unverändert;  dagegen 
äusserte  sich  eine  Thätigkeit  in  seiner  Umgebung  ,  in  dem 
ausserordentlich  zähen,  eiweissartigen  Schleim,  der  die  vor- 
her deutlich  getrennten  Eier  gleichsam  zusammendrängte, 
und  in  Haufen  vereinigte.  In  ihr  wurden  die  Eier  zusam- 
mengeleimt durch  eine  starke,  klebende  Masse,  während  die 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammkiemer.         177 

vorerwähnte  zähe  Flüssigkeit  dünnflüssig-  geworden  war,  fast 
wie  Wasser.  Nun  erst  begann  eine  Art  Thätigkeit  sich  in  den 
Eiern  selbst  zu  zeigen  ,  indem  ihre  Haut  zum  Theil  platzte, 
die  Dotter  austraten,  und  man  sah,  dass  an  jedem  ebener- 
wähnlen  Haufen  sich  eine  Membran  bildete ,  die  das  entste- 
hende Individuum  begrenzte.  Zwischen  diesen  Haufen  wur- 
den dann  und  wann  einige  einzelne  Eier  gesehen,  denen  der 
Zutritt  zu  dem  organischen  Process  versagt  schien,  der  den 
werdenden  Embryo  begründen  sollte;  und  diese  Eier  star- 
ben dann  entweder  ab,  oder  erlangten  eine  äusserst  unvoll- 
kommene Entwicklung,  woraus  ein  höchst  wunderliches 
Wesen  entstand  ,  dessen  Dasein  nur  kurz  war.  Sobald  die 
zusammengehäuflen  Eier  ihre  Membran  erhalten  hatten^  be- 
gann die  Embryonenbildung  mit  einer  Ausscheidung  einer 
ziemlich  klaren,  feinkörnigen,  klebrigen  Flüssigkeit,  die  sich 
zuerst  an  den  äusseren  Flächen  der  Eier  lagerte.  In  dieser 
plastischen  Masse  entstanden  nun  theils  Zellen^  theils  Mus- 
kelröhren^  je  nachdem  das  sich  bildende  Organ  eine  solche 
Struktur  bedurfte,  und  auf  diese  Weise  setzte  sich  die  Or- 
ganenbildung fort.  Für  uns  hat  es  sich  also  uniäugbar  her- 
ausgestellt, dass  die  erste  sichtbare  Thätigkeit,  nachdem  die 
Eier  abgelegt  waren,  in  dem  umgebenden,  zähen^  eiweissar- 
tigen  Schleim  auftrat;  und  wir  können  uns  diese  Thätig- 
keit nicht  anders  denken  ,  als  dass  der  klebende  Stoff  sich 
ausscheidet  und  die  Eier  enger  zusammendrängt.  Den  Con- 
glomerationsact  selbst  nahmen  wir  anfangs  für  etwas  ,  das 
vielleicht  die  Furchung  verträte,  aber  wir  verliessen  bald 
diese  Meinung  als  höchst  unwahrscheinlich,  und  wurden  darin 
sehr  bestärkt,  als  wir  die  Entwickelung  von  Purpura  lapillus 
kennen  lernten,  wo  Furchung  und  Zusammenhäufung  zugleich 
vorkommen.  Wir  müssen  daher  annehmen,  dass  die  Dotter- 
theilung  nicht  unter  allen  Umständen  nothwendig  für  die 
Embryonenentwickelung  ist.  Aber  wie  seltsam  ist  nicht  die 
Thatsache,  dass  mehr  als  fünfzig  vollkommen  organisirte  Eier 
sich  vereinigen,  um  ein  einziges  Individuum  zu  bilden?  Wo 
ist  hier  das  bildende  Princip  ?  Ist  es  in  dem  einzelnen  Ei 
eingeschlossen,  oder  ist  es  so  über  alle  verbreitet,  dass  es 
nur  bei  ihrer  Gemeinschaft  mächtig  genug  bleibt,  um  den 
Stoff  zu  beherrschen?  Wir  haben  ja  gesehen,  dass  das  ein- 
Archiv f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  12 


IyS  Koreri  und   Danielss6nj. 

zelne  Ei  ztrweilen  eine  Art  Enlwickelung  eingeht;  aber  das 
Wesen,  welches  daraus  hervorgeht,  ist  sehr  unvollkommen, 
und  geht  sehr  bald  zu  Grunde.  Hier  scheint  es  am  nöthigeft 
Material  zu  mangeln;  —  doch  wir  wollen  auf  die  Entwicke- 
lung  von  Purpura  lapillus  hinweisen ,  wo  dieses  sich  viel- 
leicht deutlicher  nachweisen  lässt.  Immerhin  glauben  wir  in 
der  obenerwähnten  Entwickelungsweise  eine  tiefe  physiolo- 
gische Wahrheit  zu  sehen,  deren  grosse  Bedeutung  spätere 
Beobachtungen  vielleicht  aufklären  werden  '). 

Was  die  Anzahl  der  Eier  betrifft,  die  an  der  Zusam- 
menhäufung Theil  nehmen,  um  einen  Embryo  zu  bilden ,  so 
variirt  diese  ebenso  sehr,  wie  die  Menge  der  Embryonen  in 
den  verschiedenen  Kapseln.  Diese  waren  gewöhnlich  6 — 16, 
doch  haben  wir  zuweilen  bis  36  gefunden.  Es  ist  zu  bemer- 
ken, dass,je  weniger  Individuen  eine  Kapsel  enthält,  desto 
mehr  Eier  vorhanden  sind  ,  und  dass  als  eine  Folge  d^avon 
dann  die  Individuen  grösser  sind,  ja  sogar  eine  Grösse  von 
IVj  "1-  ^'  haben  können.  Die  gewöhnliche  Zahl  der  Eier, 
welche  sich  zur  Bildung  eines  Embryo  vereinigen ,  ist  40— 
60,  doch  haben  wir  sie  sehr  oft  bis  130  gefunden. 

Bereits  Gray 2)  hat  beobachtet,  dass  eine  Kapsel  über 
löO  Eier  enthielt,  und  dass  von  diesen  nur  4— 5  Embryonen 
srch  entwickelten.  Dieser  bekannte  englische  Physiologe  er- 
klärt dies  auf  die  Weise  ,  dass  einige  Eier  durch  überwie- 
gendes   Wachsthum    die   Entwickelung    der    andern   hindern 


1)  Nachdem  wir  wiederholt  die  Thatsachen  geprüft  haUen  und  von 
ihrer  Richtigkeit  überzeugt  waren,  beschlossen  wir  Sars  zu  ersuchen, 
dtr  ungefähr  drei  Meilen  von  hier  wohnt,  zur  Stadt  zu  kommen,  um 
wo  möglich  sie  zu  bestätigen.  Obgleich  Geschäfte  ihn  hinderten,  sogleich 
zu  kommen,  waren  wir  doch  so  glücklich  später  ihm  den  ganzen  Ent- 
wickeln ngs  Vorgang  zeigen  zu  können,  wodurch  er  Gelegenheit  erhielt, 
sich  von  der  Richtigkeit  der  ßeobachlungen  zu  überzeugen.  Bald  dar- 
auf erhielten  wir  ein  Schreiben  von  ihm,  worin  er  uns  einige  unter- 
brochene Untersuchungen  über  Buccinum  undatum  raittheilte ,  welche 
er  im  Jahr  1836  angestellt  hatte.  Daraus  ersahen  wir,  dass  Sars 
gleichfalls  beobachtet  hatte,  dass  die  Dotter  keine  Furchung  eingehen. 
Er  hat  nämlich  Eier  in  der  offenen  See  vom  26.  Januar  bis  zum  18. 
Februar  liegen  gehabt,   ohne  dass  er    eine  Veränderung  bemerkte. 

1)  Annales  des  sciences  naturelles,    seconde  serie  VII.  p.375. 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammluemer.        179 

sollten,  und  dass  deshalb  nur  4—5  Embryonen  auskommen. 
Es  ist  nun  leicht  zu  sehen,  worin  Gray  sich  geirrt  hat,  und 
wir  müssen  gestehen,  dass  wir  uns  früher  desselben  Irrthums 
schuldig  gemacht  haben.  Uniäugbar  ist  er  der  Wahrheit  auf 
der  Spur  gewesen ,  ohne  dass  es  ihm  geglückt  ist ,  sie  auf- 
zuklären. 

Nachdem  wir  nun  gesehen  haben ,  dass  die  Eier  sich 
gruppiren,  um  den  Embryo  zu  bilden ,  und  dass  dieser  um- 
geben ist  von  einem  wasserhellen,  dünnen  Häutchen,  wollen 
wir  die  Art  und  Weise  angeben  ,  wie  wir  die  Organe  auf- 
treten sahen.  Der  erste  Vorgang  ist ,  dass  sich  eine  klare, 
feinkörnige  Masse  aus  dem  obersten  Ei  ausscheidet,  das  nun 
durchsichtiger  zu  werden  anfängt.  In  dieser  Masse  entdeckt 
man  bald  eine  Menge  Zellen  ,  die  allmählich  sich  vermehren 
und  eine  bestimmte  Form  annehmen  ,  indem  sie  in  die  bei- 
den Lappen  (Fig.  2.  c.)  übergehen.  Diese  bekommen  allmäh- 
lich Cilien ,  und  erst  jetzt  bemerkt  man  einige  Bewegung. 
Der  Fuss ,  welcher  sich  auf  eine  ähnliche  Weise  bildet, 
kommt  zum  Vorschein  als  eine  vorstehende  Wulst,  erhält  Ci- 
lien, und  der  Embryo  dreht  sich  äusserst  langsam  (Fig.  3.  e). 
An  dem  obersten  Rande  der  runden  Lappen  zeigen  sich  hier 
und  da  Girren  i),  die  sich  nach  kurzer  Zeit  über  die  ganze 
Länge  derselben  ausbreiten.  Später  sieht  man,däss  die  kreis- 
runden Lappen  ausser  den  Girren  auch  mit  Gilien  versehen 
sind  (Fig.  7.  de). 

Wenn  die  Lappen  und  der  Fuss  gebildet  sind,  sieht 
man  zwischen  den  zusammengehäuften  Eiern  und  der  Mem- 
bran, welche  sie  umgiebt,  eine  gleichfalls  ausgeschiedene  halb- 
durchsichtige körnige  Masse,  welche  beiträgt  den  Mantel  zu 
bilden,  indem  nämlich  die  erwähnte  Membran  sich  mehr  und 
mehr  verdickt ,  und  eine  bestimmte  Structur  (Fig.  2.)  annimmt. 
Nachdem  dies  geschehen ,  sieht  man  an  dem  untersten  Theil 
des  Mantels   einen   halbrunden  ,    durchsichtigen  Körper  sich 


1)  Sars  hat  die  langen  Girren,  welche  an  den  Lappen  sich  be- 
finden, von  Cilien  unlerschieden,  und  hat  vorgeschlagen,  sie  Schwimm- 
haare zu  nennen.  Später  haben  sie  mehrere  Schriftsteller  „Girren« 
genannt,  und  die  Benennung  „Cilien«  für  die  kurzen  und  äusserst  fei- 
nen Haare  beibehalten. 


180  Koren    und  D  ani  elssen: 

bilden,  das  ist  die  beginnende  Schale  (Fig.  3.  a).  Der  Fuss 
nimmt  an  Grösse  zu,  bekommt  eine  mehr  zugerundele  Form, 
und  an  seinem  Grunde  sieht  man  deutlich  die  beiden  Ge- 
hörorgane (Fig.  4.  </).  Sie  bestehen  aus  zwei  kugelrunden, 
wasserhellen  Bläschen,  die  mit  einer  wasserhellen  Flüssigkeit 
erfüllt  sind,  und  die  deutlich  doppelte  Contouren  zeigen.  Je- 
des Bläschen  ist  blofs  mit  einem  Otolithen  versehen.  Bringt 
man  das  Thier  unter  das  Compressorium,  so  treten  diese  Or- 
gane deutlich  hervor,  und  vermehrt  man  den  Druck,  so  zer- 
springen gemeiniglich  die  Otolithen  in  4  regelmässige  Stücke. 
Die  zitternde  Bewegung  ,  welche  die  meisten  Schriftsteller 
an  den  Otolithen  beobachtet  haben,  haben  wir  bei  Buccinum 
undatum  nicht  bemerkt,  auch  haben  wir  keine  Cilien  an  der 
Innern  Wand  der  Bläschen  auffinden  können,  obgleich  wir 
sehr  starke  Vergrösserungen  angewendet  haben. 

Es  kann  wohl  kaum  einem  Zweifel  unterworfen  werden, 
dass  sich  die  Augen  gleichzeitig  mit  den  Gehörorganen  ent- 
wickeln ;  wenigstens  haben  wir  diese  niemals  beobachtet, 
ohne  zugleich  jene  zu  bemerken.  Leydig  hat  angegeben, 
dass  das  Auge  anfangs  eine  Blase  sei,  die  am  Grunde  der 
Tentakeln  liege.  Wir  haben  Gelegenheit  gehabt,  diese  Beob- 
achtungen zu  bestätigen;  aber  wir  haben  ausserdem  gefun- 
den, dass  die  innere  Wand  dieser  Blase  mit  Cilien  versehen 
ist.  Die  Blase  enthält  eine  Flüssigkeit,  worin  sich  viele  stark 
gefärbte  hellgelbe  Pigmentkörner  befinden  ,  die  von  einer 
äusserst  dünnen  Haut  umschlossen  sind.  Wenn  die  Cilien 
auf  die  Pigmentkörner  einwirken,  setzen  sie  sich  in  eine  rol- 
lende Bewegung.  Eine  Linse  konnten  wir  nicht  entdecken; 
sie  kommt  erst  bei  weiterer  Entwickelung  zum  Vorschein. 
Zu  der  Zeit,  wo  wir  die  Augen  bemerkten  ,  sahen  wir  auch 
die  beiden  konischen  Tetankeln  und  den  Anfang  der  Spei- 
cheldrüsen. Diese  letzteren  gaben  sich  immer  als  zwei  birn- 
förmige  Organe  zu  erkennen,  die  aus  runden  Zellen  bestan- 
den (Fig.  4.  Ä).  Ihr  unteres  Ende  war  verdickt,  und  in  der 
Mitte  mit  einer  Menge  stark  gefärbter  Pigmentkörner  erfüllt. 
Gleichzeitig  mit  der  Entwickelung  dieser  Organe  zeigten  sich 
auch  das  Herz^,  die  Vertiefung  für  den  Mund  mit  der  Anlage 
für  den  Rüssel.  Sars,  Loven,  Nordmann  und  Vogt 
haben  in    den  früheren  Stadien   nichts  vom  Herzen  gesehen, 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammldemer.         181 

auch  wir  haben  es  vergebens  bei  mehreren  Geschlechtern  ge- 
sucht, die  zu  der  Ordnung  der  Nacktkiemer  gehören,  und  es 
dürften  daher  wohl   die    ersten    Entwickelungsstadien  in  den 
meisten  Fällen  ohne  dasselbe  vorgehen.     Bei  den  Kammkie- 
mern  verhält  es  sich  jedoch  anders,  wenigstens  bei  Buccinum 
undatum  und  Purpura  lapillus,  wo  das  Herz  bereits  zwischen 
dem    23.  und  28.  Tage   auftritt.     Grant')    war   der    erste, 
der  das  Herz  bei  Buccinum  undatum  beobachtete  ,   aufmerk- 
sam gemacht   durch   seine  starke  Pulsation.     Er  war   es  zu- 
gleich ,   der  zuerst  bemerkte ,  dass  die  Jungen  von  Purpura, 
Trochus,  Nerita,  Doris,  Aeolis  an  den  Seiten  des  Kopfes  zwei 
runde  Organe  haben,    die    mit  schwingenden  Cirren  besetzt 
sind,  und  mit   deren  Hülfe    die    Embryonen    sich    bewegen. 
Später  sind  diese  Beobachtungen  von  Lund,   Sars,Loven, 
Nord  mann  und  Anderen  bestätigt.      Das  Herz,  welches  am 
Rücken  etwas  zur  Linken  liegt ,  hat   eine   schiefe  Lage    und 
ist  anfangs  fast  ganz  unbedeckt,  indem  ein  grosser  Theil  des- 
selben ausserhalb   der   nur   noch  unvollkommen  entwickelten 
Kiemenhöhle  liegt.      An  der  Stelle,  wo  es    hervorsteht,  be- 
merkt man  zuerst  eine  durchsichtige,  grauliche ,  feinkörnige 
Masse,  die  eine  abgerundete  Gestalt  hat,  sich  an  die  Lappen 
und  den  Fuss  anschliesst,  und  ohne  sichtbare  Bewegung  ist. 
Bald  zeigen  sich   darin  schwache  Zusammenziehungen  ,  wo- 
bei es  sich  schon  mehr  und  mehr  begrenzt,  und  sich  als  eine 
grosse,  helle  Blase  zeigt.     In    seinen  Wänden  entdeckt  man 
nun  einzelne  äusserst  feine  Längsröhren,  2 — 3,  die  deutlich 
seine  Contractionen  bestimmen;  und  man  hat    die  Form   des 
Herzens  vor  sich.     Weiter  hin  nehmen  die  Wände  des  Her- 
zens an  Dichtheit  und  Dicke  zu,  die  Muskel  vermehren  sich, 
Quermuskeln  bilden  sich,  und  es  füllt  sich  mit  einer  wasser- 
hellen Flüssigkeit  (Fig.  4.  e).     Wir  haben  oft  die  Pulsschläge 
gezählt^  und  gefunden,  dafs  sie  in  der  Schnelligkeit  variiren, 
meist  zählt  man  40 — 50  in  der  Minute;  sie  sind  nicht  immer 
regelmässig,  denn  oft  geschieht  es,  dass  auf  schwache  kräf- 
tigere folgen;  häufig  kommt  es  vor,  dass  das  Herz  plötzlich 
aufhört   sich    zusammenzuziehen    und    gleichsam  einige   Zeit 


l)  Edinburgh  Fhilosopliical    Journal    VII.    1827.  p.  121.      Leider 
kennen  wir  diesen  Aufsatz  nur  im  Auszuge  anderer  Verfasser. 


182  Koren  und  Danielssen: 

ausruht;  nach  einer  solchen  Ruhe  treten  nicht  selten  kräfti- 
gere Pulsationen  ein.  Die  primitiven  Röhren  (Rör ,  Muskel- 
fäden??)  des  Herzens  sind  cylindrisch  und  an  einzelnen 
Stellen  erweitert;  ihre  Wände  sind  ausserordentlich  dünn, 
stark  durchscheinend,  und  brechen  das  Licht  ganz  verschie- 
den von  der  übrigen  Masse.  Ein  Fludium  haben  wir  jedoch 
nicht  darin  bemerkt^  auch  keine  Zellenstructur.  Auch  in  den 
zwei  runden  Lappen  haben  wir  ähnliche  Muskelröhren  beob- 
achtet 0 ;  aber  hier  sieht  man  mehrere  sich  aneinander  le- 
gen ,  auch  bemerkt  man  ,  dass  sie  sich  an  mehreren  Stellen 
verzweigen.  Diese  Verzweigung  wird  schon  häufiger  und 
häufiger,  je  mehr  sie  sich  der  Peripherie  der  Lappen  nähern, 
und  indem  die  feineren  Zweige  sich  öfter  kreuzen,  entsteht 
ein  Muskelnetz  (Fig.  7.  a.  &),  welches  dazu  dient,  die  beiden 
runden  Lappen  in  allen  Richtungen  zu  bewegen.  Zwischen 
diesen  Muskelverzweigungen,  welche  wir  in  unsern  Bemer- 
kungen irrig  als  Gefässverzweigungen  angegeben  haben,  fin- 
den sich  in  Masse  kleine  Kalkkörner  zerstreut,  die  das  Licht 
stark  brechen.  —  Nachdem  die  beiden  bekannten  französi- 
schen Naturforscher,  Milne  Edwards  und  Valencien- 
nes,  gezeigt  haben,  dass  das  Circulationssystem  bei  den 
Mollusken  mehr  oder  weniger  unvollständig  ist,  Hessen  wir 
es  uns  angelegen  sein,  Kenntniss  davon  zu  erlangen,  wie  die 
Circulation  bei  den  Jungen  vorginge  ;  aber  trotz  aller  ange- 
wandten Mühe  waren  wir  nicht  so  glücklich,  davon  die  ge- 
ringste Spur  zu  Gesicht  zu  bekommen. 

Wir  haben  bereits  früher  erwähnt,  dass  der  Rüssel  eins 
von  den  Organen  ist,  die  sich  zeitig  bilden  und  sich  durch 
eine  cylindrische  Form  und  durch  ziemlich  starke  Muskel- 
contractionen  zu  erkennen  giebt.  Erst  später  kommen  Ma- 
gen- und  Speiseröhre  zum  Vorschein.  Diese  zeigt  sich  als 
ein  hohler  Cylinder ,  eingeschlossen  in  dem  Rüssel ,    und   in 


1)  Leydig  hat  in  der  vorhin  citirten  Abhandlung  die  Muskel- 
structur  bei  mehreren  Gasteropoden  erwähnt  und  aufmerlisara  darauf 
gemacht,  dass  seine  Untersuchungen  nicht  mit  denen  von  Leb  er  t  und 
Robin  übereinstimmen.  Wir  können  nicht  anders,  als  Leydig  bei- 
stimmen, indem  wir  im  Wesentlichen  seine  Beobachtungen  bestätigen 
zu  können  glauben. 


Beitrag  zur  Entwic]klungsgeschichte  der  Kammkiemer.         183 

dessen  überaus  dünner  Wandung  man  mehrere  helle  Strei- 
fen, die  sich  bildenden  Muskelröhren,  bemerkt.  Sobald  die 
Speiseröhre  aus  dem  Rüssel  tritt,  beugt  sie  sich  etwas  nach 
hinten  und  aufwärts  und  folgt  eine  Strecke  der  unteren  Flä- 
che des  Rückens  ,  dann  macht  sie  wieder  eine  Biegung, 
schlingt  sich  etwas  nach  links  und  geht  in  den  etwas  ver-' 
längerten  Theil  des  Magens  über  (Fig.  5.  m).  Es  hat  seine 
grossen  Schwierigkeiten,  genau  die  Speiseröhre  zu  verfolgen, 
da  sie  nicht  allein  vom  Rüssel  umgeben  ist,  dessen  Wände 
fesler  und  minder  durchsichtig  sind  ,  sondern  sogar  ganz 
von  ihm  bedeckt  werden.  Wir  können  daher  nicht  entschei- 
den ,  ob  die  Speiseröhre  sich  auf  einmal  in  ihrer  ganzen 
Länge  bildet,  oder  ob  sie  sich  vielmehr  allmählich  nach  dem 
Magen  hin  verlängert.  Dieser ,  der  etwas  links  liegt ,  ist 
anfangs  fast  kugelförmig,  und  es  scheint,  dass  er  dadurch 
hervortrete,  dass  aus  einem  einzelnen  Dotter  eine  grauliche, 
halbdurchsichtige  Masse  ausschwitzt ,  die  sich  zu  einer  dün- 
nen Haut  verdichtet,  welche  ganz  den  Dotter  umgiebt  (Fig. 
4.  m)  ;  die  Haut  verlängert  sich  zuerst  aufwärts  und  verei- 
nigt sich  mit  der  Speiseröhre  (Fig.  5.  m) ,  und  später  nieder- 
wärts, um  den  Darm  zu  bilden ,  der  sich  zur  rechten  Seite 
hinüber  schlingt  (Fig.  5.  o).  Man  sieht  daher  immer  den 
Magen  mit  Dolterkörnern  erfüllt,  die  durch  die  an  seiner 
inneren  Fläche  befindlichen  Cilien  in  ununterbrochener  Be- 
wegung sind.  Nicht  nur  die  innere  Wand  des  Magens  ist 
mit  Cilien  versehen,  sondern  auch  die  Speiseröhre  und  der 
von  uns  beobachtete  Theil  des  Darms.  Da  wir  den  Darm 
nicht  besonders  weit  haben  verfolgen  können  (Fig.  5.  o),  so 
haben  wir  auch  keinen  After  wahrgenommen. 

Erst  jetzt  bemerkt  man  die  erste  Spur  des  Nervensy- 
stemes,  das  sich  in  zwei  ovalen,  gelben,  gleichsam  compacten 
Körpern  (Gehirnganglien),  die  die  Speiseröhre  umgeben,  er- 
kennen lj|sst.  Zu  derselben  Zeit,  wo  man  diese  wahrnimmt, 
sieht  man  auch  die  Andeutung  von  zwei  Fussganglien ,  wel- 
che nebeneinander  liegen,  eine  gelbe  Farbe  haben  und  mehr 
oder  weniger  eiförmig  sind. 

Nachdem  der  Mantelrand  ober  den  Rücken  des  Thieres 
hervorgewachsen  ist,  bildet  sich  eine  Höhlung,  die  mit  fei- 
nen Cilien  bekleidet  ist,    und  worin  das  Herz   und  die  Kie- 


184  Koren   und  Danielssen: 

men  lieg-en.  Die  erste  Spur  von  Kiemen ,  die  wir  beobach- 
teten, bestand  in  zwei  undeutlichen  Strängen,  die  vom  Man- 
telrande entsprangen,  sich  an  verschiedenen  Stellen  erwei- 
terten, sich  unterhalb  vereinigten  und  eine  Schlinge  bildeten. 
Weiterhin  in  der  Entwickelung  sahen  wir,  dass  diese  Stränge 
Röhren  waren ,  die  mehrere  Krümmungen  machten,  und  da- 
durch einige  Aehnlichkeit  mit  einem  Korkzieher  erhielten. 
Oben  und  unten  waren  die  Krümmungen  geringer,  während 
sie  in  der  Mitte  breiter  waren,  und  enger  an  einander  lagen. 
An  ihrem  inneren  Rande  bemerkte  man  bald  eine  lebhafte 
Ciliarbewegung  Fig.  5.  p).  Loven^)  hat  in  seiner  vortreff- 
lichen Abhandlung  nachgewiesen,  dass  in  Beziehung  auf  die 
Entwickelung  eine  überaus  grosse  Aehnlichkeit  zwischen  den 
Gasteropoden  und  Acephalen  bestehe.  Er  hat  bei  den  letzteren 
angezeigt,  wie  die  Kiemen  sich  bilden,  und  wir  haben  Gele- 
genheit gehabt  zu  beobachten,  dass  die  Bildung  bei  Buccinum 
undatum  und  Purpura  lapillus  in  ähnlicher  Weise  geschehe. 

Ungefähr  gleichzeitig  mit  der  Kiemenbildung  entsteht 
am  Boden  der  Kiemenhöhle  eine  Blase  ,  die  sich  auf  eine 
ähnliche  Weise  bildet  und  entwickelt  wie  das  Herz.  Sie  ist 
oval,  fast  birnförmig  und  endet  unten  in  einen  ziemlich  lan- 
gen Kanal,  der  den  Darm  begleitet,  sich  aber  gleich  diesem 
in  der  dunklen  Dottermasse  verliert  (Fig.  5.  q).  Ihre  Wände 
sind  dünn,  halbdurchsichtig  und  mit  einer  Menge  variköser 
Muskelröhren  versehen  ,  welche  sowohl  längs  als  quer  ver- 
laufen (Fig.  8.  c,  d).  Diese  Röhren  haben  geringere  Dimen- 
sionen als  die  im  Herzen  ,  weshalb  man  eine  bei  weitem 
stärkere  Vergrösserung  anwenden  muss,  um  sie  recht  beob- 
achten zu  können.  Die  Zusammenziehungen  der  Blase  sind 
kräftig,  und  haben  eine  Richtung  von  oben  nach  unten,  wäh- 
rend das  Herz  sich  von  einer  Seite  zur  andern  contrahirt. 
Während  der  Erweiterung  füllt  sich  die  Blase  mit  einer  hel- 
len Flüssigkeit,  worin  man  viele  dunkle  Moleküle  wahrnimmt. 
Wir  können  dieses  Organ  nur  als  Niere  deuten. 

Es  vergeht  nun  eine  Zeit,  dass  neue  Organe  auftreten, 
und  Alles  scheint  inzwischen    dahin    zu   gehen^    die    bereits 


1)  Bidrag  Ul  Könnedomen  om  ütvecklingen  af  Mollusca  Acephala 
Laraellibranchiata.  p.  96.  ■ 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammkiemer.         185 

gebildeten  zu  vervollkommnen.  Der  Kopf  und  der  Rücken 
werden  deutlicher  und  sind  mit  feinen  Ciiien  besetzt,  und  an 
den  Tentakeln,  die  länger  geworden  sind,  sieht  man  gleich- 
falls Ciiien.  Das  Auge  hat  eine  mehr  konische  Gestalt  be- 
kommen ,  und  man  bemerkt  in  ihm  deutlich  die  Linse ;  die 
Mundöffnung  giebt  sich  als  eine  Querspalte  zu  erkennen; 
der  Rüssel  nebst  der  Zunge  ist  vollkommen  entwickelt,  und 
an  der  letzteren  sieht  man  eine  Rewaffnung,  wie  sie  Le- 
be rt  und  Loven  beschrieben  haben.  Die  Speicheldrüsen 
sind  ziemlich  gross,  und  man  kann  deutlich  ihre  Ausführungs- 
gänge verfolgen,  die  an  der  Seite  der  Speiseröhre  aufsteigen. 
Der  Sipho  ist  nun  auch  deutlich  hervorgetreten  und  mit  Ci- 
iien versehen.  Der  Fuss  hat  seine  Gestalt  geändert ,  er  ist 
badeutend  länger  geworden,  und  an  seinem  obersten  Thei 
entspringen  die  beiden  abgerundeten  Lappen  ;  seine  Oberfläche 
ist  überall  mit  Ciiien  besetzt  (Fig.  5.  f).  Was  die  Structur 
des  Fusses  betrifft,  so  besteht  er  aus  einer  Menge  cylindri- 
scher  primitiver  Muskelröhren ,  die  gleichfalls  varicös  sind, 
sich  in  allen  Richtungen  kreuzen,  ohne  sich  jedoch  zu  Bün- 
deln zu  vereinigen.  Im  Innern  dieser  Röhren  sind  wir  nicht 
im  Stande  gewesen,  Körner  oder  Zellen  wahrzunehmen. 

In  dieser  Entvvickelungsperiode  wird  das  Nerversystem 
ziemlich  deutlich.  Man  sieht,  dass  die  beiden  Ganglien  (Ge- 
hirnganglien) (Fig.  5.  0  ?  welche  zu  den  Seiten  der  Speise- 
röhre liegen ,  durch  eine  Commissür  mit  einander  vereinigt 
sind.  Von  jedem  Ganglion  geht  eine  ziemlich  dicke  Com- 
missür zu  den  eiförmigen  F'ussganglien ,  deren  breites  Ende 
mehrere  Zweige  (Fig.  6.  /)  an  den  Theil  des  Fusses  abgiebt, 
der  den  Deckel  trägt.  Ausserdem  sieht  man  in  den  Fuss- 
lappen  zwei  kleinere  gleichfalls  eiförmige  Ganglien  (Fig.  6  n), 
die  die  Lappen  mit  Nerven  versehen.  Zwischen  diesen  Gang- 
lien und  den  Fussganglien  sind  zwei  Commissuren  (Fig.  6.  m). 
Von  den  Hirnganglien  entspringt  ein  Nervenfaden  zu  jedem 
Auge  und  zu  den  Gehörorganen  (Fig.  6.  g.  h).  Von  dem  einen 
Fussganglion  haben  wir  einen  Nerv  sich  zu  den  Eingeweiden 
begeben  sehen  (Fig.  6.  p).  Es  scheint,  dass  Cuvier's')  Be- 


1)  Cuvier  memoires   pour  servir  ä    l'histoire  et  raoalomie  des 
Mollusques.    Paris  1817. 


l86  Koren  und  Danielssen: 

Schreibung"  vom  Nervensystem  dieser  Schneeige  in  meiireren 
Punkten  nicht  mit  unseren  Beobachtungen  übereinstimmt.  Die 
Nervenmasse,  die  Cuvier  als  Gehirn  betrachtet,  ist  sicher 
das  eine  Fussganglion;  denn  über  diesem  haben  wir  beim 
erwachsenen  Thier  die  eigentlichen  Hirnganglien  gesehen, 
die  die  Speiseröhre  umgeben,  welche  wahrscheinlich  seiner 
Aufmerksamkeit  entgangen  sind. 

Die  Schale,  welche  im  Anfang  der  Bildung  des  Embryo 
ausserordentlich  dünn  und  hautartig  ist,  und  eine  ovale  oder 
nierenförmige  Gestall  hat,  bekommt  später  die  Gestalt  eines 
Nautilus  (Fig.  5.  a),  aber  wird  allmählich  mehr  oblong.  Kalk- 
partikeln beginnen  nun  sich  in  gröfserer  Menge  abzusetzen, 
so  dass  sich  eine  deutliche  Schicht  von  Längs-  und  Quer- 
streifen  bildet,  und  deshalb  bleibt  die  Schale  nicht  mehr 
durchsichtig  wie  früher,  —  doch  kann  man  die  Innern  Or- 
gane noch  sehen.  Das  Herz  nebst  der  Blase  hat  sich  in 
zwei  Kammern  getheiit,  von  denen  die  oberste  die  kleinste 
ist.  Wenn  die  Vorkammer  sich  zusammenzieht ,  erweitert 
sich  die  Herzkammer,  und  umgekehrt.  —  Nun  bemerkt  man 
auch  einen  ziemlich  starken  Muskel,  der  seinen  Ursprung  von 
der  Innern  Fläche  der  Schale  nimmt,  und  zum  Fuss  geht 
(Fig.  5.  s).  Die  Function  dieses  Muskels  besteht  darin  ,  das 
Thier  in  die  Schale  zu  ziehen.  Endlich  sieht  man  den  An- 
fang der  Leber  an  der  äussern  Fläche  des  Magens  ;  sie  hat 
eine  längliche  Gestalt,  und  besteht  aus  einer  Menge  von  Kör- 
nern, die  ein  gelbgefärbles  Pigment  enthalten  (Fig.  5.  r).  An 
der  innern  Wand  des  Mantels  sieht  man  nun  eine  Reihe  Fal- 
ten ,  worin  man  eine  Menge  Schleimdrüsen  findet  (feuillets 
muqueux  Cuvier).  Je  nachdem  die  Jungen  wachsen,  setzten 
sich  mehr  Kalktheilchen  in  der  Schale  ab;  der  Mantel  wird 
dicker,  und  es  wird  fast  unmöglich,  noch  die  innern  Organe 
zu  sehen.  Die  zwei  runden  Lappen  sind  ganz  verschwun- 
den, und  hinter  den  Tentakeln  findet  sich  eine  erhabene  Li- 
nie, die  die  Stelle  bezeichnet ,  wo  sie  gesessen  haben.  Die 
Schale  hat  eine  horngelbe  Farbe  erhalten ,  ist  hart ,  spröde 
und  nun  halbdurchsichtig  geworden.  In  diesem  Stadium  ver- 
liessen  die  Jungen  gemeiniglich  die  Kapseln,  nachdem  sie 
sich  darin  mindestens  acht  Wochen  aufgehalten  hatten,  und 
krochen  mit  ausgestreckten  Fühlern,  Fuss  und  Sipho  umher. 


Beitrag  zur  Enlwicldungsgeschichte  der  Kammkiemer.         187 

In  ihrem  Aeussern  unterschieden  sie  sich  von  dem  erwachse- 
nen Thier  nur  dadurch ,  dass  die  Schale  nur  1—2  Windun- 
gen halte.  Es  muss  noch  bemerkt  werden,  dass  wir  bei  den 
Jung-en  keine  Spur  von  Generationsorganen  aufgefunden  ha- 
ben. Noch  haben  wir  die  gruppirten  Eier  in  bedeutender 
Menge  den  hintersten  Theil  der  Schale  erfüllen  sehen. 


Purpura  lapillus  (Bucchiutti)   Linne. 

Während  wir  noch  mit  der  Untersuchung  von  Bucci- 
num  undatum  beschäftigt  waren,  erhielten  wir  den  2ten 
Mai  einige  Kapseln  von  Purpura  lapillus,  die  Eier  enthielten, 
welche  jüngst  gelegt  waren.  Obgleich  die  Zahl  der  Kapseln 
zu  geringe  war ,  als  dass  wir  mit  ihrer  Hülfe  zu  einem  be- 
friedigenden Resultate  in  Beziehung  auf  die  Entwickelung 
dieser  Schnecke  hätten  kommen  können ,  beschlossen  wir 
doch  das  geringe  vorliegende  Material  zu  benutzen  ,  in  der 
Hoffnung ,  dass  unsere  Excursionen  uns  während  des  Fort- 
schreitens unserer  Beobachtungen  die  zu  den  Untersuchun- 
gen nölhige  Anzahl  von  Kapseln  liefern  würden.  Wir  wur- 
den hierin  auch  nicht  getäuscht ,  sondern  waren  bald  so 
glücklich  einen  solchen  Ueberfluss  von  Kapseln  zu  finden, 
dass  wir  nicht  allein  die  Entwickelung  ununterbrochen  verfol- 
gen, sondern  sie  sogar  mehrmals  wiederholen  konnten. 

Die  Kapseln,  worin  die  Eier  liegen,  haben  einige  Aehn- 
lichkeit  mit  einer  kleinen  Flasche ,  deren  convexer  Boden 
nach  oben  und  deren  sehr  dünner  Hals  nach  unten  gekehrt 
ist.  Mit  dem  untersten  Ende  sind  die  Kapseln  an  Steinen 
oder  anderen  Körpern  festgeheftet. 

Jede  solche  Kapsel  ist  ganz  geschlossen  und  mit  einem 
wasserhellen,  ausserordentlich  zähen  und  eiweissartigen  Schleim 
erfüllt  ,  worin  sich  eine  Menge  Eier  (5 — 600  und  darüber) 
findet. 

Wir  brachten  sogleich  einige  Eier  nebst  der  dicken, 
zähen  ,  eiweissartigen  Flüssigkeit ,  worin  sie  eingehüllt  wa- 
ren, unter  das  Mikroskop,  und  sahen  nun,  dass  sie  mit  einem 
dünnen  Chorion ,  Dotterhaut  und  einem  aus  Flüssigkeit  und 
Körnchen  bestehenden  Dotter  vergehen  waren;  ein  Keimbläs- 


1 88  Koren  und   D  a  n  i  e  I  s  s  e  n : 

eben  und  Keimfleck  war  nicht  zu  beobachten.  Die  Grösse 
der  Eier  ist  0,194  m.  m. 

Nach  Verlauf  einiger  Tage  öffneten  wir  wieder  eine 
Kapsel,  und  bei  den  meisten  Eiern  beobachteten  wir  einen 
beginnenden  Furchungsprocess ,  der  uns  ganz  unregelmässig 
erschien ,  indem  nämlich  die  Anzahl  der  Furchungskugeln 
ziemlich  ungleich  war,  und  die  Eier,  die  noch  mit  dem  Cho- 
rion versehen  waren,  zum  Theil  eine  längliche  Gestalt  ange- 
nommen halten.  Die  Furchungskugeln  waren  alle  dunkel  und 
hatten  keine  Kerne. 

Nordmann  hat  auch  keine  Kerne  bei  Tergipes,  Ris- 
soa  und  Liltorina  beobachtet.  Der  helle  Körper,  den  Van 
Beneden,  Nord  mann,  Rathke,  F.  Müller,  Loven 
und  andere  Autoren  aus  dem  Dotter  treten  und  sich  an 
der  Oberfläche  desselben  begeben  sahen ,  und  der  nach  F. 
Müller  und  Loven  die  Richtung  angeben  soll,  in  welcher 
die  Furchung  geschieht ,  sind  wir  nicht  im  Stande  gewesen 
wahrzunehmen ,  obgleich  wir  unsere  Untersuchungen  auch 
auf  diesen  Punkt  gerichtet  haben. 

Einige  Tage  später  untersuchten  wir  abermals  einige 
Kapseln.  Die  zähe ,  eiweissartige  Flüssigkeit  hatte  keine 
sichtbare  Veränderung  erlitten,  wogegen  die  Eier  nicht  mehr 
so  deutlich  zerstreut  lagen,  sondern  sich  mehr  einander  ge- 
nähert hatten.  Unter  dem  Mikroskope  zeigte  es  sich,  dass 
einzelne  ungetheilt  geblieben,  einige  in  der  beginnenden  Fur- 
chung stehen  geblieben  waren,  während  diese  bei  einem 
grossen  Theil  fortgeschritten  war.  Auf  diese  Weise  sah  man 
eine  Sammlung  von  Eiern,  die,  obgleich  gleichzeitig  gelegt 
und  in  einer  und  derselben  Kapsel  eingeschlossen,  doch  eine 
grosse  Verschiedenheit  im  Fortschreiten  der  Furchung  dar- 
boten. Man  zählte  so  Eier  mit  2,  4,  6,  7,  9,  10  bis  18  F'ur- 
chungskugeln,  deren  Inhalt  dunkel  und  ohne  Kerne  war.  Be- 
reits in  diesem  Stadium  glaubten  wir  an  der  zähen  Flüssig- 
keit ein  Bestreben  zu  bemerken ,  die  Eier  zusammenzukau- 
fen ,  wie  wir  es  früher  bei  Buccinum  undatum  beobachtet 
hatten,  doch  war  es  noch  keinesweges  deuüich,  und  die  ein- 
getretene Furchung  brachte  uns  in  grosse  Ungewissheit,  was 
vorgehen  würde.  Den  zwölften  Tag  klärte  sich  jeder  Zwei- 
fel auf  j  denn  die  bei  ßuccinum  dargelegte  Thatsache  wieder- 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammkiemer.         189 

holte  sich  bei  Purpura  lapilkis.  Die  Eier  waren  nämlich  in 
eine  anscheinend  dichte  Masse  zusammengehäuft ,  und  die 
zähe,  eivveissartige  Masse  war  dünn  geworden,  fast  wie  Was- 
ser^ so  dass  sie  mit  grosser  Leichtigkeit  von  dem  Conglo- 
iiierale  entfernt  werden  konnte.  Bei  näherer  Betrachtung 
zeigte  sich  dieses  aus  mehreren  zusammenhängenden  Grup- 
pen oder  Abtheilungen  bestehend ,  die  eine  verschiedene 
Grösse  hatten ,  ohne  eine  bestimmte  Form  angenommen  zu 
haben,  und  bei  der  iJntersuchung  dieser  Gruppen  unter  dem 
Mikroskope  ergab  sich  ,  dass  sie  aus  Eiern  gebildet  waren, 
von  denen  nur  eins  und  das  andere  ungetheilt,  die  meisten 
aber  gefurcht  waren  (Fig.  II). 

Am  lö.Tage  uniersuchten  wir  wieder  einige  Kapseln.  In  allen 
waren  die  Eier  zusammengehäuft,  aber  das  Conglomerat  hatte 
sich  etwas  verändert,  indem  die  einzelnen  Gruppen  schärfer 
begrenzt  waren^  dabei  mehr  hervorragten,  bald  eine  cylindri- 
sche,  bald  eine  birnförmige  Gestalt  erlangt  hatten,  und  gewöhn- 
lich in  einen  Stiel  endigten,  mit  dessen  Hülfe  sie  an  dem  gemein- 
samen Conglomerale  zu  hängen  schienen  (Fig.  12).     Brachte 
man  eine  solche    conglomerirte  Masse   unter   das  Mikroskop, 
so  sah  man,  dass  jede  Gruppe,   die    die  vorerwähnte  Gestalt 
erlangt  hatte,    aus   einer  Sammlung  von  Eiern  bestand,  die 
durch  eine  stark  klebende  Materie  vereinigt  waren,  und  sich 
mit   einer    dünnen  Membran   umgeben    hatten  ,    die  bald  mit 
ausserordentlich  feinen  Cilien  versehen  wurde  (Fig.  12).  Die- 
selben Eier  waren  keine  weitere  Furchung  eingegangen,  und 
es  kam  uns  vor,  als  ob  der  Furchungsprocess  mit  dem  Con- 
glomerationsact  ins  Stocken  gerathen   wäre.     Es  währte  nun 
nicht  lange,  dass  wir  zur  Seite  des  vorerwähnten  Stieles  eine 
ausgesickerte  grauliche,  halbdurchsichtige,  feinkörnige  Masse 
beobachteten  ,  die  sich  ziemlich  schnell  begrenzte,  und  spä- 
ter mit  einer  Menge  vibrirender  Cilien  (Fuss)  versehen  wurde 
(Fig.  12.6).     Am  Grunde   des  Stiels  zeigte  sich  eine  ähnli- 
che Masse,  die  auf  dieselbe  Weise  entstand,  und  die  Grund- 
lage für   die    zwei  Lappen  bildete^  die   allmählich  an  Grösse 
zunahmen ,    und    an    deren  Rand  feine   Cilien    hervorkamen 
(Fig.  12.  d).     Der  auf  diese  Weise  gebildete  Embryo  begann 
nun  sich    mit  Hülfe  der  Cilien,  ein  wenig  zu  bewegen;  man 
bemerkte  namentlich  schwache  Rucke  in  verschiedenen  Rieh- 


1Ö0  Koren  und  Danielssen: 

tungen,  womit  er  gleichsam  versuchte ,  sich  von  der  allge- 
meinen Zusammenhäufung  loszureissen  ,  und  als  er  endlich 
nach  mehreren  vergeblichen  Versuchen  frei  wurde,  begann  er 
sogleich  zu  rotiren.  So  sahen  wir  ein  Individuum  nach  dem 
andern  sich  isoliren,  bis  sämmtliche  Gruppen  zu  Embryonen 
entwickelt,  und  das  Conglomerat  verschwunden  war.  Es 
schien  hier,  wie  bei  Buccinum ,  ganz  zufällig  zu  sein,  wie 
viele  Eier  sich  gruppirten,  um  den  künftigen  Embryo  zu  bil- 
den; denn  ohne  eine  Regel  für  diese  Bildung  auffinden  zu 
können,  sahen  wir,  dass  die  verschiedenste  Anzahl  Eier  in 
eine  solche  Verbindung  einging.  Wir  bemerkten  so  in  der- 
selben Kapsel  einzelne  Embryonen,  welche  nur  aus  3 — 4  Eiern 
bestanden,  während  die  meisten  aus  60  und  darüber  zusam- 
mengesetztwaren, und  hierauf  beruhte  die  verschiedene  Grösse 
der  Individuen.  Diese  variirte  daher  ziemlich  bedeutend,  und 
man  sah  Embryonen  von  etwa'/^  bis  1/3  m.  m.  in  der  dün- 
nen wasserhellen  Flüssigkeit  sich  bewegen,  welche  die  Kap- 
seln enthielten.  Wie  die  Grösse  der  Embryonen  verschie- 
den war,  so  war  es  auch  ihre  Anzahl,  und  diese  war  wie- 
der abhängig  von  der  grösseren  oder  kleineren  Menge  der 
Eier,  aus  denen  jedes  Individuum  gebildet  war,  —  meistens 
fanden  wir  20—40,  selten  darüber. 

Aber  nachdem  wir  nun  gesehen  haben,  wie  die  ge- 
wöhnliche Embryonenbildung  bei  Purpura  lapillus  vor  sich 
geht,  müssen  wir  ein  wenig  bei  einer  wunderbaren  Abwei- 
chung verweilen,  indem  wir  hier  früher  dazu  kommen,  die 
Bizarrerie  darzustellen,  die  wir  bereits  in  der  Kürze  bei 
Buccinum  erwähnt  haben.  IVJan  wird  sich  erinnern ,  dass 
bei  der  Entwickelung  desselben  einzelne  Eier  vorkamen,  die, 
vielleicht  durch  zufällige  Umstände ,  von  der  Theilnahme  an 
dem  Conglomeralionsact  ausgeschlossen  waren,  und  dass 
diese  abstarben,  oder  sich  äusserst  mangelhaft  entwickelten. 
Etwas  ähnliches  findet  auch  bei  Purpura  statt,  aber  bei  die- 
ser haben  wir  reichere  Gelegenheit  gehabt,  diese  Eigenthüm- 
lichkeit  zu  verfolgen,  und  können  sie  daher  besser  schildern. 
In  jeder  Kapsel  fanden  wir  beständig  ein  Ei ,  das  alle  Fur- 
chungsstadien  durchging  und  zuletzt  aus  einer  Schicht  hel- 
ler peripherischer  und  dunklen  centralen  Zellen  bestand. 
Sehr  bald  bildet  sich  nun  um    den  Dotter  eine  mit  sehr  fei- 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammkiemer.         191 

iien  Cilien  versehene  Membran,  und  man  bemerkt  frühzeitig, 
aus  dem  obersten  Theil  der  peripherischen  Schicht,  den  An- 
fang der  beiden  runden  Lappen  (velum)  nebst  dem  Fusse 
(Fig.  9.  a.  h.  c).  Sowohl  am  Fusse  wie  an  den  Lappen  ent- 
standen bald  Cilien;  aber  erst  später  wurden  an  den  Lappen 
einzelne  Girren  bemerkt,  und  nun  begann  der  Embryo  zu 
rotiren.  Allmählich  nahmen  die  Lappen  und  der  Fuss  an 
Grösse  zu  (Fig.  10.  h.  c)  und  am  Grunde  des  letzteren  sahen 
wir  bei  Einzelnen  die  Andeutung  zu  den  Gehörorganen  (Fig. 
10.  d).  Die  Membran  wurde  dicker  und  dicker,  und  wir  sa- 
hen, dass  aus  ihrem  untersten  Ende  die  Schale  sich  zu  bilden 
anfing,  und  darin  Kalkparlikeln  sich  absetzten  (Fig.  10.  a). 
Die  Embryonen,  wie  wir  weiterhin  in  der  Entwickelung  wahr- 
nahmen, waren  wahre  Monstrositäten,  und  nahmen  so  ver- 
schiedene und  bizarre  Formen  an  ,  dass  man  sie  kaum  für 
dieselben  Individuen  halten  konnte.  Bei  einigen  beobachte- 
ten wir  indessen,  dass  sich  rudimentäre  Speicheldrüsen  bil- 
deten (Fig.  10.  e) ;  aber  dies  waren  auch  die  einzigen 
neuen  Organe,  die  nach  dieser  Zeit  entstanden;  denn  später 
blieben  sie  auf  derselben  Entwickelungsstufe  stehen.  Noch 
nach  dem  Verlaufe  von  acht  Wochen  fanden  wir  solche  mon- 
ströse Embryone,  von  denen,  wie  wir  früher  bemerkt  haben, 
zwar  nur  einer  in  jeder  Kapsel  war,  der  sich  aber  sogleich 
durch  seine  geringere  Grösse  und  seine  überaus  lebhafte  Be- 
wegung kund  gab.  In  den  Kapseln,  die  wir  weiterhin  un- 
tersuchten, sahen  wir  sie  nicht,  und  wir  schliessen  daraus, 
dass  sie  bereits  zu  Grunde  gegangen  waren.  Als  wir  zum 
ersten  Mal  auf  diese  einzelnen  Eier  aufmerksam  wurden, 
mussten  wir  ja  glauben,  dass  die  Entwickelung  hier  in  ge- 
wöhnlicher Weise  vorgehe;  aber,  wie  wir  im  Vorhergehen- 
den gesehen  haben,  war  dies  nicht  der  Fall.  Es  ist  mehr  als 
ein  Ei  nöthig,  damit  ein  wohlorganisirtes  Individuum  zustande 
komme  ,  und  ol  gleich  im  Anfange  eine  Thätigkeit  in  dem 
einzelnen  isolirten  Ei  zu  sein  schien  ,  so  zeigte  sich  doch, 
dass  die  spätere  Entwickelung  äusserst  unvollkommen  blieb. 
Obgleich  diese  Eier,  die  den  ganzen  Furchungsprocess  durch- 
machten ,  uns  alle  anatomischen  und  physiologischen  Bedin- 
gungen für  eine  vollständige  Entwickelung  zu  haben  scheinen, 
so  zeigte  es  sich  doch  unzweifelhaft,  dass  sie  nicht  das  noth- 


195  Koren  und  Danielssen: 

wendige  Material  zu  der  Bildung  der  Organe  enthielten.  Aber 
selbst  unter  einer  solchen  A^oraussetzung  blieb  doch  Vieles 
übrig,  was  sich  nicht  recht  verstehen  Hess,  und  dessen  Auf- 
klärung wir  einer  späteren  Zeit  überlassen  müssen. 

Nachdem  wir  den  monströsen  Embryo,  der  aus  einem 
einzelnen  Ei  gebildet  wird  ,  beschrieben  haben  ,  wollen  wir 
uns  wieder  den  aus  mehreren  Eiern  zusammengesetzten  Em- 
bryonen zuwenden ,  und  ihre  weitere  Entwicklung  näher 
erörtern. 

Wir  haben  bereits  bemerkt,  dass  nach  der  Bildung  der 
wimpernden  Membran  zuerst  der  Fuss  und  die  beiden  run- 
den Lappen  auftreten.  Etwa  gleichzeitig  sieht  man  zwischen 
der  Membran  und  den  zusammengehäuften  Eiern  eine  durch- 
sichtige Masse.  In  dieser  Masse  entstehen  Zellen ;,  die  sich 
schichtenweise  an  die  vorerwähnte  Membran  anfügen,  und 
zur  Bildung  des  Mantels  beilragen  (Fig.  13.)  An  seinemun- 
tersten Theil  wird  eine  ziemlich  helle  ,  zähe  Flüssigkeit  ab- 
gesondert, die  sich  nach  und  nach  verdichtet^  und  den  An- 
fang der  Schale  bildet,  die  sich  bei  ihrem  ersten  Erscheinen 
als  ein  ganz  helles,  gallertartiges  Häutchen  zeigt ,  worin  sich 
später  Kalkpartikeln  absetzen.  Diese  nimmt  allmählich  an 
Dichtigkeit  zu  und  hindert  dadurch  bedeutend  die  weitere 
Untersuchung. 

Die  Lappen,  welche  anfänglich  klein  sind,  nehmen  an 
Grösse  zu ,  und  an  ihrer  äusserer  Fläche  kommt  eine  Menge 
Cilien  zum  Vorschein ,  während  an  ihrem  obersten  Rande 
Girren  hervortreten,  die  weit  kräftigere  Bewegungen  machen 
(Fig.  13.  d}.  An  der  Bauchseite  ragt  der  Fuss  beträchtlich 
hervor,  und  bildet  gleichsam  einen  Querwulst.  Er  nimmt  schnell 
an  Grösse  zu,  und  an  seinem  Grunde  entdeckt  man  die  erste 
Anlage  zu  den  Gehörorganen,  die  wie  bei  Buccinum  unda- 
tum  gebildet  sind  (Fig.  13.  e).  Zu  derselben  Zeit ,  als  die 
Gehörorgane  entstehen,  bemerkt  man  auch  den  Beginn  der 
Tentakeln,  Augen  und  Speicheldrüsen.  Die  Tentakeln  ma- 
chen sich  als  zwei  konische  Erhabenheiten  kenntlich,  an  de- 
ren Grunde  man  das  Auge  wahrnimmt,  welches  die  Gestalt 
einer  runden  Blase  hat,  die  mit  einer  wasserhellen  Flüssig- 
keit erfüllt  ist ,  und  worin  sich  dunkle  Pigmentkörner  be- 
finden (Fig.  14.  /.  m).     Eine  Linse  haben  wir  in  diesem  Sta- 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammkiemer.         193 

dium  nicht  auffinden  können;  auch  haben    wir  an  der  inne- 
ren Wand  der  Blase  keine  Cilien  gefunden. 

Die  erste  Spur,  welche  man  von  den  Speicheldrüsen 
wahrnimmt,  ist  ein  Haufen  runder  Zellen  jederseits  am  Grunde 
des  Fusses  ,  welche  meist  mit  einem  Kerne  versehen  sind. 
Diese  Zellen  umgeben  sich  bald  mit  einer  dünnen  Membran, 
die  sich  allmählich  gegen  die  künftige  Speiseröhre  verlän- 
gert, welche  erst  später  deutlich  hervortritt.  Wie  die  Spei- 
cheldrüsen wachsen ,  entstehen  in  ihrem  Innern  mehr  und 
mehr  Zellen  ,  die  sich  dicht  an  einander  legen ,  und  lange 
Reihen  bilden,  und  an  deren  breitestem  Ende  man  eine  Menge 
dunkelgelber  Pigmentkörner  sieht.  Von  ihrem  schmaleren 
Theile ,  der  sich  zur  Speiseröhre  wendet ,  geht  der  Ausfüh- 
rungsgang aus,  der  sich  gegen  diese  verlängert  (Fig.  14.  gf). 
Beim  erwachsenen  Thier  bestehen  die  Speicheldrüsen  aus  ei- 
ner zusammenhängenden  Masse,  die  schon  durch  ihre  dop- 
pelten Ausführungsgänge  kund  giebt ,  dass  sie  früher  ge- 
theilt  war. 

Den  23sten  Tag  beobachteten  wir  das  Herz,  das  auf 
eine  ähnliche  Weise  wie  bei  Buccinum  entstand.  Es  liegt 
an  der  Rückenseite,  hat  die  Gestalt  einer  Blase,  und  hat  eine 
Lage  von  oben  nach  unten,  von  der  linken  zur  rechten  Seite. 
Es  contrahirte  sich  in  derselben  Richtung  und  hatte  40—50 
Schläge  in  der  Minute.  Es  war  mit  primitiven  Muskelfasern 
versehen,  die  die  Gestalt  von  nach  oben  erweiterten  Längs- 
röhren  hatten.  Körner  oder  Zellen  haben  wir  in  diesen  Röh- 
ren nicht  wahrnehen  können  (Fig.  15.  Ä). 

Da  die  Kiemenhöhle  in  diesem  Stadium  noch  nicht  tief 
genug  ist,  um  das  ganze  Herz  zu  bedecken,  ragt  ein  bedeu- 
tender Theil  desselben  über  den  Rand  des  Mantels  hervor. 
Je  mehr  der  Mantel  über  den  Rücken  des  Thieres  her- 
vorwächst, und  sein  Rand  mehr  vom  Körper  absteht,  wird 
die  Höhle  tiefer  und  grösser,  und  kann  so  das  ganze  Herz 
bedecken. 

Eine  Circulation  haben  wir  noch  nicht  bei  dieser  Schnecke 
wahrnehmen  können. 

Erst  nachdem  diese  Organe  gebildet  sind,  bemerkt  man 
die  Mund  Öffnung,  den  Rüssel  und  die  Speiseröhre.  Der  Rüs- 
sel  ist  sehr  kurz,  und  seine  Wände   sind  ziemlich  dick,  so 

Archiv  f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  13 


194  Koren  und  Danielssen: 

dass  man  schwer  die  darin  liegende  Speiseröhre  bemerken 
kann  (Fig.  14.  i)-  Diese  ist  cylindrisch,  und  läuft  gerade  zum 
Magen  (Fig.  14.  fe).  Derselbe  liegt  an  der  linken  Seite,  ist 
klein  und  oval,  und  von  ihm  entspringt  ein  langer  und  enger 
Darmkanal,  der  sich  nach  rechts  wendet,  darauf  eine  Biegung 
zuv  entgegengesetzten  Seite  macht,  und  in  einen  vorragen- 
den After  endet,  der  sich  in  der  Kiemenhöhle  öffnet. 

Sowohl  die  Speiseröhre,  wie  der  Magen  und  der  Darm, 
sind  an  der  inneren  Fläche  mit  Cilien  bekleidet. 

Etwas  weiterhin  in  der  Entwickelung  wird  man  erst 
deutlich  das  Nervensystem  gewahr.  Es  besteht  aus  zwei 
Hirnganglien,  die  auf  jeder  Seite  der  Speiseröhre  liegen 
(Fig.  14.  n).  Diese  Ganglien  sind  durch  eine  Commissur  mit 
einander  verbunden  und  von  ihnen  begeben  sich  ferner  zwei 
Commissuren  zu  den  beiden  Fussganglien ,  die  eine  ovale 
Gestalt  haben,  durch  ihre  hellgelbe  Farbe  kenntlich  sind,  und 
viele  Nervenfäden  zu  dem  Fusse  entsenden.  Es  ist  uns  nicht 
geglückt,  das  Nervensystem  weiter  zu  verfolgen,  da  alle  Theile 
viel  früher  undurchsichtig  wurden.  Zu  derselben  Zeit,  wo 
das  Nervensystem  auflritt,  bemerkt  man  auch  die  erste  An- 
lage der  Kiemen,  des  Sipho  und  des  Rectractionsmuskels  des 
Fusses.  Die  Kiemen,  die  ihren  Ursprung  vom  Mantelrande 
nehmen,  bilden  auch  hier  einen  hohlen  Cylinder,  der  sich  in 
Bogen  schlängelt,  und  an  dessen  innerem  Rande  man  feine 
Cilien  sieht.  Später  wird  dieser  Cylinder  mehr  flachgedrückt, 
erweitert  sich  ziemlich  stark,  und  in  seinen  Wänden  nimmt 
man  sowohl  Längs-  als  Querfasern  wahr,  die  cylindrisch 
sind,  und  die  wir  für  Muskelröhren  ansprechen.  In  der  Mitte 
jedes  Bogens  sind  die  Cilien  überaus  lang  (Fig.  16.  &.  c). 

Wenn  die  Kiemen  gebildet  sind,  wird  es  ausserordent- 
lich schwierig,  weiter  die  Bildung  der  übrigen  Organe  zu 
erforschen,  theils  weil  das  Thier  sich  selten  so  weit  aus  der 
Schale  hervorstreckt,  dass  die  Organe  sichtbar  werden,  theils 
weil  der  Mantel  an  Dicke  zugenommen  hat.  und  endlich  weil 
sich  in  der  Schale  eine  bedeutende  Menge  Kalk  abgesetzt 
hat.  Die  Schale  hat  nun  die  Gestalt  eines  Nautilus  bekom- 
men, und  bringt  man  sie  bei  starker  Vergrösserung  unter 
das  Mikroskop,  so  beobachtet  man,  dass  der  abgesetzte  Kalk 
^in  feinmaschisges  Netz  bildet.      Die  beiden  runden  Lappen 


Beitrag  zur  EntwicklungsgeschichtjC  der  Kammkiemer.         195 

nehmen  an  Grösse  zu.  Der  Fuss  wird  nach  oben  gelappt, 
nimmt  mehr  und  mehr  die  Gestalt  des  Fusses  des  erwachse- 
nen Thieres  an,  und  der  Deckel,  der  dazu  dient,  die  Schalenmün- 
dung zu  verschliessen,  ist  völlig  entwickelt.  Das  Herz  ist  in 
diesem  Stadium  in  zwei  Kammern  getheilt,  von  welchen  man 
Gefässe  ausgehen  sieht.  Im  Auge  beobachtet  man  deutlich  die 
Linse,  und  nicht  selten  haben  wir  gefunden^  dass  das  eine 
Auge  zwei  Pigmenthaufen  enthielt,  deren  jeder  mit  einer 
Linse  versehen  war.  Die  Kiemenhöhle,  deren  innere  Fläche 
mit  Cilien  bekleidet  ist,  ist  in  diesem  Stadium  so  tief,  dass 
sie  das  Herz  vollkommen  bedeckt.  Der  Mantelrand,  welcher 
mehr  vom  Thiere  absteht,  ist  gleichfalls  mit  Cilien  versehen, 
und  am  Boden  der  Kiemenhöhle  entdeckt  man  nun  erst  eine 
ähnliche  contractile  Blase,  wie  bei  Buccinum  undatum. 

Nach  einem  Zeitraum  von  8  Wochen  haben  die  Jungen 
die  Kapseln  noch  nicht  verlassen,  und  nimmt  man  in  diesem 
Stadium  Eines  heraus ,  so  beginnt  es ,  wie  das  erwachsene 
Thier,  mit  ausgestrecktem  Fusse,  Tentakeln  und  Sipho  umher 
zu  kriechen.  Es  unterscheidet  sich  jetzt  vom  erwachsenen 
Thiere  nur  dadurch^,  dass  die  Lappen  nicht  ganz  verschwun- 
den sind,  dass  die  Schale  noch  nicht  hart  geworden  ist,  und 
dass  sie  bloss  1 — 2  Windungen  hat.  Um  die  neunte  oder 
zehnte  Woche  verlassen  die  Jungen  die  Kapseln;  die  runden 
Lappen  sind  nun  ganz  verschwunden,  und  man  beobachtet 
hinter  den  Tentakeln  eine  erhöhte  Linie  ,  welche  die  Stelle 
andeutet,  wo  sie  gesessen  haben.  Die  Schale  ist  länger  ge- 
worden und  nähert  sich  in  der  Gestalt  mehr  der  des  er- 
wachsenen Thiers;  sie  ist  hart,  spröde  und  fast  undurchsich- 
tig, doch  sind  die  letzten  Windungen  noch  nicht  entwickelt. 

Wir  haben  nicht  näher  angegeben,  auf  welche  Art 
die  Organe  entstehen;  denn  sie  weichen  in  keiner  Hinsicht 
von  der  Bildung  bei  Buccinum  undatum  ab.  Endlich  müssen 
wir  die  Aufmerksamkeit  auf  Kölliker's  und  Siebold's  ^ 
interessante  Untersuchungen  über  Actinophrys  Sol  und  Diplo- 
zoon  hinlenken ,  als  etwas ,  was  vielleicht  mit  unsern  Beob- 
achtungen verglichen  werden  kann. 


1)  Zeilschrift  f.  wissenschaftliche  Zoologie  ßd.  1.  p.  198.  Bd.  3* 
p.  62. 


196  Koren  und  Danielssen: 

Indem  wir  unsere  Untersuchungen  über  Buccinum  un- 
datum  und  Purpura  lapillus  schliessen,  fühlen  wir  einen  in- 
neren Drang-  danach,  das  Material  erhalten  zu  können,  um 
die  Forschung  an  nahestehenden  Geschlechtern  fortsetzen  zu 
können ,  die  wahrscheinlich  ,  bis  auf  einige  Abweichungen, 
derselben  Entwickelungsweise  folgen.  Wir  sind  indessen 
ängstlich,  eine  solche  vorgefasste  Meinung  zu  äussern;  denn 
oft  wirkt  sie  störend,  und  ist  ein  Hinderniss,  dass  die  grosse 
Mannigfaltigkeit ,  unter  der  die  Natur  die  zahllosen  Geschöpfe 
hervorbringt,  vollständig  aufgefasst  werde.  Es  ist  zwar  das 
Ziel  der  Forschung,  Alles  unter  bestimmte,  ewige  Gesetze 
zu  bringen,  und  es  hat  allerdings  einen  grossen  Reiz,  diese 
aufzufinden;  aber  wir  glauben,  dass  man  allzu  oft  sich  durch 
diesen  Reiz  dazu  verleiten  lässt,  aus  einzelnen  Thatsachen 
allgemeine  Regeln  zumachen;  und  wir  fühlen  uns  hierin  noch 
mehr  bestärkt  durch  den  Hinblick  auf  die  grosse  Verschie- 
denheit, welche  die  Entwickelung  der  obenerwähnten  Schnec- 
ken im  Vergleiche  mit  Allem ,  was  man  früher  gekannt  hat, 
darbietet.  Allein  hieraus  ist  es  schon  ersichtlich,  wie  unum- 
gänglich nothwendig  es  für  den  wahren  Fortschritt  der  Phy- 
siologie ist,  dass  die  Entwickelung  fast  aller  Gattungen  auf- 
geklärt werde  0« 


Um  die  ganze  Entwickelungsgeschichte  von  Buccinum 
undatum  und  Purpura  lapillus  leicht  überschauen  zu  können, 
wollen  wir  nun  in  der  Kürze  ihre  Hauptpunkte  zusammen- 
stellen. 

Buccinum  undatum« 

1.  Die  Kapseln,  welche  die  Eier  einschliessen,  sind 
mit  einer  wasserhellen,  zähen,  eiweissartigen  Flüssigkeit  er- 
füllt.    Jede  Kapsel  enthält  eine  Menge  Eier,  6—800. 

2.  Das  Ei  besteht  aus  einer  Eihaut  (Chorion),  Eiweiss, 
Dotterhaut ,  und  einem  aus  grösseren  oder  kleineren  Körnern 


1)  Ein  Resume  von  diesen  Beobachtungen  wurde  in  der  Zoolo- 
gischen Section  der  sechsten  Versammlung  der  skandinavischen  Natur- 
forscher in  Stockholm  im  Juli  dieses  Jahres  (1851)  vorgelegt. 


Beitrag  zur  Enlwicldungsgeschiclite  der  Kammldemer.        197 

bestehenden  Dotier.  Seine  Grösse  variirt  von  0,257—0,964 
m.  m.  Bei  dem  gelegten  Ei  waren  wir  nicht  im  Stande,  ein 
Keimbläschen  oder  Keimfleck  zu  entdecken. 

3.  Eine  Dotterfurchung,  wie  sie  bei  den  übrigen  Mol- 
lusken vorkommt,  findet  nicht  statt. 

4.  Etwa  am  IStenTage  fangen  die  Eier  an,  sich  ein- 
ander zu  nähern;  das  Chorion  beginnt  sich  aufzulösen,  die 
Dotter  zeigen  sich  mehr  oder  weniger  nackt,  nur  bedeckt 
von  ihrer  ziemlich  festen  Haut  und  eingehüllt  in  die  zähe, 
eiweissartige  Flüssigkeit. 

5.  Einige  Tage  später  sieht  man,  dass  die  Eier  äus- 
serlich  sich  zusammengehäuft  haben  ;  sie  bilden  nun  eine 
eigenthümliche  Masse,  worin  sie  sich  in  grösserer  oder  ge- 
ringerer Menge  deutlich  gruppirt  haben  ,  so  dass  man  sogar 
mit  blossen  Augen  die  einzelnen  Gruppen  unterscheiden  kann, 
deren  Zahl  sich  gewöhnlich  auf  6—16  beläuft. 

6.  Den  23stenTag  sind  diese  Gruppen  schärfer  geson- 
dert, indem  sich  eine  sehr  dünne  Haut  gebildet  hat,  welche 
jede  einzelne  Gruppe,  die  nun  eine  ovale  oder  nierenförmige 
Gestalt  angenommen  hat,  umgiebt.  Noch  immer  sind  die 
Gruppen  zusammenhängend ;  die  eiweissartige  Flüssigkeit  hat 
ihre  Zähigkeit  verloren,  und  ist  weit  dünner  geworden. 

7.  Am  25sten  Tage  zeigt  sich  jede  Gruppe  scharf  be- 
grenzt durch  ihre  Membran;  einzelne  von  ihnen  sind  nun  iso- 
lirt  und  als  Embryonen  hervorgetreten,  während  andere  noch 
zusammenhängend  sind. 

8.  Der  so  gebildete  Embryo  besteht  aus  einer  dünnen 
Membran,  welche  mehrere  Eier  einschliesst. 

9.  Die  Anzahl  der  Eier,  welche  sich  auf  diese  Weise 
zusammengruppirt  haben,  um  einen  Embryo  zu  bilden,  ist 
sehr  verschieden  (von  einigen  wenigen  bis  100  und  darüber). 

10.  Die  Anzahl  der  Embryonen  variirt  in  den  verschie- 
denen Kapseln,  meist  ist  sie  6 — 16. 

11.  Die  ersten  Organe,  welche  sich  nach  der  vorer- 
wähnten Membran  bilden,  sind  die  runden  Lappen,  welche 
mit  Cilien  und  Girren  versehen  sind.  (Der  Embryo  beginnt 
nun  zuerst  sich  zu  bewegen.)  Darauf  entwickeln  sich  der 
Fuss,   der  Mantel,  die  Schale,  die  Gehörorgane,  der  Rüssel, 


198  Köreil' Wd  Danielssent 

die  Augen,  die  Speicheldrüsen,  das  Herz  und  die  contractile 
Blase.  Später  kommen  das  Verdauungsystem,  das  Nerven- 
system, die  Kiemen  u.  s.w. 

12.  Nach  einem  Zeitraum  von  mindestens  8  Wochen 
sieht  man  die  Jungen  die  Kapseln  verlassen  ,  die  Schale  ist 
nun  etwas  länger,  etwa  2  m.  m.  lang,  sie  ist  hart,  spröde 
und  halbdurchsichtig.  Die  Lappen  sind  verschwunden,  und 
die  Jungen  kriechen  nach  Art  des  erwachsenen  Thieres  um- 
her, dem  sie  übrigens  durchaus  gleichen,  nur  mit  dem  Un- 
terschiede, dass  die  Schale  1 — 2  Windungen  hat.  Auch  muss 
bemerkt  werden ,  dass  wir  bei  den  Jungen  keine  Spur  von 
Geschlechtsorganen  gefunden  haben. 

13.  Es  finden  sich  die  gruppirten  Eier  noch  in  beträcht- 
licher Menge,  und  füllen  den  untersten  Theil  der  Schale  aus. 

Piarpura  lapillus. 

1.  In  flaschenförmigen  Kapseln  liegen  die  deutlich  ge- 
trennten Eier,  eingehüllt  in  eine  ausserordentlich  dicke, 
zähe,  eiweissartige  Flüssigkeit,  die  die  Kapseln  ganz  ausfüllt. 

2.  Die  Grösse  eines  Eies  ist  0,194  m.  m.  Es  besteht 
aus  einer  dünnen  Schalhaut  (Chorion),  Eiweiss,  Dotterhaut 
und  einem  Dotter. 

3.  Der  Dotter  durchläuft  einen  sehr  unregelmässigen 
Furchungsprocess.     Die  Furchungskugeln  haben  keine  Kerne. 

4.  Sobald  die  Furchung  etwas  vorgeschritten  ist,  be- 
ginnen die  Eier  sich  zu  gruppiren. 

5.  Am  12ten  und  13ten  Tage  bildeten  die  Eier  gleich- 
sam eine  dichte  Masse,  die  aus  mehreren  zusammenhängen- 
den Gruppen  oder  Abtheilungen  bestand. 

6.  Den  löten  Tag  waren  einzelne  Gruppen  schärfer 
begrenzt,  und  ragten  aus  der  übrigen  Masse  hervor.  Diese 
hervorragenden  Gruppen  nahmen  bald  eine  cylindrische  oder 
birnförmige  Gestalt  an ,  und  waren  mittelst  eines  Stieles  an 
der  Zusammenhäufung  angeheftet;  und  unter  dem  Mikroskope 
war  eine  jede  solche  Gruppe  aus  einer  dünnen  mit  Cilien 
versehenen  Membran  gebildet,  die  eine  Menge  Eier  einschloss. 
Auf  beiden  Seiten  des  Stieles  war  eine  durchsichtige  Masse 
gleichsam  ausgesickert,  an  welcher  man  feine  vibrirende 
Cilien  sah  (Fuss),  und  am  Grunde  des  Stieles  bemerkte  man 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammkiemer.        199 

die  erste  Spur  der  Lappen.  Endlich  sahen  wir,  dass  meh- 
rere dieser  birnförmigon  Körper  (Embryonen)  ^ich  von  der 
Masse  losrissen,  und  zu  rotiren  anfingen. 

7.  Die  Zahl  der  Eier,  welche  sich  zur  Bildung  eines 
Embryo  gruppiren,  ist  sehr  verschieden,  und  wir  haben  die- 
selbe nicht  bestimmen  können.  In  jeder  Kapsel,  die  wir 
untersucht  haben,  fand  sich  beständig  ein  Embryo,  der  sich 
aus  einem  einzigen  Ei  entwickelte;  aber  dieser  Embryo  kam 
niemals  zu  einer  vollständigen  Ausbildung. 

8.  Sowohl  die  Zahl  wie  die  Grösse  der  Embryonen 
variirt  in  den  verschiedenen  Kapseln;  die  gewöhnlichste 
Zahl  ist  20—40.  Die  grössten  Embryonen  waren  P/^  m. 
m.  gross. 

9.  Die  ersten  Organe,  welche  sich  ausser  der  vorer- 
wähnten Membran  bilden ;,  sind  der  Fuss  mit  den  vibrirenden 
Cilien ,  und  die  beiden  runden  Lappen,  die  mit  Cilien  und 
Girren  besetzt  sind.  Darauf  entwickeln  sich  der  Mantel,  die 
Schale,  die  Gehörorgane,  die  Speicheldrüsen,  das  Herz  (am 
23sten  Tage),  die  Augen  und  die  Tentakeln.  Etwas  weiter 
in  der  Entwickelung  beobachtet  man  das  Verdauungssystem, 
das  Nervensystem ,  die  Kiemen  ,  den  Sipho  und  den  Retra- 
ctionsmuskel  des  Fusses.  Später  findet  man  das  Herz  in  zwei 
Kammern  getheilt.  Die  Schale  hat  1 — 2  Windungen  bekom- 
men, und  durch  sie  hindurch  sieht  man  nun  zuerst  die  con- 
tractile  Blase.  —  Nach  einem  Zeitraum  von  8  Wochen  haben 
die  Jungen  noch  nicht  die  Kapseln  verlassen,  und  nimmt  man 
in  diesem  Stadium  ein  Junges  heraus ,  so  beginnt  es  nach 
Art  des  erwachsenen  Thieres  umherzukriechen^  und  unter- 
scheidet sich  von  ihm  nur  dadurch,  dass  die  Lappen  nicht 
ganz  verschwunden  sind,  und  dass  die  Schale  bloss  1 — 2 
Windungen  hat. 

10.  Ungefähr  die  9te  oder  lOte  Woche  verlassen  die 
Jungen  die  Kapseln.  Die  Lappen  sind  verschwunden.  Die 
Schale  i^t  hart,  spröde  und  undurchsichtig  geworden. 


200  Koren  und  Danielssen; 


Nachtrag  zur  Entwickelungs-Geschichte   der 
K  a  m  m  k  i  e  m  e  r  0' 


Den  2.  November  1851  fanden  wir  an  einem  Schiffs- 
anker ,  der  etwa  einen  Tag  zuvor  ausgeworfen  war ,  eine 
Traube  Eikapseln  von  Buccinum  undatum  angeheftet.  Wir 
waren  also  überzeugt,  dass  diese  Kapseln  nicht  über  24  Stun- 
den alt  waren,  und  sie  waren  uns  deshalb  um  so  willkom- 
mener, als  wir  dadurch  Gelegenheit  erhielten,  das  erste  Sta- 
dium zu  beobachten  ,  welches  uns  bisher  entgangen  war. 
Was  wir  hier  liefern,  kann  als  etwas  betrachtet  werden, 
das  den  Anfang  unserer  neulich  veröffentlichten  Abhandlung 
„Beitrag  zurEntwickelungsgeschichte  der  Kammkiemer^  hätte 
ausmachen  sollen,  aber  das  wir  damals  aus  Mangel  an  dem 
nöthigen  Material  übergehen  mussten.  Dessenungeachtet  dür- 
fen wir  vielleicht  darauf  rechnen,  dass  dieser  kleine  Beitrag, 
der  unsere  früheren  Beobachtungen  bestätigt  und  erweitert, 
mit  Interesse  aufgenommen  werde. 

Die  Traube  hatte  ungefähr  die  Grösse  eines  Hühnereies, 
und  da  die  einzelnen  Kapseln ,  aus  denen  sie  zusammenge- 
setzt war,  sehr  dünn  und  durchsichtig  waren,  so  war  es  nicht 
schwierig;,  die  darin  liegenden  Eier  zu  beobachten.  Diese 
waren  wie  gewöhnlich  in  eine  wasserhelle,  zähe,  eiweissar- 
tige  Flüssigkeit  eingehüllt,  die  ganz  die  Kapseln  erfüllte.  Je- 
des Ei  war,  wie  wir  bereits  früher  erwähnt  haben^  mit  einem 
dünnen  Chorion  und  einer  Dotterhaut  versehen ,  die  einen 
aus  grösseren  und  kleineren  Körnern  bestehenden  Dotter 
einschloss.  Die  grossen  Körner  waren  sehr  durchsichtig,  bra- 
chen das  Licht  sehr  stark  und  hatten  eine  runde  oder  ovale 
Gestalt;  die  kleinen  dagegen  waren  alle  rund  ,  dunkel  und 
lagen  zerstreut  zwischen  den  grossen.  Ein  Keimbläschen 
waren  wir  nicht  im  Stande  zu  bemerken,  dagegen  war  die  Dot- 
termasse an  der  Stelle,  wo  dasselbe  zu  liegen  pflegt,  heller,  — 


1)  Bergen,  September  1852. 


Beitrag  zur  Entwicldungsgeschichte  der  Kammldemer.        *01 

und  in  der  Mitte  dieser  hellen  Masse  bemerkten  wir  ein  klei- 
nes helles  Bläschen  (Keimfleck)  (Fig.  17.  d). 

Den  4ten  ,  6ten,  Pten  und  lOten  November  untersuch- 
ten wir  wieder  einige  Kapseln.  In  den  darin  enthaltenen 
Eiern  sahen  wir,  dass  die  vorerwähnte  helle  Blase  sich  mehr 
der  Peripherie  des  Dotters  genähert  hatte^  übrigens  war  keine 
Veränderung  eingetreten. 

Am  löten  November  bemerkten  wir,  dass  in  fast  jedem 
Ei  die  kleine  Blase  gegen  den  Rand  des  Dotters  ausgetreten 
war,  wo  sie  sich  nun  leichter  beobachten  Hess.  Sie  ragte 
nämlich  über  die  Dottermasse  hervor  und  bildete  auf  ihr  eine 
sphärische  Erhöhung;  sie  war  bedeckt  von  der  Dottermem- 
bran, halte  eine  runde  Gestalt,  war  wasserhell  und  umschloss 
2 — 3  Moleküle.  Ausserdem  beobachteten  wir  ,  dass  sich  in 
den  von  uns  untersuchten  Kapseln  2 — 3  Eier  fanden,  die  eine 
oberflächliche  Fiirchung  eingegangen  wa/'en,  und  wo  der  Dot- 
ter in  6 — 8  Furchungskugeln  getheill  war.  Bei  den  übrigen 
Eiern  war  keine  Spur  einer  Furchung. 

Einige  Tage  später  wurden  abermals  einige  Kapseln  un- 
tersucht. In  den  meisten  hatten  sich  die  Eier  einander  ge- 
nähert; der  helle  Körper  hatte  sich  noch  mehr  über  den 
Dotier  erhoben,  und  hatte  nicht  allein  seine  Membran  vor 
sich  hin  geschoben,  sondern  zugleich  das  Chorion  erwei- 
tert, so  dass  dieses  eine  Wölbung  bildete  (Fig.  18.  c).  Bei 
den  2 — 3  erwähnten  gefurchten  Eiern  zeigte  sich  um  die 
Furchungskugeln  eine  ausgesickerte  grauliche  Masse,  die  mit 
einer  Membran  umgeben  war,  welche  oben  und  unten  mit 
überaus  feinen  Cilien  versehen  war.  Mit  ihrer  Hülfe  dreh- 
ten sich  diese  2 — 3  Embryonen  frei  in  der  zähen  ,  eiweiss- 
artigen  Flüssigkeit. 

Am  21.  November  hatten  die  Kapseln  ein  etwas  ver- 
ändertes Ansehen  bekommen;  sie  waren  in  dem  obersten Theil 
heller,  indem  sich  die  Eier  gesammelt  hatten,  und  herabge- 
senkt auf  dem  Boden  der  Kapseln  lagen.  Die  Flüssigkeit, 
welche  die  Kapseln  erfüllte,  war  nicht  so  zähe  wie  früher, 
und  man  sah  darin  die  erwähnten  Embryonen ,  mit  Lappen^ 
Fuss  und  Schale  sich  munter  bewegen.  Bei  manchen  Eiern 
war  der  helle  Körper  bereits  durch  das  Chorion  herausge- 
treten und  lag  zerstreut  in  der  Flüssigkeit;  bei  andern  fanden 


♦02  Koren  und  Danielssen: 

wir  ihn  noch  mit  dem  Dotter  mittels  eines  sehr  dünnen,  aus 
der  vorgeschobenen  Dottermembran  gebildeten  Stieles  verei- 
nigt; das  Chorion  war  hier  stark  erweitert  und  an  der  her- 
vorragendsten Stelle  zerrissen.  In  diesem  Stiel  fand  sich 
keine  Spur  von  Dotterkörnern  (Fig.  \9.  20.). 

Die  Schriftsteller  sind  uneinig  in  Betreff  dieses  Körpers 
der  sich  aus  dem  Dotier  ausscheidet;  einige  halten  ihn  für 
die  zähe  Dotterflüssigkeit,  andere  für  das  Keimbläschen,  noch 
andere  für  den  Keimfleck  selbst.  Da  Loven  in  seiner  Ab- 
handlung die  Meinungen  der  verschiedenen  Autoren  angege- 
ben hat,  so  ist  es  überflüssig,  sie  hier  einzeln  zusammen- 
zustellen, und  wir  wollen  in  diesem  Punkt  auf  seine  Abhand- 
lung verweisen  ').  KöUiker,  Vogt,  Bischoff  und  Lo- 
ven betrachten  diesen  Körper  als  den  ausgetretenen  Keim- 
fleck ,  und  damit  stimmen  unsere  Untersuchungen  überein. 
Eine  andere  Frage,  welche  dabei  die  Schriftsteller  beschäf- 
tigt hat,  ist,  ob  diese  Körper  in  irgend  einer  Verbindung  mit 
dem  Furchungsprocess  stehen.  Auch  in  Betreff  dieses  Punk- 
tes ist  grosse  Uneinigkeit  unter  den  verschiedenen  Verfas- 
sern. Rathke,  Pouchet,  Reichert  und  Leydig  leug- 
nen durchaus  eine  solche  Verbindung.  Alex.  Nord  mann 
dagegen  behauptet ,  dass  die  Furchung  mit  diesen  Körpern 
in  Verbindung  stehe,  und  F.  Müller  und  Loven  haben 
durch  gute  Beobachtungen  gezeigt,  dass  sie  die  Richtung  an- 
geben, in  der  die  Furchung  stattfindet.  Da  beiBuccinum  un- 
dalum  keine  Furchung  stattfindet,  so  ist  es  klar,  dass  hier 
keine  Rede  von  einem  Zusammenhange  zwischen  ihr  und  der 
ausgetretenen  Blase  sein  kann ;  und  was  Purpura  lapillus  an- 
langt, so  haben  weitere  Beobachtungen  uns  überzeugt,  dass 
auch  hier  keine  solche  Beziehung  statt  findet,  denn  die  er- 
wähnte Blase  verlässt  bald  das  Ei,  und  findet  sich  in  der  in 
den  Kapseln  enthaltenen  eiweissartigen  Flüssigkeit  wieder. 
Wir  müssen  daher  uns  den  Autoren  anschliessen,  welche  der 
Meinung  sind,  dass  dieser  Körper  in  keinem  Zusammenhange 
mit  dem  Furchungsprocess  stehe 

Den    27sten  November  war  der  Conglomerationsact   in 


1)  Bidrag  til  kännedomen  om  utvecklingen  af  Mollusca  Acephnla 
I^amellibrancbiata  p.21« 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammkiemer.        203 

fast  allen  Kapseln  eingetreten.  Die  erwähnte  Blase  war  ver- 
schwunden; die  Flüssigkeit  war  dünn  geworden,  fast  wie 
Wasser,  so  dass  man  mit  grosser  Leichtigkeit  die  conglome- 
rirte  Masse  herausnehmen  konnte  Die  Gruppen  waren  nun 
auch  deutlich  gebildet  und  ziemlich  scharf  begrenzt,  und  der 
grösste  Theil  der  Eier,  woraus  sie  zusammengesetzt  waren^ 
hatte  die  Hülle  (Chorion)  verloren.  Sie  war  nämlich  ge- 
borsten ;  die  Dotter  waren  ausgetreten  und  klebten  dicht  an 
einander.  Um  jede  Gruppe  hatte  sich  eine  contractile  Mem- 
bran gebildet,  die  durch  ihre  Contractionen  die  Eier  näher 
zusammen  drängte.  Diese  so  entstandenen  Embryonen  ge- 
hen nun  ihrer  Entwickelung  entgegen.  Die  in  unserer  frü- 
heren Arbeit  erwähnte  Aussickerung  ging  hier  so  schnell 
vor  sich,  dass  wir  sie  bei  einzelnen  Embryonen  unter  dem 
Mikroskop  beobachten  konnten,  und  diese  riss  sich  von  dem 
Conglomerat  erst  los,  nachdem  Lappen,  Fuss,  Speicheldrüsen 
und  eine  Spur  der  Gehörorgane  gebildet  waren.  Das  Los- 
reissen  war  interessant  zu  beobachten,  und  nahm  seinen  An- 
fang, sobald  Fuss  oder  Lappen  mit  Cilien  versehen  worden 
waren.  Die  Contractionen  des  Embryo  wurden  schon  kräf- 
tiger ,  bis  er  sich  endlich  frei  machte  ,  —  jedoch  dauerte 
es  zuweilen  mehrere  Stunden,  bevor  es  glückte,  und  manch- 
mal riss  er  mehrere  Eier  mit  sich^  welche  sich  nachher  von 
ihm  trennten,  und  so  abstarben.  —  Die  weitere  Entwickelung 
des  Embryo  geht  nun  in  der  Weise  vor  sich  ,  wie  wir  sie 
in  der  früheren  Abhandlung  geschildert  haben,  auf  die  wir 
verweisen. 

Was  nun  die  einzelnen  Embryonen  angeht,  die  sich  aus 
einem  einzigen  Ei  entwickeln,  so  haben  wir  beobachtet,  dass 
sie  sich  schon  zu  bilden  anfangen  ,  bevor  der  Conglomera- 
tionsact  eingetreten  ist ,  und  dass  sie  bei  seinem  Eintreten 
schon  so  weit  gekommen  sind ,  dass  sie  frei  in  der  wasser- 
hellen Flüssigkeit  herumschwimmen.  Ihre  Lebenszeit  ist  je- 
doch nur  kurz,  —  höchstens  14  Tage. 

Zum  Schluss  wollen  wir  nicht  unterlassen ,  darauf  auf- 
merksam zu  machen,  dass  die  Temperatur  bedeutenden  Ein- 
fluss  auf  die  Schnelligkeit  der  Entwickelung  hat.  In  der 
Traube  ,  welche  wir  im  November  erhielten ,  verliessen  die 
Jungen  die  Kapseln  erst  im  März  und  lebten  bis  auin  20«ten 


204  Koren  und  Danielsgen: 

April.  Wir  hatten  also  diese  Jungen  5  Monate  und  18  Tage 
lebend  gehabt,  und  bei  der  Untersuchung  fand  sich  noch  im 
Innern  des  Thieres  eine  Menge  Eidotter. 


Erklärung  der  Abbildungen  '). 


Buccinum  undatvm  (Taf.  1.  II.  des  Originals). 

Fig.   1.   (1)  stellt  ein  Ei  dar  ,    welches    aus  dem  Eierstock  genommen 
ist,  etwa  200mal  vergrössert. 

Fig.  2.   (8)  Ein  Embryo  etwa  200mal   vergrössert. 

a.  Membran,  b.  Dotter  mit  Dotterhaut.  c.  Anfang  der  zwei 
runden  Lappen. 

Fig.  3.  (9)  Ein  Embryo ,   von  der  Seite   gesehen.     Dieselbe  Vergrös- 
serung. 

a.  Hautartige  Schale.  b.  Mantel,  c.  Dotter.  d.  Lappen, 
c.  Fuss. 

Fig.   4.  (13)  Ein  Embryo,    vom  Bauche   gesehen.      Dieselbe  Vergrös- 
serung. 

a.  Hautartige  Schale,  b.  Mantel,  c.  Dotter,  d.  Lappen,  e. 
Herz.  f.  Fuss.  g.  Gehörorgane,  h.  Speicheldrüsen,  t.  Ten- 
takeln,    k.  Rüssel.     /.  Speiseröhre,     m.  Magen. 

Fig.  5.  (16)  Ein  Junges  ,    von  der  Seite  gesehen.      Dieselbe  Vergrös- 
serung. 

a.  Conchylie.  b.  Mantel,  c.  Dotter,  d.  Lappen,  e.  Herz. 
f.  Fuss.  g.  Gehörorgan,  h.  Deckel,  i.  Kopf.  k.  Augen  l, 
Tentakeln,  m.  Speiseröhre,  n.  Magen,  o.  Darm.  p.  Kiemen. 
q.  Blase,  r.  Leber,  s.  Muskel.  (.  Hirnganglien,  u.  Com- 
missuren.  v.  Fnssganglien.  x.  Commissur.  y.  Fusslappen- 
ganglion. 

Fig.  6.  (19)  Das  Nervensystem  bei  einem  Jungen,  von  der  Seite  gese- 
hen, comprimirt. 
a.    Kopf.      b.   Auge,      c.  Tentakel,      d.   Fuss.      e.  Speiseröhre. 


1)  Die   in  (  )    eingeschlossenen  Nummern  der  Figuren  bezeich- 
nen die  Zahlen  des  Originals. 


Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Kammkiemer.        205 

f.  Hirnganglien,  g.  Augennerv.  h.  Gehörnerv,  i.  Commis- 
sur.  k.  Fussganglien.  l.  Verzweigungen  im  Fuss.  m.  Com- 
missuren.  n.  Fusslappenganglien.  o.  Nervenzweige,  p.  Einge- 
weidennerv. 

Fig.  7.  (23)  Einer  der  runden  Lappen,  etwa  400raal  vergrössert. 

a.  Primitive  Längsröhren,  h.  Einzelne  Querröhren,  c.  Kalk- 
körner,    d,  Cilien.     e.  Girren. 

Fig.  8.  (20)  Die  contractile  Blase,  etwa  400mal  vergrössert. 

a.  Die  oberste  Abtheilung,  h.  Die  unterste  Abtheilung,  c. 
Primitive  Muskelröhren  mit  Erweiterungen,     d.  Querröhren. 

Purpura  lapillus  (Taf.  III— IV  des  Originals). 

Fig.  9.  (12)  Ein  Embryo,  von  der  Seite  gesehen,  etwas  vorgeschritten 
in  der  Entwickelung. 
a.  Membran,     b.  Die  beiden  Lappen,     c.  Anfang  des  Fusses. 

Fig.  10.  (16)  Ein  Embryo,  350mai  vergrössert. 

a.  Schale  ,  worin  man  Kalkkörner  abgesetzt  sieht.  b.  Lap- 
pen, c.  Fuss.  d.  Gehörorgan,  c.  Rudimentäre  Speicheldrüsen. 
f.  Mantel. 

Fig.  11.  (24)   Gruppirte  Eier. 

Fig.  12.  (27)  Ein  Embryo  etwa  lOOmal  vergrössert. 

a.  Membran,  woran  man  hier  und  da  Cilien  sieht,  b.  Fuss. 
c.  Stiel,     d.  Beginnende  Lappen,     e.  Gruppirte  Eier. 

Fig.  13.  (29)  Ein  Embryo,  etwa  lOOmal  vergrössert, 

a.  Schale,  b.  Mantel,  c.  Fuss.  d.  Lappen,  e.  Gehörorgan. 
f.  Gruppirte  Eier. 

Fig.  14.  (31)  Ein  Embryo,  von  der  Seite  gesehen,  etwa  400raal  ver- 
grössert. 

a.  Schale,  b.  Mantel,  c.  Gruppirte  Eier.  d.  Fuss.  e.  Lap- 
pen. /".  Gehörorgan,  g.  Speicheldrüsen.  h.  Herz.  «.  Kas- 
sel, k.  Speiseröhre.  /.  Tentakeln,  m.  Augen,  n.  Hirn- 
ganglien. 

Fig.   15.  (35)  Ein  Embryo  von  der  Seite  gesehen ,   etwa  lOOmai    ver- 
grössert. 

a.  Schale,  b.  Mantel,  c.  Gruppirte  Eier.  d.  Fuss.  e.  Lap- 
pen, f.  Gehörorgan,  g.  Speicheldrüsen.  Ä.  Herz.  t.  Bük- 
ken,    k.  Tentakeln,     l.  Augen,     m.  Kiemen. 

Fig.   16.  (40j  Eine  Kieme,  450mal  vergrössert. 
a.  Bogen.     6.  Muskelröhren,     c.  Cilien. 


ß06        Kor  eil  und  Danielssen:  Beitrag    zur  EntwicHungsg.  etc. 
Buccinum  undatum  (Taf.  I.  des  Nachtrageis  des  Originals). 

Fig.   17.  (1)  stellt  ein  vergrössertes  Ei  dar. 

a.    Chorion.      b.    Dottermembran.       c.    Dotier.       d.   Spur    des 
Keimfleckes. 

Fig.  18.  (4)  Ein  vergrössertes  Ei. 

a.  Chorien.     6.  Dottermembran,     c.  Blase  mit  Molekülen. 

Fig.   19.  (8)  Ein  vergrössertes  Ei. 

a.   Chorion.     6.  Dottermembran.      c.  Dotter,      d.  Blase   mit  Mo- 
lekülen. 

Fig.  20.  (10)  Ein  vergrössertes  Ei. 

a,  Chorion.  b.  Duttermembran.     c.  Die  ausgeworfene  gestielte 
Blase. 


Dorycpiiiu§»,  ein  neues  Crinoideng'eschleclit 
aus  dein  KLolilenkalke  Alordanierika's. 

Von 
Dr.  F'erd»  Roemer« 

Hierzu  Taf.X. 


In  einer  umfangreichen  Sendung  von  Kohlenkalkverstei- 
nerungen,  welche  Herr  Dr.  Krantz  unlängst  aus  den  Umge- 
bungen des  im  nördlichen  Theile  des  Staates  Illinois  am  Mis- 
sissippi gelegenen  Städtchens  Warsaw  erhielt ,  befinden  sich 
neben  zahlreichen  anderen  Crinoiden  auch  die  Kelche  einer 
Art,  welche  augenscheinlich  einem  neuen  generischen  Typus 
angehörend,  die  Mannichfaltigkeit  der  Formen ,  mit  welcher 
jene  Thierordnung  in  den  älteren  Gesteinsschichten  vertreten 
ist,  wiederum  durch  eine  sehr  auffallende^  bemerkenswerthe 
Gestalt  vermehrt. 

Durch  die  Gefälligkeit  des  Herrn  Dr.  Krantz,  wel- 
cher mir  das  gesammte  vorliegende  Material  zur  Benutzung 
anvertraut  hat,  bin  ich  in  den  Stand  gesetzt,  die  nachstehende 
Beschreibung  des  fraglichen  Fossils  zu  geben. 

Bevor  jedoch  diese  letztere  selbst  unternommen  wird, 
ist  noch  eine  Bemerkung  über  den  Umfang  und  die  Art 
der  Erhaltung  des  vorliegenden  Materials  vorauszuschicken. 

Zunächst  sind  fünf  Exemplare  des  Kelches  vorhanden, 
welche,  frei  aus  dem  Gesteine  gelöst,  die  Zusammensetzung 
aus  den  einzelnen  Täfelchen  deutlich  erkennen  lassen  und 
überhaupt  bis  auf  die  natürlich  abgebrochenen  Arme  und  lys 


308  Ro  einer: 

auf  die  langen  am  oberen  Umfange  des  Kelches  stehenden 
Dornforlsätze,  welche  das  auffallendste  Merkmal  der  Art  bil- 
den, durchaus  vollständig  erhalten  sind.  Ausserdem  liegen 
vier  zum  Theil  noch  vom  Gestein  umschlossene  Kelche  von  ver- 
schiedener Vollständigkeit  vor,  bei  welchen  die  langen  Dorn- 
fortsätze noch  in  ihrer  natürlichen  Stellung  erhalten  sind. 
Endlich  sind  auch  noch  zahlreiche  einzelne  Dornfortsätze  oder 
Stacheln  vorhanden. 

Die  Versteinerungsmasse  dieser  verschiedenen  Stücke 
ist  theils  Kiesel  (Hornstein),  theils  Kalkspath ,  jedoch  häufi- 
ger der  erstere. 

1.    Beschreibun  g  des  Kelches. 

Die  Zusammensetzung  des  in  seiner  allgemeinen  Gestalt 
fast  kubischen  Kelches  ist  folgende : 

A.     Untere  Hälfte  des  Kelches. 

1.  Die  Basis  des  Kelches  besteht  aus  3  niedrigen  Ba- 
salslücken (basaliO)^  deren  zwei  das  dritte  etwas  an  Grösse 
übertreffen  und  welche  vereinigt  einen  1^/2 ''  hohen  kreis- 
runden Ring  bilden.  Die  Naht,  in  welcher  sich  die  beiden 
grösseren  Basalstücke  vereinigen ,  führt  in  ihrer  Verlänge- 
rung auf  die  excentrisch  an  der  einen  Seite  der  oberen  Kelch- 
hälfte gelegene  Mundöffnung. 

Ueber  diesem  Basal  -  Ringe  folgt : 

2.  ein  Kranz  von  6  ungleichseitig  sechsseitigen  Täfel- 
chen ,  von  welchen  5  mehr  in  die  Breite ,  als  in  die  Höhe 
ausgedehnte  in  der  Richtung  der  Arme  liegen  und  also  Ba- 
salstücke erster  Ordnung  sind,  das  sechste  aber, 
welches  höher ,  als  breit  ist ,  in  der  Richtung  des  Mundes 
liegt  und  also  ein  einzelnes  Interradialstück  (interra- 
diale)  bildet. 

3.  Der  nächst  folgende  horizontale  Kranz  besteht  aus 
12  Stücken,  von  welchen 

a.  5  quer  sechsseitige  oder  fast  rektanguläre  Stücke 
gerade  über  den  Radialstücken  erster  Ordnung  stehen  und 
also  Radialstücke  zweiter  Ordnung  sind, 


Dorycrlnus,  ein  neues  Crinoidengeschlecht.  209 

b.  die  7  übrigen  aber  zwischen  diesen  letzteren  ste- 
hen, und  folglich  Inte r radialstücke  zweiter  Ord- 
nung sind.  Vier  dieser  7  Stücke  stehen  einzeln  zwischen 
je  zwei  Radialstücken  zweiter  Ordnung,  die  drei  übrigen  aber 
neben  einander  an  der  die  Mundöffnung  tragenden  Seiten- 
fläche des  Kelches,  und  zwar  so,  dass  das  mittlere  fast  re- 
gelmässig sechsseitige  gerade  über  der  Mitte  des  einzelnen 
Interradialslücks  erster  Ordnung,  die  beiden  seitlichen  unre- 
gelmässig sechsseiligen  aber  gerade  über  den  Nähten  stehen, 
in  welcher  das  genannte  einzelne  Interradialstück  erster  Ord- 
nung mit  den  benachbarten  Radialstücken  erster  Ordnung  zu- 
sammenstösst. 

4.  Der  nun  folgende  Kranz  besteht  aus  5  Radialstük- 
ken  dritter  Ordnung  und  13  Interradialstücken. 

a.  Die  Radialstücke  sind  Axillar-Radialstücke  (radialia 
axillaria).  Sie  sind  quer  fünfseitig  und  nach  oben  stumpf- 
winkelig begrenzt. 

b.  Von  den  13  Interradialstücken  dritter  Ordnung  ste- 
hen je  zwei  unregelmässig  sechsseitige  über  einem  Interra- 
dialstück zweiter  Ordnung;  auf  der  Seite  des  Kelches,  an 
welcher  der  Mund  gelegen  ist,  stehen  5  derselben  in  einer 
etwas  nach  oben  gekrümmten  Linie  über  den  auf  dieser 
Seite  des  Kelches  vorhandenen  drei  Interradialstücken  zwei- 
ter Ordnung. 

5.  Ueber  jedem  der  5  Axillar-Radialstücke  stehen  2 
den  ersleren  etwa  gleich  gestaltete  Distichaistücke,  welche 
wiederum  axillar  {distichalia  axillaria^  sind  und  je  zwei  fast 
vierseitige  Dislichalstücke  zweiter  Ordnung  tragen.  Diese 
letzteren  sind  in  der  Mitte  ihres  oberen  Randes  jedes  durch 
ein  Loch  ausgerandet ,  welches  in  das  Innere  des  Kelches 
führt.  Diese  Löcher  sind  die  Nahrungskanäle  der  hier  ab- 
gebrochenen Arme.  Es  sind  solcher  Armlöcher,  da  über 
jeder  der  5  Reihen  von  Radialstücken  4  stehen,  im  Ganzen 
20  vorhanden.  Eine  horizontale  durch  diese  sämmtlichen 
Löcher  gelegte  Ebene  theilt  den  ganzen  Kelch  in  2  fast  glei- 
che Hälften.     Von  diesen  beiden  Hälften  ist  nun 

B.    Die  obere  Hälfte  des  Kelches 
in  folgender  Weise  zusammengesetzt: 

Archiv  f.  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.     ,  ^4 


210  Roemer:, 

1.  Alternirend  über  je  4  der  durch  die  Armlöcher  an 
ihrem  oberen  Rande  ausgeschnittenen  Distichialstücke  stehen 
5  unreg-elmässig  fünfseitige  Stücke,  die  auch  an  der  Bildung 
der  Armlöcher  selbst  noch  Antheil  nehmen.  Das  mittlere  die- 
ser 5  Stücke  ist  bedeutend  grösser,  als  die  4  übrigen,  hö- 
her als  breit  und  liegt  genau  in  der  Richtung  der  Ra- 
dialslücKe. 

2.  Gerade  aufgesetzt  auf  jedes  dieser  mittleren  Stücke 
stehen  nun  die  Stücke,  welche  nebst  einem  einzelnen  ande- 
ren durch  ihre  zu  langen  Stacheln  verlängerte  Form  den  auf- 
fallendsten Charakter  der  Gattung  bilden.  In  der  gewöhnli- 
chen frei  aus  dem  Gestein  gelösten  Erhaltung  der  Kelche 
sind  diese  Stücke  von  halbkugeliger  Form  und  bilden  stark 
vortretende  buckeiförmige  Hervorragungen  über  den  Arm- 
löchern. Der  Scheitel  dieser  halbkugeligen  Stücke  ist  mei- 
stens unregelmässig  begrenzt.  Häufig  zeigt  er  eine  mehr 
oder  minder  grosse  Vertiefung.  Nicht  selten  trägt  er  auch 
eine  mittlere  warzenförmige  Erhöhung,  welche  lebhaft  an  die 
Stachelwarzen  der  Echiniden  erinnert.  Bei  solchen  Exem- 
plaren aber,  welche  zum  Theil  noch  von  der  Gesteinsmasse 
umhüllt  sind ,  sieht  man  an  der  Stelle  dieser  halbkugeligen 
Stücke  fingerslange,  drehrunde  pfriemenförmige  Stacheln  und 
man  gewinnt  die  Ueberzeugung ,  dass  es  nur  eine  Eigen- 
thümlichkeit  des  Versteinerungsprocesses  ist,  wenn  bei  jenen 
frei  aus  dem  Gestein  gelösten  Kelchen  nur  die  Basis  dieser 
Stacheln  in  der  Form  halbkugeliger  Schalstücke  erhalten  ist. 
Sähe  man  nur  die  erwähnten  oft  vorhandenen  warzenförmi- 
gen Erhöhungen  auf  dem  Scheitel  dieser  letzteren  und  ein- 
zelne freie  Stacheln,  so  könnte  man  leicht  die  Vorstellung 
gewinnen,  es  seien  die  Stacheln  mit  jenen  Warzen  nach  Art 
der  Echiniden-Stacheln  artikulirend  oder  beweglich  verbun- 
den gewesen.  Diese  Vorstellung  ist  jedoch  durchaus  irrig. 
Es  sind  die  Stacheln  ganz  auf  gleiche  Weise,  wie  alle  übri- 
gen den  Kelch  zusammensetzende  Stücke ,  an  ihrer  Basis 
durch  geradlinige  Nähte  mit  den  angrenzenden  Stücken  un- 
beweglich verwachsen.  Dicht  über  der  Basis  verengt  sich 
der  Umfang  der  Stacheln  bedeutend  und  plötzlich ,  von  hier 
an  aber  nimmt  er  bis  zur  Spitze  ganz  allmählig  ab.  Bei  grös- 
seren Exemplaren  sind  die  Stacheln  am  Grunde  4/2'"  breit 


Dorycriniis,  ein  neues  Crinoidengeschlecht.  211 

und  ihre  ganze  Länge  beträgt  ^\i^  Zoll.  Die  Richtung  der 
Stacheln  betreffend,  so  stehen  sie  schief  nach  oben  gerichtet 
vom  Kelche  ab. 

Zwei  bestimmte  benachbarte  der  5  Stacheln  stehen  an 
der  Basis  weiter  von  einander  ab  ,  als  je  zwei  andere  be- 
nachbarte. Zwischen  diesen  beiden  weiter  von  einander  ent- 
fernten Stacheln  liegt  nun  die  einzige  Oeffnung,  welche  bei 
vollständiger  Erhaltung  in  das  Innere  des  Kelches  führt.  Sie 
ist  oval,  höher  als  breit,  l'/i'"  i"  der  Richtung  der  grösse- 
ren Achse  lang. 

Umgeben  ist  diese  Mundöffnung,  welche  zugleich  Anal- 
und  Genital- Oeffnung  sein  muss,  von  mehreren  kleineren  in 
ihrer  Begrenzung  an  den  vorliegenden  Exemplaren  nicht  völ- 
lig deutlich  erkennbaren  Täfelchen. 

Gerade  über  der  Mundöffnung,  aber  durch  einige  klei- 
nere Stücke  von  dieser  getrennt,  erhebt  sich  auf  der  Schei- 
telfläche des  Kelches  ein  einzelnes  grosses^  gleich  den  5  über 
den  Armlöchern  stehenden  Stücken  in  einen  langen  Stachel 
verlängertes  Stück.  Bei  den  frei  aus  dem  Gesteine  gelösten 
Kelchen  ist  von  diesem  Stücke  nur  die  halbkugelige,  auf  dem 
Scheitel  unregelmässig  vertiefte,  häufig  auch  mit  einer  klei- 
nen mittleren  Warze  versehene  Basis  erhalten,  ganz  so  wie 
bei  den  5  anderen  am  oberen  Umfange  des  Kelches  über 
den  Armen  stehenden  Stücken.  Diese  halbkugelige  Form 
des  Stückes  ist  aber  ebenso  wie  bei  den  letztgenannten  nur 
Folge  einer  rudimentären  Erhaltung  durch  die  Kieselmasse. 
Bei  Exemplaren,  welche  zum  Theil  noch  vom  Gesteine  um- 
schlossen sind  und  bei  welchen  die  Versteinerungsmasse 
theilweise  Kalkspath  ist,  erhebt  sich  über  der  halbkugeligen 
Basis  des  Stücks  ein  langer  drehrunder  pfriemenförmiger  Sta- 
chel von  gleicher  Form,  wie  bei  den  5  übrigen.  Die  Länge 
dieses  Stachels  scheint  etwas  geringer ,  als  diejenige  der  5 
übrigen  zu  sein.  Die  Richtung  des  Stachels  ist  vertikal,  wäh- 
rend diejenige  der  5  anderen ,  wie  früher  bemerkt  wurde, 
schief  nach  aufwärts  gewendet  ist.  Die  Basis  dieses  Stachels 
nimmt  die  höchste  Stelle  der  übrigens  nur  flach  gewölbten 
Scheitelfläche  des  Kelches  ein;  keineswcges  aber  deren  Mittel- 
punkt. Sie  ist  vielmehr  entschieden  excentrisch  und  dem  über 
der  Mundöffnung  liegenden  Rande  der  Scheitelfläche  genähert. 


212  Roemer: 

Zwischen  den  o  am  Umfange  der  Scheilelfläche  stehen- 
den zu  Stacheln  verlängerten  Stücken  und  dem  zuletzt  be- 
schriebenen einzelnen  Stücke  dieser  Art  auf  dem  Schei- 
tel selbst ,  wird  nun  die  Scheiteldecke  aus  einer  grösseren 
Zahl  (24)  von  Stücken  ungleicher  Grösse  gebildet.  Sieben 
oder  acht  grössere  von  diesen  umgeben  die  Basis  des  ein- 
zelnen scheilelständigen  Stachelstücks.  Eine  weitere  Gesetz- 
mässigkeit ist  in  der  Anordnung  dieser  Scheitelstücke  nicht 
deutlich  zu  erkennen. 

Am  Schlüsse  dieser  Beschreibung  der  Zusammensetzung 
des  Kelches  ist  nur  zu  bemerken  ,  dass  die  Oberfläche  der 
einzelnen  Kelchstücke  keine  besondere  Sculptur  zeigt ,  son- 
dern bei  ganz  flacher  Wölbung,  (in  der  Erhaltung  wenig- 
stens, in  welcher  die  Exemplare  vorliegen!),  platt  erscheint. 
Ein  einzelnes  der  vorliegenden  Exemplare  weicht  insofern 
von  den  übrigen  ab,  dass  jedes  einzelne  der  den  Kelch  zu- 
sammensetzenden Stücke  in  derMilte  zu  einem  stumpfen  Hök- 
ker  erhoben  ist.  Ein  ähnliches  Höckerigwerden  bei  norma- 
ler Erhaltung  der  platten  Oberfläche  kommt  auch  bei  ande- 
ren Geschlechtern  von  Crinoiden,  namentlich  Aciinocrinus, 
Flatycriniis  u.  s.  w.  vor. 

Eine  andere  Abweichung  von  der  typischen  Form  zeigt 
ein  Exemplar,  bei  welchem  der  ganze  Kelch  so  stark  aufge- 
bläht ist  und  namentlich  die  Stellen  an  welchen  die  Arme 
befestigt  waren,  so  stark  vortreten,  dass  die  Breite  des  Kel- 
ches dessen  Höhe  bedeutend  übertrifft,  während  bei  der  ge- 
wöhnlichen Form  des  Kelches  beide  Dimensionen  ungefähr 
gleich  sind. 


2.     Systematische   Stellung   der   Gattung   und 
Verwandtschaft  mit  anderen  bekannten  Ge- 
schlechtern. 

Auch  bei  einer  nur  flüchtigen  Vergleichung  muss  so- 
gleich die  Uebereinstimmung  auffallen,  welche  in  der  Zusam- 
mensetzung des  Kelches  von  Dorycrinus  mit  derjenigen  des 


Dorycrinus,  ein  neues  Crinoidengeschlecht.  213 

Kelches  von  Actinocrinus  ')  Stall  findel.  Die  Bildung  der 
Basis  des  Kelches  als  einer  aus  3  niedrigen  Basalstücken  zu- 
sammengesetzten Platte^  die  Anordnung  der  in  5  Reihen  zu 
den  Armen  führenden  Radialslücke,  die  Lage  der  Punkte, 
an  welchen  die  Arme  hervorbrechen,  ist  dieselbe.  Der  Un- 
terschied zwischen  beiden  Gattungen  beruht  in  der  Thal  fast 
nur  in  der  verschiedenen  Lage  der  Mundöffnung  und  in  den 
von  dieser  abhängigen  Abweichungen.  Bei  Actinocrinus  ist 
die  Mundöffnung  scheitelständig  ,  central  und  an  der  Spitze 
einer  langen  rüsselförmigen  Röhre  gelegen.  Bei  Dorycrinus 
dagegen  ist  die  Mundöffnung  excentrisch  und  in  der  oberen 
Hälfte  des  Kelches  an  einer  Seitenfläche  desselben  gelegen. 
Die  excentrische  seilliche  Lage  der  Mundöffnung,  indem  sie 
die  beiden  Arme,  zwischen  denen  sie  gelegen  ist,  weiter  aus- 
einander rückt,  als  je  zwei  der  übrigen  Arme,  und  damit  zu- 
gleich die  grössere  Zahl  der  an  dieser  Seite  vorhandenen  In- 
terradialstücke  bedingt,  giebt  zu  einer  in  der  ganzen  Gestalt 
des  Kelches  hervortretenden  Abweichung  von  der  regelmäs- 
sig radialen  Anordnung  der  Kelchtheile  Veranlassung. 

Eben  diese  excentrische  seitliche  Lage  des  Mundes  und 
die  dadurch  bedingte  Störung  des  radialen  Typus,  durch  welche 
unsere  Gattung  von  AQÜnocrinus  unterschieden  ist ,  hat  sie 
nun  mit  dem  durch  Austin  aufgestellten  Geschlechte  Ampho- 
racrinus ,  dessen  typische  Art  der  Amphoracrimis  Gilbertso7n 
(^Acünocrhiites  GilbefUsoniVhWi.;  Melocrinns  amphora  Goldf.}  ist, 
gemein.  Ueberhaupt  ergiebt  sich  nun  mit  diesem  letzteren  Ge- 
schlechte eine  nähere  Verwandtschaft,  als  mit  irgend  einem 
anderen.  Nicht  nur  ist  die  Anordnung  der  Täfelchen  in  der 
ganzen  unteren  Hälfte  des  Kelches  bei  beiden  Geschlechtern 
wesentlich  übereinstimmend  ,  sondern  es  ist  auch  dasjenige 
Merkmal,  welches  Dorycrinus  vorzugsweise  von  Actinocrinus 
unterscheidet,  nämlich  die   excentrische  ,    seitliche  Lage  des 


1)  Die  Gattung  Actinocrinus  wird  hier  in  der  richtigen  Begren- 
zung gedacht  d.  i.  auf  die  Arten  des  Kohlenkalks  beschränkt,  mit  dem 
Actitiocrinus  Iriaconladaciißus  Miller  als  Typus  und  nach  Ausscheidung 
Aerschicdener  bisher  der  Gallung  zugerechneten  Arien  Silurischer  und 
Devonischer  Schichten. 


214  Roemer: 

Mundes  und  die  dadurch  bedingte  Abweichung  von  dem  ra- 
dialen Baue  der  Kelchtheiie  beiden  Gattungen  gemeinsam. 

So  gross  nun  auch  die  Verwandtschaft  ist ,  so  lassen 
sich  doch  auch  anderer  Seits  bei  näherer  Prüfung  bestimmte 
Unterschiede  zwischen  den  beiden  Geschlechtern  festhalten. 
Der  auffallendste  Unterschied  besteht  immer  darin^  dass  bei 
Dorycrinus  5  über  den  Armen  stehende  durch  Grösse  aus- 
gezeichnete und  zu  langen  Dornen  verlängerte  Stücke  vor- 
handen sind,  die  hei  Amphoracrinns  fehlen.  Das  sechste  bei 
Dorycrinus  zu  einem  Stachel  verlängerte  Stück,  welches  den 
höchsten  Punkt  des  Scheitels  bildend  excentrisch  über  dem 
Munde  steht,  ist  auch  bei  Amphoj'acrinus  durch  Grösse  aus- 
gezeichnet. Ein  weiterer  Unterschied  zeigt  sich  in  der  ab- 
weichenden Zahl  der  Interradialstücke  an  der  Seite  des  KeL 
ches,  an  welcher  der  Mund  liegt.  Bei  Dorycrinus  sind  hier 
über  dem  einzelnen  Interradialstücke  erster  Ordnung  drei  In- 
terradialstücke zweiter  Ordnung  und  über  diesen  5  Interra- 
dialstücke dritter  Ordnung  vorhanden.  Bei  Amphoracrinus 
dagegen  stehen  über  dem  einzelnen  Interradialstück  erster 
Ordnung  2  Interradialstücke  zweiter  Ordnung  und  über  die- 
sen 3  Interradialstücke  dritter  Ordnung.  Endlich  unterschei- 
det auch  der  Umstand  beide  Gattungen,  dass  bei  Amphora- 
crinus ein  mehr  oder  minder  vorstehender  aus  zahlreichen 
kleinen  Täfelchen  zusammengesetzter  wulstförmiger  Ring  die 
Mundöffnung  umgiebt,  während  bei  Dorycrinus  die  Oeffnung 
in  der  Ebene  der  Seitenfläche  liegt. 

Die  systematische  Stellung  \on  Dorycrinus  tritt  am  be- 
stimmtesten in  nachstehender  Uebersicht  der  mit  ihr  zusam- 
men eine  natürliche  Gruppe  oderFamilie  bildenden  Geschlech- 
ter iMe/ocnwMs,  Actinocrinus  und  Amphoracrinus  hervor: 

1.  Kelchbasis  durch  4  Basalstücke  gebildet. 

Melocrinus. 

2.  Kelchbasis  durch  3  Basalstücke  gebildet. 

a.  Mund  scheitelständig  central. 
Actinocrinus, 

b.  Mund  seitlich,  excentrisch. 

a.    Die  den  Scheitel   bildenden  Täfelchen  von 

gleicher  Beschaffenheit. 
Amphoracrinus, 


Dorycrinus,  ein  neues  Crinoidengeschlecht.  215 

ß.  5  grössere  über  den  Armen  stehende  Stücke 
und  ein  einzelnes  excentrisch  über  dem 
Munde  stehendes  Stück  zu  langen  geraden 
Stacheln  verlängert. 

Dorycrinus, 

Die  Eigenthümlichkeit,  dass  sich  einzelne  der  den  Kelch 
zusammensetzenden  Täfelchen  zu  Dornen  oder  Stacheln  ver- 
längern, theilt  übrigens  Dorycrinus  noch  mit  einigen  ande- 
ren sonst  sehr  verschiedenen  Crinoiden.  Bei  dem  nach  ei- 
nem unvollkommen  erhaltenen  Abdrucke  aus  Posidonomyen- 
Schiefern  des  Harzes  von  A.  Roemer  (Jahrb.  1850.  S.679., 
Tf.  VI.  B.)  aufgestellten  Galtung  AcantJiocrinus  sind  es  der 
unteren  Hälfte  des  Kelches  angehörende  Stücke,  welche  die 
Dornen  tragen  und  die  Zahl  der  letzteren  soll  10  betragen, 
während  Dorycrinus  deren  nur  6  hat.  Auch  bei  einem  der 
devonischen  Grauwacke  von  Coblenz  angehörenden  noch 
unbeschriebenen  Crinoid ,  dessen  Beziehungen  zu  Acantho- 
crinus  nicht  deutlich  ersichtlich  sind,  dessen  Verwandtschaft 
mit  dem  amerikanischen  Fossile  aber  jedenfalls  sehr  entfernt 
ist,  scheinen  die  Kelchtäfelchen,  deren  Mitte  sich  zu  einem 
ziemlich  langen  Stachel  erhebt ,  die  unteren  und  seitlichen 
Theile  des  Kelches  zu  bilden. 


3.     Gattungs-Charakter. 

Nach  der  vorher  gegebenen  Beschreibung  lässt  sich  nun 
folgender  Gattungscharakter  aufstellen : 

Dorycrinus»    Novum  genus  ordinis  Crinoideorum. 

Etymol.  doQv  telum  xqivov  lilium. 

C  aly  X  sphaeroideus  vel  subcuboides,  foramine  unico  ex- 
centrico  laterali  (ore)  perforatus  et  aculeis  quibusdam  longis 
a  vertice  patentibus  ornatus 

Assulaebasalae  3,  discum  planiusculum  efforman- 
tes,  inaequales;  duae  aequales  maiores,  tertia  minor. 

Assulae  radiales  primi,  secundi  et  tertii  ordinis 
quinae;  assulae  radiales  tertii  ordinis  axillares,  assulas 
distichales  primi  ordinis  geminas ,  secundi  ordinis  quaternas 
ferentes;  assulis  distichalibus  secundi  ordinis  margine  supe- 


216  Roemer: 

riore  emarginalis  et  foramina   ramos  brachiorum  hie  avulsos 
nutrienlia   excipientibus. 

Assulainterradialis  primi  ordinis  unica  oriopposita; 
assulae  interradiales  secundi  ordinis  7,  una  inter  binas  assu- 
las  radiales  secimcli  ordinis  inserta  et  duabus  accessoriis  ei, 
quae  ori  opposita  est,  adiectis;  assulae  interradiales  terlii 
ordinis  13,  duabus  inter  binas  assulas  radiales  terlii  ordinis 
insertis ,  quinque  ori  oppositis 

Vertex  calicis  assulis  numerosis  efformata;  assulae 
quinque  in  peripheria  verticis  supra  brachiorum  foramina 
disposilae  et  sexta  in  summa  vertice  excenlrice  supra  os 
disposila  in  aculeos  subulatos  longos,  bipollicares  produclae. 

Os  ovale,  inter  duos  aculeos  periphericos  dispositum  et 
assulis  compluribus  minoribus  circumdatum. 

Columna  cylindrica,  articulata,  canali  cylindrico  per- 
forata. 


Der  Kelch  sphäroidisch  oder  annähernd  cubisch,  bis  auf 
eine  einzige  in  der  oberen  Hälfte  seitlich  gelegene  OefTnung 
(Mund)  ringsum  geschlossen  und  mit  fingerslangen,  geraden, 
abstehenden  Stacheln  auf  dem  Scheitel  geziert. 

Basalstücke  3,  eine  niedrige  Scheibe  bildend,  un- 
gleich; die  Verbindungsnaht  der  beiden  gleichen  grösseren 
Stücke  in  ihrer  Verlängerung  auf  den  Mund  führend. 

Radialstücke  erster,  zweiter  und  dritter  Ordnung 
je  5;  die  Radialstücke  dritter  Ordnung  axillar,  ein  jedes  2 
Distichaistücke  erster  Ordnung  und  diese  wieder  je  zwei  Disti- 
chalslücke  zweiter  Ordnung  tragend.  Die  letzteren  am  oberen 
Rande  ausgerandet  und  mit  den  über  ihnen  folgenden  Stücken 
die  in  das  Innere  des  Kelches  führenden  Löcher  bildend, 
welche  die  hier  an  ihrem  Grunde  abgebrochenen  Zweige  der 
Arme  zurückgelassen  haben,  lieber  jeder  der  5  Reihen  von 
Radialstücken  4  solcher  Löcher  in  einer  Querreihe  stehend. 

Interradialstück  erster  Ordnung  ein  einziges,  zwi- 
schen zwei  Radialstücke  erster  Ordnung  an  der  Seite  des 
Kelches  eingeschobeu,  an  welcher  der  Mund  liegt.  I n ter- 
ra dia  Ist  ücke  zweiter  Ordnung  7,  nämlich  3  unregel- 
mässig sechsseitige  an  der  Seite,  an  welcher  der  Mund  liegt, 


Dorycrinus  ein  neues  Crinoidengeschlecht.  217 

ein  einziges  regelmässig  sechsseitiges  an  jeder  der  4  übri- 
gen Seiten  zwischen  je  zwei  benachbarte  Radialstücke  zwei- 
ter Ordnung  eingeschoben.  I  nterra  di  al  stücke  drit- 
ter Ordnung  13,  nämlich  5  auf  der  Seite,  an  welcher  der 
Mund  liegt ,  2  auf  jeder  der  4  anderen  Seiten  zwischen  2 
benachbarten  Radialstücken  dritter  Ordnung. 

Der  Scheitel,  d.  i.  die  ganze  über  den  Armen  lie- 
gende Hälfte  des  Kelchs  aus  zahlreichen  Täfelchen  zusam- 
mengesetzt. Sechs  grössere  Täfelchen  ,  von  denen  5  über 
den  Armen  am  Umfange  der  Scheitelfläche  und  das  sech- 
ste auf  dem  höchsten  Punkte  der  Scheitelfläche  excentrisch 
über  dem  Munde  stehen ,  sind  zu  pfriemenförmigen ,  2  Zoll 
langen  gerade  abstehenden  Stacheln  verlängert. 

Die  ovale  Mun  döffnung  seillich  unter  dem  einzelnen 
Scheitelstachel,  zwischen  zwei ,  weiter  als  die  übrigen ,  von 
einander  abstehenden  peripherischen  Stacheln  gelegen. 

Die  Säule  walzenrund,  aus  niedrigen,  auf  den  Gelenk- 
flächen fein  radial  gestreiften  und  in  der  Mitte  von  einem 
runden  Nahrungskanale  durchbohrten  Gliedern  zusammen- 
gesetzt. 


Die  einzige  bekannte  Art  der  Gattung  ist: 

Dorycrinus  Mississippiensis    F.  Roem. 

Aus  Lagen  des  Kohlenkalks ,  welche  auch  sonst  reich 
sind  an  Crinoiden  und  namentlich  Arten  von  ActinoQrinus  ^ 
Amphoracrimis  ,  Flatycrinus  u.  s.  w.  enthalten,  bei  Warsaw 
am  Mississippi  im  nördlichen  Theile  des  Staates  Illinois. 


Erklärung   der   Abbildungen   aufTaf.  X. 


Fig.  1.  Ansicht  des  Kelches  in  natürlicher  Grösse.  Die  Seite,  an 
welcher  die  ÄlundöfTnung  Hegt,  ist  dem  Beschauer  zuge- 
wendet. 

«.     bezeichnet  die  Mundöffnung. 


218        Roemer:  Dorycrinus  ein  neues  Crinoidengeschlecht. 

ß.     die    OefFnungen,   welche   durch    Abbrechen    der  Arme 
erzeugt  werden  und  von  denen  vier  in  einer  horizon- 
talen Reihe  über  jeder  der  fünf  vertikalen  Reihen  von 
Radialstücken  stehen. 
y.     das  einzelne  Interradialstück  erster  Ordnung. 
Fig.  2.     Ansicht   des  Kelches    von  oben.     Die  fünf  am  Umfange  des 
Scheitels   stehenden   Stacheln   und  der   sechste   auf  der  Höhe 
des  Scheitels  stehende  Stachel  sind  abgebrochen. 
«.     bezeichnet  die  MundöfFnung. 

d".     die    Stelle  ,   an  welcher    der  einzelne  sechste  Stachel 
abgebrochen  ist. 
Fig.  3.  Ansicht  des  Kelches  von  unten.  Die  Stacheln  sind  abgebrochen. 
a.     deutet  auf  die  Lage  der  MundöfFnung. 


Ein  neuer  Bandwurm  aus  Pollyptenus 
Mehis. 

Beobachtet  von 

Dr*   li  e  y  d  i  gr 

in  Würzburg. 

Hierzu  Taf.  XI.    Fig.  1—5. 


Bei  der  Zergliederung  eines  grossen,  wohl  erhaltenen 
Exemplars  von  Polyptenus  bichis  stiess  ich  im  Klappendarm 
auf  einen  Eingeweidewurm  von  gleichfalls  gut  conservirtem 
Aussehen  und  da  er  noch  dazu  ziemlich  zahlreich  vorhanden 
sich  zeigte  —  es  mochten  gegen  zwanzig  Individuen  sein  — 
so  Hess  er  eine  nähere  Untersuchung  zu.  Ich  kann  in  den 
mir  zugänglichen  Büchern,  auch  inDiesings  Systema  hel- 
minthum  nichts  über  diesen  Cestoden  finden,  wesshalb  ich 
ihn  für  neu  halte  und  mir  erlaube,  eine  kurze  Beschreibung 
und  Abbildung  davon  den  Helminthologen  vorzulegen. 

Aeussere   Gestalt. 

Die  Länge  der  gesammelten  Thiere  wahr  sehr  verschie- 
den, die  kleinsten  massen  nur  8'",  während  die  grössten  ly^" 
in  der  Länge  hatten. 

Der  Habitus  ist  der  eines  Cestoden  und  zwar  unter- 
scheidet man  deutlich  den  Kopf,  einen  davon  abgesetzten 
Hals  und  den  geringelten  Körper.  Was  die  nähere  Beschaf- 
fenheit dieser  einzelnen  Abschnitte  angeht,  so  ist  der  Kopf 


220  Leydig: 

vierlappig  (Fig.  1)  und  jeder  Lappen  (a)  mit  sechs  einfachen 
Haken  versehen.  Am  Halse  springen  vier  Längsleisten  vor, 
wovon  jede  am  Kopfende  sich  zu  den  erwähnten  Lappen 
verbreitert.  Dadurch  bilden  sich  am  Halse  zwei  Längsgru- 
ben (&&).  Die  unmittelbar  auf  den  Hals  folgenden  Glieder 
sind  sehr  schmal  (c)  und  stehen  ziemlich  weit  aus  einander, 
weiter  nach  hinten  werden  sie  allmählich  breiter  und  rücken 
sich  immer  näher  (Fig.  3),  gegen  das  Ende  zu  verschmä- 
lern, sie  sich  wieder,  werden  aber  länger  und  damit  im  All- 
gemeinen mehr  oval,  ja  sie  können  selbst  ansehnlich  in  die 
Länge  gezogen  sein,  wie  ich  einen  solchen  Fall  in  Fig.  4 
abgezeichnet  habe.  Doch  ist  es  gerade  das  letzte  Körper- 
glied, welches  unter  so  variabler  Gestalt  gesehen  wird  und 
fast  durchweg  den  Eindruck  macht,  als  ob  es  ein  mehr  ab- 
gestorbener Theil  des  Leibes  wäre.  Entweder  nämlich  endet 
der  Wurm  mit  ein  paar  ovalen  Gliedern  von  hellerer  Farbe, 
als  die  vorhergehenden,  oder  die  letzten  Ringe  sind  von  etwas 
gerissener  und  aufgelöster  Beschaffenheit. 

Die  Farbe  des  Thieres  ist  ein  schmutzig-es  Weiss. 

Feinerer  Bau. 

Die  äusserste  Begrenzung  des  Körpers  wird  von  einer 
homogenen  Cuticula  gebildet  und  von  derselben  Substanz 
scheinen  auch  die  Haken  der  Koptlappen  zu  sein.  Dieselben 
sind  nach  der  Grösse  des  Thiers  0,024—0,05'"  und  darüber 
lang  und  haben  die  Form  leicht  gebogener  Spitzen  ohne  be- 
sonderen Fortsalz.  Die  Cuticula  geht,  wie  starke  Vergrösse- 
rungen  ausweisen,  unmittelbar  in  sie  über,  und  nach  länge- 
rem Aufenthalt  in  Natronlösung  waren  sie  «twas  heller  und 
aufgequollen,  was  Alles  dafür  sprechen  dürfte,  dass  sie  Pro- 
duktionen der  homogenen  Oberhaut  sind.  Auch  v.  Siebold 
(vergleichende  Anatomie)  nennt  die  Haken  und  Gerüste  der 
Cestoden  und  Trematoden  „hornig.« 

Ueber  das  Parenchym*  des  ganzen  Körpers  weg  sind 
die  bei  Cyslicen,  Cestoden  und  wie  ich  gefunden  (Zeitschr. 
für  wiss.  Zoolog.)  ,  auch  bei  einigen  Trematoden  vorhande- 
nen Kalkkörper,  zerstreut.  Sie  halten  im  Leibe  gewisse 
Längs-  und  Circulärzü^e  ein,  sind  von  Molekulargrösse  .bis 


Ein  neuer  Bandwurm  aus  Polyptenus  bichis.  221 

0,006'"  Umfang  und  dann  von  geschichtetem  Baue.  Im  All- 
gemeinen nehmen  sie  gegen  Ende  des  Körpers  an  Grösse  zu. 

Die  Muskeln  Hessen  sich,  besonders  nach  Aufstellung 
des  ganzen  Thieres,  durch  Natron  causticum  am  unverletzten 
Thier  leicht  als  Längs-  und  Querschichten  unterscheiden. 
Zerzupfte  man  einzelne  Körperglieder,  so  konnte  gesehen 
werden,  dass  die  Elemente  Fasern  sind  ,  Avelche  sich  entwe- 
der als  vollkommen  homogene,  platte  Cylinder  darstellen 
(Fig.  5.  et),  oder  wenn  sie  eine  Breite  von  0,003'"  erreicht 
haben  ,  eine  Scheidung  in  helle  Rinde  und  leicht  getrübtes 
Mark  zeigen  (6).  Um  diese  Differenzirung  zu  sehen,  muss 
die  Vergrösserung  hinlänglich  stark  sein,  ich  habe  Lins.  5. 
6.  7.  Plösl  hiezu  angewendet.  Unmöglich  war  es,  eine  Faser 
so  zu  isoliren,  dass  man  die  beiden  Ecken  übersehen  hätte, 
immer  gelang  es  nur,  das  eine  vorstehende  Ende,  welches 
dann  leicht  zugespitzt  auslief,  vor  die  Augen  zu  bringen. 

Von  hellen  Längs-  und  Querkanälen,  die  bei  frischen 
Cestoden  so  unschwer  zu  erkennen  sind  (das  Circulations- 
system  v.  Siebold)  war  nichts  mehr  wahrzunehmen,  was 
wohl  nicht  auffallen  darf. 

Vergeblich  habe  ich  auch  nach  Fortpflanzungsorganen 
gesucht ,  weder  auf  der  Bauchfläche ,  noch  am  Seitenrande 
des  Körpers  waren  Geschlechtsöffnungen  sichtbar  und  auch 
im  Innern  der  Glieder  konnten  keine  Spuren  von  Generations- 
werkzeugen zur  Anschauung  gebracht  werden.  Da  dieses 
negative  Resultat  auch  bei  den  längsten  Individuen  sich  wie- 
derholte, die  letzten  Glieder  aber  wie  erwähnt  ein  mehr  de- 
fecles  Aussehen  hatten,  so  möchte  man  annehmen,  dass  viel- 
leicht die  mit  Geschlechtstheilen  versehenen  Glieder  sich  ab- 
gestossen  hatten. 

Fragt  man  nach  der  Stellung  unseres  Wurmes  im  Sy- 
steme, so  gehört  er  wohl  in  die  Section  der  bewaffneten  Bo- 
thriocephalen,  und  ich  schlage  für  ihn  etwa  den  Namen  Te- 
trabothrium  Polypleri  vor. 


222        Leydig:  Ein  neuer  Bandwurm   aus  Polyptenus  bichis. 
E  r  k  1  ä  r  u  n  g  d  e  r  A  b  b  i  1  (1  u  n  g  e  n. 


Fig.  1.     Kopf  des  Wurmes  bei  geringer  Vergrösserung  (Linse  1  Piösl.) 

a.     Lappen  des  Kopfes  mit  den  Haken. 

bb.     Die   Gruben. 

c.     Die  ersten  Glieder  des  Leibes. 
Fig.  2.     Rand  eines  Kopflappens  stark  vergrössevl: 

a.  Zwei  Haken. 

b.  Die  Cuticula. 

Fig.  3.  Mehrere  Körperglieder  aus  der  Alitle  des  Leibes,  unter  der- 
selben Vergrösserung,  wie  Fig.  1. 

Fig.  4.     Hinteres  Körperende,  Vergrösserung   wie  Fig.   1   und  3. 

Fig.  5.  Die  Enden  von  zwei  Muskelfasern,  sehr  starke  Vergrösse- 
rung. 

a.  Eine  Faser  von  ganz   homogener  Natur. 

b.  Eine  Faser,  welche  die  Seheldung  in  Rücken  -  und  Mark- 
subslanz  zeigt. 


lieber  einen  neuen,  mit  Wimperseg^eln  Ter- 
seiienen   G^asteropoden. 

Von 
Dr«  A»  Hroliii« 

(Hierzu  Taf.  XI.  Fig.  I— IL) 


Bei  einer  Excursion,  die  ich  am  17.  März  dieses  Jah- 
res in  der  Meerenge  von  Messina  unternahm,  fing  ich  mit  dem 
leinen  Netz  ein  kleines  Weichthier,  das  durch  die  eigenthüm- 
liche  Bildung  seiner  Schale  und  den  Besilz  von  ansehnlichen 
flimmernden  Lappen  zu  beiden  Seiten  des  Kopfes  meine 
Aufmerksamkeit  auf  sich  zog.  Leider  war  es  mir  nicht  ver- 
gönnt ^  den  Bewohner  genau  untersuchen  zu  können,  da  er 
äusserst  schüchtern ,  sich  bei  der  geringsten  Veranlassung 
in  sein  Gehäuse  zurückzog  und  auch  nur  wenige  Stunden  am 
Leben  blieb.  Indess  stehe  ich  nicht  an  das,  was  ich  zu  er- 
mitteln vermochte,  hier  mitzuthcilen.  Es  folgt  zunächst  die 
Beschreibung  der  Schale. 

Die  nicht  kalkhaltige ,  glashelle ,  knorpelharte  Schale 
stellt  ein  in  eine  einzige  Windung  zusammengerolltes  Gehäuse 
dar,  das  von  der  Mündung  bis  gegen  das  Ende  hin,  allmäh- 
lich etwas  enger  wird.  Dieses  Ende  ist  nicht  frei,  sondern 
dicht  über  der  Mündung  mit  dem  vordem  Theile  der  Schale 
verwachsen  (s.  Fig.  II).  Am  Mündungsrande  unterscheidet 
man  drei  nach  aussen  gerichtete  Zacken ,  zwei  vordere  län- 
gere und  stärkere  und  einen  hintern  kürzern  (s.  Fig.  L  6,  6, 
b).  Dicht  vor  der  Mündung  geht  ein  ziemlieh  langer  und 
breiter  Fortsatz  ab,  der  gleich  einem  vorspringenden  Dache, 
sich  über  die  Mündung  hinüberwölbt  und  zuletzt  verflacht, 
in  zwei  abgerundete  Spitzen  ausläuft  (s.  Fig.  I  und  II  c).  Die 
Oberfläche  der  Schale  ist  mit  vier  Reihen  ansehnlicher  Sta- 
cheln besetzt.    Zwei  mittlere  Reihen  ziehen  sich  dicht  neben 


224  Krohn: 

einander,  längs  der  grössern  Curvalur  der  Schale  auf  den  er- 
wähnten Fortsalz  hinüber,  wo  sie  zuletzt,  mit  progressiv  ab- 
nehmender Grösse  der  Stacheln  ,  auf  die  Ränder  seiner  bei- 
den Spitzen  übergehen  (s.  Fig.  I  und  II.  rf).  Zwei  seitliche 
einander  gegenübergestellte  Reihen  verlaufen  mit  den  mitt- 
leren parallel ,  dicht  am  Müiidungsrande  beginnend  und  zu 
ihm  wieder  zurückkehrend  (s.  Fig.  I  und  II.  e.  e).  Die  eines 
Deckels  ermangelnde  Schale  misst  ungefähr  anderthalb  Linien. 

Der  Bewohner  dieses  zierlichen  Gehäuses  kriecht  mit- 
telst eines  in  einer  Sohle  ausgebreiteten  Fusses  einher.  Die 
Sohle  ist  nur  massig  entwickelt,  ihr  vorderes  Ende  etwas 
breiter  als  das  hintere.  Der  Kopf  trägt  zwei  stabförmige, 
nicht  sehr  lange  Fühler,  und  neben  jedem  der  letztern  noch 
ein  Auge.  Ausserdem  ist  er  jederseits  mit  drei  über  ein- 
ander gestellten ,  nach  aussen  gerichteten  und  gleich  den 
ausgespreizten  Fingern  von  einander  abstehenden  [Lappen 
versehen.  Diese  Lappen  haben  das  Ansehen  langer,  flacher, 
an  den  Enden  zugerundeter  Wimpel ,  und  sind  längs  ihren 
Rändern  mit  mächtigen  schwingenden  Cilien  besetzt.  Sie 
krümmen  und  winden  sich  auf  die  mannichfaltigste  Art,  wo- 
bei die  Ränder  krausenarlig  sich  zusammenfalten.  Kriecht 
aber  das  Thier  ohne  Störung  umher,  so  sind  sie  immer  ent- 
faltet und  vorgestreckt.  Von  Innern  Organen  Hess  sich  zu- 
nächst im  Vordertheil  des  Leibes  eine,  wahrscheinlich  in 
einer  besondern  Höhle  (Kiemenhöhle)  gelegene  Kieme  un- 
terscheiden. Diese  Kieme  schien  nur  aus  einer  einfachen 
Reihe  breiter,  abgerundeter  Blätter  zu  bestehen.  Dicht  hin- 
ter der  Kieme  liegt  das  Herz.  Ein  aus  einem  hellen  zelli- 
gen Gefüge  bestehendes  Gebilde,  das  den  tiefsten  Theil  der 
Schale,  obwohl  nicht  ganz  ausfüllt,  dürfte  die  Leber  sein. 
Sie  schien  den  Magen  zu  beherbergen,  und  aus  ihr  tritt  auch 
der  Darm  hervor,  der  sich  eine  Strecke  weit  nach  vorn 
verfolgen  Hess. 

Dass  das  Thier  zu  den  Gasteropoden  gehört,  das  ergiebt 
sich  schon  aus  der  Gestalt  und  Function  seines  Fusses.  Es 
handelt  sich  also  nur  um  die  Bedeutung  der  oben  erwähn- 
ten Kopflappen ,  durch  deren  Besitz  es  von  allen  bekannten 
Gasteropoden  auf  eine  so  eigenthümliche  Weise  abweichL 
Bekanntlich  sind   die  Larven  der   Mollusken  (Gasteropoden, 


lieber  einen  neuen,  mit  Wimpersegeln  versehenen  Gasteropoden.     225 

Pteropoden,  Heleropoden)  mit  zwei  rädernden^  zum  Schwim- 
men dienenden  Kopfanhängen,  den  sogenannten  Kopfse- 
geln versehen.  Diese  Segel  sind  bald  ungetheilt,  bald  durch 
einen  tiefen  Einschnitt  in  zwei  Lappen  zerfallen  (bei  den 
Larven  einzelner  Pteropoden  und  Gasteropoden).  Mit  diesen 
Organen  scheinen  mir  die  Kopflappen  unseres  Gasteropoden 
die  grösste  Uebereinstimmung  zu  haben.  Es  ergiebt  sich 
dies  aus  ihrer  seitlichen  Stellung  am  Kopfe,  aus  der  Beklei- 
dung ihrer  Ränder  mit  einer  aus  mächtigen  Cilien  bestehen- 
den Wimperschnur  und  dem  übrigen  Verhalten.  Giebt  man 
ferner  der  nicht  unwahrscheinlichen  Vermuthung  Raum,  dass 
die  Wimperschnüre  der  drei  jederseits  zu  einer  Gruppe  ver- 
einigten Wimpel  ohne  Unterbrechung  in  einander  überge- 
hen, so  wird  die  eben  angedeutete  Analogie  um  so  eviden- 
ter. Nach  diesen  Vorausetzungen  betrachte  ich  demnach  die 
Kopflappen  unseres  Gasteropoden,  als  die  aus  der  Larvenpe- 
riode stammenden  und  mit  dem  fortgeschrittenen  Wachslhume 
weiter  entwickelten  Wimpersegel.  Wie  früher  die  Larve,  so 
mögen  sie  auch  das  erwachsene  Thier  zum  Schwimmen  be- 
fähigen. Dass  Letzteres  den  Boden  zu  Zeilen  verlässt,  um 
frei  umherzuschwärmen,  dafür  scheint  schon  das  Vorkommen 
desselben  im  hohen  Meere  zu  sprechen.  Es  mag  dieser  neue 
Gasteropode  nach  der  Schale,  als  dem  genauer  bekannten 
Theil,  den  Namen  Echinospira  diaphana  führen. 


Erklärung   der   Abbildungen. 


Fig.  1.  Schale  der  Echinospira  diaphana,  mit  der  Mündung  nach  oben, 
lOmal  vergrössert. 
a.  Mündung  der  Schale.  —  5,  b,  b.  Die  Zacken  des  Mündungs- 
randes.  —  c.  lieber  die  Mündung  gekrümmter  Fortsatz  der 
Schale.  —  d.  Die  beiden  mitlleren  Slachelreihen.  —  e,  e.  Die 
beiden  seillichen  Stachelreihen. 

Fig.  II.     Dieselbe  im  Profil  ,    mit  der   linken  Seite  nach  oben  gewen- 
det.    lOmal  vergrössert. 
Bezeichnung  wie  in  Fig.  I. 


Archiv  t  Naturgescb.  XlX.jAbrg.  l.Dd.  15 


Uebersicilt  der  liophobraiichier. 

Voa 
Dr«  F<.  Kanp 

in  Darmstadt. 


Von  den  Lophobranchii  habe  ich  eine  ziemliche  Zahl 
beschrieben  und  bis  auf  zwei  alle  unter  Händen  gehabt.  Es 
sind  nur  äusserst  wenige,  welche  ich  aus  Mangel  der  Autopsie 
und  weil  sie  nicht  exakt  beschrieben  sind,  nicht  aufgenom- 
men habe. 

Die  grosse  Liberalität  des  Jardin  des  Plantes ,  Leyden, 
Wien,  Berlin,  Frankfurt  und  Stuttgart  verfehle  ich  nicht  dan- 
kend zu  erwähnen  ,  die  mir  das  ganze  Material  für  diese 
Ordnung  gesandt  haben.  Kürzlich  sind  zwei  Lophobranchii 
durch  Herrn  Peters  von  der  Westküste  Afrikas  beschrieben, 
allein  so  genau  sie  auch  beschrieben  sind  ,  so  wagte  ich  es 
doch  nicht,  sie  ihren  entsprechenden  Genera  unterzuordnen. 
Die  eine  Art  mit  einer  abweichenden  Zahl  von  Rückenflosse- 
strahlen ist  wahrscheinlich  der  Typus  einer  neuen  Gruppe. 
Ihrem  Wunsche  alle  Genera  zu  charakterisiren,  kann  ich  nicht 
vollkommen  entsprechen.  Wo  ich  es  mit  wenigen  Worten 
ohne  Abbildungen  thun  kann,  will  ich  es  versuchen. 

Unterordnung  Bttschelkiemer,  luopliobrancliii,  Cuv. 
(Öle  Ordnung  bei  Guvier.) 

Bei  der  Mehrzahl  tragen  die  Männchen  die  Eier  bis  zur 
völligen  Entwickelung  theils  zwischen  den  Bauchflossen  (So- 


Kaup:  Uebersicht  der  Lophobranchier.  227 

lenostomidae)  oder  in  Taschen  an  der  Brust  und  Bauch  oder 
am  Schwanz,  oder  in  Reihen  auf  Brust  und  Bauch  (Nero- 
phinae).  Es  erinnert  diess  an  die  Marsupialia,  welchen  ich 
denselben  Rang  in  ihrer  Classe  gebe.  In  beiden  Unterord- 
nungen sehen  wir  gestreckte  knochige  Formen,  dünne  ver- 
längerte Schnauze  und  einen  Wickelschwanz  auftreten.  Die 
flatternden  Formen  der  Beutellhiere  können  mit  den  Pegasi- 
dae  verglichen  werden  ,  welche  ältere  Autoren  als  Ueber- 
gänge  zu  den  Insecten  angesehen  haben. 

Diese  Unterordnung  zerfällt  in  drei  scharf  geschiedene 
Familien : 

I.  Fam.    §olenos<oinidae  Kp. 

Die  Kiemenbüschel  sind  wie  bei  den  meisten  Fischen 
mit  einem  Kiemendeckel  bedeckt.  Kopf,  Brust  und  Schwanz 
deutlich  geschieden.  Erste  Rückenflosse  sehr  entwickelt, 
zweite  rudimentäre  Bauchflosse  sehr  entwickelt,  bei  den  Männ- 
chen der  innere  Rand  derselben  mit  der  Bauchhaut  verwach- 
sen, so  dass  sie  eine  vorn  off'ene  Tasche  bilden  ,  worin  die 
Eier  liegen. 

1.  Genus.     Soleno stomus  Lac.  (1803). 

1.  Spec.  S.  paradoxus  Lac.  Fist.  paradoxa  Fall.  5  Ex. 
im  Par.  Mus. 


II.  Farn.    Peg^asidae  Kp. 

Körper  von  oben  nach  unten  platt  gedrückt,  Mund  gleich 
Stör  an  der  Basis  der  verlängerten  Schnauze.  Die  Kiemen- 
deckel am  unteren  Theil  des  Kopfes  in  einer  Linie  liegend 
mit  einem  kleinen  Kiemenloch  nächst  dem  Brustringe.  Brust- 
flosse Stachelich  und  entwickelt.  Bauchflosse  in  einem  Ra- 
dius bestehend,  der  in  Knorpelringe  zerfällt. 

L  Genus.  Pegasus  Linn. 
Die  Linne'schen  Beschreibungen  der  drei  Arten  lassen 
Manches  zu  wünschen  übrig,  allein  es  ist  mehr  als  gewiss, 
dass  er  die  drei  bis  jetzt  bekannten  Arten  unterschieden  hat. 
Woher  Bloch  seine  Abbildungen  des  natans  erhalten  hat,  ist 
schwer  zu  sagen.     Bis  das  Gegentheil   bewiesen  ist,    werde 


228  Kaup: 

ich  die  3  Arten  unter  den  Linne'schen  Namen  beschreiben. 
P.  Draco  und  volans,  häufig  in  den  neuesten  Museen  und 
sind  in  China  sehr  gemein.  Den  natans  habe  ich  bis  jetzt 
nur  einmal  gesehen  und  zwar  in  der  Pariser  Sammlung. 

1)  P.  üraco ,   Linn.    Bloch.    109.    Fig.  1.   (Eine   nicht 
exakte  Abb.). 

2)  P.  volans  Linn,  =  P.  laternarius,  Cuv. 

3)  P.  natans  Linn.  natans  et  volans  ,  Rieh.  Voy.  of 
Sulph.  t.  50.  5—10.  P.  pristis,  Blkr.  Gron.  zooph.  356.  t.  12. 
Fig.  2.  3. 

Die  Bloch'sche  Abbildung  ist  sehr  ungenau. 


III.  Farn.    Syng^natliidae  Kp. 

Die  Kiemenöffnung  klein,  hoch  am  Ende  der  seillich  ge- 
legenen Kiemendeckel.  Brustflosse  fehlend,  oder  wenig  ent- 
wickelt. —  Keine  Bauchflossen.  Rudimentäre  Analflosse,  oder 
fehlend. 

1.  Subf      Hippocampinae  Kp. 

Der  Schwanz  ist  meist  Wickelschwanz  ohne  Flosse.  Hin- 
terkopf erhöht  meist  mit  Stacheln. 

Meist  Stacheln  über  den  Augen  und  am  Brustring. 

l.  Genus.  Uippocampus  Cuv.  Ueber  den  Augen 
Kiemendeckel  und  am  Brustring  Stacheln  oder  vorspringende 
Knöpfe.  Körper  siebenseitig  mit  10 — 13  Ringen;  Seilenlinie 
unterbrochen.  Occipitalbein  mit  einer  mehr  oder  weniger 
entwickelten  Krone.  Sie  gleichen  den  Pferdchen  (Springer) 
im  Schachspiel  und  sind  sehr  pittoreske  Figuren.  Schwanz- 
tasche der  M.  nur  am  Anfang  geöffnet. 

1)  H.  brevirostris  Cuv.  Yarrell.  Willughby  J.  25.  3. 
(Nicht  sehr  genau). 

2)  H.  japonicusKp.,  brevirostris  T.  et  Schi.  Fauna  jap. 
Leyden. 

3)  H.  fasciatus  Kp.,  brevirostris  T.  et  Schi.  Fauna  jap. 
Leyden. 

4)  H.  Lichtensteinii  Kp.  Berliner.  Mus.  3.  Ex.  (Woher?). 

5)  H.  guttulatus  Cuv.,  antiquorum  Leach.  Bl.    109.  3. 


üebersicht  der  Lophobranchier.  229 

Hat  eine  grosse  Verbreitung,  findet  sich   in  Südamerika,  in 
der  Nähe  der  Insel  Bourbon  etc. 

6)  H.  ramulosus  Leach.  Zool.  Mise.  I.  105.  t.47.  Lowe- 
Madeira  p.  5.  t.  II.  $.  Fast  der  ganze  Körper  mit  fleischigen 
astähnlichen  Haulläppchen  bedeckt.  Der  H.  fuscus,  Rüpp.  seu 
obscurus  H.  et  Ehrenb.  des  Berliner  Museums  sind  Ex.  ohne 
diese  entwickelten  Hautauswüchse. 

7)  //.  taeniopterus  Blkr.     Steht  nahe  zu  ramulosus. 

8)  //.  comes  Canl,  longirostris,  Leydn.  Mus.  Kuda,  Blkr. 
Eine  der  grössten  Arten.  Ohne  vollkommene  Seiten  wird 
man  aus  den  jungen  und  alten  Individuen  Arten  machen.  Ich 
werde  eine  Reihe  von  Köpfen  dieser  Art  geben ,  um  diesem 
Fehler  vorzubeugen. 

9)  H.  longirostris  Cuv.  Südamerica  und  seine  Inseln. 
Die  von  Cuvier  citirteAbb.  ist  so  gering  und  ungenau,  dass 
man  auch  den  comes  in  ihr  erkennen  kann. 

10)  H.  algiricus  Kp.  dem  longirostris  verwandt.  Paris. 

11)  H.  punctulatus  Kp.  Westafrica.     Leyden. 

12)  H.  /narjwM/MS.CantorMal.Fish.  p.  1370.Tab.  XI.  1.  ($) 
Sehr  gemein  in  China  und  in  vielen  Sammlungen.  Kenntlich 
an  dem  hakenförmigen  Dorn,  am  untersten  Rand  des  Brust- 
ringes. 

13)  H.  tnoluccensis  Blkr.  Nat.  Tydschr.  vor  Nederl.  Ind. 
Jahrg.  III.  sect.  3.  p.  77.  Paris  ,  Leyden.  Paris  besitzt  ein 
Männchen  mit  nur  10  Körperringen  (11  ist  die  normale  Zahl), 
längerer  Schnauze  und  weniger  vorspringerder  Brust  und  Bauch. 
Bei  gultulalus  fand  ich  ähnliche  Abweichungen,  ohne  dass 
sie  Arten  bilden.  Dieses  Individuum  kam  mit  andern  von 
der  Insel  Bourbon. 

14)  H.  marginalis  Heck.     Mexico,  Wien. 

15)  H.  fascicularis  Heck.     Mexico,  Wien. 

16)  H.  laevicaudatus  Heck.  Die  Rückenflosse  auf  5 
Ringe.     Nordamerika,  Wien. 

Mehr  isolirt  ist: 

17)  H.  coronatus  T.  et  Schi.  F.  jap.  PI.  120.  Fig.  8.  CJ>}. 
Ausgezeichnet  durch  die  hohe  Krone  auf  dünnerem  Stiel.  5 
Exemplare.     Leyden. 

Ebenso  isolirt  ist: 

18)  H,  kistrix  Kaup.     Mit   sehr   entwickelten  Stacheln 


230  Raup: 

und    einer   dünnen  Schnauze,   die   länger    ist  als  der  Kopf. 
Paris,  Leyden,  Japan.     Ich  werde  sie  abbilden. 

Abweichend  durch  sehr  lange  Rückenflosse  ist: 

19)  H.  abdominalis  Less.  Ferr.  Bull,  de  Sc.  XL  127. 
Wird  ziemlich  gross  und  hat  sehr  vorspringenden  Bauch. 
24 — 26  Strahlen  in  der  Rückenflosse  auf  5 — 6  Ringen  sitzend. 
Körper  normal  mit  12,  abnormal  13  Ringen. 

b.     Subgenus  Äcentronur a  Kp. 

Die  Rückenkante  läuft  in  derselben  Linie  mit  der  obe- 
ren Schwanzkante.    Keine  Vorsprünge  noch  Stacheln. 

20)  H.  gracilissimus  T.  et  S.  F.  jap.  p.  274.  T.  120.  7. 

2.  Gen.  Gaster ot okeus  Heck.,  Sygnathoi- 
des  Blkr. 

Die  Seitenlinie  bildet  die  Ränder  des  breiten  Bauches. 
Keine  Nackenschuppe.  Wickelschwanz.  Die  Männchen  tra- 
gen die  Eier,  wie  die  Nerophinae ,  auf  Brust  und  Bauch  in 
Reihen.  Nach  dem  ganzen  Totalhabitus  gehören  sie  hierher 
und  nicht  zu  den  Nerophinae,  welche  sie  wahrscheinlich  re- 
präsentiren. 

G.  biaculeatus  Heck.  Bl.  t.  121.  1.  Syngnathoides  Bio- 
chii  Blkr.     Gemein  in  Indien  und  China. 

3.  Gen.     Solenognathus  Swains. 

Der  Körper  höher  als  breit  mit  22 — 26  Ringen.  W^ickef- 
schwanz.     Die  längste  und  grösste  der  ganzen  Familie. 

S.  Hardwickii  Sw.  Syngn.  Ind.  Zool.  pl.  89.  3.  gute 
Abbild.     Gemein  in  Indien  und  China. 

4.  Gen.  Phyllopteryx,  Swains.  Mit  knochigen 
Auswüchsen  am  Körper  und  Schwanz,  die  mit 
blätterarligen  Anhängen   verziert  sind. 

P.  foliatus  Sw. ,  Syngn.  foliatus ,  Shaw,  taeniopterus 
Lac.  Lacepede ,  Abbild,  in  den  Ann.  d.  Mus.  IV.  T.  58.  3. 
zeigt  eine  kürzere  Schnauze  u.  s.  w.  Ich  halte  sie  für  eine 
misslungene  Abbildung  und  nichts  spricht  dafür,  dass  sie  eine 
neue  Art  darstellt.  Alle  im  Pariser  Museum  gehören  einer 
und  derselben  Art  an. 

So  viele  Individuen   ich  auch  von  letzteren  beiden  Ge- 


Uebersicht  der  Lophobranchier.  231 

nera,  meist  jedoch  in  trocknen  Exemplaren ,  gesehen  habe, 
so  fand  sich  an  keinem  weder  Bauch-  noch  Schwanztasche, 
noch  Narben  an  Brust  und  Bauch  für  die  Eier.  Ich  weiss 
daher  nicht,  auf  welche  Weise  diese  Genera  ihre  Eier  aus- 
brüten. Diess  zu  ermitteln  wäre  eine  interessante  Aufgabe 
für  indische  und  neuholländische  Zoologen. 

2.  Subf.      Syngnathinae  Kp. 

Keinen  Wickelschwanz  ,  Schwanztasche  von  Anfang  bis 
zum  Ende  der  Länge  nach  gespalten. 

1.  Gen.     Halicampus  Kp. 

1)  H.  Grayi  Kp.     Neuholland.  London,  Paris. 

2.  Gen.     Trachyrhamphus  Kp. 

2)  Tr.  serratus  Kp.^  S.  serraius  T.  et  Schi.  Fauna  jap. 
t.  120.  flg.  4.     Rüssel  t.  '60.    Leyden,  London,  Paris. 

3)  Tr.  longirostris  Kp.     China,  London. 

4)  Tr.  intermedius  Kp.?     China  oder  Japan.  Paris. 

3.  Gen.      Corythoichthys  Kp. 

5)  C.  albirostris  Heck.    Mexico,  Bahia.  Wien,  Stuttgart. 

6)  C.  f asciatus  Kip.,  S.  fasciatus  Gray.  Ind.  Zool.  89.  2. 
haetnatopterus  Blkr. ,  picUis  et  gularis  H.  et  Ehr.  Berl.  Mus. 

7)  C.  mttatus  Kp.,  S.  vittatiis  Bibr.     Paris,  Brasilien. 
8}  C.  fasciculatus  Kp.    Paris.      Kam   unter   dem  irrigen 

Namen  Micrognathus  Kühl  u.  v.  Hasselt  in  die  Pariser  Samm- 
lung.    Java. 

9)  C.  brevirostris  Kp. ,  S.  brevirostris  Rüpp.  Neue 
Wirbelth.     Frankfurt,  Berlin,  London^  Stuttgart.  Rothes  Meer. 

4.  Gen.     Ichthyocampus  Kp. 

10)  Belcheri  Kp.  Ciiina,  Borneo,  London^  Leyden. 

11)  Carce  Kp.,  S.  carce  Ham.  Gang.  Fish.  p.  13.  Gray's 
Ind.  Zool.  ^  S.  platygnathus  Kp.  et  v.  Hass.  Indien,  Java, 
Leyden. 

12)  Fondicerianus  Kp.,  Typhlus  ponticerianus  Bibr.  Pa- 
ris, Berlin. 

5.  Genus  Syngnathus  Linn. 

13)  S,  argyrosticUis  K.  et  v.  Hass.    Java,  Leyden. 


232  Raup: 

14)  S.  biseralis  Gray.     Indien,  London. 

15)  S.  spicifer  Rüpp.  Rothes  Meer.  Frankfurt,  Paris, 
Leyden. 

16)  S.  Kuhlii  Kp. ,  S.  t)ariegatus  Kühl  et  v.  Hasselt. 
Java,  Leyden. 

17)  S.  flavescens  Kp.     Tripolis,  Leyd.  Mus. 

18)  S.  pelagicus  Linn.  BL  109.  3.  Gemein,  in  allen  Mu- 
seen, verbreitet  über  die  ganze  Erde. 

19)  S.   Temminckii  Kp.     Cap.  Leyd.  Mus. 

20)  S.  brevirostris  H.  et  Ehrenb.   Triest,  Berliner  Mus. 

21)  S.  Agassizi  Mich&h,  Isis  1829.  p.  1013.,  bucculentus 
Ralhke,  v.  Nordmann  in  Demidoffs  Voy.  pl.  32.  3. 

22)  S.  Cuvieri  Kp.  Viele  Exempl.  von  Katwjik  in  der 
Leydener,  1  männliches  Indiv.  in  der  Pariser  Sammlung. 

23)  S.  Abaster  Risso  H.  N.  p.  182.  von  Rochelle.  Pari- 
ser Museum. 

24)  S.  Muraena  Kp.,  Typhlus  obsoletus  Bibr.  London, 
Paris,  nördl.  Afrika. 

25)  8.  Rousseaui  Kp.    Martinique,  Paris.  Mus. 

26)  S.  Phlegon  Risso.  p.  181.     Adriat.  Meer,  Cap. 

27)  S.  Acns  Linn.  Bl.  91.  Yarrell.  432.  Linne  mischte 
die  Synonyme  mit  Siphonostoma  typhle  auf  eine  fast  unlös- 
iche  Weise  ,  und  viele  ältere  Autoren  beschrieben  Typhle 
unter  dem  Namen  S.  Acus. 

28)  S.  brachyrhynchus  Kp.     Insel  Bourbon,  Par.  Mus. 

29)  S.  variegatus  Pall.     Schwarzes  Meer.  Paris,  Berlin. 

30)  S.  rubescens  Risso,  ferrugineus  Mich.  Isis  1829. 
1013.  Adr.  und  mittl.  Meer,  Cap.  Unzählig  in  der  Pariser 
Sammlung. 

31)  S.  t enuirostris  RMke.  v.  Nordmann  in  A.  de  De- 
midoffs Voy.  t.  11.2.  Syngr.  Acus,   Michah.  Isis  1829.  p.l012. 

32)  S.  fasciatus  Jam.  et  Kay.     N.  York  ZooL  fig.  174. 

33)  S.  Delalandii  Kp. ,  Typhlus  Delalandii  Bibr.  Cap. 
Pariser  Mus. 

34)  S.  Schlegeln  Kp.,  S.  tenuirostris  T.  et  Schi.  F. 
jap.  120.  5. 

6.  Genus  Leptonotus  Kp. 

35)  L.  Blainvillei  Kp.,  S.  Btainmlleanus  Eyd.  et  Gerv. 


üebersicht   der  Lophobranchier.  233 

Guer.  Mag.  Zool.  IV.  t.  16.  Peru,  Chili,  Aucklandsinseln,  Neu- 
seeland.    Paris,  London,  Berlin. 

36)  L.  semisiriatus  Kp.     Woher?    London. 

7.  Genus.     Siphonostoma  Raff. 

37)  S.  pyrois  Bp.     Nizza.  Wien. 

38)  S.  typhle  Kp.     In  allen  Museen.  Nördl  Meere. 

39)  S.  Rondeleü.  Miltelmeer.  Grosse  Zahl  in  dem  Pa- 
riser Museum. 

40)  S  argentatumB]).,  S.  argentatusFaW.  v.  Nordmann 
in  Demid.  Voy.  Schwarzes  Meer.     Wien,  Paris^  Berlin. 

41)  S.  rotundatum  Bp.,  S.  rohtndatus  Mich.  Isis  1829. 
p.  1014.     Triest.  Paris^  London,  Wien. 

8.  Genus.     Leptoichthys  Kp. 

Es  ist  bis  jetzt  zweifelhaft,  ob  dieses  Genus  hierher 
gehört. 

42)  L.  fistularius  Kp,,  Typhlus  fistularius  Bibr.  Port 
du  Roi  George.  Ein  Weibchen  in  dem  Pariser  Museum.  Aus- 
gezeichnet durch  die  lange  Schnauze  und  langen  Körper  mit 
27  Ringen. 

9.  Genus.     Stigmatopora  Kp. 

Ohne  Schwanzflosse.     Körper  von  oben  plattgedrückt. 

43)  Stigm.  Argus  Kp.,  S.  Argus  Richards.  Neuguinea, 
Tasmania,  London,  Paris. 

St.  niger  Kp.     Tasmania.  Paris.  Mus. 

3.  Subfam.     Doryrhamphinae  K\). 
Die  Männchen  mit  Taschen  an  der  Brust  und  dem  Bauche, 
statt  am  Schwänze. 

1.  Doryrhamphus  Kp. 

2)  Dortjrh.  excisus  Kp. ,  S.  existis  H.  et  Ehr.  Rothes 
Meer.  Paris,  Berlin. 

2.  Choeroichthys  Kp. 

2)  Ch.   Valencienni  Kp.    Bourbon.    Pariser  Mus. 

3.  Doryichthys  Kp. 

3)  D.  bilineatus  Heck.     Wien. 

4)  D.  spinosiis  Kp.,  S.  spinosus  Schleg.  Java,  Borneo, 
Macasser.    Leyden,  London,  Paris. 

5)  V.  HasseUi  Kp.  ,  S.  flnviatilis  K.  et  v.  Hass.  Java, 
Taiti.    Leyden,  Paris. 


234  Kaup:  Uebersicht  der  Lophobranchier. 

6)  D.  pristipelHs  Heck.  Wien. 

7)  D.  lineatus  Kp.,  S.  Uneatiis  Val.  Paris,  Berlin,  von 
Bahia,  Mexico,  Guadeloupa. 

8)  D.  millepunctatus  Kp.     Madagascar.  Paris.  Mus. 

9)  D.  aculeatus  J.  Gray,  Egypten.  Britt.  Mus. 

10)  D.  auronitens  Kp.  Macasser.  Leyden.  Mus. 

11)  D.  Dumerilii  Kp.     Woher?    Paris.  Mus. 

4.     Hemimarsupium  Kp. 

1 2)  H.  Goiidotii  Kg. ,    Typhi   Goudotü  Bibr. ,  S.  micro- 
gnathus  et  compressus  K.  et  v.  Hass.  Java,  Madagascar. 

4.  Subf.    Nerophinae  Kp. 

Die  Männchen  tragen  die  Eier  in  Längsreihen  an  Brust 
und  Bauch  ohne  Taschen. 

1.  Microphis  Kp. 

1)  M.  deocata  Kp.  ,  Syngn.  deocata.  Hamilt.  Gang.  Fish, 
p.  14.  J.  Gray  Ind.  Zool.  Ich  kenne  diesen  Fisch  nicht  in 
der  Natur.' 

2)  M.  cuncalus  Kp.,  Sy.  cuncalus  Harn.  p.  12.  No.  1. 
Typhlus  Dussumierü  Bibr.  Par.  Mus.  Von  Malabar,  Calcutta. 
Par.  Mus. 

2.  ISerophis. 

a.     Mit  rudimentärer  Schwanzflosse. 

3)  Anguinaeus  Kp.  S.  ang.  Jenyns  Cat.  Br.  Vert.  Yarrell. 
p.  445.  Bloch.pl.  91.  (Bloch  übersah  die  Schwanzflosse.  Lond. 

4)  HeckeUi  Kp.  Bogota.  Wien. 

5)  Aequoreus  Kp.  Nordsee.  London,  Leyden,  Paris  etc. 

6)  Martinicensis  Kp.,  S.  martinicensis  Bibr.  Paris. 

7)  Hymenolmus  Kp.  Syngn.  hym.  Rieh.  Er.  et  Terr. 
pl.  XXX.  flg.  11—13.     Falklandsinseln.  London. 

8)  AnnulatusK^.,  annulatus,  fasciatus  eipapacinus^iss. 
185 — 187.     Mittelmeer.  Paris,  London,  Leyden,  Wien,  Berlin. 

9)  Lumbriciformis  B^.,  SJumbrici f.  l[?irr.,  ophidion  ?enn. 
Nordsee,  Spanien.  London,  Paris. 

10)  Ophidion  ßp.,  S.  ophidion  Linn. 

11)  Teres  Bp. ,   Scyph.   teres  Rathke.     Schwarzes  Meer. 
Wien,  Paris.  Mus. 


Die  orgaiii§clicii  Missbilclungen  der  glatten 
i^chiieckenscliale. 

Von 
Or.  O*  O.  Piper 

in  Bernburg, 


Die  bekannte  Theorie ,  welche  in  Missbildungen  und 
Krankheiten  des  einen  Organismus  dieselben  Formen  und  Pro- 
cesse  wiederfindet,  die  einem  andern  Organismus  normal  sind, 
findet  eine  für  den  Zoologen  merkwürdige  Bestätigung  in 
den  organischen  Missbildungen  der  glatten  Schneckenschale. 
Ich  habe  auf  diesen  Gegenstand  schon  länger  meine  Auf- 
merksamkeit gerichtet,  und  im  Laufe  der  Zeit  unter  den  ge- 
meinen Helixarten  so  viele  und  auffallende  Missbildungen  ge- 
funden, dass  ich  r—  so  weit  diess  die  unveräusserlichen  Ei- 
genthühmlichkeiten  der  Helixschale  zulassen  —  fast  jeder 
Form  der  einschaligen  freigewundenen  Conchylie  eine  bald 
unförmlicher  bald  zierlicher  entwickelte  Missbildung  eines  He- 
lix  gegenüberstellen  kann.  Die  erste  Ursache  aller  Missbil- 
dungen der  Schale  ist  wahrscheinlich  eine  traumatische.  Ich 
unterscheide :  a.  mechanisch  traumatische  Missbildungen,  wel- 
che entstehen,  indem  Depressionen,  Fissuren ,  Frakturen  und 
Substanzvcrluste  der  Schale  eine  Abweichung  fordern  ,  wel- 
che der  an  sich  regelmässig  fortgebildeten  Schale  eine  ab- 
norme Gestalt  giebf;  b.  organisch  traumatische  Missbildun- 
gen, welche  durch  Verletzung  der  Weichtheile  bedingt  wer- 
den, und  welche,  entsprechend  der  fortschreitenden  Heilung 
der  Wunde  und  Abflachung  der  Narbe  ,  stufenweise  verlö- 
schen, bis  sie  unmerklich  in  die  natürliche  Ebene  der  Schale 
übergehen;    c.   organische  Missbildungen,   welche    A   durch 


236  Piper: 

gleichmässigen  Bestand  eine  bleibende  Formveränderung  der 
Weichtheile,  oder  B  durch  wachsende  Dimensionen  eine  sich 
entwickelnde  Desorganisation  bezeichnen.  Die  Beobachtun- 
gen knöpfen  sich  an  eine  Zahl  von  6 — 700  missgebildeten 
Schalen  des  Helix   arbustorum. 

1.  Die  weisse  Linie  ist  das  Zeichen  der  ober- 
flächlichsten Störung.  Sie  folgt  bald  in  streng  elliptischer 
Schwingung,  bald  in  wellenförmigen  Biegungen  der  Richtung 
des  Umgangs.  Bald  ist  nur  eine  Linie  vorhanden,  von  der 
Breite  eines  Fadens  bis  zu  der  eines  Strohhalms;  bald  sind 
deren  mehrere,  bald  ist  der  ganze  Umgang,  oder  ein  beträcht- 
licher Raum  desselben  mit  feinen  weissen  Linien  bedeckt. 
Im  letztern  Falle  sind  die  Zwischenräume  der  weissen  Linien 
dunkel  gefärbt,  oder  gefurcht.  Die  weisse  Linie  tritt  entwe- 
der ursprünglich  auf,  oder  sie  erscheint  als  die  letzte  Spur 
einer  andern  Missbildung. 

2.  Die  einfache  Furche;  ein  scharfer  Eindruck, 
wie  von  der  Schneide  eines  Messers,  in  der  Regel  von  dunk- 
lerem Pigmente  ausgefüllt.  Oft  verschwindet  die  Furche 
sehr  schnell  spurlos,  oft  geht  sie  in  die  weisse  Linie  über, 
oft  entwickelt  sie  sich  in  Breite  und  Tiefe,  und  bildet  dann 
an  der  inneren  Wand  der  äusseren  Lippe  eine  merklich  vor- 
springende Kante,  und  an  der  Lippe  selbst  einen  Zahn.  Die 
Richtung  der  Furche  ist  mitunter  scharf  elliptisch  ,  am  häu- 
figsten undulirend.  In  der  Regel  bildet  die  Schale  zu  beiden 
Seiten  der  Furche  mehr  oder  minder  merkliche  Convexitäten; 
wenn  sich  aber  die  Furche  in  der  Nähe  der  Naht  befindet, 
bildet  sich  eher  eine  stumpfe  winkelförmige  Erhebung,  in 
deren  Scheitel  die  Furche  verläuft. 

3.  Die  doppelte  Furche  hat  alle  Eigenschaften 
der  einfachen ,  indessen  liegt  mir  kein  Beispiel  vor  ,  dass 
sie  so  schnell  verschwindet.  Sie  geht  oft  in  zwei  weisse 
Linien  über.  Oft  ist  der  Zwischenraum  beider  Furchen  von 
Anfang  an  weiss  gefärbt.  In  einem  Falle  sind  beide  früher 
ursprünglich  gleich  tief  und  breit,  dann  verfeinert  sich  die 
eine  bis  zum  spurlosen  Verschwinden ,  während  die  andere 
wächst,  auf  der  inneren  Wand  der  Schale  eine  beträchtlich 
vorspringende  mit  stärkerer  Glasur  bedeckte  Kante  bildet  und 
in  einen  starken  Zahn  ausläuft. 


Die  organischen  Missbildungen  der  glatten  Schneckenschale.       237 

Die  Furchen  wiederholen  sich  gleich  der  weissen  Linie, 
indem  sie  bis  zu  unzählbarer  Menge  den  Umgang  bedecken. 

4.  Die  gefiederte  Furche.  Die  Furche  ist  auf 
einer  Seile  oder  beiderseitig  mit  dichten  schräg  laufenden 
Falten  begleitet.  Die  Form  dieser  Fallen  ist  häufig  die,  wie 
sie  ein  stumpfes  Messer  auf  Papier  hervorbringl,  oft  gleichen 
sie  Federfahnen  und  gefiederten  Blättern.  Die  gefiederte 
Furche  ist  in  ihrer  stärksten  Entwicklung  mit  Verlust  der 
Oberhaut  begleitet,  und  wird  dann  allmählig  schmäler,  bedeckt 
sich  mit  Oberhaut,  behält  aber  eine  scharf  begrenzte  helle 
Färbung.  Sie  tritt  an  die  Stelle  anderer  Missbildungen,  und 
geht,  ihrerseits  schwindend,  bald  in  die  einfache  Furche  (2) 
bald  unmittelbar  in  die  weisse  Linie  (1)  über.  Die  Länge 
der  die  Fiederung  bildenden  Falte  beträgt  Vo— 3  Linien.  Tritt 
diese  Missbildung  in  die  Nähe  der  Naht,  so  bilden  die  Fal- 
ten zwischen  der  Furche  und  der  Nath  eine  starke  Convexi- 
tät ;  was  ich  in  anderen  Breiten  des  Umganges  nicht  bemer- 
ken kann. 

5.  Die  gekielt  gefiederte  Furche.  Die  dop- 
pelte Furche  (3)  ist  zu  beiden  Seilen  gefiedert.  Der  von 
der  doppelten  Furche  eingeschlossene  Raum  tritt  oft  stark 
hervor;  um  so  merklicher,  wo  in  der  Fiederung  weniger 
die  convexen  Falten,  als  die  dunkelgefärbten  Furchen  in  die 
Augen  fallen.  Der  Kiel  verläuft  bald  undulirend,  bald  scharf 
elliptisch,  besteht  bald  unverändert ,  und  verschwindet  bald 
so  allmählich,  dass  der  Punkt,  wo  die  gegenwärtige  Form  in 
die  gefiederte  Furche  (4)  übergeht,  selbst  mit  dem  Vergrös- 
serungsglase  kaum  zu  bestimmen  ist. 

Auch  diese  Form  bedeckt  oft  die  ganze  Breite  des  Um- 
gangs, wobei  der  Kiel  nur  einseilig  gefiedert  erscheint ,  in- 
dem die  Faltenreihen  und  Kiele  regelmässig  abwechseln.  Da- 
zwischen tritt  auch  die  gefiederte  Furche  ein.  Bei  einem 
Exemplare  steht  die  letztere  in  der  Nähe  der  Naht,  und  bil- 
det dort  einen  so  starken  Eindruck,  dass  sich  auf  der  inne- 
ren Wand  der  Schale  ein  scharfer  Kiel,  und  auf  diesem  noch 
eine  Reihe  körniger  Erhebungen  zeigt.  Die  letzteren  entste- 
hen daher,  dass  die  Furche  an  den  Punkten  ,  wo  die  schrä- 
gen Falten  austreten,  stärker  vertieft  ist.  Die  gekielten  Rei- 
hen lassen  auf  der  inneren  Wand  keine  Spur  zurück. 


238  Piper: 

6.     Die  gerippte   doppelte   Furche.     Der  Zwi- 
schenraum beider  Furchen  ist   mit   feinen  Querfurchen   aus- 
gefüllt, welche  bald  schräg,  bald  rechtwinkelig  verlaufen,  und 
ist  oft  weiss  gefärbt.     Auch  diese  Bildung  bedeckt  milunter 
die  ganze  Breite  des  Umgangs.      In    diesem  Falle  tritt  das- 
selbe ein,  was  beider  einfachen  Furche  stattfindet  (2),  wenn 
sie  in  der  Nähe  der  Naht  verläuft,   und   der  Umgang   erhält 
Longiludinalkanlen.     Das  einzelne  gerippte  Band  zeigt  öfters 
eine  Convexität.    Bei  einem  Individuum  ist  die  gerippte  dop- 
pelte Furche   3  Linien  breit,    und  dicht  an   der  Naht.     Die 
einzelnen  Rippen  sind  hierbei  sehr  breit  und  scharfkantig  auf- 
gerichtet; dies  in  fortschreitender  Entwicklung,  so  dass  die 
anfänglich  vorherrschenden  begrenzenden  Furchen  unsichtbar 
werden.     Ich  muss    bei    dieser  Gelegenheit  bemerken  ,  dass 
alle  Missbildungen   in  der  Nähe   der  Naht   besonders   grosse 
Dimensionen  anzunehmen  scheinen.      Obwohl  unsere   dünn- 
schaligen Schnecken,  welche  die  innere  Lippe  durch  eine  bis 
zurUnsichtbarkeit  dünne  Schmelzlage  bezeichen,  hierdurch  zei- 
gen, dass  sie  von  Natur  in  den  entsprechenden  Raumtheilen 
des  Mantels  sehr  wenig  Stoff  erzeugen,  so  scheint  doch  schon 
eine    einfache  Verwundung  hinzureichen  ,  gerade   in   diesen 
Theilen  eine  stärkere  Produklionskraft  zu  wecken.      Es   lie- 
gen mir  einige  Individuen  vor,  bei  denen  der  letzte  Umgang, 
ohne  Zweifel  durch  plötzlichen  Druck ,  grösstentheils   abge- 
trennt, dann  aber  wieder  angewachsen   ist.      Der   schemati- 
sche Umriss    einer   solchen  Schneckenschale    gleicht  beiste- 
hender Figur;  a  (  )~)  b.  bei  a  (  )  ist   das  unverletzte  Ge- 
winde, bei  )  b  der  abgetrennte  Umgang;  die  eine  gerade  Li- 
nie bezeichnet  die  nach  der  Verletzung  vorhandenen  Bruch- 
stücke, welche  hingereicht  haben,  die  Lücke  seitlich  auszu- 
füllen; die  andere  gerade  Linie  bezeichnet  den  später  erzeug- 
ten Theil  des  Umgangs,  welcher  sich  zu  der  Spindel  zurück 
wendet.     Der  bedeckte  Nabel  ist  hierbei,  anstatt  durch  einen 
vertieften  Punkt,  durch  eine  Furche  von  ansehnlicher  Länge 
bezeichnet.     Die    beschriebene    traumatische  Missbildung  ist 
wahrscheinlich  dadurch    bedingt ,   dass  sich   bei    der  Quet- 
schung der  Schneckenschale  einzelne  Bruchstücke  in  einan- 
der klemmen,  so  dass  sie  weder  abfallen,  noch  in  die  nor- 
male Mündung  zurückkehren.    Die  Schalensubstanz  ,   v/elche 


Die   organischen  Missbildungen    der  glatten  Schneckenschale.       239 

ZU  Ausfüllung*  der  Lücke  von  der  Naht  bis  zu  dem  alten  Um- 
gange erzeugt  ist,  hat  keine  Oberhaut,  steht  aber,  dem  Au- 
genschein nach  zu  urtheilen ,  der  übrigen  Schale  an  Stärke 
keineswegs  nach.  Man  ist  geneigt,  es  hiermit  in  Verbindung 
zu  bringen,  dass  die  Missbildungen  der  Naht  in  den  gröss- 
sten  Dimensionen  statthaben,  und  durch  einen  Aufwand  von 
Substanz  bezeichnet  sind,  welcher  mit  der  durch  das  winkei- 
förmige Zusammenstossen  der  inneren  und  äusseren  Lippe 
bedingten  Stoffanhäufung  in  keinem  Verhältniss  steht. 

7.  Die  gefiederte  Furche  mit  geripptem 
Kiel;  eine  Complication  der  Formen  5  und  6.  Die  Breite 
des  Kieles  beträgt  bisweilen  über  2  Linien,  und  er  hat  dann 
mehrere  Längsfiirchen,  durch  welche  die  Rippen  gebrochen  sind. 

8.  Der  gekörnte  Streifen.  Ich  begreife  unter 
diesem  Namen  manchfaltige  schwer  zu  bezeichnende  Formen. 
Einige  Male  zeigt  die  gerippte  Furche  (b)  eine  allmählige 
Erhebung  und  weitere  Abgrenzung  der  Rippen,  bis  sich  kreis- 
förmige Erhebungen  bilden.  Oefter  zeigen  die  Erhebungen 
eine  longitudinale  Verschmelzung,  so  dass  der  Streifen  einer 
Schnur  oder  Flechte  ähnlich  sieht.  Das  Relief  des  Streifens 
ist  oft  von  bedeutender  Höhe.  In  der  Nachbarschaft  der 
Naht  bildet  derselbe  eine  sehr  ausgeprägt  gekrönte  Windung. 
In  einem  Falle  ist  hier  der  Streifen,  bei  sehr  dunkler  Fär- 
bung der  übrigen  Schale  ,  bläulich  weiss.  In  einem  Falle 
entwickeln  sich  die  Körner  zu  dem  Durchmesser  eines  Senf- 
korns, indem  sich  zuerst  eine  feinkörnige  Erhebung  zeigt, 
dann  die  Körner  schärfer  hervortreten  ,  als  Endpunkte  von 
Querfalten,  die  sich  bis  zur  Naht  erstrecken.  Sodann  bildet 
sich  ausserhalb  des  gekörnten  Streifens  eine  Furche.  Diese 
Furche  wird  gefiedert.  Jenseit  eines  unregelmässig  gefalte- 
ten Zwischenraums  (über  welchen  jedoch  der  gekörnte  Strei- 
fen unverändert  hingeht)  erscheint  an  der  Stelle  der  gefie- 
derten Furche  (4)  die  gerippte  doppelte  (6)  und  gefiederte 
(7).  Ausserhalb  dieser  erscheint  eine  zweite  gefiederte  ge- 
kielte Furche.  Endlich  erscheint  zwischen  diesen  beiden  eine 
tiefe  Einschnürung,  welche  bis  zur  Mündung  verläuft.  Ge- 
gen das  Ende  nehmen  die  Höcker  eine  halbmondförmige  fal- 
tenähnliche Gestalt  an. 

9.  Die  rauhe  Furche.     In   der  Breite  von  2—4 


240  Pi-per: 

Linien  ist  die  Schale  von  Oberhaut  und  Pigment  entblösst, 
und  unregelmässig-  gerippt  oder  gekörnt.  Die  Missbildung 
besteht  entweder  von  Anfang  bis  zu  Ende  unverändert,  oder 
sie  bildet  sich  aus  der  gefiederten  Furche,  oder  sie  erlischt. 
Das  letztere  geschieht  auf  doppelte  Weise.  Die  Unebenhei- 
ten werden  regelmässiger,  und  es  bildet  sich,  indem  dieFur- 
che  zugleich  schmäler  wird ,  eine  gefiederte  Furche.  Oder 
die  Furche  glättet  sich^  bleibt  in  unveränderter  Breite,  ihre 
beiden  Grenzen  werden  gefiederte  Furchen,  und  der  Zwi- 
schenraum wird^  bis  auf  einige  Convexität  ,  normal.  Nicht 
selten  hat  der  Umgang  zwei  breite  rauhe  Furchen ,  deren 
Grenzen  und  Zwischenräumen  mit  den  Formen  1 — 7  auf  die 
mannichfaltigste  Weise  bedeckt  sind. 

Wenn  die  rauhe  Furche  sich  an  der  Naht  befindet ,  so 
senkt  sich  die  Naht  nach  der  Basis,  so  dass  der  Umgang 
durch  Verringerung  seines  Höhendurchmessers  an  Convexität 
zunimmt.  In  Zwischenräumen  von  y^ — 1  Linie  sucht  sich 
das  Thier  immer  wieder  dem  alten  Ansatzpunkte  zu  nähern, 
so  dass  die  Naht  keine  gerade  verlaufende,  sondern  eine  fein 
gezähnelte  Linie  bildet.  Die  Unebenheiten  der  rauhen  Furche 
treten  oft  an  der  äussern  Grenze  markirter  hervor,  und  bil- 
den eine  Art  gekröntes  Gewinde.  Wenn  die  innere  Grenze 
der  rauhen  Furche  2— 3  Linien  von  der  Naht  entfernt  bleibt, 
so  pflegt  sich  zwischen  derselben  und  der  Naht  eine  scharf 
gefiederte  Furche  zu  bilden.  Wenn  sie  in  der  Nähe  der  Ba- 
sis verläuft,  so  bildet  die  letztere  einen  stumpfen  Kegel,  des- 
sen Spitze  der  Nabel  ist. 

10.  Die  rauhe  Furche  mit  aufgeworfenem 
Rande.  Der  eine  Rand  der  Furche  bildet  oft  einen  stark 
verspringenden  scharfen  Rand.  Da  die  Furche  ohne  Pigment 
ist,  so  erklärt  es  sich  leicht,  dass  dieser  Rand  intensiv  ge- 
färbt zu  sein  scheint.  Wenn  sich  diese  Form  in  der  Nähe 
der  Naht  befindet,  so  bildet  sie  eine  sehr  concave  Rinne,  de- 
ren äusserer  Rand  bald  stumpf  gefaltet,  bald  sehr  scharf  ist. 
Die  Höhe  dieses  vorspringenden  Randes  entspricht  fast  durch- 
gängig der  Linie,  in  welcher  die  Naht  verlaufen  sollte,  wäh- 
rend die  Naht  belrächtlich  liefer  herabsinkt.  In  einem  Falle 
ist  die  Naht  in  die  unmittelbare  Nähe  des  Nabels  herabge- 
rückt j   wobei  der  scharfe  Rand  der  Furche  g^g^^  4  Linien 


Die  organischen  Missbildungfn   der  glaltcn  Schneckenschale.         241 

von  der  Naht  cnlfcrnt  ist  Dieser  Rnnd  hält  das  Niveau  der 
Jiormal  verlaTitcnden  Naih  anfänglich  inne ,  senkt  sich  aber 
dann,  und  slrcbt  wieder  aufwärts.  Hierbei  bildet  die  Mün- 
dung immer  in  Zwischenräumen  von  einigen  Linien  freisle- 
hende  Winkel,  da  der  Umgang  sich  nicht  in  der  angebahn- 
teu  Fläche  fortsetzt,  sondern  an  der  inneren  Wand  der  äus- 
seren Lippe  neue  Anhaltspunkte  sucht. 

11.  Die  Einschnürung.  Schon  die  rauhe  Furche 
ist  oft  mit  einer  merklichen  Verengung  des  Umgangs  ver- 
bunden. Die  Striktur  zeigt  jederzeit  Mangel  der  Oberhaut 
und  des  Pigmentes,  aber  nicht  die  Regellosigkeit  der  vorigen 
Form,  sondern  einen  tiefen,  stumpferen  oder  schärferen 
Einscimilt,  der  regelmäfsige  Fallen  zu  beiden  Seiten  hat.  Pig- 
ment und  Oberhaut  fehlen  oft  nur  in  der  Breite  einer  Linie, 
in  der  Tiefe  des  Einschnittes  ,  oft  fehlen  sie  noch  weit  hin- 
aus auf  beiden  Convexiläten.  Die  Striktur  ist  zuweilen  äus- 
serlich  aufTallender  als  die  Nähte  des  Gewindes,  zumal  wo  die 
Einschnürung  so  gerichtet  ist,  dass  die  obere  Convexität  von 
der  unteren  seitlich  überragt  wird.  Die  äussere  Lippe  hat 
an  der  der  Einschnürung  entsprechenden  Stelle  bald  einen 
Zahn,  bald  ist  sie  lappig  ausgedehnt,  bald  ist  sie  scharf  ein- 
gezogen, so  dass  der  Rand  zu  beiden  Seiten  des  Einschnittes 
convex  ist.  Die  letztere  Form  entspricht  unmittelbar  der 
Richtung  der  Falten,  welche  der  Striktur  ein  gefiedertes  An- 
sehen geben.  Wo  die  Lippe  sich  in  einen  Lappen  ausbrei- 
tet, sieht  man  deutlich,  dass  zuerst  die  so  eben  beschrie- 
bene Form  bestanden  hat,  und  sodann  der  Ausschnitt  aus- 
gefüllt worden  ist,  ohne  dass  die  übrigen  Theile  des  Ran- 
des noch  sichtbaren  Antheil  am  Wachsthume  genommen 
haben. 

12.  Der  Kiel.  Ich  nenne  Kiel  eine  winkelförmige 
longitudinale  Erhebung,  deren  Niveau  zwischen  die  Naht  des 
betreflTenden  Umgangs  und  die  Basis  fällt.  Der  Kiel  unter- 
scheidet sich  von  dem  gekörnten  Streifen  (8)  durch  das  ein- 
fach winkelförmige  Zusammenstossen  zweier  Flächen,  wodurch 
jede  besondre  Formation  der  Mittellinie  ausgeschlossen  wird; 
von  der  gerandeten  rauhen  Furche  (10)  dadurch,  dass  die 
beiden  Flächen,  welche  den  Winkel  bilden,  regelmässig  ge- 
bildet und  mit  Oberhaut  bedeckt  sind.  Der  gekielte  Umgang 

Archiv  f.  Nnhirgesch.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  l6 


242  Piper: 

gehört  zu  den  seltneren  Missbildiingen.  Bei  zwei  Individuen, 
welche  denselben  besonders  ausgebildet  zeigen,  entwickelt 
er  sich  beide  Male  aus  der  einlachen  rauhen  Furche  (9). 
Bei  dem  einen  ist  es  die  obere  Grenze  der  rauhen  Furche, 
welche  sich  scharfkantig  erhebt.  Die  Erhebung  wird  noch 
vorspringender  durch  eine  flach  gerippte  Furche,  welche  sich 
zwischen  ihr  und  der  Naht  befindet.  Die  rauhe  Furche  hat 
sich  dabei  in  einen  weissen  Streifen  verwandelt  ,  welcher 
nach  derMündung  zu  diagonal  (!)  von  einer  einfachen  Furche 
durchschnitten  wird.  Das  andere  Mal  bildet  sich  der  Kiel 
aus  der  unteren  Grenze  der  rauhen  Furche;  diese  verwan- 
delt sich  in  zwei  weisse  Linien  ,  deren  Zwischenraum  mit 
fein  gerippten  und  gefiederten  Furchen  bedeckt  ist. 

13.  Der  rauhe  Umgang.  Die  ganze  Fläche  des 
Umgangs  ist  ohne  Oberhaut  und  Pigment.  Bald  sind  die 
Unebenheiten  körnig  und  bauchig,  und  beschränken  sich  mit 
der  Zeit  auf  eine  rauhe  Furche,  oder  gehen  in  eine  völlig 
normale  Fläche  über;  bald  sind  sie  wie  zusammengeschoben 
und  splilterig  rauh,  und  scheinen  in  diesem  Falle  immer  un- 
verändert fortzugehen. 

14.  Der  gerippte  Umgang.  Die  Fläche  des  Um- 
gangs ist  rauh,  aber  die  Unebenheiten  sind  von  so  geringer 
Dimension,  dass  sie  die  Regelmässigkeit  der  Wölbung  nicht 
stören.  In  kleinen  Zwischenräumen  erheben  sich  die  mit 
Oberhaut  und  Pigment  bedeckten  Rippen,  bald  aufgerichtet, 
bald  platt  liegend. 

15.  Der  genarbte  Umgang.  Zwischen  unregel- 
mässigen feinen  Eindrücken  und  Hervorragungen,  welche  den 
ganzen  Umgang  bedecken,  lassen  sich  alle  Formationen  l — 8 
entdecken.     Pigment  und  Oberhaut  sind  normal. 


üfachträg^liclie  Beinerkungfen  iibop  eleu  Bau 
von   Pliyllirhoe. 

Von 
Dr*  Rud.  iJeuckart. 


In  den  Frühlingsmonaten  dieses  Jahres  habe  ich  wahrend 
eines  längern  Aufenthaltes  in  Nizza  mehrmals  Gelcirenhcit  ge- 
habt, den  mittelmeerischen  Repräsentanten  des  Genus  Phyl- 
lirhoe,  Ph.  bucephalum  Per.,  zu  beobachten.  Ich  bin  dadurch 
in  den  Stand  gesetzt,  meine  frühern  —  nur  nach  einem  ein- 
zigen Spiritusexemplare  entworfenen  —  Mittheilungen  über 
den  Bau  dieses  sonderbaren  Molluskengenus  (vergl.  dieses 
Archiv  1851.1.  S.  139.)  in  mehrfacher  Beziehung  zu  erwei- 
tern und  zu  berichtigen. 

Die  durchsichtige  Körperwand  unseres  Thieres  (die 
bekanntlich  ohne  Falten  oder  Duplicaturen  ist,  und  eine 
schlichte  Hülle  darstellt,  an  der  man  keinen  Mantel  unterschei- 
den kann,  wie  bei  der  grössern  Mehrzahl  der  übrigen  Schnek- 
ken)  bietet  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  ein  eben 
so  klares,  als  instructives  Bild.  Zu  äusserst  findet  man  eine 
häutige  Lamelle  von  feinkörnigem  Aussehen,  die  hier  und 
da  noch  deutlich  die  Spuren  einer  früheren  zolligen  Beschaf- 
fenheit erkennen  lässt  und  mit  einem  uniformen  Flimmor- 
kleide  bedeckt  ist.  An  den  Antennen  und  der  Afteröffnunff 
erreichen  diese  Flimmerhaare  eine  ziemlich  beträchtliche 
Grösse,  während  sie  sonst  nur  klein  bleiben  und  leicht  über- 
sehen werden  können.  Schon  der  Besitz  dieses  Flimmer- 
kleides unterscheidet  die  Arten  des  Gen.  Phyllirhoe  \on  (kn 


244  L  e  u  c  k  a  r  t : 

Heteropoden,  die  desselben  nach  meinen  Untersuchungen  ent- 
behren ^  während  die  Nackt-  oder  Haulkiemer,  denen  man 
unsere  Thiere  hinzurechnen  muss,  wie  ich  gezeigt  habe,  ganz 
allgemein  mit  einem  Flimmerbesatze  versehen  zu  sein  schei- 
nen *).  Unter  der  Oberhaut  liegt  eine  homogene  Gewebs- 
schicht  von  glasheller  Beschaffenheit ,  gewissermassen  die 
Grundmasse  der  Körperwand,  in  welche  die  übrigen  geformten 
Bestandtheile,  Muskeln,  Nerven,  Zellen  u.  dergl.  eingelagert 
sind.  Unter  den  letztem  fallen  wegen  ihrer  Häufigkeit  und 
gleichmässigen  Verbreitung  namentlich  gewisse  kleine  Kör- 
perchen C/iso'")  ^"fj  die  durch  Form  und  Aussehen  einiger- 
massen  an  die  Eiterkörperchen  erinnern  und  mit  der  Grundsub- 
stanz der  Körperwand  in  einem  genetischen  Zusammenhang 
zu  stehen  scheinen.  Ich  möchte  diese  Bildungen  für  soge- 
nannte Bindegewebskörperchen  halten  und  damit  die  Sub- 
stanz, in  welche  sie  eingelagert  sind,  für  eine  sehr  einfache 
Form  des  Bindegewebes  erklären.  Hier  und  da  habe  ich  auch 
beobachten  können ,  dass  sich  die  betreffenden  Körperchen 
an  ihren  Polen  in  eine  zarte  Faser  von  geschlängeltem  Ver- 
laufe ausziehen. 

Die  Längsmuskelfasern ,  die,  wie  ich  schon  früher  be- 
schrieben habe,  bündelweise  (zu  2 — 8)  zusammengruppirt 
sind,  messen  durchschnittlich  etwa  '/ijo'"  ^"d  enthalten  einen 
körnigen  Inhalt,  der  mitunter  das  Bild  einer  unvollständigen 
Querstreifung  hervorruft.  Ausser  diesen  Längsmuskelfasern 
findet  man  übrigens  noch  andere  augenscheinlich  muskulöse 
Fasern,  die  sich  freilich  durch  ein  homogenes  blasses  Aus- 
sehen und  eine  geringere  Breite  von  den  Längsmuskelfasern 
auffallend  unterscheiden.  Sie  verlaufen  einzeln  und  in  ziem- 
lich regelmässigen  Abständen  vom  Rücken  nach  dem  Bauche, 
kreuzen    sich   also    unter    ziemlich  rechtem  Winkel  mit  den 


■")  Dasselbe  gilt  übrigens  bekannllich  für  viele  andere  Seega- 
steropoden,  aucli,  wie  ich  gesehen  habe,  für  die  Pteropoden,  bei  de- 
nen namentlich  die  Flimmerhaare  der  Flossenfläche  durch  eine  sehr 
ansehnliche  Grösse  und  eine  regelmässige  Gruppirung  zu  förmlichen 
AVimperkämmen  sich  auszeichnen  (Creseis  acicula).  Dieselben  Wim- 
perkämme finden  sich  auch  in  der  geräumigen  Kiemenhöhle  von  Cre- 
seis, wo  sie  als  „Wimperfackeln«  bereits  von  J.Müller  (Monatsber. 
der  Berl.  Akad.  Oktober  1852.)  beschrieben  sind. 


Naohlrfigliche  Bemerkungen  über  den  Bau  von  Piiylliihoe.     24^ 

Längsmuskelfasern,  bilden  aber,  wie  diese,  durch  dichotomi- 
sche  Spaltungen  und  Anastomosen  ein  zusammenliängendcs 
Netzwerk  mit  rautenförmigen  Maschen.  Ich  glaube  mich 
auch  mehrmals  mit  Bestimmtheit  überzeugt  zu  haben,  dass 
diese  Quermuskelfasern  als  Seitenäste  aus  den  breiten  Längs- 
muskelfasern ihren  Ursprung  nehmen. 

Zwischen  diesen  Muskelfasern  verlaufen  zahlreiche  Ner- 
venstämme, deren  Ramificationen  die  ganze  Körperwand  durch- 
setzen. Eigentliche  Nervenfasern  kann  man  in  diesen  Stäm- 
men nicht  unterscheiden.  Sie  lassen  nur  eine  zarte  Längs- 
streifung  erkennen ,  die  sich  noch  dazu  allmählig  in  den 
feinern  Aesten  verliert ,  so  dass  es  histologisch  unmöglich 
ist,  einen  solchen  Nervenast  von  einer  einfachen  Faser  zu  un- 
terscheiden. In  den  Theilungswinkeln  der  feinern  Nerven, 
hier  und  da  auch  sonst  in  dem  Verlaufe  derselben,  beobachtet 
man  nicht  selten  eine  kleinere  oder  grössere  Anschwellung, 
die  sich  durch  körnigen  Inhalt  und  eine  kernartige  Einlage- 
rung als  Product  einer  Zellenmetamorphose  (Ganglienkugel) 
zu  erkennen  giebt.  Die  Zweige  dieser  Nerven  scheinen  theils 
für  die  Haut,  theils  aber  auch  für  die  Muskeln  bestimmt  zu 
sein,  lieber  die  letzten  Endigungen  der  Haulnervcn  weiss 
ich  nichts  Bestimmtes  anzugeben.  Sie  werden  durch  fortge- 
setzte Ramificationen  immer  feiner  und  lassen  sich  schliess- 
lich von  den  übrigen  Faserzugen  nicht  mehr  unterscheiden. 
Was  dagegen  die  Muskelnerven  betrifft  ,  so  kann  man  auf 
das  Schönste  beobachten  ,  wie  diese  gewöhnlich  unter  rech- 
tem Winkel  auf  eine  Muskelfaser  aufstossen,  sich  an  der  Be- 
rührungsstelle flugeiförmig  verbeitern  und  ohne  Grenzen  in 
die  Muskelfaserscheide  übergehen. 

Die  Pigmentzellen  unseres  Thieres  sind  scharf  conlou- 
rirte  sphärische  Körperclien  von  'Ao'"  j  die  einen  grossen 
hellen  Kern  ('/no'")  "^i^  Kernkörperchen  besitzen  und  einen 
körnigen  Inhalt  von  bräunlicher  Farbe  einschliessen.  Ausser 
ihnen  (und  den  Zellgewebskörperchen)  findet  man  übrigens  noch 
andere  zellenförmige  Einlagerungen,  die  mir  einer  zwiefachen 
Entwicklunffsreihe  anzug^ehören  scheinen.  Die  einen  dieser  Zel- 
len  haben  eine  glashelie  Beschaffenheit  und  eine  Grösse  von 
V50'".  Ihr  Kern  ist  klein  und  an  der  Innenfläche  der  Zel- 
lenwandiinff  anireheflet.     Auf  einem  frühern  Enlwicklungss'la- 


246  L  e  u  c  k  a  r  t ; 

dium  enihallen  diese  Zellen  gleichfalls  einen  körnigen  Inhalt, 
der  aber  allinählig  durch  Ansammlung  und  Vergrösserung 
eines  hellen  Tropfens  im  Innern  verdrängt  wird.  Die  klein- 
sten dieser  Zellen  haben  eine  einfach  körnige  Beschaffen- 
heil. Neben  diesen  Zellen  liegen  andere,  die  ein  gleiches 
Aussehen  besitzen,  sich  aber  durch  endogene  Bildung  nach 
und  nach  in  grosse  Zellenhaufen  verwandeln  und  buckelför- 
mig  in  die  Leibeshöhle  hineinragen.  Diese  Zellenhaufen 
wachsen  allmählig  bis  zu  V^'"  und  erscheinen  dann  schon 
bei  unbewaffnetem  Auge  als  weissliche  Flecke,  die  namentlich 
in  der  hintern  Körperhällte  angehäuft  sind.  Von  der  Körper- 
wand ,  in  die  sie  ursprünglich  eingebettet  waren ,  haben  sie 
sich  allmählig  bis  auf  eine  stielförmige  Brücke,  die  sie  damit 
in  Zusammenhang  erhält,  vollständig  abgetrennt.  Ueber  die 
Bedeutung  dieser  Zellengruppen  weiss  ich  Nichts  anzugeben, 
doch  möchte  ich  sie  kaum  für  Drüsenbälge  halten,  wie  H. 
Müller  vorschlägt,  der  unsere  Thiere  inzwischen  gleichfalls 
untersucht  hat  (Zeitschrift  für  wissensch.  Zool.  IV.  S.  336). 
Es  scheint  mir  viel  natürlicher  zu  sein,  diese  Bildungen  als 
ein  Nahrungsdepot  anzusehen  und  mit  dem  Fettkörper  der 
Arthropoden  zu  vergleichen. 

An  dem  vordem  Dritttheil  des  untern  Leibesrandes  be- 
merkte H.  Müller  bei  unserem  Thiere  nicht  selten  eine 
„dünnhäutige,  rundlich  viereckige,  flache  Kuppel,  die  er  An- 
fangs für  etwas  Fremdartiges,  etwa  eine  anhaftende  Qualle 
hielt."  l(*h  habe  bei  meinen  (vier)  Exemplaren  nichts  Derar- 
tiges aufgefunden,  zweifle  aber  nach  Müller's  Angaben 
nicht  daran,  dass  sie  auch  hier  urspünglich  vorhanden  wa- 
ren und  nur  zufällig  verloren  gegangen  sind ,  was  ja  (nach 
H.  Müller)  mit  grosser  Leichtigkeit  geschehen  soll.  Wenn 
die  Anwesenheit  dieses  Gebildes  übrigens  wirklich  constant 
ist,  so  dürfte  dasselbe  vieleicht  —  nach  der  Lage  zu  schlies- 
sen  —  das  Rudiment  eines  Fusses  darstellen. 

Was  die  Anordnung  des  N  erv  e  ns  ys  t  ems  betrifft,  so 
will  ich  noch  hinzufügen,  dass  die  Körperwand  unseres  Thieres 
jederseits  von  einem  doppelten  Nervenstamme  versorgt  wird, 
von  denen  der  eine  dem  dorsalen,  der  andere  dem  ventralen 
Körjierrande  parallel  läuft.     Der  Nervus  tenlaiularis  bildet  bei 


Naclitifigliclie  IJcincikungen    ühcr  den  Bau   von  rhyllirlioo.       247 

seinem  Eintritt  in  die  Antennen  ein  zieniliili  grosses  Gang- 
lion, aus  dem  er  als  ein  doppelter  Slamm  hervorkommt. 

Die  zahlreichen  kleinen  Otolitlien  sind  zu  einem  dru- 
senförmigen  Körper  vereinigt,  und  werden ,  wie  ich  deutlich 
beobachtet  habe,  durch  zarte  Cilien  auf  der  Innenwand  des 
Gehörbläschens  in  Bewegung  gesetzt. 

Die  Magenblinddärme  von  Ph.  bucephalum  sind 
dadurch  von  denen  der  früher  beobachteten  Form  verschie- 
den ,  dass  die  hintern  verhältnissmässig  eine  sehr  viel  be- 
trächtlichere Länge  besitzen  und  durch  eine  starke  mittlere 
Einschnürung  in  zwei  Abschnitte*)  zerfallen  sind,  von  de- 
nen sich  die  äussern  der  Längsachse  des  Körpers  mehr  an- 
nähern. Die  Verbindungsstelle  zwischen  beiden  entbehrt 
(gleich  dem  ebenfalls  verengten  Wurzelende  der  Blinddärme) 
des  gelblichbraun  gefärbten  Leberdrüsenepitheliums.  Die 
Innenfläche  der  Blinddärme  zeigt  eine  deutliche  Flimme- 
rung. Dasselbe  gilt  von  dem  Darme  und  der  AfteröfTnung, 
jedoch  sind  hier  die  Wimperhaare  sehr  viel  grösser  und  deut- 
licher. Das  unlere  Ende  des  Oesophagus,  das  vor  dem  Ur- 
sprünge der  iMagenschläuche  liegt,  ist  flaschenförmig  erwei- 
tert und  von  muskulöser  Beschaffenheit.  Ich  möchte  diesen 
Abschnitt  mit  Eschscholtz  jetzt  für  den  eigentlichen  Ma- 
gen und  zwar  für  einen  Muskelniagen  halten.  Auf  die  Pig- 
mentirung  des  Oesophagus  habe  ich  schon  früher  hingewie- 
sen, ich  sehe  jetzt,  dass  sie  sich  auf  den  ebenerwähnlen 
Magen  beschränkt  und  (bei  Ph.  bucephalum  wenigstens)  von 
einem  schönen  rosarothen  F'arbestoff  herrührt.  Dasselbe  gilt 
von  der  Pigiuenlirung  des  Aflerdarmes  und  Penis,  die  gleich- 
falls eine  sehr  derbe  muskulöse  Beschaffenheit  haben. 

In  Betreff  der  Kreislaufsorgane  bedürfen  meine 
frühern  Mitlheilungen  einer  wesenilichen  Berichtigung.  Das 
Herz  unseres  Thieres  besieht,  wie  bei  allen  Gasteropoden,  aus 


'"■)  Dasselbe  erwähnt  aucli  Cantraine  (Mem.  de  l'Acad.  de 
Brux.  T.  XVIll)  beiPh.  bucephalum,  so  dass  man  es  wohl  als  charak- 
teristisch für  diese  Form  ansehen  darf.  (Ph.  bucephalum  Soul,  in  der 
Voyagc  de  la  Bonite  Zool.  PI.  24.  Fig.  3.,  bei  dem  diese  Bildung  fehlt, 
ist  sonder  Zweifel  eine  andere,  von  dcrPcron'schen  Form  verschie- 
dene Art.) 


24S  L  e  u  c  k  a  r  t : 

einem  Vcnirikcl  und  einem  Vorhofe,  die  von  einem  zarlen 
Perirardium  umhüllt  sind  und  durch  Hülle  dieses  Pericardiums 
an  der  Innenlläche  des  Manlels  befestigt  werden. 

Die  Grundsubslanz  des  Herzens  besieht  aus  einer  glas- 
hellen   und  homogenen  Membran,  über  die  ein  schönes  Äla- 
schennelz  vcrästeller  Muskelfasern  ausgespannt  ist.  Ich  kenne 
kein  überzeugenderes  Bild  von  den  Verästelungen  und  Anasto- 
mosen der  Muskelfasern,  als  dasjenige,  welches  hier  (auch  bei 
Firola  u.  a.)  geboten  wird.      Die  Muskelfasern  bestehen  ge- 
wissermassen  aus  Stämmen  und  Zweigen;  die  erstem  bilden 
ein  gröberes,  die  andern   ein  zarteres  Netzwerk  in  den  Ma- 
schen der  erstem.    Vorhof  und  Herzkamnier  besitzen  im  We- 
sentlichen dieselbe  Bildung,  nur  ist  die  Muskulatur  der  Herz- 
kammer begreiflicher  Weise    sehr   viel  dichter.      Am  oberen 
Ende  des  Vorhofes,  der  dem  Rückenrande  zugekehrt  ist,  ge- 
hen die  Muskelfasern  desselben    ohne  Unterbrechung   in    die 
Körperwand  über.      Es    gilt   das  wenigstens    von  der  Innen- 
fläche des  Herzens,  die    an  die   Körperwand  angrenzt,  wäh- 
rend   die   gegenüberstehende  Fläche    an    ihrem   obern    Ende 
von  einer  Oeifnung  durchbrochen  ist^   durch  welche  der  Hohl- 
raum des  Herzens  mit  der  Leibeshöhle  in  freier  Communica- 
lion  steht.     Die    Grenze    zwischen  Vorhof  und   Herzkammer 
ist  durch  zwei    lippenförmige  Klappen    ausgezeichnet.     Eben 
solche  Klappen  finden  sich  am  Ostium    arleriosum   der  Herz- 
kammer, die  dem  Ostium  venosum  gegenüberliegt  und  in  eine 
ziemlich  weite  Aorta  hineinführt.     Diese  letztere  steigt  gera- 
den Weges  nach  unten  zu  herab,  kreuzt  sich  mit  dem  End- 
darme und  Iheilt   sich  unterhalb  desselben    in  einen  vordem 
und  einen  hintern  Gefässstamm,  die  beide  senkrecht  auf  der 
Aorta  aufsitzen.    Der  hintere  dieser  Stämme  ist  für  dieZwit- 
terdrüse,    der   vordere    für  den  Penis   und   die  Eiweissdrüse 
bestimmt,  für  Organe,  an  denen  man  die  Gefässe  sich  mehrfach 
verzweigen  sieht.  Histologisch  bestehen  die  Gefässe  aus  der- 
selben glashellen  Membran,  die  ich  schon  oben  bei  Gelegen- 
heit des  Herzens  erwähnt  habe.   Der  Anfangstheil  der  Aorta 
zeigt  auch  ein  Muskelnetz,  das  von  der  Muskulatur  der  Herz- 
kammer sich  abzweigt,   aber  ziemlich  bald  verloren  geht.  In 
den  spätem  Gefässen  unterscheidet  man  ausser  der  Glashaut 
nur  noch  ein  Epithelium ,    das  dieselbe  auskleidet.     Auf  der 


Kaclilrügliche  Bemcikiing.'n  über  den  Hnii  von  Thyllirlioe.     249 

Aiissenfläche  der  beiden  Haupfgefässe  verläuft  ein  ziemlich 
ansehnlicher  Nervenstamm,  der  einen  Zweig  für  die  Aorta 
abgiebt  und  in  mehrere  grössere  und  kleinere  Giinglien  an- 
schwillt. Die  lelzlern  bestehen  in  der  Regel  nur  aus  einer 
einzigen  Ganglienkugel. 

Die  lelzlen  Endigungen  der  Gefässäste  habe  ich  nicht 
beobachtet  Es  unterliegt  aber  keinem  Zweifel,  dnss  sie  durch 
freie  Oeffnungcn  mit  der  Leibeshöhle  zusammenhängen.  Ve- 
nen fehlen  unserm  Thiere.  Ihre  Stelle  wird  von  der  blutge- 
füllten Leibeshöhle  vertreten.  Hier  und  da  schien  mir  auch 
die  Grundsubstanz  des  Mantels  von  wandungslosen  Canälen 
durchzogen  zu  sein ,  in  denen  ich  freilich  vergebens  eine 
Blutbeweffung-  zu  beobachten  suchte. 

Der  Kreislauf  ist  begreiflicherweise  unter  solchen  Um- 
ständen sehr  einfach.  Er  geht  dadurch  vor  sich,  dass  das 
Blut  der  Leibeshöhle  durch  die  oben  erwähnte  Oeffnung  in 
den  Vorhof  hineintritt  und  schliesslich  wiederum  durch  die 
Enden  der  Gefässäste  in  die  Leibeshöhle  zurückkehrt. 

Was  ich  früher  bei  unserer  Phyllirhoe  als  einen  sack- 
förmigen Anhang  des  Herzens  beschrieben  habe  (Gebärmut- 
ter nach  Quoy  und  Gaimard,  Kiemenvenenslamm  nach 
Souleyet)  ist  kein  Theil  des  Blulgefässapparates,  wie  schon 
H.  Müller  ganz  richtig  bemerkt  hat.  Es  stellt  ein  sehr  ei- 
genlhümliches,  bei  vieJen  Seegasteropoden  vorkommendes 
Gebilde  *"j  dar,  das    man  gewiss  mit  vollem  Rechte   als  ein 


*)  Wie  Gegenbauer  (Ztschr.  für  wiss.  Zool.  IV.  S.335.  V. 
S.  113.),  fand  ich  dasselbe  bei  allen  untersuchten  Heteropoden  und 
Pteropoden  (Atlanta,  Carinaria,  Firola,  Firoloides,  Creseis,  Cymbulia). 
Auch  bei  Polycera  hat  G.  dieses  Gebilde  nachgewiesen.  Uebrigens 
ist  das  betreffende  Organ  schon  vorher  hier  und  da  (bei  Carinaria  seit 
Delle  Chiaje,  bei  den  Pteropoden  seit  Souleyet)  bekannt  ge- 
wesen, aber  diese  Bekanntschaft  war  nur  höchst  ungenügend  und  er- 
laubte noch  keinen  siehern  Kückschluss  auf  die  functionelle  Bedeu- 
tung. (Was  ich  über  dieses  Gebilde  beobachtet  habe  und  für  Phylli- 
rhoe hier  mitlheile,  stiinnil  im  Wesentlichen  vollständig  mit  den  An- 
gaben von  H.  Müller  und  Gegenbauer  überein  ,  obgleich  meine 
Untersuchungen  ganz  unabhängig  von  denselben  angestellt  sind.  Wenn 
es  hier  überhaupt  noch  einer  Bestätigung  bedarf,  so  wird  solche  ge- 
wiss in  dieser  Uebereinstimmung  geboten  sein.) 


250  L  e  u  c  k  a  r  t : 

nierenartiges  Excretionsorgan  bolrachtet,  das  abor 
ausserdem  auch  noch  eine  andere  wichlige  Hedeuluni»  zu 
haben  scheint.  Es  besteht  aus  einem  einfachen  Blindschlau- 
che von  ziemlich  ansehnlicher  Grösse,  der  an  seinem  Ende 
nicht  selten  etwas  kanalförmig  verdünnt  ist  und  in  der  Langs- 
achse des  Körpers  unter  dem  hintern  obern  Magenanhange 
gelegen  ist.  Die  Haut  dieses  Blindschlauches  an  sich  ist 
völlig  struclurlos,  äusserlich  aber  von  einem  zarten  Muskel- 
nelze  übersponnen.  Die  Innenfläche  trägt  eine  dicke  Epithelial- 
hige  von  ziemlich  grossen  ('/öq'")  Zellen  mit  mehr  oder  we- 
niger körnigem  Inhalte.  Das  hintere  Ende  fand  ich  einige 
Male  mit  einer  freien  körnigen  Masse  angefüllt  und  von  weis- 
sem Aussehen.  Alles  das  sind  Verhältnisse ,  die  auf  eine 
excrelorische  Bedeutung-  hinweisen.  Auch  die  kraftlosen  Con- 
traclionen,  welche  man  von  Zeit  zu  Zeit  an  dem  Schlauche 
wahrnimmt,  werden  sich  leicht  mit  solcher  Ansicht  vereini- 
gen lassen.  Die  Deutung  scheint  völlig  gesichert,  wenn  man 
endlich  sieht ,  dass  das  vordere  Ende  eine  unverkennbare 
stark  wimpernde  Oelfnung  besitzt. 

Als  ich  das  fragliche  Organ  zuerst  beobachtete  ,  da 
zweifelte  ich  keinen  Augenblick^  die  Niere  und  ausschliess- 
lich die  Niere  von  Phyllirhoe  gefunden  zu  haben.  Aber 
bald  mussle  ich  mich  überzeugen,  dass  die  Körperbedeckun- 
o-on  ohne  Unterbrechung  über  die  vordere  Oelfnung  fortlie- 
fen, dass  die  flimmernde  Oelfnung  nicht  auf  die  äussere  Kör- 
perfläche ,  wie  ich  Anfangs  glaubte,  sondern  auffallender 
Weise  in  den  Pericardialraum  ausmünde.  Die  ßeobachtun- 
g^n  vonSouleyet,  auch  meine  eigenen  früheren  Angaben, 
nach  denen  ein  Zusammenhang  zwischen  unserm  Sclilauch  und 
dem  Herzen  bestehen  sollte,  erwiesen  sich  also  als  richtig, 
obgleich  die  Art  dieses  Zusammenhanges  nur  unvollständig  er- 
kannt war.  Aber  diese  eben  beschriebene  vordere Oefl'nung 
ist,  wenn  auch  die  auffallendste,  doch  nicht  die  einzige,  die 
unserm  Schlauche  zukommt.  Ausser  ihr  existirt  noch  eine 
andere,  die  die  äussere  Körperwand  durchbricht  und  in  der 
Nähe  des  Afters  (etwa  vor  und  über  demselben)  gefunden 
wird.  Sie  führt  etwa  in  der  Mitte  des  Schlauches  durch 
Hülfe  eines  kurzen  (schon  früher  von  mir  abgebildeten)  Auf- 
satzes   nach  Aussen.      Sonder    Zweifel    wird    diese   Oeünunir 


Kachlrägliche  Heinei Rungen  über  den  Bau  von  Phylliihoe«     251 

zum  Ausleeren  der  Excretionsstoffe  bestunmt  sein.  Aber 
wozu  denn  noch  die  zweite  vordere  Oeffnung,  der  Zusam- 
menhang mit  dem  Herzbeutel? 

Auf  diese  Frage  giebt  es  nach  meinem  Erachten  nur 
eine  Antwort,  und  diese  Antwort  liegt  in  der  Thatsache,  dass 
der  Pericardialraum  durch  Hülfe  des  betreffenden  Organes 
mit  der  äussern  Körperobertläche  in  unmittelbarem  Zusam- 
menhange steht.  Durch  Hülfe  des  betreffenden  Organes  kann 
der  Pericardialraum  mit  Wasser  gefüllt  werden  und  zwar  um 
so  leichter,  als  ja  der  ganze  Schlauch  in  hohem  Grade 
contractu  ist.  Der  Flimmeibesatz  an  der  Verbindungsstelle 
mit  dem  Pericardium  mag  dann  die  Bestimmung  haben,  die 
festen,  dem  Wasserstrome  etwa  beigemischten  Körperchen  zu- 
rückzuweisen. Ich  habe  mich  übrigens  vergebens  beniühcf, 
das  Einströmen  von  Wasser  in  den  Pericardialraum  direct  zu 
beobachten.  Der  Pericardialraum  schien  mir  immer  ziem- 
lich enge  und  ohne  auffallende  Veränderung  seines  Volumens. 
Aber  dieses  negative  Resultat  spricht  nicht  gegen  die  Exi- 
stenz einer  Wasseraufnahme  überhaupt  und  wird  sich  erklä- 
ren lassen,  sobald  der  etwaige  Ziifluss  durch  einen  entspre- 
chenden und  gleichzeitigen  Abfliiss  balaiicirt  wird.  Wenn  der 
betreffende  Schlauch  also  wirklich  neben  seiner  excretori- 
schen  Bedeutung  noch  die  ßesliminung  einer  direclen  Was- 
seraufnalinie  hat,  wie  sie  bekanntlich  bei  sehr  vielen  niede- 
ren Thieren  slallfiiKiet  *" ) ,  hier  und  da  auch  schon  lür  die 
Schnecken  behauptet  -••■'')  ist ,  so  muss  das  aufgenommene 
Wasser  auf  irgend  einem  Wege  schnell  wiederum  abfliessen. 
Die  Existenz  solcher  Abflussstellen  ist  schon  von  H.Müller 
beschrieben  worden  Die  Maschenräume,  die  zwischen  ;den 
Muskelbaiken  des  Vorhofs  überbleiben  ,  erscheinen  an  man- 
chen Stellen  durch  Schwund  der  homogenen  Grundsubstanz 
lies  Herzens  als    förmliche   Substanzlücken.      Es    entsteht    auf 


*)  Ueber  den  physiologischen  Werth  dieser  sonderbaren  Ein- 
richtung darf  ich  hier  wohl  auf  meine  Ben-.erlunigcn  in  der  vergl.Anat. 
und  l'hysiol.  von  Bergmann  und  Leuckart  S.  282  11".  verweisen. 

*■-)  So  namentlich  von  van  Beneden  in  Froriep's  N.  Kot. 
Bd.  34.  S.  2.  u.  Bd.  37.  S.  65.  Bei  Paludina  soll  die  Wasseraufnahnie 
nach  Lcydig  (Ztschr.  für  wiss.  Zool.  II.  S.  177.)  sogar  gleichfalls 
durch  Vermillhing  der  ISicre   vor  sich  gehen. 


252     Leuckart:  KRchliägliche  Bemerk,  üb.  d.  Bau  v.  Phyllirhoe. 

solche  Weise  eine  direcle  Commiinication  zwischen  dem  Herz- 
raum und  dem  Pericardiahaum,  und  durch  diese  Oeffnungcn 
wird  nun  sonder  Zweifel  das  von  der  Niere  eingepumpte 
Wasser  seinen  Abfluss  finden,  um  sich  unmittelbar  dem  farb- 
losen Blute  beizumischen. 

Die  Zwitterdrüse  von  Ph.  bncephalum  habe  ich, 
wie  C  antra  ine,  immer  nur  in  zwei  nierenförmige  Ballen 
gethcilt  angetroffen,  nicht  in  drei,  wie  es  bei  den  übrigen 
exotischen  Arten  die  Regel  zu  sein  scheint.  Beide  bestehen, 
wie  ich  jetzt  hinzufügen  will,  aus  verästelten,  ziemlich  wei- 
len Schläuchen,  die  von  dem  Ende  des  Zwitterdrüsenganges 
ausgehen  und  mit  zahlreichen  kurzen  und  weiten,  halbkugel- 
förmigen Ausstülpungen  besetzt  sind.  Die  Eier  nehmen  nur 
die  oberflächlichen  Schichten  der  Drüse  ein,  wie  ich  schon 
früher  benierkte.  Sie  liegen  in  einfacher  Lage  auf  der  In- 
nenwand der  halbkugelförmigen  Säcke,  waren  aber  bei  allen 
meinen  Exemplaren  noch  unentwickelt  und  ohne  Dotterhaut. 
Nichts  desto  weniger  zeigten  die  Samenfäden  bereits  ihre 
volle  Ausbildung  '""j.  Sie  erfüllten  in  dicht  gedrängten  Mas- 
sen die  Schläuche  der  Zwitterdrüse,  fanden  sich  auch  hier 
und  da  in  dem  Innenraume  der  peripherischen  Säcke,  ohne 
von  den  Eiern  (wie  man  nach  der  bekannten  Darstellung  von 
11.  Meckel  vielleicht  verniulhen  könnte)  durch  eine  beson- 
dere Haut  gelrennt  zu  sein.  Nach  Form  und  Bildung  stim- 
men die  Samenfäden  von  Phyllirhoe  mit  denen  der  Nacklkie- 
mer  überein.  Sie  sind  lange  C/V)  stäbchenförmige  Fäden 
mit  leichter  Spiralwindung  und  ohne  Kopfanschwellung,  wie 
sie  bei  den  Heteropoden  vorkommt. 


*)  Aehnliclies  liabe  ich  auch  bei  andern  Zwitterschnecken  be- 
merkt, am  auffallendsten  bei  Cymbulia,  bei  der  man  sogar  mit  Recht 
von  einer  eignen  männlichen  und  weiblichen  Brunstperiode  sprechen 
kann. 


lieber  eleu  Baucli§aug;napf  ui&ft  die  Copula« 
tiofiisorg;aiie   bei  Firola  uiifl   Firoloides. 


Von 
l>r»  Rud«  lieuckartt 


Es  ist  eine  bekannte,  von  allen  Beobachtern  angemerkte 
Thalsache,  dass  der  Bauchsaugnapf  von  P'irola  (u.FiroIoides) 
bei  sehr  vielen  Exemplaren  vermisst  wird.  Man  glaubt,  dass 
er  zufällig  verloren  gegangen  sei.  Diese  Annahme  ist  un- 
richtig. Der  Bauchsaugnapf  bei  diesen  Thieren  (nicht  bei 
Carinaria)  ist  eine  Geschlechtsauszeichnung  der  männlichen 
Individuen.  Unter  mehreren  Hunderlen  von  Exemplaren 
(Firola  coronala^,  F.  Fredericiana^  F.  mutica,  Firoloides  Lesu- 
eurii)  habe  ich  ihn  niemals  bei  den  Männchen  vermisst^  nie- 
mals bei  den  Weibchen  aufgefunden.  Die  Bedeutung  des 
Bauchsaugnapfes  wird  sich  unter  solchen  Umständen  wohl 
nur  auf  das  Begattungsgeschäft  beschränken. 

Die  Männchen  der  Firoloidcn  kann  man  übrigens  auch 
abgesehen  von  dem  Bauchsaugnapf  leicht  an  dem  ansehnli- 
chen Penis  erkennen,  der  an  der  rechten  Seite  (das  Thier 
mit  dem  Fusse  nach  unten  gedacht)  in  der  Nähe  das  Nucleus 
herabhängt  und  wie  bei  Carinaria  zweigespalten  ist.  Form 
und  Bedeutung  dieser  beiden  Penishälflen  sind  sehr  verschie- 
den. Wahrscheinlich  dient  nur  die  eine  kürzere  und  löffeU 
förmige  Hälfte  zur  Begattung,  die  andere  geisseiförmige  da- 
gegen von  Uebertragung  der  Samenmassc  in  die  erstere. 
Der  Penis  ist  nach  meinen  Untersuchungen  von  der  äusseren 


254     Leuckart:  Ueh.    den  Bauchsaugnapf  bei  Firola  u.  Firoloides. 

Geschlechlsöffnung  abegtrennnt,  wie  bei  den  Spinnen  und  (was 
ich  mit  Vogt  und  Verany  wenigstens  für  Octopus  Carena 
behaupten  muss)  bei  den  Hectocolyliferen.  Die  männliche 
Geschlechtsöffnung  findet  sich  an  derselben  Stelle ,  wo  man 
bei  den  Weibchen  schon  längst  die  Mündungsstelle  der  Geni- 
talien gekannt  hat*). 


*)  Das  Nähere  hierüber,  wie  überhaupt  über  den  Bau  der  Hc- 
teropoden,  werde  ich  indem  zweiten  Hefte  meiner  „zoologischen  Un- 
tersuchungen"  Giessen  1853.  mittheilen. 


lieber  die  Gehörwerkzeuge  der  IiLreb$>e. 

Von 
IBr«  Riitl.    lieuckart« 


In  den  Philosophical  Transaclions  für  1843  hat  A.  Farre 
(p.  233)  bekanntlich  den  Nachweis  versucht,  dass  das  zuerst 
von  R  0  s  e  n  t  h  a  1  (Reil's  Arch.  181 1.  Bd.  X.  S.  433)  bei  dem 
Flusskrebs  und  dem  Hummer  an  der  Basis  der  innern  An- 
tennen aufgefundene,  für  ein  Geruchswerkzeug-  gehaltene  Bläs- 
chen die  Bedeulung  eines  Gehörorganes  habe.  Die  Ansicht 
von  Farre  hat  indess  keinen  Anklang  gefunden.  Man  musste 
sich  freilich  überzeugen,  dass  dieses  Gebilde  eine  allgemei- 
nere Verbreitung  habe,  als  man  früher  annahm  —  Farre 
beschrieb  es  auch  bei  Palinurus  und  Pagurus,  während  von 
Siebold  (vergl.  Anat.  S.  441)  zufügt,  dass  er  es  gleich- 
falls beiPalaeinon,  Nephrops  und  Maja  erkannt  habe — ,  aber 
nichts  desto  weniger  glaubte  man  es  nach  wie  vor  als  Ge- 
ruchswerkzeug betrachten  zu  dürfen  und  bei  der  älteren, 
schon  von  Fabricius  und  Scarpa  ausgesprochenen  An- 
sicht verharren  zu  müssen,  dass  das  Gehörorgan  der  Deca- 
poden  in  dem  Basalgliede  des  äussern  Fühlerpaares  gelegen 
sei.  Selbst  die  Angabe  von  Farre,  dass  das  innere  Bläs- 
chen nach  Art  der  Gehörorgane  eine  Anzahl  fester  Concre- 
tionen  im  Innern  enlhalte,  konnte  die  Gegner  seiner  Ansicht 
nicht  überzeugen.  Halle  doch  Farre  selbst  diese  Concre- 
tionen  nur  für  „Hülfsotolithen"  ausgegeben,  die  nicht  im  In- 
nern des  Gehörorganes  entständen,  sondern  nur  zufällig  durch 
die  äussere,    auf  der    obern  Fläche  (k^s    Fühlergliedes  gele- 


256  Leuckart: 

gene  spaltförmige  Ocffnung  des  Bläschens  in  dasselbe  hin- 
eingelangten. 

Trotz  allem  Widerspruch  ist  die  Deutung  von  Farre 
indessen  die  richtige.  Es  giebt  nicht  bloss  eine  An- 
zahl von  Krebsen,  bei  denendasBläschen  in  dem 
Basalgliede  der  innern  Antennen  nach  Form, 
Bau  und  Inhalt  mit  dem  Gehörorgane  anderer 
niederer  Thiere  vollständig  übereinstimmt, 
sondern  auch  Uebergangsformen  zwischen  die- 
ser Bildung  und  dem  gewöhnlichen  sogenann- 
ten Geruchsorgane. 

Bereits  in  demselben  Jahre,  in  dem  die  Beobachtungen 
von  Farre  publicirt  wurden,  machte  Souleyct  in  einer 
kurzen  Notiz  (Compt.  rend.  1843.  p.  665)  darauf  aufmerk- 
sam, dass  das  sonderbare  Crustaceengenus  Leucifer  (das  man 
mit  den  übrigen  Schizopoden  und  Bipeltaten  gewiss  nur  mit 
Unrecht  in  die  Ordnung  der  Stomatopoden  stellt)  an  der  Ba- 
sis der  innern  Fühler  einen  kleinen  runden  und  glänzenden 
Körper  enthalte,  der  in  jeder  Hinsicht  mit  dem  Otolilhen  der 
Heteropoden  und  anderer  Mollusken  übereinstimme.  Später 
hat  Huxley  diese  Beobachtung  von  Souleyet  vollständig 
bestätigt.  Er  hat  (Ann.  of  nat.  bist.  1851.  Vol.  VlI.  p.  304) 
gezeigt,  dass  dieser  Körper  von  einem  völlig  geschlossenen 
Bläschen  umgeben  sei,  wie  der  Otolith  der  Mollusken  —  mit 
andern  Worten  gezeigt,  dass  Leucifer  in  dem  Basalgliede 
seiner  innern  Antennen  ein  Organ  enthalte ,  das  man  nach 
aller  Analogie  als  Gehörwerkzeug  betrachten  müsse.  Der 
Ololilh  von  Leucifer  ist  allerdings  ohne  Bewegung,  allein 
dasselbe  gilt  ja ,  wie  wir  wissen  ,  auch  für  manche  andere 
Thiere  und  kann  uns  überdies  bei  den  Crustaceen  am  we- 
nigsten überraschen,  da  dieselben  bekanntlich  ohne  Flimmer- 
haare sind  und  mit  den  Wimpern  zugleich  derjenigen  Gebilde 
entbehren,  durch  die  sonst  die  Oscillationen  der  Ololithen 
unter  hallen  werden. 

Zu  gleicher  Zeit  hat  Huxley  nun  aber  auch  den  Nach- 
weis geliefert,  dass  Leucifer  nicht  der  einzige  Krebs  mit 
Oloiilh  sei.  Auch  bei  einer  kleinen  durchsichligen  Palaemon- 
art  aus  der  Südsee  hat  Huxley  an  derselben  Stelle,  wie  bei 
Leucifer,    in     einem    Gehörbläschen    einen  Otolilhen    ange- 


Ueber  die  Gehörwerkzeuge  der  Krebse.  257 

troffen.  Nur  zeigte  das  Gehörbläschen  dieses  Thieres  insofern 
eine  Abweichung ,  als  es  nicht  vollständig  geschlossen  war, 
wie  bei  Leucifer,  sondern  durch  eine  schmale  Spaltöffnung 
nach  Aussen  führte.  NachHuxley  befindet  sich  diese  Spalte 
am  Aussenrande  des  Basalgliedes ,  zwischen  ihm  und  dem 
schuppenartigen  starken  Dorne,  der  sich  —  wie  bei  vielen 
andern  Decapoden  —  hier  an  das  Basalglied  ansetzt. 

Mit  Recht  sieht  Huxley  in  dieser  Bildung  den  Ueber- 
gang  zudem  sogenannten  Geruchswerkzeuge  der  Decapoden; 
mit  Recht  zieht  derselbe  aus  seiner  Beobachtung  den  Schluss, 
dass  dieses  sogenannte  Geruchswerkzeug  mit  A.  Farre  als 
Gehörorgan  zu  deuten  sei. 

Wenn  ich  mich  hier  so  entschieden  für  die  Richtigkeit 
der  Huxley'schen  Auffassungsweise  ausspreche,  so  geschieht 
das  auf  Grund  von  zahlreichen  eigenen  Beobachtungen ,  die 
ich  über  denselben  Gegenstand  angestellt  habe.  Ich  habe 
eine  Anzahl  von  grössern  und  kleinern  Decapoden  in  Bezug 
auf  das  fragliche  Organ  untersucht  und  bin  zu  der  Ueber- 
zeugung  gekommen,  dass  die  Bedeutung  desselben  nicht  län- 
ger zweifelhaft  sein  kann. 

Das  Gehörorgan  der  Decapoden  ist  wirklich,  wie  schon 
Huxley  andeutet,  nach  einem  zwiefachen  Typus  gebaut.  Es 
ist  bald  ein  völlig  geschlossenes  Bläschen  mit  nur  einem  ein- 
zigen sphärischen  Otolithen ,  bald  durch  eine  Spalte  nach 
Aussen  geöffnet  und  dann  in  der  Regel  mit  zahlreichen  klei- 
nen Concrementen  von  unregelmässiger  Gestalt  versehen. 
Vielleicht  sind  diese  Concremente  (wenigstens  in  manchen 
Fällen)  nur  durch  das  Zerfallen  eines  ursprünlich  einfachen 
Otolithen  entstanden,  jedenfalls  aber  nicht  von  Aussen  in 
das  Bläschen  hineingekommen  *"  j ,  sondern  als  integrirende 
Elemente  des  Gehörorgans  zu  betrachten. 


^''')  Gegen  eine  solche  Annahme  spricht  nicht  bloss  das  ganz 
constante  Vorkommen  der  Steinchen,  sondern  auch  die  Beschaffenheit 
der  äussern  Ohröffnung,  die  bald  zu  schmal  scheint,  um  solche  Con- 
cremente hineinzulassen,  bald  auch  gegen  den  Eintritt  fremder  Kör- 
per mit  besondern  haarartigen  Bildungen  versehen  ist.  Farre  be- 
trachtet die  Concremente  nur  deshalb  als  Sandkörner  (Quarz) ,  weil 
sie  in  Säuren  unlöslich  seien.  Es  gilt  das  aber  nur  von  schwächern 
Säuren,  wie  Essigsäure  u.  dergl.  Von  concentrirter  Schwefelsäure 
Archiv  f,  Naturgesch.  XIX.  Jahrg.  l.Bd.  17 


25ß  Leuckart: 

Für  den  ersten  dieser  beiden  Typen  kann  ich  hier  noch 
zwei  neue  Fälle  anführen.  Der  eine  betrifft  einen  kleinen^ 
den  Uebergang  zu  den  Schizopoden  vermittelnden  Krebs,  den 
ich  für  neu  halle  und  mit  dem  Namen  Mastigopus  spinosus 
bezeichnen  will  "'•) ,  der  andere  die  bekannte  Hippolyfe  vi- 
ridis des  Mittelmeeres. 

Bei  Mastigopus  haben  die  Glieder  der  Innern  Antennen 
ohne  Ausnahme  eine  cylindrische  Gestalt.  Das  Grundglied 
ist  nur  durch  eine  ansehnlichere  Länge  und  eine  etwas  be- 
trächtlichere Dicke  ausgezeichnet ,  so  wie  dadurch,  dass  es 
an  seinem  Aussenrande  dicht  vor  der  Wurzel  mit  einem  kur- 
zen und  dicken  Zahnforlsatze  versehen  ist.  Offenbar  ent- 
spricht dieser  Zahnfortsatz  dem  schuppenförmigen  Dorne,  den 


v^rerden  dieselben  unter  Gasentwicklung  angegriffen ,  nach  und  nach 
auch  (freilich  nur  langsam  und  unvollständig)  aufgelöst.  In  der  Lö- 
sung bilden  sich  die  bekannten  spiessförmigen  Gypskrystalle.  Die 
chemische  Zusammensetzung  ist  also ,  im  Wesentlichen  wenigstens, 
wie  bei  den  Otolithen  der  übrigen  Thiere. 

*)  Von  den  Caridinen,  mit  denen  dieses  Thierchen  (3'"  ohne 
Fühler)  seiner  Körperform  nach  übereinstimmt,  unterscheidet  es  sich, 
wie  die  Schizopoden,  durch  den  Mangel  der  Kiemen  ,  von  den  Schi- 
zopoden dagegen  durch  seine  einfachen  Schwimmfüsse.  Die  Stirn  ist 
abgerundet  und  buckeiförmig,  die  Augenstiele  sind  sehr  lang  (betra- 
gen reichlich  ein  Viertel  der  ganzen  Körperlänge) ,  die  innern  und 
äussern  Antennen  fadenförmig,  die  Augenstiele  noch  beträchtlich  über- 
ragend. Die  Schuppe  der  äussern  Antennen  lanzettförmig  ,  von  der 
Länge  der  Augenstielc.  Fünf  lange  und  dünne  Fusspaare,  ohne  Schee- 
len und  Klauen,  mit  Scinvimmborsten  besetzt.  Die  vordersten  Füsse 
sind  die  kürzesten,  hakenförmig  nach  innen  zu  gekrümmt.  Schwanz 
kräftig,  aus  sechs  Segmenten  zusammengesetzt.  Die  fünf  vordem 
Segmente  mit  langen  nach  vorn  gerichteten  Afterfüssen  ,  die  gleich- 
falls Ruderborsten  tragen.  Das  sechste  Segment  ist  ohne  Anhänge, 
von  cylindrischer  Gestalt  und  sehr  beträchtlicher  Länge,  fast  so  lang, 
als  die  fünf  vordem  Segmente  zusammengenommen.  Die  Seitenblät- 
ter der  Schwanzflosse  lanzettförmig,  von  der  Länge  des  vorhergehen- 
den Segmentes,  das  Mittelstück  von  halber  Länge  und  konischer  Form, 
mit  einem  spitzen  Enddorn  und  symmetrischen  Seitendomen  versehen. 
Auf  einem  frühern  Stadium  (noch  bei  ^Va'")  trägt  unser  Thierchen 
gespaltene  Ruderfüsse  und  zahlreiche  mächtig  entwickelte  Haare  von 
brsten  -  und  federf örmiger  Gestalt  an  den  verschiedensten  Körper- 
sellen. 


Üeber  die  Gehörwerkzeuge  der  Krebse.  259 

man  sonst  bei  den  Decapoden  gewöhnlich  an  dieser  Stelle 
antrifft.  Der  Innenraum  des  Zahnes  geht  ohne  alle  Grenzen 
in  die  Röhre  des  Basalgliedes  über,  ist  aber  nicht  mit  Mus- 
kelsubstanz ausgefüllt ,  sondern  enthält  ein  helles  Bläschen 
von  V20'"  niit  einem  schönen  sphärischen  Otolithen  von  V37'". 
Der  Otolith  ist  glashell  und  ganz  homogen,  ohne  concentri- 
sche  und  radiäre  Streifung,  klüftet  aber^  wie  gewöhnlich,  bei 
stärkerem  Drucke  in  mehrere  Stücke  von  keilförmiger  oder 
unregelmässiger  Gestalt.  Gegen  schwächere  Säuren  ist  der- 
selbe unempfindlich.  Die  Haut  des  Bläschens  besteht  —  nach 
Aussehen  und  Verhallen  gegen  Kali  zu  urtheilen  —  aus  Chi- 
tinsubstanz und  scheint  mit  den  Wandungen  der  Antennen 
fest  zusammen  zu  hängen.  Der  Innenraum  des  Bläschens  ist 
aber  nicht  desto  weniger  völlig  geschlossen. 

Man  sieht,  es  handelt  sich  hier  um  Verhältnisse,  wie 
sie  nach  Soul  ey  et  undHuxley  auch  beiLeucifer  vorkom- 
men. In  beiden  Fällen  eine  wesentliche  Uebereinstimmung 
des  betreffenden  Organes  mit  den  Gehörwerkzeugen  der  übri- 
gen niedern  Thiere.  Da  beide  Krebse  auch  in  systematischer 
Beziehung  einander  nahe  stehen,  so  möchte  man  wohl  ver- 
muthen  dürfen,  dass  dieselbe  Bildung  noch  weiter  unter  je- 
nen sonderbaren  Krebsformen  verbreitet  sei,  die  an  der  un- 
tersten Grenze  des  Decapodentypus  stehen  *"*). 

Das  Gehörorgan  von  Hippolyle  viridis  hat  eine  ganz 
entsprechende  Lage,  nicht  in  dem  Körper  des  Basalgliedes, 
sondern  in  der  äusseren  Seitenschuppe,  die,  wie  schon  er- 
wähnt wurde,  trotz  ihrer  grössern  Selbstständigkeit  dem 
äussern  Seitendorne  bei  Mastigopus  entsprechen  dürfte.  Es 
nimmt  etwa  die  Mitte  dieser  Seitenschuppe  ein,  die  hier  mit 
ihrer  Spitze  bis  zum  Ende  des  Basalgliedes  emporragt.     Ge- 


*)  Bei  Weingeistexemplaren  von  Phyllosoma  habe  ich  freilich 
vergebens  nach  einem  Gehörorgan  gesucht.  Dagegen  zeigen  diese 
Thiere  sehr  deutlich  jenes  zweite,  an  der  Basis  der  äussern  Antennen 
gelegene  Säckchen  ,  das  man  früher  mit  Unrecht  als  Gehörorgan  an- 
sah (Geruchswerkzeug?).  Mysis  aber  besitzt  — wie  es  scheint,  in 
allen  Arten  —  ein  deutliches  Gehörorgan  mit  sphärischem  Otolithen 
und  geschlossener  Blase  ,  wie  die  verwandten  Formen  ;  nur  ist  hier 
die  Lage  desselben  sehr  abweichend.  Vergl.  hierüber  die  spätere 
Bemerkung  am  Schlüsse  dieses  Aufsatzes. 


260  L  e  u  c  k  a  r  t : 

hörbläschen  und  Otolith  (etwa  Vis'")  sind  übrigens  beträcht- 
lich grösser^  als  in  dem  vorher  beschriebenen  Falle.  Auch 
das  Aussehen  des  Otolithen  ist  etwas  anders.  Die  Oberflä- 
che desselben  ist  nicht  glatt,  sondern  von  zahlreichen,  netz- 
förmig sich  durchkreuzenden  Furchen  durchzogen,  die  als 
dünne  Risse  bis  weit  in  die  Substanz  des  Otolithen  hinein- 
dringen. Bei  unvorsichtigem  Drucke  weichen  die  einzelnen 
Stücke,  die  von  diesen  Rissen  begrenzt  werden  ,  aus  einan- 
der :  der  Otolith  zerfällt  in  einen  Haufen  grösserer  und  klei- 
nerer Concretionen  von  unregelmässiger  und  manchfach  va- 
riirender  Bildung.  Was  aber  sonst  den  Bau  der  Gehöror- 
gane, die  Kapsel  u.  s.  w.  anbetrifft,  so  zeigt  sich  hierin  eine 
völlige  Uebereinstimmung  mit  dem  Verhalten  bei  Masligopus. 

Die  zweite  Form  des  Gehörorganes  habe  ich  —  Asta- 
cus  und  Palinurus  ungerechnet  —  bei  vier  Arten  des  Genus 
Palaemon  (bei  allen,  die  ich  untersuchte),  so  wie  bei  Pasi- 
phaea  sivado  beobachtet.  In  allen  diesen  Krebsen  —  und  so 
ist  es  bekanntlich  auch  bei  Astacus,  Palinurus,  Pagurus  u.  a. 
—  liegt  das  Gehörbläschen  in  dem  Basalstück  der  Innern 
Antennen  und  zwar  beständig  in  der  untern  Hälfte  dessel- 
ben, wo  es  in  der  Regel  schon  bei  äusserlicher  Betrachtung 
als  ein  opaker  Fleck  von  ziemlich  ansehnlicher  Grösse  hin- 
durchschimmert. 

Betrachten  wir  zunächst  und  vorzugsweise  als  Beispiel 
dieser  Bildung  das  Gehörorgan  von  Palaemon.  Bei  Palaemon 
squilla  besteht  der  Inhalt  desselben,  wie  in  den  früher  be- 
schriebenen Fällen,  wie  auch  bei  der  Huxley'schen  Art, 
aus  einem  einfachen  sphärischen  Otolithen,  der  sich,  abge- 
sehen von  seiner  Grösse  (er  misst  fast  \'i^"')^  nur  dadurch 
auszeichnet,,  dass  er  noch  leichter  zerfällt,  als  bei  Hippolyte, 
und  auch  schon  vor  dem  Zerfallen  die  deutlichsten  Klüftungs- 
spalten  zeigt.  Bei  P.  treillianus  und  serratus  kann  man  da- 
gegen kaum  noch  von  einem  einfachen  Otolithen  sprechen. 
Statt  einer  zusammenhängenden  Masse  findet  man  hier  im 
Innern  des  Gehörbläschens  nur  noch  einen  Haufen  von  un- 
regelmässig begrenzten ,  grössern  und  kleinern  Steinchen, 
die  sogleich  bei  der  Berührung  auseinander  fallen  und  schon 
im  unverletzten  Zustande  nicht  selten  durch  den  ganzen  In- 
nenraum des  Bläschens  zerstreut  sind.     Nach  Aussehen  und 


üeber  die  Gehörwerkzeuge   der  Krebse.  261 

chemischem  Verhalten  findet  sich  übrigens  keinerlei  Unter- 
schied zwischen  diesen  Steinchen  und  den  isolirten  Bruch- 
stücken des  Otolilhen  von  P.  squilla.  Eben  solche  Stein- 
chen habe  ich  auch  bei  einer  sehr  grossen  indischen  Palae- 
monart  vorgefunden ,  nur  war  hier  die  Masse  derselben  so 
beträchtlich ,  dass  sie  leicht  einen  Haufen  von  y/"  bilden 
möchten. 

Das  Gehörbläschen,  das  die  Concremente  einschliesst, 
hat  seine  frühere  regelmässig  sphärische  Gestalt,  wie  (vergl. 
Farre)  bei  den  übrigen  höhern  Decapoden,  verloren.  Es 
ist  an  seiner  Aussenfläche  abgestumpft  und  an  den  Enden 
dieser  Fläche ,  namentlich  oben ,  in  einen  kurzen  Fortsatz 
ausgezogen  *),  der  allmählig  mit  dem  äussern  Röhrenskelet 
der  Antennen  zu  verschmelzen  scheint.  Durch  eine  nähere 
Untersuchung  wird  man  sich  überhaupt  bald  überzeugen, 
dass  das  Gehörbläschen  unserer  Thiere  nicht  frei  und  lose 
im  Innern  des  Basalgliedes  liegt ,  auch  nicht  etwa  bloss  an 
einzelnen  beschränkten  Stellen  mit  dem  Skelet  desselben  zu- 
sammenhängt, sondern  mit  seiner  ganzen  obern  Fläche  fest- 
gewachsen ist.  Man  kann  die  untere  Wand  des  Basalgliedes 
vollständig  abtragen,  ohne  das  Gehörbläschen  zu  berühren, 
die  Muskelmasse ,  die  dasselbe  umgiebt,  mit  Leichtigkeit  ent- 
fernen und  so  nun  den  ganzen  Apparat  in  seiner  natürlichen 
Lage  frei  untersuchen.  Das  Gehörbläschen  hängt  gewisser- 
massen  nestförmig  von  der  obern  Decke  des  Basalstückes 
in  den  Innenraum  hinein.  Es  ist  dasselbe  ,  wenn  man  will 
—  und  die  chemische  Uebereinstimmung  zwischen  Bläschen- 
wand und  Skelet  spricht  nur  zu  Gunsten  einer  solchen  An- 
nahme —  nichts  Anderes ,  als  eine  Lamelle  des  Antennen- 
skelets,  die  sich  bläschenförmig  nach  Innen  abgehoben  hat. 
Die  oben  erwähnten  Fortsätze  erscheinen  als  blosse  Ausläu- 
fer des  Bläschens,  gewissermassen  als  Leisten,  die  noch  eine 
Strecke  weit  auf  dem  Boden  der  Anheftungsfläche  hinkrie- 
chen und  vielleicht  nur  zu  einer  stärkern  Befestigung  die- 
nen mögen. 

Auf  den   ersten  Blick   scheint    das    Gehörbläschen  der 


^•')  In  anderen  Fällen  ist  der    untere  Fortsatz   grösser,  wie  bei 
Astacus  ,  wo  Farre  denselben  für  das  Rudiment  einer  Cochlea  hält. 


262  Leuckart: 

kleinern  Palaemonarten  vollständig  geschlossen  zu  sein ,  wie 
das  Gehörbläschen  von  Leucifer ,  Mastigopus  u.  s.  w.  Trotz 
diesem  Anschein  habe  ich  mich  indessen  auf  das  Bestimm- 
teste vom  Gegentheil  überzeugen  können.  Es  ist  mir  frei- 
lich unmöglich  gewesen,  den  von  Huxley  beschriebenen 
Längsschlitz  aufzufinden ,  der  am  äussern  Rande  des  Basal- 
gliedes vorkommen  soll  —  ich  darf  die  Abwesenheit  dieser 
Oeffnung  bei  den  beobachteten  Formen  um  so  entschiedener 
behaupten,  als  der  Aussenrand  des  Gehörblärchens  hier  eine 
ziemliche  Strecke  weit  von  der  Wand  der  Antennen  entfernt 
bleibt  — ,  aber  dafür  besitzt  unser  Gehörbläschen  einen  Quer- 
spalt, der  die  obere  Wand  des  Basalgliedes  durchbricht  und 
eine  directe  Communication  zwischen  dem  Innenraume  des 
Bläschens  und  dem  äussern  Medium  herstellt.  Dieser  Spalt 
nimmt  etwa  die  Mitte  des  Gehörbläschens  ein,  liegt  aber 
nicht  frei  zu  Tage,  sondern  wird  von  einer  klappenförmigen 
Querleiste  bedeckt,  die  ihren  freien  Rand  nach  Vorn  kehrt 
und  nach  Aussen  ohne  Weiters  in  den  Seitendorn  des  Basal- 
stückes  sich  fortsetzt.  Bei  P.  treillianus  misst  diese  Spalte  nur 
etwa  Yiä'",  bei  der  oben  erwähnten  indischen  Art  ist  dieselbe 
indessen  so  weit,  dass  man  bequem  eine  dünnere  Sonde 
hineinbringen  kann.  Das  Gehörbläschen  hat  hier  reichlich 
den  Durchmesser  von  l'",  während  es  sonst  kaum  '72'"  misst. 

Bei  den  kleineren  Arten  ist  die  Innenfläche  des  Gehör- 
bläschens völlig  glatt  und  eben.  Anfangs  glaubte  ich  frei- 
lich denselben  Haarbesatz  wahrzunehmen,  den  Huxley  bei 
seiner  Art  beschreibt,  allein  ich  überzeugte  mich  später,  dass 
diese  Haare  —  eine  Längsreihe  bogenförmig  gekrümmter 
Querborsten  —  auf  dem  Skelet  des  Basalgliedes  äusserlich 
aufsassen.  Bei  dem  grossen  indischen  Palaemon  finde  ich 
dagegen  im  Grunde  des  Bläschens  ausser  zahlreichen  kleinen 
Spitzen  eine  Bogenreihe  von  grösseren  Borsten,  wie  sie  von 
Farre  bei  den  Arten  des  Genus  Astacus  beobachtet  ist.  Da- 
gegen fehlen  auch  hier  die  Haare,  die  sonst  an  der  Oeffnung 
vorkommen.  Die  Entwicklung  der  Klappe  hat  dieselbe  off'en- 
bar  überflüssig  gemacht. 

Die  Gehörorgane  von  Pasiphaea  schliessen  sich  nach 
Form  und  Bildung  in  so  hohem  Grade  an  die  eben  beschrie- 
nen  Verhältnisse  an,  dass  eine  speeiellere  Darstellung  füglich 


Ueber  die  Geliörwerkzeuge  der  Krebse.  263 

unterbleiben  kann.  Ich  will  nur  hervorheben,  dass  das  Ge- 
hörbläschen von  beträchtlicher  Weile  ist,  während  der  Oto- 
lith  verhältnissmässig  nur  klein  bleibt  (Vio'"}«  Ich  sah  den- 
selben bald  einfach,  bald  auch  (wieLeydig  in  der  Zeitschrift 
für  wissensch.  Zoolog.  III.  S.  287)  in  einen  Haufen  kleinerer 
Körperchen  zerfallen,  auffallender  Weise  aber  nur  von  ge- 
ringer Festigkeit. 

Für  die  Gehörwerkzeug-e  von  Palinurus  und  Aslacus 
kann  ich  nichls  Neues  anführen.  Ich  würde  nur  wiederho- 
len müssen,  wasFarre  über  dieselben  mitgetheilt  hat.  Die 
Verschiedenheiten  von  den  Gehörwerkzeugen  der  Palaemon- 
arlen  betreffen  nur  untergeordnete  Verhältnisse ,  und  können 
die  wesentliche  Uebereinstimmung  mit  denselben  in  keinerlei 
Weise  beeinträchtigen. 

Ueber  die  Verbreitung  der  Gehörorgane  unter  den  De- 
capoden  wird  man  erst  nach  spätem  umfassendem  Untersu- 
chungen entscheiden  können.  So  wahrscheinlich  übrigens 
auch  ein  sehr  allgemeines  Vorkommen  derselben  sein  möchte, 
so  will  ich  doch  nicht  verschweigen  ,  dass  ich  bei  vie- 
len Arten  (Crangon,  Nika  u.  s.  w.)  vergebens  nach  ihnen 
gesucht  habe.  Auch  bei  den  kleinen  und  durchsichtigen  De- 
capodenlarven,  die  mit  ihren  bizarren  Formen  ""')  das  Mittel- 
meer um  Nizza  bevölkern  ,  habe  ich  nirgends  Gehörorgane 
angetroffen.  Ich  möchte  indessen  nicht  geradezu  behaupten, 
dass  alle  diese  Thiere    der  fraglichen  Sinneswerkzeuge   ent- 


*)  Selir  auffallend  ist  unter  diesen  namentlich  eine  (sehr  häu- 
fige) Larve  mit  ausserordentlich  langen  vordem  und  hintern  Stachel- 
fortsätzen am  Rückenschilde,  durch  deren  Hülfe  dieses  Thier,  dessen 
Körper  nur  1'"  misst ,  bis  zu  ^^/z'"  heranwächst.  Vordere  und  hin- 
tere Fortsätze  liegen  in  derselben  Ebene,  so  dass  es  fast  aussieht, 
als  ob  das  Thier  in  der  Mitte  einer  langen  Stange  (der  hintere  Sta- 
chel ist  freilich  doppelt,  aber  beide  liegen  dicht  an  einander)  ange- 
wachsen sei.  Eine  sehr  ähnliche  Form  hat  Eschs  chol  z  (Isis  1825. 
S.  734)  in  der  Südsee  beobachtet  und  unter  dem  Namen  Lonchopho- 
rus  anceps  beschrieben.  (Ebendaselbst  beschreibt  E.  auch,  was  ich 
hier  beiläufig  erwähnen  will,  unter  dem  IVamen  Trichocyclus  Dume- 
rilii  ein  Thierchen  mit  Wimperkränzen  und  flügeiförmigen  Seitenflos- 
sen, in  dem  wir  heute,  nach  den  Entdeckungen  von  J.  Müller,  die 
Larve  eines  nackten  Pteropoden  nicht  verkennen  können.) 


264  Leuckart: 

behrten.  Es  ist  ja  immerhin  möglich ,  dass  sich  dieselben 
in  manchen  Fällen  durch  ihre  Kleinheit  und  Unklarheit ,  in 
andern  durch  eine  abweichende  Lage  meinen  Untersuchungen 
entzogen  haben.  Ueber  die  Verschiedenheiten  in  Bau  und 
Gruppirung  der  Sinneswerkzeuge  bei  den  niederen  Thieren 
haben  wir  allmählig  so  viele  und  so  eigenthümliche  Erfah- 
rungen gemacht ,  dass  man  immerhin  auch  hier  auf  solche 
abweichende  Verhältnisse  gefasst  sein  muss.  Wissen  wir 
doch ,  um  nur  ein  Beispiel  zu  erwähnen ,  dass  es  Würmer 
giebt,  deren  Augen,  statt  sich  auf  den  Kopfanhang  zu  be- 
schränken, am  vordem  und  hintern  Körperende  (Amphicora) 
oder  selbst  in  den  Seitentheilen  eines  jeden  Segmentes  (Po- 
lyophthalmus)  vorgefunden  werden  *). 

Ich  darf  in  dieser  Beziehung  auch  wohl  daran  erinnern, 
dass  von  Frey  und  mir  bereits  mehrere  Jahre  vor  den 
Beobachtungen  von  Huxley  (Beitr.  zur  Kenntniss  wirbello- 
ser Thiere.  1847.  S.  115)  bei  Mysis  llexuosa  ein  Paar  ge- 
schlossener Bläschen  mit  sphärischem  Kalkkörper  im  Innern 
beschrieben  sind,  die  einem  Otolithen  gleichen  und  auch  von 
uns  dafür  gehalten  wurden,  obgleich  sie  nicht  am  Kopfe, 
sondern  in  der  Basis  der  Innern  Schwanzklappen  gelegen 
sind.  Ich  habe  mich  neuerdings  davon  überzeugt,  dass  die- 
selben Gebilde  auch  bei  Mysis  spinulosa  vorkommen ,  und 
muss  noch  heute  die  frühere,  auch  von  Huxley  (1.  c.  p.  373) 
angenommene  Deutung  aufrecht  erhalten.  In  früherer  Zeit 
konnte  man  freilich  durch  die  Verschiedenheit  dieser  Ge- 
bilde von  den  damals  als  Gehörwerkzeuge  geltenden  Geruchs- 
organen (?)  gegen  unsere  Deutung  eingenommen  werden.  Ge- 
genwärtig hat  dieser  Umstand  seine  Geltung  verloren.  Un- 
sere  heutigen  Erfahrungen  über   den  Bau  der   Gehörorgane 


*)  Unter  den  Crustaceen  besitzt  auch  Phronima  sedentaria,  wie 
ich  beobachtet  habe  ,  zwei  Paar  Augen  ,  die  freilich  beide  am  Kopfe 
liegen  ,  aber  doch,  bis  auf  ihre  nervösen  Apparate,  vollständig  ge- 
trennt sind.  Das  grössere  dieser  Augen  liegt  auf  dem  Scheitel,  das 
kleinere  in  dem  untern  Seitentheile  des  Kopfes.  An  der  Innenfläche 
dieser  letztern  befindet  sich  ein  kleines  bläschenförmiges  Organ  ,  das 
mir  mit  dem  fraglichen  Gerucbswerkzeuge  der  Decapoden  an  der  Ba- 
sis der  äussern  Antennen  übereinzustimmen  scheint. 


Ueber  die  Gehörwerkzeuge   der  Krebse.  265 

bei  den  Krebsen  haben  uns  Verhältnisse  erkennen  lassen, 
nach  denen  sich  die  Eigenlhümlichkeiten  der  fraglichen  Ge- 
bilde bei  Mysis  fast  ausschliesslich  auf  die  abweichende  Lage 
derselben  beschränken  *"*). 


*)  Eine  Zeitlang  glaubte  ich  ein  zweites,  noch  auffallenderes 
Beispiel  einer  solchen  abweichenden  Anordnung  des  Gehörorganes 
bei  den  Crustaceen  gefunden  zu  haben.  Ich  entdeckte  nämlich  bei 
einer  neuen  schönen  Saphirina,  die  ich  später  als  S.  uncinata  beschrei- 
ben werde ,  in  den  Seitentheilen  der  vordem  Körpersegmente  streng 
symmetrisch  rechts  und  links  ein  sphärisches  Körperchen  von  Via'", 
das  nach  seinem  optischen  Verhalten  mit  einem  Otolith  übereinstimmte 
und  auch  in  einem  eng  anliegenden  Bläschen  enthalten  zu  sein  schien. 
Später  rausste  ich  mich  indessen  überzeugen,  dass  dieser  scheinbare 
Otolith  nur  aus  einem  Fetttröpfchen  bestehe. 


IVaciiträgflicIie  Bein  erkunden  ilber  den   Bau 

der  Orattung:  fSag^itta,  siebst  der  Besclirei- 

biiiigf  einig^er  neuen  /trteii. 

Von 


A»     H.  r  o  It  n« 

Hierzu  Taf.  XII. 


Während  meines  letzten  Aiifenthalles  in  Messina  habe 
ich  besondere  Sorg-falt  darauf  verwandt,  den  Bau  derSagilten 
weiter  zu  erforschen  und  die  in  der  Meerenge  vorkommen- 
den Arten  genauer  kennen  zu  lernen.  Die  Resultate  dieser 
neuern  Untersuchungen  theile  ich  hier  in  zwei  Abschnitten 
mit,  von  welchen  der  erste  Beiträge  zu  einer  vollständigem 
Kenntniss  der  Organisation  enthält,  der  zweite  die  Beschrei- 
bung von  vier  neuen  Arten  zum  Gegenstande  hat. 

I.     Beobachtungen  über    den  Bau. 

Die  Haut  der  Sagitlen  ist  mit  Büscheln  eigenthümlicher, 
äusserst  feiner,  starrer  Fäden  besetzt,  welche  meistens  in 
regelmässigen  Abständen  von  einander,  über  einen,  je  nach 
den  Arten,  bald  grössern,  bald  geringern  Bereich  der  Kör- 
peroberfläche verlheilt  sind.  Wilms  (Observationes  deSa- 
gitla  mare  germanicum  circa  insulam  Helgoland  incolente. 
Berol.  1846.  p.  11.,  Fig.  1  et  16.)  wies  diese  Büschel  zuerst 
bei  S.  setosa  nach,  bei  welcher  sie  längs  den  beiden  Seiten 
des  Körpers    in   einfacher  Reihe    sich  hinziehen  ').     Später 


1)  Die  Bezeichnung  selosa  erhielt   diese  Species  durch  J,  Mül- 
ler (Arch.  f.  Auatom.  und  Physiolog,  1847.,  p.  158.). 


Krohn:  Nachträgliche  Beitierk.  üb.  d.  Bau  d.  Gattung  Sagitta.     267 

hat  sie  auch  Busch  (Beobachtungen  über  Anatom,  und  Ent- 
wicklung einiger  wirbellosen  Seethiere.  Berl.  1851.,  p.  93.) 
bei  S.  cephaloptera  erkannt,  wo  sie  jederseils  in  einer  Dop- 
pelreihe stehen.  Ich  habe  die  nämlichen  Büschel  nicht  nur 
bei  S.  bipunctata,  bei  der  ich  sie  früher  übersehen,  sondern 
auch  bei  den  übrigen  in  der  Meerenge  vorkommenden  Ar- 
ten angetroffen.  Bei  S.  bipunctata,  so  wie  bei  einigen  dieser 
Arien  ,  ist  ihre  Zahl  viel  grösser,  als  bei  den  beiden  von 
Wilms  und  Busch  untersuchten,  so  dass  ausser  den  Seilen, 
auch  die  Rücken-  und  Bauchfläche  von  ihnen  eingenommen 
ist.  Meist  lässt  sich  auch  eine  Anordnung  dieser  zahlreichen 
Büschel  in  parallele,  für  beide  Seitenhälften  symmetrische  Längs- 
züge nicht  verkennen.  Ganz  constant  findet  man  die  Büschel 
noch  auf  der  Schwanzflosse,  wo  sie  in  einerBogenlinie  nach 
der  Breite  derselben  vertheilt  stehen.  Bei  einzelnen  Arten 
kommen  weiche  sogar  auf  den  hintern  Seitenflossen  vor»)- 

Alle  diese  Büschel  stehen  auf  rundlichen  Vorsprüngen, 
die  der  zelligen  Epidermis  anzugehören  scheinen  und  früher 
von  mir  für  Schleimdrüschen  der  Haut  angesehen  worden  sind. 
(Anatomisch -physiologische  Beobachtungen  über  die  Sagitta 
bipunctata  Hamb.  1844.,  p.  5.).  Was  die  Gruppirung  der  ei- 
nen einzelnen  Büschel  zusammensetzenden  Fäden  betrifft,  so 
hat  es  oft  den  Anschein,  als  gingen  sie  von  der  Mitte  des 
Vorsprungs,  radienförmig  nach  allen  Richtungen  aus.  Bei 
genauerer  Untersuchung  erkennt  man  indess  bald,  dass  sie 
blos  in  einer  Linie  neben  einander  gereihet  stehen.  So  ver- 
hält es  sich  wenigstens  bei  S.  bipunctata.  Trotz  ihrer  Starr- 
heit haben  aber  diese  Fäden  weder  mit  Stacheln,  womit  sie 
Wilms  vergleicht,  noch  mit  Borsten,  wie  Busch  sie  nennt, 
irgend  etwas  gemein.  Wahrscheinlich  sind  es  Fortsätze  der 
Epidermis.  Dafür  spricht  schon  der  Umstand,  dass  die  Bü- 
schel gleich  dieser,  sich  äusserst  leicht  abstreifen,  daher  auch 
nur  bei  ganz  frischen  wohlerhaltenen  Individuen  wahrzuneh- 
men sind. 


1)  Der  Ausdruck  Flossen,  den  man  diesen  Leibesanhängen 
der  Sagilten  beizulegen  pflegt,  und  den  ich  der  Kürze  halber  eben- 
falls gebrauche,  ist  ganz  unpassend,  da  sie,  wie  ich  es  schon  früher 
nachgewiesen  habe,  zur  Fortbewegung  des  Thieis  nichts  beilragen. 


268  Krohn: 

Die  Bedeutung  der  zahlreichen  ,  dicht  neben  einander 
gereihten  Fasern,  womit  die  Flossen  versehen  sind,  konnte 
bisher  nicht  ermittelt  werden.  Nach  vielfältigen  Untersuchun- 
gen bin  ich  jetzt  zur  üeberzeugung  gekommen ,  dass  diese 
Fasern  den  Borsten  der  Anneliden  zunächst  verwandt  sind. 
Gleich  letztem  sind  sie  bis  zu  einem  gewissen  Grade  bieg- 
sam ,  und  brechen  bei  verstärktem  Druck  leicht  in  Stücke. 
Der  Form  nach  gleichen  sie  vollkommen  den  einfachen  oder 
Capillarborsten.  Auch  scheinen  sie  nur  lose  in  die  homo- 
gene Substanz  der  Flossen  eingebeltet;  denn  man  findet 
sie  oft ,  bei  sonst  unversehrten  Flossen ,  in  grossen  Strek- 
ken  abgestreift.  Jedenfalls  ist  ihr  Zusammenhang  mit  der 
Substanz  der  Flossen  lange  nicht  so  fest ,  als  ich  es  früher 
angab. 

Bekanntlich  finden  sich  vorn  am  Kopf  auf  jeder  Seite, 
zwei  hinter  einander  gestellte  Reihen  kleiner  Stacheln  oder 
Zähnchen,,  deren  Anzahl  in  der  vordem  Reihe  stets  geringer 
als  in  der  hintern  ist.  Jedes  Zähnchen  sitzt  mittelst  einer 
rectangulären  Basis  auf  dem  Kopf,  ist  in  einem  Winkel  ge- 
gen dieselbe  geneigt,  und  läuft  zuletzt  in  mehrere  scharfe 
Spitzen,  wie  in  eine  Zackenkrone,  aus  (Fig.  l.)-  Der  untere 
Theil  des  Zähnchens  ist  hohl  und  enthält  eine  weiche  Sub- 
stanz, wahrscheinlich  eine  Matrix,  die  zum  Wiederersatz  des 
Zähnchens,  falls  dieses  abgenutzt  wird,  dient. 

Busch  hat  neuerlich  den  Sagitten  den  Bauchknolen 
absprechen  wollen.  Ich  habe  bereits  an  einem  andern  Orte 
(Müller's  Arch.  f.  Anat.  und  Physiol.  1853.  p.  140.)  die 
Anwesenheit  dieses  Knotens  gegen  die  Zweifel  von  Busch 
zu  vertheidigen  gesucht ,  und  brauche  nicht  wieder  darauf 
zurückzukommen.  Vor  diesem  Knoten  soll  sich  bei  S.  setosa, 
nach  Wilms'  Angabe,  ein  am  Anfange  des  Rumpfes  gele- 
gener, kleinerer  vorfinden  (L  c.  p.  15.^  Fig.  4.  6).  Ich  will 
die  Existenz  dieses  Knotens  bei  der  genannten  Species  nicht 
in  Abrede  stellen,  kann  aber,  gestützt  auf  neuerdings  an- 
gestellte Untersuchungen  versichern ,  dass  er  der  S.  bi- 
punctata  fehlt. 

Nach  meiner  früheren  Annahme  soll  durch  die  Ver- 
bindung zweier  ,  vom  hintern  Rande  des  Kopfknotens  ent- 
springenden und  dicht  an  der  obern  Fläche  des  Kopfes  nach 


Nachträgliche  Bemerkungen  üb,  d.  Bau  d.  Gallung  Sagilta.       269 

hinten  sich  erstreckenden  Nerven,  eine  Nervenschlinge  zu 
Stande  kommen  (1.  c.  p.  13-,  Fig.  5. /"und  Fig.  13.öf).  Diese 
Angabe  beruht  auf  einem  erst  neuerlich  von  mir  erkannten 
Irrthume.  Auf  der  Haut  der  obern  Kopfseite  findet  sich  näm- 
lich ein  eigenlhümlicher  Streifen,  der  rechts  und  links  von 
der  hintern  Grenze  des  Kopfes  bis  dicht  an  den  Kopfknolen 
reicht,  und  sowohl  vorn  als  hinten,  durch  Umbiegung  in  sich 
selbst  zurückläuft.  Es  hat  sich  nun  herausgestellt,  dass  jene 
angeblichen  Nerven  nichts  anderes  als  die  beiden  seitlichen 
Parthieen  dieses  Streifens  sind ,  dessen  hintere  Schlinge  so- 
mit fälschlich  als  Nervenschlinge  gedeutet  wurde.  Eine  Täu- 
schung der  Art  war  um  so  leichter  möglich,  als  der  Strei- 
fen durch  Weingeist  oder  Essigsäure  ,  ganz  nach  Art  der 
Nerven  sich  trübt,  und  seine  vordere,  früher  gänzlich  über- 
sehene Schlinge ,  genau  mit  der  Lage  des  Kopfknotens  zu- 
sammenfällt. Hieraus  ergiebt  sich  nun,  dass  die  Sehnerven, 
die  ich  für  Zweige  jener  angeblichen  Nerven  hielt,  vom 
Kopfknoten  unmittelbar  abgehen.  Was  aber  der  Streifen  be- 
deute, darüber  kann  ich  nicht  einmal  eine  Vermuthung  auf- 
stellen. 

In  meiner  Abhandlung  (p.  12.)  hatte  ich  angeführt,  dass 
man  in  den  Eierschläuchen  geschlechtsreifer  Individuen  stets 
reifen  Samen  antreffe.  Diese  Angabe  hat  sich  nach  neuern 
Untersuchungen  nicht  bestätigt,  dagegen  sind  Verhältnisse 
bekanntgeworden,  die  den  Hergang  bei  der  Befruchtung  voll- 
kommen aufklären.  Bei  den  geschlechtsreifen  Individuen  al- 
ler Arten  verläuft  längs  der  äussern  Seite  jedes  Eierstockes, 
in  der  Gegend,  wo  das  Haltungsband  sich  an  ihn  festsetzt, 
ein  dünner  Kanal  mit  blindgeschlossenem  Ende,  den  man  bis 
dicht  vor  die  Mündung  des  Eierstockes  verfolgen  kann.  Die- 
ser Kanal  ist  es,  der  oft  strotzend  mit  Samen  gefüllt  ist,  des- 
sen Inhalt  früher  also  fälschlich  ins  Innere  der  Eierschläuche 
verlegt  ward.  Eine  Aussenöffnung  konnte  ich  an  ihm,  trotz 
vieler  Mühe,  nicht  entdecken,  und  muss  demnach  annehmen, 
dass  er  sich  in  dieHöhle  des  Eierschlauches,  und  zwar  dicht 
vor  dessen  Mündung  öffne.  Durch  Druck  lässt  sich  der  Sa- 
men aus  den  Kanälen  herauspressen,  wobei  man  sich  über- 
zeugt, dass  er  in  der  That  nur  durch  die  Mündungen  der 
Eierstöcke  heraustritt.     Die  Bedeutung  der  beiden  Kanäle  ist 


270  Krohn: 

somit  klar.  Es  sind  Receptacula  seminis  ,  wie  solche  den 
Weibchen  der  Insecten  zukommen,  bestimmt,  den  in  denSa- 
nienfächern  gereiften  Samen  aufzunehmen  und  bis  zur  Zeit 
der  Befruchtung  aufzubewahren.  Zufolge  dieser  Einrichtung 
werden  die  reifen  sich  loslösenden  Eier,  während  sie  aus 
den  Eierstöcken  heraustreten,  befruchtet. 

Die  beiden  eben  erwähnten  Kanäle  sind  übrigens  schon 
von  Wilms  (1.  c.  p.  13.,  Fig.  9.  a)  gesehen  worden,  obwohl 
ihm  ihre  wahre  Bedeutung  unbekannt  geblieben  ist.  Auch 
zweifele  ich  nicht ,  dass  das  von  diesem  Forscher  in  der 
Höhle  der  Kanäle  beobachtete,  angeblich  durch  schwingende 
Cilien  hervorgebrachte  Flimmern,  auf  das  lebliafte  Gewimmel 
der  sehr  regen  und  rührigen  Zoospermien,  aus  welchen  die 
in  den  Kanälen  enthaltene  Samenmasse  besteht,  zu  bezie- 
hen sei. 

Was  die  Struclur  der  Eier  betrifft,  so  habe  ich  zu  dem 
darüber  Bekanntgewordenen  noch  Folgendes  hinzuzufügen. 
Der  Dotter  besteht  aus  zahlreichen,  eine  wahrscheinlich  al- 
buminöse  Flüssigkeit  enthaltenden  Zellen  ,  in  der  ich  keine 
festen  Bestandtheile  (Dotterkörner)  unterscheiden  konnte.  Er 
ist  von  zwei  Hüllen  umgeben.  Die  innere,  den  Dotter  eng 
uraschliessende,  ist  eine  dünne  feste  Membran  ,  welche  die 
Bedeutung  der  Dotter-  oder  eigentlichen  Eihaut  hat.  Die 
äussere,  früher  für  das  Chorion  von  mir  angesehene  Hülle, 
ist  viel  dicker  und  von  gallertartiger  Consistenz ').  Sie  quillt, 
nachdem  die  Eier  befruchtet  und  gelegt  worden  sind,  sehr 
schnell  und  mächtig  in  dem  umgebenden  Wasser  an.  Man 
findet  sie  später,  bei  schon  begonnener  Entwickelung  des  Em- 
bryo, häufig  abgestreift,  ohne  dass  dadurch  die  Entwickelung 
gestört  wird. 

H.     Beschreibung   der  Arten. 

Die  Unterscheidung  der  Arten  ist  oft  schwierig,  da  meh- 
rere derselben  im  Habitus  nahezu  mit  einander  übereinstim- 
men.    Auf  die  Zahl  der  Greifhäkchen  und   der  Zähnchen  am 


1)  Icli  erkenne  sie  sehr  deutlich  in  der  lOten  Figur  bei  Wilms, 
YTO  die  Eier  $ehr  naturgetreu  dargestellt  sind. 


Nachträgliche  Bemerkungen  üb.  d.  ßau  d.  Gattung  Sagitta.       271 

Kopfe  kann  man  sich  am  wenigsten  verlassen  ,  weil  sie  bei 
den  Individuen  der  meisten  Arien  ausserordentlich  schwankt, 
was  zum  Theil  seinen  Grund  darin  hat,  dass  jeneTheiie  sich 
sehr  leicht  abnutzen  und  abfallen.  Mit  grösserer  Zuverläs- 
sigkeit lassen  sich  die  Seitenflossen  zur  Bestimmung  der  Ar- 
ten benutzen,  da  sie  bei  jeder  Species  constante,  wenngleich 
nicht  immer  sogleich  in  die  Augen  fallende  Eigenthümlich- 
keiten  zeigen. 

1.     S.  multidentata  (Fig.  2.). 

Diese  Species,  die  höchstens  V/2  Centim.  lang  ist, 
kommt  im  Habitus  ganz  mit  S.  setosa  (Wilms  1.  c.  Fig.  1.) 
überein.  Gleich  dieser,  unterscheidet  sie  sich  von  S.  bipun- 
ctata  durch  eine  gedrungenere  Gestalt  und  eine  verhältniss- 
mässig  grössere  Länge  der  Seitenflossen.  Die  hintern  Flos- 
sen sind  nur  etwas  länger  und  breiter  als  die  vordem.  Diese 
reichen  nach  vorn  hin ,  ungefähr  bis  an's  vordere  Drittel 
des  Leibes.  Die  hintern  Flossen  sind  den  beiden  Vorsprün- 
gen ,  auf  welchen  der  samenbereitende  Apparat  nach  aussen 
mündet,  viel  näher  gerückt,  als  bei  S.  bipunctata.  In  Bezug 
auf  die  Gestalt  der  beiden  Flossenpaare  verweise  ich  auf  die 
beigegebene  Figur. 

Die  Zahl  der  Greifhäkchen  ist  bei  dieser  Species  aus- 
nahmsweise sehr  constant.  Es  finden  sich  beiderseits  9  bis 
11  Häkchen,  von  welchen,  wenn  ihrer  10,  das  vorderste, 
wenn  11,  die  zwei  vordersten  stets  viel  kleiner  sind.  Die 
Zahl  der  Zähnchen  am  Kopfe  dürfte  auf  jeder  Seile  5  bis  8 
in  der  vordem,  12  bis  13  in  der  hintern  Reihe  betragen. 

Den  Vordertheil  des  Rumpfes  umgiebt  eine  Schicht  gros- 
ser Zellen,  welche  gleich  hinter  dem  Kopfe  beginnt,  aber 
schon  in  einiger  Entfernung  von  den  vordem  Flossen  ver- 
schwindet. Sie  scheint  an  den  Seiten  stärker  entwickelt,  als 
in  der  Mitte.  Ich  kann  sie  nicht  für  eine  blosse  Verdickung 
der  Epidermis  halfen. 

Die  Vorsprünge  des  männlichen  Geschlechtsapparals  ra- 
gen zapfenförmig  vor,  haben  ihre  Aussenmündungen  nach 
vorne  gerichtet,  und  erscheinen,  wie  bei  S.  bipunctata,  bald 
von  brauner  Farbe,  bald  farblos. 

Die   Büschel    starrer  Fäden    auf  der   Oberfläche   des 


272  Krohn: 

Körpers    kommen    bei    manchen   Individuen    in  reichlicher 
Menge  vor  0- 

2.  S.  serrato-dentata  (Fig.  3  u.  4.). 

Diese  Art  nähert  sich  durch  grössere  Schlankheit  des 
Leibes  der  S.  bipunctala.  Die  hinlern  Flossen  sind  merklich 
länger  als  die  vordem  und  reichen  bis  dicht  an  die  Vor- 
sprünge des  männlichen  Geschlechtsapparats.  Die  vordem 
Flossen  überschreiten  nach  vorne  hin  nicht  das  vordere  Lei- 
besdritlel.  Die  Form  der  beiden  Flossenpaare  ist  aus  der 
beigegebenen  Figur  zu  ersehen. 

Ganz  charakteristisch  für  diese  Art  ist  die  abweichende 
Bildung  der  Greifhäkchen,  deren  ganze  vordere  Hälfte  längs 
der  schärfern  Kante  oder  der  Schneide  sägeförmig  gezäh- 
nelt  ist  (Fig.  4.).  Die  Zahl  dieser  Häkchen  schwankt  zwi- 
schen 6  bis  8  jederseits,  die  der  Zähnchen  möchte  höchstens 
auf  8  für  die  jederseitige  vordere  ,  auf  18  für  die  hintere 
Reihe  sich  belaufen. 

Die  Büschel  starrer  Fäden  sind  symmetrisch  in  acht 
seilliche  Längszüge  geordnet,  von  welchen  vier  auf  die  Rük- 
kenhälfte  und  eben  so  viele  auf  die  ßauchhälfte  fallen.  — 
Die  Vorsprünge  der  Samenfächer  ragen,  wie  bei  der  vorher- 
gehenden Art,  zapfenförmig  vor. 

Es  ist  diese  Art  die  kleinste  von  den  hier  beschriebe- 
nen.    Sie  erreicht  die  Länge  von  4y2"'  etwa. 

3.  S.  lyra  (Fig.  5.). 

Diese  Art  lässt  sich  auf  den  ersten  Blick  von  der  S. 
bipunctala  und  den    beiden  vorbeschriebenen  unterscheiden. 


1)  Beiläußg  sei  hier  einer  noch  nicht  genügend  untersuchten 
Art  erwähnt,  die  mit  der  eben  beschriebenen  in  Form  und  Grösse  über- 
einstimmt, aber  durch  die  Anwesenheit  eines  hornigen  gezahnten  Rin« 
ges  an  den  Aussenmündungen  der  Samenfächer  ,  augenTällig  von  ihr 
abweicht.  Dieser  Ring  mit  nach  vorne  oder  aussen  gerichteten  Zähn- 
chen umkreist  die  respective  Mündung  von  innen,  und  lässt  sich  ohne 
Mühe  herausschälen.  Er  hat  eine  auffallende  Aehnlichkeit  mit  dem 
gezackten  Ringe  an  den  Saugnäpfen  der  Loliginen.  Diese  Art  scheint 
sehr  selten.     Ich  habe  nur  zwei  Exemplare  davon  erhalten  können. 


Nachträgliche  Bemerkungen  üb.  d.  Bau.  d.  Gattung  Sagitta.       273 

Der  sogenannte  Schwanz  ist  sehr  kurz  und  durch  eine  Ein- 
schnürung von  dem  langen  Rumpfe  abgesetzt. 

Die  beiden  Flossen  jeder  Seite  berühren  sich  bis  zur 
Verschmplzung,  In  der  That  geht  die  homogene  Substanz 
derselben  von  der  einen  ohne  Unterbrechung  auf  die  an- 
dere über,  und  nur  äusseriich  findet  sich  zwischen  beiden 
eine  Demarcalionslinie  in  Form  eines  feinen  Streifens.  Be- 
merkenswerth  ist  noch,  dass  die  vordem  Flossen  viel  länger 
als  die  hintern  sind ,  und  sehr  weit  nach  vorne  hinauf- 
reichen (F.  5.)-  Die  Substanz  der  Flossen  ist  von  mächtiger 
Dicke,  so  dass  diese  gleich  Wülsten  an  den  Seiten  des  Lei- 
bes hervorragen,  obwohl  sie  sich  gegen  ihren  Aussenrand 
hin  bald  verflachen  und  verdünnen.  Die  in  die  Substanz 
eingelagerten  Fasern  (Borsten)  verhalten  sich  auch  eigen- 
thümlich.  An  den  weniger  breiten  Stellen  der  Flossen  sind 
sie  dünner  und  kürzer ,  und  scheinen  nur  die  Randpartie 
derselben  einzunehmen.  Je  mehr  die  Breite  der  Flossen  zu- 
nimmt, desto  länger  und  stärker  werden  auch  die  Fasern, 
bis  sie  zuletzt  an  den  breitesten  Stellen  die  ganze  Fläche 
der  Flossen  durchstreichen. 

Der  Greifhäkchen  zählte  ich  6  bis  8  jederseits;  was 
die  Zahl  der  Zähnchen  betrifft ,  so  dürften  ihrer  jederseits 
höchstens  7  auf  die  vordere  Gruppe  ,  11  auf  die  hintere 
kommen. 

Die  Büschel  starrer  Fäden  kommen  in  grosser  Menge, 
und  dem  Anschein  nach,  ohne  sichtliche  Ordnung  verlheilt, 
auf  der  Oberfläche  des  Körpers  vor.  Dicht  am  Rande  der 
hintern  Flossen  wurde  regelmässig  ,  sowohl  auf  der  obern 
als  auf  der  untern  Fläche  derselben,  ein  ähnlicher  Büschel 
bemerkt. 

Diese  Art  erreicht  die  nicht  unansehnliche  Länge  von  3 
bis  3y2  Centim. 

4.     S.  draco  (Fig.  6.). 

Von  dieser  seltenen,  sehr  ausgezeichneten  Art,  habe 
ich  nur  ein  wohlerhaltenes,  aber  glücklicherweise  völlig  aus- 
gewachsenes Specimen  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt. 

Der  Leib  ist  kurz  und  dick,  und  bis  zu  seinem  hinter- 
sten Viertel  ungefähr  mit  einer  äusserst  mächtigen,  aus  recht 

Archiv  f.  Naturgesch    XIX.  Jahrg.  1  Bd.  1^ 


274  Krohn: 

grossen  dickwandigen  Zellen  gebildeten  Schicht  (a,  a)  beklei- 
det, wodurch  das  Thier  ein  höchst  fremdartiges  Aussehen 
erhält.  Der  Schwanz  ist  sehr  lang,  der  Rumpf  kurz,  die 
Schwanzflosse  von  ansehnlichem  Umfang.  Von  den  seitlichen 
Flossen  fehlt  das  vordere  Paar  merkwürdigerweise  ganz ;  die 
allein  vorhandenen  hintern  Flossen  (&,&)  reichen  vorn  nicht 
über  den  Schwanz  hinaus,  was  in  Vergleich  mit  andern  Ar- 
ten eine  nicht  minder  zu  beachtende  Eigenthümlichkeit  ist. 
Eben  so  auffallend  sind  zwei  seillich  einander  gegenüber  ge- 
stellte;, auf  besondern  Vorsprüngen  sitzende  Büschel  zahlrei- 
eher,  sehr  langer,  frei  flotlirender  Fäden  (c,  c),  welche  man 
auf  der  Zellenschicht  in  der  vordem  Leibeshälfte  wahrnimmt. 
Diese  Fäden  sind  von  weicher  Consislenz,  bandartig  platt, 
und  zeigen  sich  bei  starker  Vergrösserung  aus  feinen,  dicht 
neben  einander  verlaufenden  Längsfibrillen  zusammengesetzt. 

Die  Zahl  der  Greifhäkchen  scheint  beträchtlich,  im  Ma- 
ximum 10  für  jede  Seite.  Die  höchste  Zahl  der  Zähnchen 
mag  für  die  jederseitige  vordere  Reihe  8,  für  die  hinlere  18 
betragen. 

Die  erwähnte  Zellenschicht  findet  sich  nur  auf  den  bei- 
den Seiten  des  Leibes,  längs  welchen  sie  sich  bis  zur  hal- 
ben Länge  des  Schwanzes  hinabzieht.  Vorn  am  Kopf  ist  sie 
weniger  mächtig ,  erhebt  sich  aber  am  Rumpfe ,  je  weiter 
nach  hinten,  immer  mehr,  und  wird  zuletzt,  indem  sie  den 
vordem  Theil  der  Seitenflossen  auf  beiden  Flächen  überdeckt, 
ziemlich  rasch  wieder  niedriger. 

Die  Büschel  feiner  slarrer  Fäden  finden  sich  auch  bei 
dieser  Art  in  reichlicher  Menge,  und  zwar  eben  sowohl  auf 
der  Zellenschicht  als  auch  auf  der  frei  zu  Tage  liegenden 
Rück-  und  Bauchseite  des  Leibes. 

Die  Eierstöcke  erstrecken  sich  im  trächtigem  Zustande 
hoch  hinauf,  bis  an  den  Kopf. 

Das  Individuum  ,  nach  dem  die  obige  Beschreibung 
entworfen  ist,  maass  nicht  über  1   Cenlim.  in  der  Länge. 


In  Bezug  auf  früher  bekannte  Arten,  von  welchen  mir 
einzelne  noch  zweifelhaft  scheinen,  erlaube  ich  mir  amSchluss 
noch  folgende  Bemerkungen. 


Nachträgliche  Bemerkungen  üb.  d.  Bau  d.  Gattung  Sagitta.         275 

Die  Bezeichnung  bipunctata  ,  unter  der  ich  die  grosse 
Sagitta  des  Mittelmeeres  in  meiner  Abhandlung  aufgeführt, 
kommt  derselben  eigentlich  nicht  zu.  Ich  bin  jetzt  nämlich 
der  Ansicht,  dass  die  ursprünglich  mit  dem  obigen  Namen 
bezeichnete,  von  Quoy  undGaimard  (Ann.  d.  scienc.  nat. 
prem.  serie,  T.  X.  p.  232.)  beschriebene  Sagitta,  keinesweges 
wie  ich  es  früher  meinte,  als  eine  jüngere  Altersstufe  jener  gro- 
fsen  anzusehen  sei,  sondern  eine  für  sich  bestehende  Species 
darstelle.  Es  ergiebt  sich  dies,  trotz  der  mangelhaften  Be- 
schreibung im  Ganzen,  aus  einzelnen  Angaben  von  Ouoy 
und  Gaim.  Das  Thier  besitzt  nämlich  lang  ausgezogene 
Seitenflossen  und  zeigt  bei  einer  Länge  des  Körpers  ,  die 
nicht  über  5'"  beträgt,  bereits  deutlich  entwickelte  Eierstöcke. 
Das  stimmt  nicht  zu  der  grossen  Sagitta,  die  sich,  durch  die 
bedeutende  Kürze  der  vordem  Seilenflossen  wenigstens,  aus- 
zeichnet, und  deren  Ovarien  in  der  Jugend  noch  so  wenig 
ausgebildet  sind,  dass  sie  selbst  bei  einer  Länge  des  Leibes 
von  einem  Zoll,  immer  noch  als  winzige  Rudimente  erschei- 
nen. Ist  nun  die  Artendiff'erenz  zwischen  beiden  nicht  mehr 
zweifelhaft,  so  mag  der  grossen  Art  immerhin  der  erborgte 
Namen  verbleiben,  da  die  von  Quoy  und  Gaim.  entdeckte, 
wegen  ungenügender  Beschreibung  und  Abbildung,  doch  kei- 
nen sichern  Vergleich  mit  andern  Arten  zulässig  und  dem- 
nach nicht  weiter  ^u  beachten  sein  dürfte  *}. 

D'Orbigny  hat  in  seinem  Reisewerke  (Voyage  dans 
TAmerique  meridionale,  Tom.  V.,  p.  140.  PI.  10.)  drei  Arten 
beschrieben,  die,  nach  der  Zahl  der  Flossen,  die  Namen  di- 
ptera,  triptera,  hexaptera,  erhalten  haben.  Die  Abbildun- 
gen, so  ausgeführt  sie  auch  sind,  scheinen  mir  den  Habitus 
der  Sagitten  doch  nicht  treu  wiederzugeben;  der  Körper  er- 
scheint im  Verhällniss  zur  Länge  zu  dick,  die  Flossen  zu 
breit.  Die  Schwanzflosse  soll  bei  allen  drei  Arten  durch 
einen  tiefen,  vom  hintern  Rande   ausgehenden  Einschnitt   in 


1)  Der  Vollsländigkeit  halber  gebe  ich  hier  die  Zahl  der  Häk- 
chen und  Zähnchen  an,  wie  sie  sich  nach  Vergleichung  vieler  Indivi- 
duen bei  der  S.  bipunctata  herausgestellt  hat.  Häkchen  jederseits 
5 — 8,  Zähnchen  in  der  jederseitigen  vordem  Gruppe  3  — 4,  in  der  hin- 
tern 5—7. 


276  Krohn: 

zwei  Lappen  zerfallen;  was  d'Orbigny  bewogen  hat,  diese 
Lappen  für  eben  so  viele  gesonderte  Caudalflossen  anzusehen. 
Hiernach  sind  die  Speciesnamen  zu  beurlheilen.  —  Von  den 
angeführten  Arten  scheint  dieS.  hexaptera,  der  Beschreibung, 
nicht  der  Figur  nach,  der  S.  bipunctala  sehr  nahe  zu  stehen, 
und  möchte  vielleicht  identisch  mit  ihr  sein.  Der  S.  diptera 
sollen  die  Seitenflossen  ganz  fehlen,  eben  so  der  S.  triptera, 
die  sich,  auffallender  Weise,  durch  eine  grosse  Medianflosse 
auf  dein  Rücken  auszeichnen  soll. 

Die  von  Busch  (1.  c.  Tab. XV.  Fig.  2.)  entdeckte  S.  ce- 
phaloptera,  ist  jedenfalls  ^ine  sehr  eigenlhümliche  Art,  leicht 
kenntlich  an  der  rädernden  Scheibe  auf  dem  Vordertheil  des 
Rumpfes,  und  den  beiden  tentakelförmigen  Fortsätzen  seitlich 
am  Kopfe.  Nach  des  Entdeckers  Ansicht  soll  sie  sich  ferner 
durch  zwei  überzählige,  von  den  Seiten  des  Kopfes  auf  den 
Anfang  des  Rumpfes  herüberreichende  Flossen  von  andern 
Arten  unterscheiden,  wobei  jedoch  bemerkt  wird^  dass  diese 
Flossen  durch  den  Mangel  der  Fasern  wesentlich  von  den 
übrigen  abweichen,  und  nur  einen  dichten  äussern  Beleg  von 
Zellen  zeigen.  Diese  Angaben  machen  es  zweifelhaft,  ob 
jenen  für  Flossen  angesprochenen  Theilen  diese  Bedeutung 
mit  Recht  zukomme.  Ich  meinerseits  möchte  vermuthen, 
dass  jene  Theile  der  Zellenschicht  entsprechen  dürften,  die 
man  in  derselben  Gegend  bei  S.  multidentata  antrifft ,  nur 
mit  dem  Unterschiede,  dass  diese  Schicht  bei  S.  cephaloptera 
mächtiger  entwickelt  wäre. 

S.  rostrata  Busch  (1.  c.  Fig.  7.)  soll  vollkommen  mit 
S.  selosa  übereinkommen ,  und  nur  durch  einen  grossen 
rundlichen  Höcker,  den  sie  vorn  auf  dem  Kopfe  trägt,  sich 
von  ihr  unterscheiden.  Ich  will  bei  dieser  Gelegenheit  be- 
merken, dass  ein  ähnlicher ,  obwohl  lange  nicht  so  hoher 
Buckel ,  in  dem  frühesten  Jugendalter  der  Sagilten,  an  der 
nämlichen  Stelle  wahrzunehmen  ist.  Dieser  Buckel  rührt  of- 
fenbar vom  Kopfknoten  her,  welcher  zu  dieser  Zeit  einen, 
im  Verhällniss  zum  spätem  Alter,  sehr  viel  grössern  Umfang 
hat.  Eben  so  unverhältnissmässig  gross  zeigt  sich  zu  der- 
selben Zeil  auch  der  Bauchknoten,  der  die  über  ihn  weg- 
gehende Haut  in  ähnlicher  Weise  hervorwölbt. 


Nachträgliche  Bemerk,  üb.  d.  Bau  d.  Galt.  Sagitla.  277 

Erklärung  der  Ab  bil  düngen. 


Fig    1.     Kopfstacheln  oder  Zähnchen  der  S.  mullidentata ,  270mal  ver- 
grössert. 

ö,  die  reclangulären  Basen  der  Zähnchen.  —  6,  das  in  eine 
Zackenkrone  auslaufende  Ende  derselben.  —  c ,  die  Höhle 
der  Zähnchen,  von   einer  Matrix  ausgefüllt. 

Fig.  2.     Sag.  multidentala,  5mal  vergrössert.  Es  sind  nur  die  zwei  hin- 
tern Drittheile  des  Leibes  abgebildet. 

a,a,  das  vordere  seitliche  Flossenpaar.  —  6,6,  das  hinlere 
seilliche  Flossenpaar.  —  c,  die  Schwanzflosse.  —  d,  d,  die 
Vorsprünge  des  männlichen  Geschlechtsapparats.  —  e,  der 
Darm.  —  /",  f,  die  Eierstöcke. 

Fig.  3,     Sag.  serrato-denlala,  5mal  vergrössert. 
a,  b,   c,   d,   wie  in  Fig.  2. 

Fig.  4.     Endstück  eines  Greifhäkchens  der  Sag.  serrato-dentata,  290mal 
vergrössert. 

F'ig.  5.     Sag.  lyra,  in  natürlicher  Grösse. 
a,  b,   c,  wie  in  Fig.  2  und   3, 

Fig.  6.     Sag.   draco,  5mal  vergrössert. 

a,  a,  die  zellige  Bekleidung  des  Körpers.  —  b,b,  die  Seilen- 
flossen. —  c,  c,  die  Büschel  langer  platter  Fäden  zu  beiden 
Seiten  des  Vorderleibes.  —  d,  die  Schwanzflosse.  —  e ,  der 
Darm.  —  f,  f,  die  Eierstöcke. 

Fig.  7.     Ein    junges ,    ums    F'unffache     vergrössertes    Individuum    von 
Sag.  bipunctata,   zum  Vergleich  mit    den    übrigen   Arten  dar- 
gestellt. 
Bezeichnung  wie  in  Fig.  2  und  3. 


lieber  dieüatup  des  kuppelförmigen  Aiilian- 
Se»  am  lieibe  von  Fliyllirlioe  bueephalum« 

Von 


A»  Rroliii« 


Prof.  H.  Müller  hat  neuerlich  auf  die  fast  constante 
Anwesenheit  eines  eigenthümlichen  Gebildes  bei  Phyllirhoe 
bucephalum  aufmerksam  gemacht,  das  in  Gestalt  einer  flachen, 
rundlichviereckigen  Kuppel,  am  vordem  Dritttheil  des  untern 
Leibesrandes  dieses  Weichthieres  angeheftet  ist.  An  den  vier 
Ecken  trägt  diese  Kuppel  öfters  contractile  Zipfel ,  und  sitzt 
mit  der  Mitte  ihrer  hohlen  Seite  an  dem  erwähnten  Leibes- 
rande fest.  Müller  bemerkt,  dass  er  diesen  kuppeiförmigen 
Anhang  anfangs  für  etwas  Fremdartiges,  etwa  eine  anhaftende 
Qualle  gehalten,  sich  jedoch  später  überzeugt  habe,  dass  er 
unmittelbar  mit  der  Phyllirhoe  zusammenhängt.  Müller 
erklärt  ihn  sonach  für  ein  Organ,  dessen  Function  noch  nicht 
ermittelt  sei  (s.  Zeitschrift  f.  wissenschaftl.  Zoologie  von  v. 
Siebold  und  Kölliker,  ßd.  IV.  p.  336.). 

Obwohl  mir  der  von  Müller  erwähnte  Anhang  seit 
Jahren  bekannt  ist  ,  so  fand  ich  mich  doch  erst  jüngst,  bei 
meinem  Aufenthalte  in  Messina,  veranlasst,  ihn  näher  zu  un- 
tersuchen. Das  Resultat  ist  ganz  zu  Gunsten  der  frühern 
Vermuthung  M  ü  1 1  e  r's  ausgefallen.  Der  Anhang  ist  entschie- 
den nichts  anders  als  eine  Meduse ,  die  parasitisch  auf  der 
Phyllirhoe  lebt.  Sie  weicht  von  den  mir  bekannten  Schei- 
benquallen nicht  nur  durch  ihre  Lebensweise,  sondern  auch 
durch  die  eigenthümliche  Bildung  ihrer  vier  Randeirren  oder 
Tentakeln  ab. 


Krohn:  Ueber  den  kuppeiförmigen  Anhang  bei  Phyllirhoe-    279 

Muller's  oben  mitgelheilte  Angaben  geben  bereits 
Aufschlufs  über  die  Gestalt  dieser  Meduse,  deren  obere  von 
der  Phyllirhoe  abgewandte  Fläche  in  der  That  kuppelartig  ge- 
wölbt ist ,  während  die  ihr  zugekehrte  untere  nur  sehr  we- 
nig ausgehöhlt  erscheint.  Mitten  auf  dieser  untern  Fläche 
ist  der  Magen  angebracht,  der  an  der  Phyllirhoe  so  fest  an- 
gesogen ist,  dass  er  bei  jedem  Versuche  die  Meduse  loszu- 
lösen ,  abreisst  und  an  dem  Wohnthier  hängen  bleibt.  Die- 
ser Umstand  hat  mich  bis  jetzt  verhindert,  seine  Gestalt  und 
übrigen  Verhältnisse  zu  erkennen.  Der  Magen  schickt  vier 
enge,  wie  bei  andern  Medusen,  gegen  den  Scheibenrand  sich 
erstreckende ,  und  hier ,  an  den  Wurzeln  der  Tentakeln ,  ii» 
einem  Ringgefäss  zusammenkommende  Radialkanäle  ab.  In- 
nen am  Scheibenrande  bemerkt  man  jenen  dünnhäutigen,  un- 
ter dem  Namen  der  Ringhaut  oder  des  Diaphragma  bekann- 
ten Saum,  der  bei  unserer  Qualle ,  im  Vergleich  mit  andern 
damit  versehenen  Medusen  ,  nur  sehr  wenig  entwickelt  ist. 
Er  ist  von  kreisförmigen  Muskelfasern  durchzogen.  Aehnli- 
che  Muskelfasern  nimmt  man  auch  an  der  untern  Schirmflä- 
che wahr. 

Die  massig  langen  Randeirren  oder  Tentakeln  sitzen 
mit  bulbusartig  erweiterten  Wurzeln  dem  Scheibenrande  an, 
sind  verhältnissmässig  dünn,  und  verschmächtigen  sich  allmäh- 
lich gegen  ihre  Enden  hin.  Mit  Ausnahme  der  Wurzeln,  ist 
ihre  Oberfläche  stellenweise  mit  sehr  feinen  kurzen  Fortsätzen 
oder  Aesten  besetzt,  von  denen  jeder  an  seinem  Ende  plötz- 
lich in  einen,  oder  wie  ich  es  zuweilen  beobachtet  zu  haben 
glaube ,  selbst  in  zwei  mächtige  kolbenförmige  Knöpfe  an- 
schwillt. Das  Innere  dieser  Knöpfe  ist  von  hellen,  dicht 
neben  einander  liegenden,  das  Licht  stark  brechenden  Kör- 
perchen ausgefüllt,  deren  Menge  mehr  oder  weniger  be- 
trächtlich sein  kann.  Es  sind  rundliche ,  etwas  gekrümmte 
Gebilde,  deren  eines  Ende  zugespitzt  ist.  Sollte  es  sich 
herausstellen,  dass  diese  Körperchen,  wie  ich  es  kaum 
bezweifeln  möchte ,  Nesselorgane  sind  ,  so  wüsste  ich  die 
kolbigen  Enden  der  Äeste  mit  nichts  anderm,  als  mit 
den  Nesselknöpfen  an  den  Fangfäden  der  Physophoriden  und 
Diphyiden  zu  vergleichen.  Mit  diesen  Faiiglädcn  scheinen 
mir  die  Tentakeln,  auch  in  Beziehung  auf  die  übrige  Bildung-, 


280  Krohn: 

ziemlich  nahe  übereinzustimmen.  Es  dürfte  indess  nur  selten 
gelingen ,  die  Tentakeln  in  der  Vollzahl  anzutreffen.  Sie 
gehen  nämlich,  mit  Zurücklassung  ihrer  bulbösen.  Wurzeln, 
sehr  leicht  verloren.  So  fehlt  denn  bald  der  eine  bald  der 
andere,  und  noch  häufiger  vermisst  man  sie  alle  insgesammt. 
Uebrigens  sind  sie  einer  starken  Verlängerung  und  Verkür- 
zung fähig,  namentlich  gilt  dies  von  ihren  Aesten.  Ich  zwei- 
fele auch  nicht,  dass  die  Tentakeln  bereits  von  Müller  ge- 
sehen worden  sind.  Es  sind  die  Theile,  die  Müller  als 
contractile  Zipfel  bezeichnet. 

Die  Meduse  ist  ausserdem  durch  die  Nesselkapselzüge 
ausgezeichnet,  welche  man  äusserlich  auf  dem  Schirm,  an 
bestimmten  Stellen  wahrnimmt.  So  unterscheidet  man  vier 
breitere  Züge,  die  vom  Scheitel  bis  an  die  Wurzeln  der 
Tentakeln  sich  erstrecken,  während  ein  schmalerer  Zug  rings 
um  den  Scheibenrand  sich  hinzieht.  Die  Nesselkapseln  selbst 
sind  rundlich,  meistens  von  ansehnlichem  Umfang.  Sie  schnel- 
len einen  Faden  hervor ,  der  ein  sogenanntes  Angelorgan 
darstellt,  nämlich  an  seiner  verdickten  Wurzel  mit  vier  nach- 
hinten  gerichteten  Stacheln  versehen  ist.  Aehnliche  Nessel- 
kapseln sieht  man  auch  auf  den  Tentakeln  in  reichlicher 
Menge. 

Von  Geschlechtsstoffen  Hess  sich  keine  Spur  entdecken. 
Auch  von  den  sogenannten  Randkörpern  findet  sich  nicht  die 
leiseste  Andeutung.  Die  Grösse,  welche  die  Meduse  erreicht, 
dürfte,  nach  dem  Scheibendurchmesser  bestimmt,  1  bis  lyj 
Linien  betragen. 

Dass  die  Meduse,  als  Parasit,  sich  auf  Kosten  derPhyl- 
lirhoe  nährt,  ergiebt  sich  schon  daraus,  dass  sie  mit  ihrem 
Magen,  wie  mittelst  eines  Saugnapfs,  an  dem  Wohnthiere  fest- 
hängt. Noch  evidenter  überzeugt  man  sich  davon ,  wenn 
man  die  in  den  Radialkanälen  und  dem  Ringgefässe  hin-  und 
herwogenden  Speisestoffe  näher  untersucht.  Diese  Stoffe  be- 
stehen nämlich  zu  einem  grossen  Theil,  theils  aus  gelben, 
theils  aus  schwärzlichen  Körnern  ,  in  welchen  man  alsbald 
die  durch  die  Verdauung  mehr  oder  minder  veränderten  Pig- 
mentzellen erkennt,  welche  in  der  Haut  der  Phyllirhoe,  na- 
mentlich an  den  beiden  Leibesrändern  derselben,  in  so  gros- 
ser Menge  vorkommen. 


TJeber  den   kuppeiförmigen  Anhang    bei  Phyllirho5.  281 

Es  scheint ,  dass  der  ganze  Körper  sich  am  Saugact 
beiheilige.  Denn  fast  immer  findet  man  den  Schirm,  in  Folge 
andauernder  Contraclion,  in  Falten  zusammengelegt  und  am 
Scheitel  vertieft.  Im  Ganzen  ist  aber  das  Thier  sehr  indolen- 
ter Natur.  Hat  man  die  Meduse  losgetrennt,  was  ,  wie  ge- 
sagt, nur  mit  Einbusse  des  Magens  möglich  ist,  so  versucht 
sie  nicht  einmal ,  wenn  man  sie  auch  noch  so  heftig  rcitzt, 
nach  der  bekannten  Weise  der  Scheibenquallen  sich  fortzu- 
bewegen; ihre  Reactionen  beschränken  sich  höchstens  auf 
schwache ,  kaum  merkliche  Zusammenziehungen.  Es  hängt 
dies  unstreitig  mit  der  geringen  Entwicklung  ihres  Bewe- 
gungsapparats zusammen.  Denn  der  Schirm  ist,  wie  gezeigt, 
nur  äusserst  wenig  vertieft. 

In  wie  weit  diese  zu  den  Gymnophthalmata  Forb.  (Dis- 
cophorae  cryptocarpae  Esch.)  gehörende  Meduse,  etwa  mit 
der  einen  oder  andern  der  bis  jetzt  bekannten  Galtungen 
dieser  Abtheilung  verwandt  sei,  darüber  kann  ich  nicht  ent- 
scheiden, da  mir  zur  Zeit  die  nölhigen  Hülfsquellen  nicht  zu 
Gebote  stehen.  So  viel  scheint  mir  indess  sicher,  dass  sie 
ein  neues  Genus  bildet,  für  das  ich  die  Bezeichnung  Mnestra 
(von  MvrjOTQu^  eine  Danaide)  vorschlage.  Ich  nenne  sie 
sonach    Mnestra  parasites. 


Ueber  'Vorkoinineii   von  fiarcopliagfainaclcti 
in  den  ^ug^en  und  der  Il^asc  von  Menschen. 

Von 

Ilr*   £d.    Orube 

Prof.  in  Dorpat. 


In  den  Jahresberichten  dieses  Archivs  sind  einige  Be- 
obachtungen über  das  Vorkommen  von  Inseclenlarven  in 
menschlichen  Augen  mitgelheilt,  ohne  dass  jedoch  die  Gat- 
tung oder  gar  die  Art  ermittelt  wäre  ,  der  sie  angehörten. 
So  lautet  V.  Siebold's  Bericht  über  die  Leistungen  im  Ge- 
biete der  Helminthologie  1,848.  p.  393:  eine  Miltheilung  von 
Cabrira,  dass  ein  Mann  im  Freien  geschlafen  und  am  andern 
Tage  von  Schmerzen  im  linken  Auge  befallen  worden.  Ein 
kleiner  rother  Fleck  wurde  auf  der  Scierotica  bemerkt :  nach 
Reibung  des  obern  Augenlides  zeigten  sich  kleine  weisse 
Würmer  auf  der  Cornea  und  dem  übrigen  Augapfel,  von  de- 
nen nahe  an  40  Stück  entfernt  wurden.  Sie  waren  haardick, 
y^  Lin.  lang  und  mit  einem  kleinen  schwarzen  Kopf  verse- 
hen. Auch  von  Ormond  sind  zwei  Fälle  von  Augenentzün- 
dung beobachtet  worden,  wobei  mehrere  kleine  Fliegenlar- 
ven unter  den  Augenlidern  zum  Vorschein  kamen.  Ich  er- 
laube mir  Ihnen  einen  ähnlichen  von  Herrn  Dr.  Schnee  in 
Gorigoretzk  beobachteten  Fall  mitzulheilen ,  in  welchem  die 
specielle  Bestimmung  des  Insects  möglich  war.  Zwei  Kna- 
ben, der  eine  von  4,  der  andere  von  12  Jahren,  hatten  bei 
heiterm  Wetter  auf  dem  freien  Felde  geschlafen,  und  nach 
dem  Erwachen  im  innern  Augenwinkel  einen  Schmerz  em- 


Grube:  Ueber  Vorkommen  von  Sarcopbagamaden  etc.       283 

pfunden,  der  sich  allmählich  unter  heftigen  Entzündungser- 
scheinungen steigerte,  dass  so  zulezt  das  verletzte  Auge  das 
Sehvermögen  einbüsste.  Bei  der  Untersuchung  fand  Herr 
Dr.  Schnee  im  Innern  Augenwinkel  ein  Convolut  von  Ma- 
den, welche  die  Conjunctiva  und  das  Zellgewebe  zerstört 
hatten,  und  so  tief  in  der  Augenhöhle  sassen,  dass  das  hin- 
tere Ende  (obwohl  die  Körperlänge  auf  9  Lin.  angegeben 
wird)  noch  gänzlich  zwischen  Orbita  und  Bulbus  eingebettet 
war.  Nachdem  er  alle  Larven  entfernt  —  es  mochten  wohl 
12 — 15  gewesen  sein  —  lagen  die  Innern  Augenmuskeln  ganz 
vom  Zellgewebe  befreit  wie  präparirt  da.  Bei  dem  Heraus- 
ziehen der  Larven  mit  der  Pincette  wurden  die  meisten  so 
beschädigt,  dass  sie  nicht  zur  Verpuppung  kamen,  bei  eini- 
gen aber  ging  sie  vor  sich  ,  und  von  diesen  habe  ich  die 
Fliegen  vor  mir.  Sie  gehören  zur  Gattung  Sarcophaga  und 
sind  entweder  S.  rnralis  Fallen  oder  S.  latifrons  Fall.  Der 
Sicherheit  wegen  setzeich  die  Beschreibung  hieher.  Sämmt- 
liche  Exemplare  sind  Weibchen  von  2  bis  3  Lin.  Länge.  Die 
Taster  und  Grundglieder  der  Antennen  sind  schwarz,  das 
Endglied  der  letztern  schwärzlichbraun,  der  Kopf  silbergrau, 
seine  Vorderfläche  stark  glänzend  und  wenig  behaart ,  die 
hintere  wenig  glänzend  und  querreihig  behaart,  etwas  bläu- 
lich. Die  von  denSOcellen  zu  den  Antennen  herabsteigende 
Stirnbinde  von  schwarzbrauner  Farbe  wird  jederseits  von 
einer  Reihe  von  Borsten  begleitet,  und  nimmt  mehr  als  y^ 
der  Augendistanz  ein,  die  Stirn  tritt  sehr  merklich  zwischen 
den  Augen  hervor,  ihr  horizontaler  Durchschnitt  bildet  ein 
breites,  an  der  Spitze  abgestumpftes  Dreieck,  die  Augen  sind 
oval,  dunkel  rölhlichbraun,  und  ihr  Abstand  fast  ebenso  gross 
wie  ihr  grösster,  bedeutend  grösser  als  ihr  kleinster  Durch- 
messer. Rückenschild  und  Scutelluni  sind  aschgrau  mit  bläu- 
lichem Schimmer  ,  ersteres  trägt  3  breite  schwarze  parallele 
Striemen,  deren  mittelster  von  2  schwarzen  etwas  divergi- 
renden  und  kaum  über  die  Quernaht  hinausgehenden  Linien 
eingefasst  wird.  An  den  Flügeln  sehe  ich  den  4ten  Längs- 
nerven nicht  über  die  Endumbiegung  hinaus  verlängert;  eine 
Spinula  kann  ich  an  der  Costa  nicht  erkennen.  Die  ansehn- 
lichen Kalterenschüppchen  sind  weiss ,  gerundet  und  etwas 
länger  als  das  Ponlellum ,  die  Beine  schwarz,  die  Hinterfer- 


284  Grube! 

sen  an  der  Innenseite  nackt.  Das  Abdomen  beinahe  ebenso 
lang  wie  der  übrige  Körper,  flach  gewölbt,  schmal  oval,  über- 
all mit  kurzen  schwarzen  Haaren  besetzt ,  am  Hinterrande 
des  2ten  Segments  jederseits  mit  2  ,  des  3ten  Segments  mit 
3,  des  4ten  und  5ten  mit  mehreren  längeren  Borsten.  Alle 
Segmente  sind  oben  hellaschgrau  glanzlos,  das  Isle,  2te,  3te 
mit  einer  Miltelreihe  von  3  blauschwarzen  in  einander  über- 
gehenden hinten  breileren  Flecken  geziert,  der  letzte  dersel- 
ben vorn  schmäler  als  die  andern,  fast  dreieckig,  mit  aus- 
geschnillenen  Seifenrändern.  Rechts  und  links  von  dieser 
Mittelreihe  trägt  jedes  Segment  einen  blauschwarzen  Fleck, 
der  auf  dem  Isten  die  ganze  Länge  einnimmt,  auf  dem  2ten 
fast  kreisrund  und  nur  halb  so  lang,  auf  dem  3ten  ähnlich, 
aber  hinten  abgestutzt  und  noch  kleiner  ist.  Auf  dem  4ten 
Segment  steht  eine  Querreihe  von  3  kleinen  aneinander  stos- 
senden  rundlich  dreieckigen  Flecken  am  Hinterrande.  Die 
Unterseite  des  Abdomens  schillert  bläulich  und  schwärzlich- 
grau und  jedes  der  drei  hintern  Segmenle  trägt  einen  an- 
sehnlichen schwarzen  Fleck  nahe  dem  aschgrauen  Seitenrande. 
Des  After  ist  schwarz. 

Man  kann  bei  der  Bestimmung  nur  zwischen  Sarcophaga 
latifrons  Fall,  und  ruralis  Fall,  schwanken;  beide  gehören 
nach  Zetterste  dl  verschiedenen  Gruppen  an.  Die  erste 
Gruppe  hat  zum  Charakter:  alarum  nervus  longiludinalis  quar- 
tus  infra  angulum  saltem  apparenter  continuatus;  die  zweite 
hingegen  infra  angulum  non  continualus.  Sarcophaga  affinis 
soll  zu  derselben  Gruppe  mit  latifrons  gehören,  allein  Mei- 
gen's  1)  Abbildungen  von  S.  affinis  und  S.  ruralis,  welche  Zet- 
terste dt  selber  citirt ,  lassen  keinen  Unterschied  der  Flü- 
gelbildung erkennen ,  denselben  Verlauf  der  Nerven  zeigen 
unsere  Exemplare.  Bei  S.  latifrons  werden  die  Taster  allge- 
mein schwarz  beschrieben,  bei  S.  ruralis  nennt  sie  Mei- 
ge  nrostgelb,  Zettersted  t  f  lavi,  doch  sagt  Meigen  aus- 
drücklich, dass  sie  nach  Fallen  schwarz  sein  sollen.  Zet- 
terste dt  beschreibt  die  Figur  der  latifrons  subcylindrica, 
Meigen  ihren  Hinterleib  starkgewölbt,  ich   finde   ihn    sehr 


1)  Systematische  Beschreibung  der  Europäischen  iweiflügligen 
Insecten  Theil  Y.  Tafel  43.  Fig.  10.  Fig.  9. 


Ueber  Vorkommen  von  Sarcophagamaden.  285 

flach  gewölbt.  Die  Mitfelflecke  sollen  nach  Ze  Her  stedt  bei 
S.  latifrons  oft  grösser  sein  und  einen  etwas  unterbrochenen 
Streifen  darstellen,  bei  ruralis  verlängert  dreieckig  sein;  nach 
M  eigen  stehen  sie  bei  latifrons  isolirt,  und  hangen  bei  ru- 
ralis zusammen,  wogegen  Ruthe^)  angiebt ,  dass  sie  bei 
latifrons  rückwärts  zugespitzt  seien  und  eine  Rückenlinie  bil- 
deten. Die  auffallende  Breite  der  Stirn  ,  von  welcher  S.  la- 
tifrons ihren  Namen  erhalten,  wird  von  keinem  Beschreiber 
näher  verglichen,  doch  soll  dieser  Charakter  nach  Fallen 
und  M  ei  gen  nur  für  die  Männchen,  nach  Zett  er  stedt 
und  Ruthe  für  beide  Geschlechter  gelten,  üebrigens  macht 
Zetters  te  dt  rücksichtlich  der  Breite  zwischen  S.  latifrons 
und  ruralis  nicht  eben  einen  Unterschied,  denn  er  nennt  bei 
ersterer  die  Augen  late  distantes,  bei  letzterer  die  Stirn  eben- 
falls lata.  Bei  dem  Mangel  an  vergleichbaren  Exemplaren 
beider  Arten  muss  ich  mich  einer  entscheidenden  Bestim- 
mung enthalten,  und  die  Reurtheilung  Kennern  überlassen. 
Die  Larven  selbst  w^aren  leider  nicht  aufbewahrt  worden,  da- 
gegen verdanke  ich  der  Gefälligkeit  des  Herrn  Dr.  Schnee 
einige  Puppen:  diese  sind  braunschwarz,  überall  fein  quer- 
gerunzelt, mit  kleinen  kurzen  Wärzchen  besetzt  und  fast  3Lin. 
lang.  — 

Herr  Dr.  Schnee  fügt  hinzu,  dass  er  ähnliche  aber 
kleinere  Larven  in  der  Nase  einer  Jüdin  gefunden,  die  dort 
unsägliche  Schmerzen  verursacht ,  doch  konnte  er  sie  nicht 
so  vorsichtig  hernusziehen,  dass  sie  unverletzt  geblieben  und 
zur  Verpuppung  gekommen  wären.  —  Nach  Ruthe  (a.a.O.) 
soll  die  Larve  von  S.  latifrons  in  Berlin  schon  mehrmals  aus 
Ohr-Geschwüren  geschnitten  sein. 


1)  Troschel  und  Ruthe  Handbuch  der  Zoologie,  4.  Auflage 
p.  455. 


flesclirelbuiig:  einer  neuen  deutschen 
Fledermaus. 

Von 


•f«  H«  Blasius, 

Professor  in  Braunschweig. 


Im  vergangenen  Sommer  erhielt  ich  vom  Niederrhein 
aus  der  Gegend  von  Köln  zwei  Exemplare  einer  Fledermaus, 
die  ich  nach  den  sorgfältigsten  Vergleichungen  für  eine  neue 
Art  der  Gattung  Vespertilio,  am  nächsten  verwandt  der  Ves- 
pertilio  Natlereri  Kühl,  hallen  muss.  Zur  bestimmteren  Un- 
terscheidung will  ich  die  Arten  dieser  Gattung  nach  ihrer 
natürlichen  Gruppirung  im  Zusammenhange  charakterisiren. 

a.    Langöhrige     Fledermäuse. 

Das  Ohr  hat  9  oder  10  Querfalten,  ist  gegen  die  Mitte 
des  Aussenrandes  nicht  eingebuchtet,  und  ragt  angedrückt 
über  die  Schnauzenspitze  hinaus.  Die  Schwanzspitze  steht 
frei  aus  der  Flughaut  vor.     Schwanzflughaut  ungewimpert. 

1.  V.  murimis:  Das  Ohr  überragt  die  Schnauzenspitze 
um  ein  Viertel  seiner  Länge.  Der  Ohrdeckel  ragt  fast  bis 
zur  Mitte  der  Ohrhöhe  vor,  ist  grade,  und  vom  Wurzeldrit- 
tel an  verschmälert.  Die  Flughaut  ist  bis  zur  Mitte  der  Fuss- 
sohle  angewachsen.     Flugweite  14". 

2.  F.  Bechsteinü:  Das  Ohr  überragt  die  Schnauzen- 
spilze  um  die  Hälfte  seiner  Länge.  Der  Ohrdeckel  ragt  bis 
zur  Mitte  der  Ohrhöhe  vor,  ist  in  der  Endhälfte  sichelförmig 
nach  aussen  gebogen,  und  von  der  Wurzel  an  verschmälert. 


Blasius:  Beschreibung  einer    neuen  deutsch.  Fledermaus.      287 

Die  Flughaut  ist   bis  zur  Zehen wurzel  angewachsen.     Flug- 
weite 10". 

b.     W  i  m  p  e  r  h  ä  u  t  i  g  e   Fledermäuse. 

Das  Ohr  hat  5  oder  6  Querfalten  ,  ist  gegen  die  Mitte 
des  Aussenrandes  eingebuchtet ,  und  ragt  angedrückt  über 
die  Schnauzenspitze  hinaus.  Der  Schwanz  wird  von  der  Flug- 
haut ganz  umschlossen.  Die  Schwanzflughaut  ist  am  Hinter- 
rande dicht  gewimpert. 

3.  V.  Nattereri:  Das  Ohr  ragt  um  ein  Viertel  seiner 
Länge  über  die  Schnauzenspitze  hinaus,  und  ist  etwas  über 
der  Mitte  des  Aussenrandes  schwach  und  gleichmässig  ein- 
gebuchtet. Der  Ohrdeckel  ragt  üher  die  Mitte  des  Ohrs,  bis 
zur  Höhe  der  Einbucht  am  Aussenrande  hinauf,  und  ist  der 
ganzen  Länge  nach  verschmälert  und  sichelförmig  nach  aus- 
sen gebogen.  Die  Flughaut  ist  bis  etwas  über  die  Mitte  der 
Fusssohle  angewachsen.  Die  Schwanzflughaut  hinten  mit 
starren,  abwärtsgekrümmten  Wimpern  dicht  besetzt.  Flug- 
weite 9y2'^ 

4.  F.  ciliatus  nov.  spec. :  Das  Ohr  ragt  fast  um  ein 
Viertel  seiner  Länge  über  die  Schnauzenspifze  hinaus,  und 
ist  über  der  Mitle  des  Aussenrandes  sehr  stark,  fast  recht- 
winkelig, eingebuchtet.  Der  Ohrdeckel  ragt  bis  fast  zur  Mitte 
der  Ohrhöhe  hinauf,  ohne  die  Höhe  der  Einbucht  am  Aus- 
senrande zu  erreichen,  und  ist  der  ganzen  Länge  nach  ver- 
schmälert und  sichelförmig  nach  aussen  gebogen.  Die  Schwanz- 
flughaut hinten  mit  graden,  weichen  Haaren  gewimpert.  Die 
Flughaut  ist  bis  zur  Zehenvvurzel  angewachsen.     Flugweite  9"* 

c.     Was  serfledermäuse. 

Das  Ohr  hat  4  Querfalten,  ist  gegen  die  Mitte  des  Aus- 
senrandes mehr  oder  weniger  eingebuchtet,  und  ragt  ange- 
drückt bis  fast  zur  Schnauzenspitze  vor.  Die  Schwanzspitze 
steht  frei  aus  der  Schwanzflughaut  vor.  Die  Schwanzflughaut 
ist  am  Hinterrande  nicht  gewimpert. 

5.  F.  mystacitius :  Das  Ohr  erreicht  angedrückt  unge- 
fähr die  Schnauzenspitze,  und  ist  über  derMilte  des  Aussen- 
randes sehr  stark   eingebuchtet.     Der  Ohrdeckel    ragt  über 


Ö88  Blasiust 

die  Mitte  der  Olirhöhe,  über  die  Höhe  der  Einbucht  am 
Aussenrande  hinaus,  ist  fast  ganz  grade,  nur  mit  der  äus- 
sersten  Spitze  schwach  nach  aussen  gebogen ,  und  von  der 
Wurzel  an  verschmälert.  Die  Flughaut  ist  bis  zur  Zehenwur- 
zel angewachsen.     Flugweite  8". 

6.  y.  Dauhentonü :  Das  Ohr  erreicht  angedrückt  fast 
die  Schnauzenspitze,  und  ist  dicht  über  der  Mitte  des  Aus- 
senrandes  flach  eingebuchtet.  Der  Ohrdeckel  erreicht  unge- 
gefähr  die  Mitte  der  Ohrhöhe  ,  und  die  Höhe  der  Einbucht 
am  Aussenrande,  ist  der  ganzen  Länge  nach  grade,  und  nur 
in  der  Endhälfte  verschmälert.  Die  Flughaut  ist  bis  ungefähr 
zur  Mitte  der  Fusssohle  angewachsen.     Flugweite  9". 

7.  V.  dasycneme:  Das  Ohr  erreicht  angedrückt  fast  die 
Schnauzenspitze,  und  ist  etwas  unter  der  Mitte  des  Aussen- 
randes  schwach  eingebuchtet.  Der  Ohrdeckel  erreicht  die 
Mitte  der  Ohrhöhe  nicht,  ragt  ungefähr  bis  zur  Höhe  der 
flachen  Einbucht  am  Aussenrande  vor,  ist  fast  ganz  grade, 
mit  der  Spitze  schwach  nach  innen  gebogen ,  und  bloss  im 
Enddriltel  wenig  verschmälert.  Die  Flughaut  ist  nur  bis  zur 
Ferse  angewachsen.     Flugweite  11". 


Beschreibung  von  Vespertilio  ciliatus. 

Diese  neue  Art  hat  38  Zähne,  oben  4 ,  unten  6  Vor- 
derzähne, und  in  jedem  Kiefer  oben  und  unten  1  Eckzahn 
und  6  Backenzähne.     Die  Zahnformel  ist  daher 

4,2  1  2-2  1  2.4  rjo    r7.., 

4—  •  —  •  -nr  •  T  •  271  =  ^^  Zahne. 
Die  Schneiden  der  untern  Vorderzähne  stehen  in  der 
Richtung  des  Kiefers.  Der  dritte  untere  Vorderzahn  ist  im 
Querschnitt  oval,  etwas  länger  als  breit,  und  kaum  halb  so 
stark  wie  der  Eckzahn,  während  er  bei  V.  Nattereri  fast  so 
dick  ist  wie  der  Eckzahn.  Von  den  zwei  einspitzigen  obe- 
ren Lückenzähnen  ist  der  zweite  der  kleinste,  ungefähr  von 
der  Höhe  der  Kronränder  der  beiden  anliegenden  Zähne, 
und  von  aussen  kaum  mit  der  Spitze  sichtbar,  während  die- 
ser Zahn  bei  V.  Nattereri  deutlich  über  die  anliegenden  Krön- 
ränder  aufsteigt.    Auch  der  zweite  Lückenzahn  im  ünterkie- 


Beschreibung  einer  neuen  deutschen  Fledermaus.  289 

fer  ist  weit  schwächer  als  der  erste.  Das  länglich  ovale 
Ohr  ragt  angedrückt  fast  mit  dem  Endviertel  über  dieSchnau- 
zenspitze  hinaus  und  hat  6  deutliche  Qu^rfalten.  Der  Aus- 
senrand  des  Ohrs  endet  unter  der  Innern  Basis  des  Ohrdek- 
kels  in  gleicher  Höhe  mit  der  Mundspalte,  und  verläuft  bis 
über  die  Mille  hinauf  in  einen  flachen,  gleichmässig  convexen 
Bogen.  Etwas  über  der  Mille  ist  eine  plötzlich  abgesetzte, 
fast  rechtwinkelig  abgerundete  Einbuchl,  die  in  jeder  Rich- 
tung des  Ohrs  scharf  hervortritt,  während  diese  Einbucht  bei 
V.  Natlereri  ganz  flach,  kaum  merklich  ist.  Von  dieser  Ein- 
bucht verläuft  der  Aussenrand  des  Ohrs  fast  gradlinig  bis 
zur  abgerundeten  Ohrspitze.  Der  Innenrand  springt  an  der 
Basis  vom  Kiel  ab  winkelig  vor,  und  verläuft  der  ganzen 
Länge  nach  in  einen  gleichmässigen  flachen  Bogen.  Der  Ohr- 
deckel ragt  fast  bis  zurMilte  des  Ohrs  hinauf,  ohne  die  Ein- 
bucht am  Aussenrande  zu  erreichen,  während  er  bei  V.  Nal- 
tereri  über  die  Mitle  der  Ohrhöhe  hinauf,  bis  zur  Tiefe  der 
Einbucht  vorragt.  Er  ist  der  ganzen  Länge  nach  sichelför- 
mig nach  aussen  gebogen,  und  von  der  Basis,  oberhalb  des 
Zahns  an,  gleichmässig  verschmälert,  und  sehr  schlank  zuge- 
spitzt. Die  Flughaut  ist  breit :  die  Wurzelglieder  des  3ten 
bis  öten  Fingers  sind  wenig  von  einander  verschiedien ;  die 
Flughaut  fast  zwei  und  ein  halb  mal  so  lang  wie  breit.  Der 
angedrückte  Unterarm  ragt  bis  zur  Mitle  derMundspalle  vor. 
Die  Flughaut  ist  bis  zur  Zehenwurzel  angewachsen.  Die  Fuss- 
sohle  an  der  Basis  querrunzelig,  in  der  Endhälfle  unregel- 
mässig längsrunzelig.  Das  Spornbein  an  der  Ferse  trägt 
keinen  seitlichen  Haullappen.  Der  Schwanz  wird  ganz  von 
der  Flughaut  umschlossen^  so  dass  nur  die  rudimentäre  Knor- 
pelspilze des  letzten  Schwanzgliedes,  kaum  merklich,  sicht- 
bar ist.  Die  Flughäute  sind  nur  unmittelbar  um  den  Körper 
herum  noch  ziemlich  dicht  behaart.  Die  Schwanzflughaut  ist 
hinten  mit  graden,  weichen  Haaren  ziemlich  dicht  gewimpert, 
während  die  Wimperhaare  bei  V.  Naltereri  starr  und  abwärts 
gekrümmt  sind.  Diese  weichen  Wimperhaare  beginnen  ein- 
zeln schon  am  Fuss  und  am  Spornbein,  und  stehen  dichter 
und  in  zwei  übereinander  liegenden  Reihen  zwischen  dem 
Spornbein  und  der  Schwanzspilze.  Die  Flughäute  und  Ohren 
sind  dünnhäutig   und    durchscheinend ,    lichlbraungrau.     Der 

Archiv  f.  Nnturgesch.  XIX.  Jahrg.  1.  Bd.  19 


'590 


Bla^iu«: 


Pelz  ist  oben  hellbräunlichgrau,  unten  weisslich.  Das  ein- 
zelne Haar  ist  zweifarbig-,  im  Grunde  dunkelbraunschwarz, 
oben  mit  fahl  bräunlichgrauer,  unten  mit  weisser  Spitze. 


Flugweile     . 

. 

9" 

— 

Totallänge    . 

. 

3'' 

0,5"' 

Kopflänge    . 

.  ■       . 

— 

7,5'" 

Schwanzlänge 

. 

1" 

7,6'" 

Grösste  Ohrläi 

Ige  am  Aussenranc 

le      — 

ö,5"' 

Ohrlänge  am 

Innenrande     . 

— 

5,5'" 

Ohrdeckel  längs  dem  Aussenrandc 

;         — 

3,8"' 

Ohrdeckel  längs  dem  Innenrande 

— 

3,1"' 

Oberarm 

.         •         • 

— 

10,1'" 

Unterarm 

. 

1" 

4,1'" 

Dritter  Finger, 

Isles  Glied   . 

1" 

1,4'" 

55                         55 

Qtes   Glied     . 

— 

5,2'" 

»                       55 

3tes  Glied     . 

— 

4,3'" 

JJ                        55 

Endglied 

— 

3'" 

Vierter  Finger 

,   Istes  Glied 

1" 

0,8'" 

»            » 

5les  Glied   . 

— 

-4,3'" 

»                     55 

3les  Glied   . 

— 

3,9'" 

55                       95 

Endglied      . 

— 

0,5'" 

Fünfter  Finger,  Istes  Glied 

1'' 

1,2'" 

»                      55 

2les  Glied 

— 

4,2'" 

95                      V 

3les  Glied 

— 

3'" 

55                       55 

Endglied     . 

— 

0,6'" 

Schenkel 

. 

— 

6,5'" 

Schienbein    . 

,         , 

— 

7,8"' 

Fuss    . 

. 

— 

4/// 

Frei  vorstehende  Schwanzspitze 

— 

0,2'" 

Ich  habe  diese  Fledermaus  zuerst  im  Jahr  1847  in  Tu- 
rin gesehen.  Obwohl  ich  die  Ueberzeugung  gewann,  dass 
diese  Form  nicht  wohl  mit  einer  der  mir  bekannten  Arten 
zu  vereinigen  sei,  so  reichten  doch  die  ausgestopften  Bälge 
des  Museums,  an  denen  die  Gestalt  der  Ohren,  der  Ohrdek- 
kel  und  der  Zähne  nicht  mit  Sicherheit  zu  beurlheilen  war, 
nicht  hin,  um  eine  gründliche  Vorstellung  der  Art  zu  gewin- 
nen. Erst  in  vergangenem  Sommer  erhielt  ich  das  Thier  in 
zwei  frischen  Exemplaren  in  Alkohol.  Ich  muss  gestehen, 
dass  es  mir  auffallend  war,  nachdem  mir  mehr   als   tausend 


Beschreibung  einer  neuen  deutschen  Fledermaus.  591 

Europäische  Fledermäuse  durch  die  Hände  gegangen  waren, 
noch  eine  Form  zu  finden  ,  die  ich  mit  den  mir  persönlich 
bekannten  Arten  nicht  vereinigen  konnte.  Es  machte  mich 
dies  um  so  misstrauischer,  und  ich  suchte  jeden  Ausweg  auf, 
um  einer  neuen  Art  zu  entgehen.  Der  einzige,  der  noch 
anfangs  annehmbar  schien,  war  der,  eine  junge  V.  Nattereri 
vor  mir  zu  haben,  obwohl  dies  der  Jahreszeit  nach  nicht 
wohl  möglich  war.  Doch  auch  diese  Idee  musste  ich  fah- 
ren lassen.  Ich  besitze  V.  Naltereri  von  halberwachsenem 
Zustande  an  ;  aber  kein  einziges  Individuum  verläugnet  die 
augenfälligen  Arlcharaktere.  So  kann  ich  denn  nicht  mehr 
anstehen,  diese  Form  für  ganz  verschieden  von  allen  bis 
jetzt  in  Deutschland  gefundenen  Fledermäusen  zu  erklären. 

Eine  andere  Frage  war  die,  ob  sie  nicht  in  den  Nach- 
barländern, in  Frankreich  oder  Italien,  gefunden,  und  als 
Art  beschrieben  sei.  Zur  Beantwortung  dieser  Frage  habe 
ich  mir  nicht  verhehlt,  dass  in  dieser  Gegend  der  Gattung 
Vespertilio  die  von  Geoffroy  beschriebene  V.  emargina- 
tus  ,  wie  ein  Gespenst ,  umherwandelt ,  ohne  mit  Sicherheit 
festgehalten  werden  zu  können.  In  der  Beschreibung  von 
Geoffroy  sind  keine  Anhaltspunkte  für  eine  sichere  Unter- 
scheidung. Wenn  man  die  Originalexemplare  nicht  in  Hän- 
den hat,  ist  man  fast  ganz  allein  auf  die  Abbildung  in  den 
Annales  du  Mus.  d'hist  nat.  VIll.  p.  19S.  n.  7  angewiesen. 
Doch  diese  Abbildung  passt  mehr  mit  V.  Nattereri  oder  Dau- 
benlonii ,  als  mit  der  vorliegenden  Form.  Graf  Keyserlin g 
schrieb  mir  vor  mehreren  Jahren  über  diese  Originalexem- 
plare  aus  Paris  Folgendes:  „Die  Exemplare  von  V.  emargi- 
natus  scheinen 'mir  identisch  mit  V.  Nattereri.  Die  Fransen 
an  der  Schwanzflughaut  sind  nicht  so  straff,  aber  angedeu- 
tet. Alle  Charaktere  von  V.  Nattereri ,  Ohren ,  Ohrlänge, 
Tragus,  Fusswurzel,  stimmen  mit  dem  Originalexemplare  von 
V.  emarginatus.  Das  Exemplar  von  Abbe  v  ill  e  hat  folgende 
Dimensionen : 

Flugweite        ...        9''     2^'' 
Totallänge       ...         3''     3"' 
Ohr         ....        —     6,8'" 
Tragus    ....         —     3,5'" 
Dritter  Finger,  Istes  Glied        1"    4,2"' 


292  Blasius: 

Dritter  Finger,  2les  Glied        —     6,3'" 
„  „      3les  Glied         —     4,9'" 

„  „      Endglied  —     3,3"' 

VierterFinger,  Istes  Glied         1"    3,8'" 
„  „       2les  Glied        —     4,5'"  * 

„  „       3tes  Glied        —    3,8'" 

„  „       Endglied  ?       — 

Fünfter  Finger,  Istes  Glied         1"    3,8'" 
„  „       2les  Glied         —     4,3'" 

„  „       3tes  Glied         —     3,8'" 

„  „       Endglied  ?       — 

Schienbein      ...         —     7,9'" 
Fuss        ....         —     4,4'" 
Die  beiden  anden  von  Charlemont  und  Metz  wei- 
chen wenig  von  diesen  Maassen  ab." 

Diese  Maasse  stimmen  ganz  mit  denen  von  V.  Nattereri 
überein,  von  welcher  Art  ich  die  Originalexemplare  von  Kühl 
habe  vergleichen  können.  Wenn  ich  noch  nicht  ganz  mit 
der  Ansicht  des  Grafen  Keys  erlin  g  einstimme;  so  berück- 
sichtigeich vorzugsweise  den  tiefen  Einschnitt  am  Aussenrande 
des  Ohrs,  den  Geoffroy  erwähnt  und  abbildet,  und  das 
ausdrückliche  ürtheil  von  Kühl.  Die  tiefe  Einbucht  am 
Aussenrande  des  Ohrs,  von  der  Key  serl  i  ng  nicht  bestimmte 
Meldung  macht,  stimmt  mehr  mit  der  oben  beschriebenen  Art 
überein.  Aber  in  der  Abbildung  von  Geoffroy  ragt  der 
Ohrdeckel  entschieden  über  die  Mitte  des  Ohrs,  und  über  die 
Einbucht  am  Aussenrande  hinaus,  und  die  Flughaut  scheint 
am  Hinterfusse  entschieden  nicht  bis  zur  Zehenwurzel  an- 
gewachsen zu  sein.  So  wenig  ich  also  über  die  Art  von 
Geoffroy  noch  im  Klaren  bin,  so  wenig  kann  ich  sie  nach 
den  bestimmten  Angaben  mit  der  vorliegenden  identifiziren 
wollen. 

Es  konnte  sich  dann  nur  noch  darum  handeln,  ob  V. 
emarginatus  von  Bonaparte  von  der  Art  von  Geoffroy 
abweichend,  und  mit  der  vorliegenden  vielleicht  identisch  sei. 
Bon  aparte  führt  aber  in^seiner  Iconografia  della  fauna  ita- 
lica  fasc.  XX.  ausdrücklich  an,  dass  bei  seiner  V.  emarginatus 
die  Ohren  von  Kopfeslänge  seien  ,  und  der  pfriemenförmige 
Tragus   ungefähr  zwei  Drittel    der    Ohrhöhe  erreiche,  was 


Beschreibung  einer  neuen  deutschen  Fledermaus.  293 

auf  die  vorliegende  Form  unter  keinen  Umständen  anzuwen- 
den ist. 

Auch  Temmin  ck  will  eine  V.  emarginafus  in  den  Nie- 
derlanden gefunden  haben.  Doch  ist  aus  seinen  Angaben  in 
den  Mono^r.  de  Mamm.  nichts  zu  entnehmen  ,  da  sie  aus 
Geoffroy  entlehnt  sind. 

lieber  die  Thiere  von  Geoffroy  und  Bonaparte 
kann  endgültig  nur  eine  sorgfällige  Untersuchung  authenti- 
scher Originalexemplare  entscheiden.  Dass  sie  nach  den 
ganz  bestimmten  Angaben  beider  Zoologen  von  der  vorlie- 
genden Form  abweichen,  glaube  ich  nicht  bezweifeln  zu  kön- 
nen. Dass  aber  die  beiden  erwähnten  Thiere  mit  der  vor- 
liegenden Art  zu  ein  und  derselben  natürlichen  Gruppe  ge- 
hören, steht  auch  wohl  fest. 

Die  der  vorliegenden  Beschreibung  dieser  neuen  Art 
zu  Grunde  liegenden  Thiere  sind  in  einem  hohlen  Baume  an 
einem  Holzrande  in  der  Nähe  von  Köln  am  Rhein  gefunden 
worden.  Da  diese  Art  auch  in  Piemont  vorkommt,  so  ist 
sie  offenbar  nicht  ausschliesslich  an  den  Norden  oder  Süden 
von  Europa  gebunden.  Es  ist  die  einzige  Fledermausart,  die 
icU  bisher  wissentlich  nicht  lebendig  beobachtet  habe. 

Mit  dieser  neuen  Art  ist  die  Zahl  der  in  Deutschland 
bis  zu  dem  südlichen  Fusse  der  Alpen  vorkommenden  Arten 
auf  23  gestiegen. 

Braunschweig,  im  Dezember  1853. 


lieber  Heloderitia  tiorridum  Wiegfiti. 

Vom 
Herausgreber. 

(Hierzu  Taf.  XIII  und  XIV). 


Im  zoologischen  Museum  zu  Bonn  befindet  sich  seit  län- 
gerer Zeit  ein  Exemplar  von  Heloderma  horridum  in  Wein- 
geist, welches  der  selige  Goldfuss  vom  Herrn  Oberlehrer 
Garthe  in  Cöln  eingetauscht  hatte.  Dasselbe  war  richtig 
bestiiumt,  jedoch  war  auf  der  Etiquette  als  Vaterland  fälsch- 
lich Abyssinien  angegeben.  Der  Bauch  war  aufgeschnitten, 
und  die  Eingeweide  daraus  entfernt;  die  Zunge  jedoch  und 
der  vordere  Thei]  des  Schlundes  waren  vorhanden.  Leider 
fand  sich  der  Schädel  stark  verletzt,  und  in  viele  kleine 
Stücke  zerfallen,  was  offenbar  bei  der  Tödtung  des  Thieres 
geschehen  war.  Es  hat  schwergehalten,  die  einzelnen  Stücke 
wieder  aneinander  zu  fügen;  ist  mir  jedoch  so  ziemlich  ge- 
lungen. 

Bei  der  grossen  Seltenheit  dieser  Eidechse,  welche  in 
keinem  europäischen  Museum  in  Weingeist  sich  findet ,  und 
welche  Wiegmann  nach  einem  ausgestopften  Exemplare 
der  Berliner  zoologischen  Sammlung  beschrieben  hat,  schien 
es  mir  besonders  wichtig,  die  noch  vorhandenen  weichen 
Theile  und  das  Skelett  sorgfällig  zu  präpariren.  Auch  die 
Haut  hat  sich  zu  einem  vollständigen,  guten  Exemplare  aus- 
stopfen  lassen.      Alles    ist    im    Bonner  Museum    aufgestellt. 

Diese  Vorbereitungen  machte  ich  im  Jahre  1851,  und 
legte  in  einer  kleinen  Abhandlung  damals  die  Beschreibung 
des  Skelets  nieder ,  die  als  Programm  zu  einer  öffentlichen 


Troschel:  Ueber  Heloderm»  horridum  Wiegm,  295 

Einladung  diente.  In  den  Buchhandel  ist  diese  Abhandlung 
nicht  gekommen ,  weil  ich  schon  damals  beabsichtigte,  den 
Gegenstand  durch  Abbildungen  in  diesem  Archiv  zu  erläu- 
tern.    Mancherlei  Umstände  haben  dies  bisher  verzögert. 

Nachdem  zuerst  bereits  Hernandez  dieses  merkwür- 
digen Thieres  Erwähnung  gethan  halte,  wurde  es  von  Wieg- 
mann in  der  Versammlung  der  deutschen  Naturforscher  zu 
Berlin  am  24.  September  1828  beschrieben  und  ihm  der 
Name  Trachyderma  horridum  beigelegt*"*).  Das  Berliner  Mu- 
seum hatte  damals  das  bisher  einzige  Exemplar  als  trockene 
Haut  von  Ferdinand  Deppe  erworben.  Im  folgenden 
Jahre,  im  Mai  1829,  beschrieb  Wieg  mann  dasselbe  Exem^ 
plar  ausführlicher  ""*) ,  und  veränderte  den  Gattungsnamen 
in  Heloderma,  weil  La  tr  eilte  den  Namen  Trachyderma  be- 
reits an  eine  Pimelien -Gattung  vergeben  hatte.  Im  Jahre 
1834  liess  Wiegmann  diese  Bechreibung  wieder  abdruk- 
ken  ■"**"""'))  und  fügte  eine  gute  Abbildung  hinzu.  Aus  diesen 
Wiegm  an n'schen  Beschreibungen  allein  war  bisher  das 
Thier  bekannt.  Ich  freue  mich,  die  Kenntniss  dieses  Thieres, 
mit  welchem  der  Name  meines  seligen  Lehrers  und  Freundes, 
auf  dessen  Grundlagen  weiterzubauen  mir  mehrfach  beschie- 
den ,  so  innig  verbunden  ist,  um  etwas  erweitern  zu  kön- 
nen, muss  jedoch  zugleich  bedauern,  dass  ich  noch  manche 
Lücke  zu  lassen  gezwungen  bin. 

Die  ganze  Länge  unseres  Exemplares  beträgt  zwei  Fuss, 
der  Kopf  ist  3  Zoll  lang^  der  Rumpf  misst  IOV2  Zoll,  eben- 
solang ist  der  Schwanz.  Zur  Sicherheit  habe  ich  das  Exem- 
plar mit  dem  des  Berjiner  Museums  verglichen,  und  mich  so 
von  der  völligen  Identität  der  Species  überzeugt. 

In  Betreff  der  äusseren  Gestalt  habe  ich  der  Wieg- 
m  a  n  n'schen  Beschreibung  nur  eine  Bemerkung  in  Betreff 
des  Ohres  hinzuzufügen.  W  i  e  g  m  a  n  n  sagt:  „tympanum  su- 
perficiale? (in    nostro  specimine  pertusum)."    Aus    unserem 


*)  lieber  die  Gesetzlichlieit  in  der  geographischen  Verbreitung 
der  Saurer.     Isis   1829.  p.421. 

*•=*)  Ueber  das  Acaltetepon  oder  Temacuilcahuya  des  Hernan- 
dez, eine  neue  Gattung  der  Saurer,  Heloderma.     Isis  1829.  p.  024. 

*^<*)  Herpetologift  mexicana  p,23.  lab.  1. 


S96  Troschel: 

Exemplare  ergiebl  sich,  dass  das  Pauken  feil  frei  an  der  Ober- 
fläche liegt;  es  ist  ein  wenig  eingesenkt,  kleiner  als  das 
Auge,  und  stellt  eine  fast  senkrechte  Spalte  dar. 

Von  besonderem  Interesse  ist  es,  dass  die  Zunge  noch 
vorhanden  und  wohlerhallen  ist,  Sie  wird  in  Weingeist  auf- 
bewahrt. Sie  kann  nicht  in  eine  Scheide  zurückgezogen 
werden,  ist  elwas  flach  und  breil,  vorn  zweispallig,  in  ihrem 
vorderen  Theile  frei,  im  hinlern  angewachsen,  und  fleischig. 
Ihre  ganze  Länge  beträgt  an  dem  Weingeistexemplare  38 
mill. ;  die  beiden  Spitzen  sind  10  mill.  lang;  am  Grunde  ist 
sie  17,  am  Anfange  der  Spitzen  10  mill.  breit.  Die  Ober- 
fläche ist  mit  schuppenarligen  Wärzchen  bedeckt,  welche  an 
der  Basis  der  Zunge  sehr  gross  sind,  und  nach  vorn  allmäh- 
lich kleiner  werden,  so  dass  die  beiden  Spitzen  fast  glatt  er- 
scheinen (Taf.  Xlll.  Fig.  1). 

Der  noch  vorhandene  Theil  des  Schlundes  ist  fein  aber 
nicht  regelmässig  gefaltet. 

Der  Kehlkopf  liegt  in  einer  schwachen  Ausbucht  (}es 
hinlern  Endes  der  Zunge.  DieLuftröhre  besteht  aus  55  Knor- 
pelringen und  theilt  sich  in  die  ziemlich  langen  Bronchen. 
Die  Lungen  waren  grösslenlheils  zerstört. 

Die  übrigen  Eingeweide  fehlen  ganz ;  ich  wende  mich 
daher  zur  Beschreibung  des  Skelets. 

Der   Seh  ä  del. 

Der  Schädel  (Taf.  XIII.  Fig.  2. 3.)  ist  sehr  verkürzt  und 
die  hinteren  Enden  der  Unterkieferäste  sind  so  weit  von  ein- 
ander entfernt,  dass  die  Breite  der  Länge  des  Schädels  fast 
gleich  kommt;  erstere  verhält  sich  zur  letzleren  wie  6:7. 
Die  einzelnen  Knochen  des  Schädels  sind  fest  und  kräftig. 
Wie  schon  oben  erwähnt,  war  jedoch  der  Schädel  so  zer- 
splittert, dass  es  mir  nur  durch  Anwendung  der  grossesten 
Sorgfalt  und  Geduld  gelungen  ist,  ihn  aus  den  einzelnen 
Stücken  wieder  zusammenzusetzen.  Ein  grosser  Theil  der 
oberen  Schädelfläche  ist  so  innig  mit  den  knochigen  Haul- 
schildern  verwachsen  ,  dass  eine  Trennung  unmöglich  war. 
Es  ist  daher  an  einigen  Stellen  schwierig,  die  Grenzen  der 
einzelnen  Knochen  zuerkennen;  eine  Schwierigkeit,  die  durch 
die  Zersplitterung  natürlich  noch  bei  weitem  erhöht  wird. 


Ueber  Heloderma  horridum  Wiegm.  297 

Das  Os  interm  axillare  (Taf.XlII.  Fig-.S.e)  ist  kurz, 
ohne  den  langen  Nasalfortsalz  derMoniloren,  von  denen  sich 
dieser  Knochen  sehr  auffallend  unterscheidet,  er  ist  vorn 
zwischen  den  Oberkiefern  eingesc  hohen ,  und  nimmt  nicht 
die  ganze  Breite  der  Schnauze  ein.  Dieser  Zvvischenkiefcr 
trägt  fünf  Zähne. 

Es  sind  zwei  grosse  Nasenbeine  vorhanden.  Die- 
selben sind  jedoch  mit  der  knochigen  Haut  innig  verwach- 
sen, und  da  ausserdem  der  mildere  Theil  zerstört  ist,  so  lässt 
sich  über  ihre  Gestalt  keine   sichere  Angabe  machen. 

Auch  die  Stirnbeine  hängen  unzertrennlich  mit  der 
knochigen  Haut  zusammen  ,  und  es  sind  daher  die  Grenzen 
zwischen  den  einzelnen  Knochen  von  oben  her  nicht  zu  er- 
kennen. Von  unten  her  bemerkt  man  jedoch  eine  milllere 
Längsnahl;  auch  lassen  sich  von  unten  die  vorderen  und  die 
hinteren  Stirnbeine  von  den  mittleren  unlerscheiden.  Die 
Ossa  frontalia  anteriora  sind  gross  und  bilden  den  ganzen 
oberen  Augenhöhlenrand,  und  berühren  hier  fast  die  Ossa 
frontalia  posteriora,  indem  von  den  Ossa  frontalia  interme- 
dia nur  ein  schmaler  Fortsalz  den  Rand  erreicht.  Diese  Gren- 
zen sind  jedoch  nicht  sehr  deullich ,  und  liessen  sich  auch 
in  der  Zeichnung  nicht  ausdrücken. 

Das  Os  lacrimale  bildet  den  vorderen  Rand  der  Au- 
genhöhle. Es  ist  mit  dem  Os  frontale  anterius  durch  eine 
Naht  verbunden,  an  das  Oberkieferbein  ist  es  jedoch  so  in- 
nig angefügt,  dass  die  Naht  kaum  zu  bemerken  ist.  Das 
Thränenbein  ist  durch  ein  beträchtliches  Foramen  lacrimale 
durchbohrt.  Seine  Aussenfläche  ist  mit  der  knochigen  Haut 
verwachsen. 

Vom  Os  superciliare  Cuv.,  welches  nur  den  Monitorea 
und  eigentlichen  Lacerten  zuzukommen  scheint,  ist  keine  Spnr 
vorhanden. 

Das  Foramen  lacrimale  setzt  sich  vor  dem  Thränenbein 
auf  der  inneren  Fläche  des  Oberkiefers  als  ein  tiefer 
Kanal  fort,  und  erreicht  den  Zwischenkiefer.  Dadurch,  dass 
der  untere  Rand  dieses  Kanales  stark  vorspringt  ,  wird  die 
untere,  zahnlragende  Fläche  des  Oberkiefers  ziemlich  breit, 
und  ein  wenig  concav.  Der  Oberkiefer  (Taf.  XIH.  Fig.  2.  w) 
ist  kurz  und  reicht  vom  Zwischenkiefer  bis  zum  Thränenbein 


298  Troschcl: 

und  Jochbein.  Er  scheint  sieben  Zähne  g-etragen  zu  haben, 
von  denen  jedoch  einig-e  abgebrochen  sind. 

Das  Os  zygomaticum  (Taf.  XIII.  Fig. 2.  ä)  begrenzt 
die  Augenhöhle  von  unten  und  von  hinten  ,  und  hat  einen 
seitlichen  Fortsatz,  an  dessen  Innenfläche  sich  der  Kronforl- 
satz  des  Unterkiefers  anlehnt. 

Der  Längsdurchmesser  der  Augenhöhle  ist  etwas  grös- 
ser als  der  senkrechte  Durchmesser ;  sie  nimmt  den  fünften 
Theil  der  ganzen  Schädellänge  ein. 

Die  eigentlichen  Stirnbeine  stossen  an  das  Os  parietale 
in  einer  ziemlich  geraden  Linie  an.  Dieselbe  ist  von  oben 
wegen  der  knochigen  Haul,  welche  sie  verdeckt,  nicht  sicht- 
bar, von  unten  jedoch  ist  sie  als  eine  ziemlich  tiefe  Furche 
deutlich.  Am  Ende  dieser  Furche  liegt  das  Os  frontale  po- 
sterius ,  welches  sich  mit  seinem  grösseren  Rande  dem  ei- 
gentlichen Stirnbein,  mit  einem  kürzeren  Rande  dem  Os  pa- 
rietale anfügt.  Das  Os  frontale  posterius  hat  einen  dicken 
Orbilalfortsatz,  an  welchem  das  Jochbein  befestigt  ist;  ein 
hinterer  Fortsatz  fehlt  jedoch,  ebenso  wie  derSchläfenbogen, 
gänzlich. 

Das  Os  parietale  liegt  hinter  dem  Stirnbein,  ist  nur 
in  seinem  vorderen  Theile  mit  der  knochigen  Haut  verwachsen 
und  bietet  eine  breite  Oberfläche  von  viereckiger  Gestalt  dar, 
deren  Seitenränder  wie  der  Hinterrand  scharf  und  ein  wenig 
ausgeschweift  sind.  Auf  der  oberen  Fläche  ist  keine  Spur 
einer  Fontanelle  sichtbar,  auf  der  unteren  Fläche  ist  eine 
kleine  Vertiefung  als  Andeutung  einer  Fontanelle  vorhanden. 
Die  beiden  hinteren  Ecken  sind  in  einen  langen  starken  Fort- 
satz ausgezogen,  an  den  sich  der  Querfortsatz  des  Hinter^ 
hauptbeines  anfügt.  Eine  Längsnaht  zeigt,  dass  jeder  dieser 
Fortsätze  aus  zwei  Knochen  besteht;  der  innereist  der  Fort- 
satz des  Scheitelbeins,  der  äussere  ist  das  Os  mastoideuui 
(Taf.  XIII.  Fig.  2.  n),  welches  der  ganzen  Länge  nach  diesem 
Fortsalze  dicht  anliegt ,  und  seine  Breite  und  Stärke  bedeu- 
tend vermehrt. 

Das  Schläfenbein  (Os  teniporale,  nach  Anderen  os 
quadrato-jugale)  ist  sehr  klein  und  nimmt  nur  etwa  den  drit- 
ten Theil  des  Os  masloideum  ein  cTaf.XIII.  Fig.  2.  0  ,  mit 
welchem  es  innig  verbunden  ist.     Es  bilt;v.l  gleichsam   das 


Ueber  Heloderma  borridura  Wiegm.  299 

äussere  Ende  des  hinteren  Scheitelbeinforlsatzes.  Der  ganze 
innere  Rand  des  Schläfenbeines  liegt  dem  Os  mastoideum  so 
an,   dass  auch  keine  Spur    eines  Jochbogens   vorhanden  ist. 

Das  Hinterhauptsbein,  so  wie  das  Sphenoid- 
bein,  stimmen  im  Allgemeinen  und  im  Wesentlichen  mit  de- 
nen der  übrigen  Saurer  überein.  DasOs  petrosum  liegt  wie 
gewöhnlich  dem  vorderen  Rande  des  Querfortsatzes  des  Hin- 
terhauptsbeines an,  und  gleicht  an  Gestalt  dem  der  Monitoren. 

Das  Os  tympanicum  (Taf.  Xlll.  Fig.  2./0  trägt  auch 
hier  wie  bei  allen  Eidechsen  den  Unterkiefer,  ist  kurz  und  sehr 
kräftig,  und  zeichnet  sich  dadurch  aus  ,  dass  seine  hintere 
Fläche  stark  ausgehöhlt  ist.  Sein  oberes  Ende  ist  an  dem 
hinteren  Fortsatze  des  Scheitelbeines,  oder  vielmehr  an  die- 
sem, an  dem  Os  mastoideum  und  an  dem  Os  temporale  be- 
festigt. 

Die  Pflugschaarbeine  ( Ossa  Vomeris  ,  Taf.  XHI. 
Fig.  3.  V)  fügen  sich  an  den  Zwischenkiefer  an ,  und  sind 
gleichsam  eine  Fortsetzung  desselben.  Sie  liegen  in  der 
Längsrichtung,  bilden  vorn  eine  tiefe  Längsfurche  zwischen 
sich,  und  divergiren  nach  hinten,  um  sich  an  die  Gaumen- 
beine anzulehnen.  Die  Längsfurche  an  dem  vordem  Theil 
der  Oberfläche,  wie  sie  beiden  Monitoren  vorkommt,  fehlt  hier. 

Die  Ossa  palatina  (Taf.  XIII.  Fig.  3.  p)  bestehen  aus 
drei  Aesten,  die  flach,  breit  und  kurz  sind.  Zwei  derselben 
sind  nach  vorn,  der  dritte  nach  hinten  gerichtet.  Der  vor- 
dere innere  berührt  das  hintere  Ende  des  Vomer ,  der  vor- 
dere äussere  heftet  sich  an  den  Oberkiefer,  und  der  hinlere 
fügt  sich  an  den  vordem  und  innern  Forlsalz  des  Plerygoid- 
beins.  Zwischen  den  beiden  vorderen  Aesten  hängt  das  Gau- 
menbein nach  oben  auch  mit  dem  os  frontale  anterius  zu- 
sammen. Beide  Gaumenbeine  sind  von  einander  völlig  ge- 
lrennt. Sie  weichen  überhaupt  von  denen  der  Monitoren  nicht 
auffallend  ab. 

Das  Os  transversum  (Taf.  XIH.  Fig.  3.  ^)  ist  ein 
kurzer  Knochen  ,  und  verbindet  den  äusseren  Fortsatz  des 
Plerygoidbeins  mit  dem  Oberkiefer  und  mit  dem  Jochbein. 
Auch  dieser  Knochen  unterscheidet  sich  nicht  besonders  von 
dem  gleichnamigen  der  Monitoren. 

Das  Pterygoidbein  (Taf. XHI.  Fig,3.  r)  ist  etwa  in 


300  Troschel: 

der  Mitte  seiner  Länge  der  Apophyse  des  Sphenoidbeins  mit 
einer  Gelenkfläche  angefügt.  Von  hier  aus  wird  der  Knochen 
nach  vorn  allmählich  breiler  und  endet  in  zwei  kurzen  brei- 
ten Fortsätzen,  deren  innerer  sich  an  d^n  hinteren  Gaumen- 
bcinforlsatz  anfügt,  und  flach  und  breit  ist,  während  der 
äussere,  hoch  und  schmal,  an  dem  Ende  des  Os  transversum 
befestigt  ist.  Der  innere  Fortsatz  ist  gleichsam  wie  ein  ho- 
her Kiel  an  dem  äusseren  stärkeren  angebracht,  und  die  der 
Mundhöhle  zugekehrte  Fläche  ist  daher  concav.  Der  Theil 
dieses  Knochens,  welcher  hinter  der  Apophyse  des  Sphenoid- 
beins liegt,  ist  etwas  zusammengedrückt,  an  der  Innenseite 
flach,  und  ist  mit  seiner  hinteren  Spitze,  wie  bei  allen  Sau- 
riern, in  einer  Grube  des  Ostympanicum  befestigt.  Oberhalb 
der  Gelenkfläche  für  die  Apophyse  des  Sphenoidbeines  ent- 
springt die  Columella  Cuv.  als  ein  schmaler  Knochen,  der 
sich  senkrecht  zum  Rande  des  Scheitelbeines  begiebt  (.Taf. 
XIII.  Fig.  2.  s). 

In  der  Knorpelhülle,  welche  vor  dem  Sphenoidbeine 
liegt,  sind  keine  Knochenstücke  vorhanden. 

Als  besondere  Eigenthünilichkeiten  des  Schädels  möchte 
ich  bezeichnen  :  die  Kleinheit  des  Os  temporale ,  womit  das 
gänzliche  Fehlen  des  Jochbogens  zufammenhängt,  —  das  Feh- 
len des  Os  supraorbitale,  —  und  die  beträchtliche  Breite  des 
Scheitelbeines,  welches  nicht  wie  gewöhnlich  zwei  seilliche 
dachförmige  Flächen  darstellt,  sondern  eine  breite  Fläche, 
deren  seitliche  Ränder  zugeschärft  sind. 

Der  Unterkiefer. 

Eine  Eigenthümlichkeil  dieser  Eidechse  besieht  darin, 
dass  die  beiden  Aeste  des  Unterkiefers  vorn  durch  Knorpel 
verbunden  sind,  so  dass  sie,  wie  bei  den  Schlangen,  einiger 
Ausdehnung  fähig  sind.  Damit  hängt  auch  das  Vorhanden- 
sein einer  kleiner  Kinnfurche  zusammen. 

Jeder  Ast  des  Unterkiefers  ist  aus  sechs  Knochen  zu- 
sammengesetzt, wie  bei  allen  Eidechsen ,  die  Cuvier  als 
dentale,  operculare,  complementare,  articulare,  angulare  und 
supraangulare  bezeichnet. 

Das  Os  dentale  (Taf. XIII.  Fig.2.  <7)   ist   sehr  kurz, 


Ueber  Heloderma  horridum  Wiegm.  301 

kürzer  als  bei  irgend  einer  Eidechse;  es  nimmt  nur  zwei 
Fünflei  der  ganzen  Länge  des  Unterkiefers  ein,  während  es 
bei  den  übrigen  Eidechsen  mindestens  die  Hälfte  desselben 
erreicht.  An  seiner  äusseren  Fläche  finden  sich  vier  Löcher. 
Der  hintere  Rand  ist  fast  senkrecht,  macht  jedoch  zwei  Buch- 
ten, von  denen  die  Vorderenden  des  complementare  und  su- 
praangulare  umfasst  werden. 

Das  Os  operculare  zeigt  grosse  Aehnlichkeit  mit 
dem  der  Monitoren.  Es  liegt  innerhalb  des  hinlern  Theiles 
des  Os  dentale  ,  erreicht  die  Zahnwurzeln  nicht ,  und  bildet 
den  unteren  Winkel  des  Unterkiefers.  Vor  dem  Os  opercu- 
lare ist  das  Os  dentale  an  seinem  untern  Rande  mit  einer 
tiefen  Furche  versehen,  in  der  der  Knorpel  des  Unterkiefers 
liegt,  durch  welchen  die  beiden  Aeste  vorn  verbunden  wer- 
den. An  der  inneren  Fläche  des  Os  operculare  finden  sich 
zwei  Foramina,  ein  kleineres  am  unteren  Rande,  ein  grösse- 
res am  oberen  Rande,  dicht  am  Os  dentale ;  letzteres  gehört 
nur  dem  operculare  an,  während  es  bei  den  Monitoren  zwi- 
schen beiden  Knochen  angebracht  ist. 

Der  vordere  Theil  des  Os  comple  m  e  ntar  e  ist  hö- 
her als  bei  den  Monitoren,  kürzer  und  ohne  äusseren  Kiel. 

Die  übrigen  Knochen  des  Unterkiefers  weichen  von  de- 
nen der  Monitoren  nicht  ab,  nur  ist  bei  Heloderma  horridum 
der  hintere  Forlsalz  kürzer  als  bei  ihnen. 

Die    Zähne. 

Wieofmann  sa^t  richlio-  über  die  Zähne:  dentes  ma- 
xillarum  aequales,  allenuato-conici ,  recliusculi ,  aculissimi, 
maxillarum  margini  interno  adfixi ,  antico  latere  inlus  sulco 
profundo  exarali.     Denies  palalini  nulli.«  •"*}. 

Nach  unserem  Exemplare  kann  ich  diesen  Angaben  hin- 
zufügen, dass  im  Zwischenkiefer  fünf  Zähne  vorhanden  sind, 
ein  wenig  entfernt  von  einander,  von  denen  jedoch  nur  die 
beiden  links  gelegenen  erhallen  sind.  Sie  sind  fast  gleich 
gross  und  an  der  inneren  Seile  gefurcht.  Es  ist  sehr  zu 
bedauern,  dass  der  initiiere  Zahn  abgebrochen  ist,  von  dem 


*)  Herpetologia  mexicana  p.  24. 


302  Troschel: 

es  zweifelhaft  ist,  ob  er  gefurcht  war  oder  nicht.  Jedet 
Oberkiefer  trägt  sieben,  jeder  Unterkiefer  neun  Zähne;  alle 
sind  gefurcht.  Die  unteren  Zähne  scheinen  die  oberen  an 
Länge  übertroffen  zu  haben. 

Die  Basis  aller  Zähne,  sowohl  der  oberen  wie  der  un- 
teren, war  von  einem  drüsenartigen  Zahnfleische  umgeben; 
es  ist  mir  jedoch  nicht  gelungen,  Ausführungsgänge  zu  den 
Zahnwurzeln  zu  ermitteln.  Ich  kann  daher  die  Frage  über 
die  Giftigkeit  des  Heloderma  horridum  nicht  zur  Entschei- 
dung bringen.  Da  das  Wi  eg  m  ann'sche  Werk  seilen,  und 
nicht  Jedem  zugänglich  ist,  so  wiederhole  ich  die  hierauf 
bezügliche  Stelle  *••*)  hier,  um  sie  denjenigen  in  Erinnerung  zu 
bringen,  die  in  der  Folge  Gelegenheit  haben,  das  Thier  zu 
untersuchen:  „Specimen  huius  animalis  unicum,  idque,  quod 
maxime  dolendum,  exsiccatum,  a  Ferdinando  Deppe,  ineunle 
anno  1828,  accepimus^  nonune  Scorpii  (Escorpione)  quo  iam 
antiquis  temporibus  in  Nova  Hispania  appellabalur,  insignitum. 
Vivit  in  ferventibus  terrae  Mexicanae  regionibus.  Torvo  foe- 
dissimoque  aspeclu  ac  dentium  longo  acumine  falsam  vene- 
nali  ac  letiferi  morsus  suspicionem  iam  antiquilus  in  se  com- 
movit.  Eliamnum  illarum  regionum  incolae  Deppio  teste  cro- 
lalum  aliosque  venenatos  serpentes  vix  magis  timent,  huius- 
que  animalis  aspectum  tanloperereformidant,  ut  quum  ex  ve- 
nalu  ille  rediret,  nostrae  besliolae  exuvias  in  manibusgestans, 
ex  aedibus  omnes  protinus  erumperent.  Sunt  tamen,  quae  ut 
hanc  foveant  suspicionem^  etiam  zoologorum  multos  perdu- 
xerinl,  denies  nimirum,  sulco  eodem  exarati,  qualem  in  ser- 
pentibus  iure  suspectis  v.  g.  in  Dipsade,  Homalopsi  aliisque 
invenimus,  et  quos  glandulae  veneniparae  ductus  excretorios 
excipere  facile  tibi  persuadeas.  Obslat  tamen  nullam  hucus- 
que  ex  lacertis  innotuisse  venenatam  ,  et  eundem  etiam  in 
mandibulae  denlibus  sulcum  adesse  ,  qui  quomodo  venenum 
sursum  ducat,  non  facile  inlclligilur.  Hinc  verisimilius  vi- 
delur,  sulcos,  in  prima  dentium  evolutione  ortos ,  quemad- 
modum  in  serpentium  dentibus  fieri  scimus,  per  aelalem  per- 
manere.  Ad  hanc  quoque  sentenliam  faciunt,  quae  ex  Her- 
nandesii  scriptis  hausta,   Kardus  Antonius  Recchius    cap.  II. 


*)  Herpetologia  mexicana  p.  25. 


Ueber  Heloderma  lion'idum  Wiegm.  303 

de  Acaltetepo  seu  Monoxillo  mucronato,  in  Thesauro  Rerum 
medic.  Nov.  Hisp.  p.3l5.  refert:  „„De  Acaltetepon  seu  Mo- 
noxillo mucronato,  qiiod  privatim  Temacuilcahuya  vocant,La- 
certo  Novae  Hispaniae.  Versatur  in  Ouauhnaliuacensibus  agris 
aliisque  fervenlibus  huius  Novae  Hispaniae  locis  lacerli  terri- 
ficum  quoddam  genus.  Coloto  nostrali  haud  absimile,  nun- 
cupatum  ab  iridigenis  Hispanis  Scorpiiis  diias  longum  spilha- 
mas,  prolixa  cauda,  brevibus  cruribus,  lingua,  quam  interdum 
versat,  rubra,  lata  ac  bifida,  torvo  capite,  incessu  gravi  tar- 
doquc,  et  crusta  intectam  dura  ,  fulvis  candidisque  punclis, 
j»arvulas  margarilas  imitantibus  aut  lilhospermi  semina,  va- 
riala ,  quae  a  cruribus  posterioribus  usque  ad  extremum  Ca- 
put in  varias  digerunlur  formas ,  ab  iisdem  vero  ad  extre- 
mum caudae  in  lineas  annulis  similes,  cingentes  transversim 
corpus  per  inlervalla,  etsi  fulvae  longo  sunt  numerosiores. 
Huius  animalis  morsus  noxius  est,  sed  minime  lethalis,  quo 
fit,  ut  visu,  quam  ictu  sit  horridius,  nee  quemquam  impetat, 
nisi  laesum  et  concitatum  ct."« 

Nach  dem  Zeugniss  des  Hernandez  ist  das  Thier  also 
nicht  giftig,  und  ich  will  auch  nicht  gerade  behaupten,  dass 
es  giftig  sei.  Die  Gründe,  welche  Wiegmann  dafür  an- 
giebt,  dass  es  nicht  giftig  sei ,  scheinen  mir  jedoch  nicht 
stichhaltig.  Wenn  er  sagt,  dass  es  schwer  zu  erklären  sei, 
wie  in  den  gefurchten  Zähnen  des  Unterkiefers  das  Gift  in 
die  Höhe  treten  solle,  so  kann  ich  dem  nicht  beistimmen; 
denn  schon  durch  einen  leisen  Druck  der  Giftdrüse  müsste 
das  Gift  in  der  Furche  nach  oben  und  tief  in  die  Wunde 
treten,  wie  viel  eher  bei  einem  kräftigen  Biss,  wie  ihn  offen- 
bar das  Thier  ausführt. 

Das  Zungenbein. 

Das  Zungenbein  (Taf.  XIII.  Fig.  4.3  weicht  von  dem 
der  übrigen  Eidechsen  sehr  bedeutend  ab.  Der  Körper  des- 
selben ist  grösstenlheils  knorplig,  und  enthält  nur  ein  vier- 
seitiges Knöcholchen,  das  etwas  länger  als  breit  ist.  Dieser 
Körper  dehnt  sich  in  einen  langen  vorderen  Knorpelfortsalz 
aus,  der  in  die  Zunge  tritt.  Ausserdem  sind  zwei  Paare 
knöcherner   Hörner    dem    Körper  eingelenkt.     Das  vordere 


304  Troschel: 

Paar  ist  nur  halb  so  lang  wie  der  milllere  Fortsatz,  ist  ge- 
rade und  niirimt  seine  Richlung  nach  der  Seile  und  ein  we- 
nig nach  vorn;  von  seinem  Ende  entspringt  ein  zweiter  lan- 
ger knorpliger  Theil,  der  nach  hinten  gerichtet  ist.  Die  hin- 
leren Hörner  sind  fesler,  knochiger,  rundlich  ,  nach  hinten 
gerichtet,  und  so  gekrümmt ,  dass  sie  allmählich  ein  wenig 
mehr  divergiren;  sie  haben  etwa  dieselbe  Länge  wie  der  vor- 
dere mittlere  Fortsatz  des  Körpers,  und  an  ihr  Ende  setzt 
sich  ein  Knorpel  an.  Von  einem  dritten  Hörnerpaar  ist  keine 
Spur  vorhanden.  Von  allen  Zungenbeinen  von  Eidechsen, 
die  Cuvier  *)  beschrieben  und  abgebildet  hat,  ist  das  Ver- 
liegende noch  am  ersten  mit  dem  der  Geckonen  zu  verglei- 
chen, obgleich  es  hinlänglich  dadurch  abweicht,  dass  der  er- 
ste Theil  der  vorderen  Hörner  nicht  gekrümmt  ist,  und  durch 
die  terminale  Insertion  des  zweiten  Theiles  derselben. 

Di  e  Wirbels  äule. 

Es  sind  acht  Halswirbel  vorhanden,  von  denen  die  fünf 
hinteren  Rippen  tragen. 

Der  Atlas,  welcher  wie  gewöhnlich  bei  den  Eidech- 
sen aus  drei  Knochen  besieht,  hat  grosse  Aehnlichkeil  mit 
dem  der  Monitoren ,  die  vorderen  und  hinteren  Einschnille 
sind  jedoch  weniger  lief;  der  untere  Theil  ist  kurz,  und  we- 
der mit  einem  deutlichen  unteren  Kiel,  noch  mit  einem  hin- 
tern dornigen  Fortsatze  versehen  (Taf.  XIII.  Fig.  1.  a.b.'). 

Abweichender  ist  der  Epislropheus  gestaltet.  Der 
Processus  odontoideus  ist  dick,  kurz,  und  hat  oben  eine  et- 
was vertiefte  Grube.  Vorn  ist  der  Körper  höher  und  dicker 
als  hinten,  und  unten  springt  er  in  einen  stumpfen  Höcker 
vor,  ohne  Spur  des  Dornes,  der  hier  bei  den  Monitoren  vor- 
kommt. Die  untere  Leiste  ist  wenig  deutlich,  und  trägt  an 
ihrem  hinteren  Ende  eine  kleine  Epiphyse.  Die  Querfort- 
sälze  sind  sehr  entwickelt,  halb  so  lang  wie  die  Breite  des 
Körpers,  enden  aber  nicht  in  einer  hinleren  Leiste.  Der 
Dornfortsatz  ist,  von  der  Seile  gesehen,  fast  quadratisch  mit 
ausgeschweiften  Rändern ;  seine    obere   Kante  ist  kürzer  als 


*)  Ossemens  fossiles  Y.  pl.XVIL 


Ueber  Heloderma  horridum  "Wiegm.  305 

der  Körper  des  Epistropheus.  Die  vorderen  Processus  obli- 
qui  sind  sehr  klein,  wenig  vorspringend  und  unter  ihnen  ist 
kaum  ein  Einschnitt  vorhanden ;  die  hinteren  Processus  obli- 
qui   sind   denen    der  übrigen  Halswirbel  ähnlich    (Taf.  XIV. 

Fig.  2.0.6.)- 

Die  übrigen  Halswirbel  sind  kürzer,  und  ihre  vor- 
deren und  hinteren  schiefen  Fortsätze  sind  wohl  entwickelt; 
ihre  Dornfortsätze  sind  zusammengedrückt,  nach  rückwärts 
geneigt,  bilden  vorn  eine  scharfe  Kante,  hinten  eine  schmale 
Fläche  und  sind  bei  gleicher  Höhe  mit  dem  Dornfortsatz  des 
Epistropheus  nur  halb  so  lang  d.h.  in  der  Richtung  von  vorn 
nach  hinten.  Die  Querfortsätze  sind  stärker  und  springen 
fast  senkrecht  vor.  Die  untere  Fläche  des  Körpers  dieser 
Wirbel  ist  convex,  ohne  Kiel,  und  trägt  weder  den  vordem 
Höcker ,  noch  die  hintere  Epiphyse  des  Epistropheus.  Die 
vordere  Fläche  ist  bei  allen  concav,  die  hinlere  kuglig  con- 
vex, wenig  breiter  als  hoch. 

Die  Rückenwirbel  sind  von  den  Halswirbeln  wenig 
verschieden.  Sie  sind  jedoch  etwas  breiter  und  niedriger. 
Die  Dornfortsätze  werden  von  vorn  nach  hinten  allmählich 
kleiner.  Die  untere  Fläche  der  Wirbelkörper  ist  fast  eben, 
nach  hinten  verschmälert.  Die  kurzen  fast  senkrechten,  hök- 
kerförmigen  Querfortsätze  tragen  Rippen.  Wenn  man  alle 
diejenigen  Wirbel,  welche  Rippen  tragen,  zu  den  Rücken- 
wirbeln zählt,  natürlich  mit  Ausnahme  der  Rippen  tragenden 
Halswirbel ,  dann  sind  23  Rückenwirbel  vorhanden.  Auf 
Taf  XIV.  Fig.  3.  ist  der  17.  Rückenwirbel  mit  seiner  Rippe 
dargestellt. 

Auf  sie  folgen  zwei  Wirbel  ohne  Rippen,  die  man  als 
Lendenwirbel  ansehen  kann,  und  die  sich  in  der  Gestalt 
von  den  hinteren  Rückenwirbeln  nicht  wesentlich  unter- 
scheiden. 

Das  Os  sacrum  besteht  aus  zwei  Wirbeln  (Taf.  XIV. 
Fig.  7.  «und  h).  Der  erste  derselben  hat  einen  grossen 
Querfortsatz,  der  sich  mit  dem  hinteren  Rande  des  verbrei- 
terten Endes  an  den  Querfortsatz  des  zweiten  ansetzt.  Die 
vorderen  Gelenkfortsätze  dieses  ersten  Wirbels  gleichen  an 
Grösse  den  entsprechenden  Fortsätzen  der  Rücken-  und  Len- 
denwirbel, die  hinteren  Gelenkfortsätze  sind  kleiner,  und 
Aicblr  f.  K&tufgcMb.  :iX>  J&brg.  1.  8d.  20 


3^6  Troscheb 

stimmen  mit  denen  der  Schwanzwirbel  überein.  Daher  müsste 
man,  wenn  man  die  Form  allein  in  Betra(  ht  zieht,  die  vor- 
dere Hälfte  des  ersten  Kreuzwirbels  den  Lendenwirbeln,  die 
hintere  Hälfte  desselben  den  Schwanzwirbeln  zuzählen;  der 
zweite  Kreuzwirbel  würde  ganz  in  die  Ordnung  der  Schwanz- 
wirbel gehören.  Der  Ouerforfsatz  des  zweiten  Kreuzwirbels 
ist  weniger  kräftig,  am  Grunde  cylindrisch,  am  Ende  gleich- 
sam gabiig,  und  bildet  in  Gemeinschaft  mit  dem  Querfortsatz 
des  ersten  Kreuzwirbels  eine  tiefe  Grube^,  welche  das  Becken 
aufnimmt. 

Das  Ende  der  Wirbelsäule  bilden  dann  41  Schwanz- 
wirbel. Die  Dornfortsätze  sind  an  den  vorderen  Wirbeln 
wohl  entwickelt,  etwas  höher  und  schlanker  als  an  den  vor- 
hergehenden Rückenwirbeln.  An  den  vorderen  Schwanzwir- 
beln sind  sie  am  Gipfel  abgestutzt  (vergl.  Taf.  XIV.  Fig.  4.), 
etwa  vom  20.  Wirbel  an  werden  sie  spitz  ,  an  den  letzten 
Wirbeln  verschwinden  sie  mit  den  übrigen  Fortsätzen  ganz. 
Der  Querfortsatz  des  ersten  Schwanzwirbels  ist  kurz  und 
kräftig,  um  dem  nach  hinten  vorragenden  Theil  des  Os  ilium 
mehr  Raum  zu  geben;  der  des  zweiten  ist  breiterund  länger, 
von  allen  der  grosseste,  von  seiner  Mitte  am  vorderen  Rande 
verschmälert,  ein  wenig  nach  hinten  gerichtet.  Die  Quer- 
ortsätze  der  übrigen  Schwanzwirbel  sind  ziemlich  lang, 
schmal,  flachgedrückt,  dornförmig,  und  genau  seitwärts  ge- 
richtet; nach  hinten  werden  diese  Ouerfortsätze  allmählich  klei- 
ner und  verschwinden  endlich  fast  ganz.  Der  Raum  zwischen 
den  Querfortsätzen  und  Dornfortsätzen  fand  sich  grösstentheils 
mit  Fett  ausgefüllt.  Alle  Schwanzwirbel,  mit  Ausnahme  des 
ersten,  tragen  an  ihrem  hinteren  Rande,  oder  vielmehr  zwi- 
schen je  zwei  Wirbeln  angefügt,  einen  unteren  Dornfortsatz, 
der  mit  zwei  Wurzeln  auf  vorspringenden  Höckern  befestigt 
ist.  Der  erste  untere  Dornfortsatz  ist  kürzer  als  der  zweite; 
vom  zweiten  ab  werden  sie  allmählich  kleiner ,  so  dass  der 
siebente  an  Länge  dem  ersten  gleich  kommt;  an  den  letzten 
Wirbeln  verschwinden  sie  ganz. 

Leider  sind  die  beiden  letzten  Schwanzwirbel  abhanden 
gekommen. 


Üeber  Heloderma  horridum  Wiegm,  307 

Die  Rippen. 

Im  Ganzen  sind  bei  Heloderma  horridum  28  Rippen- 
paare vorhanden,  nämlich  5  an  den  Halswirbeln,  23  an  den 
Rückenwirbeln.  Von  diesen  erreichen  die  vier  vorderen 
Paare  das  Brustbein. 

Ihre  Länge  ist  sehr  verschieden.  Der  Länge  nach  ge- 
hen die  Rippen  der  Halswirbel  allmählich  in  die  Rückenwir- 
bel über,  und  die  Grenze  der  Wirbel  wird  überhaupt  nur 
durch  die  Insertion  der  Rippen  an  das  Brustbein  bestimmt. 
Am  kürzesten  und  anschaulichsten  wird  sich  das  VerhältnisiS 
der  Rippen  zu  einander  ausdrücken  lassen,  wenn  ich  von  al- 
len die  Maasse  in  Millimetern  angebe: 

Die  Länge  der  Halsrippen  ist  von  vorn  nach  hinten:  8'/2» 
II,  12,  14,  29  mm.  Die  ersten  vier  Brustrippen,  welche  das 
Brustbein  erreichen,  haben  folgende  Maasse  :  30,  36,  38,  43 
mm.  ihre  Knorpel  sind  bogenförmig  und  nehmen  von  vorn 
nach  hinten  an  Länge  zu.  Die  übrigen  Rippen  messen  52, 
56,  59,  5^,  61,  61,  61,  59,  59,  59,  59,  56,  55,  50,  47,  39, 
18,  II,  9  mm. 

Die  einzelnen  Rippen  haben  unter  der  verdickten  Ba- 
sis eine  concave  Fläche,  welche  dem  höckerförmigen  Quer- 
fortsatze  aufsitzt.  Am  Grunde  sind  die  Rippen  rundlich,  ge- 
gen das  Ende  werden  sie  flach.  Auf  Taf.  XIV.  Fig  3.  ist  die 
Rippe  des  17.  Rückenwirbels  abgebildet. 

Das  Brustbein  und  das  Schultergerüst. 

Das  Brustbein  (Taf.  XIV.  Fig.  5.)  besteht  aus  zwei 
Theilen,  aus  dem  Handgriff  und  dem  Körper. 

Der  Handgriff  des  Brustbeins  ist  ein  schmaler  und  fla- 
cher Knochen,  der  am  vorderen  Ende  nur  wenig  erweitert 
ist,  und  keine  seitlichen  Hörner  absendet.  An  dieses  Ende 
sind  die  Schlüsselbeine  angefügt.  Die  hintere  Hälfte  ist  eben- 
falls etwas  erweitert,  und  tritt  mit  seiner  stumpfen  Spitze  in 
einen  tiefen  Einschnitt  des  Brusibeinkörpers  ein. 

Der  Körper  des  Brustbeins  hat  eine  rhombische  Gestalt, 
ist  sehr  flach  und  besteht  aus  zwei  Stücken,  die  der  Länge 
nach  in  der  Mittellinie  aneinanderstossen.     Die   beiden  vor- 


308  Troschel: 

deren  Ränder  sind  verdickt,  und  lehnen  sich  an  die  Ossa 
coracoidea;  an  die  hinteren  Ränder  befestigen  sich  jeder- 
seits  die  Knorpel  der  vier  Rippen.  Der  erste  Knorpel  er- 
reicht das  Brustbein  dicht  hinter  seinem  seitlichen  Winkel; 
der  zweite  in  der  Mitte  des  Hinterrandes;  der  dritte  und 
vierte  sind  dicht  neben  einander  an  dem  hinteren,  etwas  ab- 
gestutzten Winkel  angeheftet,  der  letzlere  so  nahe  dem  der 
anderen  Seite,  dass  sie  eine  Strecke  mit  einander  verbun- 
den sind. 

Das  Schulterblatt  (Taf.  XIV.  Fig.  6.3  besteht  aus 
vier  Stücken,  aus  der  lamina  cartilaginosa  (a),  der  knöcher- 
nen scapula  (6),  dem  Os  coracoideum  (c)und  der  lamina  se- 
milunaris  (d). 

Die  Lamina  cartilaginosa  ist  dünn,  länger  als 
hoch  und  hat  vier  Ränder,  der  obere  ist  fast  gerade,  ein  we- 
nig convex ;  der  vordere  ist  kürzer  und  gleichfalls  fast  ge- 
rade; der  hintere  ist  bogig  ausgeschnitten.  Der  unlere  Rand 
hat  einen  mittleren  Vorsprung,  wodurch  zwei  bogige  Aus- 
schnitte entstehen;  in  den  hinteren  Ausschnitt  fügt  sich  das 
eigentliche  knöcherne  Schulterblatt  ein,  an  den  vorderen  Rand 
des  mittleren  Vorsprunges  setzt  sich  das  Schlüsselbein  an. 

Die  Scapula  ossificata  ist  kleiner  als  die  eben 
beschriebene  Knorpelplatte,  an  welche  sie  sich,  wie  schon  er- 
wähnt, mit  dem  oberen  bogigen  Rande  anfügt.  Unten  ist  sie 
verdickt  und  bildet  hier  gemeinschaftlich  mit  dem  Rabenbein 
eine  Gelenkgrube  zur  Aufnahme  des  Kopfes  des  Oberarms. 
Der  wenig  ausgeschweifte,  dicke  Hinterrand  ist  länger  als 
der  scharfe,  stark  gebogene  Vorderrand. 

Das  Os  coracoideum  scheint  sich  von  allen  übrigen 
Eidechsen  dadurch  auszuzeichnen ,  dass  es  nicht  in  Aeste 
getheilt  ist.  Seine  Gestalt  ist  beilförmig.  Der  vordere  Rand 
vereinigt  sich  mit  dem  unteren  zu  einem  grossen  Bogen,  der 
ganzrandig  ist  und  in  ganzer  Länge  an  die  halbmondförmige 
Platte  sich  anlehnt.  Der  obere  Rand  ist  in  seinem  hinteren 
Theile  verdickt,  und  mit  der  Scapula  verbunden,  mit  der  er 
die  Gelenkgrube  für  den  Oberarm  bildet;  mit  seinem  vorde- 
ren gebogenen  Theile  bildet  er  mit  dem  vorderen  Rande  der 
Scapula  ossificata  einen  tiefen  kreisförmigen  Sinus,  der  durch 
eine  durchsichtige ,  sehr  dünne ,  häutige  Lamelle  ausgefüllt 


Ueber  Heloderma  horridum  Wiegm.  309 

ist.  Ueber  der  Mitte  ist  das  Os  coracoideum  von  einer  klei- 
nen kreisrunden  Oeffnung  durchbohrt.  Der  hintere  Rand  ist 
unter  der  Gelentigrube  etwas  ausgeschweift  und  erstreckt 
sich  nach  hinten  ,  so  dass  das  Rabenbein  sich  in  eine  hin- 
tere Spitze  ausdehnt. 

Die  Lamina  semilunaris  ist  eigentlich  nur  eine  Er- 
weiterung des  vorderen  und  unteren  Rogens  des  eben  be- 
schriebenen Knochens,  mit  dem  sich  ihr  oberer  Rand  verbin- 
det; ihr  unterer  längerer  Rand  lehnt  sich  an  das  Rrustbein  an. 
Nach  hinten  verschmälert  sich  diese  Platte  allmählich,  und 
erhält  so  die  Gestalt  eines  Füllhorns. 

Die  Clavicula  (Taf.  XIV.  Fig.  6.  e)  verbindet  das  vor- 
dere Ende  des  Handgriffes  des  Brustbeins  mit  der  Lamina 
cartilaginosa  des  Schulterblattes  ,  hat  jedoch  keine  Gelenk- 
grube. Dieser  Knochen  ist  dünn  und  so  gebogen,  oder  viel- 
mehr in  der  Mitte  geknickt,  dass  die  obere  Hälfte  fast  grade 
erscheint,  mit  einer  geringen  Convexität  nach  hinten,  die  un- 
tere nach  vorn  gerichtete  Hallte  dagegen  eine  kleine  Conve- 
xität nach  oben  macht. 

Das    Becken. 

Das  Becken  besteht  jederseits  aus  drei  Knochen,  aus 
dem  Os  ilium,  dem  Os  pubis  und  dem  Osischii,  die  sämmt- 
iich  zur  Gelenkgrube  für  den  Oberschenkel  beitragen. 

Das  Darmbein  (Taf.  XIV.  Fig.  7.  c,  c)  erstreckt  sich 
nach  hinten  in  einen  langen  Spinaltheil,  welcher  schief  auf- 
steigend, in  der  Kreuzbeingrube  liegt^  die  er  vorn  und  hin- 
ten weit  überragt;  der  obere  Fortsatz,  wie  ihn  die  Monito- 
ren besitzen,  fehlt  hier;  in  der  Nähe  des  wenig  eingeschnür- 
ten Halses  ist  der  Knochen  seitlich  zusammengedrückt,  nach 
hinten  wird  er  flach  mit  der  Andeutung  eines  Kieles  amAus- 
senrande. 

Jedes  Schambein  (Taf.  XIV.  Fig.  7.  d,  rf')  hat  einen 
breiten  flachen  Hals,  der  in  der  Mitte  durch  eine  kreisrunde 
Oeffnung  durchbohrt  ist.  Der  Ast  erweitert  sich  am  äusse- 
ren Rande  in  einen  kurzen,  flachen,  tuberkelartigen  Fortsatz, 
versclimälert  sich  nach  vorn  und  vereinigt  sich  mit  dem  der 
anderen  Seite  fast  unter  einem  rechten  Winkel. 


310  Troschel: 

Das  Sitzbein  (Taf. XIV. Fig. 7. e)  erweitert  sich  hinter 
dem  Halse  bedeutend,  und  erhält  so  eine  beilförmige  Gestalt, 
und  ist  fast  so  breit  wie  lang.  Die  Symphyse  der  Scham- 
beine ist  mit  der  Symphyse  der  Sitzbeine  nur  durch  Knor- 
pel ohne  irgend  eine  Verknöcherung  verbunden. 

Die  Vordergliedmaassen. 

Der  Oberarm  (Taf.  XIV.  Fig.  6. /")  ist  in  der  Mitte 
dünn,  an  beiden  Enden  stark  erweitert.  Die  Oberfläche  des 
oberen  Endes  ist  hinten  convex,  vorn  concav.  Dadurch  ent- 
steht eine  Art  oberer  Rand,  dessen  innerer  ovalerThcil,  dem 
Oberarmskopfe  der  Säugthiere  entsprechend,  in  der  Gelenk- 
grube der  Schulter  liegt,  wogegen  der  äussere  Theil,  der 
mit  dem  inneren  einen  Winkel  bildet,  nach  vorn  gerichtet 
ist,  und  in  einen  Tuberkel  ausläuft,  der  dem  tuberculus  ma- 
ior  der  Säugthiere  vergleichbar  scheint.  Das  untere  Ende 
des  Oberarms  ist  flach  und  ungefähr  ebenso  breit  wie  das 
obere  Ende.  Die  Rotula  ist  sehr  verdickt  und  ein  wenig 
schmäler  als  dieTroclilea ;  der  äussere  Gelenkhöcker  ist  klei- 
ner als  der  innere;  letzterer  läuft  in  einen  scharfen  Kiel  aus. 
Uebrigens  ist  der  Oberarm  sehr  ähnlich  dem  der  Monitoren. 

Auch  die  Elle  (Taf.  XIV.  Fig.  6.  gf)  gleicht  sehr  der  Elle 
der  Monitoren,  unterscheidet  sich  jedoch  dadurch  von  ihr, 
dass  die  innere  Fläche  unterhalb  des  oberen  Endes  kaum 
concav  ist.  Sie  ist  mit  dem  Olecranon  viel  kürzer  als  der 
Oberarm.  Die  Länge  des  Humerus  beträgt  38  mm.,  die  der 
Ulna  nur  31  mill. 

Der  Radius  (Taf. XIV.  Fig.6. Ä)  ist  fast  stielrund,  an 
beiden  Enden  regelmässig  verdickt,  und  hat  dieselbe  Länge, 
wie  die  Elle  ohne  Olecranon.  Eine  ossificirte  Patella  bra- 
chialis  ist  nicht  vorhanden. 

Heloderma  horridum  besifzt  zehn  Handwurzel kno- 
chen.  In  der  ersten  Reihe  liegen  vier,  von  denen  drei  die 
grossesten  von  allen  sind:  das  Os  naviculare  unter  dem  Ra- 
dius, das  sehr  kleine  Os  lunatum  zwischen  dem  Radius  und 
der  Ulna,  das  Os  triquetrum  unter  der  Ulna,  und  das  Os  pi- 
siforma  hinter  dem  Os  triquetrum,  wie  dieses  die  Ulna  be- 
rührend.    In  der  zweiten  Reihe    liegt  nur    ein  kleiner  Kno- 


Ueber  Heloderma  borridum  Wiegin.  311 

chen  in  der  Mitte,  der  unter  dem  Os  lunalum  den  Raum 
zwischen  den  Ossa  naviculare  und  triquetrum  ausfüllt.  In 
der  dritten  Reihe  liegen  fünf  Knochen,  die  den  Mittelhandkno- 
chen entsprechen  und  anliegen. 

Die  ersten  drei  Mittelhandknochen  sind  gleich 
lang,  die  beiden  letzten  ein  wenig  kürzer.  Der  erste  und 
fünfte  sind  breiter  und  platt,  die  drei  mittleren  sind  schma- 
ler und  rundlich.     Alle  sind  an  beiden  Enden  verdickt. 

Die  erste  Zehe  hat  zwei  Phalangen,  die  zweite  Zehe 
drei,  die  dritte  vier,  die  vierte  fünf,  die  fünfte  wieder  drei, 
wie  die  meisten  Eidechsen.  Die  Phalangen  sind  rundlich,  an 
beiden  Enden  verdickt,  und  von  sehr  ungleicher  Länge.  Die 
Längenmaasse  sind  folgende:  An  der  ersten  Zehe  das  erste 
Glied  10  mill. ;  an  der  zweiten  das  erste  Glied  8,  das  zweite 
Glied  8  mill. ;  an  der  dritten  Zehe  das  erste  Glied  7  ,  das 
zweite  5'/27  das  dritte  7  mill.;  an  der  vierten  Zehe  das  erste 
Glied  5,  das  zweite  4,  das  dritte  4V29  tlas  vierte  6  mill. ;  an 
der  fünften  Zehe  das  erste  Glied  7,  das  zweite  7V2  mill.  Die 
letzten  Phalangen  aller  Zehen  stecken  fast  ganz  in  den  lan- 
gen, gebogenen,  schmalen,  stumpfen  Krallen  verborgen,  die 
unterhalb  gefurcht  sind. 

Die  Hintergliedmaasse  n. 

Der  Oberschenkel  (Taf.  XIV.  Fig.  7. /")  ist  kaum 
länger  als  der  Oberarm  und  hat  eine  fast  horizontale  Lage. 
Der  comprimirte  Schenkelkopf  ist  etwas  nach  oben  gerichtet 
und  sitzt  an  einem  kurzen  Halse;  der  grosse  Trochanter  ist 
gleichfalls  comprimirt  und  sieht  nach  aussen.  Das  untere 
Ende  dieses  Knochens  ist  mehr  zusammengedrückt  als  bei 
den  Monitoren. 

Keine  knöcherne  Patella. 

Die  Tibia  (Taf.  XIV.  Fig.l.g)  bat  bei  fast  gleicher 
Dicke  etwa  zwei  Drittel  der  Länge  des  Oberschenkels.  Der 
obere  Kopf  ist  seitlich  ein  wenig  comprimirt,  und  bietet  am 
ganzen  Rande,  namentlich  der  Fibula  gegenüber,  eine  ovale 
Gelenkfläche  dar,  deren  innerer  Theil  niedrig  ist.  Der  Kopf 
der  Fibula  wird  nicht  berührt.  Wegen  der  Krümmung  der 
Tibia  entsteht  zwischen  ihr  und  der  Fibula  ein  grösserer. Raum, 


312  Troschel: 

als  ich  ihn  bei  irgend  einer  Eidechse  kenne.  Die  Basis  der 
Tibia  ist  dünner  als  der  Kopf,  berührt  gleichfalls  die  Basis 
der  Fibula  nicht,  und  verlängert  sich  in  einen  kleinen  inne- 
ren Knöchel. 

Die  Fibula  (Taf.XIV.  Fig.  T./i)  ist  um  ein  Geringes 
länger  als  die  Tibia,  ist  viel  schlanker,  befestigt  sich  mit  ei- 
nem Köpfchen  am  Schenkel,  und  ist  unterhalb  flach,  seitlich 
stark  erweitert  wie  bei  den  Monitoren ,  so  dass  das  äusser- 
ste  Ende  den  vierten  Theil  der  Länge  dieses  Knochens 
übertrifft. 

In  der  Zahl  der  Fuss  wurzelk  n  o  chen  schliesse  ich 
mich  der  Deutung  Meckel's*)  an,  und  setze  sie  auf  fünf 
fest.  In  der  ersten  Reihe  liegen  zwei  grosse,  durch  Naht 
mit  einander  verbundene  Knochen,  die  die  ganze  Breite  des 
Fusses  einnehmen.  Der  grössere  von  ihnen,  den  Cuvier 
tibiale  nennt,  ist  unregelmässig  vierseitig,  wenig  breiter  als 
lang,  und  hat  zwei  obere  Gelenkflächen,  von  denen  die  grös- 
sere der  Tibia,  die  kleinere  der  Fibula  anliegt.  Der  kleinere 
von  ihnen  ist  ebenfalls  fast  vierseitig  und  fügt  sich  mit  sei- 
ner oberen  Fläche  ausschliesslich  an  die  Fibula.  In  der 
zweiten  Reihe  finden  sich  drei  Knochen.  Der  erste  dersel- 
ben ist  klein,  und  liegt  dem  Zwischenraum  zwischen  dem 
zweiten  und  dritten  Mittelfussknochen  gegenüber,  der  zweite 
entspricht  dem  vierten  Mittelfussknochen,  der  dritte  ist  sehr 
gross  und  hat  bei  allen  Eidechsen  eine  so  absonderliche  Ge- 
stalt ,  dass  er  in  verschiedener  Weise  gedeutet  worden  ist. 
Cuvier  ^'')  nämlich  nimmt  ihn  für  den  fünften  Mittelfuss- 
knochen, M  ecket  für  einen  Fusswurzelknochen.  Dieser 
Knochen  hat  eine  hintere  concave  vierseitige  Fläche,  dessen 
Winkel  alle  so  vorspringen ,  dass  sie  ebenso  viele  Tuberkel 
bilden.     Der  Seitenrand  ist  dem   zweiten  Fusswurzelknochen 


*)  Meckel,  System  der  vergleichenden  Anatomie  II.  1.  p. 492. 
*'^)  Cuvier,  Recherches  sur  les  Ossemens  fossiles  V.  2.  p. 
298.  An  dieser  Stelle  sagt  er  über  die  Saurier  im  Allgemeinen: 
Los  quatre  metatarsiens  sont  greles  et  ä  peu  pres  droits.  IIs  vont  cn 
s'allongeant  jusqu'au  quatrieme.  Le  cinquieme  est  court,  elargi  et 
recourbe  de  sa  tete  superieure  vers  le  grand  os  du  second  rang, 
anquel  11  s'articule  par  le  cöte. 


Ueber  Heloderma  horridum  Wiegm.  313 

angefügt.  Von  der  vorderen  Fläche  dieses  Knochens  erstreckt 
sich  ein  langer  Fortsatz  nach  vorn,  der  die  Basis  des  vier- 
ten Mittelfussknochens  überragt ,  und  der  ganz  das  Ansehen 
eines  Mittelfussknochens  hat.  Meckel  dagegen  nennt  diesen 
Knochen  einen  Fusswurzelknochen,  und  ich  glaube  mit  Recht. 
Ich  stimme  demselben  aus  folgenden  Gründen  bei:  I.  Der 
in  Rede  stehende  Knochen  hat  seinem  grossesten  Theile  nach 
die  Gestalt  eines  Fusswurzelknochens,  2)  sein  vorderer  Forl- 
salz ist  dicker  und  viel  kürzer  als  die  Mittelfussknochen,  3) 
das  Capilulum  des  ihm  aufsitzenden  Knochens  (des  fünften 
Mittelfussknochens)  ist  ebenso  gebildet,  wie  die  Capitula  der 
übrigen  Mittelfussknochen ,  und  daher  für  einen  solchen  zu 
halten,  während  die  Capitula  der  Phalangen  anders  gestaltet 
sind,  4)  durch  diese  MeckeTsche Deutung  kommt  die  Zahl 
der  Phalangen  des  Hinterfusses  in  Uebereinstimmung  mit  der 
des  Vorderfusses. 

Die  Mittelfussknochen  sind  an  Länge  und  Ge^. 
stall  ein  wenig  unter  einander  abweichend.  Der  erste  ist 
unter  allen  der  dickste,  ist  etwas  kürzer  als  die  drei  fol- 
genden und  trägt  unter  seiner  Basis  einen  grösseren,  unter 
seinem  Ende  einen  kleineren  Höcker.  Der  zweite  und  dritte 
Mittelfussknochen  sind  sehr  schlank,  und  fast  gleich  lang. 
Der  vierte  ist  etwas  kürzer  und  hat  an  seiner  Basis  eine  n^ph 
aussen  gerichtete  flache  Erweiterung,  die  über  den  so  eben 
ausführlicher  geschilderten  Fusswurzelknochen  ragt.  Der 
fünfte  Fusswurzelknochen  ist  der  bei  weitern  kürzeste  von 
allen,  und  auf  der  unteren  Fläche  mit  einer  tiefen  Längsfur^ 
che  versehen. 

Die  Zahl  und  Gestalt  der  Phalangen  stimmt  so  genau 
mit  denen  des  Vorderfusses  überein,  dass  sich  kaum  eine 
Verschiedenheit  angeben  lässt;  nur  sind  sie  etwas  schlanker 
und  länger.  Die  Maasse  ihrer  Längen  sind  folgende :  an  der 
ersten  Zehe  misst  das  erste  Glied  lO  mill. ,  an  der  zweiten 
Zehe  das  erste  Glied  T/j»  das  zweite  Glied  8  milL  ,  an  der 
dritten  Zehe  das  erste  GHed  7 ,  das  zweite  Glied  6y,  ,  das 
dritte  Glied  7'/2  mill.,  an  der  vierten  Zehe  das  erste  Glied 
5,  das  zweite  Glied  4,  das  dritte  Glied  5 ,  das  vierte  Glie4 
772  mill.,  an  der  fünften  Zehe  das  erste  Glied  ö,  das  zweite 
7  mill»    Die  letzten  FhalangeB  sindL-.wic.  bei  deri  .Yordcrfüs- 


314  Troschel: 

sen  fast  ganz  in  den  Krallen  verborgen.     Diese  Krallen  sind 
kürzer  und  weniger  kräftig  als  an  den  Vorderfüssen. 

Schlu  s  s. 

Wenn  wir  nun  nach  der  Stellung  im  System  fragen,  so 
wird  bei  der  Beantwortung  dieser  Frage  besonders  die  Zunge 
in  Betracht  zu  ziehen  sein.  Dieses  Organ  ist  als  eines  der 
wichtigsten  in  allen  neueren  Systemen  der  Saurier  angese- 
hen worden.  Sie  ist  glücklicherweise  an  unserem  Exemplare 
vorhanden.  W  i  e  g  m  a  n  n  kannte  sie  nicht;  nach  der  Beschrei- 
bung des  Hernandez,  der  sie  „vorstreckbar,  breit  und 
zweispitzig**  nannte,  ordnete  er  sie  seinen  Fissilingues  unter, 
indem  er  aus  der  Bezeichnung  verstreckbar  schloss,  dass  sie 
in  eine  Scheide  zurückgezogen  werden  könne.  Wie  wir 
oben  gesehen  haben,  ist  jedoch  von  einer  Scheide  nicht  das 
Geringste  vorhanden,  auch  ist  die  Zunge  der  der  Monitoren 
nicht  ähnlich;  dagegen  hat  sie  die  grösste  Aehiilichkeit  mit 
den  Brevilingues  Wiegm.,  und  unter  ihnen  mit  der  Abthei- 
lung, bei  der  Wiegmann  die  Zunge  als  „länglich,  zwei- 
spitzig und  schuppig"  bezeichnet,  und  in  welche  er  als  ein- 
zige Familie  die  der  Lacertae,  der  eigentlichen  Eidechsen 
zählt  *). 

Gegen  diese  Einreihung  in  die  Familie  der  Lacerten 
würde  auch  die  äussere  Erscheinung  des  Thieres  nicht  spre- 
chen; ja,  die  vierseiligen  Schilder  der  Bauchseite  geben  so- 
gar schon  äusserlich  einen  Hinweis  auf  diese  Stellung. 

Es  kann  nun  bloss  noch  zweifelhaft  sein,  ob  unsere  Gat- 
tung Heloderma  in  dieLacertenfamilie  selbst  einzureihen  sein 
wird ,  oder  ob  sie  nicht  etwa  eine  besondere  Familie  neben 
dieser  bilden  müsse.  Das  Skelett  weicht  freilich  in  mehrfa- 
cher Beziehung  von  dem  der  eigentlichen  Eidechsen  ab. 
Ich  zweifle  nicht,  dass  auch  andere  Gattungen,  die  jelzt  der 
Lacertenfamilie  zugezählt  werden,  in  Beziehung  auf  ihr  Ske- 
lett Abweichungen  zeigen  werden,  kann  dies  jedoch  für  jetzt 
nicht  näher  begründen.  So  stehe  ich  nicht  an,  die  Gattung 
Heloderma  in  die  Lacertenfamilie  zu  versetzen,  um  so  mehr 


*}  Herpetologia  meiicana  p.9. 


üeber  Heloderma  horridum  Wiegm.  315 

da  nach  den  Kennzeichen,  welche  Dumeril  und  Bibron 
zur  Unterscheidung  ihrer  Familien  benutzen,  die  Gattung  un- 
zweifelhaft in  die  Familie  Lacertiens  ou  Autosauriens  gehört. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Taf.  XIII. 


Fig.  1.     Die  Zunge  von  Heloderma  horridum,  von  oben  gesehen. 
Fig.  2.     Der  Schädel,  von  der  Seite  gesehen. 

a.  Os  dentale,     h.  Os  tympanicum.     i.  Os  intermaxillare.    m. 

üs  maxillare.     n.  Us  mastoideum.      r.   Os  pterygoideum.     s. 

Columella.     t.  Os  temporale  (quadrato-jugale).     z.  Os  zygo- 

maticum. 
Fig.  3.     Der  Schädel  von  unten  gesehen. 

i.  Os  intermaxillare.     m.  Os  maxillare.     p.  Os  palatinum    q. 

Os  transversum.     r.  Os  pterygoideum.     v.  Vomer. 
Fig.  4.     Das  Zungenbein  (Os  hyoideum). 

Taf.  XIV. 

Fig.  1.     Der  Atlas,  a.    von  der  Seite,  h.  von  vorn  gesehen. 

Fig.  2.     Der  Epistropheus,  a.  von  der  Seite,  b.  von  vorn  gesehen. 

Fig.  3.     Der  17.  Rückenwirbel  von   der  Seite    gesehen,    mit    seiner 
Rippe. 

Fig.  4.     Einer  der  vorderen  Schwanzwirbel,   von    der  Seite  gesehen 
mit  seinem  unteren  Dornfortsatz. 

Fig.  5.     Das  Brustbein. 

Fig.  6.     Das  linke  Vorderbein  mit  der  Schulter. 

a.  Die  lamina  cartilaginosa  des  Schulterblattes,  h.  Die  knö- 
cherne Scapula.  c.  Os  coracoideum.  d.  Lamina  semilunaris 
des  Schulterblattes,  e.  Das  Schlüsselbein,  f.  Humerus.  g. 
Ulna.     h.  Radius. 

Fig.   7.  Das  linke  Hinterbein  mit  dem  Becken. 

a.  Der  erste  Kreuzwirbel.  b.  Der  zweite  Kreuzwirbel.  c. 
Das  linke  Darmbein,  c'.  Das  rechte  Darmbein,  d  Das  linke 
Schambein,  d'.  Das  rechte  Schambein,  e.  Das  rechte  Sitz- 
bein,    f.  Femur.     g.  Tibia.     h.  Fibula. 


.hodi}-^  anohoßaoluA  i 


Verbesserungeyi. 


Seite     26  Zeile  10  v.  u.  lies  [Helsingfors]  statt  [Abo]. 

„       27  „  14  V.  0.  „  Kuopio  st.  Knopio. 

„       28  „  3  V.  o.  „  Kuopio  st.  Knopio, 

„29  „  3  V.  0.  „  Kuopio  st.  Knopio. 

„       29  „  8  V.  u.  „  den   st.  der. 

31  „  18  V.  0.  „  Tamnierfor»  st.  Tammersfors. 

33  «  11  V.  0.  „  Seine  st.  sein. 


n 
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„       34       „       4  V.  0.     „     Dieser  st.  dieser. 
„     191       „       2  V.  o.     „     auf  St.  aus. 


219       „       1.2u.8  V.  o.liesPolypterus  bichirst.  Polyptenusbichis. 

223  „       8  V.  u.  lies  man  jederseits  drei  st.  man  drei. 

224  .p  ..  JO.  V,  p.>.,., ,.  lewiegt..  «iner.  ..,,.. 

,Vi/ 
oiloaog  mor  r  .'i  ufa  aor   .jo  ,881' 


ini\  t^\  b 


Bonn,  gedruckt  bei  Carl  Gforg!, 


1853. 


Taf.I. 


Suao  Frosche i  del.  et . 


18o5 . 


Tufir. 


'^'w^ 


.3_*. 


xr^-: 


m^ 


^utor   del . 


^Eit^o  Traschel  . 


1855 


Taf.M. 


^utor    fiel . 


Hugo  Troscfiel 


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Myo  Ihosckel  . 


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O.  Müller    ,iri. 


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18.53. 


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Riuio  Trosi-hel  del . 


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18.53 


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