ARCHIV
FÜR
IATURGESCHICHTE.
GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN,
FORTGESETZT VON
W. F. ERICHSON, F. H. TROSCHEL
UND E. VON MARTENS.
HERAUSGEGEBEN
VON
Dr. F. HILGENDORP,
CUSTOS DES K. ZOOLOG. MUSEUMS ZU BERLIN.
SECHSUNDFUNFZIGSTJER JAHRGANG.
I. BAND.
Berlin 1890.
NICOLAISCHE VERLAGS-BUCHHANDLUNG
R. STRICKER.
Inhalt des ersten Bandes.
Seite
Dr. A. Ortmann. Die Japanische Bryozoenfauna. (Bericht über die von
Herrn Dr. L. D öder lein im Jahre 1880—81 gemachten Sammlungen.
Hierzu Tafel I— IV 1
F. Koenike. Ein neues Hydrachniden-Genus (Teutouia). Hierzu Tafel V. 75
Karl Nestler. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte von
Petromyzon Planen. Hierzu Tafel VI— VHI 81
K. Mobius. Verzeichnis der Rhizopoden der Kieler Bucht 113
Dr. IL von Ihering. Revision der von Spix in Brasilien gesammelten
Najaden. Hierzu Tafel IX 117
Dr. v. Linstow. Beitrag zur Kenntniss der Vogeltänien nebst Bemerkungen
über neue und bekannte Helminthen. Hierzu Tafel X 171
Leo Zehntner. Beiträge zur Entwicklung von Cypselus melba, nebst
biologischen und osteologischen Details. Hierzu Tafel XI .... 189
Alfred Ockler. Das Krallenglied am Insektenfuss. Ein Beitrag zur
Kenntniss von dessen Bau und Funktion. Hierzu Tafel XII u. XHI. 221
Dr. Lazar Car. Ein nenes Copepoden- Genus (Sapphir) aus Triest.
Hierzu Tafel XIV 263
22115
Die Japanische Bryozoenfauna.
(Bericht über die von Herrn Dr. L. Döderlein im Jahre 1880 — 81
gemachten Sammlungen.)
Von
Dr. A. Ortmann.
Hierzu Tafel I— IV.
Einleitung.
Es war eine auffallende Erscheinung, dass bisher aus den
japanischen Gewässern so gut wie gar keine Bryozoen bekannt waren,
trotzdem man deren Vorhandensein in beträchtlicher Anzahl daselbst
annehmen musste, wenn man zu Schlüssen berechtigt war aus der
Häufigkeit derselben in Gebieten wie das Mittelmeer, die Ost- und West-
Küste Nordamerikas, das Südende Südamerikas, Australien u. s. w.,
die alle, wenn nicht dieselben, so doch in gewissen Beziehungen
analoge Bedingungen der Existenz bieten. Bisher sind von Japan
nur drei Arten bekannt geworden: Lepralia japonica, Schizoporella
caecilii u. Retepora victoriensis var. japonica*). Um so lebhafteres
Interesse muss es erregen, wenn man aus dem von Herrn Dr. Döderlein
mitgebrachten Material ersieht, dass die japanische Bryozoenfauna
eine ganz bedeutende Reichhaltigkeit zeigt, eine Reichhaltigkeit, die
wohl kaum hinter einer der bisher bekannt gewordenen Bryozoen-
gebiete zurücksteht.
Die Hauptmasse der von Herrn Dr. Döderlein gesammelten
Formen stammt aus der Sagamibai**) und zwar aus verschiedenen
Tiefenstufen. Einiges wurde am Strande erbeutet, anderes, und dies
hauptsächlich, in mehr oder minder bedeutender Tiefe, bis über
200 Faden. Die Bryozoen scheinen — wie auch anderwärts — in
der Sagamibai den Meeresboden stellenweise in ganzen Raasen zu
bedecken: wenigstens enthalten einzelne (mit dem Hanfquasten-
apparat ausgeführte, vgl. Döderlein, 1. c. p. 114) Züge ganze Massen
derselben, während andere nur wenige Stücke aufweisen. Das meiste
Material war noch durch die Hanffasern zu schwer entwirrbaren
Klumpen zusammengeflochten, andere Sachen fand ich auf den ver-
schiedensten anderen Objekten. So lieferte der Rücken eines Krebses
*) Das Nähere siehe unten bei den betr. Arten.
**) Betr. das Folgende vgl.: Döderlein, Faunistische Studien in Japau.
Enoshima und die Sagamibai.
Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd. I. H. 1. 1
2 Dr. A. Ortmann:
(Maja longispina*) verschiedene, sonst nicht erbeutete Formen, von
den Steinschwämmen (Discodermia) waren viele Exemplare oft ganz
mit Bryozoen überkleidet u. manches fand sich auf Muschelschalen,
Steinen u. s. w.
Ausser in der Sagamibai wurden von Herrn Dr. Döderlein noch
in der Tokiobai (Kadsiyama), in der Bucht von Maizuru (Nord-West-
Küste Japans, am japanischen Meer) und an der Südspitze Japans
bei Kagoshima eine grössere Anzahl Formen gesammelt. Von anderen
Lokalitäten lagen mir nur einzelne Exemplare vor, die sich zufällig
unter anderem Material verstreut hatten. Schliesslich fand ich unter
einigen von Herrn Dr. Hilgendorf bei Hakodate gesammelten See-
igeltrümmern, die Herr Dr. Döderlein zur Zeit zur Bearbeitung in
Händen hatte, auch einige Bryozoen.
Die Anzahl der Arten, die unter dem Material vertreten sind,
beträgt 137 (darunter auch die drei von Japan schon bekannten
Arten), davon sind 85 neu. Für drei der neuen Arten musste je
eine neue Gattung aufgestellt werden.
Was die systematische Anordnung betrifft, so habe ich mich im
Wesentlichen den Ansichten von Smitt, Busk und Hincks über
diese Tiergruppe anzuschliessen gesucht. Da aber neuerdings durch
eine Reibe kleinerer Arbeiten, besonders von Hincks, eine Menge
neue Gesichtspunkte gewonnen wurden, die in übersichtlicher Weise
noch nirgends zusammengestellt sind, so weicht die von mir ange-
wendete systematische Anordnung von den bisherigen in einzelnen
Punkten ab. Aus demselben Grunde schien es mir vorteilhaft, der
speciellen Beschreibung meines japanischen Materials einen kritisch-
systematischen Ueberblick über sämtliche bisher publicirte Gattungen
der Bryozoen vorauszuschicken, ein Versuch, der wohl gebilligt werden
wird, trotzdem er nur darauf Anspruch macht, die bisher vorhandene,
leider sehr zerstückelte Litteratur der Bryozoensystematik, wenigstens
was die Gattungen anbetrifft, zu sammeln und eine natürliche
Gruppirung zu Stande zu bringen. Alle Gattungen konnte ich selbst-
verständlich nicht selbst untersuchen, doch waren von solchen, die
in den japanischen Meeren nicht vertreten sind, manche mir ander-
weitig zugänglich: so besitzt das Strassburger Museum z. B. eine
Reihe von Formen aus dem Mittelmeer (Neapel, Oran, Algier), aus
der Magellansstrasse (von Dr. Stein mann gesammelt), von Californien
und andern Orten.
Die Weichteile konnten nirgends bei den japanischen Formen
beobachtet werden. Trotzdem die grösste Masse derselben in Alkohol
aufbewahrt war, so war doch bei den meisten, nämlich den stark
verkalkten, opacen Arten, eine Untersuchung darauf hin von vorn
herein ausgeschlossen, und die biegsamen, durchsichtigen Formen
zeigten durchweg die Weichteile durch die Einwirkung des Alkohols
so modificirt, dass sich auch hier keine Resultate ergaben.
*) Siebold, Fauna japonica; de Haan, Crustaeea. 1850. p. 94 pl. XXIII,
Figur 2.
Die Japanische Bryozoenfauna. 3
Die wichtigste Litteratur seit dem ersten Erscheinen der Cataloge
des British Museums ist folgende:
Busk, G. : Catalogue of marine Polyzoa in the collection of the
British Museum. London 1852 — 54. (Cat. Br. Mus. I. u. IL)
Smitt, F. A. : Kritisk förteckning öfVer Skandinaviens Hafs-
Bryozoer. — Oefvers. af K. Vet.-Ak. Förh. 18G5, 2. 186G,
1867, 5 u. Bihang.
Heller, C. : Die Bryozoen des adriatischen Meeres. — Verh. K.
K. zool. bot. Ges. Wien XVII. 1867. (Adr.)
Smitt, F. A. : Floridan Bryozoa. I. u. IL — Kongl. Svenska Vet.-
Ak. Handl. X. IL u. XL 4. Stockholm 1872—73. (Flor. Br.)
Busk, G. : Catalogue of the Cyclostomatous Polyzoa in the collection
of the British Museum. London 1875. (Cat. Br. Mus. III.)
Hincks: History of the British Marine Polyzoa. London 1880.
(Br. Mar. Pol.)
Busk, G. : Report on the Polyzoa I. Cheilostomata. Voy. H. M. S.
Challenger. Zool. X. 1884. (Chall. Pol. I.)
Busk, G.: Report on the Polyzoa IL Cyclostomata etc. — Voy.
H. M. S. Challenger. Zool. XVII. 1886. (Chall. Pol. IL)
Ausserdem sind von Hincks in den Ann. Mag. Nat. Hist. eine
ganze Reihe von kleineren Beiträgen erschienen, besonders: (5) VI.
VII. VIII. IX. X. XL XIII. XIV. XV. XVII. XIX. (6) I.
Die Arbeit von Macgillivray (Nat. Hist. Vict. Dec. III.) war
mir nicht zugänglich.
Eine Anzahl weiterer Arbeiten, die nur hier und da in Betracht
kommen, sind an den betreffenden Stellen citiert.
Uebersicht des Systems.
Klasse: Bryozoa.
Ordnung: Gymnolaemata Allmann.
I. Unterordnung: Chilostoinata Busk.
Systematische Uebersicht der Abteilungen, Familien und Gattungen
der Chilostomata. *)
I. Abteilung: Stolonata. **)
Fam. Aeteidae Sm. — Busk, Chall. Pol. I. p. 1. — Aus horizontalen
Stolonen erheben sich röhrige Zooecien mit einer membranösen
Area an der Spitze.
*) Im Wesentlichen nach Busk: Chall. Pol. I. p. XXII f., doch mit einigen
Abänderungen. — Die unter dem japanischen Material vorhandenen Familien
und Gattungen sind durch besonderen Druck ausgezeichnet.
**) Aus dieser Abteilung ist unter meinem Material von den von Busk
hierher gerechneten Gattungen nur Hippothoa vorhanden, die ich mit Hincks
zu den Eschariden stelle. — In der Stellung der Eucrateiden folge ich eben-
falls Hincks, doch bedürfen die meisten dahin gehörigen Gattungen noch
genauerer Prüfung.
1*
Dr. A. Ortmann:
Fam. Chlidoniidae Bsk. — Chall. Pol. I. p. 8. — Aus einem Netz-
werk von Stolonen erheben sich freie, segmentierte Stämme.
Zooecien zweikammerig.
II. Abteilung: Radicellata.
Unterabteilung : Cellularina.
Zoarium häutig od. hornig, wenig od. nicht verkalkt, biegsam.
Unterabteilung : Membraniporina.
Zoarium mehr oder minder verkalkt, starr, jedoch die Vorder-
seite der Zooecien noch mehr oder minder häutig, mit er-
habenem Rande.
Unterabteilung : Eseharina.
Zoarium stark verkalkt, starr. Vorderseite der Zooecien völlig
verkalkt, nicht häutig und mit erhabenem Rande.
Uebersieht der Familien der Cellularina.
Zooecien rings um die cylindrischen oder pris-
matischen Zweige gestellt Farciminariidae.
Zooecien auf
der Vorder-
seite mit mehr
oder minder
grosser
membranöser
Oeffnung.
Am oberen
Rande der-
selben die
Mündung.
Zooecien
auf der
Vorderseite
geschlossen.
Mündung
halbkreis-
förmig:.
Zooecien ein-
reihig, oder
beiderseits
von flachen
Blättern od.
gegenständig.
Zoarium gegliedert, Internodien
mehrzellig Cellulariidae.
Zoarium iVibracula vorhanden,
unge- auf der Rückseite . Carbereidae.
gliedert.
Vibracula
fehlend.
Avicularia
(wenn vorhan-
den) sitzend.
Zellen viel-
reihig. ein- od.
beiderseitig.
Zoarium gegliedert. Internodien einzellig . .
Avicularia
fehlend (sel-
ten vorhan-
den). Zellen
1 reihig oder
paarig, direkt
von der vor-
hergehenden
entspringend. Eucrateidae.
Avicularia
vorhanden.
Zellen paarig,
jede von der
vorletzten
entspringend. Notamiidae.
Avicularia
(wenn vorhan-
den) gestielt.
Zellen 2- bis
vielreihig,
einseitig. Bicellariidae.
Flustridae.
Catenariidae.
Zoarium ungegliedert, cylindrisch oder blatt-
förmig Onchoporidae.
Die Japanische Bryozoenfaiuia. 5
Farn. Fa reim in ariidae Bsk. — Cat. Br. Mus. I. pag. 32. Chall. Pol. I.
p. 48. — Zoarium ungegliedert, aufrecht, ästig. Zoocien 4 viel-
reihig, rings um die cylindrischen oder prismatischen Zweige
gestellt.
Farn. Cellulariidae Johnst. (pars). = Cellulariadae Bsk. — Chall.
Pol. Lp. 15. — Zoarium gegliedert, aufrecht, dichotom. Zooecien
2 — vielreihig, viele in einem Internodium, alle nach derselben
Seite gerichtet. Avicularien und Vibracula, wenn vorhanden,
sitzend, seitlich oder vorn.
Farn. Carbereida Bsk. — Cat. Br. Mus. I. — Zoarium ungegliedert, in
zungenförmige, 2 — vielreihige Zweige geteilt. Zooecien alle
nach derselben Seite gerichtet. Auf dem Rücken Vibracula
(oder Avicularien), auf der Vorderseite Avicularien, wenn vor-
handen, sitzend.
Farn. Eucrateidae Hcks. = Eucrateidae - - Gemellariadae Bsk. -
Chall. Pol. I. p. 2 u. 46. - Zoarium ungegliedert. Zooecien ein-
reihig oder paarweise stehend, direkt von einander entspringend,
mit endständiger oder ziemlich endständiger, nicht grosser Oeff-
nung. Avicularien und Vibracula fehlend. (Selten die ersteren
vorhanden.)
Farn. Notamiidae Hcks. — Br.Mar.Pol.p.98. — Zoarium ungegliedert.
Zooecien paarig, jedes Paar mittelst röhriger Verlängerungen
vom nächst vorhergehenden Paar entspringend. Bei jeder
Gabelung wird eine neue Zellreihe eingeschoben. Avicularien
vorhanden.
Fam. Bicellariidae Bsk. — Chall. Pol. Lp. 31. — Zoarium ungegliedert,
in zungenförmige, 2 — vielreihige Zweige geteilt, oder blatt-
förmig, mit von einander entfernten Zellen. Keine Vibracula.
Avicularien, wenn vorhanden, gestielt. Zooecien nach derselben
Seite gerichtet.
Fam. Flustridae Sm. — Kr. fort. Sk. H. Br. 1867, p. 357. - - Busk,
Chall. Pol. Lp. 52. — Zoarium ungegliedert, blattförmig. Zooecien
vielreihig, auf einer oder beiden Seiten. Keine Vibracula. Avi-
cularien, wenn vorhanden, sitzend.
Fam. Catenariidae d'Orb. (pars). — Busk, Chall.Pol.I.p.9. — Zoarium
gegliedert, Internodien (mit Ausnahme der Gabelungsstellen),
von einem einzigen Zooecium gebildet.
Fam. Onchoporidae Bsk. — Chall.Pol.Lp.102. — Zoarium ungegliedert,
verzweigt, cylindrisch oder blattförmig. Zooecien krugförmig.
Vorderwand ohne Oeffnung. Mündung halbkreisförmig mit
gerader Unterlippe. Auf der Vorderseite mit oder ohne halb-
mondförmiae Pore.
Uebersicht der Familien der Membraniporina.
Fam. Membraniporidae Bsk. — Chall. Pol. I. p. 61. — Zooecien vorn
vertieft, mit erhabenem Rande. Die Vertiefung von einer
chitinösen Membran ausgefüllt, unter der teilweis eine ver-
kalkte Lamelle sein kann.
6 Dr A. Ortmann:
Farn. Microporidae Sm. (pars). — Busk, Chall. Pol. I. p. 70. — Ver-
tiefung der Zooecien auf der Vorderseite mit chitinöser Membran.
Unter dieser eine kalkige Lamelle, die meist durchbohrt oder
an den Seiten gespalten ist. Bisweilen bildet sie ein queres
Diaphragma, das die Höhlung des Zooecium in zwei Fächer teilt.
Farn. Electrinidae d'Orb. — Pal. Fr. — Bsk. Chall. Pol. I. p. 77. —
Zooecien etwa kreiseiförmig. Wand punktiert. Eine grosse,
mit chitinöser Membran ausgefüllte Oeffnung. Rand mit chi-
tinösen Dornen. Ein oder mehrere grössere solcher Dornen
vorn unter der Oeffnung oder ein Avicularien- tragender Fort-
satz daselbst.
Uebersieht der Familien der Eseharina.
A. Zoarium festgewachsen, nicht regelmässig kreisförmig.
I. Zooecien concav, Oberfläche daher gefeldert Cellariidae.
II. Zooecien gewölbt.
a) Zooecien langröhrig, Mündung rundlich, einfach . . Cyclicoporidae.
b) Zooecien nicht langröhrig, ungefähr eiförmig.
1. Zooecien horizontal neben einander liegend.
Zooecien
zweizeilig Bifaxariidae.
Zooecien
nicht
zwei-
zeilig.
Zoarium
inkrus-
tierend
oder auf-
recht,
nicht ge-
gliedert.
Zoarium
aufrecht,
ge-
gliedert Tubucellariidae.
Zoarium
aufrecht,
ver-
zweigt,
netz-
förmig
oder ge-
fenstert,
Zooecien
auf einer
Seite Reteporidae.
Zoarium
inkrus-
tierend
oder
aufrecht
und die
Zooecien
beider-
seitig od.
allseitig.
Ooecien
über den
Zellen
als
kugelige
Körper.
Vorder-
wand mit
durch-
bohrten
Furchen .
Vorder-
wand mit
medianer
Pore
Vorder-
wand ganz
. . . Cribrilinidae.
Mündung
halbkreis-
förmig Microporellidae.
Mündung
röhrig
vor-
gezogen ? Porinidae.
Escharidae.
Ooecien
ähnlich
den übri-
gen Zellen ...... Adeonidae.
2. Zooecien aufrecht neben einander Celleporidae.
B. Zoarium frei, ziemlich regelmässig kreisförmig Selenariidae.
Die Japanische Bryozoenfauna. 7
Farn. Cellariidae Hcks. = Salicornariadae Bsk. — Chall Pol. I. p. 83.
— Zoarium aufrecht, gegliedert oder nicht gegliedert, cylindrisch.
Zooecien rings um die Zweige gestellt. Oberfläche gefeldert,
jedes Feld von einem der völlig eingesenkten Zooecien gebildet.
Vorderseite meist concav. Mündung halbmondförmig oder halb-
kreisförmig. Avicularien gewöhnlich vorhanden.
Fam. Cyclicoporidae Hcks. — Ann. Mag. (5) XIV. p. 279. — Zoarium
inkrustierend oder aufrecht und gegliedert. Zooecien im letzteren
Fall rings um die Zweige gestellt, lang röhrenförmig, ohne er-
habene Ränder. Mündung einfach, mehr oder minder kreis-
förmig. Avicularien vorhanden oder fehlend.
Fam. Bifaxariidae Bsk. — Chall. Pol. I. p. 79. — Zoarium aufrecht,
gegliedert oder ungegliedert, verzweigt. Zooecien abwechselnd,
Rücken gegen Rücken stehend, nach zwei entgegengesetzten
Seiten gerichtet.
Fam. Tubucellariidae Bsk. — Chall. Pol. I. p.98. — Zoarium aufrecht,
gegliedert. Zooecien rings um die Zweige gestellt, birnförmig.
Peristom erhaben, röhrig. Oberfläche netzig punktiert oder ein-
fach punktiert, mit oder ohne Pore auf der Vorderseite. Avi-
cularien fehlend.
Fam. Reteporidae Sm. — Busk, Chall. Pol. I. p. 104. — Zoarium auf-
recht, ästig in einer Ebene verzweigt, netzförmig od. gefenstert.
Zooecien nur auf einer Seite.
Fam. Cribrilinidae Hcks. - - Br. Mar. Pol. p. 182. - - Busk, Chall.
Pol. I. p. 130. — Zoarium aufrecht oder inkrustierend. Zooecien
auf der Vorderseite mit queren oder radialen Spalten oder
Punktreihen.
Fam. Microporellidae Hcks. — Br. Mar. Pol. p. 204. — Busk, Chall.
Pol. I. p. 134. — Zoarium aufrecht oder inkrustierend. Zooecien
auf der Vorderseite mit einer medianen Pore unter der Mündung.
Mündung halbkreisförmig oder hufeisenförmig, mit geradem
unteren Rande.
?Fam. Porinidae d'Orb. (pars). — Hcks. Br. Mar. Pol. p. 232.*) —
Zoarium aufrecht oder inkrustierend. Zooecien mit einer (bis-
weilen fehlender) medianer Pore auf der Vorderseite. Mün-
dung röhrenförmig vorgezogen.
Fam. Escharidae Johnst. (pars). — Busk, Chall. Pol. I. p. 138. —
Zoarium aufrecht od.inkrustierend. Vorderwand der Zooecien ganz.
Unterfamilie: Holost ornata Bsk. Unterlippe der primären Mün-
dung ganz.
Unterfamilie: Schizostomata Bsk. Unterlippe der primären Mün-
dung mit einem Sinus.
*) Die typischen Vertreter dieser Familie werden von Busk anderweitig
untergebracht (teils bei den Tubucellariiden, teils bei den Eschariden). Ich führe
die Familie hier nur mit Zweifel an, da ich selbst keine Vertreter derselben
kennen gelernt habe.
8 Dr. A. Ortmann:
Farn. Adeonidae = Adeoneae Bsk. - - Chall. Pol. I. p. 177. — Zoarium
meist aufreclit, entweder von einem eigentümlichen, biegsamen,
chitinös- kalkigen Stiel getragen oder direkt aufgewachsen.
Zooecien vorn mit medianer Pore od. poröser Vertiefung. Ooecien
ähnlich den übrigen Zellen, keine besonderen kugeligen Körper.
Farn. Celleporidae Johnst. — Busk, Chall. Pol. I. p. 190. — Zoarium
vielgestaltig. Zooecien mehr oder minder vertikal neben und
über einander stehend. Meist ein praeoraler Vorsprung, der
gewöhnlich ein Avicularium trägt.
Farn. Selenariidae Bsk. — Cat. Br. Mus. II. p. 97. — Zoarium mehr
oder minder regelmässig kreisförmig, convex oben, concav oder
flach unten, wenigstens im Alter frei. Zooecien eingesenkt.
Uebersicht der Gattungen.
Farn. Aeteidae
Aetea Lamx. — Busk, Chall. Pol. I. p. 2. — Oeffnung auf einer
Seite der röhrigen Zellen an der Spitze. Mündung halbkreis-
förmig, fast endständig.
Farn. Chlidoniidae
Chlidonia Sav. — Bsk. Chall. Pol. I. p. 8. — Zooecien birnförmig,
unterwärts verschmälert. Oeffnung vorragend, halbreisförmig.
Höhlung der Zellen in zwei Kammern geteilt, nur die hintere
mit der Mündung zusammenhängend.
Farn. Farciminariidae
Farciminaria Bsk. — Chall. Pol. I. p. 48. — Zooecien länglich,
mit meist völlig membranöser Vorderseite, letztere flach od. ver-
tieft, mit erhabenem Rande. Avicularien vorhanden od. fehlend.
Nellia Bsk. — Cat. Br. Mus. I. p. 18. — Scheint hierher zu ge-
hören. Zooecien meist vierreihig. Vorderseite flach od. convex,
mit erhabenem Rande. Keine Avicularien u. Ooecien. Zoa-
rium gegliedert.
Farn. Ceüulariidae
Cellularia Pall. (pars.). - - Bsk. Cat. Br. Mus. I. p. 19. — Zooe-
cien 2 — 3 reihig, länglich od. rhombisch, auf der Hinterseite
durchbohrt. Avicularien u. Vibracula fehlend od. die ersteren
an der oberen äusseren Ecke.
Menipea Lamx. — Busk, Chall. Pol. I. p. 19. — Zooecien länglich,
meist unten verschmälert. Ein sitzendes seitliches Avicularium
(oft reduziert) und häufig ein oder mehr sitzende Avicularien
vorn unter der Oeffnung od. in einer besonderen Reihe zwischen
den Zellreihen. Vibracula fehlend.
Scrupocellaria v. Ben. — Busk, Chall. Pol. I. p. 23. — Zooecien
2 reihig, rhombisch, mit einem Sinus hinten. Ein sitzendes
Avicularium an der oberen äusseren Ecke u. ein Vibraculum
in dem dorsalen Sinus. Oeffnung oval oder rundlich, mit
Randdornen.
Die Japanische Bryozoenfauna. 9
Canda Lamx. — Bsk. Cat. Br. Mus. I. p. 26. — Zooecien 2 reihig,
rhombisch, mit Sinus an der Aussenseite für ein Vibraculum.
An der oberen äusseren Ecke kein Avicularium.
Emma Gr. — Bsk. Cat. Br. Mus. I. p. 27. — Zooecien paarig od.
3 fach. Oeffnung mehr od. minder schief, etwa dreieckig, teil-
weis von einer granulierten Lamelle ausgefüllt. Ein (bisweilen
fehlendes) Avicularium an der Aussenseite unter der Oeffnung.
Farn. Carbereidae
Carberea Lamx. — Busk, Chall. Pol. I. p. 27. — Zoarium mehr od.
minder regelmässig dichotom geteilt. Zooecien 2 — vielreihig.
Vorderseite mit weiter Oeffnung. Meist mit Randdornen. Ein
Avicularium an der äusseren oberen Ecke von jedem randlichen
Zooecium, ausserdem häufig noch verschieden gestellte Avicu-
larien auf der Vorderseite. Zweige auf dem Rücken mit einer
Doppelreihe schräg gestellter Vibracula, zu deren jedem eine
Wurzelröhre führt, so dass die Rückseite der älteren und
unteren Zweigstücke meist völlig von solchen Wurzelröhren
bedeckt ist.
Amastigia Bsk. — Cat. Br. Mus. I. p. 40. — Wie Carberea, doch
die Vibracula durch Avicularien ersetzt.
Farn. Eucrateidae
Eucratea Lamx. — Hcks. Br. Mar. Pol. p. ll = Scruparia Bsk.
Cat. Br. Mus. I. p. 28. — Zoarium kriechend od. aufrecht. Zooecien
eins vom andern entspringend und einfache Reihen bildend.
Zweige von der Vorderseite unter der Oeffnung abgehend.
Oeffnung gross, schräg, Seiten- oder fast endständig. Mündung
an der Spitze. Avicularien u. Vibracula fehlend.
Scruparia Hcks. — Br. Mar. Pol. p. 21. — Zoarium aufrecht.
Zweige vom Rücken der Zellen abgehend u. nach der entgegen-
gesetzten Seite schauend. Zooecien von einander entspringend,
einfache Reihen bildend od. Rücken an Rücken gestellt. Oeffnung
klein, schief, endständig. Fertile Zellen unvollkommen ent-
wickelt, auf dem Rücken der anderen. Avicularien u. Vibracula
fehlend.
'PHuxleya Dyst. — Hcks. Br. Mar. Pol. p. 26. — Zoarium dicho-
tom verzweigt, Zweige von der Spitze oder der Seite der Zellen
abgehend. Zooecien nach derselben Seite gerichtet, oval, ein-
reihig. Mündung klein, subterminal. — Scheint nach der Ge-
stalt der Mündung nicht hierher zu gehören.
Brettia Dyst. — Hcks. Br. Mar. Pol. p. 27. - Zoarium aufrecht,
verzweigt. Zweige etwas seitlich von der Spitze der Zellen ab-
gehend. Zooecien alle nach derselben Seite gerichtet, einreihig,
verlängert. Oeffnung endständig, gross. . Rand mit Dornen.
Gemellaria Sav. — Busk, Cat.Br.Mus.I. — Zooecien paarig, Rücken
an Rücken stehend. Alle Paare gleichgerichtet. Oeffnung oval,
etwas schräg. An einer Gabelung giebt jede Zelle des primären
Paares eine der sekundären ab.
10 Dr. A. Ortmann:
Didymia Bsk. — Cat. Br. Mus. I p. 35. — Zooecien paarig, Seite
an Seite, nach derselben Seite gerichtet. Oeffnung gross. An
einer Gabelung giebt jede primäre Zelle ein sekundäres Paar ab.
Dimetopia Bsk. — Cat. Br. Mus. I. p. 35. — Zooecien paarig,
Rücken an Rücken. Oeffnung schief. Jedes Paar kreuzweis
zu dem vorhergenden gestellt. An einer Gabelung giebt jede
Zelle ein sekundäres Paar ab.
? Pasy thea Lamx. — Bsk. Chall. Pol. I. p. 4. = Epicaulidium Hks.
Ann. Mag. (5) VII. p. 156. — Zoarium aufrecht, mit centralem
aus keulenförmigen Segmenten od. Paaren von Zellen gebildetem
Stiel. Vom Stiel gehen seitlich gegenständige Zweige ab. Zellen
mit halbkreisförmiger Mündung. — Gehört vielleicht nicht
hierher.
VDiploecium Kirkpatrick. — Ann. Mag. (6) I. p. 73. — Zoarium
dichotom. Zooecien paarig, Rücken an Rücken, kreuzweis ge-
stellt. Mündung rundlich, mit Sinus. — Stellung zweifelhaft.
?Rhabdozoum Hcks. — Ann. Mag. (5) X. p. 160. — Zoarium
aufrecht, aus einer Anzahl cylindrischer Stiele gebildet, an
deren Spitze sich Büschel von zellentragenden Zweigen befinden.
Zooecien birnförmig, in linearen Reihen rings um die Zweige.
Oeffnung mittelmässig, schief. Avicularien vorhanden, nicht ge-
stielt. — Stellung zweifelhaft.
Farn. Notamiidae
Notamia Flem. — Bsk. Cat. Br. Mus. I. p. 36. — Ueber jedem
Zellenpaar ein Paar Avicularien: von der röhrigen Verlängerung
einer der unmittelbar darüberliegenden Zellen jederseits eins
entspringend.
Synnoturn Hcks. — Ann. Mag. (5) XVII. p. 255. — Jederseits
ein sitzendes Avicularium u. ein gestieltes zwischen den Zellen
oben an jedem Paar.
Farn. Bicellariidae
Bicellaria Blvl. — Bsk. Cat. Br. Mus. I. p. 41. — Zoarium auf-
recht, Zooecien 2 reihig mehr od. weniger enfernt von einander,
kreiseiförmig. Oeffnung gross, mehr od. weniger aufwärts ge-
richtet. Avicularien fehlend od. vorhanden, gestielt, auf der
Vorder- od. Rückenseite der Zooecien.
Hierher rechnet Busk. (Chall. Pol. I. p. 32) auch Stirparia
Gldst. — Hcks. Ann. Mag. (5) XI p. 195.
Bugula Ok. — Busk, Chall. Pol. Lp. 36. — Zoarium aufrecht, dicho-
tom verzweigt. Zooecien 2 — vielreihig, in fortlaufenden Reihen,
dicht an einander liegend, jedes vom Rücken des darunter-
liegenden entspringend. Oeffnung sehr gross. Avicularien fehlend
od. auf der Vorderreihe der Zooecien, länger od. kürzer gestielt.
Kinetoskias Kor. et Dan. — Bsk. Chall. Pol. I. p. 43. — Zoarium
aus gegabelten Zweigen bestehend, die von einem gemeinsamen
Punkt ausstrahlen und einen weiten Becher bilden. Unterer
Die Japanische Bryozoenfauna. 11
Teil der Zweige durch eine dünne Membran vereinigt, das
Ganze von einem Stiel getragen. Zooecien wie bei Bugula.
Avicularien randständig, kurz gestielt.
Corynoporella Hcks. — Ann. Mag. (6) I. p. 214. — Zoarium
aufrecht, dichotom. Zooecien einreihig, nach einer Seite ge-
richtet, unten röhrig verlängert. Oeffnung verhältnismässig
klein. Avicularien gestielt, zur Seite der Oeffnung.
Diachoseris Bsk. - Cat. Br.Mus.I.p.53. — Chall. Pol. I. p.59.-
Zoarium blattförmig, niederliegend, locker angeheftet. Zooecien
getrennt von einander, durch (meist) 6 röhrige Fortsätze ver-
bunden. Oeffnung sehr gross. Avicularien wie bei Bugula.
Ichthyaria Bsk. — Chall. Pol. I. p. 46. — Zoarium aufrecht,
verzweigt. Zooecien 2 reihig, locker verbunden, bauchig. Vorder-
seite ohne Oeffnung.
Beania Johnst. — Bsk. Cat. Br. Mus. Lp. 31. — Hcks. Br. Mar.
Pol. p. 95. — Zoarium kriechend. Zooecien aufrecht, zerstreut,
mit einander durch unregelmässige, kriechende Röhren ver-
bunden. Oeffnung die ganze Vorderseite einnehmend. Rand mit
Dornen, die sich über die Oeffnung neigen. Avicularien fehlend.
Hierher wird auch Stolonella Hcks. — Ann. Mag. (5) XI.
p. 197. — gehören.
Fctui i* l IL stv Z clct €
Flustra L. — Busk, Cat. Br. Mus. I. p. 47. — Chall. Pol. 1. p. 53.
— Zooecien auf beiden Seiten des blattförmigen Zoariums.
Carbasea Gr. — Busk, Cat. Br. Mus. I. p. 50. — Chall. Pol. I.
p.55. — Zooecien nur auf einer Seite des blattförmigen Zoariums.
Farn. Catenariidae
Catenicella Blvl. — Busk, Chall. Pol. Lp. 10. — Zooecien vom oberen
und hinteren Ende von einander entspringend, alle nach der-
selben Seite gerichtet und ein dichotom verzweigtes, aufrechtes
Zoarium bildend. Zooecien an jeder Gabelung doppelt. Jedes
mit zwei seitlichen Fortsätzen (Avicularien). Ooecien entweder
kugelig u. endständig od. eingesenkt und auf der Vorderseite.
Catenaria Sav = Alysidium Bsk. — Cat. Br. Mus. I. p. 13. —
Chall. Pol. I. p. 14. — Zooecien an jeder Gabelung einfach.
Avicularien vorhanden oder fehlend. Mündung rundlich oder
halbkreisförmig.
Calpidium Bsk. — Cat. Br. Mus. I. p. 14. -- Zooecien an jeder
Gabelung einfach, mit zwei od. mehr (meist drei) getrennten
Mündungen. Avicularien an jeder Seite eins.
Farn. Onchoporidae
Onchopora Bsk. — Chall. Pol. I. p. 103. - Zoarium dichotom
verzweigt, cylindrisch, 4 reihig. Mit Pore auf der Vorderwand
der Zellen. — Hierher: 0. sinclairii Bsk. — Chall. Pol. I. p. 103.
Onchoporella Bsk. — ibid. — Zoarium blättrig od. zungenförmig,
einschichtig. Mit Pore. — Hierher: 0. bombycina Bsk. sp. —
12 Dr. A. Ort mann:
Cat. Br. Mus. I. p. 52. pl. 48 fig. 4—7. — 0. ligulata Bsk. sp. —
Qu. Journ. Micr. Sc. Zoophytol. VIII. p. 281. pl. XXXI. fig. 2
(nicht Scruparia diaphana Bsk. — ibid. pl. XXXI fig. 1). —
0. selenoides n. sp.
Onchoporoides n. gen. Zoarium blattförmig. Ohne Pore. —
Hierher: 0. moseleyi Bsk. sp. — Chall. Pol. I. p. 56. pl.
XXXIII. fig. 4.
Hierher vielleicht auch Euthyris Hcks. — Ann. Mag (5) X.
p. 164. Zoarium blattförmig. Zooecien ohne Pore, mit rund-
licher Mündung.
Fam. Mem bra n ip o r id. a e
Membranipora Blvl. — Busk, Chall. Poll. I. p. 62. — Zoarium in-
krustierend, mehr od. minder kalkig. Zooecien dicht an ein-
anderliegend, quincuncial oder in Reihen oder unregelmässig
gestellt. Unter der chitinösen Membran der Vorderseite keine
verkalkte Lamelle.
Amphibiestrum Gr. — Busk, Chall. Pol. I. p. 65. — Eine teilweise
kalkige Lamelle unter der chitinösen Membran, sonst wie Mem-
branipora. Zoarium bisweilen auch aufrecht.
Hierher ist auch Megapora Hcks. — Br. Mar. Pol. p. 171 —
u. Biflustra d'Orb. bei Bsk. — Chall. Pol. I. p.67. — zu rechnen.
Tremopora nov. gen. Zoarium inkrustierend, mehr od. minder
kalkig. Zooecien getrennt von einander, durch (meist) 6 kurze
Fortsätze verbunden. Vorderseite oval, mit erhabenem Rande,
der eine chitinöse Membran umfasst. Unter der letzteren im
unteren Teile eine schmale oder breitere kalkige Lamelle.
Siphonoporella Hcks. — Ann. Mag. (5). VI. p. 90. — Oeffnung
unterwärts mit kalkiger Lamelle. Eine kleine kalkige Röhre
mit weiter Oeffnung auf einer Seite der letzteren, die sich ins
innere der Zelle öffnet. Sonst wie Amphibiestrum.
Foveolaria Bsk. — Chall. Pol. I. p. 68. - - Zoarium aufrecht,
verzweigt, cylindrisch od. blättrig. Vorderseite der Zooecien
mit dicht granuliertem Rand, tief eingesenkt in eine Grube,
die durch die starke Entwickelung des „Ectocyst" gebildet
wird. Ein sitzendes Avicularium unmittelbar unter dem Unter-
rande der Grube.
Fam. Mi croporidae
Steganoporella Sm.*) — Busk, Chall. Pol. I. p. 74. — Zoarium
vielgestaltig. Vorderseite der Zooecien mit chitinöser Membran,
darunter unterwärts eine kalkige Lamelle, die ungefähr in der
Mitte der Zelle eine quere Scheidewand bildet, die die Zelle in
zwei Kammern teilt, die mit einander durch ein röhriges Gebilde
communicieren. Die obere Kammer bildet das Ooecium. Deckel
*) Ueber eine ev. Abtrennung der Steganoporelliden von den Micro-
poriden, u. die dahin gehörigen Gattungen (Smittipora, Steganoporella u. Thala-
moporella) vgl. Hincks: Crit. Not. — Ann. Mag. (5) XIX. p. 162 ff.
Die Japanische Bryozoeufauna. 13
sehr gross, halbkreisförmig, von einem chitinösen Balkengerüst
gestützt. Zellen von zweierlei Grösse und Gestalt: bei den
grösseren ist die Ooecial-Kammer stärker entwickelt.
Micropora Gr. — Busk, Chall. Pol. I. p.70. — Zoarium aufrecht,
baumförmig oder inkrustierend. Zooecien mit einer inneren
kalkigen Lamelle, die die ganze Vorderseite einnimmt, mit
Ausnahme einer Durchbohrung an jeder oberen Ecke unter
der Mündung. Letztere mit ununterbrochenem, ringförmigem
Rande.
Caleschara MacG. — Bsk. Chall. Pol. I. p. 7G. — Zoarium viel-
gestaltig. Zooecien birnförmig. Vorderseite mit ovaler Oeffnung,
mit kalkiger Lamelle, die am unteren Ende und jederseits in
der Nähe des oberen mit dem Rande vereinigt ist, an den
Seiten jedoch einen länglichen Spalt lässt.
Vincularia Defr. em. Bsk. — Chall. Pol. I. p. 71. — Zoarium
aufrecht, einfach oder verzweigt, cylindrisch oder prismatisch.
Oeffnung rechteckig, oben gerundet, mit chitinöser Membran
ausgefüllt. Darunter in den unteren 2/3 der Zelle eine kalkige
Lamelle, von deren oberem freien Ende ein medianer Fortsatz
ausgeht, der sich mit einer von zwei seitlichen Fortsätzen in
der Höhe des unteren Randes der Mündung gebildeten Brücke
vereinigt. — Diese Gattung bedarf noch einer genaueren Prüfung.
Smittipora Juli. — Hincks, Ann. Mag. (5) VII. p. 155. IX. p. 122.
XIII. p. 358. — Zoarium inkrustierend od. baumförmig. Vorder-
seite der Zooecien polygonal mit chitinöser Membran, darunter
eine kalkige Lamelle, die fast das ganze vordere Feld einnimmt,
mit Ausnahme der Mündung u. einer kleinen Zone unter der-
selben. Zellen in zwei Kammern geteilt, die durch eine ein-
fache Oeffnung kommunicieren (?). Vibracula zerstreut zwischen
den Zellen, gross.
Setosella Hcks. — Br. Mar. Pol. p. 180. — Zoarium inkrustierend.
Vorderseite flach, fast ganz von einer kalkigen Lamelle ein-
genommen, nur seitlich je eine schmale schwachgebogene Spalte.
Mündung halbkreisförmig. Vibracula zerstreut zwischen den
Zellen, kleiner.
Farn. EUctrinidae
Electra Lamx. — Bsk. Chall. Pol. I. p. 78. — Einzige Gattung.
Farn. Cellariidae
Cellaria Lamx. 1812 (pars) = Salicornaria Cuv. 1817. — Busk,
Chall. Pol. I. p. 85. Zoarium aufrecht, einfach od. (meist) ver-
zweigt u. gegliedert. Zweige cylindrisch. Zooecien rings um
die Zweige gestellt. Avicularien meist vorhanden.
?Farcimia Pourt. — Sm. Flor. Br. II. p. 2. — Hcks. Ann. Mag.
(5) XL p. 199. — Zoarium aufrecht, gegliedert. Zweige cylindrisch.
Zooecien rings um die Zweige, mit erhabenen Rändern u. ver-
tiefter Vorderseite. Letztere mehr od. weniger von einer
Membran bedeckt. — Eine zweifelhafte Gattung.
14 Di'- A. Ortinann:
Melicerta M. E. - - Bsk. Chall. Pol. I. p. 95. — Zoarium zu-
sammengedrückt, gelappt, zungenförmig od. blättrig, gegliedert
od. ungegliedert. Zooecien beiderseitig, sonst wie Cellaria.
Fam. Cyclicoporidae
Cyclicopora Hcks. — Ann. Mag. (5) XIV. p. 279. — Zoarium
inkrustierend. Zooecien mit völlig einfacher, rundlicher Mündung
Avicularien fehlend.
Cyclostomella nov. gen. Zoarium dichotom verzweigt, gegliedert,
Zooecien rings um die cylindrischen Zweige, langröhrig. Mündung
rundlich, mit einfachem Rande. Avicularien vorhanden.
Fam. Bifaxariidae
Bifaxaria Bsk. — Chall. Pol. I. p. 79. — Zoarium gegliedert
od. ungegliedert, verzweigt. Avicularien klein, jederseits von
der Mündung od. bisweilen fehlend od. durch einen Fortsatz
ersetzt. Mündung elliptisch, halbkreisförmig od. rundlich. Ein
erhabener Kiel in der Mitte der Vorderseite.
Calymmophora Bsk. — Chall. Pol. I. p. 82. — Zoarium unge-
gliedert, verzweigt. Avicularien fehlend. Mündung rundlich,
mit einem Sinus in der Unterlippe. Ein dünner medianer u.
zwei seitliche Kiele. An den Seiten der Zelle eine Reihe Poren
u. jederseits der Mündung einige Poren.
Fam. Tubucellariidae
Tubucellaria d'Orb. — Busk, Chall. Pol. I. p.85 — Zoarium ge-
gliedert, von cylindrischen, meist 4 reihigen Internodien gebildet.
Zweige dichotom oder unregelmässig entspringend. Zooecien
birnförmig, in ein röhriges Peristom vorgezogen, deutlich od.
undeutlich begrenzt. Eine einfache, mediane Pore auf der
Vorderseite vorhanden od. fehlend.
Siphonocytara Bsk. — Chall. Pol. I. p. 101. — Zoarium unge-
gliedert, cylindrisch od. 4 kantig. Mediane Pore unter der
Mitte der Vorderseite. Eine rundliche Mündung in der Nähe
der Spitze auf der Hinterseite der seitlichen Zooecien. Zooecien
vorn abgeflacht, Peristom röhrig. — Bau unklar.
Fam. Retep oridae
Retepora Imp. — Busk, Chall. Pol.I.p. 105. — Zoarium netzförmige
od. gefensterte Blätter bildend, aufrecht. Zooecien nur auf einer
Seite, meist tief eingesenkt. Primäre Mündung rundlich. Peristom
erhaben u. vielgestaltig, gezähnt, ganz od. ausgebuchtet. Meist
zahlreiche Avicularien.
Reteporella Bsk. — Chall. Pol. I.p.126. — Zoarium in einer Ebene
verzweigt, Zweige frei. Sonst wie Retepora.
Turritigera Bsk. — Chall. Pol. I. p. 129. — Zoarium ästig, von
einer basalen Ausbreitung entspringend. Zooecien auf einer
Seite, bauchig, mit etwas röhrigem Peristom u. verschiedenen
kegel- oder säulenförmigen, Avicularien tragenden Fortsätzen
auf demselben.
Die Japanische Bryozoenfauna. 15
Farn. Cribrilinidae
Cribrilina Gr. — Busk, Chall. Pol. I. p. 131. —Vorderseite der
Zellen gespalten oder einfach in regelmässigen oder unregel-
mässigen Querreihen punktiert.
Membraniporella Sm. (pars) — Flor. Br. IL p. 10. — Hcks. Br.
Mar. Pol. p. 199. — Zooecien auf der Vorderseite von einer
Anzahl flacher, kalkiger Pappen geschlossen, nicht punktiert.
Farn. Microporellidae*)
Flustramorpha Gr. — Bsk. Chall. Pol. I. p. 135. — Zoarium
aufrecht, blättrig. Zooecien beiderseitig. Mündung halbkreis-
förmig. Ein seitliches Avicularium.
Microporella Hcks. — Busk, Chall. Pol. I. p. 136. —Zoarium in-
krustierend. Mündung halbkreisförmig, mit ziemlich gradem
unterem Rande. Meist ein seitliches Avicularium od. Vibraculum.
Diporula Hcks. — Br.Mar.Pol. - Zoarium inkrustierend. Mündung
oben gebogen und breit, unterwärts zusammengezogen und durch
zwei seitliche Vorsprünge eingeengt (hufeisenförmig). Unterrand
gerade. Avicularien vorhanden.
? Farn. Porin i d a e
? Porina d'Orb. — Hcks. Br. Mar. Pol. p. 227. — Zooecien ober-
wärts röhrig, mit endständiger runder Mündung. Eine mediane
Pore vorn. Zoarium inkrustierend oder aufrecht u. ästig. —
Die typische Art der Gattung wird von Busk zu den Escha-
riden (Tessaradoma) gestellt.
? Anarthropora Sm. (pars) — Hcks. Br. Mar. Pol. p: 232. -
Zooecien am oberen Ende wenig vorragend. Mündung endständig,
halbkreisförmig. Ein Avicularium vorn unter der Mündung.
Pore fehlend. Zoarium (meist) inkrustierend.
?Lagenipora Hcks. — Br. Mar. Pol. p. 235. — Zooecien in eine
gemeinsame kalkige Kruste eingesenkt, niederliegend. Mündungs-
ende frei, röhrig, mit endständiger runder Mündung.
VCelleporella Gr. ■ - Hcks. Br. Mar. Pol. p. 413. — Zooecien
etwas aufrecht, oberes Ende frei und röhrig, mit endständiger
runder Oeffnung. Keine Pore. Zoarium (meist) inkrustierend.
Farn. Escharid ae
Unterfamilie: Holostomata
Lepralia Johnst. — Busk, Chall. Pol. Lp. 142. — Nur mit primärer
Mündung. Diese hufeisenförmig od. halbkreisförmig. Unter-
rand gerade od. etwas gebogen.
Hierher werden auch Haploporella Hcks. — Ann. Mag. (5)
VIII. p. 10 — Monoporella Hcks. — ibid. IX. p. 123 u. XL
p. 444 — u. Eschara Pall. em. Bsk. — Chall. Pol. p. 141 —
zu rechnen sein.
*) Die Gattung Stephanopora Kirkpatrik. — Ann. Mag. (6) I. p. 75 —
gehört nicht hierher: die Stellung derselben ist zweifelhaft.
Iß Dr. A. Ortmann:
Umbonella Hcks. — Br. Mar. Pol. p. 316. — Unter der Mündung
ein vorragender Nabel, der ein Avicularium trägt. Sonst wie
Lepralia.
Porella Gr. — Busk, Chall. Pol. I. p. 149. — Mit sekundärer
Mündung. Primärmündung ungefähr halbkreisförmig. Sekundäre
länglich, dreieckig od. hufeisenförmig, ein meist gerundetes
Avicularium einschliessend.
Escharoides Sm, — Busk, Chall. Pol. Lp. 149. - Primäre Mündung-
rundlich. Sekundäre mit einem Sinus vorn. Zu einer oder
beiden Seiten des Sinus, dicht an demselben, ein Avicularium.
(Nach Hincks ein Avicularium im Sinus, aber seine Ab-
bildungen von E. rosacea — Br. Mar. Pol. pl. XLVII, fig. 7. 8
zeigen das Avicularium ausserhalb desselben u. ebenso be-
schreibt er bei Esch. rosacea u. quincuncialis dasselbe.)
Smittia Hcks. — Busk, Chall. Pol. I. p. 150. Primäre Mündung
rundlich, mit einem inneren medianen Zahn am Unterrande.
Sekundäre Mündung mit Sinus, meist ein Avicularium unter-
halb derselben. (Busk sagt irrtümlicher Weise — Chall. Pol. I.
p. 150 — : „enclosing a median avicularium").
Phylactella Hcks. — Br. Mar. Pol. p. 256. — Sekundäre Mündung
ohne Sinus. Keine Avicularien. Sonst wie Smittia.
Mucronella Hcks. — Busk, Chall. Pol.p. 155. — Primäre Mündung-
rundlich od. halbkreisförmig. Sekundäre vorn in eine grössere
od. kleinere Spitze erhoben.
Palmicellaria Aid. — Hcks. Br. Mar. Pol. p. 378. -- Sekundäre
Mündung vorn in eine vorstehende Spitze ausgezogen, die an
der inneren Seite ein Avicularium trägt. Sonst wie Mucronella.
Aspidostoma Hcks. — Ann. Mag. (5) VII. p. 159. — Bsk. Chall.
Pol. I. p. 161. — Zooecien mit rundlicher primärer Mündung.
Sekundäre Mündung oben mit einem dachförmigen, meist zwei-
teiligen Vorsprung, unten mit einer breiten, schildförmigen
Platte od. Spitze. Zoarium aufrecht, blattförmig, verzweigt,
meist 2 schichtig.
Unterfamilie: Schizostomata—Mjviozoida,e Hcks.
Schizoporella Hcks. — Busk, Chall. Pol. I. p. 162. — Nur mit pri-
märer Mündung. Diese rundlich od. halbkreisförmig. Unter-
rand mit centralem, weiterem od. engerem Sinus. Avicularien
seitlich, median oder fehlend. Zoarium meist inkrustierend.
Zooecien dicht aneinanderliegend.
Mastigophora Hcks. — Br. Mar. Pol. — Mündung mit seitlichen
Vibrakeln. Sonst wie Schizoporella.
Chorizopora Hcks. — Br. Mar. Pol. p. 222. — Busk, Chall. Pol. I.
p.148. — Zooecien mehr od. weniger entfernt von einander, durch
ein röhriges Netzwerk verbunden. Sonst wie Schizoporella.
(Hincks stellt die Gattung zu den Microporelliden , trotzdem
er ausdrücklich sagt: „the special pore wanting").
Die Japanische Bryozoenfauna. 17
Hippothoa Lamx. — Busk, Cliall. Pol. I. p. 4. — Zooecien entfernt
von einander, durch längere od. kürzere Fortsätze verbunden
und lineare, kriechende Reihen bildend. Zweige von den Seiten
der Zellen abgehend. Sonst wie Schizoporella. — Gehört nicht
zu den Stolonaten, wie Busk — Chall. Pol. I. p. XXII. —
will, da die die Zellen verbindenden Fortsätze kein gesondertes
System von „Stolonen" bilden, sondern als ausgezogene untere
• Enden der Zellen aufzufassen sind.
Alysidota Bsk. — Qu. Journ. Micr. Sc. IV. p. 310. — Zooecien
lineare Reihen bildend, von einander mit breiter Basis ent-
springend, Zweige vom oberen Teil der Zellen abgehend. Sonst
wie Hippothoa.
Gemellipora Sm. - Flor. Br. II. p. 37 — Bsk. Chall. Pol. I.
p. 176. — Primäre Mündung verlängert, birnförmig, jederseits
unten mit einer Gelenkgrube. Ein medianes, eingesenktes
Avicularium unter od. über der Mündung.
Gephyrophora Bsk. — Chall. Pol. I. p. 167. — Primäre Mündung-
rundlich, Unterrand mit flachem Sinus. Jederseits ein Avicu-
larien tragender Fortsatz, die sich beide brückenförmig über
der Mündung vereinigen.
Schizotheca Hcks. — Br. Mar. Pol. p. "283. — Primäre Mündung
rundlich. Unterrand mit Sinus. Sekundäre Mündung erhaben,
mit Sinus. Ooecien mit einem Spalt auf der Vorderseite.
Rhynchopora Hcks. — Br. Mar. Pol. p. 385. — Primäre Mün-
dung quer -elliptisch. Unterrand mit Sinus. Sekundäre Mündung
rundlich, mit einem Vorsprung am Unterrand u. einem Fort-
satz unmittelbar darunter.
Myriozoum Don. — Busk, Chall. Pol.I.p.168. — Primäre Mündung
mit Sinus, sehr bald durch Verdickung der kalkigen Vorder-
seite eingesenkt. Sekundäre Mündung meist rundlich. Avi-
cularien, wenn vorhanden, eingesenkt u. in der Nähe der
Mündung. Zoarium aufrecht, verzweigt; Zweige cylindrisch,
stumpf, od. das ganze Zoarium eiförmig. Zooecien rings um
die Zweige gestellt.
Haswellia Bsk. — Chall. Pol. I. p. 171. — Sekundäre Mündung
röhrig vorspringend, mit Sinus od. 2 spaltig, jederseits mit einem
Avicularium. Sonst wie Myriozoum.
Tessaradoma Norm. ■ — Bsk. Chall. Pol. I. p. 174. — Sekundäre
Mündung röhrig vorspringend. In der Mitte der Vorderseite
eine Pore, meist mit etwas vorspringendem Rande. Mit od.
ohne eingesenkte Avicularien und Randporen. Sonst wie
Myriozoum. — Stellung zweifelhaft.
Farn. Adeonidae*)
Adeona Lamx. — Kirchen p au er: Ueber die Bryozoengattung
*) Ueber die Adeoneae Bsk. vgl. Hincks: Crit. Not. — Ann. : Mag. |5)
XIX. p. 150.
Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd. I. H. I. 2
18 Dr. A. Ortmann:
Adeona. Abb. Naturw. Ver. Hamburg. VII. 1. 1880. — Bsk.
Chall. Pol. I. p. 181. — Zoariuni aufrecht, blattförmig, gefenstert
od. ganz, mit einem biegsamen, gegliederten Träger.
Adeonella Bsk. — Chall. Pol. I. p.183. — Zoarium aufrecht, (selten
inkrustierend) baumartig, verzweigt od. gelappt, ohne bieg-
samen Träger.
Farn. Celleporidae
Cellepora Fabr. (pars) — Busk, Chall. Pol. I. p. 190. — Einzige
Gattung.
Fam. Selenariidae
Cupularia Lamx. — Bsk. Cat. Br. Mus. II. p. 97. — Jede Zelle
mit einem Vibraculum an der Spitze.
Lunularia Bsk. — Chall. Pol. I. p. 208 = Lunulites Lamx. — Bsk.
Cat. Br. Mus. II. p. 100. — Zellen u. Vibracula in abwechselnden
vom Centrum ausstrahlenden Reihen.
Selenaria Bsk. — Cat. Br. Mus. IL p. 101. — Nur einzelne Zellen,
die zerstreut zwischen den andern liegen, mit Vibrakeln versehen.
VMamillopora Sm. — Flor. Br. IL p. 33. — Ohne Vibracula.
Von Smitt zu den Myriozoiden gestellt. Stellung unsicher.
II. Unterordnung: Cyclostomata Bsk.
Systematische Uebersicht der Abteilungen, Familien und Gattungen
der Cyclostomata*).
I. Abteilung: Articulata Bsk.
Fam. Crisiidae Bsk. — Cat. Br. Mus. III. p. 3. -- Chall. Pol. IL p. 1.
Zoarium gegliedert, aufrecht, durch biegsame Gelenke in Inter-
nodien geteilt.
II. Abteilung: Inarticulata Bsk.
Unterabteilung : Erect. a
Zoarium mehr od. minder aufrecht und baumförmig-ästig.
Fam. Idmoneidae Bsk. - - Cat. Br. Mus. III. p. 10. — Chall. Pol. IL
p. 8. — Zoarium aufrecht oder doch nur teilweis niederliegend,
dichotom od. unregelmässig verzweigt. Zweige frei od. anastomo-
sierend. Zellen rundlich, im oberen Ende meist frei, isoliert
oder einfache Reihen bildend.
Unter abtheilung : Adnata.
Zoarium niederliegend, od. massiv, gestielt, od. blättrig, nie
bauni förmig.
Fam. Tubuliporidae Bsk. — Cat. Br. Mus. III. p. 23. — Chall. Pol. IL
p. 21. — Zoarium angewachsen, linear, nieren- od. fächerförmig,
einfach od. verzweigt od. gelappt, von einer einzigen Zelle aus
sich ausbreitend. Zooecien oft in unregelmässigen Reihen.
Keine Zwischenporen.
*) Durchweg nach Busk, Chall. Pol. II.
Die Japanische Bryozoeufauna. 19
Farn. Diastoporidae Bsk. — Cat. Br. Mus. III. p. 27. — Chall. Pol. II.
p. 24. — Zoariuni angewachsen, kreisförmig od. unregelinässig im
Umfang, nicht von einem Punkt ausstrahlend. Keine Zwischen-
poren.
Farn. Lichenoporidae Sm. — Chall. Pol. IL p. 25 = Discoporellidae
Bsk. — Cat. Br. Mus.III.p.30. — Zoarium angewachsen, scheiben-
förmig, selten etwas gestielt. Zoarien mehr od. minder in
Reihen gestellt. Zwischenporen vorhanden.
Farn. Frondiporidae Sm. — Busk, Cat. Br. Mus. III. p. 37. — Chall.
Pol. II. p. 26. — Zoarium massiv, gestielt, einfach, gelappt od.
blättrig. Zellen durchaus bündeiförmig verwachsen, meist
primatisch. Keine Zwischenporen.
Uebersieht der Gattungen.
Farn. Crisiidae
Crisidia M. E. — Milne Edwards: Mem. sur les Cris.etc. Ann.
d. Sc. Nat. (2) IX. - - Bsk. Cat. Br. Mus. III. p. 3. — Eine
(u. 2 rudimentäre) in einfachen Reihen stehenden Zellen in
jedem Internodium.
Crisia Lamx. — Busk, Cat. Br. Mus. III. p. 4. — Chall. Pol IL
p. 2. — Zwei od. mehr, in Doppelreihen stehende, nach einer
Seite gerichtete Zellen in jedem Internodium.
Farn. Id moneidae
Idmonea Lamx. — Busk, Cat. Br. Mus. III. p. 10. — Chall. Pol. IL
p. 9. — Zoarium meist ästig. Zellen in ungefähr parallelen, meist
alternierenden, queren Reihen jederseits auf der Vorderseite
der Zweige.
Hornera Lamx. — Busk, Cat. Br. Mus. III. p.16. — Chall. Pol. II,
p. 14. — Zoarium ästig. Zellen zerstreut, auf einer Seite der
Zweige.
Retihornera Kirchenpauer. — Cat. IV. Mus. God. Hamburg. —
Bsk. Cat. Mus. III. p. 19. — Zoarium gefenstert, aus etwa
parallelen, quer verbundenen Zweigen gebildet. Sonst wie
Hornera.
Entalophora Lamx. — Smitt, Flor.Br.Lp.il = Pustulopora Blvl. —
Busk, Cat. Br. Mus. III. p.20 — Chall. Pol. IL p.18.— Zoarium
einlach od. ästig. Zellen zerstreut, riugs um die Zweige stehend.
Hierher wird auch Bidiastopora d'Orb. (Vgl. Kirkpatrick,
Polyzoa from Port Phillip. — Ann. Mag. (6) IL p. 1 5) gehören.
Farn. Tiibuliporidae
Alecto Lamx. = Stomatopora Bronn. — Busk, Cat. Br. Mus. III.
p. 24. — Chall. Pol. IL p. 22. — Zoarium kriechend, einfach od.
verzweigt. Zweige linear oder zungenförmig. Zellen in einer
einfachen Reihe od. in Querreihen od. unregelmässig gestellt.
Tubulipora Lam. — Busk, Cat. Br. Mus. III. p. 24. — Chall.
Pol. III. p. 22. — Zoarium ausgebreitet, nieren- oder fächerförmig.
2*
20 Dr. A. Ortmann:
Zellen in regelmässige oder unregelmässige, von einem Punkt
divergierende Reihen gestellt.
Fam. Diastoporiclae
Diastopora Lamx. (pars). — Busk, Cat. Br. Mus. III. p. 28. —
Chall. Pol. IL p. 24. — Zoarium kreisförmig oder unregelmässig.
Zellen in vom Centrum ausstrahlende Reihen gestellt od. un-
regelmässig, gewöhnlich in der Mitte eingesenkt, gegen den
Rand hin vorragend.
Mesenteripora Blvl. — Bsk. Cat. Br. Mus. III. p. 29. — Zoarium
blättrig, wellig. Zellen in zwei Lagern, sich auf beiden Flächen
des Blattes öffnend. — Zweifelhaft, ob recent vorkommend.
Vgl. Busk 1. c.
Fam. Lichenoporidae
Lichenopora Defr. — Busk, Chall. Pol. IL p. 25 = Discoporella
Gr. — Busk, Cat. Br. Mus. III. p. 30. — Zoarium angewachsen,
scheibenförmig, im Centrum erhaben od. vertieft. Zellen teil-
weis frei, un regelmässig od. in radiale Reihen gestellt.
Tennysonia Bsk. — Cat. Br. Mus. III. p. 34. — Zoarium ge-
stielt, lappig. Lappen etwa dreikantig, am Ende geteilt. Zell-
mündungen oberflächlich, in geraden, einreihigen Linien von
der mittleren Kante der Lappen zu den seitlichen.
Domopora d'Orb. — Pal. Fr. p. 986. - - Bsk. Cat. Br. Mus. III.
p. 35. — Zoarium massiv, cylindrisch, einfach oder stumpf ge-
lappt. Zellen in radialen Linien an den freien Enden der Lappen.
Radiopora d'Orb. — Pal. Fr. p. 992. - - Bsk. Cat. Br. Mus. III.
p. 34. — Zoarium angewachsen, unregelmässig u. aus zusammen-
tliessenden Scheiben gebildet. Sonst wie Lichenopora.
Defrancia d'Orb. — Pal. Fr. p. 680. - - Bsk. Cat. Br. Mus. III.
p. 36. — Zoarium gestielt, oben in eine Scheibe ausgebreitet.
Zellen auf der Scheibe in radialen Linien.
Hierher würde auch Heteropora gehören. (Siehe unten).
Fam. Frondiporidae.
Fasciculipora d'Orb. — Busk, Cat. Br. Mus. III. p. 37. — Chall.
Pol. IL p.27. — Zoarium einfach, gestielt od. blättrig od. gelappt.
Zellöffnungen nur an den Enden der Lappen.
Supercytis d'Orb. — Pal. Fr. p. 1060. — Bsk. Chall. Pol. II.
p. 28. — Zoarium gestielt, oberwärts ausgebreitet, mit ge-
gabelten Zellbündeln, die rings vom Rande ausstrahlen. Zeil-
Öffnungen an der Spitze u. auf der Oberseite der Bündel.
Hypocytis nov. gen. Zoarium gestielt, oberwärts ausgebreitet, mit
gegabelten Zellbündeln, die rings vom Rande ausstrahlen.
Zellöffnungen an der Spitze u. auf der Unterseite der Bündel.
Frondipora Imp. — Bsk. Cat. Br. Mus. III. p. 38. -- Zoarium
blättrig -ästig. Zellbündel sich nur auf einer Seite in erhabenen
Flecken öffnend.
Die Japanische Bryozoenfauna. 21
Beschreibung der von Herrn Dr. Döderlein in den
japanischen Gewässern gesammelten Bryozoen-Arten.
Ckilostomata.
Gattung: Menipea Lamx.
Verbreitung: Arktische Meere, Europa, Azoren, S. Afrika,
S. Amerika, Galifornien u. Königin Charlotte Ins., S. Australien,
Marion Ins.
1. Menipea integra n. sp. Taf. I. fig. 1.
Zoarium zart, dichotom verzweigt. Zooecien verlängert, 2 reihig,
viele in jedem Internodium. Oeffnung oval, ohne Deckel. Rand-
dornen fehlend. Avicularien gross, je eines an der oberen äusseren
Ecke jeder Zelle, nach hinten gerichtet und eines auf der Vorder-
seite unter der Oeffnung. Üoecien rundlich.
Sagamibai, 200 Fad., selten.
2. Menipea compacta Hcks. Taf. I. fig. 2.
Ann. Mag. (5) X. p. 461
XIII. p. 208 pl. IX. fig. 8.
Zoarium buschige Rasen bildend. Zooecien 2 reihig. Oeffnung
oval, ungefähr halb so lang als die Zelle. Innenseite des Randes
mit 2, Aussenseite mit 4 Dornen, von denen meist einer bedeutend
grösser ist. Deckel keulenförmig, oberwärts etwas ausgebreitet, nahe
dem unteren Rande der Oeffnung eingefügt. Seitliche Avicularien
ziemlich gross. Vordere Avicularien fehlend. Ooecien (nach Hincks)
rundlich, glatt od. punktiert.
var. dilatata nov. Meine Exemplare weichen durch etwas
stärker entwickelten Deckel, der am Ende stärker, nierenförmig,
verbreitert ist, von der Abbildung bei Hincks (1. c. pl. IX. fig. 8)
ab. Die Gestalt der Zooecien, die Anzahl der Randdornen, die Ein-
fügung des Deckels u. das Fehlen der Avicularien auf der Vorder-
seite stimmt jedoch mit den Californischen Exemplaren.
Sagamibai, Tiefe unbekannt, auf Spongien, selten.
Verbreitung: Californien, Vancouver Ins., Königin Charlotte
Ins. (Hcks.).
Gattung: Scrupocellaria v. Ben.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Scrupocellaria scrupea Bsk. Taf. I. fig. 3.
Cat. Br. Mus. I. p. 24. pl. XXI. fig. 1. 2.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 50. pl. VII. fig. 11 — 14.
Zoarium aufrecht, dichotom. Zooecien 2 reihig. Oeffnung oval,
Rand dünn. 3 Dornen am Aussen-, 1 — 2 am Innenrande. Deckel
nierenförmig, ganz, nach unten ausgebreitet. An der seitlichen Ecke
jeder Zelle ein grosses Avicularinm. Auf der Hinter seite jeder Zelle
ein aufrechtes, fast keilförmiges Vibraculum. Ooecien rund, glatt.
22 Dr. A. Ortmann:
var. minor nov. Zoariuni zarter als bei europäischen Exemplaren
(vgl. Hincks, 1. c. pl. VII. fig. 13), meist nur 2 Dornen am Aussen-
u. einer am Innenrand.
Sagamibai, 70 Faden; häufiger auf Steinschwämmen (Disco-
dermia calyx) aufgewachsen.
Verbreitung: England (Bsk. Hcks.). Mittelmeer (M' Andrew).
Adriatisches Meer (Heller). Australien (Mac G.). Singapur (Hcks).
2. Scrupocellaria diadema Bsk. Taf. I. fig. 4.
Cat. Br. Mus. I. p. 24. pl. XXVIII. fig. 1—3.
Zoarium unregelmässig dichotom verzweigt. Zooecien 2 reihig.
Oeffnung oval. Oberrand mit 3 — 5 Dornen. Deckel an der Spitze
etwas ausgebreitet, undeutlich 21appig od. etwas gekerbt. Ein
sitzendes Avicularium vorn unter der Oeffnung. Ooecien bei meinen
Exemplaren fehlend, nach Busk mit einer Reihe von 4 — 5 Poren
unmittelbar über dem unteren Rande.
Sagamibai, auf Discodermia vermicularis u. calyx, in Menge.
Verbreitung: Moreton Bai, Australien (Bsk.). Burmali (Hcks.).
Gattung: Carberea Lamx.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Carberea lata Bsk. Taf. I. Fig. 5.
Cat. Br. Mus. I. p. 39. pl. XLVII.
Chall. Pol. I. p. 30. pl. XL fig. 3.
Zoarium dichotom verzweigt, Zweige etwas schmaler als bei der
Abbildung bei Busk. Zooecien 2 — vielreihig (meist 3 — 4), mit ovaler
grosser Oeffnung. Ohne Deckel. An der äusseren oberen Ecke die
randlichen mit undeutlichem Dorn. Die inneren mit 1 — 2 kleinen
Avicularien an den oberen Ecken, die bisweilen fehlen. Borsten der
Vibracula lang, gesägt. Wurzelröhren einen hervorragenden Kiel
auf der Rückenseite bildend.
Sagamibai, 60 — 200 Faden, sehr häufig.
Verbreitung: Australien. Neu Seeland (Bsk.) Cap York, 8 Fad.
Aramra See, 45 Fad. (Chall).
2. Carberea climacina n. sp. Taf. I. fig. 6.
Zooecien 4 — 5 reihig, nur die mittleren Ooecien tragend u. am
inneren Rande (dem der Mittellinie am nächsten liegenden) mit einem
queren Dorn, so dass diese Dornen von der Mittellinie wie leiter-
artige Sprossen abstehen. Avicularien fehlend. Sonst wie die
vorige Art.
Sagamibai, 40 Faden, seltener.
3. Carberea bursifera n. sp. Taf. I. fig. 7.
Zoarium dichotom verzweigt, Zweige schmal. Zooecien 2 reinig,
länglich, mit ovaler Oeffnung mit verdicktem Rande. An der oberen
äusseren Ecke ein langer u. 2 — 3 kurze, warzenförmige Dornen.
Deckel schmal, spateiförmig, an der Spitze nur wenig verbreitert.
Die Japanische Bryozoenfauna. 23
Avicularien taschenförmig , in der Mittellinie unter jeder Oeffnung
eins, ziemlich gross. Borste der Vibracula lang, gesägt.
Sagamibai, 200 Fad., nur ein Exemplar.
4. Carberea rudis Bsk. Taf. I. fig. 8.
Cat. Br. Mus. I. p. 38. pl. XLVI.
Chall. Pol. I. p. 30.
Zooecien in 3 — 5, selten bis 7 Reihen. Oeffnung oval, Rand
verdickt. Die inneren jederseits mit einem Dorn, die äusseren an
der äusseren Ecke mit 2 — 3, an der inneren mit einem Dorn. Deckel
spateiförmig, verbreitert. Jede der centralen Zellen mit 2 Avicularien
auf der Vorderseite, dicht unter der Oeffnung. Jede randliche mit
einem einzigen grossen Avicularium vorn unter der Oeffnung. Borsten
der Vibracula schmächtig, von vorn unsichtbar, nicht gesägt. (Busk.
Cat. Br. Mus. ungesagt; Chall. Pol. gesägt.) Auf der Rückseite der
Zweige am Rande jederseits ein Bündel von Wurzelröhren.
Sagamibai, 200 Fad., nicht selten.
Verbreitung: Bass-Strasse (Bsk.). Süd -Australien, 33 Fad.
(Chall.)
5. Carberea minima Bsk. Taf. I. fig. 9.
Chall. Pol. I. p. 30 pl. XXXII. fig. 5.
Zoarium niedrig, zart, dichotom verzweigt. Zweige kurz. Zooecien
2 reihig, Oeffnung rundlich od. oval. Deckel mit dickem Stiel u.
breiter, besonders nach unten ausgedehnter Platte. An der oberen
äusseren Ecke und über dem Stiel des Deckels je ein Dorn. Avi-
cularien in der Mittellinie der Zweige, unmittelbar über der Basis des
Deckels.
Scheint sich von Carb. boryi Aud. sp. (Hincks, Br. Mar. Pol.
p. 61. pl. VIII. fig. 9 — 11) u. Carb. boryi Bsk. = patagonica Bsk.
(Cat. Br. Mus. I. p. 38. pl. XXXVIII.) nur durch Zartheit des Zoarium
zu unterscheiden. Ich bin geneigt beide Arten mit der Carb. minima
zu vereinigen. Doch scheint mir die Carb. darwinii Bsk. (Chall. Pol. I.
p. 29. pl. XXXII. fig. 6), die Busk selbst mit seiner patagonica
(Cat. Br. Mus. I. pl. XXXVIII.) vereinigt, von letzterer verschieden
zu sein.
Sagamibai, auf Discodermia japonica, selten.
Verbreitung; Falkland-Ins., 5 — 12 Fad. (Chall.).
Gattung: Genieliaria Sav.
Verbreitung: Circumpolar: Arktisches Meer, Nord -Europa,
Labrador, Kön. Charlotte -Ins.
1. Gemellaria macrostoma n. sp. Taf. I. fig. 15.
Zoarium zart (mir liegt nur ein einfacher kurzer Zweig mit
6 Zellpaaren vor), blassgelblich. Zooecien länglich, unterwärts ver-
schmälert. Oberfläche glatt. Oeffnung oval, gross, fast bis zur Basis
der Zellen reichend, ohne erhabenen Rand.
24 Dr. A. Ortmann:
Von der G. loricata L. sp. durch die grosse Oeöhung ohne er-
habenen Rand verschieden. (Vgl. Busk, Cat. Br. Mus. I. pl. XLV.
fig. 6 u. Hincks, Br. Mar. Pol. pl. III. fig. 1—3).
Sagamibai, 70 Fad.
Gattung: Bugula Ok.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
A. Ohne Avicularien.
1. Bugula johnstoniae Gr. sp. Taf. I. fig. 16.
Busk: Cat. Br. Mus. I. p. 43. pl. XXX.
Smitt: Flor. Br. I. p. 17. pl. V. fig. 47.
Zoarium dichotom, aufrecht. Zooecien 2 reihig, unterwärts ver-
schmälert, oben breiter, mit breiter, flacher, ovaler Oeöhung. An
der oberen äusseren Ecke ein kurzer Dorn. Avicularien fehlend.
Sagami bai, ein Exemplar in 40 Faden Tiefe, zahlreiche andere
in 100— 230 Faden.
Verbreitung: Bass- Strasse, Neu -Seeland (Bsk.). Florida,
16 Fad. (Sm.).
2. Bugula neritina L. sp. Taf. I. fig. 17.
Busk. Cat. Br. Mus. I. p. 43.
Chall. Pol. I. p. 42.
Zoarium dichotom verzweigt. Zooecien 2 reihig, 4 eckig, ver-
längert, oben abgestutzt, mit dornartig vorspringenden Ecken. Avi-
cularien fehlend.
Maizuru, 4 — 10 Fad., sehr häufig, gern auf einer Tunicate
(Boltenia) aufgewachsen.
Verbreitung: Kosmopolitisch:*) Nord- Europa. Mittelmeer.
Nord -Amerika. Rio de Janeiro. Süd- Australien.
3. Bugula lophodendron n. sp. Taf. I. fig. 18.
Zoarium baumförmig, eigentümlich verzweigt: von einem Haupt-
stamme gehen büschelförmig, etwas unregelmässig, ziemlich kurze
Aeste ab. Zooecien 2 reihig, verlängert, an der oberen äusseren
Ecke 2, an der inneren ein ziemlich kräftiger Dorn. Oeöhung
sehr gross, fast bis zur Basis der Zellen reichend. Avicularien
fehlen.
Am ähnlichsten ist diese Art der B. longissima Bsk. (Chall. Pol. I.
p. 42 pl. XXXI. fig. 7), aber bei letzterer sind die Zellen eigentümlich
eingeschnürt, nur an der oberen äusseren Ecke ist ein kurzer konischer
Fortsatz u. die Oeönung ist viel kleiner.
Maizuru, 4 — 10 Fad., auf Boltenia.
*) Vgl. d'Orbigny, Voy. dans l'Amer. mer. : „Acamarchis neritina qui
parait maintenant habiter le monde entier, se fixe ä la quille des navires et se
fait transporter partout."
Die Japanische Bryozoenfauna. 25
B. Mit Avicidarien.
4. Bugula japonica n. sp. Taf. I. fig. 19.
Zoaritim unregelmässig dichotom verzweigt, Zweige hier und
da durch röhrige Fortsätze coalescierend. Zooecien in 2 — 4 (meist 3)
Reihen, nur die mittleren Ooeeien tragend, länglich. Oeffnung fast
die ganze Vorderseite einnehmend. An den oberen Ecken je ein
kurzer Dorn, an der Basis der Ooeeien jederseits 1 — 2 kleine Dornen.
Jede Zelle mit einem Avicularium, dieses fast sitzend, ziemlich gross,
an der Basis der Zellen.
Steht der B. sinuosa Bsk. (Chall. Pol. p. 39, pl. X. fig. 2) am
nächsten aber: die Zweige coalescieren , jede Zelle besitzt ein Avi-
cularium u. beide obere Ecken haben Dornen.
var. spinosissima n. Jede Zelle jederseits mit 2 — 3 Dornen,
Zoarium fast gar nicht coalescierend.
Sagamibai, 200 Fad., häufig, var. spinosissima: Sagamibai
230 Fad., seltener.
5. Bugula dentata Bsk. Taf. I. fig. 20.
Cat. Br. Mus. T. I. p. 46. pl. XXXV.
Zooecien 2 reihig, länglich. Oeffnung oval, etwa halb so lang
als die Vorderseite. Drei Randdornen an der Aussenseite, einer an
der inneren. Avicularien unter der Oeffnung, am Rande der Zellen,
gestielt. Ooeeien (nach Bsk.) kapuzenförmig, blau gefärbt.
Sagamibai, 70 Faden.
Verbreitung: Tasmanien, Australien, N.-Seeland, S. -Afrika (Bsk.)
6. Bugula hexaeantha n. sp. Taf. I. fig. 21.
Zoarium dichotom verzweigt. Zooecien meist 2 reihig, länglich.
Oeffnung fast die ganze Vorderseite einnehmend. Am äusseren Rande
mit 4 (selten 5), am inneren mit 2 einwärts gebogenen Dornen. An
der Spitze jederseits ein kurzer, stumpfer Fortsatz. Ein kurz ge-
stieltes Avicularium am unteren Ende jeder Zelle.
Durch die Randdornen sich der B. murrayana Johnst. (Busk,
Cat. Br. Mus. I. p. 46. pl. LIX, Hincks, Br. Mar. Pol. p. 92. pl. XIV.
fig. 2 — 9) nähernd, aber verschieden durch nur 2 reihige Zellen und
daher schmalere Zweige und durch die bedeutend kürzeren, nur
knotenförmigen Fortsätze an den beiden oberen Zellecken.
Sagamibai, auf Lophohelia, 100 — 200 Fad., selten.
Gattung: Diaclioseris Bsk.
Verbreitung: Adriatisches Meer, Algier, Cap Verde -Inseln,
S. -Afrika, S.-Amerika, S. -Australien, Kerguelen.
1. Diachoseris magellanica Bsk. Taf. I. fig. 22.
Cat. Br. Mus. I. p. 54. pl. LXVII.
Diach. buskei Heller, Adr. p. 93.
Hincks, Ann. Mag. (5) XV. p. 246. pl. VIII. fig. 2.
Zooecien halb aufgerichtet, vorn ganz offen, oval. Mündung halb-
kreisförmig, Deckel mit verdicktem Rande. Jederseits nahe dem
26 Dr. A. Ortmann:
oberen Ende an jeder Zelle ein gestieltes Avicularium , mit ge-
zähntem Rande, (letzteres Merkmal weder bei Bnsk noch bei Hincks
erwähnt). Mandibel mit dreieckiger Basis und verschmälerter Spitze.
Sagamibai, 100 Fad.
Verbreitung: Adriatisches Meer, 20 — 55 Fad. (Heller). Neapel,
30—50 Fad. (Waters). Falkland-Ins., 5—12 Fad. (Chall). Magellan-
strasse (Darwin). Neu- Seeland (Lyall.). Süd- Australien 2 — 10 Fad.
(Chall.) Kerguelen (Eaton).
2. Diachoseris discodermiae n. sp. Taf. I. fig. 23.
Zooecien wenig aufrecht, vorn offen, länglich, im oberen Drittel
ziemlich plötzlich verschmälert, entfernt von einander. Am Rande
eine Anzahl (jederseits 5 — 7) längere, schlanke, einwärts gekrümmte
Dornen, am oberen Ende 3 — 4 kürzere. Verbindungsröhren schlank.
An einer Seite der Zelle, nahe dem oberen Ende ein grosses, kurz
gestieltes Avicularium mit hakenförmigem, langem Schnabel und lang-
gestreckter Mandibel. Rückseite ohne Dornen.
Aehnelt am meisten der D. distans Hcks. (Ann. Mag. (5) VIII.
p. 132. pl. V. fig. 4 — 6), unterscheidet sich aher durch die Gestalt
der Zooecien, durch grössere Anzahl der Randdornen und die Klein-
heit der Dornen am oberen Ende der Zelle, und durch die lang-
gestreckten, schmaleren Avicularien, die auch näher dem oberen
Zellende stehen. Von D. elongata Hcks. und D. quadricornuta Hcks.
(Ann. Mag. (5) XV. p. 244 f.) unterscheidet sie sich schon durch die
entfernt von einander stehenden, nicht sich teilweis überdeckenden
Zellen.
Sagamibai, auf Discodermia japonica, sehr selten.
3. Diachoseris hexaeeras n. sp. Taf. I. fig. 30.
Zooecien etwas aufrecht, vorn offen, regelmässig oval, nach oben
nicht verschmälert, wenig entfernt von einander und sich teilweis
überdeckend. Am oberen Ende jederseits ein kräftiger, aufwärts
gerichteter Dorn, darunter jederseits noch 2 ebenso kräftige, ein-
wärts gekrümmte. Viele Zellen an einer Seite mit einem kurz ge-
stielten Avicularium, mit ziemlich langem Schnabel und dreieckiger,
zugespitzter Mandibel. Rückseite glatt, die die Zellen verbindenden
Röhren kurz, vom Rande der Zelle etwas entfernt.
Der D. elongata Hcks. durch die einander teilweis überdeckenden
Zellen ähnlich, aber durch die regelmässig ovale Gestalt der Zelle
(nicht lang oval und vorn verschmälert), durch die Bedornung des
Randes und die Gestalt der Avicularien verschieden.
Sagamibai, 60—150 Fach, nicht häufig.
Gattung: Flustra L.
Verbreitung: Arctische Meere, N.-Europa, S.-Afrika, Australien,
Kön. Charlotte-Ins., China, Gesellschafts-Ins., Molukken.
Die Japanische Bryozoenfamia. 27
1. Flustra papyracea Ell. Sol. Taf. I. fig. 10.
Busk, Cat. Br. Mus. I. p. 48. pl. LV. fig. 6. 7.
Hincks, Br. Mar. Pol. p. 118. pl. XVI. fig. 2. 2a.
Zoarium breit blattförmig, Rasen bildend. Blätter am Rande
in kürzere oder längere, gerundete Lappen geteilt. Zooecien länglich,
oberwärts kaum verbreitert, mit einem kurzen Dorn jederseits an
den oberen Ecken. Ooecien rundlich (wie in der Figur bei Busk,
nicht helmförmig, wie bei Hincks). Avicularien fehlend.
Kochi, häufig, aus flachem Wasser.
Verbreitung: England und Irland (Bsk. Hcks.) Atlantische
Küste von Frankreich (Fischer). Vielleicht circumpolar.
2. Flustra spoliata n. sp. Taf. I. fig. 31.
Zoarium blattförmig, dünn, in ziemlich breite Lappen geteilt.
Zooecien unregelmässig polygonal, oben und unten verschmälert,
ziemlich breit, mit einfachem Rande, ohne jede Dornen. Avicularien
ziemlich häufig, am oberen Ende der Zooecien, klein, schief gestellt,
mit halbkreisförmiger Mandibel. Ooecien rundlich.
Nähert sich der Fl. barleiei Bsk. (Hincks, Br. Mar. Pol. p. 122.
pl. V. fig. 6 — 8), unterscheidet sich aber durch die unregelmässig
polygonalen, auch oberwärts verschmälerten Zooecien mit dünnem
Rande und durch die verhältnissmässig kleineren Avicularien. (Bei
barleiei ca. y4 der Länge der Zooecien, bei spoliata Vs — Vio)-
Sagamibai, 40 Fad., ein Exemplar.
Gattung: Carbasea Gr.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Carbasea rhizophora n. sp. Taf. I. fig. 24.
Zoarium ein ausgebreitetes, unregelmässig begrenztes Blatt
bildend, niederliegend. Zellen nur auf einer (der oberen) Seite. Von
der Unterseite des Blattes entspringen von vielen Zellen röhrige Wurzel-
fasern, die das Zoarium auf seinem Substrat befestigen. Zooecien
länglich, birnförmig, oben und meist auch unten abgestutzt, nach oben
meist nicht verschmälert. Die ganze Vorderseite von der Oeffnung ein-
genommen. An den oberen Ecken jederseits ein kurzer Dorn, bisweilen
darunter ein zweiter. Einzelne Zellen an ihrer Basis mit einem grossen,
aufwärts gerichteten Avicularium, mit dreieckiger, zugespitzter Man-
dibel. Ooecien klein, völlig in die darüber liegende Zelle eingesenkt.
Sagamibai, 200 Fad., selten.
Gattung: Catenicella Blvl.
Verbreitung: Australien, eine Art (taurina) S.- Afrika und eine
(elegans) auch S.- Afrika, Brasilien und Madeira.
1. Catenicella elegans Bsk. Taf. IL fig. 1.
Cat. Br. Mus. I. p. 10. pl. IX.
Chall. Pol. I. p. 12. pl. I. fig. 2. 3. 5.
Zoarium gegliedert. Internodien von je einem einzigen Zooecium
gebildet, nur an den Gabelungsstellen sind diese doppelt. Zooecien
28 Dr- A. Ortmann:
etwa oval, Oberfläche mit feinen Punkten. An beiden oberen äusseren
Ecken je ein Fortsatz, der ein Avicularium trägt, mit einer Durch-
bohrung (?) an der Basis. Seitliche Streifen lang und schmal, mit
einer einfachen Reihe von Punkten.
Sagamibai, Tiefe unbekannt, wenige Exemplare. Eines auf
einem Krebse (Maja longispina de Haan: Crustacea, Siebold, Fauna
jap. 1850. p. 94. pl. XXIII. fig. 2.) aufsitzend.
Verbreitung: Australien u. Neu-Seeland, 28 — 150 Fad. Algoa-
bai. (Bsk.) Tristan da Cunha, 60—1100 Fad. Brasilien, 32—400 Fad.
(Chall.) Madeira (Bsk.) ? Mittelmeer od. Rothes Meer (Savigny).
Gattung: Onchoporella Bsk.
Verbreitung: Madeira, Süd -Afrika.
1. Onchoporella selenoides n. sp. Taf. IL fig. 2.
Zoarium in schmale, zungenförmige Lappen geteilt. Zooecien
nur auf einer Seite, Vorderwand geschlossen, Mündung gross, halb-
kreisförmig. Am Rande ringsherum eine Reihe Punkte, unter der
Mündung eine Gruppe von 6 — 7, meist regelmässig gestellten Punkten,
unter diesen eine mondsichelförmige Pore. Ooecien gross, mit radialen
Furchen am Rande. Avicularien fehlend.
Sagamibai, 70 Faden.
Gattung: Membranipora Blvl.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Membranipora crassimarginata Hcks. Taf. IL fig. 3.
Ann. Mag (5) VI. p. 71. pl. IX. fig. 1.
Busk: Chall. Pol. I. p. 63. pl. XV. fig. 5.
Zoarium inkrustierend. Zooecien gross, regelmässig oval. Vorder-
seite membranös, von einem breiten, granulierten Rande umgeben.
Dornen fehlend. Avicularien ungefähr so lang wie die Zooecien, etwas
schmaler, mehr länglich -oval, zerstreut zwischen den Zellen stehend.
Mandibel gerundet. Ooecien rundlich, nach Hincks glatt u. glänzend.
var. japonica nov. Durch etwas längere Mandibel und grubig
punktirte Ooecien von der typischen crassimarginata abweichend. Rand
bei Hincks stark gekerbt, bei Busk und bei meinen Exemplaren
granuliert.
Mit Biflustra lacroixii Sm. (Flor. Br. IL p. 18 pl. IV. fig. 85—88)
wohl nicht identisch.
Sagamibai, 40 — 100 Fad., nicht selten.
Verbreitung: Madeira (Hcks.). Tristan da Cunha, 110 — 115 Fad.
(Chall.) var. erecta Bsk.: Bass-Strasse, 38 — 85 Fad. Heard-Ins.,
75 Fad. (Chall.).
2. Membranipora panhoplites n. sp. Taf. IL fig. 4.
Zoarium inkrustierend. Zooecien regelmässig oval, mit dickem
sehr fein granuliertem Rande, ohne Dornen. Am unteren Rande
einer jeden Zelle ein ziemlich grosses, lanzettliches, schief ge-
Die Japanische Bryozoenfauna. 29
stelltes Avicularium, mit lanzettlicher Mandibel, Ooecien kaum vor-
ragend, glatt.
Sagamibai, 40 Fad., selten.
Gattung: Amphibiestrum Gr.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Amphibiestrum perfragile Mac G. sp. Taf. II. fig. 5.
Biflustra perfragilis Mac G. — Nat. Hist. of Vict. Dec. VI.
p. 27. pl. 57. fig. 1.
Hincks: Ann. Mag. (5) XIV. p. 278 pl. VIII. fig. 4.
Zoarium gelbbraun, aufrecht, unregelmässige, breitblättrige,
krause, hohe Rasen bildend. Zooecien beiderseitig länglich, in Längs-
reihen gestellt, mit erhabenem, glattem Rande, ohne Dornen. Oeffnung
unterwärts mit einer kalkigen Lamelle, der membranöse Teil oval.
Die von Hincks (1. c.) beschriebenen Avicularien fehlen an meinen
Exemplaren, wie auch bei Mac Gillivray.
Maizuru, 4—10 Fad., sehr häufig.
var. incrustans n. Inkrustierend, grau, sonst mit den Exemplaren
von Maizuru völlig übereinstimmend.
Tanagawa, Tiefe unbekannt, auf Ostrea dense -lamellosa,
höchstens 25 Fad.
Verbreitung: Süd -Australien (Mac G. Hcks.).
2. Amphibiestrum bituberculatum n. sp. Taf. I. fig. 25.
Zoarium dünn, zart, incrustierend. Zooecien lineare Reihen
bildend, mit erhabenem, glattem Rande. Oeffnung oval, ringsherum
mit schmaler, im unteren Teil etwas breiterer körneliger, fein und
unregelmässig gezähnter, kalkiger Lamelle. Rand an den oberen
Ecken der Zellen mit zwei kräftigen, stumpfen Höckern. Avicularien
und Ooecien fehlen.
Sagamibai, geringe Tiefe, auf Tangen.
Gattung: Tremopora n. gen.
1. Tremopora dendracantha n. sp. Taf. II, fig. 6.
Zoarium incrustierend, locker angeheftet. Zooecien oval, mit
erhabenem Rande. Oeffnung unterwärts mit kalkiger Lamelle. Rand
mit Dornen: beiderseits je ein stärkerer verästelter Dorn, von denen
einer (bisweilen beide) ein ziemlich grosses Avicularium, mit lang-
gespitzter Mandibel trägt. Oberrand meist mit 2 einfachen oder
doppelt spitzigen, kurzen Dornen. Die seitlichen Dornen erheben
sich mit den Avicularien über die Fläche der Zooecien und bilden
mit den gleichen Gebilden der benachbarten Zellen über dem Stocke
ein ästiges Geflecht. Ooecien kapuzenförmig , undeutlich punktiert.
Die Ooecialzellen tragen über dem Avicularium noch einen kräftigen
Dorn. Die Rückseite des Stockes erscheint von rundlichen Löchern
durchbohrt , die durch die 6 kurzen Verbindungen der Zellen unter
30 Di'- A. Ortmann:
einander gebildet werden. Zellen mit einer Anzahl auf Knötchen
sitzender Borsten auf dem Rücken.
Sagamibai, 200 Fad., selten.
Gattung: Stegaiioporella Sm.
Verbreitung: Florida, S.- Afrika, S.- Australien, Tongatabu,
Sandwich-Ins., Burmah. Scheint die wärmeren Meere vorzuziehen.
1. Steganoporella magnilabris Bsk. sp. Taf. II. fig. 7.
Membranipora magnil. Gat. Br. Mus. II. p. 62. pl. LXV. fig. 4.
Hincks: Ann. Mag. (5) IX. pl. V. fig. 8.
Chall. Pol. I. p. 75. pl. XVIII. fig. 2.
Zoarium vielgestaltig: inkrustierend oder aufrecht, blattförmig,
auf einer oder beiden Seiten mit Zellen oder verzweigt oder röhren-
förmig. Zooecien länglich, oben mit bogenförmigem Rande. Rand
dick, häufig mit einem zahnartigen Vorsprung jederseits ungefähr in
der Mitte. Vorderseite mit einer chitinösen Membran, die obere
Hälfte enthält die Mündung und den grossen halbkreisförmigen Deckel.
Letzterer entweder mit 2 conv ergierenden Leisten oder einer bogen-
förmigen, dem oberen Rand ungefähr parallelen Leiste. Untere Hälfte
mit einer punktierten kalkigen Lamelle.
Sagamibai, in geringer Tiefe bis zu 200 Faden, sehr häufig,
inkrustierend, hemescharin oder escharin.
Verbreitung: Recent.: Florida (Sm.). Abrolhos-Ins. (Darw.).
Algoa-Bai (Bowerbank). Süd-Australien (Hcks.). Tongatabu (Home).
Sandwich-Ins. 20—40 Fad. (Chall).
Fossil: Miocän, Gippsland (Waters).
Gattung: Micropora Gr.
Verbreitung: Kosmopolitisch: England, Florida, Tristan da
Cunha, Afrika, Magellansstrasse*), Californien, Kön. Charlotte -Ins.,
Australien, Indien, Mauritius, Rothes Meer.*)
1. Micropora lioticha n. sp. Taf. IL Fig. 11.
Zoarium aufrecht, selten inkrustierend, baumförmig, Aeste etwas
comprimiert. Zooecien rings um die Aeste gestellt, in Längsreihen,
länglich viereckig, mit gebogenem oberen Rande und erhabenen,
dicken, glatten Rändern. Vorderwand mit kalkiger Lamelle, punktiert,
unter der Mündung vertieft und mit 2 ovalen Oetihungen an den
Seiten, dicht unter dem ringförmig verdickten Rande der Mündung.
Letzterer unterwärts jederseits mit einem kleinen Zahne. Avicularien
ähnlich wie bei Steganop. smitti Hcks. (Br. Mar. Pol. p. 178. pl. XXIV.
fig. 5), an Stelle eines Zooeciums, daher so gross wie ein solches.
*) Im Strassburger Museum befinden sich von Prof. Stein mann in der
Magellansstrasse gesammelte Exemplare vou Micropora uncifera Bsk. (auf
Aspidostoma giganteum Bsk.), sowie Exemplare von Micropora rozieri Aud. var.
indica Hcks., die auf einer Steinkoralle (Echinopora ehrenbergi E. H.) auf-
gewacbsen waren, aus dem Rothen Meer.
Die Japanische Bryozoenfauna. 31
(Bei St. rozieri Aud. und deren Varietäten sind die Avicularien
kleiner als die Zooecien und anders gestaltet. Vgl. Hincks, Ann.
Mag. (5) VI. p. 379. pl. XVI. fig. 1. 2. 3).
Steht der Steganoporella smittii Hcks. am nächsten, unterscheidet
sich aber durch nicht granulierte Ränder, längere und schmalere
Zellen und grössere subovale Oeffnungen. Von den meisten Varietäten
der St. rozieri unterscheidet sie sich schon durch fehlende Knoten
an den oberen Ecken der Zellen, von der var. indica Hcks., der diese
Knoten auch fehlen, durch die glatten, dickeren Ränder, die lang-
gestreckteren Zellen und die grösseren Avicularien.
Kagoshima, 50 Faden, in Menge. In einem Fall auf einer
Tunicate inkrustierend.
Gattung: Smittipora Juli.
Verbreitung: Cuba, Florida, Singapur oder Philippinen, Bur-
mah. Gehört demnach den wärmeren Meeren an, wo sie Tiefen von
ca. 50 — 500 Fad. zu bewohnen scheint.
1. Smittipora abyssicola Sm. sp. Taf. IL fig. 12.
• Vincularia abyss. Sm. Flor. Br. IL p. 6. pl. I. fig. 60. 61.
Hincks: Ann. Mag. (5) VII. p. 155. pl. X. fig. 4.
IX. p. 122.
XIII. p. 358.
Zoarium inkrustierend oder baumförmig. Zooecien eckig -oval,
mit erhabenen Rändern. Vibracula an der Stelle einer Zelle, fast
so gross als eine solche, mit dreieckiger, lang-borstenförmiger Seta,
seitlich an derselben eine elliptische Membran. Von der Oeffnung
gehen 2 undeutliche Linien aus.
Sagamibai, 50 — 200 Fad., nicht selten, nur inkrustierend.
Verbreitung: Cojima, Cuba, 450 Fad. Florida, 68 Fad. (Sm.).
Singapur oder Philippinen. Burmah (Hcks.).
Gattung: Cellaria Lamx. (pars) = Salicornaria Cuv.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Cellaria tenuirostris Bsk. sp. Taf. IL fig. 8.
Cat. Br. Mus. I. p. 17. pl. LXIII. fig. 4.
Smitt, Flor. Br. IL p. 4. pl. I. fig. 57 — 59.
ChaU. Pol. IL p. 92.
Zoarium dichotom verzweigt, schlank, zart. Gelenke mit einem
Knoten von hornigen Röhren (nodatae Bsk. Chall.). Felder hexagonal,
breit und kurz (vgl. Cat. Br. Mus. pl. LXIII. fig. 4), die einer Reihe
etwas entfernt von einander. Mündung fast central, halbmondförmig
oder halbkreisförmig. Deckel halbkreisförmig, unterer Rand fast
gerade. Innere Leisten deutlich. Avicularien eine Zelle ersetzend,
Mandibel spiessförmig, in eine lange Spitze verschmälert.
Sagamibai, auf Discodermia calyx, selten.
32 Dr. A. Ortmann:
Verbreitung: Florida, 58 — 60 Fad. (Sm.). Südspitze Amerikas,
70 Fad. (ChalL). Süd-Australien, 40 Fad. (Bsk.).
2. Cellaria triangularis n. sp. Taf. II. fig. 13.
Zoarium dichotom verzweigt, Aeste kräftig, länger oder kürzer,
an 1 — 2 Stellen leicht geschwollen. Gelenke mit einem Knoten von
hornigen Röhren. Felder der Oberfläche hexagonal, oben und unten
spitz, die einer Reihe entfernt oder (selten) etwas genähert. In der
Mitte der Internodien, an den geschwollenen Stellen, ist die obere
Ecke der Sechsecke gerundet. (Ooecien). Mündung halbmondförmig,
Deckel halbkreisförmig, glatt. Innere Leisten kaum sichtbar. Ober-
fläche kaum etwas granuliert Avicularien eine Zelle ersetzend, Man-
dibel breit dreieckig, quer breiter, Spitze ungefähr rechtwinklig.
In der Gestalt der Avicularien der C. gracilis Bsk. ähnlich, jedoch
verschieden durch verhältnismässig breitere Felder, durch undeut-
liche innere Leisten, durch glatten Deckel und durch längere und
stärkere Internodien. Sonst auch der C. variabilis Bsk. (Chall. Pol. I.
pl. XII. fig. 3. 9.) nahe stehend, aber die oberen und unteren Ecken
der Sechsecke sind nie abgestumpft, und die derselben Reihe be-
rühren sich niemals. Die Avicularien sind quer breiter und die Ober-
fläche ist etwas granuliert.
Variirt in der Länge und Stärke der Zweige (Exemplare aus der
Sagamibai sind gedrungener) und in der Entfernung der Sechsecke.
(Bei Exemplaren von Kagoshima sind sie etwas genähert.)
Sagamibai, 60 — 150 Fad. Maizuru, 35 — 40 Fad. Kago-
shima, 40 — 60 Fad. — Hakodate (von Hilgendorf gesammelt).
Ueberall sehr häufig.
Gattung: Cyclostomella n. gen.
1. Cyclostomella articulata n. sp. Taf. II. fig. 14.
Zoarium dichotom verzweigt, gegliedert, zart. Internodien mit
einer Anzahl unregelmässig gestellter, nach allen Seiten gerichteter
Zooecien. Wand der letzteren punktiert. Mündung rundlich, hier
und da über derselben ein rundliches Avicularium mit dreieckiger
Mandibel.
Die Gestalt der Zooecien ist ähnlich der gewisser Cyclostomata
(z. B. Crisia), aber durch Avicularien und Deckel ist die Art als
Chilostome gekennzeichnet. Von der inkrustierenden Cyclicopora
praelonga Hcks. (Ann. Mag. (5) XIV. p. 279. pl. IX. fig. 7) von Süd-
Australien, der einzigen bisher bekannten Gattung und Art der
Cyclicoporiden Hcks., ist sie durch den Wuchs und das Vorhandensein
von Avicularien so sehr verschieden, dass eine generische Trennung
notwendig ist.
Sagamibai, 200 — 250 Fad., selten.
Die Japanische Bryozoenfauna. 33
Gattimg: Tu&ucellaria d'Orb.
Verbreitung: Mittelmeer, John Adams Bank, St. Paul, Süd-
Australien.
1. Tubucellaria coeca Bsk. Taf. II. fig. 15.
Chall. Pol. I. p. 99.
Zoarium aus cylindrisch - keulenförmigen Internodien gebildet,
gegliedert. Zweige unregelmässig seitlich entspringend. Zooecien
ungefähr 4 reihig, mit kurz -röhrenförmiger Mündung vorspringend.
Mediane Pore unterhalb der Mündung fehlend. Oberfläche einfach
punktiert.
Die Identität meiner Art mit der von Busk ist noch nicht völlig
sicher gestellt, da Busk die T. coeca 1. c. nur flüchtig erwähnt, ohne
eine genauere Beschreibung und Abbildung zu geben.
Sagamibai, Tiefe unbekannt, auf Retepora sanguinea n. sp.
und auf Hornschwämmen aufgewachsen.
Gattung: Retepora Imp.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
A. Ooecien vorne geschlossen, höchstens etwas ausgcrandet*)
1. Retepora anatina n. sp. Taf. II. fig. 16.
Zoarium weiss, mit rötlichem Anfluge, ausgebreitet, ein unregel-
mässiges Blatt darstellend, an der Basis gefenstert, oberwärts mehr
netzförmig. Maschen rhombisch oder lang gestreckt. Zooecien
unregelmässig rhombisch, eingesenkt. Mündung rundlich, Peristom
etwas vorragend, unregelmässig gezähnt, an den seitlichen Zooecien
aussen mit meist 2 spitzen, grossen Zähnen. Vorn ein Sinus. Ooecien
oval, Unterrand seicht ausgerandet. Avicularien zerstreut auf der
Vorderseite der Zooecien, gross. Mandibel spateiförmig (ähnlich
einem Entenschnabel), an der Spitze gerundet. Rückseite glatt, hier
und da nahe dem Winkel einer Masche ein denen der Vorderseite
gleichendes Avicularium.
Aehnlich der R. denticulata Bsk. (Chall. Pol. I. p. 109,), aber es
fehlt das kleine Avicularium seitlich vom Sinus und die Mandibel
der grossen Avicularien ist vorn nicht eckig abgestutzt.
Sagamibai, 150—200 Fad., häufig.
var. limitata n. Zooecien durch scharfe Linien getrennt und
auch die Rückseite durch solche Linien gefeldert.
Sagamibai, 200 Fad., häufig.
*) Die Einteilung in solche Formen mit mehr netzförmigem und solche mit
mehr gefenstertem Zoarium, die Busk (Chall. Pol. I.) anwendet, lässt sich nicht
streng durchführen, da beide Arten der Ausbildung des Zoarium unmerklich in
einander übergehen.
Arch. f. Naturgescli. Jahrg. 1890. Bd. I. H. I. 3
34 Dr. A. Ortmann:
2. Retepora sanguinea n. sp. Taf. IL fig. 17.
Zoarium blutrot, gefenstert, krause Blätter bildend, rasenförmig.
Maschen rundlich, klein. Zooecien oval, durch feine, etwas vertiefte
Linien getrennt. Mündung rundlich. Peristom etwas erhaben, ringsum
unregelmässig gezähnt, mit undeutlichem Sinus. Ooecien kugelig,
vorn geschlossen. Avicularien: eines oder zwei auf der Vorderseite
jeder Zelle, nahe der Mündung, rundlich, mit halbkreisförmiger Man-
dibel. Rückseite ohne Avicularien, granuliert, durch erhabene Linien
gefeldert.
Sagamibai, Tiefe unbekannt.
3. Retepora tenella n. sp. Taf. IL fig. 21.
Zoarium dichotom in einer Ebene verästelt, wenig sich netz-
förmig vereinigend. Maschen sehr unregelmässig, meist gross. Zweige
dünn imd schlank. Zooecien länglich, durch Linien getrennt. Mün-
dung rundlich, Peristom dünn, bauchig, mit tiefem Sinus. Ooecien
kugelig, schwach ausgerandet. Avicularien zerstreut, auf der Vorder-
seite der Zellen, ziemlich gross, etwas vorragend, oval, mit spitzer
Mandibel. Auf der Rückseite nur in den Gabelungen je ein Avi-
cxilarium, das ungefähr ebenso gestaltet ist, wie die auf der Vorderseite.
Sagamibai, 200 Fad., sehr selten.
B. Ooecien vorn gespalten oder mit tiefer Ausbuchtung.
4. Retepora tumescens n. sp. Taf. IL fig. 20.
Zoarium aus sich unregelmässig, netzförmig verbindenden,
schlanken Zweigen gebildet. Maschen verschieden gross, meist weit
und rhombisch. Zooecien länglich, undeutlich begrenzt. Peristom
etwas bauchig, mit ziemlich flachem Sinus. Ooecien rundlich, kapuzen-
förmig, mit breiter und tiefer, fast durch die ganze Vorderseite sich
erstreckender Ausbuchtung. Avicularien zerstreut, auf der Vorder-
seite der Zellen, gross, kugelig, geschwollen-vorragend, mit dreieckig-
zugespitzter Mandibel. Auf der Rückseite ziemlich viel ähnliche, nur
weniger vorragende Avicularien.
Sagamibai, mehrere Exemplare aus 40 Fad. Tiefe, häufig in
einer Tiefe von 200 — 230 Fad.
C. Ooecien auf der Vorderseite mit einer narbenartigenf
dreilappigen Zeichnung.
5. Retepora bimunita n. sp. Taf. IL fig. 22.
Zoarium netzförmig, Zweige ziemlich schlank, Maschen etwas
ungleich, rhombisch oder länglich. Zooecien länglich, undeutlich
getrennt. Peristom rundlich, mit spaltförmigem Sinus. Ooecien
lang-oval, mit einer narbenartigen Längslinie, die sich unterwärts in
zwei kurze Lappen gabelt. Avicularien: dicht an der einen Seite
des Sinus ein kleineres rundliches. Zerstreut über die Vorderseite
Die Japanische Bryozoenfauna. 35
und besonders am Rande grössere , längliche , 2 spitzige , mit läng-
licher, vorn gerundeter Mandibel. Auf der Rückseite zerstreut kleine,
runde.
Sagamibai, 200 Fad., nicht selten.
6. Retepora semispinosa n. sp. Taf. IL fig. 23.
Zoarium gefenstert, Maschen oval, klein, Aeste dünn. Zooecien
länglich-rhombisch, undeutlich begrenzt. Peristom rundlich, unregel-
mässig gezähnt. Die randlichen Zooecien mit einem Dorn an der
Aussenseite. Vorn mit einem Sinus. Ooecien kugelig oder oval, mit
dreilappiger Narbe. Avicularien auf der Vorderseite zerstreut, rund-
lich, vorragend, mit halbkreisförmiger Mandibel, auf der Rückseite
ziemlich viele, kleine, ovale.
Sagamibai, 40 Fad., selten.
7. Retepora victoriensis Bsk. Taf. IL fig. 18.
Chall. Pol. p. 117. pl. XXVII. fig. 7.
var. japonica Bsk. (ibid. p. 118).
Zoarium unregelmässig becherförmig, gefenstert. Maschen oval,
ziemlich gleich, klein. Zweige ziemlich dünn. Zooecien länglich,
etwa cylindrisch oder rhombisch, undeutlich begrenzt. Peristom dünn,
vorn mit einem spaltförmigen Sinus. Dornen fehlend. Ooecien rund-
lich, mit einem Buckel auf der Vorderseite, unter dem sich die drei-
lappige Narbe befindet. Avicularien der Vorderseite klein, oval oder
etwas grösser und rundlich, zerstreut. Rückseite mit zerstreuten
rundlichen oder ovalen Avicularien.
Sagamibai, 200 Fad., häufig.
Verbreitung: victoriensis: S. -Australien, 33 Fad. (Chall.) var.
japonica: Nördl. Japan, Kobibai, 8 — 50 Fad. (Chall.)
8. Retepora punctiligera n. sp. Taf. IL fig. 24.
Zoarium gefenstert. Maschen etwas unregelmässig, klein, oval
oder länglich. Zweige dünn. Zooecien länglich-rhombisch, undeutlich
begrenzt. Peristom rundlich, mit Sinus. Oberfläche punktiert. Ooecien
kugelig, mit 3 lappiger Narbe und zerstreuten, deutlichen Punkten.
Avicularien: auf der Vorderseite der Zellen 1 — 2 kleine, rundliche,
mit halbkreisförmiger Mandibel, auf der Rückseite ziemlich viele
ebensolche.
Sagamibai, 40 und 130 Fad.
9. Retepora cornuta n. sp. Taf. I. fig. 27.
Zoarium blattförmig, gefenstert. Fenster oval, ziemlich gleich,
Aeste mittelstark. Zooecien undeutlich begrenzt, rhombisch. Peristom
vorn mit spaltförmigem Sinus. Ooecien oval, mit einer hornartigen
Hervorragung vorn in der Mitte und dreilappiger Narbe. Avicularien
der Vorderseite vielgestaltig, eingesenkt oder erhaben, mit kleiner,
3*
36 Dr. A. Ortraann:
ovaler oder halbkreisförmiger Mandibel, oder grösser, länglich , mit
linealischer, vorn abgerundeter Mandibel. Solche von letzterer Ge-
stalt finden sich in grösserer Anzahl am Rande der Maschen. Rück-
seite mit sparsamen, rundlichen oder ovalen Avicularien.
Sagamibai, 40 — 150 Fad., nicht selten.
D. Ooecien unbekannt.
10. Retepora axillaris n. sp. Taf. II. fig. 25.
Zoarium blassrötlich, gefenstert, Fenster rundlich oder oval,
klein. Aeste dick. Zooecien rhombisch oder länglich -polygonal,
deutlich begrenzt. Peristom verdickt, gezähnt, mit kurzem Sinus.
Ooecien fehlen. Avicularien auf der Vorderseite sparsam, länglich, mittel-
gross. Mandibel länglich oder spateiförmig, stumpf. In den Achseln
der Maschen sitzt je ein grösseres, längliches Avicularium, mit spatei-
förmiger Mandibel, das von der Rückseite auch sichtbar ist. Letztere
sonst ohne Avicularien.
Sagamibai, 40 Fad., selten.
Gattung: Reteporella Bsk.
Verbreitung: Heard-Ins. und Crozet-Ins.
1. Reteporella peripherica n. sp. Taf. IL fig. 26.
Zoarium fächerförmig, aus dichotomen, ziemlich gleichlangen
Zweigen gebildet, die sich von einem gemeinsamen Stiel erheben.
Zooecien länglich-oval, eingesenkt. Peristom röhrig erhaben, mit
rundlichem Sinus. Oberfläche glatt. Besonders die seitlichen Zellen
mit 2 — 3 gegliederten Dornen, die jedoch auch fehlen können. Avi-
cularien auf der Vorderseite eingesenkt, gewöhnlich eins im unteren
Teil der Zelle, klein, mit halbkreisförmiger Mandibel. Ebensolche
einzeln auf der Rückseite. Ooecien rundlich.
Aehnlich ist die R. flabellata Bsk., aber bei peripherica sind die
Zooecien mehr länglich, der Sinus ist rundlich, nicht spaltförmig,
die Oberfläche glatt, die Dornen sind länger gegliedert und fehlen
häufig. Auch sind Avicularien auf der Rückseite vorhanden.
Sagamibai, ca. 100 Fad. , nicht selten. — Maizuru, 35 bis
40 Fad., ein Exemplar.
2. Reteporella dendroides n. sp. Taf. IL fig. 27.
Zoarium unregelmässig - baumförmig , ungefähr in einer Ebene
verzweigt. Zooecien oval, tief eingesenkt. Oberfläche glatt. Peristom
etwas erhaben, mit Sinus. Hier und da langgiiedige Dornen am
Rande. Avicularien auf der Vorderseite zahlreich, zweierlei: grössere
mit langer und spitzer Mandibel und kleinere mit ovaler oder halb-
kreisförmiger Mandibel. Gewöhnlich liegt eines seitlich dicht neben
dem Sinus. Rückseite gefeldert, jedes Feld mit einem grösseren,
Die Japanische Bryozoeni'auna. 37
länglichen Avicularium und mehreren kleineren rundlichen. Ooecien
rundlich.
Sagamibai, 200 Fad., nicht selten.
3. Reteporella minor n. sp. Taf. IL fig. 28.
Zoarium zartästig, baumförmig, in einer Ebene verzweigt. Zooecien
länglich-oval, Oberfläche glatt. Peristom röhrig, in verschiedene
längere und kürzere dornige Fortsätze ausgezogen, mit spaltförmigem
Sinus. Avicularien auf der Vorderseite klein, je eines neben dem
Sinus einzelne zerstreut auf der Vorderseite. Mandibel halbkreis-
förmig. Rückseite granuliert mit einzelnen kleinen Avicularien.
Ooecien rundlich, mit Längsspalt auf der Vorderseite.
Sagamibai, 100 — 200 Fad. seltener.
Gattung: Cribrilina Gr.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Cribrilina philomela Bsk. Taf. I. fig. 26.
Chall. Pol. I. p. 132. pl. XVII, fig. 6. pl. XXII. fig. 7.
Zoarium inkrustierend. Zooecien ungefähr oval, von tiefen
Furchen getrennt. Vorderseite jederseits mit 7 — 8 feinen Furchen,
die von feinen Punkten durchbohrt sind. Keine Pore unter der
Mündung. Mündung gross, halbkreisförmig, unterwärts jederseits
durch einen kleinen Vorsprung etwas eingeengt. Unterlippe gerade.
Ooecien und Avicularien bei meinen Exemplaren fehlend.
Durch das inkrustierende Zoarium der var. adnata Bsk. ent-
sprechend, aber die Avicularien fehlen gänzlich und die Zellen sind
nur selten etwas entfernt, sondern meist dicht gedrängt. Aehnlich
scheint das von Kirkpatrick von Port Philipp erwähnte Exemplar
zu sein. — Ann. Mag. N. H. (6) IL p. 13.
Sagamibai, 50 — 100 Fad., häufig, meist auf Muschelschalen
(Pecten, Lucina, Leda u. a.).
Verbreitung: Marion-Ins., 50 — 75 Fad., Heard-Ins., 75 Fad.
(Chall.). Port Philipp (Kirkpatrick).
2. Cribrilina reniformis n. sp. Taf. IL fig. 29.
Zoarium inkrustierend. Zooecien eckig- oval, Vorderseite mit
kurzen radialen Furchen am Rande, in denen nach dem Rande zu
2 Poren hinter einander liegen, die zusammen längs des Randes eine
Doppelreihe von Poren bilden. Mittelfeld fein granuliert. Mündung
halbkreisförmig, Unterlippe mit einer schwachen, gerundeten Her-
vorragung, daher die Gestalt der Mündung etwa nierenförmig. Avi-
cularien fehlen. Ooecien rundlich, mit zerstreuten Punkten.
Sagamibai, 200 Fad., selten.
38 Dr. A. Ort mann:
Gattimg: Microporella Hcks.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Microporella ciliata Pall. sp. Taf. III. fig. 5.
Busk: Cat. Br. Mus. IL p. 73. pl. LXXIV. fig. 1—2.
pl. LXXVII. fig. 3 — 5.
Smitt: Krit. Fort. Öfv. Vet. Ak. Förh. 1867. Bin. p. 6.
pl. XXIV. fig. 13. Flor. Br. II. p. 26. pl. VI.
fig. 126 — 129.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 206. pl. XXVIII. fig. 1—8.
Zoarium inkrustierend. Zooecien eckig-oval, von deutlichen
Linien getrennt. Oberfläche punktiert. Mündung halbkreisförmig.
Unterlippe gerade. Oberlippe mit 5 — 7 Dornen. Unter der Mündung
eine halbmondförmige Pore. An einer Seite jeder Zelle ein grosses
Avicularium mit spitzer Mandibel. Ooecien kugelig, radial gestreift
oder einfach punktiert. (Vgl. Smitt, Flor. Br. IL pl. VI. fig. 126
bis 129).
var. vibraculifera Hcks. (Ann. Mag. (5) XL p. 443. pl. XVII.
fig. 2.)
Avicularium durch einen langen, vibraculum- ähnlichen Fortsatz
ersetzt.
Nur diese Varietät findet sich in der Sagamibai, 70 — 250 Fad.,
nicht selten.
Verbreitung: Kosmopolitisch: Grönland, Spitzbergen (6 bis
30 Fad.), Nowaja Semlja (15 Fad.), Norwegen (300 Fad), England,
Roseoff, Neapel (40 Fad.) , Adriatisches Meer, Algier, Florida (7 bis
60 Fad.), Falkland-Ins. (4 — 10 Fad.), Californien, Neu-Seeland, Zan-
zibar, Aden, Rothes Meer. var. vibraculifera: Kön. Charlotte-Ins.
Fossil: sie ist, wie es scheint, identisch mit der Lepralia pleuro-
pora Reu ss (Foss. Br. d. Oestr.-Ung. Mioc.) Miocän und Pliocän.
2. Microporella climidiata n. sp. Taf. III. fig. 6.
Zoarium inkrustierend. Zooecien unregelmässig quincuncial ge-
stellt, ungefähr oval. Mündung halbkreisförmig, Unterlippe gerade.
Unter der Mündung eine runde Pore. Seitlich auf einer kurzen Er-
hebung ein grosses Avicularium mit dreieckiger Mandibel. Ooecien
kugelig, schwach punktiert und radialstreifig. Oberfläche der Zellen
punktiert, aber nur auf der nicht vom Avicularium besetzten Seite,
letztere nur rauh.
Vielleicht zur vorigen Art gehörig, wogegen nur die runde Pore
spricht.
Sagamibai, 40 — 80 Fad., seltener.
Gattung: Diporula Hcks.
Verbreitung: England, Neapel.
Die Japanische Bryozoenfaima. 39
1. Diporula coronula n. sp. Taf. III. fig. 7.
Zoarium inkrustierend. Zooecien unregelmässig gestellt, poly-
gonal oder rechteckig, kurz und breit oder mehr länglich. In der
Mitte der Vorderwand eine runde oder ovale Pore, bisweilen sind
deren zwei vorhanden. Oberfläche gross und undeutlich punktiert.
Mündung hufeisenförmig: Oberrand kreisförmig gebogen, nach unten
zusammengezogen und jederseits durch einen Vorsprung eingeengt.
Unterrand gerade. Um den Oberrand ein Kranz von einer Anzahl
kurzer Dörnchen. In einer etwas ausgezogenen seitlichen und oberen
Ecke vieler Zellen ein Avicularium mit spateiförmiger Mandibel.
Sagamibai, 100 Fad.
Gattung: Lepralia Johnst.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
A. Unterlippe ziemlich gerade.
1. Lepralia foliacea Lmk. sp. Taf. III. fig. 1.
Busk: Cat. Br. Mus. II. p. 89. pl. CVI. fig. 4—7.
Zoarium aufrecht, aus breiten, mannigfach gekrümmten und
coalescierenden Blättern gebildet. Zooecien ungefähr oval, deutlich
oder undeutlich begrenzt. Oberfläche uneben. Mündung hufeisen-
förmig, seitlich in der Mitte oft etwas eingeschnürt. Unterlippe
gerade, unter derselben meist ein ldeines, gerundetes, bisweilen ein
grosses, spatelförmiges Avicularium.
Sagamibai, Tiefe unbekannt.
Verbreitung: N. -Europa, Mittelmeer.
2. Lepralia magnicella n. sp. Taf. III. fig. 8.
Zoarium inkrustierend. Zooecien gross, unregelmässig oval,
deutlich begrenzt. Oberfläche glänzend, dicht mit feinen Punkten
bedeckt. Mündung oberwärts gebogen, nach unten kaum verschmälert,
aber durch einen Zahn jederseits eingeengt. Unterlippe ziemlich
gerade. Avicularien fehlend. Ooecien auffallend klein, kappenförmig,
punktiert.
In der Gestalt der Zooecien und der Mündung, sowie in der
Beschaffenheit der Oberfläche sich an L. claviculata Hcks. (Ann.
Mag. (5) XIII. p. 50. pl. III. fig. 2) von den Kön. Charlotte-Ins. an-
schliessend: durch gänzliches Fehlen von Avicularien und durch die
auffallend kleinen Ooecien jedoch unterschieden.
Sagamibai, 40 Fad., selten.
3. Lepralia japonica Bsk. Tf. I. fig. 11.
Chall. Pol. I. p. 143. pl. XVII. fig. 5.
Zoarium dick, locker angeheftet, teilweis frei, einschichtig, von
einer gelbbraunen chitinösen Epithek bedeckt. Zooecien etwa birn-
förmig, unten breit abgestutzt. Oberfläche zerstreut, aber gleich-
40 Dr. A. Ortmann:
massig und deutlich punktiert. Oberrand der Mündung halbkreis-
förmig, Unterrand gerade. Ooecien undeutlich.
Sagamibai, sehr häufig auf Maja longispina de Haan auf-
sitzend. — Kadsiyama, geringe Tiefe. — Maizuru, 35 — 40 Fad.,
ebenfalls auf Maja longispina.
Verbreitung: Japan, Kobi, 8 — 50 Fad.
4. Lepralia megalocarpa n. sp. Taf. III. fig. 9.
Zoarium inkrustierend, gelbbraun. Zooecien in unregelmässigen
linearen Reihen, etwa rechteckig, meist deutlich begrenzt. Oberfläche
gefeldert- punktiert. Mündung halbkreisförmig, Unterlippe gerade,
oder ganz schwach gebogen. Avicularien fehlend. Ooecien gross,
in die darüber liegende Zelle eingesenkt und fast deren ganze Vor-
derwand einnehmend, wenig vorragend, unregelmässig granuliert-
punktiert.
Sagamibai, auf Maja longispina, selten.
5. Lepralia bidentata n. sp. Taf. III. fig. 10.
Zoarium inkrustierend. Zooecien länglich, von scharfen, ver-
tieften Linien begrenzt. Oberfläche sehr regelmässig punktiert.
Mündung halbkreisförmig, Unterlippe gerade. Jederseits in der Ecke
ein kräftiger Zahn. Avicularien fehlen. Ooecien?
Sagamibai, 40 Fad., selten.
B. Unterlippe etwas ausgebuchtet.*) Avicularien meist vorhanden.
6. Lepralia symmetrica n. sp. Taf. III. fig. 11.
Zoarium inkrustierend. Zooecien in alternierenden Längsreihen
oder unregelmässig, länglich, undeutlich begrenzt. Mündung rund-
lich, Unterlippe etwas concav, beiderseits mit einer kleinen Gelenk-
grube. Jederseits der Mündung ein kleines, aufrechtes, auf einer
Seite bisweilen fehlendes Avicularium, mit spitzer Mandibel. Ober-
fläche runzelig mit zerstreuten, unregelmässigen Punkten. Ooecien?
Aehnlich ist diese Art der L. incisa Bsk. (Chall. Pol. I. p. 145),
aber die Zellen sind länger, die Oberfläche ist nicht dicht grubig-
punktiert und die Mandibeln der Avicularien sind spitz (nicht oval).
Ferner steht sie der L. vestita Hcks. (Ann. Mag. (5) XV. p. 256. pl. IX.
p. 194 und Waters: Ann. Mag. (5) XX. p. 194. pl. VI. fig. 21) nahe,
unterscheidet sich jedoch durch fehlende braune Epithek, das Fehlen
*) Die folgenden Arten bilden durch die etwas ausgebuclitete Unterlippe
den Uebergang zu gewissen Formen der Gattung Scbizoporella. Sie unter-
scheiden sich nur dadurch, dass die ganze Unterlippe an der Ausbuchtung Teil
nimmt, und kein deutlich abgesetzter Sinus vorhanden ist.
Die Japanische Bryozoenfauiia. 4 1
des erhabenen weissen Peristonis und durch kleinere und gerade auf-
wärts gerichtete Avicularien.
Saganiibai, 150 Fad.
7. Lepralia acuta n. sp. Taf. III. fig. 12.
Zoarium inkrustierend, gelbbraun. Zooecien in Längsreihen, von
undeutlichen, vertieften Linien begrenzt. Oberfläche undeutlich granu-
liert-rauh. Mündung kreisförmig, Deckel halbkreisförmig. Unterlippe
gebogen, ganz. Unter der Mündung in der Mittellinie der Zelle ein
kleines Avicularium mit spitzer, gerade nach unten gerichteter Man-
dibel. Ooecien vorspringend, rundlich, granuliert.
Sagamibai, auf Maja longispina.
8. Lepralia obtusata n. sp. Taf. III. fig. 13.
Zoarium inkrustierend, gelbbraun. Zooecien in Längsreihen,
von scharfen, vertieften Linien begrenzt. Oberfläche punktiert. Mün-
dung kreisförmig, Deckel halbkreisförmig. Unterlippe gebogen, ganz.
Unter der Mündung, in der Mittellinie der Zelle ein kleines Avi-
cularium mit länglicher, stumpfer, gerade nach unten gerichteter
Mandibel. Ooecien rundlich, vorspringend, punktiert.
Sagamibai, auf Dendrophyllia.
Gattung: Porella Gr.
Verbreitung: Arktische Meere, N.- Europa, St. Lorenz-Golf,
Madeira, Cap Verde- Ins., Kön. Charlotte -Ins., Australien, Indien,
Mauritius. Wahrscheinlich kosmopolitisch.
A. Zoarium aufrecht, escharin.
1. Porella fissurata n. sp. Taf. III. fig. 14.
Zoarium weisslich, aufrecht, verzweigt. Zweige stark, unterwärts
wenig, oberwärts bedeutender comprimiert, blattartig verbreitert und
gelappt, oft coalescierend. Zooecien ziemlich regelmässig quincuncial
gestellt, rhombisch, die jüngeren deutlich, die älteren undeutlich be-
grenzt. Oberfläche etwas granuliert -rauh, glänzend, am Rande mit
undeutlichen Punkten. Primäre Mündung (wie der Deckel) etwa halb-
kreisförmig, Unterlippe fast gerade. Sekundäre Mündung etwas ver-
längert, nach unten in einen undeutlichen Sinus verschmälert, in
dem ein sehr kleines Avicularium mit halbkreisförmiger Mandibel
sich befindet. Ooecien wenig vorragend, mit einer mittleren vorderen
Längsspalte.
Steht der P. compressa Sow. = Eschara cervicornis Bsk. (Cat.
Br. Mus. IL p. 92. pl. CIX. fig. 7. pl. CXIX. fig. 1. und Hincks, Br.
Mar. Pol. p. 330. pl. XLV. fig. 4 — 7) am nächsten, unterscheidet sich
aber durch mehr blattartig verbreiterte Zweigenden, durch das sehr
kleine Avicularium und durch den Spalt der Ooecien.
Sagamibai, unbekannte Tiefe.
42 Di'- A. Ortmann:
B. Zoarium inkrustierend.
2. Porella concinna Bsk. sp. Taf. III. fig. 19.
Cat. Br. Mus. IL p. 67. pl. XCIX. cf. fig. 6.
Hincks, Br. Mar. Pol. p. 323. pl. XLVI. bes. fig. 7 u, 9.
Smitt: Porella laevis. Krit. Fort. Skand. Hafs-Br. Ofv.
Vet. Forh. 1867. Bih. p.21. pl.XXVI. fig. 109— 123.
Zoariimi inkrustierend. Zooecien in unregelmässigen Reihen,
länglich polygonal, punktiert (bisweilen etwas netzig). Mündung
rundlich, unten etwas zusammengezogen, meist länger als breit, etwas
erhaben und verdickt, mit einem inneren Zahn im schmalen unteren
Ende und mit einem kleinen Avicularium mit runder Mandibel da-
selbst. Ooecien kugelig, sehr fein granuliert, mit einer einfachen
Pore vorn in der Mitte.
Sagamibai, 200 Fad., auf Lophohelia.
Verbreitung: Recent: Grönland (Torell). Spitzbergen, 20 bis
30 Fad. (Schwed.Exp.). Franz- Josef-Land (Ridley). Finmarken (Loven).
Norwegen (Sars). Shetland-Ins., 40 — 170 Fad. (Hcks.). England,
20—60 Fad. (Bsk. Hcks.). Adriatisches Meer, 20—55 Fad. (Heller).
St. Lorenz Golf (Dawson). Kön. Charlotte-Ins. (Hcks.). Bass-Strasse
(Hcks.). — Fossil: Palaeolitisch (A. Bell). Postpliocän in Canada
(Dawson). Schottische Glacial- Ablagerungen (Geikie).
Die Verbreitung scheint demnach (bis auf das Vorkommen in
der Bass-Strasse) circumpolar zu sein.
3. Porella areolata n. sp. Taf. III. fig. 20.
Zoarium inkrustierend, weisslich. Zooecien unregelmässig in
Reihen gestellt, polygonal. Mündung rundlich, mit verdicktem, granu-
liertem Peristom, ohne Sinus. In der Mitte der Unterlippe inner-
halb des Peristoms ein kleines, ungefähr ovales A\dcularium, auf
einem Zahne. Oberfläche unregelmässig gefeldert-punktiert. Ooecien?
Sagamibai, 150 Fad., auf Retepora anatina n. sp.
4. Porella transversalis n. sp. Taf. III. fig. 15.
Zoarium inkrustierend, bräunlich. Zooecien in Reihen gestellt,
unregelmässig 4 eckig. Mündung rundlich, mit verdicktem, granu-
liertem Peristom, unterwärts etwas verschmälert. Im Innern der
Unterlippe ein quer verbreiterter Zahn mit einem kleinen, etwa
ovalen Avicularium. Oberfläche gefeldert-punktiert. Ooecien rundlich,
granuliert.
Sagamibai, auf Discodermia japonica.
5. Porella marsupium Mac G. Taf. III. fig. 16.
Hincks, Ann. Mag. (5) VIII. p. 123. pl. I. fig. 6.
XIII. p. 50. pl. IV. fig. 4.
Zoarmm inkrustierend. Zooecien meist in alternierenden Reihen.
Mündung rundlich, unten etwas zusammengezogen. Peristom dick,
Die Japanische Bryozoenfauna. 43
auf der Vorderseite geschwollen. Innerhalb der Unterlippe ein breiter,
kurzer Zahn mit einem rundlichen Avicularium. Oberfläche glatt,
gänzlich oder nur am Rande punktiert. Ooecien granuliert oder
radialstreifig.
var. japonica n. Vorn am Unterrande der suboralen Schwellung
2 — 4 Poren. Oberfläche glatt Ooecien granuliert.
Von der var. porifera Hcks. (Ann. Mag. (5) XIII. p. 50. pl. IV.
flg. 4) durch tiefere Lage der Poren (am unteren Rande der Schwellung),
breiteren Zahn im Innern der Mündung und nicht radialstreifige
Ooecien verschieden. Auch sind die Zellen quer breiter.
Sagamibai, 100 Fad., auf Echinoidenschalen.
Verbreitung: Süd-Australien (Mac G. Hcks.). — var. porifera:
Kön. Charlotte-Ins. (Hcks.).
Gattung: Escliaroides Sm.
Verbreitung: Arktische Meere, N. -Europa, St. Lorenz-Golf,
Golf v. Mexico, Crozet-Ins., Heard-Ins., Mauritius, Philippinen,
Cap York.
1. Escharoides geminata n. sp. Tai III. fig. 17.
Zoarium unregelmässig verzweigt, Zweige gerundet, stumpf.
Zooecien ohne deutliche Trennungslinien, ungefähr oval. Oberfläche
etwas rauh. Primäre Mündung rundlich, Unterlippe mit einem Zahn.
Peristom vorn mit tiefem Sinus. Zu beiden Seiten desselben, un-
mittelbar daneben, je ein kleines, rundliches, etwas vorspringendes,
fein gezähntes Avicularium mit halbkreisförmiger Mandibel. Zer-
streut zwischen den Zellen grosse Avicularien mit spateiförmiger,
abwärts gerichteter Mandibel. Ooecien mit radialen Streifen am
Rande.
Maizuru, 35 — 40 Fad., häufig.
2. Escharoides teres n. sp. Taf. III. fig. 21.
Zoarium weisslich, mit kurzem Stiel, von dem aus zahlreiche,
gerundete, reich verzweigte Aeste nach allen Richtungen ausgehen.
Zooecien oval oder rhombisch, undeutlich begrenzt. Oberfläche granu-
liert. Primäre Mündung rundlich, sekundäre mit ziemlich tiefem
Sinus im unteren Rande. Dicht an dem Sinus auf der einen Seite
ein etwas vorspringendes Avicularium mit halbkreisförmiger Man-
dibel, von zweierlei Grösse: entweder klein (bei den meisten Zellen),
oder grösser, über doppelt so gross als die kleinen. Ooecien kugelig,
granuliert.
Sehr ähnlich der E. rosacea Bsk. sp. , aber durch gerundete
Zweige und verschieden grosse Avicularien verschieden.
Sagamibai, Tiefe unbekannt.
44 Dr. A. Ortmann:
3. Escharoides rhomboidalis n. sp. Taf. III. fig. 22.
Zoarium weisslich, baimiförmig: von einem dicken, gerundeten
Stiel erheben sich wenig zahlreiche, etwas verzweigte, gegen die
Spitze hin comprimierte Aeste. Zooecien rhombisch, von deutlichen
Linien begrenzt. Oberfläche scharf und regelmässig grubig-punktiert,
meist an jeder der 4 Seiten der Rhomben eine Pore. Primärmündung
rundlich oder halbkreisförmig, Peristom vorn mit etwas seitlich ge-
legenem Sinus. Dicht neben diesem auf der einen Seite ein rund-
liches Avicularium mit halbkreisförmiger Mandibel. OoecienV
Sagamibai, ein Exemplar aus unbekannter Tiefe, ein Bruch-
stück aus 200 Faden.
Gattung: Smittia Hcks.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Smittia landsborovii Johnst. sp. Taf. III. fig. 23.
Smitt: Öfv. Af. K. Vetensk. Ak. Förh. 1867. Bih. p. 12.
pl. XXIV. fig. 63. Flor. Br. IL p. 60. pl. X.
fig. 201—202.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 341. pl. XL VIII. fig. 6—9.
Zoarium inkrustierend. Zooecien rhombisch, in Reihen. Ober-
fläche längs des Randes grubig-punktiert. Mündung rundlich, inner-
halb des Unterrandes ein Zahn. Peristom dünn, vorn mit ziemlich
tiefem Sinus. Unter diesem ein rundes Avicularium. Ooecien kugelig,
punktiert.
Sagamibai, 200 Fad., selten.
Verbreitung: Grönland, Spitzbergen (Sm.). Davis- Strasse,
100 F. (var. Wallich.) St. Lorenz -Golf (Hcks.). England (Hcks.).
Florida, 176 F. (Sm.). Cap Verde-Ins., 100—200 F. (var. Chall.).
Durban, Natal (Oates). Australien (Waters). Marion-Ins., 50 — 75 F.
(Chall.)
Fossil: Schott. Glacial- Ablagerungen (Geikie).
2. Smittia reticulata Mac G. sp. Taf. III. fig. 24.
Busk: Cat. Br. Mus. II. p. ß6. pl. XC. fig. 1. pl. XCIII.
fig. 1. 2.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 346. pl. XLVIII. fig. 1—5.
Ann. Mag. (5) VIII. p. 123. XIV. p.283. pl.IX fig. 2.
Escharella legentilii Smitt: Krit. Fort. Skand. Hafs-
Br. IV. p. 10. pl. XXIV. fig. 50—52.
Zoarium inkrustierend. Zooecien länglich, in unregelmässigen
Reihen, durch Leisten getrennt. Längs des Randes mit einer Reihe
felderartiger grosser Punkte, sonst nur rauh auf der Vorderseite.
Mündung rundlich, mit dünnem Peristom und tiefem Sinus. Im
Innern drei Zähne, der mittlere am grössten. Unter dem Sinus ein
Die Japanische Bryozoenfauna. 45
gerades oder schiefes Avicularium mit spitzer (bei meinen Exemplaren)
nach unten gerichteter Mandibel. Ooecien kugelig, punktiert.
Die meisten meiner Exemplare weichen von den typischen euro-
päischen durch schiefe Lage des Aviculariums ab. Auch fehlen die
Randdornen.
Sagamibai, 40 — 80 Fad., nicht selten.
Verbreitung: Norwegen, 2 — 300 Fad. (Sm.). Shetland-Ins.,
80 F. England, 40- 80 Fad. (Hcks.). Roseoff (Joliet). Adriatisches
Meer, 20 — 55 Fad. (Heller). Aegäisches Meer (Forbes). Neu -See-
land (Hutton). Süd- Australien (Hcks.) Mauritius (Kirkpatrick).
3. Smittia marmorea Hcks. Taf. III. fig. 25.
Ann. Mag. (5) VI. p. 79. pl. IX. fig. 6.
Br. Mar. Pol. 350. pl. XXXVI. fig. 3—5.
Zoarium inkrustierend. Zooecien unregelmässig oval, in unregel-
mässige Reihen gestellt, deutlich begrenzt. Längs des Randes mit
einer Reihe von Punkten, sonst mit granulierter Vorderseite. Mün-
dung rundlich, Peristom vorn mit Sinus. Im Innern ein breiter
Zahn (nach Hincks). Unter dem Sinus ein längliches, spitzes Avi-
cularium, mit gerade nach unten gerichteter Mandibel. Ooecien
kugelig, punktiert.
Von Sm. reticulata wohl nur durch die kleinen Randpunkte,
sowie (nach Hincks) durch den breiten inneren Zahn abweichend.
Letzteren bildet Hincks nirgends ab, und auch bei meinem Exemplar
ist derselbe nicht sichtbar.
Sagamibai, 50 — 80 Fad., nur ein Exemplar.
Verbreitung: England, ? Neapel, Madeira (Hcks.). Mauritius
(Kirkpatrick).
4. Smittia trispinosa Johnst. sp. Taf. III. fig. 26.
Busk: Cat. Br. Mus. II. p. 70. pl. LXXXV. fig. 1. 2.
pl. XCVIII. pl. CII fig. 2.
Escharella jacotini Smitt: Ofv. K. Vetensk. Ak. Förh.
1867. Bih. p. 11. pl. XXIV. fig. 53—57.
Flor. Br. n. p. 59. pl. X. fig. 199. 200.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 353. pl. XLIX. fig. 1—8.
Ann. Mag. (5) XHI. p. 51. p. 361. pl. XIII. fig. 6. 7.
XIV. p. 283. pl. IX. fig. 4. 5.
XIX. p. 304. pl. IX. fig. 3.
Zoarium inkrustierend. Zooecien länglich, unregelmässig ge-
stellt. Oberfläche granuliert, längs des Randes punktiert. Peristom
dünn, Unterlippe mit Sinus. Unter der Mündung, seitlich, ein Avi-
cularium von verschiedener Gestalt. Ueber der Mündung meist 2
bis 3 Dornen.
Von den beiden vorigen Arten auch kaum verschieden.
46 Dr. A. Ortmann:
var. japonica n. Peristom undeutlich gezähnt. Avicularien
gross, Mandibel spitz, nach oben gerichtet. Dornen fehlend.
Sagamibai, 40 Fad., selten.
Verbreitung: Kosmopolitisch: Spitzbergen, Norwegen (Sm.).
England, Schottland, Irland (Bsk.). St. Lorenz-Golf (Hcks.). Florida,
13—44 Fad. (Sm.). Adriatisches Meer (Hcks.). Cap Hörn, 40 Fad.
(Darwin). Mazatlan (Hcks.). Californien (Mus. Strassburg). Kön.
Charlotte -Ins. (Hcks.). Süd -Australien (Hcks.). Ost -Indien, Aden
(Anderson).
5. Smittia adeonelloides n. sp. Taf. IL fig. 9.
Zoarium aufrecht, baumförmig, dichotom verzweigt, sehr ähnlich
der Adeonella japonica n. sp. Zweige flach, beiderseits mit Zooecien.
Letztere ohne deutliche Begrenzungslinien , oval, Oberfläche mit
grossen, flachen, undeutlichen Gruben. Primäre Mündung rundlich,
Unterlippe mit einem Zahn. Peristom erhaben, mit tiefem und
schmalem Sinus. Unterhalb und seitlich von der Mündung ein ziemlich
grosses Avicularium mit dreieckiger, lang zugespitzter, nach aussen
gerichteter Mandibel. Ooecien?
Sagamibai, 60 — 200 Fad. , sehr häufig, in Gesellschaft von
Adeonella japonica n. sp.
Gattung: Mucronella Hcks.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Mucronella ellerii Mac G. Taf. III. fig. 27.
Hinks: Ann. Mag. (5) VIII. p. 124. pl. I. fig. 5.
X. p. 167. pl. VIII. fig. 2.
Waters: Ann. Mag. (5) XX. p. 194.
Zoarium aufrecht, einschichtig, blattartig, selten inkrustierend.
Zooecien länglich, Mündung gross, rundlich. Unterrand jederseits
mit einem scharfen Zahn und in der Mitte mit einem breiten, massiven
Vorsprung, der an der Basis geschwollen ist und auf einer oder
beiden Seiten ein Avicularium trägt. Oberfläche mit tiefen Poren,
die im Alter netzförmig verbunden erscheinen.
var. japonica n. Von der var. porosa Hcks. durch das Fehlen
des einen Aviculariums an der Seite des Vorsprunges und das ovale,
nicht runde Avicularium verschieden. Bisweilen mit einem kleinen
runden Avicularium an der Spitze des Vorsprunges, wie var. biavi-
culata Wat. Von dieser und der var. vultur Hcks. durch ovales,
nicht lang-dreieckiges Avicularium und das Fehlen der Dornen ober-
halb der Mündung unterschieden. *
Sagamibai, 100 Fad., selten. Einmal auf Maja longispina
inkrustierend.
Verbreitung: Süd- Australien (Mac G. Hcks. Wat.).
Die Japanische Bryozoenfauna. 47
2. Mucronella lateralis n. sp. Taf. III. fig. 28.
Zoarium inkrustierend. Zooecien imregelmässig rhombisch od.
polygonal , undeutlich begrenzt. Oberfläche etwas rauh. Mündung-
halbkreisförmig, Unterlippe mit einem breiten, dreieckigen, spitzen
od. gerundeten Vorsprung. Avicularien bei manchen Zellen vor-
handen, auf einer Seite der Mündung, sich lang an der Seite der
Zelle hinstreckend, mit langer, schmaler, spitzer, etwas gebogener
Mahdibel. Die Avicularien tragenden Zellen stehen oft gruppenweise
beisammen. Ooecien?
Sagamibai, Tiefe unbekannt.
3. Mucronella tricuspis Hcks. Taf. III. fig. 29.
Ann. Mag. (5) VIII. p. 125. pl. III. fig. 1.
Busk, Chail. Pol. I. p. 159. pl. XXII. fig. 3.
Zoarium inkrustierend. Zooecien eckig-oval, deutlich getrennt,
durchsichtig, fast glatt. Mündung quer- elliptisch, drei lange Dornen
am Oberrand. Vorn von einer ,, wandschirmartigen" Erhöhung ge-
schlossen, die in der Mitte sich zu einem oben gerundeten Fortsatz
erhebt, zu dessen Seiten sich je ein vorspringender Lappen befindet.
In der Mitte des Fortsatzes eine Furche. An einer oder beiden
Seiten einer Zelle, ungefähr in der Mitte, ein vorspringendes Avi-
cularium, mit schlanker, nach aussen gerichteter Mandibel. Ooecien
rundlich, glatt, mit einer erhabenen Leiste rings um die grosse
Oeffnung.
var. japonica n. Der mittlere Fortsatz breiter und länger als
in der Abbildung bei Hinks. Ooecialzelle jederseits der Oeffnung
mit einem Dorn.
Kadsiyama, geringe Tiefe, auf Tangen, selten.
Verbreitung: Feuerland und Chiloe (Darwin). Falkland -Ins.,
12 Fad. Simons-Bai (Cap. d. g. Hoffh.). Prinz Edward -Ins., 80
bis 150 Fad. (Chall). Bass-Strasse (Hcks.).
4. Mucronella lanceolata n. sp. Taf. III. fig. 30.
Zoarium inkrustierend. Zooecien oval, besonders im Alter un-
deutlich begrenzt. Am Rande ringsum mit einer unregelmässigen
Reihe grubiger Punkte. Mündung rundlich. Unterlippe mit einem
mittleren und zwei seitlichen, gerundeten Zähnen. Avicularien mehrere
auf jeder Zelle, meist 4, von denen zwei seitlich von der Mündung
und zwei mehr nach unten, ungefähr in der Mitte der Zelle liegen,
klein, mit schmal lanzettlicher Mandibel. Hier und da an der Seite
einer Zelle unter der Mündung ein grösseres Avicularium mit langer,
schmaler, stumpfer oder spitzer, nach unten gerichteter Mandibel.
Ooecien kugelig, eingesenkt, wenig deutlich, punktiert.
Sagamibai, auf Discodermia japonica.
48 Dr. A. Ortmann:
5. Mucronella serratimargo n. sp. Taf. III. fig. 33.
Zoarium inkrustierend. Zooecien rechteckig, in Reihen gestellt.
Oberfläche punktiert. Mündung halbkreisförmig. Unterrand gerade
mit zwei Ausbuchtungen, die einen vier- oder dreieckigen Zahn ein-
schliessen. Oberrand mit 2 — 3 Dornen. Dicht unter der Mündung,
etwas seitlich, eine Hervorragung mit einem ovalen Avicularium.
An der Basis einzelner Zellen ein grosses, längliches Avicular,ium
mit gezähntem Rande und langer, vorn gerundeter Manclibel.
Ooecien?
Sagamibai, 200 Fad., auf Retepora anatina n. sp., selten.
6. Mucronella inconspicua n. sp. Taf. III. fig. 31.
Zoarium inkrustierend. Zooecien eingesenkt, Trennungslinien
sind nicht vorhanden, daher nur die Mündungen sichtbar. Diese in
wechselnden Entfernungen von einander, rundlich, Unterlippe in der
Mitte mit einer vorspringenden, schmalen Spitze, daneben jederseits
noch ein kurzer, breiter, gerundeter Vorsprung. Unter der Mündung
jederseits ein grösseres oder kleineres Avicularium, mit spatei-
förmiger, nach aussen und unten gerichteter Manclibel. Ausserdem
noch einzelne, unregelmässig gestellte, ähnliche über die Oberfläche
des Zooeciums zerstreut. Oberfläche undeutlich grubig-punktiert.
Sagamibai, 40 Faden, sehr häufig, mit Vorliebe auf Maja
longispina aufsitzend.
Gattung: Schizoporella Hcks.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
A. Mündung im Grossen und Ganzen halbkreisförmig oder rundlich.
Sinus undeutlich, breit und. flach, fast die ganze Unterlippe
einnehmend. *)
1. Schizoporella ternata n. sp. Taf. VIII. fig. 34.
Zoarium inkrustierend. Zooecien länglich, unregelmässig 4 eckig,
von scharfen Linien begrenzt. Mündung rundlich, unterwärts zu-
sammengezogen und mit undeutlich abgesetztem, breitem Sinus.
Oberfläche netzig punktiert. Avicularien vorhanden: in der Mittel-
linie jeder Zelle unterhalb der Mündung eines und häufig zu einer
oder beiden Seiten der Mündung je ein weiteres, so dass gewöhnlich
drei vorhanden sind.
Sagamibai, 100 Fad., auf Wurmröhren und Echinoiden-
schalen.
-*) Die hierher gehörigen Arten schliessen sich eng an die in Gruppe B.
bei Lepralia .stellenden an.
Die Japanische Bryozoenfaima. 49
2. Schizoporella unicornis Johnst. sp. Taf. III. fig. 35.
= Lepralia spinifera Bsk. (pars). Cat. Br. Mus. II. p 69.
pl. LXXX. fig. 5. 6.
Heller: Br. Adr. p. 104.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 238. pl. XXXV. fig. 1—5.
Ann. Mag. (5) XVI. p. 266. pl. X. fig. 3.
Zoarium inkrustierend. Zooecien oval oder rechteckig, von ver-
tieften Linien getrennt, in Längsreihen. Oberfläche punktiert.
Mündung halbkreisförmig, Unterrand gerade, mit mittlerem Sinus.
Unterhalb der Mündung vorn auf der Zelle ein verschieden gestalteter
Buckel oder Höcker. Jederseits der Mündung oder nur auf einer
Seite ein Avicularium mit spitzer, nach oben und aussen gerichteter
Mandibel. Ooecien kugelig, mit radialen Furchen.
var. japonica n. Fast die ganze Unterlippe von dem flachen,
undeutlich abgesetzten Sinus eingenommen. Oberfläche dicht ge-
feldert- punktiert. Avicularium nur auf einer Seite der Mündung,
häufig auch ganz fehlend.
Sagamibai, Tiefe unbekannt.
Verbreitung: Recent: England (Hcks). S.W.-Frankreich (Fischer).
Adriatisches Meer, 20 — 55 Fad. (Heller). Neapel (Waters). Gibraltar
Landsb.). Nord -Amerika (Leidy). Süd- Afrika (Oates). — Fossil:
Palaeolitisch (A. Bell). Tertiär, häufig.
ß. Mündung rundlich. Sinus breit oder schmal, deutlich abgesetzt.
3. Schizoporella aterrima n. sp. Taf. III. fig. 36.
Zoarium aufrecht , blättrig ; niedrige , krause Rasen bildend.
Farbe kohlschwarz. Zooecien beiderseitig, selten und nur auf den
horizontalen Lappen einseitig, langgestreckt, in Längsreihen. Mündung
rundlich, mit breitem Sinus vorn in der Mitte. Oberfläche punktiert.
Avicularien fehlen. Ooecien?
Sagamibai, am Strande.
var. subatra n. Farbe schwarzbraun.
Sagamibai, 50 — 100 Fad.
4. Schizoporella cleidostoma Sm. sp. Taf. III. fig. 37.
Lepralia cleid. Smitt: Flor. Br. IL p. 62. pl. XL fig. 217
bis 219.
Zoarium inkrustierend. Zooecien rhombisch, deutlich oder un-
deutlich begrenzt. Oberfläche undeutlich granuliert oder fast glatt.
Mündung keulenförmig: oberwärts mit kreisförmigem Rande, unten
mit breitem und tiefem, durch 2 Zähne scharf abgesetztem Sinus.
Ein seitliches Avicularien auf vielen Zellen, mit spitzer, nach
Aussen gerichteter Mandibel. Ooecien (nach Smitt). mit radialen
Streifen.
Arch. f. Naturgescli. Jahrg. 1890. Bd. I. H. 1. 4
50 Dr. A. Ortmann:
var. japonica n. Ooecien nicht radialstreifig. Mandibel der
Avicularien etwas kürzer und breiter als bei der Hauptart.
Sagamibai, 100 Fad.
var inermis n. (= Lepr. cleidostoma Sm. var. Hincks, Ann.
Mag. (5) XIII. p. 212). Avicularien ganz fehlend.
Sagamibai 100 Fad.
Verbreitung: Florida, 30 — 120 Fad. (Smitt). — var. inermis:
Kön. Charlotte-Ins. (Hcks.) - - var. orbicularis Hcks. (Ann. Mag.
(5) VIII. p. 122). Bass-Strasse (Hcks.).
5. Schizoporella oenochros n. sp. Taf. III. fig. 18.
Zoarium inkrustierend, weinrot gefärbt. Zooecien ungefähr recht-
eckig, undeutlich begrenzt, in Längsreihen. Oberfläche gefeldert-
punktiert. Mündung rundlich, mit ziemlich tiefem, schmalem Sinus.
Avicularien fehlend. Ooecien eingesenkt, wenig deutlich vortretend,
punktiert.
Sagamibai, Tiefe unbekannt.
C. Mündung halbkreisförmig. Unterlippe gerade, in der Mitte ein
deutlich abgesetzter, meist breiter und wenig tiefer Sinus.
6. Schizoporella pellucida n.'sp. Taf. IV. fig. 1.
Zoarium eine dünne, durchsichtige Kruste bildend. Zooecien
unregelmässig 4 eckig, in Reihen gestellt, durch scharfe Linien ge-
trennt. Vorderseite netzig -punktiert. Mündung halbkreisförmig,
Unterrand gerade, mit weitem und flachem Sinus. Unter der Mün-
dung, in der Mittellinie der Zelle ein längliches, stumpfes Avi-
cularium. Ooecien kugelig, punktiert.
In der Struktur der Oberfläche der Seh. triangula Hcks. (Ann.
Mag. (5) VIII. p. 12. pl. IL fig. 4.), in der Gestalt der Mündung der
Seh. longirostrata Hcks. (Ann. Mag. (5) XL p. 447. pl. XVII. fig. 4)
sich nähernd.
Sagamibai, 40 — 200 Fad. Maizuru, 35 — 40 Fad., sehr häufig.
var.: nuda n. Avicularium fehlend.
Sagamibai, 40 Fad., selten.
7. Schizoporella brunnescens n. sp. Taf. IV. fig. 2.
Zoarium inkrustierend, gelblich-braun. Zooecien in Längsreihen,
etwa rechteckig, undeutlich begrenzt. Oberfläche mit grossen, flach-
grubigen Punkten. Mündung halbkreisförmig, Unterlippe gerade, mit
ziemlich flachem und breitem Sinus in der Mitte. Avicularien fehlend.
Ooecien undeutlich, eingesenkt, rundlich, punktiert.
Sagamibai, auf Dendrophyllia.
Die Japanische Bryozoenfauna. 51
8. Schizoporella subhexagona n. sp. Taf. IV. fig. 3.
Zoarium inkrustierend, graubraun. Zooecien unregelmässig sechs-
eckig, fast so breit als lang, von scharfen Linien begrenzt. Ober-
fläche ziemlich regelmässig punktiert. Mündung halbkreisförmig,
Unterlippe gerade, in der Mitte mit einem flachen, aber deutlichen
Sinus. Avicularien fehlend. Ooecien rundlich, eingesenkt, punktiert.
Am ähnlichsten ist diese Art der Seh. subsinuata Hcks. (Ann.
Mag. (5) XIV. p. 280. pl. VIII. fig. 1), unterscheidet sich aber durch
die Gestalt der Mündung, die breiteren Zooecien, den fehlenden
Buckel unter der Mündung und die Sculptur der Vorderwand.
Sagamibai, auf Discodermia japonica und calyx.
D. Mündung halbkreisförmig. Unterlippe gerade. Sinus tief
und schmal.
9. Schizoporella caecilii Aud. sp. Taf. IV. fig. 4.
Busk: Quat. Journ. Micr. Sc. Zooph. V. p. 173. pl. XV.
fig. 6. 7.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 269. pl. XLIII. fig. 6.
'PLepralia perugiana Heller: Br. Adr. p. 26. pl. II. fig. 10.
Vgl. Hincks: Ann. Mag. (5) XIX. p. 302.
Zoarium inkrustierend. Zooecien oval oder eckig, von scharfen
Linien begrenzt. Oberfläche dicht punktiert, nur in der Mitte ein
erhabener glatter Fleck. Mündung halbkreisförmig, Unterlippe gerade,
mit einem spaltförmigen , tiefen Sinus in der Mitte. Avicularien
fehlen. Ooecien kugelig, vorragend, sehr fein granuliert, periweiss.
Der erhabene glatte Fleck (Umbo) bei meinen Exemplaren flach,
länglich. (Vgl. Waters, Ann. Mag. (5) III. p. 31).
Sagamibai, 40 — 150 Fad., sehr häufig.
var. mediolaevis n. Glattes Feld in der Mitte der Zelle grösser.
Sagamibai, 40 Fad.
Verbreitung: England (Hcks.). Mittelmeer. (Heller, Waters).
Australien, 33 Fad. (Chall.). Kön. Charlotte-Ins. (Hcks.) Japan (Kino
Channel, Waters). Rothes Meer (Waters).
Gattung: Mastigopliora Hcks.
Verbreitung: N.-Europa, Madeira, Florida, Rothes Meer, Mau-
ritius, S.- Afrika.
1. Mastigopliora dutertrei Aud. sp. Taf. IV. fig. 5.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 279. pl. XXXVII. fig. 1. 2.
Zoarium inkrustierend. Zooecien unregelmässig oval, deutlich
begrenzt, gewöhnlich am Rande punktiert. Oberfläche granuliert.
Mündung halbkreisförmig, Unterlippe gerade, mit einem Sinus in der
4*
52 Dr. A. Ortmann:
Mitte. 5 — 6 Randdornen. Jederseits der Mündung ein Vibraculum.
Ooecien kugelig, dicht mit der Zelle verwachsen, oft fast eingesenkt,
klein.
var. japonican. Mündung verlängert halbkreisförmig, schmaler
als hoch. Am Rande der Mündung der sterilen Zellen 7 Knoten, bei
den fertilen 2 — 3 jederseits. Setae der Vibracula bei meinem Exemplar
nicht mehr vorhanden.
Aehnelt in der Gestalt der Mündung, der fast glatten Oberfläche
und durch die Anzahl der Knoten am Rande der Mündung so sehr
der Hippothoa pes anseris Sm. (Flor. Br. IL p. 43. pl. III. fig. 159),
die nach Hincks nur durch die eigentümliche Gestalt der Setae der
Vibracula sich von Mastigophora dutertrei unterscheidet, dass die
Zugehörigkeit meines Exemplars zu der letzteren Art, zu der auch
H. pes anseris als Varietät zu stellen sein wird, trotz der fehlenden
Setae der Vibracula unzweifelhaft ist.
Sagamibai, 100 Fad., auf Leda, ein Exemplar.
Verbreitung: England, 60 Fad. Shetland-Ins. , 80 — 170 Fad.
(Hcks.). Rothes Meer (Savigny). Madeira (J. Y. J.). — var.: pes
anseris: Florida, 42 Fad. (Sm.) Mauritius (Kirkpatrick).
Gattung: Chorizopora Hcks.
Verbreitung: Europa, Madeira, S, -Afrika, Tristan da Cunha,
S.- Amerika, Sandwich-Ins., Kerguelen.
1. Chorizopora discreta Bsk. sp. Taf. IV. flg. 6.
Cat. Br. Mus. IL p. 85. pl. GL fig. 3. 4.
Zoarium inkrustierend. Zooecien cylindrisch oder lang-oval, von
Querleisten geringelt, entfernt von einander und an der Basis durch
röhrenförmige Fortsätze verbunden, glashell. Mündung der sterilen
Zellen rundlich, mit Sinus, der fertilen halbkreisförmig, mit geradem
Unterrand. Ooecien gross, Vorderseite mit senkrechtem Kiel.
Bei der nahe verwandten Schizoporella hyalina L. sp. ist die
Gestalt der Mündung der fertilen und sterilen Zellen ebenfalls ver-
schieden. Vgl. Hincks, Br. Mar. Pol. pl. XVIII. fig. 9.
Kadsiyama, geringe Tiefe, auf Tang.
Verbreitung: Falkland-Ins. , 4 — 10 Fad. (Bsk.). Feuerland
(Darwin). Californien (Greville).
Gattung: Hippothoa Lmx.
Verbreitung: Cosmopolitisch.
1. Hippothoa connata n. sp. Taf. IV. fig. 7.
Zoarium angewachsen, aus getrennten, einzeiligen Zellreihen
bestehend, verzweigt. Zweige von den Seiten der Zellen entspringend.
Zooecien rundlich-polygonal, mit einer etwas ausgezogenen Ecke oder
Die Japanische Bryozoenfauiia. ;,;;
mit einem kurzen dünnen Stiel zusammenhängend. Oberfläche
punktiert. Mündung haikreisförmig, Unterlippe gerade, mit schmalem,
deutlichem Sinus. Oberlippe mit 2 — 4 kleinen, stumpfen Höckern.
Sagamibai, 200 Fad., selten.
Gattung: Myriozoum Don.
Verbreitung: Arktisches Meer, Mittelmeer, Brasilien, König.
Charlotte-Ins., Sandwich-Ins., Prinz Edward, Heard, Crozet, Marion-Ins.
Die beiden Arten gehören zu den Myr. dubia Busk. (Ghali.
Pol. I. p. 169).
1. Myriozoum superficiale n. sp. Taf. III. fig. 2.
Zoarium unregelmässig baumförmig verzweigt. Zweige cylin drisch,
ziemlich gleich dick, stumpf. Zooecien ohne deutliche Trennungs-
linien. Mündung oberflächlich, sowohl an der Spitze der Zweige
als auch an den älteren Teilen nicht vorragend, an den letzteren
etwas eingesenkt. Primärmündung rundlich, mit kleinem Sinus,
sekundäre rund. Oberfläche der jüngeren Teile deutlich grubig
punktiert, an den älteren sind die Punkte undeutlich. Avicularien
fehlen. Ooecien?
Steht dem M. immersum Bsk. (Ghali. Pol. I. p. 170. pl. XXV. fig. 4)
durch die nicht vorragenden, häufig eingesenkten Mündungen nahe,
unterscheidet sich aber besonders durch die punktierte Oberfläche
und das Fehlen der Avicularien.
Sagamibai, 70— 100 Fad. , nicht häufig.
2. Myriozoum pulchrum n. sp. Taf. IV. fig. 8.
Zoarium ein aufrechtes, unterwärts mit kurzen, in ziemlich regel-
mässigen Abständen abgehenden, wenig geteilten Zweigen besetztes,
oberwärts mit mehrfach dichotom geteiltem Gipfel versehenes Bäum-
chen darstellend. Zweige gerundet, ziemlich gleich dick, stumpf.
Zooecien oberwärts etwas vorragend, Mündung rundlich, mit Sinus.
Seitlich vom Sinus ein gerundetes Avicularium. An den älteren Teilen
sind die Mündungen eingesenkt, halbkreisförmig, mit dem Avicularien
in einer Ecke. Oberfläche oberwärts deutlich, unterwärts undeutlich
punktiert. Ooecien?
Sagamibai, 60 — 150 Fad., nur ein Exemplar.
Gattung: Adeonella Bsk.
Verbreitung: Adriatisches Meer, Madeira, Azoren, Florida,
Brasilien, S. -Afrika, S.- Amerika, Tristan da Cunha, Australien,
Philippinen.
1. Adeonella tuberculata Bsk. Taf. IV. fig. 9.
Chall. Pol. I. p. 180.
= Eschara lichenoides Bsk. Cat.Br. Mus. IL p.90. pl.CVI.
Zoarium aus in einer Ebene verzweigten, schmalen, zungen-
förmigen Blättern gebildet, festgewachsen (auf Gastropodenschalen),
54 Dr. A. Ortmann:
ohne biegsamen Träger. Zooecien oval, quincuncial gestellt. Mün-
dung ungefähr halbkreisförmig. Jederseits dicht unter der Mündung
ein kleines ovales, vorragendes Avicularium. Ungefähr in der Mitte
der Zelle oder etwas über der Mitte eine Gruppe von 5 — 7 stern-
förmigen Poren, die oft zu einer einzigen verschmelzen. Bisweilen
im unteren Teil der Zelle ein einzelnes Avicularium. Am Rande der
Zweige keine besonders gestalteten Avicularien.
Von der Abbildung bei Busk durch die Gruppe von 5 — 7
(nicht 3 — 4) Poren und durch das bisweilen im unteren Teil der
Zellen vorhandene Avicularium verschieden.
Sagamibai, 100 Fad. — Maizuru, 35— 40 Fad., beidemal
selten.
Verbreitung: Australien, Algoa-Bai (Bsk.)
2. Adeonella japonica n. sp. Taf. IV. fig. 11.
Zoarium baumförmig, unmittelbar, ohne biegsamen Träger fest-
gewachsen, aus schmalen, zungenförmigen , dichotom und meist in
einer Ebene verzweigten Blättern gebildet. Mündung rundlich. Unter
der Mündung jeder Zelle ein schräg gestelltes, ziemlich grosses
Avicularium , mit dreieckiger, spitzer, schräg nach oben gerichteter
Mandibel. Unter diesem in der Mitte der Zelle eine bisweilen doppelte
Pore. Einzelne Zellen im unteren Teil mit einem kleinen, dreieckigen
Avicularium. Am Rande der Zweige grosse, dreieckige Avicularien-
zellen, mit lang -dreieckiger Mandibel.
Steht der Ad. intricaria Bsk. (Chall. Pol. I. p. 185) am nächsten,
unterscheidet sich aber durch baumförmiges Zoarium ohne coalescie-
rende Zweige, durch die gegenseitige Lage der Pore und des Avi-
culariums unter der Mündung, durch das Fehlen der konischen Her-
vorragung im unteren Teil der Zelle und durch weniger lange Man-
dibel der randlichen Avicularien.
Sagamibai, 100 — 200 Fad., sehr häufig.
3. Adeonella sparassis n. sp. Taf. IV. fig. 10.
Zoarium krausblättrig, kurz gestielt, in zahlreiche, unregel-
mässige, nach allen Seiten gerichtete, schmale oder verbreiterte
Lappen und Zweige geteilt, die häufig zusammenwachsen und grössere
oder kleinere, unregelmässige Löcher bilden. Zooecien oval. Mün-
dung rundlich. Unterhalb der Mündung ein aufrechtes Avicularium,
dessen Spitze oft über die Unterlippe hinausreicht, mit spitz -drei-
eckiger Mandibel. Unter diesem Avicularium, in der Mitte der Zelle,
eine einfache Pore. Am Rande der Lappen und Zweige längliche
Avicularienzellen, mit lang-dreieckiger, spitzer Mandibel.
Diese Art könnte vielleicht eine echte Adeona sein, deren Träger
nicht mehr erhalten ist.
Sagamibai, Tiefe unbekannt, nur ein Exemplar.
Die Japanische Bryozoenfauna. 55
Gattung: Cellepora Fabr. (pars).
Verbreitung: Kosmopolitisch.
A. Deckel ungefähr halbkreisförmig, mit geradem unterem Rande.
1. Cellepora bicirrhata n. sp. Taf. IV. fig. 12.
Zoarium dicke Krusten bildend. Zooecien oval, Oberfläche etwas
rauh. Mündung halbkreisförmig, mit 2 schwachen Kerben. Ueber
der Mündung 2 lange Dornen. Praeoraler Höcker klein, mit einem
kleinen, rundlichen oder ovalen Avicularium. Zwischen den Zellen
grosse Avicularien mit langer, in eine stumpfe Spitze vorgezogener
Mandibel. Deckel halbkreisförmig, mit fast gradem unterem Rande,
seitlich, von den Stützbalken desselben ausgehend, zwei eigentümliche,
borstenartige Fortsätze.
Sagamibai, 200 Fad., auf Lophohelia.
2. Cellepora triacantha n. sp. Taf. I. fig. 12.
Zoarium massiv, kugelig. Zooecien oval, Oberfläche glatt.
Mündung rundlich oder halbkreisförmig. Praeoraler Höcker stumpf,
mit einem kleinen, rundlichen Avicularium. Deckel mit geradem
unterem Rande. Grössere Avicularien fehlen. Oberrand der Mündung
mit 3 langen Dornen.
Sagamibai, 200 Faden.
3. Cellepora transversa n. sp. Taf. I. fig. 13.
Zoarium massiv, kugelig oder dicke Krusten bildend. Zooecien
oval, Oberfläche fein punktiert. Mündung rundlich, mit einigen
Zähnen an der Unterlippe. Praeoraler Höcker kurz und breit, mit
kleinem, rundlichen Avicularium. Randdornen fehlen. Deckel quer
verbreitert, mit geradem unterem Rande. Einzelne grosse Avicularien
zwischen den Zellen, mit verlängerter, breiter und stumpfer Mandibel.
Sagamibai, 200 Faden.
4. Cellepora columnaris Bsk. Taf. IV. fig. 32.
Chall. Pol. I. p. 194. pl. XXIX. fig. 11. pl. XXXV.
fig. 16.
Zoarium eine dicke, unregelmässig ausgebreitete Kruste bildend.
Zooecien bauchig. Oberfläche fein punktiert. Mündung halbkreis-
förmig, Unterlippe gerade. Ein langer, kräftiger, zugespitzter, säulen-
förmiger Fortsatz entspringt oberhalb und etwas seitlich von der
Mündung. Einzelne Zooecien mit einem kleinen Höcker vor der
Mündung, der ein kleines Avicularium trägt, mit halbkreisförmiger
Mandibel. (Letztere ist nicht dreieckig, wie Busk im Text p. 194
sagt, während er pl. XXXV. fig. 16 ein etwa halbkreisförmiges, wie
bei meinem Exemplar, abbildet.)
ofi Dr. A. Ortmann:
Bei meinem Exemplar sind die Stützbalken des Deckels etwas
anders als in der Figur von Busk angeordnet, auch sind die säulen-
förmigen Fortsätze verhältnissmässig stärker und kürzer.
Sagamibai, auf Discodermia calyx.
Verbreitung: Moncoeur-Ins. (Bass- Strasse), 38 Fad. (Chall.).
5. Cellepora trituberculata n. sp. Taf. I. fig. 28.
Zoarium inkrustierend. Zooecien oval. Mündung rundlich. Vor
der Mündung ein längerer oder kürzerer, meist stumpfer Höcker,
an der Basis desselben ein ziemlich grosses Avicularium mit halbkreis-
förmiger oder länglicher Mandibel. Oberrand der Zellen -Mündung
bei den sterilen Zellen mit 2 weiteren, ähnlichen Höckern, die an
der Basis je ein kleines rundliches Avicularium tragen. Bei den
Ooecialzellen fehlen diese beiden letzteren Höcker, an ihrer Stelle
findet sich das rundliche Ooecium. Deckel halbkreisförmig, mit
gradem unterem Rande.
Maizuru, 35 — 40 Fad.
6. Cellepora denticulata n. sp. Taf. IV. fig. 13.
Zoarium inkrustierend. Zooecien oval, gedrängt. Oberfläche
unregelmässig punktiert. Mündung rundlich, mit Sinus, unregel-
mässig gezähnt, beiderseits mit einem aufrechten Höcker. Diese
entweder ohne Avicularien, oder der eine mit einem- grossen, nach
oben gerichteten, mit gezähntem Rande und 3 eckiger, lang und
schmal ausgezogener, stumpfer Mandibel versehenen Avicularium.
Zerstreut zwischen und auf den Zellen zahlreiche grosse, nach unten
gerichtete Avicularien, mit spateiförmiger Mandibel, und einzelne
kleinere, mit spitz dreieckiger Mandibel. Deckel halbkreisförmig,
unterwärts etwas zusammengezogen, mit geradem unterem Rande.
Sagamibai, auf Discodermia japonica.
B. Deckel rundlich, unterwärts in einen mehr oder minder deutlichen,
kürzeren oder längeren Stiel ausgezogen.
7. Cellepora radiata n. sp. Taf. I. fig. 14.
Zoarium kleine Kugeln bildend. Zooecien länglich-oval. Mün-
dung rundlich, mit Sinus. Deckel rundlich, an der Basis in einen
kurzen Stiel ausgezogen. Jederseits neben der Mündung ein ungefähr
cylindrischer Höcker, mit je einem kleinen Avicularium mit spitzer
Mandibel. Sonstige Avicularien fehlend. Ooecien am Rande radial-
streifig.
Steht am nächsten der Cell, hassallii Bsk. (Cat. Br. Mus. II. p. 86.
pl. CIX. fig. 4 — 6. — Chall. Pol. I. p. 205), von der sie sich durch die
Gestalt des Deckels und der Mandibel, sowie durch die radialstreifigen
Ooecien unterscheidet. Sie ähnelt ferner der Cell, costazii Aud.
Die Japanische Bryozoenfauna. 57
(Hincks, Br. Mar. Pol. p. 411 pl. LV. fig. 11—14) var. tubulosa Hcks.
(ibid. u. Busk, Chall. Pol. I. p. 205), unterscheidet sich aber ebenfalls
durch radialstreifige Ooecien und durch das Fehlen der grösseren
Avicularien.
Maizuru, 35 — 40 Fad., häufig auf Hydroidpolypen u.a. auf-
gewachsen.
8. Cellepora pachyclados n. sp. Taf. IV. fig. 14.
Zoarium aus dicken, unregelmässigen, knotigen, nach oben etwas
verdünnten, längeren oder kürzeren Aesten zusammengesetzt. Zooecien
dicht gedrängt, undeutlich punktiert. Mündung rundlich, mit Sinus
und bisweilen mit unregelmässigen Zähnen. Etwas schräg nach vorn
ein deutlicher oder undeutlicher Höcker mit einem Avicularium mit
3 eckiger, spitzer Mandibel. Aehnliche Avicularien zerstreut zwischen
den Zellen. Deckel quer-oval, mit kurzem und breitem Stiel.
Sagamibai, Tiefe unbekannt, nur ein Exemplar.
9. Cellepora attenuata n. sp. Taf. IV. fig. 15.
Zoarium baumförmig, dichotom verzweigt. Zweige cylindrisch,
gegen die Spitzen verdünnt. Zooecien unregelmässig. Mündung
rundlich, mit Sinus ('?), undeutlich. Neben der Mündung ein kleines
Avicularium mit halbkreisförmiger Mandibel. Zerstreut zwischen den
Zellen grosse Avicularien, mit breiter und langer, spateiförmiger
Mandibel. Deckel hoch-gerundet, unterwärts plötzlich zusammen-
gezogen und in einen breiten und ziemlich langen Stiel ausgezogen.
Sagamibai, 70 — 100 Fad., häufig.
Cyclostomata.
Gattung: Crisia Lamx.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Crisia crisidioides n. sp. Taf. IV. fig. 16.
Internodien entweder mit 2 Zooecien, von denen das untere
eine dreigliederige Borste trägt, oder mit drei Zooecien, von deren
unterstem ein Zweig entspringt. Zooecien zweizeilig, alternierend,
röhrig, mit lang vorgestreckter Mündung. Oberfläche punktiert.
Durch die borstenförmigen Anhänge der Crisidia cornuta E. H.
(Mem. sur les Crisies etc. Ann. Sc. Nat. (2) IX. pl. VIII. fig. 2. und
Busk, Cat. Br. Mus. III. p. 3. pl. I. fig. 5 — 10) sich nähernd, unter-
scheidet sich aber: durch die völlig entwickelten 2 — 3 Zellen in jedem
Internodium, die deutlich zweizeilig angeordnet sind. Vielleicht ist
diese Art als Varietät der Crisidia cornuta aufzufassen: alsdann
müsste aber die Gattung Crisidia mit Crisia vereinigt werden.
Sagamibai, 50 Fad., selten, bisweilen auf Maja longispina.
58 Dr. A. Ort mann:
2. Crisia cylindrica Bsk. Taf. IV. fig. 17.
Chall. Pol. II. p. 7. pl. II. fig. 2. 4.
Zoarium gabelig verästelt, in einem Internodinm 10 — 30 Zellen.
Meist 2 Zweige von den längeren Internodien abgehend: der untere
ungefähr von der siebenten bis elften Zelle, der obere in der Nähe
des oberen Endes. Zellen ziemlich weit verwachsen, der obere
Teil vorwärts gebogen (nach Busk nicht punktiert, bei meinen
Exemplaren auch punktiert). Mündung rund. Zweige cylindrisch,
mit deutlich punktierter Oberfläche. Rückseite schräg gestreift.
Sagamibai, auf Retepora sanguinea n. sp., Tiefe unbekannt.
Verbreitung: Tristan da Camha, 100— 150 Fad. (Chall).
3. Crisia eburneo-denticulata Sm. (M. S.) Taf. IV. fig. 18.
Busk: Cat. Br. Mus. III. p. 5. pl. VI.
Zellen zu 9 — 17 (meist 13) in jedem Internodium, ganz mit
einander verwachsen, nur die Mündung kurz vorragend. Letztere
zusammen gezogen, kleiner im Durchmesser als der Körper der Zelle.
Zweige von der dritten bis siebenten (meist von der fünften, nach
Busk von der ersten bis fünften) Zelle entspringend. Bisweilen
zwei Zweige von einem Internodium abgehend und dann der erste
von der dritten oder vierten, der zweite von der neunten bis zwölften
entspringend.
Sagamibai, 100 Fad., sehr häufig auf Maja longispina.
Verbreitung: Spitzbergen, 70 — 90 Fad. (Bsk.).
4. Crisia nigrijuncta n. sp. Taf. IV. fig. 19.
Internodien mit 11 — 13 Zellen. Zweige von der fünften bis neunten
(meist von der siebenten) abgehend. Knoten tiefschwarz, Zellen fast
ganz verwachsen, Mündung rund kaum etwas vorragend. Oberfläche
punktiert.
Sagamibai, 70 Fad.
Gattung: Idmonea Lamx.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
A. Mittellinie der Vorderseite der Zweige ohne Zellen, die vorderen
meist die längsten.
1. Idmonea atlantica Forb. Taf. IV. fig. 20.
Busk: Cat. Br. Mus. III. p. 11. pl. IX.
Pol. Norw. Finm. p. 3. pl. I. fig. 6.
Zoarium von einem aufrechten Stiel radial in einer Ebene aus-
gebreitet, verzweigt. Zweige nicht coalescierend , dünn. Zellen auf
der Unterseite, meist eine jederseits, selten zwei, schräg nach vorn
und oben abstehend, weit vorragend. Oberfläche punktiert. Dorsal-
seite längsstreifig.
Die Japanische Bryozoenfauna. 59
var.: disticha n. Von der typischen atlantica durch undeutlich
gestreifte Dorsalseite, sowie dadurch, dass meist nur eine Zelle jeder-
seits vorhanden ist, abweichend.
Sagamibai, 200 Fad., auf Retepora anatina n. sp., selten.
Verbreitung: Durch den ganzen atlantischen Ocean: Arktische
Meere. Nord-Europa. Mittelmeer. Florida. (Bsk.). Tristan da Cunha,
100 — 150 Fad. Simonsbai, Cap d. g. Hoffnung, 18 Fad. Kerguelen,
30 Fad. (Chall.).
2. Iclmonea tenella n. sp. Taf. III. fig. 3.
Zoarium fein verzweigt, nicht radial von einem Punkt aus-
strahlend, baumförmig. Zweige fadendünn. Zellen zu 2 — 3 (meist 2)
jederseits, die vorderste am längsten, auswärts und vorwärts ge-
richtet, ziemlich schlank. Mündung rundlich. Oberfläche fein punktiert.
Rückseite mit langgestreckten Gruben.
Aehnlich der J. radians Lam., aber die Zweige sind dünner, die
Gruben der Rückseite sind langgestreckt und der Wuchs ist baum-
förmig. J. marionensis Bsk. hat schlankere Zweige und kürzere
Zellen.
Sagamibai, 70 — 100 Fad., selten.
3. Idmonea falciformis n. sp. Taf. III. fig. 4.
Zoarium aus einfachen, ungeteilten, sichelförmig gebogenen
Zweigen gebildet. Zweige 3 kantig, vordere Kante ohne Zellen, Seiten-
flächen mit alternierenden, schräg aufsteigenden, wenig vorragenden
Reihen von 4 — 5 Zellen. Mündung rundlich. Rückseite undeutlich
längsstreifig. Oberfläche punktiert.
Sagamibai, auf Spongien, Tiefe unbekannt. Wenige Exemplare.
B. Mittellinie der Vorderseite der Zweige mit Zellen besetzt,
die äussersten Zellen am längsten.
4. Idmonea milneana d'Orb. Taf. IV. flg. 21.
Busk: Cat. Br. Mus. III. p. 12. pl. XL
Chall. Pol. II. p. 13.
Zoarium sparrig verzweigt. Zellreihen etwas entfernt, meist aus
4 Zellen bestehend, in der Mitte sich nicht an die darunter stehenden
Reihen anlehnend. Reihen kaum etwas schief, horizontal oder selbst
aussen etwas abwärts geneigt. Rückseite längsstreifig und mit queren
Wachstumslinien.
Sagamibai, 60 — 200 Fad., häufig.
Verbreitung: Capri (Waters). Azoren, 450 Faden. (Chall.).
Florida (Waters). Südspitze Amerikas (Darwin, Bsk.) Süd-Australien,
8—15 Fad. (Bsk. Mac G. Waters). Neu-Seeland (Waters). Heard-Ins.,
75 Fad. Prinz Edward-Ins., 80—150 Fad. (Chall.). Fidji-Ins., 450 Fad.
(Waters).
60 Di"- A. Ortmann:
5. Idmonea rustica d'Orb. Taf. IV. fig. 22.
Busk: Cat. Br. Mus. p. 15.
Zoarium unregelmässig verzweigt. Zweige comprimiert. Zell-
reihen aus 4 — 5 Zellen bestehend, schräg aufsteigend, sich an die
unteren anlehnend, die äusserste Zelle am höchsten stehend. Rück-
seite runzelig, quer-punktiert.
Sagamibai, 160 — 200 Fad., seltener.
rar. triplex nov. Zellreihen nur aus 3 Zellen bestehend.
Sagamibai, 40 Fad.
Verbreitung: Hongkong. Macao. Chusan Arch. (d'Orb.).
6. Idmonea gracillima Bsk. Taf. IV. fig. 26.
Cat. Br. Mus. III. p. 14. pl. VII. fig. 5. 6.
Zoarium unregelmässig dichotom verzweigt. Zweige lang und
schlank, niederliegend und nur wenig sich aufrichtend. Zellen meist
paarweise jederseits, eine Reihe von Zellen in der Mittellinie. Die
äusserste Zelle am längsten. Oberfläche fein punktiert.
Mit der Beschreibung bei Busk gut übereinstimmend, weniger
mit der Abbildung, die der Beschreibung nicht ganz entspricht.
Sagamibai, 100 Fad.
var. reticulata nov. Zweige anastomosierend, entweder direkt
oder durch seitlich verlängerte Zellen.
Sagamibai, Tiefe unbekannt, nur 2 Exemplare.
Verbreitung: Atlantischer Ocean, 286— 322 Fad. (Bsk.).
Gattung: Hornera Lamx.
Verbreitung: Arktisches Meer, Nord -Europa, Mittelmeer,
Madeira, Cap Verde-Ins., Brasilien, S.-Amerika, S.-Australien, Heard-
Ins., Mauritius.
1. Hornera cervicornis n. sp. Taf. IV. fig. 27.
Zoarium ästig, Aeste von einem gemeinsamen, ziemlich dickem
Stiel geweihförmig ausstrahlend, fast becherförmig gestellt, ziemlich
dick. Vorderseite (d. h. die nach aussen gerichtete) mit unregel-
mässig gestellten, wenig oder nicht vorragenden Zellen, zwischen
diesen mit unregelmässigen, grösseren und kleineren Furchen und
Gruben. Rückseite unregelmässig längs gefurcht, mit Gruben, an
den Astgabelungen zellig-porös.
Sagamibai, 200 Fad., selten.
Gattung: Entalopliora Lamx.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
Die Japanische Biyozoenfauiia. 61
1. Entalophora delicatula Bsk. sp. Taf. IV. fig. 28.
Pustulopora delicatula Bsk. Cat. Br. Mus. III. p. 20.
Zoarium niedrig, dichotom verzweigt. Zweige dünn. Zooecien
sehr lang, mehr als zur Hälfte verwachsen, der übrige Teil frei, sanft
gebogen. Oberfläche fein punktiert.
Von den folgenden Arten durch viel zartere, schlankere Zooecien
verschieden.
Sagamibai, 40 Faden, nicht selten.
Verbreitung: Australien, Cap Capricorne, 15 Fad. (Bsk.).
2. Entalophora proboscidioides Sm. Taf. IV. fig. 29.
Flor. Br. I. p. 11 pl. IV. fig. 26. 27.
Zoarium verzweigt. Zweige cylindrisch, etwa lmm dick, mit
6 Längsreihen von Zooecien, die meist ganz verwachsen sind, bis
auf die mehr oder minder vorragenden runden Mündungen, die un-
regelmässig in Quirle gestellt sind. Oberfläche punktiert.
Sagamibai, 200 Fad.
Verbreitung: Florida (Sm.) Marion-Ins., 50 — 75 Fad. (Bsk.)
3. Entalophora conferta n. sp. Taf. IV. fig. 30.
Zoarium ziemlich stark, dichotom verästelt, Aeste cylindrisch,
an der Spitze gerundet. Zooecien ziemlich stark vorragend nur an
der Spitze der Aeste eingesenkt, dicht gedrängt, mit runder Mündung.
Oberfläche punktiert.
E. gallica d'Orb. hat noch längere Zooecien, E. regularis Mac G.
kürzere, dickere und regelmässiger gestellte.
Sagamibai, Tiefe unbekannt.
4. Entalophora crassa n. sp. Taf. IV. fig. 31.
Aehnlich der vorigen Art, aber das Zoarium ist unregelmässiger
verzweigt, die Aeste sind dicker, fast keulenförmig, die Zooecien
sind etwas bauchig, auch an der Spitze der Aeste stark vorragend.
Oberfläche nicht punktiert.
Sagamibai, 100 Faden, nicht selten.
Gattung: Alecto Lamx.
Verbreitung: Arktisches Meer, Labrador, St. Lorenz -Golf,
N. -Europa, Mittelmeer, Tristan da Cunha, König. Charlotte -Ins.
Vielleicht vorwiegend circumpolar.
1. Alecto prominens Reuss. sp. Taf. IV. fig. 32.
Alysidota prominens Reuss: Pal. Stud. Tert. Alp. IL
Anthoz. Bryoz. Crosara. p. 45. pl. 36 fig. 8.
Zoarium kriechend. Zellen in einfachen Reihen fast isoliert
von einander, durch dünne Stiele mit einander verbunden, etwa oval.
Mündimg röhrig, vorragend. Oberfläche undeutlich punktiert.
62 Dr. A. Ortmann:
Mit der Abbildung von Alysidota prominens bei Reuss 1. c. voll-
kommen übereinstimmend. Von Reuss zu der mit Hippothoa ver-
wandten Gattung Alysidota gestellt, unterscheidet sich aber sofort
durch röhrige, runde Mündung als Cyclostome. Der Habitus hat
allerdings einige Aehnlichkeit mit Hippothoa.
Sagamibai auf Molluskenschalen (Pecten u. Conus), 40 — 80 Fad.
Verbreitung: Fossil, Oligocän.
2. Alecto granulata Milne Edw. Taf. IV. fig. 33.
Mem. sur les Crisies etc. Ann. Sc. Nat. (2) IX. p. 205.
pl. 16. fig. 3.
Busk: Cat. Br. Mus. III. p. 24. pl. XXXII. fig. 1. Chall.
Pol. IL p. 22.
? A. parasitica Heller: Br. Adr. p. 125. pl. III. fig. 10.
Zoarium kriechend, linear, verzweigt, anastomosierend. Zweig-
spitzen gewöhnlich nicht verbreitert. Zellen kurz-röhrig, etwas bauchig,
einreihig. Oberfläche granuliert.
var. japonica n. Zweige verhältnismässig breiter als in der
Figur bei Milne Edwards. Zellen meist länger vorspringend als
in der Figur bei Busk. Zweige selten anastomosierend.
Sagamibai, 130 — 150 Fad., selten.
Verbreitung: England, Norwegen, Schweden (Bsk.). Roseoff
(Joliet). Adriatisches Meer (Heller). Tristan da Cunha, 60—90 Fad.
(ChalL).
Fossil: Neocom (d'Orb.).
3. Alecto irregularis n. sp. Taf. IV. fig. 34.
Zoarium kriechend, linear, verzweigt, hier und da anastomo-
sierend. Zellen röhrig, lang vorspringend, unregelmässig gestellt,
einzeln oder in Gruppen von 2 — 4. Oberfläche fein granuliert.
Sagamibai, auf Molluskenschalen (Lucina, Leda, Conus), 40
bis 100 Fad., häufig.
4. ? Alecto polysticha n. sp. Taf. IV. fig. 35.
Zoarium kriechend, durch zu Wurzelfasern umgewandelte Zellen
befestigt, breit-linear. Zellen in alternierenden Querreihen, Reihen
jederseits aus 4 — 5 Zellen bestehend. Zellen röhrig, weit abstehend,
die inneren die längsten, und dicht aneinander liegend, die äusseren
kürzer und mehr isoliert. Oberfläche punktiert.
In der Anordnung der Zellen an die Gattung Idmonea erinnernd,
jedoch durch das kriechende, angewachsene, lineare Zoarium mit
Alecto übereinstimmend. Durch die Breite des letzteren und die
vielzelligen Querreihen einigermassen nach Tubulipora sich hinneigend:
also eine Uebergangsform.
Die Japanische Bryozoenfaima. 63
Sagamibai, auf Glasschwämmen (Aplirocallistes) aufgewachsen,
100—200 Fad., ein Exemplar.
Gattung: Tubulipora Lam.
Verbreitung: Arktisches Meer, Labrador, N. -Europa, Mittel-
meer, Falkland-Ins., Kon. Charlotte-Ins., S. -Australien, Malakka.
1. Tubulipora continua n. sp. Taf. IV. fig. 36.
Zoarium angewachsen. Zellen langröhrig, in Reihen stehend,
diejenigen einer und derselben Reihe mit einander verwachsen, selten
oberwärts etwas frei. Reihen stark vorragend, fast von einem Punkte
fächerförmig ausstrahlend und ein kreisförmiges, nicht gelapptes Blatt
bildend.
Aehnelt in der äusseren Gestalt einigermassen der Tub. flabel-
laris Fabr. sp. bei Smitt, Krit. Fort. Skand. Hafs-Bryoz. II. (Öfv.
Kongl. Vet. Ak. Förh. 1866) p. 401 pl. IX. fig. 6 — 8, unterscheidet
sich aber sofort durch die mit einander völlig verwachsenen Zellen
einer und derselben Reihe.
Kadsiyama, auf Tangen, geringe Tiefe, nicht selten.
Gattung: Diastopora Lamx.
Verbreitung: Nördlicher Atlantischer Ocean, Arktisches Meer,
Mittelmeer, Tristan da Cunha, Kön. Charlotte-Ins. Vielleicht wesentlich
circumpolar.
1. Diastopora patina Lam. sp. Taf. IV. fig. 37.
Busk: Cat. Br. Mus. III. p. 28. pl. XXIX. fig. 1. 2.
pl. XXX. fig. 1.
Chall. Pol. II. p. 24.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 458. pl. LXVI. fig. 1—6.
Nicht = Discosparsa patina Heller, Bryoz. Adr. p. 122.
letztere = Lichenopora radiata Aud. sp.
Zoarium scheibenförmig, oft etwas vertieft, von einer dünnen
Ausbreitung umsäumt. Zellen in der Mitte eingesenkt, meist ge-
schlossen, am Rande in unregelmässigen Reihen, vorragend. Ober-
fläche punktiert.
var. japonicanov. Zoarium völlig flach, nicht vertieft. Zellen
auch in der Mitte etwas vorragend und offen. Randsaum sehr schmal,
fast fehlend.
Sagamibai, 200—250 Fad., selten.
Verbreitung: Arktisches Meer, Englische Küsten, Nordsee,
5—10 Fad. (Bsk. Hcks.) und 50—100 Fad. (Sm.). Norwegen (Loven).
Shetland-Ins., 170 Fad. (Barlee). Labrador (Bsk.). Roseoff (Joliet).
Marseille (Marion). Tristan da Cunha (Chall.). Kön. Charlotte-Ins.
(Hcks.).
64 fr1'- A. Ortmann:
2. Diastopora prominens n. sp. Taf. IV. fig. 38.
Zoarinm angewachsen, scheibenförmig, etwas unregelmässig, in
der Mitte etwas vertieft. Zellen in deutlich radialen Reihen, in der
Mitte eingesenkt und meist obliteriert, gegen den Rand hin meist
plötzlich und stark erhaben, dicht neben einander stehend. Rand
von einem breiten Saum umgeben.
D. simplex Bsk. hat völlig eingesenkte, nirgends vorragende
Zellen. D. patina Lam. sp. weniger deutliche radiale Reihen, die
Zellen sind ebenfalls weniger vorspringend und stehen auch nicht
so dicht bei einander.
Sagamibai, auf Discodermia calyx.
Gattung Lickenopora Defr.
Verbreitung: Kosmopolitisch.
1. Lichenopora radiata Aud. sp. Taf. IV. fig. 23.
Busk: Cat. Br. Mus. III. p. 32. pl. XXXIV. fig. 3.
Heller: Discosparsa patina, Bryoz. Adriat. p. 122.
Hincks: Br. Mar. Pol. p. 476. pl. LXVIII. fig. 9. 10.
Zoarium scheibenförmig, oben gewölbt, in der Mitte etwas ver-
tieft und ohne Zellen. Am Rande mit lamellösem Saum mit strahlig
verlaufenden Linien. Oberseits mit radial ausstrahlenden Reihen
von Zellen. Zwischen den Hauptreihen schieben sich nach der Peri-
pherie hin kürzere Nebenreihen ein. Reihen einfach, etwas vor-
ragend. Zellmündungen rundlich. Zwischenräume zwischen den Zell-
reihen mit je einer Reihe rundlicher Poren. Farbe weiss oder blassroth.
Sagamibai, 50 — 150 Faden, nicht selten. Zwei Exempl. auf
Pleurotomaria beyrichii Hlgdf. aufgewachsen, andere auf Steinen u.s.w.
Verbreitung: England (Hcks.). Mittelmeer (Bsk.). Adriatisches
Meer, 20—55 Fad. (Heller). Neapel (Waters). Samoa- Inseln. (Zahl-
reiche Exemplare auf Montipora exserta Quelch im Museum zu
Strassburg).
Fossil: Pliocän, Bruccoli (Waters).
2. Lichenopora conica n. sp. Taf. IV. fig. 24.
Zoarium kegelförmig, hoch, in der Mitte nicht vertieft. Rand
ohne Saum. Oberseite mit radialen Reihen von Zellen, die Reihen
einfach, kaum erhaben. Mündung der Zellen rundlich, schwach
2 zähnig. Zwischen den Zellreihen je eine Reihe kleiner, rundlicher
Poren.
Sagamibai, 1G0 — 200 Fad., selten. Hakodate (von Hilgen-
dorf gesammelt).
3. Lichenopora imperialis n. sp. Taf. IV. fig. 25.
Zoarium scheibenförmig, in der Mitte vertieft, ohne Zellen, am
Rande mit lamellösem Saum. Oberseite mit radialen Reihen von
Die Japanische Bryozoenfauna.
73
Fig. 11. Lepralia symmetrica n. sp.
»12. — acuta n. sp.
» 13. — obtusata n. sp.
•> 14. Porella fissurata n. sp. 14a. Zariura l\v 14b. Zooecien. 14c.
Deckel 3%.
» 15. Porella transversalis n. sp.
» 16. — marsupium Mac G. var. japonica nov.
» 17. Escharoides geminata n. sp. 17a. Zoarium l/i- 17 b- Zooecien
und Avicularien..
•> 18. Schizoporella oenochros n. sp.
» 19. Porella concinna Bsk. sp.
» 20. — a reo lata n. sp.
» 21. Escharoides teres n. sp. 21a. Zoarium 1/2. 21b. Zooecien.
» 22. — rhomboidalis n. sp 22 a. Zoarium '/2. 22b. Zooecien.
» 23. Smittia landsborovii Johnst. sp.
>• 24. — reticulata MacG. sp. 30/,.
» 25. — marmorea Hcks.
» 26. — trispinosa Johnst. sp. var. japonica nov.
» 27. Mucronella ellerii Mac G. var. japonica nov. 27a. Zoarien '/,.
27 b. Zooecien.
» 28. Mucronella lateralis n. sp.
» 29. — tricuspis Hcks. var. japonica nov.
» 30. — lanceolata n. sp.
» 31. — inconspicua n. sp.
» 32. Cellepora columnaris Bsk. 32a. Zooecien. 32b. Deckel ca. B"/1.
32 c. Avicularimn ca. 60/1.
» 33. Mucronella serratimargo n. sp.
» 34. Schizoporella ternata n. sp.
»35. — unicornis Johnst. sp. var. japonica nov.
» 36. — aterrima n. sp.
- 37 — cleidostoma Sni. sp.
Tafel IV.
1. Schizoporella pellucida n. sp.
» 2. brunnescens n. sp.
» 3. — subhexagona n. sp.
» 4. — caecilii Aud. sp.
» 5. Mastigophora dutertrei Aud. sp.
» 6. Chorizopora discreta Bsk. sp.
7. Hippothoa connata n. sp. 10/1
» 8. Myriozoum pulchrum n. sp. 8a. Zoarium »/,. 8b. Zooecien.
8c. Primärmündung ca. 30/l.
» 9. Adeonella tuber culata Bsk. 9a. Zoarium '/2. 9b. Zooecien.
" 10. — sparassis n. sp. 10a. Zoarium %. 10b. Zooecien.
» 11. Adeonella japonica n. sp. IIa. Zoarium l/2. IIb. Zooecien.
» 12. Cellepora bicirrhata n. sp. 12a. Zooecien. 12b. Deckel.
» 13. denticulata n. sp. 13a. Zooecien. 13b. Deckel 3%-
13 c. Mandibel eines Avicularium 30/t.
Atel. f. Naturgescli. Jahrg. 1890. Bd. I. II. I. 6
74 r)i"- A. Ortmann:
Fig. 14. Cellepora pachyclados n. sp. 14a Zoarium l/2. 14b. Deckel so/,.
14 c. Mandibel eines Avicularium 30/i .
» 15. Cellepora attenuata n. sp. 15a. u. 15b. Zoarium l/2. 15c. Deckel
3%. 15 d. u. 15 e. Mandibel von Avicularien. 3"/1.
» 16. Crisia crisidioides n. sp. 16a. Zoarium '/*■ 16b. Zooecien 5/,.
» 17. — cylindrica Bsk. 5/,.
•• 18. — eburneo-denticulata Sm. 18a.Zoarium l/i 18b.Zooecien5/,.
» 19. — nigrijuncta n. sp. s/,.
» 20. Idmonea atlantica Forb. var. disticha nov. 20a. Zoarium l/t.
20 b. Zooecien. s/,.
» 21. Idmonea milneana d'Orb. 5/,.
» 22. — rustica d'Orb. 22a. Zoarium '/i- 22b. Zooecien 5/,. 22c.
var. triplex nov. 5/,.
» 23. Licbenopora radiata Aud. sp. 5/,.
»24. — conica n. sp. 10/i-
•> 25. — imperialis n. sp. u/t.
» 26. Idmonea gracillima Bsk. 26a, Zoarium Vi- 26b. Zooecien 5/t.
26c. var. reticulata nov. Zoarium '/i- 26 d. Zooecien 5/t.
» 27. Hornera cervicornis n. sp. 27a. Zoarium l/t. 27b. Zooecien 5/i-
» 28. Entalophora delicatula Bsk. sp. 28a.Zoarium Vi- 28b. Zooecien 5/i-
» 29. proboscidioides Sm. 29a. Zoarium '/i- 29b.
Zooecien 5fl.
» 30. — conferta n. sp. 30a. Zoarium Vi- 30b. Zooecien5/,.
»31. crassa n. sp. 31 a. Zoarium '/,. 31b. Zooecien %■
» 32. Alecto prominens Reuss. sp. 5/,.
» 33. — granulata M. E. sp. var. jap onica nov. 33a. Zoarium Vi-
33 b. Zooecien 5/,.
» 34. Alecto irregularis n. sp. 5/,.
» 35. — polysticha n. sp. 5/,.
» 36. Tubulipora continua n. sp. s/,.
» 37. Diastopora patina Lamk. sp. var japonica nov. 5/,.
» 38. — prominens n. sp. 5/,.
» 39. Fasciculipora simplex n. sp. 39a. Vi- 39b. 5/i-
»40. carinata n. sp. 5/,.
Ein neues Hydrachniden- Genus (Teutonia).
Von
F. Koenike
in Bremen.
Mit Tafel V.
nachstehend soll der Repräsentant einer neuen Wassermilben-
Gattung ausführlich behandelt werden, nachdem die letztere ihren
Haupteigentümlichkeiten nach von mir bereits gekennzeichnet wurde. J)
Das Untersuchungsmaterial stammt aus Hessen, ich verdanke dasselbe
der Güte des Herrn Dr. Zacharias, der es gelegentlich seiner letzten
faunistischen Excursion in dem Springbrunnen - Bassin der Villa
W. Schöffer zu Gelnhausen sammelte.
Teutonia nov, gen.
Der Körper ist weichhäutig (ohne Ohitinpanzer) und von läng-
licher Gestalt.2) Die Maxillen sind oben (Taf. V, Fig. 5) und unten
(Fig. 6) völlig mit einander verwachsen, einen hinten offenen Trichter
darstellend; in der oberen Vorderhälfte bilden zwei von den Seiten
her einander zugebogene chitinöse Hautfalten (Fig. 5 f.) eine oben
offene Rinne, die Mundhöhle (Fig. 5mr), welche sich nach vorn zu
verengert und an der Trichterspitze als Mundöffnung endigt (Fig. mö).
Das zweite Palpengiied ist auf der Unterseite durch einen kegel-
förmigen Zapfen ausgezeichnet (Fig. 3). Die Mandibeln sind von
geringer Grösse und schlanker Gestalt (Fig. 4). Die letzte Epimere
ist deutlich viereckig (Fig. 1 und 2). Den Füssen mangeln die
Schwimmhaare nicht; der vierte Fuss, welcher spitz endigt, ist ohne
Krallen (Fig. 1). Das äussere Geschlechtsorgan kennzeichnet sich
durch zwei seitwärts beweglich eingelenkte Klappen und sechs Genital-
J) Zool. Anzeiger 1889. No. 300. p. 103—104.
2) Ueber die Augen kann ich bei den zwei mir zur Verfügung stehenden
Individuen, welche mangelhaft Genserviert sind, keine zuverlässigen Angaben
machen.
76 F. Koenike:
näpfe, die jederseits der Sexualspalte in die Körperhaut eingebettet,
zu dreien hinter einander gruppiert sind (Fig. 1 und 2). Ausser dem
Grössenunterschiede ist im äusseren Habitus ein nur wenig aus-
geprägter Geschlechtsdimorphismus vorhanden.
Die von mir aufgestellte Hydrachniden-Gattung bildet ein treff-
liches Bindeglied zwischen den Genera Limnesia C. L. Koch und
Sperchon Kr am er. Gelegentlich meiner Beschreibung von Sperchon
glandulosus mihi x) verfehlte ich nicht, verschiedentlich auf verwandt-
schaftliche Beziehungen der durch diese Art vertretenen Gattung
mit dem Genus Limnesia hinzuweisen, welche am deutlichsten in dem
Vorhandensein eines Zapfens am zweiten Tastergliede, in der Gestalt
der Mandibel und letzten Epimere, sowie in der Anzahl der Ge-
schlechtsnäpfe hervortreten. Teutonia zeigt gleichfalls eine auf-
fallende Verwandtschaft zu Sperchon. Es ist beiden Gattungen der
Palpenzapfen gemeinsam, die Mandibeln gleichen, von der Grösse
abgesehen, einander in ausgesprochener Weise; der beiderseitige
Maxillarkegel zeigt eine grosse Uebereinstimmung in der Anlage
(Fig. 5 und 10); desgleichen tritt eine nicht zu verkennende Aehn-
lichkeit im letzten Coxalplattenpaar hervor (vergl. Kramer, Neue
Acariden. Wiegm. Archiv f. Naturgesch. 1879. Bd. I. Taf. I, Fig. la
und Koenike 1. c. Taf. IX, Fig. 19), das, wenn auch die hintere
Innenecke bei Sperchon glandulosus kaum bemerkbar ist, immerhin
als viereckig bezeichnet werden muss. Ganz besonders springt indes
die übereinstimmende Bildung des Genitalhofes hinsichtlich der be-
weglichen Klappen in die Augen. Beim Vergleich von Teutonia
mit Limnesia tritt am meisten in den Vordergrund die Gleichheit in
der Beschaffenheit des letzten Fusspaares, denn die spitze Endigung
desselben und der bislang einzig und allein bei Limnesia - Species
beobachtete Mangel von Krallen ist ebenso dem neuen Genus eigen.
Tetitonia primaria n. sp.
Männchen und Weibchen. Die Art ist von mittlerer Grösse.
Ueber Körperfärbung vermag ich keine zuverlässige Angabe zu
machen. Ausser einer schwachen Guillochierung um das Genitalfeld
weist die Epidermis keine besondere Auszeichnung auf.
Die Maxillen sind derart zusammen gewachsen, dass ein Trichter
entsteht (Fig. 5), dessen Spitze nach vorn gerichtet und abwärts
gebogen ist. Die Unterseite dieses Organs, welche bei dem Tier in
toto zu Tage tritt, lässt die Trichterform besonders schön erkennen
(Fig. 6). Der Hinterrand der Unterseite schliesst in stark vor-
gebogener, unregelmässig feinzackiger Linie ab; die Biegung ist keine
einfache, sondern eine mehrfache, drei Vorsprünge hervorrufend, von
denen der mittlere am grössten ist. Der Sperchon-Mundkegel (Fig. 10
und 11) zeigt gleichfalls eine ausgeprägte Trichtergestalt, deren Unter-
') Zwei neue Hydrachniden ans dem Isergebirge. Zeitschr. f. wissensch.
Zool. Bd. XLIII, p. 279—284. Taf. IX, Fig. 12—24.
Ein neues Hydrachniden-Grenus (Teutonia). 77
seite hinten indes in flach ausgebuchtetem, scharflinigem Rande ab-
schliesst. Das längsgerichtete linealische Gebilde auf der Unterseite
der Maxillen ist der durchscheinende Pharynx (Fig. 6 ph). Die Ober-
seite des Maxillarorgans ist vorn an der Spitze offenbar mit der
Unterseite verschmolzen (Fig. 5). Dieselbe besitzt hinten vier Vor-
sprünge (Fig. 5f r, f2, f3, f4) und in der Mitte der Fläche drei Durch-
bräche, von denen die beiden seitlichen, mit erhöhtem Aussenrande
versehenen die grösste Längenausdehnung besitzen und zur Insertion
der Palpen dienen (Fig. 5pd). Die höchste Stelle des Aussenrandes
am Palpen-Durchbruch (Fig. 5pz' und Fig. Tpz1) sowie ein Fortatz
am Innenrande (Fig. 5pzL') dient Tastermuskeln zur Ansatzstelle.
Der zwischen ihnen gelegene Durchbimch ist der Mandibular-Durch-
lass (Fig. 5md). Von dem innern Tastermuskel-Insertionszapfen aus
bis zur Spitze des Mundkegels befinden sich zwei kräftige chitinöse
Hautfalten (Fig. 5f), welche gegen einander gewölbt sind und eine
nach vorn zu sich verengernde Rinne bilden, welche die Mundhöhle
(Fig. 5mr) darstellt und vorn als Mundöffnung (Fig. 5mö) endigt,
die durch vier um sie herumstehende kleine Borsten gekennzeichnet
ist. Der obere Rand der die Mundhöhle bildenden Hautfalten besitzt
in geringer Entfernung von der Mundöffnung einen nach innen und
unten gerichteten zahnartigen Fortsatz (Fig. 5 z).
Bei auf der Spitze stehendem Mundkegel gewährt das
Mikroskop einen ungehinderten Blick in das Innere des Trichters
und man überzeugt sich von dem Fehlen einer Maxillarbrücke , wie
ich sie bei Nesaea uncata Koenike1) beschrieb und abbildete.
Man gewahrt darin nur das Paar Luftsäcke, die nach v. Schaub's2)
Befunde ausser der Atmung auch den Mandibeln bei der Bewegung
zur Führung dienen, zu welchem Zwecke sie in die Mandibulargrube
hingreifen.
Die Mandibeln sind in den Mundkegel derart eingefügt, dass
der hintere Teil ihres Basalgliedes (Fig. 4b) vom Knie ab durch
den Mandibular-Durchlass in das Innere des Maxillartrichters hinein-
ragt, während der Vorderteil nebst dem Hakenglied (Fig. 4h) in der
Mundrinne befindlich ist. Die Oberkiefer sind hinsichtlich der Grösse
sehr wenig entwickelt. In der Gestalt gleichen sie der Sperchon-
Mandibel (vergl. 1. c. Taf. IX, Fig. 22). Das Grundglied ist äusserst
schlank und stärker gekniet als die Vergleichsmandibel. Die Knie-
partie kennzeichnet sich durch eine auffallende Schwellung, die sich
bei jeder Lage des Oberkiefers erkennen lässt. Die lange Mandibular-
grube (Fig. 4 mg), welche vor dem Knie beginnt und sich bis zum
hintern Ende des Basalgliedes erstreckt, besitzt die halbe Länge des
') Eine neue Hydrachnide aus schwach salzhaltigem Wasser. Abhliandlgn
naturw. Ver. Bremen. Bd. X. 1888, p. 276. T. III, Fig. 3mb.
2) Ueber die Anatomie von Hydrodroma (C. L. Koch). Sep. aus den
Sitzungsher. d. Kais. Akad. d. Wissensch. Wien. Bd. XCVII. 1888, p. 18. Taf.I
Fig. l Lr.
78 F. Koenike:
letzteren. Ihr Aussenrand ist nahe am hintern Ende der Grube
schwach einwärts gebogen. Das Vorderglied des Oberkiefers (Fig. 4h)
ist fast verkümmert und nur schwach hakig gekrümmt. Im übrigen
zeigt auch dieses Organ durch zwei Reihen Zähnchen auf der Breit-
seite die nahe Verwandtschaft der neuen Art mit Sperchon glandulosus
Koen. Ein Mandibularhäutchen (Fig. 4mh) am Vorderrande des
Grundgliedes ist gleichfalls vorhanden, das die gleiche Form wie bei
der Vergleichsart aufweist.
Die Palpen sind von halber Körperlänge. Ihr zweites und drittes
Glied sind an dem gegenseitigen Berührungsende stark aufgetrieben.
Jenes charakterisiert sich durch einen dem vorderen Drittel auf-
sitzenden Zapfen, welcher auf erhöhtem Grunde steht, von halber
Länge des Tastergliedes und schlanker kegelförmiger Gestalt ist
(Fig. 3); er zeigt in seiner ganzen Länge epidermoide Struktur und
entbehrt eines chitinösen Stiftes, der bekanntlich der Limnesia-
uncl Sperchon-Palpe eigen ist. Das vierte Tasterglied ist annähernd
so lang wie die vier übrigen zusammen genommen; es ist ausser-
ordentlich schlank, doch sonst ohne erwähnenswerte Merkmale. Das
Endglied (Fig. 8) besitzt nur etwa ein Fünftel der Länge des vorher-
gehenden und läuft in eine nach unten gekrümmte Spitze aus, die
etwa zu einem Drittel der Gliedlänge stark chitinisiert erscheint; an
der Stelle, wo diese Chitinisierung beginnt, steht auf der Unterseite
des Palpensegmentes ein niedriger stumpfer Höcker. Der Borsten-
besatz der Taster ist nur recht dürftig; erwähnenswert ist eine Reihe
Härchen auf der Unterseite des vorderen vorletzten Gliedes. Das
zweite und dritte Segment tragen auf der gewölbten Oberseite
mehrere kurze und kräftige Borsten.
Das Hüft plattengebiet (Fig. 1) umfasst die vordere Hälfte
der Ventralseite und bildet drei getrennte Gruppen, von welchen die
vordere aus den beiden ersten Epimerenpaaren und die zwei übrigen
je aus der dritten und vierten Hüftplatte zusammen gesetzt sind.
Das erste Coxalplattenpaar (Fig. 2) ist hinten auf einer kurzen Strecke
mit einander verwachsen; der dadurch vorn erzeugte Zwischenraum,
in den das Maxillarorgan eingelassen ist, hat eine glockenförmige
Gestalt. Die erste Epimere, welche nur eine geringe Breite besitzt,
läuft hinten in eine auswärts geschwungene Spitze aus. Die zweite
Hüftplatte ist ungefähr von gleicher Breite der ersten, jedoch kürzer,
indem sie in der durch die gekrümmte Epimeralspitze der letzteren
entstandenen Aussenbucht endigt. Die vorletzte Hüftplatte ist auf
der Innenseite kaum merklich schmaler als aussen; sie besitzt fast
die gleiche Breite der zwei ersten Platten zusammen genommen.
Die deutlich viereckige letzte Epiniere ist doppelt so breit als die
dritte. Merkwürdig ist eine in derselben nahe der vorderen Innen-
ecke befindliche Drüsenöffnung.
Die Gliedmaassen sind von gewöhnlicher Dicke und Länge.
Die drei ersten Fusspaare besitzen Doppelkrallen, während der letzte
Fuss einer solchen entbehrt; sein Endglied läuft vielmehr wie bei
Ein neues Hyrlrachniden - Genus (Teutonia). 70
den Limnesia -Arten in eine Spitze aus (Fig. 1). Jede der Doppel-
krallen (Fig. 9) hat einen langen schmalen Basaltheil, der vorn nur
unerheblich breiter ist als an seinem Insertionsende. Vorn zeigt die
Kralle zwei hinter einander gestellte Zinken, von denen die innere
knapp die halbe Länge der äussern hat. Letztere endigt in schlanker,
schwach einwärts gebogener Spitze, während die innere in breit ab-
gerundetem Ende abschliesst. Es zeigt somit die Teutonia -Kralle
im allgemeinen die Bildung der Nesaea-Kralle. Die Behaarung der
Gliedmaassen ist massig; eigentliche Schwimmborsten nimmt man
nur an den zwei hinteren Paaren wahr und zwar am vierten und
fünften Gliede; im übrigen sind dieselben nebst den zwei paar
Vorderfüssen mit mehr oder weniger kurzen Haaren besetzt (Fig. 1).
Das äussere Geschlechtsorgan liegt in seiner Vorderhälfte
zwischen den letzten Epimeren (Fig. 1 und 2). Neben der Genital -
öffnung sind jederseits drei Sexualnäpfe vorhanden, welche eine lang-
gestreckte Gestalt besitzen. Ueber dieselben greifen zwei auf . der
Aussenseite befestigte und bewegbare Klappen hinüber. Es zeigt
der Geschlechtshof von Teutonia somit eine den äusseren Sperchon-
Genitalien analoge Organisation.
Vorkommen. Teutonia primaria wurde von Herrn Dr. Zacharias
in 2 Exemplaren (1 3 und 1 ?) im Springbrunnen -Bassin der Villa
Schöffer in Gelnhausen gesammelt.
Das Männchen hat eine Körperlänge von l,i mm. Die Hüft-
platten unterscheiden sich in Form und Raumausdehnung nicht von
denjenigen des Weibchens (vergl. Fig. 1 und 2). Die in der letzten
Epimere gelegene Drüsenöffhung, deren Lage bereits oben näher
angegeben wurde, kennzeichnet sich durch einen sie einrahmenden
Hof von ansehnlicher Grösse und runder Gestalt. Es ist keiner der
vier Füsse durch Geschlechtsdimorphismus ausgezeichnet, sondern
dieselben gleichen durchaus den weiblichen Gliedmassen.
Das äussere männliche Genitalorgan besitzt zwei nach vorn sich
verschmälernde Klappen, vor denen ein durch die Haut hindurch-
scheinender kurzer flacher Chitinbogen befindlich ist. Dass Figur 1
in der That ein Männchen darstellt, bewies mir das bei dem be-'
treffenden Individuum durch die Körperhaut hindurch erkennbare
Penisgerüst, welches beim Versuch des Herauspraeparierens verloren
ging, so dass ich ausser Stande bin, etwas Näheres darüber zu sagen.
Das Weibchen ist verhältnismässig grösser als das Männchen.
Die im vordem Innenwinkel befindliche Drüsenmündung besitzt einen
Hof, der dadurch merkwürdig ist, dass er einen stielförmigen Aus-
läufer nach dem Innenrande der Hüftplatte sendet, wodurch er ein
flaschenförniiges Aussehen gewinnt (Fig. 2).
Die Genitalklappen sind zum Unterschiede von den männlichen
ihrer ganzen Länge nach gleich breit. Der vor dem Geschlechtsfelde
situierte Chitinbogen ist ausserordentlich lang und stark gekrümmt.
Bremen, im Mai 1889.
80 P- Koenike.
Erklärung der Abbildungen
auf Tafel V.
Bei der Untersuchung bediente ich mich eines Zeiss' sehen Mikroskops.
Die Zeichnungen wurden an der Hand einer Camera lucida entworfen.
f Chitinöse Hautfalte,
f'-f4 Hintere Fortsätze am Maxillarorgan.
md Mandibular-Durchlass.
mö Mundöffnung.
mr Mundhöhle.
pd Palpen - Insertionsstelle.
pz ' Aeusserer Fortsatz für den Ansatz von Tastennuskeln.
pz2 Innerer Fortsatz für den Ansatz von Tastennuskeln.
Fig. 1. Ventralseite von Teutonia primaria mihi ^; auf der linken Körper-
seite wurden die Gliedmafsen nicht gezeichnet. Vergrösserung ca. 5%.
(Objectiv a, Ocular 5).
» 2. Epimeralgebiet nebst Genitalhof von Teutonia primaria $. Vergr. 7%.
(Obj. BB, Oc. 1).
» 3. Taster von Teutonia primaria $ in seitlicher Ansicht. Vergr. imjv
(Obj. BB, Oc. 3).
» 4. Mandibel von Teutonia primaria $ in der Seitenansicht; b Basal-
glied; h Hakenglied; mg Mandibulargrube; mh Mandibularhäutchen.
Vergr. l35/t.
» 5. Maxillarorgan von Teutonia primaria $ von oben gesehen, ls Luft-
säcke; z zahnartiger Vorsprung. Vergr. 240/i. (Obj. BB, Oc. 5).
» 6. Dasselbe von unten gesehen, ph Durchscheinender Pharynx. Ver-
gröss. 24"/i.
» 7. Dasselbe von vorn gesehen. Vergr. n"l1.
» 8. Endglied einer weiblichen Palpe von Teutonia primaria. Vergr. 75"/i.
(Obj. F, Oc. 3).
» 9. Eine Doppelkralle des zweiten weiblichen Fusses von Teutonia primaria.
Vergr. »%.
» 10. Maxillarorgan von Sperchon glandulosus Koen. in der Ansicht von oben.
Vergr. 24n/1.
». 11. Dasselbe in Vorderansicht. Vergr. 240/i-
Die Japanische Bryozoenfaima. 65
Zellen, diese sind einfach, erheben sich in der Nähe des Centriims
zu verschiedener, meist bedeutender Höhe (doppelt so hoch als die
Höhe der Scheibe) und fallen nach aussen allmählich ab. Zwischen
den Reihen sind tiefe und enge Thäler. Zellmündungen rundlich.
Thäler mit 2 Reihen rundlicher, kleiner Poren.
Sagamibai, 200 Faden, selten.
4. Lichenopora novae-zelandiae Bsk. sp. Taf. II. fig. 10.
Cat. Br. Mus. III. p. 32. pl. XXX fig. 2.
Zoarium scheibenförmig, in der Mitte vertieft. Radiale Zell-
reihen einfach, etwas vorragend. Mündung der Zellen zweilippig.
Mittelfeld ohne Zellen, mit grossen Poren, die nach der Peripherie
zu kleiner werden und zwischen den Zellreihen in 1 — 2 Reihen stehen.
Rand mit einem Saum.
Maizuru, 40 Fad., selten.
Verbreitung: Neu-Seeland (Bsk.). Burmah, Hinterindien (Hcks.).
5. Lichenopora californica d'Orb. sp. Taf. I. fig. 29.
Unicavea californica d'Orbigny: Pal. Fr. p. 972.
Busk: Cat. Br. Mus. III. p. 32. pl. XXX. fig. 5.
Zoarium scheibenförmig, in der Mitte vertieft. Zellen in 2- bis
3 zeiligen radialen Reihen. Radien länger oder kürzer, wenig erhaben.
Mündungen eckig, kleiner als die grossen, eckigen Poren.
Sagamibai, 70 — 100 Fad., selten, auf Echinodermenschalen.
Verbreitung: Californien (Bsk.)
Gattung: Fasciculipora d'Orb.
Verbreitung: Süd -Amerika, Tristan da Cunha, Kön. Char-
lotte-Ins.
1. Fasciculipora simplex n. sp. Taf. IV. fig. 39.
Zoarium aufrecht, cylindrisch, kurz, einfach, aus einem einzigen
Zellbündel bestehend. Zellen mit eckigen Mündungen, sich grössten-
teils auf dem abgerundeten Gipfel, nur wenige sich seitlich und mit
runden Mündungen öffnend. Oberfläche punktiert.
Sagamibai, 200 Fad., selten.
2. Fasciculipora carinata n. sp. Taf. IV. fig. 40.
Zoarium aus einer Gruppe von gestielten, oberwärts flach-
gedrückten und blattförmig verbreiterten, etwas geteilten Zweigen
zusammengesetzt. Die Zweige sind etwa fächerförmig, der obere
Rand ist gebogen, abgestutzt. Nur auf dieser abgestutzten Fläche
finden sich die Oeffnungen der Zellen Seitlich laufen an den Zweigen
etwa fächerförmige Rippen herab, die von etwas hervortretenden
Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd. I. H. I. 5
66 Dr. A. Ortmann:
Zellbündeln gebildet werden. Zellöffnungen eckig, etwas ungleich.
In der Mittellinie der langgestreckten, mit Zellöffnungen versebenen
Gipfelfläche der Zweige verläuft eine etwas erhabene, scharfe, zellen-
lose Linie: die Trennungslinie der den beiden Seiten der Zweige an-
gehörigen Zellbündel.
Sagamibai, 70 Fad., nur ein Exemplar auf einer jugendlichen
Schnecke (Bolma modestum Thil.) aufgewachsen. Zusammen mit
Metacrinus rotundus erbeutet.
Gattung: Hypocytis nov. gen.
1. Hypocytis asteriscus n. sp. Taf. II. fig. 19.
Zoarium dünn gestielt, oberwärts in eine unregelmässige, stern-
förmige Scheibe ausgebreitet. Die Strahlen des Sternes etwas ver-
ästelt, aus Zellbündeln gebildet. Zellmündungen an der Spitze
und an der Unterseite der Strahlen. Oberfläche gestreift, nicht
punktiert.
Von der Gattung Supercytis d'Orb. (Pal. Fr. p. 1060. und Busk,
Ghali. Pol. IL p. 28) unterscheidet sich diese Gattung vornehmlich
dadurch, dass sich die Zellmündungen ausser an der Spitze der
Bündel, nur an deren Unterseite finden.
Sagamibai, 200 Fad., 2 Exemplare.
Anmerkung:
Heteropora pelliculata Waters.
Journ. E. Micr. Soc. II. p. 390. pl. 15.
== H. neozelanica Busk: Journ. Linn. Soc. Zool. XIV. p. 725. pl. 15.
Vgl. auch: Nicholson, Ann. Mag. N. H. (5) VI. p. 329.
Zoarium aufrecht, aus kurzen, divergierenden Zweigen bestehend, die von
einem dicken, kurzen Stamm entspringen und sich 1 — 2 mal dichotom teilen und
in stumpfe oder kegelförmige Spitzen endigen. Oberfläche mit einem dünnen,
kalkigen und organischen Häutchen bedeckt, das über den Cancelli von zahl-
reichen Poren durchbohrt ist.
Sagamibai, mehrere Exemplare — Nördl. Japanisches Meer und Tatar-
Golf, 14—37 Fad. (Waters.). — Neu-Seeland (Bsk.).
Meine Exemplare nähern sich in der Gestalt des Stockes mehr der H.
neozelanica Bsk. Uebrigens sind beide Arten nach Waters (cf. Nicholson
1. c. p. 339. Anmerk.) identisch.
Ob diese Form den Bryozoen zuzurechnen sei, ist mir sehr zweifelhaft
geworden, seitdem ich von Herrn Dr. D öder lein darauf aufmerksam gemacht
wurde, dass das dünne, die Oberfläche überziehende Häutchen aus 3strahligen
Spongiennadeln zusammengesetzt ist. Leider fand ich bis jetzt noch nicht die
Gelegenheit, diesen Befund näher zu untersuchen.
Die Japanische Bryozoenfanna. 67
Faimistisches.
Ueberblickt man die horizontale Verbreitung der Bryozoen, so
bemerkt man, dass von gewissen Küstenstrichen eine erhebliche Menge
von Formen bekannt sind, während andere fast leer ausgehen. Mag
dieses eigentümliche Verhalten hier und da auch auf unsere mangel-
hafte Kenntniss gewisser Gegenden zurückzuführen sein, so viel
kann man jedoch als feststehend annehmen, dass es mehrere grosse
Bryozoengebiete giebt, die sich durch besonderen Formenreichtum
auszeichnen.
Zu bemerken ist dabei, dass diese Gebiete unter sich etwa analoge
Verhältnisse darbieten: es sind Küstengebiete, die in gemässigteren
Breiten liegen, etwa südlich und nördlich von den Wendekreisen
an: in höheren Breiten hört die Reichhaltigkeit wieder auf. Solche
Küstenstriche sind folgende: im nördlichen Atlantischen Ocean: die
europäischen Küsten und besonders das Mittelmeer einerseits, ander-
seits die amerikanischen Gestade, besonders Florida; im südlichen
Atlantischen Ocean : die Südspitze Afrikas und Amerikas, an letzterer
Stelle ebenso auch an der Pacifischen Seite ; im südlichen Pacifischen
Ocean fernerhin: Neu-Seeland und das südliche Australien; im nörd-
lichen Pacifischen Ocean schliesslich: die amerikanische Küste von
Californien bis zu den Königin Charlotte-Inseln und ebenso, wie aus
meinem Material hervorgeht, die Japanischen Küsten.
Diese sieben Hauptgebiete: das europäische, Florida-, Süd-
Afrikanische, Süd- Amerikanische, Australische, Californische und
Japanische Gebiet, zeichnen sich nun keineswegs von einander durch
besonders eigentümliche Formen aus. Zwar besitzt jedes derselben
wohl eine Anzahl eigentümlicher Arten, doch nur vereinzelt kommt
der Fall vor, dass eine Gattung auf eines der Gebiete beschränkt
ist. Vielmehr sehen wir, dass, wie die meisten Familien eine geradzu
kosmopolitische Verbreitung besitzen, ebenso die meisten Gattungen
in allen diesen Gebieten vertreten sind, und selbst eine erhebliche
Anzahl von Arten wenigstens mehreren dieser Gebiete gemeinsam
ist. Besonders letzterer Umstand, dass so viele Arten eine so weit-
gehende horizontale Verbreitung besitzen, ist eine Eigentümlichkeit
der Bryozoen, wie sie in gleichem Maase wohl kaum bei einer andern
Tiergruppe wiedergefunden wird.
Getrennt werden jene sieben Gebiete einmal durch grosse Meeres-
tiefen — ein Umstand, der darin genügende Erklärung findet, dass
die üppigste Entfaltung der Bryozoen in nicht allzu grossen Tiefen
liegt, in bedeutenderen Tiefen jedoch nur wenige Formen angetroffen
werden. Anderseits scheinen- die Tropen eine Grenze für die Bryozoen-
gebiete zu bilden. Besonders ist es eine eigentümliche Erscheinung,
dass aus Gegenden, aus denen Riffkorallen bekannt sind, nur in
seltenen Fällen Bryozoen angeführt werden, und ich selbt habe mit
wenig Erfolg auf einer grossen Anzahl von Korallenstöcken nach
Bryozoen gesucht. Soviel scheint festzustehen, dass Riffkorallen und
Bryozoen sich wenigstens teilweis gegenseitig ausschliessen. Zwar
5*
68 Dr- A. Ortinann:
muss man dabei in Erwägung ziehen, dass die Riffkorallen bei
weitem nicht bis in die Meerestiefen hinabsteigen, in denen die
üppigste Entfaltung der Bryozoen zu finden ist, und es ist von vorn-
herein nicht auszuschliessen, dass auch in Korallengegenden sich in
gewissen Tiefen (100 — 300 Fad.) noch Bryozoenbänke befinden -
jedoch ist bisher nichts derartiges bekannt geworden, und unsere
Kenntnis tropischer Bryozoen beschränkt sich auf eine geringe Anzahl
von Arten.*)
Vergleicht man im Speciellen unser japanisches Material rück-
sichtlich der horizontalen Verbreitung der Formen mit den Faunen
anderer Gebiete, so ergiebt sich folgendes.
Von 18 Familien Chilostomen und 6 Familien Cyclostomen ist
Japan keine eigentümlich. Von den 36 oben angeführten Chilostomen-
gattungen sind die beiden neuen: Tremopora und Cyclostomella,
von 10 Gattungen Cyclostomen die neue: Hypocytis bisher nur von
Japan bekannt. Bei den Arten ist das Verhältnis ein anderes. Von
107 Chilostomen sind 69 neue und eine schon bekannte (Lepr.
japonica), von 30 Cyclostomen sind 16 neue nirgends anderswo ge-
funden worden. Doch ist nicht ausgeschlossen, dass manche der
neuen Formen sich auch anderweitig auffinden lassen.
Die übrigen verteilen sich auf ausserj apanische Gegenden etwa
folgendermaassen :
Von gut bekannten Bryozoengebieten hat die japanische Fauna
gemein:
mit Australien 23 Arten,
„ N. -Europa und den arktischen Gegenden 13 ,,
,, dem Mittelmeer 10 „
„ Florida 8 „
,, Süd-Amerika 5 ,,
Bei weniger bekannten Gebieten stellt sich die Sache folgender-
maassen:
mit Süd -Afrika sind 9 Arten gemeinsam,
,, dem tropisch-Indo-pacifischen Gebiet ,,9 ,, „
„ Californien „ 7 ,, ,,
,, den antarktischen Inseln .... ,,6 ,, ,,
„ den Centr.- Atlantischen Ins. u. Küsten
(Brasilien, Cap Verde, Madeira, Azoren) ,, 3 ,, „
„ China „ 1 „
Als kosmopolitische Arten wären zu nennen:
Bugula neritina,
Micropora ciliata,
Smittia trispinosa.
*) Nur im Florida - Gebiet sind neben Korallen auch zahlreiche Bryozoen
bekannt.
Die Japanische Bryozoenfatraa. fi9
Wahrscheinlich oder nahezu kosmopolitisch sind ferner:
Diachoseris magellanica: Mittelmeer, S.- Amerika, S. -Australien,
Antarktische Inseln.
Steganoporella magnilabris: Oceanien, Australien, Süd- Afrika,
Florida.
Smittia landsborovii : Antarktische Inseln, Australien, S. -Afrika,
Cap Verde, Florida, N.-Amerika, England, Arktisches Meer.
Schizoporella caecilii: Kon. Charlotte -Inseln, Australien, Rothes
Meer, Mittelmeer, N.-Europa.
Idmonea milneana: Fidji- Inseln, Australien, Antarktische Inseln,
Süd-Amerika, Florida, Azoren, Mittelmeer.
Grössere, aber zusammenhängende Verbreitung besitzen:
Menipea compacta: Kön. Charlotte-Ins., Vancouver, Californien.
Carberea lata: Neu -Seeland, Australien, Cap York, Arafura-See.
Von beschränkter Verbreitung sind:
Carberea rudis: S.- Australien,
— minima: S. -Amerika,
Flustra papyracea: N.-Europa,
Amphibiestrum perfragile: S.- Australien,
Retepora victoriensis : S. -Australien,
Lepralia foliacea: Europa,
Mucronella ellerii: S.- Australien,
Cellepora columnaris: S. -Australien,
Crisia cylindrica: Tristan da Cunha,
— eburneo-denticulata : Spitzbergen,
Idmonea rustica: China.
Entalophora delicatula: Australien,
Lichenopora californica: Cahfornien.
Die Südspitzen der Continente und die antarktischen Inseln
bewohnen :
Bugula denticulata: S.- Australien, Neu-Seeland, S. -Afrika.
Cribrilina philomela: Antarktische Inseln, S.- Australien.
Mucronella tricuspis: Prinz Edward-Ins., S.- Australien, S.-Amerika,
S.- Afrika.
Adeonella tuberculata: S.-Australien und S.-Afrika.
Als einzige fast nur tropische Form wäre
Smittipora abyssicola: Cuba, Florida, Singapur (od. Philippinen),
Burmah,
anzuführen.
Durch das Vorkommen der genannten Arten in Japan wird die
geographische Verbreitung vieler derselben von einer neuen Seite
beleuchtet. Ich verzichte jedoch darauf, an dieser Stelle näher
darauf einzugehen, da es doch noch nicht möglich ist, etwas be-
stimmteres in dieser Hinsicht festzustellen, da unsere Kenntnis der
70 Dr. A. Ortmann:
geographischen Verbreitung der Bryozoen überhaupt noch viel zu
wünschen übrig lässt.
Was die bathymetrische Verbreitung anbetrifft, so lässt sich aus
demselben Grunde nur wenig Allgemeines aussagen, obgleich bei
meinem Material bei den meisten Formen genauere Angaben vorliegen.
Als Bewohner geringer Tiefen lassen sich etwa von bekannten
Arten folgende nennen:
Bugula neritina: 4 — 10 Fad.
Amphibiestrum perfragile: 4 — 10 Fad.
Lepralia japonica: bis 50 Fad.
Von den neu beschriebenen Arten kann man selbstverständlich
nur von solchen, die in grösserer Menge gefunden wurden, die Tiefe,
in der sie vorkommen, mit Sicherheit angeben. So scheinen Bugula
lophodendron (4 — 10 Fad.), Mucronella inconspicua (bis 40 Fad.) in
grösseren Tiefen nicht vorzukommen. Schizoporella aterrima ist ein
typischer Strandbewohner.
Nur in grösserer Tiefe wurden gefunden:
Bugula japonica: 200 — 230 Fad.
Retepora anatina: 200 Fad.
,, tumida: 200 ,, (in Menge, nur selten in 40 Fad.)
„ bimunita: 200 Fad.
Reteporella dendroides: 200 Fad.
Adeonella japonica: 100 — 200 Fad.
Bei einzelnen Arten ergeben sich bei der Vergleichimg mit
andererf Fundorten mehr od. minder grosse Abweichungen:
Bugula johnstoniae Florida 16 Fad. Sagamibai 100 — 230 Fad.
Diachoseris magellauica Mittelmeer 2 — 55 „ ,, 100 „
Betepora victoriensis Australien 33 ,, \ onn
Kobibai 8—50 „ / " "UU
Die übrigen Arten zeigen entweder in der Sagamibai selbst
eine grössere senkrechte Verbreitung, oder sie stimmen — wenn es
anderweitig bekannt ist — mit dem sonstigen Vorkommen überein.
Die Einzelheiten sind oben bei jeder Art angegeben und es ist wohl
nicht nötig, sie hier noch einmal zusammenzustellen.
Schliesslich muss noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass
die zahlreichen Bryozoenarten, die auf den japanischen Lithistiden
vorkommen, vielleicht Aufschluss darüber geben können, in welchen
Tiefen diese zu suchen sind. Leider ist nur von drei der auf diesen
Spongien vorkommenden Arten die Tiefe anderweitig bekannt:
Scrupocellaria scrupea findet sich in der Sagamibai sonst in 70 Fad.
Tiefe, Carberea minima bei den Falklands -Ins. in 5 — 12 Fad. und
Cellaria tenuirostris bei Florida, S. -Amerika und S.- Australien in
höchstens 70 Fad. Hierdurch würde angedeutet, dass die betreffen-
den Lithistiden der Sagamibai daselbst verhältnismässig geringe Tiefen
(unter 100 Fad.) bewohnen, wie es auch Herr Dr. Döderlein aus
anderen Gründen für wahrscheinlich hält.
Abgeschlossen im April 1889.
Die Japanische Bryozoenfauna. 71
Erklärung der Abbildungen.
(Die Figuren sind — sofern es nicht anders angegeben ist — bei ca. lofacher
Vergrösserung gezeichnet.)
Tafel I.
Fig. 1. Menipea int^gra n. sp. la. Zoarium Vi- Ib. und lc. Zooecien
von der Vorder- und Rückenseite.
2. Menipea compacta Hcks. var. : dilatata nov. Zooecien von der
Vorderseite.
3. Scrupocellaria scrupea Bsk. var. minor nov. 3a. Zoarium */,.
3 b. u. 3 c. Zooecien von der Vorder- und Rückenseite.
>• 4. Scrupocellaria diadema Bsk. 4a. Zoarium l/,. 4b. u. 4c. Zooecien
von der Vorder- und Rückenseite.
» 5. Carberealata Bsk. 5a. Zoarium Vi- ^b. u. 5c. Zooecien von der
Vorder- und Rückenseite.
» 6. Carberea climacina n. sp. 6a. Zoarium 1/1. 6b. Zooecien von der
Vorderseite.
» 7. Carberea bursifera n. sp. 7a. Zoarium '/i- 7b. Zooecien.
•• 8. — rudis Bsk. 8a. Zoarium Vi- 8b. Zooecien.
» 9. — minima Bsk. 9a. Zoarium ljv 9b. Zooecien.
» 10. Flustra papyracea Ell. Sol. 10a. Zoarium Vi- 10b. Zooecien.
» 11. Lepralia japonica Bsk.
» 12. Cellepora triacantha n. sp. 12a. Zooecium. 12b. Deckel ca. 30/i.
» 13. — transversa n. sp. 13a. Zooecium ca. 30/l. 13b. Deckel
ca. 30/t. 13c. Avicularium ca. 30ll.
» 14. Cellepora radiata n. sp. 14a. Ooecium. 14b. Zooecium. 14c.
Deckel ca. 30/1.
» 15. Gemellaria macrostoma n. sp.
» 16. Bugula johnstoniae Gr. sp. 16a. Zoarium '/i- 16b. Zooecien
>• 17. — neritiua L. sp. 17 a. Zoarium Vi- 17 b. Zooecien.
» 18. — lophodendron n. sp. 18a. Zoarium Vi- 18b. Zooecien.
» 19. — japonica n. sp. 19a. Zoarium 7a« 19b. Zooecien.
» 20. — dentata Bsk.
» 21. — hexacantha n. sp. 21a. Zoarium l/v 21b. Zooecien.
» 22. Diachoseris magellanica Bsk.
» 23. — discodermiae n. sp.
» 24. Carbasea rhizophora n. sp.
» 25. Amphibiestrum bituberculatum n. sp'
» 26. Cribrilina philomela Bsk. var.
» 27. Retepora cornuta n. sp. 27a. eine Masche des Zoarium, 27b. u.
27 c. Ooecium von vorn und von der Seite. 27 d., 27 e u. 27 f. Avi-
cularien.
» 28. Cellepora trituberculata u. sp. 28a. Zooecien 30/r 28b. Deckel
ca. Mlt. 28 c. u. 28d. Mandibel der Avicularien ca. 80/t.
72 Dr. A. Ortmann:
Fig. 29. Lichenopora californica d'Orb. sp. 5/i-
» 30. Diachoseris hexaceras n. sp.
» 31. Flustra spoliata n. sp. 31a. Zoarium Ya. 31b. Zooecien.
Tafel IL
» 1. Catenicella elegans Bsk.
» 2. Onchoporella selenoides n. sp. 2a. Zoarium '/,. 2b. Zooecien.
» 3. Membranipora crassimarginata Hcks. var* japonica nov.
» 4. — panhoplites n. sp.
» 5. Amphibiestrum perfragile Mac Gr. sp.
» 6. Tremopora dendracantha n. gen. n. sp.
» 7. Steganoporella maguilabris Bsk. sp.
» 8. Cellaria tenuirostris Bsk. sp. 8a. Zoarium l/t. 8b. Zooecien.
» 9. Smittia adeonelloides n. sp. 9a. Zoarium '/i- 9b. Zooecium 3%.
•> 10. Lichenopora novae-zelandiae Bsk. sp. 5/t.
»> 11. Micropora lioticha n. sp. IIa. Zoarium Vi- Hb. Zooecien.
» 12. Smittipora abyssicola Sm. sp.
» 13. Cellaria triangularis n. sp. 13a. Zoarium l/a. 13 b. Zooecien 5/i-
» 14. Cyclostomella articulata n. gen. n. sp. 14a. Zoarium Vi- 14b.
Zooecien.
» 15. Tubucellaria coeca Bsk. 15a. Zoarium Vi- 15d- Zooecien.
» 16. Retepora anatina n. sp.
» 17. — sanguinea n. sp.
»> 18. victoriensis Bsk. var. japonica Bsk. 18a. jüngere
Zooecien mit Avicularien. 18b. ältere Zooecien mit Oooecien ca. 2n/i-
» 19. Hypocytis asteriscus n. gen. n. sp. 5/j.
» 20. Retepora tuinescens n. sp.
» 21. — tenella n. sp.
» 22. — bimunita n. sp.
» 23. — semispinosa n. sp.
» 24. — punctiligera n. sp.
» 25. — axillaris n. sp.
» 26. Reteporella peripherica n. sp. 26a. Zoarium Vi- 26b. Zooecien.
»27. — dendroides n. sp. 27a. Zoarium '/2- 27D- Zooecien.
»28. — minor n. sp. 28a. Zoarium '/,. 28b. Zooecien.
» 29. Cribilina reniformis n. sp.
Tafel III.
» 1. Lepralia foliacea Lamk. sp.
» 2. Myriozoum superficialen, sp. 2a. Zoarium '/i- 2b. Zooecien.
.» 3. Idmonea tenella n. sp. 3,a. Zoarium '/i- 3^ Zooecien 1U/,.
„ 4. — falciformis n. sp. 4a. Zoarium Vi- 4D- Zooecien l"/,.
» 5. Microporella ciliata Pall. sp. var. vibraculifera Hcks.
<> 6. — dimidiata n. sp.
7. Diporula coronula n. sp.
» 8. Lepralia magnicella n. sp.
9. — magalocarpa. n. sp.
»> 10. — bidentata n. sp.
Beiträge
zur
Anatomie und Entwicklungsgeschichte
von Petromyzon Planeri.
Von
Karl Nestler,
Realschuloberlehrer in Leipzig - Reuchntz.
Hierzu Tafel VI u. VII.
Literaturverzeichnis.
1. Balfour, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Uebersetzt
von Dr. B. Vetter. 2. Band.
2. Benecke, Zur Metamorphose des Flussneunauges. Zoologischer
Anzeiger von Carus. 1880.
3. Born, Ueber den inneren Bau der Lamprete. Heusingers Zeit-
schrift für organische Physik. 1. Band. 1827.
4. Do hm, Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers.
Mittheilungen aus der zoolog. Station zu Neapel:
III. Die Entstehung und Bedeutung der Hypophysis bei Petromyzon
Planeri. 1883.
V. Zur Entstehung und Differenzirung der Visceralbogen bei
Petromyzon Planeri. 1884.
VIII. Die Thyreoidea bei Petromyzon, Amphioxus und den Tuni-
caten. 1885.
XII. Thyreoidea und Hypobranchialrinne , Spritzlochsack und
Pseudobranchialrinne bei Fischen, Amphioxus und Tuni-
caten. 1887.
XIII. Ueber Nerven und Gefässe bei Ammocoetes und Petromyzon
Planeri. 1888.
5. Dröscher, Beiträge zur Kenntniss der histologischen Struktur
der Kiemen der Plagiostomen. Leipzig, 1881.
6. Fürbringer, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der
Muskulatur des Kopfskelets der Cyclostomen. Jenaische Zeit-
schrift f. Mediän u. Naturwissensch. 9. Bd. 1875.
7. Grenacher, Beiträge zur nähern Kenntniss der Muskulatur der
Cyclostomen und Leptocardier. Zeitschrift für wissenschaftl.
Zoologie v. v. Siebold und Kölliker. 17. Band. 1867.
Aich. f. Natuvgesch. Jahrg. 1890. Bd. I. H. 2. G
82 Karl Nestler: Beitrage zur Anatomie
8. Huxley, On the nature of the craniofacial apparatus of Petromyzon.
The Journal of anatomy and physiology. Vol. X. 1876.
9. Julin, a. Des origines de l'aorte et des carotides chez les poissons
Cyclostomes. Anatom. Anzeiger v. Bardeleben. 1887.
b. Les deux premieres fentes branchiales des Poissons Cyclostomes
sont-elles homologues respectivement a l'event et ä la fente
hyobranchiale des Selaciens? Bulletins de l'Academie Royale
des sciences de Belgique. 3. serie, tome XIII. 1887.
c. Quelle est la valeur morphologique du corps thyreoide des
Vertebres? Ebenda.
10. Langerhans, Untersuchungen über Petromyzon Planeri.
Freiburg, 1873.
11. Aug. Müller, Ueber die Entwicklung der Neunaugen. Ein
vorläufiger Bericht. Archiv f. Anatomie v. Joh. Müller. 1856.
12. Joh. Müller, Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Ab-
handlungen der K. Akademie d. Wissenschaften z. Berlin.
a. Osteologie und Myologie. 1834. b. Gefässsystem. 1839.
c. Eingeweide. 1843.
13. W. Müller, a. Ueber die Hypobranchialrinne der Tunikaten etc.
Jenaische Zeitschrift f. M. 1873.
b. Ueber das Urogenitalsystem des Amphioxus u. der Cyclostomen.
Ebenda. 1875.
14. W. K. Parker, On the Skeleton of the Marsipobranch Fishes.
Part. IL 1883.
15. Rathke, a. Bemerkungen über den innern Bau des Querders
und des kleinen Neunauges. Schriften d. naturf. Gesellsch. zu
Danzig. 2. Bd. 1827.
b. Bemerkungen über den innern Bau der Pricke. Danzig, 1826.
c. Anatomisch-philosophische Untersuchungen über den Kiemen-
apparat und das Zungenbein der Wirbelthiere. 1832.
16. A. Riess, Der Bau der Kiemenblätter bei den Knochenfischen.
Bonn, 1881.
17. A. Schneider, a. Ueber die Entwicklungsgeschichte von
Petromyzon. Sitzungsberichte der oberhessischen Gesellsch. f.
Natur- und Heilkunde. 1873.
b. Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungs-
geschichte der Wirbelthiere. Berlin 1879.
18. Max Schultze, Die Entwicklungsgeschichte v. P. Planeri.
Haarlem, 1856.
19. Scott, Vorläufige Mittheilungen über die Entwicklungsgeschichte
der Petromyzonten. Zoolog. Anzeiger von Carus. 1880.
20. Stannius, Ueber den Bau der Muskeln bei P. fluviatilis. Göttinger
Nachrichten. 1851.
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri.
Angeregt durch die Arbeiten von A. Riess über den Bau der
Kiemenblätter bei den Knochenfischen und von W. Dröscher über
die histologische Struktur der Kiemen der Plagiostomen, stellte ich
mir die Aufgabe, den Kiemenapparat der Petromyzonten, dieser in
vielen Beziehungen so eigentümlichen Fischgruppe, näher kennen zu
lernen. Es wurden zu dem Zwecke die einschlägigen Verhältnisse
sowohl an erwachsenen Exemplaren von Petromyzon Planeri als an
dessen Jugendform, dem Ammocoetes branchialis oder Querder,
näher geprüft. Von besonderem Interesse aber waren Übergangsstadien
zwischen beiden Formen, die ich nach vielen vergeblichen Be-
mühungen glücklicherweise in zwei verschiedenen Altersstufen — von
Mitte Juli und Ende August, und zwar aus dem schlammigen Sande
eines abgelassenen Mühlgrabens im sächsischen Erzgebirge - - er-
langte. Lezterer Umstand brachte es mit sich, dass ich im Verlaufe
meiner Untersuchungen auch auf entwicklungsgeschichtliche Momente
hingeführt wurde, von denen vor allem die Entstehimg des bekannt-
lich nur den ausgebildeten Petromyzonten eigenen Ösophagus meine
Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
Die Arbeiten wurden im zoologischen Institut der Universität
zu Leipzig unter der Leitung meines hochverehrten Lehrers, des
Herrn Geheimrat Prof. Dr. Leuckart, ausgeführt, dem ich nicht
bloss einen grossen Teil des benutzten Materials und der nötigen
litterarischen Hilfsmittel verdanke, sondern der mir auch mit seinem
Rate und seiner reichen Erfahrung stets in der freundlichsten Weise
zur Seite stand. Es ist mir eine angenehme Pflicht, ihm an dieser
Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Auch dem Assistenten,
Herrn Dr. Looss, der mich ebenfalls mit Material von Ammocoetes
reichlich unterstützte, fühle ich mich zu grossem Dank verpflichtet.
Die Methode der Untersuchung bestand hauptsächlich in der
Anfertigung von Schnittserien nach der üblichen Weise, die nach-
träglich mit ammoniakalischem Karmin gefärbt und in Kanadabalsam
eingeschlossen wurden. Doch habe ich auch behufs Orientierung
über die gröberen Verhältnisse zu Messer und Loupe meine Zuflucht
genommen. Injektionen sind nicht ausgeführt worden, da mir eines-
teils lebende Tiere nicht zur Verfügung standen, andernteils aber die
Blutgefässe wegen ihrer prallen Füllung mit Blut verhältnismässig
leicht zu verfolgen waren.
6*
84 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
Allgemeines.
Die Kiemenhöhle von Amniocoetes ist ein fast cylin drischer,
langgestreckter Raum, vorn durch zwei mächtige, muskulöse Schleim-
hautfalten, das sogenannte Mund- oder Schlundsegel (Velum), von
der Rachenhöhle geschieden, hinten an den Herzraum grenzend.
Seitlich ausgestülpte, senkrechte und etwas nach vorn gerichtete
Querwände teilen denselben in jederseits sieben hinter einander
liegende Kiemensäcke. Letztere stehen nach innen durch breite,
hohe Spalten mit dem Bronchus oder Kiemendarm in direkter Ver-
bindung, während sie durch kleine rundliche Öffnungen nach aussen
münden.
Die innere Oberfläche der Kiemensäcke wird durch Falten-
bildung bedeutend vergrössert. Auf ihrer vordem und hintern,
obern und untern Seite erheben sich bandförmige Kiemenblätter,
die, mit einer ihrer Langseiten angeheftet, von innen nach aussen
durch den ganzen Kiemensack ziehn. Die mittleren und zugleich
grössten liegen horizontal, die übrigen, nach oben wie unten an
Grösse abnehmend, neigen sich mit ihrem freien Rande der Mitte
des Kiemensackes zu. Die Schleimhaut der Kiemenblätter ist wiederum
auf beiden Seiten in zahlreiche parallele Fältchen zusammengelegt,
in denen sich das Kapillarnetz ausbreitet. Diese Falten alternieren
genau, so dass immer zwischen zweien der einen Seite eine der
andern steht (vergl. Fig. 4). Sie nehmen nicht die ganze Breite der
Blätter ein, lassen vielmehr das der angewachsenen Kante zunächst
liegende Viertel frei.
Auf der vordem und hintern Seite der Diaphragmen haben die
Kiemenblätter eine verschiedene Form; auf dieser sind sie /"-förmig, auf
jener hingegen besitzen sie die Gestalt eines nach vorn offenen
Halbmondes, weshalb Rathke (15a) den Horizontalschnitt durch
einen Kiemenbogen (durch eine „Kieme", wie er ihn nennt) nicht
unpassend mit einem dreilappigen Pflanzenblatt verglich (Fig. 1).
Die mittleren Blätter sind nicht ihrer gesamten Länge nach an-
gewachsen; fast die ganze äussere Hälfte bleibt frei und ist etwas
nach innen zurückgebogen. Dadurch entsteht zwischen diesen freien
Enden und der Kiemensackwand , rings um die äussere Kiemen-
öffnung, ein linsenförmiger Raum, dessen grössere Durchmesser senk-
recht und längs gerichtet sind, und den man als „Vorkammer" des
Kiemensacks bezeichnen könnte (Fig. 1. 5 u. 6 V). Rathke kannte
jene Einrichtung auch schon und meinte, das Wasser könne auf
solche Weise leichter ein- und ausströmen. Da wir jedoch diese Vor-
kammern später bedeutend reduziert finden, ohne dass die Atmung ge-
hindert scheint, so wird diese Ansicht hinfällig. Ich glaube vielmehr,
dass infolge des schnellen Wachstums der Larve*) sich auch die
*) Sie ist nach Benecke's Angaben und meinen eignen Beobachtungen im
ausgewachsenen Zustande bedeutend grösser als das geschlechtsreife Tier.
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planen. 85
Kiemenblätter rasch vergrössern müssen, um das Atmimgsbedürfnis
zu befriedigen, während die als Ansatz und Stütze dienenden
Diaphragmen zurückbleiben. Mit der stärkeren Entwicklung der letzteren
bei Petromyzon sehen wir darum auch die Vorkammern schwinden.
Vom Mundsegel bis in den Mageneingang zieht sich eine dicke
Falte längs der Decke der Kiemenhöhle hin (vergl. Fig. 5 u. 7). Oben
heftet sie sich an die Bindegewebsscheide der Chorda dorsalis; ihr
Epithel geht in das des Bronchus und der Kiemensäcke über. Lockeres,
von vielen, ziemlich weiten Blutgefässen durchzogenes Bindegewebe
füllt ihr Inneres aus. Im Grunde verläuft die Aorta; der centrale
Teil aber zeigt oft Anhäufungen von sternförmigen Pigmentzellen, die,
wenn man Querschnitte mit blossem Auge oder nur mit der Loupe
betrachtet, einen Hohlraum vortäuschen, weshalb denn wohl auch
Rathke, der diese Falte entdeckte, in ihr einen Blutbehälter vermutete.
Wir werden später auf dieses Organ zurückkommen.
Der ventrale Teil der Kiemenhöhle wird ebenfalls von einer
Falte eingenommen, die schon in der Rachenhöhle als schmale, hohe
Kante beginnt und sich, allmählich flacher werdend, bis zum
Thyreoidea -Eingang zieht. Hinter demselben erhebt sie sich zu
einem mächtigen, breiten Wulst, wird jedoch an der 6. inneren
Kiemenspalte wieder schmal und hoch. An der hintern Wand der
Kiemenhöhle steigt sie endlich senkrecht auf, sich in eine rechte und
linke Lippe teilend, welche den Mageneingang bilden und oben mit
dem Grunde der dorsalen Falte verschmelzen (Fig. 10. 1 u. 7 Ds).
Der mittlere, voluminöse Teil der ventralen Falte enthält eine
ihrer Bedeutung nach noch rätselhafte Drüse, die Thyreoidea. Von
ihrem Ausführungsgange zwischen der 3. und 4. innern Kiemen-
Öffnung an ziehen zwei parallele wimpernde Rinnen nach vorn und
steigen an den innern Kanten des ersten Diaphragmenpaares, un-
mittelbar hinter der Anheftimgslinie des Mundsegels auf. Betreffs
des weiteren Verlaufs dieser „Wimperschnüre" verweise ich auf
A. Schneider (17b, S. 84), den Entdecker derselben. Ich erwähne
sie hier nur deshalb, weil W. Müller (13a) sie als Homologon der
Hypobranchialrinne des Amphioxus und der Tunikaten ansieht,
A. Do hm aber ihren am ersten Diaphragma aufsteigenden Teil für
den Rest einer ursprünglich vor der ersten bleibenden angelegten
Kiemenspalte erklärt, die er Hypobranchialspalte nennt und der
Spritzlochspalte der Haifische an die Seite stellt. Über diese mut-
massliche achte Kiemenspalte der Cyclostomen vergleiche man be-
sonders die Arbeiten von W. Scott (19), Huxley (8 u. a. a. 0.),
W. Parker (14, S. 445— 46. 448) und A. Dohrn (VIII. St. S. 49 ff,
XII. St., XIII. St. S. 234 u. a. a. 0.) dagegen Ch. Julin (9 b u. c).
Die Kiemenhöhle von Petromyzon (Fig. 2) zeigt andere Ein-
richtungen als wie sie bisher von Ammocoetes beschrieben worden
sind. Vor allem entwickeln sich hier die Diaphragmen zu grosser
Mächtigkeit, so dass die Kiemenblätter Platz gewinnen, sich ihrer
ganzen Länge nach anzuheften. Dies bringt nicht bloss die linsen-
g(3 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
förmigen Vorkammern der Kiemensäcke zum Verschwinden, sondern
hat auch eine Formveränderung der Kiemenblätter im Gefolge, die
jetzt als langgestreckte, fast gerade, an beiden Enden verjüngte
Lamellen erscheinen. In jedem Kiemensack ist das in der Höhe der
äusseren Kiemenöffhung stehende Kiemenblatt mit Ausnahme des
innersten, dem Bronchus zugekehrten Abschnittes in zwei über-
einander liegende Blätter gespalten, die nach der äusseren Kiemen-
Öffnung zu ziemlich weit auseinander rücken und sie von oben und
unten einfassen. Die zugehörige Arterie und Vene sind am innern
Ende gemeinschaftlich, am äussern natürlich doppelt (Fig. 8 rechts).
Die innern, kiemenblattfreien Bänder der Diaphragmen dehnen
sich ebenfalls, besonders in der Längsrichtung des Körpers, aus, ja
sie wachsen oben und unten vollständig mit den vor und hinter
ihnen liegenden zusammen. Auf diese Weise schliessen sich die
Kiemensäcke bedeutend vollständiger vom Bronchus ab, als das bei
Ammocoetes der Fall war. Die innern Kiemenötfnungen werden
dadurch zu kleinen, senkrechten, elliptischen Spalten, der Bronchus
selbst zu einem engen Kanäle, dessen Boden und Decke durch die
Kanten der ventralen, bezüglich dorsalen Falte gebildet sind. Be-
sonders zu beachten ist, dass der Mageneingang sich durch gleiche
Ausdehnung und Verwachsung der ihn umgebenden „Lippen" völlig
schliesst, dass ferner der Kiemenarterienstamm wie die Kiemen-
schlagadern in Lage und Verteilung bedeutend von den Verhältnissen
bei der Jugendform abweichen und dass endlich auch das Ver-
dauungsrohr eine völlige Umgestaltung erfährt. Doch wird von
diesen Thatsachen späterhin ausführlicher die Rede sein.
Kiemenskelett.
Die Petromyzonten besitzen zum Schutze und zur Stütze des
Kiemenapparates einen ziemlich komplizierten Kiemenkorb. Ob
derselbe ein „äusseres Kiemengerüst" darstellt, dessen Reste sich
unter den Wirbeltieren in den „äusseren Kiemenbogen" der Selachier
noch vorfinden, wie Rathke (15a u.c), Cuvier1), Born (3), J.Müller
und besonders Gegenbaur2) und Balfour(l) annehmen, oder ob er
wirklich den innern Kiemenbogen der übrigen Fische und insbesondere
denen der Selachier entspricht, wie Dohrn in seiner V. Studie
S. 155/56 u. a. 0. nachzuweisen versucht, wage ich nicht zu ent-
scheiden, obwohl die erstere Meinung mehr für sich zu haben scheint.
Bei Ammocoetes besteht der Kiemenkorb nach A. Schneider
(17 b S. 56) „jederseits aus sieben queren Knorpelstäben, welche von
der Chorda nach der Mittellinie verlaufen. Dieselben sind durch vier
Längsstäbe verbunden; der eine verbindet die unteren, der andere
') Duvernoy, Lecons d'Anatomie coinparee de Cuvier. Tom 7.
2) Grundriss der vergleichenden Anatomie. 1874. S. 483.
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri. 87
die oberen Enden. Zwei verlaufen seitlich über und unter den
Kiemenlöchern; die beiden untern sind vollständig ausgebildet. Der
obere Längsstab ist immer in der Mitte zwischen zwei Querstäben
unterbrochen, der folgende an der hintern Seite jedes der Querstäbe.
Die beiden mittleren Längsstäbe setzen sich noch etwas nach vorn
fort und vereinigen sich bogenförmig vor dem ersten Kiemenloche.
Die beiden Hälften des Kiemenkorbes sind am Bauche getrennt.
Am fünften und sechsten Kiemenloch berühren sie sich in der in der
Figur angedeuteten Weise."
Rathke, der diesen Apparat auch schon ziemlich ausführlich be-
schrieb und abbildete, (13a, S. 73), hat die obern Längsstäbe nicht
gesehn, verweist aber auf Meckel, der bei P. marinus einen gelb-
lichen, dreikantigen Streifen an jeder Seite des knorpligen Rohres
bemerkt habe.
Schneider erlangte seine Präparate durch längeres Kochen
in Eisessig, während ich die Form des Skelettes aus Serien von
Längs- und Querschnitten konstruiert habe. Obgleich ich wesent-
lich zu denselben Resultaten gelangt bin, weichen doch meine Be-
obachtungen in einigen Punkten von den seinigen ab. Ich finde den
oberen Längsstab bei Individuen von 9 — 20 cm Länge, die ich unter-
sucht habe, nicht regelmässig zwischen zwei Querstäben unterbrochen,
sondern nur hinter dem ersten. Doch deutet sein Dünnerwerden
nach jedem der folgenden Bogen darauf hin, dass die Schneidersche
Darstellung jedenfalls für noch jüngere Tiere Giltigkeit hat. Damit
stimmt auch die Angabe Dohrns überein (V. St. S. 156), dass die
Kiemenbogenknorpel sich in der Mitte zuerst anlegen und nach
beiden Seiten, ventral- und dorsalwärts, wachsen. Die Unterbrechimg
hinter dem ersten Querstabe, dem Glossopharyngaeusbogen Dohrns
(XIII. St. S. 252), ist dagegen stets vorhanden und zwar nicht bloss
bei grossen Exemplaren von Ammocpetes, sondern — wie ich voraus
bemerken will — auch bei allen Übergangsstadien und bei Petro-
myzon. Sie findet sich da, wo der untere Ast der Vena jugularis
von seiner Lage unter dem Schädelbalken aufsteigt, um sich mit
dem oberen zu einem gemeinsamen Stamme zu verbinden. Der erste
Querstab steigt an dieser Stelle etwas höher als die vorhergehenden
aufwärts, bis er an der Seite der Chorda nach vorn umbiegt und in
die Basilarknorpel des Schädels übergeht. Ich betone diesen Um-
stand ausdrücklich, weil W. Parker (14, Tfl. 25. Fig. 8) das Skelett einer
sechs Zoll langen Larve von P. fluviatilis mit völlig ununterbrochenen
oberen Längsstäben darstellt, was den Verhältnissen bei P. Planeri
nicht entspricht.
Schneider berichtet ferner (I.e. S. 56): „In dem Perichondrium
von Ammocoetes kommt ein Gewebe vor, welches ich als Schleim-
knorpel bezeichne und welches die Stellen andeutet, in welchen beim
Übergang in Petromyzon der Knorpel weiter wächst oder sich neu
bildet. Durch Schleimknorpel sind zunächst in der Bauchfläche die
beiden Hälften des Kiemenkorbes verbunden. An seinem vorderen
gg Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
Rand setzt sich der Kiemenkorb in einen Schleimknorpel fort, welcher
sich mit dem der Bauchseite vereinigt. Dadurch entsteht eine
rinnenförmige Platte, deren Ränder in der Gegend der Ohrkapsel
sich an den Schädel anlegen . . . Der seitliche Knorpelstab liegt eben-
falls in diesem Vorknorpel. Von dem Knorpelstab an nach vorn
senkt sich der Rand dieser Kiemenplatte, wie wir sie nennen wollen,
nach abwärts." — Dass sich die Ränder der „Kiemenplatte" am
vorderen Rande der Ohrkapsel an den Schädel anlegen und hier den
von Langerhans entdeckten Knorpelstab, das Hyoidstück Fürbringers,
einschliessen , kann ich bestätigen. Jedoch habe ich gefunden, dass
sich der Kiemenkorb nach vorn nicht unmittelbar in den Schleim-
knorpel fortsetzt, sondern dass vor dem ersten Querstabe und rings
um die von den mittleren Längsstäben gebildete Ose ein schmaler
Zwischenraum frei bleibt. Nur über der letzteren zieht sich ein Knorpel-
band rückwärts und setzt sich an den obern Teil des ersten Quer-
stabes an. Rathke scheint dasselbe gesehn, aber den Vorknorpel
für eigentlichen Knorpel gehalten zu haben, wenn er sagt: „Ganz
vorn endlich biegt sich ein jeder dieser letzteren eine Art Brustbein
vorstellenden Knorpelstäbe bogenförmig erst nach oben und dann
nach hinten um und verfliesst zuletzt mit der vordem Biegung des
vorderen oberen Knorpelstreifens seiner Seite (15 a, S. 73 und Ab-
bildung).
Das Kiemenskelett von Petromyzon ist schon oft Gegenstand der
Untersuchung gewesen. Es mögen vor allem die Namen Rathke,
Born, J. Müller und aus neuester Zeit A. Schneider und Parker ge-
nannt sein. Darum bleibt mir nicht viel übrig, als auf die Dar-
stellungen desselben von P. fluviatilis durch Schneider und besonders
auch von P. marinus durch Born (3) und W. Parker (1. c. S. 41 8 ff.,
Tfl. 18. Figur 1) zu verweisen, mit denen dasjenige von P. Planeri
ziemlich genau übereinstimmt. Jedoch sind die beiden Hälften des
Kiemenkorbes nicht längs der ganzen ventralen Mittellinie verwachsen,
sondern nur an drei Punkten, zwischen dem 4. und 5., 5. und 6.,
6. und 7. Querstabe. Die seitlichen Fortsätze an den Querstäben be-
schränken sich auch auf der Vorderseite meist auf je zwei, und der
obere Längsstab ist - - wie ich schon oben betont habe und hier
wiederholen will — hinter dem ersten Querstabe, wo sich der untere
Jugularvenenast mit dem obern vereint, in derselben Weise unter-
brochen wie bei Ammocoetes.
Die Veränderungen des Kiemenskelettes während des Über-
ganges von Ammocoetes in Petromyzon, wie: Ausbildung des knorp-
ligen Herzkorbes, Auftreten von Fortsätzen an den Querstäben, Ent-
stehung eines achten Bogens vor der ersten bleibenden Kiemen-
öffnung, sind bekannt, und ein Eingehen darauf erscheint über-
flüssig. Bezüglich des letzteren, des Zungenbeinbogens („hyoid part
of the basket work", the „extra-hyal", Parker) will ich nur be-
merken, dass er in dem hinteren, aufsteigenden Rande der von
Schneider beschriebenen Vorknorpelplatte entsteht und zwar ebenso
und Entwicklungsgeschichte von Petrorayzon Planeri. 89
wie nach Dohrn die übrigen Bogen, d. h. in der Mitte beginnend.
Später erst verbindet sich sein unteres Ende korplig mit den untern
Längsstäben und das obere lehnt sich an das inzwischen bedeutend
vergrösserte Hyomandibulare (Fürbringer; epi-hyal, Parker).
Die von den mittleren Längsstäben gebildete Ose um die erste
Kiemenöffhung zeigt bei Ammocoetes vorn eine kleine Vorknorpel-
spitze. Diese verlängert sich während der Metamorphose nach vorn
bis zur Vereinigung mit dem Zungenbeinbogen; das oben erwähnte
Knorpelband über ihr verschwindet jedoch. Schneider hat dies aller-
dings nur kurze Verbindungsstück wahrscheinlich nicht beachtet (ver-
gleiche seine Tfl. 10, Fig. 1.); denn da es Born und Parker von P.
marinus abbilden, wird es sicher auch bei P. fluviatilis, dessen
Skelett Schneider darstellt, vorhanden sein.
Einen besonderen Knorpel von ringförmiger Gestalt um die
äussern Kiemenöffnungen beschreibt Born (1. c.) bei P. marinus. Ein
solcher findet sich auch bei P. Planeri. Er ist hier entweder eben-
falls ringförmig oder hat die Gestalt eines nach hinten geöffneten
Hufeisens, das mit seinen Schenkeln die Kiemenöffnung oben und
unten umfasst und offen hält (in Fig. 9 Rk, quer durchschnitten).
Bau der Kiemensäcke.
a. Diaphragmen.
Die Diaphragmen, welche eine Sonderung des ganzen Kiemen-
raumes in jederseits sieben Kiemensäcke herbeiführen, haben bei
Ammocoetes und Petromyzon nicht ganz gleichen Bau.
Bei ersterem steigen starke, knorplige Querstäbe, deren schon
beim Skelett Erwähnung geschehen ist, im äusseren Rande der
Diaphragmen auf und stützen sie. Dieselben sind vielfach hin und
her gekrümmt, weisen aber besonders zwischen den beiden mittleren
Längsstäben eine starke, nach innen gerichtete Biegung auf, zum
Verschluss der äussern Kiemenöffnungen in naher Beziehung stehend.
Ihr Perichondrium geht in lockeres Bindegewebe über. Derjenigen
Masse des letzteren, welche sich zwischen äusserer Kiemensackwand
und Körpermuskulatur von einer Kiemenöffnung bis zur nächst-
folgenden hinzieht, ist der mächtig entwickelte äussere Kiemenmuskel
oder Konstriktor (Fig. lmc) eingelagert. Er wird vom Knorpelbogen
in einen vordem kleinern (mc1) und hintern, viel grösseren Abschnitt
(mc11) geteilt. Nach aussen von demselben nehmen zahlreiche,
dünnwandige Bluträume und grosse Fettzellen die Maschen des
Bindegewebes ein; auf seiner Innenseite aber spaltet sich letzteres
in zwei Lagen, die, durch einzelne Fäden und Stränge vereinigt,
einen zusammenhängenden Blutraum (Blr) einschliessen. Der innern
Schicht liegt das Kiemensackepithel unmittelbar auf, die äussere geht
in die Fascie der Muskelbündel des Konstriktors über. Durch einen
schmalen Isthmus zieht sich das Bindegewebe in den mittleren Teil
des Diaphragmas hinein, den tiefen Kiemenmuskel (madd) und die
90 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
seiner Innenfläche anliegende Arteria branchialis (abr) einhüllend.
Während sich nun das Bindegewebe auf der Aussenseite des eben-
genannten Muskels ebenfalls in zwei Lamellen sondert, denen einer-
seits wiederum Kiemensackepithel , andrerseits die Kiemenblätter in
ihrer äusseren Hälfte aufsitzen, zieht es auf der Innenseite desselben als
einfache, dünne Platte bis in den faltenfreien Diaphragmensaum.
Es umgiebt hier die Kiemenbogenvene (vbr), wird aber im übrigen
von zahlreichen Blutgefässen durchzogen. Oben und unten geht das
Bindegewebe der Diaphragmen ununterbrochen in das der dorsalen
und ventralen Falte des Kiemenraumes über.
Den Diaphragmen gleichen in vielen Beziehungen die oben
erwähnten Lippen, in welche sich die ventrale Falte bei ihrem Auf-
steigen an der hinteren Wand des Kiemenraumes teilt (TU. VI Fig. 10
u. 1, Tfl. VII Fig. 7 D8). Sie sind im Wesentlichen ebenso gebaut.
Diese Übereinstimmung wird dadurch noch grösser, dass sich auf
ihren Aussenseiten Kiemenblätter entwickeln. Ja, ihre aufgeworfenen
Ränder tragen sogar die von Schneider entdeckten Wimperschnüre
in derselben Weise wie die übrigen Bogen (Fig. lw). Schneider hat
das offenbar übersehen, wie aus seiner Darstellung auf Seite 84
hervorgeht. Überhaupt ist seine ganze Abbildung des Magen-
einganges nicht recht klar. Er zeichnet ihn (Tfl. II Fig. 4) als enge
Öffnung, während er doch in Wirklichkeit ein ziemlich hoher, senk-
rechter Spalt zwischen den beiden Lippen ist und allmählich erst in
den engen Kanal des Magens übergeht (Tfl. VI Fig. 10 u. Tfl. VII.
Fig. 7 me). Wir können demnach mit Ch. Julin (9b, S. 10 u. 9)
die beiden Lippen geradezu als letztes (achtes) Diaphragmenpaar be-
zeichnen. — Die vorderste Wand der Kiemenhöhle, welche zugleich
dem Mundsegel als Anheftungsstelle dient, auf ihrer hinteren Seite
aber ebenfalls Kiemenblätter trägt, muss dann als erstes Diaphragma
betrachtet werden, so dass deren im ganzen acht existieren.
Das bei Ammocoetes nur spärlich entwickelte Bindegewebe der
Diaphragmen vermehrt sich während der Metamorphose ganz be-
deutend (Fig. 2). Die Kiemenblätter, denen so eine kräftigere und fiächen-
haftere Stütze geboten wird, heften sich fast bis zum äussersten
E»de an und bringen dadurch die oben als Vorkammern bezeichneten
Räume zum Verschwinden. Ferner rückt der tiefe Kiemenmuskel,
sich gleichzeitig in die Breite ziehend, viel weiter nach innen. Dabei
drängt er die Arteria branchialis vor sich her, bis sie neben die
Kiemenbogenvene zu liegen kommt. Ebenso rückt der vordere Teil
des Konstriktors weiter ins Innere des Diaphragmas, den Kiemensack
jetzt von aussen und vorn umfassend. Der vor dem Knorpelbogen
liegende Teil desselben aber tritt zu dem nächstvorderen Kiemensack
in engere Beziehung.
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planen. 91
b. Muskeln.
Die Muskulatur des Kiemenkorbes der Petromyzonten hat Rathke
(15 b) zuerst untersucht und beschrieben. Er unterschied sieben Paar
Kiemenmuskeln, deren jeder der Länge nach in drei Abschnitte ge-
teilt sein soll. Später sah er den Irrtum dieser Angabe ein und
schloss sich (15a und c) der von Born (1. c.) vertretenen Ansicht von
dem ungeteilten Verlauf der Muskeln an. J. Müller (12a) studierte
die Kiemenmuskulatur der Petromyzonten ebenfalls, besonders, um
sie mit derjenigen der Myxinoiden zu vergleichen. Er fand: „Bei den
Petromyzonten kommen auch Konstriktoren der Brustfellsäcke
vor, welche Rathke nicht beschrieben hat (1. c. S. 277). Die zarten
Muskelfasern, welche auf die Brustfellsäcke wirken, liegen teils an
der inner n Wand der Brustfellsäcke und gehn von der untern
Wand derselben bis zur untern Fläche der Wirbelsäule, wo sie sich
inserieren; teils liegen sie zwischen den Blättern der Scheide-
wände und haben denselben Ursprung und Insertion. Von aussen
werden die Brustfellsäcke .... durch den sehr muskulösen Apparat
des knorpligen Kiemenkorbes zusammengedrückt."
Nachdem Stannius (20) die eigentümlichen hohlen Fasern an den
Augenmuskeln von P. fluviatilis entdeckt und Grenacher (7) dies be-
stätigt hatte, wies Langerhans (10) nach, dass derartige Fasern auch
in dem äussern Kiemenmuskel zu finden seien. Dieser Muskel be-
stehe aus zwei Lagen, einer oberflächlichen und einer tieferen. Die
oberflächliche Lage setze sich aus 12 — 15 kleinen Bündeln zusammen,
von denen jedes ungefähr ein Dutzend Elemente enthalte. Dieselben
gleichen vollkommen denen der Augenmuskeln. Die tiefere Lage
des Muskels bestehe aus einer kontinuierlichen Lage gewöhnlicher
Primitivbündel. Darunter soll nun noch ein eigenes Muskelsystem
der Kiemensäcke, liegen, das von J. Müller entdeckt worden sei
(vergl. oben). Über dasselbe sagt er: „Es besteht aus einem
Muskel, der in der Scheidewand zwischen zwei Kiemensäcken ver-
läuft und eine sichelförmige platte Muskelmasse darstellt, deren
Elemente gewöhnliche Primitivbündel sind, ferner aus einem eignen
Konstriktor eines jeden Kiemensacks, der genau wie der oben
erwähnte Scheidewandmuskel in der vertikalen Richtung seiner
Fasern wie in ihrem ungeteilten Verlauf vollkommen mit den
Konstriktoren des Kiemenkorbes übereinstimmt, aber aus Fasern mit
persistentem körnigen Cylinder besteht. Diesem Konstriktor des
Kiemensackes sitzen die einzelnen transversalen Kiemenblättchen
unmittelbar auf." „Der eben besprochene Abschnitt der Kiemen-
muskulatur ist bei Ammocoetes und Petromyzon vollkommen gleich
gebildet," fügt er hinzu.
In Dohrn's V. Studie zur Urgeschichte der Wirbeltiere finden
sich auf S. 153/54 Angaben über die Muskelverhältnisse sehr junger
Ammocoeten. Es wird eine äussere, „parietale", hohlfaserige und
eine innere, „viscerale", aus gewöhnlichen Fasern gebildete Schicht
92 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
unterschieden, die durch den Kiemenknorpel in ein proximales und
distales Stück getrennt werden. Ersteres wird später (S. 155) als
Adduktor, letzteres als Konstriktor aufgefasst.
Der von allen genannten Forschern erwähnte äussere Konstriktor,
sowie seine Zusammensetzung aus zwei verschiedenen Lagen sind
leicht zu bemerken; zu ihm gehört wahrscheinlich der vor dem Knorpel-
bogen gelegene hohlfaserige, parietale Teil des Dohrn'schen Adduktors.
Ebenso findet man unschwer den Scheidewandmuskel, der dem
visceralen Teil des Dohrn'schen Adduktors entsprechen dürfte, da
seine Elemente gewöhnliche Primitivbündel sind. Betreffs des eignen
Konstriktors eines jeden Kiemensacks jedoch gehen die Angaben von
J. Müller und Langerhans auseinander. Nach ersterem liegt ein
Teil desselben zwischen den Blättern der Scheidewände; er ist wohl
nichts anderes, als der tiefe Kiemenmuskel (madd) oder der Adduktor
Dohrn's. Der andere Teil liegt an der innern Wand der Brustfell-
säcke, und diesen allein bezeichnet Langerhans als „eignen Konstriktor
der Kiemensäcke", der sowohl bei Petromyzon als Ammocoetes vor-
kommen soll. — Ich muss offen gestehn, dass ich diesen Muskel,
wenigstens bei Ammocoetes, nicht finden kann. Unter den gewöhnlichen
Fasern des äusseren Konstriktors ist allerdings eine aus hohlen Fasern
gebildete Schicht vorhanden; aber sie findet sich nur im oberen und
unteren Teil der Kiemensackwände. In der Mitte dagegen greifen die
Bündel dieser Schicht durch die aus gewöhnlichen Fasern bestehende
Muskellage hindurch und liegen nun aussen von ihr (Tfl. VI Fig. 5 u. (5 ;
TU. VII Fig. 8 mch). Auf Horizontalschnitten findet man darum in
der Höhe der Kiemenöffnung die hohlen Fasern aussen (Fig. lmch),
über (Fig. 2 mch) und unter dem Niveau der Kiemenöffnung innen,
und hier sitzen ihnen die Kiemenblätter auf. Die hohlfaserige Schicht
ist also nichts anderes, als ein jedenfalls zum Verschluss der äusseren
Kiemenöffnungen in Beziehung stehender Teil des äusseren Kon-
striktors. Die über und unter der Kiemenöffnung nach innen durch-
greifenden hohlen Faserbündel (mch) sind höchst wahrscheinlich der
„eigene Konstriktor der Brustfellsäcke", welchen Langerhans gesehen hat.
Bei Petromyzon ist freilich unter dem äusseren Konstriktor noch
eine besondere kontraktile Schicht vorhanden; ich halte sie jedoch
für eine Neubildung. Da man bei Übergangsstadien, wie weiter
unten noch erwähnt werden soll, vielfach beobachten kann, wie in
dem Bindegewebe Muskelfasern entstehen, so glaube ich, dass auch
hier derselbe Vorgang stattfindet, dass sich nämlich während der
Metamorphose die Zellen der Bindegewebslamellen, welchen bei
Ammocoetes die Kiemenblätter aufsitzen (Fig. 1, b), vermehren, samt
ihren Kernen in die Länge strecken und nun bald glatten, bald
hohlen Muskelfasern gleichen. Diese Schicht kann jedoch Langer-
hans nicht wohl gemeint haben, da sie bei Ammocoetes vollständig
fehlt, und da andrerseits die Richtung ihrer Fasern nicht überall
mit der des Konstriktors übereinstimmt, sondern jene stellenweise
fast rechtwinklig kreuzt (Fig. 9 mcp).
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planen. 93
Wenn Schneider (1. c. S. 60) nach der Arbeit von Langerhans
behauptet, bei Petromyzon seien alle visceralen Muskeln solid, so
hat er entschieden Unrecht. Die hohlen Fasern sind hier in der-
selben Menge und Anordnung vorhanden wie bei Ammocoetes, nur
ist ihr Durchmesser bedeutend verringert.
Ausser dem eben erwähnten, nur Petromyzon eigenen zarten
Kiemensackmuskel haben wir also bei Petromyzon und Ammocoetes
einen äusseren, zweischichtigen Kiemensackmuskel (Konstriktor) und
einen in der Tiefendes Diaphragmas liegenden Muskel (Adduktor,
wie ihn Dohrn in Übereinstimmung mit der Bezeichnungsweise bei
den Salachiern nennt) zu unterscheiden. Die Insertion derselben
(Fig. 5 — 8) erfolgt oben an den Längsstäben des Kiemenkorbes,
ausserdem aber an dem Bindegewebe, welches die Chorda und die
vorderen Vertebralvenen umgiebt. Die vor dem Knorpelstabe
liegende, nur aus hohlen Fasern bestehende Portion des Konstriktors
(Fig. 1 u. 5mcrh) schickt bei Ammocoetes zwar einen kleinen Teil ihrer
Sehnenfasern nach dem oberen Längsstab, die Hauptmasse jedoch
greift zwischen Chorda und Aorta hindurch und vereinigt sich mit
derjenigen der andern Seite; bei Petromyzon ist auch dieser Teil
wie die übrigen Muskeln befestigt. Nach Dohrn (V. St. S. 154) in-
serieren sich alle visceralen Muskeln erst sehr spät an einzelnen
Stellen der Knorpelstäbe; anfänglich ziehen sie am Knorpel vorbei
und verschmelzen am Bauch wie am Rücken mit denen der andern
Seite, so dass grosse Schleifen zustande kommen, ähnlich wie bei
den Myxinoiden.
Unten erfolgt die Insertion der Muskeln bei Petromyzon teils
an den untern Längsstäben, teils an der Fascie der untern Kehlvene
und ihrer beiden Aeste (Fig. 9). Bei Ammocoetes dienen ebenfalls die
untern Längsstäbe, ausserdem aber im Bereich der Thyreoidea deren
Fascie als Ansatzstellen (Fig. 5. u. 6); vor und hinter der Thyreoidea
greifen jedoch die Sehnenfäden, bisweilen auch einige Muskelfasern
über den untern Längsstäben von beiden Seiten ineinander (Fig. 7).
— Erwähnt sei noch, dass die Sehnen der hohlen Muskelfasern von
Ammocoetes aus parallelen, spindelförmige Zellen mit langgestreckten
Kernen bestehn, also glatter Muskulatur sehr ähneln.
Der äussere Kiemenmuskel verläuft bogenförmig auf der Innen-
seite des knorpligen Längsstabes, durch seine Bindegewebsscheiden
an ihn und ihre Fortsätze locker angeheftet; der Diaphragmamuskel
hingegen zieht in gerader Richtung von unten nach oben (Fig. 5
u. 7 madd).
Ein besonderer kurzer Muskel befindet sich zwischen dem huf-
eisenförmig gebogenen Stück der Querstäbe und der äussern Kiemen-
öffnung (Fig. 7 u. 9 mk). Er heftet sich beiderseits an das Unter-
hautbindegewebe, welches letztere umgiebt, sowie an das Perichon-
drium des Knorpels an, und führt bei seiner Kontraktion einen
Verschluss der äussern Kiemenöffnung herbei. — Ammocoetes besitzt
einen dünnen, aber ziemlich langen Schliessmuskel der Klappe an
94 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
der äussern Kienienöffnung (Fig. 1 mkl). Derselbe nimmt an dem
nächstvordern Knorpelbogen seinen Ursprung, zieht zwischen Kiemen-
sackepithel und Konstriktor rückwärts und verliert sich im Rande
der Klappe.
Die Konstriktoren und Adduktoren des letzten Diaphragmas
heften sich unten an das Perikardium an; die des ersten reichen
bis zum Hyomandibulare , und die vordersten Bündel finden bei
Petromyzon auch ihre Insertion an der Fascie desselben (vergl.
Schneider 1. c. S. 69). — Merkwürdig ist das Fehlen der hohlen
Fasern im Konstriktor des ersten Kiemensackes von Ammocoetes;
während sie doch bei Petromyzon vorhanden sind. Man muss hier
eine Neubildung von Muskelfasern annehmen. Dieser Umstand, so-
wie die Veränderung in der obern Insertion der vordem (proximalen)
Konstriktorpartie (S. 15); die Differenz im Querschnitt der hohlen
Fasern bei Ammocoetes und Petromyzon; das Vorhandensein einer
besondern zarten Muskelschicht unter der Kiemensackschleimhaut
von Petromyzon; das an vielen Stellen, besonders in der dorsalen
und ventralen Falte nachweisbare Hervorgehen von Muskelfasern aus
Bindegewebe; das üppige Wuchern der Bindegewebszellen zwischen
den Muskelbündeln und endlich das massenhafte Auftreten von
Kernen in zahlreichen Muskelfasern der Übergangstadien müssen auf
den Gedanken bringen, dass während der Metamorphose vielleicht
die gesamte Kiemenmuskulatur einer mehr oder weniger tiefgreifenden
Degeneration und Neubildung unterworfen ist.
c. Epithel.
Die Kiemensäcke nebst ihren Falten werden von einem Epithel
überzogen, das einerseits in die äussere Körperhaut, andrerseits in
die Schleimhaut des Bronchus übergeht. An den Falten ist dasselbe,
seinem Zwecke, einen Austausch der Gase zu vermitteln, entsprechend,
einschichtig und aus polygonalen, plattenförmigen Zellen gebildet
(Fig. 3e), die bei Ammocoetes etwas grösser und an ihren freien
Flächen stark gewölbt sind. Auf den Kiemenblättern zwischen den
Falten liegt unter dieser Schicht noch eine zweite oder dritte, aus
mehr rundlichen Zellen gebildete (Fig. 4e). Ahnlich ist die Be-
deckung der äusseren Kiemenblattränder beschaffen, wo jedoch die
oberflächlichen, ziemlich grossen Zellen einen dicken Cuticularsaum
tragen wie die Zellen der Epidermis. Der faltenfreie Teil der Kiemen-
blätter und der Grund zwischen ihnen wird bei Petromyzon von
einem Epithel überzogen, an dem sich deutlich drei Schichten unter-
scheiden lassen (Tfl. VII Fig. 32). Die unterste besteht aus
kleinen kugeligen, die mittlere aus mehr oder weniger langgestreckten
und die oberste aus dünnen, plattenförmigen Zellen, die durch tiefere
Furchen von oben her in Zellterritorien geschieden sind. Alle zeigen
deutliche Kerne mit Kernkörperchen. Die Zellen der mittleren
Schicht sind nun häufig nach oben verjüngt und in kegelförmige
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri. 95
Gruppen (s) zusammengestellt, an deren Spitze die oberste Schicht
eine Lücke lässt. Die so entstehenden Gebilde gleichen fast genau
den Organen, welche Schneider an der Innenseite der Diaphragmen-
kanten des Ammocoetes entdeckt hat und für Geschmacksknospen
hält, (Fig. 1, 2 u. 6G) — was sie wahrscheinlich auch sind — während
sie A. Dohrn mit den Zellen der Thyreoidea vergleicht und als Drüsen
in Anspruch nimmt. In der That haben die erstgenannten Zellgruppen
grosse Ähnlichkeit mit Querschnitten durch die Drüsenstränge der
Thyreoidea oder durch die Hypobranchialrinne der Tunikaten, wie
sie Dohrn in seiner VIII. Studie dargestellt hat. Auch findet sich
an diesen Stellen immer Schleim vor. Doch lässt sich schwer sagen,
ob derselbe einer allmählichen oberflächlichen Zerstörung der
gesamten Oberhaut, oder nur der Absonderung gewisser Zellen seinen
Ursprung verdankt.
Bei Ammocoetes lässt das Epithel am Grunde der Kiemenblätter
nur zwei Schichten erkennen. Eine einfache oder doppelte Lage
kleiner, rundlicher Zellen bildet die Basis, auf der viel grössere,
kugelige bis cylindrische oder keulenförmige Zellen ruhen, die alle
oben zugerundet sind und so dicht stehen, dass einzelne über die
andern hervorgedrängt erscheinen. Vielfach führt dies zu papillen-
artigen Erhebungen des Epithels, deren Auftreten in den oben als
Vorkammern bezeichneten Räumen zur Regel wird (Tfl. VI Fig. 11).
Hier finden wir nun auch die mittlere Schicht langgestreckter Zellen
in ähnlicher Weise wieder wie bei Petromyzon; auch die wahr-
scheinlich Schleim bildenden Zellengruppen (s) treten auf, nur sind
sie nicht so scharf ausgeprägt wie dort.
Das Epithel des Bronchus ist von Langerhans schon (1. c. S. 39)
als zweischichtiges Plattenepithel beschrieben. Am freien Ende sind
die Zellen der oberen Schicht meist gewölbt und mit Cuticularsaum
versehen. Auf ihr liegt häufig eine dicke Schicht geronnenen Schleims;
er enthält fast überall losgelösste Zellen und Zellreste, muss darum
als Produkt einer schleimigen Zerstörung der Oberhaut angesehen
werden.
Die kiemenblattfreien Diaphragmensäume von Ammocoetes tragen
auf der Aussenseite wimperndes Cylinderepithel, dem von Schneider
entdeckten System der Wimperschnüre angehörig, auf der dem
Bronchus zugekehrten Seite dagegen ebenfalls geschichtetes Platten-
epithel. Letzterem sind, eine Reihe längs der Kiemenbogenvene
bildend, die Schneiderschen „Geschmacksknospen" eingelagert (S. dessen
Tfl. II, Fig. 5). Ich habe die Zellen derselben etwas mehr zu-
gespitzt und am freien Ende eigentümlich gefranzt gefunden, Sinnes-
haare dagegen nicht wahrnehmen können. Bisher unbekannt war es
meines Wissens, dass derartige Organe auch bei Übergangsstadien
und bei Petromyzon an denselben Stellen vorkommen (Fig. 2G).
Sie sind hier etwas kleiner als bei Ammocoetes und erscheinen auf
Querschnitten durch die Haut als kleine Halbmonde. Ihre Bedeutung
ist oben schon berührt worden.
96 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
Gefässe des Kiemenapparates.
a) Die Kiemenarterien.
Die Verzweigung der „Kiemenschlagader" von Ammocoetes
finden wir schon bei Rathke (15a), allerdings wenig genau, be-
schrieben. Eine ausführlichere Darstellung gaben in neuerer Zeit
Ch. Julin (9 b) und Dohrn (VIII. Stud. Tfl. 11).
Der Kiemenarterienstamm (Artere branchiale primaire, Julin;
Bulbus arteriosus, Dohrn) dringt vom Ventrikel aus in die Falte ein,
welche sich auf dem Boden der Kiemenhöhle hinzieht (Tfl. VII.
Fig. 7 Ka). Schon in der Höhe der sechsten inneren Kiemenspalte
trifft sie auf die Thyreoidea, steigt ein wenig aufwärts und läuft nun
auf dem hinteren Ende dieses Organes, zwischen ihm und dem Boden
der Kiemenhöhle nach vorn. An der fünften inneren Kiemenspalte
stösst sie auf den spiralig aufgerollten Mittellappen der Thyreoidea
und teilt sich in einen rechten und linken Ast, welche an der Seite
dieses Lappens hinziehen (Tfl. VI Fig. 6Ka). An der Thyreoidea-
öffnung vorüber verlaufen die beiden Aste weiter nach vorn, auf
dem Anfangsteil der Drüse liegend. Immer dünner geworden, rücken
sie beim zweiten Diaphragma (zwischen der ersten und zweiten innern
Kiemenöffnung) am Vorderende der Thyreoidea abwärts bis auf den
äusseren Konstriktor, entfernen sich zugleich von einander und steigen
endlich vor der ersten Kiemenspalte neben der Anheftungslinie des
Mundsegels aufwärts, um sich hier zu verHeren. Auf diesem Wege
giebt der Kiemenarterienstamm acht Paar Kiemenbogenarterien nach
den Seiten hin ab und zwar drei Paar vor, die übrigen nach seiner
Teilung. Die mittleren sechs Paare dringen in das untere Ende der
entsprechenden Diaphragmen ein (Fig. 5 u. 7 abr), steigen dort auf der
Innenseite des tiefen Kiemenmuskels aufwärts (Fig. 1) und geben an
die einzelnen Blätter der vorderen wie hinteren Kiemenblattreihe je
einen besonderen Zweig ab, bis sie, dadurch immer dünner geworden,
in den obersten Blättern enden. Ebenso verhalten sich die übrigen
Kiemenbogenarterien dem ersten, beziehentlich letzten Bogen gegen-
über; doch ist ihr Volumen entsprechend geringer, da sie nur je
eine Kiemenblattreihe mit Blut zu versorgen haben.
Die aus den Kiemenbogenarterien hervorgehenden kleineren Ge-
fässe sind die Kienienblattarterien (Arteriae laminarum branchialium).
Sie treten ungefähr in der Mitte der Kiemenblätter in diese ein und
teilen sich sogleich in zwei Aste, deren einer für den inneren und
deren anderer für den äuseren Abschnitt des Blattes bestimmt ist
(Fig. lalbr). Doch lassen sich dieselben, ähnlich wie es Dröscher
(1. c. S. 44) bei den Rochen und Haien beobachtete, nicht bis an die
Enden der Kiemenblätter verfolgen, sondern sie verlieren sich dort
in einem schwammigen Gewebe, mit dem seitlich auch der übrige
Teil in Verbindung steht und zwar durch so zahlreiche Spalten, dass
die Kiemenblattarterie mehr einer Rinne als einem geschlossenen
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planen'. 97
Gefäss gleicht. Aus dem cavernösen Gewebe entspringen dann erst
die Arterien des Kapillarnetzes (vergl. Dröscher S. 30 — 33).
Das arterielle Gefässsystem von Petromyzon zeigt mancherlei
Abweichungen von dem des Ammocoetes. Den Arterienstamm finden
wir nicht mehr im Grunde der ventralen Falte, sondern in der
obersten Kante derselben, unmittelbar unter dem Boden der Kiemen-
höhle (Fig. 8 Ka). Er ist also während der Metamorphose aufwärts
gerückt. Unter ihm finden wir in dem Räume, den er vorher ein-
nahm, ein neu gebildetes weites Blutgefäss, die untere Kehlvene
(Vena jugularis inferior ju'), weiter nach vorn ausserdem die rück-
gebildete Thyreoidea und den ebenfalls neu angelegten Zungenmuskel-
apparat (mll). Mit der Rückbildung der Thyreoidea verschmelzen
ferner die beiden Aste des Arterienstammes nach vorn zu, so dass bei
Petromyzon vier Kiemenbogenarterien aus dem ungeteilten Stamme
entspringen im Gegensatz zu den drei bei Ammocoetes. Gleichzeitig
mit der Umlagerung des Arterienstammes rücken auch die Kiemen-
bogenarterien von der Mitte der Diaphragmen, wo wir sie bei
Ammocoetes fanden, in die innere Kante derselben dicht neben die
Venen (Fig. 2 abr). Während sie bei Ammocoetes von ihrem Ursprung
an in weitem Bogen seitwärts und dann erst aufwärts ziehen (Fig 7 abr),
sehen wir sie hier senkrecht aufsteigen (Fig. 8 abr). Die untersten
ca. fünf Kiemenblätter erhalten aber einen besonderen, gemeinschaft-
lichen Zweig, der seinen Ursprung dicht am Anfange der Kiemen-
bogenarterie hat und seinerseits an jedes Blatt ein Gefäss abgiebt.
Die Kiemenbogenarterie nimmt nun auch eine andere Lage gegen
die Kiemenblätter ein. Sie trifft dieselben nicht mehr wie früher in
der Mitte, sondern am innern Ende. Von hier aus schickt sie ein
einziges Gefäss hinein, welches das Blatt seiner ganzen Länge nach
durchläuft. Eine Teilung der Kiemenblattarterie in einen äussern
und innern Zweig ist nicht mehr vorhanden; der letztere wird über-
flüssig und bildet sich zurück indessen der nach aussen ziehende
eine entsprechend stärkere Entwicklung zeigt. Der schwammige Ge-
webekörper dagegen schliesst sich auch hier in derselben Weise an
die Kiemenblattarterie an wie bei Ammocoetes ; auch die von Dröscher
(1. c. S. 33) erwähnten Häufchen von Pigmentkörnchen finden sich
zahlreich vor (Fig. 2 pg).
h. Das Kapillarnetz.
Die Arterien des Kapillarnetzes (Fig. 3 apl) entspringen ähnlich
wie bei Rochen und Haien aus dem cavernösen Gewebe (cv) am
faltenfreien Grunde der Kiemenblätter. Jede Falte erhält ihre be-
sondere Arterie, und diese verlaufen in der Basis derselben, oder
was dasselbe ist, in der Fläche des Kiemenblattes selbst dicht neben
einander bis fast an den Rand des Blattes, wo sie von der Kiemen-
blattvene begrenzt werden. Durch Lücken stehen sie aber sowohl
mit den benachbarten Arterien, wie mit dem Kapillarnetz ihrer
Falten in Verbindung (Fig. 3 u. 4). Von letzterem bekommt man
Arch.f.Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd.I. lt. 1». 7
98 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
am besten auf Längs- und Querschnitten senkrecht auf die Fläche
der Falten eine klare Vorstellung; in beiden Fällen erhält man die-
selben strickleiterartigen Bilder (Fig. 4). Unter dem Epithel der Falte
gewahrt man jederseits eine zarte Membran, die durch zahlreiche,
senkrecht auf ihr stehende einzellige Säulchen (zs) mit der gegen-
überliegenden verbunden ist. Dadurch wird der ganze Hohlraum der
Falte in ein Labyrinth von Gängen verwandelt, weit genug, um den
ca 0,08 mm (im Dauerpräparat !) messenden Blutkörperchen den Durch-
tritt zu gestatten. Die genannte Membran setzt sich sowohl in die
Wände der Kapillarnetzarterie, als auch durch den cavernösen Gewebe-
körper hindurch in die Kiemenblattarterie fort, ist also nichts anderes,
als das Endothel dieser Gefässe. Man kann sich vorstellen, dass
die Kiemenblattarterie sich ihrer ganzen Länge nach zu einem hohlen
Blatte, dem Kiemenblatte, erweitert habe, das seinerseits wieder die
Falten ausstülpt. Die gegenüberliegenden Wände dieses hohlen
Kiemenblattes werden durch die erwähnten Zellsäulchen, im falten-
freien Teile aber durch längere und verzweigte Bindegewebsfäden —
den cavernösen Körper darstellend - - verbunden und dadurch das
Blatt vor dem Aufblähen durch das Blut geschützt.
c. Die Kiemenvenen.
Sehr kurze Kapillarnetzvenen (Fig. 3vpl) führen das oxydierte
Blut der Kiemenblattvene zu. Letztere verläuft am freien Rande
des Kiemenblattes (vlbr), nimmt von aussen nach innen an Umfang
zu und ergiesst sich an der Innenseite des Diaphragmas in die
Kiemenbogenvene (Fig. lvbr). Bei Petromyzon biegen die Kiemen-
blattvenen wegen der Dicke des Diaphragmas erst spitz oder stumpf-
winklig nach der Vena branchialis um, je nachdem sie von der
vorderen oder hinteren Seite des Diaphragmas kommen (Fig. 2vbr).
Auch münden sie nicht einzeln wie bei Ammocoetes; sondern auf
jeder Seite des Diaphragmas vereinigen sich die oberen wie die
unteren Kiemenblattvenen zu gemeinsamen Stämmen, welche in halber
Höhe des Kiemenraumes zusammenfliessen, sich aber auch gleich-
zeitig mit denen der andern Diaphragmaseite durch einen kurzen
Querstamm (Fig. 2vbr bei Diaphragma 7) verbinden. Aus diesem
Verbindungsstück nimmt erst die Vena branchialis ihren Ursprung.
Der weitere Verlauf der Venen ist zwar bekannt, doch will ich noch
besonders hervorheben, dass sie stets von der ventralen Seite her in
die Aorta einmünden. W. Müller ist also im Irrtum, wenn er (13 b)
in dem erklärenden Texte zu Tafel 4, Fig. 8 zwei von oben ein-
mündende Blutgefässe (V) als das letzte Paar der Kiemenvenen be-
zeichnet. Die dort dargestellten Gefässe sind Zweige der Aorta,
welche die dorsale Körperpartie mit Blut versorgen, habe, aber mit
Kiemengefässen gar nichts zu thun.
Eine Abweichung vom normalen Verhalten scheint es zu sein,
dass die Venen der beiden Körperhälften kommunizieren; ich habe
eine derartige Verbindung zwichen den beiden letzten (achten) Kiemen-
bogenvenen bei Übergangsstadien mehrmals beobachtet.
und Entwicklungsgeschichte von Petronlyzon Planeri. 99
d. Nutritive Ge fasse und Venenräume.
J. Müller bemerkt in seiner vergleichenden Anatomie der Myxi-
noiden (12 b, S. 197/98): „Die Kiemenvenen setzen sich auch nach
der ventralen Seite in Arterien fort: dies ist wohl zuerst von Monro
bei den Rochen beobachtet." Gh. Julin (9a, S. 230) beschreibt ein
derartiges paariges Gefäss von Ammocoetes unter dem Namen
„Carotides externes": „Au niveau de l'orifice thyroidien, il part de
l'extremite inferieure, ventrale, c'est ä dire du point d'origine de
chacune des deux veines branchiales de la 4e paire, un petit
vaisseau .... Ce petit vaisseau court ainsi directement en avant ....
Au niveau de la 3e lame branchiale, ce petit vaisseau en recoit un
second, qui provient de l'origine de la veine branchial correspondante
de la 3 e paire .... Enfin, au niveau du bord interne de la 2 e lame
branchiale, ce vaisseau recoit de nouveau une branche provenant de
l'origine de la veine branchiale correspondante de la 2e paire
Les deux troncs arteriels, resultant de l'union, ä droite et ä gauche
de la ligne mediane, des branches ventrales des 2e, 3e et 4e veines
branchiales, constituent les deux carotides externes". — Diese „äusseren
Carotiden" versorgen die untere Kopfregion mit Blut, ebenso wie die
aus der Aorta hervorgehenden inneren Carotiden die obere. A. Dohrn
(XII. Tri. 11, Fig. 4) lässt die Gefässe nur aus der zweiten und dritten
Kiemenbogenvene hervorgehn, bezweifelt aber ihren Ursprung auch
aus der vierten. Man kann jedoch bei 9 und 10 cm langen Ammo-
coetes die Verbindung der äusseren Carotiden auch mit der vierten
Kiemenbogenvene unzweifelhaft nachweisen, wenngleich das betreffende
Gefäss kurz nach seinem Ursprünge aus derselben ziemlich dünn ist.
Bei älteren Exemplaren schwindet dieser Zusammenhang; ja bei
Übergangsstadien und erwachsenen Petronryzon ist sogar die Ver-
bindung mit der zweiten Vene nicht regelmässig mehr vorhanden;
doch empfangen die Carotiden noch Blut aus dem untern Teil des
ersten Kiemensackes.
Die von Julin (9 c, S.23ff.) beschriebenen Thyreoidealarterien habe
ich ebensowenig wie Dohrn gefunden, wohl aber ein Paar Arterien
der Thyreoidea, von welchen der letztere berichtet. Sie entspringen
aus dem untern Teil des vierten Kiemenvenenpaares, unmittelbar
hinter dem Beginn der äussern Carotiden und versorgen die Thyreoidea
mit Blut (Fig. 6 athu. Dohrn, XIII. St. S. 257/58).
Über die ausgedehnten Venenräume im Brustabschnitt der Petro-
myzonten kann ich den Beschreibungen von J. Müller, Langerhans,
A. Schneider u. A. kaum etwas hinzufügen. Ersterer Forscher sagt:
„Neben der Aorta liegen in der Brusthöhle der Petromyzon ein
Paar andere, von Rathke nicht beschriebene Gefässschläuche, welche
unter der Aorta thoracica quer hinüber in Kommunikation treten.
An ihrer Aussenseite befinden sich Offnungen, welche mit unregel-
mässigen Kanälen um die Speiseröhre und mit zelligen Kanälen um
den grossen Muskelkörper der Zunge zusammenhängen. Nach oben
7*
100 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
haben diese grossen Schläuche eine regelmässige Reihe von Öffnungen.
Diese führen in Kanäle, welche schief von vorn nach hinten und
oben in die Vertebralvenen führen. Diese Schläuche sind wahr-
scheinlich Lymphbehälter". Langerhans (1. c. S. 101) bemerkte, dass
diese Behälter, die übrigens auch mit den Bluträumen der Nieren
und des Kopfes in Verbindung stehen, von einem einfachen Endothel
ausgekleidet und somit den Lymphräumen der Amphibien sehr ähn-
lich seien; doch will er die Frage nicht entscheiden. Schneider (1. c.
S. 70/71) fügt hinzu — und ich kann diese Angabe bestätigen —
dass auch die Kammern zwischen den Diaphragmen immer mit Venenblut
gefüllt seien, so dass die Kiemenbeutel förmlich in diesen Bluträumen
hängen. Der Zusammenhang aller dieser Bluträume mit den oberen
und der unteren Jugularvene, von dem Schneider ebenfalls berichtet,
ist leicht zu konstatieren (Fig. 9).
Die untere Kehlvene betreffend will ich noch einiges hinzufügen.
Sie stimmt bei Ammocoetes weder in ihrem Verlauf noch in ihrer
Lage mit der von Petromyzon überein. Bei ersterem ist sie bis kurz
vor ihrer Mündung in die Vorkammer paarig und liegt unter dem
Kiemenkorb (Fig. 7 ju), regelmässig mit dicken Gefässen in Verbindung
stehend, welche aus dem Diaphragma und zwar an dessen Anheftungs-
stelle an die Körperwand herabsteigen. — Dieselben Gefässe finden
sich auch bei Petromyzon noch vor (Fig. 8 ju) , treten aber ihrem
Volumen nach zurück gegen die über dem Brustbein neu ange-
legte Kehlvene (ju'). Vorn ist diese paarig; aber schon an der
Teilungsstelle des Kiemenarterienstammes vereinigen sich die beiden
Aste zu einem einzigen Gefäss, das ebenfalls in die Vorkammer
mündet. Die Hauptmasse des Venenblutes fliesst nicht mehr am Grunde,
sondern am Innenrande der Diaphragmen in diese Vene.
Oft sieht man sowohl bei Ammocoetes wie bei Petromyzon ein
kleines Blutgefäss, nach aussen von der Kiemenblattvene gelegen, dem
Rande der Kiemenblätter entlang verlaufen. Es verliert sich in den
Bluträumen des Diaphragmas und dürfte nach Analogie mit den Ver-
hältnissen bei Knochenfischen und Selachiern die Vena nutritia
lamellae branchialis sein (Fig. 3 vn). Die Enge des Gefässes ist wohl
der Grund, weshalb es ohne Injektion nicht überall deutlich bemerkt
wird.
Yerdauungsapparat.
a. Das Darmrohr.
Es ist bekannt, dass bei Ammocoetes der zwischen den beider-
seitigen Kiemensackreihen liegende Raum, der Bronchus, an seinem
hintern Ende in den von Langerhans als „Magen" bezeichneten
Dannabschnitt übergeht, also Bronchus und Oesophagus zugleich ist,
bei Petromyzon dagegen blind endet, während hier ein besonderer,
über ihm liegender Oesophagus zur Ausbildung kommt (vergl. die
Querschnitte 5 — 7 u. Fig. 10 mit 8 u. 9). Letzterer beginnt unmittelbar
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri. 101
vor dem Velum als sehr enger Kanal, erweitert sich jedoch allmählich
und geht am Ende des Bronchus in den Magen über (Langerhans
S. 37 ff. und Schneider S. 89—91). Oesophagus und Magen („Mund-
darm" oder ,, Vorderdarm", Langerhans; „Oesophagus", Rathke) sind
von einer Schicht würfelförmiger Epithelzellen ausgekleidet, die sich
in zahlreiche spiralig verlaufende Längsfalten erhebt. Darauf liegt
nach aussen eine Schicht von Bindegewebszellen, Fibrillen und
Muskelfasern, vorzugsweise in der Längsrichtung ausgestreckt und
um den Magen mächtig entwickelt.
Schon Rathke, dem die grosse Ähnlichkeit im Baue von Ammo-
coetes und Petromyzon auffiel und der deshalb die beiden Tiere für
nahe verwandt hielt, suchte sich die Entstehung jenes Gebildes zu-
rechtzulegen. Er sah, dass der Bronchus von Ammocoetes ungefähr
so hoch sei, wie bei Petromyzon Bronchus und Oesophagus zusammen;
deshalb meinte er, letzterer könne durch Abschnürimg aus dem
ersteren entstanden sein, indem von den Seiten her zwei horizontale
Längsfalten einander entgegenwüchsen und sich schliesslich in der
Mittellinie vereinigten (15 c, S. Q6). Da ihm aber beide Tiere als
verschiedene Arten galten, konnte ihn diese Frage nur in vergleichend
anatomischer Hinsicht interessieren. Nachdem aber August Müller
im Jahre 1856 durch Zuchtversuche nachgewiesen hatte (IIa), dass
Ammocoetes nur die Jugendform von Petromyzon sei, musste man
auch der Frage nach der Entstehung jener sonderbaren Bildung des
Oesophagus näher treten. Müller selbst wusste darüber keine Aus-
kunft zu geben, weil er „die früheren Stadien nicht gesehn" hatte,
da die aus Eiern gezogenen Tiere vor der Metamorphose starben.
Aber es fiel ihm auf, dass die „Speiseröhre" bei Petromyzon gerade
so gelegen sei, wie die von Rathke entdeckte dorsale Falte im
Kiemenraum (Fig. 5 u. 7), und er vermutete deshalb, dass dieser
„Rathkesche Faden" es vielleicht sei, welcher das Material zu dem
neuen Stücke des Verdauungsrohres liefere.
A. Schneider war bisher der Einzige, welcher an einigen in der
Metamorphose begriffenen Ammocoetes die Entstehung des Oesophagus
untersucht und darnach beschrieben hat (17a u.b). Nach ihm (17b,
S. 94) entsteht der Oesophagus „als eine Neubildung, indem von dem
Vorderende der Darmfalte aus eine Einstülpung nach vorn entsteht.
Dieselbe folgt der Mesenterialfalte des Magens, biegt sich zuerst
stark links und läuft dann geradeaus nach vorn in der dorsalen Leiste
der Kiemenhöhle. Nachdem sie zuerst hohl war, wird sie bald solid
und geht als ein Zellenstrang bis zum Velum. Später bilden die
Zellen nicht blos das Epithel, sondern auch die gesammte Schleim-
haut und Muskulatur des Oesophagus. Der Theil der Spiralfalte, an
welcher die Einstülpung entsteht, trägt kein Epithel. Die Spiralfalte
wird immer dicker und.schliesst dadurch nach vorn den Darm ab.
Gleichzeitig mit dieser Änderung erfährt auch der Darm eine voll-
ständige Neubildung seiner Gewebe."
102 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
Richtig ist, dass der Oesophagus (Oesophagus nebst Magen)
als ein solider Zellstrang entsteht, der vom Vorderende
der Darmfalte bis zum Velum reicht. Die weiteren Angaben
Schneiders über das Herkommen und die Weiterentwicklung dieses
Stranges sind aber blosse Vermutungen und haben sich nach meinen
Untersuchungen als unrichtig herausgestellt.
Es sollen im folgenden die beiden Abschnitte des genannten
Zellstranges getrennt behandelt und zunächst der Oesophagus im
engeren Sinne, d. h. das Stück vom Velum bis zum Ende des
Bronchus besprochen werden. Die Figuren 12 — 14 und 20 stellen
einige Schnitte durch denselben dar. Sie unterscheiden sich von
der Schneiderschen Abbildung (Tfl. III, Fig. 3) besonders dadurch,
dass sich schon überall dieselbe Faltenbildung zeigt, wie sie am
späteren Oesophagus zu bemerken ist. Wahrscheinlich handelt es
sich hier um ein etwas späteres Entwicklungsstadium. Die bei
stärkerer Vergrösserung gezeichnete Fig. 21 lässt deutlich erkennen,
dass der solide Strang aus Zellen besteht und nicht bloss „aus runden,
dicht aneinander liegenden, nur durch wenig Zwischensubstanz ge-
trennten Kernen (17 a, S. 4). Die peripherischen Zellen des Organes
haben sich genau so gruppiert, wie die Epithelzellen des fertigen
Oesophagus; die mittleren hingegen liegen fast regellos durcheinander.
Ferner fällt eine eigentümliche Vakuolenbildung auf (Fig. 14 u. 21
Va), die bei verschiedenen Exemplaren mehr oder weniger weit vor-
geschritten ist. Sie geht an manchen Stellen, besonders gegen das
Ende des Bronchus hin, soweit, dass nur noch wenige Zellfäden,
einem Netzwerk gleich, den Hohlraum durchziehn. Sicherlich ist
diese Erscheinung nichts anderes, als eine fortschreitende Resorption
des centralen Zellenmaterials, welche zuletzt nur die äussersten,
schon vorher in Reih und Glied geordneten Zellen übrig lässt. Der
Zellstrang liefert also schliesslich nur das Epithel des
späteren Oesophagus, nicht zugleich „die gesammte Schleimhaut
und Muskulatur" desselben; letztere hat vielmehr einen ganz andern
Ursprung, wie weiter unten berichtet werden soll. Auch beginnt das
Hohlwerden des Stranges nicht dadurch, dass von vorn eine Höhle
in ihn eindringt, die ihn allmählich wegsam macht" (17a, S. 4).
Denn es lässt sich beobachten, wie der Hohlraum am Ende der Neu-
bildung beinahe fertig vorliegt, während vorn die Faltenbildung kaum
beendet ist*).
Woher stammt nun aber dieser sonderbare Zellstrang'? Gleich
im Anfang meiner Untersuchungen fiel mir die grosse Ähnlichkeit
des denselben aufbauenden Materials mit Epithelzellen auf. Diese
*) Über einen ähnlichen Vorgang, wie er sich hier abspielt, berichtet
W.B.Scott (19 S. 424): „Der Mitteldarm wird von Dotterzellen ausgefüllt,
welche erst bei Larven von 6—7 mm Länge resorbirt wrerden. Dieser Vorgang
findet so statt, dass die äusserste Schicht der Dotterzellen allein übrig bleibt,
indem sie sich regelmässiger anordnen und so das Epithel des Darmes bilden."
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri. ]03
wird dadurch noch täuschender, dass die peripherischen von ihnen
in gleicher Weise angeordnet sind und schliesslich auch wirklich
Epithel liefern, wie oben gezeigt wurde, dass sich aber auch ausser-
dem ganz gleiche Zellenbildungen massenhaft in den tieferen Ober-
hautschichten der Mundhöhle, der Zunge, des Enddarmes wieder-
finden. Man wird so auf die Vermutung geführt, der Zellstrang
entstehe als eine zapfenförmige Wucherung der Epidermis von der
Gegend des Velum oder der Darmfalte aus, oder auch als eine hohle
Einstülpung des Epithels, die später erst solid wird. Letztere An-
sicht vertritt A. Schneider an der eben erwähnten Stelle.
Zwei Mitte Juli gefangene Exemplare von P. Planeri, die sich
durch ihre spitze Schnauze schon als Übergangsstadien unter den gleich-
zeitig mitgefangenen , durch schurzfellartige, grosse Oberlippe aus-
gezeichneten Ammocoetes bemerklich machten, sollten endlich diese
Frage lösen. Querschnitte durch den Oesophagus, wovon die mit
Nr. 22 — 26 bezeichneten einem 147a cm langen, die unter Nr. 27 — 31
aber einem 13 cm messenden Tiere entstammen, zeigen auf den
ersten Blick: Der von Schneider entdeckte Zellstrang ist
eine wulstförmige Epithelwucherung längs der untern
Kante der dorsalen Falte im Kiemenraum. Schon während
des Ammocoeteszustandes zeichnet sich diese Stelle der Falte vor den
Seitenteilen aus. Sie ist mit dickem, mehrschichtigem Plattenepithel
bedeckt, während letztere Cylinderzellen, z. T. mit Flimmerhaaren,
tragen (vergl. Schneider 17 b, S. 84 u. dessen Tfl. 2, Fig. 4). Dieses
Plattenepithel wuchert nun in der Zeit der Verwandlung ausser-
ordentlich stark und drängt dadurch das über und neben ihm
liegende Bindegewebe zurück. Bisweilen (Fig. 29 u. 30) wachsen
zwei derartige Wülste nebeneinander aufwärts, eine Rinne zwischen
sich lassend, die sich aber später durch Vermehrung der in ihrer
Tiefe liegenden Zellen ausfüllt. Hat die Wulst eine gewisse Grösse
erreicht, so wird sie durch das unter ihr zusammengreifende Binde-
gewebe vom Epithel der Kante abgeschnürt (Fig. 25); sie bildet nun
einen völlig isolierten Zellstrang, dessen Entstehungsweise niemand
zu erraten imstande ist (Fig. 24 u. 26 u. 12 — 14). Zwischen den
gegenüberliegenden Diaphragmen erfolgt, wie es scheint, die Ab-
schnürung am frühesten (Fig. 24) ; ebenso steht der vordere Teil des
Stranges (Fig. 22 u. 23 u. 27 u. 28) gegen den mittlem und hintern
(Fig. 25 — 26 u. 30 — 31) augenscheinlich in der Entwicklung zurück.
— Der Eingang in den neugebildeten Oesophagus liegt unmittelbar
vor dem Velum (Tig. 20 oe). Hier endet der Zellstrang mit einer
von oben nach unten zusammengedrückten kegelförmigen Erweiterung,
in welche sich später die Schlundöffnnng einsenkt. Gleichzeitig da-
mit wächst die unter ihr befindliche Hautfalte zu einem gefingerten
Lappen, dem „Zwischengaumensegel", Intervelar shelf, Huxley (8) aus
(Fig. 20 Vli), weiches die Nahrungsaufnahme in den engen Oesophagus
in ähnlicher Weise erleichtern mag, wie in der Jugend die Lippen
am Mageneingange.
104 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
Der von Langerhans als Magen bezeichnete Darmabschnitt,
zwischen dem Ende des Bronchus und dem Anfange des eigentlichen
Darmes, erfährt ebenfalls eine bedeutende Umwandlung seiner Ge-
webe. Das ihn bei Ammocoetes auskleidende einschichtige Cylinder-
epithel (Fig.33u.34m) geht verloren und macht einem mehrschichtigen,
aus rundlichen Zellen bestehenden Platz (Tfl. VIII Fig. 36, 37, 39 m),
dessen Wucherung endlich das Lumen im Innern vollständig erfüllt.
So ensteht auch hier ein solider Zellstrang (Fig. 15 — 19 m) und in
ihm später durch ähnliche Resorption der centralen Zellen ein neuer
Hohlraum, allerdings bei weitem enger als der frühere Magen. Der
Mageneingang („Schlundspalte", A. Müller), welcher bei Ammocoetes
am Ende der Kiemenhöhle zwischen den beiden oben beschriebenen
Lippen liegt, schliesst sich völlig, indem die letzteren von unten her
erst miteinander und zuletzt auch mit der dorsalen Falte verwachsen.
An dieser Verwachsungsstelle geht nun jedenfalls die Verbindung des
Zellstranges der dorsalen Falte mit dem wuchernden Magenepithel
vor sich. Doch kann ich hierüber nichts genaueres angeben, da bei
den von mir untersuchten Übergangsstadien die Magenöffnung be-
reits geschlossen war und frühere Verwandlungsstufen mir fehlten.
Auch vermag ich aus denselben Gründen nicht mit Bestimmtheit zu
sagen, von welcher Stelle aus die Anregung zu der ganzen Neu-
bildung erfolgt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit darf man jedoch den
sich abschliessenden Mageneingang als solche betrachten. Denn wir
sahen oben, dass die Entwicklung des Zellstranges der dorsalen Falte
am Ende weiter vorgeschritten ist als am Anfange derselben ; gleich-
zeitig habe ich aber auch bei den Übergangsstadien von Mitte Juli
den vordem Teil des Magens bereits zugewuchert, den Endabschnitt
dagegen noch offen gefunden. Ein mit Zellresten angefüllter Hohl-
raum, der sich bei allen von mir untersuchten, in der Verwandlung
begriffenen Tieren an der oben genannten Stelle im Zellstrang vor-
vorfindet, und um welchen die Zellen eigentümlich konzentrisch
gruppiert, teilweise auch abgeplattet sind, dürfte die Verbindungs-
stelle der vordem und hintern (Magen-)Hälfte des sich neu bildenden
Oesophagus sein. Die im genannten Hohlraum liegenden Zellmassen
würden dann als Reste des ursprünglichen, abgelösten Magenepithels
zu betrachten sein, oder den hier stattfindenden Beginn der Vakuolen-
bildung andeuten.
Schneider ist im Unrecht, wenn er behauptet, der Magen gehe
spurlos unter und die an seine Stelle tretende Verlängerung des
Oesophagus entstehe in der Mesenterialfalte des Magens von der
Darmfalte aus. Denn einmal ist eine solche Mesenterialfalte an den
meisten Stellen gar nicht vorhanden, sondern der Magen liegt frei,
und ein andermal kann man die Entstehung eines Zellstranges —
im alten Magen selbst — unmittelbar verfolgen. Dass das neue Stück
vom Ende des Bronchus bis zum Anfang des Mitteldarmes eine etwas
andere Lage hat, fällt dabei nicht in die Wagschale; die stärkere
Entwicklung des Herzens drängt dasselbe nach oben und stark
nach links.
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri. 105
Die weitere Angabe Schneiders aber, dass sich der Darm während
der Metamorphose nach vorn verlängert, kann ich bestätigen.
„Während er bei Ammocoetes hinter der Leber beginnt, liegt er bei
Petromyzon der dorsalen Leberfläche an und erstreckt sich beinahe
bis zum Vorderrande der Leber" (17 b, S. 94). Ich will hinzufügen,
dass er dabei eine halbe Drehung nach rechts ausführt. Die Darm-
falte, bei Ammocoetes links beginnend (Fig. 35 df), ist bei dem
13 cm langen, in der Metamorphose begriffenen Exemplare nach
oben gerückt (Fig. 38), um sich schliesslich bei dem 14 cm messenden
Tiere auf die rechte Seite zu wenden (Fig. 41), wo die Verwachsung
des Darmes mit der Leber einer weiteren Drehung ein Ende setzt.
Auf solche Weise wird allerdings das Magenstück um soviel zu lang
werden, als der Darmanfang nach vorn wächst. Ein Ausgleich er-
folgt aber erstens dadurch, dass infolge der oben erwähnten stärkeren
Entwicklung des Herzens und des Perikardialraumes die Leber rück-
wärts, der Magen nach links und oben gedrängt wird, also nicht
mehr geradlinig, sondern in einer Kurve verläuft, und zweitens, wie
mir scheint, dadurch, dass sich das Magenende etwas in den Anfangs-
teil des Mitteldarmes hineinschiebt und letzteren dadurch umstülpt,
oder vielmehr, dass der zum soliden Zellstrang gewordene und jetzt
verhältnismässig starre Magen sich gegen das Weitervordringen des
Darmes stemmt und ihn zwingt, sich beim Fortwachsen umzustülpen.
Da diese Umstülpung aber nur an den dünnen Stellen des Darmes
erfolgen kann, nicht da, wo die dicke Darmfalte liegt, so rückt nun
das Ende des Oesophagus (Magens) scheinbar auf die Seite der
Darmfalte und kann für eine Fortsetzung derselben oder für eine
Einstülpung in dieselbe nach vorn gehalten werden, besonders auch,
weil die Darmfalte, wie Schneider hervorheben zu müssen glaubt,
an dieser Stelle kein Epithel trägt (Fig. 17—19). Das Fehlen
des letzteren aber erklärt sich, wenn man an die Entstehung des
Zellstranges im Magen denkt, von selbst; es war eben nie vorhanden,
denn hier ging ja von Anfang an das Darmlumen in den Hohlraum
des Mages über. Der Schneiderschen Ansicht entgegen glaube ich
also, dass der Oesophagus (Magen) von vorn herein mit der Darm-
falte gar nichts zu schaffen hat. Die Schemata unter No. 44 au. b
sollen diesen Vorgang verdeutlichen; a stellt das Verhalten bei
Ammocoetes und Jüngern Übergangsstadien, b dasjenige bei älteren
Übergangsstadien und Petromyzon dar. Der schraffierte Teil ist die
Darmfalte; sie ist der Deutlichkeit wegen, wenn auch dem oben ge-
schilderten natürlichen Verhalten entgegen, immer auf die rechte
Seite gezeichnet. Die Querlinien geben die Lage, die daneben be-
findlichen Ziffern die Nummern der zugehörigen Querschnitte an.
Letztere sind aber in ihrer natürlichen Lage gezeichnet und müssen
deshalb zum Vergleich mit dem betreffenden Schema erst so ge-
dreht gedacht werden, dass die Darmfalte rechts zu liegen kommt.
Man sieht nun (Schema a, Querschnitte 34 Tfl. VII u. 35 Tfl. VIII von
Ammocoetes und 37 u. 38 von einem jüngeren Übergangsstadium),
wie der Magen, allerdings etwas verengt, einfach in den weiten Mittel-
106 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
darin übergeht. Schema b mit den zugehörigen Querschnitten
(39 u. 40 von einem 14 V2 cm langen, 15 — 17 Tfl. VII von einem noch
älteren Uebergangsstadium und 42 u. 43 von Petromyzon) zeigt dagegen,
wie der Magen nach der Seite der Falte hingedrängt erscheint, weil
sich der Darm bei u umgestülpt hat.
Ob auch der Mittel- und Enddarm eine ähnliche Neubildung
erfahren, wie Schneider behauptet, weiss ich nicht. In den Uber-
gangsstadien, die ich gesehen habe, ist er — im Gegensatz zu dem
Verhalten bei Ammocoetes — stets leer; nur der Enddarm enthält
häufig Massen, die mit Epithelfetzen und ähnlichen Zellkomplexen
grosse Ähnlichkeit haben und als Reste des alten Magen- und Darm-
epithels aufzufassen sein dürften. Der Darm hat noch fast seine alte
Weite, ist auch von ähnlichem, nur niedrigerem Cylinderepithel aus-
gekleidet. Der Umstand jedoch, dass sich letzteres in zahlreiche
Falten erhebt und dass der Darm von Petromyzon ein viel geringeres
Volumen besitzt, endlich auch das Vorhandensein der ebenerwähnten
Zellreste im Enddarm deuten auf Vorgänge der Neubildung auch
dieses Darmabschnittes hin.
Auf einen, wenn auch vielleicht weniger bedeutenden Punkt
möchte ich noch hinweisen: Rathke und nach ihm J. Müller, Schneider,
Balfour u. A. geben an, dass die Darmfalte des Ammocoetes an der
dorsalen Seite beginne und ventral endige, also eine halbe Spiral-
windung mache. Ich habe' dagegen stets gefunden, dass sie genau
links ihren Anfang nimmt, dann abwärts zieht und ventral endet,
demnach mir eine Vierteldrehung beschreibt. Anders ist die Sache
bei den Übergangsstadien , wo dieselbe oben und später gar rechts
beginnt wie früher schon erwähnt wurde, bis etwa zur Mitte des
Körpers zwei volle Drehungen über oben, links u. s. f. ausführt, dann
aber bis zum Anfang des Enddarmes in umgekehrter Richtung
5At Drehung beschreibt, um ebenfalls ventral zu enden. Der Darm
dreht sich dabei nicht in seiner Gesamtheit, was er auch nicht kann,
da sein Vorder- und Hinterende festgewachsen ist, sondern es sieht
aus, als wäre er in der Mitte angefasst und ca 17a mal über links
nach unten herumgedreht worden. Bei Petromyzon sind die
Windungen der Darmfalte noch zahlreicher. Es hängt diese Er-
scheinung vielleicht mit dem Engerwerden des Verdauungsrohres
zusammen. Die ziemlich widerstandsfähige Darmfalte wird dadurch
zu lang und zwingt den Darm, seine ursprüngliche Viertelwindung
umsomehr zu vergrössern, je geringer der Durchmesser des Verdauungs-
rohres wird.
Bereits oben ist bemerkt worden, dass die Muskulatur des
Oesophagus nicht von dem aus Epidermiszellen gebildeten Zellstrange
hervorgeht, sondern aus dem umgebenden Bindegewebe. Im Ammo-
coetes erscheint uns das letztere als ein Gewirr von zarten, blassen
Fäden, in denen hie und da einzelne meist längliche Kerne angetroffen
werden. Zahlreiche Bluträume durchsetzen in allen Richtungen dieses
Gewebe. Während der Metamorphose sehen wir es in lebhafter
und Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri. ]()7
Vermehrung begriffen; seine Elemente werden viel deutlicher und
geben sich als spindelförmige Bindegewebszellen, glatte Muskulatur
und elastische Fasern zu erkennen, die vorzugsweise in der Längs-
richtung verlaufen. Sie verdrängen die bei Ammocoetes so zahl-
reichen Blutgefässe fast vollständig. Bei Petromyzon dagegen wird
das Gewebe wieder spärlicher und die Blutgefässe nehmen fast den
ganzen Raum der Falte ein. Dieselben Erscheinungen spielen sich
in den Diaphragmen und der ventralen Falte ab. In ersteren liefert
das Bindegewebe die eigne Muskulatur der Kiemensäcke, erleidet aber
im übrigen ebenfalls eine Rückbildung und macht grossen Bluträumen
Platz. In der ventralen Falte sieht man den grossen Zungenmuskel-
apparat aus ihm hervorgehen.
b. Gallenblase und Gallenr/ang.
Ein eigentümliches Schicksal erleiden Gallenblase und Gallen-
gang während der Metamorphose der Petromyzonten. Den Gallen-
gang von Ammocoetes kannte schon Rathke (15a, S. 92) und
J. Müller entdeckte darauf die „von Lebersubstanz etwas verhüllte"
Gallenblase (12c, S. 11'2). Von Petromyzon dagegen giebt Rathke
an (15b, S. 50), eine Gallenblase fehle, auch die Mündung der
Gallengänge habe er nie recht gesehen. J. Müller behauptet eben-
falls^, c), dass den Petromyzonten eine Gallenblase fehlt. Die vereinzelt
dastehende Angabe von Aug. Müller (11): „Das kleine Neunauge be-
sitzt eine Gallenblase, das Flussneunauge nicht, die Qu erder beider
aber haben sie", ist in ihrem ersten Teile unrichtig. Ich vermute,
dass er Übergangsstadien untersucht hat, da er an derselben Stelle
berichtet, er habe Querder in der Verwandlung getroffen, deren
Augen teilweise schon völlig klar gewesen seien. A. Schneider schreibt
(17 b, S. 93): „Ich habe ihn (den Gallengang) bei mehreren Spiritus-
exemplaren von P. marinus, bei einer grossen Anzahl frischer
Exemplare von P. fluviatilis und Planeri gesucht nicht bloss mit dem
Skalpell und indem ich durch Drücken der Leber einen Gallen erguss
in den Darm hervorzubringen suchte, sondern auch durch sorgfältige
Untersuchung mehrerer Reihen von Querschnitten, aber nie gefunden.
Ich kann nicht umhin, anzunehmen, dass derselbe verschwunden ist.
Dagegen findet sich in der Leber an der Stelle, wo Leber und Darm
verwachsen sind, eine Anhäufung von Schläuchen oder Follikeln, die
ich geneigt bin für Wucherung des obliterierten Gallenganges zu
halten."
Damit hat er das Richtige getroffen. Beginnen wir die Be-
schreibung bei Ammocoetes. Eine sehr grosse und weite, von ganz
niedrigem Cylinderepithel ausgekleidete Gallenblase liegt in der
vorderen rechten Leberhälfte. Aus ihr kommt der Gallengang hervor
(Tfl. VII Fig. 33 gg). Nachdem sich die Arteria coeliaca zu ihm ge-
sellt hat, ziehen beide, zu einem gemeinsamen Strang vereint,
schräg rückwärts über den Magen hinweg auf dessen linke Seite
(Fig. 34 gg). Hier, fast am Leberende, mündet der Gallengang in
108 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
den Anfangsteil des Mitteldarmes, während die Coeliaca in die Darm-
falte eintritt (Tfl. VIII Fig. 35gg). — Bei dem schon mehrfach genannten
13 cm langen Übergangsstadium sehen wir Coeliaca und Gallengang
ebenfalls gemeinschaftlich in ähnlicher Weise entspringen; doch er-
folgt ihr Eintritt in den Darm, resp. die Darmfalte auf der dorsalen
Seite, ziemlich weit vor dem Ende der Leber, eine Folge der bereits
erwähnten Verlängerung und Drehung des Darmes. Der weite
Gallengang lässt seine Mündung noch sehr deutlich erkennen
(Fig. 38 gg). Doch merkwürdigerweise findet er sich kurz vor
derselben eine kleine Strecke weit durch Wucherung seines Epithels
fast vollkommen geschlossen (Fig. 37 gg), eine Erscheinung, die
lebhaft an die eben geschilderten Vorgänge im Magen erinnert.
Weiter rückwärts ist er wieder offen und lässt sich unschwer bis zu
seinem Ursprung aus der Gallenblase verfolgen (Fig. 36). Letztere
hat aber ein bedeutend verändertes Aussehn. Ihr Volumen ist
reduziert, in den Wandungen wuchert das Bindegewebe und ein
viel höheres Cylinderepithel als das bei Ammocoetes bildet die Aus-
kleidung. — In dem 14 1/2 cm langen Übergangsstadium ist das
Ende des Gallenganges nicht mehr aufzufinden; statt dessen sieht
man nur ein Haufwerk von Zellballen oder „Follikeln", wie sie
Schneider nennt (Fig. 41 f). Das Interessanteste dabei ist nun aber
der Umstand, dass sich diese Follikelanhäufungen in die Leber-
substauz verfolgen lassen, hier stellenweise von intakten Gallengängen
umschwärmt und mit ihnen verbunden sind (Fig. 40) und endlich —
in einen weiten Gallengang übergehen, der in die Gallenblase führt
(Fig. 39). Diese ist hier sehr klein und von einem ausserordentlich
hohen Cylinderepithel ausgekleidet.
Es bestätigt sich somit auf das Vollständigste die Vermutung
Schneiders, dass der Gallengang obliteriere und sich in ein Haufwerk von
Follikeln umwandle. Die Umwandlung scheint von der Mündung in den
Darm an nach rückwärts auf die, kleineren Gänge fortzuschreiten; denn
sogar bei im August gefangenen Übergangsstadien lassen sich noch ein-
zelne kleine Gallengänge in der Lebersubstanz erkennen, während die
grösseren längst verschwunden sind. Nur ein Schritt ist von hier
aus zum Verschwinden auch der kleinsten Tubuli, welche die Ammo-
coetes-Leber aufbauen (vergl. Langerhans I.e. S. 48 fi). Die Gallenblase
schwindet allmählich ganz. Bei Petromyzon ist sie nicht mehr zu
finden, höchstens deuten noch ein Bindegewebsstrang und die er-
wähnten Follikel den früheren Verlauf ihres Ausführungsganges an.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf zwei andere Stellen
hinweisen, wo sich derartige Zellenwucherungen ebenfalls vorfinden.
Es ist dies zuerst der Nasengaumengang. Bei Ammocoetes noch
vollständig fehlend oder doch sehr kurz, beginnt er bei Petromyzon
am Boden der Nasenhöhle, zieht über die Decke des Schlundes hin
und endet als blinder Sack unter der Spitze der Chorda. Die
Wände dieses bei Petromyzon so weiten Raumes liegen nun bei den
Übergangsstadien nicht bloss ganz dicht übereinander (Tri. VIII
und Entwicklungsgeschichte von Petroinyzon Planeri. 1()9
Fig. 22 n), sondern sein vorderer Teil ist kurz vor der Mündung in
die Nasenhöhle durch ganz dieselbe Epithelwucherung geschlossen,
wie sie uns an den vorher erwähnten Stellen entgegentrat.
Ausserdem findet man bei jüngeren Übergangsstadien die in dem
Musculus basilaris (Fürbringer 1. c. S. 46) jeder Seite verborgene
Speicheldrüse samt ihrem Ausführungsgang noch völlig von ähnlichen
rundlichen Zellen angefüllt.
Leibeshöhle.
Die Sexualorgane der Petromyzonten besitzen bekanntlich keine be-
sondern Ausführungsgänge, sondern ihre Produkte gelangen durch Zer-
reissung der Wände in die Leibeshöhle, um von da durch den Porus
abdominalis (vergl. Dohrn, XIII. Stud. Tfl. 13 u. 14) nach aussen be-
fördert zu werden. Damit hängt jedenfalls eine eigentümliche Ein-
richtung der Leibeshöhle zusammen, die ich noch nirgends erwähnt ge-
funden habe. Während dieselbe nämlich bei Ammocoetes und den
Übergangsstadien immer nur von Pflaster- oder sehr niedrigen
Cylinderzellen überzogen ist, finde ich sie bei geschlechtsreifen , in
der Laichzeit (Anfang Mai) gefangenen Tieren von einem sehr hohen,
schönen Cylinderepithel ausgekleidet, welches auch die Aussenfläche
des Darms (10,S.43) und der Nieren bedeckt. Am Ende der Leibes-
höhle ist es am höchsten, nach vorn zu werden die Zellen allmählich
niedriger. Die Leibeshöhle ist vollgepfropft von sehr grossen Eiern
resp. Samenelenienten. Das hohe Epithel dient vielleicht der Vor-
wärtsbewegung dieser Geschlechtsprodukte; doch habe ich Flimmer-
haare, wie sie bei weiblichen Fröschen zur Laichzeit in der Peritoneal-
bekleidung der Bauchdecken gefunden werden, nicht mit Bestimmt-
heit nachweisen können. — Ahnliche Angaben finden sich bei
J. Müller (12c). Seite 113 heisst es: ,,Die Bauchhöhle von P. marinus
und fiuviatilis ist im Mai voll Samen", und S. 114 sagt er: „Bei
den Tieren, wo die Geschlechtsprodukte durch die Bauchhöhle ab-
gehen, scheint diese in einem Teil ihrer Oberfläche mit Wimper-
bewegung versehn zu sein und dem Inhalt eine Bahn nach der
Abdominalöffnung anzuweisen. So ist es wenigstens von Vogt bei
den Salmonen beobachtet."
Veber die Zeit der Geschlechtsreife und Metamorphose
von P. Planeri stimmen die Angaben der verschiedenen Autoren nicht
ganz überein. A. Müller (11 S. 333) giebt als Laichzeit im allgemeinen
den Frühling an, Benecke aber (2, S. 329) verlegt sie auf März und
April, Balfour (1, S. 90) auf die zweite Hälfte des April. Ich habe
erst Anfang Mai die geschlechtsreifen Tiere gefunden, deren Leibes-
HO Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie
höhle mit Eiern, bezügl. Samenelementen angefüllt war. Daneben
fanden sich gleichzeitig zusammengefallene und tote Exemplare, die
offenbar das Laichgeschäft bereits besorgt hatten und darnach zu
Grunde gingen, wie A. Müller ebenfalls beobachtet hat.
Die Metamorphose der erwachsenen Ammocoetes erfolgt nach
Benecke (2, S. 329) in der Zeit vom August bis Januar oder Februar.*)
Nach meinen Beobachtungen beginnt die Metamorphose mindestens
Anfang Juli und dürfte im September bis Oktober beendet sein. Die
Gründe, welche mich zu diesen Zeitangaben geführt . haben , sind im
Vorausgehenden bereits enthalten. Ich habe die Übergangsstadien
Mitte Juli und Ende August gefangen. Bei den ersteren waren
Oesophagus und Zungenmuskelapparat bereits angelegt, der Magen-
eingang ebenfalls schon völlig geschlossen. Darnach zu urteilen,
muss die Metamorphose 14 Tage bis 4 Wochen früher ihren Anfang
genommen haben. Andrerseits ist die Entwicklung der im August
gefangenen Tiere schon soweit vorgeschritten, dass 1 bis 2 Monate zu
ihrem Abschluss genügen dürften.
*) Von P. fluviatilis hat er dagegen noch Mitte April in der Metamorphose
begriffene Tiere erhalten (1. c.).
und Entwicklungsgeschichte von Petroinyzon Planeri.
111
Erklärung der Abbildungen.
A Aorta.
äbr Kiemenbogenarterie.
albr Kieinenblattarterie.
apl Kapillarnetzarterie.
ath Arterie d. Thyreoidea.
Blr Bluträume.
Br Bronchus.
b Bindegewebe.
bl Blutkörperchen.
Ch Chorda.
c Arteria coeliaca.
ep Kapillaren.
cv cavernöses Gewebe.
D Diaphragma.
d Mitteldarm.
df Darmfalte.
de Ductus Cuvieri.
e Epithel.
f Follikel, Zellhaufen.
O Geschmacksknospen.
gbl Gallenblase.
gg Gallengang.
ja Jugularvene.
ju Kehlvene von Ammocoetes.
ju' „ „ Petroinyzon.
K Kiemen.
Ka Kiemenarterienstamm.
L Leber.
Im mittlerer,
lo oberer, ,
lu unterer
m Magen, nie Mageneingang
madd M. adduetor.
Längsstab des
Kiemenkorbes.
mc M. constrictor; mei vorderer, meu
hinterer Theil, mch hohlfaserige,
meg aus gewöhnlichen Pasern be-
stehende Bündel desselben.
mep eigner Konstriktor der Kiemen-
säcke.
mk Muskel der Kiemenöffnuug.
nikl Klappenmuskel.
mll M. longitudinalis liuguae.
N Niere.
n Nasengaumengang.
oe Oesophagus.
P Pankreas.
pg Pigmentkörnchen.
ps Pigmentzellen.
q quere Knorpelstäbe.
Bk Ringknorpel.
s Schleimdrüsen.
sv Sinus venosus.
th Thyreoidea.
u umgestülptes Darmstück.
V Vorkammern der Kiemensäcke.
Va Vakuolen im soliden Zellstrang.
Vk Vorknorpel.
VI. Velum.
Vli Zwischengaumensegel.
vbr Kiemenbogenvene.
vlbr Kiemenblattveue.
vpl Kapillarnetzvene.
vn ernährende Vene.
w Wimperschnüre.
ss Zellsäulchen zwischen den Kapillaren.
Fig. 1. Horizontalschnitt durch den hinteren Teil des Kiemenraumes von
Ammocoetes in der Höhe der äussern Kiemenöffnungen. Seine Lage
ist in Fig. 10 bei (1) angegeben. Vergr. 40.
,, 2. Dasselbe von einem im August gefangenen Übergangsstadium, etwas
über den äusseren Kiemenöffnungen. Vergr. 40.
„ 3. Querschnitt durch die Mitte eines Kiemenblattes von P. Planeri, eine
(rechte) Falte gespalten. Vergr. 150.
„ 4. Längsschnitt durch ein Stückchen des faltentragenden Teils eines
Kiemenblattes Vergr. 150.
112 Karl Nestler: Beiträge zur Anatomie etc.
Fig. 5—7. Querschnitte durch den Kiemenabschnitt von Aminocoetes heim Ur-
sprünge der 2., 4. und 7. Kiemenhogenarterie (von vorn gezählt). Vergr.15.
8 u. 9. Querschnitte durch den Kiementeil von Petromyzon Planeri bei der
7. und in der Nähe der 8. Kiemenbogenarterie. Vergr. 15.
10. Senkrechter Längsschnitt durch die Mitte des hintern Kiemenabschnittes
von Aminocoetes. Die eingeklammerten Zahlen geben die Lage und
Nummer anderer Schnitte an.
11. Schnitt durch die Haut des Kiemensackes von Aminocoetes.
12—14. Querschnitte durch den Oesophagus eines im August gefangenen
Übergangsstadiums. Fig. 12 u. 13 unmittelbar hinter dem Velum, 14
aus der Mitte. Vergr. 80 (Fig. 12 = 100 f.).
15 — 18. Querschnitte, ( durch das Magenende eines Übergangsstadiums
19. Horizontalschnitt \ vom August. Vergr. ca. 60.
20. Sagittalschnitt durch das Vorderende des Oesophagus von demselben
Tiere.
21. Teil eines Querschnitts durch den Oesophagus eines Übergangs-
stadiums vom August (vergl. 12—14). Vergr. 300.
22 -26. Querschnitte durch den vorderen Teil der dorsalen Falte eines
14'/2 cm langen, im Juli gefangenen Übergangsstadiums. Vergr. 50.
27 — 31. Dasselbe von einem 13 cm langen, ebenfalls im Juli gefangenen
Übergangsstadium. No. 30=100mal, die übrigen 50 mal vergr.
32. Schnitt durch die Kiemensackhaut von Petromyzon.
33-35. Querschnitte durch das Magenende und den Darmanfang von
Aminocoetes.
36—38. Dasselbe von dem 13 cm langen Übergangsstadium vom Juli.
39-41. Dasselbe von dem 14,5 cm langen, im Juli gefangenen Übergangs-
stadium.
42 u. 43. Dasselbe von Petromyzon.
44a und b. Schemata, die Vorstülpung des Mitteldarmes während der
Metamorphose zeigend.
Verzeichnis der Rhizopoden
der
Kieler Bucht,
beobachtet
von
K. Möbius.
Als eine Ergänzung der ,, Bruchstücke einer Infusorien-
Fauna der Kieler Bucht1', welche in diesem Archiv im 1. Bande
des Jahrganges 1888 veröffentlicht wurden, gebe ich im Folgenden
auf Wunsch des Herrn Herausgebers des Archivs einen Auszug aus
meiner in den Abhandlungen der K. Preuss. Akademie der Wissen-
schaften a. d. J. 1888 i. J. 1889 erschienenen Schrift: „Bruchstücke
einer Rhizopodenfauna der Kieler Bucht. Mit 5 Tafeln."
Radiolaria.
Dictyocha speculum Ehrbg.
Ehrenberg, Abh. d. Berl. Ak. 1839, S. 150, T. 4, F. 4.1)
W. Ostsee, Nordsee, Atlant., Mittelmeer.
Dictyocha fibula Ehbg.
Ehrenberg, Abh. d. Berl. Ak. 1839, S. 149, T. 4. F. 16.
W. Ostsee, Nordsee, Atlant., Mittelmeer.
Heliozoa.
Actinolophus pedunculatus F. E. Schulze
F. E. Schulze, Arch. f. mikr. An. X., 1874, S. 392, T. 27.
W. Ostsee bei Warnemünde und Kiel auf Pfahlwerk und Hy-
droidpolypen.
*) Ich citire hier nur die Stelle der ersten Beschreibung und verweise
Diejenigen, welche weitere Litteratur- Angaben wünschen, auf meine Abhandlung.
Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd. I. H. 2. 8
114 K. Mobiiis:
Actinophrys sol Ehbg.
Ehrenberg, Ber. d. Berl. Ak. 1840, S. 198.
F. Stein nannte eine Actinophrys, die er 1852 im Ostseewasser
bei Stralsund fand, A. oculata, überzeugte sich aber später, dass sie
von A. sol nicht specifisch unterschieden sei.
Vampyrella pallida Mob.
K. Möbius, Rhizopod. der Kieler Bucht, S. 10, T. I, F. 1— 12b.
Kugel- oder eiförmig. Ektoplasma hyalin, Endoplasma körnig mit
Nucleus. Pseudopodien einfach oder wenig verzweigt. Ortsbewegungen
langsam gleitend und drehend. Fortpflanzung durch Teilung.
Foraminifera.
Polystomella striatopunctata (F. M.).
Fichtel et Moll, Testacea microscop. 1803, T. IX, F. a — c.
W. Ostsee. In allen Oceanen u. tertiär.
Nonionina depressula (Walker et Jacob).
Walker et Jacob, Testacea minuta et variora 1784, p. 19,
T. 3, F. 68.
W. Ostsee, in vielen Meeren u. tertiär.
Lithocolla globosa F. E. Schulze
F. E. Schulze, Arch. f. mikr. An. X, 1874, S. 389, T. 26, F. 8
bis 10.
W. Ostsee.
Pleurophrys lageniformis F. E. Schulze
F. E. Schulze, Arch. f. mik. An. XI, 1875, S. 125, T. 7, F. 6—8.
W. Ostsee.
Dendrophrya radiata Str. Wright
T. Strethill Wright, Ann. a. Mag. nat. bist. VIII, 1861, S. 120,
T. 4, F. 4—5. (D. radiata und D. erecta).
Dieser Rhizopod wurde in Kiel zum erstenmal lebend beobachtet.
W. Ostsee, Schottische Küste.
Quinqueloculina fusca Brady
Brady, Ann. a. Mag. nat. bist. 1876, VI, S. 286, T. 11, F. 2.
W. Ostsee, Nordsee.
Verzeichnis der Rhizopoden der Kieler Bucht. 115
Spicoloculina hyalina F. E. Schulze
F. E. Schulze, Arch. f. mik. An. XI, 1875, S. 132, T. 6, F. 14
bis 16.
W. Ostsee.
Platouin parvum F. E. Schulze
F. E. Schulze, Arch. f. mik. An. XI, 1875, S. 115, T. 6, F. 1—4.
W. Ostsee.
Gromia oviformis Duj.
Duj ardin, Ann. sc. nat. 2. Ser. III, 1835, S. 313.
W. Ostsee, Nordsee, Mittelmeer, Adria.
Gromia gracilis Mob.
K. Möbius, Khizop. d. Kiel. Bucht, S. 17, Taf. III, F. 30— 37t.
Schale sehr dünn, farblos, kugel- bis eiförmig, nur 0,04 bis 0,06 mm
gross. Plasma feinkörnig, farblos mit Nucleus und kontraktiler
Vakuole. Pseudopodienstiel meist excentrisch. Fortpflanzung durch
Querteilung.
Cyphoderia truncata F. E. Schulze
F. E. Schulze, Arch. f. mik. An. XI, 1875, S. 113, T. 5, F. 21, 22.
W. Ostsee.
Cyphoderia margaritacea Schlumberger.
Schlumberger, Ann. sc. nat. 3. Ser. Zool. III, 1845, S. 255.
W. Ostsee.
Trichosa.
Trichosphaerium sieboldi Sehn.
A. Schneider, Zeitschr. f. wiss. Zool. XXX. Suppl. 1878, S. 447,
T. 21, F. 14—17.
Pseudopodien lappig, Schale biegsam, mit Porenkanälen, ohne
eine grössere Mündung, zweischichtig; äussere Schicht aus eignen
organischen Stäbchen, innere aus chitinöser Haut bestehend. Fort-
pflanzung durch Teilung und Knospenbildung.
W. Ostsee, Nordsee.
Amoebaea.
Biomyxa vagans Leidy
Leidy, Proc. Acad. Nat. Sc. Philadelphia 1875, S. 124. -
Leidy, Freshwater PJiiz. N. Amer. 1879, S. 281, T. 47, F. 5 — 12,
T. 48.
8*
116 K. Möbius: Verzeichnis der ßhizopoden der Kieler Bucht.
Amoeba radiosa Ehbg.
Ehrenberg, Infus. 1838, S. 128, T. 8, F. 13.
Im süssen und salzigen Wasser weit verbreitet.
Amoeba prehensilis Mob.
K. Möbius, Rhizop. der Kieler Bucht. S. 25, T. 5, F. 55—58.
Länglich, 0,024 mm lang, 0,01 mm breit. Pseudopodien lappig. Plasma
farblos, feinkörnig mit kontraktiler Vakuole. Sie kriecht auf faden-
förmigen Pflanzen (Spirulina, Beggiatoa) und Vorticellenstielen.
Amoeba villosa Wallich
G. C. Wallich, Ann. nat. hist. XI, 1863, S. 287, T. 8 und
S. 365, T. 9.
Im süssen und salzigen Wasser weit verbreitet.
Amoeba crystalligera Grbr.
A. Gruber, Zeitschr. wiss. Zool. Bd. 41, 1885, S. 219, T. 15,
F. 48.
W. Ostsee, Nordsee.
Amoeba flava Grbr.
A. Gruber, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 41, 1885, S. 220, T. 15,
F. 50.
W. Ostsee, Nordsee.
Amoeba verrucosa Ehbg.
Ehrenberg, Intus. S. 126, T. 8, F. 11.
Revision der von Spix in Brasilien
gesammelten Najaden.
Von
Dr. H. von Ihering-.
&
Hierzu Tafel IX.
Einen längeren Aufenthalt in Deutschland während, eines Theiles
der Jahre 1888/89 benutzte ich u. A., um mich in die Systematik
der südamerikanischen Najaden derart einzuarbeiten, dass ich künf-
tighin mit besserem Erfolge als bis dahin mit dem schwierigen Ge-
genstande mich beschäftigen könne. Während meiner 8— 9jährigen
Anwesenheit in Brasilien habe ich natürlich auch den Mollusken
ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Besondere Schwierig-
keiten ergaben sich im Allgemeinen dabei für Abgrenzung der Arten
und deren Bestimmung nicht. Dagegen waren alle Versuche, in die
gesammelten Najaden Ordnung zu bringen, vergeblich. Ich sandte
die von mir erbeuteten Arten an eine Reihe namhafter Conchyliologen
oder soweit ich sie nicht selbst an sie versandte, geschah es durch
Andre, die mir darüber berichteten. Fast eine jede dieser Autoritäten
legte den betr. Arten einen anderen Namen bei, sicher ein Beweis
für die Schwierigkeit des Gegenstandes und den geringen Grad von
Aufklärung, der ihm bisher zu Theil geworden.
Diese Schwierigkeit liegt in erster Linie darin, dass viele,
wenigstens der brasilianischen, Najaden individuell, wie nach Alter
und Geschlecht ziemlich stark variabel sind. Man kann danach
leicht ermessen, welchen Werth es hat, wenn nach der Umrissform
der Schale, der gewölbten oder mehr abgestutzten Form der Ränder,
dem grösseren oder geringeren Durchmesser u.s. w. etwas abweichende
Formen als neue Arten beschrieben werden, wenn man noch nicht
die geringste Ahnung hat von den Variabilitätsgrenzen innerhalb der
bereits aufgestellten Arten. Es giebt in der That noch keine einzige
Najaden- Art Südamerikas, für welche durch eine systematische Unter-
suchung grösserer Reihen von Schalen und Thieren feststände: inner-
halb welcher Grenzen sich die Variationen der Schalenform bewegen,
118 Dr. H. von Ihering: Revision der
welche Veränderungen die Schale im Laufe des Wachsthumes er-
leidet und ob und wie männliche und weibliche Schale verschieden
sind. Die Aufgabe der nächsten Zukunft muss es daher sein, in
diesem Sinne eine gründlichere intensivere Kenntniss anzubahnen.
Die Beschreibung einzelner Schalen als n. sp. , oft dazu noch von
Jugendformen, vermehrt nur die Confusion und ist daher im höchsten
Grade bedauerlich und tadelnswerth. Namentlich Lea hat hierin
viel gefehlt, und nur wenn es gelingt, von den gleichen Fundorten
grössere Suiten von Najaden zu erlangen, wird es mit der Zeit möglich
werden Ordnung zu bringen in die Menge von einander nahestehenden
und sicherlich grossen Theils identischen Arten, welche er zumal
aus dem La Plata-Gebiete beschrieben hat.
Neben der intensiveren Kenntniss der einzelnen Arten wird es
sodann nöthig sein, soweit möglich in die verworrene Synonymie
mehr Ordnung zu bringen. Als ein solcher Beitrag präsentirt sich
die vorliegende Abhandlung. Die von Spix gesammelten und von
ihm und Wagner beschriebenen Najaden haben zu vielen Miss-
verständnissen und verschiedenartigen Deutungen in der Literatur
Anlass gegeben. Der Gründe hierfür giebt es viele. Zunächst hat
schon Wagner in der definitiven Bearbeitung vielfach andere An-
sichten ausgesprochen als Spix, dessen ursprüngliche Benennungen
noch auf den Tafeln lithographirt erhalten sind, ebenso wie seine
kurzen lateinischen Diagnosen im Texte. Dadurch besteht schon
in der Bearbeitung selbst ein Widerspruch der Meinungen, der
grössten theils davon herrührt, dass Wagner durch Vergleichung der
La mark1 sehen Beschreibungen und Tafeln einige der von Spix
neu aufgestellten Gattungen und Arten als schon früher beschrieben
erkannte. So zog er denn die Spix 'sehen Genera Diplodon (Unio
und Hyria), Triplodon (Hyria) und Tetraplodon (Castalia) wieder ein,
aber er ging zu weit, indem er auch die Spix 'sehe Gattung Aplodon
einzog, welche Spix für die erste, von ihm gefundene Monocondylaea
aufstellte. Wagner stellte dann diesen Aplodon zu Anodonta rotunda
Spix, was späterhin noch in An. latomarginata Lea umgewandelt
wurde, unter welchem Namen mir das Original vom Münchener
Museum zugestellt wurde. Da es sich in der That um eine Mono-
condylaea handelt, und der entscheidende Charakter richtig erkannt
und im Namen angedeutet wurde, so hat offenbar der Spix 'sehe
Gattungsnamen Aplodon die Priorität vor dem d'Orbigny'schen
Monocondylaea.
Eine weitere Quelle für Irrungen bildet der Umstand, dass beide
Forscher nicht immer verschiedenartige Formen richtig getrennt
haben. Das gilt namentlich für die „Anodonta gigantea Spix ', unter
welchem Namen ausser der An. trapezialis Lam. auch zwei Arten der
Gattung Columba Lea (Leila Gray) begriffen wurden. Eine derselben
wurde abgebildet und befindet sich noch in München, Col. Spixii
mihi, über die das Nähere weiterhin bemerkt wird. Aber auch die
Columba pulvinata Hupe, welche Küster abbildet, hatte er von
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 119
München erhalten als Anodonta gigantea Spix. Auch unter „Ano-
donta auserina Spix' wurden verschiedene Arten zusamniengefasst.
Wagner hat mehrfach Arten, die Spix trennte, zusammengezogen,
zumal wo Spix für die Jugendform einen anderen Namen wählte.
Spätere Autoren glaubten dann theilweise, wie zumal bezüglich des
Mycetopus pygmaeus Spix, die ältere Spix'sche Meinung aufrecht
erhalten zu müssen, ein Irrthum, der viel Confusion erzeugte.
Hierzu kommt nun noch ein fast unglaublicher Flüchtigkeits-
fehler Wagners. Derselbe schrieb zu den bereits gestochenen Spix-
schen Tafeln den Text, in den er die kurzen Diagnosen von Spix1)
aufnahm, eine ausführliche Beschreibung hinzufügend. Diese Be-
schreibung hat er vielfach nur nach den Abbildungen zusammen-
geschrieben, und dadurch gedankenlos alle Fehler der Abbildung
getreu beschrieben. Es war ihm dabei entgangen, dass diese Ab-
bildungen nicht mit dem Spiegel, sondern direkt auf den Stein über-
tragen sind, so dass also die scheinbar rechte Klappe der Muschel
die linke ist, und umgekehrt. Wo Wagner daher von der linken
Schale spricht, ist in Wahrheit die rechte gemeint. Es fiel mir dieser
Umstand erst auf, als ich bemerkte, dass Wagner den Spix'schen
Unio- Arten für die rechte Schale consequent einen Cardinalzahn
zuschreibt und 2 Seitenlamellen, ein Verhältniss, das ja wohl einmal
abnormer Weise als Umdrehung des normalen Verhaltens erscheinen
kann, wie ein linksgewundenes Exemplar in einer rechtsgewundenen
Art, das ich aber mit meinen Beobachtungen nicht in Einklang zu
bringen vermochte. Als ich dann später die Spix'schen Original-
exemplare untersuchte und ganz die bekannten normalen Verhält-
nisse antraf, wurde mir klar, dass die verkehrte links und rechts
vertauschende Beschreibung Wagners in der Umkehrung der Tafel-
figuren ihren Grund hat. Nebenbei sei hier noch bemerkt, dass
Wagner auch vorn und hinten verwechselt hat, daher er denn einer
Schale mit zugespitztem Hinterende und gerundetem Vordertheil ein
gerundetes Hinter- und zugespitztes Vordertheil zuschreibt.
Unter diesen Umständen ist es einleuchtend, dass eine erneute
gründlichere Untersuchung der Spix'schen Najaden sehr wünschens-
werth sein musste. Die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung
und zur Vergleichung der Spix'schen Originale mit meiner eigenen
und anderen von mir studierten Sammlungen bot sich mir durch die
grosse Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Richard Hertwig, des
derzeitigen Direktors der K. bayerischen Staatssammlung. Es sei
mir gestattet, ihm an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank
hierfür auszusprechen.
Als Spix 1817 — 1820 seine Reisen in Brasilien unternahm, war
über die Najaden Südamerikas sehr wenig bekannt. Abgesehen von
zwei durch Maton beschriebenen La Plata-Arten, deren Deutung
') Es ist daher klar, dass als Autorname der Species nur Spix, nicht aber
Wagner anzuführen ist.
120 Dr. H. von Ihering: Revision der
wohl noch keine ganz zuverlässige, waren nur Hyria syrmatophora L.
und 10 Lamarck'sche Arten bekannt, nämlich 2 Unio (delodonta
und depressus), 1 Castalia (ambigua) 2 Hyria (avicularis und corrugata)
und 5 Anodonta (crispa, exotica, patagonica, sinuosa, trapezialis).
Spix brachte im Ganzen 19 Arten Najaden mit, von denen nur 5
schon bekannt waren. Zum erstenmale brachte er nach Europa
Vertreter der für Südamerika charakteristischen Gattungen Columba
Lea (Leila Gray), Mycetopus und Aplodon (Monocondylaea Orb.).
Eine genauere Lektüre der folgenden Mittheilungen wird eine
etwas andere Behandlung des Gegenstandes erkennen lassen, als sie
sonst meist üblich. Es kann meines Erachtens keinem Zweifel unter-
liegen, dass an der ungenügenden Kenntniss der Najaden und der
noch so vielfach hierin herrschenden Confusion und weitgehenden
Meinungsverschiedenheit nicht ausschliesslich die Schwierigkeit des
Gegenstandes die Schuld trägt. Zum Theil fällt dieselbe ohne Zweifel
auf die ungenügende Untersuchungsweise. Ich will hier nicht von
den älteren Arbeiten reden, auch nicht von der oberflächlichen und
ganz ungenügenden Behandlung des Gegenstandes durch Reeve und
viele Andre — aber selbst Lea's Behandlung scheint mir nichts
weniger als mustergültig. Fast immer beschreibt und misst Lea
nur ein einziges Exemplar, so dass wir nichts über die Variations-
grenzen der Arten bei ihm erfahren. Das wäre aber um so nöthiger,
als Lea oft sehr geringe Unterschiede zur Aufstellung verschiedener
Species benutzt. Namentlich scheint mir das für die späterhin von
ihm, zumal aus Carolina, Georgia, Florida etc. beschriebenen, sowie
für seine südamerikanischen Najaden zu gelten. Namentlich die
Umrissformen spielen dabei eine sehr grosse Rolle, Neigung und
Verlauf der Schalenränder u. s. w. , die doch bei vielen Arten in-
dividuell sowohl wie sexuell sehr variiren. Die Unterschiede nahe-
stehender Arten werden fast immer in unbestimmten Ausdrücken
gegeben, „mehr bauchig", ,, höher" etc., was meines Erachtens nicht
in Ordnung ist. So nothwendig es auch ist, die absoluten Mafse
der zu beschreibenden Arten zu geben, so sollten doch bei der Ver-
gleichung nur die relativen Mafse dienen, die prozentale Höhe oder
der proz. Diameter, d. h. die relative Grösse dieses Mafses im Ver-
hältniss zu der =100 gesetzten Länge, wie das z. B. für die süd-
amerikanischen Najaden schon längst d'Orbigny gethan hat. Aber
auch mit der Angabe ,, Wirbel mehr nach vorn gelegen" oder „Wirbel
mehr central gelegen" etc. ist dem späteren Forscher wenig gedient.
Auch da ist die Messung leicht und die Berechnung einfach. Ich
pflege die Schlossleiste von der Ecke des Schildchens oder von dem
ihr entsprechenden Vorderende des Dorsalrandes an bis zum Beginn
der Ligamentalbucht zu messen. Misst man nun den Abstand der
Wirbelspitze vom vorderen Ende der Schlossleiste, so braucht man
nur wieder die Schlossleiste = 100 zu setzen, um in Procenten der-
selben den Abstand des Wirbels vom Vorderende zu erfahren und
ein bei allen Arten und Exemplaren vergleichbares Mals zu erhalten,
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 121
das ich Unibonalindex zu nennen vorschlage. In gleicher Weise
kann man die Länge der Schlossleiste in Procenten der Totallänge
ausdrücken, was als Cardinalindex1) bezeichnet werden kann.
Als Höhenlagenindex bezeichne ich die Entfernung der Lage der
grössten Höhe vom Vorderende in Procenten der Länge, als Diameter-
index die Grösse des Diameter in Procenten der Länge und als
Diameterlageindex den Abstand des grössten Diameter vom Vorder-
ende in Procenten der Länge. Wer diese Mafse nimmt und alle
durch die leichte Umrechnung unter einander vergleichbar macht,
wird manchen nach dem Augenschein abstrahirten Unterschied
fallen lassen und andererseits bestehende Unterschiede scharf prä-
cisiren können.
Die Meinungen sind jetzt so getheilt, dass beispielsweise Clessin
nur zwei Species Anodonta für ganz Deutschland gelten lässt, darin
weitergehend als Lea, der als einzige Anodonta von ganz Europa
nur An. cygnea anerkannte, während H. Drouet allein aus dem Ge-
biet der Rhone 25 Species aufführt, resp. zum Theil als neu be-
schreibt. Dieser Gegensatz besteht freilich nicht allein bei den
Najaden; die französischen Malakologen der „Nouvelle ecole" treiben
überall die Speciesfabrikation ins Endlose. Glücklicher Weise finden
sie auch in Frankreich unter den hervorragendsten Malakologen ent-
schiedene Gegner, und das ist nöthig. Die unnütze Ueberladung
der Systematik mit Species und Gattungsnamen erschwert nicht nur
die Üebersicht und das Studium, sondern sie setzen auch an Stelle
einer schärferen Unterscheidung nur grössere Confusion. Es ist
schon bei der hergebrachten Unterscheidung der Arten oft eine
schwere Aufgabe, die Entscheidung zu treffen, ob eine beliebige
Schale zu dieser oder jener Art gehöre und die Geschichte der
Irrungen wird ja grösstentheils durch die Synonymie uns vor Augen
geführt. Diese Verwirrung kann nur zunehmen, wenn die Trennung
nahestehender Formen bis auf die Spitze getrieben wird. Es ist ja
natürlich sehr leicht, für eine schwer bestimmbare Art eine n. sp.
zu fabriziren — den gordischen Knoten zu durchhauen statt ihn zu
lösen. Allein Systematiker, die auf ihren Namen halten, sollten
doch derartige testimonia paupertatis scheuen und bedenken, dass
die Aufklärung der Synonymie stets eine viel verdienstlichere Leistung
ist als die Fabrikation neuer Species.
Man wird, glaube ich, für mich aus der nachfolgenden Untersuchung
ein gewisses Recht zu dieser Auseinandersetzung ableiten können.
Man vergleiche nur die Behandlung der grossen Anodonten und man
wird sich sagen müssen, dass fast alle die wesentlichsten Merkmale,
welche wie Unibonalindex, centrale oder excentrische Lage der
Wirbelspitze, Breite des perlmutterlosen Randsaumes, ja selbst das
Klaffen und die Form des Klaffspaltes aus der Literatur nicht hätten
erkannt oder abgeleitet werden können, während unwesentliche
Weiteres über Messungen ist im Abschnitte „Coluinba" bemerkt.
122 Dr. H. von Ihering: Revision der
Variationen des Randverlaufes und seiner Winkel in zweckloser Breite
beschrieben sind, dafür aber über die oft wichtigere Gestalt des
horizontalen Längsdurchschnittes nichts bemerkt wird.
Nach meinen Erfahrungen über südamerikanische Najaden, zu
deren monographischer Bearbeitung die vorliegende Abhandlung einen
ersten Beitrag bringen will, wird man für künftige Najaden-Arbeiten
folgende Thesen formuliren können:
1. Man bekümmere sich niemals um irgend welche Najaden,
deren Herkunft nicht vollkommen sicher feststeht, denn selbst ein
Spezialist für Najaden wird eine solche Schale in vielen Fällen nicht
sicher an ihren Platz stellen können.
2. Man untersuche zahlreiche Exemplare verschiedenen Alters
und Geschlechtes, um die Variationsbreite der Art kennen zu lernen.
3. Man trenne nie nahestehende Formen als verschiedene Species,
wenn man nicht sicher weiss, ob sexuelle Schalendifferenzen existiren
und welches diese sind.
4. Man lasse daher zumal in überseeischen Gebieten niemals
Najaden sammeln, ohne von jeder Form mehrere Exemplare in
Alcohol aufbewahren zu lassen.
5. Die anatomische Untersuchung hat uns bisher zwischen den
Thieren von Anodonta und Unio keine konstanten und wesentlichen
Unterschiede erkennen lassen, noch weniger innerhalb jeder einzelnen
Gattung.1) Von Bedeutung erwies sich nur die Beschaffenheit der
Bruträume in den Kiemen, in denen wir hoffen dürfen noch wichtige
Anhaltspunkte zu naturgemässer Gruppirung zu gewinnen. Auch
Besitz oder Mangel der Schalenhaken des Embr3ro verdient volle
Beachtung in diesem Sinne.
6. Man vermeide es möglichst, auf eine einzelne Schale hin
eine neue Species zu gründen.
7. Man erkenne nur solche Arten an, welche durch positive,
zumal auch in Zahlen ausdrückbare Unterschiede trennbar sind, und
gebe die Dimensionen und Vergleichungsmafse ausser in ihren ab-
soluten auch in relativen reduzirten Grössen an, welche direkt unter
einander vergleichbar sind.
8. Man glaube nie, in eine Lokalfauna oder systematische Gruppe
Ordnung gebracht zu haben, wenn man nicht im Stande ist durch
einen Schlüssel resp. eine Bestimmungstabelle sich und Andren über
die anerkannten Unterschiede Rechenschaft zu geben, so zwar, dass
die Nachfolger einerseits Belehrung und Erleichterung im Bestimmen
daraus gewinnen, andererseits aber auch an den benutzten Unter-
scheidungs-Merkmalen Kritik üben können.
') Alle gegenteiligen Angaben beruhen auf Unkenntniss und finden bei
eingehendem Studium der Lea'schen Monographie sofort ihre Erledigung.
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 1 23
Das besondere Interesse, welches sich mir an das Studium der
südamerikanischen Najaden zu knüpfen scheint, liegt vor Allem in
der geographischen Verbreitung. In grossen Zügen lässt sich darüber
etwa Folgendes sagen. Südamerika hat mehr eigenartige charak-
teristische Najaden- Gattungen, als alle übrigen Theile der Erde
zusammengenommen. Die Gattungen Aplodon, Mycetopus, Columba,
Hyria, Plagiodon und Castalia, sowie die fragliche Byssanodonta
sind auf Südamerika beschränkt, während Afrika nur zwei ihm eigene
Gattungen besitzt, Iridina undSpatha, undSiam, China, Sibirien etc. die
Gattungen Solenaia und Dipsas. Einige wenige von scheinbar hier-
mit widerstreitenden Daten habe ich im Folgenden richtig gestellt.
Von diesen Gattungen ist Plagiodon auf den La Plata beschränkt,
ebenso Byssanodonta, soweit wir wenigstens bisher wissen, denn
Plagiodon rotundatus Mss. ist ein ächter Aplodon. Die letztere
Gattung unterscheidet sich durch leichtes Klaffen der Schale, sowie
die Form der Ligamentalbucht und breiten perlmutterlosen Saum
von der nahestehenden in Europa und Asien bis Java angetroffenen
Gattung Microcondylaea , von der man sie bisher nicht richtig zu
scheiden wusste. Die Gattung Columba kennen wir aus Brasilien und
dem La Platagebiete , ob sie auch im Stromgebiete des Amazonas
vorkommt, ist angesichts der von Spix begangenen Verwechslungen
noch nicht sicher zu sagen, wenn auch wahrscheinlich. Die Gattungen
Castalia, Mycetopus und Aplodon gehen vom Amazonas bis zum La
Plata durch, aber Hyria ist auf den Amazonas und Guiana be-
schränkt, Westlich der Anden giebt es nur die Gattung Unio.
Wie erklären sich nun diese eigenartigen Verbreitungs- Verhält-
nisse? Dass eine Reihe von Gattungen, ja selbst von Arten, wie
z. B. Castalia ambigua, Anodonta trapezialis, Anodonta trigona u. A.
vom La Plata bis zum Amazonas durchgehen, findet seine Erklärung
wohl leicht in den hydrographischen Verhältnissen der Bolivianischen
Tiefebene, wo zur Zeit des höchsten Wasserstandes ein enormer
Süsswasserozean zwischen Bolivia und Brasilien sich ausbreitet. Da
diese Gegenden der Wasserscheide zwischen Amazonas und La Plata
angehören, muss ein Zusammenhang beider Stromsysteme hier wohl
leicht stattfinden können. Leider habe ich vergebens mich bisher
bemüht, hierüber genauere Aufklärung zu erlangen. Auch bezüglich
der Fische ist man neuerdings in Argentinien darauf aufmerksam
geworden, dass argentinische Arten bis in die südöstlichen Zuflüsse
des Amazonas durchgehen. Es ist namentlich Holmberg, von dem
wir weitere bezügliche Mittheilungen werden zu erwarten haben.
Der Zusammenhang der Gewässer beider Stromsysteme, der mir
auch noch für unsere Tage als zeitweilig existirend wahrscheinlich
ist, muss jedenfalls zur Tertiärzeit ein sehr viel ergiebigerer gewesen
sein, ja selbst noch im Beginne unserer gegenwärtigen Epoche reichte
das Meer weiter landeinwärts, wie d'Orbigny, Darwin und Bur-
meister von La Plata, ich von Rio Grande do Sul nachwies. Con-
chylien, welche von den recenten der Rio Grande-Meeresküste nicht
124 JDr. H. von Ihering: Revision der
verschieden sind, fand ich an der Lagoa merim und im Camaquam-
strome an dessen Mündung in die Lagoa dos patos. Die grossen
Seen der Lagoa dos patos und Lagoa merim sind also zur Diluvial-
zeit, vermuthlich auch noch länger Meeresbuchten gewesen, welche
durch Hebung der Küste zu Binnenseen wurden. Es hat aber auch
am Amazonas und am La Plata nur geringer Hebungen bedurft, um
aus Meeresbuchten Strombetten hervorgehen zu lassen. Nach Agassiz
hat der Amazonas von Tabatinga bis zur Mündung in einer Aus-
dehnung von 2000 Meilen kaum 200 Fuss Fall, und die mit der
bolivianischen zusammenhängende Tiefebene von Matto Grosso hat
nur eine Erhebung von 150 M. über Meeresspiegel. Dass die Hebung
seit der Tertiärzeit aber eine sehr viel bedeutendere gewesen ist,
beweisen u. A. auch die Forschungen von L. Agassiz, welcher die
tertiären Sandsteine des Amazonasbecken bis zu einer Höhe von
800 Fuss an den Hügelketten hinauf verfolgte. Eine viel geringere
Erhebung schon würde genügen, um Brasilien in eine Insel umzu-
wandeln, Venezuela und Guiana in eine andere. Es ist daher der
amerikanische Continent am Ende der Tertiärzeit aus drei Gebirgs-
stöcken resp. Hochplateaus zusammengetreten, den Anden, Brasilien
und Guiana. Nur wer sich diese Verhältnisse vergegenwärtigt, wird
die geographische Verbreitung der Thierwelt Südamerikas verstehen
oder doch mit Erfolg studieren können.
Die Hebung der Anden fallt bekanntlich in den Beginn der
Tertiärzeit. Nach ihrer Hebung war der Verbreitung von Süsswasser-
Schnecken und -Muscheln aus dem östlichen Südamerika nach Chile
ein Riegel vorgeschoben, und die Fauna des westlich der Anden ge-
legenen Chile und Peru repräsentirt uns zugleich die alttertiäre Süss-
wasser-Thierwelt. Von Najaden trifft man in Chile nur die Gattung
Unio, welche auch auf der Insel Chiloe in ganz übereinstimmenden
Arten sich findet. Das nähere Verhältniss freilich, in dem die chi-
lenische Fauna zur argentinischen und jener von Rio Grande do Sul
steht, bedarf noch der Erklärung. Ich erinnere hier nur daran, dass
ausser Chilina auch die Crustaceengattung resp. Species Aeglea laevis
der Provinz Rio Grande mit Chile gemein ist, die bisher noch nicht
von Argentinien bekannt ist, aber wohl sicher auch da sich findet.
Es sind mithin die Najaden des La Platagebietes im Wesentlichen
erst nach Hebung der Anden eingewandert und es wird Aufgabe
der Zukunft sein, die Wege zu verfolgen, welche dabei eingeschlagen
wurden und zu ermitteln, welche Gruppen von Arten und welche
Gattungen den einzelnen Gebieten eigen waren. Für Chile kommt,
wie bemerkt, dabei nur die Gattung Unio in Betracht. Für Guiana
wird die Gattung Hyria reklamirt werden müssen, welche sich in
Bolivia und den südöstlichen Zuflüssen des Amazonas nicht vorfindet
und offenbar erst von Guiana und dem Orinoco aus in den Amazonas
eingedrungen ist. Für weitere Scheidung werden aber erst Auf-
schlüsse über tertiäre Süsswasserablagerungen abzuwarten sein. Als
eine speziell brasilianische resp. dem Stromsysteme des Rio S. Fran-
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 125
cisco angehörende Formengruppe sehe ich Unio multistriatus und
die nahestehenden Arten an.
Schon diese wenigen Andeutungen dürften genügen, um darzu-
thun, welche wichtigen Resultate die Vergleichung der Süsswasser-
faunen Südamerikas in Aussicht stellt. Der Fortschritt wird hier
zunächst an eine gründliche Durchforschung der argentinischen Ge-
wässer anknüpfen, denn ohne eine solche lässt sich über die von
Lea beschriebenen zahlreichen Unionen des La Plata-Gebietes kein
zuverlässiges Urtheil gewinnen. Möchten diese Zeilen mir Unter-
stützung an Material zur Weiterführung meiner Studien zu verschaffen
beitragen! Zugleich sei es mir hier gestattet, Herrn Prof. E. von
Martens meinen Dank auszusprechen für die Unterstützung, die er
mir seit Jahren in meinen Bemühungen zur Erforschung der Mol-
lusken Südbrasiliens hat zu Theil werden lassen, sowie Herrn Direktor
Prof. Lütken und Herrn Inspektor Levinsen in Kopenhagen für
die liebenswürdige Bereitwilligkeit zu danken, mit der sie mir die
Bearbeitung der reichen Sammlung des Kopenhagener Museums er-
möglichten. Ebenso fühle ich mich den Herren S. Clessin in Ochsen-
furth, Prof. H. Ludwig in Bonn, Dr. H. Dohrn in Stettin, Dr.
0. Boettger in Frankfurt a. M. und Hofmarschall von Heimbürg-
in Oldenburg für die liebenswürdige Unterstützung, die sie mir zu
Theil werden Hessen, zu besonderem Danke verpflichtet. —
Die Liste der Spix 'sehen Najaden, in der Reihenfolge, in welcher
ich sie hier besprechen werde, ist die folgende:
Aplodon inerme Spix (Fig. 1 — 3).
Mycetopus siliquosus Spix.
— longinus Spix.
Columba Spixii v. Ih. sp. n. (Fig. 4).
— pulvinata Hupe.
Anodonta rotunda Spix (Fig. 5).
— trapezia Spix (Fig. 6).
— ■ trapezialis Lam.
— Hertwigii v. Ih. sp. n. (Fig. 7).
— radiata Spix.
— obtusa Spix.
— ensiformis Spix.
— trigona Spix.
Castalia ambigua Lam.
Hyria avicularis Lam.
- corrugata Lam.
Unio ellipticus Spix (Fig. 8 und 9).
— rhombeus Spix.
— rotundus Spix (Fig. 10).
Ich lasse hier eine Uebersicht der wichtigsten benutzten Literatur
folgen, auf welche sich die folgenden Citate beziehen.
126 Dr. H. von Ihering: Revision der
J. B. v. Spix, Testacea fluviatilia quae in itinere per Brasiliarn
1817 — 1820 coli. Descr. et ill. J. A. Wagner Monachii 1828.
J. Lea, Observations on the Genus Unio. Vol. I. — XIII. Phila-
delphia 1832 — 1874.
A. d'Orbigny, Voyage dans l'Amerique meriodionale. Vol. V.
Paris 1843.
F. de Castelnau, Animaux nouv. on rares de l'Amerique du
Sud. Tom. III. Paris 1857. — Mollusques par Hupe.
Reeve, Conchologia iconica. Monographien von Unio, Anodonta,
Castalia, Hyria, Mycetopus.
W. Dunker, I. Diagnoses mollusc. nov. Zeitschr. f. Malakologie.
V. Jahrg. 1848, p. 177.
— IL in Louis Pfeiffer Novitates conchologicae. Tom IL Cassel
1854—1860, p. 150 — 151.
R. A. Philip pi, Abbildungen und Beschreibungen neuer oder
wenig gekannter Conchylien. Bd. III. Cassel 1851.
A. Mousson, Notiz über einige von Herrn G. Wallis aus dem
nördl. Südamerika zurückgebrachte Mollusken. Malakolog. Blätter.
Bd. 16. 1869, p. 170 — 189.
H. C. Küster, Systemat. Conchylienkabinet von Martini und
Chemnitz. Bd. IX. Abth. I. Anodonta. Fortgesetzt von S. Clessin.
Nürnberg 1838 — 1876.
— Dass. Bd. IX. Abth. II. Unio et Hyria. Nürnberg 1848.*)
Aplodon inerme Spix. (Fig. 1-3.)
Spix 1. c. p. 32, Taf. XXV, Fig. 1-2.
Anodonta rotunda var. Wagner ibid. p. 32.
Die erste überhaupt je bekannt gewordene, uns beschriebene
Art der z. Z. Monocondylaea Orb. genannten Gattung, ist von Spix
gefunden und abgebildet worden. Spix hat sie richtig als eine von
Anodonta durch Anwesenheit des Cardinalzahnes verschiedene neue
Gattung aufgefasst. Es liegt daher kein Grund vor, diesem Namen den
später vorgeschlagenen Orbigny' sehen Monocondylaea vorzuziehen,
und ich halte um so lieber an der Spix'schen Bezeichnung fest, als
man unter Monocondylaea eine Menge verschiedenartiger Formen
untergebracht hat. So viel ich aber sehe, ist Aplodon eine aus-
schliesslich auf Südamerika beschränkte Gattung, welche ausser durch
ihr Schloss mit den hinter einander liegenden Zähnchen, von denen
derjenige der linken Schale stets der vordere ist, auch durch den
perlmutterlosen ventralen Rand der Schale gekennzeichnet ist. Ich
halte für diese Formen den Spix'schen Namen Aplodon fest mit
Monocondylaea d'Orb. als Synonym und überlasse die generische
*) Vergl. v. Martens, Brasil. Binnen. Moll, in Malak. Blatt. XV 1868
193—217. F. Bf.
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 127
Unterbringung der zum Tlieil hierher gezogenen europäisch-asiatischen
und indischen Formen bei Microcondylaea, Margaritana u. s. w.
künftigen Monographen.
Aus München wurde mir eine einzelne, rechte, Schale von
Aplodon inerme Spix zugesandt. Wagner hat dieselbe als nahe
verwandt mit Anodonta rotunda Spix bezeichnet, von der sie nur
durch den kleinen Tuberkel in der Schlossleiste vielleicht sich unter-
scheide. Der perlmutterlose Rand hat denn in späterer Zeit gar
noch dazu verleitet sie für Anodonta latomarginata Lea zu halten,
unter welcher Bezeichnung sie im Münchener Museum jetzt figurirte.
Dieser perlmutterlose Saum am Ventralrande kommt aber, wie wir
jetzt wissen, einer ganzen Reihe von südamerikanischen Anodonten
und allen Aplodon -Arten zu.
Die von mir untersuchte Schale misst 21 mm in der Länge,
15 mm in der Höhe und ist 5 mm dick, was also für die complete
Schale einer Dicke von 10 mm entsprechen würde. Die ziemlich
dünne Schale ist nahezu oval. Der Vorderrand ist gerundet, der
Oberrand ziemlich gerade, nur wenig nach vorn sich senkend, resp.
unter dem Wirbel ein wenig eingezogen. Auch der Hinterrand ist
ziemlich gerundet, ebenso der ziemlich gleichmässig gewölbte Unter-
rand. Die grösste Höhe der Schale liegt etwas hinter der Mitte
der Schalenlänge. Die Wirbel etwas vorstehend, massig aufgeblasen,
abgerieben glatt und glänzend. Die Schale ist glatt, blass-grünlich,
horngelb mit feinen linienartigen dunkleren Strahlen, die aber nicht
streng gerade resp. radiär verlaufen, sondern vielfach etwas un-
regelmässig gebogen oder zickzackförmig gebrochen verlaufen. Da
auch die Anwachsstreifen grossentheils unregelmässig geschwungen
sind, so entsteht hierdurch ein unregelmässig retikulirtes Aussehen
der Oberfläche. Gegen den freien Rand hin ist die Schale minder
glatt, indem da die Anwachsstreifen in kurze lamellöse aber niedrige
Säume auslaufen, wodurch dieser Theil der Schale rauher und
dunkler erscheint. Eben diese noch nicht abgeriebenen Epidermis-
lamellen weisen auch darauf hin, dass die Schale unausgewachsen
ist. In der Schildgegend hat die Epidermis zwei breitere, an der
abgerundeten, kaum deutlichen Umbonalfalte zwei schmälere dunkel-
grüne Linien.
Das Schildchen ist deutlich entwickelt, schmal und kurz, durch
eine scharfe, stellenweise leistenförmig erhobene Linie nach aussen
abgegrenzt. In der Norma dorsalis (Fig. 3) sieht man diese Schildchen-
partie etwas vorragen, sodass ihr wohl in der linken Schale ein
Ausschnitt entsprechen muss, wie es auch aus Fig. 2, Taf. 25 bei
Spix hervorgeht. In dieser Figur stellt wieder, in Folge unter-
bliebener Uebertragung mit dem Spiegel, die scheinbar rechte Schale
die linke dar, was zu beachten hier nöthig ist, um die Verschieden-
heit in den Contouren des Dorsalrandes in der Wirbelgegend für
beide Schalen richtig zu würdigen.
128 Dr. H. von Ihering: Revision der
Die Schlossleiste ist schmal, minder dick als das über ihr
liegende Ligament. Nach vorn unter dem Wirbel geht sie in einen
kleinen dreieckigen Zahn über, dessen geschwollene Basis sich in
die Wirbelhöhle hinein verfolgen lässt. Dieser Zahn liegt unter,
und mit seinem Vorderende noch etwas vor dem Wirbel, als eine
nur wenig freie, kurze, niedere Lamelle, die ca. 2 mm lang ist, und
V2 mm über dem Schalenrand vorsteht. Auf seiner freien Fläche
hat er einige kleine Grübchen und Furchen, nach vorn hin trägt
er eine grössere, flache Grube mit nach unten hin scharfem, ver-
dicktem Rand, welche offenbar zur Aufnahme des Zahnes der linken
Schale bestimmt ist, welcher also vor jenem der rechten Schale liegt.
Das Perlmutter ist bläulich weiss, stark irisirend. Es fehlt auf
einem zumal am unteren, ventralen Rande breiten Streifen, welcher
von matt graugelber Farbe und stellenweise bis V/2 mm breit ist.
Die Mantellinie folgt erst erheblich weiter nach einwärts, sie ist vom
Ventralrande 4 mm entfernt. Von den Muskeleindrücken ist die
hintere Adduktornarbe wenig deutlich und nicht eingedrückt, die
vordere tief eingedrückt. Besondere Muskeleindrücke für Fuss- und
Haftmuskel sind nicht erkenntlich. Das Ligament ist fein und schmal,
an seinem Hinterende findet sich die wenig vorspringende, stumpf-
dreieckige Ligamentalbucht.
Die Herkunft der Schale ist nicht sicher bekannt, nur so viel
ist klar, dass sie mit den übrigen von Spix gesammelten Arten aus
dem nördlichen Brasilien herstammt.
Von den durch Lea und d'Orbigny aus dem La Platagebiete
beschriebenen Arten unterscheidet sich diese Species durch das nicht
eingezogene oder abgesetzte, sondern volle, gerundete Vordertheil
und den fast geraden und nicht geschwungenen Dorsalrand. Das
Aussehen der Schale im ausgewachsenen Zustande ist unbekannt,
daher es auch noch zu entscheiden sein wird, ob und in wie weit
die oben geschilderte Struktur der Epidermis auch der ausgebildeten
Schale zukommt. Herkunft fraglich.
Mycetopus siliquosus Spix.
Anodon siliquosum Spix, 1. c. p. 30, Tab. 23, Fig. 2.
juv. = Anodon pygmaeum Spix, 1. c. p. 30, Tab. 23, Fig. 3 u. 4.
Myc. pygmaeus Hupe, 1. c. p. 93, PI. 19, Fig. 2.
Myc. Weddelii Hupe, 1. c. p. 93, PI. 20, Fig. 2.
Myc. siliquosus d'Orb. p. 601, PI. 67.
Myc. Hupeanus Clessin Küster (für pygmaeus Hupe) p. 205, Taf.66,
Figur 5.
Wagner bemerkt, (1. c. p. 30), es werde aus den Münchener
Exemplaren klar, dass An. siliquosum und pygmaeum Spix nur die
durch Uebergangsstufen verbundenen, verschiedenen Altersstufen einer
einzigen Art darstellten, welche von An. longinum Spix durch dünnere,
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 129
glattere und minder schief abgestutzte Schale sich unterscheide.
Diese von den Autoren durchaus nicht acceptirte Auffassung ist gleich-
wohl durch das Studium der Spix' sehen Typen vollkommen ge-
rechtfertigt.
Es liegen mir von Spix'schen Typen vor:
1 Schale von M. pygmaeus Spix.
4 Schalen von M. siliquosus Spix.
Die letzteren sind in der Umrissform einigermassen unter sich ver-
schieden. Das grössere unvollkommene Exemplar, das ich No.I nenne,
ist 80 mm lang bei 31 mm Höhe. Die Entfernung des Vorderendes
vom Wirbel beträgt 22 mm, oder 28 Procent der Länge. Der vordere
Theil des Oberrandes ist etwas eingebuchtet. Das Vordertheil ist
etwas aber nur wenig zugespitzt, der ventrale Rand fällt stark nach
hinten hin ab und zwar bis ins letzte Drittel, der Hinterrand ist
schief abgestutzt, der Wirbel flach sehr wenig aufgeblasen d. h. mit
sehr kleiner und seichter Höhlung. Von den Muskelnarben reicht die
hintere nach vorn etwas über die Ligamentalbucht hinaus. Das Perl-
mutter ist blau und röthlich irisirend; es lässt am ventralen Rande
einen zumal nach hinten breiten Saum frei von blassgrünlichblauer
Farbe, der am Uebergang des ventralen in den hinteren Rand ganz
besonders breit ist. Epidermis gelbgrün.
Dieses Exemplar stimmt ziemlich gut mit Mycet. pygmaeus
Hupe überein, ebenso mit der Abbildung von pygmaeus bei Reeve,
die wohl nur eine Copie nach Hupe ist.
Exemplar No. II ist 65 mm lang, 22 mm hoch und unterscheidet
sich vom vorigen durch den geraden vor dem Wirbel nicht ein-
gebuchteten Rückenrand. Das Vorderende ist weniger zugespitzt, resp.
der Ventralrand läuft fast dem Dorsalrande parallel, ist aber in
und hinter der Mitte gerundet, fällt also nicht bis ins hintere y3,
sondern nur bis zur Hälfte der Schalenlänge ab. Das Hinterende
ist schlanker, mehr ausgezogen. Die Schale ist im Ganzen etwas
dünnschaliger als die vorausgehende.
Exemplar No. III, 44 mm lang, 14 mm hoch, noch dünnschaliger
mit wenig deutlichen Muskeleindrücken, dem vorigen ganz ähnlich.
Das Vorderende der Ligamentalbucht reicht noch etwas weiter nach
vorn hin als bei den älteren, gegen die sonst kein Unterschied
existirt.
Exemplar No. IV ist noch etwas kleiner und zarter, 40 mm lang,
durch eine leichte Einbuchtung des Ventralrandes an der Grenze
vom ersten und zweiten Drittel der Länge auffallend. Ganz zu den
letzteren Exemplaren passend finde ich auch das Originalexemplar
von Myc. pygmaeus Spix, das 45 mm lang ist und den Wirbel 13 mm
vom Vorderende entfernt hat, was 29 Procent der Länge entspricht,
während das Verhältniss bei siliquosus an den Spix'schen Exemplaren
von 27 — 30 Procent schwankte, an anderweiten Exemplaren auch
gelegentlich zu 25 : 100 angetroffen wurde. Der Ventralrand läuft
Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd. I. H. 2. 9
130 Dr. H, von Ihering: Revision der
fast dem dorsalen parallel, die Schale ist dünn und hellgelblich,
einen Grund sie von den übrigen zu trennen wüsste ich nicht aus-
findig zu machen; ich ziehe mithin wie schon Wagner den Myc.
pygmaeus als synonym ein.
Von den beschriebenen Spix'schen Exemplaren von siliquosus
gleicht wie bemerkt No. I mehr Myc. pygmaeus Hupe, No. III aber
Myc. Weddelii Hupe, der freilich noch etwas Länger und schlanker
ist, aber doch wohl auch nur eine der vielen Formvarietäten von
siliquosus darstellt. Ueber den Werth dieser Formverschiedenheiten
von M. siliquosus wird man erst dann sich eine zutreffende Idee
machen können, wenn von einer beliebigen Fundstelle ein grösseres
Material vorliegt, und zwar auch von den Thieren, sodass die sexuellen
Differenzen festgestellt werden können. Die Spix'schen Exemplare
halte ich in diesem Sinne alle für Vertreter einer Art nicht nur,
sondern auch eines Fundortes. Nicht nur die Epidermis, ihre Farbe
und die kurzwelligen Radiärlmien derselben, die röthlich irisirende
Farbe des Perlmuttrrs u. s. w. stimmen bei allen ganz überein,
sondern auch ein Merkmal, das ich unter den vielen anderen von
mir untersuchten Exemplaren von siliquosus nie wieder in solcher
Ausbildung antraf, nämlich die Breite der perlmutterlosen Randzone,
dieselbe ist zumal am Hinterende ventral am stärksten und beträgt
372 mm bei No. III, 4 mm bei No. I, G mm bei No. IL Wenn wir
daher Grund haben diese Formen alle als Vertreter einer Art und
einer lokalen Varietät anzusehen, so dürften die Formdifferenzen sich
wohl nur als Sexualcharaktere erklären.
Zu dieser Ueberzeugung bin ich namentlich auch durch die Unter-
suchung einer grösseren Serie von Exemplaren des ,,M. siliquosus"
gekommen, welche alle vom östlichen Peru (Huagabamba) stammen
und mir von Herrn Dr. Staudinger zugesandt wurden. Ein anderes
Exemplar von Huallaga verdanke ich Herrn Dr. H. Dohrn. Diese
Exemplare zeigen neben vollkommenster Uebereinstimmung in Epi-
dermis, Färbung, Perlmutter, Muskeleindrücken u. s. w. eine Form-
differenz derart, dass es höhere Formen (Fig. B) mit schief abge-
stutztem Hmterende und schlankere giebt (Fig. A), deren Hintertheil
nach unten hin schnabelförmig ausgezogen ist, wobei das hintere
Ende des Oberrandes nach hinten zunächst steil abfallend einen zahn-
förmigen Fortsatz darstellt. Vermuthlich ist die Form mit abge-
stutztem Hinterende das £, jene mit schnabelförmig ausgezogenem
Hinterende das c? oder umgekehrt. Wären uns wenigstens von irgend
einer Art oder Varietät die Grenzen und die Bedeutung der Form-
differenzen bekannt, so würden wir danach wohl schon schliessen
resp. vermuthen können, welches o und $ sei, so aber muss
dies noch ganz dir Zukunft überlassen bleiben. Ich gebe neben-
stehend beide Formen in ihren Oontouren. Ich nenne dieselbe Myc.
Staudingeri sp. n. Ich erhielt dieselbe, wenn auch in einer noch
schlankeren Form, auch durch Sowerby aus Ecuador. Dieses
Exemplar war 142 mm lang, 51 mm hoch, 25 nun dick und hatte
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden.
131
Fig. A. Mycetopus Staudingeri v. Ih. £
Fig, B. Mycetopus Staudingeri v. Ih. $
den Wirbel in 23 mm Abstand vom Vorderende, was über 16 Procent
der Gesammtlänge entspricht, ein Verliältniss , das ich bisher noch
bei keiner anderen Mycetopusart antraf. Die Schale ist gelbgrün,
an den Enden bräunlich mit blassblauem in der Randzone röthlich
irisirendem Perlmutter. Die Ligamental bucht ist gross, reicht hinten
nicht bis an das Ende des Dorsalrandes; der hintere Muskeleinclruck
reicht nicht bis an die Ligamentbucht. Das Verhältniss der Höhe
zur Länge ist 3,V100 fast wie bei der entsprechenden geschnäbelten
Form von Staudingeri (35/ioo)> während die andere höhere Form das
Verhältniss von *2/ioo aufweist. Das erwähnte Exemplar der Ecuador-
form entspricht also auch im Höhenmaafs der geschnäbelten Form
von Staudingeri, von der es sich nur durch minder stark zahnartig
vortretende Ecke des Hinterrandes und relativ weiter vorn liegenden
Wirbel — der Umbonahndex ist 22 gegen 27 — 28 bei der typischen
Staudingeri — unterscheidet. Vielleicht stellt sich späterhin Myc.
siliquosus als die Art von Bolivien, dem La Plata und unteren
Amazonas heraus, und Staudingeri als jene des oberen Amazonas
und seiner Zuflüsse von Ecuador und Peru.
Halten wir fest daran, dass es bei Myc. Staudingeri geschnäbelte
und ungeschnäbelte Formen giebt, welche offenbar sexuellen Differenzen
132 Dr. H. von Hierin g: Revision der
entsprechen. Bei Myc. siliquosus Spix ist dies Verhältniss noch nicht
so klar, aber jedenfalls boten die wenigen Spix'schen Exemplare auch
erhebliche Unterschiede dar, so zwar, dass Exemplar I. die unge-
schnäbelte Form repräsentirte und die anderen Exemplare, wenn
auch nicht direkt geschnäbelt waren, so doch diesen Formen mehr
entsprachen. Auch in der Literatur finden wir dasselbe. Die un-
geschnäbelte Form z. B. ist abgebildet von d'Orbigny CP1. 67) und
Küster (Taf. 68, Fig. 4), indess Reeve ausser dieser (Fig. 2 * noch
eine schlankere Form abbildet (PL III, Fig. 2 a) mit lang ausgezogenem
Schnabel. Wenn wir daher allen Grund haben, in der Verwerthung
der Formverhältnisse von Myc. siliquosus und der in seine Nähe
gehörigen Formen zu spezifischer Trennung äusserst vorsichtig zu
sein, so wird man es sicher nicht billigen können, wenn alle etwas
abweichenden Formen der Siliquosus-Gruppe gleich zu neuen Arten
erhoben werden. Clessin meint bezüglich des Myc. pygmaeus Hupe,
dass er, der Abbildung von Hupe nach, die eine jugendliche Schale
darstellt, nicht zu siliquosus gehören könne, weil die Jugendform von
letzterer Art, die in der Küster'schen Anodonta-Monographie Taf. 68,
Fig. 4 abgebildet sei, sich dadurch auszeichne, dass das Hintertheil
beträchtlich breiter sei als das Vordertheil, ein Verhältniss,rwelches
sich bei weiterem Wachsthume wieder verliere; auch liege de Wirbel
bei der Hupe 'sehen Figur weiter gegen die Mitte zu gerückt. Letz-
teres ist nicht richtig. Die Entfernung der Wirbelspitze — die nicht
in der Mitte, sondern mehr nach vorn hin liegt — vom Vorderende
ist 17 mm, was zur Länge von 55 mm ein Verhältniss von 30: 100
ergiebt, was ganz mit der Lage bei den Typen von siliquosus stimmt.
Clessin irrt aber darin, wenn er annimmt, die Formverhältnisse der
Schale änderten sich bei Myc. siliquosus mit dem Alter. Nicht die
Altersunterschiede bedingen die Differenzen, sondern, vielleicht noch
neben anderen Variabilitätsmomenten, die Geschlechtsunterschiede.
Myc. Hupeanus Clessin ist daher einzuziehen. Wenn schon die wenigen
Exemplare von Spix eine solche Variabilität in der Form des Um-
risses aufweisen, so wird man das gleiche auch von grösseren Serien
des Myc. siliquosus von anderen Fundorten erwarten dürfen. Erst
dann, wenn die lokalen und geschlechtlichen Differenzen vollkommen
und an reichen Serien festgestellt sein werden, wird man den hier
erörterten Fragen wieder näher treten können. Möglich, dass dann
Grund vorliegen könnte, von den beiden fraglichen Hupe 'sehen Arten
eine oder die andere doch noch wieder aufleben zu lassen — wahr-
scheinlich ist es nach dem, was wir jetzt über die Variabilität bei
Mycetopus wissen, eben nicht.
In die Nähe von Myc. siliquosus gehört auch die aus Rio Grande
do Sul stammende Anodonta legumen v. Martens.1) Ich habe mich
an mehreren Exemplaren davon überzeugen können, dass die betr.
Schale zu Mycetopus gehört, mit dem sie auch die starke in 3 Narben
aufgelöste Entwicklung der vorderen Fussmuskelnarben gemein hat.
') Sitzungsber. d. Ges. naturf. Freunde zu Berlin. 1888, p. 65.
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. , 133
Mycetopus legumen ist jedenfalls durch das schlankere, spitze Hinter-
ende aulfallend, ob er aber als Species bleiben kann oder, wie ich
denke, als var. zu siliquosus zu ziehen ist, wird sich erst entscheiden
lassen, wenn wir durch grössere Serien von Exemplaren besser unter-
richtet sind über die Variationen des M. siliquosus. Während also
diese vermeinte Anodonta sich als ein Mycetopus herausstellt, ist
dagegen die einzige bisher aus Rio Grande do Sul beschriebene
Mycetopus-Art (M. plicatus Clessin1) sicher eine Anodonta, worüber
an anderer Stelle mehr.
Mycetopus longinus Spix.
Myc. longinus Spix p. 29, Taf. 22, Fig. 1.
— — Mousson 1. c. p. 189.
— maranhonensis Mouss. (in lit.'?)
— subsinuatus Sow. Reeve Mycet. sp. 10.
— siliquosus pars Küster, Taf. 68, Fig. 2.
Es lag mir das zur Abbildung und Beschreibung bei Spix
passende Original vor. Zur Diagnose möchte ich nur die Bemerkung
machen, dass der Wirbel zwar wenig aufgeblasen ist, aber doch mehr als
bei siliquosus, von dem sich die Schale u. A. auch durch ihre dunklere
olivenbraune Färbung unterscheidet. Dadurch, dass der Wirbel mehr
vorsteht als bei siliquosus, ist auch seine Höhlung geräumiger. Auf-
fallend zugespitzt ist das Vordertheil, was aber zum Theil durch eine
Abschleifung des vorderen Ventralrandes bedingt zu sein scheint.
Es lag mir nur eine Hälfte der Schale vor, die 120 mm lang, 40 mm
hoch und 12 mm dick ist, so dass für die ganze Schale der Dicken-
Durchmesser 24 mm betragen würde. Der Wirbel ist vom Vorder-
rande 30 mm entfernt, was 25 Procent der Schalenlänge entspricht.
Die vorderen Muskeleindrücke sind alle drei tief eingedrückt, der
hintere reicht nach vorn etwas über die sehr kleine Ligamentbucht
hinüber. Die Schale ist ziemlich kräftig, glatt, olivenbraun.
Ein ähnliches Exemplar erhielt ich von Dr. Staudinger aus dem
östlichen Peru (Huagabamba). Das Vorderende ist etwas weniger
schmal, der Wirbel liegt etwas mehr nach vorn — 23, bei einem
andren 22 : 100 der Länge, sonst ist der einzige Unterschied, dass
das Hinterende bei dem Spix'schen Exemplare glatt, bei den Huaga-
bamba-Exemplaren aber mit schieferig abstehenden Epidermislamellen
besetzt ist. Allerdings ist diese Spix'sche Schale theilweise abgerieben,
so dass also dieses Exemplar nicht entscheidend sein kann. Von
diesem übrigens geringen Unterschiede abgesehen, stimmen ja sonst
beide völlig überein.
Minder weit geht diese Uebereinstimmung mit einem ähnlichen
Exemplare des Bonner Museum, das von Jopetran in Columbien
') Malakolog. Blätter N. F. V., p. 190, T. 4, Fig. 7.
134 Dr. H. von Ihering: Revision der
stammen soll und Mycet. maranhonensis Mousson bezeichnet ist.
Es ist mir nicht bekannt, dass resp. wo Mousson eine solche Art
beschrieben, vermuthlich ist sie nicht veröffentlicht. Der Hinterrand
ist an demselben steiler abfallend, mehr abgestutzt. Vermuthlich
rührt es auch wesentlich von dieser Verkürzung des Hinterendes her,
dass der Wirbel etwas weiter vom Vorderende entfernt liegt (33/ioo
der Länge), da die Entfernung des Wirbels vom Vorderende 29 mm
beträgt. Die Länge ist 90 mm, die Höhe 31 mm, die Dicke 17 mm.
Von dem typischen Myc. longinus unterscheidet sich diese Schale
auch dadurch, dass bei ihr die Umbonalfalte gewölbt und deutlich
verfolgbar bis zum Hinterende des Unterrandes reicht, während sie
bei longinus vorher verstreicht. Das Hinterende ist wie bei der
Huagabamba-Form rauh durch Epidermislamellen. Vielleicht kann
diese Form als Geschlechtsform zur Huagabamba-Form gehören, sie
würde dann ihres abgestutzten Endes halber zu dieser im selben
Verhältnisse stehen, wie von Myc. Staudingeri die Form mit abge-
stutztem Hinterende zur anderen mit geschnäbeltem Hinterende. Hier
wird erst weiteres Material voranhelfen, wenn von den einzelnen
Arten und Fundstellen reichhaltige, auch durch die Thiere erläuterte
Serien von Schalen allen Alters und Geschlechtes vorliegen.
Mit der Huagabamba-Form identisch sind Exemplare von Myc.
subsinuatus Sow. Sollten sich dereinst Gründe ergeben, die Spix'sche
Form von der Huagabamba-Form zu trennen, so würden letztere zu
subsinuatus Sow. zu stellen sein. Zunächst aber scheint mir kein
Grund vorhanden, diese Formen, von denen wir ja die sexuellen
Differenzen noch nicht kennen, auseinander zu reissen, zumal sie
alle aus demselben grösseren Gebiete, dem Qu elleu gebiete des oberen
Amazonas in den Cordilleren, stammen. Spix giebt für longinus
den Japura als Wohngebiet an, also Ecuador — Columbien und von
ebenda stammen auch die Exemplare von Mousson u. Sowerby u. A.,
zu denen sich dann aus dem angrenzenden nordöstlichen Peru die-
jenigen Staudingers hinzugesellen. Es ist dasselbe Gebiet, in dem
auch Myc. Staudingeri vorkömmt (östl. Peru und Ecuador).
Wenn man diese longinus-subsinuatus-Schalen vor sich hat und
ihre schlankere Form mit etwas mehr aufgeblasenen Wirbeln, ihre
dunklere Färbung, grössere Dicke, grössere Rauhigkeit der Ober-
fläche, in der Regel mit Epidermislamellen am Hinterende, in Be-
tracht zieht, so kann man schwer verstehen, wie d'Orbigny und
Lea den Myc. longinus Spix als Synonym zu siliquosus Spix ziehen
konnten. Ebenso unglücklich war, wie wir sahen, Lea auch darin,
dass er Myc. pygmaeus Spix von siliquosus Spix für verschieden
hielt. Lea's Bearbeitung von Mycetopus ist überhaupt eine un-
glückliche gewesen, hat er doch sogar Myc. pygmaeus Hupe und
Weddelii Hupe als synonym zu Myc. soleniformis d'Orb. gezogen,
einer durch die centrale Lage des Wirbels so ausnehmend charak-
teristischen Art, dass sie fast die einzige ist, hinsichtlich deren
Verwechslungen unmöglich sind und zu der daher obige Hupe' sehe
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 135
Arten sicher nicht gehören können. Wer übrigens diese verschieden-
artigen Schalen vor Augen hat, wird nicht leicht in Gefahr kommen,
sie zu verwechseln, was bei Vergleichung der Abbildungen so leicht
möglich ist. Ich bin daher auch nicht sicher, ob die Abbildung
Taf. 68, Fig. 2 bei Küster zu longinus Spix resp. subsinuatus Sow.
gehört, wie ich denke, oder doch zu siliquosus.
Der Wirbel liegt, bei den geschnäbelten Formen wenigstens, bei
Myc. longinus weiter nach vorn (22 — "25:100) als bei siliquosus
(25 — 30:100). Möglich, dass bei genauer Kenntniss der Formen
dieser Gruppe sich ein oder die andere Art oder Lokalvarietät wird
abscheiden lassen, zunächst kennen wir die Variationen dieser Gruppe
noch zu wenig, um behaupten zu können, dass eine der von mir
hierher gezogenen Formen ausserhalb der Variabilitätsbreite von Myc.
longinus Spix falle.
Wenn ich in der Einleitung bemerkte, dass Mycetopus ein auf
Südamerika beschränktes Genus sei, so wird es nöthig sein, darüber
hier einige Bemerkungen anzuschliessen. Von vermeintlichen ausser-
südamerikanischen Mycetopus-Arten erwies sich Myc. plicatus Gray
als eine Mutela-Art und Myc. rugatus Reeve von Australien ist ver-
muthlich eine Anodonta, von der nicht einmal angegeben wird, ob
sie klafft. Dagegen giebt es in China und Siam klaffende lang-
gestreckte Anodonten, die als Mycetopus in Anspruch genommen
werden. Genau beschrieben ist „Myc. emarginatus Lea." Dieselbe
scheint in vieler Beziehung von Mycetopus sehr abweichend. Nach
Lea's Abbildung scheint das erweiterte Vorderende nicht zu klaffen,
sondern der Spalt erst dahinter zu folgen. An der Schlossleiste fehlt
die dreieckige Ligamentalbucht und findet sich eine Seitenlamelle
oder eine ihr ähnliche Erhebung der Schlossleiste, auch die Muskel-
narben scheinen abweichend. Kurz, ganz abgesehen davon, dass die
Untersuchung der Thiere erst den Ausschlag geben kann, so ist
offenbar auch conchyliologisch Grund genug vorhanden, diese Art
und ähnliche nicht in die Gattung Mycetopus aufzunehmen, sondern
sie der von Gray für Myc. emarginatus und Verwandte gegründeten
Gattung Solenaia zuzuweisen. Aechte Mycetopus sind in Asien bisher
ebenso wenig nachgewiesen als Hyria- Arten, da das, was man als
solche ansah, Unionen (mit offenem Mantel) der Untergattung Ar-
conaia Conr. sind.
Columha*) Spixii sp. n. (Fig. 4).
Anod. gigantea Spix juv. Taf. 19, Fig. 1, p. 27.
Anod. gigantea Spix juv. Küster Taf. I, Fig. 2, p. 6.
Amazonenstrom (Ega).
Unter dem Namen der An. gigantea haben Spix und Wagner
zwei verschiedene Arten beschrieben und abgebildet. Von den beiden
auf Tafel XIX abgebildeten Schalen stellt Fig. 2 ein typisches aus-
*) Leila Gray; Columba Lea praeocc. durch L. Der Herausg.
13ß Dr. H. von Ihering: Revision der
gewachsenes Exemplar der Anod. trapezialis Lara. dar. Es befinden
sich eine Reihe dahin gehöriger Schalen in der Münchener Samm-
lung, welche darthun, dass der Name der Anod. gigantea Spix dieser
bekannten Anodonta des Amazonas zukommt und mithin als synonym
zu An. trapezialis zu stellen ist, wie auch schon häufig vermuthet
worden. Unter den von mir untersuchten Exemplaren von An. gi-
gantea Spix befand sich nun auch ein jugendliches Exemplar einer
Columba-Art und zwar ist diese einzige jetzt in der Münchener
Sammlung sich findende Columba das Original zu der Spix' sehen
Abbildung auf Taf. 19, Fig. 1.
Die Spix' sehe Abbildung ist ungeschickt aufgenommen, indem
sie beide Wirbel zeigt, so dass man sich keine ganz sichere Vor-
stellung vom Verlaufe des Dorsalrandes nach ihr machen kann. Ich
habe deshalb eine neue Abbildung hier beigefügt, welche die charak-
teristischen inneren Theile der Schale zeigt. Ich habe der älteren
Beschreibung und den beiden nunmehr vorliegenden Abbildungen
wenig hinzuzufügen. Besonders zu erwähnen ist, dass die Lunula
überaus kurz und schmal ist, schon gleich vor den Wirbeln endigend.
Die Wirbel sind sehr wenig aufgetrieben, der ganze Dorsalrand ist
fast gradlinig. Die Form der Mantelbucht und der Muskelnarben
zeigt unsere Abbildung.
Spix und Wagner haben aber offenbar nicht nur diese eine
bisher unbeschriebene und von mir jetzt nach ihrem Entdecker be-
nannte Art mit der Anod. trapezialis verwechselt, sondern auch noch
eine andere ihr ähnliche Columba-Art, welche sich zwar jetzt nicht
mehr in München vorfindet, welche aber von dort unter Doubletten
als Anod. gigantea abgegeben wurde. Dieses Exemplar ist dann von
Küster in seiner Monographie der Gattung Anodonta auf Taf. I,
Fig. 1 als „die ächte An. gigantea" abgebildet worden. Küster
bemerkt dazu S. 32, dass diese Schale mit der Münchener bei Spix
Taf. 19, Fig. 1 abgebildeten und bei ihm Taf. I, Fig. 2 reproduzirten
gut übereinstimme, und dass beide von ihm abgebildeten Schalen
zu A. gigantea Spix gehören und von An. trapezialis Lam. verschieden
seien. Küster befindet sich darin in einem schweren, freilich durch
das in München begangene Versehen entschuldigten Irrthume, ver-
grössert aber noch die Confusion, indem er beide von ihm abgebildete
Exemplare zu ein und derselben Spezies zieht. Das ist verkehrt.
Küster 's Figur 2, Taf. I ist, wie bemerkt, nur eine Copie
nach der Spix 'sehen Abbildung der Columba Spixii, aber eine Copie,
vor deren Benutzung zu warnen ist, weil Spix beide Schalen in
schräger Ansicht halb von oben abbildete, Küster aber nur die eine
Hälfte copirte, so dass dadurch die Idee erweckt wird, die Schale
sei in gewöhnlicher Weise abgebildet und mit den anderen den
Horizontalumriss wiedergebenden vergleichbar. Die Figur 1, Taf. I
aber von Küster stellt eine Schale von Columba pulvinata Hupe
dar. Es ist das eine überaus charakteristische Art, auffallend durch
die centrale Lage des Wirbels, der sogar in die hintere Hälfte der
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 137
Schlossleiste zu liegen kommt, durch bedeutende Höhe und die im
Verhältniss zur Schlossleiste geringe Länge der Schale. Hierzu kommt
noch der geschwungene, nach vorn aufsteigende, nach hinten sich
stark senkende Verlauf des Dorsalrandes. In allen diesen Merkmalen
unterscheidet Col. pulvinata sich von Col. Spixii, deren Dorsalrand
gradlinig ist und deren Wirbel minder aufgeblasen sind.
Clessin ist in der Fortführung des Küster'schen Werkes nicht
weiter gekommen, scheint auch keine Originalexemplare von Columba
zur Untersuchung gehabt zu haben. Ebenso wenig ist auch Lea
hierin glücklicher gewesen. Lea scheidet die beiden im La Plata-
Gebiete vorkommenden Arten gut von einander und stellt auch ihre
Synonymie im Wesentlichen richtig, indess zieht er auch die in Para-
guay vorkommende Col. Castelnaudii als synonym zu Col. esula Jan,
während sie doch der Form nach eher zu Col. Blainvilleana Lea
passen würde. Ein Vergleich der weiterhin folgenden Tabelle wird
klar machen, dass dass Col. Castelnaudii einen auffallend hohen Car-
dinalindex hat, was davon herrührt, dass der hintere Theil der Schale
sehr kurz, wie abgestutzt ist. Da auch die Dorsallinie etwas mehr
geschwungen, der Wirbel etwas weniger aufgeblasen erscheint, so ist
es wahrscheinlich, dass Col. Castelnaudii als eine besondere der Col.
Blainvilleana Lea nahestehende Art anzusehen ist, die auch etwas
grösser wird. d'Orbigny giebt für Col. Blainvilleana 125 mm an,
Hupe für Col. Castelnaudii 160 mm. Für letztere Art wird auch der
Diameter (41 : 100) geringer angegeben als für Blainvilleana (43 bis
47 : 100). Hupe giebt als Unterscheidungs-Merkmale, der Col. Blain-
villeana und esula gegenüber, noch an: die mehr comprimirte Form
und die mehr nach hinten gerückte Lage der Wirbel. Letzteres
trifft indessen nur für Blainvilleana zu. Der Umbonalindex beträgt
38 gegen 34 — 36 bei Blainvilleana, doch ist dieser Unterschied zu
geringfügig, um viel Werth darauf zu legen, wogegen esula einen
höheren Umbonalindex, von 45, hat. Die geschwungene, nach hinten
abfallende Configuration des Dorsalrandes und die Verkürzung des
Hintertheiles scheinen mir in Verbindung mit den anderweitigen
angeführten Differenzen zu genügen, um vorläufig wenigstens Col.
Castelnaudii als gute Art anzuerkennen, die selbst in so grossen
Exemplaren, wie den Hupe, 'sehen von 160 mm Länge, noch ein
grünlich-blaues Perlmutter besitzt, Avogegen Col. Blainvilleana nach
Lea und d'Orbigny jeder Zeit das Perlmutter rosa oder lachs-
farben hat.
Vielleicht ist letzterer Umstand auch der Grund gewesen, wes-
halb Lea, welcher sämmtliche Arten Hupe's einzuziehen für gut
befand, sie mit esula Jan vereinte, was kaum richtig sein dürfte.
Das Exemplar von Col. esula Jan, welches ich sah und das sich im
Kopenhagener Museum befindet und von d'Orbigny herstammt, zeigt
eine von Castelnaudii ganz abweichende Form, indem das Vorder-
theil nicht schmal und eingezogen ist, sondern voll gerundet wie bei
Col. Spixii, und einen sehr gewölbten und fast kreisförmig und gleich-
138 Dr. H. von Ihering: Revision der
massig gerundeten Ventralrand hat, wodurch auch die hintere Spitze
resp. der Winkel, in dem Hinter- und Ventralrand zusammenstossen,
höher zu liegen kommt als bei Castelnaudii. Dazu ist esula höher
und hat den Wirbel mehr nach der Mitte der Schlossleiste hin-
gerückt, was sich in einem Umbonalindex von 45 gegen 38 bei Castel-
naudii zu erkennen giebt. Sofern daher nicht etwa grössere Serien
von Exemplaren eine Aenderung der Auffassung bedingen, halte ich
Col. Castelnaudii für eine selbständige Spezies.
Völlig verkehrt ist es, wenn Lea sogar Col. pulvinata Hupe
einzieht. Diese Art ist durch ihre bedeutende Höhe und vor Allem
durch die so weit nach hinten gerückte Lage des Wirbels sehr aus-
gezeichnet. Der WTirbel ist hier bis hinter die Mitte der Schlossleiste
hinausgerückt, wodurch ein Umbonalindex von 58 : 100 entsteht. Der
Hinterrand zeigt in der Höhe der Schliessmuskelnarbe eine Einziehung,
in Folge deren der darunter folgende Theil etwas schnabelförmig
vorspringt. Es bleibt zu ermitteln, ob sich diese Einbuchtung regel-
mässig vorfindet, ebenso, ob die Mantelbucht stets so flach ver-
strichen und wenig entwickelt verläuft, wie an dem von Hupe ab-
gebildeten Exemplar.
Eine etwas schwierige Frage ist die Unterbringung der von mir
in Rio Grande do Sul im Guahyba aufgefundenen Columba-Art. Die-
selbe stimmt in ihrer Form, wie in Dimensionen und Indices gut mit
Col. Blainvilleana Lea überein, zu der ich sie auch ziehe. Sie fällt
nur etwas durch eine geringe Abflachung der Seiten auf, in Folge
deren die Dicke 38 bis 41 : 100 ist gegen 45 : 100 nach d'Orbigny
und 43 : 100 nach Lea. Die an mehreren Stellen, zumal an den
Wirbeln theilweise abgelöste Epidermis, ist von dunkel olivengrüner
oder von gelbbrauner Farbe, immer an Umbonalfalte und Schild
dunkel. Die Oberfläche ist glatt und glänzend, aber durch zahl-
reiche, stark erhabene Anwachsstreifen unregelmässig gefurcht. Die
Schale klafft vorn sehr stark, hinten wenig. Vor den Wirbeln hängen
die beiden Klappen durch Schalensubstanz in dünner Lage zusammen,
worunter dann eine glashelle, gelbe Kittschicht liegt. Die Wirbel
sind sehr wenig aufgetrieben, offenbar weniger als bei Castelnaudii.
Bei dem kleineren Exemplare bildet die Schlossleiste unter dem
Wirbel in der rechten Schale eine zahnartige breite Verdickung,
welche in eine Ausbuchtung der Gegenschale hinein passt. Die hintere
Retractornarbe sitzt derjenigen des Schliessmuskels auf, vorn finden
sich drei Retraktor-Narben, von denen die obere mit dem Adductor
zusammenhängt, die beiden unteren, etwas kleineren frei liegen. Eine
Anzahl kleiner Haftmuskeleindrücke stehen in einer Reihe gegen den
Wirbel hin. Ligamentalbucht gross, dreieckig. Die dreieckige Mantel-
bucht hat einen kurzen oberen horizontalen Schenkel, der am unteren
Rande des Adductor beginnt, und einen längeren, senkrecht nach
unten ziehenden Schenkel. Permutter bläulich, unter den Wirbeln
weiss, zuweilen etwas gelblich oder rosa schimmernd. Auffallend ist
der Mangel eines perlmutterlosen Saumes. Ich schlage vor, diese
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 139
offenbar zur Golumba Blainvilleana Lea gehörende Form als var. rio-
grandensis zu bezeichnen, welche vom Typus durch etwas geringeren
Diameter, noch weniger aufgeblasene Wirbel und fehlende oder min-
der ausgesprochene' Rosafärbung des Perlmutters sich unterscheidet.
Uebrigens sind von beiden Fundorten bisher noch viel zu wenige
Exemplare bekannt.
Zur Erleichterung der Bestimmung der Columba-Arten gebe ich
folgende Bestimmungstabelle :
Schlüssel zur Bestimmung der Columba-Arten.
I. Wirbelspitze hinter der Mitte der Schlossleiste gelegen.
a) Schale sehr hoch, Höhenindex 75, Umbonalindex 58,
Cardinalindex 76 Col. pulvinata Hupe.
IL Wirbelspitze vor der Mitte der Schlossleiste gelegen.
A. Dorsalrand geschwungen, nach hinten herabgesenkt.
a) Ventralrand nach hinten abfallend. Vorderende zugespitzt.
Schale nicht sehr hoch. Höhenindex 70, Umbonal-
index 38, Cardinalindex 76. Col. Castelnaudii Hupe
b) Ventralrand gewölbt gerundet. Vorderende breit, voll.
Schale ziemlich hoch, Höhenindex 70, Umbonalindex 45,
Cardinalindex 68 Col. esula Jan
B. Dorsalrand gerade oder kaum geschwungen.
a) Ventralrand nach hinten abfallend, Vorderende zugespitzt.
Schale nicht sehr hoch, Höhenindex 63 — 66, Umbonal-
index 34 —36, Cardinalindex 60 — Q6.
Col. Blainvilleana Lea
b) Ventralrand gewölbt, gerundet. Vorderende breit, nicht
zugespitzt. Schale hoch, Höhenindex 71, Umbonalindex 41,
Cardinalindex 64 Col. Spix ii v. Ih.
Zur Ergänzung und Controlle möge die folgende Tabelle dienen.
Ueber Umbonal- und Cardinalindex ist schon in der Einleitung das
Nöthige bemerkt. Nochmals mache ich hier auf den Höhenlagen-
index aufmerksam. Um denselben zu berechnen, messe ich an der
Zeichnung des Horizontalumrisses die Entfernung der die grösste
Höhe angebenden senkrechten Linie vom Vorderende der Schale
und berechne dieses Mafs in Procenten der Länge, die also immer
= 100 gesetzt wird. Es ist hier leicht zu ersehen, wie gut dieser
Index die bestehenden Differenzen zum zahlenmässigen Ausdruck
bringt. Bei Col. Spixii und esula, wo der Ventralrand stark gewölbt
ist und daher die grösste Höhe ziemlich in der Mitte der Schalen-
länge liegt, ist der Höhenlagenindex 51 — 53, während er bei den
anderen Arten mit nach hinten abfallendem Ventralrande 59 — 61
beträgt. In gleicher Weise kann die oft so charakteristische Form
140 Dr. H. von Ihering: Revision der
des horizontalen Längsdurchschnittes lediglich durch den Diameter-
lagenindex exakt zum Ausdrucke gebracht werden.
Der einzige Missstand bei diesen Mafsen ist die Art die grösste
Länge zu messen. Man pflegt sie bisher zu messen, wo und wie
man sie eben findet. Das ist offenbar ein grosser Missstand, denn
Länge, Höhe und Diameter müssen bei einer Muschel so gut wie
bei jedem anderen Naturkörper in senkrechter Richtung zu einander
gemessen werden. Bei der Messung der Höhe ist das so einleuchtend,
dass Niemand sie anders denn senkrecht zur Schlossleiste oder einer
ihr nahezu entsprechenden Horizontallinie messen wird. Warum aber
soll für die Messung der Länge nicht das Gleiche gelten? Ich
habe eben vor mir eine Copie der Abbildung Hupe's von Columba
Castelnaudii. Die grösste Länge von der Schildchenecke bis zum
prominirendsten Theile des Hinterrandes misst an dieser Abbildung
150 mm. In Wahrheit entspricht dieses Mafs aber nicht der Länge,
sondern einem schrägen Durchmesser, welcher mit der durch die
Schlossleiste gelegten Horizontalen einen Winkel von 32° bildet!
Wenn der Winkel statt 32 ° sich auf 45 ° beläuft, so kann das Mafs
gerade so gut als schiefe Länge wie als schiefe Höhe in Anspruch
genommen werden! Misst man an der oben bezeichneten Abbildung
die grosse Länge in horizontaler Richtung, wie es sich gehört, so
kann man das nicht mit dem Zirkel, weil die vorspringendsten Theile
von Vorder- und Hinterrand nicht in gleicher Höhe liegen. Man
müsste sich also eines Stangenzirkels bedienen oder man projicirt
durch senkrechte Linien diese vorstehenden Theile auf ein und die-
selbe Horizontallinie. Man findet dann die richtige Länge statt zu
150 mm zu 138 mm, ein Unterschied von 12 mm, der so beträchtlich
ist, dass er z. B. den Höhenindex von 75 auf 69 herabdrückt. Nun
lehrt aber schon der flüchtige Anblick von Col. pulvinata, dass es
eine hohe, relativ kurze Form ist und nur bei richtiger Messung
kommt dieses Verhältniss auch im Index von 75 zum Ausdrucke.
Ich halte es daher für nöthig, immer da, wo die grösste Länge stark
schief liegt, die richtige, projicirte Länge statt der schrägen zu messen. x)
In der Tabelle gebe ich den Höhenindices sowohl in Procenten
der absoluten schrägen, als in solchen der projicirten horizontalen
Länge, damit man sich von der ungleich wechselnden Differenz über-
zeugen kann, sowie davon, dass die Benutzung der projicirten Länge
die wirklich vorhandenen Differenzen besser zum Ausdrucke bringt.
Die schräge Länge ist bei Col. Blainvilleana um 2 — 5 Procent grösser
als die projicirte, bei Col. Castelnaudii und pulvinata aber um mehr
als 9 Procent! Von Mittheilung des Diameter sah ich in folgender
Tabelle ab, weil die betr. Literatur -Angaben zum Theil offenbar
falsch sind, vielleicht in Folge von Druckfehlern. Bezüglich der an-
') Wo nicht der Dorsalrand stark ansteigt, liegt er meistens ziemlich
parallel zur horizontalen Länge.
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden.
141
geführten Arten und Exemplare bemerke ich, dass Castelnaudii und
pulvinata von mir an den Hupe 'sehen Abbildungen, Blainvilleana
Lea an der Lea' sehen Figur gemessen sind, während esula und
Blainvilleana (Kopenhagen) von d'Orbigny herrührende Exemplare
der Kopenhagener Sammlung darstellen.
Mass - Tabelle der
Columba - Arten.
Art.
Schräge
Länge.
Projic.
Länge.
Höhe.
Höhe
in Proc.
der
schrägen
L.
Höhe
in Proc.
der
projic.
L.
Schloss-
leisten-
Länge.
Abstand
des
Wirbels
vom
Vorder-
ende.
Um-
bonal-
Index.
Car-
dinal-
Index.
Castelnaudii . .
150
138
96
64
70
105
40
38
76
pulvinata . . .
150
138
103
69
75
104
60
58
76
esula
100
85
79
94
83
75
66
59
47
66
69
60
70
71
63
66
53
46
30
22
20
45
41
34
68
Spixii
64
Blainvilleana Lea
61
» Kopenh.
130
123
77
60
63
73
27
36
60
Blainvilleana var.
riogrand
a.
106
101
66
62
65
67
22
33
66
» »
b.
111
105
69
62
66
68
23
34
65
» »
c.
135
132
83
61
63
84
30
36
64
Sehr schwierig resp. theilweise unmöglich ist die Berücksichtigung
der Reeve'schen Arten von Columba. Reeve hat das entscheidende
Verhalten der Mantelbucht nicht genügend berücksichtigt, zum Theil
nur nach der Literatur, und da er eigene bezügliche Beobachtungen
gar nicht anstellte, so deutete er auch bei nicht zu Columba ge-
hörenden Anodonten eine leichte Krümmung der Mantellinie als
Mantelbucht. Nur so erklärt es sich, dass er auch Anocl. trapezialis
PI. VI, Fig. 12 zu Columba (Leila Gray) zieht. Ich bemerke bei
dieser Gelegenheit, dass der Lea'sche Gattungsname Columba von
1832 Priorität hat vor Grays Leila (1840). Wir kennen keine Co-
lumba- Art, welche in der Form der vermeinten Reeve'sche Leila
Blainvilleana, d. h. also Anod. trapezialis Lam. entspricht. Ich ver-
weise hier auf das unter An. trapezialis bemerkte. Reeve hat wie
so viele Andre das Klaffen der Schalen als das Wesentliche bei
Columba angesehen, während sie doch diesen Charakter mit so vielen
südamerikanischen Anodonten theilen und das Entscheidende nur
die Mantelbucht ist. Es wäre möglich, dass An. hians Sow. bei
Reeve PL IV, sp. 8 zu Columba Blainvilleana Lea gehört, aber ohne
Untersuchung des Manteleindruckes lässt sich das nicht feststellen.
Die Abbildung, welche Reeve von Col. pulvinata giebt, stimmt
nicht recht zu derjenigen von Hupe, von der sie durch stärker ge-
schwollene, mehr nach vorn gerückte Wirbel und minder geschwungenen
Dorsalrand etwas abweicht, zu der sie aber doch wohl eher als zu
14*2 Di". H. von Ihering: Revision der
Col. Spixii passt. Als Fundort giebt Reeve an Rio Janeiro und
Aga. Letzteres soll wohl Ega am Amazonas bedeuten, doch sind
bisher zu viele Verwechslungen mit Columba- Arten vorgekommen,
als dass nicht neue bestätigende Beobachtungen über die Amazonas-
Fundorte zu wünschen wären. Von den Gebieten nördlich des
Amazonas sind noch keine Columba- Arten bekannt geworden. Fol-
gendes ist die Synonymie der bisher beschriebenen Arten:
1. Columba Blainvilleana Lea (1832).
Columba Blainvilleana Küster-Clessin p. 253, Taf. 86, Fig. 1, 2.
(Copie.)
Iridina trapezialis Orb. (1835).
Leila trapezialis Hupe
Leila Parishii Gray (juv.).
Leila Georginae Gray
? Anodonta hians Sow.
Corrientes, Entrerios (d'Orbigny); Paraguay (Castelnau).
la. Col. Blainvilleana Lea var. riograndensis v. Ih.
Rio Grande do Sul.
2. Columba Castelnaudii Hupe (1857).
Leila Castelnaudii Reeve (Copie).
Columba Castelnaudii Küster-Clessin p. 254, Taf. 84 (Copie).
Paraguay.
3. Columba esula Jan (1837).
Leila esula (Jan) Lea
Leila esula (Jan) d'Orbigny
Iridina Blainvilleana Orb. (nee Lea).
Leila Blainvilleana Hupe. — Bolivia (Moxos und Chiquitos).
4. Columba Spixii v. Ih. sp. n.
Anod. gigantea Spix juv. (Taf. IS), Fig. 1).
An. gigantea (Spix) Küster (Taf. I, Fig. 2).— Amazonas (Ega).
5. Columba pulvinata Hupe (1857).
Anod. gigantea Küster p. 6, Taf. I, Fig. 1 .
Leila pulvinata Reeve PI. V, Fig. 10.
Columba pulvinata Küster-Clessin p. 255, Taf. 85 (Copie).
Rio Janeiro (Castelnau); Amazonas-Ega (Spix-Küster).
Anodonta rotunda Spix. (Fig. 5).
Anodon rotundum Spix 1. c. p. 28, Taf. 20, Fig. 2, 3, 4.
Anod. Cailliaudii Lea 1. c. Vol. X, 1863 p. 31, PI. 45, Fig. 297.
Anod. rotunda Küster p. 33, Taf. 8, Fig. 1 (Copie).
Anod. Cailliaudii Reeve An. Fig. 38.
Prov. S. Paulo.
Diese Art ist in der Literatur sehr verschieden gedeutet worden.
Während d'Orbigny sie mit trapezea Spix vereint, stellt Reeve sie
zu latomarginata Lea und Lea zu Spixii d'Orb.
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 143
Die folgende Beschreibung wird zeigen, dass wir es in An. rotunda
Spix mit einer von An. trapezea Spix sicher verschiedenen Art zu
thun haben. Dieselbe lag Spix nur in jugendlichen Exemplaren
vor, so dass also die Möglichkeit besteht, dass die erwachsene Schale
unter anderem Namen beschrieben wurde. Dies scheint nun in der
That der Fall zu sein, da An. Cailliaudii Lea, wenn auch in Farbe,
Dicke der Schale etc. verschieden, doch nur Differenzen gegen die
Spix'schen Exemplare aufweist, welche als Altersunterschiede in An-
spruch genommen werden können.
Es lagen mir drei Exemplare vor, die, obwohl im Allgemeinen
übereinstimmend, doch auch ziemlich erhebliche Differenzen auf-
wiesen. Ich werde dieselben im Folgenden als No. I, II und III
bezeichnen. No. II bestand nur in einer halben (rechten) Schale,
No. III ist das kleinste Exemplar. No. I, das grösste, misst 42 mm
in der Länge, 36 in der Höhe, 22 im Durchmesser. Es entspricht
also ziemlich gut den Mafsen von Spix, resp. also wohl der Ab-
bildung Fig. 2, die dann freilich hinsichtlich des am Originalexemplare
etwas mehr gerundeten Vorderrandes nicht ganz stimmen würde,
überhaupt ja schlecht gemacht ist. Der Vorderrand ist wie auch
der Ventralrand voll, gerundet, sehr wenig eingezogen. Die Epidermis
ist glatt und glänzend, sehr fein gestreift ohne deutliche Anwachs-
streifen. In der Gegend der Umbonalfalte finden sich zwei schwarze
radiäre Linien, während sonst radiäre Streifen oder Linien fehlen.
Lunula breit, Ligamentalbucht klein. Die Schlossleiste verläuft im
Wesentlichen gerade, sie ist nur unter dem Wirbel etwas herab-
gebogen. Der Wirbel ist mit der Spitze stark einwärts gebogen, so
dass diese unmittelbar auf die Schlossleiste resp. oben über sie zu
liegen kommt. Die Wirbel ziemlich aufgeblasen. Das bläuliche Perl-
mutter lässt einen sehr breiten, unten 6 — 7 mm hohen Streifen frei,
der von gelblicher Farbe ist. Die Mantellinie steht am Ventralrande
8 — 10 mm vom Rande ab, so dass also der Marginaltheil der Schale
sehr breit ist. Um so mehr fällt es auf, dass der perlmutterlose
Saum fast 3/i desselben einnimmt. Der vordere Adductor ist nur
ca. 6 mm breit, also schmäler als der marginale Theil der Schale.
Nach innen von ihm liegt am unteren Ende die Narbe des vorderen
Retractor. Die Schale ist kräftig, aber nicht dick, die Wirbel sind
etwas corrodirt.
Exemplar III ist diesem Exemplar I im allgemeinen sehr ähnlich.
Es ist 34 mm lang bei 27 mm Höhe, was wie bei No. II einem Ver-
hältnisse der Höhe zur Länge von 80: 100 entspricht, während bei
No. I das Verhältniss 86 : 100 ist. Die linke Schale ist blass gelb-
grün, die rechte lebhaft hellgrün. Zwischen und vor den beiden
dunklen Radiärstreifen der Umbonalfalte sind zwei lebhaft gelbe
Streifen vorhanden. Der perlmutterlose Rand nimmt mehr als die
Hälfte des Marginalstreifens ein. Die Lunula ist etwas ungleich-
seitig, nämlich stärker auf der rechten Seite entwickelt. Die Wirbel
sind intakt, die Epidermislamellen am Marginaltheile der Schale
144 Dr. H. von Ihering: Revision der
noch vorhanden resp. wenig1 weggeschliffen, das jugendliche Alter der
Schale bezeugend. Einzelne vom Wirbel ausstrahlende, aber feine
dunkle Linien finden sich auch im mittleren Theile der Schale resp.
in der Epidermis.
Exemplar II endlich ist dunkler grünlich, gegen den Rand mehr
braun und mit dunkelfarbigen radiären Strahlen versehen, die bei
No. I obsolet waren. Die Lunula ist schmaler als bei No. I, ebenso
der perlmutterlose Saum. Einzelne Anwachsstreifen heben sich hier
deutlicher hervor als bei No. I, dem gegenüber der vordere Theil
des Ventralrandes hier ein klein wenig mehr eingezogen erscheint.
Wir haben es also offenbar mit jungen Schalen zu thun, von
denen die dunklere No. II sich jedenfalls schon etwas mehr der Farbe
der ausgewachsenen nähert als die anderen beiden. Lea hat unter
dem Namen der Anodonta Cailliaudii eine aus Brasilien stammende
Schale beschrieben, welche recht gut hierhin passt. Dieselbe ist
74 mm lang, 61 mm hoch und 38 mm dick. Ihr Höhenlängenindex
ist demnach 82 : 100 resp. 84 zu 100, wenn man die Höhe an der
Schale (zu 62 mm) nachmisst. Die Münchener Exemplare zeigen
einen Höhenindex von 80—86:100, so dass also Lea's Exemplar
gut dazu passt. Die Schale klafft nicht, wie auch die Spix'schen
Exemplare. Die Schlossleiste, die übrigens bei No. II fast gerade
verlief, passt ebenso zu den Spix'schen Exemplaren, wie auch der
breite perlmutterlose Saum, die geschwollenen und einwärts ge-
krümmten Wirbel (natibus incurvis bei Lea) und die Lunula. Das
Lea'sche Exemplar war von schwarzbrauner Färbung mit obsoleten
Radiärstreifen mit silberfarbenem Perlmutter, und hat auf der Um-
bonalfalte 2 schwarze und 2 gelbe Linien, ganz wie unser Exemplar III.
Lea erkannte die nahe Beziehung seiner vermeintlich neuen Art zu
An. rotunda Spix, aber er meinte, seine Art sei grösser und mehr
rund. Letzteres ist, wie die Höhenindices zeigen, nicht richtig, auch
variirt die Höhe, sowie die Rundung des Vorder- und Ventralrandes
etwas, auch die aussergewöhnliche Glätte der Schale von Cailliaudii
Lea widerspricht der Einreihung unter rotunda nicht. Von den ver-
meintlichen Unterschieden bleibt nichts bestehen als die Grössen-
differenz, die sich ganz einfach dadurch erklärt, dass Lea eine aus-
gewachsene Schale vor sich hatte, Spix aber nur jugendliche sammelte.
An. latomarginata Lea, zu der Küster sie ziehen will, ist eine andere
Art mit vorne leicht klaffender Schale, minder hoch, mehr lang-
gestreckt und mit weniger aufgeblasenem Wirbel. Ueber die Be-
ziehungen zu der nahestehenden An. trapezea Spix vergleiche man
das dort bemerkte.
von Spix in Brasilien gesamntelteu Najaden. 145
Anodonta trapezea Spix. (Fig. 6).
Anodon trapezeuni Spix 1. c. p. 28, Taf. 20, Fig. 1.
Anodonta Spixii d'Orb. 1835 (teste Orb.).
Anod. trapezea Orb. Voyage p. 619.
Anod. trapezea Küster p. 7, Taf. I, Fig. 3.
Amazonas.
Es lag mir das Spix' sehe Originalexemplar vor. Die Mafse
desselben betrugen 63 mm für die Länge, 52 mm für die Höhe,
31 mm für den Diameter, was ganz den von Spix gegebenen Mal'sen
entspricht. Die Spix' sehe Abbildung, wie die Küster sehe Copie
derselben sind zu schlecht, um sich eine richtige Vorstellung von der
Schale zu bilden. Ich habe daher eine neue, die Innenansicht
bringende hier gegeben. Die allgemeinen Formverhältnisse der Schale
ergeben sich daraus in Verbindung mit der älteren Beschreibung zur
Genüge. Die Farbe der Schale ist dunkelgrün in der Mitte, mehr
braun gegen den Rand hin. Auf der Umbonalfalte verlaufen radiär
zwei dunkle Streifen, zwischen und vor welchen die Grundfarbe gelb
ist. Ueber den glatten, gewölbten Mitteltheil der Schale ziehen
radiär dunklere Linien hin. Die Wirbel sind erodirt, sie sind sehr
bauchig, die Wirbelspitze steht hoch über der Schlossleiste.
Das Ligament ist sehr dick. Die Lunula ist vorhanden, breit, ihr
Zwischenraum von gelber Masse erfüllt, die sich auch unter dem
Ligamente hinzieht. Die Schlossleiste ist gekrümmt, indem die
hintere Hälfte derselben fast horizontal steht, der vordere Theil nach
unten herabgesenkt ist. Die dreieckige Ligamentalbucht von massiger
Grösse. Marginalsaum sehr breit, mit breitem ca. 73 desselben ein-
nehmendem perlmutterlosem Saume. Die Narbe des vorderen Re-
tractor ist nicht frei, sondern hängt an jener des Adductor an. Das
stark irisirende Perlmutter ist silberfarben, gegen die Randzone hin
röthlich und bläulich schillernd, der perlmutterlose Saum gelb. Es
wäre möglich, dass die Schale hinten und vorn ein klein wenig spalt-
förmig klafft, indessen lässt sich darüber nichts sicheres sagen, weil
die unregelmässig gerissenen Theile des Ligamentes keine genaue
Zusammenfügung mehr erlauben, ich denke aber, dass, als die Schale
noch intakt und das Ligament elastisch war, die Schale vollkommen
schloss, ohne zu klaffen.
Das Verhältniss der Höhe zur Länge ist 82 : 100, also eine sehr
hohe, fast runde Schale anzeigend, ungefähr wie bei An. rotunda
Spix. Letztere hat eine etwas weniger geschwungene, mehr gerade
Schlossleiste, ein Unterschied, der allein aber wohl nicht zur Schei-
dung genügen würde, diese wird nur nöthig durch die bedeutendere
Höhe und Wölbung der Wirbel, wodurch die Wirbelspitze, die bei
A. rotunda der Schlossleiste aufliegt, hoch über dieselbe emporrückt.
Arch. f. Naturgesch. Jalirg.1890. Bd. I. H. 2. 10
146 Dr. H. v. Ihering: Revision der
Da alle Exemplare von An. rotunda hierin völlig übereinstimmen,
so liegt darin offenbar ein zur spezifischen Trennung zwingender Unter-
schied vor, dem sich dann andere von geringerer Bedeutung anreihen.
Ich kann es daher nicht billigen, wenn d'Orbigny A. rotunda und
trapezea Spix vereinigen will und beiden Arten die von ihm be-
schriebene An. Spixii vom La Plata zugesellt. Da mir eines der
d'Orbigny'schen Originalexemplare aus Kopenhagen zur Verfügung
gestellt wurde, habe ich diese Art direkt mit den Spix'schen Typen
vergleichen können. Es ergab sich dabei, dass die d'Orbigny 'sehe
Schale sich im Wesentlichen An. trapezea Spix anreiht, gegen welche
sie nur geringe Unterschiede aufweist, die nur zur Aufstellung einer
Lokal varietät Anlass geben, die ich var. Spixii d'Orb. nenne. Dabei
muss ich allerdings betonen, dass mir nur je ein einziges Exemplar
von Spix und von d'Orbigny zur Verfügung stand, so dass die
geringfügigen von mir beobachteten Unterschiede möglicher Weise
bei Kenntniss grösserer Serien hinwegfallen.
Das von d'Orbigny herrührende Exemplar dieser var. Spixii
d'Orb. stammt vom Rio Parana. Die grosse schwere, nicht klaffende
Schale ist glatt, glänzend, schwarzbraun, nach unten hin mit theil-
weise schuppig vorstehenden Rändern der Anwachsstreifen. Die
Wirbel sind erodirt, hoch und sehr geräumig mit tiefer Wirbelhöhle
und hochstehender Wirbelspitze, die weit über Schlossleiste und
Ligament steht. Die Umbonalfalte trägt eine stärkere und eine
schwächere Leiste. Die Lunula ist vorhanden, massig breit mit er-
hobener Seitenlinie, das Ligament ausnehmend dick. Die Schloss-
leiste massig dick, in ihrem hinteren Theile gerade, nach vorn stark
eingebuchtet und geschwungen. Die dreieckige Ligamentalbucht ist
schmäler und spitziger als bei dem Spix'schen Exemplar. An der
vorderen Adductornarbe hängt oben innen eine kleinere Retractor-
narbe an, eine ebensolche liegt etwas weiter unten frei nach innen
vom Adductor Die hintere Schliessmuskelnarbe ist lang und schmal,
rechts mehr als links, wo sie weiter nach innen vorspringt. M ar-
gin alsaum sehr breit, mit überaus feinem, über 1 — 2 mm breitem,
dunkel horngrauem, perlmutterlosem Saume. Perlmutter bläulich
irisirend. Die Schale ist 81mm lang und 66mm hoch, was einem
Höhenindex von 81 : 100 entspricht. Für ein etwas grösseres Exemplar
von 90 mm Länge giebt d'Orbigny die Höhe zu 77 : 100, die Dioke
zu 50 : 100 an.
Der einzige wesentliche Unterschied, den diese Schale der Spix'-
schen An. trapezea gegenüber aufweist, ist die überaus geringe Ent-
wicklung des perlmutterlosen Randes. Dazu geringe Unterschiede
in den Muskelnarben und in Färbung von Epidermis und Perlmutter.
d'Orbigny giebt die Farbe des Perlmutters als blau oder rosa an,
gegen silberweiss und bläulich bei An. trapezea. Wir haben es daher
hier mit einer südlichen Varietät der Anod. trapezea Spix zu thun,
die ich im Anschlüsse an d'Orbigny als var. Spixii bezeichne. Erst
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 147
reiche Serien und zwar von verschiedenen Fundorten werden ge-
statten, ein sicheres Urtheil über die in Frage stehenden Formen
der Gruppe trapezea -rotunda zu gewinnen. A. trapezea könnte in
Beziehung gebracht werden zu A. latomarginata, wie Lea und Hupt''
meinten, allein A. trapezea ist eine höhere Form mit mehr ange-
schwollenem Wirbel, auch ist die Schlossleiste von A. latomarginata
mehr gerade, länger, nicht geschwungen, der perlmutterlose Saum
breiter.
Anodonta trapezialis Lam.
$: An. trapezialis Lam. Encycl. meth. Helminth. VI, 87, PI. 205.
An. exotica Cuvier Regne an. Ed. av. Planches. PI. 90, Fig. 1 u. la.
An. trapezialis Küster Bd. IX, 1 p. 31, Taf. 8, Fig. 4.
An. (Leila) Blainvilleana Reeve sp. 12.
An. rioplatensis Reeve, Fig. 101.
An. rioplatensis Küster p. 217, Taf. 64, Fig. 3 (Copie).
? An. anserina Reeve Fig. 125.
<J: An. gigantea Spix p. 27, Taf. 19, Fig. 2.
An. trapezialis Lam. var. Küster p. 235, Taf. 77, Fig. 5. (Copie
nach Reeve Fig. 18).
? An. crassa Swains. Zool. Illustr. No. 34, Taf. 167 (teste Spix
et Küster).
An. trapezialis Reeve Fig. 18.
An. subsinuata (Sow.) Reeve Fig. 14.
Vjuv. An. anserina Spix p. 29, Taf. 21, Fig. 1 und 2.
Die Unterscheidung und Synonymie der grossen klaffenden Ano-
donten Südamerikas bildet eine der schwierigsten Aufgaben in dem
Studium der Najaden. Spix und Wagner haben ihr redlich Theil
zur Vergrösserung dieser Confusion beigetragen. Dies zunächst und
vor Allem dadurch, dass sie die Columba- Arten , welche ihnen vor-
lagen, mit den gesammelten Exemplaren von An. trapezialis ver-
wechselten. Die eine der beiden Abbildungen von An. gigantea, ein
junges Thier darstellend, bezieht sich auf eine neue, von mir nach
ihrem Entdecker benannte Columba, und sei auf das dort Bemerkte
verwiesen. Ich erwähnte daselbst bereits, dass Spix auch Columba
pulvinata Hupe sammelte und als Doublette von An. gigantea weg-
gab, wodurch Küster zu seiner verkehrten Darstellung gebracht
wurde. Dem gegenüber niuss aber betont werden, dass die im Mün-
chener Museum aufbewahrten Exemplare, die mir vorlagen, voll-
kommen zur Beschreibung und zur Abbildung Taf. 19, Fig. 2 stimmen.
Sie sind es also, welche vor Allem' bei der Aufstellung des Anodon
giganteus gemeint waren, und es kann daher nicht dem mindesten
Zweifel unterliegen, dass A. gigantea Spix in die Synonymie von
10*
148 Dr. H. von Ihering: Revision der
A. trapezialis Lam. gehört, mit welcher die Münchener Exemplare
übereinstimmen.
Vermuthlich wäre man längst in dieser Frage viel weiter ge-
kommen, wenn man schon früher darauf aufmerksam geworden wäre,
dass bei allen Arten dieser Gruppe starke sexuelle Differenzen der
Schalen vorkommen. Speziell für An. trapezialis habe ich zweimal
Gelegenheit gehabt, dies zu beobachten, als mir von Händlern grössere
Serien je von ein und demselben Fundorte zur Bearbeitung und
Auswahl zugesandt wurden. Bei der einen bauchigeren Form ist der
vordere Theil der Schale voller gerundet, bei der anderen schlankeren
schmäler, indem der vordere Theil des Ventralrandes mehr eingezogen
ist. Gleichzeitig ist bei der schlankeren Form das Hinterende ver-
längert, bei der anderen kürzer. Die Höhe beträgt bei der schlankeren
Form 62 — 63, bei der kürzeren 64 — 65 Procent der Länge. Diese
Unterschiede sind nicht immer sehr ausgesprochen, aber man hat
doch geglaubt, daraufhin beide als Varietäten oder als Arten trennen
zu müssen. Ich zweifele nicht, dass diese Differenzen, die in ähn-
licher Weise auch bei den anderen verwandten Arten sich wieder-
holen, sexuelle sind, so zwar, dass die bauchige kürzere und höhere
Form mit voller gerundetem Vorderende dem $, die schlankere
minder bauchige dem $ zukommt.
Die Abbildung Lamarcks zeigt uns die weibliche Form in einem
ausgewachsenen Exemplar. Es ist aber zu bemerken, dass diese
Abbildung in Bezug auf den hinteren Theil des Dorsalrandes ungenau
ist. Der Dorsalrand ist an dieser Zeichnung zu weit über die Li-
gamentalbucht hinaus verlängert, mehr als es meinen Beobachtungen
nach je vorkommt, es hätte also der Winkel, in welchem der hintere
Rand mit dem dorsalen zusammenstösst , etwas weiter nach vorne
gerückt sein müssen. Eine noch schlechtere Abbildung existirt in
Cuviers Regne animal, in welcher der vordere Theil des Dorsal-
randes ganz verzeichnet ist. Eine gute Abbildung der S Form gab
Reeve Fig. 18, welche aber im Texte irrig als An. gigantea Lea be-
zeichnet ist. Reeve hat dann im Index und bei sp. 152 seinen
Irrtimm berichtigt, was Küster (p. 236) ganz übersehen hat. —
Die 5 Form bildet Reeve als Blainvilleana und rioplatensis ab,
und daher kommt es, dass man in England sowohl wie in Deutsch-
land in Preislisten der Naturalienhandlungen stets An. trapezialis
als Leila Blainvilleana angeführt findet. Aechte Columba-Arten sind
grosse Seltenheiten und nirgends durch Naturalienhandlungen zu er-
langen. Von der ächten Lea' sehen Col. Blainvilleana ist die Reeve'sche
Leila Blainvilleana schon in der Form verschieden, vor Allem aber
natürlich durch den Mangel der Mantelbucht, welche ja für Columba
charakteristisch ist. Zwar giebt Reeve ausdrücklich die Existenz
der Mantelbucht an, allein was er als solche deutet, ist nur eine
leichte Ausbuchtung der Mantellinie, an der Stelle, wo sie an die
von Spix in Brasilien gesammelten Najaclen. | 4 g
•
Narbe des hinteren Schliessmuskels herantritt. So kommt es. dass
er auch An. subsinuata Sow. eine Mantelbucht zuschreibt. Reeve
hat die ächte Mantelbucht von Columba offenbar niemals gesehen
resp. beachtet, da er sie bei wirklichen Columba-Arten, wie pulvinata
z. B., nicht erwähnt. Für ihn war überhaupt das Klaffen der Schale
das Wesentliche für Leila, während doch in Wahrheit dieses Klaffen
der Schale ausser bei Columba auch bei sehr vielen Anodonten und
Unionen Südamerikas beobachtet wird.
Zu An. trapezialis ziehe ich auch An. rioplatensis Reeve. Ich
habe ein der Reeve'schen Abbildung ziemlich gleichendes Exemplar
von An. trapezialis untersucht, welches von d'Orbigny im Parana
gesammelt und von ihm als A. exotica var. C dem Kopenhagener
Museum übermittelt wurde. Dasselbe ist 147 mm lang, 91 mm hoch,
63 mm weit. Der Diameter entspricht 43 Procent der Länge, es ist
also ein sehr bauchiges Exemplar; die Höhe, 62 Procent der Länge
entsprechend, ist geringer als an dem Reeve'schen Exemplare, wo
sie 65 beträgt. Die übrigens ziemlich dünnschalige Muschel hat gelb-
grüne Epidermis, blaues in roth irisirendes Perlmutter und ist auf-
fallend durch die geschwollenen und weit nach der Mitte gerückten
Wirbel; der Umbonalindex ist 49. Der Schlossrand ist ganz gerade,
auch vorne an der Ecke des Schildchens nicht erhoben, wie das bei
den Amazonas-Exemplaren der Fall zu sein pflegt. Ob es angebracht
ist, diese La Plata-Form von den Amazonas-Vertretern als var. rio-
platensis abzusondern und auf welche Momente hin, das zu ent-
scheiden werden erst grössere Serien von Exemplaren vom La Plata
gestatten.
An. trapezialis erreicht eine sehr bedeutende Grösse. Ich erhielt
ein Exemplar, aus Ecuador stammend, von Sowerby zugesandt, als
,,An. gigantea Lea" bezeichnet, wohl in Folge des oben erwähnten
Versehens von Reeve, welches 220 mm lang war und 127 mm hoch
(= 56/100 d. L.).
An sechs von mir gemessenen Exemplaren von An. trapezialis
beträgt die Höhe 60 — 64 Procent der Länge, der Diameter 37 — 43
Procent der Länge. Immer ist der Wirbel stark angeschwollen, ge-
wölbt und weit nach hinten gerückt, so dass also der präumbonale
Theil des Dorsalrandes sehr lang ist. Der Umbonalindex variirt von
45 — 52, nur an einem sehr kleinen Exemplare von nur 41 mm Länge
war er grösser, nämlich 60. Es rührt dies daher, dass bei ganz
jungen Exemplaren das Ligament noch verhältnissmässig sehr kurz
ist, wodurch die vordere Begrenzung der Ligamentalbucht zu einer
sehr langen, in spitzem Winkel gegen den mittleren Theil der Schloss-
leiste ziehenden Linie wird, während sie im Laufe des weiteren Wachs-
thumes kürzer wird und schliesslich ziemlich im rechten Winkel die
Schlossleiste trifft. Ich habe noch nirgends von dieser Entwicklung
der Ligamentalbucht etwas erwähnt gefunden, und doch ist es wichtig,
150 Dr. H. von Ihering: Revision der
hierauf zu achten, da auch bei den nahestehenden Arten das gleiche
Verhalten zu beobachten ist und dieser Umstand mithin zur Alters-
bestimmung gelegentlich sehr willkommen sein kann.
Die Lunula ist fast immer wohl entwickelt, oft der Länge nach
ausgehöhlt mit medianer Trennungsleiste. Die Epidermis ist glatt
und ohne jene bei A. Forbesiana und Verwandten so häufigen radiären
Streifen kurzer, gebogener und verdickter Erhebungen, welche ich
im Folgenden Skalarstreifen nennen werde. Auffallend war mir,
dass die Wirbel meist intakt sind, oder doch, selbst an grossen
Exemplaren wenig corrodirt. Die Wirbel sind nicht nur dadurch
auffallend, dass sie aufgeblasen, gerundet sind, sondern auch durch
die fast centrale Lage der Wirbelspitze bemerkenswerth, namentlich
im Gegensätze zu manchen der verwandten Arten, bei denen sie
excentrisch liegt. Wenig entwickelt, resp. schmal pflegt der perl-
mutterlose Saum der Innenseite zu sein. Der klaffende Spalt der
vorderen Schalenhälfte ist sehr weit, in der Mitte am breitesten, auch
am Hinterende klaffen die Schalen.
Anodonta Hertwigii sp. n. (Fig. 7)
„An. anserina Spix" Musei Monachiensis (nee Spix et Wagner).
An. anserina Küster p. 80, Taf. 20, Fig. 1.
Prov. Bahia.
Sehr verbreitet ist als Sammlungsname jener der An. anserina
Spix. Man pflegt damit Formen zu benennen, welche der An. anserina
Küster oder den Lea'schen Arten Moricandii und Forbesiana nahe
stehen. Der Name anserina stammt von Spix, welcher p. 29, Taf. 21,
Fig. 1 und 2 unter diesem Namen eine von Ega stammende Art des
Amazonas beschreibt. Das Original zu dieser Figur scheint im
Münchener Museum nicht mehr zu existiren. Von Spix'schen Typen
der An. anserina lagen mir drei Schalenhälften vor, die verwittert
und durchlöchert, offenbar am Ufer aufgelesen und für eine genaue
Untersuchung nicht ausreichend sind. Diese drei Schalen gehören
offenbar ein und derselben Spezies an. Die corrodirten Wirbel sind
massig gewölbt, nicht aufgeblasen, im äusseren Umfang etwas ab-
geflacht, die Wirbelspitze liegt excentrisch nach vorne zu. Die
Schlossleiste ist gerade. Am vorderen Ende geht der Dorsalrand
allmählich, ohne abgesetzte Ecke in den Vorderrand über, der gleich-
massig gerundet ist, wie es die beigegebene Zeichnung erkennen lässt.
An dem abgebildeten Exemplare ist die Länge 110, die Höhe 62 mm,
was einer procentalen Höhe von 56 entspricht. Die Ligamentalbucht
ist hakenförmig mit nach vorn gerichteter Spitze. Der Dorsalrand
steigt vom Wirbel aus bis über die Ligamentalbucht, so dass er über
letzterer sich noch ansteigend gewölbt erhebt, ein ziemlich ab-
weichendes eigenartiges Verhalten. Die Schale ist massig dick, ihr
perlmutterloser Saum ist schmal, das Perlmutter blau, die Epidermis
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 151
olivengrün. Besonders bemerkenswert!! ist die ziemlich weit nach
vorn gerückte Lage der Wirbelspitze, welche an dem abgebildeten
Exemplare 20 mm vom Vorderende der Schlossleiste, 37 mm von der
Ligamentalbucht entfernt liegt, was einem Umbonalindex von 35
entspricht.
Vergleichen wir diese Originale mit der Abbildung bei Spix, so
haben wir u. A. folgende Differenzen. Die procentale Höhe beträgt
am Originale - - die drei Schalen stimmen unter einander gut über-
ein — 56, an der Spix'schen Zeichnung 60, in der Spix' sehen Be-
schreibung 63. Der Umbonalindex ist bei ersterem 35, bei letzterer 44,
ein Unterschied, der mir denn doch zu gross erscheint, um ihn
lediglich auf Rechnung ungenauer Zeichnung setzen zu dürfen. Auch
ergiebt die Vergleichung von Text und Abbildung bei Spix und
Wagner, dass beide übereinstimmen. So wird z. B. die scharf
markirte Ecke des Schildchens, welche die Zeichnung erkennen lässt,
im Text besonders erwähnt, — wiederum ein Unterschied den von
mir untersuchten Typen gegenüber, welcher gegen die Zusammen-
gehörigkeit dieser Typen und der Spix'schen Abbildung spricht. In
der That hat auch schon Lea (Vol. X, p. 33) die Meinung aus-
gesprochen, die Abbildung von Spix beziehe sich auf ein junges
Exemplar von A. trapezialis. Sicherheit lässt sich bei dem Mangel
des betr. Originales nicht gewinnen, und es wird daher am besten
sein, die A. anserina Spix ganz in der Literatur untertauchen zu
lassen, da eben Spix und Wagner unter A. anserina ebenso Ver-
schiedenartiges begriffen zu haben scheinen, wie unter der Bezeich-
nung An. gigantea. Was dann die drei losen, von Spix gesammelten
Schalen „aus Brasilien" betrifft, welche sich in der Münchener Samm-
lung unter der Bezeichnung An. anserina Spix befinden, so schlage
ich für diese Typen den Namen der An. Hertwigii vor, sie dem be-
rühmten dermaligen Leiter des Münchener Museums widmend.
Lea hat einige als anserina Spix von Moricand erhaltene
Schalen als A. Moricandii beschrieben. Die angeführten Unterschiede
sind recht dürftig und bestehen, abgesehen von untergeordneten
Punkten, als olivengelbe statt dunkelgrüne Epidermis, dünne und
nicht „solide" Schale, vor Allem in der Abplattung der Wirbel, die
nach Spix „ventricosi" wären, allein dieser Unterschied verliert an
Bedeutung durch den von Lea nicht beachteten Zusatz „subdepressi".
Immerhin scheint mir Grund genug vorzuliegen, um A. Moricandii
Lea als gute Art gelten zu lassen, denn sie ist in hohem Grade vor
allen verwandten Arten durch die eigenthümliche Abplattung der
Seiten ausgezeichnet; sie ist, wie Küster bezw. Clessin sich aus-
drückt, im horizontalen Längsdurchschnitte fast cylindrisch, indem
nämlich von vorn an der Diameter so rasch zunimmt, dass er schon
in der Wirbelgegend sein Maximum erreicht; das er dann auch, von
einer hinter den Wirbeln folgenden Depression abgesehen, weithin
behält. Im Gegensatze dazu nimmt der Diameter bei den anderen
verwandten Formen von vorn an langsam zu und erreicht erst weit
152 Dr, H. von Ihering: Revision der
hinter den Wirbeln seine grösste Ausdehnung, so dass der Längs-
durchschnitt spindelförmig oder nahezu eiförmig wird. An. Moricandii
Lea scheint auf die Provinz Bahia beschränkt zu sein.
Die eben beschriebene seitliche Abplattung von A. Moricandii
unterscheidet sie leicht von A. exotica Lam., der sie in der Form
nahe steht. Ich besitze die ächte An. exotica Lam. in vier von ver-
schiedenen Theilen des Amazonas-Gebietes stammenden Exemplaren,
die sehr unter einander übereinstimmen und eine proc. Höhe von
50 — 60 haben und einen Diameter von 29 — 32 Procenten der Länge.
Es ist also eine abgeflachte, wenig bauchige Art, da ja der Diameter
bei A. trapezialis 37 — 43, bei A. riograndensis 30 — 39 Procent der
Länge misst. Der Umbonalindex beträgt an meinen Exemplaren von
exotica 35 — 43, bei der Abbildung von Lamarck 41, an der Ab-
bildung der sicher hierher gehörigen An. scripta Fer. bei Reeve 37.
Die corrodirten Wirbel sind zwar etwas abgeflacht, aber doch hoch
und geräumig, die Wirbelspitze liegt excentrisch nach vorne. Die
Ecke des Schildchens ist stark markirt, erhoben, die Lunula ent-
wickelt, einfach. Der perlmutterlose Randsaum der Schalen ist schmal.
Die Epidermis ist meist mit Skalarstreifen versehen, d. h. also mit
radiären Strahlen kurzer, querer, dicht aufeinander folgender, er-
hobener Verdickungen der Anwachsstreifen, was Lea als „epi dermis
crimpled with festoons" bezeichnet.
Besonders charakteristisch finde ich nach Untersuchung meiner
Exemplare die Form des vorderen Klaffspaltes. Während bei den
anderen klaffenden Arten der Spalt vom vorderen Theile nach der
Mitte desselben hin gleichmässig zunimmt und dann allmählig wieder
schmäler wird, ist bei A. exotica die Mitte des Klaffspaltes verengt,
der Spalt also davor und dahinter etwas weiter als an der Ver-
engerungs-Stelle, welche einer seitlichen Depression der Schale ent-
spricht. Ich habe dies bei keiner anderen Anodonta wieder getroffen.
Ob diese Eigenthümlichkeit sich erst bei ausgewachsenen Schalen
voll entwickelt, oder auch schon an jungen wahrnehmbar ist, bleibt
noch festzustellen. Eine weitere Eigenthümlichkeit dieser Art ist*
die Anwesenheit schwärzlicher Flecken oder Striche im Perlmutter,
welche sich in diesem Mafse bei anderen nahestehenden Arten nicht
findet.
Die Zugehörigkeit dieser meiner Exemplare zur A. exotica Lam.
geht hervor aus der Vergleichung derselben mit der Abbildung des
Lamarck'schen Originales bei Delessert, Recueil de Coquilles non
figures par Lamarck Paris 1841. PI. 13, Fig. 1. Eine minder typische
und sicher schlecht gezeichnete Form, die auch hierher gehört, ist
die An. exotica von Küster p. 178, Taf. 58, Fig. 1 und 2. Ein Ver-
gleich der beiden Abbildungen der Schale von der Innen- und Aussen-
seite, sowie von Fig. 1 und Fig. 2 ergiebt klar, dass die Wirbel-
spitze in der Abbildung der Innenansicht in Fig. 1 um 8 — 10 mm
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. ] 53
zu weit nach hinten verzeichnet ist, wodurch der Wirbel eine fast
centrale Lage bekommt, die er nach Fig. 2 nicht hat. Uebrigens
ist dieses Exemplar auch sonst, z. B. in der geringen Entwicklung
der Ecke des Schildchens minder typisch. — Ebenfalls hierher ziehe
ich die An. areolata (Sow.) Reeve.
Es ist nach dieser Darstellung klar, wie verkehrt es wäre, nur
nach dem Horizontalumrisse der Schalen urtheilend, alle in der
äusseren Form einigerrnassen ähnlichen Schalen der A. exotica Lam.
zuzuschreiben. Was ich als A. exotica von d'Orbigny u. A. vom La
Plata bezeichnet sah, gehörte ebenso wie A. exotica Reeve zur Gruppe
der A. Forbesiana und riograndensis. Die ächte A. exotica Lam.
scheint auf das Amazonas-Gebiet beschränkt zu sein.
Die A. Hertwigii ist ihrer Herkunft nach nicht sicher bekannt,
ich denke aber, dass sie aus der Bahia- Gegend stammt, weil die
Originale nicht als vom Amazonas herrührend bezeichnet sind, und
weil ich vom Amazonas bisher nur A. trapezialis und exotica sah.
Dagegen kennen wir aus der Provinz Bahia eine der A. Hertwigii
sehr nahestehende Form, ich meine die A. anserina Küst. Die Ab-
bildung bei Küster Taf. 20, Fig. 1 zeigt uns eine der A. Hertwigii
ähnliche Schale, die nur etwas schlanker ist, mit kleinerem Umbonal-
index (30 gegen 35 am Spix' sehen Originale), noch etwas stärker
aufsteigendem Dorsalrande und gewölbtem, nicht vor der Mitte ein-
gebuchtetem Ventralrande. Vielleicht entsprechen diese Differenzen
sexuellen Unterschieden und wird dann wohl auch hier die Ein-
buchtung des Ventralrandes das $ kennzeichnen. Ich muss daher
A. anserina Küst. als synonym zu A. Hertwigii ziehen, das Verhältniss
beider zu einander wie zu der nahestehenden A. Moricandii mit
gerader Schlossleiste, wird aber erst zu entscheiden sein, wenn
grössere Serien von Exemplaren dieser Arten zum Studium vorliegen.
Erst wenn wir die Variationsgrenzen und die sexuellen Unterschiede
für diese und alle nahestehenden Arten kennen, wird man ihr Ver-
hältniss zu einander richtig beurtheilen können. Bei dem jetzigen
ungenügenden Stande unserer Kenntnisse kann es sich nur darum
handeln provisorisch Ordnung zu machen und die richtige Frage-
stellung vorzunehmen. Erst die Zukunft kann Antwort und Gewiss-
heit bringen.
Eine andere bisher nur von Bahia bekannte Art dieser Gruppe
ist A. bahiensis Küster (1. c. p. 94, Taf. 20, Fig. 2). Dieselbe ist charak-
terisirt durch die massig gewölbten Wirbel mit centraler Lage der
Spitze. Hierin schliesst sich diese Art an A. trapezialis an, von der
sie sich aber ausser in Grösse, Dickschaligkeit und Perlmutter auch
durch geringeren Diameter und geringere Höhe unterscheidet. Ich
ziehe dahin zwei Exemplare meiner Sammlung, welche aber ein
spitzeres Hintertheil haben und keinen gebuchteten Ventralrand. Da
sie zugleich sehr wenig bauchig sind — Diameter von 34/ioo bei
154 Dr. H. von Ihering: Revision der
beiden — , so ist es wahrscheinlich, dass sie als 3 zu der von Küster
abgebildeten, wohl weiblichen Form gehören. Ein mit der Küster'-
schen Abbildung und Beschreibung noch besser stimmendes wohl ?
Exemplar befindet sich in der Münchener Sammlung als A. anserina
Spix aus dem „Pitricoflusse" (ein Fluss dieses Namens ist mir un-
bekannt). Dasselbe misst: L. 101, H. 55, D. 37, hat also einen proc.
Diameter von 37 gegen 34 bei meinen Exemplaren. Dasselbe hat
einen Umbonalindex von 43, während das Küster'sche Exemplar ihn
der Abbildung nach zu 41 haben dürfte, gegen 46 und 47 bei meinen
beiden Exemplaren. Vermuthlich variiren also die Schalen nach den
Fundorten ein wenig in der Wirbellage.
Bei allen Exemplaren von A. bahiensis ist die Lunula wohl ent-
wickelt, oft durch eine mittlere Leiste getheilt. Die Epidermis ist
sehr glatt und glänzend, ohne Skalarstreifen. Die massig aufge-
blasenen Wirbel sind fast immer intakt, nicht corrodirt. Der perl-
mutterlose Saum ist schmal, bei allen ist das Perlmutter in der Mitte
und unter den Wirbeln lachsfarben, doch stellt sich diese Färbung
wohl erst mit dem Alter ein, da sie nur dem kleinsten jüngsten
Exemplare fehlt. Die Schale ist fest, nicht dünnschalig, gelblich
olivengrün, am Rande bräunlich. Es scheint mir das eine sehr gut
charakterisirte Art zu sein, über deren sexuelle und lokale Varietäten
natürlich weitere Untersuchungen nöthig sind. Das kleinere Exemplar
erhielt ich von Sowerby als undulata Lam., doch ist eine solche
Art nie von Lamarck beschrieben worden, A. undulata Say ist eine
andere, nordamerikanische Art.
Eine letzte Art endlich aus der ,,anserina"-Gruppe ist die Form,
welche wir in Rio Grande do Sul und dem La Plata- Gebiete an-
treffen und welche ich An. riograndensis sp. n. nenne. Dieselbe ist
im Allgemeinen ziemlich variabel, zumal dünnschalige und dickschalige
Formen scheinen je nach den lokalen Fundorts-Bedingungen ziemlich
zu wechseln, indem, wie es bisher scheint, in ruhigeren geschützteren
Gewässern die Schalen dünner bleiben als in lebhaft bewegtem Wasser.
Ich werde an anderer Stelle auf diese riograndenser Art näher ein-
gehen. Hier sei nur so viel bemerkt, dass wir neben einander zwei
überaus verschiedene Formen treffen, von denen ich vorläufig die
schlankere als S in Anspruch nehme; ich hoffe bald in der Lage
zu sein, die bez. sexuellen Differenzen feststellen zu können. Die
schlankere Form hat eine proz. Höhe von 49—53, die bauchige von
55—57, während der Diameter bei der schlankeren Form 30 — 33,
bei der bauchigen 34—39 Procent der Länge beträgt. Der Umbonal-
index schwankt zwischen 34 - 43, d. h. bei ausgewachsenen und halb-
wüchsigen Exemplaren; bei kleineren von nur 30 — 50 mm Länge ist
er beträchtlich höher, 53 — 55 nämlich, weil da die Ligamentalbucht
grösser und flacher ist, resp. weiter nach vorne hin reicht. Die
corrodirten Wirbel sind immer flach, abgeplattet mit weit nach vorne
gerückter Wirbelspitze. Lunula bald vorhanden, schmal und einfach,
bald fehlend, die Ecke des Schildchens meist nicht erhoben. Ich
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 155
besitze ein $ Exemplar, welches so hoch und bauchig ist und auch
in der Beschaffenheit des Wirbels so sehr an A. trapezialis erinnert,
dass ich hätte versucht sein können, es dieser Art zuzuschreiben,
wenn nicht die zugehörigen übrigen Exemplare eines Besseren mich
belehrten.
Im Gegensatze zu A. Hertwigii steigt bei A. riograndensis der
Dorsalrand nicht nach hinten an, sondern ist im hinteren Theile
gerade, während der vordere Theil in der Regel nach vorn und unten
hin sich schief hinabsenkt. Dieser letztere Umstand, der nur selten
und bei S eher als bei $ vermisst wird, giebt der Schale einen ihrer
charakteristischen Züge. Er findet sich genau in gleicher Weise an
den Schalen, die ich vom Uruguay und aus Montevideo erhielt. Der
perlmutterlose Saum ist massig breit, die Epidermis ist fast immer
mit Skalarstreifen versehen. Das bläuliche Perlmutter zeigt zuweilen
unter den Wirbeln Neigung lachsfarben zu werden ; an den Elxemplaren
von Montevideo ist es glänzend porzellanweiss.
Unter den vom Uruguay resp. einem Nebenflusse desselben
stammenden Exemplaren befindet sich eines, welches ausserordentlich
dickschalig ist und vollkommen mit der Abbildung von A. Susannae
(Griff.) Reeve stimmt. Es liegt mir nur eine, die linke Schalen-
hälfte vor, die 104 mm lang , 58 mm hoch ist und einem Diameter
von 44 mm durch Verdoppelung des halben Diameter entspricht.
Es sind also die proz. Höhe 56, der proc. Diam. 42. Der Umbonal-
index beträgt 40. Die Schale fällt auf durch die besondere Schwere;
zumal in der Gegend des vorderen Klaffspaltes, ist die Substanz
derselben sehr verdickt und an dieser Stelle ist auch der perlmutter-
lose Saum besonders breit. Das weisse Perlmutter ist in der Rand-
zone bläulich, etwas röthlich irisirend. Am meisten auffallend ist
mir der Umstand, dass der hintere Rand nicht ausgebuchtet ist, die
Schale hier also nicht oder kaum klaffend gewesen sein kann. Auch
Reeve sagt von der An. Susannae, die auch er vom Rio de la Plata
hatte „latere postico paulo hiante." Jedenfalls stammt das vor-
liegende Exemplar wie die überaus angefressene, stellenweise bis auf
das Perlmutter corrodirte Schale zeigt, aus stark fliessendem Wasser.
Sehr ähnliche Schalen besitze ich auch von An. Wymanni Lea aus
Rio Grande, mit der auch die schmälere, zugespitzte, nach vorn ge-
richtete Form der Ligamentalbucht stimmt. Ich stelle demnach
A. Susannae, die wahrscheinlich nur auf ein älteres Exemplar von
A. Wymanni gegründet ist, zur Latomarginata-Gruppe, möglich, dass
die mir unbekannte A. crassa Swains. auch dazu gehört. Dagegen
dürfte A. sinuosa Reeve wohl zu A. riograndensis gehören.
Die meist dickschaligen Vertreter der A. anserina- Gruppe des
La Plata wurden von d'Orbigny irriger Weise zu A. exotica ge-
zogen, wogegen Lea für sie die A. Forbesiana aufstellte. Merk-
würdiger Weise nun zeigten sämmtliche Exemplare, welche Lea aus
156 Dr. H. von Ihering: Revision der
dem Uruguay erhielt, eine ganz abnorme Form des quer abgestutzten
Hinterendes, welches, wie aus der Abbildung hervorgeht und auch
von Lea angegeben wird, offenbar bei Lebzeiten des Muschelthieres
durch den Biss eines Raubthieres den hinteren schnabelförmigen
Fortsatz verloren hatte. Ich kann daher nicht beurtheilen, wie die
unverletzte Schale aussehen und ob sie mit meinen Exemplaren vom
Uruguay übereinstimmen wird. Sicher scheint mir das nicht, weil
die Lea' sehe Abbildung die Schlossleiste ganz gerade und vorn nicht
herabgesenkt zeigt und ein schmäleres längeres Vordertheil erkennen
lässt. Ein ähnliches Verhalten finde ich an einem meiner Montevideo-
Exemplare, welches wohl als S in Anspruch zu nehmen ist. Dass
A. Forbesiana einen grösseren Diameter aufweist als A. riograndensis,
erklärt sich aus der Verkürzung des verstümmelten Hinterendes.
Ein nur 10 mm grösseres Mals der Länge würde schon einen proc.
Dianieter von 43 geben, was freilich immer noch höher wäre, als
ich es bei riograndensis beobachtet. Der Umbonalindex von A. For-
besiana ist 48 gegen 43 als Maximum bei riograndensis, alles Gründe,
die gegen eine Vereinigung beider Arten sprechen.
Ich muss es daher bis zur Erlangung reichlicheren Unter-
suchungs- Materials vom Uruguay unentschieden lassen, ob unsere
Rio Grande do Sul-Exemplare einer anderen Art zugehören als For-
besiana oder doch mit ihr zu vereinigen wären. Sicher ist nur, dass
ich von Montevideo und von Nebenflüssen des Uruguay Exemplare
besitze, welche mit A. riograndensis übereinstimmen. Ob dann
A. Forbesiana durch Verstümmelung aus dieser Form oder aus einer
anderen nahestehenden Species entstanden ist, werden erst künftige
Untersuchungen lehren können. Bis dahin mag die Bezeichnung
A. riograndensis um so eher bestehen, als auch die Stellung der
An. exotica (Gray) Reeve vom La Plata noch festzustellen ist. Mög-
lich, dass aus ihr die verstümmelte A. Forbesiana hervorgeht. Die-
selbe ist durch fast geraden Ventralrand und sehr zugespitztes, weit
nach unten gerücktes Hinterende ausgezeichnet. Es ist übrigens
schwer möglich, sich eine intakte Form von A. Forbesiana vorzu-
stellen, aus welcher durch einen relativ geringfügigen Eingriff ein
so steil abfallender Hinterrand erzeugt werden könnte, wie ihn Lea's
Figuren zeigen. Die Ansicht der geschlossenen Schale lässt einen
Defekt von ca. 1 cm vermuthen, während ein so geringfügiger Verlust
aus keiner mir bekannten Anodonta des La Platagebietes einen schon
gleich hinter der Ligamentalbucht steil abfallenden Hinterrand zu
Stande bringen könnte. Ich bin übrigens auch nicht im Stande die
Lea'sche Abbildung der geschlossenen Schale genau mit jener der
Innenansicht in Uebereinstimmung zu bringen.
Diesen Zweifeln gegenüber ziehe ich es wie gesagt vor, die genau
untersuchten riograndenser Formen und die ähnlichen des La Plata
so lange unter einer besonderen Bezeichnung aufzuführen, bis reich-
licheres Material eine Entscheidung über ihre etwaige Zugehörigkeit
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 157
zu A. Forbesiana gestattet. A. riograndensis und Forbesiana sind
nur aus Rio Grande und dem La Platagebiete bekannt. Zur Er-
leichterung der Bestimmung gebe ich folgenden Schlüssel für die
ganze Gruppe.
Schlüssel zur Bestimmung der grossen vorn und hinten
klaffenden Anodonten Südamerikas.
Schale dünn oder solid, nie sehr verdickt, am vorderen Ventral-
rande stark, am oberen Theile des Hinterrandes massig klaffend.
Ligamentalbucht plump, breit. Haftmuskeln der Wirbelhöhle gut
entwickelt.
A. Wirbel aufgeblasen, Wirbelspitze central gelegen;
Skalarstreifen fehlen.
a) Höhe über 6%oo der Länge. Sehr bauchig. Perlmutter weiss
oder bläulich. Diam. 37 — 43, Umbonalindex 45 — 52.
A. trapezialis Lam.
b) Höhe unter 60/i,)0 der Länge. Massig oder wenig bauchig. Perl-
mutter in der Wirbelgegend lachsfarben. Höhe 53 — 56, Diam.
34 — 37, Umbonalindex 41 — 47 . . . A. bahiensis Küst.
B. Wirbel abgeflacht, Wirbelspitze excentrisch gelagert
nach vorn gerückt; Skalarstreifen oft vorhanden.
a) Längsdurchschnitt cylindrisch, schon in der Wirbelgegend die
grösste Ausdehnung des Diameter erreichend. Höhe 49 ( — 52),
Diam. 27, Umbonalindex 37 .... A. Moricandii Lea.
b) Längsdurchschnitt mehr oder minder spindelförmig, grösster
Diameter weit hinter den Wirbeln gelegen.
aa) Wenig bauchig, Diameter unter 34.
1. Dorsalrand nach hinten ansteigend, Ecke des Schildchens
gerundet, Höhe 56, Umbonalindex 30 — 35.
A. Hertwigii v. Ih
2. Dorsalrand leicht geschwungen, Schildchenecke nach vorn
erhoben, ventraler Klaffspalt in der Mitte verengert.
Höhe 50—57, Diam. 29—32, Umbonalindex 34 — 43.
A. exotica Lam.
3. Schlossleiste kurz. Perlmutterloser Saum breit, besonders
am Hinterende der Schale. Höhe 51, Diam. 29, Um-
bonalindex 47 . A. radiata Spix.
bb) Ziemlich bauchige Formen, Diameter in der Regel weit
über 34.
158 r>r- H- von Ihering: Revision der
1. Schlossleiste nicht gerade, vorn herabgesenkt. Höhe
beim 3 49—53, beim ? 55 — 57, Diam. 30 — 33 beim <£,
34—39 beim ?, Umbonalindex 34—43.
A. riograndensis v. Ih.
2. Dorsalrand gerade, Hintertheil verkürzt und abgestutzt
(verletzt) Höhe 58, Diam. 46, Umbonalindex 48.
A. Forbesiana Lea.
Für die nördlich des Amazonas gelegenen Gebiete fehlt es mir
an Material, um sie in diese Uebersicht aufzunehmen.
Anodonta radiata Spix.
Spix 1. c. p. 31, Taf. 23, Fig. 1.
Provinz Minas.
Die Beschreibung und Abbildung bei Spix ist zwar richtig,
trotzdem aber liegt die, wie es scheint, seit d'Orbignys Vorgang
allgemein vorgekommene Verwechslung mit den Arten der variabeln
„An. anserina-Gruppe" Spix nahe. Aus der folgenden Beschreibung
und Erörterung ergiebt sich aber, dass An. radiata wesentlich und
constant von ihr verschieden ist.
Es lagen mir zahlreiche Exemplare vor, alle wie es scheint un-
ausgewachsen, die meisten noch klein, alle ziemlich dünnschalig.
Das hier beschriebene Exemplar misst 70 mm in der Länge, 36 mm
in der Höhe, 20 mm im Durchmesser. Es ist also die proc. Höhe 51,
der proc. Diameter 29. Ueber die Form, die genau zur Zeichnung
bei Spix stimmt, habe ich nichts weiter zu bemerken. Die Epidermis
ist hellgrün mit dunkleren radiären Streifen und blauschwarzer Fär-
bung des Schildes, auf welchem tiefe radiär laufende Furchen ein-
gedrückt sind. Auch die Furchen der Anwachsstreifen sind tief.
Die Schale klafft vorne und hinten. Der Wirbel klein, wenig ge-
schwollen. Die Schlossleiste ist sehr kurz. Sie misst vom vorderen
Ende des Dorsalrandes, welches sich im stumpfen Winkel gegen den
Vorderrand absetzt, bis zum Beginn der Ligamentalbucht 30 mm,
was also 43 Procent der Länge entspricht. Die Entfernung des
Wirbels vom Vorderende des Dorsalrandes ist 14 mm, so dass also
der Umbonalindex 47 beträgt, d. h. der Wirbel fast in der Mitte der
Schlossleiste liegt. Zum Theil rührt diese auffallende Kürze der
Schlossleiste von der, bei allen Exemplaren konstanten, abweichenden
Form der Ligamentalbucht her, welche auch nach vorn hin ganz
allmählig verstreicht. Gewöhnlich d. h. bei der Mehrzahl der übrigen
südamerikanischen Anodonten bildet die Ligamentalbucht einen scharf
nach dem Innern der Schale vorspringenden Winkel, dessen hintere
Grenzlinie mit dem Dorsalrand einen spitzen Winkel bildet, indessen
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 159
die vordere Grenzlinie sich meist senkrecht von der Schlossleiste ab-
setzt, während sie hier einen stumpfen Winkel mit ihr bildet, so
dass die Ligamentalbucht nicht als ein rechtwinkliges, sondern als
gleichschenkeliges niedriges Dreieck sich präsentirt, wie übrigens auch
bei jungen von A. riograndensis. Vielleicht verschwindet dieser
Charakter auch bei An. radiata wie bei An. riograndensis mit dem
Alter, allein es ist jedenfalls auffallend, ihn hier noch bei Exemplaren
von 70 mm Länge erhalten zu sehen.
Die Lunula ist klein und schmal. Das Perlmutter ist blau,
lässt aber gegen den Rand einen breiten Saum von grünlicher Fär-
bung frei. Dieser perlmutterlose Saum beträgt vorn und hinten je
V2, am Ventralrande etwas mehr als l/s des nach aussen von der
Mantellinie liegenden Schalen-Theiles. Neben der vorderen Adductor-
Narbe, nach innen von ihrem unteren Ende liegt der Eindruck des
vorderen Retractor. Der hintere Adductor ist seiner Narbe nach
relativ klein, mit kurzem oberem, dem hinteren Retractor ent-
sprechendem Fortsatze; er ist kaum nennenswerth grösser als der
vordere, und liegt ausserdem sehr weit vom Hinterrande entfernt.
Wenn man ungefähr dem Dorsalrande parallel durch die Mitte der
hinteren Adductornarbe eine Linie zieht, so ist an dieser bei An.
riograndensis der Abstand des Hinterrandes vom Adductor kleiner
als dessen Durchmesser, während hier umgekehrt die Adductorbreite
bedeutend geringer ist als jene des Abstandes vom Hinterrande.
Es ist mir keine andere Anodonta dieser Gruppe bekannt, die ebenso
breiten perlmutterlosen Saum hätte, der zumal am Hinterende
excessiv breit ist.
Die übrigen Exemplare stimmen alle gut mit diesem überein,
so auch, was den perlmutterlosen Saum, die Abflachung der Ligamen-
talbucht, die weit vom Hinterrande abgerückte Lage der hinteren
Adductornarbe, die Kürze der Schlossleiste und die Lage des Wirbels
betrifft, d. h. also in allen jenen Merkmalen, welche diese Art cha-
rakterisiren.
Da wir ausgewachsene Exemplare dieser Art noch nicht kennen,
so bleibt die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie sich späterhin
als zu einer der beschriebenen gehörig erweisen werde, doch hat
auch Lea, welcher diese Art besass, sie in seiner Synopsis als gute
Species anerkannt.
Aiiodonta obtusa Spix.
Anodon obtusus Spix 1. c. p. 30, Taf. 22, Fig. 3.
An. lituratum Spix (juv.) ibid. Taf. 22, Fig. 4.
Anodonta obtusa Moricand, Mem soc, phys. Geneve VIII 1839 p. 147.
An. obtusa Hupe 1. c. p. 86.
160 Dr. H. von Ihering: Revision der
An. liturata Hupe I.e. p. 87, PI. XVII, Fig. 4.
An. obtusa Küster p. 8, Taf. II, Fig. 3 und 4 (litturata); p. 170,
Taf. 56, Fig. 1 und 2 (obtusa).
An. litturata Reeve Fig. 78 (Copie nach Hupe).
Es lagen mir von dieser ziemlich variabeln Art ein schönes
completes Exemplar und eine halbe (rechte) Schale von einem halb-
wüchsigen Thiere vor. Die letztere ist an den Anwachsstreifen noch
mit zahlreichen, erst wenig abgestossenen und leicht gekräuselten
Epidermislamellen versehen, ein Zeichen der Jugend. Dieses Exemplar
weist nach aussen wie innen die schwarzen Zickzackstreifen auf,
die, wie Wagner richtig bemerkte, den jungen von Spix für eine
besondere Art (liturata) gehaltenen Exemplaren zukommen. Am
Schild hat diese Schale zwei stärkere, oben dickere schwarze Streifen
und darunter folgen auf der gerundeten Umbonalseite vier schwächere.
Die Schale ist kräftig, aber nicht dick, die Epidermis blass gelbgrün,
das Perlmutter matt bläulich.
Das grosse Exemplar ist 53 mm lang, 35 mm hoch, 25 mm dick.
Die Epidermis ist blass graubraun, stellenweise grün oder oliven-
farben. Ausser den bei dem vorigen Exemplare erwähnten dunklen
Linien des Hintertheiles , die hier aber weniger ausgeprägt sind,
existiren noch zahlreiche blassbraune, die radiär vom Wirbel aus-
strahlen, wie es die Spix'sche Abbildung zeigt. Die Wirbel sind
ziemlich gewölbt, die Lunula ist lang und schmal, in scharfer Spitze
endend. Die feine Schlossleiste ist leicht gebogen, gegen die Liga-
mentalbucht etwas herabgesenkt, d. h. in Bezug auf die Verlängerung
einer durch den vorderen Theil des Dorsalrandes gelegten Linie.
Die grösste Höhe liegt gegen das Ende des zweiten Drittels der
Länge, etwas vor der Ligamentalbucht. Der Vorderrand ist von der
Ecke der Lunula aus noch etwas nach vorne vorgewölbt, und ebenso
wie der vordere Theil des Ventralrandes gewölbt, nicht eingezogen.
Auffallend klein ist die Ligamentalbucht, deren vordere Grenzlinie
kurz ist und rechtwinklig zur Schlossleiste steht. Die hintere Ad-
ductor-Narbe steht ziemlich weit ab vom Hinterrande, die Mantel-
linie fällt von ihm aus zuerst steil nach unten ab, ehe sie in den
ventralen Theil nach vorne umbiegt. Das Perlmutter ist blau, der
perlmutterlose Saum ist breit, gelblich, er nimmt von dem nach
aussen von der Mantellinie gelegenen Theile der Schale ll3, an einer
Stelle des Ventralrandes zwischen erstem und zweitem Drittel der
Schalenlänge sogar die Hälfte ein. Bei der zuerst besprochenen
Schale ist der perlmutterlose Saum fast durchgängig von halber Breite
des marginalen Schalentheiles. Die Schale klafft nicht.
Ausser diesen Exemplaren befindet sich in der Münchener Samm-
lung noch eine von Hohenacker in Esslingen 1854 erworbene Schale.
Dieselbe ist in der Form von der vorigen insofern etwas abweichend,
als das Vordertheil etwas länger und spitzer, der Ventralrand in
seiner vorderen Hälfte nicht gewölbt, sondern wie abgestutzt, etwas
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 161
eingezogen und der Wirbel kleiner minder gewölbt ist. In der etwas
geschwungenen Form der Schlossleiste und der kleinen Ligamental-
bucht stimmt dieses Exemplar zu dem Spix'schen Typus, von dem
es sich aber durch die schöne dunkle kastanienbraune, mit schwarzen
Radiärlinien gezeichnete Färbung der Epidermis unterscheidet. Das
Perlmutter ist blau, in der Mitte etwas lachsfarben schillernd, mit
ganz schmalem perlmutterlosem Rande von dunkel horngrauer Farbe.
Dieser letztere Umstand in Verbindung mit den anderen erwähnten
Differenzen in Form und Farbe bestimmt mich, diese Form als Ver-
treterin einer besonderen Varietät, die ich var. Hohenackeri nenne,
zu betrachten.
Dieser Varietas ähnlich sind Exemplare, die ich durch Dr. Dohrn
vom Mucury besitze, die aber in der Form etwas abweichend, zumal
nach hinten hin höher sind und einen in der Farbe übereinstimmen-
den, aber breiteren perlmutterlosen Rand besitzen.
Es scheint daher die Anod. obtusa Spix lokal ziemlich stark zu
variiren. Es liegt indessen kein Grund vor, um Hupe's Meinung
zu theilen, welcher An. liturata für eine selbständige Art hält, da
auch an älteren Exemplaren oft noch die zickzackförmige Zeichnung
in der Wirbelgegend bei passender Beleuchtung durchschimmernd
gesellen werden kann. Eine andere Frage ist es, ob man auch An.
obtusata Hupe von Bolivien noch hierher ziehen soll. Sie gehört
offenbar in die Gruppe der An. obtusa Spix, aber ihr Vordertheil ist
länger, mehr zugespitzt, die Höhe der Schale geringer und ihre Form
gestreckter, vor Allem aber ist die Schlossleiste gerade, ja selbst
nach hinten etwas ansteigend, auch die Ligamentalbucht scheint
grösser, hakenförmig, weit einspringend. Wenn man der Abbildung
trauen darf, ist auch die Lage des vorderen Adductors eine andere,
mehr nach oben und vorn gerückte. Diese Unterschiede, zumal die
Beschaffenheit der Schlossleiste, lassen eine Vereinigung mit obtusa
Spix wohl nicht zu.
Aiiodonta ensiformis Spix.
Spix 1. c. p. 31, Taf. 24, Fig. 1 und 2.
d'Orbigny 1. c. p. 618, PL 79, Fig. 10.
Küster 1. c. p. 8, Taf. 2, Fig. 2.
Reeve An. sp. 31.
Bolivia und Brasilien.
Es lag mir nur ein Exemplar dieser Art vor, welchem die Epi-
dermis fehlt. Perlmutter düster kupferfarben. d'Orbigny erhielt
sie in Bolivien. Die Angaben Brasilien bei Spix und Reeve be-
ziehen sich wohl auf die oberen Zuflüsse des Amazonas.
Arch. f.Natnrgesch. Jahrg. 1890. Bd.I. H. 2. 11
162 Dr. H. v. Hierin g: Revision der
Anodouta trigona Spix.
Spix 1. c. p. 29, Taf. 22, Fig. 2.
Anod. cliiquitana Orb. (1835).
An. trigona Orbigny Vogage p. Gl 8.
An. trigona Küster p. 9, Taf. 2, Fig. 5.
Amazonas.
Leider hat mir von dieser Art, der einzigen unter sämmtlichen
von Spix gesammelten und beschriebenen, kein Originalexemplar
vorgelegen. Die Beschreibung von Spix und Wagner, worin das
Hinterende als Vorderende figurirt, ist eben so unvollkommen, wie
die Abbildung. Wären nicht die Arten dieser Gruppe im ganzen
Gebiete des Amazonas und seiner Zuflüsse so sehr gemein, so würde
man Mühe haben, danach sich zu orientiren.
Ueberall im Amazonasgebiete, aber auch im La Plata bis
Corrientes finden sich Vertreter dieser Art und der ihr nahestehen-
den und wohl grösstentheils identischen, welche von Hupe, Phi-
lippi u. A. beschrieben wurden. Darauf des Näheren einzugehen,
würde an dieser Stelle zu weit führen. Vielleicht wird es mir
späterhin möglich sein, das Originalexemplar von A. trigona Spix,
dessen nachträgliche Zusendung mir Herr Prof. Hertwig in Aus-
sicht stellte, zu untersuchen und bei dieser Gelegenheit auch die
Synonymie von A. Castelnaudii etc. zu klären.
Castalia ambigua Lam.
Tetraplodon pectinatum Spix 1. c. p. 32, Taf. 25, Fig. 3 u. 4.
Unio pectinatus Wagn.
Rio S. Francisco, Prov. Minas.
Es ist längst allgemein anerkannt und kann von mir nach Unter-
suchung der beiden Originalexemplare nur bestätigt werden, dass die
von Spix als Tetraplodon pectinatum beschriebene Schale mit Castalia
ambigua Lam. identisch ist. Auf die complicirte Synonymie denke
ich an dieser Stelle nicht einzugehen, nur das sei bemerkt, dass wir
in der schwierigen Frage der Artbegrenzung bei Castalia keinen
Schritt weiter kommen werden, ehe nicht von bestimmten Fundorten
grosse Serien von Exemplaren allen Alters und Geschlechtes zur
Untersuchung gelangen, zumal also auch die Thiere.
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. 163
Hyria avicularis Lam.
Diplpdon furcatum Spix 1. c. p. 35, Taf. 27, Fig. 1 u. 2.
Unio caudatus Wagn. ibid.
Zwei typische Exemplare vom Amazonas.
Hyria corrugata Lam.
Triplodon rugosum Spix 1. c. p. 35, Taf. 29, Fig. 1 und 2.
Unio rugosus Wagn, ibid.
Amazonas.
Vier ganz untereinander und mit der Abbildung übereinstimmende
Exemplare.
Uiiio ellipticus Spix. (Fig. 8 u. 9).
Diplodon ellipticum Spix 1. c. p. 33, Taf. 26, Fig. 1 u. 2.
Unio ellipticus Wagner ibid.
Rio S. Francisco.
Es lag mir hiervon eine Schale vor, von 48 mm Länge, 26 mm
Höhe, 15 mm Durchmesser. Diese Mafse stimmen nahezu mit den
von Wagner angegebenen und vollkommen mit denen der Ab-
bildung. Dass das hier zu beschreibende Exemplar das Original-
exemplar ist zur Abbildung, geht auch aus dem weiterhin bezüglich
der Seitenlamellen Bemerkten klar hervor.
Die Schale entspricht in ihrer Gestalt der Abbildung von Spix-
Wagner, nur die Ansicht von innen ist nicht ganz genau, weshalb
ich eine bessere hier gebe. Die Schale ist massig dickschalig. Die
grösste Höhe liegt 33 mm vom Vorderende, was also fi9/ioo der Länge
entspricht. Der Unterrand ist im vorderen Theile subsinuat, was
einer leichten, aber breiten Compression der Schale entspricht, die
nahe dem Ende der vorderen Schalenhälfte vom Wirbel gegen den
Ventralrand hin zieht. Der Durchmesser der Schale entspricht 3Vioo
der Länge. Die Schale ist dicht gestreift, ohne leiste nförmige
Erhebung der Anwachsstreifen, glatt, glänzend. Ueber die
vordere Hälfte der Schale strahlen vom Wirbel aus radiär feine
Strahlen aus. Die Epidermis ist in der Nähe der erodirten, erz-
farbenen Wirbel düster olivengrün, im Uebrigen glänzend schwarz-
braun. Vor und hinter den Wirbeln sind die kurzen Enden der
Radiärstrahlen zu sehen, als deren Verlängerungen vorne die Ratliär-
11*
1(34 Dr. H. v. Hierin g: Revision der
linien erscheinen. Hinten am Schild sind diese Streifen unregel-
mässig in Stücke aufgelöst, resp. durch die Furchen der Anwachs-
linien unterbrochen, jenseits deren sie zum Theil die Richtung etwas
ändern, so dass es aussieht, als theilen oder verzweigen sich die
Strahlen. Uebrigens sind diese Strahlen fein und kurz, da sie vom
Wirbelcentrum aus nur 9 — 10 mm weit reichen.
Das Perlmutter ist bläulich, unter dem Wirbel mit starkem Oel-
fieck. Die vorderen Muskelnarben sind tief eingedrückt, die hinteren
einfach, nicht eingedrückt. In der Wirbelhöhle gewahrt man die
punktförmigen Eindrücke der Haftmuskeln. Von den Gardinalzähnen
ist links nur ein einfacher vorhanden, welcher lamellar, aber dick
ist, gerade, etwas crenulirt, mit starkem Eindrucke an der inneren
Fläche, welche gefurcht ist und deren untere Begrenzung leisten-
förmig verdickt ist, also bei anderen Exemplaren wohl bei stärkerer
Entwicklung einen zweiten, kleineren Zahn wird darstellen können,
wie das auch aus Wagner's Beschreibung hervorgeht. In der rechten
Schale sind zwei crenulirte Cardinalzähne vorhanden, von denen der
obere nur eine kurze niedere Leiste darstellt, die über der oberen
Spitze der Adductornarbe endet, wogegen der untere stärker, d. h.
dicker und länger ist. Die Seitenlamellen sind in beiden Schalen
doppelt, allein ihr Verhalten ist in beiden Schalen ein verschiedenes.
In der linken Schale ist die äussere resp. obere Seitenlamelle die
stärkere, sie setzt sich nach vorne unmittelbar in das kurze Ver-
bindungsstück zwischen Cardinalzahn und Lamelle fort; sie ist in
ihrem mittleren Theile etwas eingebuchtet, dadurch im Ganzen leicht
S- förmig gekrümmt. Die innere oder untere Seitenlamelle ist nur
in ihrem hinteren Theile gut entwickelt, sie verliert sich nach vorne
unter dem gebogenen Mitteltheile der oberen Leiste, resp. setzt sich
unter ihr noch eine kurze Strecke weit gegen die Wirbelhöhlung
hin fort.
In der rechten Schale setzt sich der Cardinalzahn nach einer
sehr schmalen Zwischenpartie in die untere Seitenlamelle fort, indess
die obere Seitenlamelle niedriger und minder lang ist, da nur ihr
Hinterende gut ausgebildet ist. Da bei den verwandten ähnlichen
Arten in der rechten Schale nur eine Seitenlamelle existirt , so ist
hier offenbar diese obere schwächere und unvollkommener entwickelte
Seitenlamelle die accessorische,. abnorme. Es ist zu vermuthen, dass
dieselbe nur eine individuelle Abnormität dieser Schale darstellt, wie
solche Abnormitäten auch bei anderen Arten gelegentlich beobachtet
werden. Dies geht auch aus der Beschreibung von Wagner hervor,
welcher angiebt, dass in der Schale, in welcher 2 Cardinalzähne
existiren, nur eine Seitenlamelle sich findet. Es wird also die Ab-
normität einer doppelten Seitenlamelle der rechten Schale nur diesem
einen Exemplare zugekommen sein. Da die Abbildung von Spix-
Wagner Tab. 26, Fig. 2 für beide Schalen die im Text also nicht
voii Spix in Brasilien gesammelten Najaden. K;5
erwähnte Verdoppelung der Seitenlamellen wiedergiebt, ist es klar,
dass dieselbe nach dem von mir untersuchten typischen Exemplare
angefertigt wurde.
Bei den südamerikanischen Unionen mit einfachen lamellaren
Cardinalzähnen findet sich immer in der linken Schale ein, in der
rechten zwei Cardinalzähne. Die Sp ix 'sehe Abbildung zeigte nun
zu meinem Erstaunen das umgekehrte Verhältniss. Ich konnte mir
dasselbe erst erklären, als ich dahinter kam, dass die sämmtlichen
Figuren des Spix'schen Atlas ohne Hülfe des Spiegels direkt auf den
Stein übertragen wurden, so dass die linke Schale in der Abbildung
zur rechten wurde und umgekehrt. Erinnert man sich hieran, so
besteht zwischen meiner und der Spix'schen Abbildung, welche beide
nach derselben Schale angefertigt wurden, die vollkommenste Ueber-
einstimmung. Wenn dann freilich Wagner im Texte die verkehrte
Darstellung der Zeichnung ausdrücklich bestätigt, so ist das nur ein
Flüchtigkeitsfehler, indem die Beschreibung statt nach den Exemplaren
nach der Zeichnung entworfen wurde. Anders kann es nicht sein,
weil die von mir untersuchten Originale der Spix'schen Unionen alle
das typische Verhalten aufweisen.
Diese Sp ix' sehe Art ist nun sehr vielfach verkannt worden,
indem zuerst Lea die von ihm als U. multistriatus beschriebene Art
für identisch mit ellipticus Spix erklärte. Die als Unio multistriatus
Lea, psammactinus Bronn, ellipticus Küster, Reeve etc. beschriebenen
Arten gehören wahrscheinlich alle einer einzigen, in Form und Skulptur
ziemlich variabelen, auf die Küstenflüsse zwischen Rio Janeiro und
Bahia beschränkten Art an, welche durch die erhobenen leisten-
förmigen Anwachsstreifen und durch die starke Radiärskulptur von
oft V- förmigen oder sich kreuzenden Leisten sehr ausgezeichnet ist
und welche nur bei Benutzung von unzureichender Abbildung und
Beschreibung mit U. ellipticus verwechselt werden konnte. Ich
werde diese vermeintlichen U. ellipticus aut. nee Spix im Folgenden
ausführlich besprechen, obwohl sie nicht unter den Spix'schen Arten
vertreten sind, damit ein für allemal das Verhältniss klar gestellt
und weitere Verwechslungen für die Zukunft ausgeschlossen sind.
Unio multistriatus Lea (1832).
Lea 1. c. Vol. I, p. 101, PI. XII, Fig. 22.
U. multistriatus cVürb. Vog. p. 607.
U. multistriatus Reeve Unio Fig. 455.
U. ellipticus Küster 1. c. p. 238, Tai". 80, Fig. 2.
U. ellipticus Reeve 1. c, Fig. 382. —
U. ellipticus Moussön 1. c. p. 186.
U. psammactinus (Bronn in lit.) Philippi Abb. III. p. 11,
Taf. V, Fig. 2.
U. psammactinus (Bronn) Küster 1. c. p. 159, Taf. 45, Fig. 6.
Ißß Dr. H. v. Ihering: Revision der
U. granuliferjLLS Dunkerl, p. 18*2, IL p. 150, Tat'. 39, Fig. 1 — 3.
U. coriaceus Dunker I, p. 181.
Küstenflüsse des östl. Brasilien zwischen Rio Janeiro und Bahia.
Diese leicht kenntliche Art befindet sich nicht in der Spix'schen
Sammlung. Man hat sie vielfach mit U. ellipticus Spix verwechselt,
dem Vorgange Lea's darin folgend, allein wie aus der vorausgehenden
Beschreibung zur Genüge hervorgeht, ist ellipticus Spix eine ganz
andere glatte, nicht tief gefurchte Art mit niemals sich kreuzenden
Radiärstrahlen. Obwohl nicht unter den Spix'schen Arten sich
findend, nehme ich gleichwohl diese Art hier auf, um die bisher be-
gangenen Verwechslungen klar zu stellen.
Dieser U. multistratus Lea nun ist eine ziemlich variabele Art.
Es gilt das zunächst schon für die Form, indem unter einer grösseren
Anzahl bei Bio von Gaudichaud gesammelten, im Kopenhagener
Museum befindlichen Exemplaren, sowie solchen meiner Sammlung
sich ebenso wohl mehr langgestreckte als auch kürzere relativ höhere
Formen sich finden. Dabei ist aber in der Regel der Vordertheil
des Oberrandes etwas schräg nach abwärts geneigt die Vorderecke
dadurch abgerundet, undeutlich, das Vordertheil gerundet, während
bei dem von Lea abgebildeten Exemplare die vordere Ecke scharf
vorspringt, der Vorderrand nicht so gerundet, sondern etwas ein-
gezogen ist. Dabei ist die Schale bald ziemlich dünn resp. mittel-
dickschalig, bald etwas stärker, ebenso sind die lamellösen Cardinal-
zähne bald etwas kräftiger und dicker, bald feiner. Es sind meist
in jeder Schale zwei Gardinalzähne vorhanden, aber von ungleicher
Stärke, der eine schwächere zuweilen nur als niedere Leiste ent-
wickelt.
Bei allen ist die dunkel gelblichbraune Färbung der Epidermis,
vor Allem aber deren leistenförmige Erhebung an den Anwachs-
streifen übereinstimmend. Dadurch bekommt die Schale ein rauhes,
gefurchtes Aussehen. Vom Wirbel, der bei alteren Exemplaren immer
erodirt ist, strahlen bald dichter stehend und fein, bald in geringerer
Zahl gröbere Leisten radiär aus. Dieselben sind bisweilen an den
Anwachsstreifen unterbrochen und geben dadurch der Schale das
granulirte Aussehen, das D unk er zur Aufstellung seines granuliferus
veranlasste. Ich habe eines der Dunker' sehen Originalexemplare
untersucht und finde danach keinen Grund zur Anerkennung einer
selbständigen Species, ebenso wenig wie bezüglich Dunkers Unio
coriaceus, der mir gleichfalls aus der Dunker1 sehen Sammlung bekannt
ist. Letzterer repräsentirt eine Varietät, bei welcher die Granulirun, g
weiter hinab reicht, zumal am Vordertheil der Schale bis gegen die
Mitte hin. Das von mir untersuchte Dunker' sehe Exemplar dieser
Art stammte vom Rio Negro in der Provinz Rio Janeiro, Distrikt
St. Rita. Es ist ziemlich kurz, 41 mm lang, die Höhe 61/ioo der
Länge und im Vordertheil der Schale bis nahe an den Unterrand
hinab granulirt, vielfach ["-förmig, indem ausser den radiären Leisten
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. Ifi7
auch die Anwachsstreifen erhoben sind, aber nicht continuirlich,
sondern in abgebrochenen Stücken. Links und rechts je 2 mittel-
dicke Cardmalzähne, abnormer Weise in beiden Schalen zwei Seiten-
lamellen.
Auch Reeve hat Exemplare mit mehr oder minder starker und
weit herabreichender Granulirung und Furchung verschieden be-
nannt; die über den grösseren Theil der Schale hinab skulpturirtc
Form nennt er multistriatus. Ein längeres Exemplar, dessen Höhe
nur 51/ioo der Länge beträgt, von Tayuara, Distrikt Canta Gallo in
Prov. Rio de Janeiro stammend, fand ich in der D unk er 'sehen
Sammlung als U. psammactinus Bronn bezeichnet. Dasselbe ist
ziemlich dickschalig und ziemlich bauchig, bis zur Mitte hin diver-
girend, nach hinten gegen den Schild hin kreuzförmig und V- förmig
gerieft. Die Cardinalzähne klein aber kräftig und ziemlich dick,
rechts 2 , links 1 , aber mit kurzem Ansätze dahinter. Perlmutter
bläulichweiss mit Üeliiecken.
Vermuthlich wird sich bei Untersuchung grösserer Serien, und
auch der Thiere herausstellen, dass die kürzeren meist ziemlich
flachen Formen die cT, die etwas bauchigeren längeren die $ sind.
Jedenfalls wird man ein Urtheil über diese Art erst dann sich sicher
bilden können, wenn zahlreiche Exemplare vom gleichen Fundorte
einen Ueberblick über die individuellen und sexuellen Variationen
geben. Nach meinen bisherigen Erfahrungen scheint mir gerade hier
die Variabilität in Bezug auf die Skulptur eine sehr weitgehende zu
sein, so dass man in der Anerkennung besonderer Arten sehr vor-
sichtig wird sein müssen. Ich will damit nicht sagen, dass nicht
vielleicht spätere Untersuchungen an grösseren Serien doch Anhalt
dazu geben können, mehrere einander nahestehende Arten unter den
hier zusammengefassten Formen anzuerkennen, zunächst aber kann
ich dazu keinen zwingenden Grund linden.
Unio multistriatus, oder wenn eine oder die andere Form später
doch davon abgeschieden werden sollte, die mit ihm zusammen-
gehörigen nahe verwandten Arten bilden eine gut abgegrenzte Gruppe
von beschränkter Verbreitung. Südlich von Rio de Janeiro kommen
sie nicht vor und ich vermuthe, dass alle Fundorte, die sich auf Rio
Janeiro beziehen, dem Gebiete des südlichen Rio Parahyba zugehören,
also dem Stromgebiete des Rio S. Francisco.
Aus dem Rio Parahyba erwähnt sie auch d'Orbigny, während
Küsters U. elliptieus von Bahia stammte. Ob die Art auch weiter
nördlich reicht, ist noch fraglich. Mousson erwähnt sie vom Ama-
zonas-Gebiete, sagt aber, die Identität mit der gewöhnlichen bra-
silianischen Form sei keine vollständige. Die ,, rauhe Streifung" der
Schale, von der er spricht, weist daraufhin, dass nicht die Spix' sehe
Form, sondern eben multistriatus Lea gemeint ist, ob aber wirklich
diese Art oder was für eine vorlag, lässt sich aus der kurzen Notiz
gar nicht ermessen. —
Ißg Dr. H. v. I he ring: Revision der
Unio rhomfoeus Spix.
Diplodon rhombeum Spix 1. c. p. 34, Taf. 28, Fig. 1 u. 2.
Unio rliombeus Wagn. ibid.
Amazonas (Solimöes).
Es lagen mir zwei halbe, rechte Schalen vor und eine ganze.
Zu der Spix'schen Abbildung stimmt keines der Originale. Am meisten
ähnlich ist noch No. I, das ganze Exemplar, doch ist das in Fig. 2
abgebildete Exemplar schlanker, hinten minder hoch.
Exemplar I ist 81 mm lang bei einer Höhe von 58 mm und
einem Diam. von 35 mm, es ist also die proc. Höhe = 72, der proc.
Diam. 43. Die Abbildung bei Spix Fig. 2 ergiebt eine proc. Höhe
von nur 67 und es entspricht dem, dass dieses Exemplar in der
hinteren Hälfte höher ist, einen steiler nach hinten ansteigenden
Dorsalrand hat und ein stärker abgestutztes Hinterende, dessen
Hinterrand fast senkrecht abfällt. Die kräftige dickschalige Muschel
hat eine braunrothe, gegen_ den Rand hin mehr schwarzbraune Epi-
dermis, die wenig radiär gestreift, aber glänzend und ziemlich glatt
ist. Die corrodirten Wirbel sind ziemlich flach, wenig geräumig,
das Perlmutter ist bläulieh. Die Schlossleiste ist unter den Wirbeln
ziemlich dick (2 mm). In der rechten Schale zwei einfach lamellöse
kräftige Cardinalzähne, von denen der obere etwas kleiner und
niedriger, der untere dreieckig ist, in eine Spitze erhoben mit aus-
gehöhlter Hinterfläche. In der linken Schale findet sich nur ein
hoher, lamellöser, auf beiden Flächen gestrichelter Cardinalzahn mit
einem kleinen, spitzen, zahnartigen Höcker dahinter. Die untere vordere
Retractornarbe liegt frei nach innen von jener des Adductor.
Während dies also sicher ein gutes typisches Exemplar des
U. rhombeus ist, so bin ich bezüglich der beiden anderen Schalen-
hälften ganz ungewiss. Exemplar II ist 72 mm lang, 60 mm hoch,
hat also eine proc. Höhe von 83. Diese Schale ist also viel
höher als No. I, hat aber das Vordertheil noch in ähnlicher Weise
undeutlich zugespitzt. Exemplar III dagegen ist fast ganz rund,
65 mm lang, 59 mm hoch, was einer proc. Höhe von 90 entspricht.
Der vordere Theil der Schale ist ziemlich gleichmässig voll gerundet.
Da auch die radiären Leisten der Epidermis an diesem Exemplare
viel stärker sind, so nähert es sich Unio paranensis Lea, aber es
hat gleichwohl die einfachen, lamellöscn Cardinalzähne der anderen
Exemplare. Im Gegensätze zu den beiden anderen Exemplaren ist
bei No. III die Lunula wohl entwickelt und breit. Es schien mir
auch, als ob in der Lunula-Gegend der Horizontalcontour der Schale
ein anderer sei, mehr ausgebuchtet und eingesenkt, doch ist die
Schale gerade in dieser Gegend ganz schlecht erhalten. Der Ventral-
rand vorn leicht klaffend mit verdickten Seitenth eilen. Perlmutter
in der Wirbelgegend röthlichweiss, die Epidermisunterlage grünlich-
braun.
von Spix in Brasilien gesammelten Najaden. Kl'.)
Diese hohen beiden Schalen ähneln dem Unio rotundus Küster
sehr. Möglich, dass sie mit diesem zu einer Art gehören, möglich
aber auch, dass bei Unio rhombeus starke sexuelle Differenzen be-
stehen: erst spätere Untersuchungen können dies Verhältniss auf-
klären. Unio rhombeus scheint eine in den Sammlungen sehr seltene
resp. fehlende Art zu sein. Lea besass sie nicht, auch Küster und
Reeve haben sie nicht.
Unio rotundus Spix. (Fig. 10).
Diplodon rotundum Spix 1. c. p. 34, Taf. 26, Fig. 3 u. 4.
Unio rotundus Wagn. ibid.
'? Unio rotundus Reeve Fig. 361).
? Unio rotundus Küster p. 160, Taf. 46, Fig. 1 u. 2.
Flüsse des östlichen Brasilien.
Es lag mir nur ein Exemplar vor, offenbar von einem jungen
Thiere. Ich gebe davon eine Abbildung, nach der es fraglich er-
scheint, ob sie das Original zur Abbildung bei Spix ist, welche eine
höhere Schale mit kürzerem voller gerundetem Vordertheile darstellt.
Da übrigens die Mafse die gleichen sind, wäre es auch möglich, dass
die Spix 'sehe Zeichnung die Contouren nicht ganz wieder giebt.
Das von mir untersuchte Exemplar ist 38 mm lang, 32 mm hoch
(84/100 L.) und hat einen Diameter von 16 mm. Die Beschreibung
bei Spix und Wagner stimmt im Wesentlichen mit Ausnahme
natürlich der Angaben über die Zähne. Die Wirbel sind noch intakt
mit 14 — 15 Rippen, von denen die längste 6 mm misst. Auch auf
dem Schild einige wenige erhabene Querleisten. Die grüne Epi-
dermis ist in der Mitte heller, am Rande dunkler, das Perlmutter
blau. Die Schale klafft vorne ventral etwas, hat ebenda die Ränder
verdickt. In der rechten Schale ein langer Cardinalzahn , dessen
hinterer Theil etwas abgetrennt ist durch eine Furche und zwei wenig
gebogene, im Hintertheil gerade und etwas abwärts steigende Seiten-
lamellen. In der rechten Schale nur eine Seitenlamelle und zwei
nicht sehr dicke sublamellöse Zähne, wovon der hintere der grössere
und in der Mitte in eine Spitze erhoben ist. Schlossleiste schmal.
Da wir es hier mit einer jugendlichen Schale zu thun haben,
zu der wir weder die ausgewachsene Schale, noch die Geschlechts-
differenzen und den Fundort sicher kennen, so muss ihre genauere
Bestimmung der Zukunft überlassen bleiben. Leicht wäre es möglich,
dass sie als Jugendform zu U. rhombeus gehört. Ob U. rotundus
Küster hierher gehört, ist sehr fraglich. Küster bildet zwei ziemlich
verschiedene Schalen als $ und $ ab, leider ohne zu sagen, worauf
sich diese Bezeichnungen gründen und ohne Fundortsangabe. Ich
bin jedoch sehr geneigt zu glauben, dass Küsters Annahme richtig,
weil ich bei einer nahestehenden Art, U. paranensis, genau den gleichen
l unterschied wiederfinde. Es giebt da Exemplare mit schmälerem
Vordertheil, deren ventraler Rand geradlinig in seinem oberen Theil
170 Dr. H. v. Ihering: Revision der etc.
verläuft, und andere Exemplare mit stark vorgewölbtem gerundetem
Vorder- und Ventralrand. Bei letzteren (Küsters <£) ist der Dorsal-
rand vor dem Wirbel bogenförmig ausgeschnitten und die etwas aus-
gehöhlte Lunula stark entwickelt. Bei rotundus Küst. ist die Lunula
auch nur bei der flacheren und höheren Form, also doch wohl dem
3, entwickelt, wenn auch kaum ausgeschnitten, und auch die Form-
differenzen entsprechen jenen von U. paranensis, welche ich, da ich
beide Arten besitze, mit einander vergleichen konnte. Es ist daher
sehr wohl möglich, dass das <$ von Unio rhombeus die gleichen
Unterschiede aufweist und würde dann Exempl. I das ?, Exempl. III
das S sein. Ich glaube, dass in ähnlicher Weise Unio Fontaineanus,
die ich aus S. Paulo besitze, das S ist zu einer anderen mit ihr zu-
sammen vorkommenden und dem $ von rhombeus ähnlichen Muschel.
Für alle diese Formen wird erst ein eingehendes Studium an sehr
reichem und geeignetem Material die Entscheidung über Species-
unterschiede und sexuelle oder Alters- etc. Unterschiede gestatten.
Erklärung der Tafel IX.
Alle Figuren sind Darstellungen in natürlicher Grösse , ausser Figur 3, die im
Massstabe von 3/2 gehalten ist.
Fig. 1 — 3. Aplodon inerrae Spix.
» 4. Columba Spixii v. Ih.
» 5. Anodonta rotunda Spix.
» 6. Anodonta trapezea Spix.
7. Anodonta Hertwigii v. Ih.
» 8 u. 9. Unio ellipticus Spix.
» 10. Unio rotundus Spix.
Rio Grande do Sul, 30. Decbr. 1889.
Beitrag
zur
Kenntniss der Vogeltänien
nebst Bemerkungen über neue und bekannte Helminthen.
Von
Dr. v. Linstow
in Göttingen.
Hierzu Tafel X.
1. Vogeltänien.
(Fig. 1-15.)
Die Tänien des Menschen und der Säugethiere sind in zahl-
reichen, werthvollen Arbeiten geschildert, so von Leuckart, Sommer,
van Beneden, Moniez, Stein, Riehm, Kahane, Steudener, Hamann,
Niemic, Zschokke; die Vogeltänien sind im Vergleich hiermit ver-
nachlässigt. Pagenstecher x) beschrieb den Bau einer Tänie, die
vielleicht mit Taenia microsoma Crepl. identisch ist ; von Feuereisen *)
werden drei Vogeltänien auf ihre Anatomie untersucht, Taenia seti-
gera Frölich = T. fasciata Rud. , Taenia fasciata Rud. = T. setigera
Frölich und Taenia lanceolata Bloch; Nitsche3) beschreibt den Bau
von Taenia undulata Rud., Verf.4) schildert die Lage der Geschlechts-
organe in den Proglottiden von Taenia depressa v. Sieb, und
Zschokke5) giebt die Anatomie seiner Taenia argentina. Damit ist
die Zahl der Arbeiten über die Anatomie der Vogeltänien erschöpft,
wenn man nicht Zschokke's6) Darstellung der mit den Tänien nahe
verwandten Form Idiogenes Otidis mit hierher rechnen will.
') Zeitschr. für wissensch. Zoolog. IX, 1858, pag. 523—528, Tab, XXI.
2) ibid. XVHI, 1868, pag. 162—201, Tab. X.
3) ibid. XXIII, 1873, pag. 190-196, Tab. IX Fig. 7-9.
4) Archiv für Naturgesch., 1875, pag. 187—188, Tab. II, Fig. 1-3.
5) Centralbl. für Bact. u. Parasitk. 2. Jahr., Bd. 1, Jena 1888, pag. 2—6.
6) Rech, sur la struct. anat. et histol. des Cestodes, Geneve 1888, pag 114
—130, PI. in Fig. 39-47.
Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd. I. H. 3. *11
172 Di'- v. Liustow :
Die Systematik der Vogelbandwürmer ist von Krabbe in seinen
unentbehrlichen Arbeiten Bidrag til kimdskab om fuglenes baende-
lorme, Kjöbenhavn 1860 und Nye bidrag t. k. o. f. b. ibid. 1882 in
gründlicher Weise behandelt. Znm Gegenstand meiner Untersuchungen
wählte ich die von mir1) beschriebenen Taenia puncta aus Corvus
corone und nebula.
Die Länge kann bis auf 60 mm anwachsen, beträgt aber meistens
nur 30 mm.
Der Scolex ist nach vorn verbreitert und misst hier 0,28 mm;
die Länge beträgt bei zurückgezogenem Rostellum 0,19, bei vor-
gestrecktem 0,3 mm; die vorn am Scolex angebrachten Saugnäpfe
erscheinen je nach den verschiedenen Contractionszuständen bald
oval, bald rundlich und sind 0,096 mm gross. Das Rostellum ist
vorn verdickt und trägt am Scheitel einen doppelten Hakenkranz, der
von 20 Haken gebildet wird (Fig. 1 u. 2); die 10 grösseren messen
0,046, die 10 kleineren 0,036 mm; der Hakenast beträgt nicht ganz
ein Drittel der ganzen Länge, der Wurzelast ist bei den kleineren
etwas stärker gekrümmt als bei den grösseren, und der Hebelast ist
stumpf und schwach entwickelt. Das Rostellum ist muskulöser Natur
in seiner Wandung, die von kräftigen Ringmuskeln gebildet wird,
an die sich aussen Längsmuskeln legen (Fig. 3 — 4, a); es ist ab-
gesehen von der Scheitelgegend eingeschlossen von einem Muskelsack,
dem Receptaculum rostelli (Fig. 3 — 5, b), das ebenfalls von inneren
Ring- und äusseren Längsmuskeln gebildet wird (Fig. 3 — 5, b) ; beide
Muskelschichten sowohl des Rostellum wie des Receptaculum be-
stehen aus regelmässigen, parallelen Muskelfasern, die durch eben-
solche Zwischenräume getrennt werden. Der Raum im Recepta-
culum wird von sich lebhaft färbenden drüsigen Massen ausgefüllt,
die durch zwei sich im rechten Winkel kreuzende Hohlräume in vier
der Wandung anliegende Züge getheilt werden (Fig. 4 — 5, c); in den
Hohlraum tritt das Rostellum, wenn es zurückgezogen wird. In den
Saugnäpfen wiegen die Radiärmuskeln vor (Fig. 4 u. 5). Die Haken
fallen leicht ab. Bei Taenia undulata soll nach Nitsche der Hohlraum
des Receptaculum von einer feinkörnigen Bindegewebsmasse erfüllt
sein; bei Idiogenes fehlt bekanntlich ein Scolex ganz.
Die Gestalt ist die bei den Vogeltänien gewöhnliche; auf den
Scolex folgt ein sogenannter Halstheil, ein kurzer Abschnitt ohne
Gliederung, der 0,24 mm lang und am Ende 0,072 mm breit ist; die
ersten Proglottiden sind kurz, nur 0,024 mm messend bei einer
Breite von 0,16 mm, an der Grenze zwischen dem 1. und 2. Drittel
bei einem 50 mm langen Exemplar beträgt die Länge 0,39 und die
Breite 0,54 mm, an der Grenze vom 2. und 3. Drittel aber 0,76 und
resp. 0,96 mm, bei den letzten Proglottiden überwiegt die Länge
(1,44 mm) die Breite (1,14 mm); die reife Eier enthaltenden Prog-
lottiden sind dagegen wieder breiter als lang; so betrug bei den
') Archiv für Naturgesch. 1872, pag. 50, Tab. III Fig. 5—6.
Beitrag zur Keuutuiss der Vogeltänien. 173
letzten Proglottiden eines 60 mm langen Exemplars die Länge 1,02 mm,
die Breite aber 1,8 mm. Auf die Grössenverhältnisse ist meines Er-
achtens im systematischen Interesse wenig Werth zu legen, da sie
sich in verschiedenen Contractionszuständen sehr verschieden ge-
stalten.
Eine derbe, schwach bräunlich gefärbte Cuticula bildet die
Aussengrenze , welche sich nicht färbt; sie ist 0,0033 mm dick und
zeigt der Oberfläche parallele Schichtungen; unter ihr folgt eine
feine Lage von Ring- und Längsmuskeln, die etwa den dritten Theil
der Dicke der Cuticula zeigt, und unter diesen Muskeln bemerkt man
eine mächtige Lage spindelförmiger Zellen, untermischt mit rundlichen
Kernen ; über ihre Function oder Bedeutung weiss ich nichts anzu-
geben, als Myoblasten sind diese Zellen aber sicher nicht anzusehen,
eine Deutung, welche man einer ähnlichen Zellschicht in der Rinden-
schicht anderer Cestoden gegeben hat.
Das Parenchym ist zellig; die Zellen sind von sehr verschiedener
Gestalt und Grösse, stets aber führen sie einen runden, sich nur
schwach färbenden Kern.
Kalkkörperchen fehlen gänzlich.
Die Muskeln bestehen ausser der erwähnten Ring- und Längs-
muskelschicht unter der Cuticula, von denen die Ringmuskeln aussen
liegen, feiner sind und eine continuirliche Schicht bilden, während
die Längsmuskeln derber sind, nach innen von ersteren liegen und
durch Zwischenräume getrennt sind, — aus sehr kräftigen Längs-
muskelbündeln (Fig. 8 — 10, Lm); jedes Bündel besteht aus 2 bis 10
starken Fasern von rundlichem Querschnitt. Am Anfang und Ende
jeder Proglottide strahlen die mächtigen Längsmuskeln, um die Ver-
engerung passiren zu können, welche die Verbindung je zweier Prog-
lottiden bildet, nach der Mittelaxe zusammen, sodass man hier auf
Querschnitten Radiärmuskeln zu sehen glaubt (Fig. 10). Dorsoventral-
und Transversalmuskeln fehlen gänzlich. Die Längsmuskeln bilden
auf Querschnitten einen Ring, der sich in gewisser Entfernung von
der Rindenschicht hält, nach innen davon folgt noch ein zweiter,
doch ist diese Anordnung in zwei Ringen oft undeutlich, wenigstens
lange nicht so klar wie bei Taenia undulata, bei der man einen
scharf abgegrenzten inneren und äusseren Längsmuskelring findet,
die durch eine völlig muskelfreie Zone getrennt sind.
Bei Taenia argentina findet Zschokke Längs-, Transversal- und
Dorsoventralmuskeln.
Das Gefässsystem besteht aus einem im Scolex dicht hinter
dem Hinterrande der Saugnäpfe gelegenen Ringe (Fig. 1), von dem
nach vorn seitlich je eine Schlinge bis zum Vordertheil des Rostellum
abgeht, nach hinten aber seitlich je zwei die ganze Proglottidenkette
durchlaufende Gefässe, welche am engen Verbindungstheil je zweier
Proglottiden sich nähern, in der Proglottide selber aber weiter aus-
einander treten (Fig. 7, G), sodass der Lauf ein gewellter ist.
Während ganz vorn im Körper die Gefässe, welche der Rückenfläche
174 Dr. v. Linstow:
näher liegen, sich von denen der Bauchseite nicht unterscheiden,
wird ihr Aussehen bald ein sehr verschiedenes; das der Rückenseite
(Fig. 7 — 9, g G) ist weit, etwa 0,06 im Durchmesser gross, und von
zarter Wandung, das der Bauchfläche (Fig. 7 — 9, k G) viel enger,
etwa 0,015 mm im Querschnitt messend, und sehr dickwandig. Ausser
durch Weite des Lumens, die im umgekehrten Verhältniss zur Dicke
der Wandung steht, unterscheiden die Gefässe der Bauch- und
Rückenseite sich noch dadurch von einander, dass letztere am Hinter-
rande jeder Proglottide durch einen Querast mit einander verbunden
sind (Fig. 7 u. 10, GA), erstere nirgends. Wenn ich von Bauch-
und Rückenseite spreche, so ist ja diese Bezeichnung bei wirbellosen
Thieren, deren Geschlechtsorgane lateral münden, und denen alle
Anordnungen fehlen, aus denen man die eine Fläche als Bauch -
und die andere als Rückenseite erkennen könnte, völlig willkürlich,
doch glaube ich die Seite als Rückenseite bezeichnen zu müssen, in
welcher die weiten und die dünnwandigen Gefässe und die Hoden
liegen, weil nach der entgegengesetzten die gleich zu erwähnende
Schwanzeinstülpung geöffnet ist. Bei unverletzten Exemplaren ist
die letzte Proglottide insofern anders gebildet als alle übrigen, als
sie an ihrem Hinterrande durch eine halbkugelförmige Einstülpung
ausgezeichnet ist, die nach hinten (Fig. 11) und nach der Bauchseite
geöffnet ist (Fig. 12). Sie ist 0,18 mm lang und 0,34 mm breit und
die 4 Gefässe münden in sie hinein; dabei ist sie aber nicht als eine
contactile Endblase des Gefässsystems zu bezeichnen, denn die Rinden-
schicht, also Cuticula, Muskeln und die subcuticulare Zellschicht
bilden ihre Wandung; der Hohlraum kann also nur als Einstülpung
bezeichnet werden. Taenia argentina hat nach Zschokke auch vier
Hauptstämme des Gefässsystems, die am Grunde des fünften oder
Frontal-Saugnapfes eine Ringcommissur bilden ; hier aber verschwinden
die von hier nach hinten verlaufenden dorsalen Aeste im ersten
Viertel der Gliederkette, während die ventralen an jedem Hinterrande
einer Progiottide durch eine Commissur verbunden sind; in der
letzten vereinigen sie sich in einen Stamm, der durch einen Porus
nach aussen mündet. Idiogenes führt zwei Stämme, die auch in
jeder Progiottide durch eine Anastomose vereinigt sind und Feuer-
eisen giebt über Taenia fasciata Rud. an, dass vier Gefässe um die
Rüsselscheide einen Ring bilden.
Das Nervensystem ist sehr schwach entwickelt; dicht hinter
dem Receptaculum rostelli liegt eine elliptische Gehirnmasse, von der
zwei Seitennerven nach hinten abgehen, die in ihrem Verlauf immer
der Aussenseite der Gefässe in geringer Entfernung folgen (Fig. 7
bis 10, N). Der Hauptnerv misst im Durchmesser etwa 0,01 mm.
Nach Zschokke bilden bei Taenia argentina zwei Längsnerven unter
dem Frontalsaugnapf eine Commissur; Nitsche findet bei Taenia
undulata zwei spongiöse Längsstränge, bei Taenia crassicollis deren
zehn; er nennt sie ein neues, bisher übersehenes Organ, ohne sie als
Nerven zu bezeichnen.
Beitrag zur Keimtniss der Vogel tänien. 175
lü mm vom Kopfende tritt die erste Anlage der Geschlechts-
organe auf in Gestalt eines mitten in der Proglottide gelegenen
länglichrunden Zellhaufens: in 15 mm Entfernung, immer vom
Scolex ab gerechnet, bemerkt man die Anlage des Cirrusbeutels
und der Vagina, bald darauf auch sämmtlicher männlicher und
weiblicher Geschlechtsorgane, die vorläufig alle aus anscheinend
gleichen Zellenmassen bestehen; bei 25 mm Entfernung sind alle
Geschlechtsorgane deutlich erkennbar in ihrem besonderen Bau, am
weitesten entwickelt zeigen sich die Hoden; bei 30 mm ist das
Receptaculuni seminis bereits mit Samen gefüllt ; in 45 mm Ent-
fernung füllt sich der Uterus mit unreifen Eiern. Bei Taenia fasciata
Rud. unterscheidet Feuereisen vier Hauptgruppen von Proglottiden,
geschlechtslose, männliche, weibliche und eiführende; die männlichen
und weiblichen sind bei unserer Art nicht getrennt, wenngleich die
Hoden sich etwas früher entwickeln als die Ovarien; wenn bei
Taenia fasciata die Keimstöcke (Dotterstöcke Feuereisen) auf der
Höhe der Entwicklung stehen, sind die Hoden verschwunden, während
diese Organe bei T. puncta gleichzeitig bestehen und functioniren.
Die Geschlechtsöffnungen stehen am vorderen Drittel der
Proglottiden unregelmässig abwechselnd links und rechts; diese
Stellung beobachtete Krabbe bei 34 Vogeltänien, eine einseitige Lage
der Geschlechtsöffnungen bei 65, ein regelmässiges Abwechseln 4mal
und eine doppelseitige Lage 2 mal, die letzteren würden dem Riehni'-
schen Subgenus Dipylidium entsprechen.
Cirrusbeutel und Vagina münden beide in einen kleinen, flachen
Geschlechtssinus, und zwar liegt der Cirrusbeutel vor der Vagina
(Fig. 7, Gs). Einen Geschlechtssinus von colossaler Grösse beschreibt
Feuereisen bei Taenia fasciata Rud. Als erste Ho den- Anlage be-
merkt man kugelförmige, 0,023 mm grosse Zellen, die dichtgedrängte,
ebenfalls kugelige, gekernte Tochterzellen enthalten von 0,0066 mm
Grösse. Diese Zellen verschmelzen zu grossen Zellen (Fig. 15, b),
welche wiederum in ihrem Innern gekernte Zellen ausbilden, die als
Enkelzellen zu bezeichnen sind; die grossen Tochterzellen zweiter
Generation haben das merkwürdige, dass sich in ihnen das Chromatin
mondsichelförmig an einer Seite des Umfanges sammelt (Fig. 15, b — e);
in der weiteren Entwickelung differencirt sich in jeder Mutter-
zelle eine Tochterzelle von den übrigen, die ich als Stammzelle be-
zeichnen möchte; sie ist verhältnissmässig klein, scharf contourirt
mit dunklem Kern und bildet keine Enkelzellen aus (Fig. 15, b — e, S),
die Enkelzellen sammeln sich an der Peripherie der Tochterzelle, die
nun maulbeerartig (Fig. 15, c) aussieht und erstere beginnen aus
letzterer auszuwandern, sodass sie nun frei in der Mutterzelle liegen;
bald wird ihr Kern unsichtbar (Fig. 15, d) und in ihnen bilden sich
die Samenfäden, die sehr lang und etwa 0,0008 mm breit sind;
endlich schwindet die Membran der Enkelzellen und die Samenfäden
werden in der Mutterzelle frei, die man nun als Samenblasen be-
zeichnen kann (Fig. 15, e).
176 Dr- v- Linstow :
Das lange Vas deferens liegt vielfach aufgerollt an der Grenze
zwischen dem vorderen und mittleren Drittel der Proglottide; es
sammelt den Samen , da es zugleich als Leitungs- wie als ■ Aufbe-
wahrungsorgan dient, und uhrt ihn in den Cirrusbeutel (Fig. 7),
der cylindrisch ist, nach aussen zu kolbig anschwillt und in die Ge-
schlechtscloake mündet; das Vas deferens liegt geschlängelt in ihm
und geht in den Cirrus über, der sehr klein und unbedornt ist ; er
ist 0,023 mnij eit herausgestreckt an einzelnen Proglottiden und
0,0066 mm breit (Fig. 7, Vd, Cb; Fig. 8, Vd, Cb, C).
Die Cirren der Vogeltänien, deren Krabbe verschiedene be-
schreibt _nd abbildet, zeichnen sich oft durch ihre colossale Grösse
und gewaltige Bedornung aus.
Die Hoden fand ich bei Taenia depressa weniger zahlreich, den
Cirrus aber sehr lang und am Ende wie auch am vorderen Drittel
bedornt; der Cirrusbeutel Hegt hier weit vom Proglottiden -Rande
entfernt.
Nach Zschokke ist der Cirrus von Taenia argentina handschuh-
fingerartig ein- und ausstülpbar und aussen bedornt; in jeder Prog-
lottide liegt nur ein grosser Hoden.
Pagenstecher lässt bei Taenia microsoma sich den Cirrusbeutel
direct mit Samen füllen, ohne dass ein Vas deferens sich in ihm
verbreitet ; auch hier soll nur ein Hoden vorkommen, wenn nicht die
dreiblättrige Kleeblattfigur, als Anfangstheil des Vas deferens ge-
deutet, ein dreitheiliger Hoden ist.
Feuereisen findet bei Taenia fasciata, setigera und lanceolata
drei Hoden in jeder Proglottide, in Taenia setigera Fröl. ausser dem
Receptaculum seminis und dem Cirrusbeutel noch eine männliche
Samenblase. Idiogenes hat 10 — 15 Hoden in jeder Proglottide, die
in der Ventral- und Dorsalschicht liegen, eine Samenblase fehlt und
der bedornte Cirrus ist sehr lang.
Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus Keimstock,
Dotterstock, Receptaculum seminis, den sie verbindenden Gängen und
der Vagina. Der Keimstock liegt in der Rückenhälfte der Prog-
lottiden, vom Vorder- und Hinterrand etwa gleich entfernt (Fig. 7
u. 9, K); er besteht aus gekernten Zellen von 0,0087 — 0,0098 mm
Grösse; er ist gelappt und, oft in undeutlicher Weise, in eine rechte
und linke Hälfte getheilt; dicht von ihm, im Centrum der Prog-
lottide liegt der unregelmässig kugel- oder eiförmige Dotter stock
(Fig. 7 u. 9, D); auch er besteht aus rundlichen, gekernten Zellen,
die aber kleiner als die des Keimstocks sind und 0,0065 mm messen;
der ganze Dotterstock ist 0,052 — 0,082 mm gross. Noch vorn und
aussen von beiden Organe bemerkt man das ovale, sehr dickwandige
Receptaculum seminis von 0,15 mm Länge nnd 0,12 mm Breite;
an seinem Hinterrande lässt es den Samen in einen Ausführungsgang
treten, um ihn in den Ausmündungscanal des Keimstockes über-
zuleiten (Fig. 7 u. 9, RS); nicht weit hinter der Einmündungsstelle
tritt ein zweites Rohr, die Verbindung mit dem Dotterstock hinzu;
Beitrag- zur Kenntnis« dei Vogeltänien. 177
diese Canäle sind mit gekernten Zellen dicht und regelmässig besetzt.
Eine Schalendrüse fehlt. In den letzten, reife Eier enthaltenden
Pro-glottiden, die in der 50 — 60 mm vom K »fende entfernten Strecke
zu finden sind, lässt sich als einziger Re^i der weiblichen Organe
das ganz an den vorderen Rand der Glieder gedrängte Receptaculum
seminis erkennen. u
Feuereisen nimmt für Taenia fasciata, setigera ,-iid lanceolata
einen unpaaren Keimstock und 2 seitliche Dotterstöcke an, so dass
man annehmen muss, er habe beide Organe verwechselt. Bei Taenia
depressa fand ich eine Schalendrüse und einen merkwürdige j chiti-
nösen Ventilapparat, der das Zurückströmen des Samens aut. dem
Receptaculum seminis in die Vagina verhindern soll, ein Analogon
der trichterförmigen Chitinlamelle, die Sommer bei Taenia solium
und mediocanellata fand. Taenia microsoma soll nach Pagenstecher
keinen Dotterstock haben; wahrscheinlich sind aber die beiden Uterin-
hörner der Keimstock, und das von ihnen nmfasste, als Keimstock
bezeichnete Organ der Dotterstock.
Nach Zschokke liegt bei Taenia argentina ein doppelter, fächer-
artig gestalteter Dotterstock quer am Hinterrande jeder Proglottide;
bei Idiogenes ist die Vagina mit nach innen gerichteten Cilien aus-
gekleidet, die Proglottiden zeigen 2 birnförmige Keimstöcke und einen
kleinen, rundlichen Dotterstock, am Beginn des Uterus aber eine
kleine, ringförmige Schalendrüse; das Ende der Vagina ist zu einem
Receptaculum seminis sackförmig erweitert.
Die Eier haben eine dreifache Schale; die äussere ist 0,114mm
lang und 0,088 mm breit ; dann folgt eine hyaline, vielfach gefaltete
Hülle und hierauf die innerste, in der die Oncosphäre liegt, die
innerste Hülle ist 0,062 mm lang und 0,043 mm breit; die 4 äusseren
Haken der Oncosphäre decken sich je 2 und 2 in seitlicher Lage,
und sind stärker und gekrümmter als die beiden inneren (Fig. 13 u. 14).
2. Beitrag zur pathologischen Anatomie von Taenia
mediocanellata.
(Fig. I.)
In der Klinik des Herrn Geheimrath Professor Ebstein wurden
zwei Exemplare von den Taenia mediocanellata von einem Kranken ent-
leert, der eine Schmierkur mit grauer Quecksilbersalbe durchgemacht
hatte; dieselben hatten nicht die gewöhnliche weisse, sondern eine
graue Farbe, die von massenhaften Einlagerungen von schwarzen
Partikel chen herrührt, welche Herr Professor Polstorff als Queck-
silberoxydul bestimmte. Sehr merkwürdig ist nun die Vertheilung
der schwarzen Körnchen in den Proglottiden; das Parenchym ist
ziemlich gleichmässig und schwach durchsetzt, die Hoden aber in viel
auffallenderer Weise, ebenso die Vasa efferentia und das Vas deferens,
am stärksten aber die Vagina, die kohlschwarz erscheint, während
Aixh. f. Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd. I. H. 3. 12
178 Di-, v. Li 11 stow :
die producirenden weiblichen Organe nicht ein einziges Körnchen
enthalten, nnd in gefärbten Schnitten schön roth erscheinen. Die
Vasa efferentia haben einen Grenzstrang, welcher dem grossen Längs-
gefäss an dessen Innenseite parallel läuft, den ich in allen Beschrei-
bungen vergeblich gesucht habe, bei dieser natürlichen Färbung aber
sehr in die Augen fallend ist. Man muss annehmen, dass das Queck-
silber, in regulinischer Form dem menschlichen Körper einverleibt,
in gelöstem Zustande als Sublimat in kleinen Mengen nach und nach
von der Tänie resorbirt und in ihr dadurch, dass eine Basis sich
mit der Chlorwasserstoffsäure verband, als Quecksilberoxydul aus-
geschieden ist. Was die merkwürdige Vertheilung betrifft, so erkläre
ich dieselbe dadurch, dass die männlichen Organe und die Vagina,
welche gleichzeitig entstehen, einen grösseren Nahrungsbedarf haben,
als die übrigen Organe; die producirenden weiblichen Organe, welche
später entstehen, waren noch nicht vorhanden, und als sie sich
bildeten, hatte die Quecksilberaufnahme aufgehört; die Tänien sind
beide kurz und die producirenden weiblichen Qrgane nur in ihren
ersten Anlagen vorhanden. Die Kalkkörperchen sind ohne Einlage-
rungen. Einige Proglottiden befinden sich in Selbstbegattung; der
Girrus ist in die Vagina eingedrungen.
3. Taenia? decipieiis Dies.
(Fig. II.)
Von Herrn Dr. A. Lutz erhielt ich aus Brasilien eine Tänie aus
dem Darm von Molossus, wahrscheinlich M. perotis Neuw. ; sie ist
50 mm lang, der Körperrand ist sägeförmig und die letzten Prog-
lottiden sind 0,78 mm breit und 0,16 mm lang; der Scolex hat eine
Breite von 0,26 mm und geht ohne deutliche Grenze in den sogen.
Hals über; die Saugnäpfe messen 0,082 mm und die 40 Haken sind
0,023 mm lang; sie erinnern in der Form an die von Taenia acuta,
deren 43 — 46 Haken 0,04 mm messen. Die elliptischen Eier haben
eine doppelte Schale ; die innere ist 0,033 mm lang und 0,026 mm
breit, die äussere resp. 0,056 und 0,046 mm, die Geschlechtsöffnungen
stehen einseitig, etwa in der Mitte des Proglottidenrandes. Ver-
muthlich ist diese Tänie, wie ich aus dem Fundorte schliesse, identisch
mit Diesing's Taenia decipiens, die unvollkommene Beschreibung er-
laubt keine sichere Entscheidung der Frage.
4. Taenia crassiscolex u. sp.
(Fig. HL)
Im Darm von Sorex vulgaris (tetragonurus) fand ich eine Tänie,
deren Geschlechtsorgane noch nicht entwickelt waren ; der Scolex ist
sehr gross und breit, das spindelförmige Rostelluni ist 0,22 mm lang
und 0,19 mm breit; die Saugnäpfe haben eine Länge von 0,49 und
Beitrag zur Kenntniss der Vogeltänien. 170
eine Breite von 0,16 mm, am Rostellum stehen 17 Haken von 0,05:2 mm
Länge; der Hakenast ist etwa so lang wie der Wurzelast und der
Hebelast ist klein und nach innen gekrümmt; die Haken sind viel
grösser und von wesentlich anderer Form als die der in Spitzmäusen
bisher gefundenen Tänien, deren Anzahl und Grösse hier zum Ver-
gleiche angegeben ist:
Zahl. Grösse.
Taenia scalaris Duj. 12—14 0,026—0,033 mm
„ uncinata Stieda 14—19 0,017—0,020 „
„ pistillum Duj. 20—22 0,010 „
„ tiara Duj. 30—34 0,022—0,026 „
„ furcata Stieda 20—28 0,021 „
„ scutigera Duj. 10 0,033—0,040 „
„ neglecta Dies, soll ein os inerme haben.
5. Diplostomum Cobitidis 11. sp.
Eingekapselt und frei in der Leibeshöhle von Cobitis barbatula
lebt die Larve einer Holostomum von 0,72 mm Länge und 0,60 mm
Breite; die Gestalt ist eiförmig, am Hinterende bemerkt man einen
kleinen, rundlichen Anhang, der Mundsaugnapf ist klein und der in
der Mitte des Körpers gelegene kugelförmige Körper hat einen etwa
dreimal grösseren Durchmesser; die Kapseln, welche die Larve ein-
schliessen, sind sehr dickwandig; die Wandung misst 0,12 mm und
die Länge der Kapsel beträgt 0,78 mm, die Breite 0,66 mm, sie besteht
aus concentrisch geschichteten Lagen.
Die nächsten beiden Arten hatte der der Wissenschaft leider zu
früh verstorbene Professor Dr. Brock die Güte mir mitzusth eilen; sie
waren von ihm im Jahre 1885 in Ostindien gesammelt; 3 weibliche
Ascariden aus dem Darm eines Acanthopteren mit langgestreckten
Lippen, die Löffelbildung und eine Einschnürung vor der Mitte zeigen,
sodass sie mit Ascaris rigida, clavata und labiata verwandt sind,
lasse ich unbeschrieben, weil die Männchen fehlten und das Wohn-
thier unbekannt ist.
6. Ecliiiiorhyiickus taeuiaeformis u. sp.
(Fig. IV.)
wurde im Darm von Caranx spec. ? gefunden; das Männchen ist 17,
das Weibchen 19 mm lang und 1,3 mm breit; das Rosstellum ist vorn
verdickt und dicht mit 18 Querreihen von Haken besetzt, deren jede
durch 10 Haken gebildet wird; der folgende Körperabschnitt ist mit
12 — 15 Querreihen starker, conischer Haken besetzt, und der Körper
ist tänienartig von tiefen, rinnenartigen Furchen eingeschnürt, das
Körperende ist bei beiden Geschlechtern kolbig aufgetrieben; die dick-
schaligen, glatten Eier sind 0,035 mm lang und 0,023 mm breit und
von elliptischer Gestalt; am nächsten verwandt die Form mit Echino-
rhynchus arcuatus Diesing.
12*
ISO Di", v. L instow
7. Spiropteriiia iiiflata n. sp.
(Fig. v— vni.)
lebt in Scyllium immoratum, der Magenwand angeheftet.
Die Cuticula am Kopfende ist aufgetrieben und an der Scheitel-
flache napfförniig eingezogen, sodass dieser Theil wohl wie ein Saug-
napf wirken kann; aus der Einziehung ragen 2 rundliche Lippen
hervor, die beide am Scheitel eine spitze und rechts und links an der
Basis je eine kleine, Hache Papille tragen; 0,48 mm vom Kopfende
entfernt liegt ein den Oesophagus einschliessender Nervenring, und
0,65 mm entfernt stehen 2 Nackenpapillen. Die Cuticula zeigt feine,
0,004 mm breite , schwer erkennbare Querringel ; auf Ouerschnitten
ist sie homogen und derbe; unter ihr liegt eine Subcuticula, welche
sich in Längslamellen nach innen erhebt, und in den so entstandenen
Zwischenräumen liegen die Muskeln, die man bei unverletzten Exem-
plaren als Längsstränge durch die Cuticula hindurchschimmern sieht
und in denen man eine Menge in Längsreihen geordneter, glänzender,
kugelförmiger, kleiner Kerne erkennt. Die Muskelschicht ist nur in
den Seitenlinien unterbrochen; hier entspringen von der Subcuticula
2 stark entwickelte Wülste von birnförmigem Querschnitt, die in den
Leibesraum hineinragen; eine Scheidewand theilt sie in eine Bauch-
und eine Rückenhälfte und das Gewebe ist zellig. Die Scheitelpunkte
der Wülste sind ihrer ganzen Länge nach durch ein Diaphragma
verbunden, das die Leibeshöhle in eine Bauch- und Rückenhöhle
scheidet ; in ersterer liegen die Fortpflanzungsorgane, in letzterer die
Ernährungsorgane. Die Nerven verlaufen in der Subcuticula. Oeso-
phagus und Darm bestehen aus einer dicken, äusseren Hülle, ebenso
ist die das Lumen auskleidende Membran sehr mächtig, zwischen der
äusseren und inneren Hülle liegen grosse, durch Septa geschiedene
Zellen, welche da, wo sie an die äussere Hülle grenzen, einen kleinen
Kern führen.
Das Männchen ist 35,5 mm lang und 0,54 mm breit; der Oeso-
phagus nimmt 77, der Schwanz V59 der Gesammtlänge ein; das Hinter-
leibsende ist in 3 Windungen aufgerollt und am Ende abgerundet ;
die beiden Girren sind ungleich, der linke misst 0,44, der rechte
0,19 mm; die Bursa ist links stärker entwickelt und zeigt hier einen
gewellten Rand, dicht vor der Cloake stehen 4 kleine Papillen in einer
Bogenlinie und weiter nach vorn 4 grosse im Viereck; postanale
findet man jederseits 6 , von denen die zweite gestielt ist und die
beiden letzten dicht neben einander am äussersten Schwanzende stehen.
Das Weibchen ist 57—39,7 mm lang und 0,6—0,54 mm breit;
der Oesophagus nimmt --,- der Schwanz ~h der ganzen Länge ein;
die Vulva liegt hinter der Körpermitte und theilt die Länge im Ver-
hältniss von 7:4; sie ist durch einen starken Wulst an der Bauch-
seite markirt, von hier zieht ein 1,2 mm langer Uterus nach vorn,
von dem nach vorn die Ovarien entspringen, die in vielen Win-
dungen neben Darm und Oesophagus die ganze Körperhöhle der
Beitrag zur Kenntnis* der Vogeltänien. 181
Bauchseite erfüllen. Die Vagina ist in ihrem Endtheil 3 mal recht-
winklig geknickt, hinter der Mündung steht eine sehr kleine Papille.
Das Weibchen ist nach der Rückenfläche gekrümmt, sodass Vulva
und Anus an der convexen Seite liegen; auch hier ist das Schwanz-
ende abgerundet. Die Eier haben eine dicke, hyaline Schale und
sind 0,043 mm lang und 0,029 mm breit.
Das Genus Spiropterina lebt in Rochen und Haien und sind bis
jetzt ausser dieser 4 Arten beschrieben.
Spiropterina coronata van Beneden1) ist der inneren Magen-
wand von Scyllium canicula und Raja radians anhaftend gefunden;
das Männchen ist 25 — 30, das Weibchen 60 — 65 mm lang; ersteres
führt 2 ungleiche Spicula und die Bursa jederseits 6 — 7 Strahlen;
das Schwanzende des Weibchens ist einziehbar; am Kopfende steht
eine kreisförmige Membran, die zurükziehbar ist, das Schwanzende
ist abgerundet.
Spiroptina dacnodes Creplin2) = Histiocephalus dacnodes Molin3)
wurde im Oesophagus von Raja clavata und im Magen von Mustelus
vulgaris gefunden; das Männchen ist 25, das Weibchen 15 — 50 mm
lang; das Kopfende ist von einer Membran umgeben, der Mund zeigt
Papillen, das männliche Schwanzende ist einmal aufgerollt, die
Spicula sind ungleich, das Schwanzende ist abgerundet, die Bursa
breit, die Vulva liegt hinter der Mitte.
Spiropterina Rajae clavatae Dujardin4) und Wedl5) lebt in den
Magenhäuten von Raja clavata und im Darm von Raja batis; die
Form ist klein, 8 — 18 mm lang und 0,25 — 0,7 mm breit, röthlich
von Farbe und geschlechtlich unentwickelt. Das Kopfende zeigt
3 hervorragende Läppchen an der Rückenfläche mit 3 eingekerbten
Erhabenheiten und 2 Papillen am Scheitel.
Spiropterina elegans Oerley 6) lebt im Darm von Hexanchus griseus;
sie ist 15 — 20 mm lang; das Kopfende hat einen durchsichtigen
Kragen und 2 Lippen, die je einen spitzen Zahn an der Scheitel-
fläche tragen; der Rand des Kragens ist hinten wellenförmig; das
Schwanzende des Weibchens ist einziehbar, das des Männchens hat
eine eiförmige Bursa, ungleiche Cirren, 5 rippenförmige Papillen-
Paare vor dem Anus und ein abgerundetes Schwänzende.
Die 4 Arten sind in Fischen der europäischen Meere gefunden.
*) Compt. rend. Acad. sc. Paris, t. II, suppl., 1861, pag. 270 — 271.
2) Archiv für Naturgesch. 1851, pag. 308.
3) Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wissensch. Wien XXXIV, 1860, pag. 512
bis 513.
4) Hist. des Helm. pag. 105.
5) Sitzber. d. k. k. Akad. d. Wissensch. Wien XVI, 1855, pag. 388,
tab. in, fig. 28.
6) Die Entozoen der Haien und Rochen, Budapest 1885, pag. 218, tab. IX
fig. 7—9.
182 Dr. v. Linstow:
8. Filaria liyalina n. sp.
(Fig. IX.)
Im Darm von Sorex vulgaris fand ich männliche, sehr zarte,
farblose, fast durchsichtige Filarien von 6,91 mm Länge und 0,26 mm
Breite ; die Haut ist in Abständen von 0,0055 mm regelmässig quer-
geringelt, das Kopfende bietet nichts bemerkenswerth.es; die beiden
Girren sind sehr ungleich, der linke ist 0,49 mm lang und 0,0098 mm
breit, der rechte 0,13 mm lang und an der Basis 0,033 mm breit;
jederseits stehen 4 prä- und 6 postanale Papillen, von denen die
beiden hintersten sehr klein sind und neben einander stehen; ausser
den geschlechtsreifen Exemplaren fand sich im Darm noch eine freie
und eine eingekapselte Larve; in einer kugelförmigen Cyste von
0,29 mm Durchmesser liegt die Larve aufgerollt, und das der Aussen-
wand der Kapsel anhaftende Gewebe zeigt, dass sie aus einer
Schnecke stammt.
9. Oxysoma terdentatum n. sp.
(Fig. X-XI.)
Im Darm von Triton cristatus sammelte ich nach und nach
1 9 Exemplare eines neuen Nematoden, der zu Oxysoma gehört, einer
Gattung, von der man bis jetzt nur 3 Arten kannte. Der Kopf führt
3 Lippen, von denen jede 2 Papillen trägt; der Oesophagus tritt in
3 rundlichen Erhebungen vor, von denen jede einen etwas nach aussen
gebogenen Zahn trägt. Der Oesophagus geht ohne Anschwellung in
den Darm über. Die Cuticula ist bei lebenden, ungeschrumpften
Exemplaren glatt und ohne Querringelung. Die Muskeln zeigen den
Typus der Meromyarier; die Zellen sind ausserordentlich lang, die
grossen Kerne messen 0,023 mm und ihre Kernkörperchen 0,0078 mm;
in den Seitenlinien, in der Rücken- und Bauchlinie ist die Musku-
latur unterbrochen, so dass 4 Längsfelder entstehen; die Seitenleisten
und der Bulbus am Ende des Oesophagus, wie Oxysoma brevicaudatum
sie zeigt, fehlen hier.
Die Thiere sind ausserordentlich zart und vertragen nicht den
leisesten Druck des Deckglases, auch kein Glycerin; sie erscheinen
hyalin, so dass die inneren Organe durchscheinen; bei beiden Ge-
schlechtern ist das Schwanzende lang und fein zugespitzt. Das
Männchen ist lockenförmig aufgerollt wie etwa Trichosoma contortum;
es ist 15 mm lang und 0,32 mm breit; der Oesophagus misst gTe
der Schwanz x/31 der Gesammtlänge; die wenig gebogenen, 0,52 mm
langen und breit geflügelten, 0,009 mm im Durchmesser grossen
Girren sind gleich lang; vor der Cloake stehen jederseits 3 Papillen,
neben ihr 4 und am Schwanzende ebenfalls 4, von denen die zweite
etwas aus der Reihe nach innen gerückt ist; die Papillen sind zart
und prominent.
Beitrag zur Kenntniss der Vogeltänieii. 183
Das Weibchen ist 15 mm lang und 0,46 mm breit; die Vulva
ist etwas hervorragend und die Vagina nach vorn gerichtet; erstere
liegt in der hinteren Körperhälfte und theilt die Länge im Ver-
hältniss von 4:9; der Oesophagus misst %, der Schwanz 2-~ der
Körperlänge; die unregelmässig runden, 0,008 mm grossen, dünn-
häutigen Eiern werden mit 2 — 4 Blastomeren und 2 Richtungs-
körperchen in's Wasser abgelegt.
Im Wasser verlassen die Embryonen nach einer Woche die Ei-
hülle; es sind 0,8 mm lange und 0,013 mm breite, schlanke, beweg-
liche Thiere, deren Oesophagus ^ der ganzen Länge misst. Ein
Zwischenwirth existirt wahrscheinlich nicht; die kleinsten im Darm
von Triton cristatus gefundenen Larven waren 2,5 mm lang und
0,048 mm breit; der Darm war braun, der Oesophagus mass ^,
der Schwanz % der Gesammtlänge ; die schlanken Thiere sind sehr
zart und ohne Geschlechtsorgane.
10. Dacnitis globosa Duj.
(Fig. XII— XVI.)
= ? Cucullanus globosus Zeel. Diesing, Syst. Helm. II pag. 239
— 240, Duj ardin, Hist. des Helm. pag. 250 — 251.
Dacnitis globosa Dujardin, Hist. des Helm. pag. 269.
Dachnitis globosa Sp. Cobbold. Transact. Linn. Soc. XXII, 3,
London 1856, pag. 159—160, tab. 31 flg. 20—23.
Ob Cucullanus globosus Zed. synonym mit dieser Art ist, die
im Darm von Trutta fario lebt, ist zweifelhaft ; der Körper soll von
rother Farbe sein, während er bei unserer Form farblos ist. Die
Cuticula ist quergeringelt; die Muskeln gehören zu den Meromyariern ;
die Zellen sind sehr lang, rhombisch mit schönem kugelförmigem
Kern; sie messen 0,33 mm in der Länge und 0,033 mm in der Breite,
der Kern ist 0,013 und das Kernkörperchen 0,004 mm gross. Der
Körper ist vor dem Kopfende über die Rückenfläche gebogen; das
kolbig aufgetriebene Kopfende hat an der Bauchseite eine herzförmige
Mundöffnung, vor der 2 kleine Papillen stehen; der Oesophagus
endet in eine kleine pilzförmige Drüse, die mit kleinen, sich lebhaft
färbenden Kernen dicht durchsetzt ist, der Darm in eine grosse,
vorn offene, den Oesophagus umfassenden Glocke. Die Hautringel
sind 0,0022 mm breit. Die Muskulatur ist in der Rücken- und Bauch-
linie durch eine kleine, keilförmige Leiste getheilt, in den Seiten-
linien aber durch mächtige, u/42 des Durchmessers messende Wülste,
die sehr merkwürdig gebaut sind. Sie bestehen aus 2 mittleren und
einen rücken- und bauchständigen Theil; erstere führen je ein
grosses Gefäss in ihrem Innern, letztere viele Kerne.
134 Dr. v. Linstow :
Das Männchen ist 9,1 mm lang und 0,3 mm breit; das Schwanz-
ende ist spiralig eingerollt ; der Oesophagus misst grs der Schwanz-
V50 der Gesammtlänge ; die beiden gleichen Cirren sind 0,66 mm
lang, ein accessorisches Stück zwischen ihnen 0,13 mm. Die Cirren
sind nach innen und der Rückseite offene Hohlrinnen, welche von
3 parallelen, hohlen Stäben gestüzt werden, von denen der mittlere
der stärkste ist; man zählt 5 prä- und 4 postanale Papillen jeder-
seits; vor der Wurzel der Cirren steht eine grosse, flache, länglich-
runde Sauggrube von Hautstrahlen umgeben. Wie bei vielen männ-
lichen Nematoden findet man an der Bauchseite das Schwanzende
von vorn und aussen nach hinten und innen verlaufende Muskeln,
die wohl die Function haben, bei der Copula den runden Körper
an der Bauchseite abzuflachen. Das Weibchen hat wie das Männchen
ein abgerundetes Schwanzende; es ist 13,1 mm lang und 0,34 mm
breit; die Vulva liegt in der hinteren Körperhälfte; der durch sie
gebildete vordere Abschnitt verhält sich zum hinteren wie 28:17;
der Oesophagus nimmt 575, der Schwanz ±ti der ganzen Länge ein;
die Eier sind 0,056 mm lang und 0,046 mm breit.
Dass die Art mit Dacnitis (Cucullanus) foveolatus Rud. aus
Pleuronectes in dasselbe Genus gehört, ist zweifellos; wenn aber
Schneider letztere Form in das Genus Heterakis einreiht, so ist
das wohl nicht richtig, den Heterakis gehört zu den Polymyariern
und die Kopfbildung ist ganz und gar anders, nur die Sauggrube
des Männchens erinnert an Heterakis.
11. Ascaris gracillima n. sp.
(Fig. XVII.)
Eine geschlechtlich unentwickelte, sehr schlanke, zarte Form
mit lebhaften Bewegungen im Darm von Cobitis barbatula, Phoxinus
laevis und Gasterosteus aculeatus. Die Länge beträgt bis zu 5,1 mm
und die Breite bis 0,12mm; der Oesophagus nimmt ire, der
Schwanz y47 der ganzen Länge ein; die Muskeln sind die der
Polymyarier; men findet breite, am Kopfende 0,048 messende
Seitenleisten und am Schwanzende grosse Analdrüsen; der Oesophagus
endigt in einen abgeschnürten, rundlichen Bulbus, der sich nach
hinten in einen neben dem Darm liegenden Blinddarm verlängert,
der 3/ö der Länge und 4/7 der Breite des Oesophagus besitzt. Das
Kopfende zeigt 3 mit Papillen besetzte Lappen und die Mundöffnung
hat starke Chitinwandungen.
Beitrag zur Kernitniss der Vogeltäoien. 185
12. Trichosoma spinulosum n. sp.
lebt im Cöcum von Fuligula ferina. Der Körper ist vorn stark
verdünnt und der Oesophagus sehr lang; die Seitenbänder verhalten
sich im Durchmesser zur Körperbreite wie 6:19.
Das Männchen ist 9,2 mm lang und vorn 0,024, weiter hinten
0,048 mm breit; die Cirrusscheide ist stark bedornt und 0,18 mm
weit vorgestreckt; das Hinterleibsende ist zweilappig; der derbe
Cirrus misst 0,94 mm; die Länge des Oesophagus verhält sich zu
der des Darms wie 5 : 6.
Das 13,3 mm lange Weibchen ist ganz vorn 0,036, hinten
0,066 mm breit; auch hier verhält sich die Oesophagus- zur Darm-
länge wie 5:6; die dickschaligen Eier sind 0,062 mm lang und
0,033 mm breit.
In zahlreichen Enten-Arten ist ein Trichosoma brevicolle Rud.
gefunden, das Eberth1) untersucht und gefunden hat, dass Vorder-
und Hinterleib im Durchmesser wenig verschieden sind, dass die
Penisscheide des Männchens glatt ist, dass der Halstheil kurz ist
und die dünnschaligen Eier 0,049 und 0,026 mm messen; die Art
ist von unserer also in allen Punkten verschieden.
13. Angiostomum nigrovenosuni Rud.
(Fig. XVIII— XX).
Die Embryonen der Froschlunge gelangen in den Darm und
von da in's Freie, wo sie schon in 3 Tagen geschlechtsreif werden
können. Das 0,68 mm lange und 0,036 mm breite Männchen mit
einem Oesophagus von 1/i und einem Schwanz von f^r6 Körperlänge
hat 2 0,033 mm lange Cirren und eine schmale Bursa mit 4 prä-
und 3 postanalen Papillen. Das Weibchen 0,9 mm lang und
0,054 mm breit; die Eier, von denen in der Regel 2 zur Entwicklung
kommen, sind 0,079 mm lang und 0,046 mm breit.
Die Nachkommenschaft dieser freilebenden Generation wächst
in der Froschlunge sehr rasch heran; zunächst sind es im Gegen-
satz zu den grossen, geschlechtlich entwickelten Thieren schlanke,
sehr lebhaft sich bewegende Würmer, die bald 5,2 mm lang und
0, 1 3 mm breit sind ; die Geburtsöffnung liegt hinter der Körpermitte,
sie theilt die Länge im Verhältniss von 50 : 37 ; der Oesophagus hat
im vorderen Drittel eine kleine Anschwellung; er misst ^-7, der
') Un tersuchimgen über Nematoden, pag. 58, tab. VI fig. 12 u. 17.
186 Dr. v. Linstow:
kegelförmige Schwanz ^g der Gesammtlänge ; man bemerkt einen
kleinen chitinisirten Mnndbecher und 2 grosse, drüsige Organe, die
länger sind als der Oesophagus, und am Kopfende münden; sie sind
nach Hamann als Lemnisken aufzufassen.
Die hermaphroditische Lungenform ist durchschnittlich 9 mm
lang und 0,3 mm breit; der Oesophagus ist kurz und dünn, nur
0,43 mm lang = V21 der Gesammtlänge und 0,032 mm breit; im
vorderen Drittel zeigt er eine 0,036 mm breite und am Ende eine
0,06 mm breite Anschwellung ohne Ventilzähne. Der Darm besteht
aus grossen, schönen gekernten Zellen und ist 0,16 mm breit. Die
GeburtsöfYnung liegt etwas hinter der Körpermitte und theilt die
Leibeslänge im Verhältniss von 8:7; die sehr dünnhäutigen Eier
sind 0,09 mm lang und 0,048 mm breit; der conisch zugespitzte
Schwanz misst f^- der ganzen Länge; der Mundbecher ist klein,
die Epidermis am Kopfende ist blasig aufgetrieben, dahinter ist sie
0,012 mm dick; die Muskelbildung ist die der Meromyarier; sonder-
barer Weise hat der sonst so zuverlässige und genau beobachtende
Dujardin1) die garnicht existirenden Männchen beschrieben und ab-
gebildet. Seitenmembranen, von denen Dujardin spricht, fehlen.
Die Mitte des Oesophagus wird durch ein merkwürdiges Gebilde,
das wohl dem Nervensystem angehört, gestüzt, das diese
Organe gabelförmig umfasst und bis zur Bauchlinie reicht;
die Seitenwülste sind sehr stark entwickelt und nehmen l/e der
Körperperipherie ein; der den Oesophagus umfassende Nervenring
liegt 0,21 mm vom Kopfende. Ich untersuchte, in welcher
Weise die Samenkörperchen und Eier in einer und derselben
Geschlechtsröhre entstehen und zu einander gelangen, und fand
dass im unteren, der Geburtsöffnung zunächstliegenden Theil be-
fruchtete Eier zu finden sind, dass der mittlere als Ovarium und
der oben als Hoden functionirt. Auf Querschnitten sieht man,
dass im mittleren Theil die um eine Rhachis gelagerten Eizellen
den ganzen Raum ausfüllen; die Eier müssen also reifen, sich los-
lösen und weiter bewegt werden, um so den gleichzeitig im oberen
Theil reif und frei gewordenen Samenkörpern den Weg zu ihnen
passirbar zu machen.
') Histoire des Helminthe« pag. 178 u. 263, pl. 6 Fig. C5.
Beitrag zur Kenntniss der Vogeltänien. 187
Erklärung der Abbildungen
auf Tafel X.
Figur 1. Scolex von der Seite, a, Rostellum, b. Receptaculum desselben, c. Ge-
hirnmasse ; irrthümlich ist nicht das Gehirn, sondern der Raum inner-
halb des Gefässringes blau gezeichnet.
» 2. Haken der kleineren und grösseren Sorte.
3. — 5. Querschnitte durch den Scolex. a. Rostellum, b. Receptaculum
desselben, c. Drüsenmassen, d. Saugnapf, e. Gefäss.
» 6. Querschnitt durch den Hals. g. Gefäss, n. Nerv.
7.-10. Proglottiden, 7 Flächen-, 8— 10 Querschnitt. C Cuticula, Sc. sub-
cuticulare Zellen, gG grosses Gefäss, kG kleines Gefäss, GA Gefäss-
Anastomose, N Nerv, Lm Längsmuskelu, H Hoden, Vd Vasdeferens,
Ob Cirrusbeutel, C Cirrus, K Keimstock, D Dotterstock, RS Recepta-
culum seminis, Gs Geschlechtssinus, V Vagina. In Fig. 7 sind beide
Gefässe gezeichnet, obgleich sie nicht in derselben Frontalebene liegen.
» 11., 12. Ende der letzten Proglottide, 11 Längs-, 12 Querschnitt.
13., 14. Eier, 14 Schnitt durch die Oncosphäre.
» 15 a — e. Hodenzellen und Spermatogenese, S. Stammzelle.
Figur I. Flächenschnitt einer mit Quecksilberoxydul durchsetzten Proglottide
von Taenia mediocanellata. a. Nerv, b. Gefäss, c. Vagina, d. Vas
deferens, e. Hoden, f. Vas efferens, g. Anlage der weiblichen Drüsen.
» II. Haken von Taenia? decipiens Dies.
•• III. Haken von Taenia crassiscolex.
» IV. Echinorhynchus taeniaeformis.
» V. — VIII. Spiropterina inflata. V. Kopfende, VI. männliches Schwanz-
ende von der Bauchseite, VII. Querschnitt, VIII. durch den Darm.
» IX. Männliches Schwanzende von Filaria hyaliua von der Bauchseite.
» X.— XI. Oxysoma terdentatum, X. Kopfende von der Rücken-, XI. männ-
liches Schwanzende von der Bauchseite.
» XII.— XVI. Dacnitis globosa. XII. Kopfende, XHI. Kopf von der Bauch-
seite, XIV. Querschnitt a. Darm, b. Seitenwülste, c. Muskeln, d. Rücken-
und Bauchwulst; XV. männliches Schwänzende von der Bauchseite;
XVI. Querschnitt durch die Cirren und den Darm.
188 D*'- v. Linstow: Beitrag zur Kenntniss der Vogeltänieu.
Fig. XVII Kopfende von Ascaris gracillima von der Rückenfläche.
■ XVIII.— XX. Angiostomum nigrovenosum. XVIII. Schwänzende des frei-
lebenden Männchens von der Bauchseite, XIX. junge Lungenforin,
a. Drüsenschlauch ; XX. Querschnitt einer entwickelten Lungenforin,
a.Ösophagus, dessen Lumen mit Blut der Froschlunge gefüllt ist, b. Nerven-
ring, c. Muskeln, d. Seitenwulst, e. oberster Theil der Geschlechts-
röhre mit Samenbildungszellen, f. mittlerer mit Eizellen, g. und h.
unterer, g. mit Samenkörperchen und Eizellen.
Beiträge zur Entwicklung
von
Cypselus melba,
nebst
biologischen und osteologischen Details.
Von
Leo Zehntner.
Hierzu Tafel XI.
Vorvor t.
Vorliegende Arbeit wurde im Laufe des Sommers 1889 im
zoologischen Institut zu Bern auf Anregung von Herrn Prof. Dr.
Th. S tu der ausgeführt, in der Absicht, die Besonderheiten im Skelet
des Alpenseglers aufzuklären. Zugleich wollte ich die systematische
Stellung der Cypseliden, welche selbst im neuesten, grossen Werk
von Fürbringer (1) keine definitive Erledigung erfahren hat, erörtern.
Da aber die letztere Frage reiches vergleichendes Material verlangt,
wie es mir zur Zeit nicht zur Verfügung steht, so muss ich auf
diesen Teil der Arbeit vorläufig verzichten. Ich gebe hier im
wesentlichen die Entwicklung des Extremitätenskelets und soweit
möglich diejenige des Schulter- und Beckengürtels. Da ich ferner
Gelegenheit hatte, viele Beobachtungen in biologischer Hinsicht zu
machen, so erlaube ich mir, auch diese mitzuteilen, in der Meinung,
dadurch eine Lücke in der einschlägigen Literatur auszufüllen. In
der Tat findet sich darüber nur wenig vor.
An dieser Stelle sei es mir gestattet, meinem hochverehrten
Lehrer, Herrn Prof. Dr. Th. S tu der meinen innigsten Dank aus-
zusprechen für die stete Anregung, das Wohlwollen und die Weg-
leitung, die er mir in hohem Maasse zu Teil werden Hess. Auch
den tit. Gemeindebehörden von Bern, sowie dem Kirchmeier am
Münster, Herrn Notar Ho wald, bin ich zu Dank verpflichtet dafür,
dass sie mir bereitwilligst den Zutritt zu den Niststellen (Münster-
turm) des Alpenseglers, der sich ihres ganz besonderen Schutzes
erfreut, gestattet haben.
190 Leo Zehntner: Beiträge zur Entwicklung von
Literatur.
Die Werke, welche in der vorliegenden Arbeit benützt und be-
rücksichtigt wurden, sind in der Reihenfolge aufgezählt, in welcher
sie citirt werden und bedeuten die hinter den Namen der Autoren
gesetzten, eingeklammerten Zahlen im Text, jeweilen das Werk, das
unter der gleichen Nummer im Verzeichniss aufgeführt ist.
1. Fürbringer: Morphologie und Systematik der Vögel. 1886 — 88.
2. Katalog der Schweiz. Vögel, bearbeitet im Auftrage des
eidgen. Departements für Industrie und Landwirtschaft von
Dr. Th. S tu der und Dr. V. Fatio. Lieferung II.
3. Shufeldt: Contribution to the comparative Osteology of the
Trochilidae, Caprimulgidae and Cypselidae. Proc, Zool. Soc.
1885, pag. 886 ff.
4. Lucas: The main divisions of the Swifts. Auk. 1889 pag. 8.
5. The affmities of Chaetura. Auk 1886 pag. 444.
6. Parker und G. T. Bethany: Die Morphologie des Schädels.
Uebersetzung von B. Vetter.
7. Kölliker: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren
Thiere.
8. Kölliker: Ueber die Beziehung der Chorda zur Bildung der
Wirbel der Selachier und einiger anderer Fische. Verhand-
lungen der physikal. medicin. Gesellsch. zu Würzburg.
Bd. X.
9. Foster und Balfour: Grundzüge der Entwicklungsgeschichte
der Tiere. Uebersetzung von Kleinenberg. 1876.
10. Hertwig,0.: Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen
und der Wirbeltiere. 1888.
11. Gegenbau r: Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie d.
Wirbeltiere. Heft I. Carpus und Tarsus. 1864.
12. Rosenberg: Ueber die Entwicklung des Extremitätenskelets
bei einigen durch Reduction ihrer Gliedmassen etc. Zeit sehr,
wiss. Zool. Bd. 23. 1873.
13. Morse: On the Tarsus and Carpus of Birds. Annais Lyc.
Nat. Hist. New-York 1874, pag. 141.
14. Studer: Embryonalentwicklung der Vögel. Forschungsreise
S. M. S. Gazelle, Zoologie, pag. 119.
15. Parker: On the strueture and development of the wing in the
common fowl. Philos. Transaction 1888. B.
Cypselus nielba, nebst biologischen und osteologischen Details. 191
IG. Tschan: Recherches sur Fextremite anterieure des Oiseaux et
des Reptiles. Dissertation. Geneve, 1889.
17. Parker: On the morphology of Birds. Proceed. Royal So c.
1887, pag. 52.
18. Parker: On the secondary Carpals, Metacarpals etc. Proceed.
Royal Soc. 1888, pag. 323.
19. Lindsay: On the Avian Sternum. Proc. Zool. Soc. 1885. 2
pag. 684 ff.
20. Baur: Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. Inaugural-
Dissertation. Morpholog. Jahrbuch. Bd. 9.
21. Gegenbaur: Vergleichend anatomische Studien zum Fussskelet
der Vögel. Archiv für Anat., Physiolog. u. wiss. Medicin.
Jahrg. 1863.
22. Sclater: On the Genera and Species of Cypselidae. Proc. Zool.
Soc. 1865, pag. 593.
Des weitern wurden benützt:
23. Balfour: Handbuch der vergleichenden Embryologie. Ueber-
setzung v. Vetter. 1881.
24. Dames: Ueber Archaeopteryx. Palaeontologische Abhandlungen,
herausgegeben von Dames und Kayser. Berlin. 1884.
25. Forbes: Report on the Tubuläres, „Challenger."
26. Gegenbaur: Grundzüge der Vergl. Anatomie.
27. Girtanner: Bericht der St. Gallischen Naturw. Gesellsch. 1867.
pag. 101. Ebenda:
28. Fatio: Ueber Anaperu pallida u. A. maxima. pag. 117.
29. His: Unsere Körperform. Briefe an einen befreundeten Natur-
forscher. 1874.
30. Huxley: Handbuch der Anat. der Wirbeltiere. Uebersetzung
von Ratzel. 1873.
31. Milne-Edwards: Recherches anatomiques et palaeontologique
pour servir a l'Histoire des oiseaux fossiles de la France.
1867—68.
32. Nitsch: Osteographische Beiträge zur Naturgeschichte der Vögel.
Leipzig 1811, pag. 89.
33. Owen: Archaeopteryx lithographicus. Phil. Trans. 1863.
34. — Lectures on the comparative Anatomy and Physiology.
1846.
35. Selenka: Bronns Classen und Ordnungen des Tierreichs, Ab-
teilung Vögel.
36. Wagner: Vergl. Anatomie 1843.
37. Watson: Report on the Spheniscidae, ,, Challenger."
38. Wiedersheim: Lehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbeltiere.
192 Leo Zehntner: Beiträge zur Entwicklung von
I.
Biologisches über Cypselus melba.
Die biologischen Details über den Alpensegler sind in mancher
Hinsicht von nicht geringen Interesse, und in Anbetracht des Um-
standes, dass die bezüglichen Beobachtungen ziemlich spärlich sind
wohl wert, veröffentlicht zu werden. [Siehe Gir tanner: Bericht
der St. gallischen naturw. Gesellschaft 1867, pag. 101. Ebenda:
Fatio über Anapera pallida, welche auf Cypselus schmarotzt.
Ich habe die Angaben Fatio's bestätigt gefunden.] Die vorliegenden
Beobachtungen wurden im Laufe des Sommers 1889 auf dem Münster-
turm in Bern gemacht, wo eine ziemlich starke Colonie von Alpen-
seglern nisten. (Ueber weitere Niststellen verweise ich auf den
„Katalog Schweiz. Vögelu Lieferung II (2). Die Ankunft des Alpen-
seglers fällt auf Ende März oder Anfang April (im verflossenen Jahr
kamen die ersten am 1. April) und zwar erschienen nach Angabe
des Turmwartes Reinhard jun. zuerst nur wenige Exemplare, gleichsam
Vorposten, welche die alte Heimat inspiciren. Diese ziehen bald
wieder ab, um in grösserer Gesellschaft nach einigen Tagen zurück-
zukehren. Niemals rückt die ganze Colonie auf ein Mal ein. Der
anfängliche Schwärm wird hernach von Tag zu Tag stärker, indem
sich immer neue Ankömmlinge den ersten hinzugesellen. Im letzten
Jahre mag die Colonie aus 200 Stück bestanden haben, eine Zahl,
die bis dahin noch nicht beobachtet worden ist.
Die Alpensegler kommen wohlgenährt aus dem Süden, was ihnen
im Frühjahr sehr zu Statten kommt. Denn ihr Bedarf an Insecten
ist gross, der Vorrat aber gering, namentlich, wenn im April kalte
Witterung eintritt. Man trifft sie dann in dichten Haufen zusammen-
gedrängt, hungernd auf bessere Witterung wartend. Oder, wenn sie
von Hunger getrieben, sich hinauswagen, so umkreisen sie ganz gegen
ihre Gewohnheit, lautlos den Turm. Jedes Frühjahr gehen einige
Exemplare in Folge von Hunger und Kälte elendiglich zu Grunde.
Wenn aber die Witterung günstig ist, dann ist der Turm ungemein
belebt. Unermüdlich in ihrem Lärmen und gegenseitigen Zanken
sowohl als in ihrem äusserst geschickten Flug durchsausen die Segler
die Lüfte, wie kein anderer Vertreter der Vögel. Dabei halten sie
eine ziemlich strenge Tagesordnung inne. Mit dem Morgengrauen
verlassen sie ihre Ruheplätze, um der Nahrung nachzujagen, welche
sie alle im Flug erhaschen. Der Flug dauert ohne Unterbruch bis
Mittag an. Nach 12 Uhr sah ich selten fliegende Alpensegler. Die
Mittagspause, die einzige Zeit, während welcher sie sich relativ ruhig
verhalten, dauert bis 5 oder 6 Uhr, wo der Flug von neuem beginnt
und bis zum Einbruch der Nacht anhält. An warmen Abenden sah
ich noch um 9 Uhr fliegende Alpensegler. Die Nacht wird unter
lautem, unermüdlichem Gezwitscher, das den Anwohnern des Münster-
Oypselus melba, nebst biologischen und osteologischen Details. 193
platzes oft recht unangenehm wird, zugebracht. Oypselus apus hält
die Tagesordnung weniger streng inne.
Die Nester befinden sich, soweit der Platz reicht, auf der höchsten
Stelle des Turmes, d. h. unter dem Dach, welches den noch nicht
ausgebauten Turm abschliesst. Da sind sie auf die Mauer, auf vor-
ragende Balken und Steine, auf die Gewölbe im Innern des Turmes,
kurz, wo sich nur Gelegenheit bietet, gebaut. Wenige sah ich tiefer
unten am Turm, in Mauerlöchern und sonstigen Schlupfwinkeln nisten,
wo sich auch der bescheidenere Verwandte Cypseltts apus, angesiedelt
hat. Einige wenige, wahrscheinlich Vertriebene vom Turm, haben
ihre Nester auf dem Estrich eines Hauses, mitten in der Stadt an
belebter Strasse angelegt. Immer konnte ich beobachten, dass die
Nester höher oder auf demselben Niveau mit der Abflugstelle liegen.
Dies ist in Zusammenhang zu bringen mit den zum Gehen schlecht
eingerichteten Füssen der Alpensegler. So gewandt sie sich in der
Luft bewegen, so unbehilflich sind sie auf dem Boden, immerhin
nicht in dem Maasse, wie gewöhnlich angegeben wird. Die kurzen
Füsse mit den starken, scharfen Krallen eignen sich ziemlich gut
zum Klettern, bei welchem sie wie beim Gehen auf der Erde durch
kräftige Flügelschläge auf den Boden nachhelfen. Dagegen sind sie
ausser Stande, sich vom Boden zum Fluge zu erheben. Doch genügt
ihnen schon eine Erhöhung ihres Standpunktes von 0,5 — 1 m, um
in absteigendem Bogen vom Rande aus zum Fliegen überzugehen.
An rauhen Mauern klettern sie ziemlich behende senkrecht empor,
behauene Steine vermögen sie hingegen nicht zu erklettern.
Da der Alpensegler sich nie auf die Erde niederlässt, es sei
denn in unfreiwilliger Weise, so ist er gezwungen, das Material zu
seinem Nest in der Luft zu suchen, seine Federn allein ausgenommen.
Fliegend erhascht er alles, was der Wind von der Erde in die Luft
erhebt und zum Nestbau dienlich ist, und so finden wir denn alles
mögliche: Strohhalme, Haare, Wolle und Baumwolle, Laub. Sehr
häufig sind die Knospenschuppen der Buche verwendet; oft machen
sie einen beträchtlichen Teil des Nestes aus. Ferner finden sich
gelegentlich kleine Holzstäbchen, sodann Compositensamen in grosser
Zahl, Moos, Papierschnitzel etc. etc. Endlich werden auch Federn
verwendet, diese aber erst während der Brützeit und in ziemlich un-
geordneter Weise zugefügt. Die Papierschnitzel rühren zum Teil
vom Turmwart her, die dieser zur Zeit des Nestbaues gelegentlich
fliegen lässt Es ist dann recht ergötzlich, zuzusehen, wie die Papier-
schnitzel von den Alpenseglern mit erstaunlicher Sicherheit weg-
gefangen und zu Neste getragen werden. Bei anhaltender Trockenheit
improvisirt der Turmwart mit einer kleinen Giesskanne einen Regen
und es ist allerliebst, wie die dürstenden Tiere die fallenden Tropfen
weghaschen. — Alle die angeführten Bestandteile des Nestes sind
miteinander verfilzt und verklebt durch eine Masse, die derjenigen
sehr ähnlich sieht, aus welcher das Packpapier verfertigt wird.
Diese Masse entsteht so, dass der Alpensegler kleinere Vegetabilien,
die er in grosser Menge fängt, verschluckt oder wenigstens in den
Archiv f. Naturgesch. Jahrg. 18G0. Bd. I. H, 3. 13
194 Leo Zehn tu er: Beiträge zur Entwicklung von
Schlund befördert, wo sie gleich wie die Nahrung stark eingespeichelt
werden. Die Segler zeichnen sich bekanntlich durch ihren gummi-
artigen Speichel aus; durch das innige Vermengen jener kleinen
Vegetabilien mit dem Speichel entsteht eine breiartige, klebrige
Masse, die nun zum Ueberziehen und Verkleben der grösseren Be-
standteile des Nestes dient. Die Masse ist also Product einer Vor-
verdauung und wird als Bindemittel, wie Mörtel, verwendet. Leider
konnte ich den Nestbau nicht genügend beobachten, da die Tiere zu
dieser Zeit sehr scheu waren und ich nicht riskiren mochte, sie ganz zu
vertreiben. In mehreren Fällen wurden nämlich Nester, die ich ge-
nauer beobachtete, nicht wieder besucht. Bei der geringsten Störung-
entfernten sich die Tiere und kamen selbst nach stundenlangem Warten
nicht wieder oder nur sehr flüchtig zurück. Ich konnte daher auch
nicht constatiren, dass die mehrerwähnte Masse ausgespieen werde,
was doch, wenn meine Annahme von der Entstehungsweise richtig
ist, geschehen müsste. Trotzdem glaube ich an die Richtigkeit meiner
Annahme und ich werde darin durch den mikroscopischen Befund
bestärkt.
Erst während der Brütezeit werden die Nester vollständig aus-
gebaut, namentlich der obere Rand. Ich sah mehrmals, wie die
brütenden Alten am Nestrande arbeiteten, und das Resultat ist ein
grossenteils durchsichtiger, oft 0,5 mm dicker Ueberzug von reinem
Speichel. Auch grosse Bestandteile des Nestes, wie Papierfetzen,
Lappen, Halme werden mit durchsichtiger Masse überzogen, wodurch
das Nest ein sauberes Aussehen bekommt. In mehreren Fällen haben
die Alpensegler Cadaver ihrer eigenen Cameraden in wenig pietät-
voller Weise in den Nestbau miteinbezogen.
Die Nester, welche wenig Kunstsinn verraten, haben eine Breite
von 12 cm und sind nur 3 cm tief. Schon wenige Tage nach dem
Ausschlüpfen haben die Jungen nur kümmerlich Raum und schützen
sich vor dem Hinausfallen dadurch, dass sie sich an das Nest an-
klammern, mit solcher Gewalt, dass ich einem lOtägigen Jungen beim
Herausnehmen eine Kralle von der Zehe riss. In der spätem Zeit
verlassen sie oft das Nest und hocken zusammengekauert in dessen
Nähe.
Um die Mitte Mai beginnt die Paarung. Die Begattung vollzieht
sich namentlich im Laufe des Vormittages oder abends nach 6 Uhr,
und ist von wüstem Lärm begleitet. Unaufhörliches Zanken, gegen-
seitiges Verfolgen, heilloses Geschrei ist die Signatur dieser Zeit.
Die Begattung ist eine sehr ungestüme. Nicht selten verkrallen sich
die Paare derart ineinander, dass sie oft während der Begattung
plump auf die Gallerien oder bis auf die Dächer der herumliegenden
Gebäude herabfallen, ohne den geringsten Schaden zu nehmen. —
Anfangs Juni fand ich die ersten Eier, und zwar je eines in einem
Nest. Nach einigen Tagen kommt ein zweites hinzu und damit ist
das Gelege fertig. In wenigen Fällen werden drei Eier gelegt, die
Regel sind zwei. Die Eier haben meist spitzovalen Umriss. Im Durch-
Cypselus melba, nebst biologischen nixl osteologischen Details. 1«,)5
schnitt beträgt die grösste Länge 30,76 nun, die grösste Breite
19,55 mm. Die grösste Länge schwankt bei 37 gemessenen Eiern
zwischen 27,5 und 33,5 mm, die grösste Breite zwischen 18,5 und
20,75 mm. - - Bald nach der Eilage beginnt die Brütung. Sie ist
keine sehr sorgfältige. Fast jeden Tag fand ich zerbrochene oder
ans den Nestern geworfene Eier. Die Jungen schlüpfen nach 18
bis 21 Tagen aus, selten beide am gleichen Tag. Sie wachsen in
Folge des reichlichen Futters rasch heran. Anfangs ganz nackt, mit
verschlossenen Augenlidern, brechen nach 6 Tagen auf den Feder-
Auren die ersten Dunen hervor. Diese sind von aschgrauer Farbe.
Mit ca. 12 Tagen ist der ganze Körper damit bedeckt. Unter den
Dunen, welche verhältnissmässig lange Spulen haben, bemerkt man
schon die definitiven Federn, welche zuerst am Kopf, Schwanz und
den Flügeln hervorbrechen. Der Kopf sieht in dieser Zeit, um welche
sich die Augen öffnen, wie beschuppt aus. 14 tägige Junge haben
beinahe die definitive Körpergrösse erreicht, und es handelt sich nun
noch um die Ausbildung des Gefieders und der Flugfähigkeit über-
haupt. Anfangs Juli ausgeschlüpfte Junge werden erst in der zweiten
Hälfte des August flügge.
Die Zeit der Eilage schwankt zwischen sehr weiten Grenzen.
Noch am 12. Juli fand ich frischgelegte Eier, als die Brut in andern
Nestern schon bald flügge war. Dadurch erklären sich die Nach-
zügler, welche bis zur Zeit des Hauptzuges nicht flügge werden und
von den Alten verlassen, zu Grunde gehen. Jedes Jahr bleiben
einige Junge von allzustark verspäteten Brüten zurück. — Eine zweite
Eilage habe ich in keinem Fall beobachtet.
Die Nahrung der Alpensegler besteht lediglich in Insecten,
welche sie alle im Fluge fangen. Mehrmals wartete icli bei meinen
Besuchen der Niststellen die Aetzung der Jungen ab. Bei schönem
Wetter kamen die Alten, die sich bei meinem Erscheinen entfernt
hatten, bald zurück, Schnabel und Schlund derart von Insecten voll-
gepfropft, dass deren Flügel oft noch zum Schnabel herausschauten,
und die Kehle derart aufgetrieben war, dass die Federn sich sträubten.
Den Jungen vom 10. — 14. Tage an wurde der ganze Ballen, oft in
der Grösse einer mittleren Baumnuss, auf ein Mal in den fürchterlich
weit aufgesperrten Schnabel resp. Schlund entleert. Jüngere erhalten
natürlich kleinere Portionen. - - Es interessirte mich nun sehr, was
wohl alles in solchen Ballen enthalten sein konnte und ich suchte
mir welche zu verschaffen. Ich verfiel auf folgende einfache Methode :
wenn die ätzenden Alten aus dem hellen Sonnenschein am Neste an-
flogen, waren sie ein wenig geblendet und ich konnte sie ziemlich
leicht fangen, wenn anders ich mich am richtigen Ort aufgestellt
hatte. Sonst hatte ich das Nachsehen; denn die Tiere krabbeln
sehr behende zu ihren Nestern und im Nu ist der Ballen im Rachen
eines Jungen verschwunden. Hierbei kann man sich überzeugen,
dass die Alpensegler ganz und gar nicht so ungeschickt sind, wie
man glauben möchte. - - War ich im Besitze eines Alten, das sich
13*
196 Leo Zeh utne r: Beitrage zur Entwicklung von
den Schlund so recht vollgestopft hatte, so würgte es, wahrscheinlich
wegen der Beängstigung, unter berechtigtem Geschrei den Ballen
heraus. Dieser ist von einer zähflüssigen, gummiartigen Masse ganz
umhüllt. Legt man ihn auseinander, so hat man eine förmliche
kleine Insectensammlung vor sich. Nie fand ich etwas anderes als
Insecten. Diese sind zum grossen Teil noch gut erhalten, ja lebendig,
alles zappelt und krabbelt und sucht aus der unbequemen Lage zu
kommen. Gewöhnlich sind aber die Flügel verklebt und die Beine
in einander verstrickt. Die Zahl der Insecten in einem Ballen ist
eine sehr grosse. Ich zählte in einem 156 Stück, darunter 25 Taba-
niden und ebensoviele Syrphiden. In mehreren fand ich 80 — 100,
in einem sogar 220 noch ziemlich gut erhaltene Exemplare, darunter
tabanus bovinus 30 Stück. In einem Falle traf ich neben einer grossen
Zahl kleiner Insecten 7 Stück der Vanessa cardui, mehrmals
bestand der ganze Ballen aus lauter fliegenden Ameisen einer und
derselben Art. Soweit möglich, habe ich die Insecten generell be-
stimmt und folgende gefunden: Tabaniden, Syrphiden , Museiden,
verschied. Mücken, Aphiden, Lepidopteren, Ichnewmoniden, Libelle»,
Aculeaten, Cole opferen etc. etc. Aus dieser Aufzählung geht hervor,
dass sich die schädlichen und nützlichen Insecten ungefähr das Gleich-
gewicht halten und es ist keine Rede davon, dass der Alpensegler
eine Auswahl trifft. Alles, was in seinen Bereich kommt, macht er
zur Beute, er fliegt gleichsam mit seinem sehr breiten Schnabel über
seine Beute weg, packt alles in seinen Schlund und speichelt es dort
kräftig ein. Mit der Temperatur, Witterung, Jahres- und Tageszeit
wechselt auch sein Futter. — Ich beobachtete einen Alpensegier, der
eben geätzt hatte und sah ihn schon nach einer Viertelstunde wieder
mit vollem Schlund zurückkehren. Nehmen wir an, ein Alpensegler
befinde sich täglich nur 10 Stunden auf der Insectenjagd und kehre
jede Stunde nur 2 Mal mit nur 100 Insecten zurück, so kommen wir
pro Tag auf die Zahl 2 000. Wir haben es also mit einem ganz an-
sehnlichen Insectenvertilger zu thun.
Im September, wenn die Brut flügge geworden, unternehmen
die Alpensegler grössere Flüge als bisher. Es dient dies wahr-
scheinlich als Vorübung auf die bevorstehende Reise nach Süden.
Am frühen Morgen zieht die ganze Colonie vom Turme ab, um erst
mit Einbruch der Nacht zurückzukehren. Es scheint, dass der Flug
den ganzen Tag dauert. Diejenigen Jungen, welche den Flug noch
nicht wagen, müssen hungern, wodurch sie schliesslich zum Fliegen
gezwungen werden. In kurzer Zeit haben sie es zur Meisterschaft
gebracht.
Ende September beginnt der Zug nach Süden. Tagtäglich wird
die Colonie schwächer, bis endlich der letzte Schwärm abzieht. Dies
geschieht in der Regel in der ersten Octoberwoche.
Cypselus melba, nebst biologischen und osteologischen Details. }<)7
IL
Osteologisches über Cypselus melba.
Was das Osteologische über Cypselus melba betrifft, so kann
ich mich sehr kurz fassen. Da ich in den folgenden Capiteln wesent-
lich über die Extremitäten handeln werde, so kommt es mir nament-
lich darauf an, das Extremitätenskelet zur Darstellung zu bringen.
Da ferner in jüngster Zeit bei der Systematik der Cypseliden der
Schädel mehrfach in Berücksichtigung gezogen worden (3, 4 u. 5),
so will ich auf einige Einzelheiten des Schädels von Cypselus melba
eingehen. Die untere Ansicht desselben stimmt in den Umrissen
nahe mit der Abbildung überein, welche Lucas (4) von Chaetura
pelagica gibt. In der Gegend des vordem Vomerencles ist der
Schädel von ( ypselus melba etwas schmäler. Der processus maxillo-
palatinus hat die für die Segler charakteristische hakenförmige Ge-
stalt. Er geht über das vordere Ende des Palatinum hinweg, er-
reicht die vordere Ecke des Vomer, wendet sich alsdann nach
hinten, indem er längs des äusseren Randes des Vomer verläuft.
Er ist bei Cypselus melba länger, als ihn Lucas (4) bei Antrostomus,
Dendrochelidon und Chaetura abbildet, und in eine feine Spitze aus-
gezogen. Das Vomer ist vorn abgestutzt und am Ende T- förmig
verbreitert. Das hintere Ende ist wenig verbreitert, abgerundet und
median gespalten, wodurch 2 lanzetliche Knochenlamellen entstellen.
Eine jede dieser legt sich an das entsprechende Palatinum an, wo-
durch der Raum zwischen den Palatina gegen das Ethmoideum zu
abgeschlossen wird. In der Ebene der Schädelbasis hingegen stehen
die Palatina um 2 mm auseinander. Sie haben sehr complicirte Ge-
stalt. Von unten gesehen bemerkt man zwei parallel nach vorn
verlaufende Fortsätze, von denen der grössere, äussere sich der
Maxilla von unten anlegt, der kleinere griffeiförmige, innere vorn
frei endet. Zwischen beiden Fortsätzen ist der proc. maxillopalat.
sichtbar. Am hintern Ende verengern sich die Palatina plötzlich
zu einem kurzen Fortsatz, der mit dem entsprechenden Pterygoideum
in Verbindung steht. Das Rostrum Sphenoidei, welches über dem
Vomer verläuft, tritt nur ganz wenig zwischen den Schenkeln des
letzteren hervor, während es bei Dendrochelidon und Chaetura zum
grössten Teil sichtbar ist. Das Ethmoideum, welches sich zwischen
die Frontalia eindrängt, und bei jugendlichen Schädeln auf der
Schädeloberfläche rautenförmig erscheint, ist mit den wulstigen,
lufterfüllten Antorbitalplatten (Parker) versehen (6). Die Antorbital-
platten springen um 2 mm über den Rand der Frontalia hinaus.
Die Pterygoidea treffen unter einem Winkel, der ca. 90° beträgt,
beinahe zusammen und keilen sich mit einem spitzen, kleinen Fort-
satz zwischen Palatinum, Vomer und Rostrum Sphenoidei ein. —
Die grösste Länge des Schädels beträgt 40 mm, die Breite am
distalen Ende der Quadrata 22 mm, der Abstand des Condylus von
der Spitze der Praemaxilla 32 mm. Der Umriss des foramen magnum
198 Leo Zehntner: Beiträge zur Entwicklung- von
ist birnförmig ; die Spitze ist nach dem Occipitale superius ge-
richtet.
Das Sternum (Fig. 5 u. 6) hat länglich viereckige Gestalt.
Der Hinterrand1) ist ganz, ohne Einbuchtungen und ein wenig
convex; die seitlichen Ränder leicht geschweift. Von Fenstern im
Körper des Sternum finde ich nichts. Die crista sterni ist sehr gut
entwickelt. Bei einer Länge des Brustbeinkörpers von 35 mm ist
die grösste Erhebung der Crista 15,5 mm (vom vordem, obern
Rand der Gelenkfläche für das Coracoideum gemessen). Sie springt
ziemlich stark nach vorn winklig vor. Ihr vorderer Rand ist concav
und verdickt. Von der höchsten Spitze verläuft der untere Rand
sehr wenig convex gegen den Hinterrand des Brustbeinkörpers zu.
Auf der dem Bauche zugekehrten Fläche des letztern befinden sich zwei
medial gelegene foramina pneumatica, das eine am vordem Ende,
zur Pneumatisirung der Crista, namentlich deren vordem Randes;
das andere, kleinere nahe am Hinterrand. Letzteres ist nur bei
älteren Exemplaren deutlich zu sehen. Die Furcula ist breit,
kräftig gebaut , von U - förmiger Gestalt (Fig. 7). Sie ist mit
dem Coracoideum beweglich verbunden. An dieser Stelle beträgt
ihre Breite 18 mm und die Verbindungslinie der Stellen, wro die
Furcula die grösste Breite hat, steht nur 14,5 mm von ihrem medianen
Vereinigungspunkt ab. Das Coracoideum (Fig. 8) ist ein massig
langer, starker Knochen, mit kleinem processus procoracoideus, der
an der Basis von einer kleinen Oeffhung durchbohrt ist. Die Länge
des Coracoids beträgt 17,5 mm, also gerade die Hälfte derjenigen
des Sternum. Der Humerus hat ganz bizarre Gestalt. Vor allem
zeichnet er sich durch seine relativ geringe Länge aus, überhaupt
durch seinen gedrungenen, kräftigen Bau. Seine Länge beträgt nur
16,5 mm. Das proximale Drittel des Humerus ist stark verbreitert
und die Verbreiterung wird noch erhöht durch die Anwesenheit von
starken Fortsätzen, welche zum Ansatz der kräftigen Flugmusculatur
dienen (Fig. 9). Auf der innern Seite liegt der processus
medialis mit der fossa pneumoanconaea, auf der äussern der
proc. lateralis als Ansatzstelle für den mu sc. pect oralis, welcher
eine bedeutende Entwicklung erlangt. Der proc. med. gewährt den
Mm. scapulo - humeralis post. und anconaeus humeralis
Ansatzstelle. Das distale Ende des Humerus wird zu 2/3 von der
Ulna, zu Vs vom Radius in Anspruch genommen. Beide Condylen
sind auf der dorsalen (anconalen) Seite durch eine tiefe Grube von-
einander getrennt, auf der ventralen springen sie wulstig vor. Der
Epicondylus medialis s. ulnaris ist in Gestalt von 2 warzen-
artigen Erhebungen präsentirt, der Epicondylus lateralis s.
l) Bei der Beschreibung des Sternum denke ich mir dasselbe so gestellt,
dass der Brustbeinkörper horizontal liegt. Die crista sterni springt alsdann
nach vorn und unten vor, hat also einen vordem und einen untern Rand. Am
Brustbeinkörper unterscheide ich ausser den Seitenrändern einen Vorder- und
Hinterrand.
Cypselus melba, nebst biologischen und osteologischeu Details. !<,)<)
radialis ist als proc. supracondyloideus lateralis beinahe in
die Mitte der lateralen Seite des Hivmerns gerückt und wohl ent-
wickelt. Er steht mit dem m. extensor Metacarpi radialis in
Beziehimg-. ■ — Der kurze, kräftige Humerus und die sehr stark ent-
wickelte Flugmusculatur scheinen hauptsächlich die schnellen Flug-
bewegungen zu ermöglichen, welche den Seglern eigentümlich sind.
Aehnliche Verhältnisse bestehen bei den Trochiliden. - - Die Pneu-
maticität des Humerus erreicht einen hohen Grad; das foramen
pneumat. ist bei jugendlichen Skeleten sehr gross, bei alten wird
es durch kleine Knochenstäbchen vergittert. Die Ulna ist ein
kräftiger, gerader, im Querschnitt stumpf-dreieckiger Knochen von
26 mm Länge, incl. Olecranon. Der Radius ist viel schlanker und
nur "23,5 mm lang. Zwischen Humerus und Ulna liegen zwei kleine
Sesambeine, zu beiden Seiten des Olecranon. Das laterale ist
das grössere und gehört der Endsehne des m. anconaeus scapu-
laris an, während das mediale in der Endsehne des m. ancon.
humeralis liegt. Ich finde diese Sesambeine auch in einer Ab-
bildung des Flügelskelets von Trochüus Alexandri, welche Shufeldt
gibt (3). Dagegen finde ich im Carpus neben Radiale und Ulnare
keine Sesambeinbildungen, wie sie Shufeldt für Troch. alexandri in
der Zweizahl angibt. Im weitern verweise ich auf Fig. 9.
Die Länge der Hand vom Metacarpale II an beträgt 55 mm, ist
also grösser als die des Armes. Ich werde auf dieses anormale
Verhalten später näher eintreten und sein Zustandekommen ver-
folgen.
Das Becken ist verhältnissmässig schwach gebaut. Es ver-
schmilzt mit elf Wirbeln, von denen die zwei vordersten noch Rippen
tragen. Die ossa II ei stossen direct an die Querfortsätze der Wirbel
und verschmelzen ziemlich spät mit ihnen. Ilium und Ischium
verwachsen distal mit einander, das grosse foramen ischiadicum
zwischen sich lassend. Die hintere, gemeinsame Grenze ist fast
geradlinig. Pubis und Ischium verschmelzen an zwei Stellen mit-
einander (foramen obturatorium und for. ovale). Das erstere über-
ragt letzteres nach hinten um 9 mm. Die beiden Pubis stehen an
der breitesten Stelle des Beckens um 30 mm auseinander, um sich
an ihren hintersten Enden bis auf 18 mm zu nähern. — Der Femur
hat einen ziemlich gerundeten, ganz ansitzenden Gelenkkopf und
einen abgeflachten Trochanter, der proximalwärts nicht über den
Gelenkkopf hinausspringt, so dass das obere Ende des Femur in fast
rechtem Winkel zur Längsaxe wie abgeschnitten erscheint. Der
rundliche Schaft ist etwas nach aussen gebogen. Die Länge des
Femur beträgt 23,5 mm. Eine patella genu ist in guter Ausbildung
vorhanden. Der Tibiotarsus ist ein schlanker Knochen von 31 mm
Länge. Die proximale Endfläche ist derart verbreitert, dass sie
fast quadratischen Umriss hat. Die Gelenkfläche neigt in ihrer
Hauptrichtung von innen nach aussen. Von cristae tibiae ist nichts
zu bemerken. Der Schaft der Tibia ist gerade, rundlich ; am untern
Ende findet sich die Knochenbrücke für die Sehnen der Zehenstrecker.
•200 Leo Ze Initiier: Beiträge zur Entwicklung von
Die zwei Condylen am distalen Ende stehen schief (nach innen) zur
Längsaxe der Tibia, ein Verhalten, das beim jugendlichen Skelet
noch nicht deutlich ausgeprägt ist. Die Fibula ist sehr klein, aber
wohl verknöchert. Ihre Länge beträgt nur 8 mm. Der Tarsome-
tatarsus ist nur 13,5 mm lang. Er wird beinahe horizontal ge-
tragen und dient zum Sitzen, was sich darin ausdrückt, dass die
Haut am proximalen Ende der hintern Fläche des Tarsometatarsus
eine feste Sitzschwiele bildet. Die hintere Fläche des Tarsometatarsus
ist von einer breiten, longitudinalen Furche durchzogen, die durch
eine starke innere und äussere Knochenleiste noch verstärkt ist.
Diese Knochenleisten sind namentlich an den Enden des Tarsometa-
tarsus entwickelt und gehören den Condylen des Metatarsale II und
IV, sowie der distalen Tarsalreihe an. Sie haben den Zweck, die
Scheide, welche die Sehnen der Zehenbeuger susammenhält, zu ver-
stärken. Bei den gewaltigen Kraftäusserungen der Zehen beim
Klettern ist diese Verstärkung unbedingt nötig, um die Sehnen sicher
in der Richtung der Zehen zu halten, wodurch allein eine zum
Klettern günstige Bewegung der Zehen erzielt wird. Auch die vordere
Fläche des Tarsometatarsus ist von einer Längsfurche durchzogen,
die am distalen Ende zwischen den zwei äusseren Condylen endigt.
Sie wird proximal durch die distale Tarsalreihe, distal durch die
Condylen abgeschlossen,' während die Furche auf der hintern Fläche
über den ganzen Tarsometatarsus verläuft. Bei jugendlichen Skeleten
kann man am proximalen Ende desselben noch eine Strecke weit
die Grenze zwischen den verschmolzenen Metatarsen verfolgen; zwischen
dem III u. IV. verharrt noch lange eine ansehnliche Durchbohrung,
weniger lang eine solche am distalen Ende. Die erste Durchbohrung
ist selbst am alten Metatarsus, allerdings nur mit Hilfe der Lupe,
wahrzunehmen. Zwischen dem II. u. III. Metatarsale sind eine Zeit
lang an beiden Enden seichte längliche Vertiefungen zu sehen. Die
drei Condylen sind ziemlich gut isolirt ; namentlich zwischen den
zwei innern existirt lange Zeit ein tiefer, schmaler Einschnitt. Der
innerste Condylus reicht am weitesten hinab, der äusserste am
wenigsten weit. Die Phalangenzahl beträgt zwei in der ersten und
je drei in den übrigen Zehen. In einem spätem Abschnitt werde ich
das Zustandekommen der abnormen Phalangenzahl des eingehendsten
behandeln. Die erste Phalange der drei äussern Zehen ist cubisch,
sehr kurz, die erste der ersten Zehe, sowie die zweite der drei andern
sind schlank, etwas nach unten gebogen und messen: die der I. und
II. Zehe je 9 mm, die der III. 8 und die der IV. 7,5 mm.
III.
Die Entwicklung der Leibesformen im Allgemeinen.
Vorbemerkung. Die jüngsten Entwicklungsstadien, welche ich
beobachten konnte, sind vom 2.-3. Brüttag. Im ganzen war ich
ausser Stande, das Alter der Embryonen sicher festzustellen, wegen
der Unmöglichkeit, den Anfang der Bebrütung iixiren zu können
Cypselus melba, liehst biologischen und osteologischen Details. 201
und wegen der teilweise unregelmässigen Bebrütung selbst. Bis auf
einen gewissen Grad konnte ich mir dadurch helfen, dass ich frisch
gelegte Eier wegnahm und in Nester unterlegte, wo das Brutgeschäft
schon begonnen hatte. Auf diese Weise erhielt ich einige frühe
Stadien, deren Alter ziemlich sicher war, wenngleich auch damit
noch keine absolute Sicherheit erreicht ist; denn die Eier sind bei
ihrer Ablage schon sehr verschieden weit vorgeschritten. Nie traf
ich in einem und demselben Gelege die gleichen Entwicklungsstadien
an. Bald wurde schon gebrütet, wenn erst ein Ei gelegt war und
nachher wurde noch ein zweites, gelegentlich sogar noch ein drittes
hinzugelegt, bald blieb das Gelege mehrere Tage unbebrütct. So kam
es,- dass ich viel weniger passendes Material erhielt, als ich erwartet
hatte. Dazu kam noch der Umstand, dass ich am Anfang der Briitung
nur wenige Nester beobachtete, aus Furcht, die Tiere bei allzu öfteren
und eindringlichen Besuchen ganz zu verscheuchen. Auch erhielt
ich erst am 15. Juni die definitive Erlaubniss zum Zutritt zu den
Brütstellen, als schon, wie sich nachher herausstellte, in der Mehr-
zahl der Nester die Brütung begonnen hatte. Nichtsdestoweniger
ist es mir gelungen, eine Serie von Entwicklungsstadien herzustellen.
Wenn ich im Nachstehenden von Embryonen von einem gewissen
Alter spreche, so ist dasselbe immer nur als ein approximatives an-
zusehen.
Die Embryonen wurden zum Teil in Chromsäure, zum Teil in
Pikrinsäure fixirt, in Alcohol gehärtet, später mit Boraxcarmin
oder Alaunpurpurin in toto gefärbt und weiter verarbeitet. Die
Jüngern Stadien wurden sofort gezeichnet. Die Extremitäten, welche
ich einer genaueren Untersuchung unterzog, wurden vom Körper ab-
getrennt, die Jüngern Stadien unverändert montirt, die altern wegen
ihrer bedeutenderen Dicke der Musculatur entledigt und dann eben-
falls in toto montirt. Die Färbung mit Alaunpurpurin ist bei dicken
Objecten besser als die mit Boraxcarmin, weil viel klarer, durch-
sichtiger. Ich konnte an den in toto montirten Extremitäten schon
sehr viel erkennen und fertigte nur da Schnittserien an, wo es mir
auf feinere Strueturverhältnisse ankam. Die Objecte bettete ich nach
der Chloroformparaffinmethode ein und goss sie auf würfelförmig zu-
geschnittene Korkblöcke, welche sich für kleine Objecte sehr gut zum
Einspannen in das Mikrotom eignen. Die Schnitte wurden mit Col-
lodium-Nelkenöl auf die Objectträger geklebt, das Paraffin mit Benzol
ausgewaschen und nachher die Schnitte gefärbt, wenn das Object
nicht schon dieser Operation unterzogen war.
Ueber die Entwicklung der allgemeinen Körperform will ich
mich nicht weit verbreiten, da sie sich in der Hauptsache unter den
gleichen Erscheinungen vollzieht, wie beim Hühnchen. Bei einem
Embryo von ca. 60 Stunden (Fig. 1) bemerke ich deutlich drei
Visceralbogen , die erste Anlage des Ohres, das ziemlich grosse
Herz mit bulbus, Kammer und Vorkammer und drei Gehirnblasen.
Der Schwanzteil ist sehr undeutlich. Im Auge bemerkt man bei
günstiger Beleuchtung die gestielte Linse, allein nur so lange der
202 Leo Zehiitner: Beiträge zur Entwicklung von
Embryo durchsichtig ist. Die ersten Anlagen der Extremitäten
treten als lappenförmige Gebilde am dritten Brüttag auf (Fig. 2).
Sie setzen weit dorsal gerückt mit breiter Basis an und liegen wegen
des Vorherrschens des Kopfes scheinbar weit hinten am Körper. Der
lange Schwanz legt sich spiralig um das distale Ende der hintern
Extremität. Der Kopf ist stark auf die Bauchseite gekrümmt und
berührt den Schwanz beinahe. Zwischen beiden tritt der Stiel der
birnförmigen Allantois hervor. Am Kopfe sind 5 Gehirnblasen zu
erkennen. Bei einem ca. 3tägigen Embryo von 6,5 mm Nacken-
steisslänge pulsirte das Herz in verdünnter Chromsäure noch min-
destens eine halbe Stunde lebhaft fort. Diese Lebenszähigkeit macht
es uns erklärlich, dass das Brütgeschäft selbst bei jungen Stadien
für längere Zeit kann unterbrochen werden, ohne dass der Embryo
Schaden nimmt. Daher auch die Unregelmässigkeiten in der Be-
brütung. —
In frischem Zustand oder nach dem Färben sind bei 3tägigen
Embryonen die Ursegmente oder Somiten, durchweiche die Chorda
hindurch schimmert, sehr deutlich zu erkennen (Fig. 2). Ihre Zahl
ist grösser als diejenige der Wirbel. Ich zähle an einem 3 — 4tägigen
Embryo 44 Somiten, wovon auf den Hals, d. h. vor die vordere Ex-
tremität 12, auf die breite Basis der vorderen Extremität 6, zwischen
die Extremitäten 7, auf die hintere Extremität 6 und auf den Schwanz
13 entfallen, in Summa 44. — Die Zahl der Wirbel beträgt nur 37.
— Schon beim 4 — ötägigen Embryo (Fig. 3) sind die Somiten
unmittelbar hinter dem Kopfe sehr undeutlich und es scheint mir,
dass einige im Schädel aufgehen. Nach den Untersuchungen von
Kölliker (7, 8), Foster-Balfour (9), Gegenbaur (nach Foster-
Balfour citirt), Hertwig (10) u. A. wird ein Teil der Somiten zur
Grundlage der Wirbel. Diese skeletogene Partie der Somiten
bildet zunächst eine einheitliche Umhüllung der Chorda und des
Nervenrohrs, welche alsdann eine Neugliederung erleidet. Die
Segmente der Neugliederung werden zu den definitiven Wirbeln. Bei
Cypselus melba nun werden 42 Wirbelelemente angelegt, 5 mehr als
wir bei der erwachsenen Wirbelsäule finden. Es tritt also im Laufe
der Entwicklung eine Reduction der Wirbel um fünf ein und nun fragt
es sich, wohin diese fünf Wirbel kommen. Längsschnitte durch die
Wirbelsäule und noch besser die Dorsalansicht der Sacral- und Caudal-
wirbelsäule eines 10 — 12tägigen Embryo geben den nötigen Auf-
schluss. In der Sacralregion sind die Verhältnisse des fertigen Ske-
letes nahezu erreicht. Ich finde das Ilium schon mit elf Wirbeln in
loser Verbindung. Die zwei vordersten tragen Rippen, gehören also
zur Brustwirbelsäule. Der hinterste der elf Wirbel steht nur ganz
wenig mit dem Ilium in Verbindung; er wird erst später, d. h. erst
im postembryonalen Leben ganz in das Sacrum einbezogen. Hinter
dem Sacrum liegen noch 13 freie Wirbelelemente, welche alle dem
Schwanz angehören; denn im Sacrum haben wir die volle Zahl der
Elemente constatirt. Da wir nun beim fertigen Skelet 7 freie Schwanz-
wirbel und das Pygostyl haben, so müssen in dem letztern 6 Wirbel
Cypselus melba, nebst biologischen und osteologiscben Details. -203
enthalten sein. Im Schwanz eines ca. 14tägigen Embryos sind nur
noch 10 freie Wirbelelemente vorhanden. Das hinterste ist zapfen-
förmig und wird von der Chorda überragt (Schwanzfaden). Vor ihm
befinden sich zwei kleine, plattgedrückte Wirbel, die dem letzten eng
anliegen. Diese zwei verschmelzen erst postembryonal vollständig.
An jugendlichen Pygostylen kann man sie, wenigstens den vordem,
noch ziemlich lange erkennen.
Es ist nicht ganz ohne Bedeutung, dass selbst bei einem schon
früh differencirten Typus, wie ihn die Cypseliden darstellen, eine ver-
hältnissmässig grosse Zahl von Schwanzwirbeln constatirt werden
kann. Ein jeder solcher Befund trägt dazu bei, uns den langen
Schwanz der Archaeopteryx verständlicher zu machen.
Kann ich beim Embryo von ca. 60 Stunden nur drei Visceral-
bogen beobachten, so sind es beim 3 — 4tägigen vier; den 5. sah ich
nie deutlich. Dagegen lässt der erste schon die Anfänge des Ober-
kieferfortsatzes erkennen. Am fünften Brüttag sind alle Bogen bis
auf zwei geschwunden ; der Oberkieferfortsatz ist schon gut entwickelt.
In eigentümlicher Weise ist aber die Basis des zweiten oberflächlich
noch sichtbaren Bogens weit von derjenigen des Unterkiefers
abgerückt (Fig. 3), so dass ich vermute, wir hätten es mit dem
ersten Kiemenbogen zu tun und der Hyoidbogen sei oberflächlich
verschwunden, internirt worden. Es stimmt dies mit der Tatsache
überein, dass schon beim 3tägigen, und in viel höherem Maasse beim
-itägigen Embryo der erste Kiemenbogen über den Hyoidbogen vor-
herrscht. Auch spricht für meine Vermutung der Umstand, dass
vom Hyoidbogen nach Parker (6) nur noch das Basihyale erhalten
bleibt, welches der Zunge und dem ersten Kiemenbogen Stütze ge-
währt. Eben diese letztere Function und die weitgehende Reduction
(bis auf das median gelegene Stück) erklären zur Genüge das frühe,
oberflächliche Verschwinden. Dagegen ist der erste Kiemenbogen
wohl entwickelt. Von ihm gelangen das Basi-, Kerato- und Epi-
branchiale zur Ausbildung. Vom zweiten Kiemenbogen, welcher zu
gleicher Zeit wie der Hyoidbogen verschwindet, persistirt noch das
Basibranchiale, wenn anders der zwischen den Keratobranchialia des
ersten Kiemenbogens nach hinten vorspringende, stabförmige Fort-
satz als solches gedeutet werden darf. — Mit aller Deutlichkeit ist
am 5. Brüttag zu erkennen, dass Ober- und Unterkiefer aus gemein-
samer Wurzel entspringen. Beide Fortsätze wachsen nun ziemlich
rasch gegen die Medianlinie und suchen sich mit dem von der an-
dern Seite zu vereinigen. Am 6. Brüttag ist dies soweit gediehen,
dass die Oberkieferfortsätze an den breiten Stirnnasenfortsatz von
beiden Seiten anstossen, während die Unterkiefer bereits im Begriffe
stehen, mit einander zu verschmelzen. Schon am 7. bis 8. Tage ist
der Embryo soweit entwickelt, dass man ihn nunmehr nur noch als
Vogel ansehen kann. Die Schnabelbildung geht rasch vor sich und
auch die vordere Extremität nimmt rasch die Form des Flügels an,
während sie am 5. und 6. Tag der hintern noch ziemlich ähnlich
204 keo Zehntner: Beiträge zur Entwicklung von
sieht. Kurz, in dieser Zeit erhält der Embryo die Merkmale des
Vogels. Zwischen dem 8. und 10. Tag treten die ersten Federkeime
auf und zwar zunächst auf den Federfluren, wo sie als kegelförmige
Wärzchen der Haut sich anzeigen, am deutlichsten und in der Zahl
wie beim definitiven Gefieder am Schwanz und auf der oberen Seite
der Flügel (Fig. 4). Zum Durchbruch kommt es aber nicht; die
Jungen schlüpfen ganz nackt aus.
Die Extremitäten haben in ihren ersten Anlagen am 3. Tag
die gleiche Form und Grösse. Schon mit dem 4. Tag werden
sie etwas schlanker, die vordere wenig länger als die hintere. Am
5. Tag sind sie an der Ansatzstelle deutlicher begrenzt und am
schmälsten, distal ziemlich verbreitert (Fig. 3). Auch macht
sich eine leichte Krümmung, dem Knie, resp. Ellenbogen ent-
sprechend, bemerkbar. In dieser Zeit bemerkt man auch die
ersten Anlagen des Axenskeletes , worauf ich später zu sprechen
komme. Am 6. Tage erhalten die verbreiterten Enden, welche in
beiden Extremitäten wenig differiren, an ihrem äussersten Rande
seichte Einbuchtungen: die ersten Anlagen der Finger und Zehen.
Diese Einbuchtungen werden tiefer und tiefer, bis wir am Fuss vier
wohlentwickelte Zehen haben. Dies ist mit dem 10. Brüttag erreicht.
Im Flügel ist die äusserliche Ausbildung der Finger weniger deutlich,
aber nicht zu verkennen. Vom 7. Tage an ist sowohl der Daumen
als der dritte Finger durch eine kleine Einbuchtung vom zweiten
abstehend. Nach dem 10. Brüttag schwindet die Einbuchtung beim
dritten Finger, diejenige beim Daumen erhält sich noch lange, nach-
dem das Junge das Ei verlassen hat. — Lieber die postembryonale
Entwicklung wurde schon im biologischen Teil gesprochen. Es bleibt
noch nachzutragen, dass die Dunen aus einer sehr langen Spule
bestehen, aus welcher 30 — 40 gleichwertige, gefiederte Strahlen pinsel-
förmig hervorgehen. Die Dunen sind in Quincunxstellung ziemlich
dicht über den ganzen Körper verteilt. — Gegen das Ende der
Brützeit bildet sich auf der Spitze des Oberschnabels ein kleines,
hartes Knötchen, welches zum Durchbrechen der Schale dient und
bald nach dem Ausschlüpfen abgeworfen wird.
IV.
Entwicklung der Extremitäten im Besonderen.
Ueber die Entwicklung der äusseren Form der Extremitäten
habe ich bereits im vorhergehenden Capitel gehandelt und kann ich
mich nunmehr darauf beschänken, die Entwicklung des Extremitäten-
skeletes zu besprechen.
a. Vordere Extremität: Die ersten Anlagen des Skeletes
treten am 5. Brüttag auf; allein schon am vierten kann man in der
Flügelanlage kleine Streifen dichteren Gewebes, sogenannte Blastem-
streifen wahrnehmen, welches die Vorläufer des Skeletes sind. Am
Cypselus melba, nebst biologischen und osteologi sehen Details. 205
Ende des 5. Tages sind die Hauptabschnitte desselben deutlich zu
erkennen (Fig. 10). Von dem primitiven Schultergürtel aus,
welcher eine fast gerade, von vorn nach hinten verlaufende Knorpel-
spange ist, geht ein einfacher Knorpelstreifen, welcher dem Humerus
entspricht. Er ist weder an seinem proximalen, noch an seinem
distalen Ende deutlich abgegrenzt; doch kann man sich von der be-
ginnenden Isolirung überzeugen. An das distale Ende stossen zwei
unter sich gleich starke, gegenüber dem Humerus schwächere und
kürzere Streifen, die in der Mitte ein wenig auseinanderweichen
und distal in einer breiten, einheitlichen Knorpelmasse aufgehen.
Diese zwei Knorpelstreifen entsprechen dem Radius und der Ulna.
Ihre Abgliederung vom Humerus ist angedeutet. Die breite
Knorpelmasse entspricht selbstredend dem Carpus. Von ihr gehen
die ersten Anfänge der Metacarpen in der Zahl von drei, cliver-
girend, aus. Fig. 10., welche aus drei Schnitten combinirt ist,
gibt ein Bild vom Skelet am 5. Tage, ein Bild, das von dem-
jenigen, welches Gegenbaur (11.) vom Fusse gibt, nicht abweicht,
von der Krümmung im Ellenbogen abgesehen. Beim 6 — 7 tägigen
Flügel sind die Skeletstücke schon gut differencirt (Fig. 13
bis 22). Die Ulna herrscht stark über den Radius vor, ist auch
etwas länger als dieser, welcher sich ein wenig von der Ulna weg-
biegt. In der breiten, dem Carpus entsprechenden Knorpelplatte des
Flügels vom 5. Tage haben sich eine ganze Anzahl von Knorpelkernen
isolirt, bedeutend mehr als sich im definitiven Flügel vorfinden. Die
drei Metacarpalia sind vollständig frei, unverwachsen und tragen,
wenigstens das I. u. II. je eine Phalange. Es wird nun am Platze
sein, die einzelnen Flügelabschnitte gesondert zu besprechen und in
ihrer Weiterentwicklung zu verfolgen.
Bei der Beschreibung des Skeletes habe ich den auffallend
kurzen, gedrungenen Humerus erwähnt, wie er nur noch bei den
Trochiliden vorkommt. Um zu erfahren, ob dieses Verhalten von
Anfang an bestehe oder nicht und wie sich die verschiedenen Flügel-
abschnitte im Laufe der Entwicklung bezüglich ihres Wachstumes
verhalten, habe ich bei einer ganzen Reihe von Entwicklungsstadien
die nötigen Messungen vorgenommen und das Verhältniss zwischen
Oberarm, Unterarm und Hand berechnet, indem ich die Länge des
Humerus = 1 setze. Als Länge des Unterarmes nehme ich diejenige
des Radius und messe die Hand vom Radiale an, letzteres einge-
schlossen. Ich glaube auf diese Weise am richtigsten die Länge
der Hand zu erhalten, da das Radiale in der directen Ver-
längerung des zweiten, d. h. des längsten Fingers liegt — wenigstens
bei den meisten Embryonalstadien — und dieses wiederum unmittelbar
an den Radius anstösst (Fig. 12). Geht man bei der Messung über die
Ulna, und misst die Hand vom Ulnare an, so wird das Radiale nicht ge-
messen, weil die Ulna tiefer hinunterreicht als der Radius. Misst
man aber die Hand vom Radiale an, so wird die Strecke, um welche
die Ulna tiefer reicht als der Radius, doppelt gemessen. Durch
diese Auseinandersetzung glaube ich es genug gerechtfertigt zu haben,
206
Leo Zehntner: Beiträge zur Entwicklung- von
als Länge des Unterarmes diejenige des Radius zu nehmen, obwohl
dieser der imbedeutendere Skeletteil ist. Bei den jüngsten Stadien,
wo das Skelet distal noch nicht distinct ist, mass ich die Hand bis
zum äussersten Rande des Flügels. Zur bessern Uebersicht stelle ich
die gefundenen Verhältnisse zwischen Humerus, Radius u. Manus in
der folgenden kleinen Tabelle zusammen.
Länge
des
Humerus
in min.
Alter
der
verschiedenen Entwicklungsstadien .
Verhältniss
von
Humerus : Radius : Manus.
0,86
1.41
1,98
2,17
2,80
3,18
3,32
3,60
8,40
11,0
13,5
16,0
16,5
ca. ötägiger Embryo
» 8 - »
» 10 » »
.. 12 » ».
■■ 14 ■• »
» 16 » ■•
» 18 » »»
Eben ausgeschlüpftes Junges . .
6—8 Tage nach dem Ausschlüpfen
2 Wochen altes Junges ....
3 •■ ■•....
4 » . . . .
Erwachsen
0,69
0,86
1,12
1,12
1,12
1,12
1,16
1,27
1,37
1,36
1,42
1,38
1,44
1,29
1,71
2,31
2,32
2,30
2,36
2,35
2,43
2,62
2 72
3,10
3,31
3,50
Aus dieser Tabelle geht zur Evidenz hervor, dass das im er-
wachsenen Zustand vorhandene Verhältniss keineswegs zum vorn-
herein besteht, sondern Resultat secundärer Anpassung ist. Im
Gegensatz zum erwachsenen Flügel ist bei den zwei jüngsten Stadien
erstens der Humerus länger als der Radius, zweitens der Arm länger
als die Hand. Dies dauert jedoch nur ganz kurze Zeit. Wie uns
die Tabelle weiter sagt, hat schon beim lOtägigen Embryo das Ver-
hältniss umgeschlagen: Der Radius überwiegt den Humerus und die
Hand den Arm; zwar noch unbedeutend, aber entschieden. Vom
10. Brüttag an bleibt das Verhältniss bis zum Ausschlüpfen beinahe
constant, von ganz geringen Schwankungen in der Hand abgesehen.
Das heisst nichts anderes, als dass während der Brützeit vom 10. Tage
an alle drei Hauptabschnitte des Flügels ungefähr gleich stark
wachsen. In dieser Zeit nimmt hingegen der Humerus eine Gestalt
an, welche der definitiven schon ziemlich ähnlich sieht. Mit 14 Brüt-
tagen ist er schon ziemlich dick, gedrungen, die Fortsätze am
verbreiterten proximalen Ende noch wenig entwickelt (Fig. 11).
Mit 16 Tagen sind sie dagegen gut bemerkbar und auch die
Condylen am distalen Ende beginnen sich auszubilden (Fig. 12).
Nach dem Ausschlüpfen wächst der Unterarm, und in viel höherem
Maasse die Hand sehr rasch, so dass das bisherige Verhältniss stark
Cypselus melba, nebst biologischen und osteologiscben Details. 207
ändert, bis schliesslich die Hand um Vs länger ist als der Arm. Der
junge Cypselus wird also in Bezug auf seinen Flügel erst nach dem
Ausschlüpfen cypseloid; während der Brützeit verhält er sich wie
die meisten Passeres. Cypselus geht gewissermassen über den Durch-
schnittsvogel hinaus.
Gehen wir nun zum Carpus über. Die alte Ansicht (welche
auch Gegen baur vertrat) (11), nach welcher im Vogelcarpus nur
Elemente der ersten Reihe angelegt werden sollen, ist schon längst
corrigirt durch die Untersuchungen Rosenbergs (12), welcher in
der distalen Reihe 2 Knorpel angibt, die den Carpalia 1 bis 4 ent-
sprechen. Diese Carpalia verschmelzen mit den Metacarpen in ähn-
licher Weise, wie die distale Tarsalreihe mit den Metatarsen des
Vogelfusses. Des ferneren gibt Rosenberg die transitorische Existenz
des Metacarpale IV an. Seine Untersuchungen beziehen sich auf das
Hühnchen. Morse (13) bildet in seiner Fig. 44 Carpus und Hand
von Dendroeca aestiv'a ab und hält den einen Knochen der proximalen
Carpalreihe für das Radiale, den andern, über dem Radiale gelegenen
für das Intermedium, während er das Ulnare als mit der Ulna ver-
schmolzen annimmt. Dasselbe Verhalten gibt Morse für Cotyle mparia
und Turdus fuscescens an. Er steht mit seiner Angabe eines freien
Intermedium im Vogelcarpus bis heute allein. Auch hat sich die
Annahme einer Verschmelzung des Ulnare mit der Ulna noch nicht
bestätigt. In der distalen Reihe gibt Morse ein Carpale 3 und C4
an, den beiden ulnaren Fingern entsprechend, welche er mit Owen,
Cones und Wyniann als den III. und IV. betrachtet. Der radiale
Finger wäre demnach der zweite. S tu der (14) gibt für Eudyptes
Chrysocome in der proximalen Reihe ein Radiale und ein Ulnare an.
In der distalen befinden sich zwei Stücke, von welchen das innere
dem Ci+2 entspricht. Den Fortsatz, welchen dieses Stück zwischen
Ulnare und Radiale sendet, hält Studer für das Aequivalent des
Intermedium. Das äussere Stück ist Carpale 3 + 4. In neuester
Zeit hat sich auch Parker (15) eingehend mit der Vogelhand be-
schäftigt und namentlich das Hühnchen berücksichtigt. Er fasst die
Knochen der proximalen Reihe als Intermedio-Radiale und Centralo-
Ulnare auf, während Gegenbaur (11) und mit ihm Rosenberg (12)
ein Intermedio-Ulnare und ein Radiale annehmen. Ueber das Centrale
sprechen sich die beiden letztgenannten Autoren nicht bestimmt aus.
Parker weicht nun von allen genannten Forschern noch darin ab,
dass er in der distalen Reihe drei gesonderte Carpuselemente für
das Hühnchen angibt, den Carpalia 1, 2 und 3 entsprechend. Im
Weitern hat Parker zwei Knorpelrudimente im Metacarpus gefunden.
Das eine, mit m c 2' bezeichnet, liegt zwischen M c II und III, das
andere (m c 3') am ulnaren Rand des M c III. Näheres hierüber
siehe pag. 27.
Was nun das Verhalten bei Cypselus melba betrifft, so stimmt
mein Befund mit keinem der erwähnten gänzlich überein. Im
Carpus eines Flügels vom ca. 7. Brüttag (Fig. 13 — 22) haben sich
208 Leo Zehnt n er: Beiträge zur Entwicklung von
die Carpuselemente eben aus der gemeinschaftlichen Knorpelmasse,
welche am 5. Tage dem Carpus entspricht, herausgebildet. Ich kann
mit Sicherheit 5 wohl isolirte Knorpelkerne erkennen. Unter dem
Radius liegt ein ziemlich grosser, im ganzen viereckiger Knorpel
welcher einen ziemlich langen und bedeutenden Fortsatz von der
untern Ecke aus bis in die Mitte des Carpus aussendet. Auf mehreren
Schnitten erscheint das Ende dieses Fortsatzes etwas verdickt. In
seiner Verlängerung liegt auf der ulnaren Seite, dicht unter der Ulna,
ein ganz kleiner, ellipsoidischer Knorpel, der nur auf 3 — 4 Schnitten
deutlich erscheint. Unter ihm liegt ein rundlicher Knorpel, der etwas
kleiner ist als der auf der radialen Seite. Dieser letztere ist das
Radiale, seinen Fortsatz halte ich für das Centrale. Die Deutung des
kleinen Knorpelkernes dicht unter der Ulna macht einige Schwierig-
keit. Er verschmilzt bald mit dem unter ihm liegenden Kern, um
mit diesem das spätere Ulnare zu bilden. Es ist nun nicht .ganz
unwahrscheinlich, dass jener ellipsoidische Knorpel dem Intermedium
entspricht, das aus seiner ursprünglichen Lage an den ulnaren Rand
des Carpus gerückt ist. Zugleich liegt es der dorsalen Fläche der
Hand näher als der volaren. Nach meinem Befunde würden nun
die Carpalknochen der proximalen Reihe einerseits dem Ulnare -f In-
termedium, andrerseits dem Radiale + Centrale entsprechen. Weitere
Untersuchungen hierüber behalte ich mir vor.
In der distalen Reihe kann ich nur zwei Stücke erkennen.
Auf der radialen Seite, oder besser über dem Metacarpale II liegt
ein breites, am proximalen Ende convexes, am distalen concaves
Knorpelstück, welches sich dem proximalen Ende des Metarcarpale
II anlegt, aber am 7. Brüttag noch wohl von ihm getrennt ist.
Gegen den innern Carpalrand reicht es bis an das M c I heran,
überdeckt dieses aber nicht. Das Mcl reicht vielmehr etwas in
den Carpus hinein und dringt gegen das Radiale vor, jedoch ohne
dieses zu berühren. Das zweite, d. h. ulnare Carpalstück der distalen
Reihe liegt auf dem äussern Carpalrand, in gleicher Höhe mit dem
Meli, also neben diesem. Es ist am 7. Brüttag rundlich, etwas
kleiner als das Ulnare und trägt das M c III und das rudimentäre
M c IV, welches in diesem Stadium sehr deutlich zu erkennen ist
(Fig. 20 — 22). Ich will nun die beiden Carpalelemente in
ihrer Weiterentwicklung getrennt verfolgen. Das grössere radial-
wärts gelegene Stück, welches mit dem Mclu. II in Verbindung
steht, wird als Carpale 1 + 2 aufzufassen sein. Mit ca. 10 Brüt-
tagen (Fig. 35 — 38) hat es an Dicke zugenommen, seine
Umrisse sind schärfer geworden und man bemerkt, dass es sich
enger an das Meli anschliesst, vorläufig ohne zu verschmelzen,
Ein gleiches Verhalten hat gegenüber M c I Platz gegriffen. Das
Carpale 1+2 und Mcl stossen seitlich aneinander, sind aber noch
nicht verschmolzen. Die Verschmelzung findet überhaupt vor der
Verknöcherung nicht vollkommen statt. Sie beginnt central und
schreitet gegen die Oberfläche fort. Um den 14. — 15. Brüttag be-
ginnt die Verknöcheruug, und zwar verknöchern Mcl und die
Cypselus nielba, nebst biologischen und osteologischen Details. 209
Carpalia der distalen Reibe von einem einzigen Ossificationscentrum
aus (Fig. 39 — 42). Während man oberflächlich in den knorpeligen
Teilen die Grenzen zwischen den einzelnen Elementen noch erkennen
kann, sind sie im Innern in ein einziges Stück aufgegangen, welches
das M c II von oben und von den Seiten hufeisenförmig umfasst
und bald mit ihm sowie mit M c III verschmilzt (Fig. 40 u. 41).
Schon bei einem Flügel von ca. 15 Brüttagen finde ich das proximale
Ende der Metacarpalia I und II durch eine einheitliche Knochen-
masse verbunden. Das M C III hält sich länger selbständig. Die
Verschmelzung d. Carpalia der distalen Reihe unter sich und mit
den Metacarpen ist im embryonalen Leben eine keineswegs intime.
Im Flügel von 3 — 4 wöchigen Nestjungen lassen sie sich noch sehr
gut von einander trennen, beim Maceriren fallen die einzelnen
Stücke auseinander. Es ist aber zu bemerken, dass die Ver-
schmelzung von C i+2 mit M c I früher perfect ist, als zwischen
C 142 und M c II einerseits und zwischen C 1+2 n. dem ulnaren
Carpalstück andrerseits. Bei einem 1 Monat* alten Nestjungen finde
ich nämlich M c I mit C 142 verschmolzen aber von M c II ge-
trennt. Das ulnare Carpalstück ist noch ganz frei. Bei ca. 5 wöchigen
Jungen ist die Verschmelzung vollständig, wenn auch noch leise
Trennungsspuren sichtbar sind.
Das zweite Carpalstük der distalen Reihe welches ich in Ueber-
einstimmung mit Rosenberg und Studer (loc. cit.) als aus C3 u. C4
zusammengesetzt erachte, ist nach der Verknöcherung kaum Vo so
gross als C i_j_2. In früheren Stadien ist das Grössenverhältniss
ein anderes. Am 7. Brüttag haben wir es fast von gleicher Grösse
wie C i_|_2 gefunden, am 10. macht es noch mindestens V? CU5S
C i+2 aus. Es hat in diesem Alter von der dorsalen Seite aus
gesehen langovalen Umriss, liegt ganz ausserhalb des Carpus, neben
dem proximalen Ende des M c II, etwas tiefer als dieses. In späteren
Stadien ist dieses Verhalten noch viel ausgesprochener. Das Carpale
1+2 sendet einen Fortsatz gegen das C34_4, der eine kleine
Strecke längs des M c II herabläuft. Ueber die Zeit der Ver-
knöcherung und Verschmelzung ist schon oben berichtet worden.
Auf Querschnitten durch den Carpus gewahrt man , dass das C 34.4
keineswegs ein längliches stabförmiges Stück ist, als welches es sich
von der dorsalen Ansicht ergibt, sondern es praesentirt sich als
plattenförmiges , etwas concaves Stück, das sich schalenförmig um
die volare Fläche des M c II legt und in der ganzen Ausdehnung
mit diesem verschmilzt (Fig. 23 — 34). Noch beim ca. 3 Wochen
alten Nestjungen löst es sich vom M c II ab und zeigt die
eben beschriebene Form. Bei 5 Wochen alten Jungen ist die
Verwachsung vollzogen und es sind nur noch leise Spuren der
früheren Trennung zwischen M c II u. C 344 zu bemerken. Das
C 344 lässt sich beim erwachsenen Flügel noch daran nachweisen,
dass seine schalenförmige Erweiterung auf der Volarseite einen
Vorsprung bildet, der gerade auf der Mitte des M c II liegt.
Arch.f.Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd.I. H. 3. 14
210 Tjeo Zehntner: Beiträge zur Entwicklung- von
Ich habe bisher das ulnarwärts gelegene Stück der distalen
Carpalreihe immer mit C 3^-4 bezeichnet, ohne die Gründe an-
zugeben, welche mich dazu veranlassen. Wie Rosenberg (12)
Parker (15) u. A. für das Hühnchen, so habe ich für Cypselus die
Existenz eines rudimentären M c IV festgestellt. In seiner Fig. 27
gibt Rosenberg an, das M c IV entspringe mit dem M c III aus ge-
meinsamer Basis, wodurch sich das fragliche Carpalstück ohne
weiteres als C 3+4 ergibt. In spätem Stadien gliedert sich (nach
Rosenberg) M c III ab und M c IV wird durch Reduction an der
Basis, selbständig. Durch fortgesetzte Reduction rückt es immer
mehr distalwärts , bis es zuletzt auf der volaren Fläche des M c III
aufliegt, dort verknöchert und schliesslich nahe der Grenze zwischen
C 3+4 und M c III spurlos verschmilzt. Parker beobachtet das
M c IV (er bezeichnet es mit m c 3 ') ziemlich spät ; es soll erst am
10. Brüttag auftreten. Es steht nach ihm nicht in Verbindung mit
dem M c III in der Art , wie Rosenberg angibt , sondern es ist ein
freier, pyramidenförmiger Knorpel, dessen breiteres Ende distalwärts
gerichtet ist. Zunächst liegt es an der Basis des McIII, rückt
dann proximalwärts, bis es schliesslich auf der Grenze zwischen
McIII und dem C 3_j_4 (c3 Parkers) anlangt und mit beiden ver-
schmilzt1). Was nun Cypselus betrifft, so kann ich auch in den
frühesten Stadien das Verhalten, wie es Rosenberg angibt, nicht
constatiren. Immer finde ich M c IV vom Garpalstück getrennt.
Trotzdem nehme ich das ulnare Carpalstück als aus C3 und C4 zu-
sammengesetzt an. Die Reduction der Finger geht erfahrungsgemäss
immer vom distalen Ende aus: Zuerst verkümmern die Phalangen,
dann die Metacarpen und erst zuletzt die Carpalia, wenn sie nicht
mit ihren Nachbarn verschmelzen. Nun haben wir in der Cypselus-
hand noch das Metacarpale des vierten Fingers erhalten und es niuss
irgendwo sein Garpale vorhanden sein. Nichts liegt näher, als es
in dem ulnaren Carpalstück zu suchen.
Die Existenz des M c IV ist bei Cypselus von sehr kurzer Dauer.
Es tritt am 6.-7. Tag auf, ist ziemlich voluminös, von ellipsoidischer
Gestalt und liegt auf der Grenze zwischen C 3 + 4 und M c III , mit
dem letzteren divergirend. An das C 3 _j_ 4 tritt es ziemlich nahe heran,
ist aber doch deutlich von ihm abgetrennt. Schon nach einem
Tage ist es von C 3 _j_ 4 sowohl als von M c III abgerückt ; es liegt
frei im übrigen Gewebe, hat pfriemliche Gestalt angenommen und
ist kleiner geworden. Dagegen ist es viel deutlicher begrenzt. Auf
Querschnitten durch den Carpus ergibt sich , dass das M c IV nicht
in derselben Ebene mit den drei übrigen Metacarpen liegt, sondern
ziemlich bedeutend auf die Flexorseite gerückt ist (Fig. 43).
') Obsehon ich bei Cypselus das Verbalten des McIV, wie es Rosenberg
für das Hühnchen angibt, nicht vorfinde, scbeinen mir docb die Angaben Rosen-
bergs zuverlässiger als diejenigen Parkers, weil ersterer viel jüngere Stadien
untersucht hat als letzterer, folglich primitivere Verbältnisse vor sich hatte.
Audi bat sieb Parker damit begnügt, seine Objecte in toto zu untersuchen.
Cypselus melba, nebst biologischen und osteologiscben Details. 2 1 1
Am 9. — 10. Tag ist keine Spur mehr vom M c IV zu finden. Während
es sich beim Hühnchen noch 1 Monat nach dem Ausschlüpfen erhält,
ja selbständig verknöchert, geht es bei Cypselus einer vollständigen,
Atrophie entgegen.
Die Metacarpalia I — III sind fast während des ganzen Embryonal-
lebens von einander getrennt. Am besten verschmolzen sind in dieser
Zeit M c II und III an ihrem distalen Ende. Während der Ver-
knöcherung erhalten sie ihre Selbständigkeit auf kurze Zeit wieder,
d. h. sie sind nur so verschmolzen, dass sie sehr leicht von einander
getrennt werden können. Noch 3 Wochen nach dem Ausschlüpfen
fallen sie selbst bei sehr leichter Maceration auseinander. Nach
5 Wochen ist die Verschmelzung hingegen vollkommen.
Seit Meckel fassen die meisten Autoren die in der Vogelhand
persistirenden Finger als den L, II. u. III. auf; nur Owen, Wyman,
Cones und Morse sprechen dem Flügel den IL, III. u. IV. Finger
zu. In neuester Zeit vertritt Tschan (16.) eine andere Zählweise,
wonach im Flügel der L, II. u. IV. Finger vorhanden wären. Tschan
stützt sich auf die neueren Untersuchungen Parkers (17 u. 18),
lässt aber die jüngste Veröffentlichung dieses Forschers über den
Flügel des Hühnchens (15.) ganz unbeachtet, sonst hätte er schwerlich
zu seiner Hypothese gelangen können. Parker hat nämlich im
embryonalen Flügel des Hühnchens ausser den drei persistirenden
Metacarpen noch drei sogenannte additional rays oder intercalary
rat/s gefunden. Der erste dieser accessorischen Strahlen liegt auf
der äussern Seite des M c I und wird von Parker und von Tschan
als Praepollex aufgefasst. Der zweite liegt auf der ulnaren Seite
des M c II, ist von Parker mit m c 2' bezeichnet und in Proc. Roy.
Soc. 1887 als rudimentäres Metacarpale angesehen worden. 1888
nimmt Parker diese Ansicht zurück (15). Die späte Entwicklung,
das gewöhnliche Fehlen eines eigenen Ossificationscentrums, die innige
Beziehung zur Sehne des m. extensor metacarpi ulnaris, das Fehlen
des Gebildes bei Rauten und nahverwandten Reptilien lassen ihm
die Deutung des mit m c 2' bezeichneten Knorpels als Metacarpale
nicht zu. — Der dritte der accessorischen Strahlen (m c 3') liegt
auf der ulnaren Seite des M c III und wird von Parker als rudi-
mentäres M c IV aufgefasst. Tschan nimmt nun die von Parker
1887 vertretene, nun verlassene Ansicht wieder auf und erklärt frisch-
weg, das m c 2' Parkers sei das Rudiment des M c III und verschmelze
mit M c II zu einem Zwillingsfinger. Die von uns als M c III und
IV anfgefassten Strahlen werden dadurch M c IV und V und durch
deren Verschmelzung ein zweiter Zwillingsfinger geschaffen. Abgesehen
von der Begründung, mit welcher Parker seine 1887 vertretene An-
sicht über seine m c 2' zurücknimmt, ist es mir gänzlich unverständlich,
wie nach Tschan der dritte Finger, der sonst immer am längsten
ausharrt, hätte verkümmern können. Jede Reduction der Finger oder
Zehen beginnt an den Randfingern, vornehmlich am äussern Rand,
aber niemals in der Mitte, wie Gegenbaur des überzeugendsten
14*
212 Leo Zehntner: Beiträge zur Entwicklung- von
nachgewiesen hat (11). Es ist daher die von Tschan vorgeschlagene
Zählweise der Finger in der Vogelhand als völlig unbegründet zu-
rückzuweisen.
Gehen wir nun wieder auf unsern Cypselus zurück, so ist in
Bezug auf die Phalangen zu bemerken, dass sie in der Zahl von 1
am ersten, 2 am zweiten und 1 am dritten Finger angelegt und
definitiv ausgebildet werden. Um den 10. Brüttag ist die erste
Phalange des zweiten Fingers noch stabförmig, am proximalen Ende
verdickt. Mit ca. 14 Brüttagen beginnt sie sich nach der ulnaren
Seite hin zu verbreitern und beim reifen Embryo ist die Verbreiterung-
schön soweit gediehen, dass die Phalange der definitiven Form sehr
ähnlich sieht. Am 10. Brüttag tritt am Daumen und weniger deut-
lich am zweiten Finger eine zarte Kralle auf. Während diejenige
des zweiten Fingers am 12. Brüttag schon wieder verschwindet, dauert
die Daumenkralle aus und bleibt noch ca. 3 Wochen im postem-
bryonalen Leben erhalten.
Ueber den Schultergürtel kann ich nur bestätigen, dass Scapula
und Coracoid aus einem einheitlichen Knorpelstück entstehen, wie
sich aus der Schnittserie einer vordem Extremität vom 5. Tage er-
gibt (Fig. 10). Der Knorpelstreifen verläuft fast gerade von vorn
nach hinten ; nur das vordere Ende ist etwas vornüber gebogen.
Die Grenze zwischen beiden Stücken wird angegeben durch den
Humerus, welcher senkrecht davon ausgeht. Das coracoidale Stück
macht 7.3, das scapulare 2/3 des Ganzen aus. Mit dem 8. Tag ist
die Abtrennung in Scapula und Coracoid vollzogen. Von da an
geht die Ausbildung der beiden Skeletstücke sehr rasch von statten;
beim reifen Embryo ist die definitive Gestalt bereits erreicht. An
der Scapula sind zwei Teile zu unterscheiden; die eigentliche Scapula
und die Suprascapula. Die Grenze zwischen beiden liegt an der
breitesten Stelle der fertigen Scapula, also gegen das hintere Ende
zu. Die Suprascapula bleibt sehr lange knorpelig nnd löst sich
beim Praepariren des Schultergürtels sehr leicht los. Ich finde sie
bei 5 wöchigen Nestjungen noch nicht vollständig verknöchert. Ueber-
haupt verknöchern Scapula und Coracoid zuerst an den im Schlüter-
gelenk zusammenstossenden Enden. In der zweiten Woche nach
dem Ausschlüpfen ist das an das Sternum anstossende Drittel des
Coracoid noch fast ganz knorpelig, während die übrigen 2 Drittel
schon wohl verknöchert und der definitiven Gestalt nahe sind. Das
erste Auftreten der Claviculae konnte ich nicht sicher feststellen.
Sie unterscheiden sich von den andern Knochen des Schultergürtels
dadurch, dass sie nicht knorpelig praeformirt sind, sondern aus
bindegewebiger Grundlage hervorzugehen scheinen. Wegen ihrer
geringeren Consistenz können sie beim Praepariren bei jüngeren
Stadien leicht übergangen werden. [Nach Lindsay (19.) finden sich
beim Hühnchen die ersten Anfänge der Clavicula schon am 4. Brüttag.]
Von allen Teilen des Schultergürtels sind sie am frühesten und
besten verknöchert. Auch die Verwachsung zur Furcula vollzieht
Cypselus melba, nebst biologischen und osteologischen Details. 213
sich sehr rasch. Nur das Ende, welches an der Bildung des foramen
triosseum teil hat, bleibt sehr lange knorpelig und verknöchert erst
nach dem Flüggewerden des Vogels vollständig.
Ueber das Sternum konnte ich wegen mangelnden, geeigneten
Materials nicht viel beobachten. Bei 6 — 7 tägigen Embryonen sah
ich die noch nicht ganz vereinigten Sternalleisten. In der gleichen
Zeit nimmt die Entstehung der Crista sterni ihren Anfang. Sie
entwickelt sich sehr rasch zu bedeutender Grösse und scheint dadurch
zu entstehen, dass sich die eben vereinigenden Sternalleisten gegen-
seitig an ihren Rändern erheben und zur crista verschmelzen.
Wenigstens scheinen mir Querschnitte durch einen 9 — 10 tägigen
Embryo diese Deutung zuzulassen. Doch bin ich nicht in der Lage
etwas Positives zu behaupten. Eine erneute Bearbeitung dieses
Gegenstandes wäre um so wünschenswerter, als die bestehenden
Ansichten sehr auseinandergehen und eine Einigung vorderhand nicht
abzusehen ist. Lindsay (19.) betrachtet die crista sterni als Aus-
wuchs des Sternum; meine Ansicht stimmt also damit überein. Ich
habe so wenig wie Miss Lindsay je eine Interclavicula beobachtet. Das
Sternum ist das zuletzt verknöchernde Skeletstück. Noch beim ca.
1 Monat alten Nestjungen ist die Verknöcherung so unvollständig,
dass nur die vorderste, dickste Partie des Brustbeinkörpers, sowie
etwa die Hälfte des vordem Randes der Crista aus Knochengewebe
besteht. Das Uebrige ist noch mehr oder weniger knorpelig, mit
spärlicher Kalkeinlagerung. — Wegen der grossen Zeitunterschiede
in der Verknöcherung des Sternum und der Claviculae glaube ich
nicht,dass diese Anteil an der Bildung der Crista sterni haben.
b. Hintere Extremität. Die ersten Anfänge der hintern Ex-
tremität sind denjenigen der vordem sehr ähnlich, bis durch den
Ellenbogen resp. die Kniebeuge ein wesentlicher Unterschied geschaffen
wird. Die Skeletanlage des Fusses differirt nur wenig von derjenigen
des Flügels. Auch das Skelet der hintern Extremität ergibt sich
beim ca. 5 tägigen Embryo als Abgliederung von einem einheitlichen
Knorpelstück, dem primitiven Becken, das eine winklig gebogene
Knorpelspange darstellt (Fig. 45 und 46). Das femorale Stück
ist an beiden Enden abgegrenzt. An sein distales Ende stossen die
zwei der Tibia und Fibula entsprechenden Knorpelstücke. Sie sind
ungefähr von gleicher Stärke, die Fibula etwas schwächer, beide in
der Mitte auseinanderweichend. An ihrem distalen Ende gehen sie
continuirlich in eine breite Knorpelmasse über, welche das Material
für den Tarsus liefert. Aus ihr strahlen drei Knorpelstreifen aus;
die ersten Anfänge der Metatarsen, an deren äussersten Enden die
Spuren der ersten Phalangen zu erkennen sind in Gestalt von kuppen-
förmig vorgelagertem dichterem Gewebe. Mit 6 — 7 Brüttagen trennt
sich die Tarsalplatte einerseits von Tibia und Fibula ab, andrerseits
von den Metatarsen (Fig. 49 u. 50). Zudem zerfällt sie durch
eine quere Furche, welche schon am 5. Tage als Spur sichtbar
214 Leo Zehutuer: Beiträge zur Entwicklung von
ist, in zwei übereinanderliegende Platten, von denen die proximale
die dickere, die distale die dünnere ist (Fig. 47 u. 48).
Ist beim Fuss vom 5. Tag die Fibula mir wenig schwächer als
die Tibia und beide von gleicher Länge, so wird der Unterschied
zwischen beiden schon mit 6 — 7 Brüttagen bedeutender. Mit 7
bis 8 Tagen ist die Fibula schon sehr schlank: sie verläuft ganz
gerade neben der Tibia hin und reicht beinahe bis an deren distales
Ende (Fig. 49 u. 50). Ihre Länge verhält sich zu derjenigen der
Tibia wie 1 : 1,25, incl. proximale Tarsalplatte wie 1 : 1,37. Das
untere Ende beginnt ligamentös zu werden und steht nur noch durch
einen ligamentösen Gewebestrang mit dem Tarsus in Verbindung.
Von nun an geht die Reduotion der Fibula Schritt vor Schritt,
bis im erwachsenen Zustand ihre Länge zu derjenigen des Tibio-
tarsus im Verhältniss von 1 : 3,87 steht.
Im Tarsus glaube ich ein rudimentäres Tarsale 5 gefunden zu
haben (Fig. 45 — 48). Am 5 Brüttag bemerke ich nämlich auf
dem fibularen Rande der sich abtrennenden distalen Tarsalreihe
einen kleinen gerundeten Vorsprung, in dessen Verlängerung, aber
getrennt von ihm, ein pyramidenförmiges, kleines Knorpelstück liegt,
welches mit dem benachbarten Metatarsale IV divergirt (Fig. 47).
Dieses Knorpelstück ist zweifelsohne das Rudiment des MtV, jener Vor-
sprung das Tarsale 5. Die übrigen Metatarsen entsprechen dem II,
III und IV; das I. wird erst später angelegt und hat zu keiner
Zeit Beziehungen zum Tarsus. Dies stimmt mit den Resultaten von
Baur (20) überein. Das MtV fällt sehr bald der Atrophie an-
heim. Schon am 7. Brüttag ist es verschwunden, während das T 5
noch länger erkannt werden kann. Während nämlich die proximale
Tarsalplatte am 7. — 8. Tage die ganze Breite des Tarsus einnimmt
und das fibularwärts verbreiterte Ende der Tibia an den Rändern
- namentlich dem äussern — umfasst, reicht die distale Tarsal-
platte nur zum Teil über M t II hinweg (Fig. 49 und 50).
Dagegen springt sie etwas über den fibularen Tarsalrand vor und
dieser kleine, knötchenförmige Vorsprung ist der letzte Rest des
Tarsale 5. Er ist noch am 10. Tage zu erkennen, wenn auch
weniger deutlich. — Wegen des Umstandes, dass die distale Tarsal-
platte nicht die ganze Breite des Tarsus einnimmt , springt M t II
in den Tarsus hinein und reicht nahe an die proximale Tarsalplatte
heran. Was die Verschmelzung der beiden Tarsalplatten betrifft,
in denen ich zu keiner Zeit der Entwicklung isolirte Knorpelkerne
erkennen konnte, so kann ich im Gegensatz zu Gegen baur (21)
und im Einklang mit Rosenberg (12) constatiren, dass die distale
Platte zuerst verschmilzt. Die Verschmelzung beginnt am 10. Brüt-
tag, und zwar finde ich an einem Tarsus von 10 — 11 Brüttagen,
dass die distale Platte zuerst mit M t II verwächst , indem sie sich
in dünner Schicht über dasselbe hinüberlegt. Die Verschmelzung
ist am innern Tarsalrand schon perfect, wenn man auf der Seite
gegen das M tili zu noch deutlich die Grenzlinie erkennen kann(Fig.51).
Cypselus melbä, nebst biologischen und osteologischen Details. -215
Mit dem M t III und IV ist die Verschmelzung noch weniger weit
gediehen. Die proximale Platte ist in ihrem ganzen Verlaufe noch
discret. Mit ca. 15 Brüttagen ist sie hingegen mit der Tibia' ver-
schmolzen (Fig. 52), kommt aber bald wieder durch die nun
eintretende Verknöcherimg zu relativ geringer Selbständigkeit,
indem sie von einem besonderen Ossificationscentrum aus verknöchert.
Dasselbe ist der Fall mit der distalen Platte. Während der Ver-
knöcherung ist der Zeitunterschied in der Verschmelzung der beiden
Tarsalplatten viel bedeutender als vorher. Bei ca. 3 wöchigen Nest-
jimgen ist die distale Platte schon vollkommen mit den Metatarsen
verschmolzen; nur ganz geringe Spuren von früherer Trennung sind
zu erkennen. Die proximale Platte hingegen ist noch nicht ver-
schmolzen, sie lässt sich sehr leicht von der Tibia ablösen. Erst
beim ca. 5 wöchigen Nestjungen ist die Verschmelzung so weit ge-
diehen, als mit 3 Wochen diejenigen der distalen Platte. Bei dieser
ist nunmehr jede Spur eines früheren Getrenntseins verschwunden.
Die Knochenbrücke am untern Ende der Tibia, unter welcher hin-
durch die Sehnen der Zehenstrecker gehen, verknöchert in der
vierten Woche.
Die Metatarsen, welche am 8. Brüttag noch divergiren, nähern
sich gegenseitig mehr und mehr, je weiter die Verschmelzung mit
der distalen Tarsalplatte fortschreitet. Beim beinahe reifen Embryo
hat ihre Verschmelzung der Länge nach begonnen und sind nur
noch die Gelenkköpfe an ihren distalen Enden frei. Die Trennungs-
linien zwischen den einzelnen Metatarsen sind aber noch sehr deut-
lich zu erkennen. Ueberhaupt verharrt der Tarsometatarsus von
Cypselus ziemlich lange auf primitiver Stufe. Noch beim Nestjungen
von 3 Wochen sind die Metatarsen II, III, u. IV ihrer ganzen Länge
nach zu erkennen. Nahe ihrem oberen Ende sind noch die zwei
Oeffnungen erhalten, welche den Tarsometatarsus von vorn nach
hinten durchsetzen, die grössere zwischen M t II und III. Zwischen
diesen findet sich auch am untern Ende noch eine deutliche
Trennungsspur in Form einer ziemlich tiefen, länglichen Grube. Im
Weitern verweise ich auf den osteologischen Teil. — Das Meta-
tarsale I wird zwischen dem 6. und 7. Brüttag angelegt und erlangt
seine bedeutendste Entwicklung am 10. Brüttag, wo seine Länge zu
derjenigen des M t II im Verhältniss von 1 : 3,4 steht. Es setzt sich
in der Mitte des letzteren an und ist ihm dicht angenähert. Vom
10. Brüttage an atrophirt sein proximales Ende, so dass im erwachsenen
Zustand das Verhältniss zwischen ihm und dem Tarsometatarsus
nur noch 1 : 5,4 beträgt. Zugleich rückt es distalwärts und auf die
hintere Fläche des M t II.
Gehen wir nun auf die Zehen ein, so ist bekannt, dass das
genus Cypselus eine reducirte Phalangenzahl besitzt. Die normale
Zahl beträgt nämlich 2 an der ersten, 3 an der zweiten, 4 an
der dritten und 5 an der vierten Zehe. Cypselus weist aber 2 an der
ersten und je drei an den übrigen Zehen auf. Es fehlen also: eine
216
Leo Zehntner: Beiträge zur Entwicklung von
Phalange in der dritten und zwei in der vierten Zehe. Es ist dies
schon längst bekannt und z. B. von Sclater (22) als systematisches
Merkmal verwendet worden. Eine genauere Untersuchung über
das Verbleiben der fehlenden Phalangen wurde aber noch nicht
gemacht. Die Entwicklungsgeschichte gibt uns den gewünschten
Aufschluss. Ich habe das Wesentliche schon in einer vorläufigen
Mitteilung im Zoologischen Anzeiger (Nr. 319, 1889) veröffentlicht.
Erneute, genauere Untersuchungen bestätigen meine dort gemachten
Aussagen und haben folgendes Resultat: die ersten Anlagen der
Phalangen finden sich schon am Ende des 5. Brüttages als kuppen-
förmio-e Vorwölbungen dichteren Gewebes vor den Metatarsen. Eigent-
liches Knorpelgewebe sind diese Vorwölbungen nicht; dagegen kommt
es bald zur Ausbildung. Denn schon am 7. Brüttag finde ich
Phalangen vor und zwar ist nun auch schon die erste Zehe ziemlich
entwickelt. Das M 1 1 trägt bereits eine wohl ausgebildete erste und
die Spur einer zweiten Phalange. In der zweiten Zehe ist eine
kurze Phalange vorhanden, in der dritten 2 und in der vierten 3.
Auf diese kurzen Phalangen folgt in jeder Zehe ein längeres Knorpel-
stück, welches distal sehr undeutlich begrenzt ist und allmählig in
indifferentes Gewebe übergeht (Fig. 1, s. Holzschnitte). Die zweite Pha-
lange der dritten Zehe ist sehr kurz, scheibenförmig, kaum V2 so lang
als die erste. Ebenso verhält es sich mit der dritten Phalange der vierten
Zehe. Die erste Phalange dieser Zehe ist aber die unbedeutendste.
Auf Längsschnitten durch die Zehe repräsentirt sie sich als halbmond-
förmiges Stück, welches der Basis des M t IV kuppenförmig aufsitzt,
gleichsam als Epiphyse (Fig. 2). In dem eben beschriebenen Stadium
lässt die distale Begrenzung des Fusses äusserlich die Zehen noch
Fig. i.
Fiar. 2.
Fig. 3.
Beschreibung der Figuren.
Fig. 1. Fuss von ca. 7. Brüttag.
Vergr. 15.
Fig. 2. Schnitt durch die 4. Zehe
am 7. Brüttag. Vergr. 200.
Fig. 3. Fuss vom 8. Brüttag.
Vergr. 15.
Cypselus nielba, nebst biologischen und osteologiscben Details. 217
wenig erkennen. Es bestehen nur ganz seichte Einbuchtungen
zwischen den einzelnen Zehen. Der Fuss vom 8. Brüttag zeigt schon
einen Fortschritt darin, dass die Zehen viel deutlicher ausgebildet
sind, indem die Einbuchtungen tiefer geworden sind. Bedeutender
aher sind die Veränderungen im Skelet (Fig. 3). Vor allem ist zu
constatiren, dass das distale Skeletstück jeder Zehe nunmehr stark
in die Länge gewachsen ist und im Begriffe steht, in zwei Stücke zu
zerfallen. Ein dunkles Band quer über das Knorpelstück zeigt die
beginnende Trennung an. Distal ist das Skelet noch immer nicht
deutlich abgegrenzt, sondern es verliert sich im indifferenten Gewebe.
Wir haben nun in der zweiten und dritten Zehe respective 3 und
4 Phalangen, also die normale Zahl. In der vierten Zehe hingegen
sind nur vier Phalangen vorhanden, indem von den im vorigen
Stadium abgegliederten die erste spurlos verschwunden ist. Da sie
in so innigem Zusammenhang zum M t IV gestanden ist, welches sie
allmählig von den Rändern her ein wenig umwächst, so ist nur an-
zunehmen, sie sei in das distale Ende des M t IV einbezogen worden.
Dafür spricht auch der negative Befund, dass die zweite Phalange
eine Volumzunahme nicht erlitten hat und auch sonst nicht die ge-
ringste Spur von einer Verschmelzung aufweist. Ich habe mich bemüht,
ein Zwischenstadium zu erhalten, das alle 5 Phalangen zu gleicher
Zeit gezeigt hätte, allein vergebens. Immer war die erste Phalange
der 4. Zehe schon verschmolzen, wenn die letzte sich abgliederte,
oder aber die erste Phalange war vorhanden und die letzte noch
nicht abgegliedert. Es scheint also, dass die Verschmelzung sehr
rasch vor sich geht. Am 8. Brüttag ist der Fuss in Bezug auf die
Phalangenzahl in dem Stadium angelangt, in welchem er bei den
PteroclkJen und Caprimulgiden verharrt, wo nur in der 4. Zehe
eine Phalange fehlt. Von den Caprimulgiden weisen einige die
normale Phalangenzahl auf. Ein sehr deutliches Bild gibt uns der
Fuss vom ca. 10. Brüttag (Fig. 4). Das M 1 1 legt sich eng an das
M t II an und trägt 2 deutlich abgegrenzte
Phalangen. Diese sind sehr schlank, fast
gerade, die erste länger als die zweite. Die
erste Phalange der zweiten und dritten Zehe,
sowie die nunmehr erste der vierten Zehe
ist wenig länger als breit, kugelig, mit fast
ebenen Gelenkflächen. Die zweite Phalange
der dritten Zehe ist breiter als lang, ziemlich
kleiner als die erste. In noch höherem Grade
ist diese Form ausgeprägt bei der zweiten
Phalange der vierten Zehe, welche ganz
scheibenförmig und sehr klein ist. Die
zweite Phalange der zweiten Zehe, sowie die
dritte der 2 äusseren Zehen sind viel schlanker
als die proximalen, stabförmig, ungefähr
gleich lang und von gleichem Volumen. Die Fuss vom 10. Brüttag.
Nagelphalangen sind etwas kürzer als die Vergr. 15.
Fig. 4.
218
Leo Zehnt n er: Beitrage zur Entwicklung von
Fig. 5.
\
vorletzten, weniger voluminös als diese, ein wenig gekrümmt.
Alle Zehen sind bedeutend schlanker geworden und zwar
in Folge stärkeren Wachstums der zwei Endphalangen. Die
andern Phalangen sind seit dem 8. Brüttag nur unbedeutend ge-
wachsen. — Es ist nun die Frage, welches das weitere Schicksal
der zweiten Phalange der dritten und vierten Zehe ist. Denn dass
die Reduction diese zwei betrifft, ist wegen ihrer geringen Ent-
wicklung zum vornherein zu erwarten. Am 12. Brüttag sind sie
noch deutlicher ausgeprägt als bisher; in der dritten Zehe ist sie
von viereckigem Umriss, in der vierten Zehe kugelig, klein (Fig. 5).
Die erste Phalange der 2. bis 4. Zehe hat ihre kugelige Form auf-
gegeben und die cubische angenommen. Die
Nagelphalangen sind bedeutend kräftiger,
voluminöser geworden und auf die ventrale
Seite hin gekrümmt. Es beginnt sich Hörn
für die Krallen abzuscheiden. Die Einbuch-
tungen zwischen den Zehen sind nun bis
in den Bereich der ersten Phalangen vorge-
drungen, während beim 10 tägigen Embryo
nur bis in die Nähe des proximalen Endes
der vorletzten Phalange. Zwischen dem 14.
und 15. Brüttag beginnt die weitere Ver-
schmelzung von Phalangen und es bleibt so-
mit der Cypselusfuss 6 — 7 Tage lang auf der
bei Pterocliden und den meisten Caprimulgiden
Fuss vom 12. Brüttag. zeitlebens bestehenden Phalangenzahl. —
Vergr. 10. Wie ich schon in meiner vorläufigen Mit-
teilung angegeben und wie ich seither an
Längsschnitten durch die dritte und vierte Zehe habe constatiren
können, verschmilzt die fragliche Phalange dieser Zehen mit der
auf sie folgenden. Die Verschmelzung beginnt am Rande und
schreitet nach innen fort. Die verschmelzenden Phalangen sind in
dieser Zeit stark abgeplattet, so dass sie fast nichts zur Verlängerung
beitragen. Diese Verschmelzung geht lange nicht so rasch vor sich
wie diejenige mit dem M t IV. Noch beim reifen Embryo sind die
letzten Spuren der Trennung sehr deutlich zu sehen in Form einer
kleinen, queren Spalte am obern Ende der vorletzten Phalange.
In der vierten Zehe ist die Verschmelzung früher vollendet als in
der dritten. — Die Ursache der Verschmelzung glaube ich darin zu
erblicken, dass der Fuss, der lediglich zum Sichanklammern an
Felsen, Mauern, Gebälk etc. dient, gefestigt werden muss, was offen-
bar durch Verminderung der Gelenke erreicht wird. Wegen seiner
Eigenschaften als Kletterfuss, wo die Nagelphalangen mit ihren
scharfen Krallen eine Hauptrolle spielen, ist es selbstverständlich,
dass die Reduction im proximalen Teil sich vollzieht, während sonst
die distalen Elemente zuerst schwinden und zwar meist durch Aus-
fall. Da die erste Phalange der vierten Zehe so rasch verschmilzt
— ihre Existenz dauert kaum 1 Tag — , so darf wohl angenommen
Cypselus melba, nebst biologischen und osteologischen Details. 219
werden, dass sie bei den Vorfahren des Alpenseglers schon lange
nicht mehr discret war und jetzt im Begriffe steht, ganz auszufallen.
Jene Vorfahren hatten offenbar lange Zeit die Phalangenzahl der
Pterocliden.
Wie der primäre Schultergürtel, so legt sich auch das Becken
als einheitlicher Knorpel an, von welchem aus die hintere Ex-
tremität sich bildet, wie Fig. 45 u. 46, zeigt. Dieser einheitliche
Knorpel ist winklig gebogen. Der vordere Schenkel des Winkels
entspricht dem Ilium, der hintere dem Ischrain -f Pubis. Die Ex-
tremität geht vom Scheitel des Winkels aus. Darnach ist die erste
Anlage des Ilium fast nur dessen späterer, praeacetabulärer Teil.
Es wächst dann nach vorn und hinten und sucht sehr früh Verbindung
mit den Wirbeln. Der praeacetabuläre Teil ist früher fertig als der
postacetabuläre. Beim 14tägigen Embryo ist der grössere Teil des
letzteren noch sehr schwach verknorpelt, während der erstere schon
gut knorpelig praeformirt ist und bis an den zweitletzten rippen-
tragenden Wirbel heranreicht. Bei der Verknöcherung verhält es
sich ganz ähnlich. Noch in der dritten Woche nach dem Ausschlüpfen
des Jungen ist ein grosser Teil des postacetabulären Ilium nur schlecht
verknöchert, namentlich der hintere Rand. Dagegen ist der prae-
acetabuläre Teil wohl ausgebildet und verknöchert. Der hintere
breite Schenkel der primitiven Beckenanlage ändert sich am 8.
bis 10 Brüttag dahin, dass in der Mitte das Knorpelgewebe de-
generirt, wodurch eine grosse Durchbohrung entsteht und eine
Trennung in zwei besondere, dem Ischium und Pubis entsprechende
Knorpelspangen vollzogen wird. Beide sind an ihren hintern Enden
noch verwachsen, in der Mitte weit auseinanderweichend. Mit ca.
14 Brüttagen trennen sie sich jedoch, stossen aber noch zusammen.
Indessen sind sie schlanker geworden und das Pubis beginnt über
das Ischium hinaus nach hinten zu wachsen. Im Acetabulum,
welches sich gleichzeitig mit der Scheidung in ein Pubis und Ischium
bildet, sind Näte zwischen den Beckenelementen mit Sicherheit nicht
festzustellen, auch an Schnitten nicht. Die Näte kommen eigentlich
erst beim Verknöcherungsprocess deutlich zum Vorschein und zwar
bemerke ich bei einem Becken aus der 3. Woche eine Nat, welche
senkrecht zu der Längsaxe des Pubis geht und dieses zugleich mit
dem Ischium abtrennt. Eine zweite Nat verläuft senkrecht zur erst-
genanten und trennt Ischium und Pubis unter sich auf der ganz
kleinen Strecke, auf der sie im Acetabulum zusammenstossen.
Zwischen Ischium und Ilium habe ich eine Nat mit Sicherheit nicht
constatiren können. — Es ist merkwürdig, dass die das Pubis vom
Ischinum trennende Nat nicht in der Oeffnung des Acetabulum
endigt, oder was dasselbe heisst, dass dass Pubis keinen Anteil an
der Begrenzung des Acetabulum hat. Nur eine ganz winzige Facette
am äussersten Rande bietet dem Femur Unterlage.
2*20 Leo Zehntner: Beiträge zur Entwickhing etc.
Erklärung der Figuren auf Tafel XL
Fig. 1. Embryo von 2 - 3 Briittageu, von 4 mm grösster Länge. Vergr. 71/,.
2. Embryo von ca. 4 Briittageu. Vergr. 5.
x = Oberkieferfortsatz.
1=1. Visceralbogen.
2= IL »
3 = III.
al = Allantois.
3. Embryo von ca. 5 Brüttagen. Vergr. 4'/,. Bezeichnungen wie in Fig. 2.
» 4. Embryo von ca. 10 Brüttagen. Vergr. 2.
» 5. ii; 6. Sternum von der Seite und von unten gesehen. Nat. Gr.
7. u. 8. Schultergürtel. Nat. Gr.
9. Flügelskelet. Nat. Gr.
pr. m. = processus medialis.
pr. 1. = »» lateralis,
ep. m. = epicondylus medialis.
pr. sc. 1. = processus supracondyloideus lat.
S. S' = Sesambildungen.
» 10. Linke vordere Extremität am 5. - 6. Brüttag. Aus 3 Schnitten com-
binirt. Vergr. 14.
» 11. Flügelskelet am 14. Brüttag in situ. Daumen mit Kralle. Vergr. 5.
» 12. Flügelskelet vom reifen Embryo. Vergr. 3'/2.
»- 13.— 22. Aus der Schnittserie eines Flügels vom 6.-7. Brüttag. Camera-
zeichnungen. Vergr. 25.
i + u = Intermedio - Ulnare.
r + c = Centralo-Radiale.
Im übrigen wie in folg. Figg.
» 23. 34. Aus der Querschnittserie eiues Carpus vom ca. 10. Brüttage.
Camerazeichnungen. Vergr. 13.
U = Ulna,
u = Ulnare,
r = Radiale,
C ,-f 2 = Carpale 1 -f Carpale 2.
C 3 + 4 = Carp. 3 -f Carp. 4.
I, II, III, IV = Metacarpale I, II, III, IV.
» 35.-38. Aus der Längsscbnittserie eines Carpus vom ca. 10. Brüttag.
Camerazeichnungen. Nomenclatur wie in Figg. 23—34. Vergr. 13.
» 39.-42. Aus der Längsschnittserie eines Carpus vom ca. 15. Brüttag.
Vergr. 13. Camerazeichnung.
» 43. u. 44. Querschnitte durch einen Carpus von ca. 8 Brüttagen. Meta-
carpale IV getroffen in Fig. 43. Vergr. 23 '/3. Camerazeichnung.
» 45.-48. Aus der Schnittserie einer linken hintern Extremität von 5 bis
6 Brüttagen. Camerazeichnung. Vergr. 25. V = Metatarsale V.
» 49.ii.50. Längsschnitte durch einen Tarsus vom 7. — 8. Brüttag. T5 der
dem Tarsale 5 entsprechende knötchenförmige Vorsprung der distalen
Tarsalplatte. Camerazeichnung. II, III, IV = Metatarsale II — IV.
T = Tibia, F = Fibula.
» 51. Längsschnitt durch den Tarsus vom 10.— 11. Brüttag. Camerazeichnung.
» 52. Tarsus vom ca. 14. Brüttag.
Das Krallenglied am Insektenfuss.
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion.
Von
Alfred Ockler.
Hierzu Tafel XII und XIII.
Wenn man das umfangreiche Gebiet der entomologischen
Litteratur bezüglich des Krallengliedes am Insektenfuss überblickt,
so wird man zwar eine grosse Reihe einzelner Notizen über dasselbe
antreffen, zugleich aber auch empfinden, dass dieses Glied bis in
die neueste Zeit recht oberflächlich behandelt worden ist. Die aller-
meisten der Notizen sind rein systematische, beschränken sich daher
auf die Beschreibimg der äusseren Theile, die im ganzen, vor allem
bezüglich der Krallen, treffende sind. Aber in denjenigen ento-
mologischen Werken, die das Insektenbein in besonderen Kapiteln
anatomisch und physiologisch behandeln, ist das Krallenglied fast
stets ganz vernachlässigt worden. Abgesehen von den oft grossen
Schwierigkeiten in der Analyse dieses Organs mag dies dadurch be-
gründet sein, dass man einerseits das Krallenglied für weniger wichtig
hielt als die übrigen Theile des Beines, oder andrerseits Bau und
Mechanik desselben für zu einfach ansah, um sie von neuem zu
untersuchen. Man begnügte sich infolgedessen mit den Schilderungen,
wie sie Straus-Dürkheim*), und ihm folgend Newport, Bur-
meister u. a. gegeben haben.
Erst Da hl, durch dessen „Beiträge zur Kenntniss des
Baues und der Funktionen der Insektenbeine" die neueste
entomologische Litteratur und Forschung um eine treffliche Arbeit
bereichert wurde, behandelt das Krallenglied eingehender. Obgleich
ich nicht alle seiner Resultate, die zum Theil schon von Graber er-
gänzt sind, anerkennen kann, so will ich dieselben dennoch meinen
eignen Untersuchungen als geschichtliche Einleitung vorausschicken,
und hier nur hinzufügen, dass Dahl alle die irrthümlichen Ansichten
über die Muskulatur des Insektenbeines beseitigte, wie sie seit
Straus-Dürkheim23) traditionell geworden waren.
*) Die benutzte Litteratur findet sich am Ende der Arbeit zusammengestellt.
222 Alfred Gelder: Das Krallenglied am Insektenfuss.
Bevor ich jedoch zu denselben übergehe, habe ich zu bemerken,
dass dem Thema entsprechend meine Untersuchungen begrenzte
waren ; denn für den Bau und die Mechanik des Krallengliedes kommen
ausser den Krallen und den zwischen , an oder neben denselben be-
findlichen Anhängen, wie Borsten, Afterkrallen und Haftorgane, nur
die als Ersatz für die fehlende Muskulatur eingetretenen, mechanisch
wirkenden Theile in Betracht. Dem entsprechend waren vom letzten
Tarsengliede der distale, d. h. der den Krallen zugewendete Theil, vor
allem die denselben abschliessende weiche Haut mit ihren Modifi-
kationen, und der im Tarsengliede befindliche Gelenkhöcker zu be-
rücksichtigen. Das letzte Tarsenglied nimmt an den so zahlreichen
Modifikationen, denen die Insektenbeine unterworfen sind, fast gar
keinen Antheil, es behält vielmehr beinahe überall seine ursprüngliche
Form bei, aber dennoch erleidet es am distalen Ende für das Krallen-
glied eine Reihe bemerkenswerther Abänderungen.
Freilich ist das umfangreiche Thema durch die in dieser Arbeit
kurz zusammengestellten Ergebnisse meiner Studien über den Bau
und die Mechanik des Krallengliedes noch nicht annähernd erschöpft;
theils fehlte es an geeignetem Material, theils auch an Zeit, da die
Untersuchungen fast nur in den späten Nachmittags- und Abend-
stunden vorgenommen werden konnten; aber dennoch ist das ver-
hältnissmässig wenige, was aus dem Insektengebiet untersucht und
hier zusammengestellt wurde, schon geeignet, die Typen des, Krallen-
gliedes erkennen zu lassen. Ergänzungen oder Abänderungen werde
ich, da ich meine Untersuchungen fortzusetzen gedenke, später an
geeigneter Stelle folgen lassen.
Bezüglich des Materials beschränkte ich mich bisher ausschliesslich
auf deutsche Arten, die ich soweit es möglich war, frisch untersuchte.
Die Anfertigung der Präparate erfolgte vorwiegend durch Zer-
gliederung unter dem Mikroskop, vor und nach der Kalimaceration;
in zweiter Linie durch die Methode der Quer- und Längsschnitte.
Zu letzterem Zweck wurden die Theile nach Härtung (und Färbung)
durch Nelkenöl aufgehellt, in Terpentin übergeführt und nach
"24 stündigem Liegen in einer Terpentin -Wachsmischung (bei 25° C.
schmelzbar), die im Oefchen auf 45—50° erwärmt gehalten wurde,
in die aus Wachs und Paraffin (3:1) bestehende Einbettungsmasse
gebracht, in der sie bei 50 — 55° eben so lange blieben.
An dieser Stelle sei mir gestattet, allen denen, die mich durch
Ueberlassung, beziehungsweise Bestimmung des Materials unterstützt
haben, besonders dem Dipterologen Herrn Kreiswundarzt Dr. Vor-
mann, und Herrn Dr. Westhoff, Assistent am zoologischen Institut
zu Münster meinen verbindlichsten Dank auszudrücken, den ich
Herrn Prof. Dr. H. Landois für den gütigen Hinweis auf dies Gebiet
und für die Erlaubniss, das Mikrotom (Kloenne & Mueller, Berlin)
des Instituts benutzen zu dürfen, ebenfalls bereitwilligst abstatte.
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 223
Dahl4) wies nach, dass die Muskulatur im Endtheil des Beines
überraschend einfach ist, da die Streckung der Krallen nur passiv,
durch die Federkraft der aus ihrer Gleichgewichtslage gebrachten
elastischen Gelenkhaut, erfolgt. Die Krallen werden nur von einem
Muskel — dem Krallenbeuger — in Bewegung gesetzt, der am Grunde
der Krallen angreift, seinen Sitz selbst aber im Schenkel hat, von
dessen Mitte aus er seine dünne, derbe Sehne durch alle Beinglieder
hindurch bis an die Krallen schickt. Ein Streckmuskel für die
Krallen, wie Straus-Dürkheim ihn schildert und zeichnet, fehlt
dagegen ganz. Es ist, wie in den übrigen Tarsengliedern, im letzten
Tarsengliede überhaupt kein Muskel vorhanden. Als Ersatz für den
Streckmuskel ist eine mediane Ghitinplatte, von Dahl „Streck-
platte" genannt, eingetreten, welche mit ihrem distalen Ende ver-
mittelst einer elastischen Gelenkhaut an die ventralen Vorsprünge
der Krallen angreift, sich in das häutig geschlossene Ende des letzten
Tarsengliedes einsenkt, und an ihrem proximalen Ende mit der
Sehne des Krallenbeugers in Verbindung steht. Nach der ventralen
Seite hin, ist, wie Dahl weiter angiebt, die Streckplatte vollkommen
von dem letzten Tarsengliede getrennt; sie steht nur an den Seiten
durch eine faltige Haut mit dessen Seitenwänden in lockerer Ver-
bindung.
Morphologisch ist die Streckplatte nur ein verdicktes Stück der
äusseren Chitinhülle, sie zeigt auf der ventralen Oberfläche eine
schuppenartige, fast warzig hervortretende Felderung und im Quer-
schnitt dieselbe geschichtete und von feineren dunklen Querstreifen
durchzogene Struktur, wie die äussere Chitinhülle des Tarsengliedes.
Die Streckplatte übt ihre Funktion nach Dahl „nur" auf die
Krallen aus, und zwar folgendermassen. Sobald die Sehne des Krallen-
beugers in Thätigkeit tritt, zieht sie die Streckplatte mit ihrem
proximalen Ende tiefer in das letzte Tarsenglied hinein und infolge-
dessen die Krallen nach unten. Da aber die Platte ventralwärts
frei und der angrenzende Theil des Gliedes durch eine elastische
Haut abgeschlossen ist, so wird diese durch das Eindringen der Platte
zurückgedrängt, und die unter der Haut befindliche Blutmasse weicht
etwas in den Fuss zurück. Hört alsdann der Zug auf, so tritt die
zurückgedrängte Blutflüssigkeit wieder vor und treibt in Verbindung
mit der sich contrahirenden elastischen Haut die Streckplatte aus dem
Innern des Tarsengliedes hervor, wobei auch die mit der Platte in
Verbindung stehenden Krallen zurückgeschoben werden.
Gegen diese Ansichten Dahl's, vor allem gegen die Bedeutung
und Funktion der Streckplatte machte Graber u) einige Einwendungen,
die aber von Dahl5) bald zurückgewiesen wurden. In wie weit dies
mit Recht geschehen, will ich an späterer Stelle zeigen und hier nur
bemerken, dass die Bezeichnung „St reck platte" doch eine zweck-
entsprechende zu sein scheint, wenigstens so lange bis eine passendere
Bezeichnung dafür gefunden ist. Denn nach meinen bisherigen
224 Alfred 0 ekler: Das Krallenglied am Iusektenfuss.
Untersuchungen kann ich mich im ganzen in diesem Punkte auf
Dahl's Seite stellen, da auch Grab er die Bedeutung der Streck-
platte für den Mechanismus des Krallengliedes noch nicht genügend
erkannt zu haben scheint, obgleich er auf die von Da hl übersehene,
unter der Streckplatte liegende Platte, die er als Rinne oder Führung
für jene bezeichnet, aufmerksam machte14). Ich erkläre mir das
daraus, dass Grab er die am proximalen Ende der Streckplatte
sitzende elastische Haut nicht beachtete, welche die Streckplatte mit
dem proximalen Ende der ,, Gleitrinne" (wie ich die untere Platte
nennen will) verbindet, und durch die auch nach Aufhebung der von
Grab er erwähnten Druckkraft (die verdrängte Blutflüssigkeit, welche
nach Eröffnung des Fusses nicht mehr in der von Da hl geschilderten
Weise mitwirken kann) die Streckung der Krallen erfolgt. Ich
werde auf diesen Punkt sowie auf die sonst noch zu besprechenden
Stellen der Arbeiten von Dahl und Grab er in den betreffenden Ab-
schnitten zurückkommen und betrachte nach meinen eigenen Unter-
suchungen zunächst
Die Krallen.
Die Anwesenheit zweier Krallen an den Insektenbeinen ist eine
so allgemeine, dass man die Insekten, deren Beine zum Theil oder
durchgehend mit nur einer Kralle ausgerüstet sind, wohl mit Recht
als Ausnahme anführen kann, wofür auch der abweichende Bau des
Gliedes spricht. Wenn 2 Krallen am Insektenbein vorhanden, so sind
dieselben symmetrisch gebaut und in der Regel gleich gross; die
äussere hat jedoch Neigung zu etwas stärkerer Entwickelung, wie
ich bei verschiedenen Insekten beobachtete. Es finden sich jedoch
auch bedeutende Grössenunterschiede zwischen den Krallen, welche
dann ungleich genannt werden und in der Systematik schon sehr
früh Berücksichtigung gefunden haben. So ist die äussere Kralle
bedeutend stärker als die innere entwickelt bei Anisoplia (Fig. 47.),
Hoplia und Anomala. (Das umgekehrte ist nach Kirby und Spence
bei Areodea und Pelidnota der Fall). Die innere Kralle kann sogar
bis zu einer blossen Borste zurückgebildet sein, wie bei Elater sulcatus
und fuseipes. In diesen Fällen erleidet dann der kleine Gelenkhöcker
im Tarsenglied (Fig. 45), an dem die Krallen eingelenkt sind, mehr
oder wenige entsprechende Modifikationen, theils in der Form, theils
bezüglich seiner Richtung auch in der Lage, indem er von der
medianen Längsrichtung nach der Seite der schwächer entwickelten
Kralle abweicht, wohl um der stärkeren Kralle Gelegenheit .zu geben,
für die andere mit einzutreten.
Nach Dahl*) besitzen die Krallen, und zwar jede auf ihrem
Wurzelende, ein kleines Grübchen (Fig. 57), mit welchem sie je auf
einem kleinen Höckerchen der äusseren Chitinhülle, dem „Krällen-
gelenkhöcker" (oder kürzer „Krallenhöcker") , unabhängig von cin-
*) 4. pag 7.
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 225
ander beweglich eingelenkt sind. Ich fand jedoch auch Krallen, die
an ihrem dorsalen Wurzelrande kein Grübchen hatten (Fig. 11);
in diesem Falle ist der Gelenkhöcker modificirt gebaut und zeigt
kleine Grübchen, bzhgsw. kleine seitliche Vorsprünge. An der ven-
tralen Seite basalwärts haben die Krallen eine kleine vorsprung-
artige Erweiterung, an welche sich die Gelenkhaut für die Streck-
platte ansetzt.
In der Regel ist jede Kralle für sich frei beweglich, indessen
kommen auch zum Theil oder ganz unbewegliche Krallen vor, wie
bei einigen Wasserkäfern (Acilius, Hydaticus, Colymbetes, Ilybius),
wo sie an den hinteren Beinen ungleich und so eingelenkt sind, dass
die eine fast ganz über der anderen liegt; die obere stärkere ist die
unbewegliche. Jedoch ist auch diese Kralle beweglich am Krallen-
höcker eingelenkt und mit der Streckplatte verbunden. Die Un-
beweglichkeit derselben erklärt sich wohl durch die Modifikation der
Beine, welche sehr schmal geworden sind, um dem Medium möglichst
wenig Widerstand entgegenzubringen. Ferner giebt es Krallenglieder,
bei denen die Krallen am Grunde ganz mit einander verwachsen sind,
wie bei Phyllobius, Peritelus, Mylaeus, Gymnetron, Lema u. s. w.;
oder sie sind nur unvollkommen getrennt, wie bei Trachyplorus und
Otiorrhynchus. Auch in diesen Fällen werden sie mit Hülfe der
Streckplatte bewegt.
Die Krallen sind morphologisch nur für bestimmte Zwecke um-
gewandelte Haare oder Borsten. Denn sie zeigen auf Quer- und
Längsschnitten dieselbe geschichtete (mit feineren dunklen Streifen
durchsetzte) Struktur wie diese, sind ebenfalls fast bis zur Spitze hohl
und enthalten auch die Matrix. An der Spitze jedoch sind die Krallen
zum grossen Theil stärker chitinisirt und dunkler. Sie sind entweder
glatt (Figg. 13 — 15), oder vor allem am Grunde, in einigen Fällen
(wie bei Pompilus [Figg. 2, 18]) jedoch auch bis zur Spitze, mit Haaren
besetzt; theils finden sich auch stärkere Borsten an denselben, vor allem
an der Innenseite (Figg. 2, 28); hier kommen längere Borsten neben
der Ansatzstelle für die Gelenkhaut der Streckplatte vor , zumeist
bei Insekten mit einem unpaaren mittleren Haftläppchen. Bezüglich
der Form zeigen die meist schwach gekrümmten Krallen jedoch
viel Abwechselung; vorwiegend sind sie einfach, seltener gabelig
gespalten (Meloe), oder gesägt (Calathus), oder kammförmig gezähnt
(Alleculinae). Oefter sind sie dagegen mit einem oder mehreren
Zähnen bewaffnet (Melolontha, Ornithomyia [Figg. 42, 56]).
Bei den Insekten ohne Haftläppchen sind die Krallen gleich-
massiger gebogen (Figg. 42, 55, 65) und haben einen ovalen, fast
runden mittleren Durchschnitt ; bei denen mit Haftläppchen beginnen
sie meist gestreckter (Figg. 2, 13, 15, 16, 18), krümmen sich gegen
das Ende stärker, und sind seitlich mehr zusammengedrückt.
Obgleich die Krallen im allgemeinen frei beweglich eingelenkt
sind, so ist der Spielraum derselben doch nur ein beschränkter. Dahl's
Ansicht, dass sich der Beugung der Krallen scheinbar keine feste
Avch.f.Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd. 1. H.3. 15
2*26 Alfred 0 ekler: Das Krallen glied am Insektenfuss.
Schranke entgegengesetzt, und ihre Excursionsfähigkeit eine recht
bedeutende ist, kann uns keine klare Vorstellung geben, da sie zu
allgemein gehalten ist. Die Beugungsfähigkeit der Krallen
ist stets eine beschränkte; sie wird bedingt, wenn man
von der Form der Krallen absieht, durch das V erhält niss der
Stellung des Krallenhöckers im Tarsengliede zu dem Rande
dieses Gliedes, gegen welchen sich die Krallen bei der Beu-
gung schliesslich legen müssen (Figg.42,55,59). Diesem Umstände
ist auch die Grösse der taschenartig eingesenkten abschliessenden
Haut angepasst, indem diese bei Insekten, die eine grosse Krallen-
excursionsfähigkeit besitzen, mehr entwickelt und tiefer in den Tarsus
eingesenkt ist als bei solchen Arten, deren Krallenexcursionsfähigkeit
eine beschränktere ist. Desgleichen ist auch die Streckplatte mehr
oder weniger gross. Die verschieden gebauten Krallenglieder der
Dytisciden oder Hydrophiliden führe ich als Beispiel an.
Wie schon bemerkt, sind die Krallen jede für sich frei be-
weglich am Krallenhöcker eingelenkt. Dieselben werden nicht immer
auf glatte Flächen aufgesetzt werden, sondern meist auch in Uneben-
heiten eingreifen. Im grossen ganzen müssen sie zwar dieselbe Be-
wegung machen, da ja die Streckplatte sich an deren Grunde mit
einer Gelenkhaut ansetzt und somit einen skelettalen, jedoch nach-
giebigen Halt bietet; aber es ist doch die Möglichkeit vorhanden,
zumal nur geringere Unebenheiten für das Angreifen der Krallen
in Betracht kommen können, dass eine der Krallen tiefer oder höher
einen Stützpunkt findet. Dies beruht entschieden darauf, dass die
Streckplatte 1) mit den Krallen durch eine Gelenkhaut verbunden,
und 2) dass sie ventralwärts frei ist. Infolge der faltigen Seitenhaut
(wodurch sie mit dem Tarsengliede zusammenhängt) kann sie etwas
nachgeben und sich in ihrer Gleitrinne ein wenig zur Seite legen;
die schuppige oder quergeriefelte Ventraloberrläche der Streckplatte
mag vielleicht für diesen Zweck von Bedeutung sein.
Bei den einkralligen Insektenbeinen kann man echte und un-
echte Krallenglieder unterscheiden: ich sehe als echte hierbei nur
solche an, welche eine Streckplatte haben, wie z. B. die Pediculinen
(Figg. 30, 36, 37), bei denen sie für die Mechanik des Krallengliedes
dieselbe Bedeutung hat, wie bei den zweikralligen. Als unechte
sind dagegen solche Krallenglieder aufzufassen, die keine besonders
eingelenkte Kralle haben und denen die Streckplatte fehlt; für die-
selben wird der letzte Tarsenabschnitt mit Hülfe der an seinem
inneren Grunde angreifenden Sehne gebeugt; z. B. bei Naucoris,
Nepa.
Echte einkrallige Tarsengiieder finden sich ausser bei den Pedi-
culinen z. B. noch bei Claviger, Pselaphus, Trichodectes und Gyropus.
Endlich, aber selten, giebt es auch Insektenbeine ohne Krallen,
wie bei den Physapoden und Stylopiden.
Ein Beitrag zur Keimtniss von dessen Bau und Funktion. 227
Ein überaus wichtiger Theil für die Mechanik des Krallen-
gliedes ist
die Streckplatte
deren Bedeutung bisher noch nicht genügend gewürdigt ist; denn sie
übt ihre Funktion nicht nur, wie Dahl4) es annimmt, auf die Krallen
aus, sondern auch auf die Haftorgane, mit denen sie durch Häute
in direkter Verbindung steht.
Die Streckplatte ist ein den Insekten eigenthüm-
liches Organ, das sich überall da findet, wo beweglich
eingelenkte Krallen vorkommen.
Dieselbe wurde bereits von Straus-Dürkheim23) bemerkt; er
nennt sie ,,la petite piece accessoire des crochets, ä laquelle se fixe
le muscle flechisseur de ces derniers"; an anderer Stelle bezeichnet
er sie als ,,une petite piece placee dans l'interieur de la derniere
phalange , qui unit inferieurement les crochets terminaux". Auch
den später zu betrachtenden Gelenkhöcker für die Krallen — denn
um diesen kann es sich doch wohl nur handeln — , an welchen sich
nach Straus-D. der Krallenstrecker (,,1'extenseur des crochets") an-
setzt, erwähnt er als ,,une petite piece qui reunit les deux crochets
en dessus". Straus-D. ist also, wie auch aus seinen Zeichnungen
hervorgeht, der Ansicht, dass die Krallen durch '2 einzelne Chitin-
stücke verbunden sind.
Burmeister2) und andere, wie Newport 25), Gräber13), gaben
nur das von Straus-D. beschriebene wieder. Aus Burmeister's
Darstellung geht jedoch nicht einmal deutlich hervor, ob er, wie
Straus-D., zwei verbindende „Chitinbogen" unterscheidet. Da
Straus-D. aber die Streckplatte und die anderen die Krallen zurück-
treibenden elastischen Momente völlig verkannte, so ist es auch er-
klärlich, dass er dem Krallengliede ein so complicirtes Muskelsystem
beilegte, wie es noch bis in die neueste Zeit beschrieben wurde
[Graber13), Stroebelt24)]. — Landoislü) jedoch konnte bei der
Anatomie der Pediculinen keinen Krallenstrecker finden; er lässt
dafür elastische Momente der letzten Gelenkverbindung mitwirken,
die er sich indessen noch nicht erklären kann. Dieser, aber auch
Stroebelt24), bemerken zwar die Streckplatte und beschreiben sie
als feine geriefelte Chitinplatte, lassen sich jedoch auf dieselbe nicht
weiter ein.
Simmermacher22) fand die Streckplatte am Vorderbein des
Hydrophilus piceus (Figg. 40, 41). Er schreibt darüber: „Fast am
äussersten Ende des erweiterten fünften Tarsalgliedes befindet sich
ein von einem Röhrchen ausgehender Büschel von Chitinborsten,
welche man wohl als Tastborsten anzusehen hat. Das Röhrchen mit
Borsten lässt sich aus dem Fuss herausziehen. An dem ersten Theil
erkennt man alsdann noch „ „eine dunkle kugelartige Erweiterung" ",
an welche sich wieder eine Anfangs schwach pigmentirte, dann glas-
helle Chitinröhre anschliesst." Er zeichnete dieselbe in Figur 41 und
15*
228 Alfred 0 ekler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
bringt ausserdem die Streckplatte einer Cassida in Figur 45, ver-
kannte dieselben aber ganz. Bei den Hydrophiliden ist diese Platte
allerdings so merkwürdig abweichend von der allgemeinen Form ge-
baut, wie ich sie bis jetzt annähernd nur noch bei Oryctes nasicornis
(Fig. 62) gefunden habe. Bei den Hydrophiliden ist sie, wie Simnier-
m ach er richtig angiebt, in der That auf der Unterseite kugelförmig
verdickt; doch lässt sich diese starke Entwickelimg der Streckplatte
wohl erklären: sie findet sich nämlich nur in den beilförmig er-
weiterten Tarsen der Vorderbeine, während sie in denen der hinteren
Beine wieder normal, d. h. flach ist.
Dahl*) beschreibt die Streckplatte als eine schmale Chitinplatte,
die am distalen Ende meist abgestutzt ist und sich als eine weichere
Haut fortsetzt; am proximalen Ende dagegen ist sie dicker, stark
gewölbt, gerundet und in der Mitte mit einer Auskerbung versehen,
in welcher die Sehne beweglich befestigt ist.
Grab er14) scheint dieser Beschreibung Dahl' s nicht zuzustimmen,
denn er lässt die Sehne des Krallenbeugers nahe dem Gelenk zu einer
dicken braunen Platte anschwellen, die mit dem Krallenpaar durch
eine dünne Gelenkhaut knorpelig verbunden ist. Dieser Ansicht ver-
mag ich nicht beizupflichten, da die Sehne von der Streckplatte stets
genau unterschieden werden kann und immer deutlich sichtbar ein-
gelenkt ist. In den meisten Fällen kann man an der Sehne dicht
vor der Streckplatte eine schwache chitinöse Anschwellung oder
dunklere, scharf abgesetzte Färbung unterscheiden. Der Dahl' sehen
Beschreibung der Streckplatte kann ich dagegen nur zustimmen; ich
möchte diese Platte jedoch — weiter umfassend — wie folgt ge-
schildert wissen.
Die Streckplatte ist eine löffeiförmige oder lanzettförmige (Figg. 6,
7, 8, 32, 49, 52), meist mit einer mittleren Rinne versehene Chitin-
platte, die sich bezüglich ihrer Wölbung und Rundung im ganzen
nach der äusseren Form des Tarsengliedes richtet. Das proximale
Ende ist etwas verdickt (Figg. 51, 42) und für die Einlenkimg der
Sehne entweder ausgekerbt (Fig. 7), oder quer zur Längsachse ab-
gestutzt (Fig. 6), oder mit einem kleinen stielförmigen Vorsprung ver-
sehen (Figg. 51, 52); in einigen Fällen ist sie am proximalen Ende
stark nach oben umgebogen und etwas eingedrückt. An der ventralen
Oberfläche ist die Streckplatte nicht nur, wie Dahl meint, warzen-
artig schuppig gefeidert (Fig. 7), sondern theils ganz quergeriefelt
(Figg.36,46), theils findet sich beides vereinigt ; dann tritt die Riefelung
nur an den Seiten auf. In manchen Fällen ist die Streckplatte am
distalen Ende der Ventralfläche auch mit kleinen Borsten besetzt
(Fig. 3)., Das distale Ende dagegen ist verschieden gebaut:
1. Es läuft in eine walzenförmige, mehr oder weniger flachgedrückte,
theils längere, theils kürzere, dorsalwärts schwach gebogene
Borste aus, die ich „Streckborste" nenne. (Figg. (5, 9, 32,
*) 4. pag. 9.
Ein Beitrag zur Kemitniss von dessen Bau und Funktion. 229
41, 46, 47, 62). Dieselbe scheint bei allen zweikralligen In-
sekten ohne jegliches oder ohne mittleres Haftläppchen vorzu-
kommen.
2. Es ist abgestutzt; und dies ist der Fall bei
a) Insekten mit einem mittleren Haftläppchen, bei denen die
Streckplatte durch eine schmale weiche Haut mit dem
Haftläppchen in Verbindung steht. (Figg. 3, 7, 8, 19, 20 49.)
b) Insekten mit einkralligem Tarsus. (Figg. 30, 36, 37, 38.)
Die Streckborste wird von vielen Autoren erwähnt, da sie bei
manchen Insekten, wo sie sehr lang ist, leicht bemerkt werden musste;
sie wurde in Bezug auf ihre Herkunft und^ Bedeutung jedoch eben-
falls ganz verkannt. Die ersten Notizen über dieselbe fand ich bei
Straus-Dürkheim23), welcher sie beim Lucanus beschreibt, der
seit jener Zeit mit grosser Vorliebe als Beispiel citirt wird: „Les
Lucanus ont entre les deux crochets ordinaires une sixieme phalange
fort grele, terminee par une seconde paire des crochets."
Burmeister2) äussert sich, nachdem er einige Krallenformen
beschrieben, beinahe ebenso: „Zwischen diesen beiden Haken des
letzten Fussgliedes befindet sich bei einigen Kerfen noch eine zweite
kleinere Kralle, die Afterkralle (pseudonychium) genannt. Unter den
Käfern zeigt Lucanus diese Bildung. Dem Bau nach stimmt diese
kleinere Kralle vollkommen mit der grösseren überein, besteht also
wie diese aus einem stielförmigen Grundgliede, an dessen Ende
2 kleinere Häkchen sitzen." Auf die letzten Worte dieses Citats will
ich nur erwiedern, dass ich kleinere Häkchen bisher niemals an dem
Ende der Streckborste des Lucanus gefunden habe; jedoch legen sich
die langen am Ende derselben stehenden Borsten bein Eintrocknen
des Insekts dicht an einander und gewinnen dadurch leicht das Aus-
sehen einer Kralle.
Tuffen West27) dagegen äussert sich über die Streckborste der
Fliegen in richtiger Weise, wenn er schreibt: ,,At the root of the
pulvillus, on its under-surface, is a process, which in some instances
is short and stout, in others long, greatly curved, and tapering to
its extremity (Scatophaga), setose (Empis), plumose (Hippoboscidae),
or, in one remarkable example (Ephydra) , so closely resembling in
its appearance the very rudimentary pulvillus with which it is asso-
ciated, that J was for some time unable to deeide whether it was a
third lobe of this organ, or, with the other exämples named and to
be more fully described hereafter, a peculiar tactile hair, which is
present, in some modification or other, in all insects, so far äs my
present experience goes. This tactile hair has been considered by
two excellent observers to be a spring, by the help of which the
fiy is enabled to detach its cushions from any surface to which they
have been applied; but J shall in due course proeeed to show that
this opinion is erroneous." — Tuffen West erkannte die Streck-
borste meines Erachtens ganz richtig, obgleich er deren Funktion
,,to detach the cushions" als irrthümlich hinstellt. Dieses ist nicht
230 Alfred Ockler: Das Krallenglied am Iiisektenfuss.
zu verwundern, da er weder die Streckplatte noch ihren Zusammen-
hang mit der Streckborste kannte. Nach seiner Meinung sind die
Krallen bei den Dipteren und Hymenopteren, abweichend von denen
der anderen Insekten, ja nicht einmal ,,attached to the fifth tarsal
Joint," sondern „attached to the terminal sucker." Obschon ich
Tuffen West 's Ansicht, dass die Fliegen ihre Haftläppchen mit
Hülfe der Streckborste loslösen, anerkenne, muss ich mich hier doch
dagegen verwahren, dass die Streckborste das Abheben allein besorge,
und verweise für die Funktion dieser Borste auf meine folgenden
Ausführungen.
Auch Simmermacher22) giebt, abgesehen von dem schon an-
geführten Hydrophilus piceus, aus dessen Tarsus er eine mit Chitin-
borsten besetzte „Röhre" herausgezogen, noch eine Notiz über die
Streckborste: „Bei dem verhältnissmässig grosse Tarsen besitzenden
Enemia lupercus (exotische Form) fand ich am starken Krallenglied
wohl Chitinhaare, dieselben erwiesen sich jedoch, wie ich vermuthete,
unter dem Mikroskop als einfache Borsten. — Dagegen ist bei den
Lamellicorniern verbreitet ein am Krallenglied befindliches Borsten-
büschel, das wohl als Tastapparat dient, wie wir Aehnliches bei Hydro-
philus fanden." — Da mir dieser exotische Enemia lupercus nicht
zugängig war, so möchte ich an dieser Stelle nur erwiedern, dass
bei dem jedenfalls „gespiessten" Exemplar die Streckplatte und Streck-
borste wohl sehr stark in den Tarsus zurückgezogen war, oder aber
die letztere sehr kurz ist. Bei den Lamellicorniern dagegen sind
sowohl die Streckborste als auch die an deren Spitze sitzenden Tast-
haare verhältnissmässig gross; namentlich die letzteren treten oft sehr
lang und deutlich am Grunde der Krallen hervor.
Dahl4) dagegen übergeht die Streckborste merkwürdigerweise
ganz; er erwähnt nur bei den Fliegen, „dass sich zwischen den
beiden Haftläppchen ein langer unten gefiederter Anhang befindet,
der wohl aus dem Empodium entstanden ist; eine Borste die sich
bei allen Fliegen findet."
Meines Erachtens hat die biegsame Streckborste überall den-
selben doppelten Zweck:
1. Die Streckplatte in ihrer Funktion zu unterstützen, und
2. zum Tasten zu dienen; zu letzterem Zweck sind an ihrem
Ende helle, theils schwach chitinisirte Härchen eingelenkt, die
in Gruben stehen.
Ehe ich jedoch die Funktion eingehender behandle, will ich
die Streckborste und ihren Bau beschreiben.
Die Streckborste
erscheint gewöhnlich in derselben Farbe wie die Krallen, dunkel-
braun; sie ist an ihrer Oberfläche meist glatt und läuft entweder
in eine lange einfache, verzweigte oder gefiederte Spitze aus
(Figg. G, 9, 32, 42, 46, 52, Q2, 65), oder sie ist zungenförmig ab-
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 231
gestutzt ; im letzteren Falle ist sie flach und am ventralen Ende fast
regelmässig mit 2 oder mehreren feinen Härchen, „Tasthaaren", be-
setzt (Figg. 9, 42, 65), die am äussersten Theile der Beine jedenfalls
sehr zweckmässig angebracht sind. Die Streckborste geht am
distalen Ende der Streckplatte direkt aus dieser hervor und wird
sehr bald hohl. Man kann bei den meisten Insekten die rundliche
Oefmung recht gut erkennen, welche zu diesem Hohlraum führt
und für den Eintritt von Blut und Nerven hinreichenden Platz
bietet. Die erwähnte Oeffnung befindet sich auf der dorsalen Seite;
dicht hinter derselben tritt die Borste aus der dünnen Haut hervor,
welche die Krallen an ihrem Grunde verbindet. Die Tasthaare an
der Spitze stehen in Gruben und durch einen Kanal mit dem
Innern der Streckborste in Verbindung. Einen näheren Aufschluss
gaben mir meine bisherigen Präparate noch nicht; jedoch fand ich
die Matrix, welche sich bis zur Spitze der Streckborste fortsetzt.
In ihrer äusseren Form richtet sich die letztere auch nach der Ent-
wickelung der Krallen; denn bei Insekten, wo diese sehr ungleich
sind, weicht die Streckborste ebenfalls von dem sonst symmetrischen
Bau ab und ist nach der Seite der stärkeren Kralle hin mehr auf-
gebaucht, als an der andern; z. B. bei Anisoplia- (Fig. 47).
Die Bedeutung der Streckborste für das Krallenglied ist nun
folgende. Beim Zurückweichen der Streckplatte werden die Krallen, wie
ich schon erwähnt habe, nach unten gezogen, indem sie sich um
den Krallenhöcker drehen. Die ventralen Krallenvorsprünge, an
welche sich die Streckplatte ansetzt, beschreiben also, da sie ja die
Bewegung vermitteln, einen kleinen Bogen von unten nach oben
und treten in das Tarsenglied zurück. Während der Zeit, wo das
distale Ende der Streckplatte nach innen über die Gleitrinne zurück-
weichend sich ein wenig nach unten senkt, wird die Streckborste
durch den Widerstand, den sie an der Unterfläche, auf der die
Krallen angreifen, beziehungsweise an der Gleitrinne findet, an-
gespannt und dadurch ventralwärts etwas stärker durchgebogen.
Wie jeder federnde Körper das Bestreben hat, in seine ursprüngliche
Lage zurückzukehren, so ist es auch hier; lässt der Zug der Sehne
nach, tritt also die Streckplatte wieder hervor, so geht zugleich
deren distales Ende mit den Krallen denselben Weg zurück, wobei
die Hebung der Krallen durch die sich wieder streckende Streck-
borste sehr erleichtert wird.
Eine merkwürdige Modifikation erleidet die Streckborste
bei den Insekten mit einem unpaaren mittleren Haftläppchen.
Wie das ganze Bein für eine Ausstülpung vom Stamm er-
achtet wird, so halte ich die Haftläppchen genetisch ebenfalls
nur für eine umgewandelte Ausstülpung der das Tarsenglied ab-
schliessenden und mit den Krallen verbindenden Haut; als Beweis
dafür möchte ich die modificirte Streckborste gelten lassen, da ja
nichts naheliegender ist als die Voraussetzung, dass die Streckborste
dann an dieser Umwandlung ebenfalls Theil genommen haben muss.
Dieses ist meines Erachtens auch der Fall. Die Streckborste ist
232 Alfred 0 ekler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
nämlich in eine kleine Platte umgewandelt, die an der Unterseite
mit meist feinen, ziemlich kurzen Borsten besetzt ist, welche, in
schräg distaler Richtung auf derselben stehend, schwach gegen die
Platte gekrümmt sind (Figg. 3, 11, 12, 16, 19, 20, 21, 43, 49). Dahl
fand diese Platte, die ich „Strecksohle" benannt wissen möchte,
zuerst, und schrieb über dieselbe*): ,, weiter nach dem Grunde hin
(in proximaler Richtung gedacht) tritt in der Mitte des Haftläppchens
eine Chitinmasse mit stärkeren Haaren auf, welche sich als un-
mittelbare Fortsetzung der Streckplatte erweist."
Aus dem Wort „unmittelbar" muss man schliessen, dass die
Strecksohle mit der Streckplatte starr verbunden ist; dies ist jedoch
nie der Fall. Beide sind stets etwas beweglich aneinander gefügt,
was ja auch dem Zweck entsprechend nothwendig ist. Während
die lange schmale oder kürzere breite Streckborste bei den übrigen
Insekten fest mit der Streckplatte verwachsen sein muss, wenn sie
federnd wirken soll, darf die Strecksohle nur beweglich damit ver-
bunden sein, weil sie sonst bei der Funktion der Streckplatte
nicht nachgeben könnte, zumal sie, wie diese am distalen Ende,
schwach nach unten durchgebogen ist. Die kleinen Borsten auf der
ventralen Oberfläche der Strecksohle wirken nach meiner Ansicht in
ihrer Gesammtheit wie die eine grössere und stärkere Streckborste;
da sich die Arbeitsleistung auf die einzelnen Börstchen vertheilt,
brauchen diese nicht so gross und stark zu sein wie die Streck-
borste.
Morphologisch ist die Strecksohle ebenso wie die Streckplatte
ein verdicktes Stück der äusseren Chitinhülle; sie zeigt aber keine
schuppige Felderung oder Querriefelung auf der ventralen Fläche,
bei Schnitten jedoch dieselbe geschichtete Struktur; die Matrix findet
sich ebenfalls auf ihr.
Bei meinen bisherigen Untersuchungen, die sich über alle Ord-
nungen der Insekten erstreckt haben, fand ich die Strecksohle bei
Krallengliedern mit einem unpaaren mittleren Haftläppchen stets,
und zwar meist scharf abgesetzt, vor; sie hat in der Regel dieselbe
Breite wie das distale Ende der Streckplatte, zeigt jedoch in Form
und Behaarung mannigfache Unterschiede. Am vollkommensten ist
sie jedenfalls bei den Hymenopteren ausgebildet, wo ich sie einer
eingehenderen Betrachtung unterziehen werde. Auffallend weicht die
Strecksohle der Lepidopteren von dem allgemeinen Bau ab ; bei diesen
Insekten ist sie meist nur sehr schmal, auf der Ventralseite glatt
und am Rande unregelmässig ausgezackt abgesetzt (Fig. 49).
_Eine gleiche Platte, wie die Strecksohle, fand ich indessen auch
bei einigen Orthopteren, die keine mittleren Haftläppchen am Krallen-
gliede haben; in solchen Fällen war dieselbe an der Unterseite mit
einer oder auch mehreren längeren Borsten besetzt (Figg. 11, 12).
Bei Gryllus domesticus läuft dieselbe in 2 seitliche spitze Enden aus,
*) 4. pag. '24.
Ein Beitrag zur Kenntnis« von dessen Bau und Funktion. 233
ist an der Unterseite glatt und mit der Streckplatte in deren Mitte
gelenkartig verbunden. Als Ersatz für die auf dieser Strecksohle
fehlenden Borsten sind wohl 2 Längere Borsten anzusehen, von denen
je eine an der Innenseite der Krallen neben der Strecksohle steht.
Abgesehen von allem anderen können solche Krallenglieder
vielleicht als Uebergang von denen ohne Haftläppchen zu denen mit
diesen Organen betrachtet werden.
Ueberaus kurz ist die Streckborste bei den Hemipteren (Fig. 27);
am distalen mittleren Ende der Streckplatte sind nehmlich nur
2 kleine auf einem sehr kurzen stielartigen Vorsprung sitzende
Höckerchen zu sehen, in denen je eine sehr lange Borste sitzt.
Der nächst wichtigste, vor allem für die Streckplatte Bedeutung
habende Theil ist
die Gleitrinne
welche zuerst von Grab er14) erwähnt wurde. Er schreibt darüber:
„die unter der Streckplatte liegende zweite Platte mit der ersteren
und dem ventralen Integument des Fusses durch eine dünne faltige
Randhaut verknüpft, stellt, was Dahl nicht beachtet hat, eine Rinne
oder Führung vor, in welcher die nach aussen etwas wulstig vor-
springende Sehnenplatte sich auf- und niederbewegen kann."
Die Gleitrinne ist ebenso wie die Streckplatte als eine verdickte
Modifikation der das Tarsenglied abschliessenden Haut zu betrachten,
denn sie ist morphologisch ebenso gebaut wie die äussere Chitinhülle;
jedoch ist sie an ihrer dorsalen (concaven) Oberfläche glatt. Die
Matrix breitet sich über ihre Unterfläche aus. Die meist schwach
rinnenartig gebogene Gleitrinne zeigt verhältnissmässig wenig Ver-
schiedenheiten (Figg. 30, 31, 36, 37, 38, 42, 54). Sie richtet sich
bezüglich ihrer Rundung ziemlich genau nach der äusseren Form
des Tarsus und bildet dem entsprechend bei Insekten ohne Haft-
läppchen, da das Tarsenendglied fast walzig rund erscheint, eine
etwas stärker zusammengebogene Rinne als bei solchen Insekten,
deren Füsse Haftläppchen tragen. Die Tarsenendglieder der letzteren
sind nehmlich flacher, d. h. von oben nach unten zusammengedrückt;
infolgedessen erscheint die Gleitrinne ebenfalls sehr flach. Mit dem
ventralen Rande des Tarsus ist sie ziemlich fest verwachsen, schliesst
sich in der Form genau an diesen an und ragt schräg in das Lumen
des Tarsus hinein. Am proximalen Ende ist sie meist rundlich ab-
gestutzt, während sie an den Seiten durch eine dünne faltige Rand-
haut mit dem Tarsus zusammenhängt. Am inneren Ende steht sie
durch eine elastische Gelenkhaut mit der Streckplatte in Verbindung.
Bei den Insekten mit Haftläppchen ist sie, da der Tarsalrand ventral
stark zurückgetreten ist, kurz, aber sehr breit und flach (Fig. 31)
und am distalen Ende meist noch mit sehr feinen hellen Wimper-
haaren besetzt.
Auch bei den einkralligen Klammerfüssen der Pediculinen
(Figg. 36, 37) findet sich die Gleitrinne in einer sehr flachen, schräg
234 Alfred Ockler: Das Kralleiiglied am lnsekteufuss.
in das Lumen des Tarsus frei hineinragenden, oval abgerundeten
Form. Auf dieselbe werde ich in dem betreffenden Abschnitt näher
eingehen.
Nachdem ich die beiden für das 'Krallenglied in Betracht
kommenden Modifikationen der das Tarsenglied abschliessenden Haut,
die Streckplatte und deren Gleitrinne, im voraus behandelt habe,
will ich mich zu dieser selbst wenden.
Die abschliessende Haut
senkt sich, wie Grab er14) treffend bemerkt, taschenartig in das
Tarsenglied ein. Dieselbe ist sehr weich, helldurchscheinend, fast
farblos und hat auf ihrer Aussenseite feine höckerartige Erhöhjungen,
die zum Theil in sehr kurze härchenartige Spitzen auslaufen; die
am proximalen Ende der Streckplatte und Gleitrinne sitzende elastische
Gelenkhaut, welche als eine besondere Modifikation der abschliessenden
Haut zu betrachten ist, zeigt diese warzenartig höckerige Oberfläche
nicht, sondern ist glatt; sie kann von der abschliessenden Haut stets
deutlich unterschieden werden.
Schon früher habe ich erwähnt, dass Grab er die der Streck-
platte von Dahl beigelegte Bedeutung bezweifeln zu müssen glaubt,
was er damit begründet, dass die Krallen auch noch gestreckt wurden,
als er die von Dahl für die Streckung angenommene, mitwirkende
Druckkraft des Blutes durch Oeffnung des Fusses eliminirt hatte.
Dies musste meines Erachtens auch geschehen, da die von Dahl er-
wähnte elastische Haut, welche das proximale Ende der Streckplatte
mit der Gleitrinne verbindet, das Hervortreiben der Streckplatte in
erster Linie veranlasst. Um über die von Grab er gegen Dahl
gemachten Einwendungen Klarheit zu erlangen, machte ich folgende
Versuche.
Ich klebte für meinen Zweck geeignete Insekten mit der Bauch-
oder Rückenseite auf einen Objektträger, wobei ich besonders darauf
achtete, dass nur die letzten Tarsenglieder frei blieben. Darauf
trennte ich die Krallen von der Streckplatte und Hess das Bein
durch Reizung des Insekts functioniren. Hierbei sah ich, dass die
Streckplatte nicht weiter in das Tarsenglied zurückgezogen wurde,
als im normalen Zustande, dass sie aber eben so viel wieder vor-
geschoben wurde. Ausserdem präparirte ich an frisch abgeschnittenen
Beinen die Sehne des Krallenbeugers an geeigneten Stellen frei, zog
daran und kam zu demselben Resultat; die elastische Haut dehnte
sich erst bei stärkerem Ziehen etwas mehr nach innen aus. — End-
lich machte ich noch folgenden Versuch. Ich öffnete ein Bein von
Melolontha vulgaris an verschiedenen Stellen, kochte dasselbe in
Kalilauge und machte es nach Behandlung mit Alkohol in Nelkenöl
möglichst durchsichtig. Als ich nun an der Sehne zog, sah ich
deutlich, wie beim Nachlassen des Zuges die elastische Haut sich
contrahirte und die Streckplatte vorschob. In diesem Falle war
also eine Mitwirkung der lUuttfüssigkeit nicht möglich, und dennoch
Ein Beitrag zur Keuntniss von dessen Bau und Funktion. 235
wurde die Streckplatte in ihre natürliche Lage zurückgebracht. Bei
diesem Experiment fiel auf, dass die abschliessende faltige Haut sich
ebenfalls etwas mit ausdehnte und wieder zusammenzog. Ich er-
kläre mir diese Mitwirkung durch die faltige Anordnung derselben.
Dalil*) schreibt über diese Haut wohl, dass sie gefaltet ist, aber
nicht wie, ob längs ob quer. Dieselbe ist, wie aus Da hl 's Zeich-
nung allerdings schon hervorgeht, an den Seiten der Streckplatte
stets schwach längs gefaltet; am proximalen Ende der letzteren da-
gegen legen sich die Falten um die Streckplatte herum und ver-
laufen nach dem Tarsalrande und den Krallen hin breiter und
flacher. Für die Funktion der Streckplatte ist diese Anordnung der
faltigen Haut jedenfalls durchaus zweckentsprechend. Um mich nun
zu überzeugen, in wie weit die faltige Haut bei der Streckung der
Krallen mitwirke, zerstörte ich die elastische Gelenkhaut mit der
Präparirnadel, zog an der Sehne und fand beim Loslassen derselben,
dass die Krallen sich viel langsamer streckten als vorher, und dass
dies überhaupt wohl nur noch durch das Zusammenziehen der
Falten verursacht wurde; denn der Druck der Blutflüssigkeit konnte
infolge der durch Zerstörung der elastischen Gelenkhaut entstandenen
Oeffhung nicht mehr in Betracht kommen. Dasselbe Resultat er-
zielte ich bei dem — wie oben angegeben — behandelten Melolontha-
fuss. Hieraus schliesse ich, dass die elastische Gelenkhaut das Vor-
treiben der Streckplatte in erster Linie veranlasst.
Das Zusammenwirken der elastischen und faltigen Haut mit der
Streckplatte denke ich mir nun folgendermassen.
Beim Zurücktreten beschreibt die Streckplatte, wie ich schon
angegeben habe, mit ihrem proximalen Ende eine kleine Curve nach
oben und innen, wobei sie nicht nur die elastische, sondern auch
die faltige Haut ausdehnt. Zugleich drückt sie die Blutflüssigkeit,
von der Dahl wohl angiebt, dass sie in den Fuss zurückweicht,
aber nicht wo sie bleibt, gegen die feste Hülle des Tarsengliedes.
Da diese natürlich Widerstand leistet, so sucht sich das Blut einen
anderen Ausweg; es drückt zurück und trifft auf die faltige Haut,
welche sich glättet. Lässt der Zug der Sehne nach, so tritt das
umgekehrte ein. Es wirken bei der Beugung und Streckung der
Krallen eben eine Reihe einzelner Momente zusammen, wie sie ein-
facher und passender wohl kaum gedacht werden können. — Durch
denselben mechanischen Vorgang erklärt sich ferner das Eindringen
der Fussdrüsenflüssigkeit in die später zu betrachtenden Haftläppchen,
die mit dem Innern des Tarsus stets in direkter Verbindung stehen,
und von denen schon Dewitz8) meint, dass sie beim Gebrauch
strotzend gemacht werden, da sie sonst schlaff herabhängen.
Bemerkenswerthe Unterschiede in Form und Lage zeigt auch der
Gelenkhöcker für die Krallen, zu dem ich jetzt übergehen will.
Denselben habe ich bis jetzt nirgends beschrieben gefunden; es wird
nur seine Existenz und allgemeine Lage erwähnt.
236 Alfred Ockler: Das Krallenglied am Insekteufuss.
Der Krallengeleiikhöcker
befindet sich entweder im oberen inneren Theil des Tarsus (Figg. 4,
30, 42) dicht an dessen distalem Ende in der medianen Längsachse
des Gliedes, er ragt schräg in distaler Richtung in das Lumen hin-
ein; oder er ist ganz an den Rand des Tarsus gerückt und bildet
in diesem Falle gewissermassen nur eine verdickte, nach unten ge-
bogene Fortsetzung desselben (Figg. 22, 31, 36, 37). Der Krallen-
höcker ist am Grunde entweder direkt mit der Chitinhülle verwachsen
(Fig. 5), und dies ist bei den Insekten ohne Haftläppchen der Fall,
oder er sitzt auf einer bogenartigen Chitinverdickung (Figg. 28, 45, 47),
die, sich dem äusseren Rande des Tarsengliedes gewissermassen an-
schmiegend, nach den Seiten schwächer werdend ausläuft; welche
Verdickung, wie sich bei der Betrachtung des Tarsalrandes im fol-
genden Abschnitt ergeben wird, als skelettale Verstärkung des Tarsen-
gliedes durchaus nothwendig ist. Die zweite Form des Krallenhöckers
findet sich bei Insekten mit Haftorganen am Krallengliede.
Bei den zweikralligen Insekten ohne Haftläppchen ist der Krallen-
höcker am distalen Ende meist schwach herzförmig (Fig. 5), bei den
einkralligen einfach quer zur Längsachse abgerundet (Fig. 30). Bei
denen mit einem mittleren Haftläppchen dagegen ist er breiter (Fig. 28),
so dass die Krallen weiter von einander stehen, und hat entweder
für diese je einen seitlichen Vorsprung (Fig. 10), während er in der
Mitte zur Einlenkung der dorsalen Skeletttheile des Haftläppchens
rinnenartig ausgeschnitten ist, oder er hat 3 kleine Vorsprünge, an
denen sich die genannten Theile ansetzen.
Bei den Dipteren ist der Krallenhöcker wieder etwas schmaler
(Fig. 57); er zeigt an der Aussenseite hinter den Vorsprüngen mi-
die Krallen entweder kleine Aushöhlungen oder ebenfalls vorsprung-
artige Erweiterungen zur Einlenkung für die Skeletttheile der Haft-
läppchen.
Auch der Krallenhöcker ist morphologisch wohl als eine Ver-
dickung der Chitinhülle aufzufassen, denn er zeigt auf Schnitten
eine sehr fein geschichtete, dunkle Streifung, wie er sich denn gegen
die umliegende Tarsalwand überhaupt stets dunkler abhebt. Die
Matrix setzt sich von dieser über seine Innenseite fort.
Schöne Anpassungen an die Funktion des Krallengliedes zeigt
uns endlich
der distale Rand des Tarsenendgliedes.
Bei den Insekten ohne Haftläppchen ist er ziemlich überein-
stimmend gebaut, und zwar ist der Tarsus quer zu seiner Längs-
achse abgeschnitten (Fig. 55). Für die Excursionsgrenze der Krallen
kommt aus leicht erklärlichen Gründen nur der ventrale Theil des
Randes in Betracht, gegen den sich die Krallen zu legen haben.
Dieser ist nun an jeder Seite ein wenig ausgeschnitten; infolgedessen
Ein Beitrag- zur Kenntniss von dessen Bau und Funkfcion. 237
können die Krallen, da sie ihren dickeren Grundtlieil in diesen Aus-
schnitt hineinlegen, weiter zurückgeschlagen werden; auf diese Weise
bilden sie mit dem Tarsus einen regelrechten, zum Klettern vor-
züglich geeigneten Haken (Fig. 42).
Eine überaus zweckentsprechende Einrichtung fand ich bei den
Laufkäfern (Fig. 48). Bei diesen ist der mittlere ventrale Theil des
Tarsenrandes in eine breite zungenförmige Spitze ausgezogen, die
am ganzen Gliede, von oben betrachtet, ziemlich stark über dessen
Rand hervorragt. Diese Spitze ist eine direkte Verlängerung der
Chitinhülle und der Gleitrinne; sie hat entschieden den Zweck, der
kurzen, breiten Streckborste als eine Gleitfläche zu dienen, welche
die Borste niemals zu verlassen hat. Ich halte diese Einrichtung
bei den Laufkäfern für durchaus nothwendig, und erkläre mir das
so schnelle Laufen dieser Insekten wenigstens zum Theil aus diesem
Umstände. Die Streckborste würde, wenn sie über den Tarsalrand
hinaus ragte, auf zuviel verschiedene Hindernisse stossen, da sie dann
auf derselben Unterlage wie die Krallen eine Stütze suchen müsste;
infolgedessen könnte sie nicht schnell genug functioniren. Damit
dieselbe nun mit der betreffenden Fläche gar nicht in Berührung
kommt, ist die Gleitrinne möglichst weit vorgeschoben. Dass diese
Deutung die richtige ist, glaube ich daraus schliessen zu können,
dass die sonst stets an der Spitze der Streckborste sitzenden Tast-
haare bei den Laufkäfern fehlen, die Streckborste selbst aber stets
flach und zungenförmig, in der Mitte seitlich etwas verdickt er-
scheint.
Die gleiche Einrichtung findet sich bei den Wasserkäfern. Diese
Thatsache scheint mir ein neuer der vielen zu berücksichtigenden
Punkte für den Beweis der Ta seh enberg' sehen Hypothese zu sein,
dass die Wasserkäfer nur umgewandelte Laufkäfer sind.
Bei den Füssen, welche vorwiegend zum Klammern oder Klettern
dienen, tritt der untere Rand des Tarsus mehr zurück, oder der
Krallenhöcker nähert sich dem oberen Rande (Fig. 22), so dass die
Krallen sehr weit gegen den Tarsus zurückgeschlagen werden können.
Am Tarsenglied der mit Haftläppchen versehenen Insekten da-
gegen weicht der ventrale Theil des Randes sehr bedeutend zurück;
das Tarsenglied erscheint von der Unterseite betrachtet in proximaler
Richtung gleichsam sehr weit ausgeschnitten (Figg. 16, 31). Diese
Einrichtung hat folgenden Zweck. Wenn solche mit Haftorganen
versehenen Insekten in die Lage kommen, ihre Krallen soweit ein-
schlagen zu müssen, dass dieselben sich gegen den Rand des Tarsen-
gliedes legen (und zwar bei allen zweikralligen Insekten an dieselbe
Stelle der seitlichen Ausschnitte) , so muss für die zugleich mit der
Streckplatte zurücktretenden Haftorgane doch Platz zum ausweichen
vorhanden sein, wenn sie nicht zerdrückt oder gequetscht werden
sollen; durch das starke Zurücktreten des unteren Tarsalrandes ist
nun der nöthige Raum in geeignetster Weise geschaffen. Da aber
durch diesen Ausschnitt der obere Rand mit dem Krallenhöcker an
238 Alfred Ockler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
dem flachen Tarsenglied dann nicht mehr widerstandsfähig genug
sein würde, den nöthigen Druck auszuhalten, so ist er durch einen
schmalen Chitinbogen verstärkt, auf welchem der Krallenhöcker sitzt;
dieser Chitinbogen verläuft nach den Seiten am Tarsalrande entlang
immer schwächer und spitzer werdend. Ich kann mir eine andere
Erklärung für die Bedeutung dieses Bogens nicht geben und möchte
als Beweis für meine Erklärung das Krallenglied einer Fliege gelten
lassen, die keine Haftläppchen hat. Bei Leptogaster (Fig. 59) ist
weder der ventrale Theil des Tarsenrandes zurückgetreten, noch findet
sich der skelettale Chitinbogen an dessen Rand; das Tarsenendglied
ist vielmehr normal, wie bei den Insekten im allgemeinen gebaut.
Welche Faktoren bei der Zurückschiebung der Haftläppchen in
die natürliche Lage mitwirken, habe ich an anderer Stelle aus-
geführt und will bei der Beschreibung der Haftläppchen auf die-
selben näher eingehen. Es sind jedoch noch einige Momente be-
sonders zu beachten, welche die Haftläppchen ebenfalls zurückschieben
helfen. An der Unterseite des Tarsenendgliedes finden sich in der
Nähe des Randes häufig federnd wirkende Borsten, die vielleicht
„Druck borsten" genannt werden können, gegen welche sich die
Haftläppchen beim Zurücktreten legen. Diese Borsten, welche da-
durch etwas angespannt werden, beschränken ihre Thätigkeit nur
auf die Hebung der Haftläppchen; sie legen sich bei diesen stets
nur gegen fester chitinisirte Theile; meist sind 2 derartige Borsten
vorhanden, welche theils sehr schlank, theils gedrungener, öfter auch
flach, fast blattartig erweitert sind, wie bei Pompilus (Fig. 35); in
manchen Fällen sitzen sie auch auf kleinen Vorsprüngen des Tarsen-
randes, wie bei Eristalis.
Ebenso finden sich auf der dorsalen Seite des Tarsengliedes in
der Nähe des Randes an bestimmten Stellen einige längere, sehr
schlanke, gekrümmte Borsten, die sicherlich denselben Zweck haben
wie die eben erwähnten, ein zu starkes Biegen und Zusammen-
drücken der Haftläppchen nach oben zu verhindern. Diese Borsten
können vielleicht auch als ,, Schutzborsten" für das ganze Krallen-
glied angesehen werden. Tuffen West27) hält sie für solche; er
schreibt nämlich über den Fuss von Sargus (Dipt.): ,,from the base
of the fifth tarsal Joint arise 11 long, overarching setae (guard-hairs)
which bend downwards towards their points." Ob diese Borsten
Sinneshaare sind, möchte ich bezweifeln, da ich bezüglich Färbung,
Bau und Einlenkung bisher keinen Unterschied mit der übrigen
Behaarung finden konnte. Bei den Pompiliden, deren Haftläppchen
durch eine besondere „Schutzplatte mit langen steifen Borsten"
(Figg. 60, 61) bedeckt wird, konnte ich diese auf der Oberseite des
Tarsus stehenden Borsten nicht finden.
Nach diesen Ausführungen, von denen ich hoffe, dass sie zum
Verständniss des Baues und der Funktion des Krallengliedes etwas
beitragen mögen, will ich einige Formen desselben schildern, wie sie
mit mehr oder weniger grossen Abweichungen im Insektengebiet
immer wiederzukehren scheinen.
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 239
Zweikralliger Insekteiifuss.
Die einfachsten Formen eines solchen Krallengliedes, wie ich
sie bisher gefunden, zeigt unter den Käfern Corymbites aeneus
(Fig. 55). Bei demselben erscheint das Krallenglied ebenso wie das
ganze Bein dunkelbraun. Die Krallen sind einfach, schwach ge-
bogen und haben am Grunde je ein kleines Grübchen. Die beiden
äussersten Punkte des Tarsalrandes auf der dorsalen und ventralen
Seite liegen in einer Ebene, welche fast senkrecht zur Längsrichtung
des Tarsengliedes steht. Der Tarsalrand weicht von der dorsalen
Seite aus nach unten etwas zurück, biegt aber unterhalb der mittleren
horizontalen Längsebene des Gliedes dann plötzlich sehr scharf in
distaler Richtung wieder um. In die hierdurch an jeder Seite ent-
standene Auskerbung legen sich die Krallen zurück und finden zu-
gleich einen festen Halt gegen Druck nach der Seite, nach oben
und unten, üass die Krallen sich beim Zurückschlagen etwas spreizen
müssen, geht daraus hervor, dass sie am Krallenhöcker dicht neben
einander, an der Streckplatte weiter von einander eingelenkt sind.
Die flache schuppig gefelderte Streckplatte läuft in eine zungen-
förmige Streckborste mit etwas verbreiterter abgerundeter Spitze
aus, sie ragt nur wenig über den Grund der Krallen hinaus und ist
an der Unterseite der Spitze mit 2 feinen hellen Tasthaaren besetzt,
die fast halb so lang sind als die Krallen. Der Gelenkhöcker für
diese hat zwei abgerundete kleine Vorsprünge.
Dieser Typus findet sich bei allen zweikralligen Insekten; die
Hauptabweichungen von demselben zeigen die Laufkäfer mit der
vorgeschobenen Gleitrinne, und die Insekten mit Haftläppchen, bei
denen der untere Tarsalrand stark zurückgetreten ist. Eine andere
bemerkenswerthe Abweichung zeigt der zweikrallige Fuss der Psociden ;
bei diesen ist der Gelenkhöcker für die Krallen nehmlich ganz an
den Rand des Tarsus getreten (Fig. 22); infolgedessen können diese
Thiere ihre Krallen ebenfalls sehr weit zurückschlagen.
Die bedeutendsten Unterschiede zeigen neben den Krallen
die Streckplatte und die Streckborste in Form, Grösse und Umfang
(Figg. 9, 32, 33, 40, 47, 52, 62).
Ich will hier nur noch erwähnen, dass sich die Streckborste
selbst bei am Grunde zusammengewachsenen Krallen findet, wie sie
z. B. auch Cleonus sulcirostris besitzt; dieselbe ist aber sehr kurz
und flach. Die Krallen haben an ihrer mittleren Naht eine kleine
Auskerbung für den Ansatz der Streckplatte und für die Streckborste,
welche durch diese Auskerbung hindurch tritt. Da die zusammen-
gewachsenen Krallen fast das ganze Lumen des Tarsengliedes ver-
schliessen, so braucht die Streckborste, infolge der geringen
Excursionsfähigkeit derselben, nicht lang zu sein. Dieselbe Ein-
richtung findet sich bei den unvollkommen verwachsenen Krallen.
Sehr abweichend jedoch ist das Krallenglied von Hoplia gebaut.
Während bei Anisoplia noch beide Krallen mit der Streckplatte ver-
240 Alfred 0 ekler: Das Kvalleuglied am Insektenfuss.
bunden sind, ist dies bei Hoplia eigentlich nur die eine überaus
mächtige Kralle; zu diesem Zweck ist die Streckplatte am distalen
Ende schräg abgestutzt und durch eine stark entwickelte Gelenk-
haut mit der grossen Kralle verbunden. Die kleine Kralle steht nur
mit dieser am Grunde in Verbindung ; sie kann daher nur mit Hülfe
der grossen eingeschlagen werden. Die Streckborste fehlt bei dem
Krallenglied der Hoplia ganz, da sich die Streckplatte mit ihrer
ganzen Breite an die Gelenkhaut ansetzt.
Recht eigenthümlich erscheinen die gespaltenen Krallen bei
Meloe (Fig. 50); während die eigentlichen, vollkommen ausgebildeten
Krallen sich neben einander befinden, stehen die feineren, hell durch-
scheinenden flachen Nebenkrallen ausserhalb daneben; letztere, sich
in der äusseren Form nach den eigentlichen Krallen richtend, sind
mit diesen am Grunde, auf der Aussenseite dagegen durch die ab-
schliessende Haut mit der Streckplatte verbunden. Ich möchte die-
selben für Greiforgane halten, wie sie die Lepidopteren haben, mit
denen sie ziemlich übereinstimmen (Figg. 20, 21). — Eine bemerkens-
werthe Umwandlung der Streckborste fand ich bei den Trichoptery-
giden. Die kleine, aus winzigen Käfern bestehende Familie der Feder-
flügler zeichnet sich schon durch die eigenthümlich federartig ge-
stalteten Flügel aus, an denen sie leicht erkannt werden können.
Ein ferneres Merkmal für dieselben bildet eine flache, hell durch-
schimmernde weiche Haut, die sich zwischen den Krallen befindet;
dieselbe geht direkt aus der Streckplatte hervor und wird als Haft-
häutchen angesehen, wozu sie sich auch wohl eignen dürfte; sie ist
leicht mit Farbe durchtränkbar.
Nach diesen Auseinandersetzungen wende ich mich zu den
Itralleiigliedern mit Haftorgauen.
Die seit 16(>4 durch Power angeregte Frage, wie es vielen
Insekten möglich wird, an senkrechten oder überhängenden glatten
Flächen sich aufzuhalten oder herumzulaufen, hat die Aufmerksam-
keit der Forscher wiederholt auf sich gezogen. Infolge der ver-
schiedenen Erklärungsversuche dieser Eigentümlichkeit ist eine
ziemlich umfangreiche Litteratur erschienen, welche insofern recht
eingehend ist, als jeder Forscher sich fast ausschliesslich mit der
Lösung der erwähnten Frage beschäftigt, sich bezüglich des Baues
der Haftorgane dagegen stets nur auf eine äusserst kurze Beschreibung
von deren äusseren Formen beschränkte. Erst in der neuesten Zeit,
seit Dewitz") seine Studien diesem Gebiet ebenfalls zuwandte und
dadurch die Po wer 'sehe Frage von neuem anregte, hat sich durch
einige im Anschluss an Dewitz' Arbeiten erschienene Abhandlungen
unsere Kenntniss vom Bau der Haftorgane, besonders durch die
Untersuchungen Dali l's, bedeutend erweitert.
Aus der von Simmermacher82) und Dahl4u-5) gegebenen Zu-
sammenstellung und Beleuchtung der einschlägigen Litteratur geht
deutlich hervor, welche Vorstellungen die betreffenden Entomologen
von den Haftorganen und ihrer Wirkungsweise hatten. Da ich in
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 241
dieser Arbeit nur den Bau und die Mechanik des Krallengliedes be-
handeln will, so erscheint es überflüssig, diese Litteratur hier nochmals
zu besprechen; ich kann deshalb wohl auf die beiden genannten
Arbeiten, beziehungsweise auf die Referate von Emery9) und
Graber14) über die Arbeiten Dahl's und Simmermacher's ver-
weisen. Die wenigen anatomischen Merkmale über die Haftorgane
am Krallengliede, welche in dieser Litteratur enthalten sind, werde
ich den einzelnen Abschnitten vorausschicken; die durch Dahl ge-
wonnenen Resultate dagegen, welche — soweit mir bekannt — bisher
noch nicht fortgesetzt oder ergänzt sind, werde ich eingehender be-
sprechen; über Dahl's Untersuchungen sei hier nur noch erwähnt,
dass sie die ersten sind, welche diese Theile des Insektenkörpers
durch genauere Analyse mittels der neuesten Untersuchungsmethoden
behandeln.
Haftorgane am Krallengliede finden sich bei den Dipteren,
Hymenopteren, Hemipteren, Lepidopteren, Neuropteren und Orthop-
teren. Dieselben erscheinen in der Form von behaarten oder un-
behaarten Haftläppchen neben oder an den Krallen und bieten für
die einzelnen Ordnungen typische Formen.
Als zweikralliges Tarsenglied mit mittlerem unpaaren Haft-
läppchen schildere ich das der Hymenopteren, einmal weil das Haft-
läppchen bei diesen Insekten am complicirtesten gebaut ist, und weil
es zweitens schon von Dahl kurz und ziemlich treffend beschrieben
wurde.
Das Haftläppchen der Hymenopteren wurde erst fast 100 Jahre
später als diejenigen der Fliegen beschrieben, und zwar von Swam-
merdam: „Zwischen den Nägeln ist ein sehr weiches häutigesWesen,
das, wenn es zerdrückt wird, eine helle, durchsichtige Feuchtigkeit
ergiesset. Die Bienen können es im Gehen nach auswärts bewegen.
Und das thun sie nach meinem Bedünken, wenn sie über die soeben
zugesponnene Brut oder das frisch verfertigte Wachs hinlaufen wollen.
Zu der Zeit halten sie dann ihre Nägel ein, so wie etwa die Katzen
thun, die mit Jemand spielen."
Kirby und Spence18) halten das Haftläppchen zuerst für ein
Haftorgan, und zwar für einen Saugnapf. Ihnen schlössen sich
Hartig15), Tuffen West27) und Simmermacher22) an.
Hartig schreibt: „Weit entwickelter, als an den ersten 4 Tarsen-
gliedern sind die Saugnäpfe am letzten, wo sie zwischen den beiden
hornigen, gekrümmten Klauen liegen. Das Haftläppchen besteht aus
einer doppelten, sackförmig geschlossenen, nach aussen sich erweitern-
den, derben Membran, welche an ihrer Oberseite durch eine ge-
bogene Hornschuppe, und eine derbere, bis zum Vorderrand der
Membran sich erstreckende und dort nach unten leicht gekrümmte
Horngräte, in der Mitte aber durch eine ringförmige, in der Mem-
bran von einer Ecke der Hornschuppe zur anderen sich hinziehende
Horngräte unterstützt und ausgespannt wird." Im Princip erkannte
er den Bau des Haftläppchens also richtig, jedenfalls viel besser als
Avch. f. Natnrgesch. Jahv«.189n. Ba.I. H.3. 16
242 Alfred Ockler: Das Krallenglied am Iusektenfuss.
Simmermacher, nach dessen Untersuchungen „die Bienen" (und
auch andere von ihm untersuchte Hymenopteren) „eben so gut Haft-
läppchen mit Chitinhärchen besitzen wie die Fliegen". „Dieselben
sind indessen," wie Simmermacher weiter schreibt, „nicht scharf
in zwei oder drei Theile gesondert, wie bei den Fliegen, sondern mehr
oder weniger zusammen verschmolzen. Hummeln, welchen die Haft-
läppchen wirklich fehlen, vermögen nicht an Glas zu laufen."
Die Chitinhärchen, welche sich nach Simmermacher's Ansicht auf
den Haftläppchen der Hvmenopteren finden, haben, wie er weiter
meint (ebenso wie bei den Fliegen), „die Bedeutung, der ganzen als
Saugapparat wirkenden Fläche der Haftläppehen Elastieität zu ver-
leihen, und dadurch das schnelle Laufen an glatten Flächen zu er-
möglichen." Genauer untersuchte er ferner — nach seiner An-
sicht — „die Wespe (Vespa vulgaris), die Biene (Apis mellifica) und
die Hornisse (Vespa crabro), bei denen das Haften an glatten Flächen
auf Bildung eines Vacuums beruhen solle; indem der eine Höhlung
umschliessende Haftlappen wie ein Saugnapf wirke, welcher durch
Andrücken und Wiedernachlassen einen luftleeren Raum bildet.
Letzterer soll durch das am Bande austretende Sekret noch luft-
dichter verschlossen werden."
Aus diesen höchst unvollkommenen Betrachtungen Simmer-
macher's geht deutlich hervor, dass er die im ersten Theil seiner
Arbeit durchgeführte Saugnapftheorie auch auf die Haftorgane am
Krallengliede übertragen wissen will, ohne jedoch ausreichende Studien
an denselben gemacht zu haben. Er ist sich nicht einmal über ihre
Wirkungsweise klar geworden, denn er schreibt, dass die Fähigkeit,
an glatten Flächen zu laufen, nicht auf blosser Adhäsion und Be-
feuchtung, sondern auf Bildung eines Vacuums beruhe, ohne uns
jedoch über das Entstehen des letzteren aufzuklären. Nachdem
Dewitz und Dahl festgestellt haben, dass kein abgeschlossener Raum
entsteht, kann von einer Saugwirkung wohl keine Rede mehr sein.
Recht unglücklich ist ferner Simmermacher's Vergleich der
Haf'tläppchen der Hvmenopteren mit denen der Fliegen. Er schreibt:
„Es finden sich nämlich nicht mehr 2 oder 3 getrennte Haftläppchen,
wie bei den Dipteren, sondern nur ein einziger, welchen wir ge-
wissermassen als durch eine Verschmelzung von 2 Dipterenhaftlappen
entstanden ansehen können. Den Eindruck, als haben sich 2 Haft-
läppchen mit ihren inneren Seitenrändern an einander gelegt, und
so eine Art Schale gebildet, empfängt man besonders bei Betrachtung
des Fusses von Vespa vulgaris." Kurz darauf verwahrt er sich
aber gegen die Ansicht, dass die Haftläppchen der Hymenopteren aus
denen der Dipteren durch Verschmelzung sich entwickelt haben könnten.
Schon bei Betrachtung dieser Haftläppchen mit einer guten Lupe
kann man sehen, dass das der Hymenopteren nicht nur einen anderen
Sitz hat, sondern auch ganz anders gebaut ist als die der Dipteren.
Während man bei diesen die auf ihnen stehenden Härchen schon
mit schwacher Vergrösserung erkennen kann, ist dies bei den
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 24'd
Hymenopteren nur bei stärkerer Vergrösserung möglich. Im übrigen
lässt sich Simmermacher auf den Bau der Haftläppchen nicht weiter
ein; selbst die am Krallengliede der anderen Insektenordnungen be-
findlichen Haftorgane fand er „wie bei den Fliegen."
In anderer und zwar entsprechenderer Weise betrachtete Dahl*)
das Haftläppchen der Hymenopteren, auf dessen Bau er näher ein-
geht. Er schreibt nämlich: „Der Raum zwischen den Krallen ist
unmittelbar zum Haftläppchen erweitert. Vollkommen ausgebreitet
hat es eine fast verkehrt herzförmige Gestalt (Fig. 16). Die untere
Fläche ist, namentlich in ihrem unteren Theile, weich und fast glatt,
näher nach der Basis hin dagegen mit kurzen Härchen, oft nur
spärlich, besetzt. Dieselben stehen auf kleinen Höckerchen und
gehen unmittelbar in diese über, sind also nur als Anhängsel der
Hautmasse anzusehen. Weiter nach dem Grunde hin tritt in der
Mitte eine harte Chitinmasse mit stärkeren Haaren auf, welche sich
als unmittelbare Fortsetzung der Streckplatte erweist. Die Ober-
seite des Haftläppchens ist nach der Spitze hin ebenfalls weich und
entweder mit Haaren bedeckt, oder die Haut ist dicht und fein ge-
faltet. Näher der Wurzel tritt in der Mitte eine feste Chitinplatte
auf, die zwischen den Krallenwurzeln liegend durch eine Gelenkhaut
mit dem dorsalen Theil der Chitinhülle des letzten Tarsengliedes
in Verbindung steht. Diese Platte trägt meist ein Paar starker
Borsten. Im Inneren des Haftläppchens befindet sich noch ein
Chitinbogen, der nahe unter dem Ende der oberen Platte quer durch
den ganzen Lappen geht, und der jederseits schräg aufwärts bis in
die äussersten Ecken desselben verläuft. Dieser Bogen in Verbindung
mit der oberen Platte bewirkt das Zurückfallen des Haftläppchens.
Der elastische Bogen rollt sich im Ruhestande zusammen und legt
die beiden äusseren Ecken nach oben aneinander. Dann drückt die
obere Platte das Ganze nach unten und legt es vor das Ende des
letzten Tarsengliedes."
Das Krallenglied der Hymenopteren bietet schon äusserlich eine
grosse Reihe sehr interessanter Verschiedenheiten, die bei einer
genaueren Untersuchung jedenfalls ein sehr hübsches Resultat er-
geben würden. Das Krallenglied erscheint zumeist gelbbraun bis
rothbraun; nur einzelne Theile, wie das proximale und distale Ende
der Krallen, der Krallenhöcker und der elastische Bogen im Haft-
läppchen sind stets dunkler gefärbt. Wie der ganze Tarsus stark
behaart ist, so finden sich bei den Hymenopteren auch an den Krallen
vielfach Härchen, von denen einzelne, namentlich am Grunde der-
selben ziemlich lang und borstenartig sind. Die Krallen selbst haben
ein grosses Lumen und werden erst nach der Spitze hin fester und
dunkler; sie sind seitlich stark zusammengedrückt und zeigen an
der Innenseite des proximalen Theiles meist eine schwache Ein-
biegung. Am dorsalen Theil, vom Gelenkhöcker ab, sind sie der
*) 4. pag. 24.
16*
244 Alfred Öckler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
Länge nach durch eine starke Chitinleiste gestützt, die sich fast bis
zur Spitze genau verfolgen lässt. An der Innenseite der ventralen
vorsprungartigen Erweiterung finden sich regelmässig eine oder mehrere
lange stärkere Borsten, welche oft bis zur Spitze der Krallen reichen,
aber mehr nach unten geneigt sind. Das sackförmige, zwischen den
Krallen liegende Haftläppchen hat, da es sehr weich ist und ohne
Halt leicht beschädigt werden könnte, stützende Skeletttheile, welche
sich an allen Seiten finden. Die auf der Oberseite liegende Platte,
von Dahl ,, Druckplatte" genannt, ist zwischen den Krallen — wie
diese — am Gelenkhöcker beweglich eingelenkt; sie findet sich
stets in den Haftläppchen der Hymenopteren ; ebenso auch die auf
der Unterseite des Haftläppchens liegende Strecksohle, welche regel-
mässig mit stärkeren Haaren besetzt ist, die auch am distalen Ende
der Streckplatte vorkommen. Die Strecksohle (Figg. 16, 19, 43), welche
meist etwas breiter ist als die Streckplatte, geht am distalen Ende
stets scharf abgesetzt in die helle, weiche und fast glatte Haut über,
welche das eigentliche Haftläppchen bildet und an der ventralen Seite
mit kurzen höckerartigen Härchen besetzt ist. — Zwischen der
Streckplatte und der in ihrer Verlängerungsebene liegenden Streck-
sohle einerseits und den Krallen andererseits finden sich oft noch
kleine scharf abgesetzte Chitinplättchen eingeschaltet (Fig. 19), die
wohl ebenfalls nur zur skelettalen Verstärkung dienen. Dieselben
sah ich bisher nur an solchen Haftläppchen, bei denen die Streck-
platte am distalen Ende nicht gerade abgestutzt, sondern seitlich
etwas ausgeschnitten ist und somit fast spitz ausläuft.
Ich wende mich jetzt wieder zu der oberen Platte. Die Be-
zeichnung als „Druckplatte" seitens Dahl's scheint mir nur eine
willkürlich gewählte zu sein, da Dahl keine ausreichende Erklärung
für dieselbe giebt. Ich möchte sie als eine rein skelettale „Stütz-
platte" angesehen wissen, die einen Druck in Dahl's Sinne nicht
auszuüben vermag. Dieselbe ist nämlich stets beweglich am Gelenk-
höcker der Krallen zwischen diesen eingelenkt und zu dem Zweck
am proximalen Ende convex abgerundet (der Gelenkhöcker zeigt dem
entsprechend eine rinnenartige flache Vertiefung). Die Stützplatte
ist verschieden gebaut. Sie läuft am distalen Ende entweder in eine
mittlere Spitze aus, welche seitliche Vorsprünge hat (Vespa crabro)
(Fig. 13), oder in 2 seitliche Spitzen (Tenthredo rustica und flavi-
cornis) (Fig. 25), oder sie ist quer zur Längsrichtung abgestutzt
(Apis mellifica, Drohne) (Figg. 16, 23). Im ganzen ist diese Platte
meist sehr schmal und lang, ab und zu auch breiter und gedrungener.
Im letzteren Falle hat sie in der Mitte einen Kanal (Fig. 58), dessen
grosse Einmündung an der proximalen Unterseite und dessen feine
Ausmündung (in den unteren [distalen] Theil des Haftläppchens)
durch eine röhrenförmige Verlängerung am distalen Ende deutlich
zu sehen ist. Auf der dorsalen Seite ist die Stützplatte regelmässig
mit einigen sehr langen, stark gekrümmten Borsten besetzt. Mor-
phologisch hat sie denselben Ursprung wie die Streckplatte, worauf
die Struktur und Matrix hinweisen.
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. -J45
Der im Innern des Haftläppchens befindliche Bogen verläuft nahe
unter dem distalen Ende der Stützplatte quer durch das Haft-
läppchen; derselbe ist theils einfach halbkreisförmig gebaut (Fig. 16)
und dann meist stark und gedrungen, theils in der Mitte etwas ein-
gedrückt (Figg. 1, 26); in solchen Fällen aber stets schwächer und
länger.
An der Oberseite, nach der Spitze hin, ebenso auch auf der
Unterseite bis zur Strecksohle ist das Haftläppchen ganz weich-
häutig; es besteht aus einer zarten Membran, welche sehr leicht
Farbe aufnimmt; dieselbe ist entweder mit feinen Härchen besetzt,
oder besonders an den den Krallen zugewendeten Seiten, wie die
Haftläppchen der Fliegen, mit sehr feinen Chitinstreifen durchsetzt,
die wohl ebenfalls nur zur Stützung dienen. Eine feine und dichte
Faltung, wie Dahl angiebt, konnte ich bisher nicht finden. Auch
an den Enden des Ghitinbogens finden sich im Haftläppchen oft
noch einige etwas stärker chitinisirte Stellen.
Bevor ich zur Mechanik des Haftorgans übergehe, will ich noch
ein eigenthümliches Gebilde erwähnen, das sich bei den Pompiliden
findet. Bei diesen ist die obere Stützplatte des Haftläppchens nicht
direkt am Krallenhöcker eingelenkt, sondern mit der Unterseite einer
abgerundeten, flachschaligen Platte fest verwachsen (Fig. 24), die
ihrerseits am Krallenhöcker beweglich befestigt ist (Figg. 60, 61). Diese
kleine „Schutzplatte" erscheint dunkelbraun, sowie an ihrer Ober-
seite gleich den Krallen dicht mit kurzen, fast schwarzen, steifen
Borsten besetzt. Im hellen schmalen distalen Rande stehen eine
Reihe (bis 25) schwarzer, sehr steifer, langer Borsten, welche seitlich
zusammengedrückt und mit ihrem distalen Ende nach unten gebogen
sind. Diese Schutzplatte bedeckt das verhältnissmässig kleine Haft-
läppchen, welches ausserdem sehr flach ist, fast ganz, ragt mit ihren
langen Randborsten jedoch weit über dasselbe hinaus. Die Krallen,
die Strecksohle und der distale Theil der Streckplatte zeigen eine
auffallig starke, fast schwarze Beborstung (Figg. 2, 3). Das Haft-
läppchen, welches an den Seiten sehr stark chitinisirt erscheint, ist
bei diesen auf der Erde lebenden Insekten durch diese Einrichtung
gegen Beschädigungen gut geschützt. Ferner finden sich am Krallen-
gliede der Pompiliden, und zwar am ventralen Tarsalrande, 2 flache
blattförmige, mit ihrer Breitseite horizontal gestellte Chitinborsten
(Fig. 35), die etwas beweglich eingelenkt sind und den Ausschnitt
des Randes an den Seiten soweit bedecken, dass das Haftläppchen
beim Zurückweichen den Zwischenraum gerade ausfüllt.
Was nun die Funktion des Haftläppchens anbetrifft, so schreibt
Dahl*): ,,Wenn der Fuss auf einer glatten Fläche auftritt, so legen
sich die Krallen zurück und das Läppchen kommt mit der Fläche
in Berührung. Es wird durch den Druck zunächst vorgeschoben,
und erst dann breitet sich auch der Bogen aus, so dass die Haft-
*) 4. pag. 25,
246 Alfred O ekler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
fläche allmählich von der Mitte bis zum Rande mit der Unterlage
in Berührung tritt."
Aus den Worten „es wird durch den Druck vorgeschoben,"
konnte ich leider nicht ersehen, welchen Druck Dahl meint. Ich
bin der Ansicht, dass auch hier die Streckplatte das Vorschieben
übernommen hat. Sobald nämlich der Zug des Krallenbeugers nach-
lässt, senkt sich das Tarsenglied nach unten, indem es sich um die
Spitzen der angreifenden Krallen dreht (diese werden also umgekehrt
gestreckt!). Die dabei mit hervortretende Streckplatte schiebt nun
das Haftläppchen um so viel vor, als sie selbst aus dem Tarsen-
gliede hervortritt; erst dann, wenn die Krallen kein Hinderniss mehr
bieten, drückt das Bein das Haftläppchen fester gegen die Unter-
lage. Bei diesem Vorschieben breitet sich das Haftläppchen dann
mit Hilfe des elastischen Bogens aus, der sich mit seinen Enden
gleichzeitig in distaler Richtung abwärts neigt. So complicirt dieser
Vorgang durch diese Darstellung erscheint, so einfach ist er bei der
Beobachtung am lebenden Objekt. — Die auf der Strecksohle stehen-
den Borsten werden beim Anlegen des Haftläppchens gegen die Unter-
lage gedrückt und bereiten dadurch dessen Lösung vor. Wenn das
ganze Bein gehoben wird, treten die Krallen bei dem Abheben des
Haftläppchens nicht in Thätigkeit; jedenfalls verlässt die Strecksohle
die betreffende Fläche stets zuerst.
Was den Innenraum und das bei der Funktion des Haftlappens
abgesonderte Sekret anbetrifft, so habe ich meine Untersuchungen
darüber noch nicht abgeschlossen, und verweise daher zunächst auf
die Resultate Dahl's5).
Da Bau und Funktion des Haftläppchens bei den Hymenopteren
am complicirtesten ist, so kann ich mich, nach der ausführlicheren
Behandlung desselben, bei den übrigen Insekten mit einem unpaaren
mittleren Haftläppchen wohl auf die Erklärung beschränken, dass
die Mechanik des Krallengliedes bei denselben mit der der Hyme-
nopteren übereinstimmt. Der Bau des Haftläppchens wird jedoch
immer einfacher. Während sich nehmlich bei den Phryganeen noch
die obere Stützplatte und der elastische Bogen im Haftläppchen
finden, fehlen diese Theile bei den Lepidopteren, bei denen nur eine
vom Grunde der Krallen ausgehende hufeisenförmige Chitinstütze
für das Läppchen vorhanden ist (Fig. 21); letzteres ist auf der
Unterseite kahl und weich. Dagegen findet sich bei den Lepidop-
teren noch die Strecksohle (Fig. 49) , meist breiter wie die Streck-
platte, aber sehr kurz, am Rande scharf unregelmässig ausgezackt
und auf der ventralen Seite glatt. Die an der Aussenseite der
Krallen befindlichen eigentümlichen, behaarten Läppchen halte ich
ebenso wie Grab er für Greiforgane. Dieselben sind nur besondere
Ausstülpungen der das Tarsenglied abschliessenden Haut. Auf der
den Krallen zugewendeten Seite stehen sie mit diesen am Grunde,
auf der äusseren dagegen mit der Längskante der Streckplatte in
Verbindung; dieselben werden daher, wenn letztere zurückweicht,
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 247
mit in das Tarsenglied hineingezogen. Ueber ihre Bedeutung und
Wirkungsweise schliesse ich mich der DahFschen Ansicht an, dass
sie mit ihren Härchen zwischen denen der Pflanzen haften.
Unter den Orthopteren rinden sich ebenfalls Krallenglieder mit
einem mittleren Haftläppehen ; dieselben haben eine grosse, das Haft-
läppchen auf der dorsalen Seite ganz bedeckende „Skelettplatte",
sowie eine scharf abgesetzte „Strecksohle", die ein nothwendiger
Bestandtheil aller mittleren Haftläppchen zu sein scheint: denn bisher
fand ich sie überall, mehr oder weniger charakteristisch ausgebildet.
Bei den Orthopteren ist sie auf der Unterseite glatt und mit 1 oder 2
längeren hellen Borsten besetzt (Fig. 11).
Krallenglied mit zwei Haftläppchen.
Zwei seitlich der Krallen stehende Haftläppchen finden wir
ausschliesslich bei den Dipteren. Die ältere Litteratur bietet über
dieselben nur sehr wenig. Abgesehen von Power' s unklarer Deutung
dieser Haftorgane als eine — beim Haften einen klebrigen Stoff ab-
sondernde — schwammartige Bildung (a fuzzy kind of substance
like little sponges), und von Hooke's mystischer dunstigen
Schicht (smoky substance), mit der alle glatten Flächen bedeckt
seien, in welche zwecks Haftens die von ihm bereits erkannten auf
den Haftläppchen befindlichen Härchen sich einsenken, welche etwas
später von Leeuwenhoek als Häkchen angesehen wurden, finden
wir nur noch eine bemerkenswerthe Deutung der Haftläppchen, die
sich bis in die neueste Zeit erhalten hatte, dass sie wie Saugnäpfe
wirken. Diese Ansicht wurde zuerst (1788) von White28) aus-
gesprochen; ihm schlössen sich bald darauf Derhamfi), der die
Haftläppchen für fleischlose Platten ansah, sowie Kirby und
Spence18) an, die diese Organe direkt für Saugnäpfe (suckers)
halten. Auch Burmeister2) und Wagler211) stimmen der White-
schen Ansicht bei. Wagler schildert die Haftorgane der Fliegen
folgendermassen : „Diese Insekten haben am letzten Fusswurzelglied
zwei Saugnäpfchen, welche mit ihm durch einen schmächtigen und
trichterförmigen Hals zusammenhängen, unmittelbar unter der Wurzel
einer jeden Kralle stehen, sehr dehnbar, konkav -konvex, an dem
Rande gezähnelt und nach allen Seiten hin beweglich sind. Ihre
konkave Fläche ist mit Flaum bedeckt, welche ohne Zweifel die bei
den Plattzünglern befindlichen Hautplättchen vorstellt; ihre konvexe
körnig. Diese Näpfchen erweitern sich beim Auftreten des Fusses
und treiben auf der Standebene so viel Luft unter sich aus als
nöthig ist, um durch den Druck derselben das Fallen des Insekts zu
verhindern".
Noch weiter wurde die Saugnapftheorie von Hepworthlfi) und
Tuffen West27) durchgeführt, welche, wie auch aus ihren Ab-
bildungen hervorgeht, sogar die einzelnen Härchen auf den Haftlappen
als Saugnäpfe ansehen.
248 Alfred O ekler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
Dewitzs), obgleich er die Frage von neuem angeregt, sucht
dieselbe nur durch Experimente und Analogieschlüsse zu beantworten,
denn er giebt keine bemerkenswerthen Beiträge zur Kenntniss des
Baues der Haftorgane am Krallenglied.
Simmermacher22) dagegen schildert dieselben etwas ein-
gehender: „Arn äussersten Tarsalgiied der Fliegen befinden sich
zwei verhältnissmässig bedeutende, bei grösseren Fliegen mit blossem
Auge sichtbare Haftlappen. Es sind dies farblose, sehr dünne,
anfangs schmale, dann sich rasch verbreiternde Chitinblättchen,
welche an ihrer Unterseite mit zahllosen mikroskopischen in Quincunx-
stellung angeordneten Chitinhärchen besetzt sind, und am äusseren
Rand von diesen überragt werden. Oefter, z. B. bei Asilus, finden
sich in der Mitte des sonst farblosen Haftlappens je ein oder zwei
braun pigmentirte Streifen. Wahrscheinlich ist diese Pigmentirung
als eine Verdickung aufzufassen, welche dem ganzen Haftlappen
eine Art Stütze gewährt und ein festeres Anlegen desselben an seine
Unterlage begünstigt". — Durch Experimente kommt Simmermacher
zu dem Schluss, dass die von Dewitz gegebene Erklärung des Laufens
der Fliegen an glatten Flächen durch jedesmaliges Ankleben und
Wiederlosreissen nicht die richtige sei. „Das Haften der Füsse an
glatten Flächen beruhe vielmehr auf Adhäsion, die bei den Fliegen
durch ein feuchtes Sekret noch etwas begünstigt werden kann. Die
dicht mit Chitinhärchen besetzten Haftlappen vermögen sich, dem
Drucke des Fusses folgend, jeder glatten Fläche vollkommen anzu-
legen, wobei die unter den Haftlappen befindliche Luft verdrängt
wird, und die äussere ihren Druck ausübt. (Ein luftleerer Hohlraum
kann freilich, da die Haftlappen keine wirklichen Saugnäpfe sind,
nicht hergestellt werden, ist aber auch bei dem geringen Gewicht
der Dipteren nicht nöthig.) Die Härchen auf der Unterseite der
Tarsen tragen jedenfalls durch ihre Elasticität dazu bei, den Fuss
schnell wieder von seiner Unterlage losbringen zu können, und er-
möglichen dadurch das anhaltend rasche Laufen an glatten
Flächen." — Hieraus geht hervor, dass Simmermacher sich
ebenso wenig wie seine Vorgänger mit dem feineren Bau der Haft-
läppchen beschäftigt hat.
Auch Dahl*) berührt die Haftläppchen der Fliegen nur kurz.
Er hat in denselben keine Drüsenzellen finden können. ,,Sie scheinen
vielmehr nach Art der Haaranhänge oft nur mit, einem Fortsatz der
Matrix gefüllt zu sein, der sich ganz gleichmässig färbt. Die untere
Wandung des Läppchens wird von vielen Bohren durchsetzt, die
ebenfalls mit der eingeschlossenen Substanz gefüllt sind. Ueber
den Kanälen stehen die Hafthaare. Die Oberseite der Läppchen
wird von dichten, chitinisirten Streifen überzogen, welche dieselben
ausgebreitet erhalten, ohne die Biegsamkeit zu beeinträchtigen".
Auch aus diesen Notizen geht nicht hervor, in welcher Weise die
Haftläppchen der Fliegen am Tarsus eingelenkt sind, und wie ihre
*) 4. pag. 32.
Ein Beitrag zur Kenntnis« von dessen Bau und Funktion. 249
Mechanik ist. Ich gehe daher gleich zu meinen eigenen Unter-
suchungen über und wende mich zunächst zur Morphologie des
Dipterenfusses.
Der Fliegenfuss ist in der Regel mit 2 stets hell erscheinenden
Haftläppchen ausgestattet, welche in Form und Grösse jedoch
mannigfache Unterschiede zeigen. Verhältnissmässig sehr grosse
Haftlappen finden wir bei Asilus crabroniformis , Pomponerus ger-
manicus und Sarcophaga stercoraria. Bei den ersteren sind die
Haftlappen länger als breit, am distalen Ende fast quer zur Längs-
achse abgestutzt, bei anderen Dipteren dagegen gedrungener, oval,
fast so lang als breit. Zwischen den Haftläppchen tritt aus der die
Krallen verbindenden Gelenkhaut die Streckborste hervor, welche
mancherlei Modifikationen aufweist, z. B. einfach glatt, behaart oder
verzweigt ist.
Andere Dipteren haben 3 Haftläppchen; in solchen Fällen be-
findet sich das dritte in der Mitte zwischen den beiden äusseren;
da aber die Streckborste dann regelmässig fehlt, der mittlere Haft-
lappen jedoch, wie ich fand, direkt mit der Streckplatte in Ver-
bindung steht, so ist dieser dritte Lappen als eine Umwandlung der
Streckborste aufzufassen, wofür auch der Bau des mittleren Haft-
läppchens spricht. Andrerseits giebt es jedoch auch Fliegen ohne
jegliches Haftläppchen, z. B. Leptogaster. Bei dieser ist statt der
fehlenden Streckborste eine mittlere Afterkralle vorhanden (Figg. 53,59),
die an der abgestutzten Streckplatte deutlich sichtbar eingelenkt ist.
Eine auffallende Abweichung bezüglich der Form zeigen die
Haftläppchen der schmarotzenden Fliegen (Fig. 64). Ich halte die-
selben nicht, wie S immermach er22), für zurückgebildet, sondern
für eine Anpassung an die Lebensweise. Diese Fliegen können ihre
Haftläppchen nämlich nach unten gegen das Tarsenglied zurück-
schlagen, so dass sie ihnen beim Herumlaufen auf bzgsw. beim Fest-
halten an ihrem Wirthe nicht hinderlich sind und den stark ge-
krümmten Krallen freieren Spielraum lassen.
Nach meinen bisherigen Untersuchungen sind die Haftläppchen
der Fliegen wie folgt gebaut.
Die Haftläppchen sind trichterförmig in das letzte Tarsenglied
eingelassen, auf der Innenseite mit dem Grunde der Krallen, auf der
Aussenseite dagegen mit der abschliessenden Haut verbunden. Da
sie symmetrisch gebaut sind, so kann ich mich auf die Beschreibung
eines Haftläppchens beschränken.
Zunächst am Grunde befindet sich eine dunkle, auf der Ober-
seite (d. h. der dem Tarsallumen zugewendeten Fläche) mit feinen
kurzen Härchen besetzte löffeiförmige, mehr oder weniger stark ge-
krümmte Chitin platte (Figg. 34, 39, 63); dieselbe steht quer und im
allgemeinen fast senkrecht zur Längsachse des Tarsengliedes. Man
kann sie vielleicht ,, hintere Stützplatte" des Haftläppchens
nennen, denn sie bildet den Haupthalt für das Haftläppchen, dessen
Höhe von dieser Platte abhängt. Die beiden Stützplatten füllen fast
250 Alfred 0 ekler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
die ganze Oeffnung des Tarsus aus, der den Haftläppchen nur da-
durch Spielraum lässt, dass sein ventraler Rand zurückgetreten ist.
An der äusseren (dem Tarsalrand zugekehrten) Seite ist die Stütz-
platte abgerundet (Fig. 34); an der inneren dagegen mit 2 Vor-
sprüngen versehen, von denen der obere am Krallengelenkhöcker
seitlich hinter den Krallen an besonderen Vorsprüngen oder Ver-
tiefungen mit einer Gelenkhaut befestigt ist. Die abschliessende
Haut, welche sich an die Stützplatte ansetzt, lässt nur den unteren
kleineren Vorsprung der Stützplntte frei (Fig. 63); dieser legt sich
vor den distalen Seitenrand der Streckplatte und wird von dieser
bei ihrer Funktion in Bewegung gesetzt. An der Innenkante zwischen
den beiden Vorsprüngen ist die Stützplatte etwas ausgeschnitten
und vermittelt durch diese Oeffnung den direkten Zusammenhang
des Inneren des Haftläppchens mit dem Tarsus. Auf der Innenseite
breitet sich die Matrix über die Stützplatte aus, welche auf Schnitten
sehr dicht aneinander liegende dunkle Schichten zeigt. An den
Rand dieser Stützplatte setzt sich nun in distaler Richtung das Haft-
läppchen folgendermassen an. Auf der Oberseite ist die Membran
durch sehr feine, meist braun erscheinende Chitinstreifen gestützt,
die sich bei den mehr runden Lappen gleichmässig über deren
ganze Oberfläche jausbreiten; dieselben sind an der Stützplatte am
dichtesten und dunkelsten und verlaufen fast bis zum Rande des
Haftläppchens, immer feiner und heller werdend (Fig. 39); hier setzen
sich an dieselben nicht so dicht nebeneinander stehende Chitinstreifen
an, die als feine Borsten über den Rand des Haftläppchens etwas
hinwegragen und in einfache oder verzweigte, nach unten gebogene
Spitzen auslaufen, z. B. bei Sarcophaga. Bei den längeren und
schmaleren Haftlappen ist die Oberseite nur durch wenige flache
und ziemlich breite Chitinstreifen gestützt (Figg. 57, 63), die von der
Stützplatte an in der Mitte über das Haftläppchen, immer schwächer
und feiner werdend, bis fast zu dessen Spitze verlaufen. In solchen
Fällen erscheint die Oberseite im übrigen weichhäutig und zum Theil
mit sehr feinen hellen Härchen besetzt, von denen die am Rande
des Haftläppchens stehenden ebenfalls über diesen hinweg nach unten
umgebogen sind. Die auf der Oberseite sich ausbreitenden Chitin-
streifen halten das Haftläppchen, wie schon SimmermaCher22)
und Dahl4) angeben, ausgebreitet, lassen es aber sehr biegsam er-
scheinen. Die auf der Oberseite über den Rand des Läppchens
hervorragenden feinen Haare haben jedenfalls die Veranlassung ge-
geben, dass die Hafthaare als spitz angesehen wurden, z. B. von
S immer mach er-2). — Die Unterseite des Haftläppchens ist dagegen
anders gebaut Hier setzt sich an die Kante der Stützplatte die
dicht mit feinen Härchen besetzte Haftsohle an, welche die ganze
Unterseite des Läppchens einnimmt. Die Härchen haben Quincunx-
stellung, sind aber nicht spitz, sondern am Ende quer zur
Längsrichtung des Ilaftlappen etwas verbreitert. Diese Härchen
sind meines Erachtens nicht, wie Dahl5) angiebt und zeichnet, einzeln
in die Wandung eingesenkt, sondern durchsetzen dieselbe quer zur
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 251
Längsachse in zusammenhängenden Reihen. Die Härchen stehen
nämlich unter einander in Verbindung, indem sich über je zweien
eine kleine buckelförmige Verdickung erhebt. Es gelang mir wieder-
holt, diese Haarreihen bei Sarcophaga und Asilus zu isoliren. Die-
selben sind durch eine sehr zarte Membran verbunden. Die einzelnen
Härchen sind hell durchscheinend, flach gedrückt und äusserst biegsam.
Sie nehmen namentlich am Endtheil leicht Farbe auf, sind im Innern
hohl, haben jedoch keine Ausmündimg, anscheinend aber im ver-
breiterten Endtheil ein kleines Lumen. Dadurch dass die Hafthaare
in distaler Richtung etwas schräg und reihenweise quer zur Längs-
achse in der Sohle stehen, erhält diese eine bedeutende Elasticität.
In Bezug auf den feineren und inneren Bau dieser Haftläppchen
und die Sekreterzeugung derselben verweise ich zunächst auf die
Ausführungen Dahl's5), da meine Untersuchungen darüber noch
nicht abgeschlossen sind.
Die zwischen den beiden Haftläppchen der Fliegen liegenden
Krallen sind am Grunde durch die wenig vorgestülpte abschliessende
Haut verbunden. Diese mittlere Vorstülpung, aus der die Streck-
borste hervortritt, ist meist mit kurzen feinen Härchen besetzt; sie
bildet, wenn sie sich erweitert, mit der Streckborste unter gleich-
zeitiger Umwandlung beider das dritte (mittlere) Haftläppchen der
Dipteren. Dasselbe ist, abgesehen von der äusseren Form, ebenso
gebaut wie die seitlichen; es zeigt jedoch auf der Ventralseite, da
wo es aus der Streckplatte hervorgeht, oft noch einen schwachen,
mit Borsten besetzten chitinösen Längsstreifen, der jedenfalls als
der Rest der umgewandelten Streckborste anzusehen ist. Dies mittlere
Haftläppchen, theils ebenso gross wie die äusseren, theils auch
grösser, ist an den Seiten concav, am distalen Ende dagegen
convex gehalten und bildet somit eine symmetrische, mittlere Er-
gänzung der beiden seitlichen Haftläppchen; jedoch fehlt eine Stütz-
platte für dasselbe; z. B. bei Tabanus.
Die Funktion der Haftläppchen am Fliegenfusse ist dieselbe wie
bei den Hymenopteren ; die Krallen legen sich, sobald sie auf eine
glatte Fläche treffen, zurück, wobei durch die etwas vortretende
Streckplatte die Haftläppchen ebenfalls mit vorgeschoben werden.
Das Gegentheil von dieser Funktion beobachtete ich an Männchen
der Sarcophaga, bei denen die Haftlappen oft so stark entwickelt
sind, dass die Krallen nicht mehr über das Läppchen hinwegreichen,
sondern auf demselben zu liegen kommen. Es fiel mir auf, dass
diese Insekten, als ich sie an Fenstern laufen sah, nicht nur recht
schwerfällig, gewissermassen mühsam und langsam herumliefen,
sondern dass sie auch die Beine bedeutend weiter von der Scheibe
abhoben als daneben laufende Weibchen Ich konnte sie bequem
mit der Hand greifen. Dies langsame Laufen erkläre ich mir daher,
dass nothwendigerweise das Haftläppchen allein aufgesetzt und ab-
gehoben werden muss, was jedenfalls viel mehr Mühe verursacht, da.
252 Alfred Ockler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
die Krallen nicht mitwirken können, und die lange, einfache Streck-
borste allein zu schwach ist.
Wie ich schon weiter oben erwähnt habe, können die
ectoparasitisch lebenden Fliegen ihre Haftläppchen zurückschlagen.
Dies wird wie folgt ermöglicht. Das Tarsenglied ist stark zusammen-
gedrückt und überaus flach; infolgedessen fällt der Krallengelenk-
höcker mit der verlängert gedachten Ventralseite des Tarsenendgliedes
fast in dieselbe Ebene hinein. Durch diesen Umstand können die
sehr kräftigen, stets dunkel erscheinenden Krallen sehr weit zurück-
geschlagen werden. Da die hintere Stützplatte der Haftläppchen
in dem flachen Endlumen des Tarsus keinen Platz mehr hat, die
Läppchen aber trotz der langen und kräftigen Krallen gegebenen
Falles noch haften sollen, so ragt ihre Stützplatte über den unteren
Tarsalrand fort und ist, um den Krallen nicht hinderlich zu sein,
sehr lang und schmal geworden (Fig. 64); an das Ende der Platte
setzt sich das wohl entwickelte, aber sehr zarte und weichhäutige
Haftläppchen senkrecht an. Die lange, schmale Stützplatte hat eine
glatte Oberfläche und ist wie bei den anderen Dipteren seitlich
hinter den Krallen an deren Gelenkhöcker eingelenkt. Die letzteren
haben in ihrer oft schwach gekerbten Unterseite einen sehr grossen
wulstartigen Vorsprung (Figg. 56, 64), welcher der Länge nach mit
der Kante der Haftläppchenstützplatte häutig verbunden ist. Wenn
nun die Krallen eingeschlagen werden, so nimmt der wulstartige
Vorsprung die lange Stützplatte mit zurück und drückt sie am
Tarsalrand entlang in den ventralen Ausschnitt des Tarsengliedes
hinein, sodass die Haftläppchen dann in der That so aussehen, als
ob sie mitten unter dem letzten Tarsengliede neben einander lägen.
Dieselben sind durch die wulstige Verdickung der Krallen vollkommen
geschützt und werden es bei Stenopteryx hirundinis (Fig. 56) noch
durch eine besondere schmale, zahnartige Platte, die sich an der
Kralle befindet.
Wenn die Krallen dieser Fliege bisher als doppelt gezähnt an-
gesehen werden, so möchte ich dies in der Weise berichtigt wissen, dass
dieselben auf der Unterseite in Wirklichkeit nur einen stark ge-
bogenen, kurzen und dicken Zahn haben; der hinter diesem dem
Krallengrunde noch näher stehende Vorsprung, welcher bisher als
zweiter Zahn gilt, ist kein solcher, sondern nur eine dünne, hell-
gelbbraun durchschimmernde, schwach gekrümmte, etwas nach aussen
geneigte Schutzplatte für das Haftläppchen.
Die auf der Unterseite quer geriefelte Streckplatte ist bei diesen
Insekten verhältnissmässig klein. Die Streckborste dagegen ist sehr
stark entwickelt; sie hat sich der Funktion des Krallengliedes auf-
fallend schön angepasst; dieselbe ist nicht nur sehr lang, sondern
vor allem ventralwärts stark durchgebogen, damit sie in geeigneter
Weise wirken kann. Dass sie verzweigt oder stark behaart er-
scheint, ist jedenfalls eine weitere Anpassung und Einrichtung für
den Gebrauch in der dichten Behaarung des Wirthes.
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 253
Eine besondere Art Haftläppchen haben die Hemipteren.
Während diese Organe sonst stets am Krallenhöcker neben den
Krallen eingelenkt sind, weichen sie bei diesen Insekten dadurch
ab, dass sie sich unter den stark gekrümmten Krallen befinden und
in eine an deren ventraler Grundseite befindliche Vertiefung mit
einer ziemlich langen Stützplatte eingelassen sind (Figg. 27, 29),
welche zwei Vorsprünge hat; an den distalen setzt sich das Haft-
läppchen mit einer schmalen Chitinplatte an, von der aus sich sehr
feine Chitinstreifen über die Oberfläche des Läppchens ausbreiten.
Der proximale Vorsprung steht dagegen durch eine feine Haut mit
der Streckplatte in Verbindung; wenn diese zurückweicht, zieht sie
die Läppchen mit nach unten; sie selbst ist am distalen Ende zweck-
mässig abgestutzt, und nur mit 2 kleinen Höckern versehen, in denen
je ein langes Tasthaar steht.
Tarsenglied mit einer Kralle.
Wie schon früher bemerkt, sind einkrallige Insektenbeine als
eine Ausnahme anzusehen, da sie sich nur vereinzelt finden ; theils
kommen sie nur an einzelnen Beinpaaren eines Insekts (z. B. an
den Hinterbeinen der Hoplia), theils auch an allen vor, wie bei Pse-
laphus; besonders jedoch bei schmarotzenden Insekten, wie die Pedi-
culinen. Im letzteren Falle jedenfalls als eine Anpassung an die
Lebensweise.
Schon beim ersten flüchtigen Vergleich des einkralligen Tarsus,
wie er sich bei Hoplia und Pselaphus findet, mit dem der schma-
rotzenden Insekten, sieht man , dass das Krallenglied verschiedenen
Zwecken dient und dem entsprechend verschieden gebaut ist. Während
es bei den Pediculinen vorwiegend zum Festhalten gebraucht wird,
d. h. ein Klammerfuss ist, an dem die Kralle ganz gegen das Tarsen-
glied zurückgelegt werden kann und mit diesem wie eine Zange
wirkt, kann bei den Pselaphiden die Kralle — wie bei den 2 kralligen
Insektenbeinen — nur bis an den unteren Rand des Tarsus ein-
geschlagen werden ; solche Füsse werden daher nur zum Klettern zu
brauchen sein. Dieser Unterschied wird durch den Bau des Gliedes
durchaus bestätigt. Ich wende mich zunächst zum
einkralligen Kletterfnss.
Ausser Hoplia untersuchte ich eingehender Pselaphus (Fig. 30).
Die nackte, schwach gekrümmte Kralle des letzteren ist in einfacher
Weise am Krallenhöcker eingelenkt , auf der ventralen Seite am
Grunde etwa bis zu y4 ihrer Länge ausgeschnitten und mit der
Gelenkhaut für die Streckplatte verbunden. Der Krallenhöcker er-
hebt sich dicht unter dem Tarsalrand auf einem schwachen Stielchen,
verdickt sich dann plötzlich in proximaler und distaler Richtung
und bildet mit dem distalen abgerundeten Ende das Gelenk für
die Kralle. Der basale Rand des Tarsengliedes tritt nur wenig zurück,
254 Alfred 0 ekler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
ist jedoch spitz ausgekerbt. Die sehr flache, ventral quergeriefelte
Streckplatte ist am distalen Ende scharf abgestutzt und hier mit
der Gelenkhaut für die Kralle verbunden. Die Gleitrinne erhebt
sich zu beiden Seiten der Einkerbung am ventralen Tarsalrande und
dient für diesen als skelettale Verstärkung. Wenn die Kralle nun
eingeschlagen wird, legt sie sich in diese ^Einkerbung hinein und
findet dadurch einen festen Halt gegen seitlichen Druck.
Die andere Art des einkralligen Tarsengliedes, der
einkrallige Klammerfüss
findet sich bei den Pediculinen, bei denen die Kralle gegen die vor-
tretende auch wohl daumenartig ausgezogene und meist mit einem
Dorn besetzte Ecke der Schiene zurückgeschlagen werden kann.
Diese auf behaarten Thieren (Säugern) lebenden Insekten vermögen
sich nach meinen Beobachtungen auf glatten Flächen nur sehr schwer
fortzubewegen, was sich wohl durch den Bau des Beines im all-
gemeinen und dadurch, dass nur eine Kralle an jedem Fuss sitzt,
erklären lässt. Das erste Beinpaar erscheint häufig etwas schwächer
als die hinteren, ist jedoch ebenso gebaut und eignet sich infolge
seiner geringeren Chitinisirung gut zum Studium. Bei jüngeren
Individuen lässt das Krallenglied die einzelnen Organe schon ohne
besondere Präparation ziemlich deutlich zu Tage treten, welche auch
bei den älteren Exemplaren nach entsprechender Behandlung recht
scharf zu unterscheiden sind.
Ehe ich mich jedoch zu dem Bau und der Mechanik dieses
einkralligen Klammerfusses wende, will ich die für das Krallenglied
in Betracht kommende Beinmuskulatur der parasitisch lebenden
Insekten einer kurzen Besprechung unterziehen. In der mir bisher
zugängig gewesenen Litteratur fand ich eingehendste Angaben darüber
nur in den Abhandlungen von Landois19) und Stroebelt24); denn
Giebel 24) giebt über die Muskulatur nur einen Auszug aus Landois'
Resultaten. Dieser, sich dahin äussernd, ,,dass die Erforschung der-
selben nicht zu den leichtesten Theilen der Läuseanatomie gehört",
schildert die Muskulatur in den einzelnen Beinabschnitten, wie sie
Straus-Dürkheim beschrieben, mit Ausnahme des Krallenstreckers,
den er nicht finden konnte. In Bezug hierauf vermuthete Landois
ganz richtig, dass die Streckung nothwendig durch Elasticitäts-
momente der letzten Gelenkverbindung hervorgerufen werden müsse.
Das, was Da hl bezüglich Bau und Lage der Beinmuskulatur
im Insektenfuss im allgemeinen so treffend geschildert hat, fand ich
auch bei den ein- und zweikralligen schmarotzenden Insekten; der
kurze, aber sehr kräftige breite Muskel für die Krallenbeugung hat
seinen Sitz im Schenkel und sendet eine helle Sehne durch Tibia
(und Tarsus) hindurch bis zum Grunde der Krallen; Längsschnitte,
sowie auch Präparation und Färbung des Beines unter dem Mi-
kroskop gaben mir ein überaus klares Bild. — Auffällig erscheint
es, dass Stroebelt24), der sich in seiner Arbeit unter Berück-
Ein Beitrag zur Kenntnis« von dessen Bau und Funktion. 255
sichtigung der einschlägigen neueren Litteratur im ganzen genau
an Lande- is gehalten, die die Krallen streckenden Momente ganz
übergeht.
Als genaueres Beispiel meiner Untersuchungen diene
Phtirius inguinalis.
Die Bur meist er 'sc he Behauptung, dass die hinteren Beine
dieses Insekts zweikrallig seien, hat bereits Landois widerlegt, denn
auch diese sind nur mit je einer Kralle ausgerüstet. Das Krallen-
glied (Fig. 36), ebenso flach wie die Beine im übrigen, ist an allen
Beinen nach demselben Princip gebaut, obgleich das erste Beinpaar
merklich schwächer erscheint als die hinteren. Auch die Krallen
sind schmaler, spitzer und nicht so stark gekrümmt; sie erscheinen
heller als die der hinteren Beine (Fig. 38), an denen sie kräftiger
entwickelt, breiter, viel stärker chitinisirt sind und infolgedessen
dunkelbraun erscheinen; das Ende derselben ist abgerundet. Der
Zweck der Krallen macht sich also schon äusserlich bemerkbar: die
vorderen dienen zum einhaken, die der hinteren Beinpaare dagegen
zum umgreifen der Haare des Wirthes. Die vorderen Krallen
haben auf der Innenseite 12 — 14 sehr Meine helle Zähnchen, die
der hinteren Paare dagegen stets 5 grössere und dunkle Zähne,
von denen der erste, d. h. dem Krallengrunde zunächst liegende, der
grösste ist. Die Krallen, welche bei den Läusen im allgemeinen
durchgehend nackt zu sein scheinen, haben am dorsalen Wurzel-
ende eine kleine rinnenartige Vertiefung, mit der sie auf dem Krallen-
höcker eingelenkt sind. An der konkaven Seite sind sie dicht hinter
dem grössten Zähnchen bis zum Grunde ausgeschnitten und stehen
hier durch eine starke Gelenkhaut mit der Streckplatte in Verbindung.
An jeder Seite des Grundes haben die Krallen der hinteren Beine
einen kleinen (backen artigen) Vorsprung, an der dorsalen Seite
einige halbkreisartig gebogene erhabene Chitinriefelungen, und enden
in einer knopfartigen Verdickung, welche dieselbe Riefelung zeigt.
Das Tarsenglied , welches wie die Beine überhaupt schmutzig
weissgelb erscheint, halb durchsichtig ist und eine zähe, lederartige
Consistenz hat, ist mit der Tibia verwachsen; jedoch sah ich das-
selbe in einigen Fällen auch ziemlich deutlich abgesetzt. Es ist
ebenso wie die sich an dasselbe anschliessende Tibia mit schmalen
Chitinleisten- und Höckern verstärkt (Fig. 36), welche an der äusseren
beziehungsweise inneren Seite liegen. Die an der convexen Aussen-
seite befindliche schwach gekrümmte Leiste läuft in den einfachen
Krallenhöcker aus, der an seiner Oberseite mit einem kleinen, etwas
zurückgebogenen Vorsprung versehen ist, gegen den die Kralle stossen
muss, wenn sie stark gestreckt wird. An der Innenseite liegt ein
kleiner Höcker am Grunde des Tarsus; die Gleitrinne dagegen an
dessen Rande ; diese, sehr flach und nur schwach gekrümmt, ragt
mit ihrem distalen Ende frei in das Lumen des Tarsengliedes hinein;
an der coneaven Aussenseite neben ihr ist der Tarsus mit kleinen,
256 Alfred 0 ekler: Das Krallengiiecl am Insektenfuss.
zahnartigen, dunklen Chitin Verdickungen versehen. Am distalen
Ende der Gleitrinne hat der Tarsus meist noch einige (2) helle,
ziemlich lange Härchen.
Ueber die Streckplatte schreibt Landois19), ,,dass die helle feste
Sehne erst kurz vor der Anheftung an die Basis der Kralle zu einer
dicken braungelben gerieften Chitinsehne (apodema) sieh umgestaltet".
Er hat damit ziemlich das richtige getroffen. Die die Kralle mit
der Streckplatte verbindende feste Gelenkhaut ist nehmlich stark
entwickelt und länger als breit; infolgedessen ist die Platte etwas
weiter in das Innere des Tarsus zurückgetreten. — Die Streckplatte
selbst erscheint schwach gekrümmt, sowie auf der ventralen Seite
quer geriefelt. An den Seiten ist sie mit dem Tarsus durch eine
schmale helle lockere Haut verbunden; auf der ventralen Seite aber
wie beim zweikralligen Tarsus ebenfalls frei, steht sie am abgerundeten
proximalen Ende durch eine feine elastische Gelenkhaut mit der
Gleitrinne im Zusammenhang. Die Sehne des Krallenbeugers ist hell
und deutlich abgesetzt an ihr eingelenkt.
Der Rand des schwach gekrümmten Tarsengliedes tritt auf der
coneaven Seite stark zurück, zeigt jedoch seitlich je einen backen-
artigen Vorsprung; der dazwischen liegende Ausschnitt, in den sich
die Kralle zurücklegt, steht in der Längsrichtung des Gliedes gedacht
fast senkrecht unter dem Krallenhöcker; an denselben setzt sich die
Gleitrinne an. — Bei der Funktion des Krallengliedes beschreibt die
Streckplatte einen etwas anderen Weg als bei den 2 kralligen In-
sekten; während sie bei diesen nämlich nach innen in einer Curve
von unten nach oben zurückweicht, geht sie bei den Pediculinen
diesen Weg fast von oben nach unten, indem sie mit ihrer ventralen
Concavseite über die Gleitrinne gezogen wird. Hierbei nimmt sie
die Kralle, welche sich mit ihren backenartigen Vorsprüngen in den
Tarsus einsenkt (und zwar zwischen dessen backenartige Rand-
vorsprünge, die etwas auseinanderweichen), an den daumenartigen
Vorsprung der Tibia heran, gegen dessen Stift die Kralle schlägt.
Bei Experimenten mit verschiedenen lebenden Individuen sah ich
die Kralle jedoch auch an dem Tibialstift vorbei gegen den am Tarsus
liegenden Chitinhöcker schlagen.
Die Zweckmässigkeit dieses Baues des einkralligen Klammer-
fusses ist wohl einleuchtend. Der Krallenhöcker liegt ganz am
coneaven Ende des schwach gekrümmten Tarsus und bildet nur eine
etwas umgebogene Fortsetzung desselben. Der ausgeschnittene, stark
zurückgetretene Rand des Tarsus bietet infolgedessen der Kralle
einen schon ziemlich grossen Spielraum; damit dieselbe aber ganz
zurückgeschlagen werden kann, ist die Gelenkhaut, welche sie mit
der Streckplatte verbindet, stark entwickelt, länger als breit und schon
in der Mitte der coneaven Krallenseite angesetzt.
Es schien mir überaus auffällig, dass die Kralle nicht immer
gegen den viel dünneren, schwachen Tibialstift schlug. Dieser, im
Querschnitt flach oval, steht mit der schmalen Kante in der Beugungs-
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 257
ebene der Kralle. Ich möchte denselben für eine Sinnesborste halten.
Er erscheint nicht, wie Landois angiebt, dunkelbraun, sondern
meist hellgelbbraun, er ist im Innern hohl und in eine Grube ein-
gesenkt; letztere steht durch einen Kanal, der breiter als der Stift,
mit dem Inneren des Tarsus in Verbindung. Einen zarten Muskel,
wie Landois ihn an diesen Stift treten lässt, konnte ich selbst nach
Färbung niemals finden. Da mir meine bisherigen Präparate in-
dessen nicht genau Aufschluss gaben, ob dieser Stift eine Sinnesborste
ist, so vermuthe ich, dass Landois einen feineren Nerv gesehen, der
zu diesem Stift geht.
Die Streckung des Krallengliedes erfolgt nun in der umgekehrten ,
d. h. schon von Dahl beschriebenen Weise, durch Zurücktreten der
angespannten elastischen Häute in ihre natürliche Lage.
Infolge des abweichenden Baues des Krallengliedes ist natürlich
die Streckborste ausgefallen, weil sie weder Platz noch Gelegenheit
für ihre Wirkung finden würde, denn gegen das umfasste Haar
könnte sie sich nicht stützen. — Dieser Bau des Krallengliedes fand
sich mit geringen hier nicht in Betracht kommenden Abweichungen
bei allen übrigen von mir untersuchten einkralligen Läusen. In
Landois1 Anatomie des Pediculus capitis (bzgsw. vestimenti) fiel
mir jedoch auf, dass das erste Tarsalglied des Männchens am inneren
Rande oberhalb der Mitte noch eine weisse durchscheinende Chitin-
kralle tragen soll. Dieselbe besteht nach Landois ,,aus einem breiteren
Basaltheil, der im Inneren einen Hohlraum zeigt; auf der Oberfläche
erscheint sie nicht selten leicht höckerig, und hat eine dem zweiten
Tarsusgliede entgegengerichtete Klinge". Da mir dieses Organ bei
meinen Untersuchungen bisher entgangen war, so achtete ich auf
passelbe noch besonders, konnte es jedoch trotz aller Mühe nicht
finden. Was Landois sah, kann nur die Gleitrinne für die Streck-
platte gewesen sein (Fig. 37), welche der Kralle allerdings entgegen-
gerichtet ist, an deren Rand der Tarsus zwei lange helle Borsten trägt.
Der bei der Mechanik des Krallengliedes weniger in Betracht
kommende Tibialstift zeigt bezüglich seiner Form und nächsten Um-
gebung einige bemerkenswerthe Unterschiede. Während bei Phtirius
inguinalis die Vorderbeine nur einen ganz unbedeutenden Stift haben,
ist er an den Hinterbeinen desselben Thieres dicker; hinter ihm er-
scheint die Tibia ausgehöhlt, und mit einer weichen Membran ver-
schlossen. Bei Pediculus vestimenti ist der Chitinstift mit zarten
Borsten umstellt ; ausserdem ist der ihn tragende Vorsprung bei den
Männchen am ersten Beinpaar nach der Häutung auffällig anders
gestaltet als bei den Weibchen, wo er überall gleich ist ; er erscheint
nämlich bedeutend grösser und am Grunde noch mit einer säge-
randigen Chitinplatte verstärkt. Ganz fehlt der Stift bei Haemato-
pinus stenopsis, wo statt des daumenartigen Vorsprunges die Schiene
für die plumpen Krallen nur eine breit vortretende Ecke hat. Bei
Pediculus capitis ragen die letzteren, da sie lang und stark sind,
beim Einschlagen sogar weit über den daumenartigen Vorsprung der
Schiene hinaus.
Archiv f. Naturgesch. Jahrg. 1890. Bd. I. H. 3. 17
258 Alfred Ockler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
Die Krallen sind bei den Pediculinen überhaupt bald schwächer
bald stärker gekrümmt und am Innenrand glatt, oder auch fein bis
grob gezähnelt. Küchenmeister*), welcher Gelegenheit hatte, ein-
getrocknete Läuse vom Kopfe eines Neuseeländers und eines Peru-
aners mit der europäischen Art zu vergleichen, fand die ganzen
Thiere verschieden von einander; die Krallen der europäischen Art
waren 0,113 mm, bei der peruanischen 0,148 mm und bei der neu-
seeländischen gar 0,172 mm lang, ihre Basis dagegen breit: 0,025,
0,025 und 0,033 mm.
Am Schlüsse meiner bisherigen Untersuchungen (April 1889)
möchte ich die mir unlängst zugängig gewordene Arbeit von
K. Jordan: „Anatomie und Physiologie der Physapoda" (Zschr. f.
wiss. Zool. 47. 1888) nicht unerwähnt lassen, da meine ganze Auf-
fassung über Bau und Funktion des Krallengliedes durch den die
Beine behandelnden Theil derselben durchaus bestätigt wird.
Jordan hat den eigenthümlichen Blasen apparat, mit dem das Tarsen-
endglied dieser Insekten ausgerüstet ist, eingehend studirt und
dabei auch die Streckplatte gefunden, welche mit Rüchsicht auf den
einzustülpenden Blasenapparat zu einem schmalen Stab umgewandelt
ist. Aus Jordan's Mittheilungen geht hervor, dass der Blasen-
apparat nur eine modificirte Umwandlung der hervorgestülpten ab-
schliessenden Haut ist, an der sich die Krallen und die Streckplatte
insofern betheiligt haben, als sie mit dem Blasenapparat eng ver-
wachsen sind. Jordan schildert die Krallen als eine mit einem
Gelenk versehene Doppelspange, deren Enden in die Sohle des
Blasenapparates übergehen, dessen ventrale Seite durch die Streck-
platte verstärkt ist, welche in verschiedene schwache Chitinstreifen aus-
läuft. Die Krallen sind ebenfalls beweglich am Krallenhöcker ein-
gelenkt und an ihrer Basis durch die Gelenkhaut mit der Streck-
platte verbunden. Jordan unterscheidet weiter einen doppelten
Zustand des Physapodenfusses, einen aktiven, in welchem die Haft-
blase ausgestülpt, und einen inaktiven in dem sie eingezogen ist und
uuthätig verharrt. Im letzteren liegen die Krallen am Tarsalrancl;
zwischen ihnen ist die Haut des Blasenapparates eingefaltet. Wenn
der Fuss in Thätigkeit tritt, so weicht die Streckplatte zurück, zieht
die Krallen nach unten, sie gleichzeitig spreizend, wobei eine vorher
nicht sichtbare Blase aus der Fusssohle hervorquillt, welche leicht
beweglich ist und sich jeder Unterlage anschmiegt. Ueber das
Heraustreten dieser Blase schreibt Jordan: „Zweifellos geschieht
das Anschwellen der Blase durch den Druck des Blutes, und letzterer
wirkt mit bei der Hervorstülpung des dünnwandigen Haftorgans".
Meine oben dargelegte Ansicht, dass die Streckplatte beim Zurück-
weichen das Blut (bzgsw. die Drüsenflüssigkeit) in das Haftläppchen
treibt, wird auch hier das Hervorquellen der Blase erklärlich machen ;
was um so natürlicher ist, als der Blasenapparat nur dann in Thätig-
*) 12. pag. 30.
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 259
keit gesetzt wird, wenn das Thier kriecht und der Tarsus auf einen
festen Gegenstand trifft. Sobald aber der Fuss gehoben wird, legt
sich der Apparat wieder zusammen, sodass beim Kriechen ein der
Krallenbeugung und -Streckung entsprechendes Ein- und Ausstülpen
des Organs stattfindet, das besonders entfaltet wird, wenn das Thier
Kraftanstrengungen mit den Beinen macht. — Die die Haftblase
füllende Drüse scheint Jordan im Basaltheile des Tarsus bzw. in
der Nähe der Schienenspitze als ein birnförmiges Gebilde gefunden
zu haben, das sich bei der Funktion des Apparates mitbewegt.
Indem ich am Schlüsse meiner Arbeit bezüglich der genaueren
Abbildungen aus dem Gebiete der Fliegen auf die überaus brauch-
baren Bilder Tuffen West 's-7) verweise (in denen aber die Krallen
falsch eingezeichnet sind), will ich die bisher gewonnenen allgemein
gültigen Resultate meiner Ausführungen noch einmal kurz zusammen-
stellen.
1. Die Krallen sind als für bestimmte Zwecke modificirte Borsten
anzusehen.
2. Das Krallenglied am Insektenfuss ist. nach Bau und Funktion
durchgehend in 2 Haupttypen zu trennen:
A. Zweikralliges Tarsenglied ohne Haftorgane oder mit
solchen.
Letzteres zerfällt in 3 Subtypen:
a) Krallenglied mit einem unpaaren mittleren Haft-
läppchen.
b) Krallenglied mit zwei äusseren seitlichen Haftlappen.
c) Krallenglied mit zwei Haftlappen unter den Krallen.
B. Einkralliges Tarsenglied.
a) Einkralliger Kletterfuss.
b) ,, Klammerfuss.
3. Die Excursion der Krallen ist eine begrenzte; die Bewegung
dieser und der Haftorgane wird vermittelst einer elastischen
Haut durch die Streckplatte im Verein mit der Streckborste
bzgw. Strecksohle veranlasst.
4. Die Strecksohle, welche sich stets bei Insekten mit unpaarem
mittlerem Haftorgan findet, ist als eine Modifikation der Streck-
borste aufzufassen; sie ist immer deutlich abgesetzt.
5. Die Streckplatte ist ein den Insekten eigenthümliches Organ.
6. Die Haftorgane sind umgewandelte Ausstülpungen der ab-
schliessenden Haut.
7. Der Tarsalrand ist der Funktion des Krallengliedes angepasst.
8. Als einkrallige Insektenbeine sind nur solche anzusehen, die
eine Streckplatte mit Gleitrinne und echter Kralle haben.
9. Die ectoparasitisch lebenden Fliegen haben zurückschlagbare,
wohl ausgebildete Haftlappen.
10. Das mittlere Haftorgan bei Fliegen mit 3 Haftlappen ist eine
Umwandlung der Streckborste mit der ausgestülpten ab-
schliessenden Haut.
17*
260 Alfred Ockler: Das Krallenglied am Insektenfnss.
11. Die Streckborste geht stets direkt aus der Streckplatte hervor.
12. Der Krallenhöcker zeigt verschiedenen Bau und Lage.
13. Die sogenannte Druckplatte Dahl's im mittleren Haftläppchen
ist nur eine beweglich eingelenkte skelettale Stütz platte für
dasselbe.
Litteratur.
1. Brehm, Thierleben. Abthl. Insekten, bearb. von Taschenberg.
2. Burmeister, Handbuch der Entomologie. 1832. ff.
3. Claus, Lehrbuch der Zoologie. 4. Aufl. 1887.
4. Dalil, Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Funktionen
der Insektenbeine. Dissert. Kiel. 1884 (auch im ,,Arch. f. Nat.
52. 1884).
5. Dahl, Die Fussdrüsen der Insekten, im ,,Arch.f. mikros. Anat. 25.
(1885).
6. Derham, Physicotheology IL 1798.
7. Dewitz, In „Sitzungsberichte der Gesellsch. naturforsch. Freunde
zu Berlin. 1882.
8. Dewitz, Ueber die Fortbewegung der Thiere an senkrechten
glatten Flächen vermittelst eines Sekretes (in Pflüger's „Archiv
f. d. ges. Physiologie. 33. Bonn 1884).
9. Emery, Fortbewegung von Thieren an senkrechten und über-
hängenden glatten Flächen (Referat im „Biolog. Centralblatt. IV.
1885).
10. Ersch u. Gruber. EncyclopaedielL 18. („Insekten", bearbeitet
von Burmeister. 1840.)
11. v. Fricken, Deutschlands einheim. Käfer. 4. Aufl. 1885.
12. Giebel, Insecta epizoa (nach Nitzsch). 1874.
13. Graber, Der Orgnnismus der Insekten, München 1877.
14. Graber, Ueber die Mechanik des Insektenkörpers (im „Biolog.
Centralblatt. IV. 1885).
15. Hartig, Die Familien der Blattwespen u. Holzwespen. 1837.
16. Hepworth, On the structure of the foot of the fly ; in „Quarterly
Journal of Microscopical Science 1854. IL
17. Hooke, Micrographia. 1667.
18. Kirby u. Spence, Einleitung in die Entomologie, deutsch (von
Oken). 1823.
19. Landois, L. Untersuchungen über die a. d. Menschen schmarotz.
Pediculinen; in „Zschr. f. wiss. Zool. 14. 15. 1864/65.
20. Reaumur, Memoires pour servir ä Thistoire des insectes, 1732
— 1742.
21. Schiner, Fauna Austriaca (Diptera). 1862.
22. Simmermacher, Untersuchungen über Haftorgane an Tarsal-
gliedern der Insekten, in „Zschr. f. wiss. Zool. 40. 1884.
23. Straus -Dürkheim, Considerations generales sur l'anatomie
comparee des animaux articules. 1828.
24. Stroebelt, Anatomie u. Physiologie v.Iiaematopinus tenuirostris.
Dissert. Münster 1882.
Ein Beitrag zur Kenntniss von dessen Bau und Funktion. 261
25. Todd, Cyclopaedia, IL 1839 („Insects, by Newport").
26. Wagler, Natürl. System d. Amphibien 1830. (Anmerk.p.234).
27. West, T., The foot of the fly. I, in ,,Transactions of the Linnean
Society of London. Vol. 23. 1862.
28. White, Natural history, edition with Bennet's notes.
s.
Sehne.
Schpl. Schutzplatte.
Skpl. Skelettplatte,
Strb. Streckborste.
Strpl.
Strs.
Streckplatte.
Strecksohle.
Th.
Tasthaare.
Tr.
Tarsalrand.
Tbst.
Tibialstift.
Figuren-Erklärung
für Tafel XII— XIII.
In den Figuren bedeutet:
A. Kr. Afterkralle.
E. B. elastischer Bogen.
Gh. Gelenkhaut.
Glr. Gleitrinne.
Hf. M. hufeisenförmige Masse im Haft-
läppchen.
Hl. Haftläppchen.
Kr. Kralle.
Krh. Krallen(-gelenk-)höcker.
Figur 1. Elastischer Bogen aus dem Haftläppchen von Pompilus viaticus.
» 2. Kralle von demselben Thier, mit den (3) langen Borsten an der
Innenseite.
» 3. Desgl. Streckplatte mit der Strecksohle, von unten gesehen.
» 4. Krallenhöcker vom Dytiscus marginalis, mittl. Längsschnitt
» 5. Derselbe von der Innenseite des Tarsus gesehen.
» 6. Streckplatte und Streckborste einer Sarcophaga carnaria <§.
» 7. » vom Tabanus bovinus [mit 3 Haftl.).
» 8. ■> » Stratiomyia bocata ( » » » ).
9. » mit Streckborste und Tasthaaren von Melolontha vulgaris.
» 10. Krallenhöcker von Periplaneta orientalis.
» 11. Krallenglied von demselben Thier.
» 12. Streckplatte mit Streckborste u. dem mittleren Krallentheil mit der
langen Borste von Gryllus domesticus.
13. Kralle von Asilus atricapillus.
am Grunde neben dem Gelenkhöcker ist
14. » » Tabanus bovinus^ das in die Kralle führende Lumen
sichtbar.
15. » •> Sarcophaga carnaria.
Die Krallen in Figur 13 u. 15 (namentlich in dieser) sind stark
gestreckt, da sie über den langen Haftlappen hinwegreichen müssen,
was bei Figur 14 (3 lappiger Tabanus) nicht nöthig ist, da die Kralle
zwischen je 2 Haftläppchen Platz zum Angreifen findet.
16. Krallenglied von Apis mellifica (Drohne) von unten gesehen (die
Haftläppchen-Skelettplatte schimmert durch).
17. Skelettplatte aus dem Haftl. von Vespa vulgaris.
18. Kralle von derselben.
19. Desgleichen Streckplatte mit den kleinen Nebenplättchen und der
Strecksohle.
20. Die behaarten Läppchen von der Aussenseite der Krallen bei Sphinx
convolvuli.
21. Desgleichen von Arctia caja, mit der im Haftläppchen befindlichen
hufeisenförmigen Masse.
22. Krallenglied von Amphigerontia (Psocidae).
23. Obere Skelettplatte von Apis mellifica.
24. Schutzplatte des Pompilus niger, mit der Skelettplatte; beide von
der Seite.
262 Alfred Ockler: Das Krallenglied am Insektenfuss.
Skelettplatte von Tentkredo flavicornis.
Desgleichen, elast. Bogen aus dem Haftläppchen.
Krallenglied von Pentatoma rufipes; das Haftläppchen ist mit seiner
Skelettplatte in einer Vertiefung am Grunde der Krallen befestigt.
Krallenglied der Andrena (species?), von unten.
von Pentatoma bocaria; Seitenansicht.
Durchschnitt durch den Fuss des Pselaphus Heisii.
Tarsenendglied von Locusta viridissima , mit der durchschimmernd
gezeichneten Gleitrinne.
Streckplatte mit Streckborste von Dytiscns marginalis.
» » » » Gryllotalpa vulgaris.
Skelettplatte aus dem Haftl. der Sarcopbaga camaria, von hinten
(d. h. vom Tarsallumen) gesehen.
Tarsenendglied von Pompilus niger, mit den 2 blattartigen Borsten
an der ventralen Seite.
Fuss vou Phtirius inguinalis (1. Beinpaar), Durchschnitt.
» Pediculus capitis ^ ( » » ).
» •• Phtirius inguinalis (3. Beinpaar); zerlegt.
Haftlappen von Sarcopbaga carnaria, von oben.
Streckplatte mit Streckborste von Hydrophilus aterrimus (von oben).
» .. » » » » (v. d. Seite).
Krallenglied von Melolontha vulgaris, von der Seite; durchsichtig
gedacht; jedoch ohne Einzeichnung der faltigen Haut.
Strecksohle von Ammophila sabulosa.
Skelettplatte » » »
Krallenhöcker von Hippobosca eguina.
Desgleichen Streckplatte und Streckborste.
Aus^dem Krallenglied von Anisoplia horticula.
Tarsenendglied eines Carahus von oben.
Streckplatte und Strecksohle von Saturnia pyri.
mit der dünnen Krallenabspaltung von Meloe pro'scarabaeus ;
daneben die zugeh'örige Kralle (von unten gesehen).
Streckplatte von Aeschna cyanea, von der Seite.
» » Libellula depressa, von oben.
Krallen mit der Streckplatte u. der Afterkralle von Leptogaster.
Gleitrinne aus dem Tarsenendglied von Stenopteryx hirundinis.
Krallenglied von Corymbites aeneus.
Kralle von Stenopteryx hirundinis.
Krallenhöcker u. s. w. von Pomponerus germanicus.
Skelettplatte mit dem auf allen Seiten behaarten rudimentären Haft-
läppchen eines Bomhus terrestris ; die Skelettplatte ist auf der Innen-
seite mit einem Kanal versehen, der in das rudimentäre Haftl. ein-
mündet.
59. Krallenglied von Leptogaster von der Seite.
60. u. 61. Schutzplatte für das Haftläppchen von Pompilus viaticus von
oben und unten gesehen.
62. Streckplatte und Streckborste von Oryctes nasicornis.
63. Haftläppchen (seitl.) von Tabanus bovinus, mit der hinteren Skelett-
platte.
64. Kralle mit der Skelettplatte des Haftläppchens von Bippobosca equina.
65. Aus dem Krallenglied von Silpha thoracica.
igur 25.
» 26.
.. 27.
.» 28.
»» 29.
». 30.
- 31.
.. 32.
» 33.
>» 34.
.. 35.
.. 36.
» 37.
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» 40.
» 41.
» 42.
»» 43.
.. 44.
.» 45.
.» 46.
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» 48.
•• 49.
» 50.
.. 51.
»» 52.
.. 53.
•■ 54.
» 55.
» 56.
» 57.
•■ 58.
Berichtigu n g :
Bei Figur 51 auf Tafel XIII lies: Strb statt Strs.
Ein neues Copepoden- Genus (Sapphir)
aus Triest.
Von
Dr. Lazar Car.
Hierzu Tafel XTV.
Bei der Bearbeitung des Copepoden-Materiales, welches ich in
dem Jahre 1888 in Triest sammelte, und dessen Ergebnisse ich in
„Glasnik naravoslovnoga druztva (Societas historico-naturalis croatica)
Bd. V. 1890. Agram" veröffentlichte, stiess ich unter Anderem auf
eine neue Form von Copepoden, welche sich bei näherer Betrachtung
als generisch neu erwies.
Die neue, hier beschriebene Form setzte mich in der That in
nicht geringe Verlegenheit. Lange konnte ich nicht schlüssig werden,
wohin ich sie stellen sollte; denn selbst die Familien -Charaktere
schienen mir im Anfange hier völlig combinirt zu sein. Doch musste
ich schliesslich eine Entscheidung treffen, und diese wage ich jetzt
hiermit der Oeffentlichkeit zu übergeben.
Ich bin mir dabei zwar bewusst, dass ich bei der mir nicht
vollständig zu Gebote stehenden Literatur Gefahr laufe, schon Be-
kanntes als neu zu beschreiben, doch ist mir eine erschöpfende
Durchsicht der gesammten Copepoden-Literatur unmöglich, und ich
muss mich daher gezwungener Weise einer eventuellen nachträglichen
Correction aussetzen.
Ich halte, wie oben angedeutet, die fragliche Form für ein neues
Genus und stelle es in die Familie der Sapphiriniden. — Bei der
Rundschau der in Betracht kommenden Familien ergab sich nämlich
folgendes Resultat.
Farn. Calanidae. Das Charakteristische dieser Familie besteht
bekanntlich in sehr langen 24 — 25gliedrigen vorderen Antennen ; in
der nur einerseits bei Männchen zum geniculirenden Fangarme um-
gebildeten Antenne. Ferner sind die hinteren Antennen gross,
2 ästig mit umfangreichem Nebenaste. Die weiteren Charaktere
264 Dr. Lazar Car:
brauche ich nicht hervorzuheben, da mein Genus blos 6gliedrige
vorderen Antennen besitzt, welche ausserdem noch bei beiden Ge-
schlechtern gleich, oder doch bei Männchen beiderseits in gleicher
Weise stärker entwickelt sind. Die hinteren Antennen vom neuen
Genus sind klein und ohne Nebenast. Der ganze Habitus ist über-
haupt nicht Calaniden-förmig. —
Fam. Cyclopidae. Bei Cyclopiden ist die Gliederzahl der
vorderen Antennen in der Regel auch viel grösser als bei unserem
Genus. Eine Uebereinstimmung bestände wohl darin, dass auch bei
den Cyclopiden die vorderen i^ntennen im männlichen Geschlechte
jederseits zu Fangarmen umgebildet, und die hinteren Antennen ohne
Nebenast sind. Doch lassen die Palpen der Mandibeln und Maxillen,
wie auch die aus 4 -- 6 Gliedern bestehenden und mit befiederten
Borsten besetzte Maxillarmsspaare der Cyclopiden keinen Vergleich
mit unserem Genus zu.
Fam. Harpactidae. Der Gesammt- Habitus unseres neuen
Genus würde sich wohl dem der Harpactiden mehr nähern. In der
Organisation der vorderen Antennen stimmen die Harpactiden sogar
vollständig mit Letzterem überein. Allerdings sind die hinteren An-
tennen bei den Harpactiden mit einem Nebenast versehen und tragen
am Endgliede knieförmig gebogene Greif borsten. Dieser Unterschied
wäre indess von keinem grossen Belange, da der Nebenast bei
Harpactiden ganz verkümmern kann z. B. bei Laophonte, und zweitens
unser Genus auch noch eine kräftige befiederte Borste an der Stelle
dieses Nebenastes aufweist. Die knieförmig gebogenen Borsten am
Endgliede der hinteren Antennen kann man auch nicht .als Familien-
Charaktere ansehen. Aber die Mandibeln und Maxillen sind bei
Harpactiden mit Palpen versehen; ferner ist das erste Fusspaar in
der Regel zum Greiforgan umgebildet und das fünfte Fusspaar blatt-
förmig. In den letzteren Merkmalen weicht unser Genus erheblich
von Harpactiden ab. —
Fam. Peltididae. Dieser Familie nähert sich das neue Genus
in der Körperform noch viel mehr. Der Körper desselben ist eben-
falls platt, mit breiten Seitenflügeln der einzelnen Abschnitte ver-
sehen und mit einem kräftigen Chitinpanzer bedeckt. Doch haben
die hinteren Antennen der Peltidien wieder einen Nebenast und
knieförmig gebogene Borsten. Ausserdem sind es wieder die Man-
dibeln und Maxillen, durch welche sich das neue Genus von Peltidien
unterscheidet; das fünfte Fusspaar ist überdies beim Letzteren anders
gestaltet als bei den Peltidien. —
Fam. Corycaeidae. Hier sind es wieder die hinteren An-
tennen die mit Klauenhaken bewehrt sind, und die daher die Ein-
reihung der neuen Form in diese Familie nicht zulassen. Die Man-
dibeln, Maxillen und Maxillarfüsse der Corycaeiden zeigen aber eine
Verwandtschaft mit unserem neuen Genus. —
Ein neues Copepoden-Grcnus (Sapphir) aus Triest. 265
Die Farn. Sapphirinidae, welche ich hier nach dem Vorgänge
Bradys von den Corycaeiden trenne, wird charakterisirt durch läng-
lichen oder abgeplatteten Körper, vollzählige Körper-Segmente, Ver-
schmelzung des ersten Segments mit dem Kopfe. Vordere Antennen
5 — 7 gliedrig, ähnlich in beiden Geschlechtern; die hinteren Antennen
einfach, ohne Nebenast, am Endgliede mit Klauen oder einigen ge-
krümmten Borsten besetzt.
Die Mandibeln klein, scharf ausgezogen, oder mit sehr kleinen
Zähnen endigend. Die Maxillen bestehen aus einem kleinen borstigen
Finger, der sich nahe der Basis der Mandibel einlenkt. Die vorderen
Maxillarfusspaare (Aeste) mit einigen kleinen hakenähnlichen Borsten;
die hinteren Maxillarfusspaare mit terminaler Klaue, die bei Männchen
viel stärker ist. Die ersten vier Fusspaare '2 ästig, jeder Ast 3 gliedrig,
ausgenommen die Fälle wo der innere Ast des vierten Fusses nur
1 oder 2 gliedrig vorkommt. Fünftes Paar klein, gewöhnlich 1 gliedrig ;
Eisäckchen zwei. —
Diese Definition der Sapphiriniden, welche ich Brady entlehnte,
lässt sich vollständig auf mein neues Genus anwenden, mit einer
einzigen Ausnahme, nämlich der, dass bei unserer Form der äussere
Ast des ersten Fusses blos 1 gliedrig ist. Dies glaube ich jedoch,
darf nicht die Einreihung derselben in die Familie der Sapphiriniden
hindern. Es entsteht dann aber die Nothwendigkeit die obige Defi-'
nition der Familie in dieser Beziehung zu modifiziren, respective ihr
hinzuzufügen: dass die Aeste der ersten vier Fusspaare ,, gewöhnlich"
3 gliedrig sind, oder den Fall als einen besondern zu intercaliren,
so wie es schon oben in Bezug auf den vierten Fuss geschah.
Der Punkt, dass die hinteren Antennen bei unserem Genus mit
Borsten und nicht mit Klauen endigen, erfordert keine Modifikation
der obigen Definition, da ich diese zweite Möglichkeit in derselben
schon vorfand. — Auch für den fünften Fuss steht bereits in der
Definition der Sapphiriniden, dass er „gewöhnlich" 1 gliedrig ist ;
also wird die Zweigliedrigkeit darin schon zugelassen.
Die Bildung der Mundwerkzeuge, auf welche ich auch besonderes
Gewicht legen musste, rechtfertigt vollständig die Einreihung des
neuen Genus in die Familie der Sapphiriniden.
Damit glaube ich genug Gründe angeführt zu haben, welche
die hier gegebene Stellung des neuen Genus stützen. —
Vorerst führe ich die lateinische Diagnose der Familie der
Sapphiriniden an, und füge zugleich die jetzt nöthig gewordenen
Amendements ein.
Farn. Sapphirinidae Thor. (Lichomolgidae Rossin.)
Caput thorace multo latius plerumque cum segmento I. thoracico
concretum ; antennae I. 5 — 7 articulatae, II. simplices apice setis un-
cinatis aut unco armatae ; mandibulae falcatae aut subulatae, niargine
aut serrato aut dentato aut spinis munito; maxillae rudimentäres;
266 Dr. Lazar Car:
maxillipedum par II. unco terminatum ; pedes natatorii parvi, parium
quatuor anteriarum birames, ramis triarticulatis (ramo externo parisl.
interdum 1 articulato ; interno paris IV. interdum 1 — 2 articulato),
par V. parvum, plerumque uniarticulatum ; sacci ovigeri duo. —
Aus der Familie der Sapphiriniden sind mir folgende 6 Genera
bekannt, von welchen ich hier die Diagnosen anführe; die Unter-
schiede von meinem neuen Genus sind durch besonderen Druck hervor-
gehoben.
1. Sapphirina Thomps.
Corpus depressum, ovale, abdomen $ interdum subito cephalo-
thorace angustius; thoracis segmentum V. in S rudimentäre;
pedes paris V. tenues uniarticulati; pedes natatorii birames,
ramis internis et externis triarticulatis; antennae anticae
5 aut 6 articulatae, articulo 2. elongaton, posticae pediformes
unguiculatae; stili caudales laminati; mares saepe opalini aut
metallici, oculus impar vesiculiformis , oculorum lateralium corpus
pigmentatum stiliforme.
2. Copilia* Dana.
Corpus depressum, pellucidum, sine colore; segmentum V.
thoracis cum pedibus rudimentäre, segmentum abdominis V.
non bene distinctum; pedum paris IV. ramus internus uni-
articulatus, pes V. simplex setis duabus instructus; lentes fron-
tales omnino deficientes; oculus inpar inferior vesiculiformis; oculi
superiores uniti; mandibulae, maxillae, maxillipedes superiores valde
distantes rudimentäres, maxillipedes inferiores prehensiles, unco
curvato arinati; laminae caudales longae, angustae, lineares;
S opalinus.
3. Lichomolgus Thor. (Sepicola Claus.)
Corpus subpiriforme, sementis 11 ($) aut 12 (o) (10 Thoreil).
cephalothorace lato, ovato, capite cum thoracis segmento primo
coalito; ab d omine angusto, segmentum I. et IL in ? coalita, in 3
libera, ultimum duas appendices formans; antennae I. filiformes,
6 — (7) articulatae, IL breviores 3 — (L) articulatae, in apice aculeis
curvatis armatae; labrum elongatum, mandibulae basi lata falcata
instructae, maxillae laminas parvas ferentes; maxillipedes anteriores
setis duabus stiliformibus sursum directis praediti; pedes pa-
rium I. —IV. ramis triarticulatis, excepto ramo interno
paris IV. biarticulato, paris V. uniarticulati; aperturae
genitales superae.
* Da nach Griesbrecht Sapphirinella Claus = Hyalophyllum flaeckel die
Männchen vom Genus Copilia darstelle, der Name Copilia Dana aber der älteste
ist, so wende ich letzteren für dieses Sapphiriniden-Genus an. — „Hyalophyllum
Haeckel = Copilia Dana $. Von Dr. W. Giesbrecht. Zool. Anzeiger XII. Jahr-
gang Nr. 314. Leipzig. 1889'\
Ein neues Copepoden-Genus (Sapphil') aus Triest. 267
4. Sabelliphillus Sars.
Corpus subteres elongatum, postice attenuatum, segmentis 10;
caput $ cum segmento I. thoracis conjunctum, <$ sejunctum; ros-
trum frontale subtus porrectum profunde bifurcatum;
antennae I. 7 articulatae, articulis 2 primis plus (?) mi-
nusve (S) dilatatis; antennae IL pediformes validae, 4arti-
culatae, articulo ultimo unguibus 3, penultimo singulo
armatis; maxillipedes mediocres, triarticulati; articulo ultimo
unguiculato: ramus pedum quatuor parium primerum uterque
triaticulatus, paris V. rudimentaris, minimus, simplex. uni-
artic u latus; sacculi ovigeri duo. —
5. Anthessius Della Valle.
Corpus piriforme, segmento genitali tumido, in^libero,
in $ cum segmento sequente coalito; antennae I. 7 articulatae,
IL 9 articulatae, prehensiles, uncinis terminatae; mandi-
bulae falciformes, margine convexo dentato, appendice palpi-
formi ciliata in margine concavo; maxillipedes I. maxillis
minores spinis pancis fortibus; pedes parium quatuor
anteriorum ramis binis triarticulatis, parium V. et VI.
rudimentäres.
6. Doridieula Leyd.
Corpus piriforme depressum, cephalothorace lato, valvula
lata frontali alisque thoracalibus deorsum flexis, segmen-
lum V. minimum; antennae I. 7 articulatae, IL prehensiles;
pedes birames; par V. pedum conspicue porrectum biarticu-
tatum; segmenta 2 priora abdominalia coalita; aperturae genitales
$ superae; furca setis utrinque quinis, secunda interna longissima,
munita.
Von allen diesen angeführten 6 Genera, welche mir aus dem
Mittelmeere bekannt sind, unterscheidet sich mein neues Genus haupt-
sächlich dadurch, dass der äussere Ast des ersten Fusses lgliedrig
ist. Ausserdem unterscheidet es sich vom Genus Sapphirina durch
das gut ausgebildete thoracale fünfte Segment des cJ, durch den
2 gliedrigen fünften Fuss und durch die Borsten an den hinteren
Antennen. Vom Genus Copilia unterscheidet es sich hauptsächlich
dadurch, dass bei Copilia der innere Ast des vierten Fusses 1 gliedrig
ist; bei unserem Genus aber 3 gliedrig. Der Unterschied von Licho-
molgus liegt auch im inneren Aste des vierten Fusses, welcher bei
Lichomolgus 2 gliedrig ist, und der fünfte Fuss nur 1 gliedrig. Bei
Sabelliphillus ist das Rostrum gegabelt, die vorderen Antennen
7 gliedrig, die hinteren mit Klauen bewehrt. Anthessius hat wieder
7gliedrige vorderen Antennen, und die hinteren sind bei ihm 4 gliedrig
und mit Klauen besetzt.
Auch bei Doridieula sind die vorderen Antennen 7 gliedrig,
die hinteren zu Greiforganen umgebildet. —
268 Dr- Lazar Car :
Nachdem ich diesen kritischen Vergleich meiner neuen Form
mit allen näher stehenden Familien angestellt, und auch die Unter-
schiede von allen Genera der Sapphiriniden ausführlich hervor-
gehoben habe, gehe ich jetzt zur Beschreibung des neuen Genus
selbst über.
Sapphir* n. g.
Corpus depressum, dilatatum, rostro triangulari prominente.
Caput cum annulo primo thoracico conjunctum, Antennae anticae
6 articulatae, posticae ramo secundario carentes, 3 articulatae, setosae.
Mandibulae simplices, attenuatae, apice dentatae, maxillae simplices
acutae. Maxillipedes superiores uncinati, inferiores prehensiles, ar-
ticulo basali styliforme, elongato. Pedum primi paris ramus
extern us 1 articulatus. Abdomen feminae 4-, maris 5 articu-
latum. —
Sapphir rostratus n. sp.
Körper abgeplattet, die einzelnen Thoracal-Segmente sind in
breite Seitenflügeln ausgezogen, welche sich am Cephalothoracal-
Abschnitte sogar ein wenig nach einwärts krümmen. Abdomen
eylindrisch, nicht scharf vom Thorax abgesetzt, gegen das hintere
Finde sich allmählich verjüngend, endet mit zwei kleinen Furcal-
Lamellen. Die Stirn läuft in ein breites dreieckiges Rostrum aus.
Die Körperform des Männchens und Weibchens gleich. Der Kopf
mit dem ersten Thoracalsegmente in beiden Geschlechtern verschmolzen.
Beim Weibchen die beiden ersten Abdominal-Segmente verbunden.
Das Körper -Integument wird von einem System von Chitin spangen
gestützt, was stark an die Körperhaut der Peltidien erinnert, sonst
ist es aber durchsichtig und lässt sowohl die Muskeln als auch
andere innere Organe deutlich durchschimmern.
Die vorderen Antennen in beiden Geschlechtern 6 gliedrig
und am 4. und 5. Gliede mit Riechschläuchen versehen; beim Weibchen
ist das letzte Glied lang und schmal; bei Männchen sind die vor-
deren Antennen beiderseits gleich, doch stärker entwickelt als beim
Weibchen. Ausserdem sind sie auch am 3. Gliede mit Riech-
schläuchen versehen; das vorletzte Glied ist mit einer feinen Zahn-
reihe an der Innenseite bewehrt; das letzte Glied weniger lang als
beim Weibchen. —
* Der Habitus der Sapphirinen ist in unserem neuen Genus so ausgeprägt,
dass ich dieser Thatsache in der Aehnlichkeit des vorgeschlagenen Namens mit
dem der Familie Rechnung zu tragen wünschte.
Ein neues Copepoden-Genus (Sapphir) aus Triest. 269
Die Antennen des zweiten Paares sind klein, 3 gliedrig,
mit verlängertem Basalgliede und ohne Nebenast. Das Endglied ist
mit vier ziemlich geraden, nicht knieförmig gekrümmten Borsten
bewaffnet. Am distalen Ende des Basalgliedes findet sich an der
Aussenseite eine kräftige, befiederte Borste. —
Die Mandibeln sind stark verkümmert mit lang ausgezogener
Kauplatte, ohne Palpus; am Ende scheinen sie jedoch nicht in eine
Spitze auszulaufen, sondern mit äusserst feinen Zähnchen bewehrt
zu sein.
Die Maxillen sind auch rudimentär, stiletförmig , in eine
Spitze ausgezogen, ebenfalls ohne Palpus, und dicht unter den Man-
dibeln eingelenkt. Beobachtung der Mundtheile ist äusserst
schwierig. —
Die vorderen Maxillarfüsse sind sehr klein; bestehen aus
einem grösseren Basalgliede, an welches sich zwei kleine, nicht
deutlich getrennte Glieder anschliessen , welche mit je zwei feinen
Häkchen endigen. —
Die hinteren Maxillarfüsse sind gross, zweigliedrig, aus
hingen Gliedern, welche sich in der Ruhe knieförmig schliessen, zu-
sammengesetzt. Das Endglied ist mit einer kräftigen Klaue be-
waffnet, und ausserdem bildet es durch zwei Reihen von Zähnchen
eine Scheide, in welche sich die zurückgeklappte Klaue wie in eine
Messerscheide einsenkt. Der ganze Fuss und namentlich die Klaue
ist beim Weibchen viel schmächtiger. —
Die ersten vier Fusspaare sind 2 ästig, jeder Ast 3 gliedrig,
ausser dem ersten Paare, bei welchem der äussere Ast blos 1 gliedrig
ist. —
Das erste Fusspaar ist zwar wie die anderen 2 ästig, der
äussere Ast ist jedoch klein und, wie gesagt, nur 1 gliedrig, und
zwar in beiden Geschlechtern. Darauf gründe ich hauptsächlich
mein neues Genus, da sich letzteres dadurch von allen Sapphirinen-
Genera scharf unterscheidet.
Das zweite, dritte und vierte Fusspaar ist 2 ästig, jeder
Ast 3 gliedrig, und alle sind untereinander und in beiden Ge-
schlechtern gleich.
Das fünfte Fusspaar ist 1 ästig, cylindrisch und besteht aus
2 Gliedern, von denen das basale Glied kürzer und an der Aussen-
seite mit einer befiederten Borste bewehrt ist. Das Endglied ist
länger und an seinem distalen Ende mit zwei längeren, befiederten
und einer viel kleineren, ebenfalls befiederten Borste besetzt. Dieser
Fuss ist in beiden Geschlechtern gleich. —
Das Abdomen besteht beim Männchen aus 5, beim Weibchen
aus 4 getrennten Segmente. Beim Weibchen sind nämlich 'die beiden
ersten Segmente verschmolzen. Beim Männchen lassen sie sehr gut
die nur linksseitig entwickelte, stark Licht brechende, Spermatophore
270 Dr. Lazar Car:
durchschimmern. Das letzte Abdominal -Segment endet mit einer
kleinen lamellosen Furca. Die Furca ist seitlich mit zwei starken
Haken und am Ende mit kurzen, sich nach innen hin kreuzenden,
Borsten bewehrt.
Da ich von dem neuen Genus nur diese eine Form, die ich
„rostratus" benennen will, kenne, so bin ich nicht in der Lage genau
festzustellen, welche Charaktere ausschliesslich für das Genus Geltung
haben, und welche sich auf die Species beziehen mögen. In der
Copepoden-Literatur finde ich mehrere solche Fälle, dass eine neue
Form beschrieben wurde, bei welcher man einige wichtigere Charaktere
als generische aufstellte, die man jedoch später, als man eine zweite
Art davon fand, corrigiren musste. Es ist eben ein missliches Vor-
gehen auf Grund einer einzigen neuen Form die generische Diagnose
rein auszuschälen. Vorläufig kann ich nur den einzigen sicheren
Charakter des Genus hervorheben, dass der äussere Ast des ersten
Fusses 1 gliedrig ist. Alles andere dürfte sich vielleicht nur auf die
Species beziehen. —
Auf Grund meines todten Materials konnte ich leider nichts
Sicheres über die Augen mittheilen. Die Muskulatur Hess sich
durch den zwar dicken, jedoch genügend durchsichtigen Chitinpanzer
sehr deutlich beobachten ; sie verhält sich genau so, wie ich sie bei
einer Sapphirina aus Triest früher einmal beschreiben und abbilden
konnte*. —
Es möge noch das bemerkt werden, dass sich bei Männchen
nur der linke testiculus entwickelt, der rechte hingegen sammt der
rechten Spermatophore ganz ausfällt. —
Von dieser neuen Form erhielt ich entwickelte Männchen und
Weibchen in mehreren Exemplaren aus Triest. —
* Ein Beitrag zur Copepoden- Fauna d. adriat. Meeres. Archiv f. Nat.
L. Jahrg. I. Band. 1884. S. 259.
Ein neues Copepoden-Genus (Sapphir) aus Triest. 271
Erklärung der Tafel XIV.
Fig. 1. Sapphir rostratus $, von der dorsalen Fläche, 145. Vergr.
2. Sapphir rostratus $ . seitlich (mehr von der dorsal. Fläche), 145. Vergr,
» 3. Vordere Antenne des <§, 350. Vergr.
4. Vordere Antenne des £, 350. Vergr.
5. Hintere Antenne, 350. Vergr.
». G. Mundtheile: 350. Vergr.
ohen: Mandibel.
unten: Maxille.
» 7. Vorderer Maxillarfuss, 350. Vergr.
8. Hinterer Maxillarfuss des <$, 350. Vergr.
9. Erster Fuss, 350. Vergr.
» 10. Vierter linker Fuss, 350. Vergr.
• 11. Fünfter Fuss, 350. Vergr.
» 12. Hinterer Theil des Abdomens von <£, 350. Vergr.
Anmerkung. Sämmtliche Figuren wurden durch das Zeichenprisina von
Nachet gezeichnet. Der ganze Körper wurde (2, C) 145. vergrössert, die ein-
zelnen Theile (2, E) 350. Zur Zeichnung diente das Mikroskop von C. Zeiss,
Stativ I, mit dem Ahee'schen Beleuchtungs-Apparat.
Gedruckt in
Kroll's Buchdruckerei, Berlin S.
Sebastianstrasse 76.
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O c kl e r : Kralle n q lied a m Ins.
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Ockler Lcjlied am [nsekienfufs.
Archivf. Näturgesck 1890
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