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Full text of "Archiv für Naturgeschichte"

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ARCHIV 


FÜR 


IATURGESCHICHTE. 

GEGRÜNDET   VON   A.  F.  A.  WIEGMANN, 

FORTGESETZT  VON 

W.    F.    ERICHSON,    F.    H.    TROSCHEL 
UND    E.    VON    MARTENS. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

Dr.  F.  HILGENDORP, 

CUSTOS  DES  K.  ZOOLOG.  MUSEUMS  ZU  BERLIN. 


SECHSUNDFUNFZIGSTJER  JAHRGANG. 

I.  BAND. 


Berlin  1890. 
NICOLAISCHE    VERLAGS-BUCHHANDLUNG 

R.  STRICKER. 


Inhalt  des  ersten  Bandes. 


Seite 

Dr.  A.  Ortmann.     Die  Japanische  Bryozoenfauna.     (Bericht  über  die  von 

Herrn  Dr.  L.  D  öder  lein  im  Jahre  1880—81  gemachten  Sammlungen. 

Hierzu  Tafel  I— IV 1 

F.  Koenike.  Ein  neues  Hydrachniden-Genus  (Teutouia).  Hierzu  Tafel  V.  75 
Karl  Nestler.    Beiträge    zur    Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  von 

Petromyzon  Planen.     Hierzu  Tafel  VI— VHI 81 

K.  Mobius.    Verzeichnis  der  Rhizopoden  der  Kieler  Bucht 113 

Dr.  IL  von  Ihering.      Revision  der  von  Spix  in  Brasilien  gesammelten 

Najaden.     Hierzu  Tafel  IX 117 

Dr.  v.  Linstow.  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Vogeltänien  nebst  Bemerkungen 

über  neue  und  bekannte  Helminthen.     Hierzu  Tafel  X 171 

Leo  Zehntner.     Beiträge    zur   Entwicklung   von    Cypselus    melba,   nebst 

biologischen  und  osteologischen  Details.  Hierzu  Tafel  XI  ....  189 
Alfred  Ockler.      Das   Krallenglied    am   Insektenfuss.     Ein   Beitrag    zur 

Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  Hierzu  Tafel  XII  u.  XHI.  221 
Dr.  Lazar    Car.      Ein    nenes    Copepoden- Genus    (Sapphir)    aus    Triest. 

Hierzu  Tafel  XIV 263 


22115 


Die  Japanische  Bryozoenfauna. 

(Bericht  über  die  von  Herrn  Dr.  L.  Döderlein  im  Jahre  1880  —  81 
gemachten  Sammlungen.) 

Von 

Dr.  A.  Ortmann. 


Hierzu  Tafel  I— IV. 


Einleitung. 

Es  war  eine  auffallende  Erscheinung,  dass  bisher  aus  den 
japanischen  Gewässern  so  gut  wie  gar  keine  Bryozoen  bekannt  waren, 
trotzdem  man  deren  Vorhandensein  in  beträchtlicher  Anzahl  daselbst 
annehmen  musste,  wenn  man  zu  Schlüssen  berechtigt  war  aus  der 
Häufigkeit  derselben  in  Gebieten  wie  das  Mittelmeer,  die  Ost-  und  West- 
Küste  Nordamerikas,  das  Südende  Südamerikas,  Australien  u.  s.  w., 
die  alle,  wenn  nicht  dieselben,  so  doch  in  gewissen  Beziehungen 
analoge  Bedingungen  der  Existenz  bieten.  Bisher  sind  von  Japan 
nur  drei  Arten  bekannt  geworden:  Lepralia  japonica,  Schizoporella 
caecilii  u.  Retepora  victoriensis  var.  japonica*).  Um  so  lebhafteres 
Interesse  muss  es  erregen,  wenn  man  aus  dem  von  Herrn  Dr.  Döderlein 
mitgebrachten  Material  ersieht,  dass  die  japanische  Bryozoenfauna 
eine  ganz  bedeutende  Reichhaltigkeit  zeigt,  eine  Reichhaltigkeit,  die 
wohl  kaum  hinter  einer  der  bisher  bekannt  gewordenen  Bryozoen- 
gebiete  zurücksteht. 

Die  Hauptmasse  der  von  Herrn  Dr.  Döderlein  gesammelten 
Formen  stammt  aus  der  Sagamibai**)  und  zwar  aus  verschiedenen 
Tiefenstufen.  Einiges  wurde  am  Strande  erbeutet,  anderes,  und  dies 
hauptsächlich,  in  mehr  oder  minder  bedeutender  Tiefe,  bis  über 
200  Faden.  Die  Bryozoen  scheinen  —  wie  auch  anderwärts  —  in 
der  Sagamibai  den  Meeresboden  stellenweise  in  ganzen  Raasen  zu 
bedecken:  wenigstens  enthalten  einzelne  (mit  dem  Hanfquasten- 
apparat ausgeführte,  vgl.  Döderlein,  1.  c.  p.  114)  Züge  ganze  Massen 
derselben,  während  andere  nur  wenige  Stücke  aufweisen.  Das  meiste 
Material  war  noch  durch  die  Hanffasern  zu  schwer  entwirrbaren 
Klumpen  zusammengeflochten,  andere  Sachen  fand  ich  auf  den  ver- 
schiedensten anderen  Objekten.    So  lieferte  der  Rücken  eines  Krebses 


*)  Das  Nähere  siehe  unten  bei  den  betr.  Arten. 
**)  Betr.  das  Folgende  vgl.:    Döderlein,   Faunistische  Studien  in  Japau. 
Enoshima  und  die  Sagamibai. 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  1.  1 


2  Dr.  A.  Ortmann: 

(Maja  longispina*)  verschiedene,  sonst  nicht  erbeutete  Formen,  von 
den  Steinschwämmen  (Discodermia)  waren  viele  Exemplare  oft  ganz 
mit  Bryozoen  überkleidet  u.  manches  fand  sich  auf  Muschelschalen, 
Steinen  u.  s.  w. 

Ausser  in  der  Sagamibai  wurden  von  Herrn  Dr.  Döderlein  noch 
in  der  Tokiobai  (Kadsiyama),  in  der  Bucht  von  Maizuru  (Nord-West- 
Küste  Japans,  am  japanischen  Meer)  und  an  der  Südspitze  Japans 
bei  Kagoshima  eine  grössere  Anzahl  Formen  gesammelt.  Von  anderen 
Lokalitäten  lagen  mir  nur  einzelne  Exemplare  vor,  die  sich  zufällig 
unter  anderem  Material  verstreut  hatten.  Schliesslich  fand  ich  unter 
einigen  von  Herrn  Dr.  Hilgendorf  bei  Hakodate  gesammelten  See- 
igeltrümmern,  die  Herr  Dr.  Döderlein  zur  Zeit  zur  Bearbeitung  in 
Händen  hatte,  auch  einige  Bryozoen. 

Die  Anzahl  der  Arten,  die  unter  dem  Material  vertreten  sind, 
beträgt  137  (darunter  auch  die  drei  von  Japan  schon  bekannten 
Arten),  davon  sind  85  neu.  Für  drei  der  neuen  Arten  musste  je 
eine  neue  Gattung  aufgestellt  werden. 

Was  die  systematische  Anordnung  betrifft,  so  habe  ich  mich  im 
Wesentlichen  den  Ansichten  von  Smitt,  Busk  und  Hincks  über 
diese  Tiergruppe  anzuschliessen  gesucht.  Da  aber  neuerdings  durch 
eine  Reibe  kleinerer  Arbeiten,  besonders  von  Hincks,  eine  Menge 
neue  Gesichtspunkte  gewonnen  wurden,  die  in  übersichtlicher  Weise 
noch  nirgends  zusammengestellt  sind,  so  weicht  die  von  mir  ange- 
wendete systematische  Anordnung  von  den  bisherigen  in  einzelnen 
Punkten  ab.  Aus  demselben  Grunde  schien  es  mir  vorteilhaft,  der 
speciellen  Beschreibung  meines  japanischen  Materials  einen  kritisch- 
systematischen Ueberblick  über  sämtliche  bisher  publicirte  Gattungen 
der  Bryozoen  vorauszuschicken,  ein  Versuch,  der  wohl  gebilligt  werden 
wird,  trotzdem  er  nur  darauf  Anspruch  macht,  die  bisher  vorhandene, 
leider  sehr  zerstückelte  Litteratur  der  Bryozoensystematik,  wenigstens 
was  die  Gattungen  anbetrifft,  zu  sammeln  und  eine  natürliche 
Gruppirung  zu  Stande  zu  bringen.  Alle  Gattungen  konnte  ich  selbst- 
verständlich nicht  selbst  untersuchen,  doch  waren  von  solchen,  die 
in  den  japanischen  Meeren  nicht  vertreten  sind,  manche  mir  ander- 
weitig zugänglich:  so  besitzt  das  Strassburger  Museum  z.  B.  eine 
Reihe  von  Formen  aus  dem  Mittelmeer  (Neapel,  Oran,  Algier),  aus 
der  Magellansstrasse  (von  Dr.  Stein  mann  gesammelt),  von  Californien 
und  andern  Orten. 

Die  Weichteile  konnten  nirgends  bei  den  japanischen  Formen 
beobachtet  werden.  Trotzdem  die  grösste  Masse  derselben  in  Alkohol 
aufbewahrt  war,  so  war  doch  bei  den  meisten,  nämlich  den  stark 
verkalkten,  opacen  Arten,  eine  Untersuchung  darauf  hin  von  vorn 
herein  ausgeschlossen,  und  die  biegsamen,  durchsichtigen  Formen 
zeigten  durchweg  die  Weichteile  durch  die  Einwirkung  des  Alkohols 
so  modificirt,  dass  sich  auch  hier  keine  Resultate  ergaben. 


*)  Siebold,  Fauna  japonica;  de  Haan,  Crustaeea.  1850.  p.  94  pl.  XXIII, 
Figur  2. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  3 

Die  wichtigste  Litteratur  seit  dem  ersten  Erscheinen  der  Cataloge 
des  British  Museums  ist  folgende: 

Busk,  G. :    Catalogue  of  marine  Polyzoa  in  the  collection  of  the 

British  Museum.     London  1852  —  54.     (Cat.  Br.  Mus.  I.  u.  IL) 

Smitt,    F.  A. :    Kritisk    förteckning    öfVer    Skandinaviens    Hafs- 

Bryozoer.    —    Oefvers.  af  K.  Vet.-Ak.   Förh.   18G5,    2.    186G, 

1867,  5  u.  Bihang. 

Heller,    C. :    Die  Bryozoen  des  adriatischen  Meeres.  —  Verh.  K. 

K.  zool.  bot.  Ges.  Wien  XVII.   1867.    (Adr.) 
Smitt,  F.  A. :  Floridan  Bryozoa.   I.  u.  IL  —  Kongl.  Svenska  Vet.- 
Ak.  Handl.  X.  IL  u.  XL  4.    Stockholm  1872—73.    (Flor.  Br.) 
Busk,  G. :  Catalogue  of  the  Cyclostomatous  Polyzoa  in  the  collection 

of  the  British  Museum.     London  1875.     (Cat.  Br.  Mus.  III.) 
Hincks:    History   of  the  British  Marine  Polyzoa.     London  1880. 

(Br.  Mar.  Pol.) 
Busk,  G. :  Report  on  the  Polyzoa  I.  Cheilostomata.    Voy.  H.  M.  S. 

Challenger.  Zool.  X.  1884.    (Chall.  Pol.  I.) 
Busk,  G.:   Report  on  the  Polyzoa  IL  Cyclostomata  etc.    —  Voy. 
H.  M.  S.  Challenger.  Zool.  XVII.  1886.    (Chall.  Pol.  IL) 
Ausserdem  sind  von  Hincks  in  den  Ann.  Mag.  Nat.  Hist.  eine 
ganze  Reihe  von  kleineren  Beiträgen  erschienen,  besonders:  (5)  VI. 
VII.  VIII.  IX.  X.  XL  XIII.  XIV.  XV.  XVII.  XIX.  (6)  I. 

Die  Arbeit  von  Macgillivray  (Nat.  Hist.  Vict.  Dec.  III.)  war 
mir  nicht  zugänglich. 

Eine  Anzahl  weiterer  Arbeiten,  die  nur  hier  und  da  in  Betracht 
kommen,  sind  an  den  betreffenden  Stellen  citiert. 


Uebersicht  des  Systems. 

Klasse:  Bryozoa. 

Ordnung:  Gymnolaemata  Allmann. 
I.  Unterordnung:    Chilostoinata  Busk. 


Systematische  Uebersicht  der  Abteilungen,  Familien  und  Gattungen 

der  Chilostomata.  *) 


I.  Abteilung:  Stolonata. **) 

Fam.  Aeteidae  Sm.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  1.  —  Aus  horizontalen 
Stolonen  erheben  sich  röhrige  Zooecien  mit  einer  membranösen 
Area  an  der  Spitze. 


*)  Im  Wesentlichen  nach  Busk:  Chall.  Pol.  I.  p.  XXII f.,  doch  mit  einigen 
Abänderungen.  —  Die  unter  dem  japanischen  Material  vorhandenen  Familien 
und  Gattungen  sind  durch  besonderen  Druck  ausgezeichnet. 

**)  Aus  dieser  Abteilung  ist  unter  meinem  Material  von  den  von  Busk 
hierher  gerechneten  Gattungen  nur  Hippothoa  vorhanden,  die  ich  mit  Hincks 
zu  den  Eschariden  stelle.  —  In  der  Stellung  der  Eucrateiden  folge  ich  eben- 
falls Hincks,  doch  bedürfen  die  meisten  dahin  gehörigen  Gattungen  noch 
genauerer  Prüfung. 

1* 


Dr.  A.  Ortmann: 


Fam.  Chlidoniidae  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  8.  —  Aus  einem  Netz- 
werk von  Stolonen  erheben  sich  freie,  segmentierte  Stämme. 
Zooecien  zweikammerig. 

II.  Abteilung:  Radicellata. 

Unterabteilung :  Cellularina. 

Zoarium  häutig  od.  hornig,  wenig  od.  nicht  verkalkt,  biegsam. 

Unterabteilung :  Membraniporina. 

Zoarium  mehr  oder  minder  verkalkt,  starr,  jedoch  die  Vorder- 
seite der  Zooecien  noch  mehr  oder  minder  häutig,  mit  er- 
habenem Rande. 

Unterabteilung :  Eseharina. 

Zoarium  stark  verkalkt,  starr.  Vorderseite  der  Zooecien  völlig 
verkalkt,  nicht  häutig  und  mit  erhabenem  Rande. 

Uebersieht  der  Familien  der  Cellularina. 

Zooecien  rings  um  die  cylindrischen  oder  pris- 
matischen Zweige  gestellt Farciminariidae. 


Zooecien  auf 
der  Vorder- 
seite mit  mehr 
oder  minder 

grosser 
membranöser 
Oeffnung. 
Am  oberen 
Rande  der- 
selben die 
Mündung. 


Zooecien 
auf  der 
Vorderseite 
geschlossen. 
Mündung 
halbkreis- 
förmig:. 


Zooecien  ein- 
reihig, oder 
beiderseits 
von  flachen 
Blättern  od. 

gegenständig. 


Zoarium   gegliedert,  Internodien 

mehrzellig       Cellulariidae. 

Zoarium  iVibracula     vorhanden, 

unge-         auf  der  Rückseite    .      Carbereidae. 


gliedert. 


Vibracula 
fehlend. 


Avicularia 
(wenn  vorhan- 
den)   sitzend. 
Zellen  viel- 
reihig.  ein- od. 
beiderseitig. 
Zoarium  gegliedert.    Internodien  einzellig    .     . 


Avicularia 
fehlend  (sel- 
ten vorhan- 
den). Zellen 
1  reihig  oder 
paarig,  direkt 
von  der  vor- 
hergehenden 
entspringend.  Eucrateidae. 

Avicularia 

vorhanden. 
Zellen  paarig, 
jede  von  der 

vorletzten 
entspringend.  Notamiidae. 

Avicularia 
(wenn  vorhan- 
den) gestielt. 
Zellen  2-  bis 

vielreihig, 

einseitig.      Bicellariidae. 


Flustridae. 
Catenariidae. 


Zoarium    ungegliedert,    cylindrisch  oder  blatt- 
förmig      Onchoporidae. 


Die  Japanische  Bryozoenfaiuia.  5 

Farn.  Fa  reim  in  ariidae  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  I.  pag.  32.  Chall.  Pol.  I. 
p.  48.  —  Zoarium  ungegliedert,  aufrecht,  ästig.  Zoocien  4  viel- 
reihig,  rings  um  die  cylindrischen  oder  prismatischen  Zweige 
gestellt. 

Farn.  Cellulariidae  Johnst.  (pars).  =  Cellulariadae  Bsk.  —  Chall. 
Pol. Lp.  15.  —  Zoarium  gegliedert,  aufrecht,  dichotom.  Zooecien 
2 — vielreihig,  viele  in  einem  Internodium,  alle  nach  derselben 
Seite  gerichtet.  Avicularien  und  Vibracula,  wenn  vorhanden, 
sitzend,  seitlich  oder  vorn. 

Farn.  Carbereida  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  I.  —  Zoarium  ungegliedert,  in 
zungenförmige,  2  —  vielreihige  Zweige  geteilt.  Zooecien  alle 
nach  derselben  Seite  gerichtet.  Auf  dem  Rücken  Vibracula 
(oder  Avicularien),  auf  der  Vorderseite  Avicularien,  wenn  vor- 
handen, sitzend. 

Farn.  Eucrateidae  Hcks.  =  Eucrateidae  -  -  Gemellariadae  Bsk.  - 
Chall.  Pol.  I.  p.  2  u.  46.  -  Zoarium  ungegliedert.  Zooecien  ein- 
reihig oder  paarweise  stehend,  direkt  von  einander  entspringend, 
mit  endständiger  oder  ziemlich  endständiger,  nicht  grosser  Oeff- 
nung.  Avicularien  und  Vibracula  fehlend.  (Selten  die  ersteren 
vorhanden.) 

Farn.  Notamiidae  Hcks.  —  Br.Mar.Pol.p.98.  —  Zoarium  ungegliedert. 
Zooecien  paarig,  jedes  Paar  mittelst  röhriger  Verlängerungen 
vom  nächst  vorhergehenden  Paar  entspringend.  Bei  jeder 
Gabelung  wird  eine  neue  Zellreihe  eingeschoben.  Avicularien 
vorhanden. 

Fam.  Bicellariidae  Bsk.  —  Chall.  Pol.  Lp.  31.  —  Zoarium  ungegliedert, 
in  zungenförmige,  2  —  vielreihige  Zweige  geteilt,  oder  blatt- 
förmig, mit  von  einander  entfernten  Zellen.  Keine  Vibracula. 
Avicularien,  wenn  vorhanden,  gestielt.  Zooecien  nach  derselben 
Seite  gerichtet. 

Fam.  Flustridae  Sm.  —  Kr.  fort.  Sk.  H.  Br.  1867,  p.  357.  -  -  Busk, 
Chall.  Pol.  Lp.  52. —  Zoarium  ungegliedert,  blattförmig.  Zooecien 
vielreihig,  auf  einer  oder  beiden  Seiten.  Keine  Vibracula.  Avi- 
cularien, wenn  vorhanden,    sitzend. 

Fam.  Catenariidae  d'Orb.  (pars).  —  Busk,  Chall.Pol.I.p.9.  —  Zoarium 
gegliedert,  Internodien  (mit  Ausnahme  der  Gabelungsstellen), 
von  einem  einzigen  Zooecium  gebildet. 

Fam.  Onchoporidae  Bsk.  —  Chall.Pol.Lp.102. —  Zoarium  ungegliedert, 
verzweigt,  cylindrisch  oder  blattförmig.  Zooecien  krugförmig. 
Vorderwand  ohne  Oeffnung.  Mündung  halbkreisförmig  mit 
gerader  Unterlippe.  Auf  der  Vorderseite  mit  oder  ohne  halb- 
mondförmiae  Pore. 


Uebersicht  der  Familien  der  Membraniporina. 

Fam.  Membraniporidae  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  61.  —  Zooecien  vorn 
vertieft,  mit  erhabenem  Rande.  Die  Vertiefung  von  einer 
chitinösen  Membran  ausgefüllt,  unter  der  teilweis  eine  ver- 
kalkte Lamelle  sein  kann. 


6  Dr   A.  Ortmann: 

Farn.  Microporidae  Sm.  (pars).  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  70.  —  Ver- 
tiefung der  Zooecien  auf  der  Vorderseite  mit  chitinöser  Membran. 
Unter  dieser  eine  kalkige  Lamelle,  die  meist  durchbohrt  oder 
an  den  Seiten  gespalten  ist.  Bisweilen  bildet  sie  ein  queres 
Diaphragma,  das  die  Höhlung  des  Zooecium  in  zwei  Fächer  teilt. 

Farn.  Electrinidae  d'Orb.  —  Pal.  Fr.  —  Bsk.  Chall.  Pol.  I.  p.  77.  — 
Zooecien  etwa  kreiseiförmig.  Wand  punktiert.  Eine  grosse, 
mit  chitinöser  Membran  ausgefüllte  Oeffnung.  Rand  mit  chi- 
tinösen  Dornen.  Ein  oder  mehrere  grössere  solcher  Dornen 
vorn  unter  der  Oeffnung  oder  ein  Avicularien-  tragender  Fort- 
satz daselbst. 


Uebersieht  der  Familien  der  Eseharina. 

A.  Zoarium  festgewachsen,  nicht  regelmässig  kreisförmig. 

I.  Zooecien  concav,  Oberfläche  daher  gefeldert Cellariidae. 

II.  Zooecien  gewölbt. 

a)  Zooecien  langröhrig,  Mündung  rundlich,  einfach      .     .     Cyclicoporidae. 

b)  Zooecien  nicht  langröhrig,  ungefähr  eiförmig. 

1.  Zooecien  horizontal  neben  einander  liegend. 

Zooecien 

zweizeilig Bifaxariidae. 


Zooecien 
nicht 
zwei- 
zeilig. 


Zoarium 
inkrus- 
tierend 
oder  auf- 
recht, 
nicht  ge- 
gliedert. 


Zoarium 
aufrecht, 

ge- 
gliedert   Tubucellariidae. 


Zoarium 

aufrecht, 

ver- 
zweigt, 
netz- 
förmig 

oder  ge- 

fenstert, 

Zooecien 

auf  einer 
Seite Reteporidae. 


Zoarium 
inkrus- 
tierend 

oder 
aufrecht 
und  die 
Zooecien 
beider- 
seitig od. 
allseitig. 


Ooecien 
über  den 

Zellen 

als 

kugelige 

Körper. 


Vorder- 
wand mit 
durch- 
bohrten 
Furchen  . 
Vorder- 
wand mit 
medianer 
Pore 


Vorder- 
wand ganz 


.     .     .     Cribrilinidae. 
Mündung 
halbkreis- 
förmig Microporellidae. 
Mündung 
röhrig 
vor- 
gezogen ?  Porinidae. 


Escharidae. 


Ooecien 
ähnlich 
den  übri- 
gen Zellen  ......     Adeonidae. 

2.  Zooecien  aufrecht  neben  einander Celleporidae. 

B.  Zoarium  frei,  ziemlich  regelmässig  kreisförmig Selenariidae. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  7 

Farn.  Cellariidae  Hcks.  =  Salicornariadae  Bsk.  —  Chall  Pol.  I.  p.  83. 
—  Zoarium  aufrecht,  gegliedert  oder  nicht  gegliedert,  cylindrisch. 
Zooecien  rings  um  die  Zweige  gestellt.  Oberfläche  gefeldert, 
jedes  Feld  von  einem  der  völlig  eingesenkten  Zooecien  gebildet. 
Vorderseite  meist  concav.  Mündung  halbmondförmig  oder  halb- 
kreisförmig.    Avicularien  gewöhnlich  vorhanden. 

Fam.  Cyclicoporidae  Hcks.  —  Ann.  Mag.  (5)  XIV.  p.  279.  —  Zoarium 
inkrustierend  oder  aufrecht  und  gegliedert.  Zooecien  im  letzteren 
Fall  rings  um  die  Zweige  gestellt,  lang  röhrenförmig,  ohne  er- 
habene Ränder.  Mündung  einfach,  mehr  oder  minder  kreis- 
förmig.    Avicularien   vorhanden  oder  fehlend. 

Fam.  Bifaxariidae  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  79.  —  Zoarium  aufrecht, 
gegliedert  oder  ungegliedert,  verzweigt.  Zooecien  abwechselnd, 
Rücken  gegen  Rücken  stehend,  nach  zwei  entgegengesetzten 
Seiten  gerichtet. 

Fam.  Tubucellariidae  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.98.  —  Zoarium  aufrecht, 
gegliedert.  Zooecien  rings  um  die  Zweige  gestellt,  birnförmig. 
Peristom  erhaben,  röhrig.  Oberfläche  netzig  punktiert  oder  ein- 
fach punktiert,  mit  oder  ohne  Pore  auf  der  Vorderseite.  Avi- 
cularien fehlend. 

Fam.  Reteporidae  Sm.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  104.  — Zoarium  auf- 
recht, ästig  in  einer  Ebene  verzweigt,  netzförmig  od.  gefenstert. 
Zooecien  nur  auf  einer  Seite. 

Fam.  Cribrilinidae  Hcks.  -  -  Br.  Mar.  Pol.  p.  182.  -  -  Busk,  Chall. 
Pol.  I.  p.  130.  —  Zoarium  aufrecht  oder  inkrustierend.  Zooecien 
auf  der  Vorderseite  mit  queren  oder  radialen  Spalten  oder 
Punktreihen. 

Fam.  Microporellidae  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  204.  —  Busk,  Chall. 
Pol.  I.  p.  134.  —  Zoarium  aufrecht  oder  inkrustierend.  Zooecien 
auf  der  Vorderseite  mit  einer  medianen  Pore  unter  der  Mündung. 
Mündung  halbkreisförmig  oder  hufeisenförmig,  mit  geradem 
unteren  Rande. 

?Fam.  Porinidae  d'Orb.  (pars).  —  Hcks.  Br.  Mar.  Pol.  p.  232.*)  — 
Zoarium  aufrecht  oder  inkrustierend.  Zooecien  mit  einer  (bis- 
weilen fehlender)  medianer  Pore  auf  der  Vorderseite.  Mün- 
dung röhrenförmig  vorgezogen. 

Fam.  Escharidae  Johnst.  (pars).  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  138.  — 
Zoarium  aufrecht  od.inkrustierend.  Vorderwand  der  Zooecien  ganz. 
Unterfamilie:  Holost  ornata  Bsk.    Unterlippe  der  primären  Mün- 
dung ganz. 
Unterfamilie:  Schizostomata  Bsk.    Unterlippe  der  primären  Mün- 
dung mit  einem  Sinus. 


*)  Die  typischen  Vertreter  dieser  Familie  werden  von  Busk  anderweitig 
untergebracht  (teils  bei  den  Tubucellariiden,  teils  bei  den  Eschariden).  Ich  führe 
die  Familie  hier  nur  mit  Zweifel  an,  da  ich  selbst  keine  Vertreter  derselben 
kennen  gelernt  habe. 


8  Dr.  A.  Ortmann: 

Farn.  Adeonidae  =  Adeoneae  Bsk.  -  -  Chall.  Pol.  I.  p.  177. — Zoarium 
meist  aufreclit,  entweder  von  einem  eigentümlichen,  biegsamen, 
chitinös-  kalkigen  Stiel  getragen  oder  direkt  aufgewachsen. 
Zooecien  vorn  mit  medianer  Pore  od.  poröser  Vertiefung.  Ooecien 
ähnlich  den  übrigen  Zellen,  keine  besonderen  kugeligen  Körper. 

Farn.  Celleporidae  Johnst.  — Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  190.  —  Zoarium 
vielgestaltig.  Zooecien  mehr  oder  minder  vertikal  neben  und 
über  einander  stehend.  Meist  ein  praeoraler  Vorsprung,  der 
gewöhnlich  ein  Avicularium  trägt. 

Farn.  Selenariidae  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  II.  p.  97.  —  Zoarium  mehr 
oder  minder  regelmässig  kreisförmig,  convex  oben,  concav  oder 
flach  unten,  wenigstens  im  Alter  frei.     Zooecien  eingesenkt. 


Uebersicht  der  Gattungen. 
Farn.  Aeteidae 

Aetea  Lamx.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  2.  —  Oeffnung  auf  einer 
Seite  der  röhrigen  Zellen  an  der  Spitze.     Mündung  halbkreis- 
förmig, fast  endständig. 
Farn.  Chlidoniidae 

Chlidonia  Sav.  —  Bsk.  Chall.  Pol.  I.  p.  8.  —  Zooecien  birnförmig, 
unterwärts  verschmälert.     Oeffnung  vorragend,   halbreisförmig. 
Höhlung  der  Zellen  in  zwei  Kammern  geteilt,  nur  die  hintere 
mit  der  Mündung  zusammenhängend. 
Farn.  Farciminariidae 

Farciminaria  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  48.  —  Zooecien  länglich, 
mit  meist  völlig  membranöser  Vorderseite,  letztere  flach  od.  ver- 
tieft, mit  erhabenem  Rande.   Avicularien  vorhanden  od.  fehlend. 

Nellia  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  18.  —  Scheint  hierher  zu  ge- 
hören.   Zooecien  meist  vierreihig.    Vorderseite  flach  od.  convex, 
mit  erhabenem   Rande.     Keine  Avicularien  u.  Ooecien.     Zoa- 
rium gegliedert. 
Farn.  Ceüulariidae 

Cellularia  Pall.  (pars.).  -  -  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  19.  —  Zooe- 
cien 2 — 3  reihig,  länglich  od.  rhombisch,  auf  der  Hinterseite 
durchbohrt.  Avicularien  u.  Vibracula  fehlend  od.  die  ersteren 
an  der  oberen  äusseren  Ecke. 

Menipea  Lamx.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  19.  —  Zooecien  länglich, 
meist  unten  verschmälert.  Ein  sitzendes  seitliches  Avicularium 
(oft  reduziert)  und  häufig  ein  oder  mehr  sitzende  Avicularien 
vorn  unter  der  Oeffnung  od.  in  einer  besonderen  Reihe  zwischen 
den  Zellreihen.     Vibracula  fehlend. 

Scrupocellaria  v.  Ben.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  23.  —  Zooecien 
2  reihig,  rhombisch,  mit  einem  Sinus  hinten.  Ein  sitzendes 
Avicularium  an  der  oberen  äusseren  Ecke  u.  ein  Vibraculum 
in  dem  dorsalen  Sinus.  Oeffnung  oval  oder  rundlich,  mit 
Randdornen. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  9 

Canda  Lamx.  —  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  26.  —  Zooecien  2  reihig, 
rhombisch,  mit  Sinus  an  der  Aussenseite  für  ein  Vibraculum. 
An  der  oberen  äusseren  Ecke  kein  Avicularium. 

Emma  Gr.  —  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  27.  —  Zooecien  paarig  od. 
3  fach.    Oeffnung  mehr  od.  minder  schief,  etwa  dreieckig,  teil- 
weis von  einer  granulierten  Lamelle  ausgefüllt.    Ein  (bisweilen 
fehlendes)  Avicularium  an  der  Aussenseite  unter  der  Oeffnung. 
Farn.  Carbereidae 

Carberea  Lamx.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  27.  —  Zoarium  mehr  od. 
minder  regelmässig  dichotom  geteilt.  Zooecien  2  — vielreihig. 
Vorderseite  mit  weiter  Oeffnung.  Meist  mit  Randdornen.  Ein 
Avicularium  an  der  äusseren  oberen  Ecke  von  jedem  randlichen 
Zooecium,  ausserdem  häufig  noch  verschieden  gestellte  Avicu- 
larien  auf  der  Vorderseite.  Zweige  auf  dem  Rücken  mit  einer 
Doppelreihe  schräg  gestellter  Vibracula,  zu  deren  jedem  eine 
Wurzelröhre  führt,  so  dass  die  Rückseite  der  älteren  und 
unteren  Zweigstücke  meist  völlig  von  solchen  Wurzelröhren 
bedeckt  ist. 

Amastigia  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  40.  —  Wie  Carberea,  doch 
die  Vibracula  durch  Avicularien  ersetzt. 
Farn.  Eucrateidae 

Eucratea  Lamx.  —  Hcks.  Br.  Mar.  Pol.  p.  ll  =  Scruparia  Bsk. 
Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  28.  —  Zoarium  kriechend  od.  aufrecht.  Zooecien 
eins  vom  andern  entspringend  und  einfache  Reihen  bildend. 
Zweige  von  der  Vorderseite  unter  der  Oeffnung  abgehend. 
Oeffnung  gross,  schräg,  Seiten-  oder  fast  endständig.  Mündung 
an  der  Spitze.    Avicularien  u.  Vibracula  fehlend. 

Scruparia  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  21.  —  Zoarium  aufrecht. 
Zweige  vom  Rücken  der  Zellen  abgehend  u.  nach  der  entgegen- 
gesetzten Seite  schauend.  Zooecien  von  einander  entspringend, 
einfache  Reihen  bildend  od.  Rücken  an  Rücken  gestellt.  Oeffnung 
klein,  schief,  endständig.  Fertile  Zellen  unvollkommen  ent- 
wickelt, auf  dem  Rücken  der  anderen.  Avicularien  u.  Vibracula 
fehlend. 

'PHuxleya  Dyst.  —  Hcks.  Br.  Mar.  Pol.  p.  26.  —  Zoarium  dicho- 
tom verzweigt,  Zweige  von  der  Spitze  oder  der  Seite  der  Zellen 
abgehend.  Zooecien  nach  derselben  Seite  gerichtet,  oval,  ein- 
reihig. Mündung  klein,  subterminal.  —  Scheint  nach  der  Ge- 
stalt der  Mündung  nicht  hierher  zu  gehören. 

Brettia  Dyst.  —  Hcks.  Br.  Mar.  Pol.  p.  27.  -  Zoarium  aufrecht, 
verzweigt.  Zweige  etwas  seitlich  von  der  Spitze  der  Zellen  ab- 
gehend. Zooecien  alle  nach  derselben  Seite  gerichtet,  einreihig, 
verlängert.     Oeffnung  endständig,  gross.  .  Rand  mit  Dornen. 

Gemellaria  Sav. —  Busk,  Cat.Br.Mus.I.  —  Zooecien  paarig,  Rücken 
an  Rücken  stehend.  Alle  Paare  gleichgerichtet.  Oeffnung  oval, 
etwas  schräg.  An  einer  Gabelung  giebt  jede  Zelle  des  primären 
Paares  eine  der  sekundären  ab. 


10  Dr.  A.  Ortmann: 

Didymia  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  I  p.  35.  —  Zooecien  paarig,  Seite 
an  Seite,  nach  derselben  Seite  gerichtet.  Oeffnung  gross.  An 
einer  Gabelung  giebt  jede  primäre  Zelle  ein  sekundäres  Paar  ab. 

Dimetopia  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  35.  —  Zooecien  paarig, 
Rücken  an  Rücken.  Oeffnung  schief.  Jedes  Paar  kreuzweis 
zu  dem  vorhergenden  gestellt.  An  einer  Gabelung  giebt  jede 
Zelle  ein  sekundäres  Paar  ab. 

?  Pasy  thea  Lamx.  —  Bsk.  Chall.  Pol.  I.  p.  4.  =  Epicaulidium  Hks. 
Ann.  Mag.  (5)  VII.  p.  156.  —  Zoarium  aufrecht,  mit  centralem 
aus  keulenförmigen  Segmenten  od.  Paaren  von  Zellen  gebildetem 
Stiel.  Vom  Stiel  gehen  seitlich  gegenständige  Zweige  ab.  Zellen 
mit  halbkreisförmiger  Mündung.  —  Gehört  vielleicht  nicht 
hierher. 

VDiploecium  Kirkpatrick.  —  Ann.  Mag.  (6)  I.  p.  73.  —  Zoarium 
dichotom.  Zooecien  paarig,  Rücken  an  Rücken,  kreuzweis  ge- 
stellt.    Mündung  rundlich,   mit  Sinus.  —  Stellung  zweifelhaft. 

?Rhabdozoum  Hcks.  —  Ann.  Mag.  (5)  X.  p.  160.  —  Zoarium 
aufrecht,  aus  einer  Anzahl  cylindrischer  Stiele  gebildet,  an 
deren  Spitze  sich  Büschel  von  zellentragenden  Zweigen  befinden. 
Zooecien  birnförmig,  in  linearen  Reihen  rings  um  die  Zweige. 
Oeffnung  mittelmässig,  schief.  Avicularien  vorhanden,  nicht  ge- 
stielt. —  Stellung  zweifelhaft. 
Farn.   Notamiidae 

Notamia  Flem.  —  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  36.  —  Ueber  jedem 
Zellenpaar  ein  Paar  Avicularien:  von  der  röhrigen  Verlängerung 
einer  der  unmittelbar  darüberliegenden  Zellen  jederseits  eins 
entspringend. 

Synnoturn  Hcks.  —  Ann.  Mag.  (5)  XVII.  p.  255.  —  Jederseits 
ein  sitzendes  Avicularium  u.  ein  gestieltes  zwischen  den  Zellen 
oben  an  jedem  Paar. 
Farn.  Bicellariidae 

Bicellaria  Blvl.  —  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  41.  —  Zoarium  auf- 
recht, Zooecien  2  reihig  mehr  od.  weniger  enfernt  von  einander, 
kreiseiförmig.  Oeffnung  gross,  mehr  od.  weniger  aufwärts  ge- 
richtet. Avicularien  fehlend  od.  vorhanden,  gestielt,  auf  der 
Vorder-  od.  Rückenseite  der  Zooecien. 

Hierher  rechnet  Busk.  (Chall.  Pol.  I.  p.  32)  auch  Stirparia 
Gldst.  —  Hcks.  Ann.  Mag.  (5)  XI  p.  195. 

Bugula  Ok.  —  Busk,  Chall. Pol.  Lp. 36. —  Zoarium  aufrecht,  dicho- 
tom verzweigt.  Zooecien  2 — vielreihig,  in  fortlaufenden  Reihen, 
dicht  an  einander  liegend,  jedes  vom  Rücken  des  darunter- 
liegenden entspringend.  Oeffnung  sehr  gross.  Avicularien  fehlend 
od.  auf  der  Vorderreihe  der  Zooecien,  länger  od.  kürzer  gestielt. 

Kinetoskias  Kor.  et  Dan.  —  Bsk.  Chall.  Pol.  I.  p.  43.  —  Zoarium 
aus  gegabelten  Zweigen  bestehend,  die  von  einem  gemeinsamen 
Punkt   ausstrahlen  und  einen  weiten  Becher  bilden.     Unterer 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  11 

Teil  der  Zweige  durch  eine  dünne  Membran  vereinigt,  das 
Ganze  von  einem  Stiel  getragen.  Zooecien  wie  bei  Bugula. 
Avicularien  randständig,  kurz  gestielt. 

Corynoporella  Hcks.  —  Ann.  Mag.  (6)  I.  p.  214.  —  Zoarium 
aufrecht,  dichotom.  Zooecien  einreihig,  nach  einer  Seite  ge- 
richtet, unten  röhrig  verlängert.  Oeffnung  verhältnismässig 
klein.     Avicularien  gestielt,  zur  Seite  der  Oeffnung. 

Diachoseris  Bsk.  -  Cat.  Br.Mus.I.p.53.  —  Chall.  Pol.  I.  p.59.- 
Zoarium  blattförmig,  niederliegend,  locker  angeheftet.     Zooecien 
getrennt  von  einander,   durch  (meist)    6  röhrige  Fortsätze  ver- 
bunden.    Oeffnung  sehr  gross.     Avicularien  wie  bei  Bugula. 

Ichthyaria  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  46.  —  Zoarium  aufrecht, 
verzweigt.  Zooecien  2  reihig,  locker  verbunden,  bauchig.  Vorder- 
seite ohne  Oeffnung. 

Beania  Johnst.  —  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  Lp.  31.  —  Hcks.  Br.  Mar. 
Pol.  p.  95.  —  Zoarium  kriechend.  Zooecien  aufrecht,  zerstreut, 
mit  einander  durch  unregelmässige,  kriechende  Röhren  ver- 
bunden. Oeffnung  die  ganze  Vorderseite  einnehmend.  Rand  mit 
Dornen,  die  sich  über  die  Oeffnung  neigen.  Avicularien  fehlend. 
Hierher  wird  auch  Stolonella  Hcks.  —  Ann.  Mag.  (5)  XI. 
p.  197.  —  gehören. 

Fctui    i*  l IL  stv  Z  clct  € 

Flustra  L.  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  47.  —  Chall.  Pol.  1.  p.  53. 
—  Zooecien  auf  beiden  Seiten  des  blattförmigen  Zoariums. 

Carbasea  Gr.  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  50.  —  Chall.  Pol.  I. 
p.55.  —  Zooecien  nur  auf  einer  Seite  des  blattförmigen  Zoariums. 
Farn.  Catenariidae 

Catenicella  Blvl.  —  Busk,  Chall.  Pol. Lp.  10. —  Zooecien  vom  oberen 
und  hinteren  Ende  von  einander  entspringend,  alle  nach  der- 
selben Seite  gerichtet  und  ein  dichotom  verzweigtes,  aufrechtes 
Zoarium  bildend.  Zooecien  an  jeder  Gabelung  doppelt.  Jedes 
mit  zwei  seitlichen  Fortsätzen  (Avicularien).  Ooecien  entweder 
kugelig  u.  endständig  od.  eingesenkt  und  auf  der  Vorderseite. 

Catenaria  Sav  =  Alysidium  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  13.  — 
Chall.  Pol.  I.  p.  14.  —  Zooecien  an  jeder  Gabelung  einfach. 
Avicularien  vorhanden  oder  fehlend.  Mündung  rundlich  oder 
halbkreisförmig. 

Calpidium  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  14.  --  Zooecien  an  jeder 
Gabelung  einfach,  mit  zwei  od.  mehr  (meist  drei)  getrennten 
Mündungen.     Avicularien  an  jeder  Seite  eins. 

Farn.  Onchoporidae 

Onchopora  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  103.  -  Zoarium  dichotom 
verzweigt,  cylindrisch,  4  reihig.  Mit  Pore  auf  der  Vorderwand 
der  Zellen.  —  Hierher:  0.  sinclairii  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  103. 

Onchoporella  Bsk.  —  ibid.  —  Zoarium  blättrig  od.  zungenförmig, 
einschichtig.     Mit  Pore.  —  Hierher:  0.  bombycina  Bsk.  sp.  — 


12  Dr.  A.  Ort  mann: 

Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  52.  pl.  48  fig.  4—7.  —  0.  ligulata  Bsk.  sp.  — 
Qu.  Journ.  Micr.  Sc.  Zoophytol.  VIII.  p.  281.  pl.  XXXI.  fig.  2 
(nicht  Scruparia  diaphana  Bsk.  —  ibid.  pl.  XXXI  fig.  1).  — 
0.  selenoides  n.  sp. 
Onchoporoides  n.  gen.  Zoarium  blattförmig.  Ohne  Pore.  — 
Hierher:  0.  moseleyi  Bsk.  sp.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  56.  pl. 
XXXIII.  fig.  4. 

Hierher  vielleicht  auch  Euthyris  Hcks.  —  Ann.  Mag  (5)  X. 
p.  164.         Zoarium  blattförmig.    Zooecien  ohne  Pore,  mit  rund- 
licher Mündung. 
Fam.  Mem bra n ip o r id. a e 

Membranipora  Blvl.  —  Busk,  Chall.  Poll.  I.  p.  62.  —  Zoarium  in- 
krustierend, mehr  od.  minder  kalkig.  Zooecien  dicht  an  ein- 
anderliegend,  quincuncial  oder  in  Reihen  oder  unregelmässig 
gestellt.  Unter  der  chitinösen  Membran  der  Vorderseite  keine 
verkalkte  Lamelle. 

Amphibiestrum  Gr.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  65.  —  Eine  teilweise 
kalkige  Lamelle  unter  der  chitinösen  Membran,  sonst  wie  Mem- 
branipora.    Zoarium  bisweilen  auch  aufrecht. 

Hierher  ist  auch  Megapora  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  171  — 
u.  Biflustra  d'Orb.  bei  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.67.  —  zu  rechnen. 

Tremopora  nov.  gen.  Zoarium  inkrustierend,  mehr  od.  minder 
kalkig.  Zooecien  getrennt  von  einander,  durch  (meist)  6  kurze 
Fortsätze  verbunden.  Vorderseite  oval,  mit  erhabenem  Rande, 
der  eine  chitinöse  Membran  umfasst.  Unter  der  letzteren  im 
unteren  Teile  eine  schmale  oder  breitere  kalkige  Lamelle. 

Siphonoporella  Hcks.  —  Ann.  Mag.  (5).  VI.  p.  90.  —  Oeffnung 
unterwärts  mit  kalkiger  Lamelle.  Eine  kleine  kalkige  Röhre 
mit  weiter  Oeffnung  auf  einer  Seite  der  letzteren,  die  sich  ins 
innere  der  Zelle  öffnet.     Sonst  wie  Amphibiestrum. 

Foveolaria  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  68.  -  -  Zoarium  aufrecht, 
verzweigt,  cylindrisch  od.  blättrig.  Vorderseite  der  Zooecien 
mit  dicht  granuliertem  Rand,  tief  eingesenkt  in  eine  Grube, 
die  durch  die  starke  Entwickelung  des  „Ectocyst"  gebildet 
wird.  Ein  sitzendes  Avicularium  unmittelbar  unter  dem  Unter- 
rande der  Grube. 
Fam.  Mi croporidae 

Steganoporella  Sm.*)  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  74.  —  Zoarium 
vielgestaltig.  Vorderseite  der  Zooecien  mit  chitinöser  Membran, 
darunter  unterwärts  eine  kalkige  Lamelle,  die  ungefähr  in  der 
Mitte  der  Zelle  eine  quere  Scheidewand  bildet,  die  die  Zelle  in 
zwei  Kammern  teilt,  die  mit  einander  durch  ein  röhriges  Gebilde 
communicieren.    Die  obere  Kammer  bildet  das  Ooecium.   Deckel 


*)  Ueber  eine  ev.  Abtrennung  der  Steganoporelliden  von  den  Micro- 
poriden,  u.  die  dahin  gehörigen  Gattungen  (Smittipora,  Steganoporella  u.  Thala- 
moporella)  vgl.  Hincks:  Crit.  Not.  —  Ann.  Mag.  (5)  XIX.  p.  162  ff. 


Die  Japanische  Bryozoeufauna.  13 

sehr  gross,  halbkreisförmig,  von  einem  chitinösen  Balkengerüst 
gestützt.  Zellen  von  zweierlei  Grösse  und  Gestalt:  bei  den 
grösseren  ist  die  Ooecial-Kammer  stärker  entwickelt. 

Micropora  Gr.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.70.  —  Zoarium  aufrecht, 
baumförmig  oder  inkrustierend.  Zooecien  mit  einer  inneren 
kalkigen  Lamelle,  die  die  ganze  Vorderseite  einnimmt,  mit 
Ausnahme  einer  Durchbohrung  an  jeder  oberen  Ecke  unter 
der  Mündung.  Letztere  mit  ununterbrochenem,  ringförmigem 
Rande. 

Caleschara  MacG.  —  Bsk.  Chall.  Pol.  I.  p.  7G.  —  Zoarium  viel- 
gestaltig. Zooecien  birnförmig.  Vorderseite  mit  ovaler  Oeffnung, 
mit  kalkiger  Lamelle,  die  am  unteren  Ende  und  jederseits  in 
der  Nähe  des  oberen  mit  dem  Rande  vereinigt  ist,  an  den 
Seiten  jedoch  einen  länglichen  Spalt  lässt. 

Vincularia  Defr.  em.  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  71.  —  Zoarium 
aufrecht,  einfach  oder  verzweigt,  cylindrisch  oder  prismatisch. 
Oeffnung  rechteckig,  oben  gerundet,  mit  chitinöser  Membran 
ausgefüllt.  Darunter  in  den  unteren  2/3  der  Zelle  eine  kalkige 
Lamelle,  von  deren  oberem  freien  Ende  ein  medianer  Fortsatz 
ausgeht,  der  sich  mit  einer  von  zwei  seitlichen  Fortsätzen  in 
der  Höhe  des  unteren  Randes  der  Mündung  gebildeten  Brücke 
vereinigt.  —  Diese  Gattung  bedarf  noch  einer  genaueren  Prüfung. 

Smittipora  Juli.  —  Hincks,  Ann.  Mag.  (5)  VII.  p.  155.  IX.  p.  122. 
XIII.  p.  358.  —  Zoarium  inkrustierend  od.  baumförmig.  Vorder- 
seite der  Zooecien  polygonal  mit  chitinöser  Membran,  darunter 
eine  kalkige  Lamelle,  die  fast  das  ganze  vordere  Feld  einnimmt, 
mit  Ausnahme  der  Mündung  u.  einer  kleinen  Zone  unter  der- 
selben. Zellen  in  zwei  Kammern  geteilt,  die  durch  eine  ein- 
fache Oeffnung  kommunicieren  (?).  Vibracula  zerstreut  zwischen 
den  Zellen,  gross. 

Setosella  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  180.  —  Zoarium  inkrustierend. 
Vorderseite  flach,  fast  ganz  von  einer  kalkigen  Lamelle  ein- 
genommen, nur  seitlich  je  eine  schmale  schwachgebogene  Spalte. 
Mündung  halbkreisförmig.  Vibracula  zerstreut  zwischen  den 
Zellen,  kleiner. 
Farn.  EUctrinidae 

Electra  Lamx.  —  Bsk.  Chall.  Pol.  I.  p.  78.  —  Einzige  Gattung. 
Farn.  Cellariidae 

Cellaria  Lamx.  1812  (pars)  =  Salicornaria  Cuv.  1817.  —  Busk, 
Chall.  Pol.  I.  p.  85.  Zoarium  aufrecht,  einfach  od.  (meist)  ver- 
zweigt u.  gegliedert.  Zweige  cylindrisch.  Zooecien  rings  um 
die  Zweige  gestellt.     Avicularien  meist  vorhanden. 

?Farcimia  Pourt.  —  Sm.  Flor.  Br.  II.  p.  2.  —  Hcks.  Ann.  Mag. 
(5)  XL  p.  199. — Zoarium  aufrecht,  gegliedert.  Zweige  cylindrisch. 
Zooecien  rings  um  die  Zweige,  mit  erhabenen  Rändern  u.  ver- 
tiefter Vorderseite.  Letztere  mehr  od.  weniger  von  einer 
Membran  bedeckt.  —  Eine  zweifelhafte  Gattung. 


14  Di'-  A.  Ortinann: 

Melicerta  M.  E.   -  -  Bsk.  Chall.  Pol.  I.  p.  95.   —  Zoarium    zu- 
sammengedrückt, gelappt,  zungenförmig  od.  blättrig,  gegliedert 
od.  ungegliedert.     Zooecien  beiderseitig,  sonst  wie  Cellaria. 
Fam.    Cyclicoporidae 

Cyclicopora  Hcks.  —  Ann.  Mag.  (5)  XIV.  p.  279.  —  Zoarium 
inkrustierend.  Zooecien  mit  völlig  einfacher,  rundlicher  Mündung 
Avicularien  fehlend. 

Cyclostomella  nov.  gen.  Zoarium  dichotom  verzweigt,  gegliedert, 
Zooecien  rings  um  die  cylindrischen  Zweige,  langröhrig.  Mündung 
rundlich,  mit  einfachem  Rande.     Avicularien  vorhanden. 

Fam.  Bifaxariidae 

Bifaxaria  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  79.  —  Zoarium  gegliedert 
od.  ungegliedert,  verzweigt.  Avicularien  klein,  jederseits  von 
der  Mündung  od.  bisweilen  fehlend  od.  durch  einen  Fortsatz 
ersetzt.  Mündung  elliptisch,  halbkreisförmig  od.  rundlich.  Ein 
erhabener  Kiel  in  der  Mitte  der  Vorderseite. 
Calymmophora  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  82.  — Zoarium  unge- 
gliedert, verzweigt.  Avicularien  fehlend.  Mündung  rundlich, 
mit  einem  Sinus  in  der  Unterlippe.  Ein  dünner  medianer  u. 
zwei  seitliche  Kiele.  An  den  Seiten  der  Zelle  eine  Reihe  Poren 
u.  jederseits  der  Mündung  einige  Poren. 

Fam.    Tubucellariidae 

Tubucellaria  d'Orb.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.85  — Zoarium  ge- 
gliedert, von  cylindrischen,  meist  4  reihigen  Internodien  gebildet. 
Zweige  dichotom  oder  unregelmässig  entspringend.  Zooecien 
birnförmig,  in  ein  röhriges  Peristom  vorgezogen,  deutlich  od. 
undeutlich  begrenzt.  Eine  einfache,  mediane  Pore  auf  der 
Vorderseite  vorhanden  od.  fehlend. 
Siphonocytara  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  101.  —  Zoarium  unge- 
gliedert, cylindrisch  od.  4  kantig.  Mediane  Pore  unter  der 
Mitte  der  Vorderseite.  Eine  rundliche  Mündung  in  der  Nähe 
der  Spitze  auf  der  Hinterseite  der  seitlichen  Zooecien.  Zooecien 
vorn  abgeflacht,  Peristom  röhrig.  —  Bau  unklar. 

Fam.  Retep  oridae 

Retepora  Imp.  —  Busk,  Chall.  Pol.I.p.  105.  —  Zoarium  netzförmige 
od.  gefensterte  Blätter  bildend,  aufrecht.  Zooecien  nur  auf  einer 
Seite,  meist  tief  eingesenkt.  Primäre  Mündung  rundlich.  Peristom 
erhaben  u.  vielgestaltig,  gezähnt,  ganz  od.  ausgebuchtet.  Meist 
zahlreiche  Avicularien. 

Reteporella  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.p.126.  —  Zoarium  in  einer  Ebene 
verzweigt,  Zweige  frei.     Sonst  wie  Retepora. 

Turritigera  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  129.  —  Zoarium  ästig,  von 
einer  basalen  Ausbreitung  entspringend.  Zooecien  auf  einer 
Seite,  bauchig,  mit  etwas  röhrigem  Peristom  u.  verschiedenen 
kegel-  oder  säulenförmigen,  Avicularien  tragenden  Fortsätzen 
auf  demselben. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  15 

Farn.  Cribrilinidae 

Cribrilina  Gr.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  131.  —Vorderseite  der 
Zellen  gespalten  oder  einfach  in  regelmässigen  oder  unregel- 
mässigen Querreihen  punktiert. 

Membraniporella  Sm.  (pars)  —  Flor.  Br.  IL  p.  10.  —  Hcks.  Br. 
Mar.  Pol.  p.  199.  —  Zooecien  auf  der  Vorderseite  von  einer 
Anzahl  flacher,  kalkiger  Pappen  geschlossen,  nicht  punktiert. 

Farn.  Microporellidae*) 

Flustramorpha  Gr.    —   Bsk.  Chall.  Pol.  I.  p.  135.   —  Zoarium 
aufrecht,  blättrig.     Zooecien  beiderseitig.     Mündung  halbkreis- 
förmig.    Ein  seitliches  Avicularium. 
Microporella  Hcks.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  136.  —Zoarium  in- 
krustierend.    Mündung  halbkreisförmig,  mit  ziemlich  gradem 
unterem  Rande.    Meist  ein  seitliches  Avicularium  od.  Vibraculum. 
Diporula  Hcks.  —  Br.Mar.Pol.  -  Zoarium  inkrustierend.  Mündung 
oben  gebogen  und  breit,  unterwärts  zusammengezogen  und  durch 
zwei  seitliche  Vorsprünge  eingeengt  (hufeisenförmig).   Unterrand 
gerade.     Avicularien  vorhanden. 
?  Farn.  Porin i d a e 

?  Porina  d'Orb.  —  Hcks.  Br.  Mar.  Pol.  p.  227.  —  Zooecien  ober- 
wärts  röhrig,  mit  endständiger  runder  Mündung.     Eine  mediane 
Pore  vorn.     Zoarium  inkrustierend  oder  aufrecht  u.  ästig.  — 
Die  typische  Art  der  Gattung  wird  von  Busk  zu  den  Escha- 
riden (Tessaradoma)  gestellt. 
?  Anarthropora   Sm.   (pars)   —   Hcks.  Br.  Mar.  Pol.  p:  232.  - 
Zooecien  am  oberen  Ende  wenig  vorragend.  Mündung  endständig, 
halbkreisförmig.      Ein  Avicularium  vorn  unter   der  Mündung. 
Pore  fehlend.     Zoarium  (meist)  inkrustierend. 
?Lagenipora  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  235.  —  Zooecien  in  eine 
gemeinsame  kalkige  Kruste  eingesenkt,  niederliegend.  Mündungs- 
ende frei,  röhrig,  mit  endständiger  runder  Mündung. 
VCelleporella  Gr.    ■  -  Hcks.  Br.  Mar.  Pol.  p.  413.  —  Zooecien 
etwas  aufrecht,  oberes  Ende  frei  und  röhrig,  mit  endständiger 
runder  Oeffnung.    Keine  Pore.    Zoarium  (meist)  inkrustierend. 
Farn.  Escharid ae 
Unterfamilie:  Holostomata 

Lepralia  Johnst.  —  Busk,  Chall. Pol. Lp.  142.  —  Nur  mit  primärer 
Mündung.  Diese  hufeisenförmig  od.  halbkreisförmig.  Unter- 
rand gerade  od.  etwas  gebogen. 

Hierher  werden  auch  Haploporella  Hcks.  —  Ann.  Mag.  (5) 
VIII.  p.  10  —  Monoporella  Hcks.  —  ibid.  IX.  p.  123  u.  XL 
p.  444  —  u.  Eschara  Pall.  em.  Bsk.  —  Chall.  Pol.  p.  141  — 
zu  rechnen  sein. 


*)  Die  Gattung  Stephanopora  Kirkpatrik.  —  Ann.  Mag.  (6)  I.  p.  75  — 
gehört  nicht  hierher:  die  Stellung  derselben  ist  zweifelhaft. 


Iß  Dr.  A.  Ortmann: 

Umbonella  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  316.  —  Unter  der  Mündung 
ein  vorragender  Nabel,  der  ein  Avicularium  trägt.  Sonst  wie 
Lepralia. 

Porella  Gr.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  149.  —  Mit  sekundärer 
Mündung.  Primärmündung  ungefähr  halbkreisförmig.  Sekundäre 
länglich,  dreieckig  od.  hufeisenförmig,  ein  meist  gerundetes 
Avicularium  einschliessend. 

Escharoides  Sm,  —  Busk,  Chall.  Pol. Lp.  149.  -  Primäre  Mündung- 
rundlich.  Sekundäre  mit  einem  Sinus  vorn.  Zu  einer  oder 
beiden  Seiten  des  Sinus,  dicht  an  demselben,  ein  Avicularium. 
(Nach  Hincks  ein  Avicularium  im  Sinus,  aber  seine  Ab- 
bildungen von  E.  rosacea  —  Br.  Mar.  Pol.  pl.  XLVII,  fig.  7.  8 
zeigen  das  Avicularium  ausserhalb  desselben  u.  ebenso  be- 
schreibt er  bei  Esch.  rosacea  u.  quincuncialis  dasselbe.) 

Smittia  Hcks.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  150.  Primäre  Mündung 
rundlich,  mit  einem  inneren  medianen  Zahn  am  Unterrande. 
Sekundäre  Mündung  mit  Sinus,  meist  ein  Avicularium  unter- 
halb derselben.  (Busk  sagt  irrtümlicher  Weise  —  Chall.  Pol.  I. 
p.  150  — :  „enclosing  a  median  avicularium"). 

Phylactella  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  256.  —  Sekundäre  Mündung 
ohne  Sinus.     Keine  Avicularien.     Sonst  wie  Smittia. 

Mucronella  Hcks.  —  Busk,  Chall. Pol.p.  155.  —  Primäre  Mündung- 
rundlich  od.  halbkreisförmig.  Sekundäre  vorn  in  eine  grössere 
od.  kleinere  Spitze  erhoben. 

Palmicellaria  Aid.  —  Hcks.  Br.  Mar.  Pol.  p.  378.  --  Sekundäre 
Mündung  vorn  in  eine  vorstehende  Spitze  ausgezogen,  die  an 
der  inneren  Seite  ein  Avicularium  trägt.    Sonst  wie  Mucronella. 

Aspidostoma  Hcks.  —  Ann.  Mag.  (5)  VII.  p.  159.  —  Bsk.  Chall. 
Pol.  I.  p.  161.  —  Zooecien  mit  rundlicher  primärer  Mündung. 
Sekundäre  Mündung  oben  mit  einem  dachförmigen,  meist  zwei- 
teiligen Vorsprung,  unten  mit  einer  breiten,  schildförmigen 
Platte  od.  Spitze.  Zoarium  aufrecht,  blattförmig,  verzweigt, 
meist  2  schichtig. 
Unterfamilie:  Schizostomata—Mjviozoida,e  Hcks. 

Schizoporella  Hcks.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  162.  —  Nur  mit  pri- 
märer Mündung.  Diese  rundlich  od.  halbkreisförmig.  Unter- 
rand mit  centralem,  weiterem  od.  engerem  Sinus.  Avicularien 
seitlich,  median  oder  fehlend.  Zoarium  meist  inkrustierend. 
Zooecien  dicht  aneinanderliegend. 

Mastigophora  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  —  Mündung  mit  seitlichen 
Vibrakeln.     Sonst  wie  Schizoporella. 

Chorizopora  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  222.  —  Busk,  Chall.  Pol.  I. 
p.148. —  Zooecien  mehr  od.  weniger  entfernt  von  einander,  durch 
ein  röhriges  Netzwerk  verbunden.  Sonst  wie  Schizoporella. 
(Hincks  stellt  die  Gattung  zu  den  Microporelliden ,  trotzdem 
er  ausdrücklich  sagt:  „the  special  pore  wanting"). 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  17 

Hippothoa  Lamx.  —  Busk,  Cliall.  Pol.  I.  p.  4.  —  Zooecien  entfernt 
von  einander,  durch  längere  od.  kürzere  Fortsätze  verbunden 
und  lineare,  kriechende  Reihen  bildend.  Zweige  von  den  Seiten 
der  Zellen  abgehend.  Sonst  wie  Schizoporella.  —  Gehört  nicht 
zu  den  Stolonaten,  wie  Busk  —  Chall.  Pol.  I.  p.  XXII.  — 
will,  da  die  die  Zellen  verbindenden  Fortsätze  kein  gesondertes 
System  von  „Stolonen"  bilden,  sondern  als  ausgezogene  untere 
•   Enden  der  Zellen  aufzufassen  sind. 

Alysidota  Bsk.  —  Qu.  Journ.  Micr.  Sc.  IV.  p.  310.  —  Zooecien 
lineare  Reihen  bildend,  von  einander  mit  breiter  Basis  ent- 
springend, Zweige  vom  oberen  Teil  der  Zellen  abgehend.  Sonst 
wie  Hippothoa. 

Gemellipora  Sm.  -  Flor.  Br.  II.  p.  37  —  Bsk.  Chall.  Pol.  I. 
p.  176.  —  Primäre  Mündung  verlängert,  birnförmig,  jederseits 
unten  mit  einer  Gelenkgrube.  Ein  medianes,  eingesenktes 
Avicularium  unter  od.  über  der  Mündung. 

Gephyrophora  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  167.  —  Primäre  Mündung- 
rundlich,  Unterrand  mit  flachem  Sinus.  Jederseits  ein  Avicu- 
larien  tragender  Fortsatz,  die  sich  beide  brückenförmig  über 
der  Mündung  vereinigen. 

Schizotheca  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  "283.  —  Primäre  Mündung 
rundlich.  Unterrand  mit  Sinus.  Sekundäre  Mündung  erhaben, 
mit  Sinus.     Ooecien  mit  einem  Spalt  auf  der  Vorderseite. 

Rhynchopora  Hcks.  —  Br.  Mar.  Pol.  p.  385.  —  Primäre  Mün- 
dung quer -elliptisch.  Unterrand  mit  Sinus.  Sekundäre  Mündung 
rundlich,  mit  einem  Vorsprung  am  Unterrand  u.  einem  Fort- 
satz unmittelbar  darunter. 

Myriozoum  Don.  —  Busk,  Chall.  Pol.I.p.168.  —  Primäre  Mündung 
mit  Sinus,  sehr  bald  durch  Verdickung  der  kalkigen  Vorder- 
seite eingesenkt.  Sekundäre  Mündung  meist  rundlich.  Avi- 
cularien,  wenn  vorhanden,  eingesenkt  u.  in  der  Nähe  der 
Mündung.  Zoarium  aufrecht,  verzweigt;  Zweige  cylindrisch, 
stumpf,  od.  das  ganze  Zoarium  eiförmig.  Zooecien  rings  um 
die  Zweige  gestellt. 

Haswellia  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  171.  —  Sekundäre  Mündung 
röhrig  vorspringend,  mit  Sinus  od.  2  spaltig,  jederseits  mit  einem 
Avicularium.    Sonst  wie  Myriozoum. 

Tessaradoma  Norm.  ■ —  Bsk.  Chall.  Pol.  I.  p.  174.  —  Sekundäre 
Mündung  röhrig  vorspringend.  In  der  Mitte  der  Vorderseite 
eine  Pore,  meist  mit  etwas  vorspringendem  Rande.  Mit  od. 
ohne  eingesenkte  Avicularien  und  Randporen.  Sonst  wie 
Myriozoum.  —  Stellung  zweifelhaft. 
Farn.  Adeonidae*) 

Adeona  Lamx.  —  Kirchen  p  au  er:   Ueber  die  Bryozoengattung 


*)  Ueber  die  Adeoneae  Bsk.  vgl.   Hincks:   Crit.  Not.   —  Ann. :  Mag.  |5) 
XIX.  p.  150. 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  I.  2 


18  Dr.  A.  Ortmann: 

Adeona.  Abb.  Naturw.  Ver.  Hamburg.  VII.  1.  1880.  —  Bsk. 
Chall.  Pol.  I.  p.  181.  —  Zoariuni  aufrecht,  blattförmig,  gefenstert 
od.  ganz,  mit  einem  biegsamen,  gegliederten  Träger. 

Adeonella  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.183.  —  Zoarium  aufrecht,  (selten 
inkrustierend)  baumartig,    verzweigt  od.   gelappt,    ohne  bieg- 
samen Träger. 
Farn.  Celleporidae 

Cellepora  Fabr.  (pars)  —  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  190.  —  Einzige 
Gattung. 

Fam.  Selenariidae 

Cupularia  Lamx.  —  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  II.  p.  97.  —  Jede  Zelle 

mit  einem  Vibraculum  an  der  Spitze. 
Lunularia  Bsk.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  208  =  Lunulites  Lamx.  —  Bsk. 

Cat.  Br.  Mus.  II.  p.  100.  —  Zellen  u.  Vibracula  in  abwechselnden 

vom  Centrum  ausstrahlenden  Reihen. 
Selenaria  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  IL  p.  101.  —  Nur  einzelne  Zellen, 

die  zerstreut  zwischen  den  andern  liegen,  mit  Vibrakeln  versehen. 
VMamillopora  Sm.   —   Flor.  Br.  IL  p.  33.   —    Ohne   Vibracula. 

Von  Smitt  zu  den  Myriozoiden  gestellt.     Stellung  unsicher. 

II.   Unterordnung:    Cyclostomata  Bsk. 

Systematische  Uebersicht  der  Abteilungen,  Familien  und  Gattungen 

der  Cyclostomata*). 

I.  Abteilung:  Articulata  Bsk. 

Fam.  Crisiidae  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  3.  --  Chall.  Pol.  IL  p.  1. 
Zoarium  gegliedert,  aufrecht,  durch  biegsame  Gelenke  in  Inter- 
nodien  geteilt. 

II.  Abteilung:  Inarticulata  Bsk. 

Unterabteilung :  Erect.  a 

Zoarium  mehr  od.  minder  aufrecht  und  baumförmig-ästig. 

Fam.  Idmoneidae  Bsk.  -  -  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  10.  —  Chall.  Pol.  IL 
p.  8.  —  Zoarium  aufrecht  oder  doch  nur  teilweis  niederliegend, 
dichotom  od.  unregelmässig  verzweigt.  Zweige  frei  od.  anastomo- 
sierend.  Zellen  rundlich,  im  oberen  Ende  meist  frei,  isoliert 
oder  einfache  Reihen  bildend. 

Unter abtheilung :  Adnata. 

Zoarium  niederliegend,  od.  massiv,  gestielt,  od.  blättrig,  nie 
bauni  förmig. 

Fam.  Tubuliporidae  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  23.  —  Chall.  Pol.  IL 
p.  21.  —  Zoarium  angewachsen,  linear,  nieren-  od.  fächerförmig, 
einfach  od.  verzweigt  od.  gelappt,  von  einer  einzigen  Zelle  aus 
sich  ausbreitend.  Zooecien  oft  in  unregelmässigen  Reihen. 
Keine  Zwischenporen. 


*)  Durchweg  nach  Busk,  Chall.  Pol.  II. 


Die  Japanische  Bryozoeufauna.  19 

Farn.  Diastoporidae  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  27.  —  Chall.  Pol.  II. 
p.  24.  —  Zoariuni  angewachsen,  kreisförmig  od.  unregelinässig  im 
Umfang,  nicht  von  einem  Punkt  ausstrahlend.  Keine  Zwischen- 
poren. 

Farn.  Lichenoporidae  Sm.  —  Chall.  Pol.  IL  p.  25  =  Discoporellidae 
Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.III.p.30. —  Zoarium  angewachsen,  scheiben- 
förmig, selten  etwas  gestielt.  Zoarien  mehr  od.  minder  in 
Reihen  gestellt.     Zwischenporen  vorhanden. 

Farn.  Frondiporidae  Sm.  — Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  37.  —  Chall. 
Pol.  II.  p.  26.  —  Zoarium  massiv,  gestielt,  einfach,  gelappt  od. 
blättrig.  Zellen  durchaus  bündeiförmig  verwachsen,  meist 
primatisch.     Keine  Zwischenporen. 


Uebersieht  der  Gattungen. 
Farn.  Crisiidae 

Crisidia  M.  E.  —  Milne  Edwards:  Mem.  sur  les  Cris.etc.  Ann. 

d.  Sc.  Nat.   (2)   IX.  -  -  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  III.   p.  3.    —  Eine 

(u.  2  rudimentäre)    in    einfachen    Reihen   stehenden  Zellen  in 

jedem  Internodium. 
Crisia  Lamx.  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  4.  —  Chall.  Pol  IL 

p.  2.  —  Zwei  od.  mehr,  in  Doppelreihen  stehende,  nach  einer 

Seite  gerichtete  Zellen  in  jedem  Internodium. 
Farn.  Id  moneidae 

Idmonea  Lamx.  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  10.  —  Chall.  Pol.  IL 

p.  9. —  Zoarium  meist  ästig.   Zellen  in  ungefähr  parallelen,  meist 

alternierenden,   queren  Reihen  jederseits    auf  der    Vorderseite 

der  Zweige. 
Hornera  Lamx.  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.16.  —  Chall.  Pol.  II, 

p.  14.  —  Zoarium  ästig.     Zellen  zerstreut,  auf  einer  Seite  der 

Zweige. 

Retihornera  Kirchenpauer.  —  Cat.  IV.  Mus.  God.  Hamburg.  — 
Bsk.  Cat.  Mus.  III.  p.  19.  —  Zoarium  gefenstert,  aus  etwa 
parallelen,  quer  verbundenen  Zweigen  gebildet.  Sonst  wie 
Hornera. 

Entalophora  Lamx.  —  Smitt,  Flor.Br.Lp.il  =  Pustulopora  Blvl.  — 
Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.20  —  Chall.  Pol.  IL  p.18.—  Zoarium 
einlach  od.  ästig.  Zellen  zerstreut,  riugs  um  die  Zweige  stehend. 
Hierher  wird  auch  Bidiastopora  d'Orb.  (Vgl.  Kirkpatrick, 
Polyzoa  from  Port  Phillip.  —  Ann.  Mag.  (6)  IL  p.  1 5)  gehören. 
Farn.  Tiibuliporidae 

Alecto  Lamx.  =  Stomatopora  Bronn.  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III. 
p.  24.  —  Chall.  Pol.  IL  p.  22.  —  Zoarium  kriechend,  einfach  od. 
verzweigt.  Zweige  linear  oder  zungenförmig.  Zellen  in  einer 
einfachen  Reihe  od.  in  Querreihen   od.   unregelmässig  gestellt. 

Tubulipora  Lam.  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  24.  —  Chall. 
Pol.  III.  p.  22.  —  Zoarium  ausgebreitet,  nieren-  oder  fächerförmig. 

2* 


20  Dr.  A.  Ortmann: 

Zellen  in  regelmässige   oder  unregelmässige,  von  einem  Punkt 
divergierende  Reihen  gestellt. 

Fam.  Diastoporiclae 

Diastopora  Lamx.  (pars).  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  28.  — 
Chall.  Pol.  IL  p.  24.  —  Zoarium  kreisförmig  oder  unregelmässig. 
Zellen  in  vom  Centrum  ausstrahlende  Reihen  gestellt  od.  un- 
regelmässig, gewöhnlich  in  der  Mitte  eingesenkt,  gegen  den 
Rand  hin  vorragend. 

Mesenteripora  Blvl.  —  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  29.  —  Zoarium 
blättrig,  wellig.     Zellen  in  zwei  Lagern,  sich  auf  beiden  Flächen 
des  Blattes    öffnend.   —  Zweifelhaft,    ob  recent  vorkommend. 
Vgl.  Busk  1.  c. 
Fam.  Lichenoporidae 

Lichenopora  Defr.  —  Busk,  Chall.  Pol.  IL  p.  25  =  Discoporella 
Gr.  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  30.  —  Zoarium  angewachsen, 
scheibenförmig,  im  Centrum  erhaben  od.  vertieft.  Zellen  teil- 
weis frei,  un regelmässig  od.  in  radiale  Reihen  gestellt. 

Tennysonia  Bsk.  —  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  34.  —  Zoarium  ge- 
stielt, lappig.  Lappen  etwa  dreikantig,  am  Ende  geteilt.  Zell- 
mündungen  oberflächlich,  in  geraden,  einreihigen  Linien  von 
der  mittleren  Kante  der  Lappen  zu  den  seitlichen. 

Domopora  d'Orb.  —  Pal.  Fr.  p.  986.  -  -  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  III. 
p.  35.  —  Zoarium  massiv,  cylindrisch,  einfach  oder  stumpf  ge- 
lappt.   Zellen  in  radialen  Linien  an  den  freien  Enden  der  Lappen. 

Radiopora  d'Orb.  —  Pal.  Fr.  p.  992.  -  -  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  III. 
p.  34.  —  Zoarium  angewachsen,  unregelmässig  u.  aus  zusammen- 
tliessenden  Scheiben  gebildet.     Sonst  wie  Lichenopora. 

Defrancia  d'Orb.  —  Pal.  Fr.  p.  680.  -  -  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  III. 
p.  36.  —  Zoarium  gestielt,  oben  in  eine  Scheibe  ausgebreitet. 
Zellen  auf  der  Scheibe  in  radialen  Linien. 

Hierher  würde  auch  Heteropora  gehören.    (Siehe  unten). 

Fam.  Frondiporidae. 

Fasciculipora  d'Orb.  —  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  37.  —  Chall. 
Pol.  IL  p.27.  —  Zoarium  einfach,  gestielt  od.  blättrig  od.  gelappt. 
Zellöffnungen  nur  an  den  Enden  der  Lappen. 

Supercytis  d'Orb.  —  Pal.  Fr.  p.  1060.  —  Bsk.  Chall.  Pol.  II. 
p.  28.  —  Zoarium  gestielt,  oberwärts  ausgebreitet,  mit  ge- 
gabelten Zellbündeln,  die  rings  vom  Rande  ausstrahlen.  Zeil- 
Öffnungen  an  der  Spitze  u.  auf  der  Oberseite  der  Bündel. 

Hypocytis  nov.  gen.  Zoarium  gestielt,  oberwärts  ausgebreitet,  mit 
gegabelten  Zellbündeln,  die  rings  vom  Rande  ausstrahlen. 
Zellöffnungen  an  der  Spitze  u.  auf  der  Unterseite  der  Bündel. 

Frondipora  Imp.  —  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  38.  --  Zoarium 
blättrig -ästig.  Zellbündel  sich  nur  auf  einer  Seite  in  erhabenen 
Flecken  öffnend. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  21 

Beschreibung  der  von  Herrn  Dr.  Döderlein  in  den 
japanischen    Gewässern    gesammelten    Bryozoen-Arten. 


Ckilostomata. 
Gattung:  Menipea  Lamx. 
Verbreitung:    Arktische    Meere,    Europa,    Azoren,  S.  Afrika, 
S.  Amerika,    Galifornien    u.    Königin   Charlotte  Ins.,   S.  Australien, 
Marion  Ins. 

1.  Menipea  integra  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  1. 
Zoarium  zart,  dichotom  verzweigt.  Zooecien  verlängert,  2  reihig, 
viele  in  jedem  Internodium.  Oeffnung  oval,  ohne  Deckel.  Rand- 
dornen fehlend.  Avicularien  gross,  je  eines  an  der  oberen  äusseren 
Ecke  jeder  Zelle,  nach  hinten  gerichtet  und  eines  auf  der  Vorder- 
seite unter  der  Oeffnung.  Üoecien  rundlich. 
Sagamibai,  200  Fad.,  selten. 

2.   Menipea  compacta  Hcks.  Taf.  I.  fig.  2. 
Ann.  Mag.  (5)  X.  p.  461 

XIII.  p.  208  pl.  IX.  fig.  8. 

Zoarium  buschige  Rasen  bildend.  Zooecien  2  reihig.  Oeffnung 
oval,  ungefähr  halb  so  lang  als  die  Zelle.  Innenseite  des  Randes 
mit  2,  Aussenseite  mit  4  Dornen,  von  denen  meist  einer  bedeutend 
grösser  ist.  Deckel  keulenförmig,  oberwärts  etwas  ausgebreitet,  nahe 
dem  unteren  Rande  der  Oeffnung  eingefügt.  Seitliche  Avicularien 
ziemlich  gross.  Vordere  Avicularien  fehlend.  Ooecien  (nach  Hincks) 
rundlich,  glatt  od.  punktiert. 

var.  dilatata  nov.  Meine  Exemplare  weichen  durch  etwas 
stärker  entwickelten  Deckel,  der  am  Ende  stärker,  nierenförmig, 
verbreitert  ist,  von  der  Abbildung  bei  Hincks  (1.  c.  pl.  IX.  fig.  8) 
ab.  Die  Gestalt  der  Zooecien,  die  Anzahl  der  Randdornen,  die  Ein- 
fügung des  Deckels  u.  das  Fehlen  der  Avicularien  auf  der  Vorder- 
seite stimmt  jedoch  mit  den  Californischen  Exemplaren. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt,  auf  Spongien,  selten. 

Verbreitung:  Californien,  Vancouver  Ins.,  Königin  Charlotte 
Ins.  (Hcks.). 

Gattung:  Scrupocellaria  v.  Ben. 

Verbreitung:    Kosmopolitisch. 

1.  Scrupocellaria  scrupea  Bsk.  Taf.  I.  fig.  3. 
Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  24.  pl.  XXI.  fig.  1.  2. 
Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  50.  pl.  VII.  fig.  11  —  14. 
Zoarium  aufrecht,  dichotom.    Zooecien  2 reihig.     Oeffnung  oval, 
Rand  dünn.     3  Dornen   am   Aussen-,   1 — 2  am  Innenrande.     Deckel 
nierenförmig,  ganz,  nach  unten  ausgebreitet.    An  der  seitlichen  Ecke 
jeder  Zelle  ein  grosses  Avicularinm.    Auf  der  Hinter seite  jeder  Zelle 
ein  aufrechtes,  fast  keilförmiges  Vibraculum.     Ooecien  rund,  glatt. 


22  Dr.  A.  Ortmann: 

var.  minor  nov.  Zoariuni  zarter  als  bei  europäischen  Exemplaren 
(vgl.  Hincks,  1.  c.  pl.  VII.  fig.  13),  meist  nur  2  Dornen  am  Aussen- 
u.  einer  am  Innenrand. 

Sagamibai,  70  Faden;  häufiger  auf  Steinschwämmen  (Disco- 
dermia  calyx)  aufgewachsen. 

Verbreitung:  England  (Bsk.  Hcks.).  Mittelmeer  (M' Andrew). 
Adriatisches  Meer  (Heller).    Australien  (Mac  G.).    Singapur  (Hcks). 

2.  Scrupocellaria  diadema  Bsk.  Taf.  I.  fig.  4. 
Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  24.  pl.  XXVIII.  fig.  1—3. 
Zoarium  unregelmässig  dichotom  verzweigt.  Zooecien  2  reihig. 
Oeffnung  oval.  Oberrand  mit  3 — 5  Dornen.  Deckel  an  der  Spitze 
etwas  ausgebreitet,  undeutlich  21appig  od.  etwas  gekerbt.  Ein 
sitzendes  Avicularium  vorn  unter  der  Oeffnung.  Ooecien  bei  meinen 
Exemplaren  fehlend,  nach  Busk  mit  einer  Reihe  von  4  —  5  Poren 
unmittelbar  über  dem  unteren  Rande. 

Sagamibai,  auf  Discodermia  vermicularis  u.  calyx,  in  Menge. 
Verbreitung:  Moreton  Bai,  Australien  (Bsk.).  Burmali  (Hcks.). 

Gattung:  Carberea  Lamx. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.  Carberea  lata  Bsk.  Taf.  I.  Fig.  5. 
Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  39.  pl.  XLVII. 
Chall.  Pol.  I.  p.  30.  pl.  XL  fig.  3. 
Zoarium  dichotom  verzweigt,  Zweige  etwas  schmaler  als  bei  der 
Abbildung  bei  Busk.    Zooecien  2  —  vielreihig  (meist  3 — 4),  mit  ovaler 
grosser  Oeffnung.     Ohne  Deckel.    An  der  äusseren  oberen  Ecke  die 
randlichen  mit  undeutlichem  Dorn.     Die  inneren  mit  1  —  2  kleinen 
Avicularien  an  den  oberen  Ecken,  die  bisweilen  fehlen.    Borsten  der 
Vibracula  lang,   gesägt.     Wurzelröhren   einen    hervorragenden  Kiel 
auf  der  Rückenseite  bildend. 

Sagamibai,  60  — 200  Faden,  sehr  häufig. 
Verbreitung:  Australien.  Neu  Seeland  (Bsk.)  Cap  York,  8 Fad. 
Aramra  See,  45  Fad.  (Chall). 

2.  Carberea  climacina  n.  sp.    Taf.  I.  fig.  6. 

Zooecien  4  —  5 reihig,  nur  die  mittleren  Ooecien  tragend  u.  am 
inneren  Rande  (dem  der  Mittellinie  am  nächsten  liegenden)  mit  einem 
queren  Dorn,  so  dass  diese  Dornen  von  der  Mittellinie  wie  leiter- 
artige Sprossen  abstehen.  Avicularien  fehlend.  Sonst  wie  die 
vorige  Art. 

Sagamibai,  40  Faden,  seltener. 

3.  Carberea  bursifera  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  7. 

Zoarium  dichotom  verzweigt,  Zweige  schmal.  Zooecien  2  reinig, 
länglich,  mit  ovaler  Oeffnung  mit  verdicktem  Rande.  An  der  oberen 
äusseren  Ecke  ein  langer  u.  2  —  3  kurze,  warzenförmige  Dornen. 
Deckel  schmal,   spateiförmig,   an  der  Spitze  nur  wenig  verbreitert. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  23 

Avicularien  taschenförmig ,   in   der  Mittellinie  unter  jeder  Oeffnung 
eins,  ziemlich  gross.     Borste  der  Vibracula  lang,  gesägt. 
Sagamibai,  200  Fad.,  nur  ein  Exemplar. 

4.  Carberea  rudis  Bsk.    Taf.  I.  fig.  8. 

Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  38.  pl.  XLVI. 

Chall.  Pol.  I.  p.  30. 
Zooecien  in  3  —  5,  selten  bis  7  Reihen.  Oeffnung  oval,  Rand 
verdickt.  Die  inneren  jederseits  mit  einem  Dorn,  die  äusseren  an 
der  äusseren  Ecke  mit  2 — 3,  an  der  inneren  mit  einem  Dorn.  Deckel 
spateiförmig,  verbreitert.  Jede  der  centralen  Zellen  mit  2  Avicularien 
auf  der  Vorderseite,  dicht  unter  der  Oeffnung.  Jede  randliche  mit 
einem  einzigen  grossen  Avicularium  vorn  unter  der  Oeffnung.  Borsten 
der  Vibracula  schmächtig,  von  vorn  unsichtbar,  nicht  gesägt.  (Busk. 
Cat.  Br.  Mus.  ungesagt;  Chall.  Pol.  gesägt.)  Auf  der  Rückseite  der 
Zweige  am  Rande  jederseits  ein  Bündel  von  Wurzelröhren. 

Sagamibai,  200  Fad.,  nicht  selten. 

Verbreitung:  Bass-Strasse  (Bsk.).  Süd -Australien,  33  Fad. 
(Chall.) 

5.  Carberea  minima  Bsk.    Taf.  I.  fig.  9. 
Chall.  Pol.  I.  p.  30  pl.  XXXII.  fig.  5. 

Zoarium  niedrig,  zart,  dichotom  verzweigt.  Zweige  kurz.  Zooecien 
2 reihig,  Oeffnung  rundlich  od.  oval.  Deckel  mit  dickem  Stiel  u. 
breiter,  besonders  nach  unten  ausgedehnter  Platte.  An  der  oberen 
äusseren  Ecke  und  über  dem  Stiel  des  Deckels  je  ein  Dorn.  Avi- 
cularien in  der  Mittellinie  der  Zweige,  unmittelbar  über  der  Basis  des 
Deckels. 

Scheint  sich  von  Carb.  boryi  Aud.  sp.  (Hincks,  Br.  Mar.  Pol. 
p.  61.  pl.  VIII.  fig.  9  — 11)  u.  Carb.  boryi  Bsk.  =  patagonica  Bsk. 
(Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  38.  pl.  XXXVIII.)  nur  durch  Zartheit  des  Zoarium 
zu  unterscheiden.  Ich  bin  geneigt  beide  Arten  mit  der  Carb.  minima 
zu  vereinigen.  Doch  scheint  mir  die  Carb.  darwinii  Bsk.  (Chall.  Pol.  I. 
p.  29.  pl.  XXXII.  fig.  6),  die  Busk  selbst  mit  seiner  patagonica 
(Cat.  Br.  Mus.  I.  pl.  XXXVIII.)  vereinigt,  von  letzterer  verschieden 
zu  sein. 

Sagamibai,  auf  Discodermia  japonica,  selten. 

Verbreitung;  Falkland-Ins.,  5  — 12  Fad.  (Chall.). 

Gattung:  Genieliaria  Sav. 
Verbreitung:     Circumpolar:    Arktisches  Meer,   Nord -Europa, 
Labrador,  Kön.  Charlotte -Ins. 

1.  Gemellaria  macrostoma  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  15. 

Zoarium  zart  (mir  liegt  nur  ein  einfacher  kurzer  Zweig  mit 
6  Zellpaaren  vor),  blassgelblich.  Zooecien  länglich,  unterwärts  ver- 
schmälert. Oberfläche  glatt.  Oeffnung  oval,  gross,  fast  bis  zur  Basis 
der  Zellen  reichend,  ohne  erhabenen  Rand. 


24  Dr.  A.  Ortmann: 

Von  der  G.  loricata  L.  sp.  durch  die  grosse  Oeöhung  ohne  er- 
habenen Rand  verschieden.  (Vgl.  Busk,  Cat.  Br.  Mus.  I.  pl.  XLV. 
fig.  6  u.  Hincks,  Br.  Mar.  Pol.  pl.  III.  fig.  1—3). 

Sagamibai,  70  Fad. 

Gattung:  Bugula  Ok. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

A.  Ohne  Avicularien. 
1.  Bugula  johnstoniae  Gr.  sp.  Taf.  I.  fig.  16. 
Busk:  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  43.  pl.  XXX. 
Smitt:   Flor.  Br.  I.  p.  17.  pl.  V.  fig.  47. 
Zoarium  dichotom,  aufrecht.     Zooecien  2  reihig,  unterwärts  ver- 
schmälert,  oben  breiter,  mit  breiter,  flacher,  ovaler  Oeöhung.     An 
der  oberen  äusseren  Ecke  ein  kurzer  Dorn.     Avicularien  fehlend. 

Sagami bai,  ein  Exemplar  in  40  Faden  Tiefe,  zahlreiche  andere 
in  100— 230  Faden. 

Verbreitung:  Bass- Strasse,  Neu -Seeland  (Bsk.).  Florida, 
16  Fad.  (Sm.). 

2.  Bugula  neritina  L.  sp.  Taf.  I.  fig.  17. 
Busk.  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  43. 
Chall.  Pol.  I.  p.  42. 
Zoarium    dichotom   verzweigt.     Zooecien    2 reihig,  4 eckig,    ver- 
längert, oben  abgestutzt,  mit  dornartig  vorspringenden  Ecken.    Avi- 
cularien fehlend. 

Maizuru,  4  — 10  Fad.,  sehr  häufig,  gern  auf  einer  Tunicate 
(Boltenia)  aufgewachsen. 

Verbreitung:  Kosmopolitisch:*)  Nord- Europa.  Mittelmeer. 
Nord -Amerika.     Rio  de  Janeiro.    Süd- Australien. 

3.  Bugula  lophodendron  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  18. 
Zoarium  baumförmig,  eigentümlich  verzweigt:  von  einem  Haupt- 
stamme gehen  büschelförmig,  etwas  unregelmässig,  ziemlich  kurze 
Aeste  ab.  Zooecien  2 reihig,  verlängert,  an  der  oberen  äusseren 
Ecke  2,  an  der  inneren  ein  ziemlich  kräftiger  Dorn.  Oeöhung 
sehr  gross,  fast  bis  zur  Basis  der  Zellen  reichend.  Avicularien 
fehlen. 

Am  ähnlichsten  ist  diese  Art  der  B.  longissima  Bsk.  (Chall.  Pol.  I. 
p.  42  pl.  XXXI.  fig.  7),  aber  bei  letzterer  sind  die  Zellen  eigentümlich 
eingeschnürt,  nur  an  der  oberen  äusseren  Ecke  ist  ein  kurzer  konischer 
Fortsatz  u.  die  Oeönung  ist  viel  kleiner. 

Maizuru,  4 — 10  Fad.,  auf  Boltenia. 


*)  Vgl.  d'Orbigny,  Voy.  dans  l'Amer.  mer. :  „Acamarchis  neritina  qui 
parait  maintenant  habiter  le  monde  entier,  se  fixe  ä  la  quille  des  navires  et  se 
fait  transporter  partout." 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  25 

B.  Mit  Avicidarien. 
4.  Bugula  japonica  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  19. 

Zoaritim  unregelmässig  dichotom  verzweigt,  Zweige  hier  und 
da  durch  röhrige  Fortsätze  coalescierend.  Zooecien  in  2 — 4  (meist  3) 
Reihen,  nur  die  mittleren  Ooeeien  tragend,  länglich.  Oeffnung  fast 
die  ganze  Vorderseite  einnehmend.  An  den  oberen  Ecken  je  ein 
kurzer  Dorn,  an  der  Basis  der  Ooeeien  jederseits  1 — 2  kleine  Dornen. 
Jede  Zelle  mit  einem  Avicularium,  dieses  fast  sitzend,  ziemlich  gross, 
an  der  Basis  der  Zellen. 

Steht  der  B.  sinuosa  Bsk.  (Chall.  Pol.  p.  39,  pl.  X.  fig.  2)  am 
nächsten  aber:  die  Zweige  coalescieren ,  jede  Zelle  besitzt  ein  Avi- 
cularium u.  beide  obere  Ecken  haben  Dornen. 

var.  spinosissima  n.  Jede  Zelle  jederseits  mit  2  —  3  Dornen, 
Zoarium  fast  gar  nicht  coalescierend. 

Sagamibai,  200  Fad.,  häufig,  var.  spinosissima:  Sagamibai 
230  Fad.,  seltener. 

5.  Bugula  dentata  Bsk.     Taf.  I.  fig.  20. 
Cat.  Br.  Mus.  T.  I.  p.  46.  pl.  XXXV. 

Zooecien  2 reihig,  länglich.  Oeffnung  oval,  etwa  halb  so  lang 
als  die  Vorderseite.  Drei  Randdornen  an  der  Aussenseite,  einer  an 
der  inneren.  Avicularien  unter  der  Oeffnung,  am  Rande  der  Zellen, 
gestielt.     Ooeeien  (nach  Bsk.)  kapuzenförmig,  blau  gefärbt. 

Sagamibai,  70  Faden. 

Verbreitung:  Tasmanien,  Australien,  N.-Seeland,  S. -Afrika (Bsk.) 
6.  Bugula  hexaeantha  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  21. 

Zoarium  dichotom  verzweigt.  Zooecien  meist  2 reihig,  länglich. 
Oeffnung  fast  die  ganze  Vorderseite  einnehmend.  Am  äusseren  Rande 
mit  4  (selten  5),  am  inneren  mit  2  einwärts  gebogenen  Dornen.  An 
der  Spitze  jederseits  ein  kurzer,  stumpfer  Fortsatz.  Ein  kurz  ge- 
stieltes Avicularium  am  unteren  Ende  jeder  Zelle. 

Durch  die  Randdornen  sich  der  B.  murrayana  Johnst.  (Busk, 
Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  46.  pl.  LIX,  Hincks,  Br.  Mar.  Pol.  p.  92.  pl.  XIV. 
fig.  2 — 9)  nähernd,  aber  verschieden  durch  nur  2 reihige  Zellen  und 
daher  schmalere  Zweige  und  durch  die  bedeutend  kürzeren,  nur 
knotenförmigen  Fortsätze  an  den  beiden  oberen  Zellecken. 

Sagamibai,  auf  Lophohelia,  100 — 200  Fad.,  selten. 
Gattung:  Diaclioseris  Bsk. 

Verbreitung:  Adriatisches  Meer,  Algier,  Cap  Verde -Inseln, 
S. -Afrika,  S.-Amerika,  S. -Australien,  Kerguelen. 

1.  Diachoseris  magellanica  Bsk.     Taf.  I.  fig.  22. 
Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  54.  pl.  LXVII. 
Diach.  buskei  Heller,  Adr.  p.  93. 
Hincks,  Ann.  Mag.  (5)  XV.  p.  246.  pl.  VIII.  fig.  2. 
Zooecien  halb  aufgerichtet,  vorn  ganz  offen,  oval.  Mündung  halb- 
kreisförmig,   Deckel    mit    verdicktem   Rande.     Jederseits    nahe    dem 


26  Dr.  A.  Ortmann: 

oberen  Ende  an  jeder  Zelle  ein  gestieltes  Avicularium ,  mit  ge- 
zähntem Rande,  (letzteres  Merkmal  weder  bei  Bnsk  noch  bei  Hincks 
erwähnt).    Mandibel  mit  dreieckiger  Basis  und  verschmälerter  Spitze. 

Sagamibai,  100  Fad. 

Verbreitung:  Adriatisches  Meer,  20 — 55 Fad.  (Heller).  Neapel, 
30—50  Fad.  (Waters).  Falkland-Ins.,  5—12  Fad.  (Chall).  Magellan- 
strasse  (Darwin).  Neu- Seeland  (Lyall.).  Süd- Australien  2 — 10  Fad. 
(Chall.)  Kerguelen  (Eaton). 

2.  Diachoseris  discodermiae  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  23. 

Zooecien  wenig  aufrecht,  vorn  offen,  länglich,  im  oberen  Drittel 
ziemlich  plötzlich  verschmälert,  entfernt  von  einander.  Am  Rande 
eine  Anzahl  (jederseits  5 — 7)  längere,  schlanke,  einwärts  gekrümmte 
Dornen,  am  oberen  Ende  3 — 4  kürzere.  Verbindungsröhren  schlank. 
An  einer  Seite  der  Zelle,  nahe  dem  oberen  Ende  ein  grosses,  kurz 
gestieltes  Avicularium  mit  hakenförmigem,  langem  Schnabel  und  lang- 
gestreckter Mandibel.     Rückseite  ohne  Dornen. 

Aehnelt  am  meisten  der  D.  distans  Hcks.  (Ann.  Mag.  (5)  VIII. 
p.  132.  pl.  V.  fig.  4 —  6),  unterscheidet  sich  aher  durch  die  Gestalt 
der  Zooecien,  durch  grössere  Anzahl  der  Randdornen  und  die  Klein- 
heit der  Dornen  am  oberen  Ende  der  Zelle,  und  durch  die  lang- 
gestreckten, schmaleren  Avicularien,  die  auch  näher  dem  oberen 
Zellende  stehen.  Von  D.  elongata  Hcks.  und  D.  quadricornuta  Hcks. 
(Ann.  Mag.  (5)  XV.  p.  244  f.)  unterscheidet  sie  sich  schon  durch  die 
entfernt  von  einander  stehenden,  nicht  sich  teilweis  überdeckenden 
Zellen. 

Sagamibai,  auf  Discodermia  japonica,  sehr  selten. 

3.  Diachoseris  hexaeeras  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  30. 

Zooecien  etwas  aufrecht,  vorn  offen,  regelmässig  oval,  nach  oben 
nicht  verschmälert,  wenig  entfernt  von  einander  und  sich  teilweis 
überdeckend.  Am  oberen  Ende  jederseits  ein  kräftiger,  aufwärts 
gerichteter  Dorn,  darunter  jederseits  noch  2  ebenso  kräftige,  ein- 
wärts gekrümmte.  Viele  Zellen  an  einer  Seite  mit  einem  kurz  ge- 
stielten Avicularium,  mit  ziemlich  langem  Schnabel  und  dreieckiger, 
zugespitzter  Mandibel.  Rückseite  glatt,  die  die  Zellen  verbindenden 
Röhren  kurz,  vom  Rande  der  Zelle  etwas  entfernt. 

Der  D.  elongata  Hcks.  durch  die  einander  teilweis  überdeckenden 
Zellen  ähnlich,  aber  durch  die  regelmässig  ovale  Gestalt  der  Zelle 
(nicht  lang  oval  und  vorn  verschmälert),  durch  die  Bedornung  des 
Randes  und  die  Gestalt  der  Avicularien  verschieden. 

Sagamibai,  60—150  Fach,   nicht  häufig. 

Gattung:  Flustra  L. 

Verbreitung:  Arctische  Meere,  N.-Europa,  S.-Afrika,  Australien, 
Kön.  Charlotte-Ins.,  China,  Gesellschafts-Ins.,  Molukken. 


Die  Japanische  Bryozoenfamia.  27 

1.  Flustra  papyracea  Ell.  Sol.  Taf.  I.  fig.  10. 
Busk,  Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  48.  pl.  LV.  fig.  6.  7. 
Hincks,  Br.  Mar.  Pol.  p.  118.  pl.  XVI.  fig.  2.  2a. 
Zoarium  breit  blattförmig,    Rasen  bildend.     Blätter   am  Rande 
in  kürzere  oder  längere,  gerundete  Lappen  geteilt.    Zooecien  länglich, 
oberwärts  kaum  verbreitert,   mit    einem    kurzen  Dorn  jederseits  an 
den  oberen  Ecken.     Ooecien  rundlich   (wie  in   der  Figur  bei  Busk, 
nicht  helmförmig,  wie  bei  Hincks).     Avicularien  fehlend. 
Kochi,  häufig,  aus  flachem  Wasser. 

Verbreitung:  England  und  Irland  (Bsk.  Hcks.)  Atlantische 
Küste  von  Frankreich  (Fischer).     Vielleicht  circumpolar. 

2.  Flustra  spoliata  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  31. 

Zoarium  blattförmig,  dünn,  in  ziemlich  breite  Lappen  geteilt. 
Zooecien  unregelmässig  polygonal,  oben  und  unten  verschmälert, 
ziemlich  breit,  mit  einfachem  Rande,  ohne  jede  Dornen.  Avicularien 
ziemlich  häufig,  am  oberen  Ende  der  Zooecien,  klein,  schief  gestellt, 
mit  halbkreisförmiger  Mandibel.     Ooecien  rundlich. 

Nähert  sich  der  Fl.  barleiei  Bsk.  (Hincks,  Br.  Mar.  Pol.  p.  122. 
pl.  V.  fig.  6  — 8),  unterscheidet  sich  aber  durch  die  unregelmässig 
polygonalen,  auch  oberwärts  verschmälerten  Zooecien  mit  dünnem 
Rande  und  durch  die  verhältnissmässig  kleineren  Avicularien.  (Bei 
barleiei  ca.  y4  der  Länge  der  Zooecien,  bei  spoliata  Vs  —  Vio)- 

Sagamibai,  40  Fad.,  ein  Exemplar. 
Gattung:  Carbasea  Gr. 

Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.  Carbasea  rhizophora  n.  sp.    Taf.  I.  fig.  24. 

Zoarium  ein  ausgebreitetes,  unregelmässig  begrenztes  Blatt 
bildend,  niederliegend.  Zellen  nur  auf  einer  (der  oberen)  Seite.  Von 
der  Unterseite  des  Blattes  entspringen  von  vielen  Zellen  röhrige  Wurzel- 
fasern, die  das  Zoarium  auf  seinem  Substrat  befestigen.  Zooecien 
länglich,  birnförmig,  oben  und  meist  auch  unten  abgestutzt,  nach  oben 
meist  nicht  verschmälert.  Die  ganze  Vorderseite  von  der  Oeffnung  ein- 
genommen. An  den  oberen  Ecken  jederseits  ein  kurzer  Dorn,  bisweilen 
darunter  ein  zweiter.  Einzelne  Zellen  an  ihrer  Basis  mit  einem  grossen, 
aufwärts  gerichteten  Avicularium,  mit  dreieckiger,  zugespitzter  Man- 
dibel.   Ooecien  klein,  völlig  in  die  darüber  liegende  Zelle  eingesenkt. 

Sagamibai,     200  Fad.,  selten. 

Gattung:  Catenicella  Blvl. 
Verbreitung:  Australien,  eine  Art  (taurina)  S.- Afrika  und  eine 
(elegans)  auch  S.- Afrika,  Brasilien  und  Madeira. 

1.  Catenicella  elegans  Bsk.     Taf.  IL  fig.  1. 
Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  10.  pl.  IX. 
Chall.  Pol.  I.  p.  12.  pl.  I.  fig.  2.  3.  5. 
Zoarium  gegliedert.    Internodien  von  je  einem  einzigen  Zooecium 
gebildet,  nur  an  den  Gabelungsstellen  sind  diese  doppelt.     Zooecien 


28  Dr-  A.  Ortmann: 

etwa  oval,  Oberfläche  mit  feinen  Punkten.  An  beiden  oberen  äusseren 
Ecken  je  ein  Fortsatz,  der  ein  Avicularium  trägt,  mit  einer  Durch- 
bohrung (?)  an  der  Basis.  Seitliche  Streifen  lang  und  schmal,  mit 
einer  einfachen  Reihe  von  Punkten. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt,  wenige  Exemplare.  Eines  auf 
einem  Krebse  (Maja  longispina  de  Haan:  Crustacea,  Siebold,  Fauna 
jap.  1850.  p.  94.  pl.  XXIII.  fig.  2.)  aufsitzend. 

Verbreitung:  Australien  u.  Neu-Seeland,  28 — 150  Fad.  Algoa- 
bai.  (Bsk.)  Tristan  da  Cunha,  60—1100  Fad.  Brasilien,  32—400  Fad. 
(Chall.)  Madeira  (Bsk.)     ?  Mittelmeer  od.  Rothes  Meer  (Savigny). 

Gattung:  Onchoporella  Bsk. 
Verbreitung:  Madeira,  Süd -Afrika. 

1.  Onchoporella  selenoides  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  2. 
Zoarium  in  schmale,  zungenförmige  Lappen  geteilt.  Zooecien 
nur  auf  einer  Seite,  Vorderwand  geschlossen,  Mündung  gross,  halb- 
kreisförmig. Am  Rande  ringsherum  eine  Reihe  Punkte,  unter  der 
Mündung  eine  Gruppe  von  6 — 7,  meist  regelmässig  gestellten  Punkten, 
unter  diesen  eine  mondsichelförmige  Pore.  Ooecien  gross,  mit  radialen 
Furchen  am  Rande.  Avicularien  fehlend. 
Sagamibai,  70  Faden. 

Gattung:  Membranipora  Blvl. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.  Membranipora  crassimarginata  Hcks.  Taf.  IL  fig.  3. 
Ann.  Mag  (5)  VI.  p.  71.  pl.  IX.  fig.  1. 
Busk:    Chall.  Pol.  I.  p.  63.  pl.  XV.  fig.  5. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  gross,  regelmässig  oval.  Vorder- 
seite membranös,  von  einem  breiten,  granulierten  Rande  umgeben. 
Dornen  fehlend.  Avicularien  ungefähr  so  lang  wie  die  Zooecien,  etwas 
schmaler,  mehr  länglich -oval,  zerstreut  zwischen  den  Zellen  stehend. 
Mandibel  gerundet.  Ooecien  rundlich,  nach  Hincks  glatt  u.  glänzend. 

var.  japonica  nov.  Durch  etwas  längere  Mandibel  und  grubig 
punktirte  Ooecien  von  der  typischen  crassimarginata  abweichend.  Rand 
bei  Hincks  stark  gekerbt,  bei  Busk  und  bei  meinen  Exemplaren 
granuliert. 

Mit  Biflustra  lacroixii  Sm.  (Flor.  Br.  IL  p.  18  pl.  IV.  fig.  85—88) 
wohl  nicht  identisch. 

Sagamibai,  40 — 100  Fad.,  nicht  selten. 

Verbreitung:  Madeira  (Hcks.).  Tristan  da  Cunha,  110 — 115  Fad. 
(Chall.)  var.  erecta  Bsk.:  Bass-Strasse,  38  —  85  Fad.  Heard-Ins., 
75  Fad.  (Chall.). 

2.  Membranipora  panhoplites  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  4. 
Zoarium  inkrustierend.     Zooecien  regelmässig  oval,  mit  dickem 
sehr  fein    granuliertem    Rande,    ohne    Dornen.     Am  unteren  Rande 
einer  jeden    Zelle    ein    ziemlich    grosses,    lanzettliches,    schief    ge- 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  29 

stelltes  Avicularium,  mit  lanzettlicher  Mandibel,  Ooecien  kaum  vor- 
ragend, glatt. 

Sagamibai,  40  Fad.,  selten. 

Gattung:  Amphibiestrum  Gr. 

Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.  Amphibiestrum  perfragile  Mac  G.  sp.  Taf.  II.  fig.  5. 

Biflustra  perfragilis  Mac  G.  —  Nat.  Hist.  of  Vict.  Dec.  VI. 

p.  27.  pl.  57.  fig.  1. 
Hincks:  Ann.  Mag.  (5)  XIV.  p.  278  pl.  VIII.  fig.  4. 

Zoarium  gelbbraun,  aufrecht,  unregelmässige,  breitblättrige, 
krause,  hohe  Rasen  bildend.  Zooecien  beiderseitig  länglich,  in  Längs- 
reihen gestellt,  mit  erhabenem,  glattem  Rande,  ohne  Dornen.  Oeffnung 
unterwärts  mit  einer  kalkigen  Lamelle,  der  membranöse  Teil  oval. 
Die  von  Hincks  (1.  c.)  beschriebenen  Avicularien  fehlen  an  meinen 
Exemplaren,  wie  auch  bei  Mac  Gillivray. 

Maizuru,  4—10  Fad.,  sehr  häufig. 

var.  incrustans  n.  Inkrustierend,  grau,  sonst  mit  den  Exemplaren 
von  Maizuru  völlig  übereinstimmend. 

Tanagawa,  Tiefe  unbekannt,  auf  Ostrea  dense -lamellosa, 
höchstens  25  Fad. 

Verbreitung:  Süd -Australien  (Mac  G.  Hcks.). 

2.  Amphibiestrum  bituberculatum  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  25. 

Zoarium  dünn,  zart,  incrustierend.  Zooecien  lineare  Reihen 
bildend,  mit  erhabenem,  glattem  Rande.  Oeffnung  oval,  ringsherum 
mit  schmaler,  im  unteren  Teil  etwas  breiterer  körneliger,  fein  und 
unregelmässig  gezähnter,  kalkiger  Lamelle.  Rand  an  den  oberen 
Ecken  der  Zellen  mit  zwei  kräftigen,  stumpfen  Höckern.  Avicularien 
und  Ooecien  fehlen. 

Sagamibai,  geringe  Tiefe,  auf  Tangen. 

Gattung:   Tremopora  n.  gen. 

1.  Tremopora  dendracantha  n.  sp.  Taf.  II,  fig.  6. 
Zoarium  incrustierend,  locker  angeheftet.  Zooecien  oval,  mit 
erhabenem  Rande.  Oeffnung  unterwärts  mit  kalkiger  Lamelle.  Rand 
mit  Dornen:  beiderseits  je  ein  stärkerer  verästelter  Dorn,  von  denen 
einer  (bisweilen  beide)  ein  ziemlich  grosses  Avicularium,  mit  lang- 
gespitzter Mandibel  trägt.  Oberrand  meist  mit  2  einfachen  oder 
doppelt  spitzigen,  kurzen  Dornen.  Die  seitlichen  Dornen  erheben 
sich  mit  den  Avicularien  über  die  Fläche  der  Zooecien  und  bilden 
mit  den  gleichen  Gebilden  der  benachbarten  Zellen  über  dem  Stocke 
ein  ästiges  Geflecht.  Ooecien  kapuzenförmig ,  undeutlich  punktiert. 
Die  Ooecialzellen  tragen  über  dem  Avicularium  noch  einen  kräftigen 
Dorn.  Die  Rückseite  des  Stockes  erscheint  von  rundlichen  Löchern 
durchbohrt ,   die  durch   die  6  kurzen  Verbindungen  der  Zellen  unter 


30  Di'-  A.  Ortmann: 

einander  gebildet   werden.     Zellen   mit    einer  Anzahl  auf  Knötchen 
sitzender  Borsten  auf  dem  Rücken. 

Sagamibai,  200  Fad.,  selten. 
Gattung:  Stegaiioporella  Sm. 

Verbreitung:  Florida,  S.- Afrika,  S.- Australien,  Tongatabu, 
Sandwich-Ins.,  Burmah.    Scheint  die  wärmeren  Meere  vorzuziehen. 

1.  Steganoporella  magnilabris  Bsk.  sp.  Taf.  II.  fig.  7. 

Membranipora  magnil.  Gat.  Br.  Mus.  II.  p.  62.  pl.  LXV.  fig.  4. 
Hincks:  Ann.  Mag.  (5)  IX.  pl.  V.  fig.  8. 
Chall.  Pol.  I.  p.  75.  pl.  XVIII.  fig.  2. 

Zoarium  vielgestaltig:  inkrustierend  oder  aufrecht,  blattförmig, 
auf  einer  oder  beiden  Seiten  mit  Zellen  oder  verzweigt  oder  röhren- 
förmig. Zooecien  länglich,  oben  mit  bogenförmigem  Rande.  Rand 
dick,  häufig  mit  einem  zahnartigen  Vorsprung  jederseits  ungefähr  in 
der  Mitte.  Vorderseite  mit  einer  chitinösen  Membran,  die  obere 
Hälfte  enthält  die  Mündung  und  den  grossen  halbkreisförmigen  Deckel. 
Letzterer  entweder  mit  2  conv ergierenden  Leisten  oder  einer  bogen- 
förmigen, dem  oberen  Rand  ungefähr  parallelen  Leiste.  Untere  Hälfte 
mit  einer  punktierten  kalkigen  Lamelle. 

Sagamibai,  in  geringer  Tiefe  bis  zu  200  Faden,  sehr  häufig, 
inkrustierend,  hemescharin  oder  escharin. 

Verbreitung:  Recent.:  Florida  (Sm.).  Abrolhos-Ins.  (Darw.). 
Algoa-Bai  (Bowerbank).  Süd-Australien  (Hcks.).  Tongatabu  (Home). 
Sandwich-Ins.  20—40  Fad.  (Chall). 

Fossil:  Miocän,  Gippsland  (Waters). 
Gattung:  Micropora  Gr. 

Verbreitung:  Kosmopolitisch:  England,  Florida,  Tristan  da 
Cunha,  Afrika,  Magellansstrasse*),  Californien,  Kön.  Charlotte -Ins., 
Australien,  Indien,  Mauritius,  Rothes  Meer.*) 

1.  Micropora  lioticha  n.  sp.  Taf.  IL  Fig.  11. 
Zoarium  aufrecht,  selten  inkrustierend,  baumförmig,  Aeste  etwas 
comprimiert.  Zooecien  rings  um  die  Aeste  gestellt,  in  Längsreihen, 
länglich  viereckig,  mit  gebogenem  oberen  Rande  und  erhabenen, 
dicken,  glatten  Rändern.  Vorderwand  mit  kalkiger  Lamelle,  punktiert, 
unter  der  Mündung  vertieft  und  mit  2  ovalen  Oetihungen  an  den 
Seiten,  dicht  unter  dem  ringförmig  verdickten  Rande  der  Mündung. 
Letzterer  unterwärts  jederseits  mit  einem  kleinen  Zahne.  Avicularien 
ähnlich  wie  bei  Steganop.  smitti  Hcks.  (Br.  Mar.  Pol.  p.  178.  pl.  XXIV. 
fig.  5),    an  Stelle  eines  Zooeciums,   daher  so  gross  wie  ein  solches. 


*)  Im  Strassburger  Museum  befinden  sich  von  Prof.  Stein  mann  in  der 
Magellansstrasse  gesammelte  Exemplare  vou  Micropora  uncifera  Bsk.  (auf 
Aspidostoma  giganteum  Bsk.),  sowie  Exemplare  von  Micropora  rozieri  Aud.  var. 
indica  Hcks.,  die  auf  einer  Steinkoralle  (Echinopora  ehrenbergi  E.  H.)  auf- 
gewacbsen  waren,  aus  dem  Rothen  Meer. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  31 

(Bei  St.  rozieri  Aud.  und  deren  Varietäten  sind  die  Avicularien 
kleiner  als  die  Zooecien  und  anders  gestaltet.  Vgl.  Hincks,  Ann. 
Mag.  (5)  VI.  p.  379.  pl.  XVI.  fig.  1.  2.  3). 

Steht  der  Steganoporella  smittii  Hcks.  am  nächsten,  unterscheidet 
sich  aber  durch  nicht  granulierte  Ränder,  längere  und  schmalere 
Zellen  und  grössere  subovale  Oeffnungen.  Von  den  meisten  Varietäten 
der  St.  rozieri  unterscheidet  sie  sich  schon  durch  fehlende  Knoten 
an  den  oberen  Ecken  der  Zellen,  von  der  var.  indica  Hcks.,  der  diese 
Knoten  auch  fehlen,  durch  die  glatten,  dickeren  Ränder,  die  lang- 
gestreckteren Zellen  und  die  grösseren  Avicularien. 

Kagoshima,  50  Faden,  in  Menge.  In  einem  Fall  auf  einer 
Tunicate  inkrustierend. 

Gattung:  Smittipora  Juli. 

Verbreitung:  Cuba,  Florida,  Singapur  oder  Philippinen,  Bur- 
mah.  Gehört  demnach  den  wärmeren  Meeren  an,  wo  sie  Tiefen  von 
ca.  50  —  500  Fad.  zu  bewohnen  scheint. 

1.  Smittipora  abyssicola  Sm.  sp.  Taf.  IL  fig.  12. 
•  Vincularia  abyss.  Sm.  Flor.  Br.  IL  p.  6.  pl.  I.  fig.  60.  61. 

Hincks:  Ann.  Mag.  (5)  VII.  p.  155.  pl.  X.  fig.  4. 

IX.  p.  122. 
XIII.  p.  358. 
Zoarium  inkrustierend  oder  baumförmig.  Zooecien  eckig -oval, 
mit  erhabenen  Rändern.  Vibracula  an  der  Stelle  einer  Zelle,  fast 
so  gross  als  eine  solche,  mit  dreieckiger,  lang-borstenförmiger  Seta, 
seitlich  an  derselben  eine  elliptische  Membran.  Von  der  Oeffnung 
gehen  2  undeutliche  Linien  aus. 

Sagamibai,  50 — 200  Fad.,  nicht  selten,  nur  inkrustierend. 
Verbreitung:   Cojima,  Cuba,  450  Fad.  Florida,  68  Fad.  (Sm.). 
Singapur  oder  Philippinen.     Burmah  (Hcks.). 

Gattung:  Cellaria  Lamx.  (pars)  =  Salicornaria  Cuv. 
Verbreitung:   Kosmopolitisch. 

1.  Cellaria  tenuirostris  Bsk.  sp.  Taf.  IL  fig.  8. 
Cat.  Br.  Mus.  I.  p.  17.  pl.  LXIII.  fig.  4. 
Smitt,  Flor.  Br.  IL  p.  4.  pl.  I.  fig.  57  —  59. 
ChaU.  Pol.  IL  p.  92. 
Zoarium  dichotom  verzweigt,  schlank,  zart.     Gelenke  mit  einem 
Knoten  von  hornigen  Röhren  (nodatae  Bsk.  Chall.).    Felder  hexagonal, 
breit  und  kurz  (vgl.  Cat.  Br.  Mus.  pl.  LXIII.  fig.  4),   die  einer  Reihe 
etwas  entfernt  von  einander.    Mündung  fast  central,  halbmondförmig 
oder    halbkreisförmig.     Deckel    halbkreisförmig,    unterer    Rand    fast 
gerade.     Innere  Leisten   deutlich.     Avicularien   eine  Zelle  ersetzend, 
Mandibel  spiessförmig,  in  eine  lange  Spitze  verschmälert. 
Sagamibai,  auf  Discodermia  calyx,  selten. 


32  Dr.  A.  Ortmann: 

Verbreitung:  Florida,  58 — 60  Fad.  (Sm.).  Südspitze  Amerikas, 
70  Fad.  (ChalL).     Süd-Australien,  40  Fad.  (Bsk.). 

2.  Cellaria  triangularis  n.  sp.  Taf.  II.  fig.  13. 

Zoarium  dichotom  verzweigt,  Aeste  kräftig,  länger  oder  kürzer, 
an  1 — 2  Stellen  leicht  geschwollen.  Gelenke  mit  einem  Knoten  von 
hornigen  Röhren.  Felder  der  Oberfläche  hexagonal,  oben  und  unten 
spitz,  die  einer  Reihe  entfernt  oder  (selten)  etwas  genähert.  In  der 
Mitte  der  Internodien,  an  den  geschwollenen  Stellen,  ist  die  obere 
Ecke  der  Sechsecke  gerundet.  (Ooecien).  Mündung  halbmondförmig, 
Deckel  halbkreisförmig,  glatt.  Innere  Leisten  kaum  sichtbar.  Ober- 
fläche kaum  etwas  granuliert  Avicularien  eine  Zelle  ersetzend,  Man- 
dibel  breit  dreieckig,  quer  breiter,  Spitze  ungefähr  rechtwinklig. 

In  der  Gestalt  der  Avicularien  der  C.  gracilis  Bsk.  ähnlich,  jedoch 
verschieden  durch  verhältnismässig  breitere  Felder,  durch  undeut- 
liche innere  Leisten,  durch  glatten  Deckel  und  durch  längere  und 
stärkere  Internodien.  Sonst  auch  der  C.  variabilis  Bsk.  (Chall.  Pol.  I. 
pl.  XII.  fig.  3.  9.)  nahe  stehend,  aber  die  oberen  und  unteren  Ecken 
der  Sechsecke  sind  nie  abgestumpft,  und  die  derselben  Reihe  be- 
rühren sich  niemals.  Die  Avicularien  sind  quer  breiter  und  die  Ober- 
fläche ist  etwas  granuliert. 

Variirt  in  der  Länge  und  Stärke  der  Zweige  (Exemplare  aus  der 
Sagamibai  sind  gedrungener)  und  in  der  Entfernung  der  Sechsecke. 
(Bei  Exemplaren  von  Kagoshima  sind  sie  etwas  genähert.) 

Sagamibai,  60 — 150  Fad.  Maizuru,  35 — 40  Fad.  Kago- 
shima, 40  —  60  Fad.  —  Hakodate  (von  Hilgendorf  gesammelt). 
Ueberall  sehr  häufig. 

Gattung:  Cyclostomella  n.  gen. 
1.  Cyclostomella  articulata  n.  sp.  Taf.  II.  fig.  14. 

Zoarium  dichotom  verzweigt,  gegliedert,  zart.  Internodien  mit 
einer  Anzahl  unregelmässig  gestellter,  nach  allen  Seiten  gerichteter 
Zooecien.  Wand  der  letzteren  punktiert.  Mündung  rundlich,  hier 
und  da  über  derselben  ein  rundliches  Avicularium  mit  dreieckiger 
Mandibel. 

Die  Gestalt  der  Zooecien  ist  ähnlich  der  gewisser  Cyclostomata 
(z.  B.  Crisia),  aber  durch  Avicularien  und  Deckel  ist  die  Art  als 
Chilostome  gekennzeichnet.  Von  der  inkrustierenden  Cyclicopora 
praelonga  Hcks.  (Ann.  Mag.  (5)  XIV.  p.  279.  pl.  IX.  fig.  7)  von  Süd- 
Australien,  der  einzigen  bisher  bekannten  Gattung  und  Art  der 
Cyclicoporiden  Hcks.,  ist  sie  durch  den  Wuchs  und  das  Vorhandensein 
von  Avicularien  so  sehr  verschieden,  dass  eine  generische  Trennung 
notwendig  ist. 

Sagamibai,  200 — 250  Fad.,  selten. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  33 

Gattimg:  Tu&ucellaria  d'Orb. 

Verbreitung:  Mittelmeer,  John  Adams  Bank,  St.  Paul,  Süd- 
Australien. 

1.  Tubucellaria  coeca  Bsk.  Taf.  II.  fig.  15. 
Chall.  Pol.  I.  p.  99. 

Zoarium  aus  cylindrisch  -  keulenförmigen  Internodien  gebildet, 
gegliedert.  Zweige  unregelmässig  seitlich  entspringend.  Zooecien 
ungefähr  4  reihig,  mit  kurz -röhrenförmiger  Mündung  vorspringend. 
Mediane  Pore  unterhalb  der  Mündung  fehlend.  Oberfläche  einfach 
punktiert. 

Die  Identität  meiner  Art  mit  der  von  Busk  ist  noch  nicht  völlig 
sicher  gestellt,  da  Busk  die  T.  coeca  1.  c.  nur  flüchtig  erwähnt,  ohne 
eine  genauere  Beschreibung  und  Abbildung  zu  geben. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt,  auf  Retepora  sanguinea  n.  sp. 
und  auf  Hornschwämmen  aufgewachsen. 

Gattung:  Retepora  Imp. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

A.  Ooecien  vorne  geschlossen,  höchstens  etwas  ausgcrandet*) 
1.  Retepora  anatina  n.  sp.  Taf.  II.  fig.  16. 

Zoarium  weiss,  mit  rötlichem  Anfluge,  ausgebreitet,  ein  unregel- 
mässiges Blatt  darstellend,  an  der  Basis  gefenstert,  oberwärts  mehr 
netzförmig.  Maschen  rhombisch  oder  lang  gestreckt.  Zooecien 
unregelmässig  rhombisch,  eingesenkt.  Mündung  rundlich,  Peristom 
etwas  vorragend,  unregelmässig  gezähnt,  an  den  seitlichen  Zooecien 
aussen  mit  meist  2  spitzen,  grossen  Zähnen.  Vorn  ein  Sinus.  Ooecien 
oval,  Unterrand  seicht  ausgerandet.  Avicularien  zerstreut  auf  der 
Vorderseite  der  Zooecien,  gross.  Mandibel  spateiförmig  (ähnlich 
einem  Entenschnabel),  an  der  Spitze  gerundet.  Rückseite  glatt,  hier 
und  da  nahe  dem  Winkel  einer  Masche  ein  denen  der  Vorderseite 
gleichendes  Avicularium. 

Aehnlich  der  R.  denticulata  Bsk.  (Chall.  Pol.  I.  p.  109,),  aber  es 
fehlt  das  kleine  Avicularium  seitlich  vom  Sinus  und  die  Mandibel 
der  grossen  Avicularien  ist  vorn  nicht  eckig  abgestutzt. 

Sagamibai,  150—200  Fad.,  häufig. 

var.  limitata  n.  Zooecien  durch  scharfe  Linien  getrennt  und 
auch  die  Rückseite  durch  solche  Linien  gefeldert. 

Sagamibai,  200  Fad.,  häufig. 


*)  Die  Einteilung  in  solche  Formen  mit  mehr  netzförmigem  und  solche  mit 
mehr  gefenstertem  Zoarium,  die  Busk  (Chall.  Pol.  I.)  anwendet,  lässt  sich  nicht 
streng  durchführen,  da  beide  Arten  der  Ausbildung  des  Zoarium  unmerklich  in 
einander  übergehen. 

Arch.  f.  Naturgescli.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  I.  3 


34  Dr.  A.  Ortmann: 

2.  Retepora  sanguinea  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  17. 

Zoarium  blutrot,  gefenstert,  krause  Blätter  bildend,  rasenförmig. 
Maschen  rundlich,  klein.  Zooecien  oval,  durch  feine,  etwas  vertiefte 
Linien  getrennt.  Mündung  rundlich.  Peristom  etwas  erhaben,  ringsum 
unregelmässig  gezähnt,  mit  undeutlichem  Sinus.  Ooecien  kugelig, 
vorn  geschlossen.  Avicularien:  eines  oder  zwei  auf  der  Vorderseite 
jeder  Zelle,  nahe  der  Mündung,  rundlich,  mit  halbkreisförmiger  Man- 
dibel.  Rückseite  ohne  Avicularien,  granuliert,  durch  erhabene  Linien 
gefeldert. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt. 

3.  Retepora  tenella  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  21. 

Zoarium  dichotom  in  einer  Ebene  verästelt,  wenig  sich  netz- 
förmig vereinigend.  Maschen  sehr  unregelmässig,  meist  gross.  Zweige 
dünn  imd  schlank.  Zooecien  länglich,  durch  Linien  getrennt.  Mün- 
dung rundlich,  Peristom  dünn,  bauchig,  mit  tiefem  Sinus.  Ooecien 
kugelig,  schwach  ausgerandet.  Avicularien  zerstreut,  auf  der  Vorder- 
seite der  Zellen,  ziemlich  gross,  etwas  vorragend,  oval,  mit  spitzer 
Mandibel.  Auf  der  Rückseite  nur  in  den  Gabelungen  je  ein  Avi- 
cxilarium,  das  ungefähr  ebenso  gestaltet  ist,  wie  die  auf  der  Vorderseite. 

Sagamibai,  200  Fad.,  sehr  selten. 

B.  Ooecien  vorn  gespalten  oder  mit  tiefer  Ausbuchtung. 
4.  Retepora  tumescens  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  20. 

Zoarium  aus  sich  unregelmässig,  netzförmig  verbindenden, 
schlanken  Zweigen  gebildet.  Maschen  verschieden  gross,  meist  weit 
und  rhombisch.  Zooecien  länglich,  undeutlich  begrenzt.  Peristom 
etwas  bauchig,  mit  ziemlich  flachem  Sinus.  Ooecien  rundlich,  kapuzen- 
förmig,  mit  breiter  und  tiefer,  fast  durch  die  ganze  Vorderseite  sich 
erstreckender  Ausbuchtung.  Avicularien  zerstreut,  auf  der  Vorder- 
seite der  Zellen,  gross,  kugelig,  geschwollen-vorragend,  mit  dreieckig- 
zugespitzter Mandibel.  Auf  der  Rückseite  ziemlich  viel  ähnliche,  nur 
weniger  vorragende  Avicularien. 

Sagamibai,  mehrere  Exemplare  aus  40  Fad.  Tiefe,  häufig  in 
einer  Tiefe  von  200  —  230  Fad. 

C.  Ooecien  auf  der  Vorderseite  mit  einer  narbenartigenf 

dreilappigen  Zeichnung. 

5.  Retepora  bimunita  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  22. 

Zoarium  netzförmig,  Zweige  ziemlich  schlank,  Maschen  etwas 
ungleich,  rhombisch  oder  länglich.  Zooecien  länglich,  undeutlich 
getrennt.  Peristom  rundlich,  mit  spaltförmigem  Sinus.  Ooecien 
lang-oval,  mit  einer  narbenartigen  Längslinie,  die  sich  unterwärts  in 
zwei  kurze  Lappen  gabelt.  Avicularien:  dicht  an  der  einen  Seite 
des  Sinus  ein  kleineres  rundliches.     Zerstreut  über  die  Vorderseite 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  35 

und  besonders  am  Rande  grössere ,  längliche ,  2  spitzige ,  mit  läng- 
licher, vorn  gerundeter  Mandibel.  Auf  der  Rückseite  zerstreut  kleine, 
runde. 

Sagamibai,  200  Fad.,  nicht  selten. 

6.  Retepora  semispinosa  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  23. 

Zoarium  gefenstert,  Maschen  oval,  klein,  Aeste  dünn.  Zooecien 
länglich-rhombisch,  undeutlich  begrenzt.  Peristom  rundlich,  unregel- 
mässig gezähnt.  Die  randlichen  Zooecien  mit  einem  Dorn  an  der 
Aussenseite.  Vorn  mit  einem  Sinus.  Ooecien  kugelig  oder  oval,  mit 
dreilappiger  Narbe.  Avicularien  auf  der  Vorderseite  zerstreut,  rund- 
lich, vorragend,  mit  halbkreisförmiger  Mandibel,  auf  der  Rückseite 
ziemlich  viele,  kleine,  ovale. 

Sagamibai,  40  Fad.,  selten. 

7.  Retepora  victoriensis  Bsk.  Taf.  IL  fig.  18. 
Chall.  Pol.  p.  117.  pl.  XXVII.  fig.  7. 

var.  japonica  Bsk.  (ibid.  p.  118). 

Zoarium  unregelmässig  becherförmig,  gefenstert.  Maschen  oval, 
ziemlich  gleich,  klein.  Zweige  ziemlich  dünn.  Zooecien  länglich, 
etwa  cylindrisch  oder  rhombisch,  undeutlich  begrenzt.  Peristom  dünn, 
vorn  mit  einem  spaltförmigen  Sinus.  Dornen  fehlend.  Ooecien  rund- 
lich, mit  einem  Buckel  auf  der  Vorderseite,  unter  dem  sich  die  drei- 
lappige Narbe  befindet.  Avicularien  der  Vorderseite  klein,  oval  oder 
etwas  grösser  und  rundlich,  zerstreut.  Rückseite  mit  zerstreuten 
rundlichen  oder  ovalen  Avicularien. 

Sagamibai,  200  Fad.,  häufig. 

Verbreitung:  victoriensis:  S. -Australien,  33  Fad.  (Chall.)  var. 
japonica:  Nördl.  Japan,  Kobibai,  8  —  50  Fad.  (Chall.) 

8.  Retepora  punctiligera  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  24. 

Zoarium  gefenstert.  Maschen  etwas  unregelmässig,  klein,  oval 
oder  länglich.  Zweige  dünn.  Zooecien  länglich-rhombisch,  undeutlich 
begrenzt.  Peristom  rundlich,  mit  Sinus.  Oberfläche  punktiert.  Ooecien 
kugelig,  mit  3 lappiger  Narbe  und  zerstreuten,  deutlichen  Punkten. 
Avicularien:  auf  der  Vorderseite  der  Zellen  1  —  2  kleine,  rundliche, 
mit  halbkreisförmiger  Mandibel,  auf  der  Rückseite  ziemlich  viele 
ebensolche. 

Sagamibai,  40  und  130  Fad. 

9.  Retepora  cornuta  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  27. 

Zoarium  blattförmig,  gefenstert.  Fenster  oval,  ziemlich  gleich, 
Aeste  mittelstark.  Zooecien  undeutlich  begrenzt,  rhombisch.  Peristom 
vorn  mit  spaltförmigem  Sinus.  Ooecien  oval,  mit  einer  hornartigen 
Hervorragung  vorn  in  der  Mitte  und  dreilappiger  Narbe.  Avicularien 
der  Vorderseite  vielgestaltig,    eingesenkt  oder  erhaben,  mit  kleiner, 

3* 


36  Dr.  A.  Ortraann: 

ovaler  oder   halbkreisförmiger  Mandibel,  oder   grösser,   länglich ,  mit 
linealischer,   vorn  abgerundeter  Mandibel.     Solche  von  letzterer  Ge- 
stalt finden  sich  in  grösserer  Anzahl  am  Rande  der  Maschen.    Rück- 
seite mit  sparsamen,  rundlichen  oder  ovalen  Avicularien. 
Sagamibai,    40 — 150  Fad.,  nicht  selten. 

D.  Ooecien  unbekannt. 
10.  Retepora  axillaris  n.  sp.  Taf.  II.  fig.  25. 

Zoarium  blassrötlich,  gefenstert,  Fenster  rundlich  oder  oval, 
klein.  Aeste  dick.  Zooecien  rhombisch  oder  länglich -polygonal, 
deutlich  begrenzt.  Peristom  verdickt,  gezähnt,  mit  kurzem  Sinus. 
Ooecien  fehlen.  Avicularien  auf  der  Vorderseite  sparsam,  länglich,  mittel- 
gross. Mandibel  länglich  oder  spateiförmig,  stumpf.  In  den  Achseln 
der  Maschen  sitzt  je  ein  grösseres,  längliches  Avicularium,  mit  spatei- 
förmiger Mandibel,  das  von  der  Rückseite  auch  sichtbar  ist.  Letztere 
sonst  ohne  Avicularien. 

Sagamibai,  40  Fad.,  selten. 

Gattung:  Reteporella  Bsk. 
Verbreitung:  Heard-Ins.  und  Crozet-Ins. 

1.  Reteporella  peripherica  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  26. 

Zoarium  fächerförmig,  aus  dichotomen,  ziemlich  gleichlangen 
Zweigen  gebildet,  die  sich  von  einem  gemeinsamen  Stiel  erheben. 
Zooecien  länglich-oval,  eingesenkt.  Peristom  röhrig  erhaben,  mit 
rundlichem  Sinus.  Oberfläche  glatt.  Besonders  die  seitlichen  Zellen 
mit  2 — 3  gegliederten  Dornen,  die  jedoch  auch  fehlen  können.  Avi- 
cularien auf  der  Vorderseite  eingesenkt,  gewöhnlich  eins  im  unteren 
Teil  der  Zelle,  klein,  mit  halbkreisförmiger  Mandibel.  Ebensolche 
einzeln  auf  der  Rückseite.     Ooecien  rundlich. 

Aehnlich  ist  die  R.  flabellata  Bsk.,  aber  bei  peripherica  sind  die 
Zooecien  mehr  länglich,  der  Sinus  ist  rundlich,  nicht  spaltförmig, 
die  Oberfläche  glatt,  die  Dornen  sind  länger  gegliedert  und  fehlen 
häufig.     Auch  sind  Avicularien  auf  der  Rückseite  vorhanden. 

Sagamibai,  ca.  100  Fad. ,  nicht  selten.  —  Maizuru,  35  bis 
40  Fad.,  ein  Exemplar. 

2.  Reteporella  dendroides  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  27. 

Zoarium  unregelmässig  -  baumförmig ,  ungefähr  in  einer  Ebene 
verzweigt.  Zooecien  oval,  tief  eingesenkt.  Oberfläche  glatt.  Peristom 
etwas  erhaben,  mit  Sinus.  Hier  und  da  langgiiedige  Dornen  am 
Rande.  Avicularien  auf  der  Vorderseite  zahlreich,  zweierlei:  grössere 
mit  langer  und  spitzer  Mandibel  und  kleinere  mit  ovaler  oder  halb- 
kreisförmiger Mandibel.  Gewöhnlich  liegt  eines  seitlich  dicht  neben 
dem  Sinus.     Rückseite   gefeldert,   jedes  Feld  mit  einem    grösseren, 


Die  Japanische  Bryozoeni'auna.  37 

länglichen  Avicularium  und  mehreren  kleineren  rundlichen.    Ooecien 
rundlich. 

Sagamibai,  200  Fad.,  nicht  selten. 

3.  Reteporella  minor  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  28. 

Zoarium  zartästig,  baumförmig,  in  einer  Ebene  verzweigt.  Zooecien 
länglich-oval,  Oberfläche  glatt.  Peristom  röhrig,  in  verschiedene 
längere  und  kürzere  dornige  Fortsätze  ausgezogen,  mit  spaltförmigem 
Sinus.  Avicularien  auf  der  Vorderseite  klein,  je  eines  neben  dem 
Sinus  einzelne  zerstreut  auf  der  Vorderseite.  Mandibel  halbkreis- 
förmig. Rückseite  granuliert  mit  einzelnen  kleinen  Avicularien. 
Ooecien  rundlich,  mit  Längsspalt  auf  der  Vorderseite. 

Sagamibai,  100  —  200  Fad.  seltener. 

Gattung:  Cribrilina  Gr. 

Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.  Cribrilina  philomela  Bsk.  Taf.  I.  fig.  26. 

Chall.  Pol.  I.  p.  132.  pl.  XVII,  fig.  6.  pl.  XXII.  fig.  7. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  ungefähr  oval,  von  tiefen 
Furchen  getrennt.  Vorderseite  jederseits  mit  7  —  8  feinen  Furchen, 
die  von  feinen  Punkten  durchbohrt  sind.  Keine  Pore  unter  der 
Mündung.  Mündung  gross,  halbkreisförmig,  unterwärts  jederseits 
durch  einen  kleinen  Vorsprung  etwas  eingeengt.  Unterlippe  gerade. 
Ooecien  und  Avicularien  bei  meinen  Exemplaren  fehlend. 

Durch  das  inkrustierende  Zoarium  der  var.  adnata  Bsk.  ent- 
sprechend, aber  die  Avicularien  fehlen  gänzlich  und  die  Zellen  sind 
nur  selten  etwas  entfernt,  sondern  meist  dicht  gedrängt.  Aehnlich 
scheint  das  von  Kirkpatrick  von  Port  Philipp  erwähnte  Exemplar 
zu  sein.  —  Ann.  Mag.  N.  H.  (6)  IL  p.  13. 

Sagamibai,  50 — 100  Fad.,  häufig,  meist  auf  Muschelschalen 
(Pecten,  Lucina,  Leda  u.  a.). 

Verbreitung:  Marion-Ins.,  50  —  75  Fad.,  Heard-Ins.,  75  Fad. 
(Chall.).     Port  Philipp  (Kirkpatrick). 

2.  Cribrilina  reniformis  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  29. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  eckig- oval,  Vorderseite  mit 
kurzen  radialen  Furchen  am  Rande,  in  denen  nach  dem  Rande  zu 
2  Poren  hinter  einander  liegen,  die  zusammen  längs  des  Randes  eine 
Doppelreihe  von  Poren  bilden.  Mittelfeld  fein  granuliert.  Mündung 
halbkreisförmig,  Unterlippe  mit  einer  schwachen,  gerundeten  Her- 
vorragung, daher  die  Gestalt  der  Mündung  etwa  nierenförmig.  Avi- 
cularien fehlen.     Ooecien  rundlich,  mit  zerstreuten  Punkten. 

Sagamibai,  200  Fad.,  selten. 


38  Dr.  A.  Ort  mann: 

Gattimg:  Microporella  Hcks. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.  Microporella  ciliata  Pall.  sp.   Taf.  III.  fig.  5. 

Busk:    Cat.  Br.  Mus.  IL   p.  73.   pl.  LXXIV.   fig.  1—2. 

pl.  LXXVII.  fig.  3  —  5. 
Smitt:  Krit.  Fort.  Öfv.  Vet.  Ak.  Förh.  1867.  Bin.  p.  6. 
pl.  XXIV.    fig.  13.   Flor.  Br.  II.    p.  26.   pl.  VI. 
fig.  126  —  129. 
Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  206.  pl.  XXVIII.  fig.  1—8. 
Zoarium    inkrustierend.      Zooecien    eckig-oval,    von    deutlichen 
Linien  getrennt.     Oberfläche  punktiert.      Mündung    halbkreisförmig. 
Unterlippe  gerade.    Oberlippe  mit  5 — 7  Dornen.    Unter  der  Mündung 
eine  halbmondförmige  Pore.     An   einer  Seite  jeder  Zelle  ein  grosses 
Avicularium  mit  spitzer  Mandibel.     Ooecien  kugelig,   radial  gestreift 
oder  einfach  punktiert.      (Vgl.   Smitt,    Flor.  Br.  IL  pl.  VI.   fig.  126 
bis  129). 

var.  vibraculifera  Hcks.  (Ann.  Mag.  (5)  XL  p.  443.  pl.  XVII. 
fig.  2.) 

Avicularium  durch  einen  langen,  vibraculum- ähnlichen  Fortsatz 
ersetzt. 

Nur  diese  Varietät  findet  sich  in  der  Sagamibai,  70 — 250  Fad., 
nicht  selten. 

Verbreitung:  Kosmopolitisch:  Grönland,  Spitzbergen  (6  bis 
30  Fad.),  Nowaja  Semlja  (15  Fad.),  Norwegen  (300  Fad),  England, 
Roseoff,  Neapel  (40  Fad.) ,  Adriatisches  Meer,  Algier,  Florida  (7  bis 
60  Fad.),  Falkland-Ins.  (4 — 10  Fad.),  Californien,  Neu-Seeland,  Zan- 
zibar,  Aden,  Rothes  Meer.     var.  vibraculifera:  Kön.  Charlotte-Ins. 

Fossil:  sie  ist,  wie  es  scheint,  identisch  mit  der  Lepralia  pleuro- 
pora  Reu ss  (Foss.  Br.  d.  Oestr.-Ung.  Mioc.)    Miocän  und  Pliocän. 

2.  Microporella  climidiata  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  6. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  unregelmässig  quincuncial  ge- 
stellt, ungefähr  oval.  Mündung  halbkreisförmig,  Unterlippe  gerade. 
Unter  der  Mündung  eine  runde  Pore.  Seitlich  auf  einer  kurzen  Er- 
hebung ein  grosses  Avicularium  mit  dreieckiger  Mandibel.  Ooecien 
kugelig,  schwach  punktiert  und  radialstreifig.  Oberfläche  der  Zellen 
punktiert,  aber  nur  auf  der  nicht  vom  Avicularium  besetzten  Seite, 
letztere  nur  rauh. 

Vielleicht  zur  vorigen  Art  gehörig,  wogegen  nur  die  runde  Pore 
spricht. 

Sagamibai,  40  —  80  Fad.,  seltener. 

Gattung:  Diporula  Hcks. 
Verbreitung:  England,  Neapel. 


Die  Japanische  Bryozoenfaima.  39 

1.  Diporula  coronula  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  7. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  unregelmässig  gestellt,  poly- 
gonal oder  rechteckig,  kurz  und  breit  oder  mehr  länglich.  In  der 
Mitte  der  Vorderwand  eine  runde  oder  ovale  Pore,  bisweilen  sind 
deren  zwei  vorhanden.  Oberfläche  gross  und  undeutlich  punktiert. 
Mündung  hufeisenförmig:  Oberrand  kreisförmig  gebogen,  nach  unten 
zusammengezogen  und  jederseits  durch  einen  Vorsprung  eingeengt. 
Unterrand  gerade.  Um  den  Oberrand  ein  Kranz  von  einer  Anzahl 
kurzer  Dörnchen.  In  einer  etwas  ausgezogenen  seitlichen  und  oberen 
Ecke    vieler    Zellen    ein    Avicularium    mit    spateiförmiger    Mandibel. 

Sagamibai,    100  Fad. 

Gattung:  Lepralia  Johnst. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

A.  Unterlippe  ziemlich  gerade. 

1.  Lepralia  foliacea  Lmk.  sp.  Taf.  III.  fig.  1. 

Busk:  Cat.  Br.  Mus.  II.  p.  89.  pl.  CVI.  fig.  4—7. 

Zoarium  aufrecht,  aus  breiten,  mannigfach  gekrümmten  und 
coalescierenden  Blättern  gebildet.  Zooecien  ungefähr  oval,  deutlich 
oder  undeutlich  begrenzt.  Oberfläche  uneben.  Mündung  hufeisen- 
förmig, seitlich  in  der  Mitte  oft  etwas  eingeschnürt.  Unterlippe 
gerade,  unter  derselben  meist  ein  ldeines,  gerundetes,  bisweilen  ein 
grosses,  spatelförmiges  Avicularium. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt. 

Verbreitung:  N. -Europa,  Mittelmeer. 

2.  Lepralia  magnicella  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  8. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  gross,  unregelmässig  oval, 
deutlich  begrenzt.  Oberfläche  glänzend,  dicht  mit  feinen  Punkten 
bedeckt.  Mündung  oberwärts  gebogen,  nach  unten  kaum  verschmälert, 
aber  durch  einen  Zahn  jederseits  eingeengt.  Unterlippe  ziemlich 
gerade.  Avicularien  fehlend.  Ooecien  auffallend  klein,  kappenförmig, 
punktiert. 

In  der  Gestalt  der  Zooecien  und  der  Mündung,  sowie  in  der 
Beschaffenheit  der  Oberfläche  sich  an  L.  claviculata  Hcks.  (Ann. 
Mag.  (5)  XIII.  p.  50.  pl.  III.  fig.  2)  von  den  Kön.  Charlotte-Ins.  an- 
schliessend: durch  gänzliches  Fehlen  von  Avicularien  und  durch  die 
auffallend  kleinen  Ooecien  jedoch  unterschieden. 

Sagamibai,  40  Fad.,  selten. 

3.  Lepralia  japonica  Bsk.  Tf.  I.  fig.  11. 
Chall.  Pol.  I.  p.  143.  pl.  XVII.  fig.  5. 
Zoarium  dick,   locker  angeheftet,   teilweis  frei,  einschichtig,  von 
einer  gelbbraunen  chitinösen  Epithek  bedeckt.     Zooecien  etwa  birn- 
förmig,    unten    breit   abgestutzt.     Oberfläche  zerstreut,   aber  gleich- 


40  Dr.  A.  Ortmann: 

massig  und  deutlich  punktiert.     Oberrand  der  Mündung   halbkreis- 
förmig, Unterrand  gerade.     Ooecien  undeutlich. 

Sagamibai,  sehr  häufig  auf  Maja  longispina  de  Haan  auf- 
sitzend. —  Kadsiyama,  geringe  Tiefe.  —  Maizuru,  35 — 40  Fad., 
ebenfalls  auf  Maja  longispina. 

Verbreitung:  Japan,  Kobi,  8 — 50  Fad. 

4.  Lepralia  megalocarpa  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  9. 

Zoarium  inkrustierend,  gelbbraun.  Zooecien  in  unregelmässigen 
linearen  Reihen,  etwa  rechteckig,  meist  deutlich  begrenzt.  Oberfläche 
gefeldert- punktiert.  Mündung  halbkreisförmig,  Unterlippe  gerade, 
oder  ganz  schwach  gebogen.  Avicularien  fehlend.  Ooecien  gross, 
in  die  darüber  liegende  Zelle  eingesenkt  und  fast  deren  ganze  Vor- 
derwand einnehmend,  wenig  vorragend,  unregelmässig  granuliert- 
punktiert. 

Sagamibai,  auf  Maja  longispina,  selten. 

5.  Lepralia  bidentata  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  10. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  länglich,  von  scharfen,  ver- 
tieften Linien  begrenzt.  Oberfläche  sehr  regelmässig  punktiert. 
Mündung  halbkreisförmig,  Unterlippe  gerade.  Jederseits  in  der  Ecke 
ein  kräftiger  Zahn.     Avicularien  fehlen.     Ooecien? 

Sagamibai,  40  Fad.,  selten. 

B.  Unterlippe  etwas  ausgebuchtet.*)     Avicularien  meist  vorhanden. 

6.  Lepralia  symmetrica  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  11. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  in  alternierenden  Längsreihen 
oder  unregelmässig,  länglich,  undeutlich  begrenzt.  Mündung  rund- 
lich, Unterlippe  etwas  concav,  beiderseits  mit  einer  kleinen  Gelenk- 
grube. Jederseits  der  Mündung  ein  kleines,  aufrechtes,  auf  einer 
Seite  bisweilen  fehlendes  Avicularium,  mit  spitzer  Mandibel.  Ober- 
fläche runzelig  mit  zerstreuten,  unregelmässigen  Punkten.     Ooecien? 

Aehnlich  ist  diese  Art  der  L.  incisa  Bsk.  (Chall.  Pol.  I.  p.  145), 
aber  die  Zellen  sind  länger,  die  Oberfläche  ist  nicht  dicht  grubig- 
punktiert  und  die  Mandibeln  der  Avicularien  sind  spitz  (nicht  oval). 
Ferner  steht  sie  der  L.  vestita  Hcks.  (Ann.  Mag.  (5)  XV.  p.  256.  pl.  IX. 
p.  194  und  Waters:  Ann.  Mag.  (5)  XX.  p.  194.  pl.  VI.  fig.  21)  nahe, 
unterscheidet  sich  jedoch  durch  fehlende  braune  Epithek,  das  Fehlen 


*)  Die  folgenden  Arten  bilden  durch  die  etwas  ausgebuclitete  Unterlippe 
den  Uebergang  zu  gewissen  Formen  der  Gattung  Scbizoporella.  Sie  unter- 
scheiden sich  nur  dadurch,  dass  die  ganze  Unterlippe  an  der  Ausbuchtung  Teil 
nimmt,  und  kein  deutlich  abgesetzter  Sinus  vorhanden  ist. 


Die  Japanische  Bryozoenfauiia.  4 1 

des  erhabenen  weissen  Peristonis  und  durch  kleinere  und  gerade  auf- 
wärts gerichtete  Avicularien. 
Saganiibai,  150  Fad. 

7.  Lepralia  acuta  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  12. 

Zoarium  inkrustierend,  gelbbraun.  Zooecien  in  Längsreihen,  von 
undeutlichen,  vertieften  Linien  begrenzt.  Oberfläche  undeutlich  granu- 
liert-rauh.  Mündung  kreisförmig,  Deckel  halbkreisförmig.  Unterlippe 
gebogen,  ganz.  Unter  der  Mündung  in  der  Mittellinie  der  Zelle  ein 
kleines  Avicularium  mit  spitzer,  gerade  nach  unten  gerichteter  Man- 
dibel.     Ooecien  vorspringend,  rundlich,  granuliert. 

Sagamibai,  auf  Maja  longispina. 

8.  Lepralia  obtusata  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  13. 

Zoarium  inkrustierend,  gelbbraun.  Zooecien  in  Längsreihen, 
von  scharfen,  vertieften  Linien  begrenzt.  Oberfläche  punktiert.  Mün- 
dung kreisförmig,  Deckel  halbkreisförmig.  Unterlippe  gebogen,  ganz. 
Unter  der  Mündung,  in  der  Mittellinie  der  Zelle  ein  kleines  Avi- 
cularium mit  länglicher,  stumpfer,  gerade  nach  unten  gerichteter 
Mandibel.     Ooecien  rundlich,  vorspringend,  punktiert. 

Sagamibai,  auf  Dendrophyllia. 

Gattung:  Porella  Gr. 

Verbreitung:  Arktische  Meere,  N.- Europa,  St.  Lorenz-Golf, 
Madeira,  Cap  Verde- Ins.,  Kön.  Charlotte -Ins.,  Australien,  Indien, 
Mauritius.     Wahrscheinlich  kosmopolitisch. 

A.  Zoarium  aufrecht,  escharin. 

1.  Porella  fissurata  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  14. 

Zoarium  weisslich,  aufrecht,  verzweigt.  Zweige  stark,  unterwärts 
wenig,  oberwärts  bedeutender  comprimiert,  blattartig  verbreitert  und 
gelappt,  oft  coalescierend.  Zooecien  ziemlich  regelmässig  quincuncial 
gestellt,  rhombisch,  die  jüngeren  deutlich,  die  älteren  undeutlich  be- 
grenzt. Oberfläche  etwas  granuliert -rauh,  glänzend,  am  Rande  mit 
undeutlichen  Punkten.  Primäre  Mündung  (wie  der  Deckel)  etwa  halb- 
kreisförmig, Unterlippe  fast  gerade.  Sekundäre  Mündung  etwas  ver- 
längert, nach  unten  in  einen  undeutlichen  Sinus  verschmälert,  in 
dem  ein  sehr  kleines  Avicularium  mit  halbkreisförmiger  Mandibel 
sich  befindet.  Ooecien  wenig  vorragend,  mit  einer  mittleren  vorderen 
Längsspalte. 

Steht  der  P.  compressa  Sow.  =  Eschara  cervicornis  Bsk.  (Cat. 
Br.  Mus.  IL  p.  92.  pl.  CIX.  fig.  7.  pl.  CXIX.  fig.  1.  und  Hincks,  Br. 
Mar.  Pol.  p.  330.  pl.  XLV.  fig.  4 — 7)  am  nächsten,  unterscheidet  sich 
aber  durch  mehr  blattartig  verbreiterte  Zweigenden,  durch  das  sehr 
kleine  Avicularium  und  durch  den  Spalt  der  Ooecien. 

Sagamibai,  unbekannte  Tiefe. 


42  Di'-  A.  Ortmann: 

B.    Zoarium  inkrustierend. 
2.  Porella  concinna  Bsk.  sp.  Taf.  III.  fig.  19. 
Cat.  Br.  Mus.  IL  p.  67.  pl.  XCIX.  cf.  fig.  6. 
Hincks,  Br.  Mar.  Pol.  p.  323.  pl.  XLVI.  bes.  fig.  7  u,  9. 
Smitt:  Porella  laevis.  Krit.  Fort.  Skand.  Hafs-Br.  Ofv. 
Vet.  Forh.  1867.  Bih.  p.21.  pl.XXVI.  fig.  109— 123. 
Zoariimi  inkrustierend.      Zooecien    in    unregelmässigen    Reihen, 
länglich    polygonal,    punktiert    (bisweilen    etwas    netzig).      Mündung 
rundlich,  unten  etwas  zusammengezogen,  meist  länger  als  breit,  etwas 
erhaben  und  verdickt,  mit  einem  inneren  Zahn  im  schmalen  unteren 
Ende  und  mit  einem  kleinen  Avicularium  mit  runder  Mandibel  da- 
selbst.    Ooecien  kugelig,    sehr  fein  granuliert,   mit  einer   einfachen 
Pore  vorn  in  der  Mitte. 

Sagamibai,  200  Fad.,  auf  Lophohelia. 

Verbreitung:  Recent:  Grönland  (Torell).  Spitzbergen,  20  bis 
30  Fad.  (Schwed.Exp.).  Franz- Josef-Land  (Ridley).  Finmarken  (Loven). 
Norwegen  (Sars).  Shetland-Ins.,  40 — 170  Fad.  (Hcks.).  England, 
20—60  Fad.  (Bsk.  Hcks.).  Adriatisches  Meer,  20—55  Fad.  (Heller). 
St.  Lorenz  Golf  (Dawson).  Kön.  Charlotte-Ins.  (Hcks.).  Bass-Strasse 
(Hcks.).  —  Fossil:  Palaeolitisch  (A.  Bell).  Postpliocän  in  Canada 
(Dawson).     Schottische  Glacial- Ablagerungen  (Geikie). 

Die  Verbreitung  scheint  demnach  (bis  auf  das  Vorkommen  in 
der  Bass-Strasse)  circumpolar  zu  sein. 

3.  Porella  areolata  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  20. 

Zoarium  inkrustierend,  weisslich.  Zooecien  unregelmässig  in 
Reihen  gestellt,  polygonal.  Mündung  rundlich,  mit  verdicktem,  granu- 
liertem Peristom,  ohne  Sinus.  In  der  Mitte  der  Unterlippe  inner- 
halb des  Peristoms  ein  kleines,  ungefähr  ovales  A\dcularium,  auf 
einem  Zahne.    Oberfläche  unregelmässig  gefeldert-punktiert.    Ooecien? 

Sagamibai,  150  Fad.,  auf  Retepora  anatina  n.  sp. 

4.  Porella  transversalis  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  15. 
Zoarium  inkrustierend,   bräunlich.     Zooecien  in  Reihen  gestellt, 

unregelmässig  4 eckig.  Mündung  rundlich,  mit  verdicktem,  granu- 
liertem Peristom,  unterwärts  etwas  verschmälert.  Im  Innern  der 
Unterlippe  ein  quer  verbreiterter  Zahn  mit  einem  kleinen,  etwa 
ovalen  Avicularium.  Oberfläche  gefeldert-punktiert.  Ooecien  rundlich, 
granuliert. 

Sagamibai,  auf  Discodermia  japonica. 

5.  Porella  marsupium  Mac  G.  Taf.  III.  fig.  16. 

Hincks,  Ann.  Mag.  (5)  VIII.  p.  123.  pl.  I.  fig.  6. 
XIII.  p.  50.  pl.  IV.  fig.  4. 
Zoarmm  inkrustierend.    Zooecien  meist  in  alternierenden  Reihen. 
Mündung  rundlich,  unten   etwas  zusammengezogen.     Peristom  dick, 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  43 

auf  der  Vorderseite  geschwollen.  Innerhalb  der  Unterlippe  ein  breiter, 
kurzer  Zahn  mit  einem  rundlichen  Avicularium.  Oberfläche  glatt, 
gänzlich  oder  nur  am  Rande  punktiert.  Ooecien  granuliert  oder 
radialstreifig. 

var.  japonica  n.  Vorn  am  Unterrande  der  suboralen  Schwellung 
2 — 4  Poren.    Oberfläche  glatt     Ooecien  granuliert. 

Von  der  var.  porifera  Hcks.  (Ann.  Mag.  (5)  XIII.  p.  50.  pl.  IV. 
flg.  4)  durch  tiefere  Lage  der  Poren  (am  unteren  Rande  der  Schwellung), 
breiteren  Zahn  im  Innern  der  Mündung  und  nicht  radialstreifige 
Ooecien  verschieden.     Auch  sind   die  Zellen  quer  breiter. 

Sagamibai,  100  Fad.,  auf  Echinoidenschalen. 

Verbreitung:  Süd-Australien  (Mac  G.  Hcks.).  —  var.  porifera: 
Kön.  Charlotte-Ins.  (Hcks.). 

Gattung:  Escliaroides  Sm. 

Verbreitung:  Arktische  Meere,  N. -Europa,  St.  Lorenz-Golf, 
Golf  v.  Mexico,  Crozet-Ins.,  Heard-Ins.,  Mauritius,  Philippinen, 
Cap  York. 

1.  Escharoides  geminata  n.  sp.   Tai  III.  fig.  17. 

Zoarium  unregelmässig  verzweigt,  Zweige  gerundet,  stumpf. 
Zooecien  ohne  deutliche  Trennungslinien,  ungefähr  oval.  Oberfläche 
etwas  rauh.  Primäre  Mündung  rundlich,  Unterlippe  mit  einem  Zahn. 
Peristom  vorn  mit  tiefem  Sinus.  Zu  beiden  Seiten  desselben,  un- 
mittelbar daneben,  je  ein  kleines,  rundliches,  etwas  vorspringendes, 
fein  gezähntes  Avicularium  mit  halbkreisförmiger  Mandibel.  Zer- 
streut zwischen  den  Zellen  grosse  Avicularien  mit  spateiförmiger, 
abwärts  gerichteter  Mandibel.  Ooecien  mit  radialen  Streifen  am 
Rande. 

Maizuru,  35 — 40  Fad.,  häufig. 

2.  Escharoides  teres  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  21. 

Zoarium  weisslich,  mit  kurzem  Stiel,  von  dem  aus  zahlreiche, 
gerundete,  reich  verzweigte  Aeste  nach  allen  Richtungen  ausgehen. 
Zooecien  oval  oder  rhombisch,  undeutlich  begrenzt.  Oberfläche  granu- 
liert. Primäre  Mündung  rundlich,  sekundäre  mit  ziemlich  tiefem 
Sinus  im  unteren  Rande.  Dicht  an  dem  Sinus  auf  der  einen  Seite 
ein  etwas  vorspringendes  Avicularium  mit  halbkreisförmiger  Man- 
dibel, von  zweierlei  Grösse:  entweder  klein  (bei  den  meisten  Zellen), 
oder  grösser,  über  doppelt  so  gross  als  die  kleinen.  Ooecien  kugelig, 
granuliert. 

Sehr  ähnlich  der  E.  rosacea  Bsk.  sp. ,  aber  durch  gerundete 
Zweige  und  verschieden  grosse  Avicularien  verschieden. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt. 


44  Dr.  A.  Ortmann: 

3.  Escharoides  rhomboidalis  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  22. 

Zoarium  weisslich,  baimiförmig:  von  einem  dicken,  gerundeten 
Stiel  erheben  sich  wenig  zahlreiche,  etwas  verzweigte,  gegen  die 
Spitze  hin  comprimierte  Aeste.  Zooecien  rhombisch,  von  deutlichen 
Linien  begrenzt.  Oberfläche  scharf  und  regelmässig  grubig-punktiert, 
meist  an  jeder  der  4  Seiten  der  Rhomben  eine  Pore.  Primärmündung 
rundlich  oder  halbkreisförmig,  Peristom  vorn  mit  etwas  seitlich  ge- 
legenem Sinus.  Dicht  neben  diesem  auf  der  einen  Seite  ein  rund- 
liches Avicularium  mit  halbkreisförmiger  Mandibel.     OoecienV 

Sagamibai,  ein  Exemplar  aus  unbekannter  Tiefe,  ein  Bruch- 
stück aus  200  Faden. 

Gattung:  Smittia  Hcks. 

Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.   Smittia  landsborovii  Johnst.  sp.  Taf.  III.  fig.  23. 

Smitt:   Öfv.  Af.  K.  Vetensk.  Ak.  Förh.  1867.  Bih.  p.  12. 
pl.  XXIV.    fig.   63.    Flor.   Br.  IL   p.  60.    pl.  X. 
fig.  201—202. 
Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  341.  pl.  XL VIII.  fig.  6—9. 
Zoarium  inkrustierend.     Zooecien  rhombisch,  in  Reihen.     Ober- 
fläche längs  des  Randes  grubig-punktiert.    Mündung  rundlich,  inner- 
halb des  Unterrandes   ein  Zahn.     Peristom  dünn,   vorn  mit  ziemlich 
tiefem  Sinus.    Unter  diesem  ein  rundes  Avicularium.    Ooecien  kugelig, 
punktiert. 

Sagamibai,   200  Fad.,  selten. 

Verbreitung:  Grönland,  Spitzbergen  (Sm.).  Davis- Strasse, 
100  F.  (var.  Wallich.)  St.  Lorenz -Golf  (Hcks.).  England  (Hcks.). 
Florida,  176  F.  (Sm.).  Cap  Verde-Ins.,  100—200  F.  (var.  Chall.). 
Durban,  Natal  (Oates).  Australien  (Waters).  Marion-Ins.,  50 — 75  F. 
(Chall.) 

Fossil:  Schott.  Glacial- Ablagerungen  (Geikie). 

2.   Smittia  reticulata  Mac  G.  sp.  Taf.  III.  fig.  24. 

Busk:  Cat.  Br.  Mus.  II.  p.  ß6.  pl.  XC.  fig.  1.  pl.  XCIII. 

fig.  1.  2. 
Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  346.  pl.  XLVIII.  fig.  1—5. 

Ann.  Mag.  (5)  VIII.  p.  123.  XIV.  p.283.  pl.IX  fig.  2. 

Escharella  legentilii   Smitt:      Krit.  Fort.  Skand.  Hafs- 

Br.  IV.  p.  10.  pl.  XXIV.  fig.  50—52. 

Zoarium  inkrustierend.     Zooecien  länglich,    in    unregelmässigen 

Reihen,  durch  Leisten  getrennt.    Längs  des  Randes  mit  einer  Reihe 

felderartiger  grosser  Punkte,    sonst  nur    rauh    auf   der  Vorderseite. 

Mündung  rundlich,    mit    dünnem   Peristom    und    tiefem  Sinus.     Im 

Innern  drei  Zähne,  der  mittlere  am  grössten.    Unter  dem  Sinus  ein 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  45 

gerades  oder  schiefes  Avicularium  mit  spitzer  (bei  meinen  Exemplaren) 
nach  unten  gerichteter  Mandibel.     Ooecien  kugelig,  punktiert. 

Die  meisten  meiner  Exemplare  weichen  von  den  typischen  euro- 
päischen durch  schiefe  Lage  des  Aviculariums  ab.  Auch  fehlen  die 
Randdornen. 

Sagamibai,  40  —  80  Fad.,  nicht  selten. 

Verbreitung:  Norwegen,  2 —  300  Fad.  (Sm.).  Shetland-Ins., 
80  F.  England,  40-  80  Fad.  (Hcks.).  Roseoff  (Joliet).  Adriatisches 
Meer,  20  —  55  Fad.  (Heller).  Aegäisches  Meer  (Forbes).  Neu -See- 
land (Hutton).     Süd- Australien  (Hcks.)     Mauritius  (Kirkpatrick). 

3.  Smittia  marmorea  Hcks.   Taf.  III.  fig.  25. 
Ann.  Mag.  (5)  VI.  p.  79.  pl.  IX.  fig.  6. 
Br.  Mar.  Pol.  350.  pl.  XXXVI.  fig.  3—5. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  unregelmässig  oval,  in  unregel- 
mässige Reihen  gestellt,  deutlich  begrenzt.  Längs  des  Randes  mit 
einer  Reihe  von  Punkten,  sonst  mit  granulierter  Vorderseite.  Mün- 
dung rundlich,  Peristom  vorn  mit  Sinus.  Im  Innern  ein  breiter 
Zahn  (nach  Hincks).  Unter  dem  Sinus  ein  längliches,  spitzes  Avi- 
cularium, mit  gerade  nach  unten  gerichteter  Mandibel.  Ooecien 
kugelig,  punktiert. 

Von  Sm.  reticulata  wohl  nur  durch  die  kleinen  Randpunkte, 
sowie  (nach  Hincks)  durch  den  breiten  inneren  Zahn  abweichend. 
Letzteren  bildet  Hincks  nirgends  ab,  und  auch  bei  meinem  Exemplar 
ist  derselbe  nicht  sichtbar. 

Sagamibai,  50 — 80  Fad.,  nur  ein  Exemplar. 

Verbreitung:  England,  ?  Neapel,  Madeira  (Hcks.).  Mauritius 
(Kirkpatrick). 

4.  Smittia  trispinosa  Johnst.  sp.  Taf.  III.  fig.  26. 

Busk:   Cat.  Br.  Mus.  II.    p.  70.   pl.  LXXXV.   fig.  1.  2. 

pl.  XCVIII.  pl.  CII    fig.  2. 
Escharella  jacotini  Smitt:    Ofv.  K.  Vetensk.  Ak.  Förh. 
1867.  Bih.  p.  11.  pl.  XXIV.  fig.  53—57. 
Flor.  Br.  n.  p.  59.  pl.  X.  fig.  199.  200. 
Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  353.  pl.  XLIX.  fig.  1—8. 

Ann.  Mag.  (5)  XHI.  p.  51.  p.  361.  pl.  XIII.  fig.  6.  7. 
XIV.  p.  283.  pl.  IX.  fig.  4.  5. 
XIX.  p.  304.  pl.  IX.  fig.  3. 
Zoarium    inkrustierend.      Zooecien    länglich,    unregelmässig    ge- 
stellt.    Oberfläche  granuliert,  längs  des  Randes  punktiert.    Peristom 
dünn,  Unterlippe  mit  Sinus.     Unter  der  Mündung,  seitlich,  ein  Avi- 
cularium von  verschiedener  Gestalt.     Ueber  der  Mündung  meist  2 
bis  3  Dornen. 

Von  den  beiden  vorigen  Arten  auch  kaum  verschieden. 


46  Dr.  A.  Ortmann: 

var.  japonica  n.  Peristom  undeutlich  gezähnt.  Avicularien 
gross,  Mandibel  spitz,  nach  oben  gerichtet.     Dornen  fehlend. 

Sagamibai,  40  Fad.,  selten. 

Verbreitung:  Kosmopolitisch:  Spitzbergen,  Norwegen  (Sm.). 
England,  Schottland,  Irland  (Bsk.).  St.  Lorenz-Golf  (Hcks.).  Florida, 
13—44  Fad.  (Sm.).  Adriatisches  Meer  (Hcks.).  Cap  Hörn,  40  Fad. 
(Darwin).  Mazatlan  (Hcks.).  Californien  (Mus.  Strassburg).  Kön. 
Charlotte -Ins.  (Hcks.).  Süd -Australien  (Hcks.).  Ost -Indien,  Aden 
(Anderson). 

5.  Smittia  adeonelloides  n.  sp.  Taf.  IL  fig.  9. 

Zoarium  aufrecht,  baumförmig,  dichotom  verzweigt,  sehr  ähnlich 
der  Adeonella  japonica  n.  sp.  Zweige  flach,  beiderseits  mit  Zooecien. 
Letztere  ohne  deutliche  Begrenzungslinien ,  oval,  Oberfläche  mit 
grossen,  flachen,  undeutlichen  Gruben.  Primäre  Mündung  rundlich, 
Unterlippe  mit  einem  Zahn.  Peristom  erhaben,  mit  tiefem  und 
schmalem  Sinus.  Unterhalb  und  seitlich  von  der  Mündung  ein  ziemlich 
grosses  Avicularium  mit  dreieckiger,  lang  zugespitzter,  nach  aussen 
gerichteter  Mandibel.     Ooecien? 

Sagamibai,  60  —  200  Fad. ,  sehr  häufig,  in  Gesellschaft  von 
Adeonella  japonica  n.  sp. 

Gattung:  Mucronella  Hcks. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.  Mucronella  ellerii  Mac  G.  Taf.  III.  fig.  27. 

Hinks:  Ann.  Mag.  (5)  VIII.  p.  124.  pl.  I.  fig.  5. 
X.  p.  167.  pl.  VIII.  fig.  2. 
Waters:  Ann.  Mag.  (5)  XX.  p.  194. 
Zoarium  aufrecht,  einschichtig,  blattartig,   selten  inkrustierend. 
Zooecien  länglich,    Mündung  gross,    rundlich.     Unterrand  jederseits 
mit  einem  scharfen  Zahn  und  in  der  Mitte  mit  einem  breiten,  massiven 
Vorsprung,    der  an    der  Basis    geschwollen  ist  und  auf  einer  oder 
beiden  Seiten  ein  Avicularium  trägt.     Oberfläche  mit  tiefen  Poren, 
die  im  Alter  netzförmig  verbunden  erscheinen. 

var.  japonica  n.  Von  der  var.  porosa  Hcks.  durch  das  Fehlen 
des  einen  Aviculariums  an  der  Seite  des  Vorsprunges  und  das  ovale, 
nicht  runde  Avicularium  verschieden.  Bisweilen  mit  einem  kleinen 
runden  Avicularium  an  der  Spitze  des  Vorsprunges,  wie  var.  biavi- 
culata  Wat.  Von  dieser  und  der  var.  vultur  Hcks.  durch  ovales, 
nicht  lang-dreieckiges  Avicularium  und  das  Fehlen  der  Dornen  ober- 
halb der  Mündung  unterschieden.  * 

Sagamibai,  100  Fad.,  selten.  Einmal  auf  Maja  longispina 
inkrustierend. 

Verbreitung:  Süd- Australien  (Mac  G.  Hcks.  Wat.). 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  47 

2.  Mucronella  lateralis  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  28. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  imregelmässig  rhombisch  od. 
polygonal ,  undeutlich  begrenzt.  Oberfläche  etwas  rauh.  Mündung- 
halbkreisförmig,  Unterlippe  mit  einem  breiten,  dreieckigen,  spitzen 
od.  gerundeten  Vorsprung.  Avicularien  bei  manchen  Zellen  vor- 
handen, auf  einer  Seite  der  Mündung,  sich  lang  an  der  Seite  der 
Zelle  hinstreckend,  mit  langer,  schmaler,  spitzer,  etwas  gebogener 
Mahdibel.  Die  Avicularien  tragenden  Zellen  stehen  oft  gruppenweise 
beisammen.     Ooecien? 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt. 

3.  Mucronella  tricuspis  Hcks.  Taf.  III.  fig.  29. 
Ann.  Mag.  (5)  VIII.  p.  125.  pl.  III.  fig.  1. 
Busk,  Chail.  Pol.  I.  p.  159.  pl.  XXII.  fig.  3. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  eckig-oval,  deutlich  getrennt, 
durchsichtig,  fast  glatt.  Mündung  quer- elliptisch,  drei  lange  Dornen 
am  Oberrand.  Vorn  von  einer  ,, wandschirmartigen"  Erhöhung  ge- 
schlossen, die  in  der  Mitte  sich  zu  einem  oben  gerundeten  Fortsatz 
erhebt,  zu  dessen  Seiten  sich  je  ein  vorspringender  Lappen  befindet. 
In  der  Mitte  des  Fortsatzes  eine  Furche.  An  einer  oder  beiden 
Seiten  einer  Zelle,  ungefähr  in  der  Mitte,  ein  vorspringendes  Avi- 
cularium,  mit  schlanker,  nach  aussen  gerichteter  Mandibel.  Ooecien 
rundlich,  glatt,  mit  einer  erhabenen  Leiste  rings  um  die  grosse 
Oeffnung. 

var.  japonica  n.  Der  mittlere  Fortsatz  breiter  und  länger  als 
in  der  Abbildung  bei  Hinks.  Ooecialzelle  jederseits  der  Oeffnung 
mit  einem  Dorn. 

Kadsiyama,    geringe  Tiefe,  auf  Tangen,  selten. 

Verbreitung:  Feuerland  und  Chiloe  (Darwin).  Falkland -Ins., 
12  Fad.  Simons-Bai  (Cap.  d.  g.  Hoffh.).  Prinz  Edward -Ins.,  80 
bis  150  Fad.  (Chall).    Bass-Strasse  (Hcks.). 

4.  Mucronella  lanceolata  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  30. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  oval,  besonders  im  Alter  un- 
deutlich begrenzt.  Am  Rande  ringsum  mit  einer  unregelmässigen 
Reihe  grubiger  Punkte.  Mündung  rundlich.  Unterlippe  mit  einem 
mittleren  und  zwei  seitlichen,  gerundeten  Zähnen.  Avicularien  mehrere 
auf  jeder  Zelle,  meist  4,  von  denen  zwei  seitlich  von  der  Mündung 
und  zwei  mehr  nach  unten,  ungefähr  in  der  Mitte  der  Zelle  liegen, 
klein,  mit  schmal  lanzettlicher  Mandibel.  Hier  und  da  an  der  Seite 
einer  Zelle  unter  der  Mündung  ein  grösseres  Avicularium  mit  langer, 
schmaler,  stumpfer  oder  spitzer,  nach  unten  gerichteter  Mandibel. 
Ooecien  kugelig,  eingesenkt,  wenig  deutlich,  punktiert. 

Sagamibai,  auf  Discodermia  japonica. 


48  Dr.  A.  Ortmann: 

5.  Mucronella  serratimargo  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  33. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  rechteckig,  in  Reihen  gestellt. 
Oberfläche  punktiert.  Mündung  halbkreisförmig.  Unterrand  gerade 
mit  zwei  Ausbuchtungen,  die  einen  vier-  oder  dreieckigen  Zahn  ein- 
schliessen.  Oberrand  mit  2 — 3  Dornen.  Dicht  unter  der  Mündung, 
etwas  seitlich,  eine  Hervorragung  mit  einem  ovalen  Avicularium. 
An  der  Basis  einzelner  Zellen  ein  grosses,  längliches  Avicular,ium 
mit  gezähntem  Rande  und  langer,  vorn  gerundeter  Manclibel. 
Ooecien? 

Sagamibai,  200  Fad.,  auf  Retepora  anatina  n.  sp.,  selten. 

6.  Mucronella  inconspicua  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  31. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  eingesenkt,  Trennungslinien 
sind  nicht  vorhanden,  daher  nur  die  Mündungen  sichtbar.  Diese  in 
wechselnden  Entfernungen  von  einander,  rundlich,  Unterlippe  in  der 
Mitte  mit  einer  vorspringenden,  schmalen  Spitze,  daneben  jederseits 
noch  ein  kurzer,  breiter,  gerundeter  Vorsprung.  Unter  der  Mündung 
jederseits  ein  grösseres  oder  kleineres  Avicularium,  mit  spatei- 
förmiger, nach  aussen  und  unten  gerichteter  Manclibel.  Ausserdem 
noch  einzelne,  unregelmässig  gestellte,  ähnliche  über  die  Oberfläche 
des  Zooeciums  zerstreut.     Oberfläche  undeutlich  grubig-punktiert. 

Sagamibai,  40  Faden,  sehr  häufig,  mit  Vorliebe  auf  Maja 
longispina  aufsitzend. 

Gattung:  Schizoporella  Hcks. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

A.  Mündung  im  Grossen  und  Ganzen  halbkreisförmig  oder  rundlich. 

Sinus  undeutlich,  breit  und.  flach,  fast  die  ganze  Unterlippe 

einnehmend.  *) 

1.  Schizoporella  ternata  n.  sp.  Taf.  VIII.  fig.  34. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  länglich,  unregelmässig  4  eckig, 
von  scharfen  Linien  begrenzt.  Mündung  rundlich,  unterwärts  zu- 
sammengezogen und  mit  undeutlich  abgesetztem,  breitem  Sinus. 
Oberfläche  netzig  punktiert.  Avicularien  vorhanden:  in  der  Mittel- 
linie jeder  Zelle  unterhalb  der  Mündung  eines  und  häufig  zu  einer 
oder  beiden  Seiten  der  Mündung  je  ein  weiteres,  so  dass  gewöhnlich 
drei  vorhanden  sind. 

Sagamibai,  100  Fad.,  auf  Wurmröhren  und  Echinoiden- 
schalen. 


-*)  Die  hierher  gehörigen  Arten  schliessen  sich  eng  an  die  in  Gruppe  B. 
bei  Lepralia  .stellenden  an. 


Die  Japanische  Bryozoenfaima.  49 

2.  Schizoporella  unicornis  Johnst.  sp.    Taf.  III.  fig.  35. 

=  Lepralia  spinifera  Bsk.    (pars).    Cat.  Br.  Mus.  II.  p  69. 
pl.  LXXX.  fig.  5.  6. 
Heller:  Br.  Adr.  p.  104. 

Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  238.  pl.  XXXV.  fig.  1—5. 
Ann.  Mag.  (5)  XVI.  p.  266.  pl.  X.  fig.  3. 
Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  oval  oder  rechteckig,  von  ver- 
tieften Linien  getrennt,  in  Längsreihen.  Oberfläche  punktiert. 
Mündung  halbkreisförmig,  Unterrand  gerade,  mit  mittlerem  Sinus. 
Unterhalb  der  Mündung  vorn  auf  der  Zelle  ein  verschieden  gestalteter 
Buckel  oder  Höcker.  Jederseits  der  Mündung  oder  nur  auf  einer 
Seite  ein  Avicularium  mit  spitzer,  nach  oben  und  aussen  gerichteter 
Mandibel.     Ooecien  kugelig,  mit  radialen  Furchen. 

var.  japonica  n.  Fast  die  ganze  Unterlippe  von  dem  flachen, 
undeutlich  abgesetzten  Sinus  eingenommen.  Oberfläche  dicht  ge- 
feldert-  punktiert.  Avicularium  nur  auf  einer  Seite  der  Mündung, 
häufig  auch  ganz  fehlend. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt. 

Verbreitung:  Recent:  England (Hcks).  S.W.-Frankreich (Fischer). 
Adriatisches  Meer,  20 — 55  Fad.  (Heller).  Neapel  (Waters).  Gibraltar 
Landsb.).  Nord -Amerika  (Leidy).  Süd- Afrika  (Oates).  —  Fossil: 
Palaeolitisch  (A.  Bell).     Tertiär,  häufig. 

ß.  Mündung  rundlich.    Sinus  breit  oder  schmal,  deutlich  abgesetzt. 
3.  Schizoporella  aterrima  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  36. 

Zoarium  aufrecht ,  blättrig ;  niedrige ,  krause  Rasen  bildend. 
Farbe  kohlschwarz.  Zooecien  beiderseitig,  selten  und  nur  auf  den 
horizontalen  Lappen  einseitig,  langgestreckt,  in  Längsreihen.  Mündung 
rundlich,  mit  breitem  Sinus  vorn  in  der  Mitte.  Oberfläche  punktiert. 
Avicularien  fehlen.    Ooecien? 

Sagamibai,  am  Strande. 

var.  subatra  n.  Farbe  schwarzbraun. 

Sagamibai,  50  — 100  Fad. 

4.  Schizoporella  cleidostoma  Sm.  sp.  Taf.  III.  fig.  37. 

Lepralia  cleid.  Smitt:   Flor.  Br.  IL  p.  62.  pl.  XL  fig.  217 
bis  219. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  rhombisch,  deutlich  oder  un- 
deutlich begrenzt.  Oberfläche  undeutlich  granuliert  oder  fast  glatt. 
Mündung  keulenförmig:  oberwärts  mit  kreisförmigem  Rande,  unten 
mit  breitem  und  tiefem,  durch  2  Zähne  scharf  abgesetztem  Sinus. 
Ein  seitliches  Avicularien  auf  vielen  Zellen,  mit  spitzer,  nach 
Aussen  gerichteter  Mandibel.  Ooecien  (nach  Smitt).  mit  radialen 
Streifen. 

Arch.  f.  Naturgescli.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  1.  4 


50  Dr.  A.  Ortmann: 

var.  japonica  n.  Ooecien  nicht  radialstreifig.  Mandibel  der 
Avicularien  etwas  kürzer  und  breiter  als  bei  der  Hauptart. 

Sagamibai,  100  Fad. 

var  inermis  n.  (=  Lepr.  cleidostoma  Sm.  var.  Hincks,  Ann. 
Mag.  (5)  XIII.  p.  212).     Avicularien  ganz  fehlend. 

Sagamibai  100  Fad. 

Verbreitung:  Florida,  30 — 120  Fad.  (Smitt).  —  var.  inermis: 
Kön.  Charlotte-Ins.  (Hcks.)  -  -  var.  orbicularis  Hcks.  (Ann.  Mag. 
(5)  VIII.  p.  122).  Bass-Strasse  (Hcks.). 

5.  Schizoporella  oenochros  n.  sp.   Taf.  III.  fig.  18. 

Zoarium  inkrustierend,  weinrot  gefärbt.  Zooecien  ungefähr  recht- 
eckig, undeutlich  begrenzt,  in  Längsreihen.  Oberfläche  gefeldert- 
punktiert.  Mündung  rundlich,  mit  ziemlich  tiefem,  schmalem  Sinus. 
Avicularien  fehlend.  Ooecien  eingesenkt,  wenig  deutlich  vortretend, 
punktiert. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt. 

C.   Mündung  halbkreisförmig.     Unterlippe  gerade,  in  der  Mitte  ein 
deutlich  abgesetzter,  meist  breiter  und  wenig  tiefer  Sinus. 

6.  Schizoporella  pellucida  n.'sp.  Taf.  IV.  fig.  1. 

Zoarium  eine  dünne,  durchsichtige  Kruste  bildend.  Zooecien 
unregelmässig  4 eckig,  in  Reihen  gestellt,  durch  scharfe  Linien  ge- 
trennt. Vorderseite  netzig -punktiert.  Mündung  halbkreisförmig, 
Unterrand  gerade,  mit  weitem  und  flachem  Sinus.  Unter  der  Mün- 
dung, in  der  Mittellinie  der  Zelle  ein  längliches,  stumpfes  Avi- 
cularium.     Ooecien  kugelig,  punktiert. 

In  der  Struktur  der  Oberfläche  der  Seh.  triangula  Hcks.  (Ann. 
Mag.  (5)  VIII.  p.  12.  pl.  IL  fig.  4.),  in  der  Gestalt  der  Mündung  der 
Seh.  longirostrata  Hcks.  (Ann.  Mag.  (5)  XL  p.  447.  pl.  XVII.  fig.  4) 
sich  nähernd. 

Sagamibai,  40 — 200  Fad.    Maizuru,  35 — 40  Fad.,  sehr  häufig. 

var.:  nuda  n.  Avicularium  fehlend. 

Sagamibai,  40  Fad.,  selten. 

7.  Schizoporella  brunnescens  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  2. 

Zoarium  inkrustierend,  gelblich-braun.  Zooecien  in  Längsreihen, 
etwa  rechteckig,  undeutlich  begrenzt.  Oberfläche  mit  grossen,  flach- 
grubigen  Punkten.  Mündung  halbkreisförmig,  Unterlippe  gerade,  mit 
ziemlich  flachem  und  breitem  Sinus  in  der  Mitte.  Avicularien  fehlend. 
Ooecien  undeutlich,  eingesenkt,  rundlich,  punktiert. 

Sagamibai,  auf  Dendrophyllia. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  51 

8.  Schizoporella  subhexagona  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  3. 

Zoarium  inkrustierend,  graubraun.  Zooecien  unregelmässig  sechs- 
eckig, fast  so  breit  als  lang,  von  scharfen  Linien  begrenzt.  Ober- 
fläche ziemlich  regelmässig  punktiert.  Mündung  halbkreisförmig, 
Unterlippe  gerade,  in  der  Mitte  mit  einem  flachen,  aber  deutlichen 
Sinus.    Avicularien  fehlend.    Ooecien  rundlich,  eingesenkt,  punktiert. 

Am  ähnlichsten  ist  diese  Art  der  Seh.  subsinuata  Hcks.  (Ann. 
Mag.  (5)  XIV.  p.  280.  pl.  VIII.  fig.  1),  unterscheidet  sich  aber  durch 
die  Gestalt  der  Mündung,  die  breiteren  Zooecien,  den  fehlenden 
Buckel  unter  der  Mündung  und  die  Sculptur  der  Vorderwand. 

Sagamibai,  auf  Discodermia  japonica  und  calyx. 

D.    Mündung  halbkreisförmig.     Unterlippe  gerade.     Sinus  tief 

und  schmal. 

9.  Schizoporella  caecilii  Aud.  sp.   Taf.  IV.  fig.  4. 

Busk:  Quat.  Journ.  Micr.  Sc.  Zooph.  V.  p.  173.  pl.  XV. 

fig.  6.  7. 
Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  269.  pl.  XLIII.  fig.  6. 
'PLepralia  perugiana  Heller:  Br.  Adr.  p.  26.  pl.  II.  fig.  10. 
Vgl.  Hincks:  Ann.  Mag.  (5)  XIX.  p.  302. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  oval  oder  eckig,  von  scharfen 
Linien  begrenzt.  Oberfläche  dicht  punktiert,  nur  in  der  Mitte  ein 
erhabener  glatter  Fleck.  Mündung  halbkreisförmig,  Unterlippe  gerade, 
mit  einem  spaltförmigen ,  tiefen  Sinus  in  der  Mitte.  Avicularien 
fehlen.     Ooecien  kugelig,   vorragend,   sehr  fein  granuliert,  periweiss. 

Der  erhabene  glatte  Fleck  (Umbo)  bei  meinen  Exemplaren  flach, 
länglich.    (Vgl.  Waters,  Ann.  Mag.  (5)  III.  p.  31). 

Sagamibai,  40 — 150  Fad.,  sehr  häufig. 

var.  mediolaevis  n.    Glattes  Feld  in  der  Mitte  der  Zelle  grösser. 

Sagamibai,  40  Fad. 

Verbreitung:  England  (Hcks.).  Mittelmeer.  (Heller,  Waters). 
Australien,  33  Fad.  (Chall.).  Kön.  Charlotte-Ins.  (Hcks.)  Japan  (Kino 
Channel,  Waters).     Rothes  Meer  (Waters). 

Gattung:  Mastigopliora  Hcks. 

Verbreitung:  N.-Europa,  Madeira,  Florida,  Rothes  Meer,  Mau- 
ritius, S.- Afrika. 

1.  Mastigopliora  dutertrei  Aud.  sp.  Taf.  IV.  fig.  5. 
Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  279.  pl.  XXXVII.  fig.  1.  2. 
Zoarium  inkrustierend.     Zooecien   unregelmässig  oval,    deutlich 
begrenzt,    gewöhnlich    am  Rande  punktiert.     Oberfläche  granuliert. 
Mündung  halbkreisförmig,  Unterlippe  gerade,  mit  einem  Sinus  in  der 

4* 


52  Dr.  A.  Ortmann: 

Mitte.  5  —  6  Randdornen.  Jederseits  der  Mündung  ein  Vibraculum. 
Ooecien  kugelig,  dicht  mit  der  Zelle  verwachsen,  oft  fast  eingesenkt, 
klein. 

var.  japonican.  Mündung  verlängert  halbkreisförmig,  schmaler 
als  hoch.  Am  Rande  der  Mündung  der  sterilen  Zellen  7  Knoten,  bei 
den  fertilen  2 — 3  jederseits.  Setae  der  Vibracula  bei  meinem  Exemplar 
nicht  mehr  vorhanden. 

Aehnelt  in  der  Gestalt  der  Mündung,  der  fast  glatten  Oberfläche 
und  durch  die  Anzahl  der  Knoten  am  Rande  der  Mündung  so  sehr 
der  Hippothoa  pes  anseris  Sm.  (Flor.  Br.  IL  p.  43.  pl.  III.  fig.  159), 
die  nach  Hincks  nur  durch  die  eigentümliche  Gestalt  der  Setae  der 
Vibracula  sich  von  Mastigophora  dutertrei  unterscheidet,  dass  die 
Zugehörigkeit  meines  Exemplars  zu  der  letzteren  Art,  zu  der  auch 
H.  pes  anseris  als  Varietät  zu  stellen  sein  wird,  trotz  der  fehlenden 
Setae  der  Vibracula  unzweifelhaft  ist. 

Sagamibai,  100  Fad.,  auf  Leda,  ein  Exemplar. 

Verbreitung:  England,  60  Fad.  Shetland-Ins. ,  80  — 170  Fad. 
(Hcks.).  Rothes  Meer  (Savigny).  Madeira  (J.  Y.  J.).  —  var.:  pes 
anseris:  Florida,  42  Fad.  (Sm.)  Mauritius  (Kirkpatrick). 

Gattung:  Chorizopora  Hcks. 

Verbreitung:  Europa,  Madeira,  S, -Afrika,  Tristan  da  Cunha, 
S.- Amerika,  Sandwich-Ins.,  Kerguelen. 

1.  Chorizopora  discreta  Bsk.  sp.  Taf.  IV.  flg.  6. 
Cat.  Br.  Mus.  IL  p.  85.  pl.  GL  fig.  3.  4. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  cylindrisch  oder  lang-oval,  von 
Querleisten  geringelt,  entfernt  von  einander  und  an  der  Basis  durch 
röhrenförmige  Fortsätze  verbunden,  glashell.  Mündung  der  sterilen 
Zellen  rundlich,  mit  Sinus,  der  fertilen  halbkreisförmig,  mit  geradem 
Unterrand.     Ooecien  gross,  Vorderseite  mit  senkrechtem  Kiel. 

Bei  der  nahe  verwandten  Schizoporella  hyalina  L.  sp.  ist  die 
Gestalt  der  Mündung  der  fertilen  und  sterilen  Zellen  ebenfalls  ver- 
schieden.    Vgl.  Hincks,  Br.  Mar.  Pol.  pl.  XVIII.  fig.  9. 

Kadsiyama,  geringe  Tiefe,  auf  Tang. 

Verbreitung:  Falkland-Ins. ,  4 — 10  Fad.  (Bsk.).  Feuerland 
(Darwin).     Californien  (Greville). 

Gattung:  Hippothoa  Lmx. 
Verbreitung:  Cosmopolitisch. 

1.  Hippothoa  connata  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  7. 

Zoarium  angewachsen,  aus  getrennten,  einzeiligen  Zellreihen 
bestehend,  verzweigt.  Zweige  von  den  Seiten  der  Zellen  entspringend. 
Zooecien  rundlich-polygonal,  mit  einer  etwas  ausgezogenen  Ecke  oder 


Die  Japanische  Bryozoenfauiia.  ;,;; 

mit    einem    kurzen    dünnen    Stiel    zusammenhängend.      Oberfläche 
punktiert.    Mündung  haikreisförmig,  Unterlippe  gerade,  mit  schmalem, 
deutlichem  Sinus.     Oberlippe  mit  2 — 4  kleinen,  stumpfen  Höckern. 
Sagamibai,  200  Fad.,  selten. 

Gattung:  Myriozoum  Don. 

Verbreitung:  Arktisches  Meer,  Mittelmeer,  Brasilien,  König. 
Charlotte-Ins.,  Sandwich-Ins.,  Prinz  Edward,  Heard,  Crozet,  Marion-Ins. 

Die  beiden  Arten  gehören  zu  den  Myr.  dubia  Busk.  (Ghali. 
Pol.  I.  p.  169). 

1.  Myriozoum  superficiale  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  2. 

Zoarium  unregelmässig  baumförmig  verzweigt.  Zweige  cylin drisch, 
ziemlich  gleich  dick,  stumpf.  Zooecien  ohne  deutliche  Trennungs- 
linien. Mündung  oberflächlich,  sowohl  an  der  Spitze  der  Zweige 
als  auch  an  den  älteren  Teilen  nicht  vorragend,  an  den  letzteren 
etwas  eingesenkt.  Primärmündung  rundlich,  mit  kleinem  Sinus, 
sekundäre  rund.  Oberfläche  der  jüngeren  Teile  deutlich  grubig 
punktiert,  an  den  älteren  sind  die  Punkte  undeutlich.  Avicularien 
fehlen.     Ooecien? 

Steht  dem  M.  immersum  Bsk.  (Ghali.  Pol.  I.  p.  170.  pl.  XXV.  fig.  4) 
durch  die  nicht  vorragenden,  häufig  eingesenkten  Mündungen  nahe, 
unterscheidet  sich  aber  besonders  durch  die  punktierte  Oberfläche 
und  das  Fehlen  der  Avicularien. 

Sagamibai,  70— 100  Fad. ,  nicht  häufig. 

2.  Myriozoum  pulchrum  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  8. 
Zoarium  ein  aufrechtes,  unterwärts  mit  kurzen,  in  ziemlich  regel- 
mässigen Abständen  abgehenden,  wenig  geteilten  Zweigen  besetztes, 
oberwärts  mit  mehrfach  dichotom  geteiltem  Gipfel  versehenes  Bäum- 
chen darstellend.  Zweige  gerundet,  ziemlich  gleich  dick,  stumpf. 
Zooecien  oberwärts  etwas  vorragend,  Mündung  rundlich,  mit  Sinus. 
Seitlich  vom  Sinus  ein  gerundetes  Avicularium.  An  den  älteren  Teilen 
sind  die  Mündungen  eingesenkt,  halbkreisförmig,  mit  dem  Avicularien 
in  einer  Ecke.  Oberfläche  oberwärts  deutlich,  unterwärts  undeutlich 
punktiert.     Ooecien? 

Sagamibai,  60 — 150  Fad.,  nur  ein  Exemplar. 

Gattung:  Adeonella  Bsk. 
Verbreitung:    Adriatisches   Meer,    Madeira,    Azoren,    Florida, 
Brasilien,    S. -Afrika,    S.- Amerika,    Tristan    da    Cunha,    Australien, 
Philippinen. 

1.  Adeonella  tuberculata  Bsk.  Taf.  IV.  fig.  9. 
Chall.  Pol.  I.  p.  180. 
=  Eschara  lichenoides  Bsk.  Cat.Br.  Mus.  IL  p.90.  pl.CVI. 
Zoarium    aus  in  einer  Ebene   verzweigten,    schmalen,    zungen- 
förmigen  Blättern  gebildet,   festgewachsen  (auf  Gastropodenschalen), 


54  Dr.  A.  Ortmann: 

ohne  biegsamen  Träger.  Zooecien  oval,  quincuncial  gestellt.  Mün- 
dung ungefähr  halbkreisförmig.  Jederseits  dicht  unter  der  Mündung 
ein  kleines  ovales,  vorragendes  Avicularium.  Ungefähr  in  der  Mitte 
der  Zelle  oder  etwas  über  der  Mitte  eine  Gruppe  von  5  —  7  stern- 
förmigen Poren,  die  oft  zu  einer  einzigen  verschmelzen.  Bisweilen 
im  unteren  Teil  der  Zelle  ein  einzelnes  Avicularium.  Am  Rande  der 
Zweige  keine  besonders  gestalteten  Avicularien. 

Von  der  Abbildung  bei  Busk  durch  die  Gruppe  von  5  —  7 
(nicht  3 — 4)  Poren  und  durch  das  bisweilen  im  unteren  Teil  der 
Zellen  vorhandene  Avicularium  verschieden. 

Sagamibai,  100  Fad.  —  Maizuru,  35— 40  Fad.,  beidemal 
selten. 

Verbreitung:  Australien,  Algoa-Bai  (Bsk.) 

2.  Adeonella  japonica  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  11. 

Zoarium  baumförmig,  unmittelbar,  ohne  biegsamen  Träger  fest- 
gewachsen, aus  schmalen,  zungenförmigen ,  dichotom  und  meist  in 
einer  Ebene  verzweigten  Blättern  gebildet.  Mündung  rundlich.  Unter 
der  Mündung  jeder  Zelle  ein  schräg  gestelltes,  ziemlich  grosses 
Avicularium ,  mit  dreieckiger,  spitzer,  schräg  nach  oben  gerichteter 
Mandibel.  Unter  diesem  in  der  Mitte  der  Zelle  eine  bisweilen  doppelte 
Pore.  Einzelne  Zellen  im  unteren  Teil  mit  einem  kleinen,  dreieckigen 
Avicularium.  Am  Rande  der  Zweige  grosse,  dreieckige  Avicularien- 
zellen,  mit  lang -dreieckiger  Mandibel. 

Steht  der  Ad.  intricaria  Bsk.  (Chall.  Pol.  I.  p.  185)  am  nächsten, 
unterscheidet  sich  aber  durch  baumförmiges  Zoarium  ohne  coalescie- 
rende  Zweige,  durch  die  gegenseitige  Lage  der  Pore  und  des  Avi- 
culariums  unter  der  Mündung,  durch  das  Fehlen  der  konischen  Her- 
vorragung im  unteren  Teil  der  Zelle  und  durch  weniger  lange  Man- 
dibel der  randlichen  Avicularien. 

Sagamibai,  100 — 200  Fad.,  sehr  häufig. 

3.  Adeonella  sparassis  n.  sp.    Taf.  IV.  fig.  10. 

Zoarium  krausblättrig,  kurz  gestielt,  in  zahlreiche,  unregel- 
mässige, nach  allen  Seiten  gerichtete,  schmale  oder  verbreiterte 
Lappen  und  Zweige  geteilt,  die  häufig  zusammenwachsen  und  grössere 
oder  kleinere,  unregelmässige  Löcher  bilden.  Zooecien  oval.  Mün- 
dung rundlich.  Unterhalb  der  Mündung  ein  aufrechtes  Avicularium, 
dessen  Spitze  oft  über  die  Unterlippe  hinausreicht,  mit  spitz -drei- 
eckiger Mandibel.  Unter  diesem  Avicularium,  in  der  Mitte  der  Zelle, 
eine  einfache  Pore.  Am  Rande  der  Lappen  und  Zweige  längliche 
Avicularienzellen,  mit  lang-dreieckiger,  spitzer  Mandibel. 

Diese  Art  könnte  vielleicht  eine  echte  Adeona  sein,  deren  Träger 
nicht  mehr  erhalten  ist. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt,  nur  ein  Exemplar. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  55 

Gattung:  Cellepora  Fabr.  (pars). 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

A.  Deckel  ungefähr  halbkreisförmig,  mit  geradem  unterem  Rande. 

1.  Cellepora  bicirrhata  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  12. 

Zoarium  dicke  Krusten  bildend.  Zooecien  oval,  Oberfläche  etwas 
rauh.  Mündung  halbkreisförmig,  mit  2  schwachen  Kerben.  Ueber 
der  Mündung  2  lange  Dornen.  Praeoraler  Höcker  klein,  mit  einem 
kleinen,  rundlichen  oder  ovalen  Avicularium.  Zwischen  den  Zellen 
grosse  Avicularien  mit  langer,  in  eine  stumpfe  Spitze  vorgezogener 
Mandibel.  Deckel  halbkreisförmig,  mit  fast  gradem  unterem  Rande, 
seitlich,  von  den  Stützbalken  desselben  ausgehend,  zwei  eigentümliche, 
borstenartige  Fortsätze. 

Sagamibai,  200  Fad.,  auf  Lophohelia. 

2.  Cellepora  triacantha  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  12. 

Zoarium  massiv,  kugelig.  Zooecien  oval,  Oberfläche  glatt. 
Mündung  rundlich  oder  halbkreisförmig.  Praeoraler  Höcker  stumpf, 
mit  einem  kleinen,  rundlichen  Avicularium.  Deckel  mit  geradem 
unterem  Rande.  Grössere  Avicularien  fehlen.  Oberrand  der  Mündung 
mit  3  langen  Dornen. 

Sagamibai,  200  Faden. 

3.  Cellepora  transversa  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  13. 

Zoarium  massiv,  kugelig  oder  dicke  Krusten  bildend.  Zooecien 
oval,  Oberfläche  fein  punktiert.  Mündung  rundlich,  mit  einigen 
Zähnen  an  der  Unterlippe.  Praeoraler  Höcker  kurz  und  breit,  mit 
kleinem,  rundlichen  Avicularium.  Randdornen  fehlen.  Deckel  quer 
verbreitert,  mit  geradem  unterem  Rande.  Einzelne  grosse  Avicularien 
zwischen  den  Zellen,  mit  verlängerter,  breiter  und  stumpfer  Mandibel. 

Sagamibai,  200  Faden. 

4.  Cellepora  columnaris  Bsk.  Taf.  IV.  fig.  32. 

Chall.  Pol.  I.    p.  194.   pl.  XXIX.  fig.  11.    pl.  XXXV. 

fig.  16. 
Zoarium  eine  dicke,  unregelmässig  ausgebreitete  Kruste  bildend. 
Zooecien  bauchig.  Oberfläche  fein  punktiert.  Mündung  halbkreis- 
förmig, Unterlippe  gerade.  Ein  langer,  kräftiger,  zugespitzter,  säulen- 
förmiger Fortsatz  entspringt  oberhalb  und  etwas  seitlich  von  der 
Mündung.  Einzelne  Zooecien  mit  einem  kleinen  Höcker  vor  der 
Mündung,  der  ein  kleines  Avicularium  trägt,  mit  halbkreisförmiger 
Mandibel.  (Letztere  ist  nicht  dreieckig,  wie  Busk  im  Text  p.  194 
sagt,  während  er  pl.  XXXV.  fig.  16  ein  etwa  halbkreisförmiges,  wie 
bei  meinem  Exemplar,  abbildet.) 


ofi  Dr.  A.  Ortmann: 

Bei  meinem  Exemplar  sind  die  Stützbalken  des  Deckels  etwas 
anders  als  in  der  Figur  von  Busk  angeordnet,  auch  sind  die  säulen- 
förmigen Fortsätze  verhältnissmässig  stärker  und  kürzer. 

Sagamibai,  auf  Discodermia  calyx. 

Verbreitung:  Moncoeur-Ins.   (Bass- Strasse),  38  Fad.  (Chall.). 

5.  Cellepora  trituberculata  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  28. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  oval.  Mündung  rundlich.  Vor 
der  Mündung  ein  längerer  oder  kürzerer,  meist  stumpfer  Höcker, 
an  der  Basis  desselben  ein  ziemlich  grosses  Avicularium  mit  halbkreis- 
förmiger oder  länglicher  Mandibel.  Oberrand  der  Zellen -Mündung 
bei  den  sterilen  Zellen  mit  2  weiteren,  ähnlichen  Höckern,  die  an 
der  Basis  je  ein  kleines  rundliches  Avicularium  tragen.  Bei  den 
Ooecialzellen  fehlen  diese  beiden  letzteren  Höcker,  an  ihrer  Stelle 
findet  sich  das  rundliche  Ooecium.  Deckel  halbkreisförmig,  mit 
gradem  unterem  Rande. 

Maizuru,  35 — 40  Fad. 

6.  Cellepora  denticulata  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  13. 

Zoarium  inkrustierend.  Zooecien  oval,  gedrängt.  Oberfläche 
unregelmässig  punktiert.  Mündung  rundlich,  mit  Sinus,  unregel- 
mässig gezähnt,  beiderseits  mit  einem  aufrechten  Höcker.  Diese 
entweder  ohne  Avicularien,  oder  der  eine  mit  einem-  grossen,  nach 
oben  gerichteten,  mit  gezähntem  Rande  und  3 eckiger,  lang  und 
schmal  ausgezogener,  stumpfer  Mandibel  versehenen  Avicularium. 
Zerstreut  zwischen  und  auf  den  Zellen  zahlreiche  grosse,  nach  unten 
gerichtete  Avicularien,  mit  spateiförmiger  Mandibel,  und  einzelne 
kleinere,  mit  spitz  dreieckiger  Mandibel.  Deckel  halbkreisförmig, 
unterwärts  etwas  zusammengezogen,  mit  geradem  unterem  Rande. 

Sagamibai,  auf  Discodermia  japonica. 

B.  Deckel  rundlich,  unterwärts  in  einen  mehr  oder  minder  deutlichen, 
kürzeren  oder  längeren  Stiel  ausgezogen. 

7.  Cellepora  radiata  n.  sp.  Taf.  I.  fig.  14. 

Zoarium  kleine  Kugeln  bildend.  Zooecien  länglich-oval.  Mün- 
dung rundlich,  mit  Sinus.  Deckel  rundlich,  an  der  Basis  in  einen 
kurzen  Stiel  ausgezogen.  Jederseits  neben  der  Mündung  ein  ungefähr 
cylindrischer  Höcker,  mit  je  einem  kleinen  Avicularium  mit  spitzer 
Mandibel.  Sonstige  Avicularien  fehlend.  Ooecien  am  Rande  radial- 
streifig. 

Steht  am  nächsten  der  Cell,  hassallii  Bsk.  (Cat.  Br.  Mus.  II.  p.  86. 
pl.  CIX.  fig.  4 — 6.  —  Chall.  Pol.  I.  p.  205),  von  der  sie  sich  durch  die 
Gestalt  des  Deckels  und  der  Mandibel,  sowie  durch  die  radialstreifigen 
Ooecien    unterscheidet.      Sie    ähnelt    ferner  der    Cell,  costazii   Aud. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  57 

(Hincks,  Br.  Mar.  Pol.  p.  411  pl.  LV.  fig.  11—14)  var.  tubulosa  Hcks. 
(ibid.  u.  Busk,  Chall.  Pol.  I.  p.  205),  unterscheidet  sich  aber  ebenfalls 
durch  radialstreifige  Ooecien  und  durch  das  Fehlen  der  grösseren 
Avicularien. 

Maizuru,  35 — 40  Fad.,  häufig  auf  Hydroidpolypen  u.a.  auf- 
gewachsen. 

8.  Cellepora  pachyclados  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  14. 

Zoarium  aus  dicken,  unregelmässigen,  knotigen,  nach  oben  etwas 
verdünnten,  längeren  oder  kürzeren  Aesten  zusammengesetzt.  Zooecien 
dicht  gedrängt,  undeutlich  punktiert.  Mündung  rundlich,  mit  Sinus 
und  bisweilen  mit  unregelmässigen  Zähnen.  Etwas  schräg  nach  vorn 
ein  deutlicher  oder  undeutlicher  Höcker  mit  einem  Avicularium  mit 
3  eckiger,  spitzer  Mandibel.  Aehnliche  Avicularien  zerstreut  zwischen 
den  Zellen.     Deckel  quer-oval,  mit  kurzem  und  breitem  Stiel. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt,  nur  ein  Exemplar. 

9.  Cellepora  attenuata  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  15. 

Zoarium  baumförmig,  dichotom  verzweigt.  Zweige  cylindrisch, 
gegen  die  Spitzen  verdünnt.  Zooecien  unregelmässig.  Mündung 
rundlich,  mit  Sinus  ('?),  undeutlich.  Neben  der  Mündung  ein  kleines 
Avicularium  mit  halbkreisförmiger  Mandibel.  Zerstreut  zwischen  den 
Zellen  grosse  Avicularien,  mit  breiter  und  langer,  spateiförmiger 
Mandibel.  Deckel  hoch-gerundet,  unterwärts  plötzlich  zusammen- 
gezogen und  in  einen  breiten  und  ziemlich  langen  Stiel  ausgezogen. 

Sagamibai,  70 — 100  Fad.,  häufig. 

Cyclostomata. 

Gattung:  Crisia  Lamx. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.  Crisia  crisidioides  n.  sp.    Taf.  IV.  fig.  16. 

Internodien  entweder  mit  2  Zooecien,  von  denen  das  untere 
eine  dreigliederige  Borste  trägt,  oder  mit  drei  Zooecien,  von  deren 
unterstem  ein  Zweig  entspringt.  Zooecien  zweizeilig,  alternierend, 
röhrig,  mit  lang  vorgestreckter  Mündung.     Oberfläche  punktiert. 

Durch  die  borstenförmigen  Anhänge  der  Crisidia  cornuta  E.  H. 
(Mem.  sur  les  Crisies  etc.  Ann.  Sc.  Nat.  (2)  IX.  pl.  VIII.  fig.  2.  und 
Busk,  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  3.  pl.  I.  fig.  5 — 10)  sich  nähernd,  unter- 
scheidet sich  aber:  durch  die  völlig  entwickelten  2 — 3  Zellen  in  jedem 
Internodium,  die  deutlich  zweizeilig  angeordnet  sind.  Vielleicht  ist 
diese  Art  als  Varietät  der  Crisidia  cornuta  aufzufassen:  alsdann 
müsste  aber  die  Gattung  Crisidia  mit  Crisia  vereinigt  werden. 

Sagamibai,  50  Fad.,  selten,  bisweilen  auf  Maja  longispina. 


58  Dr.  A.  Ort  mann: 

2.  Crisia  cylindrica  Bsk.    Taf.  IV.  fig.  17. 
Chall.  Pol.  II.  p.  7.  pl.  II.  fig.  2.  4. 

Zoarium  gabelig  verästelt,  in  einem  Internodinm  10 — 30  Zellen. 
Meist  2  Zweige  von  den  längeren  Internodien  abgehend:  der  untere 
ungefähr  von  der  siebenten  bis  elften  Zelle,  der  obere  in  der  Nähe 
des  oberen  Endes.  Zellen  ziemlich  weit  verwachsen,  der  obere 
Teil  vorwärts  gebogen  (nach  Busk  nicht  punktiert,  bei  meinen 
Exemplaren  auch  punktiert).  Mündung  rund.  Zweige  cylindrisch, 
mit  deutlich  punktierter  Oberfläche.     Rückseite  schräg  gestreift. 

Sagamibai,  auf  Retepora  sanguinea  n.  sp.,  Tiefe  unbekannt. 

Verbreitung:  Tristan  da  Camha,  100— 150  Fad.  (Chall). 

3.  Crisia  eburneo-denticulata  Sm.  (M.  S.)  Taf.  IV.  fig.  18. 
Busk:  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  5.  pl.  VI. 

Zellen  zu  9  — 17  (meist  13)  in  jedem  Internodium,  ganz  mit 
einander  verwachsen,  nur  die  Mündung  kurz  vorragend.  Letztere 
zusammen  gezogen,  kleiner  im  Durchmesser  als  der  Körper  der  Zelle. 
Zweige  von  der  dritten  bis  siebenten  (meist  von  der  fünften,  nach 
Busk  von  der  ersten  bis  fünften)  Zelle  entspringend.  Bisweilen 
zwei  Zweige  von  einem  Internodium  abgehend  und  dann  der  erste 
von  der  dritten  oder  vierten,  der  zweite  von  der  neunten  bis  zwölften 
entspringend. 

Sagamibai,  100  Fad.,  sehr  häufig  auf  Maja  longispina. 

Verbreitung:  Spitzbergen,  70 — 90  Fad.  (Bsk.). 

4.  Crisia  nigrijuncta  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  19. 

Internodien  mit  11 — 13  Zellen.  Zweige  von  der  fünften  bis  neunten 
(meist  von  der  siebenten)  abgehend.  Knoten  tiefschwarz,  Zellen  fast 
ganz  verwachsen,  Mündung  rund  kaum  etwas  vorragend.  Oberfläche 
punktiert. 

Sagamibai,  70  Fad. 

Gattung:  Idmonea  Lamx. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

A.    Mittellinie  der    Vorderseite  der  Zweige   ohne  Zellen,  die  vorderen 

meist  die  längsten. 

1.  Idmonea  atlantica  Forb.    Taf.  IV.  fig.  20. 
Busk:  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  11.  pl.  IX. 

Pol.  Norw.  Finm.  p.  3.  pl.  I.  fig.  6. 
Zoarium  von  einem  aufrechten  Stiel  radial  in  einer  Ebene  aus- 
gebreitet, verzweigt.  Zweige  nicht  coalescierend ,  dünn.  Zellen  auf 
der  Unterseite,  meist  eine  jederseits,  selten  zwei,  schräg  nach  vorn 
und  oben  abstehend,  weit  vorragend.  Oberfläche  punktiert.  Dorsal- 
seite längsstreifig. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  59 

var.:  disticha  n.  Von  der  typischen  atlantica  durch  undeutlich 
gestreifte  Dorsalseite,  sowie  dadurch,  dass  meist  nur  eine  Zelle  jeder- 
seits  vorhanden  ist,  abweichend. 

Sagamibai,  200  Fad.,  auf  Retepora  anatina  n.  sp.,  selten. 

Verbreitung:  Durch  den  ganzen  atlantischen  Ocean:  Arktische 
Meere.  Nord-Europa.  Mittelmeer.  Florida.  (Bsk.).  Tristan  da  Cunha, 
100 — 150  Fad.  Simonsbai,  Cap  d.  g.  Hoffnung,  18  Fad.  Kerguelen, 
30  Fad.  (Chall.). 

2.  Iclmonea  tenella  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  3. 

Zoarium  fein  verzweigt,  nicht  radial  von  einem  Punkt  aus- 
strahlend, baumförmig.  Zweige  fadendünn.  Zellen  zu  2 — 3  (meist  2) 
jederseits,  die  vorderste  am  längsten,  auswärts  und  vorwärts  ge- 
richtet, ziemlich  schlank.  Mündung  rundlich.  Oberfläche  fein  punktiert. 
Rückseite  mit  langgestreckten  Gruben. 

Aehnlich  der  J.  radians  Lam.,  aber  die  Zweige  sind  dünner,  die 
Gruben  der  Rückseite  sind  langgestreckt  und  der  Wuchs  ist  baum- 
förmig. J.  marionensis  Bsk.  hat  schlankere  Zweige  und  kürzere 
Zellen. 

Sagamibai,  70 — 100  Fad.,  selten. 

3.  Idmonea  falciformis  n.  sp.  Taf.  III.  fig.  4. 

Zoarium  aus  einfachen,  ungeteilten,  sichelförmig  gebogenen 
Zweigen  gebildet.  Zweige  3  kantig,  vordere  Kante  ohne  Zellen,  Seiten- 
flächen mit  alternierenden,  schräg  aufsteigenden,  wenig  vorragenden 
Reihen  von  4 — 5  Zellen.  Mündung  rundlich.  Rückseite  undeutlich 
längsstreifig.     Oberfläche  punktiert. 

Sagamibai,  auf  Spongien,  Tiefe  unbekannt.   Wenige  Exemplare. 

B.   Mittellinie  der  Vorderseite  der  Zweige  mit  Zellen  besetzt, 
die  äussersten  Zellen  am  längsten. 

4.  Idmonea  milneana  d'Orb.     Taf.  IV.  flg.  21. 
Busk:  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  12.  pl.  XL 
Chall.  Pol.  II.  p.  13. 
Zoarium  sparrig  verzweigt.    Zellreihen  etwas  entfernt,  meist  aus 
4  Zellen  bestehend,  in  der  Mitte  sich  nicht  an  die  darunter  stehenden 
Reihen  anlehnend.    Reihen  kaum  etwas  schief,  horizontal  oder  selbst 
aussen  etwas  abwärts  geneigt.    Rückseite  längsstreifig  und  mit  queren 
Wachstumslinien. 

Sagamibai,  60 — 200  Fad.,  häufig. 

Verbreitung:  Capri  (Waters).  Azoren,  450  Faden.  (Chall.). 
Florida  (Waters).  Südspitze  Amerikas  (Darwin,  Bsk.)  Süd-Australien, 
8—15  Fad.  (Bsk.  Mac  G.  Waters).  Neu-Seeland  (Waters).  Heard-Ins., 
75  Fad.  Prinz  Edward-Ins.,  80—150  Fad.  (Chall.).  Fidji-Ins.,  450  Fad. 
(Waters). 


60  Di"-  A.  Ortmann: 

5.  Idmonea  rustica  d'Orb.    Taf.  IV.  fig.  22. 

Busk:  Cat.  Br.  Mus.  p.  15. 

Zoarium  unregelmässig  verzweigt.  Zweige  comprimiert.  Zell- 
reihen aus  4 — 5  Zellen  bestehend,  schräg  aufsteigend,  sich  an  die 
unteren  anlehnend,  die  äusserste  Zelle  am  höchsten  stehend.  Rück- 
seite runzelig,  quer-punktiert. 

Sagamibai,  160 — 200  Fad.,  seltener. 

rar.  triplex  nov.  Zellreihen  nur  aus  3  Zellen  bestehend. 

Sagamibai,  40  Fad. 

Verbreitung:  Hongkong.    Macao.    Chusan  Arch.  (d'Orb.). 

6.  Idmonea  gracillima  Bsk.  Taf.  IV.  fig.  26. 

Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  14.  pl.  VII.  fig.  5.  6. 

Zoarium  unregelmässig  dichotom  verzweigt.  Zweige  lang  und 
schlank,  niederliegend  und  nur  wenig  sich  aufrichtend.  Zellen  meist 
paarweise  jederseits,  eine  Reihe  von  Zellen  in  der  Mittellinie.  Die 
äusserste  Zelle  am  längsten.     Oberfläche  fein  punktiert. 

Mit  der  Beschreibung  bei  Busk  gut  übereinstimmend,  weniger 
mit  der  Abbildung,  die  der  Beschreibung  nicht  ganz  entspricht. 

Sagamibai,  100  Fad. 

var.  reticulata  nov.  Zweige  anastomosierend,  entweder  direkt 
oder  durch  seitlich  verlängerte  Zellen. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt,  nur  2  Exemplare. 

Verbreitung:  Atlantischer  Ocean,  286— 322  Fad.  (Bsk.). 

Gattung:  Hornera  Lamx. 

Verbreitung:  Arktisches  Meer,  Nord -Europa,  Mittelmeer, 
Madeira,  Cap  Verde-Ins.,  Brasilien,  S.-Amerika,  S.-Australien,  Heard- 
Ins.,  Mauritius. 

1.  Hornera  cervicornis  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  27. 

Zoarium  ästig,  Aeste  von  einem  gemeinsamen,  ziemlich  dickem 
Stiel  geweihförmig  ausstrahlend,  fast  becherförmig  gestellt,  ziemlich 
dick.  Vorderseite  (d.  h.  die  nach  aussen  gerichtete)  mit  unregel- 
mässig gestellten,  wenig  oder  nicht  vorragenden  Zellen,  zwischen 
diesen  mit  unregelmässigen,  grösseren  und  kleineren  Furchen  und 
Gruben.  Rückseite  unregelmässig  längs  gefurcht,  mit  Gruben,  an 
den  Astgabelungen  zellig-porös. 

Sagamibai,  200  Fad.,  selten. 

Gattung:  Entalopliora  Lamx. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 


Die  Japanische  Biyozoenfauiia.  61 

1.  Entalophora  delicatula  Bsk.  sp.  Taf.  IV.  fig.  28. 
Pustulopora  delicatula  Bsk.  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  20. 
Zoarium  niedrig,    dichotom  verzweigt.     Zweige  dünn.     Zooecien 
sehr  lang,  mehr  als  zur  Hälfte  verwachsen,  der  übrige  Teil  frei,  sanft 
gebogen.     Oberfläche  fein  punktiert. 

Von  den  folgenden  Arten  durch  viel  zartere,  schlankere  Zooecien 
verschieden. 

Sagamibai,  40  Faden,  nicht  selten. 

Verbreitung:  Australien,  Cap  Capricorne,  15  Fad.  (Bsk.). 

2.  Entalophora  proboscidioides  Sm.  Taf.  IV.  fig.  29. 
Flor.  Br.  I.  p.  11  pl.  IV.  fig.  26.  27. 
Zoarium  verzweigt.     Zweige  cylindrisch,    etwa    lmm   dick,    mit 
6  Längsreihen    von    Zooecien,    die  meist   ganz  verwachsen  sind,  bis 
auf  die  mehr  oder  minder  vorragenden  runden  Mündungen,  die  un- 
regelmässig in  Quirle  gestellt  sind.     Oberfläche  punktiert. 
Sagamibai,  200  Fad. 
Verbreitung:  Florida  (Sm.)  Marion-Ins.,  50  — 75  Fad.  (Bsk.) 

3.  Entalophora  conferta  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  30. 

Zoarium  ziemlich  stark,  dichotom  verästelt,  Aeste  cylindrisch, 
an  der  Spitze  gerundet.  Zooecien  ziemlich  stark  vorragend  nur  an 
der  Spitze  der  Aeste  eingesenkt,  dicht  gedrängt,  mit  runder  Mündung. 
Oberfläche  punktiert. 

E.  gallica  d'Orb.  hat  noch  längere  Zooecien,  E.  regularis  Mac  G. 
kürzere,  dickere  und  regelmässiger  gestellte. 

Sagamibai,  Tiefe  unbekannt. 

4.  Entalophora  crassa  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  31. 

Aehnlich  der  vorigen  Art,  aber  das  Zoarium  ist  unregelmässiger 
verzweigt,  die  Aeste  sind  dicker,  fast  keulenförmig,  die  Zooecien 
sind  etwas  bauchig,  auch  an  der  Spitze  der  Aeste  stark  vorragend. 
Oberfläche  nicht  punktiert. 

Sagamibai,  100  Faden,  nicht  selten. 

Gattung:  Alecto  Lamx. 

Verbreitung:  Arktisches  Meer,  Labrador,  St.  Lorenz -Golf, 
N. -Europa,  Mittelmeer,  Tristan  da  Cunha,  König.  Charlotte -Ins. 
Vielleicht  vorwiegend  circumpolar. 

1.  Alecto  prominens  Reuss.  sp.  Taf.  IV.  fig.  32. 

Alysidota  prominens  Reuss:   Pal.  Stud.  Tert.  Alp.  IL 
Anthoz.  Bryoz.  Crosara.  p.  45.  pl.  36  fig.  8. 
Zoarium  kriechend.     Zellen    in    einfachen    Reihen    fast    isoliert 
von  einander,  durch  dünne  Stiele  mit  einander  verbunden,  etwa  oval. 
Mündimg  röhrig,  vorragend.     Oberfläche  undeutlich  punktiert. 


62  Dr.  A.  Ortmann: 

Mit  der  Abbildung  von  Alysidota  prominens  bei  Reuss  1.  c.  voll- 
kommen übereinstimmend.  Von  Reuss  zu  der  mit  Hippothoa  ver- 
wandten Gattung  Alysidota  gestellt,  unterscheidet  sich  aber  sofort 
durch  röhrige,  runde  Mündung  als  Cyclostome.  Der  Habitus  hat 
allerdings  einige  Aehnlichkeit  mit  Hippothoa. 

Sagamibai  auf  Molluskenschalen  (Pecten  u.  Conus),  40 — 80  Fad. 

Verbreitung:  Fossil,  Oligocän. 

2.  Alecto  granulata  Milne  Edw.  Taf.  IV.  fig.  33. 

Mem.  sur  les  Crisies  etc.  Ann.  Sc.  Nat.  (2)  IX.  p.  205. 

pl.  16.  fig.  3. 
Busk:  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  24.  pl.  XXXII.  fig.  1.  Chall. 

Pol.  IL  p.  22. 
?  A.  parasitica  Heller:  Br.  Adr.  p.  125.  pl.  III.  fig.  10. 

Zoarium  kriechend,  linear,  verzweigt,  anastomosierend.  Zweig- 
spitzen gewöhnlich  nicht  verbreitert.  Zellen  kurz-röhrig,  etwas  bauchig, 
einreihig.     Oberfläche  granuliert. 

var.  japonica  n.  Zweige  verhältnismässig  breiter  als  in  der 
Figur  bei  Milne  Edwards.  Zellen  meist  länger  vorspringend  als 
in  der  Figur  bei  Busk.     Zweige  selten  anastomosierend. 

Sagamibai,  130 — 150  Fad.,  selten. 

Verbreitung:  England,  Norwegen,  Schweden  (Bsk.).  Roseoff 
(Joliet).  Adriatisches  Meer  (Heller).  Tristan  da  Cunha,  60—90  Fad. 
(ChalL). 

Fossil:  Neocom  (d'Orb.). 

3.  Alecto  irregularis  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  34. 

Zoarium  kriechend,  linear,  verzweigt,  hier  und  da  anastomo- 
sierend. Zellen  röhrig,  lang  vorspringend,  unregelmässig  gestellt, 
einzeln  oder  in  Gruppen  von  2 — 4.     Oberfläche  fein  granuliert. 

Sagamibai,  auf  Molluskenschalen  (Lucina,  Leda,  Conus),  40 
bis  100  Fad.,  häufig. 

4.  ?  Alecto  polysticha  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  35. 

Zoarium  kriechend,  durch  zu  Wurzelfasern  umgewandelte  Zellen 
befestigt,  breit-linear.  Zellen  in  alternierenden  Querreihen,  Reihen 
jederseits  aus  4 — 5  Zellen  bestehend.  Zellen  röhrig,  weit  abstehend, 
die  inneren  die  längsten,  und  dicht  aneinander  liegend,  die  äusseren 
kürzer  und  mehr  isoliert.     Oberfläche  punktiert. 

In  der  Anordnung  der  Zellen  an  die  Gattung  Idmonea  erinnernd, 
jedoch  durch  das  kriechende,  angewachsene,  lineare  Zoarium  mit 
Alecto  übereinstimmend.  Durch  die  Breite  des  letzteren  und  die 
vielzelligen  Querreihen  einigermassen  nach  Tubulipora  sich  hinneigend: 
also  eine  Uebergangsform. 


Die  Japanische  Bryozoenfaima.  63 

Sagamibai,  auf  Glasschwämmen  (Aplirocallistes)  aufgewachsen, 
100—200  Fad.,  ein  Exemplar. 

Gattung:  Tubulipora  Lam. 

Verbreitung:  Arktisches  Meer,  Labrador,  N. -Europa,  Mittel- 
meer, Falkland-Ins.,  Kon.  Charlotte-Ins.,  S. -Australien,  Malakka. 

1.  Tubulipora  continua  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  36. 

Zoarium  angewachsen.  Zellen  langröhrig,  in  Reihen  stehend, 
diejenigen  einer  und  derselben  Reihe  mit  einander  verwachsen,  selten 
oberwärts  etwas  frei.  Reihen  stark  vorragend,  fast  von  einem  Punkte 
fächerförmig  ausstrahlend  und  ein  kreisförmiges,  nicht  gelapptes  Blatt 
bildend. 

Aehnelt  in  der  äusseren  Gestalt  einigermassen  der  Tub.  flabel- 
laris  Fabr.  sp.  bei  Smitt,  Krit.  Fort.  Skand.  Hafs-Bryoz.  II.  (Öfv. 
Kongl.  Vet.  Ak.  Förh.  1866)  p.  401  pl.  IX.  fig.  6  —  8,  unterscheidet 
sich  aber  sofort  durch  die  mit  einander  völlig  verwachsenen  Zellen 
einer  und  derselben  Reihe. 

Kadsiyama,  auf  Tangen,  geringe  Tiefe,  nicht  selten. 

Gattung:  Diastopora  Lamx. 

Verbreitung:  Nördlicher  Atlantischer  Ocean,  Arktisches  Meer, 
Mittelmeer,  Tristan  da  Cunha,  Kön.  Charlotte-Ins.  Vielleicht  wesentlich 
circumpolar. 

1.  Diastopora  patina  Lam.  sp.  Taf.  IV.  fig.  37. 

Busk:  Cat.  Br.  Mus.  III.   p.  28.   pl.  XXIX.   fig.  1.  2. 
pl.  XXX.  fig.  1. 
Chall.  Pol.  II.  p.  24. 
Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  458.  pl.  LXVI.  fig.  1—6. 
Nicht  =  Discosparsa  patina  Heller,  Bryoz.  Adr.  p.  122. 
letztere  =  Lichenopora  radiata  Aud.  sp. 
Zoarium   scheibenförmig,    oft  etwas  vertieft,    von  einer  dünnen 
Ausbreitung  umsäumt.      Zellen  in    der  Mitte  eingesenkt,    meist  ge- 
schlossen, am  Rande  in  unregelmässigen  Reihen,  vorragend.     Ober- 
fläche punktiert. 

var.  japonicanov.  Zoarium  völlig  flach,  nicht  vertieft.  Zellen 
auch  in  der  Mitte  etwas  vorragend  und  offen.  Randsaum  sehr  schmal, 
fast  fehlend. 

Sagamibai,  200—250  Fad.,  selten. 

Verbreitung:  Arktisches  Meer,  Englische  Küsten,  Nordsee, 
5—10  Fad.  (Bsk.  Hcks.)  und  50—100  Fad.  (Sm.).  Norwegen  (Loven). 
Shetland-Ins.,  170  Fad.  (Barlee).  Labrador  (Bsk.).  Roseoff  (Joliet). 
Marseille  (Marion).  Tristan  da  Cunha  (Chall.).  Kön.  Charlotte-Ins. 
(Hcks.). 


64  fr1'-  A.  Ortmann: 

2.  Diastopora  prominens  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  38. 

Zoarinm  angewachsen,  scheibenförmig,  etwas  unregelmässig,  in 
der  Mitte  etwas  vertieft.  Zellen  in  deutlich  radialen  Reihen,  in  der 
Mitte  eingesenkt  und  meist  obliteriert,  gegen  den  Rand  hin  meist 
plötzlich  und  stark  erhaben,  dicht  neben  einander  stehend.  Rand 
von  einem  breiten  Saum  umgeben. 

D.  simplex  Bsk.  hat  völlig  eingesenkte,  nirgends  vorragende 
Zellen.  D.  patina  Lam.  sp.  weniger  deutliche  radiale  Reihen,  die 
Zellen  sind  ebenfalls  weniger  vorspringend  und  stehen  auch  nicht 
so  dicht  bei  einander. 

Sagamibai,  auf  Discodermia  calyx. 

Gattung  Lickenopora  Defr. 
Verbreitung:  Kosmopolitisch. 

1.  Lichenopora  radiata  Aud.  sp.  Taf.  IV.  fig.  23. 

Busk:  Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  32.  pl.  XXXIV.  fig.  3. 
Heller:  Discosparsa  patina,  Bryoz.  Adriat.  p.  122. 
Hincks:  Br.  Mar.  Pol.  p.  476.  pl.  LXVIII.  fig.  9.  10. 
Zoarium  scheibenförmig,  oben  gewölbt,  in  der  Mitte  etwas  ver- 
tieft und  ohne  Zellen.    Am  Rande  mit  lamellösem  Saum  mit  strahlig 
verlaufenden    Linien.     Oberseits    mit    radial    ausstrahlenden    Reihen 
von  Zellen.    Zwischen  den  Hauptreihen  schieben  sich  nach  der  Peri- 
pherie   hin    kürzere  Nebenreihen  ein.     Reihen  einfach,    etwas    vor- 
ragend.   Zellmündungen  rundlich.    Zwischenräume  zwischen  den  Zell- 
reihen mit  je  einer  Reihe  rundlicher  Poren.  Farbe  weiss  oder  blassroth. 
Sagamibai,  50 — 150  Faden,  nicht  selten.     Zwei  Exempl.  auf 
Pleurotomaria  beyrichii  Hlgdf.  aufgewachsen,  andere  auf  Steinen  u.s.w. 
Verbreitung:  England  (Hcks.).  Mittelmeer  (Bsk.).  Adriatisches 
Meer,  20—55  Fad.  (Heller).    Neapel  (Waters).    Samoa- Inseln.  (Zahl- 
reiche  Exemplare    auf   Montipora    exserta    Quelch    im    Museum    zu 
Strassburg). 

Fossil:  Pliocän,  Bruccoli  (Waters). 

2.  Lichenopora  conica  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  24. 

Zoarium  kegelförmig,  hoch,  in  der  Mitte  nicht  vertieft.  Rand 
ohne  Saum.  Oberseite  mit  radialen  Reihen  von  Zellen,  die  Reihen 
einfach,  kaum  erhaben.  Mündung  der  Zellen  rundlich,  schwach 
2 zähnig.  Zwischen  den  Zellreihen  je  eine  Reihe  kleiner,  rundlicher 
Poren. 

Sagamibai,  1G0 — 200  Fad.,  selten.  Hakodate  (von  Hilgen- 
dorf  gesammelt). 

3.  Lichenopora  imperialis  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  25. 
Zoarium  scheibenförmig,  in  der  Mitte  vertieft,  ohne  Zellen,  am 

Rande  mit   lamellösem  Saum.     Oberseite   mit  radialen    Reihen    von 


Die  Japanische  Bryozoenfauna. 


73 


Fig.  11.  Lepralia    symmetrica  n.  sp. 
»12.  —  acuta  n.  sp. 

»    13.  —         obtusata  n.  sp. 

•>    14.  Porella  fissurata  n.  sp.     14a.  Zariura  l\v    14b.  Zooecien.     14c. 

Deckel  3%. 

»    15.  Porella  transversalis  n.  sp. 
»    16.  —        marsupium  Mac  G.  var.  japonica  nov. 

»    17.  Escharoides  geminata  n.  sp.  17a.     Zoarium  l/i-     17  b-   Zooecien 

und  Avicularien.. 

•>    18.  Schizoporella  oenochros  n.  sp. 

»    19.  Porella  concinna  Bsk.  sp. 
»    20.  —        a  reo  lata  n.  sp. 

»    21.  Escharoides  teres  n.  sp.    21a.  Zoarium  1/2.    21b.  Zooecien. 
»    22.  —  rhomboidalis  n.  sp    22 a. Zoarium  '/2.  22b.  Zooecien. 

»     23.  Smittia  landsborovii  Johnst.  sp. 
>•    24.  —        reticulata  MacG.  sp.    30/,. 

»    25.  —        marmorea  Hcks. 

»    26.  —        trispinosa  Johnst.  sp.  var.  japonica  nov. 

»    27.  Mucronella   ellerii  Mac  G.  var.  japonica  nov.    27a.  Zoarien  '/,. 

27  b.  Zooecien. 

»    28.  Mucronella  lateralis  n.  sp. 
»    29.  —  tricuspis  Hcks.  var.  japonica  nov. 

»    30.  —  lanceolata  n.  sp. 

»    31.  —  inconspicua  n.  sp. 

»    32.  Cellepora  columnaris  Bsk.    32a.  Zooecien.    32b.  Deckel  ca.  B"/1. 

32  c.  Avicularimn  ca.  60/1. 

»    33.  Mucronella  serratimargo  n.  sp. 

»    34.  Schizoporella  ternata  n.  sp. 

»35.  —  unicornis  Johnst.  sp.  var.  japonica  nov. 

»    36.  —  aterrima  n.  sp. 

-    37  —  cleidostoma  Sni.  sp. 

Tafel  IV. 

1.  Schizoporella  pellucida  n.  sp. 
»      2.  brunnescens  n.  sp. 

»      3.  —  subhexagona  n.  sp. 

»      4.  —  caecilii  Aud.  sp. 

»      5.  Mastigophora  dutertrei  Aud.  sp. 

»      6.  Chorizopora  discreta  Bsk.  sp. 

7.  Hippothoa  connata  n.  sp.  10/1 

»      8.  Myriozoum  pulchrum  n.  sp.     8a.  Zoarium  »/,.    8b.  Zooecien. 

8c.  Primärmündung  ca.  30/l. 

»      9.  Adeonella  tuber culata  Bsk.     9a.  Zoarium  '/2.     9b.  Zooecien. 
"    10.  —  sparassis  n.  sp.     10a.  Zoarium  %.     10b.  Zooecien. 

»    11.  Adeonella  japonica  n.  sp.  IIa.  Zoarium  l/2.     IIb.  Zooecien. 

»    12.  Cellepora  bicirrhata  n.  sp.     12a.  Zooecien.     12b.  Deckel. 
»    13.  denticulata   n.  sp.    13a.  Zooecien.     13b.   Deckel  3%- 

13  c.  Mandibel  eines  Avicularium  30/t. 

Atel.  f.  Naturgescli.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  II.  I.  6 


74  r)i"-  A.  Ortmann: 

Fig.  14.     Cellepora    pachyclados  n.  sp.    14a  Zoarium  l/2.  14b. Deckel  so/,. 

14  c.  Mandibel  eines  Avicularium  30/i . 
»    15.     Cellepora  attenuata  n.  sp.  15a.  u.  15b.  Zoarium  l/2.  15c.  Deckel 

3%.    15  d.  u.  15  e.  Mandibel  von  Avicularien.  3"/1. 
»    16.     Crisia  crisidioides  n.  sp.     16a.  Zoarium  '/*■     16b.  Zooecien  5/,. 
»    17.         —        cylindrica  Bsk.  5/,. 

••    18.         —       eburneo-denticulata  Sm.  18a.Zoarium  l/i  18b.Zooecien5/,. 
»    19.         —       nigrijuncta  n.  sp.    s/,. 
»    20.     Idmonea  atlantica  Forb.  var.  disticha  nov.    20a.  Zoarium  l/t. 

20  b.  Zooecien.    s/,. 
»    21.     Idmonea  milneana  d'Orb.    5/,. 
»    22.  —        rustica  d'Orb.    22a.  Zoarium '/i-   22b.  Zooecien  5/,.    22c. 

var.  triplex  nov.   5/,. 
»    23.     Licbenopora  radiata  Aud.  sp.   5/,. 
»24.  —  conica  n.  sp.     10/i- 

•>    25.  —  imperialis  n.  sp.  u/t. 

»    26.     Idmonea   gracillima  Bsk.     26a,   Zoarium   Vi-    26b.  Zooecien  5/t. 

26c.  var.  reticulata  nov.  Zoarium  '/i-    26 d.  Zooecien  5/t. 
»    27.     Hornera  cervicornis  n.  sp.   27a.  Zoarium  l/t.     27b.  Zooecien  5/i- 
»    28.     Entalophora  delicatula  Bsk.  sp.  28a.Zoarium  Vi-  28b. Zooecien 5/i- 
»     29.  proboscidioides    Sm.       29a.    Zoarium    '/i-       29b. 

Zooecien  5fl. 
»    30.  —  conferta  n.  sp.  30a.   Zoarium  Vi-  30b.  Zooecien5/,. 

»31.  crassa  n.  sp.  31  a.     Zoarium  '/,.    31b.  Zooecien  %■ 

»    32.     Alecto  prominens  Reuss.  sp.    5/,. 

»    33.  —        granulata  M.  E.  sp.  var.  jap onica  nov.  33a.  Zoarium  Vi- 

33  b.  Zooecien  5/,. 

»    34.  Alecto  irregularis  n.  sp.    5/,. 
»    35.  —       polysticha  n.  sp.    5/,. 

»    36.  Tubulipora  continua  n.  sp.   s/,. 

»    37.  Diastopora  patina  Lamk.  sp.  var  japonica  nov.    5/,. 
»    38.  —  prominens  n.  sp.     5/,. 

»    39.  Fasciculipora  simplex  n.  sp.    39a.  Vi-    39b.  5/i- 
»40.  carinata  n.  sp.     5/,. 


Ein  neues  Hydrachniden- Genus  (Teutonia). 

Von 

F.  Koenike 

in  Bremen. 


Mit  Tafel  V. 


nachstehend  soll  der  Repräsentant  einer  neuen  Wassermilben- 
Gattung  ausführlich  behandelt  werden,  nachdem  die  letztere  ihren 
Haupteigentümlichkeiten  nach  von  mir  bereits  gekennzeichnet  wurde. J) 
Das  Untersuchungsmaterial  stammt  aus  Hessen,  ich  verdanke  dasselbe 
der  Güte  des  Herrn  Dr.  Zacharias,  der  es  gelegentlich  seiner  letzten 
faunistischen  Excursion  in  dem  Springbrunnen  -  Bassin  der  Villa 
W.  Schöffer  zu  Gelnhausen  sammelte. 

Teutonia  nov,  gen. 

Der  Körper  ist  weichhäutig  (ohne  Ohitinpanzer)  und  von  läng- 
licher Gestalt.2)  Die  Maxillen  sind  oben  (Taf.  V,  Fig.  5)  und  unten 
(Fig.  6)  völlig  mit  einander  verwachsen,  einen  hinten  offenen  Trichter 
darstellend;  in  der  oberen  Vorderhälfte  bilden  zwei  von  den  Seiten 
her  einander  zugebogene  chitinöse  Hautfalten  (Fig.  5  f.)  eine  oben 
offene  Rinne,  die  Mundhöhle  (Fig.  5mr),  welche  sich  nach  vorn  zu 
verengert  und  an  der  Trichterspitze  als  Mundöffnung  endigt  (Fig.  mö). 
Das  zweite  Palpengiied  ist  auf  der  Unterseite  durch  einen  kegel- 
förmigen Zapfen  ausgezeichnet  (Fig.  3).  Die  Mandibeln  sind  von 
geringer  Grösse  und  schlanker  Gestalt  (Fig.  4).  Die  letzte  Epimere 
ist  deutlich  viereckig  (Fig.  1  und  2).  Den  Füssen  mangeln  die 
Schwimmhaare  nicht;  der  vierte  Fuss,  welcher  spitz  endigt,  ist  ohne 
Krallen  (Fig.  1).  Das  äussere  Geschlechtsorgan  kennzeichnet  sich 
durch  zwei  seitwärts  beweglich  eingelenkte  Klappen  und  sechs  Genital- 


J)  Zool.  Anzeiger  1889.     No.  300.  p.  103—104. 

2)  Ueber  die  Augen  kann  ich  bei  den  zwei  mir  zur  Verfügung  stehenden 
Individuen,  welche  mangelhaft  Genserviert  sind,  keine  zuverlässigen  Angaben 
machen. 


76  F.  Koenike: 

näpfe,  die  jederseits  der  Sexualspalte  in  die  Körperhaut  eingebettet, 
zu  dreien  hinter  einander  gruppiert  sind  (Fig.  1  und  2).  Ausser  dem 
Grössenunterschiede  ist  im  äusseren  Habitus  ein  nur  wenig  aus- 
geprägter Geschlechtsdimorphismus  vorhanden. 

Die  von  mir  aufgestellte  Hydrachniden-Gattung  bildet  ein  treff- 
liches Bindeglied  zwischen  den  Genera  Limnesia  C.  L.  Koch  und 
Sperchon  Kr  am  er.  Gelegentlich  meiner  Beschreibung  von  Sperchon 
glandulosus  mihi x)  verfehlte  ich  nicht,  verschiedentlich  auf  verwandt- 
schaftliche Beziehungen  der  durch  diese  Art  vertretenen  Gattung 
mit  dem  Genus  Limnesia  hinzuweisen,  welche  am  deutlichsten  in  dem 
Vorhandensein  eines  Zapfens  am  zweiten  Tastergliede,  in  der  Gestalt 
der  Mandibel  und  letzten  Epimere,  sowie  in  der  Anzahl  der  Ge- 
schlechtsnäpfe hervortreten.  Teutonia  zeigt  gleichfalls  eine  auf- 
fallende Verwandtschaft  zu  Sperchon.  Es  ist  beiden  Gattungen  der 
Palpenzapfen  gemeinsam,  die  Mandibeln  gleichen,  von  der  Grösse 
abgesehen,  einander  in  ausgesprochener  Weise;  der  beiderseitige 
Maxillarkegel  zeigt  eine  grosse  Uebereinstimmung  in  der  Anlage 
(Fig.  5  und  10);  desgleichen  tritt  eine  nicht  zu  verkennende  Aehn- 
lichkeit  im  letzten  Coxalplattenpaar  hervor  (vergl.  Kramer,  Neue 
Acariden.  Wiegm.  Archiv  f.  Naturgesch.  1879.  Bd.  I.  Taf.  I,  Fig.  la 
und  Koenike  1.  c.  Taf.  IX,  Fig.  19),  das,  wenn  auch  die  hintere 
Innenecke  bei  Sperchon  glandulosus  kaum  bemerkbar  ist,  immerhin 
als  viereckig  bezeichnet  werden  muss.  Ganz  besonders  springt  indes 
die  übereinstimmende  Bildung  des  Genitalhofes  hinsichtlich  der  be- 
weglichen Klappen  in  die  Augen.  Beim  Vergleich  von  Teutonia 
mit  Limnesia  tritt  am  meisten  in  den  Vordergrund  die  Gleichheit  in 
der  Beschaffenheit  des  letzten  Fusspaares,  denn  die  spitze  Endigung 
desselben  und  der  bislang  einzig  und  allein  bei  Limnesia  -  Species 
beobachtete  Mangel  von  Krallen  ist  ebenso  dem  neuen  Genus  eigen. 

Tetitonia  primaria  n.  sp. 

Männchen  und  Weibchen.  Die  Art  ist  von  mittlerer  Grösse. 
Ueber  Körperfärbung  vermag  ich  keine  zuverlässige  Angabe  zu 
machen.  Ausser  einer  schwachen  Guillochierung  um  das  Genitalfeld 
weist  die  Epidermis  keine  besondere  Auszeichnung  auf. 

Die  Maxillen  sind  derart  zusammen  gewachsen,  dass  ein  Trichter 
entsteht  (Fig.  5),  dessen  Spitze  nach  vorn  gerichtet  und  abwärts 
gebogen  ist.  Die  Unterseite  dieses  Organs,  welche  bei  dem  Tier  in 
toto  zu  Tage  tritt,  lässt  die  Trichterform  besonders  schön  erkennen 
(Fig.  6).  Der  Hinterrand  der  Unterseite  schliesst  in  stark  vor- 
gebogener, unregelmässig  feinzackiger  Linie  ab;  die  Biegung  ist  keine 
einfache,  sondern  eine  mehrfache,  drei  Vorsprünge  hervorrufend,  von 
denen  der  mittlere  am  grössten  ist.  Der  Sperchon-Mundkegel  (Fig.  10 
und  11)  zeigt  gleichfalls  eine  ausgeprägte  Trichtergestalt,  deren  Unter- 


')  Zwei  neue  Hydrachniden   ans   dem  Isergebirge.     Zeitschr.  f.  wissensch. 
Zool.    Bd.  XLIII,  p.  279—284.  Taf.  IX,  Fig.  12—24. 


Ein  neues  Hydrachniden-Grenus  (Teutonia).  77 

seite  hinten  indes  in  flach  ausgebuchtetem,  scharflinigem  Rande  ab- 
schliesst.  Das  längsgerichtete  linealische  Gebilde  auf  der  Unterseite 
der  Maxillen  ist  der  durchscheinende  Pharynx  (Fig.  6  ph).  Die  Ober- 
seite des  Maxillarorgans  ist  vorn  an  der  Spitze  offenbar  mit  der 
Unterseite  verschmolzen  (Fig.  5).  Dieselbe  besitzt  hinten  vier  Vor- 
sprünge (Fig.  5f r,  f2,  f3,  f4)  und  in  der  Mitte  der  Fläche  drei  Durch- 
bräche, von  denen  die  beiden  seitlichen,  mit  erhöhtem  Aussenrande 
versehenen  die  grösste  Längenausdehnung  besitzen  und  zur  Insertion 
der  Palpen  dienen  (Fig.  5pd).  Die  höchste  Stelle  des  Aussenrandes 
am  Palpen-Durchbruch  (Fig.  5pz'  und  Fig.  Tpz1)  sowie  ein  Fortatz 
am  Innenrande  (Fig.  5pzL')  dient  Tastermuskeln  zur  Ansatzstelle. 
Der  zwischen  ihnen  gelegene  Durchbimch  ist  der  Mandibular-Durch- 
lass  (Fig.  5md).  Von  dem  innern  Tastermuskel-Insertionszapfen  aus 
bis  zur  Spitze  des  Mundkegels  befinden  sich  zwei  kräftige  chitinöse 
Hautfalten  (Fig.  5f),  welche  gegen  einander  gewölbt  sind  und  eine 
nach  vorn  zu  sich  verengernde  Rinne  bilden,  welche  die  Mundhöhle 
(Fig.  5mr)  darstellt  und  vorn  als  Mundöffnung  (Fig.  5mö)  endigt, 
die  durch  vier  um  sie  herumstehende  kleine  Borsten  gekennzeichnet 
ist.  Der  obere  Rand  der  die  Mundhöhle  bildenden  Hautfalten  besitzt 
in  geringer  Entfernung  von  der  Mundöffnung  einen  nach  innen  und 
unten  gerichteten  zahnartigen  Fortsatz  (Fig.  5  z). 

Bei  auf  der  Spitze  stehendem  Mundkegel  gewährt  das 
Mikroskop  einen  ungehinderten  Blick  in  das  Innere  des  Trichters 
und  man  überzeugt  sich  von  dem  Fehlen  einer  Maxillarbrücke ,  wie 
ich  sie  bei  Nesaea  uncata  Koenike1)  beschrieb  und  abbildete. 
Man  gewahrt  darin  nur  das  Paar  Luftsäcke,  die  nach  v.  Schaub's2) 
Befunde  ausser  der  Atmung  auch  den  Mandibeln  bei  der  Bewegung 
zur  Führung  dienen,  zu  welchem  Zwecke  sie  in  die  Mandibulargrube 
hingreifen. 

Die  Mandibeln  sind  in  den  Mundkegel  derart  eingefügt,  dass 
der  hintere  Teil  ihres  Basalgliedes  (Fig.  4b)  vom  Knie  ab  durch 
den  Mandibular-Durchlass  in  das  Innere  des  Maxillartrichters  hinein- 
ragt, während  der  Vorderteil  nebst  dem  Hakenglied  (Fig.  4h)  in  der 
Mundrinne  befindlich  ist.  Die  Oberkiefer  sind  hinsichtlich  der  Grösse 
sehr  wenig  entwickelt.  In  der  Gestalt  gleichen  sie  der  Sperchon- 
Mandibel  (vergl.  1.  c.  Taf.  IX,  Fig.  22).  Das  Grundglied  ist  äusserst 
schlank  und  stärker  gekniet  als  die  Vergleichsmandibel.  Die  Knie- 
partie kennzeichnet  sich  durch  eine  auffallende  Schwellung,  die  sich 
bei  jeder  Lage  des  Oberkiefers  erkennen  lässt.  Die  lange  Mandibular- 
grube (Fig.  4  mg),  welche  vor  dem  Knie  beginnt  und  sich  bis  zum 
hintern  Ende  des  Basalgliedes  erstreckt,  besitzt  die  halbe  Länge  des 


')  Eine  neue  Hydrachnide  aus  schwach  salzhaltigem  Wasser.  Abhliandlgn 
naturw.  Ver.  Bremen.     Bd.  X.  1888,  p.  276.  T.  III,  Fig.  3mb. 

2)  Ueber  die  Anatomie  von  Hydrodroma  (C.  L.  Koch).  Sep.  aus  den 
Sitzungsher.  d.  Kais.  Akad.  d.  Wissensch.  Wien.  Bd.  XCVII.  1888,  p.  18.  Taf.I 
Fig.  l  Lr. 


78  F.  Koenike: 

letzteren.  Ihr  Aussenrand  ist  nahe  am  hintern  Ende  der  Grube 
schwach  einwärts  gebogen.  Das  Vorderglied  des  Oberkiefers  (Fig.  4h) 
ist  fast  verkümmert  und  nur  schwach  hakig  gekrümmt.  Im  übrigen 
zeigt  auch  dieses  Organ  durch  zwei  Reihen  Zähnchen  auf  der  Breit- 
seite die  nahe  Verwandtschaft  der  neuen  Art  mit  Sperchon  glandulosus 
Koen.  Ein  Mandibularhäutchen  (Fig.  4mh)  am  Vorderrande  des 
Grundgliedes  ist  gleichfalls  vorhanden,  das  die  gleiche  Form  wie  bei 
der  Vergleichsart  aufweist. 

Die  Palpen  sind  von  halber  Körperlänge.  Ihr  zweites  und  drittes 
Glied  sind  an  dem  gegenseitigen  Berührungsende  stark  aufgetrieben. 
Jenes  charakterisiert  sich  durch  einen  dem  vorderen  Drittel  auf- 
sitzenden Zapfen,  welcher  auf  erhöhtem  Grunde  steht,  von  halber 
Länge  des  Tastergliedes  und  schlanker  kegelförmiger  Gestalt  ist 
(Fig.  3);  er  zeigt  in  seiner  ganzen  Länge  epidermoide  Struktur  und 
entbehrt  eines  chitinösen  Stiftes,  der  bekanntlich  der  Limnesia- 
uncl  Sperchon-Palpe  eigen  ist.  Das  vierte  Tasterglied  ist  annähernd 
so  lang  wie  die  vier  übrigen  zusammen  genommen;  es  ist  ausser- 
ordentlich schlank,  doch  sonst  ohne  erwähnenswerte  Merkmale.  Das 
Endglied  (Fig.  8)  besitzt  nur  etwa  ein  Fünftel  der  Länge  des  vorher- 
gehenden und  läuft  in  eine  nach  unten  gekrümmte  Spitze  aus,  die 
etwa  zu  einem  Drittel  der  Gliedlänge  stark  chitinisiert  erscheint;  an 
der  Stelle,  wo  diese  Chitinisierung  beginnt,  steht  auf  der  Unterseite 
des  Palpensegmentes  ein  niedriger  stumpfer  Höcker.  Der  Borsten- 
besatz der  Taster  ist  nur  recht  dürftig;  erwähnenswert  ist  eine  Reihe 
Härchen  auf  der  Unterseite  des  vorderen  vorletzten  Gliedes.  Das 
zweite  und  dritte  Segment  tragen  auf  der  gewölbten  Oberseite 
mehrere  kurze  und  kräftige  Borsten. 

Das  Hüft  plattengebiet  (Fig.  1)  umfasst  die  vordere  Hälfte 
der  Ventralseite  und  bildet  drei  getrennte  Gruppen,  von  welchen  die 
vordere  aus  den  beiden  ersten  Epimerenpaaren  und  die  zwei  übrigen 
je  aus  der  dritten  und  vierten  Hüftplatte  zusammen  gesetzt  sind. 
Das  erste  Coxalplattenpaar  (Fig.  2)  ist  hinten  auf  einer  kurzen  Strecke 
mit  einander  verwachsen;  der  dadurch  vorn  erzeugte  Zwischenraum, 
in  den  das  Maxillarorgan  eingelassen  ist,  hat  eine  glockenförmige 
Gestalt.  Die  erste  Epimere,  welche  nur  eine  geringe  Breite  besitzt, 
läuft  hinten  in  eine  auswärts  geschwungene  Spitze  aus.  Die  zweite 
Hüftplatte  ist  ungefähr  von  gleicher  Breite  der  ersten,  jedoch  kürzer, 
indem  sie  in  der  durch  die  gekrümmte  Epimeralspitze  der  letzteren 
entstandenen  Aussenbucht  endigt.  Die  vorletzte  Hüftplatte  ist  auf 
der  Innenseite  kaum  merklich  schmaler  als  aussen;  sie  besitzt  fast 
die  gleiche  Breite  der  zwei  ersten  Platten  zusammen  genommen. 
Die  deutlich  viereckige  letzte  Epiniere  ist  doppelt  so  breit  als  die 
dritte.  Merkwürdig  ist  eine  in  derselben  nahe  der  vorderen  Innen- 
ecke befindliche  Drüsenöffnung. 

Die  Gliedmaassen  sind  von  gewöhnlicher  Dicke  und  Länge. 
Die  drei  ersten  Fusspaare  besitzen  Doppelkrallen,  während  der  letzte 
Fuss  einer  solchen   entbehrt;   sein    Endglied    läuft    vielmehr  wie  bei 


Ein  neues  Hyrlrachniden  -  Genus  (Teutonia).  70 

den  Limnesia -Arten  in  eine  Spitze  aus  (Fig.  1).  Jede  der  Doppel- 
krallen (Fig.  9)  hat  einen  langen  schmalen  Basaltheil,  der  vorn  nur 
unerheblich  breiter  ist  als  an  seinem  Insertionsende.  Vorn  zeigt  die 
Kralle  zwei  hinter  einander  gestellte  Zinken,  von  denen  die  innere 
knapp  die  halbe  Länge  der  äussern  hat.  Letztere  endigt  in  schlanker, 
schwach  einwärts  gebogener  Spitze,  während  die  innere  in  breit  ab- 
gerundetem Ende  abschliesst.  Es  zeigt  somit  die  Teutonia -Kralle 
im  allgemeinen  die  Bildung  der  Nesaea-Kralle.  Die  Behaarung  der 
Gliedmaassen  ist  massig;  eigentliche  Schwimmborsten  nimmt  man 
nur  an  den  zwei  hinteren  Paaren  wahr  und  zwar  am  vierten  und 
fünften  Gliede;  im  übrigen  sind  dieselben  nebst  den  zwei  paar 
Vorderfüssen  mit  mehr  oder  weniger  kurzen  Haaren  besetzt  (Fig.  1). 

Das  äussere  Geschlechtsorgan  liegt  in  seiner  Vorderhälfte 
zwischen  den  letzten  Epimeren  (Fig.  1  und  2).  Neben  der  Genital  - 
öffnung  sind  jederseits  drei  Sexualnäpfe  vorhanden,  welche  eine  lang- 
gestreckte Gestalt  besitzen.  Ueber  dieselben  greifen  zwei  auf .  der 
Aussenseite  befestigte  und  bewegbare  Klappen  hinüber.  Es  zeigt 
der  Geschlechtshof  von  Teutonia  somit  eine  den  äusseren  Sperchon- 
Genitalien  analoge  Organisation. 

Vorkommen.  Teutonia  primaria  wurde  von  Herrn  Dr.  Zacharias 
in  2  Exemplaren  (1  3  und  1  ?)  im  Springbrunnen -Bassin  der  Villa 
Schöffer  in  Gelnhausen  gesammelt. 

Das  Männchen  hat  eine  Körperlänge  von  l,i  mm.  Die  Hüft- 
platten unterscheiden  sich  in  Form  und  Raumausdehnung  nicht  von 
denjenigen  des  Weibchens  (vergl.  Fig.  1  und  2).  Die  in  der  letzten 
Epimere  gelegene  Drüsenöffhung,  deren  Lage  bereits  oben  näher 
angegeben  wurde,  kennzeichnet  sich  durch  einen  sie  einrahmenden 
Hof  von  ansehnlicher  Grösse  und  runder  Gestalt.  Es  ist  keiner  der 
vier  Füsse  durch  Geschlechtsdimorphismus  ausgezeichnet,  sondern 
dieselben  gleichen  durchaus  den  weiblichen  Gliedmassen. 

Das  äussere  männliche  Genitalorgan  besitzt  zwei  nach  vorn  sich 
verschmälernde  Klappen,  vor  denen  ein  durch  die  Haut  hindurch- 
scheinender kurzer  flacher  Chitinbogen  befindlich  ist.  Dass  Figur  1 
in  der  That  ein  Männchen  darstellt,  bewies  mir  das  bei  dem  be-' 
treffenden  Individuum  durch  die  Körperhaut  hindurch  erkennbare 
Penisgerüst,  welches  beim  Versuch  des  Herauspraeparierens  verloren 
ging,  so  dass  ich  ausser  Stande  bin,  etwas  Näheres  darüber  zu  sagen. 

Das  Weibchen  ist  verhältnismässig  grösser  als  das  Männchen. 
Die  im  vordem  Innenwinkel  befindliche  Drüsenmündung  besitzt  einen 
Hof,  der  dadurch  merkwürdig  ist,  dass  er  einen  stielförmigen  Aus- 
läufer nach  dem  Innenrande  der  Hüftplatte  sendet,  wodurch  er  ein 
flaschenförniiges  Aussehen  gewinnt  (Fig.  2). 

Die  Genitalklappen  sind  zum  Unterschiede  von  den  männlichen 
ihrer  ganzen  Länge  nach  gleich  breit.  Der  vor  dem  Geschlechtsfelde 
situierte  Chitinbogen  ist  ausserordentlich  lang  und  stark  gekrümmt. 

Bremen,  im  Mai  1889. 


80  P-  Koenike. 

Erklärung  der  Abbildungen 

auf  Tafel  V. 


Bei  der  Untersuchung  bediente  ich  mich  eines  Zeiss' sehen  Mikroskops. 
Die  Zeichnungen  wurden  an  der  Hand  einer  Camera  lucida  entworfen. 

f         Chitinöse  Hautfalte, 

f'-f4  Hintere  Fortsätze  am  Maxillarorgan. 

md     Mandibular-Durchlass. 

mö     Mundöffnung. 

mr     Mundhöhle. 

pd      Palpen  -  Insertionsstelle. 

pz '    Aeusserer  Fortsatz  für  den  Ansatz  von  Tastennuskeln. 

pz2    Innerer  Fortsatz  für  den  Ansatz  von  Tastennuskeln. 
Fig.  1.  Ventralseite  von  Teutonia  primaria  mihi  ^;  auf  der   linken  Körper- 
seite wurden  die  Gliedmafsen  nicht  gezeichnet.    Vergrösserung  ca.  5%. 

(Objectiv  a,  Ocular  5). 
»     2.  Epimeralgebiet  nebst  Genitalhof  von  Teutonia  primaria  $.    Vergr.  7%. 

(Obj.  BB,  Oc.  1). 
»     3.  Taster  von  Teutonia  primaria  $   in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  imjv 

(Obj.  BB,  Oc.  3). 
»     4.  Mandibel    von   Teutonia   primaria   $    in   der  Seitenansicht;    b   Basal- 
glied; h   Hakenglied;  mg  Mandibulargrube;    mh  Mandibularhäutchen. 

Vergr.  l35/t. 
»     5.  Maxillarorgan   von  Teutonia  primaria  $  von  oben   gesehen,    ls  Luft- 
säcke; z  zahnartiger  Vorsprung.    Vergr.  240/i.     (Obj.  BB,  Oc.  5). 
»     6.  Dasselbe   von   unten   gesehen,     ph  Durchscheinender  Pharynx.     Ver- 

gröss.  24"/i. 
»     7.  Dasselbe  von  vorn  gesehen.     Vergr.  n"l1. 
»     8.  Endglied  einer  weiblichen  Palpe  von  Teutonia  primaria.    Vergr.  75"/i. 

(Obj.  F,  Oc.  3). 
»     9.  Eine  Doppelkralle  des  zweiten  weiblichen  Fusses  von  Teutonia  primaria. 

Vergr.  »%. 
»   10.  Maxillarorgan  von  Sperchon  glandulosus  Koen.  in  der  Ansicht  von  oben. 

Vergr.  24n/1. 
».    11.   Dasselbe  in  Vorderansicht.     Vergr.  240/i- 


Die  Japanische  Bryozoenfaima.  65 

Zellen,  diese  sind  einfach,  erheben  sich  in  der  Nähe  des  Centriims 
zu  verschiedener,  meist  bedeutender  Höhe  (doppelt  so  hoch  als  die 
Höhe  der  Scheibe)  und  fallen  nach  aussen  allmählich  ab.  Zwischen 
den  Reihen  sind  tiefe  und  enge  Thäler.  Zellmündungen  rundlich. 
Thäler  mit  2  Reihen  rundlicher,  kleiner  Poren. 
Sagamibai,  200  Faden,  selten. 

4.  Lichenopora  novae-zelandiae  Bsk.  sp.  Taf.  II.  fig.  10. 
Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  32.  pl.  XXX  fig.  2. 
Zoarium  scheibenförmig,  in  der  Mitte  vertieft.  Radiale  Zell- 
reihen einfach,  etwas  vorragend.  Mündung  der  Zellen  zweilippig. 
Mittelfeld  ohne  Zellen,  mit  grossen  Poren,  die  nach  der  Peripherie 
zu  kleiner  werden  und  zwischen  den  Zellreihen  in  1 — 2  Reihen  stehen. 
Rand  mit  einem  Saum. 

Maizuru,   40  Fad.,  selten. 

Verbreitung:  Neu-Seeland  (Bsk.).  Burmah,  Hinterindien  (Hcks.). 

5.  Lichenopora  californica  d'Orb.  sp.  Taf.  I.  fig.  29. 
Unicavea  californica  d'Orbigny:  Pal.  Fr.  p.  972. 
Busk:    Cat.  Br.  Mus.  III.  p.  32.  pl.  XXX.  fig.  5. 
Zoarium  scheibenförmig,  in  der  Mitte  vertieft.     Zellen  in  2-  bis 
3  zeiligen  radialen  Reihen.    Radien  länger  oder  kürzer,  wenig  erhaben. 
Mündungen  eckig,  kleiner  als  die  grossen,  eckigen  Poren. 

Sagamibai,  70 — 100  Fad.,  selten,  auf  Echinodermenschalen. 
Verbreitung:  Californien  (Bsk.) 

Gattung:  Fasciculipora  d'Orb. 

Verbreitung:  Süd -Amerika,  Tristan  da  Cunha,  Kön.  Char- 
lotte-Ins. 

1.  Fasciculipora  simplex  n.  sp.   Taf.  IV.  fig.  39. 

Zoarium  aufrecht,  cylindrisch,  kurz,  einfach,  aus  einem  einzigen 
Zellbündel  bestehend.  Zellen  mit  eckigen  Mündungen,  sich  grössten- 
teils auf  dem  abgerundeten  Gipfel,  nur  wenige  sich  seitlich  und  mit 
runden  Mündungen  öffnend.     Oberfläche  punktiert. 

Sagamibai,  200  Fad.,  selten. 

2.  Fasciculipora  carinata  n.  sp.  Taf.  IV.  fig.  40. 

Zoarium  aus  einer  Gruppe  von  gestielten,  oberwärts  flach- 
gedrückten und  blattförmig  verbreiterten,  etwas  geteilten  Zweigen 
zusammengesetzt.  Die  Zweige  sind  etwa  fächerförmig,  der  obere 
Rand  ist  gebogen,  abgestutzt.  Nur  auf  dieser  abgestutzten  Fläche 
finden  sich  die  Oeffnungen  der  Zellen  Seitlich  laufen  an  den  Zweigen 
etwa    fächerförmige    Rippen   herab,    die    von  etwas  hervortretenden 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  I.  5 


66  Dr.  A.  Ortmann: 

Zellbündeln  gebildet  werden.  Zellöffnungen  eckig,  etwas  ungleich. 
In  der  Mittellinie  der  langgestreckten,  mit  Zellöffnungen  versebenen 
Gipfelfläche  der  Zweige  verläuft  eine  etwas  erhabene,  scharfe,  zellen- 
lose Linie:  die  Trennungslinie  der  den  beiden  Seiten  der  Zweige  an- 
gehörigen  Zellbündel. 

Sagamibai,  70  Fad.,  nur  ein  Exemplar  auf  einer  jugendlichen 
Schnecke  (Bolma  modestum  Thil.)  aufgewachsen.  Zusammen  mit 
Metacrinus  rotundus  erbeutet. 

Gattung:  Hypocytis  nov.  gen. 

1.  Hypocytis  asteriscus  n.  sp.  Taf.  II.  fig.  19. 

Zoarium  dünn  gestielt,  oberwärts  in  eine  unregelmässige,  stern- 
förmige Scheibe  ausgebreitet.  Die  Strahlen  des  Sternes  etwas  ver- 
ästelt, aus  Zellbündeln  gebildet.  Zellmündungen  an  der  Spitze 
und  an  der  Unterseite  der  Strahlen.  Oberfläche  gestreift,  nicht 
punktiert. 

Von  der  Gattung  Supercytis  d'Orb.  (Pal.  Fr.  p.  1060.  und  Busk, 
Ghali.  Pol.  IL  p.  28)  unterscheidet  sich  diese  Gattung  vornehmlich 
dadurch,  dass  sich  die  Zellmündungen  ausser  an  der  Spitze  der 
Bündel,   nur  an  deren  Unterseite  finden. 

Sagamibai,  200  Fad.,  2  Exemplare. 


Anmerkung: 

Heteropora  pelliculata  Waters. 

Journ.  E.  Micr.  Soc.  II.  p.  390.  pl.  15. 
==  H.  neozelanica  Busk:  Journ.  Linn.  Soc.  Zool.  XIV.  p.  725.  pl.  15. 

Vgl.  auch:  Nicholson,  Ann.  Mag.  N.  H.  (5)  VI.  p.  329. 

Zoarium  aufrecht,  aus  kurzen,  divergierenden  Zweigen  bestehend,  die  von 
einem  dicken,  kurzen  Stamm  entspringen  und  sich  1 — 2  mal  dichotom  teilen  und 
in  stumpfe  oder  kegelförmige  Spitzen  endigen.  Oberfläche  mit  einem  dünnen, 
kalkigen  und  organischen  Häutchen  bedeckt,  das  über  den  Cancelli  von  zahl- 
reichen Poren  durchbohrt  ist. 

Sagamibai,  mehrere  Exemplare  —  Nördl.  Japanisches  Meer  und  Tatar- 
Golf,  14—37  Fad.  (Waters.).  —  Neu-Seeland  (Bsk.). 

Meine  Exemplare  nähern  sich  in  der  Gestalt  des  Stockes  mehr  der  H. 
neozelanica  Bsk.  Uebrigens  sind  beide  Arten  nach  Waters  (cf.  Nicholson 
1.  c.  p.  339.  Anmerk.)  identisch. 

Ob  diese  Form  den  Bryozoen  zuzurechnen  sei,  ist  mir  sehr  zweifelhaft 
geworden,  seitdem  ich  von  Herrn  Dr.  D  öder  lein  darauf  aufmerksam  gemacht 
wurde,  dass  das  dünne,  die  Oberfläche  überziehende  Häutchen  aus  3strahligen 
Spongiennadeln  zusammengesetzt  ist.  Leider  fand  ich  bis  jetzt  noch  nicht  die 
Gelegenheit,  diesen  Befund  näher  zu  untersuchen. 


Die  Japanische  Bryozoenfanna.  67 

Faimistisches. 

Ueberblickt  man  die  horizontale  Verbreitung  der  Bryozoen,  so 
bemerkt  man,  dass  von  gewissen  Küstenstrichen  eine  erhebliche  Menge 
von  Formen  bekannt  sind,  während  andere  fast  leer  ausgehen.  Mag 
dieses  eigentümliche  Verhalten  hier  und  da  auch  auf  unsere  mangel- 
hafte Kenntniss  gewisser  Gegenden  zurückzuführen  sein,  so  viel 
kann  man  jedoch  als  feststehend  annehmen,  dass  es  mehrere  grosse 
Bryozoengebiete  giebt,  die  sich  durch  besonderen  Formenreichtum 
auszeichnen. 

Zu  bemerken  ist  dabei,  dass  diese  Gebiete  unter  sich  etwa  analoge 
Verhältnisse  darbieten:  es  sind  Küstengebiete,  die  in  gemässigteren 
Breiten  liegen,  etwa  südlich  und  nördlich  von  den  Wendekreisen 
an:  in  höheren  Breiten  hört  die  Reichhaltigkeit  wieder  auf.  Solche 
Küstenstriche  sind  folgende:  im  nördlichen  Atlantischen  Ocean:  die 
europäischen  Küsten  und  besonders  das  Mittelmeer  einerseits,  ander- 
seits die  amerikanischen  Gestade,  besonders  Florida;  im  südlichen 
Atlantischen  Ocean :  die  Südspitze  Afrikas  und  Amerikas,  an  letzterer 
Stelle  ebenso  auch  an  der  Pacifischen  Seite ;  im  südlichen  Pacifischen 
Ocean  fernerhin:  Neu-Seeland  und  das  südliche  Australien;  im  nörd- 
lichen Pacifischen  Ocean  schliesslich:  die  amerikanische  Küste  von 
Californien  bis  zu  den  Königin  Charlotte-Inseln  und  ebenso,  wie  aus 
meinem  Material  hervorgeht,  die  Japanischen  Küsten. 

Diese  sieben  Hauptgebiete:  das  europäische,  Florida-,  Süd- 
Afrikanische,  Süd- Amerikanische,  Australische,  Californische  und 
Japanische  Gebiet,  zeichnen  sich  nun  keineswegs  von  einander  durch 
besonders  eigentümliche  Formen  aus.  Zwar  besitzt  jedes  derselben 
wohl  eine  Anzahl  eigentümlicher  Arten,  doch  nur  vereinzelt  kommt 
der  Fall  vor,  dass  eine  Gattung  auf  eines  der  Gebiete  beschränkt 
ist.  Vielmehr  sehen  wir,  dass,  wie  die  meisten  Familien  eine  geradzu 
kosmopolitische  Verbreitung  besitzen,  ebenso  die  meisten  Gattungen 
in  allen  diesen  Gebieten  vertreten  sind,  und  selbst  eine  erhebliche 
Anzahl  von  Arten  wenigstens  mehreren  dieser  Gebiete  gemeinsam 
ist.  Besonders  letzterer  Umstand,  dass  so  viele  Arten  eine  so  weit- 
gehende horizontale  Verbreitung  besitzen,  ist  eine  Eigentümlichkeit 
der  Bryozoen,  wie  sie  in  gleichem  Maase  wohl  kaum  bei  einer  andern 
Tiergruppe  wiedergefunden  wird. 

Getrennt  werden  jene  sieben  Gebiete  einmal  durch  grosse  Meeres- 
tiefen —  ein  Umstand,  der  darin  genügende  Erklärung  findet,  dass 
die  üppigste  Entfaltung  der  Bryozoen  in  nicht  allzu  grossen  Tiefen 
liegt,  in  bedeutenderen  Tiefen  jedoch  nur  wenige  Formen  angetroffen 
werden.  Anderseits  scheinen-  die  Tropen  eine  Grenze  für  die  Bryozoen- 
gebiete zu  bilden.  Besonders  ist  es  eine  eigentümliche  Erscheinung, 
dass  aus  Gegenden,  aus  denen  Riffkorallen  bekannt  sind,  nur  in 
seltenen  Fällen  Bryozoen  angeführt  werden,  und  ich  selbt  habe  mit 
wenig  Erfolg  auf  einer  grossen  Anzahl  von  Korallenstöcken  nach 
Bryozoen  gesucht.  Soviel  scheint  festzustehen,  dass  Riffkorallen  und 
Bryozoen  sich  wenigstens    teilweis   gegenseitig    ausschliessen.     Zwar 

5* 


68  Dr-  A.  Ortinann: 

muss  man  dabei  in  Erwägung  ziehen,  dass  die  Riffkorallen  bei 
weitem  nicht  bis  in  die  Meerestiefen  hinabsteigen,  in  denen  die 
üppigste  Entfaltung  der  Bryozoen  zu  finden  ist,  und  es  ist  von  vorn- 
herein nicht  auszuschliessen,  dass  auch  in  Korallengegenden  sich  in 
gewissen  Tiefen  (100  —  300  Fad.)  noch  Bryozoenbänke  befinden  - 
jedoch  ist  bisher  nichts  derartiges  bekannt  geworden,  und  unsere 
Kenntnis  tropischer  Bryozoen  beschränkt  sich  auf  eine  geringe  Anzahl 
von  Arten.*) 

Vergleicht  man  im  Speciellen  unser  japanisches  Material  rück- 
sichtlich der  horizontalen  Verbreitung  der  Formen  mit  den  Faunen 
anderer  Gebiete,  so  ergiebt  sich  folgendes. 

Von  18  Familien  Chilostomen  und  6  Familien  Cyclostomen  ist 
Japan  keine  eigentümlich.  Von  den  36  oben  angeführten  Chilostomen- 
gattungen  sind  die  beiden  neuen:  Tremopora  und  Cyclostomella, 
von  10  Gattungen  Cyclostomen  die  neue:  Hypocytis  bisher  nur  von 
Japan  bekannt.  Bei  den  Arten  ist  das  Verhältnis  ein  anderes.  Von 
107  Chilostomen  sind  69  neue  und  eine  schon  bekannte  (Lepr. 
japonica),  von  30  Cyclostomen  sind  16  neue  nirgends  anderswo  ge- 
funden worden.  Doch  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  manche  der 
neuen  Formen  sich  auch  anderweitig  auffinden  lassen. 

Die  übrigen  verteilen  sich  auf  ausserj apanische  Gegenden  etwa 
folgendermaassen : 

Von  gut  bekannten  Bryozoengebieten  hat  die  japanische  Fauna 
gemein: 

mit  Australien 23  Arten, 

„    N. -Europa  und   den   arktischen  Gegenden  13       ,, 

,,    dem  Mittelmeer 10       „ 

„    Florida 8       „ 

,,    Süd-Amerika 5       ,, 

Bei  weniger  bekannten  Gebieten  stellt  sich  die  Sache  folgender- 
maassen: 

mit  Süd -Afrika sind  9  Arten  gemeinsam, 

,,    dem  tropisch-Indo-pacifischen  Gebiet  ,,9      ,,               „ 

„    Californien „     7      ,,               ,, 

,,    den  antarktischen  Inseln     ....  ,,6      ,,               ,, 
„    den  Centr.- Atlantischen  Ins.  u.  Küsten 

(Brasilien,  Cap  Verde,  Madeira,  Azoren)  ,,     3      ,,               „ 

„    China       „     1      „ 

Als  kosmopolitische  Arten  wären  zu  nennen: 
Bugula  neritina, 
Micropora  ciliata, 
Smittia  trispinosa. 


*)  Nur  im  Florida  -  Gebiet   sind  neben    Korallen   auch  zahlreiche  Bryozoen 
bekannt. 


Die  Japanische  Bryozoenfatraa.  fi9 

Wahrscheinlich  oder  nahezu  kosmopolitisch  sind  ferner: 

Diachoseris  magellanica:    Mittelmeer,    S.- Amerika,    S. -Australien, 

Antarktische  Inseln. 
Steganoporella    magnilabris:     Oceanien,    Australien,    Süd- Afrika, 

Florida. 
Smittia  landsborovii :    Antarktische  Inseln,    Australien,    S. -Afrika, 

Cap  Verde,  Florida,  N.-Amerika,  England,  Arktisches  Meer. 
Schizoporella  caecilii:    Kon.  Charlotte -Inseln,    Australien,    Rothes 

Meer,  Mittelmeer,  N.-Europa. 
Idmonea  milneana:   Fidji- Inseln,   Australien,   Antarktische  Inseln, 

Süd-Amerika,  Florida,  Azoren,  Mittelmeer. 

Grössere,  aber  zusammenhängende  Verbreitung  besitzen: 
Menipea  compacta:  Kön.  Charlotte-Ins.,  Vancouver,  Californien. 
Carberea  lata:   Neu -Seeland,   Australien,  Cap  York,  Arafura-See. 

Von  beschränkter  Verbreitung  sind: 

Carberea  rudis:  S.- Australien, 

—        minima:  S. -Amerika, 
Flustra  papyracea:  N.-Europa, 
Amphibiestrum  perfragile:  S.- Australien, 
Retepora  victoriensis :  S. -Australien, 
Lepralia  foliacea:  Europa, 
Mucronella  ellerii:  S.-  Australien, 
Cellepora  columnaris:  S. -Australien, 
Crisia  cylindrica:  Tristan  da  Cunha, 

—     eburneo-denticulata :  Spitzbergen, 
Idmonea  rustica:  China. 
Entalophora  delicatula:  Australien, 
Lichenopora  californica:  Cahfornien. 

Die  Südspitzen  der  Continente  und  die  antarktischen  Inseln 
bewohnen : 

Bugula  denticulata:  S.- Australien,  Neu-Seeland,  S. -Afrika. 
Cribrilina  philomela:  Antarktische  Inseln,  S.- Australien. 
Mucronella  tricuspis:  Prinz  Edward-Ins.,  S.- Australien,  S.-Amerika, 

S.- Afrika. 
Adeonella  tuberculata:  S.-Australien  und  S.-Afrika. 

Als  einzige  fast  nur  tropische  Form  wäre 
Smittipora    abyssicola:    Cuba,    Florida,    Singapur    (od.   Philippinen), 

Burmah, 
anzuführen. 

Durch  das  Vorkommen  der  genannten  Arten  in  Japan  wird  die 
geographische  Verbreitung  vieler  derselben  von  einer  neuen  Seite 
beleuchtet.  Ich  verzichte  jedoch  darauf,  an  dieser  Stelle  näher 
darauf  einzugehen,  da  es  doch  noch  nicht  möglich  ist,  etwas  be- 
stimmteres in  dieser   Hinsicht  festzustellen,   da  unsere  Kenntnis  der 


70  Dr.  A.  Ortmann: 

geographischen    Verbreitung    der    Bryozoen    überhaupt  noch  viel  zu 
wünschen  übrig  lässt. 

Was  die  bathymetrische  Verbreitung  anbetrifft,  so  lässt  sich  aus 

demselben    Grunde    nur    wenig    Allgemeines    aussagen,   obgleich  bei 

meinem  Material  bei  den  meisten  Formen  genauere  Angaben  vorliegen. 

Als  Bewohner  geringer   Tiefen  lassen  sich  etwa  von  bekannten 

Arten  folgende  nennen: 

Bugula  neritina:  4 — 10  Fad. 
Amphibiestrum  perfragile:  4 — 10  Fad. 
Lepralia  japonica:  bis  50  Fad. 

Von  den  neu  beschriebenen  Arten  kann  man  selbstverständlich 
nur  von  solchen,  die  in  grösserer  Menge  gefunden  wurden,  die  Tiefe, 
in  der  sie  vorkommen,  mit  Sicherheit  angeben.  So  scheinen  Bugula 
lophodendron  (4 — 10  Fad.),  Mucronella  inconspicua  (bis  40  Fad.)  in 
grösseren  Tiefen  nicht  vorzukommen.  Schizoporella  aterrima  ist  ein 
typischer  Strandbewohner. 

Nur  in  grösserer  Tiefe  wurden  gefunden: 
Bugula  japonica:  200  —  230  Fad. 
Retepora  anatina:  200  Fad. 

,,         tumida:    200    ,,     (in  Menge,  nur  selten  in  40  Fad.) 
„         bimunita:  200  Fad. 
Reteporella  dendroides:  200  Fad. 
Adeonella  japonica:    100 — 200  Fad. 

Bei  einzelnen  Arten  ergeben  sich  bei  der  Vergleichimg  mit 
andererf  Fundorten  mehr  od.  minder  grosse  Abweichungen: 

Bugula  johnstoniae    Florida  16     Fad.       Sagamibai  100  —  230  Fad. 

Diachoseris   magellauica  Mittelmeer  2 — 55    „  ,,  100  „ 

Betepora   victoriensis    Australien  33        ,,  \  onn 

Kobibai  8—50     „  /  "  "UU 

Die  übrigen  Arten  zeigen  entweder  in  der  Sagamibai  selbst 
eine  grössere  senkrechte  Verbreitung,  oder  sie  stimmen  —  wenn  es 
anderweitig  bekannt  ist  —  mit  dem  sonstigen  Vorkommen  überein. 
Die  Einzelheiten  sind  oben  bei  jeder  Art  angegeben  und  es  ist  wohl 
nicht  nötig,  sie  hier  noch  einmal  zusammenzustellen. 

Schliesslich  muss  noch  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass 
die  zahlreichen  Bryozoenarten,  die  auf  den  japanischen  Lithistiden 
vorkommen,  vielleicht  Aufschluss  darüber  geben  können,  in  welchen 
Tiefen  diese  zu  suchen  sind.  Leider  ist  nur  von  drei  der  auf  diesen 
Spongien  vorkommenden  Arten  die  Tiefe  anderweitig  bekannt: 
Scrupocellaria  scrupea  findet  sich  in  der  Sagamibai  sonst  in  70  Fad. 
Tiefe,  Carberea  minima  bei  den  Falklands -Ins.  in  5 — 12  Fad.  und 
Cellaria  tenuirostris  bei  Florida,  S. -Amerika  und  S.- Australien  in 
höchstens  70  Fad.  Hierdurch  würde  angedeutet,  dass  die  betreffen- 
den Lithistiden  der  Sagamibai  daselbst  verhältnismässig  geringe  Tiefen 
(unter  100  Fad.)  bewohnen,  wie  es  auch  Herr  Dr.  Döderlein  aus 
anderen  Gründen  für  wahrscheinlich  hält. 

Abgeschlossen  im  April  1889. 


Die  Japanische  Bryozoenfauna.  71 


Erklärung  der  Abbildungen. 


(Die  Figuren  sind  —  sofern  es  nicht  anders  angegeben  ist  —  bei  ca.  lofacher 
Vergrösserung  gezeichnet.) 

Tafel  I. 

Fig.    1.     Menipea   int^gra  n.  sp.     la.  Zoarium  Vi-     Ib.  und  lc.  Zooecien 
von  der  Vorder-  und  Rückenseite. 

2.  Menipea  compacta  Hcks.  var. :   dilatata  nov.   Zooecien  von  der 
Vorderseite. 

3.  Scrupocellaria  scrupea  Bsk.  var.  minor  nov.    3a.  Zoarium  */,. 
3  b.  u.  3  c.  Zooecien  von  der  Vorder-  und  Rückenseite. 

>•      4.     Scrupocellaria  diadema  Bsk.  4a.  Zoarium  l/,.  4b.  u.  4c.  Zooecien 

von  der  Vorder-  und  Rückenseite. 
»      5.     Carberealata  Bsk.    5a.  Zoarium  Vi-    ^b.  u.  5c.  Zooecien  von  der 

Vorder-  und  Rückenseite. 
»      6.     Carberea  climacina  n.  sp.  6a.  Zoarium  1/1.    6b.  Zooecien  von  der 

Vorderseite. 
»      7.     Carberea  bursifera  n.  sp.   7a.  Zoarium  '/i-    7b.  Zooecien. 
••      8.  —  rudis  Bsk.    8a.  Zoarium  Vi-     8b.  Zooecien. 

»      9.  —  minima  Bsk.    9a.  Zoarium  ljv    9b.  Zooecien. 

»    10.     Flustra  papyracea  Ell.  Sol.     10a.  Zoarium  Vi-    10b.  Zooecien. 
»    11.     Lepralia  japonica  Bsk. 

»    12.     Cellepora  triacantha  n.  sp.    12a.  Zooecium.    12b.  Deckel  ca.  30/i. 
»    13.  —  transversa  n.  sp.    13a.  Zooecium  ca.  30/l.    13b.  Deckel 

ca.  30/t.     13c.  Avicularium  ca.  30ll. 
»    14.     Cellepora  radiata  n.  sp.      14a.  Ooecium.     14b.  Zooecium.     14c. 

Deckel  ca.  30/1. 
»    15.     Gemellaria  macrostoma  n.  sp. 

»    16.     Bugula  johnstoniae  Gr.  sp.    16a.  Zoarium  '/i-    16b.  Zooecien 
>•    17.  —        neritiua  L.  sp.     17  a.  Zoarium  Vi-     17  b.  Zooecien. 

»    18.  —        lophodendron  n.  sp.    18a.  Zoarium  Vi-     18b.  Zooecien. 

»    19.  —        japonica  n.  sp.     19a.  Zoarium  7a«     19b.  Zooecien. 

»    20.  —        dentata  Bsk. 

»    21.  —        hexacantha  n.  sp.    21a.  Zoarium  l/v    21b.  Zooecien. 

»    22.     Diachoseris  magellanica  Bsk. 
»    23.  —  discodermiae  n.  sp. 

»    24.     Carbasea  rhizophora  n.  sp. 
»    25.     Amphibiestrum  bituberculatum  n.  sp' 
»    26.     Cribrilina  philomela  Bsk.  var. 
»    27.     Retepora  cornuta  n.  sp.    27a.  eine  Masche  des  Zoarium,    27b.  u. 

27  c.  Ooecium  von  vorn  und  von  der  Seite.     27  d.,  27  e   u.  27  f.  Avi- 

cularien. 
»    28.     Cellepora  trituberculata  u.  sp.  28a.  Zooecien  30/r    28b.  Deckel 

ca.  Mlt.    28  c.  u.  28d.  Mandibel  der  Avicularien  ca.  80/t. 


72  Dr.  A.  Ortmann: 

Fig.  29.  Lichenopora  californica  d'Orb.  sp.  5/i- 

»    30.  Diachoseris  hexaceras  n.  sp. 

»    31.  Flustra  spoliata  n.  sp.    31a.  Zoarium  Ya.    31b.  Zooecien. 

Tafel  IL 

»      1.  Catenicella  elegans  Bsk. 

»      2.  Onchoporella  selenoides  n.  sp.    2a.  Zoarium  '/,.    2b.  Zooecien. 

»      3.  Membranipora  crassimarginata  Hcks.  var*  japonica  nov. 

»      4.  —  panhoplites  n.  sp. 

»      5.  Amphibiestrum  perfragile  Mac  Gr.  sp. 

»      6.  Tremopora  dendracantha  n.  gen.  n.  sp. 

»      7.  Steganoporella  maguilabris  Bsk.  sp. 

»      8.  Cellaria  tenuirostris  Bsk.  sp.    8a.  Zoarium  l/t.  8b.  Zooecien. 

»      9.  Smittia  adeonelloides  n.  sp.    9a.  Zoarium  '/i-  9b.  Zooecium  3%. 

•>    10.  Lichenopora  novae-zelandiae  Bsk.  sp.    5/t. 

»>    11.  Micropora  lioticha  n.  sp.  IIa.  Zoarium  Vi-  Hb.  Zooecien. 

»    12.  Smittipora  abyssicola  Sm.  sp. 

»    13.  Cellaria  triangularis  n.  sp.    13a.  Zoarium  l/a.   13  b.  Zooecien  5/i- 

»    14.  Cyclostomella  articulata  n.  gen.  n.  sp.  14a.  Zoarium  Vi-    14b. 

Zooecien. 

»    15.  Tubucellaria  coeca  Bsk.     15a.  Zoarium  Vi-      15d-  Zooecien. 

»    16.  Retepora  anatina  n.  sp. 
»    17.  —  sanguinea  n.  sp. 

»>    18.  victoriensis  Bsk.  var.  japonica  Bsk.  18a.  jüngere 

Zooecien  mit  Avicularien.    18b.  ältere  Zooecien  mit  Oooecien  ca.  2n/i- 

»    19.  Hypocytis  asteriscus  n.  gen.  n.  sp.      5/j. 

»    20.  Retepora  tuinescens  n.  sp. 
»    21.  —         tenella  n.  sp. 

»    22.  —  bimunita  n.  sp. 

»    23.  —  semispinosa  n.  sp. 

»    24.  —  punctiligera  n.  sp. 

»    25.  —  axillaris  n.  sp. 

»    26.  Reteporella  peripherica  n.  sp.  26a.  Zoarium  Vi-  26b.  Zooecien. 
»27.  —  dendroides  n.  sp.   27a.  Zoarium  '/2-   27D-  Zooecien. 

»28.  —  minor  n.  sp.     28a.  Zoarium  '/,.    28b.  Zooecien. 

»    29.  Cribilina  reniformis  n.  sp. 

Tafel  III. 

»      1.  Lepralia  foliacea  Lamk.  sp. 

»     2.  Myriozoum  superficialen,  sp.   2a.  Zoarium  '/i-   2b.  Zooecien. 

.»      3.  Idmonea  tenella  n.  sp.    3,a.  Zoarium  '/i-    3^   Zooecien  1U/,. 

„      4.  —         falciformis  n.  sp.    4a.  Zoarium  Vi-    4D-  Zooecien  l"/,. 

»      5.  Microporella  ciliata  Pall.  sp.  var.  vibraculifera  Hcks. 

<>      6.  —  dimidiata  n.  sp. 

7.  Diporula  coronula  n.  sp. 

»      8.  Lepralia  magnicella  n.  sp. 

9.  —         magalocarpa.  n.  sp. 

»>    10.  —         bidentata  n.  sp. 


Beiträge 

zur 

Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte 
von  Petromyzon  Planeri. 

Von 

Karl  Nestler, 

Realschuloberlehrer  in  Leipzig  -  Reuchntz. 


Hierzu  Tafel  VI  u.  VII. 


Literaturverzeichnis. 

1.  Balfour,  Handbuch  der  vergleichenden  Embryologie.    Uebersetzt 

von  Dr.  B.  Vetter.    2.  Band. 

2.  Benecke,  Zur  Metamorphose  des  Flussneunauges.     Zoologischer 

Anzeiger  von  Carus.     1880. 

3.  Born,  Ueber  den  inneren  Bau  der  Lamprete.     Heusingers  Zeit- 

schrift für  organische  Physik.     1.  Band.    1827. 

4.  Do  hm,     Studien     zur     Urgeschichte     des     Wirbelthierkörpers. 

Mittheilungen  aus  der  zoolog.  Station  zu  Neapel: 
III.  Die  Entstehung  und  Bedeutung  der  Hypophysis  bei  Petromyzon 
Planeri.     1883. 
V.  Zur  Entstehung    und  Differenzirung    der  Visceralbogen  bei 
Petromyzon  Planeri.  1884. 
VIII.  Die  Thyreoidea  bei  Petromyzon,   Amphioxus  und  den  Tuni- 

caten.     1885. 
XII.  Thyreoidea    und    Hypobranchialrinne ,     Spritzlochsack     und 
Pseudobranchialrinne    bei    Fischen,    Amphioxus    und    Tuni- 
caten.     1887. 
XIII.  Ueber  Nerven  und  Gefässe  bei  Ammocoetes  und  Petromyzon 
Planeri.     1888. 

5.  Dröscher,    Beiträge    zur  Kenntniss   der  histologischen  Struktur 

der  Kiemen  der  Plagiostomen.     Leipzig,  1881. 

6.  Fürbringer,   Untersuchungen  zur   vergleichenden  Anatomie  der 

Muskulatur  des  Kopfskelets  der  Cyclostomen.     Jenaische  Zeit- 
schrift f.  Mediän  u.  Naturwissensch.     9.  Bd.   1875. 

7.  Grenacher,  Beiträge  zur  nähern  Kenntniss  der  Muskulatur  der 

Cyclostomen    und    Leptocardier.      Zeitschrift    für    wissenschaftl. 
Zoologie  v.  v.  Siebold  und  Kölliker.     17.  Band.  1867. 

Aich.  f.  Natuvgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  2.  G 


82  Karl  Nestler:  Beitrage  zur  Anatomie 

8.  Huxley,  On  the  nature  of  the  craniofacial  apparatus  of  Petromyzon. 

The  Journal  of  anatomy  and  physiology.     Vol.  X.  1876. 

9.  Julin,  a.  Des  origines  de  l'aorte  et  des  carotides  chez  les  poissons 

Cyclostomes.     Anatom.  Anzeiger  v.  Bardeleben.     1887. 

b.  Les  deux  premieres  fentes  branchiales  des  Poissons  Cyclostomes 
sont-elles  homologues  respectivement  a  l'event  et  ä  la  fente 
hyobranchiale  des  Selaciens?  Bulletins  de  l'Academie  Royale 
des  sciences  de  Belgique.     3.  serie,  tome  XIII.  1887. 

c.  Quelle  est  la  valeur  morphologique  du  corps  thyreoide  des 
Vertebres?     Ebenda. 

10.  Langerhans,  Untersuchungen  über  Petromyzon  Planeri. 
Freiburg,  1873. 

11.  Aug.  Müller,  Ueber  die  Entwicklung  der  Neunaugen.  Ein 
vorläufiger  Bericht.     Archiv  f.  Anatomie  v.  Joh.  Müller.     1856. 

12.  Joh.  Müller,  Vergleichende  Anatomie  der  Myxinoiden.  Ab- 
handlungen der  K.  Akademie  d.  Wissenschaften  z.  Berlin. 

a.  Osteologie  und  Myologie.  1834.     b.  Gefässsystem.  1839. 
c.  Eingeweide.  1843. 

13.  W.  Müller,  a.  Ueber  die  Hypobranchialrinne  der  Tunikaten  etc. 
Jenaische  Zeitschrift  f.  M.  1873. 

b.  Ueber  das  Urogenitalsystem  des  Amphioxus  u.  der  Cyclostomen. 
Ebenda.  1875. 

14.  W.  K.  Parker,  On  the  Skeleton  of  the  Marsipobranch  Fishes. 
Part.  IL  1883. 

15.  Rathke,  a.  Bemerkungen  über  den  innern  Bau  des  Querders 
und  des  kleinen  Neunauges.  Schriften  d.  naturf.  Gesellsch.  zu 
Danzig.     2.  Bd.  1827. 

b.  Bemerkungen  über  den  innern  Bau  der  Pricke.     Danzig,  1826. 

c.  Anatomisch-philosophische  Untersuchungen  über  den  Kiemen- 
apparat und  das  Zungenbein  der  Wirbelthiere.  1832. 

16.  A.  Riess,  Der  Bau  der  Kiemenblätter  bei  den  Knochenfischen. 
Bonn,  1881. 

17.  A.  Schneider,  a.  Ueber  die  Entwicklungsgeschichte  von 
Petromyzon.  Sitzungsberichte  der  oberhessischen  Gesellsch.  f. 
Natur-  und  Heilkunde.  1873. 

b.  Beiträge  zur  vergleichenden  Anatomie  und  Entwicklungs- 
geschichte der  Wirbelthiere.     Berlin  1879. 

18.  Max    Schultze,    Die    Entwicklungsgeschichte    v.  P.  Planeri. 

Haarlem,  1856. 

19.  Scott,  Vorläufige  Mittheilungen  über  die  Entwicklungsgeschichte 
der  Petromyzonten.     Zoolog.  Anzeiger  von  Carus.   1880. 

20.  Stannius,  Ueber  den  Bau  der  Muskeln  bei  P.  fluviatilis.  Göttinger 
Nachrichten.   1851. 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planeri. 


Angeregt  durch  die  Arbeiten  von  A.  Riess  über  den  Bau  der 
Kiemenblätter  bei  den  Knochenfischen  und  von  W.  Dröscher  über 
die  histologische  Struktur  der  Kiemen  der  Plagiostomen,  stellte  ich 
mir  die  Aufgabe,  den  Kiemenapparat  der  Petromyzonten,  dieser  in 
vielen  Beziehungen  so  eigentümlichen  Fischgruppe,  näher  kennen  zu 
lernen.  Es  wurden  zu  dem  Zwecke  die  einschlägigen  Verhältnisse 
sowohl  an  erwachsenen  Exemplaren  von  Petromyzon  Planeri  als  an 
dessen  Jugendform,  dem  Ammocoetes  branchialis  oder  Querder, 
näher  geprüft.  Von  besonderem  Interesse  aber  waren  Übergangsstadien 
zwischen  beiden  Formen,  die  ich  nach  vielen  vergeblichen  Be- 
mühungen glücklicherweise  in  zwei  verschiedenen  Altersstufen  —  von 
Mitte  Juli  und  Ende  August,  und  zwar  aus  dem  schlammigen  Sande 
eines  abgelassenen  Mühlgrabens  im  sächsischen  Erzgebirge  -  -  er- 
langte. Lezterer  Umstand  brachte  es  mit  sich,  dass  ich  im  Verlaufe 
meiner  Untersuchungen  auch  auf  entwicklungsgeschichtliche  Momente 
hingeführt  wurde,  von  denen  vor  allem  die  Entstehimg  des  bekannt- 
lich nur  den  ausgebildeten  Petromyzonten  eigenen  Ösophagus  meine 
Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nahm. 

Die  Arbeiten  wurden  im  zoologischen  Institut  der  Universität 
zu  Leipzig  unter  der  Leitung  meines  hochverehrten  Lehrers,  des 
Herrn  Geheimrat  Prof.  Dr.  Leuckart,  ausgeführt,  dem  ich  nicht 
bloss  einen  grossen  Teil  des  benutzten  Materials  und  der  nötigen 
litterarischen  Hilfsmittel  verdanke,  sondern  der  mir  auch  mit  seinem 
Rate  und  seiner  reichen  Erfahrung  stets  in  der  freundlichsten  Weise 
zur  Seite  stand.  Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  ihm  an  dieser 
Stelle  meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen.  Auch  dem  Assistenten, 
Herrn  Dr.  Looss,  der  mich  ebenfalls  mit  Material  von  Ammocoetes 
reichlich  unterstützte,  fühle  ich  mich  zu  grossem  Dank  verpflichtet. 

Die  Methode  der  Untersuchung  bestand  hauptsächlich  in  der 
Anfertigung  von  Schnittserien  nach  der  üblichen  Weise,  die  nach- 
träglich mit  ammoniakalischem  Karmin  gefärbt  und  in  Kanadabalsam 
eingeschlossen  wurden.  Doch  habe  ich  auch  behufs  Orientierung 
über  die  gröberen  Verhältnisse  zu  Messer  und  Loupe  meine  Zuflucht 
genommen.  Injektionen  sind  nicht  ausgeführt  worden,  da  mir  eines- 
teils lebende  Tiere  nicht  zur  Verfügung  standen,  andernteils  aber  die 
Blutgefässe  wegen  ihrer  prallen  Füllung  mit  Blut  verhältnismässig 
leicht  zu  verfolgen  waren. 


6* 


84  Karl  Nestler:  Beiträge  zur  Anatomie 


Allgemeines. 

Die  Kiemenhöhle  von  Amniocoetes  ist  ein  fast  cylin drischer, 
langgestreckter  Raum,  vorn  durch  zwei  mächtige,  muskulöse  Schleim- 
hautfalten, das  sogenannte  Mund-  oder  Schlundsegel  (Velum),  von 
der  Rachenhöhle  geschieden,  hinten  an  den  Herzraum  grenzend. 
Seitlich  ausgestülpte,  senkrechte  und  etwas  nach  vorn  gerichtete 
Querwände  teilen  denselben  in  jederseits  sieben  hinter  einander 
liegende  Kiemensäcke.  Letztere  stehen  nach  innen  durch  breite, 
hohe  Spalten  mit  dem  Bronchus  oder  Kiemendarm  in  direkter  Ver- 
bindung, während  sie  durch  kleine  rundliche  Öffnungen  nach  aussen 
münden. 

Die  innere  Oberfläche  der  Kiemensäcke  wird  durch  Falten- 
bildung bedeutend  vergrössert.  Auf  ihrer  vordem  und  hintern, 
obern  und  untern  Seite  erheben  sich  bandförmige  Kiemenblätter, 
die,  mit  einer  ihrer  Langseiten  angeheftet,  von  innen  nach  aussen 
durch  den  ganzen  Kiemensack  ziehn.  Die  mittleren  und  zugleich 
grössten  liegen  horizontal,  die  übrigen,  nach  oben  wie  unten  an 
Grösse  abnehmend,  neigen  sich  mit  ihrem  freien  Rande  der  Mitte 
des  Kiemensackes  zu.  Die  Schleimhaut  der  Kiemenblätter  ist  wiederum 
auf  beiden  Seiten  in  zahlreiche  parallele  Fältchen  zusammengelegt, 
in  denen  sich  das  Kapillarnetz  ausbreitet.  Diese  Falten  alternieren 
genau,  so  dass  immer  zwischen  zweien  der  einen  Seite  eine  der 
andern  steht  (vergl.  Fig.  4).  Sie  nehmen  nicht  die  ganze  Breite  der 
Blätter  ein,  lassen  vielmehr  das  der  angewachsenen  Kante  zunächst 
liegende  Viertel  frei. 

Auf  der  vordem  und  hintern  Seite  der  Diaphragmen  haben  die 
Kiemenblätter  eine  verschiedene  Form;  auf  dieser  sind  sie /"-förmig,  auf 
jener  hingegen  besitzen  sie  die  Gestalt  eines  nach  vorn  offenen 
Halbmondes,  weshalb  Rathke  (15a)  den  Horizontalschnitt  durch 
einen  Kiemenbogen  (durch  eine  „Kieme",  wie  er  ihn  nennt)  nicht 
unpassend  mit  einem  dreilappigen  Pflanzenblatt  verglich  (Fig.  1). 
Die  mittleren  Blätter  sind  nicht  ihrer  gesamten  Länge  nach  an- 
gewachsen; fast  die  ganze  äussere  Hälfte  bleibt  frei  und  ist  etwas 
nach  innen  zurückgebogen.  Dadurch  entsteht  zwischen  diesen  freien 
Enden  und  der  Kiemensackwand ,  rings  um  die  äussere  Kiemen- 
öffnung, ein  linsenförmiger  Raum,  dessen  grössere  Durchmesser  senk- 
recht und  längs  gerichtet  sind,  und  den  man  als  „Vorkammer"  des 
Kiemensacks  bezeichnen  könnte  (Fig.  1.  5  u.  6  V).  Rathke  kannte 
jene  Einrichtung  auch  schon  und  meinte,  das  Wasser  könne  auf 
solche  Weise  leichter  ein-  und  ausströmen.  Da  wir  jedoch  diese  Vor- 
kammern später  bedeutend  reduziert  finden,  ohne  dass  die  Atmung  ge- 
hindert scheint,  so  wird  diese  Ansicht  hinfällig.  Ich  glaube  vielmehr, 
dass    infolge    des    schnellen  Wachstums    der  Larve*)   sich  auch   die 


*)  Sie  ist  nach  Benecke's  Angaben  und  meinen  eignen  Beobachtungen  im 
ausgewachsenen  Zustande  bedeutend  grösser  als  das  geschlechtsreife  Tier. 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planen.  85 

Kiemenblätter  rasch  vergrössern  müssen,  um  das  Atmimgsbedürfnis 
zu  befriedigen,  während  die  als  Ansatz  und  Stütze  dienenden 
Diaphragmen  zurückbleiben.  Mit  der  stärkeren  Entwicklung  der  letzteren 
bei  Petromyzon  sehen  wir  darum  auch  die  Vorkammern  schwinden. 

Vom  Mundsegel  bis  in  den  Mageneingang  zieht  sich  eine  dicke 
Falte  längs  der  Decke  der  Kiemenhöhle  hin  (vergl.  Fig.  5  u.  7).  Oben 
heftet  sie  sich  an  die  Bindegewebsscheide  der  Chorda  dorsalis;  ihr 
Epithel  geht  in  das  des  Bronchus  und  der  Kiemensäcke  über.  Lockeres, 
von  vielen,  ziemlich  weiten  Blutgefässen  durchzogenes  Bindegewebe 
füllt  ihr  Inneres  aus.  Im  Grunde  verläuft  die  Aorta;  der  centrale 
Teil  aber  zeigt  oft  Anhäufungen  von  sternförmigen  Pigmentzellen,  die, 
wenn  man  Querschnitte  mit  blossem  Auge  oder  nur  mit  der  Loupe 
betrachtet,  einen  Hohlraum  vortäuschen,  weshalb  denn  wohl  auch 
Rathke,  der  diese  Falte  entdeckte,  in  ihr  einen  Blutbehälter  vermutete. 
Wir  werden  später  auf  dieses  Organ  zurückkommen. 

Der  ventrale  Teil  der  Kiemenhöhle  wird  ebenfalls  von  einer 
Falte  eingenommen,  die  schon  in  der  Rachenhöhle  als  schmale,  hohe 
Kante  beginnt  und  sich,  allmählich  flacher  werdend,  bis  zum 
Thyreoidea -Eingang  zieht.  Hinter  demselben  erhebt  sie  sich  zu 
einem  mächtigen,  breiten  Wulst,  wird  jedoch  an  der  6.  inneren 
Kiemenspalte  wieder  schmal  und  hoch.  An  der  hintern  Wand  der 
Kiemenhöhle  steigt  sie  endlich  senkrecht  auf,  sich  in  eine  rechte  und 
linke  Lippe  teilend,  welche  den  Mageneingang  bilden  und  oben  mit 
dem  Grunde  der  dorsalen  Falte  verschmelzen  (Fig.  10.  1  u.  7  Ds). 

Der  mittlere,  voluminöse  Teil  der  ventralen  Falte  enthält  eine 
ihrer  Bedeutung  nach  noch  rätselhafte  Drüse,  die  Thyreoidea.  Von 
ihrem  Ausführungsgange  zwischen  der  3.  und  4.  innern  Kiemen- 
Öffnung  an  ziehen  zwei  parallele  wimpernde  Rinnen  nach  vorn  und 
steigen  an  den  innern  Kanten  des  ersten  Diaphragmenpaares,  un- 
mittelbar hinter  der  Anheftimgslinie  des  Mundsegels  auf.  Betreffs 
des  weiteren  Verlaufs  dieser  „Wimperschnüre"  verweise  ich  auf 
A.  Schneider  (17b,  S.  84),  den  Entdecker  derselben.  Ich  erwähne 
sie  hier  nur  deshalb,  weil  W.  Müller  (13a)  sie  als  Homologon  der 
Hypobranchialrinne  des  Amphioxus  und  der  Tunikaten  ansieht, 
A.  Do  hm  aber  ihren  am  ersten  Diaphragma  aufsteigenden  Teil  für 
den  Rest  einer  ursprünglich  vor  der  ersten  bleibenden  angelegten 
Kiemenspalte  erklärt,  die  er  Hypobranchialspalte  nennt  und  der 
Spritzlochspalte  der  Haifische  an  die  Seite  stellt.  Über  diese  mut- 
massliche achte  Kiemenspalte  der  Cyclostomen  vergleiche  man  be- 
sonders die  Arbeiten  von  W.  Scott  (19),  Huxley  (8  u.  a.  a.  0.), 
W.  Parker  (14,  S.  445— 46.  448)  und  A.  Dohrn  (VIII.  St.  S.  49  ff, 
XII.  St.,  XIII.  St.  S.  234  u.  a.  a.  0.)  dagegen  Ch.  Julin  (9  b  u.  c). 

Die  Kiemenhöhle  von  Petromyzon  (Fig.  2)  zeigt  andere  Ein- 
richtungen als  wie  sie  bisher  von  Ammocoetes  beschrieben  worden 
sind.  Vor  allem  entwickeln  sich  hier  die  Diaphragmen  zu  grosser 
Mächtigkeit,  so  dass  die  Kiemenblätter  Platz  gewinnen,  sich  ihrer 
ganzen  Länge  nach  anzuheften.     Dies  bringt  nicht  bloss  die  linsen- 


g(3  Karl  Nestler:   Beiträge  zur  Anatomie 

förmigen  Vorkammern  der  Kiemensäcke  zum  Verschwinden,  sondern 
hat  auch  eine  Formveränderung  der  Kiemenblätter  im  Gefolge,  die 
jetzt  als  langgestreckte,  fast  gerade,  an  beiden  Enden  verjüngte 
Lamellen  erscheinen.  In  jedem  Kiemensack  ist  das  in  der  Höhe  der 
äusseren  Kiemenöffhung  stehende  Kiemenblatt  mit  Ausnahme  des 
innersten,  dem  Bronchus  zugekehrten  Abschnittes  in  zwei  über- 
einander liegende  Blätter  gespalten,  die  nach  der  äusseren  Kiemen- 
Öffnung  zu  ziemlich  weit  auseinander  rücken  und  sie  von  oben  und 
unten  einfassen.  Die  zugehörige  Arterie  und  Vene  sind  am  innern 
Ende  gemeinschaftlich,  am  äussern  natürlich  doppelt  (Fig.  8  rechts). 
Die  innern,  kiemenblattfreien  Bänder  der  Diaphragmen  dehnen 
sich  ebenfalls,  besonders  in  der  Längsrichtung  des  Körpers,  aus,  ja 
sie  wachsen  oben  und  unten  vollständig  mit  den  vor  und  hinter 
ihnen  liegenden  zusammen.  Auf  diese  Weise  schliessen  sich  die 
Kiemensäcke  bedeutend  vollständiger  vom  Bronchus  ab,  als  das  bei 
Ammocoetes  der  Fall  war.  Die  innern  Kiemenötfnungen  werden 
dadurch  zu  kleinen,  senkrechten,  elliptischen  Spalten,  der  Bronchus 
selbst  zu  einem  engen  Kanäle,  dessen  Boden  und  Decke  durch  die 
Kanten  der  ventralen,  bezüglich  dorsalen  Falte  gebildet  sind.  Be- 
sonders zu  beachten  ist,  dass  der  Mageneingang  sich  durch  gleiche 
Ausdehnung  und  Verwachsung  der  ihn  umgebenden  „Lippen"  völlig 
schliesst,  dass  ferner  der  Kiemenarterienstamm  wie  die  Kiemen- 
schlagadern in  Lage  und  Verteilung  bedeutend  von  den  Verhältnissen 
bei  der  Jugendform  abweichen  und  dass  endlich  auch  das  Ver- 
dauungsrohr eine  völlige  Umgestaltung  erfährt.  Doch  wird  von 
diesen  Thatsachen  späterhin  ausführlicher  die  Rede  sein. 


Kiemenskelett. 

Die  Petromyzonten  besitzen  zum  Schutze  und  zur  Stütze  des 
Kiemenapparates  einen  ziemlich  komplizierten  Kiemenkorb.  Ob 
derselbe  ein  „äusseres  Kiemengerüst"  darstellt,  dessen  Reste  sich 
unter  den  Wirbeltieren  in  den  „äusseren  Kiemenbogen"  der  Selachier 
noch  vorfinden,  wie  Rathke  (15a  u.c),  Cuvier1),  Born  (3),  J.Müller 
und  besonders  Gegenbaur2)  und  Balfour(l)  annehmen,  oder  ob  er 
wirklich  den  innern  Kiemenbogen  der  übrigen  Fische  und  insbesondere 
denen  der  Selachier  entspricht,  wie  Dohrn  in  seiner  V.  Studie 
S.  155/56  u.  a.  0.  nachzuweisen  versucht,  wage  ich  nicht  zu  ent- 
scheiden, obwohl  die  erstere  Meinung  mehr  für  sich  zu  haben  scheint. 

Bei  Ammocoetes  besteht  der  Kiemenkorb  nach  A.  Schneider 
(17  b  S.  56)  „jederseits  aus  sieben  queren  Knorpelstäben,  welche  von 
der  Chorda  nach  der  Mittellinie  verlaufen.  Dieselben  sind  durch  vier 
Längsstäbe  verbunden;   der  eine  verbindet  die  unteren,  der  andere 


')  Duvernoy,  Lecons  d'Anatomie  coinparee  de  Cuvier.  Tom  7. 
2)  Grundriss  der  vergleichenden  Anatomie.  1874.  S.  483. 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planeri.  87 

die  oberen  Enden.  Zwei  verlaufen  seitlich  über  und  unter  den 
Kiemenlöchern;  die  beiden  untern  sind  vollständig  ausgebildet.  Der 
obere  Längsstab  ist  immer  in  der  Mitte  zwischen  zwei  Querstäben 
unterbrochen,  der  folgende  an  der  hintern  Seite  jedes  der  Querstäbe. 
Die  beiden  mittleren  Längsstäbe  setzen  sich  noch  etwas  nach  vorn 
fort  und  vereinigen  sich  bogenförmig  vor  dem  ersten  Kiemenloche. 
Die  beiden  Hälften  des  Kiemenkorbes  sind  am  Bauche  getrennt. 
Am  fünften  und  sechsten  Kiemenloch  berühren  sie  sich  in  der  in  der 
Figur  angedeuteten  Weise." 

Rathke,  der  diesen  Apparat  auch  schon  ziemlich  ausführlich  be- 
schrieb und  abbildete,  (13a,  S.  73),  hat  die  obern  Längsstäbe  nicht 
gesehn,  verweist  aber  auf  Meckel,  der  bei  P.  marinus  einen  gelb- 
lichen, dreikantigen  Streifen  an  jeder  Seite  des  knorpligen  Rohres 
bemerkt  habe. 

Schneider  erlangte  seine  Präparate  durch  längeres  Kochen 
in  Eisessig,  während  ich  die  Form  des  Skelettes  aus  Serien  von 
Längs-  und  Querschnitten  konstruiert  habe.  Obgleich  ich  wesent- 
lich zu  denselben  Resultaten  gelangt  bin,  weichen  doch  meine  Be- 
obachtungen in  einigen  Punkten  von  den  seinigen  ab.  Ich  finde  den 
oberen  Längsstab  bei  Individuen  von  9 — 20  cm  Länge,  die  ich  unter- 
sucht habe,  nicht  regelmässig  zwischen  zwei  Querstäben  unterbrochen, 
sondern  nur  hinter  dem  ersten.  Doch  deutet  sein  Dünnerwerden 
nach  jedem  der  folgenden  Bogen  darauf  hin,  dass  die  Schneidersche 
Darstellung  jedenfalls  für  noch  jüngere  Tiere  Giltigkeit  hat.  Damit 
stimmt  auch  die  Angabe  Dohrns  überein  (V.  St.  S.  156),  dass  die 
Kiemenbogenknorpel  sich  in  der  Mitte  zuerst  anlegen  und  nach 
beiden  Seiten,  ventral-  und  dorsalwärts,  wachsen.  Die  Unterbrechimg 
hinter  dem  ersten  Querstabe,  dem  Glossopharyngaeusbogen  Dohrns 
(XIII.  St.  S.  252),  ist  dagegen  stets  vorhanden  und  zwar  nicht  bloss 
bei  grossen  Exemplaren  von  Ammocpetes,  sondern  —  wie  ich  voraus 
bemerken  will  —  auch  bei  allen  Übergangsstadien  und  bei  Petro- 
myzon. Sie  findet  sich  da,  wo  der  untere  Ast  der  Vena  jugularis 
von  seiner  Lage  unter  dem  Schädelbalken  aufsteigt,  um  sich  mit 
dem  oberen  zu  einem  gemeinsamen  Stamme  zu  verbinden.  Der  erste 
Querstab  steigt  an  dieser  Stelle  etwas  höher  als  die  vorhergehenden 
aufwärts,  bis  er  an  der  Seite  der  Chorda  nach  vorn  umbiegt  und  in 
die  Basilarknorpel  des  Schädels  übergeht.  Ich  betone  diesen  Um- 
stand ausdrücklich,  weil  W.  Parker  (14,  Tfl. 25.  Fig. 8)  das  Skelett  einer 
sechs  Zoll  langen  Larve  von  P.  fluviatilis  mit  völlig  ununterbrochenen 
oberen  Längsstäben  darstellt,  was  den  Verhältnissen  bei  P.  Planeri 
nicht  entspricht. 

Schneider  berichtet  ferner  (I.e.  S.  56):  „In  dem  Perichondrium 
von  Ammocoetes  kommt  ein  Gewebe  vor,  welches  ich  als  Schleim- 
knorpel bezeichne  und  welches  die  Stellen  andeutet,  in  welchen  beim 
Übergang  in  Petromyzon  der  Knorpel  weiter  wächst  oder  sich  neu 
bildet.  Durch  Schleimknorpel  sind  zunächst  in  der  Bauchfläche  die 
beiden  Hälften  des  Kiemenkorbes  verbunden.     An  seinem  vorderen 


gg  Karl  Nestler:  Beiträge  zur  Anatomie 

Rand  setzt  sich  der  Kiemenkorb  in  einen  Schleimknorpel  fort,  welcher 
sich  mit  dem  der  Bauchseite  vereinigt.  Dadurch  entsteht  eine 
rinnenförmige  Platte,  deren  Ränder  in  der  Gegend  der  Ohrkapsel 
sich  an  den  Schädel  anlegen  .  .  .  Der  seitliche  Knorpelstab  liegt  eben- 
falls in  diesem  Vorknorpel.  Von  dem  Knorpelstab  an  nach  vorn 
senkt  sich  der  Rand  dieser  Kiemenplatte,  wie  wir  sie  nennen  wollen, 
nach  abwärts."  —  Dass  sich  die  Ränder  der  „Kiemenplatte"  am 
vorderen  Rande  der  Ohrkapsel  an  den  Schädel  anlegen  und  hier  den 
von  Langerhans  entdeckten  Knorpelstab,  das  Hyoidstück  Fürbringers, 
einschliessen ,  kann  ich  bestätigen.  Jedoch  habe  ich  gefunden,  dass 
sich  der  Kiemenkorb  nach  vorn  nicht  unmittelbar  in  den  Schleim- 
knorpel fortsetzt,  sondern  dass  vor  dem  ersten  Querstabe  und  rings 
um  die  von  den  mittleren  Längsstäben  gebildete  Ose  ein  schmaler 
Zwischenraum  frei  bleibt.  Nur  über  der  letzteren  zieht  sich  ein  Knorpel- 
band rückwärts  und  setzt  sich  an  den  obern  Teil  des  ersten  Quer- 
stabes an.  Rathke  scheint  dasselbe  gesehn,  aber  den  Vorknorpel 
für  eigentlichen  Knorpel  gehalten  zu  haben,  wenn  er  sagt:  „Ganz 
vorn  endlich  biegt  sich  ein  jeder  dieser  letzteren  eine  Art  Brustbein 
vorstellenden  Knorpelstäbe  bogenförmig  erst  nach  oben  und  dann 
nach  hinten  um  und  verfliesst  zuletzt  mit  der  vordem  Biegung  des 
vorderen  oberen  Knorpelstreifens  seiner  Seite  (15  a,  S.  73  und  Ab- 
bildung). 

Das  Kiemenskelett  von  Petromyzon  ist  schon  oft  Gegenstand  der 
Untersuchung  gewesen.  Es  mögen  vor  allem  die  Namen  Rathke, 
Born,  J.  Müller  und  aus  neuester  Zeit  A.  Schneider  und  Parker  ge- 
nannt sein.  Darum  bleibt  mir  nicht  viel  übrig,  als  auf  die  Dar- 
stellungen desselben  von  P.  fluviatilis  durch  Schneider  und  besonders 
auch  von  P.  marinus  durch  Born  (3)  und  W.  Parker  (1.  c.  S.  41 8 ff., 
Tfl.  18.  Figur  1)  zu  verweisen,  mit  denen  dasjenige  von  P.  Planeri 
ziemlich  genau  übereinstimmt.  Jedoch  sind  die  beiden  Hälften  des 
Kiemenkorbes  nicht  längs  der  ganzen  ventralen  Mittellinie  verwachsen, 
sondern  nur  an  drei  Punkten,  zwischen  dem  4.  und  5.,  5.  und  6., 
6.  und  7.  Querstabe.  Die  seitlichen  Fortsätze  an  den  Querstäben  be- 
schränken sich  auch  auf  der  Vorderseite  meist  auf  je  zwei,  und  der 
obere  Längsstab  ist  -  -  wie  ich  schon  oben  betont  habe  und  hier 
wiederholen  will  —  hinter  dem  ersten  Querstabe,  wo  sich  der  untere 
Jugularvenenast  mit  dem  obern  vereint,  in  derselben  Weise  unter- 
brochen wie  bei  Ammocoetes. 

Die  Veränderungen  des  Kiemenskelettes  während  des  Über- 
ganges von  Ammocoetes  in  Petromyzon,  wie:  Ausbildung  des  knorp- 
ligen Herzkorbes,  Auftreten  von  Fortsätzen  an  den  Querstäben,  Ent- 
stehung eines  achten  Bogens  vor  der  ersten  bleibenden  Kiemen- 
öffnung, sind  bekannt,  und  ein  Eingehen  darauf  erscheint  über- 
flüssig. Bezüglich  des  letzteren,  des  Zungenbeinbogens  („hyoid  part 
of  the  basket  work",  the  „extra-hyal",  Parker)  will  ich  nur  be- 
merken, dass  er  in  dem  hinteren,  aufsteigenden  Rande  der  von 
Schneider  beschriebenen  Vorknorpelplatte  entsteht  und  zwar  ebenso 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petrorayzon  Planeri.  89 

wie  nach  Dohrn  die  übrigen  Bogen,  d.  h.  in  der  Mitte  beginnend. 
Später  erst  verbindet  sich  sein  unteres  Ende  korplig  mit  den  untern 
Längsstäben  und  das  obere  lehnt  sich  an  das  inzwischen  bedeutend 
vergrösserte  Hyomandibulare  (Fürbringer;  epi-hyal,  Parker). 

Die  von  den  mittleren  Längsstäben  gebildete  Ose  um  die  erste 
Kiemenöffhung  zeigt  bei  Ammocoetes  vorn  eine  kleine  Vorknorpel- 
spitze. Diese  verlängert  sich  während  der  Metamorphose  nach  vorn 
bis  zur  Vereinigung  mit  dem  Zungenbeinbogen;  das  oben  erwähnte 
Knorpelband  über  ihr  verschwindet  jedoch.  Schneider  hat  dies  aller- 
dings nur  kurze  Verbindungsstück  wahrscheinlich  nicht  beachtet  (ver- 
gleiche seine  Tfl.  10,  Fig.  1.);  denn  da  es  Born  und  Parker  von  P. 
marinus  abbilden,  wird  es  sicher  auch  bei  P.  fluviatilis,  dessen 
Skelett  Schneider  darstellt,  vorhanden  sein. 

Einen  besonderen  Knorpel  von  ringförmiger  Gestalt  um  die 
äussern  Kiemenöffnungen  beschreibt  Born  (1.  c.)  bei  P.  marinus.  Ein 
solcher  findet  sich  auch  bei  P.  Planeri.  Er  ist  hier  entweder  eben- 
falls ringförmig  oder  hat  die  Gestalt  eines  nach  hinten  geöffneten 
Hufeisens,  das  mit  seinen  Schenkeln  die  Kiemenöffnung  oben  und 
unten  umfasst  und  offen  hält  (in  Fig.  9  Rk,  quer  durchschnitten). 

Bau  der  Kiemensäcke. 

a.  Diaphragmen. 

Die  Diaphragmen,  welche  eine  Sonderung  des  ganzen  Kiemen- 
raumes in  jederseits  sieben  Kiemensäcke  herbeiführen,  haben  bei 
Ammocoetes  und  Petromyzon  nicht  ganz  gleichen  Bau. 

Bei  ersterem  steigen  starke,  knorplige  Querstäbe,  deren  schon 
beim  Skelett  Erwähnung  geschehen  ist,  im  äusseren  Rande  der 
Diaphragmen  auf  und  stützen  sie.  Dieselben  sind  vielfach  hin  und 
her  gekrümmt,  weisen  aber  besonders  zwischen  den  beiden  mittleren 
Längsstäben  eine  starke,  nach  innen  gerichtete  Biegung  auf,  zum 
Verschluss  der  äussern  Kiemenöffnungen  in  naher  Beziehung  stehend. 
Ihr  Perichondrium  geht  in  lockeres  Bindegewebe  über.  Derjenigen 
Masse  des  letzteren,  welche  sich  zwischen  äusserer  Kiemensackwand 
und  Körpermuskulatur  von  einer  Kiemenöffnung  bis  zur  nächst- 
folgenden hinzieht,  ist  der  mächtig  entwickelte  äussere  Kiemenmuskel 
oder  Konstriktor  (Fig.  lmc)  eingelagert.  Er  wird  vom  Knorpelbogen 
in  einen  vordem  kleinern  (mc1)  und  hintern,  viel  grösseren  Abschnitt 
(mc11)  geteilt.  Nach  aussen  von  demselben  nehmen  zahlreiche, 
dünnwandige  Bluträume  und  grosse  Fettzellen  die  Maschen  des 
Bindegewebes  ein;  auf  seiner  Innenseite  aber  spaltet  sich  letzteres 
in  zwei  Lagen,  die,  durch  einzelne  Fäden  und  Stränge  vereinigt, 
einen  zusammenhängenden  Blutraum  (Blr)  einschliessen.  Der  innern 
Schicht  liegt  das  Kiemensackepithel  unmittelbar  auf,  die  äussere  geht 
in  die  Fascie  der  Muskelbündel  des  Konstriktors  über.  Durch  einen 
schmalen  Isthmus  zieht  sich  das  Bindegewebe  in  den  mittleren  Teil 
des  Diaphragmas  hinein,  den  tiefen  Kiemenmuskel  (madd)  und  die 


90  Karl  Nestler:  Beiträge  zur  Anatomie 

seiner  Innenfläche  anliegende  Arteria  branchialis  (abr)  einhüllend. 
Während  sich  nun  das  Bindegewebe  auf  der  Aussenseite  des  eben- 
genannten Muskels  ebenfalls  in  zwei  Lamellen  sondert,  denen  einer- 
seits wiederum  Kiemensackepithel ,  andrerseits  die  Kiemenblätter  in 
ihrer  äusseren  Hälfte  aufsitzen,  zieht  es  auf  der  Innenseite  desselben  als 
einfache,  dünne  Platte  bis  in  den  faltenfreien  Diaphragmensaum. 
Es  umgiebt  hier  die  Kiemenbogenvene  (vbr),  wird  aber  im  übrigen 
von  zahlreichen  Blutgefässen  durchzogen.  Oben  und  unten  geht  das 
Bindegewebe  der  Diaphragmen  ununterbrochen  in  das  der  dorsalen 
und  ventralen  Falte  des  Kiemenraumes  über. 

Den  Diaphragmen  gleichen  in  vielen  Beziehungen  die  oben 
erwähnten  Lippen,  in  welche  sich  die  ventrale  Falte  bei  ihrem  Auf- 
steigen an  der  hinteren  Wand  des  Kiemenraumes  teilt  (TU.  VI  Fig.  10 
u.  1,  Tfl.  VII  Fig.  7  D8).  Sie  sind  im  Wesentlichen  ebenso  gebaut. 
Diese  Übereinstimmung  wird  dadurch  noch  grösser,  dass  sich  auf 
ihren  Aussenseiten  Kiemenblätter  entwickeln.  Ja,  ihre  aufgeworfenen 
Ränder  tragen  sogar  die  von  Schneider  entdeckten  Wimperschnüre 
in  derselben  Weise  wie  die  übrigen  Bogen  (Fig.  lw).  Schneider  hat 
das  offenbar  übersehen,  wie  aus  seiner  Darstellung  auf  Seite  84 
hervorgeht.  Überhaupt  ist  seine  ganze  Abbildung  des  Magen- 
einganges nicht  recht  klar.  Er  zeichnet  ihn  (Tfl.  II  Fig.  4)  als  enge 
Öffnung,  während  er  doch  in  Wirklichkeit  ein  ziemlich  hoher,  senk- 
rechter Spalt  zwischen  den  beiden  Lippen  ist  und  allmählich  erst  in 
den  engen  Kanal  des  Magens  übergeht  (Tfl.  VI  Fig.  10  u.  Tfl.  VII. 
Fig.  7  me).  Wir  können  demnach  mit  Ch.  Julin  (9b,  S.  10  u.  9) 
die  beiden  Lippen  geradezu  als  letztes  (achtes)  Diaphragmenpaar  be- 
zeichnen. —  Die  vorderste  Wand  der  Kiemenhöhle,  welche  zugleich 
dem  Mundsegel  als  Anheftungsstelle  dient,  auf  ihrer  hinteren  Seite 
aber  ebenfalls  Kiemenblätter  trägt,  muss  dann  als  erstes  Diaphragma 
betrachtet  werden,  so  dass  deren  im  ganzen  acht  existieren. 

Das  bei  Ammocoetes  nur  spärlich  entwickelte  Bindegewebe  der 
Diaphragmen  vermehrt  sich  während  der  Metamorphose  ganz  be- 
deutend (Fig.  2).  Die  Kiemenblätter,  denen  so  eine  kräftigere  und  fiächen- 
haftere  Stütze  geboten  wird,  heften  sich  fast  bis  zum  äussersten 
E»de  an  und  bringen  dadurch  die  oben  als  Vorkammern  bezeichneten 
Räume  zum  Verschwinden.  Ferner  rückt  der  tiefe  Kiemenmuskel, 
sich  gleichzeitig  in  die  Breite  ziehend,  viel  weiter  nach  innen.  Dabei 
drängt  er  die  Arteria  branchialis  vor  sich  her,  bis  sie  neben  die 
Kiemenbogenvene  zu  liegen  kommt.  Ebenso  rückt  der  vordere  Teil 
des  Konstriktors  weiter  ins  Innere  des  Diaphragmas,  den  Kiemensack 
jetzt  von  aussen  und  vorn  umfassend.  Der  vor  dem  Knorpelbogen 
liegende  Teil  desselben  aber  tritt  zu  dem  nächstvorderen  Kiemensack 
in  engere  Beziehung. 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planen.  91 


b.  Muskeln. 

Die  Muskulatur  des  Kiemenkorbes  der  Petromyzonten  hat  Rathke 
(15  b)  zuerst  untersucht  und  beschrieben.  Er  unterschied  sieben  Paar 
Kiemenmuskeln,  deren  jeder  der  Länge  nach  in  drei  Abschnitte  ge- 
teilt sein  soll.  Später  sah  er  den  Irrtum  dieser  Angabe  ein  und 
schloss  sich  (15a  und  c)  der  von  Born  (1.  c.)  vertretenen  Ansicht  von 
dem  ungeteilten  Verlauf  der  Muskeln  an.  J.  Müller  (12a)  studierte 
die  Kiemenmuskulatur  der  Petromyzonten  ebenfalls,  besonders,  um 
sie  mit  derjenigen  der  Myxinoiden  zu  vergleichen.  Er  fand:  „Bei  den 
Petromyzonten  kommen  auch  Konstriktoren  der  Brustfellsäcke 
vor,  welche  Rathke  nicht  beschrieben  hat  (1.  c.  S.  277).  Die  zarten 
Muskelfasern,  welche  auf  die  Brustfellsäcke  wirken,  liegen  teils  an 
der  inner n  Wand  der  Brustfellsäcke  und  gehn  von  der  untern 
Wand  derselben  bis  zur  untern  Fläche  der  Wirbelsäule,  wo  sie  sich 
inserieren;  teils  liegen  sie  zwischen  den  Blättern  der  Scheide- 
wände und  haben  denselben  Ursprung  und  Insertion.  Von  aussen 
werden  die  Brustfellsäcke  ....  durch  den  sehr  muskulösen  Apparat 
des  knorpligen  Kiemenkorbes  zusammengedrückt." 

Nachdem  Stannius  (20)  die  eigentümlichen  hohlen  Fasern  an  den 
Augenmuskeln  von  P.  fluviatilis  entdeckt  und  Grenacher  (7)  dies  be- 
stätigt hatte,  wies  Langerhans  (10)  nach,  dass  derartige  Fasern  auch 
in  dem  äussern  Kiemenmuskel  zu  finden  seien.  Dieser  Muskel  be- 
stehe aus  zwei  Lagen,  einer  oberflächlichen  und  einer  tieferen.  Die 
oberflächliche  Lage  setze  sich  aus  12 — 15  kleinen  Bündeln  zusammen, 
von  denen  jedes  ungefähr  ein  Dutzend  Elemente  enthalte.  Dieselben 
gleichen  vollkommen  denen  der  Augenmuskeln.  Die  tiefere  Lage 
des  Muskels  bestehe  aus  einer  kontinuierlichen  Lage  gewöhnlicher 
Primitivbündel.  Darunter  soll  nun  noch  ein  eigenes  Muskelsystem 
der  Kiemensäcke,  liegen,  das  von  J.  Müller  entdeckt  worden  sei 
(vergl.  oben).  Über  dasselbe  sagt  er:  „Es  besteht  aus  einem 
Muskel,  der  in  der  Scheidewand  zwischen  zwei  Kiemensäcken  ver- 
läuft und  eine  sichelförmige  platte  Muskelmasse  darstellt,  deren 
Elemente  gewöhnliche  Primitivbündel  sind,  ferner  aus  einem  eignen 
Konstriktor  eines  jeden  Kiemensacks,  der  genau  wie  der  oben 
erwähnte  Scheidewandmuskel  in  der  vertikalen  Richtung  seiner 
Fasern  wie  in  ihrem  ungeteilten  Verlauf  vollkommen  mit  den 
Konstriktoren  des  Kiemenkorbes  übereinstimmt,  aber  aus  Fasern  mit 
persistentem  körnigen  Cylinder  besteht.  Diesem  Konstriktor  des 
Kiemensackes  sitzen  die  einzelnen  transversalen  Kiemenblättchen 
unmittelbar  auf."  „Der  eben  besprochene  Abschnitt  der  Kiemen- 
muskulatur ist  bei  Ammocoetes  und  Petromyzon  vollkommen  gleich 
gebildet,"  fügt  er  hinzu. 

In  Dohrn's  V.  Studie  zur  Urgeschichte  der  Wirbeltiere  finden 
sich  auf  S.  153/54  Angaben  über  die  Muskelverhältnisse  sehr  junger 
Ammocoeten.  Es  wird  eine  äussere,  „parietale",  hohlfaserige  und 
eine  innere,   „viscerale",  aus  gewöhnlichen  Fasern  gebildete  Schicht 


92  Karl  Nestler:  Beiträge  zur  Anatomie 

unterschieden,  die  durch  den  Kiemenknorpel  in  ein  proximales  und 
distales  Stück  getrennt  werden.  Ersteres  wird  später  (S.  155)  als 
Adduktor,  letzteres  als  Konstriktor  aufgefasst. 

Der  von  allen  genannten  Forschern  erwähnte  äussere  Konstriktor, 
sowie  seine  Zusammensetzung  aus  zwei  verschiedenen  Lagen  sind 
leicht  zu  bemerken;  zu  ihm  gehört  wahrscheinlich  der  vor  dem  Knorpel- 
bogen gelegene  hohlfaserige,  parietale  Teil  des  Dohrn'schen  Adduktors. 
Ebenso  findet  man  unschwer  den  Scheidewandmuskel,  der  dem 
visceralen  Teil  des  Dohrn'schen  Adduktors  entsprechen  dürfte,  da 
seine  Elemente  gewöhnliche  Primitivbündel  sind.  Betreffs  des  eignen 
Konstriktors  eines  jeden  Kiemensacks  jedoch  gehen  die  Angaben  von 
J.  Müller  und  Langerhans  auseinander.  Nach  ersterem  liegt  ein 
Teil  desselben  zwischen  den  Blättern  der  Scheidewände;  er  ist  wohl 
nichts  anderes,  als  der  tiefe  Kiemenmuskel  (madd)  oder  der  Adduktor 
Dohrn's.  Der  andere  Teil  liegt  an  der  innern  Wand  der  Brustfell- 
säcke, und  diesen  allein  bezeichnet  Langerhans  als  „eignen  Konstriktor 
der  Kiemensäcke",  der  sowohl  bei  Petromyzon  als  Ammocoetes  vor- 
kommen soll.  —  Ich  muss  offen  gestehn,  dass  ich  diesen  Muskel, 
wenigstens  bei  Ammocoetes,  nicht  finden  kann.  Unter  den  gewöhnlichen 
Fasern  des  äusseren  Konstriktors  ist  allerdings  eine  aus  hohlen  Fasern 
gebildete  Schicht  vorhanden;  aber  sie  findet  sich  nur  im  oberen  und 
unteren  Teil  der  Kiemensackwände.  In  der  Mitte  dagegen  greifen  die 
Bündel  dieser  Schicht  durch  die  aus  gewöhnlichen  Fasern  bestehende 
Muskellage  hindurch  und  liegen  nun  aussen  von  ihr  (Tfl.  VI  Fig.  5  u.  (5 ; 
TU.  VII  Fig.  8  mch).  Auf  Horizontalschnitten  findet  man  darum  in 
der  Höhe  der  Kiemenöffnung  die  hohlen  Fasern  aussen  (Fig.  lmch), 
über  (Fig.  2  mch)  und  unter  dem  Niveau  der  Kiemenöffnung  innen, 
und  hier  sitzen  ihnen  die  Kiemenblätter  auf.  Die  hohlfaserige  Schicht 
ist  also  nichts  anderes,  als  ein  jedenfalls  zum  Verschluss  der  äusseren 
Kiemenöffnungen  in  Beziehung  stehender  Teil  des  äusseren  Kon- 
striktors. Die  über  und  unter  der  Kiemenöffnung  nach  innen  durch- 
greifenden hohlen  Faserbündel  (mch)  sind  höchst  wahrscheinlich  der 
„eigene  Konstriktor  der  Brustfellsäcke",  welchen  Langerhans  gesehen  hat. 

Bei  Petromyzon  ist  freilich  unter  dem  äusseren  Konstriktor  noch 
eine  besondere  kontraktile  Schicht  vorhanden;  ich  halte  sie  jedoch 
für  eine  Neubildung.  Da  man  bei  Übergangsstadien,  wie  weiter 
unten  noch  erwähnt  werden  soll,  vielfach  beobachten  kann,  wie  in 
dem  Bindegewebe  Muskelfasern  entstehen,  so  glaube  ich,  dass  auch 
hier  derselbe  Vorgang  stattfindet,  dass  sich  nämlich  während  der 
Metamorphose  die  Zellen  der  Bindegewebslamellen,  welchen  bei 
Ammocoetes  die  Kiemenblätter  aufsitzen  (Fig.  1,  b),  vermehren,  samt 
ihren  Kernen  in  die  Länge  strecken  und  nun  bald  glatten,  bald 
hohlen  Muskelfasern  gleichen.  Diese  Schicht  kann  jedoch  Langer- 
hans nicht  wohl  gemeint  haben,  da  sie  bei  Ammocoetes  vollständig 
fehlt,  und  da  andrerseits  die  Richtung  ihrer  Fasern  nicht  überall 
mit  der  des  Konstriktors  übereinstimmt,  sondern  jene  stellenweise 
fast  rechtwinklig  kreuzt  (Fig.  9  mcp). 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planen.  93 

Wenn  Schneider  (1.  c.  S.  60)  nach  der  Arbeit  von  Langerhans 
behauptet,  bei  Petromyzon  seien  alle  visceralen  Muskeln  solid,  so 
hat  er  entschieden  Unrecht.  Die  hohlen  Fasern  sind  hier  in  der- 
selben Menge  und  Anordnung  vorhanden  wie  bei  Ammocoetes,  nur 
ist  ihr  Durchmesser  bedeutend  verringert. 

Ausser  dem  eben  erwähnten,  nur  Petromyzon  eigenen  zarten 
Kiemensackmuskel  haben  wir  also  bei  Petromyzon  und  Ammocoetes 
einen  äusseren,  zweischichtigen  Kiemensackmuskel  (Konstriktor)  und 
einen  in  der  Tiefendes  Diaphragmas  liegenden  Muskel  (Adduktor, 
wie  ihn  Dohrn  in  Übereinstimmung  mit  der  Bezeichnungsweise  bei 
den  Salachiern  nennt)  zu  unterscheiden.  Die  Insertion  derselben 
(Fig.  5 — 8)  erfolgt  oben  an  den  Längsstäben  des  Kiemenkorbes, 
ausserdem  aber  an  dem  Bindegewebe,  welches  die  Chorda  und  die 
vorderen  Vertebralvenen  umgiebt.  Die  vor  dem  Knorpelstabe 
liegende,  nur  aus  hohlen  Fasern  bestehende  Portion  des  Konstriktors 
(Fig.  1  u.  5mcrh)  schickt  bei  Ammocoetes  zwar  einen  kleinen  Teil  ihrer 
Sehnenfasern  nach  dem  oberen  Längsstab,  die  Hauptmasse  jedoch 
greift  zwischen  Chorda  und  Aorta  hindurch  und  vereinigt  sich  mit 
derjenigen  der  andern  Seite;  bei  Petromyzon  ist  auch  dieser  Teil 
wie  die  übrigen  Muskeln  befestigt.  Nach  Dohrn  (V.  St.  S.  154)  in- 
serieren sich  alle  visceralen  Muskeln  erst  sehr  spät  an  einzelnen 
Stellen  der  Knorpelstäbe;  anfänglich  ziehen  sie  am  Knorpel  vorbei 
und  verschmelzen  am  Bauch  wie  am  Rücken  mit  denen  der  andern 
Seite,  so  dass  grosse  Schleifen  zustande  kommen,  ähnlich  wie  bei 
den  Myxinoiden. 

Unten  erfolgt  die  Insertion  der  Muskeln  bei  Petromyzon  teils 
an  den  untern  Längsstäben,  teils  an  der  Fascie  der  untern  Kehlvene 
und  ihrer  beiden  Aeste  (Fig.  9).  Bei  Ammocoetes  dienen  ebenfalls  die 
untern  Längsstäbe,  ausserdem  aber  im  Bereich  der  Thyreoidea  deren 
Fascie  als  Ansatzstellen  (Fig.  5.  u.  6);  vor  und  hinter  der  Thyreoidea 
greifen  jedoch  die  Sehnenfäden,  bisweilen  auch  einige  Muskelfasern 
über  den  untern  Längsstäben  von  beiden  Seiten  ineinander  (Fig.  7). 
—  Erwähnt  sei  noch,  dass  die  Sehnen  der  hohlen  Muskelfasern  von 
Ammocoetes  aus  parallelen,  spindelförmige  Zellen  mit  langgestreckten 
Kernen  bestehn,  also  glatter  Muskulatur  sehr  ähneln. 

Der  äussere  Kiemenmuskel  verläuft  bogenförmig  auf  der  Innen- 
seite des  knorpligen  Längsstabes,  durch  seine  Bindegewebsscheiden 
an  ihn  und  ihre  Fortsätze  locker  angeheftet;  der  Diaphragmamuskel 
hingegen  zieht  in  gerader  Richtung  von  unten  nach  oben  (Fig.  5 
u.  7  madd). 

Ein  besonderer  kurzer  Muskel  befindet  sich  zwischen  dem  huf- 
eisenförmig gebogenen  Stück  der  Querstäbe  und  der  äussern  Kiemen- 
öffnung  (Fig.  7  u.  9  mk).  Er  heftet  sich  beiderseits  an  das  Unter- 
hautbindegewebe, welches  letztere  umgiebt,  sowie  an  das  Perichon- 
drium  des  Knorpels  an,  und  führt  bei  seiner  Kontraktion  einen 
Verschluss  der  äussern  Kiemenöffnung  herbei.  —  Ammocoetes  besitzt 
einen  dünnen,   aber  ziemlich  langen  Schliessmuskel  der  Klappe   an 


94  Karl  Nestler:  Beiträge  zur  Anatomie 

der  äussern  Kienienöffnung  (Fig.  1  mkl).  Derselbe  nimmt  an  dem 
nächstvordern  Knorpelbogen  seinen  Ursprung,  zieht  zwischen  Kiemen- 
sackepithel  und  Konstriktor  rückwärts  und  verliert  sich  im  Rande 
der  Klappe. 

Die  Konstriktoren  und  Adduktoren  des  letzten  Diaphragmas 
heften  sich  unten  an  das  Perikardium  an;  die  des  ersten  reichen 
bis  zum  Hyomandibulare ,  und  die  vordersten  Bündel  finden  bei 
Petromyzon  auch  ihre  Insertion  an  der  Fascie  desselben  (vergl. 
Schneider  1.  c.  S.  69).  —  Merkwürdig  ist  das  Fehlen  der  hohlen 
Fasern  im  Konstriktor  des  ersten  Kiemensackes  von  Ammocoetes; 
während  sie  doch  bei  Petromyzon  vorhanden  sind.  Man  muss  hier 
eine  Neubildung  von  Muskelfasern  annehmen.  Dieser  Umstand,  so- 
wie die  Veränderung  in  der  obern  Insertion  der  vordem  (proximalen) 
Konstriktorpartie  (S.  15);  die  Differenz  im  Querschnitt  der  hohlen 
Fasern  bei  Ammocoetes  und  Petromyzon;  das  Vorhandensein  einer 
besondern  zarten  Muskelschicht  unter  der  Kiemensackschleimhaut 
von  Petromyzon;  das  an  vielen  Stellen,  besonders  in  der  dorsalen 
und  ventralen  Falte  nachweisbare  Hervorgehen  von  Muskelfasern  aus 
Bindegewebe;  das  üppige  Wuchern  der  Bindegewebszellen  zwischen 
den  Muskelbündeln  und  endlich  das  massenhafte  Auftreten  von 
Kernen  in  zahlreichen  Muskelfasern  der  Übergangstadien  müssen  auf 
den  Gedanken  bringen,  dass  während  der  Metamorphose  vielleicht 
die  gesamte  Kiemenmuskulatur  einer  mehr  oder  weniger  tiefgreifenden 
Degeneration  und  Neubildung  unterworfen  ist. 


c.  Epithel. 

Die  Kiemensäcke  nebst  ihren  Falten  werden  von  einem  Epithel 
überzogen,  das  einerseits  in  die  äussere  Körperhaut,  andrerseits  in 
die  Schleimhaut  des  Bronchus  übergeht.  An  den  Falten  ist  dasselbe, 
seinem  Zwecke,  einen  Austausch  der  Gase  zu  vermitteln,  entsprechend, 
einschichtig  und  aus  polygonalen,  plattenförmigen  Zellen  gebildet 
(Fig.  3e),  die  bei  Ammocoetes  etwas  grösser  und  an  ihren  freien 
Flächen  stark  gewölbt  sind.  Auf  den  Kiemenblättern  zwischen  den 
Falten  liegt  unter  dieser  Schicht  noch  eine  zweite  oder  dritte,  aus 
mehr  rundlichen  Zellen  gebildete  (Fig.  4e).  Ahnlich  ist  die  Be- 
deckung der  äusseren  Kiemenblattränder  beschaffen,  wo  jedoch  die 
oberflächlichen,  ziemlich  grossen  Zellen  einen  dicken  Cuticularsaum 
tragen  wie  die  Zellen  der  Epidermis.  Der  faltenfreie  Teil  der  Kiemen- 
blätter und  der  Grund  zwischen  ihnen  wird  bei  Petromyzon  von 
einem  Epithel  überzogen,  an  dem  sich  deutlich  drei  Schichten  unter- 
scheiden lassen  (Tfl.  VII  Fig.  32).  Die  unterste  besteht  aus 
kleinen  kugeligen,  die  mittlere  aus  mehr  oder  weniger  langgestreckten 
und  die  oberste  aus  dünnen,  plattenförmigen  Zellen,  die  durch  tiefere 
Furchen  von  oben  her  in  Zellterritorien  geschieden  sind.  Alle  zeigen 
deutliche  Kerne  mit  Kernkörperchen.  Die  Zellen  der  mittleren 
Schicht    sind    nun    häufig  nach  oben  verjüngt   und  in   kegelförmige 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planeri.  95 

Gruppen  (s)  zusammengestellt,  an  deren  Spitze  die  oberste  Schicht 
eine  Lücke  lässt.  Die  so  entstehenden  Gebilde  gleichen  fast  genau 
den  Organen,  welche  Schneider  an  der  Innenseite  der  Diaphragmen- 
kanten des  Ammocoetes  entdeckt  hat  und  für  Geschmacksknospen 
hält,  (Fig.  1,  2  u.  6G)  —  was  sie  wahrscheinlich  auch  sind  —  während 
sie  A.  Dohrn  mit  den  Zellen  der  Thyreoidea  vergleicht  und  als  Drüsen 
in  Anspruch  nimmt.  In  der  That  haben  die  erstgenannten  Zellgruppen 
grosse  Ähnlichkeit  mit  Querschnitten  durch  die  Drüsenstränge  der 
Thyreoidea  oder  durch  die  Hypobranchialrinne  der  Tunikaten,  wie 
sie  Dohrn  in  seiner  VIII.  Studie  dargestellt  hat.  Auch  findet  sich 
an  diesen  Stellen  immer  Schleim  vor.  Doch  lässt  sich  schwer  sagen, 
ob  derselbe  einer  allmählichen  oberflächlichen  Zerstörung  der 
gesamten  Oberhaut,  oder  nur  der  Absonderung  gewisser  Zellen  seinen 
Ursprung  verdankt. 

Bei  Ammocoetes  lässt  das  Epithel  am  Grunde  der  Kiemenblätter 
nur  zwei  Schichten  erkennen.  Eine  einfache  oder  doppelte  Lage 
kleiner,  rundlicher  Zellen  bildet  die  Basis,  auf  der  viel  grössere, 
kugelige  bis  cylindrische  oder  keulenförmige  Zellen  ruhen,  die  alle 
oben  zugerundet  sind  und  so  dicht  stehen,  dass  einzelne  über  die 
andern  hervorgedrängt  erscheinen.  Vielfach  führt  dies  zu  papillen- 
artigen  Erhebungen  des  Epithels,  deren  Auftreten  in  den  oben  als 
Vorkammern  bezeichneten  Räumen  zur  Regel  wird  (Tfl.  VI  Fig.  11). 
Hier  finden  wir  nun  auch  die  mittlere  Schicht  langgestreckter  Zellen 
in  ähnlicher  Weise  wieder  wie  bei  Petromyzon;  auch  die  wahr- 
scheinlich Schleim  bildenden  Zellengruppen  (s)  treten  auf,  nur  sind 
sie  nicht  so  scharf  ausgeprägt  wie  dort. 

Das  Epithel  des  Bronchus  ist  von  Langerhans  schon  (1.  c.  S.  39) 
als  zweischichtiges  Plattenepithel  beschrieben.  Am  freien  Ende  sind 
die  Zellen  der  oberen  Schicht  meist  gewölbt  und  mit  Cuticularsaum 
versehen.  Auf  ihr  liegt  häufig  eine  dicke  Schicht  geronnenen  Schleims; 
er  enthält  fast  überall  losgelösste  Zellen  und  Zellreste,  muss  darum 
als  Produkt  einer  schleimigen  Zerstörung  der  Oberhaut  angesehen 
werden. 

Die  kiemenblattfreien  Diaphragmensäume  von  Ammocoetes  tragen 
auf  der  Aussenseite  wimperndes  Cylinderepithel,  dem  von  Schneider 
entdeckten  System  der  Wimperschnüre  angehörig,  auf  der  dem 
Bronchus  zugekehrten  Seite  dagegen  ebenfalls  geschichtetes  Platten- 
epithel. Letzterem  sind,  eine  Reihe  längs  der  Kiemenbogenvene 
bildend,  die  Schneiderschen  „Geschmacksknospen"  eingelagert  (S.  dessen 
Tfl.  II,  Fig.  5).  Ich  habe  die  Zellen  derselben  etwas  mehr  zu- 
gespitzt und  am  freien  Ende  eigentümlich  gefranzt  gefunden,  Sinnes- 
haare dagegen  nicht  wahrnehmen  können.  Bisher  unbekannt  war  es 
meines  Wissens,  dass  derartige  Organe  auch  bei  Übergangsstadien 
und  bei  Petromyzon  an  denselben  Stellen  vorkommen  (Fig.  2G). 
Sie  sind  hier  etwas  kleiner  als  bei  Ammocoetes  und  erscheinen  auf 
Querschnitten  durch  die  Haut  als  kleine  Halbmonde.  Ihre  Bedeutung 
ist  oben  schon  berührt  worden. 


96  Karl  Nestler:   Beiträge  zur  Anatomie 


Gefässe  des  Kiemenapparates. 

a)  Die  Kiemenarterien. 

Die  Verzweigung  der  „Kiemenschlagader"  von  Ammocoetes 
finden  wir  schon  bei  Rathke  (15a),  allerdings  wenig  genau,  be- 
schrieben. Eine  ausführlichere  Darstellung  gaben  in  neuerer  Zeit 
Ch.  Julin  (9  b)  und  Dohrn  (VIII.  Stud.  Tfl.  11). 

Der  Kiemenarterienstamm  (Artere  branchiale  primaire,  Julin; 
Bulbus  arteriosus,  Dohrn)  dringt  vom  Ventrikel  aus  in  die  Falte  ein, 
welche  sich  auf  dem  Boden  der  Kiemenhöhle  hinzieht  (Tfl.  VII. 
Fig.  7  Ka).  Schon  in  der  Höhe  der  sechsten  inneren  Kiemenspalte 
trifft  sie  auf  die  Thyreoidea,  steigt  ein  wenig  aufwärts  und  läuft  nun 
auf  dem  hinteren  Ende  dieses  Organes,  zwischen  ihm  und  dem  Boden 
der  Kiemenhöhle  nach  vorn.  An  der  fünften  inneren  Kiemenspalte 
stösst  sie  auf  den  spiralig  aufgerollten  Mittellappen  der  Thyreoidea 
und  teilt  sich  in  einen  rechten  und  linken  Ast,  welche  an  der  Seite 
dieses  Lappens  hinziehen  (Tfl.  VI  Fig.  6Ka).  An  der  Thyreoidea- 
öffnung  vorüber  verlaufen  die  beiden  Aste  weiter  nach  vorn,  auf 
dem  Anfangsteil  der  Drüse  liegend.  Immer  dünner  geworden,  rücken 
sie  beim  zweiten  Diaphragma  (zwischen  der  ersten  und  zweiten  innern 
Kiemenöffnung)  am  Vorderende  der  Thyreoidea  abwärts  bis  auf  den 
äusseren  Konstriktor,  entfernen  sich  zugleich  von  einander  und  steigen 
endlich  vor  der  ersten  Kiemenspalte  neben  der  Anheftungslinie  des 
Mundsegels  aufwärts,  um  sich  hier  zu  verHeren.  Auf  diesem  Wege 
giebt  der  Kiemenarterienstamm  acht  Paar  Kiemenbogenarterien  nach 
den  Seiten  hin  ab  und  zwar  drei  Paar  vor,  die  übrigen  nach  seiner 
Teilung.  Die  mittleren  sechs  Paare  dringen  in  das  untere  Ende  der 
entsprechenden  Diaphragmen  ein  (Fig.  5  u.  7  abr),  steigen  dort  auf  der 
Innenseite  des  tiefen  Kiemenmuskels  aufwärts  (Fig.  1)  und  geben  an 
die  einzelnen  Blätter  der  vorderen  wie  hinteren  Kiemenblattreihe  je 
einen  besonderen  Zweig  ab,  bis  sie,  dadurch  immer  dünner  geworden, 
in  den  obersten  Blättern  enden.  Ebenso  verhalten  sich  die  übrigen 
Kiemenbogenarterien  dem  ersten,  beziehentlich  letzten  Bogen  gegen- 
über; doch  ist  ihr  Volumen  entsprechend  geringer,  da  sie  nur  je 
eine  Kiemenblattreihe  mit  Blut  zu  versorgen  haben. 

Die  aus  den  Kiemenbogenarterien  hervorgehenden  kleineren  Ge- 
fässe  sind  die  Kienienblattarterien  (Arteriae  laminarum  branchialium). 
Sie  treten  ungefähr  in  der  Mitte  der  Kiemenblätter  in  diese  ein  und 
teilen  sich  sogleich  in  zwei  Aste,  deren  einer  für  den  inneren  und 
deren  anderer  für  den  äuseren  Abschnitt  des  Blattes  bestimmt  ist 
(Fig.  lalbr).  Doch  lassen  sich  dieselben,  ähnlich  wie  es  Dröscher 
(1.  c.  S.  44)  bei  den  Rochen  und  Haien  beobachtete,  nicht  bis  an  die 
Enden  der  Kiemenblätter  verfolgen,  sondern  sie  verlieren  sich  dort 
in  einem  schwammigen  Gewebe,  mit  dem  seitlich  auch  der  übrige 
Teil  in  Verbindung  steht  und  zwar  durch  so  zahlreiche  Spalten,  dass 
die  Kiemenblattarterie    mehr    einer  Rinne  als   einem   geschlossenen 


und  Entwicklungsgeschichte   von  Petromyzon  Planen'.  97 

Gefäss  gleicht.     Aus  dem  cavernösen  Gewebe  entspringen  dann  erst 
die  Arterien  des  Kapillarnetzes  (vergl.  Dröscher  S.  30 — 33). 

Das  arterielle  Gefässsystem  von  Petromyzon  zeigt  mancherlei 
Abweichungen  von  dem  des  Ammocoetes.  Den  Arterienstamm  finden 
wir  nicht  mehr  im  Grunde  der  ventralen  Falte,  sondern  in  der 
obersten  Kante  derselben,  unmittelbar  unter  dem  Boden  der  Kiemen- 
höhle (Fig.  8  Ka).  Er  ist  also  während  der  Metamorphose  aufwärts 
gerückt.  Unter  ihm  finden  wir  in  dem  Räume,  den  er  vorher  ein- 
nahm, ein  neu  gebildetes  weites  Blutgefäss,  die  untere  Kehlvene 
(Vena  jugularis  inferior  ju'),  weiter  nach  vorn  ausserdem  die  rück- 
gebildete Thyreoidea  und  den  ebenfalls  neu  angelegten  Zungenmuskel- 
apparat  (mll).  Mit  der  Rückbildung  der  Thyreoidea  verschmelzen 
ferner  die  beiden  Aste  des  Arterienstammes  nach  vorn  zu,  so  dass  bei 
Petromyzon  vier  Kiemenbogenarterien  aus  dem  ungeteilten  Stamme 
entspringen  im  Gegensatz  zu  den  drei  bei  Ammocoetes.  Gleichzeitig 
mit  der  Umlagerung  des  Arterienstammes  rücken  auch  die  Kiemen- 
bogenarterien von  der  Mitte  der  Diaphragmen,  wo  wir  sie  bei 
Ammocoetes  fanden,  in  die  innere  Kante  derselben  dicht  neben  die 
Venen  (Fig.  2  abr).  Während  sie  bei  Ammocoetes  von  ihrem  Ursprung 
an  in  weitem  Bogen  seitwärts  und  dann  erst  aufwärts  ziehen  (Fig  7  abr), 
sehen  wir  sie  hier  senkrecht  aufsteigen  (Fig.  8  abr).  Die  untersten 
ca.  fünf  Kiemenblätter  erhalten  aber  einen  besonderen,  gemeinschaft- 
lichen Zweig,  der  seinen  Ursprung  dicht  am  Anfange  der  Kiemen- 
bogenarterie  hat  und  seinerseits  an  jedes  Blatt  ein  Gefäss  abgiebt. 
Die  Kiemenbogenarterie  nimmt  nun  auch  eine  andere  Lage  gegen 
die  Kiemenblätter  ein.  Sie  trifft  dieselben  nicht  mehr  wie  früher  in 
der  Mitte,  sondern  am  innern  Ende.  Von  hier  aus  schickt  sie  ein 
einziges  Gefäss  hinein,  welches  das  Blatt  seiner  ganzen  Länge  nach 
durchläuft.  Eine  Teilung  der  Kiemenblattarterie  in  einen  äussern 
und  innern  Zweig  ist  nicht  mehr  vorhanden;  der  letztere  wird  über- 
flüssig und  bildet  sich  zurück  indessen  der  nach  aussen  ziehende 
eine  entsprechend  stärkere  Entwicklung  zeigt.  Der  schwammige  Ge- 
webekörper dagegen  schliesst  sich  auch  hier  in  derselben  Weise  an 
die  Kiemenblattarterie  an  wie  bei  Ammocoetes ;  auch  die  von  Dröscher 
(1.  c.  S.  33)  erwähnten  Häufchen  von  Pigmentkörnchen  finden  sich 
zahlreich  vor  (Fig.  2  pg). 

h.  Das  Kapillarnetz. 

Die  Arterien  des  Kapillarnetzes  (Fig.  3  apl)  entspringen  ähnlich 
wie  bei  Rochen  und  Haien  aus  dem  cavernösen  Gewebe  (cv)  am 
faltenfreien  Grunde  der  Kiemenblätter.  Jede  Falte  erhält  ihre  be- 
sondere Arterie,  und  diese  verlaufen  in  der  Basis  derselben,  oder 
was  dasselbe  ist,  in  der  Fläche  des  Kiemenblattes  selbst  dicht  neben 
einander  bis  fast  an  den  Rand  des  Blattes,  wo  sie  von  der  Kiemen- 
blattvene  begrenzt  werden.  Durch  Lücken  stehen  sie  aber  sowohl 
mit  den  benachbarten  Arterien,  wie  mit  dem  Kapillarnetz  ihrer 
Falten    in  Verbindung  (Fig.  3  u.  4).     Von    letzterem    bekommt    man 

Arch.f.Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.I.  lt.  1».  7 


98  Karl  Nestler:    Beiträge  zur  Anatomie 

am  besten  auf  Längs-  und  Querschnitten  senkrecht  auf  die  Fläche 
der  Falten  eine  klare  Vorstellung;  in  beiden  Fällen  erhält  man  die- 
selben strickleiterartigen  Bilder  (Fig.  4).  Unter  dem  Epithel  der  Falte 
gewahrt  man  jederseits  eine  zarte  Membran,  die  durch  zahlreiche, 
senkrecht  auf  ihr  stehende  einzellige  Säulchen  (zs)  mit  der  gegen- 
überliegenden verbunden  ist.  Dadurch  wird  der  ganze  Hohlraum  der 
Falte  in  ein  Labyrinth  von  Gängen  verwandelt,  weit  genug,  um  den 
ca  0,08  mm  (im  Dauerpräparat !)  messenden  Blutkörperchen  den  Durch- 
tritt zu  gestatten.  Die  genannte  Membran  setzt  sich  sowohl  in  die 
Wände  der  Kapillarnetzarterie,  als  auch  durch  den  cavernösen  Gewebe- 
körper hindurch  in  die  Kiemenblattarterie  fort,  ist  also  nichts  anderes, 
als  das  Endothel  dieser  Gefässe.  Man  kann  sich  vorstellen,  dass 
die  Kiemenblattarterie  sich  ihrer  ganzen  Länge  nach  zu  einem  hohlen 
Blatte,  dem  Kiemenblatte,  erweitert  habe,  das  seinerseits  wieder  die 
Falten  ausstülpt.  Die  gegenüberliegenden  Wände  dieses  hohlen 
Kiemenblattes  werden  durch  die  erwähnten  Zellsäulchen,  im  falten- 
freien Teile  aber  durch  längere  und  verzweigte  Bindegewebsfäden  — 
den  cavernösen  Körper  darstellend  -  -  verbunden  und  dadurch  das 
Blatt  vor  dem  Aufblähen  durch  das  Blut  geschützt. 

c.  Die  Kiemenvenen. 

Sehr  kurze  Kapillarnetzvenen  (Fig.  3vpl)  führen  das  oxydierte 
Blut  der  Kiemenblattvene  zu.  Letztere  verläuft  am  freien  Rande 
des  Kiemenblattes  (vlbr),  nimmt  von  aussen  nach  innen  an  Umfang 
zu  und  ergiesst  sich  an  der  Innenseite  des  Diaphragmas  in  die 
Kiemenbogenvene  (Fig.  lvbr).  Bei  Petromyzon  biegen  die  Kiemen- 
blattvenen  wegen  der  Dicke  des  Diaphragmas  erst  spitz  oder  stumpf- 
winklig nach  der  Vena  branchialis  um,  je  nachdem  sie  von  der 
vorderen  oder  hinteren  Seite  des  Diaphragmas  kommen  (Fig.  2vbr). 
Auch  münden  sie  nicht  einzeln  wie  bei  Ammocoetes;  sondern  auf 
jeder  Seite  des  Diaphragmas  vereinigen  sich  die  oberen  wie  die 
unteren  Kiemenblattvenen  zu  gemeinsamen  Stämmen,  welche  in  halber 
Höhe  des  Kiemenraumes  zusammenfliessen,  sich  aber  auch  gleich- 
zeitig mit  denen  der  andern  Diaphragmaseite  durch  einen  kurzen 
Querstamm  (Fig.  2vbr  bei  Diaphragma  7)  verbinden.  Aus  diesem 
Verbindungsstück  nimmt  erst  die  Vena  branchialis  ihren  Ursprung. 
Der  weitere  Verlauf  der  Venen  ist  zwar  bekannt,  doch  will  ich  noch 
besonders  hervorheben,  dass  sie  stets  von  der  ventralen  Seite  her  in 
die  Aorta  einmünden.  W.  Müller  ist  also  im  Irrtum,  wenn  er  (13  b) 
in  dem  erklärenden  Texte  zu  Tafel  4,  Fig.  8  zwei  von  oben  ein- 
mündende Blutgefässe  (V)  als  das  letzte  Paar  der  Kiemenvenen  be- 
zeichnet. Die  dort  dargestellten  Gefässe  sind  Zweige  der  Aorta, 
welche  die  dorsale  Körperpartie  mit  Blut  versorgen,  habe,  aber  mit 
Kiemengefässen  gar  nichts  zu  thun. 

Eine  Abweichung  vom  normalen  Verhalten  scheint  es  zu  sein, 
dass  die  Venen  der  beiden  Körperhälften  kommunizieren;  ich  habe 
eine  derartige  Verbindung  zwichen  den  beiden  letzten  (achten)  Kiemen- 
bogenvenen  bei  Übergangsstadien  mehrmals  beobachtet. 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petronlyzon  Planeri.  99 


d.    Nutritive  Ge fasse  und   Venenräume. 

J.  Müller  bemerkt  in  seiner  vergleichenden  Anatomie  der  Myxi- 
noiden  (12  b,  S.  197/98):  „Die  Kiemenvenen  setzen  sich  auch  nach 
der  ventralen  Seite  in  Arterien  fort:  dies  ist  wohl  zuerst  von  Monro 
bei  den  Rochen  beobachtet."  Gh.  Julin  (9a,  S.  230)  beschreibt  ein 
derartiges  paariges  Gefäss  von  Ammocoetes  unter  dem  Namen 
„Carotides  externes":  „Au  niveau  de  l'orifice  thyroidien,  il  part  de 
l'extremite  inferieure,  ventrale,  c'est  ä  dire  du  point  d'origine  de 
chacune  des  deux  veines  branchiales  de  la  4e  paire,  un  petit 
vaisseau  ....  Ce  petit  vaisseau  court  ainsi  directement  en  avant .... 
Au  niveau  de  la  3e  lame  branchiale,  ce  petit  vaisseau  en  recoit  un 
second,  qui  provient  de  l'origine  de  la  veine  branchial  correspondante 
de  la  3 e  paire  ....  Enfin,  au  niveau  du  bord  interne  de  la  2  e  lame 
branchiale,  ce  vaisseau  recoit  de  nouveau  une  branche  provenant  de 

l'origine  de  la  veine  branchiale  correspondante  de  la  2e  paire 

Les  deux  troncs  arteriels,  resultant  de  l'union,  ä  droite  et  ä  gauche 
de  la  ligne  mediane,  des  branches  ventrales  des  2e,  3e  et  4e  veines 
branchiales,  constituent  les  deux  carotides  externes".  —  Diese  „äusseren 
Carotiden"  versorgen  die  untere  Kopfregion  mit  Blut,  ebenso  wie  die 
aus  der  Aorta  hervorgehenden  inneren  Carotiden  die  obere.  A.  Dohrn 
(XII.  Tri.  11,  Fig.  4)  lässt  die  Gefässe  nur  aus  der  zweiten  und  dritten 
Kiemenbogenvene  hervorgehn,  bezweifelt  aber  ihren  Ursprung  auch 
aus  der  vierten.  Man  kann  jedoch  bei  9  und  10  cm  langen  Ammo- 
coetes die  Verbindung  der  äusseren  Carotiden  auch  mit  der  vierten 
Kiemenbogenvene  unzweifelhaft  nachweisen,  wenngleich  das  betreffende 
Gefäss  kurz  nach  seinem  Ursprünge  aus  derselben  ziemlich  dünn  ist. 
Bei  älteren  Exemplaren  schwindet  dieser  Zusammenhang;  ja  bei 
Übergangsstadien  und  erwachsenen  Petronryzon  ist  sogar  die  Ver- 
bindung mit  der  zweiten  Vene  nicht  regelmässig  mehr  vorhanden; 
doch  empfangen  die  Carotiden  noch  Blut  aus  dem  untern  Teil  des 
ersten  Kiemensackes. 

Die  von  Julin  (9  c,  S.23ff.)  beschriebenen  Thyreoidealarterien  habe 
ich  ebensowenig  wie  Dohrn  gefunden,  wohl  aber  ein  Paar  Arterien 
der  Thyreoidea,  von  welchen  der  letztere  berichtet.  Sie  entspringen 
aus  dem  untern  Teil  des  vierten  Kiemenvenenpaares,  unmittelbar 
hinter  dem  Beginn  der  äussern  Carotiden  und  versorgen  die  Thyreoidea 
mit  Blut  (Fig.  6  athu.  Dohrn,  XIII.  St.  S.  257/58). 

Über  die  ausgedehnten  Venenräume  im  Brustabschnitt  der  Petro- 
myzonten  kann  ich  den  Beschreibungen  von  J.  Müller,  Langerhans, 
A.  Schneider  u.  A.  kaum  etwas  hinzufügen.  Ersterer  Forscher  sagt: 
„Neben  der  Aorta  liegen  in  der  Brusthöhle  der  Petromyzon  ein 
Paar  andere,  von  Rathke  nicht  beschriebene  Gefässschläuche,  welche 
unter  der  Aorta  thoracica  quer  hinüber  in  Kommunikation  treten. 
An  ihrer  Aussenseite  befinden  sich  Offnungen,  welche  mit  unregel- 
mässigen Kanälen  um  die  Speiseröhre  und  mit  zelligen  Kanälen  um 
den  grossen  Muskelkörper  der  Zunge  zusammenhängen.     Nach  oben 

7* 


100  Karl  Nestler:   Beiträge  zur  Anatomie 

haben  diese  grossen  Schläuche  eine  regelmässige  Reihe  von  Öffnungen. 
Diese  führen  in  Kanäle,  welche  schief  von  vorn  nach  hinten  und 
oben  in  die  Vertebralvenen  führen.  Diese  Schläuche  sind  wahr- 
scheinlich Lymphbehälter".  Langerhans  (1.  c.  S.  101)  bemerkte,  dass 
diese  Behälter,  die  übrigens  auch  mit  den  Bluträumen  der  Nieren 
und  des  Kopfes  in  Verbindung  stehen,  von  einem  einfachen  Endothel 
ausgekleidet  und  somit  den  Lymphräumen  der  Amphibien  sehr  ähn- 
lich seien;  doch  will  er  die  Frage  nicht  entscheiden.  Schneider  (1.  c. 
S.  70/71)  fügt  hinzu  —  und  ich  kann  diese  Angabe  bestätigen  — 
dass  auch  die  Kammern  zwischen  den  Diaphragmen  immer  mit  Venenblut 
gefüllt  seien,  so  dass  die  Kiemenbeutel  förmlich  in  diesen  Bluträumen 
hängen.  Der  Zusammenhang  aller  dieser  Bluträume  mit  den  oberen 
und  der  unteren  Jugularvene,  von  dem  Schneider  ebenfalls  berichtet, 
ist  leicht  zu  konstatieren  (Fig.  9). 

Die  untere  Kehlvene  betreffend  will  ich  noch  einiges  hinzufügen. 
Sie  stimmt  bei  Ammocoetes  weder  in  ihrem  Verlauf  noch  in  ihrer 
Lage  mit  der  von  Petromyzon  überein.  Bei  ersterem  ist  sie  bis  kurz 
vor  ihrer  Mündung  in  die  Vorkammer  paarig  und  liegt  unter  dem 
Kiemenkorb  (Fig.  7  ju),  regelmässig  mit  dicken  Gefässen  in  Verbindung 
stehend,  welche  aus  dem  Diaphragma  und  zwar  an  dessen  Anheftungs- 
stelle  an  die  Körperwand  herabsteigen.  —  Dieselben  Gefässe  finden 
sich  auch  bei  Petromyzon  noch  vor  (Fig.  8  ju) ,  treten  aber  ihrem 
Volumen  nach  zurück  gegen  die  über  dem  Brustbein  neu  ange- 
legte Kehlvene  (ju').  Vorn  ist  diese  paarig;  aber  schon  an  der 
Teilungsstelle  des  Kiemenarterienstammes  vereinigen  sich  die  beiden 
Aste  zu  einem  einzigen  Gefäss,  das  ebenfalls  in  die  Vorkammer 
mündet.  Die  Hauptmasse  des  Venenblutes  fliesst  nicht  mehr  am  Grunde, 
sondern  am  Innenrande  der  Diaphragmen  in  diese  Vene. 

Oft  sieht  man  sowohl  bei  Ammocoetes  wie  bei  Petromyzon  ein 
kleines  Blutgefäss,  nach  aussen  von  der  Kiemenblattvene  gelegen,  dem 
Rande  der  Kiemenblätter  entlang  verlaufen.  Es  verliert  sich  in  den 
Bluträumen  des  Diaphragmas  und  dürfte  nach  Analogie  mit  den  Ver- 
hältnissen bei  Knochenfischen  und  Selachiern  die  Vena  nutritia 
lamellae  branchialis  sein  (Fig.  3  vn).  Die  Enge  des  Gefässes  ist  wohl 
der  Grund,  weshalb  es  ohne  Injektion  nicht  überall  deutlich  bemerkt 
wird. 

Yerdauungsapparat. 

a.  Das  Darmrohr. 

Es  ist  bekannt,  dass  bei  Ammocoetes  der  zwischen  den  beider- 
seitigen Kiemensackreihen  liegende  Raum,  der  Bronchus,  an  seinem 
hintern  Ende  in  den  von  Langerhans  als  „Magen"  bezeichneten 
Dannabschnitt  übergeht,  also  Bronchus  und  Oesophagus  zugleich  ist, 
bei  Petromyzon  dagegen  blind  endet,  während  hier  ein  besonderer, 
über  ihm  liegender  Oesophagus  zur  Ausbildung  kommt  (vergl.  die 
Querschnitte  5 — 7  u.  Fig.  10  mit  8  u.  9).   Letzterer  beginnt  unmittelbar 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planeri.  101 

vor  dem  Velum  als  sehr  enger  Kanal,  erweitert  sich  jedoch  allmählich 
und  geht  am  Ende  des  Bronchus  in  den  Magen  über  (Langerhans 
S.  37 ff.  und  Schneider  S.  89—91).  Oesophagus  und  Magen  („Mund- 
darm" oder  ,, Vorderdarm",  Langerhans;  „Oesophagus",  Rathke)  sind 
von  einer  Schicht  würfelförmiger  Epithelzellen  ausgekleidet,  die  sich 
in  zahlreiche  spiralig  verlaufende  Längsfalten  erhebt.  Darauf  liegt 
nach  aussen  eine  Schicht  von  Bindegewebszellen,  Fibrillen  und 
Muskelfasern,  vorzugsweise  in  der  Längsrichtung  ausgestreckt  und 
um  den  Magen  mächtig  entwickelt. 

Schon  Rathke,  dem  die  grosse  Ähnlichkeit  im  Baue  von  Ammo- 
coetes  und  Petromyzon  auffiel  und  der  deshalb  die  beiden  Tiere  für 
nahe  verwandt  hielt,  suchte  sich  die  Entstehung  jenes  Gebildes  zu- 
rechtzulegen. Er  sah,  dass  der  Bronchus  von  Ammocoetes  ungefähr 
so  hoch  sei,  wie  bei  Petromyzon  Bronchus  und  Oesophagus  zusammen; 
deshalb  meinte  er,  letzterer  könne  durch  Abschnürimg  aus  dem 
ersteren  entstanden  sein,  indem  von  den  Seiten  her  zwei  horizontale 
Längsfalten  einander  entgegenwüchsen  und  sich  schliesslich  in  der 
Mittellinie  vereinigten  (15  c,  S.  Q6).  Da  ihm  aber  beide  Tiere  als 
verschiedene  Arten  galten,  konnte  ihn  diese  Frage  nur  in  vergleichend 
anatomischer  Hinsicht  interessieren.  Nachdem  aber  August  Müller 
im  Jahre  1856  durch  Zuchtversuche  nachgewiesen  hatte  (IIa),  dass 
Ammocoetes  nur  die  Jugendform  von  Petromyzon  sei,  musste  man 
auch  der  Frage  nach  der  Entstehung  jener  sonderbaren  Bildung  des 
Oesophagus  näher  treten.  Müller  selbst  wusste  darüber  keine  Aus- 
kunft zu  geben,  weil  er  „die  früheren  Stadien  nicht  gesehn"  hatte, 
da  die  aus  Eiern  gezogenen  Tiere  vor  der  Metamorphose  starben. 
Aber  es  fiel  ihm  auf,  dass  die  „Speiseröhre"  bei  Petromyzon  gerade 
so  gelegen  sei,  wie  die  von  Rathke  entdeckte  dorsale  Falte  im 
Kiemenraum  (Fig.  5  u.  7),  und  er  vermutete  deshalb,  dass  dieser 
„Rathkesche  Faden"  es  vielleicht  sei,  welcher  das  Material  zu  dem 
neuen  Stücke  des  Verdauungsrohres  liefere. 

A.  Schneider  war  bisher  der  Einzige,  welcher  an  einigen  in  der 
Metamorphose  begriffenen  Ammocoetes  die  Entstehung  des  Oesophagus 
untersucht  und  darnach  beschrieben  hat  (17a  u.b).  Nach  ihm  (17b, 
S.  94)  entsteht  der  Oesophagus  „als  eine  Neubildung,  indem  von  dem 
Vorderende  der  Darmfalte  aus  eine  Einstülpung  nach  vorn  entsteht. 
Dieselbe  folgt  der  Mesenterialfalte  des  Magens,  biegt  sich  zuerst 
stark  links  und  läuft  dann  geradeaus  nach  vorn  in  der  dorsalen  Leiste 
der  Kiemenhöhle.  Nachdem  sie  zuerst  hohl  war,  wird  sie  bald  solid 
und  geht  als  ein  Zellenstrang  bis  zum  Velum.  Später  bilden  die 
Zellen  nicht  blos  das  Epithel,  sondern  auch  die  gesammte  Schleim- 
haut und  Muskulatur  des  Oesophagus.  Der  Theil  der  Spiralfalte,  an 
welcher  die  Einstülpung  entsteht,  trägt  kein  Epithel.  Die  Spiralfalte 
wird  immer  dicker  und.schliesst  dadurch  nach  vorn  den  Darm  ab. 
Gleichzeitig  mit  dieser  Änderung  erfährt  auch  der  Darm  eine  voll- 
ständige Neubildung  seiner  Gewebe." 


102  Karl  Nestler:   Beiträge  zur  Anatomie 

Richtig  ist,  dass  der  Oesophagus  (Oesophagus  nebst  Magen) 
als  ein  solider  Zellstrang  entsteht,  der  vom  Vorderende 
der  Darmfalte  bis  zum  Velum  reicht.  Die  weiteren  Angaben 
Schneiders  über  das  Herkommen  und  die  Weiterentwicklung  dieses 
Stranges  sind  aber  blosse  Vermutungen  und  haben  sich  nach  meinen 
Untersuchungen  als  unrichtig  herausgestellt. 

Es  sollen  im  folgenden  die  beiden  Abschnitte  des  genannten 
Zellstranges  getrennt  behandelt  und  zunächst  der  Oesophagus  im 
engeren  Sinne,  d.  h.  das  Stück  vom  Velum  bis  zum  Ende  des 
Bronchus  besprochen  werden.  Die  Figuren  12 — 14  und  20  stellen 
einige  Schnitte  durch  denselben  dar.  Sie  unterscheiden  sich  von 
der  Schneiderschen  Abbildung  (Tfl.  III,  Fig.  3)  besonders  dadurch, 
dass  sich  schon  überall  dieselbe  Faltenbildung  zeigt,  wie  sie  am 
späteren  Oesophagus  zu  bemerken  ist.  Wahrscheinlich  handelt  es 
sich  hier  um  ein  etwas  späteres  Entwicklungsstadium.  Die  bei 
stärkerer  Vergrösserung  gezeichnete  Fig.  21  lässt  deutlich  erkennen, 
dass  der  solide  Strang  aus  Zellen  besteht  und  nicht  bloss  „aus  runden, 
dicht  aneinander  liegenden,  nur  durch  wenig  Zwischensubstanz  ge- 
trennten Kernen  (17  a,  S.  4).  Die  peripherischen  Zellen  des  Organes 
haben  sich  genau  so  gruppiert,  wie  die  Epithelzellen  des  fertigen 
Oesophagus;  die  mittleren  hingegen  liegen  fast  regellos  durcheinander. 
Ferner  fällt  eine  eigentümliche  Vakuolenbildung  auf  (Fig.  14  u.  21 
Va),  die  bei  verschiedenen  Exemplaren  mehr  oder  weniger  weit  vor- 
geschritten ist.  Sie  geht  an  manchen  Stellen,  besonders  gegen  das 
Ende  des  Bronchus  hin,  soweit,  dass  nur  noch  wenige  Zellfäden, 
einem  Netzwerk  gleich,  den  Hohlraum  durchziehn.  Sicherlich  ist 
diese  Erscheinung  nichts  anderes,  als  eine  fortschreitende  Resorption 
des  centralen  Zellenmaterials,  welche  zuletzt  nur  die  äussersten, 
schon  vorher  in  Reih  und  Glied  geordneten  Zellen  übrig  lässt.  Der 
Zellstrang  liefert  also  schliesslich  nur  das  Epithel  des 
späteren  Oesophagus,  nicht  zugleich  „die  gesammte  Schleimhaut 
und  Muskulatur"  desselben;  letztere  hat  vielmehr  einen  ganz  andern 
Ursprung,  wie  weiter  unten  berichtet  werden  soll.  Auch  beginnt  das 
Hohlwerden  des  Stranges  nicht  dadurch,  dass  von  vorn  eine  Höhle 
in  ihn  eindringt,  die  ihn  allmählich  wegsam  macht"  (17a,  S.  4). 
Denn  es  lässt  sich  beobachten,  wie  der  Hohlraum  am  Ende  der  Neu- 
bildung beinahe  fertig  vorliegt,  während  vorn  die  Faltenbildung  kaum 
beendet  ist*). 

Woher  stammt  nun  aber  dieser  sonderbare  Zellstrang'?  Gleich 
im  Anfang  meiner  Untersuchungen  fiel  mir  die  grosse  Ähnlichkeit 
des  denselben  aufbauenden  Materials  mit  Epithelzellen  auf.     Diese 


*)  Über  einen  ähnlichen  Vorgang,  wie  er  sich  hier  abspielt,  berichtet 
W.B.Scott  (19  S.  424):  „Der  Mitteldarm  wird  von  Dotterzellen  ausgefüllt, 
welche  erst  bei  Larven  von  6—7  mm  Länge  resorbirt  wrerden.  Dieser  Vorgang 
findet  so  statt,  dass  die  äusserste  Schicht  der  Dotterzellen  allein  übrig  bleibt, 
indem   sie  sich  regelmässiger  anordnen  und  so  das  Epithel  des  Darmes  bilden." 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planeri.  ]03 

wird  dadurch  noch  täuschender,  dass  die  peripherischen  von  ihnen 
in  gleicher  Weise  angeordnet  sind  und  schliesslich  auch  wirklich 
Epithel  liefern,  wie  oben  gezeigt  wurde,  dass  sich  aber  auch  ausser- 
dem ganz  gleiche  Zellenbildungen  massenhaft  in  den  tieferen  Ober- 
hautschichten der  Mundhöhle,  der  Zunge,  des  Enddarmes  wieder- 
finden. Man  wird  so  auf  die  Vermutung  geführt,  der  Zellstrang 
entstehe  als  eine  zapfenförmige  Wucherung  der  Epidermis  von  der 
Gegend  des  Velum  oder  der  Darmfalte  aus,  oder  auch  als  eine  hohle 
Einstülpung  des  Epithels,  die  später  erst  solid  wird.  Letztere  An- 
sicht vertritt  A.  Schneider  an  der  eben  erwähnten  Stelle. 

Zwei  Mitte  Juli  gefangene  Exemplare  von  P.  Planeri,  die  sich 
durch  ihre  spitze  Schnauze  schon  als  Übergangsstadien  unter  den  gleich- 
zeitig mitgefangenen ,  durch  schurzfellartige,  grosse  Oberlippe  aus- 
gezeichneten Ammocoetes  bemerklich  machten,  sollten  endlich  diese 
Frage  lösen.  Querschnitte  durch  den  Oesophagus,  wovon  die  mit 
Nr.  22 — 26  bezeichneten  einem  147a  cm  langen,  die  unter  Nr.  27 — 31 
aber  einem  13  cm  messenden  Tiere  entstammen,  zeigen  auf  den 
ersten  Blick:  Der  von  Schneider  entdeckte  Zellstrang  ist 
eine  wulstförmige  Epithelwucherung  längs  der  untern 
Kante  der  dorsalen  Falte  im  Kiemenraum.  Schon  während 
des  Ammocoeteszustandes  zeichnet  sich  diese  Stelle  der  Falte  vor  den 
Seitenteilen  aus.  Sie  ist  mit  dickem,  mehrschichtigem  Plattenepithel 
bedeckt,  während  letztere  Cylinderzellen,  z.  T.  mit  Flimmerhaaren, 
tragen  (vergl.  Schneider  17  b,  S.  84  u.  dessen  Tfl.  2,  Fig.  4).  Dieses 
Plattenepithel  wuchert  nun  in  der  Zeit  der  Verwandlung  ausser- 
ordentlich stark  und  drängt  dadurch  das  über  und  neben  ihm 
liegende  Bindegewebe  zurück.  Bisweilen  (Fig.  29  u.  30)  wachsen 
zwei  derartige  Wülste  nebeneinander  aufwärts,  eine  Rinne  zwischen 
sich  lassend,  die  sich  aber  später  durch  Vermehrung  der  in  ihrer 
Tiefe  liegenden  Zellen  ausfüllt.  Hat  die  Wulst  eine  gewisse  Grösse 
erreicht,  so  wird  sie  durch  das  unter  ihr  zusammengreifende  Binde- 
gewebe vom  Epithel  der  Kante  abgeschnürt  (Fig.  25);  sie  bildet  nun 
einen  völlig  isolierten  Zellstrang,  dessen  Entstehungsweise  niemand 
zu  erraten  imstande  ist  (Fig.  24  u.  26  u.  12  — 14).  Zwischen  den 
gegenüberliegenden  Diaphragmen  erfolgt,  wie  es  scheint,  die  Ab- 
schnürung am  frühesten  (Fig.  24) ;  ebenso  steht  der  vordere  Teil  des 
Stranges  (Fig.  22  u.  23  u.  27  u.  28)  gegen  den  mittlem  und  hintern 
(Fig.  25 — 26  u.  30 — 31)  augenscheinlich  in  der  Entwicklung  zurück. 
—  Der  Eingang  in  den  neugebildeten  Oesophagus  liegt  unmittelbar 
vor  dem  Velum  (Tig.  20  oe).  Hier  endet  der  Zellstrang  mit  einer 
von  oben  nach  unten  zusammengedrückten  kegelförmigen  Erweiterung, 
in  welche  sich  später  die  Schlundöffnnng  einsenkt.  Gleichzeitig  da- 
mit wächst  die  unter  ihr  befindliche  Hautfalte  zu  einem  gefingerten 
Lappen,  dem  „Zwischengaumensegel",  Intervelar  shelf,  Huxley  (8)  aus 
(Fig.  20  Vli),  weiches  die  Nahrungsaufnahme  in  den  engen  Oesophagus 
in  ähnlicher  Weise  erleichtern  mag,  wie  in  der  Jugend  die  Lippen 
am  Mageneingange. 


104  Karl  Nestler:  Beiträge  zur  Anatomie 

Der  von  Langerhans  als  Magen  bezeichnete  Darmabschnitt, 
zwischen  dem  Ende  des  Bronchus  und  dem  Anfange  des  eigentlichen 
Darmes,  erfährt  ebenfalls  eine  bedeutende  Umwandlung  seiner  Ge- 
webe. Das  ihn  bei  Ammocoetes  auskleidende  einschichtige  Cylinder- 
epithel  (Fig.33u.34m)  geht  verloren  und  macht  einem  mehrschichtigen, 
aus  rundlichen  Zellen  bestehenden  Platz  (Tfl.  VIII  Fig.  36,  37,  39  m), 
dessen  Wucherung  endlich  das  Lumen  im  Innern  vollständig  erfüllt. 
So  ensteht  auch  hier  ein  solider  Zellstrang  (Fig.  15 — 19  m)  und  in 
ihm  später  durch  ähnliche  Resorption  der  centralen  Zellen  ein  neuer 
Hohlraum,  allerdings  bei  weitem  enger  als  der  frühere  Magen.  Der 
Mageneingang  („Schlundspalte",  A.  Müller),  welcher  bei  Ammocoetes 
am  Ende  der  Kiemenhöhle  zwischen  den  beiden  oben  beschriebenen 
Lippen  liegt,  schliesst  sich  völlig,  indem  die  letzteren  von  unten  her 
erst  miteinander  und  zuletzt  auch  mit  der  dorsalen  Falte  verwachsen. 
An  dieser  Verwachsungsstelle  geht  nun  jedenfalls  die  Verbindung  des 
Zellstranges  der  dorsalen  Falte  mit  dem  wuchernden  Magenepithel 
vor  sich.  Doch  kann  ich  hierüber  nichts  genaueres  angeben,  da  bei 
den  von  mir  untersuchten  Übergangsstadien  die  Magenöffnung  be- 
reits geschlossen  war  und  frühere  Verwandlungsstufen  mir  fehlten. 
Auch  vermag  ich  aus  denselben  Gründen  nicht  mit  Bestimmtheit  zu 
sagen,  von  welcher  Stelle  aus  die  Anregung  zu  der  ganzen  Neu- 
bildung erfolgt.  Mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  darf  man  jedoch  den 
sich  abschliessenden  Mageneingang  als  solche  betrachten.  Denn  wir 
sahen  oben,  dass  die  Entwicklung  des  Zellstranges  der  dorsalen  Falte 
am  Ende  weiter  vorgeschritten  ist  als  am  Anfange  derselben ;  gleich- 
zeitig habe  ich  aber  auch  bei  den  Übergangsstadien  von  Mitte  Juli 
den  vordem  Teil  des  Magens  bereits  zugewuchert,  den  Endabschnitt 
dagegen  noch  offen  gefunden.  Ein  mit  Zellresten  angefüllter  Hohl- 
raum, der  sich  bei  allen  von  mir  untersuchten,  in  der  Verwandlung 
begriffenen  Tieren  an  der  oben  genannten  Stelle  im  Zellstrang  vor- 
vorfindet, und  um  welchen  die  Zellen  eigentümlich  konzentrisch 
gruppiert,  teilweise  auch  abgeplattet  sind,  dürfte  die  Verbindungs- 
stelle der  vordem  und  hintern  (Magen-)Hälfte  des  sich  neu  bildenden 
Oesophagus  sein.  Die  im  genannten  Hohlraum  liegenden  Zellmassen 
würden  dann  als  Reste  des  ursprünglichen,  abgelösten  Magenepithels 
zu  betrachten  sein,  oder  den  hier  stattfindenden  Beginn  der  Vakuolen- 
bildung  andeuten. 

Schneider  ist  im  Unrecht,  wenn  er  behauptet,  der  Magen  gehe 
spurlos  unter  und  die  an  seine  Stelle  tretende  Verlängerung  des 
Oesophagus  entstehe  in  der  Mesenterialfalte  des  Magens  von  der 
Darmfalte  aus.  Denn  einmal  ist  eine  solche  Mesenterialfalte  an  den 
meisten  Stellen  gar  nicht  vorhanden,  sondern  der  Magen  liegt  frei, 
und  ein  andermal  kann  man  die  Entstehung  eines  Zellstranges  — 
im  alten  Magen  selbst  —  unmittelbar  verfolgen.  Dass  das  neue  Stück 
vom  Ende  des  Bronchus  bis  zum  Anfang  des  Mitteldarmes  eine  etwas 
andere  Lage  hat,  fällt  dabei  nicht  in  die  Wagschale;  die  stärkere 
Entwicklung  des  Herzens  drängt  dasselbe  nach  oben  und  stark 
nach  links. 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planeri.  105 

Die  weitere  Angabe  Schneiders  aber,  dass  sich  der  Darm  während 
der  Metamorphose  nach  vorn  verlängert,  kann  ich  bestätigen. 
„Während  er  bei  Ammocoetes  hinter  der  Leber  beginnt,  liegt  er  bei 
Petromyzon  der  dorsalen  Leberfläche  an  und  erstreckt  sich  beinahe 
bis  zum  Vorderrande  der  Leber"  (17  b,  S.  94).  Ich  will  hinzufügen, 
dass  er  dabei  eine  halbe  Drehung  nach  rechts  ausführt.  Die  Darm- 
falte, bei  Ammocoetes  links  beginnend  (Fig.  35  df),  ist  bei  dem 
13  cm  langen,  in  der  Metamorphose  begriffenen  Exemplare  nach 
oben  gerückt  (Fig.  38),  um  sich  schliesslich  bei  dem  14  cm  messenden 
Tiere  auf  die  rechte  Seite  zu  wenden  (Fig.  41),  wo  die  Verwachsung 
des  Darmes  mit  der  Leber  einer  weiteren  Drehung  ein  Ende  setzt. 
Auf  solche  Weise  wird  allerdings  das  Magenstück  um  soviel  zu  lang 
werden,  als  der  Darmanfang  nach  vorn  wächst.  Ein  Ausgleich  er- 
folgt aber  erstens  dadurch,  dass  infolge  der  oben  erwähnten  stärkeren 
Entwicklung  des  Herzens  und  des  Perikardialraumes  die  Leber  rück- 
wärts, der  Magen  nach  links  und  oben  gedrängt  wird,  also  nicht 
mehr  geradlinig,  sondern  in  einer  Kurve  verläuft,  und  zweitens,  wie 
mir  scheint,  dadurch,  dass  sich  das  Magenende  etwas  in  den  Anfangs- 
teil des  Mitteldarmes  hineinschiebt  und  letzteren  dadurch  umstülpt, 
oder  vielmehr,  dass  der  zum  soliden  Zellstrang  gewordene  und  jetzt 
verhältnismässig  starre  Magen  sich  gegen  das  Weitervordringen  des 
Darmes  stemmt  und  ihn  zwingt,  sich  beim  Fortwachsen  umzustülpen. 
Da  diese  Umstülpung  aber  nur  an  den  dünnen  Stellen  des  Darmes 
erfolgen  kann,  nicht  da,  wo  die  dicke  Darmfalte  liegt,  so  rückt  nun 
das  Ende  des  Oesophagus  (Magens)  scheinbar  auf  die  Seite  der 
Darmfalte  und  kann  für  eine  Fortsetzung  derselben  oder  für  eine 
Einstülpung  in  dieselbe  nach  vorn  gehalten  werden,  besonders  auch, 
weil  die  Darmfalte,  wie  Schneider  hervorheben  zu  müssen  glaubt, 
an  dieser  Stelle  kein  Epithel  trägt  (Fig.  17—19).  Das  Fehlen 
des  letzteren  aber  erklärt  sich,  wenn  man  an  die  Entstehung  des 
Zellstranges  im  Magen  denkt,  von  selbst;  es  war  eben  nie  vorhanden, 
denn  hier  ging  ja  von  Anfang  an  das  Darmlumen  in  den  Hohlraum 
des  Mages  über.  Der  Schneiderschen  Ansicht  entgegen  glaube  ich 
also,  dass  der  Oesophagus  (Magen)  von  vorn  herein  mit  der  Darm- 
falte gar  nichts  zu  schaffen  hat.  Die  Schemata  unter  No.  44  au.  b 
sollen  diesen  Vorgang  verdeutlichen;  a  stellt  das  Verhalten  bei 
Ammocoetes  und  Jüngern  Übergangsstadien,  b  dasjenige  bei  älteren 
Übergangsstadien  und  Petromyzon  dar.  Der  schraffierte  Teil  ist  die 
Darmfalte;  sie  ist  der  Deutlichkeit  wegen,  wenn  auch  dem  oben  ge- 
schilderten natürlichen  Verhalten  entgegen,  immer  auf  die  rechte 
Seite  gezeichnet.  Die  Querlinien  geben  die  Lage,  die  daneben  be- 
findlichen Ziffern  die  Nummern  der  zugehörigen  Querschnitte  an. 
Letztere  sind  aber  in  ihrer  natürlichen  Lage  gezeichnet  und  müssen 
deshalb  zum  Vergleich  mit  dem  betreffenden  Schema  erst  so  ge- 
dreht gedacht  werden,  dass  die  Darmfalte  rechts  zu  liegen  kommt. 
Man  sieht  nun  (Schema  a,  Querschnitte  34  Tfl.  VII  u.  35  Tfl.  VIII  von 
Ammocoetes  und  37  u.  38  von  einem  jüngeren  Übergangsstadium), 
wie  der  Magen,  allerdings  etwas  verengt,  einfach  in  den  weiten  Mittel- 


106  Karl  Nestler:    Beiträge  zur  Anatomie 

darin  übergeht.  Schema  b  mit  den  zugehörigen  Querschnitten 
(39  u.  40  von  einem  14 V2  cm  langen,  15 — 17  Tfl.  VII  von  einem  noch 
älteren  Uebergangsstadium  und  42  u.  43  von  Petromyzon)  zeigt  dagegen, 
wie  der  Magen  nach  der  Seite  der  Falte  hingedrängt  erscheint,  weil 
sich  der  Darm  bei  u  umgestülpt  hat. 

Ob  auch  der  Mittel-  und  Enddarm  eine  ähnliche  Neubildung 
erfahren,  wie  Schneider  behauptet,  weiss  ich  nicht.  In  den  Uber- 
gangsstadien,  die  ich  gesehen  habe,  ist  er  —  im  Gegensatz  zu  dem 
Verhalten  bei  Ammocoetes  —  stets  leer;  nur  der  Enddarm  enthält 
häufig  Massen,  die  mit  Epithelfetzen  und  ähnlichen  Zellkomplexen 
grosse  Ähnlichkeit  haben  und  als  Reste  des  alten  Magen-  und  Darm- 
epithels aufzufassen  sein  dürften.  Der  Darm  hat  noch  fast  seine  alte 
Weite,  ist  auch  von  ähnlichem,  nur  niedrigerem  Cylinderepithel  aus- 
gekleidet. Der  Umstand  jedoch,  dass  sich  letzteres  in  zahlreiche 
Falten  erhebt  und  dass  der  Darm  von  Petromyzon  ein  viel  geringeres 
Volumen  besitzt,  endlich  auch  das  Vorhandensein  der  ebenerwähnten 
Zellreste  im  Enddarm  deuten  auf  Vorgänge  der  Neubildung  auch 
dieses  Darmabschnittes  hin. 

Auf  einen,  wenn  auch  vielleicht  weniger  bedeutenden  Punkt 
möchte  ich  noch  hinweisen:  Rathke  und  nach  ihm  J.  Müller,  Schneider, 
Balfour  u.  A.  geben  an,  dass  die  Darmfalte  des  Ammocoetes  an  der 
dorsalen  Seite  beginne  und  ventral  endige,  also  eine  halbe  Spiral- 
windung mache.  Ich  habe' dagegen  stets  gefunden,  dass  sie  genau 
links  ihren  Anfang  nimmt,  dann  abwärts  zieht  und  ventral  endet, 
demnach  mir  eine  Vierteldrehung  beschreibt.  Anders  ist  die  Sache 
bei  den  Übergangsstadien ,  wo  dieselbe  oben  und  später  gar  rechts 
beginnt  wie  früher  schon  erwähnt  wurde,  bis  etwa  zur  Mitte  des 
Körpers  zwei  volle  Drehungen  über  oben,  links  u.  s.  f.  ausführt,  dann 
aber  bis  zum  Anfang  des  Enddarmes  in  umgekehrter  Richtung 
5At  Drehung  beschreibt,  um  ebenfalls  ventral  zu  enden.  Der  Darm 
dreht  sich  dabei  nicht  in  seiner  Gesamtheit,  was  er  auch  nicht  kann, 
da  sein  Vorder-  und  Hinterende  festgewachsen  ist,  sondern  es  sieht 
aus,  als  wäre  er  in  der  Mitte  angefasst  und  ca  17a  mal  über  links 
nach  unten  herumgedreht  worden.  Bei  Petromyzon  sind  die 
Windungen  der  Darmfalte  noch  zahlreicher.  Es  hängt  diese  Er- 
scheinung vielleicht  mit  dem  Engerwerden  des  Verdauungsrohres 
zusammen.  Die  ziemlich  widerstandsfähige  Darmfalte  wird  dadurch 
zu  lang  und  zwingt  den  Darm,  seine  ursprüngliche  Viertelwindung 
umsomehr  zu  vergrössern,  je  geringer  der  Durchmesser  des  Verdauungs- 
rohres wird. 

Bereits  oben  ist  bemerkt  worden,  dass  die  Muskulatur  des 
Oesophagus  nicht  von  dem  aus  Epidermiszellen  gebildeten  Zellstrange 
hervorgeht,  sondern  aus  dem  umgebenden  Bindegewebe.  Im  Ammo- 
coetes erscheint  uns  das  letztere  als  ein  Gewirr  von  zarten,  blassen 
Fäden,  in  denen  hie  und  da  einzelne  meist  längliche  Kerne  angetroffen 
werden.  Zahlreiche  Bluträume  durchsetzen  in  allen  Richtungen  dieses 
Gewebe.      Während   der   Metamorphose    sehen   wir   es   in  lebhafter 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petromyzon  Planeri.  ]()7 

Vermehrung  begriffen;  seine  Elemente  werden  viel  deutlicher  und 
geben  sich  als  spindelförmige  Bindegewebszellen,  glatte  Muskulatur 
und  elastische  Fasern  zu  erkennen,  die  vorzugsweise  in  der  Längs- 
richtung verlaufen.  Sie  verdrängen  die  bei  Ammocoetes  so  zahl- 
reichen Blutgefässe  fast  vollständig.  Bei  Petromyzon  dagegen  wird 
das  Gewebe  wieder  spärlicher  und  die  Blutgefässe  nehmen  fast  den 
ganzen  Raum  der  Falte  ein.  Dieselben  Erscheinungen  spielen  sich 
in  den  Diaphragmen  und  der  ventralen  Falte  ab.  In  ersteren  liefert 
das  Bindegewebe  die  eigne  Muskulatur  der  Kiemensäcke,  erleidet  aber 
im  übrigen  ebenfalls  eine  Rückbildung  und  macht  grossen  Bluträumen 
Platz.  In  der  ventralen  Falte  sieht  man  den  grossen  Zungenmuskel- 
apparat  aus  ihm  hervorgehen. 

b.  Gallenblase  und  Gallenr/ang. 

Ein  eigentümliches  Schicksal  erleiden  Gallenblase  und  Gallen- 
gang während  der  Metamorphose  der  Petromyzonten.  Den  Gallen- 
gang von  Ammocoetes  kannte  schon  Rathke  (15a,  S.  92)  und 
J.  Müller  entdeckte  darauf  die  „von  Lebersubstanz  etwas  verhüllte" 
Gallenblase  (12c,  S.  11'2).  Von  Petromyzon  dagegen  giebt  Rathke 
an  (15b,  S.  50),  eine  Gallenblase  fehle,  auch  die  Mündung  der 
Gallengänge  habe  er  nie  recht  gesehen.  J.  Müller  behauptet  eben- 
falls^, c),  dass  den  Petromyzonten  eine  Gallenblase  fehlt.  Die  vereinzelt 
dastehende  Angabe  von  Aug.  Müller  (11):  „Das  kleine  Neunauge  be- 
sitzt eine  Gallenblase,  das  Flussneunauge  nicht,  die  Qu  erder  beider 
aber  haben  sie",  ist  in  ihrem  ersten  Teile  unrichtig.  Ich  vermute, 
dass  er  Übergangsstadien  untersucht  hat,  da  er  an  derselben  Stelle 
berichtet,  er  habe  Querder  in  der  Verwandlung  getroffen,  deren 
Augen  teilweise  schon  völlig  klar  gewesen  seien.  A.  Schneider  schreibt 
(17  b,  S.  93):  „Ich  habe  ihn  (den  Gallengang)  bei  mehreren  Spiritus- 
exemplaren von  P.  marinus,  bei  einer  grossen  Anzahl  frischer 
Exemplare  von  P.  fluviatilis  und  Planeri  gesucht  nicht  bloss  mit  dem 
Skalpell  und  indem  ich  durch  Drücken  der  Leber  einen  Gallen erguss 
in  den  Darm  hervorzubringen  suchte,  sondern  auch  durch  sorgfältige 
Untersuchung  mehrerer  Reihen  von  Querschnitten,  aber  nie  gefunden. 
Ich  kann  nicht  umhin,  anzunehmen,  dass  derselbe  verschwunden  ist. 
Dagegen  findet  sich  in  der  Leber  an  der  Stelle,  wo  Leber  und  Darm 
verwachsen  sind,  eine  Anhäufung  von  Schläuchen  oder  Follikeln,  die 
ich  geneigt  bin  für  Wucherung  des  obliterierten  Gallenganges  zu 
halten." 

Damit  hat  er  das  Richtige  getroffen.  Beginnen  wir  die  Be- 
schreibung bei  Ammocoetes.  Eine  sehr  grosse  und  weite,  von  ganz 
niedrigem  Cylinderepithel  ausgekleidete  Gallenblase  liegt  in  der 
vorderen  rechten  Leberhälfte.  Aus  ihr  kommt  der  Gallengang  hervor 
(Tfl.  VII  Fig.  33  gg).  Nachdem  sich  die  Arteria  coeliaca  zu  ihm  ge- 
sellt hat,  ziehen  beide,  zu  einem  gemeinsamen  Strang  vereint, 
schräg  rückwärts  über  den  Magen  hinweg  auf  dessen  linke  Seite 
(Fig.  34 gg).     Hier,   fast  am  Leberende,  mündet  der  Gallengang  in 


108  Karl  Nestler:    Beiträge  zur  Anatomie 

den  Anfangsteil  des  Mitteldarmes,  während  die  Coeliaca  in  die  Darm- 
falte eintritt  (Tfl.  VIII  Fig.  35gg).  —  Bei  dem  schon  mehrfach  genannten 
13  cm  langen  Übergangsstadium  sehen  wir  Coeliaca  und  Gallengang 
ebenfalls  gemeinschaftlich  in  ähnlicher  Weise  entspringen;  doch  er- 
folgt ihr  Eintritt  in  den  Darm,  resp.  die  Darmfalte  auf  der  dorsalen 
Seite,  ziemlich  weit  vor  dem  Ende  der  Leber,  eine  Folge  der  bereits 
erwähnten  Verlängerung  und  Drehung  des  Darmes.  Der  weite 
Gallengang  lässt  seine  Mündung  noch  sehr  deutlich  erkennen 
(Fig.  38 gg).  Doch  merkwürdigerweise  findet  er  sich  kurz  vor 
derselben  eine  kleine  Strecke  weit  durch  Wucherung  seines  Epithels 
fast  vollkommen  geschlossen  (Fig.  37  gg),  eine  Erscheinung,  die 
lebhaft  an  die  eben  geschilderten  Vorgänge  im  Magen  erinnert. 
Weiter  rückwärts  ist  er  wieder  offen  und  lässt  sich  unschwer  bis  zu 
seinem  Ursprung  aus  der  Gallenblase  verfolgen  (Fig.  36).  Letztere 
hat  aber  ein  bedeutend  verändertes  Aussehn.  Ihr  Volumen  ist 
reduziert,  in  den  Wandungen  wuchert  das  Bindegewebe  und  ein 
viel  höheres  Cylinderepithel  als  das  bei  Ammocoetes  bildet  die  Aus- 
kleidung. —  In  dem  14 1/2  cm  langen  Übergangsstadium  ist  das 
Ende  des  Gallenganges  nicht  mehr  aufzufinden;  statt  dessen  sieht 
man  nur  ein  Haufwerk  von  Zellballen  oder  „Follikeln",  wie  sie 
Schneider  nennt  (Fig.  41  f).  Das  Interessanteste  dabei  ist  nun  aber 
der  Umstand,  dass  sich  diese  Follikelanhäufungen  in  die  Leber- 
substauz  verfolgen  lassen,  hier  stellenweise  von  intakten  Gallengängen 
umschwärmt  und  mit  ihnen  verbunden  sind  (Fig.  40)  und  endlich  — 
in  einen  weiten  Gallengang  übergehen,  der  in  die  Gallenblase  führt 
(Fig.  39).  Diese  ist  hier  sehr  klein  und  von  einem  ausserordentlich 
hohen  Cylinderepithel  ausgekleidet. 

Es  bestätigt  sich  somit  auf  das  Vollständigste  die  Vermutung 
Schneiders,  dass  der  Gallengang  obliteriere  und  sich  in  ein  Haufwerk  von 
Follikeln  umwandle.  Die  Umwandlung  scheint  von  der  Mündung  in  den 
Darm  an  nach  rückwärts  auf  die, kleineren  Gänge  fortzuschreiten;  denn 
sogar  bei  im  August  gefangenen  Übergangsstadien  lassen  sich  noch  ein- 
zelne kleine  Gallengänge  in  der  Lebersubstanz  erkennen,  während  die 
grösseren  längst  verschwunden  sind.  Nur  ein  Schritt  ist  von  hier 
aus  zum  Verschwinden  auch  der  kleinsten  Tubuli,  welche  die  Ammo- 
coetes-Leber  aufbauen  (vergl. Langerhans  I.e.  S.  48 fi).  Die  Gallenblase 
schwindet  allmählich  ganz.  Bei  Petromyzon  ist  sie  nicht  mehr  zu 
finden,  höchstens  deuten  noch  ein  Bindegewebsstrang  und  die  er- 
wähnten Follikel  den  früheren  Verlauf  ihres  Ausführungsganges  an. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  noch  auf  zwei  andere  Stellen 
hinweisen,  wo  sich  derartige  Zellenwucherungen  ebenfalls  vorfinden. 
Es  ist  dies  zuerst  der  Nasengaumengang.  Bei  Ammocoetes  noch 
vollständig  fehlend  oder  doch  sehr  kurz,  beginnt  er  bei  Petromyzon 
am  Boden  der  Nasenhöhle,  zieht  über  die  Decke  des  Schlundes  hin 
und  endet  als  blinder  Sack  unter  der  Spitze  der  Chorda.  Die 
Wände  dieses  bei  Petromyzon  so  weiten  Raumes  liegen  nun  bei  den 
Übergangsstadien    nicht    bloss    ganz    dicht    übereinander  (Tri.  VIII 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petroinyzon  Planeri.  1()9 

Fig.  22  n),  sondern  sein  vorderer  Teil  ist  kurz  vor  der  Mündung  in 
die  Nasenhöhle  durch  ganz  dieselbe  Epithelwucherung  geschlossen, 
wie  sie  uns  an  den  vorher  erwähnten  Stellen  entgegentrat. 

Ausserdem  findet  man  bei  jüngeren  Übergangsstadien  die  in  dem 
Musculus  basilaris  (Fürbringer  1.  c.  S.  46)  jeder  Seite  verborgene 
Speicheldrüse  samt  ihrem  Ausführungsgang  noch  völlig  von  ähnlichen 
rundlichen  Zellen  angefüllt. 


Leibeshöhle. 

Die  Sexualorgane  der  Petromyzonten  besitzen  bekanntlich  keine  be- 
sondern Ausführungsgänge,  sondern  ihre  Produkte  gelangen  durch  Zer- 
reissung  der  Wände  in  die  Leibeshöhle,  um  von  da  durch  den  Porus 
abdominalis  (vergl.  Dohrn,  XIII.  Stud.  Tfl.  13  u.  14)  nach  aussen  be- 
fördert zu  werden.  Damit  hängt  jedenfalls  eine  eigentümliche  Ein- 
richtung der  Leibeshöhle  zusammen,  die  ich  noch  nirgends  erwähnt  ge- 
funden habe.  Während  dieselbe  nämlich  bei  Ammocoetes  und  den 
Übergangsstadien  immer  nur  von  Pflaster-  oder  sehr  niedrigen 
Cylinderzellen  überzogen  ist,  finde  ich  sie  bei  geschlechtsreifen ,  in 
der  Laichzeit  (Anfang  Mai)  gefangenen  Tieren  von  einem  sehr  hohen, 
schönen  Cylinderepithel  ausgekleidet,  welches  auch  die  Aussenfläche 
des  Darms  (10,S.43)  und  der  Nieren  bedeckt.  Am  Ende  der  Leibes- 
höhle ist  es  am  höchsten,  nach  vorn  zu  werden  die  Zellen  allmählich 
niedriger.  Die  Leibeshöhle  ist  vollgepfropft  von  sehr  grossen  Eiern 
resp.  Samenelenienten.  Das  hohe  Epithel  dient  vielleicht  der  Vor- 
wärtsbewegung dieser  Geschlechtsprodukte;  doch  habe  ich  Flimmer- 
haare, wie  sie  bei  weiblichen  Fröschen  zur  Laichzeit  in  der  Peritoneal- 
bekleidung  der  Bauchdecken  gefunden  werden,  nicht  mit  Bestimmt- 
heit nachweisen  können.  —  Ahnliche  Angaben  finden  sich  bei 
J.  Müller  (12c).  Seite  113  heisst  es:  ,,Die  Bauchhöhle  von  P.  marinus 
und  fiuviatilis  ist  im  Mai  voll  Samen",  und  S.  114  sagt  er:  „Bei 
den  Tieren,  wo  die  Geschlechtsprodukte  durch  die  Bauchhöhle  ab- 
gehen, scheint  diese  in  einem  Teil  ihrer  Oberfläche  mit  Wimper- 
bewegung versehn  zu  sein  und  dem  Inhalt  eine  Bahn  nach  der 
Abdominalöffnung  anzuweisen.  So  ist  es  wenigstens  von  Vogt  bei 
den  Salmonen  beobachtet." 


Veber  die  Zeit  der  Geschlechtsreife  und  Metamorphose 

von  P.  Planeri  stimmen  die  Angaben  der  verschiedenen  Autoren  nicht 
ganz  überein.  A.  Müller  (11  S.  333)  giebt  als  Laichzeit  im  allgemeinen 
den  Frühling  an,  Benecke  aber  (2,  S.  329)  verlegt  sie  auf  März  und 
April,  Balfour  (1,  S.  90)  auf  die  zweite  Hälfte  des  April.  Ich  habe 
erst  Anfang  Mai  die  geschlechtsreifen  Tiere  gefunden,  deren  Leibes- 


HO  Karl  Nestler:   Beiträge  zur  Anatomie 

höhle  mit  Eiern,  bezügl.  Samenelementen  angefüllt  war.  Daneben 
fanden  sich  gleichzeitig  zusammengefallene  und  tote  Exemplare,  die 
offenbar  das  Laichgeschäft  bereits  besorgt  hatten  und  darnach  zu 
Grunde  gingen,  wie  A.  Müller  ebenfalls  beobachtet  hat. 

Die  Metamorphose  der  erwachsenen  Ammocoetes  erfolgt  nach 
Benecke  (2,  S.  329)  in  der  Zeit  vom  August  bis  Januar  oder  Februar.*) 
Nach  meinen  Beobachtungen  beginnt  die  Metamorphose  mindestens 
Anfang  Juli  und  dürfte  im  September  bis  Oktober  beendet  sein.  Die 
Gründe,  welche  mich  zu  diesen  Zeitangaben  geführt .  haben ,  sind  im 
Vorausgehenden  bereits  enthalten.  Ich  habe  die  Übergangsstadien 
Mitte  Juli  und  Ende  August  gefangen.  Bei  den  ersteren  waren 
Oesophagus  und  Zungenmuskelapparat  bereits  angelegt,  der  Magen- 
eingang ebenfalls  schon  völlig  geschlossen.  Darnach  zu  urteilen, 
muss  die  Metamorphose  14  Tage  bis  4  Wochen  früher  ihren  Anfang 
genommen  haben.  Andrerseits  ist  die  Entwicklung  der  im  August 
gefangenen  Tiere  schon  soweit  vorgeschritten,  dass  1  bis  2  Monate  zu 
ihrem  Abschluss    genügen    dürften. 


*)  Von  P.  fluviatilis  hat  er  dagegen  noch  Mitte  April  in  der  Metamorphose 
begriffene  Tiere  erhalten  (1.  c.). 


und  Entwicklungsgeschichte  von  Petroinyzon  Planeri. 


111 


Erklärung  der  Abbildungen. 


A  Aorta. 

äbr  Kiemenbogenarterie. 

albr  Kieinenblattarterie. 

apl  Kapillarnetzarterie. 

ath  Arterie  d.  Thyreoidea. 

Blr  Bluträume. 

Br  Bronchus. 

b  Bindegewebe. 

bl  Blutkörperchen. 

Ch  Chorda. 

c  Arteria  coeliaca. 

ep  Kapillaren. 

cv  cavernöses  Gewebe. 

D  Diaphragma. 

d  Mitteldarm. 

df  Darmfalte. 

de  Ductus  Cuvieri. 

e  Epithel. 

f  Follikel,  Zellhaufen. 

O  Geschmacksknospen. 

gbl  Gallenblase. 

gg  Gallengang. 

ja  Jugularvene. 

ju  Kehlvene  von  Ammocoetes. 

ju'        „  „     Petroinyzon. 

K  Kiemen. 

Ka  Kiemenarterienstamm. 

L  Leber. 

Im  mittlerer, 

lo  oberer,  , 

lu  unterer 

m  Magen,  nie  Mageneingang 

madd  M.  adduetor. 


Längsstab  des 
Kiemenkorbes. 


mc  M.  constrictor;  mei  vorderer,  meu 
hinterer  Theil,  mch  hohlfaserige, 
meg  aus  gewöhnlichen  Pasern  be- 
stehende Bündel  desselben. 

mep  eigner  Konstriktor  der  Kiemen- 
säcke. 

mk  Muskel  der  Kiemenöffnuug. 

nikl  Klappenmuskel. 

mll  M.  longitudinalis  liuguae. 

N  Niere. 

n  Nasengaumengang. 

oe  Oesophagus. 

P  Pankreas. 

pg  Pigmentkörnchen. 

ps  Pigmentzellen. 

q  quere  Knorpelstäbe. 

Bk  Ringknorpel. 

s  Schleimdrüsen. 

sv  Sinus  venosus. 

th  Thyreoidea. 

u  umgestülptes  Darmstück. 

V  Vorkammern  der  Kiemensäcke. 

Va  Vakuolen  im  soliden  Zellstrang. 

Vk  Vorknorpel. 

VI.  Velum. 

Vli  Zwischengaumensegel. 

vbr  Kiemenbogenvene. 

vlbr  Kiemenblattveue. 

vpl  Kapillarnetzvene. 

vn  ernährende  Vene. 

w  Wimperschnüre. 

ss  Zellsäulchen  zwischen  den  Kapillaren. 


Fig.    1.     Horizontalschnitt    durch    den    hinteren    Teil    des    Kiemenraumes    von 

Ammocoetes  in  der  Höhe  der  äussern  Kiemenöffnungen.    Seine  Lage 

ist  in  Fig.  10  bei  (1)  angegeben.    Vergr.  40. 
,,      2.     Dasselbe  von  einem  im  August  gefangenen  Übergangsstadium,  etwas 

über  den  äusseren  Kiemenöffnungen.    Vergr.  40. 
„      3.     Querschnitt  durch  die  Mitte  eines  Kiemenblattes  von  P.  Planeri,  eine 

(rechte)  Falte  gespalten.     Vergr.  150. 
„     4.     Längsschnitt   durch    ein    Stückchen    des   faltentragenden    Teils   eines 

Kiemenblattes     Vergr.  150. 


112  Karl  Nestler:    Beiträge  zur  Anatomie  etc. 

Fig.    5—7.    Querschnitte  durch  den  Kiemenabschnitt  von  Aminocoetes  heim  Ur- 
sprünge der  2.,  4.  und  7.  Kiemenhogenarterie  (von  vorn  gezählt).  Vergr.15. 
8  u.  9.    Querschnitte  durch  den  Kiementeil  von  Petromyzon  Planeri  bei  der 
7.  und  in  der  Nähe  der  8.  Kiemenbogenarterie.     Vergr.  15. 

10.  Senkrechter  Längsschnitt  durch  die  Mitte  des  hintern  Kiemenabschnittes 
von  Aminocoetes.  Die  eingeklammerten  Zahlen  geben  die  Lage  und 
Nummer  anderer  Schnitte  an. 

11.  Schnitt  durch  die  Haut  des  Kiemensackes  von  Aminocoetes. 
12—14.    Querschnitte  durch  den  Oesophagus  eines  im  August  gefangenen 

Übergangsstadiums.    Fig.  12  u.  13  unmittelbar  hinter  dem  Velum,  14 
aus  der  Mitte.    Vergr.  80  (Fig.  12  =  100  f.). 
15 — 18.    Querschnitte,     (   durch   das    Magenende    eines  Übergangsstadiums 

19.  Horizontalschnitt    \  vom  August.     Vergr.  ca.  60. 

20.  Sagittalschnitt  durch  das  Vorderende  des  Oesophagus  von  demselben 
Tiere. 

21.  Teil  eines  Querschnitts  durch  den  Oesophagus  eines  Übergangs- 
stadiums vom  August  (vergl.  12—14).     Vergr.  300. 

22  -26.  Querschnitte  durch  den  vorderen  Teil  der  dorsalen  Falte  eines 
14'/2  cm  langen,  im  Juli  gefangenen  Übergangsstadiums.     Vergr.  50. 

27 — 31.  Dasselbe  von  einem  13  cm  langen,  ebenfalls  im  Juli  gefangenen 
Übergangsstadium.    No.  30=100mal,  die  übrigen  50 mal  vergr. 

32.     Schnitt  durch  die  Kiemensackhaut  von  Petromyzon. 

33-35.  Querschnitte  durch  das  Magenende  und  den  Darmanfang  von 
Aminocoetes. 

36—38.     Dasselbe  von  dem  13  cm  langen  Übergangsstadium  vom  Juli. 

39-41.  Dasselbe  von  dem  14,5  cm  langen,  im  Juli  gefangenen  Übergangs- 
stadium. 

42  u.  43.     Dasselbe  von  Petromyzon. 

44a  und  b.  Schemata,  die  Vorstülpung  des  Mitteldarmes  während  der 
Metamorphose  zeigend. 


Verzeichnis  der  Rhizopoden 

der 

Kieler  Bucht, 

beobachtet 
von 

K.  Möbius. 


Als  eine  Ergänzung  der  ,, Bruchstücke  einer  Infusorien- 
Fauna  der  Kieler  Bucht1',  welche  in  diesem  Archiv  im  1.  Bande 
des  Jahrganges  1888  veröffentlicht  wurden,  gebe  ich  im  Folgenden 
auf  Wunsch  des  Herrn  Herausgebers  des  Archivs  einen  Auszug  aus 
meiner  in  den  Abhandlungen  der  K.  Preuss.  Akademie  der  Wissen- 
schaften a.  d.  J.  1888  i.  J.  1889  erschienenen  Schrift:  „Bruchstücke 
einer  Rhizopodenfauna  der  Kieler  Bucht.     Mit  5  Tafeln." 


Radiolaria. 

Dictyocha  speculum  Ehrbg. 
Ehrenberg,  Abh.  d.  Berl.  Ak.  1839,  S.  150,  T.  4,  F.  4.1) 
W.  Ostsee,  Nordsee,  Atlant.,  Mittelmeer. 

Dictyocha  fibula  Ehbg. 
Ehrenberg,  Abh.  d.  Berl.  Ak.  1839,  S.  149,  T.  4.  F.  16. 
W.  Ostsee,  Nordsee,  Atlant.,  Mittelmeer. 


Heliozoa. 

Actinolophus  pedunculatus  F.  E.  Schulze 
F.  E.  Schulze,  Arch.  f.  mikr.  An.  X.,  1874,  S.  392,  T.  27. 
W.  Ostsee  bei  Warnemünde  und  Kiel  auf  Pfahlwerk  und  Hy- 
droidpolypen. 


*)  Ich  citire  hier  nur  die  Stelle    der   ersten  Beschreibung    und    verweise 
Diejenigen,  welche  weitere  Litteratur- Angaben  wünschen,  auf  meine  Abhandlung. 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  2.  8 


114  K.  Mobiiis: 

Actinophrys  sol  Ehbg. 

Ehrenberg,  Ber.  d.  Berl.  Ak.  1840,  S.  198. 

F.  Stein  nannte  eine  Actinophrys,  die  er  1852  im  Ostseewasser 
bei  Stralsund  fand,  A.  oculata,  überzeugte  sich  aber  später,  dass  sie 
von  A.  sol  nicht  specifisch  unterschieden  sei. 

Vampyrella  pallida  Mob. 

K.  Möbius,  Rhizopod.  der  Kieler  Bucht,  S.  10,  T.  I,  F.  1— 12b. 
Kugel-  oder  eiförmig.  Ektoplasma  hyalin,  Endoplasma  körnig  mit 
Nucleus.  Pseudopodien  einfach  oder  wenig  verzweigt.  Ortsbewegungen 
langsam  gleitend  und  drehend.     Fortpflanzung  durch  Teilung. 


Foraminifera. 

Polystomella  striatopunctata  (F.  M.). 

Fichtel  et  Moll,  Testacea  microscop.  1803,  T.  IX,  F.  a  — c. 
W.  Ostsee.     In  allen  Oceanen  u.  tertiär. 

Nonionina  depressula  (Walker  et  Jacob). 

Walker  et  Jacob,    Testacea  minuta  et  variora  1784,  p.  19, 
T.  3,  F.  68. 

W.  Ostsee,  in  vielen  Meeren  u.  tertiär. 

Lithocolla  globosa  F.  E.  Schulze 

F.  E.  Schulze,  Arch.  f.  mikr.  An.  X,  1874,  S.  389,  T.  26,  F.  8 
bis  10. 

W.  Ostsee. 

Pleurophrys  lageniformis  F.  E.  Schulze 
F.  E.  Schulze,  Arch.  f.  mik.  An.  XI,  1875,  S.  125,  T.  7,  F.  6—8. 
W.  Ostsee. 

Dendrophrya  radiata  Str.  Wright 
T.  Strethill  Wright,  Ann.  a.  Mag.  nat.  bist.  VIII,  1861,  S.  120, 
T.  4,  F.  4—5.     (D.  radiata  und  D.  erecta). 

Dieser  Rhizopod  wurde  in  Kiel  zum  erstenmal  lebend  beobachtet. 
W.  Ostsee,   Schottische  Küste. 

Quinqueloculina  fusca  Brady 
Brady,  Ann.  a.  Mag.  nat.  bist.  1876,  VI,  S.  286,  T.  11,  F.  2. 
W.  Ostsee,  Nordsee. 


Verzeichnis  der  Rhizopoden  der  Kieler  Bucht.  115 

Spicoloculina  hyalina  F.  E.  Schulze 
F.  E.  Schulze,   Arch.  f.  mik.  An.  XI,  1875,  S.  132,  T.  6,  F.  14 
bis  16. 

W.  Ostsee. 

Platouin  parvum  F.  E.  Schulze 
F.  E.  Schulze,  Arch.  f.  mik.  An.  XI,  1875,  S.  115,  T.  6,  F.  1—4. 
W.  Ostsee. 

Gromia  oviformis  Duj. 
Duj ardin,  Ann.  sc.  nat.  2.  Ser.  III,  1835,  S.  313. 
W.  Ostsee,  Nordsee,  Mittelmeer,  Adria. 

Gromia  gracilis  Mob. 
K.  Möbius,  Khizop.  d.  Kiel.  Bucht,  S.  17,  Taf.  III,  F.  30— 37t. 
Schale  sehr  dünn,  farblos,  kugel-  bis  eiförmig,  nur  0,04  bis  0,06  mm 
gross.  Plasma  feinkörnig,  farblos  mit  Nucleus  und  kontraktiler 
Vakuole.  Pseudopodienstiel  meist  excentrisch.  Fortpflanzung  durch 
Querteilung. 

Cyphoderia  truncata  F.  E.  Schulze 
F.  E.  Schulze,  Arch.  f.  mik.  An.  XI,  1875,  S.  113,  T.  5,  F.  21,  22. 
W.  Ostsee. 

Cyphoderia  margaritacea  Schlumberger. 

Schlumberger,  Ann.  sc.  nat.  3.  Ser.  Zool.  III,  1845,  S.  255. 
W.  Ostsee. 

Trichosa. 

Trichosphaerium  sieboldi  Sehn. 

A.  Schneider,  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  XXX.  Suppl.  1878,  S.  447, 
T.  21,  F.  14—17. 

Pseudopodien  lappig,  Schale  biegsam,  mit  Porenkanälen,  ohne 
eine  grössere  Mündung,  zweischichtig;  äussere  Schicht  aus  eignen 
organischen  Stäbchen,  innere  aus  chitinöser  Haut  bestehend.  Fort- 
pflanzung durch  Teilung  und  Knospenbildung. 

W.  Ostsee,  Nordsee. 


Amoebaea. 

Biomyxa  vagans  Leidy 

Leidy,    Proc.  Acad.  Nat.    Sc.    Philadelphia   1875,    S.  124.   - 
Leidy,  Freshwater  PJiiz.  N.  Amer.  1879,   S.  281,  T.  47,  F.  5  —  12, 
T.  48. 

8* 


116  K.  Möbius:    Verzeichnis  der  ßhizopoden  der  Kieler  Bucht. 

Amoeba  radiosa  Ehbg. 
Ehrenberg,   Infus.  1838,  S.  128,   T.  8,  F.  13. 
Im  süssen  und  salzigen  Wasser  weit  verbreitet. 

Amoeba  prehensilis  Mob. 
K.  Möbius,  Rhizop.  der  Kieler  Bucht.    S.  25,  T.  5,  F.  55—58. 
Länglich,  0,024  mm  lang,  0,01  mm  breit.   Pseudopodien  lappig.    Plasma 
farblos,  feinkörnig  mit  kontraktiler  Vakuole.    Sie  kriecht  auf  faden- 
förmigen Pflanzen  (Spirulina,  Beggiatoa)  und  Vorticellenstielen. 

Amoeba  villosa  Wallich 
G.  C.  Wallich,  Ann.  nat.  hist.   XI,    1863,    S.  287,    T.  8  und 
S.  365,  T.  9. 

Im  süssen  und  salzigen  Wasser  weit  verbreitet. 

Amoeba  crystalligera  Grbr. 
A.  Gruber,    Zeitschr.  wiss.  Zool.  Bd.  41,    1885,   S.  219,  T.  15, 
F.  48. 

W.  Ostsee,  Nordsee. 

Amoeba  flava  Grbr. 
A.  Gruber,  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  41,   1885,  S.  220,  T.  15, 
F.  50. 

W.  Ostsee,  Nordsee. 

Amoeba  verrucosa  Ehbg. 
Ehrenberg,  Intus.  S.  126,  T.  8,  F.  11. 


Revision  der  von  Spix  in  Brasilien 
gesammelten  Najaden. 

Von 

Dr.  H.  von  Ihering-. 


& 


Hierzu  Tafel  IX. 


Einen  längeren  Aufenthalt  in  Deutschland  während,  eines  Theiles 
der  Jahre  1888/89  benutzte  ich  u.  A.,  um  mich  in  die  Systematik 
der  südamerikanischen  Najaden  derart  einzuarbeiten,  dass  ich  künf- 
tighin mit  besserem  Erfolge  als  bis  dahin  mit  dem  schwierigen  Ge- 
genstande mich  beschäftigen  könne.  Während  meiner  8— 9jährigen 
Anwesenheit  in  Brasilien  habe  ich  natürlich  auch  den  Mollusken 
ganz  besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet.  Besondere  Schwierig- 
keiten ergaben  sich  im  Allgemeinen  dabei  für  Abgrenzung  der  Arten 
und  deren  Bestimmung  nicht.  Dagegen  waren  alle  Versuche,  in  die 
gesammelten  Najaden  Ordnung  zu  bringen,  vergeblich.  Ich  sandte 
die  von  mir  erbeuteten  Arten  an  eine  Reihe  namhafter  Conchyliologen 
oder  soweit  ich  sie  nicht  selbst  an  sie  versandte,  geschah  es  durch 
Andre,  die  mir  darüber  berichteten.  Fast  eine  jede  dieser  Autoritäten 
legte  den  betr.  Arten  einen  anderen  Namen  bei,  sicher  ein  Beweis 
für  die  Schwierigkeit  des  Gegenstandes  und  den  geringen  Grad  von 
Aufklärung,  der  ihm  bisher  zu  Theil  geworden. 

Diese  Schwierigkeit  liegt  in  erster  Linie  darin,  dass  viele, 
wenigstens  der  brasilianischen,  Najaden  individuell,  wie  nach  Alter 
und  Geschlecht  ziemlich  stark  variabel  sind.  Man  kann  danach 
leicht  ermessen,  welchen  Werth  es  hat,  wenn  nach  der  Umrissform 
der  Schale,  der  gewölbten  oder  mehr  abgestutzten  Form  der  Ränder, 
dem  grösseren  oder  geringeren  Durchmesser  u.s.  w.  etwas  abweichende 
Formen  als  neue  Arten  beschrieben  werden,  wenn  man  noch  nicht 
die  geringste  Ahnung  hat  von  den  Variabilitätsgrenzen  innerhalb  der 
bereits  aufgestellten  Arten.  Es  giebt  in  der  That  noch  keine  einzige 
Najaden- Art  Südamerikas,  für  welche  durch  eine  systematische  Unter- 
suchung grösserer  Reihen  von  Schalen  und  Thieren  feststände:  inner- 
halb welcher  Grenzen  sich  die  Variationen  der  Schalenform  bewegen, 


118  Dr.  H.  von  Ihering:  Revision  der 

welche  Veränderungen  die  Schale  im  Laufe  des  Wachsthumes  er- 
leidet und  ob  und  wie  männliche  und  weibliche  Schale  verschieden 
sind.  Die  Aufgabe  der  nächsten  Zukunft  muss  es  daher  sein,  in 
diesem  Sinne  eine  gründlichere  intensivere  Kenntniss  anzubahnen. 
Die  Beschreibung  einzelner  Schalen  als  n.  sp. ,  oft  dazu  noch  von 
Jugendformen,  vermehrt  nur  die  Confusion  und  ist  daher  im  höchsten 
Grade  bedauerlich  und  tadelnswerth.  Namentlich  Lea  hat  hierin 
viel  gefehlt,  und  nur  wenn  es  gelingt,  von  den  gleichen  Fundorten 
grössere  Suiten  von  Najaden  zu  erlangen,  wird  es  mit  der  Zeit  möglich 
werden  Ordnung  zu  bringen  in  die  Menge  von  einander  nahestehenden 
und  sicherlich  grossen  Theils  identischen  Arten,  welche  er  zumal 
aus  dem  La  Plata-Gebiete  beschrieben  hat. 

Neben  der  intensiveren  Kenntniss  der  einzelnen  Arten  wird  es 
sodann  nöthig  sein,  soweit  möglich  in  die  verworrene  Synonymie 
mehr  Ordnung  zu  bringen.  Als  ein  solcher  Beitrag  präsentirt  sich 
die  vorliegende  Abhandlung.  Die  von  Spix  gesammelten  und  von 
ihm  und  Wagner  beschriebenen  Najaden  haben  zu  vielen  Miss- 
verständnissen und  verschiedenartigen  Deutungen  in  der  Literatur 
Anlass  gegeben.  Der  Gründe  hierfür  giebt  es  viele.  Zunächst  hat 
schon  Wagner  in  der  definitiven  Bearbeitung  vielfach  andere  An- 
sichten ausgesprochen  als  Spix,  dessen  ursprüngliche  Benennungen 
noch  auf  den  Tafeln  lithographirt  erhalten  sind,  ebenso  wie  seine 
kurzen  lateinischen  Diagnosen  im  Texte.  Dadurch  besteht  schon 
in  der  Bearbeitung  selbst  ein  Widerspruch  der  Meinungen,  der 
grössten theils  davon  herrührt,  dass  Wagner  durch  Vergleichung  der 
La  mark1  sehen  Beschreibungen  und  Tafeln  einige  der  von  Spix 
neu  aufgestellten  Gattungen  und  Arten  als  schon  früher  beschrieben 
erkannte.  So  zog  er  denn  die  Spix 'sehen  Genera  Diplodon  (Unio 
und  Hyria),  Triplodon  (Hyria)  und  Tetraplodon  (Castalia)  wieder  ein, 
aber  er  ging  zu  weit,  indem  er  auch  die  Spix 'sehe  Gattung  Aplodon 
einzog,  welche  Spix  für  die  erste,  von  ihm  gefundene  Monocondylaea 
aufstellte.  Wagner  stellte  dann  diesen  Aplodon  zu  Anodonta  rotunda 
Spix,  was  späterhin  noch  in  An.  latomarginata  Lea  umgewandelt 
wurde,  unter  welchem  Namen  mir  das  Original  vom  Münchener 
Museum  zugestellt  wurde.  Da  es  sich  in  der  That  um  eine  Mono- 
condylaea handelt,  und  der  entscheidende  Charakter  richtig  erkannt 
und  im  Namen  angedeutet  wurde,  so  hat  offenbar  der  Spix 'sehe 
Gattungsnamen  Aplodon  die  Priorität  vor  dem  d'Orbigny'schen 
Monocondylaea. 

Eine  weitere  Quelle  für  Irrungen  bildet  der  Umstand,  dass  beide 
Forscher  nicht  immer  verschiedenartige  Formen  richtig  getrennt 
haben.  Das  gilt  namentlich  für  die  „Anodonta  gigantea  Spix ',  unter 
welchem  Namen  ausser  der  An.  trapezialis  Lam.  auch  zwei  Arten  der 
Gattung  Columba  Lea  (Leila  Gray)  begriffen  wurden.  Eine  derselben 
wurde  abgebildet  und  befindet  sich  noch  in  München,  Col.  Spixii 
mihi,  über  die  das  Nähere  weiterhin  bemerkt  wird.  Aber  auch  die 
Columba  pulvinata  Hupe,    welche  Küster  abbildet,    hatte   er   von 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  119 

München  erhalten  als  Anodonta  gigantea  Spix.  Auch  unter  „Ano- 
donta  auserina  Spix'  wurden  verschiedene  Arten  zusamniengefasst. 
Wagner  hat  mehrfach  Arten,  die  Spix  trennte,  zusammengezogen, 
zumal  wo  Spix  für  die  Jugendform  einen  anderen  Namen  wählte. 
Spätere  Autoren  glaubten  dann  theilweise,  wie  zumal  bezüglich  des 
Mycetopus  pygmaeus  Spix,  die  ältere  Spix'sche  Meinung  aufrecht 
erhalten  zu  müssen,  ein  Irrthum,  der  viel  Confusion  erzeugte. 

Hierzu  kommt  nun  noch  ein  fast  unglaublicher  Flüchtigkeits- 
fehler Wagners.  Derselbe  schrieb  zu  den  bereits  gestochenen  Spix- 
schen  Tafeln  den  Text,  in  den  er  die  kurzen  Diagnosen  von  Spix1) 
aufnahm,  eine  ausführliche  Beschreibung  hinzufügend.  Diese  Be- 
schreibung hat  er  vielfach  nur  nach  den  Abbildungen  zusammen- 
geschrieben, und  dadurch  gedankenlos  alle  Fehler  der  Abbildung 
getreu  beschrieben.  Es  war  ihm  dabei  entgangen,  dass  diese  Ab- 
bildungen nicht  mit  dem  Spiegel,  sondern  direkt  auf  den  Stein  über- 
tragen sind,  so  dass  also  die  scheinbar  rechte  Klappe  der  Muschel 
die  linke  ist,  und  umgekehrt.  Wo  Wagner  daher  von  der  linken 
Schale  spricht,  ist  in  Wahrheit  die  rechte  gemeint.  Es  fiel  mir  dieser 
Umstand  erst  auf,  als  ich  bemerkte,  dass  Wagner  den  Spix'schen 
Unio- Arten  für  die  rechte  Schale  consequent  einen  Cardinalzahn 
zuschreibt  und  2  Seitenlamellen,  ein  Verhältniss,  das  ja  wohl  einmal 
abnormer  Weise  als  Umdrehung  des  normalen  Verhaltens  erscheinen 
kann,  wie  ein  linksgewundenes  Exemplar  in  einer  rechtsgewundenen 
Art,  das  ich  aber  mit  meinen  Beobachtungen  nicht  in  Einklang  zu 
bringen  vermochte.  Als  ich  dann  später  die  Spix'schen  Original- 
exemplare untersuchte  und  ganz  die  bekannten  normalen  Verhält- 
nisse antraf,  wurde  mir  klar,  dass  die  verkehrte  links  und  rechts 
vertauschende  Beschreibung  Wagners  in  der  Umkehrung  der  Tafel- 
figuren ihren  Grund  hat.  Nebenbei  sei  hier  noch  bemerkt,  dass 
Wagner  auch  vorn  und  hinten  verwechselt  hat,  daher  er  denn  einer 
Schale  mit  zugespitztem  Hinterende  und  gerundetem  Vordertheil  ein 
gerundetes  Hinter-  und  zugespitztes  Vordertheil  zuschreibt. 

Unter  diesen  Umständen  ist  es  einleuchtend,  dass  eine  erneute 
gründlichere  Untersuchung  der  Spix'schen  Najaden  sehr  wünschens- 
werth  sein  musste.  Die  Gelegenheit  zu  einer  solchen  Untersuchung 
und  zur  Vergleichung  der  Spix'schen  Originale  mit  meiner  eigenen 
und  anderen  von  mir  studierten  Sammlungen  bot  sich  mir  durch  die 
grosse  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Prof.  Richard  Hertwig,  des 
derzeitigen  Direktors  der  K.  bayerischen  Staatssammlung.  Es  sei 
mir  gestattet,  ihm  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten  Dank 
hierfür  auszusprechen. 

Als  Spix  1817 — 1820  seine  Reisen  in  Brasilien  unternahm,  war 
über  die  Najaden  Südamerikas  sehr  wenig  bekannt.  Abgesehen  von 
zwei   durch  Maton   beschriebenen   La  Plata-Arten,   deren   Deutung 


')  Es  ist  daher  klar,  dass  als  Autorname  der  Species  nur  Spix,  nicht  aber 
Wagner  anzuführen  ist. 


120  Dr.  H.  von  Ihering:  Revision  der 

wohl  noch  keine  ganz  zuverlässige,  waren  nur  Hyria  syrmatophora  L. 
und  10  Lamarck'sche  Arten  bekannt,  nämlich  2  Unio  (delodonta 
und  depressus),  1  Castalia  (ambigua)  2  Hyria  (avicularis  und  corrugata) 
und  5  Anodonta  (crispa,  exotica,  patagonica,  sinuosa,  trapezialis). 
Spix  brachte  im  Ganzen  19  Arten  Najaden  mit,  von  denen  nur  5 
schon  bekannt  waren.  Zum  erstenmale  brachte  er  nach  Europa 
Vertreter  der  für  Südamerika  charakteristischen  Gattungen  Columba 
Lea  (Leila  Gray),  Mycetopus  und  Aplodon  (Monocondylaea  Orb.). 

Eine  genauere  Lektüre  der  folgenden  Mittheilungen  wird  eine 
etwas  andere  Behandlung  des  Gegenstandes  erkennen  lassen,  als  sie 
sonst  meist  üblich.  Es  kann  meines  Erachtens  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, dass  an  der  ungenügenden  Kenntniss  der  Najaden  und  der 
noch  so  vielfach  hierin  herrschenden  Confusion  und  weitgehenden 
Meinungsverschiedenheit  nicht  ausschliesslich  die  Schwierigkeit  des 
Gegenstandes  die  Schuld  trägt.  Zum  Theil  fällt  dieselbe  ohne  Zweifel 
auf  die  ungenügende  Untersuchungsweise.  Ich  will  hier  nicht  von 
den  älteren  Arbeiten  reden,  auch  nicht  von  der  oberflächlichen  und 
ganz  ungenügenden  Behandlung  des  Gegenstandes  durch  Reeve  und 
viele  Andre  —  aber  selbst  Lea's  Behandlung  scheint  mir  nichts 
weniger  als  mustergültig.  Fast  immer  beschreibt  und  misst  Lea 
nur  ein  einziges  Exemplar,  so  dass  wir  nichts  über  die  Variations- 
grenzen der  Arten  bei  ihm  erfahren.  Das  wäre  aber  um  so  nöthiger, 
als  Lea  oft  sehr  geringe  Unterschiede  zur  Aufstellung  verschiedener 
Species  benutzt.  Namentlich  scheint  mir  das  für  die  späterhin  von 
ihm,  zumal  aus  Carolina,  Georgia,  Florida  etc.  beschriebenen,  sowie 
für  seine  südamerikanischen  Najaden  zu  gelten.  Namentlich  die 
Umrissformen  spielen  dabei  eine  sehr  grosse  Rolle,  Neigung  und 
Verlauf  der  Schalenränder  u.  s.  w. ,  die  doch  bei  vielen  Arten  in- 
dividuell sowohl  wie  sexuell  sehr  variiren.  Die  Unterschiede  nahe- 
stehender Arten  werden  fast  immer  in  unbestimmten  Ausdrücken 
gegeben,  „mehr  bauchig",  ,, höher"  etc.,  was  meines  Erachtens  nicht 
in  Ordnung  ist.  So  nothwendig  es  auch  ist,  die  absoluten  Mafse 
der  zu  beschreibenden  Arten  zu  geben,  so  sollten  doch  bei  der  Ver- 
gleichung  nur  die  relativen  Mafse  dienen,  die  prozentale  Höhe  oder 
der  proz.  Diameter,  d.  h.  die  relative  Grösse  dieses  Mafses  im  Ver- 
hältniss  zu  der  =100  gesetzten  Länge,  wie  das  z.  B.  für  die  süd- 
amerikanischen Najaden  schon  längst  d'Orbigny  gethan  hat.  Aber 
auch  mit  der  Angabe  ,, Wirbel  mehr  nach  vorn  gelegen"  oder  „Wirbel 
mehr  central  gelegen"  etc.  ist  dem  späteren  Forscher  wenig  gedient. 
Auch  da  ist  die  Messung  leicht  und  die  Berechnung  einfach.  Ich 
pflege  die  Schlossleiste  von  der  Ecke  des  Schildchens  oder  von  dem 
ihr  entsprechenden  Vorderende  des  Dorsalrandes  an  bis  zum  Beginn 
der  Ligamentalbucht  zu  messen.  Misst  man  nun  den  Abstand  der 
Wirbelspitze  vom  vorderen  Ende  der  Schlossleiste,  so  braucht  man 
nur  wieder  die  Schlossleiste  =  100  zu  setzen,  um  in  Procenten  der- 
selben den  Abstand  des  Wirbels  vom  Vorderende  zu  erfahren  und 
ein  bei  allen  Arten  und  Exemplaren  vergleichbares  Mals  zu  erhalten, 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  121 

das  ich  Unibonalindex  zu  nennen  vorschlage.  In  gleicher  Weise 
kann  man  die  Länge  der  Schlossleiste  in  Procenten  der  Totallänge 
ausdrücken,  was  als  Cardinalindex1)  bezeichnet  werden  kann. 
Als  Höhenlagenindex  bezeichne  ich  die  Entfernung  der  Lage  der 
grössten  Höhe  vom  Vorderende  in  Procenten  der  Länge,  als  Diameter- 
index die  Grösse  des  Diameter  in  Procenten  der  Länge  und  als 
Diameterlageindex  den  Abstand  des  grössten  Diameter  vom  Vorder- 
ende in  Procenten  der  Länge.  Wer  diese  Mafse  nimmt  und  alle 
durch  die  leichte  Umrechnung  unter  einander  vergleichbar  macht, 
wird  manchen  nach  dem  Augenschein  abstrahirten  Unterschied 
fallen  lassen  und  andererseits  bestehende  Unterschiede  scharf  prä- 
cisiren  können. 

Die  Meinungen  sind  jetzt  so  getheilt,  dass  beispielsweise  Clessin 
nur  zwei  Species  Anodonta  für  ganz  Deutschland  gelten  lässt,  darin 
weitergehend  als  Lea,  der  als  einzige  Anodonta  von  ganz  Europa 
nur  An.  cygnea  anerkannte,  während  H.  Drouet  allein  aus  dem  Ge- 
biet der  Rhone  25  Species  aufführt,  resp.  zum  Theil  als  neu  be- 
schreibt. Dieser  Gegensatz  besteht  freilich  nicht  allein  bei  den 
Najaden;  die  französischen  Malakologen  der  „Nouvelle  ecole"  treiben 
überall  die  Speciesfabrikation  ins  Endlose.  Glücklicher  Weise  finden 
sie  auch  in  Frankreich  unter  den  hervorragendsten  Malakologen  ent- 
schiedene Gegner,  und  das  ist  nöthig.  Die  unnütze  Ueberladung 
der  Systematik  mit  Species  und  Gattungsnamen  erschwert  nicht  nur 
die  Üebersicht  und  das  Studium,  sondern  sie  setzen  auch  an  Stelle 
einer  schärferen  Unterscheidung  nur  grössere  Confusion.  Es  ist 
schon  bei  der  hergebrachten  Unterscheidung  der  Arten  oft  eine 
schwere  Aufgabe,  die  Entscheidung  zu  treffen,  ob  eine  beliebige 
Schale  zu  dieser  oder  jener  Art  gehöre  und  die  Geschichte  der 
Irrungen  wird  ja  grösstentheils  durch  die  Synonymie  uns  vor  Augen 
geführt.  Diese  Verwirrung  kann  nur  zunehmen,  wenn  die  Trennung 
nahestehender  Formen  bis  auf  die  Spitze  getrieben  wird.  Es  ist  ja 
natürlich  sehr  leicht,  für  eine  schwer  bestimmbare  Art  eine  n.  sp. 
zu  fabriziren  —  den  gordischen  Knoten  zu  durchhauen  statt  ihn  zu 
lösen.  Allein  Systematiker,  die  auf  ihren  Namen  halten,  sollten 
doch  derartige  testimonia  paupertatis  scheuen  und  bedenken,  dass 
die  Aufklärung  der  Synonymie  stets  eine  viel  verdienstlichere  Leistung 
ist  als  die  Fabrikation  neuer  Species. 

Man  wird,  glaube  ich,  für  mich  aus  der  nachfolgenden  Untersuchung 
ein  gewisses  Recht  zu  dieser  Auseinandersetzung  ableiten  können. 
Man  vergleiche  nur  die  Behandlung  der  grossen  Anodonten  und  man 
wird  sich  sagen  müssen,  dass  fast  alle  die  wesentlichsten  Merkmale, 
welche  wie  Unibonalindex,  centrale  oder  excentrische  Lage  der 
Wirbelspitze,  Breite  des  perlmutterlosen  Randsaumes,  ja  selbst  das 
Klaffen  und  die  Form  des  Klaffspaltes  aus  der  Literatur  nicht  hätten 
erkannt    oder    abgeleitet    werden    können,    während    unwesentliche 


Weiteres  über  Messungen  ist  im  Abschnitte   „Coluinba"  bemerkt. 


122  Dr.  H.  von  Ihering:    Revision  der 

Variationen  des  Randverlaufes  und  seiner  Winkel  in  zweckloser  Breite 
beschrieben  sind,  dafür  aber  über  die  oft  wichtigere  Gestalt  des 
horizontalen  Längsdurchschnittes  nichts  bemerkt  wird. 

Nach  meinen  Erfahrungen  über  südamerikanische  Najaden,  zu 
deren  monographischer  Bearbeitung  die  vorliegende  Abhandlung  einen 
ersten  Beitrag  bringen  will,  wird  man  für  künftige  Najaden-Arbeiten 
folgende  Thesen  formuliren  können: 

1.  Man  bekümmere  sich  niemals  um  irgend  welche  Najaden, 
deren  Herkunft  nicht  vollkommen  sicher  feststeht,  denn  selbst  ein 
Spezialist  für  Najaden  wird  eine  solche  Schale  in  vielen  Fällen  nicht 
sicher  an  ihren  Platz  stellen  können. 

2.  Man  untersuche  zahlreiche  Exemplare  verschiedenen  Alters 
und  Geschlechtes,  um  die  Variationsbreite  der  Art  kennen  zu  lernen. 

3.  Man  trenne  nie  nahestehende  Formen  als  verschiedene  Species, 
wenn  man  nicht  sicher  weiss,  ob  sexuelle  Schalendifferenzen  existiren 
und  welches  diese  sind. 

4.  Man  lasse  daher  zumal  in  überseeischen  Gebieten  niemals 
Najaden  sammeln,  ohne  von  jeder  Form  mehrere  Exemplare  in 
Alcohol  aufbewahren  zu  lassen. 

5.  Die  anatomische  Untersuchung  hat  uns  bisher  zwischen  den 
Thieren  von  Anodonta  und  Unio  keine  konstanten  und  wesentlichen 
Unterschiede  erkennen  lassen,  noch  weniger  innerhalb  jeder  einzelnen 
Gattung.1)  Von  Bedeutung  erwies  sich  nur  die  Beschaffenheit  der 
Bruträume  in  den  Kiemen,  in  denen  wir  hoffen  dürfen  noch  wichtige 
Anhaltspunkte  zu  naturgemässer  Gruppirung  zu  gewinnen.  Auch 
Besitz  oder  Mangel  der  Schalenhaken  des  Embr3ro  verdient  volle 
Beachtung  in  diesem  Sinne. 

6.  Man  vermeide  es  möglichst,  auf  eine  einzelne  Schale  hin 
eine  neue  Species  zu  gründen. 

7.  Man  erkenne  nur  solche  Arten  an,  welche  durch  positive, 
zumal  auch  in  Zahlen  ausdrückbare  Unterschiede  trennbar  sind,  und 
gebe  die  Dimensionen  und  Vergleichungsmafse  ausser  in  ihren  ab- 
soluten auch  in  relativen  reduzirten  Grössen  an,  welche  direkt  unter 
einander  vergleichbar  sind. 

8.  Man  glaube  nie,  in  eine  Lokalfauna  oder  systematische  Gruppe 
Ordnung  gebracht  zu  haben,  wenn  man  nicht  im  Stande  ist  durch 
einen  Schlüssel  resp.  eine  Bestimmungstabelle  sich  und  Andren  über 
die  anerkannten  Unterschiede  Rechenschaft  zu  geben,  so  zwar,  dass 
die  Nachfolger  einerseits  Belehrung  und  Erleichterung  im  Bestimmen 
daraus  gewinnen,  andererseits  aber  auch  an  den  benutzten  Unter- 
scheidungs-Merkmalen Kritik  üben  können. 


')  Alle  gegenteiligen  Angaben  beruhen   auf  Unkenntniss   und  finden  bei 
eingehendem  Studium  der  Lea'schen  Monographie  sofort  ihre  Erledigung. 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  1 23 

Das  besondere  Interesse,  welches  sich  mir  an  das  Studium  der 
südamerikanischen  Najaden  zu  knüpfen  scheint,  liegt  vor  Allem  in 
der  geographischen  Verbreitung.  In  grossen  Zügen  lässt  sich  darüber 
etwa  Folgendes  sagen.  Südamerika  hat  mehr  eigenartige  charak- 
teristische Najaden- Gattungen,  als  alle  übrigen  Theile  der  Erde 
zusammengenommen.  Die  Gattungen  Aplodon,  Mycetopus,  Columba, 
Hyria,  Plagiodon  und  Castalia,  sowie  die  fragliche  Byssanodonta 
sind  auf  Südamerika  beschränkt,  während  Afrika  nur  zwei  ihm  eigene 
Gattungen  besitzt,  Iridina  undSpatha,  undSiam,  China,  Sibirien  etc.  die 
Gattungen  Solenaia  und  Dipsas.  Einige  wenige  von  scheinbar  hier- 
mit widerstreitenden  Daten  habe  ich  im  Folgenden  richtig  gestellt. 
Von  diesen  Gattungen  ist  Plagiodon  auf  den  La  Plata  beschränkt, 
ebenso  Byssanodonta,  soweit  wir  wenigstens  bisher  wissen,  denn 
Plagiodon  rotundatus  Mss.  ist  ein  ächter  Aplodon.  Die  letztere 
Gattung  unterscheidet  sich  durch  leichtes  Klaffen  der  Schale,  sowie 
die  Form  der  Ligamentalbucht  und  breiten  perlmutterlosen  Saum 
von  der  nahestehenden  in  Europa  und  Asien  bis  Java  angetroffenen 
Gattung  Microcondylaea ,  von  der  man  sie  bisher  nicht  richtig  zu 
scheiden  wusste.  Die  Gattung  Columba  kennen  wir  aus  Brasilien  und 
dem  La  Platagebiete ,  ob  sie  auch  im  Stromgebiete  des  Amazonas 
vorkommt,  ist  angesichts  der  von  Spix  begangenen  Verwechslungen 
noch  nicht  sicher  zu  sagen,  wenn  auch  wahrscheinlich.  Die  Gattungen 
Castalia,  Mycetopus  und  Aplodon  gehen  vom  Amazonas  bis  zum  La 
Plata  durch,  aber  Hyria  ist  auf  den  Amazonas  und  Guiana  be- 
schränkt,    Westlich  der  Anden  giebt  es  nur  die  Gattung  Unio. 

Wie  erklären  sich  nun  diese  eigenartigen  Verbreitungs- Verhält- 
nisse? Dass  eine  Reihe  von  Gattungen,  ja  selbst  von  Arten,  wie 
z.  B.  Castalia  ambigua,  Anodonta  trapezialis,  Anodonta  trigona  u.  A. 
vom  La  Plata  bis  zum  Amazonas  durchgehen,  findet  seine  Erklärung 
wohl  leicht  in  den  hydrographischen  Verhältnissen  der  Bolivianischen 
Tiefebene,  wo  zur  Zeit  des  höchsten  Wasserstandes  ein  enormer 
Süsswasserozean  zwischen  Bolivia  und  Brasilien  sich  ausbreitet.  Da 
diese  Gegenden  der  Wasserscheide  zwischen  Amazonas  und  La  Plata 
angehören,  muss  ein  Zusammenhang  beider  Stromsysteme  hier  wohl 
leicht  stattfinden  können.  Leider  habe  ich  vergebens  mich  bisher 
bemüht,  hierüber  genauere  Aufklärung  zu  erlangen.  Auch  bezüglich 
der  Fische  ist  man  neuerdings  in  Argentinien  darauf  aufmerksam 
geworden,  dass  argentinische  Arten  bis  in  die  südöstlichen  Zuflüsse 
des  Amazonas  durchgehen.  Es  ist  namentlich  Holmberg,  von  dem 
wir  weitere  bezügliche  Mittheilungen  werden  zu  erwarten  haben. 

Der  Zusammenhang  der  Gewässer  beider  Stromsysteme,  der  mir 
auch  noch  für  unsere  Tage  als  zeitweilig  existirend  wahrscheinlich 
ist,  muss  jedenfalls  zur  Tertiärzeit  ein  sehr  viel  ergiebigerer  gewesen 
sein,  ja  selbst  noch  im  Beginne  unserer  gegenwärtigen  Epoche  reichte 
das  Meer  weiter  landeinwärts,  wie  d'Orbigny,  Darwin  und  Bur- 
meister von  La  Plata,  ich  von  Rio  Grande  do  Sul  nachwies.  Con- 
chylien,  welche  von  den  recenten  der  Rio  Grande-Meeresküste  nicht 


124  JDr.  H.  von  Ihering:   Revision  der 

verschieden  sind,  fand  ich  an  der  Lagoa  merim  und  im  Camaquam- 
strome  an  dessen  Mündung  in  die  Lagoa  dos  patos.  Die  grossen 
Seen  der  Lagoa  dos  patos  und  Lagoa  merim  sind  also  zur  Diluvial- 
zeit, vermuthlich  auch  noch  länger  Meeresbuchten  gewesen,  welche 
durch  Hebung  der  Küste  zu  Binnenseen  wurden.  Es  hat  aber  auch 
am  Amazonas  und  am  La  Plata  nur  geringer  Hebungen  bedurft,  um 
aus  Meeresbuchten  Strombetten  hervorgehen  zu  lassen.  Nach  Agassiz 
hat  der  Amazonas  von  Tabatinga  bis  zur  Mündung  in  einer  Aus- 
dehnung von  2000  Meilen  kaum  200  Fuss  Fall,  und  die  mit  der 
bolivianischen  zusammenhängende  Tiefebene  von  Matto  Grosso  hat 
nur  eine  Erhebung  von  150  M.  über  Meeresspiegel.  Dass  die  Hebung 
seit  der  Tertiärzeit  aber  eine  sehr  viel  bedeutendere  gewesen  ist, 
beweisen  u.  A.  auch  die  Forschungen  von  L.  Agassiz,  welcher  die 
tertiären  Sandsteine  des  Amazonasbecken  bis  zu  einer  Höhe  von 
800  Fuss  an  den  Hügelketten  hinauf  verfolgte.  Eine  viel  geringere 
Erhebung  schon  würde  genügen,  um  Brasilien  in  eine  Insel  umzu- 
wandeln, Venezuela  und  Guiana  in  eine  andere.  Es  ist  daher  der 
amerikanische  Continent  am  Ende  der  Tertiärzeit  aus  drei  Gebirgs- 
stöcken  resp.  Hochplateaus  zusammengetreten,  den  Anden,  Brasilien 
und  Guiana.  Nur  wer  sich  diese  Verhältnisse  vergegenwärtigt,  wird 
die  geographische  Verbreitung  der  Thierwelt  Südamerikas  verstehen 
oder  doch  mit  Erfolg  studieren  können. 

Die  Hebung  der  Anden  fallt  bekanntlich  in  den  Beginn  der 
Tertiärzeit.  Nach  ihrer  Hebung  war  der  Verbreitung  von  Süsswasser- 
Schnecken  und  -Muscheln  aus  dem  östlichen  Südamerika  nach  Chile 
ein  Riegel  vorgeschoben,  und  die  Fauna  des  westlich  der  Anden  ge- 
legenen Chile  und  Peru  repräsentirt  uns  zugleich  die  alttertiäre  Süss- 
wasser-Thierwelt.  Von  Najaden  trifft  man  in  Chile  nur  die  Gattung 
Unio,  welche  auch  auf  der  Insel  Chiloe  in  ganz  übereinstimmenden 
Arten  sich  findet.  Das  nähere  Verhältniss  freilich,  in  dem  die  chi- 
lenische Fauna  zur  argentinischen  und  jener  von  Rio  Grande  do  Sul 
steht,  bedarf  noch  der  Erklärung.  Ich  erinnere  hier  nur  daran,  dass 
ausser  Chilina  auch  die  Crustaceengattung  resp.  Species  Aeglea  laevis 
der  Provinz  Rio  Grande  mit  Chile  gemein  ist,  die  bisher  noch  nicht 
von  Argentinien  bekannt  ist,   aber  wohl  sicher  auch  da  sich  findet. 

Es  sind  mithin  die  Najaden  des  La  Platagebietes  im  Wesentlichen 
erst  nach  Hebung  der  Anden  eingewandert  und  es  wird  Aufgabe 
der  Zukunft  sein,  die  Wege  zu  verfolgen,  welche  dabei  eingeschlagen 
wurden  und  zu  ermitteln,  welche  Gruppen  von  Arten  und  welche 
Gattungen  den  einzelnen  Gebieten  eigen  waren.  Für  Chile  kommt, 
wie  bemerkt,  dabei  nur  die  Gattung  Unio  in  Betracht.  Für  Guiana 
wird  die  Gattung  Hyria  reklamirt  werden  müssen,  welche  sich  in 
Bolivia  und  den  südöstlichen  Zuflüssen  des  Amazonas  nicht  vorfindet 
und  offenbar  erst  von  Guiana  und  dem  Orinoco  aus  in  den  Amazonas 
eingedrungen  ist.  Für  weitere  Scheidung  werden  aber  erst  Auf- 
schlüsse über  tertiäre  Süsswasserablagerungen  abzuwarten  sein.  Als 
eine  speziell  brasilianische  resp.  dem  Stromsysteme  des  Rio  S.  Fran- 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  125 

cisco   angehörende  Formengruppe  sehe  ich  Unio  multistriatus  und 
die  nahestehenden  Arten  an. 

Schon  diese  wenigen  Andeutungen  dürften  genügen,  um  darzu- 
thun,  welche  wichtigen  Resultate  die  Vergleichung  der  Süsswasser- 
faunen  Südamerikas  in  Aussicht  stellt.  Der  Fortschritt  wird  hier 
zunächst  an  eine  gründliche  Durchforschung  der  argentinischen  Ge- 
wässer anknüpfen,  denn  ohne  eine  solche  lässt  sich  über  die  von 
Lea  beschriebenen  zahlreichen  Unionen  des  La  Plata-Gebietes  kein 
zuverlässiges  Urtheil  gewinnen.  Möchten  diese  Zeilen  mir  Unter- 
stützung an  Material  zur  Weiterführung  meiner  Studien  zu  verschaffen 
beitragen!  Zugleich  sei  es  mir  hier  gestattet,  Herrn  Prof.  E.  von 
Martens  meinen  Dank  auszusprechen  für  die  Unterstützung,  die  er 
mir  seit  Jahren  in  meinen  Bemühungen  zur  Erforschung  der  Mol- 
lusken Südbrasiliens  hat  zu  Theil  werden  lassen,  sowie  Herrn  Direktor 
Prof.  Lütken  und  Herrn  Inspektor  Levinsen  in  Kopenhagen  für 
die  liebenswürdige  Bereitwilligkeit  zu  danken,  mit  der  sie  mir  die 
Bearbeitung  der  reichen  Sammlung  des  Kopenhagener  Museums  er- 
möglichten. Ebenso  fühle  ich  mich  den  Herren  S.  Clessin  in  Ochsen- 
furth,  Prof.  H.  Ludwig  in  Bonn,  Dr.  H.  Dohrn  in  Stettin,  Dr. 
0.  Boettger  in  Frankfurt  a.  M.  und  Hofmarschall  von  Heimbürg- 
in Oldenburg  für  die  liebenswürdige  Unterstützung,  die  sie  mir  zu 
Theil  werden  Hessen,  zu  besonderem  Danke  verpflichtet.  — 

Die  Liste  der  Spix 'sehen  Najaden,  in  der  Reihenfolge,  in  welcher 
ich  sie  hier  besprechen  werde,  ist  die  folgende: 

Aplodon  inerme  Spix  (Fig.  1  —  3). 
Mycetopus  siliquosus  Spix. 

—  longinus  Spix. 
Columba  Spixii  v.  Ih.  sp.  n.  (Fig.  4). 

—  pulvinata  Hupe. 
Anodonta  rotunda  Spix  (Fig.  5). 

—  trapezia  Spix  (Fig.  6). 
— ■  trapezialis  Lam. 

—  Hertwigii  v.  Ih.  sp.  n.  (Fig.  7). 

—  radiata  Spix. 

—  obtusa  Spix. 

—  ensiformis  Spix. 

—  trigona  Spix. 
Castalia  ambigua  Lam. 
Hyria  avicularis  Lam. 

-  corrugata  Lam. 

Unio  ellipticus  Spix  (Fig.  8  und  9). 

—  rhombeus  Spix. 

—  rotundus  Spix  (Fig.  10). 

Ich  lasse  hier  eine  Uebersicht  der  wichtigsten  benutzten  Literatur 
folgen,  auf  welche  sich  die  folgenden  Citate  beziehen. 


126  Dr.  H.  von  Ihering:    Revision  der 

J.  B.  v.  Spix,  Testacea  fluviatilia  quae  in  itinere  per  Brasiliarn 
1817  —  1820  coli.  Descr.  et  ill.  J.  A.  Wagner  Monachii  1828. 

J.  Lea,  Observations  on  the  Genus  Unio.  Vol.  I.  —  XIII.  Phila- 
delphia 1832  —  1874. 

A.  d'Orbigny,  Voyage  dans  l'Amerique  meriodionale.  Vol.  V. 
Paris  1843. 

F.  de  Castelnau,  Animaux  nouv.  on  rares  de  l'Amerique  du 
Sud.     Tom.  III.     Paris  1857.  —  Mollusques  par  Hupe. 

Reeve,  Conchologia  iconica.  Monographien  von  Unio,  Anodonta, 
Castalia,  Hyria,  Mycetopus. 

W.  Dunker,  I.  Diagnoses  mollusc.  nov.  Zeitschr.  f.  Malakologie. 
V.  Jahrg.  1848,  p.  177. 

—  IL  in  Louis  Pfeiffer  Novitates  conchologicae.  Tom  IL  Cassel 
1854—1860,  p.  150  — 151. 

R.  A.  Philip pi,  Abbildungen  und  Beschreibungen  neuer  oder 
wenig  gekannter  Conchylien.     Bd.  III.     Cassel  1851. 

A.  Mousson,  Notiz  über  einige  von  Herrn  G.  Wallis  aus  dem 
nördl.  Südamerika  zurückgebrachte  Mollusken.  Malakolog.  Blätter. 
Bd.  16.  1869,  p.  170  —  189. 

H.  C.  Küster,  Systemat.  Conchylienkabinet  von  Martini  und 
Chemnitz.  Bd.  IX.  Abth.  I.  Anodonta.  Fortgesetzt  von  S.  Clessin. 
Nürnberg  1838  —  1876. 

—  Dass.   Bd.  IX.  Abth.  II.  Unio  et  Hyria.    Nürnberg  1848.*) 

Aplodon  inerme  Spix.    (Fig.  1-3.) 

Spix  1.  c.  p.  32,  Taf.  XXV,  Fig.  1-2. 

Anodonta  rotunda  var.  Wagner  ibid.  p.  32. 
Die  erste  überhaupt  je  bekannt  gewordene,  uns  beschriebene 
Art  der  z.  Z.  Monocondylaea  Orb.  genannten  Gattung,  ist  von  Spix 
gefunden  und  abgebildet  worden.  Spix  hat  sie  richtig  als  eine  von 
Anodonta  durch  Anwesenheit  des  Cardinalzahnes  verschiedene  neue 
Gattung  aufgefasst.  Es  liegt  daher  kein  Grund  vor,  diesem  Namen  den 
später  vorgeschlagenen  Orbigny' sehen  Monocondylaea  vorzuziehen, 
und  ich  halte  um  so  lieber  an  der  Spix'schen  Bezeichnung  fest,  als 
man  unter  Monocondylaea  eine  Menge  verschiedenartiger  Formen 
untergebracht  hat.  So  viel  ich  aber  sehe,  ist  Aplodon  eine  aus- 
schliesslich auf  Südamerika  beschränkte  Gattung,  welche  ausser  durch 
ihr  Schloss  mit  den  hinter  einander  liegenden  Zähnchen,  von  denen 
derjenige  der  linken  Schale  stets  der  vordere  ist,  auch  durch  den 
perlmutterlosen  ventralen  Rand  der  Schale  gekennzeichnet  ist.  Ich 
halte  für  diese  Formen  den  Spix'schen  Namen  Aplodon  fest  mit 
Monocondylaea    d'Orb.    als   Synonym    und    überlasse   die  generische 


*)  Vergl.  v.  Martens,    Brasil.   Binnen.   Moll,    in    Malak.   Blatt.  XV   1868 
193—217.     F.  Bf. 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  127 

Unterbringung  der  zum  Tlieil  hierher  gezogenen  europäisch-asiatischen 
und  indischen  Formen  bei  Microcondylaea,  Margaritana  u.  s.  w. 
künftigen  Monographen. 

Aus  München  wurde  mir  eine  einzelne,  rechte,  Schale  von 
Aplodon  inerme  Spix  zugesandt.  Wagner  hat  dieselbe  als  nahe 
verwandt  mit  Anodonta  rotunda  Spix  bezeichnet,  von  der  sie  nur 
durch  den  kleinen  Tuberkel  in  der  Schlossleiste  vielleicht  sich  unter- 
scheide. Der  perlmutterlose  Rand  hat  denn  in  späterer  Zeit  gar 
noch  dazu  verleitet  sie  für  Anodonta  latomarginata  Lea  zu  halten, 
unter  welcher  Bezeichnung  sie  im  Münchener  Museum  jetzt  figurirte. 
Dieser  perlmutterlose  Saum  am  Ventralrande  kommt  aber,  wie  wir 
jetzt  wissen,  einer  ganzen  Reihe  von  südamerikanischen  Anodonten 
und  allen  Aplodon -Arten  zu. 

Die  von  mir  untersuchte  Schale  misst  21  mm  in  der  Länge, 
15  mm  in  der  Höhe  und  ist  5  mm  dick,  was  also  für  die  complete 
Schale  einer  Dicke  von  10  mm  entsprechen  würde.  Die  ziemlich 
dünne  Schale  ist  nahezu  oval.  Der  Vorderrand  ist  gerundet,  der 
Oberrand  ziemlich  gerade,  nur  wenig  nach  vorn  sich  senkend,  resp. 
unter  dem  Wirbel  ein  wenig  eingezogen.  Auch  der  Hinterrand  ist 
ziemlich  gerundet,  ebenso  der  ziemlich  gleichmässig  gewölbte  Unter- 
rand. Die  grösste  Höhe  der  Schale  liegt  etwas  hinter  der  Mitte 
der  Schalenlänge.  Die  Wirbel  etwas  vorstehend,  massig  aufgeblasen, 
abgerieben  glatt  und  glänzend.  Die  Schale  ist  glatt,  blass-grünlich, 
horngelb  mit  feinen  linienartigen  dunkleren  Strahlen,  die  aber  nicht 
streng  gerade  resp.  radiär  verlaufen,  sondern  vielfach  etwas  un- 
regelmässig gebogen  oder  zickzackförmig  gebrochen  verlaufen.  Da 
auch  die  Anwachsstreifen  grossentheils  unregelmässig  geschwungen 
sind,  so  entsteht  hierdurch  ein  unregelmässig  retikulirtes  Aussehen 
der  Oberfläche.  Gegen  den  freien  Rand  hin  ist  die  Schale  minder 
glatt,  indem  da  die  Anwachsstreifen  in  kurze  lamellöse  aber  niedrige 
Säume  auslaufen,  wodurch  dieser  Theil  der  Schale  rauher  und 
dunkler  erscheint.  Eben  diese  noch  nicht  abgeriebenen  Epidermis- 
lamellen  weisen  auch  darauf  hin,  dass  die  Schale  unausgewachsen 
ist.  In  der  Schildgegend  hat  die  Epidermis  zwei  breitere,  an  der 
abgerundeten,  kaum  deutlichen  Umbonalfalte  zwei  schmälere  dunkel- 
grüne Linien. 

Das  Schildchen  ist  deutlich  entwickelt,  schmal  und  kurz,  durch 
eine  scharfe,  stellenweise  leistenförmig  erhobene  Linie  nach  aussen 
abgegrenzt.  In  der  Norma  dorsalis  (Fig.  3)  sieht  man  diese  Schildchen- 
partie etwas  vorragen,  sodass  ihr  wohl  in  der  linken  Schale  ein 
Ausschnitt  entsprechen  muss,  wie  es  auch  aus  Fig.  2,  Taf.  25  bei 
Spix  hervorgeht.  In  dieser  Figur  stellt  wieder,  in  Folge  unter- 
bliebener Uebertragung  mit  dem  Spiegel,  die  scheinbar  rechte  Schale 
die  linke  dar,  was  zu  beachten  hier  nöthig  ist,  um  die  Verschieden- 
heit in  den  Contouren  des  Dorsalrandes  in  der  Wirbelgegend  für 
beide  Schalen  richtig  zu  würdigen. 


128  Dr.  H.  von  Ihering:   Revision  der 

Die  Schlossleiste  ist  schmal,  minder  dick  als  das  über  ihr 
liegende  Ligament.  Nach  vorn  unter  dem  Wirbel  geht  sie  in  einen 
kleinen  dreieckigen  Zahn  über,  dessen  geschwollene  Basis  sich  in 
die  Wirbelhöhle  hinein  verfolgen  lässt.  Dieser  Zahn  liegt  unter, 
und  mit  seinem  Vorderende  noch  etwas  vor  dem  Wirbel,  als  eine 
nur  wenig  freie,  kurze,  niedere  Lamelle,  die  ca.  2  mm  lang  ist,  und 
V2  mm  über  dem  Schalenrand  vorsteht.  Auf  seiner  freien  Fläche 
hat  er  einige  kleine  Grübchen  und  Furchen,  nach  vorn  hin  trägt 
er  eine  grössere,  flache  Grube  mit  nach  unten  hin  scharfem,  ver- 
dicktem Rand,  welche  offenbar  zur  Aufnahme  des  Zahnes  der  linken 
Schale  bestimmt  ist,  welcher  also  vor  jenem  der  rechten  Schale  liegt. 

Das  Perlmutter  ist  bläulich  weiss,  stark  irisirend.  Es  fehlt  auf 
einem  zumal  am  unteren,  ventralen  Rande  breiten  Streifen,  welcher 
von  matt  graugelber  Farbe  und  stellenweise  bis  V/2  mm  breit  ist. 
Die  Mantellinie  folgt  erst  erheblich  weiter  nach  einwärts,  sie  ist  vom 
Ventralrande  4  mm  entfernt.  Von  den  Muskeleindrücken  ist  die 
hintere  Adduktornarbe  wenig  deutlich  und  nicht  eingedrückt,  die 
vordere  tief  eingedrückt.  Besondere  Muskeleindrücke  für  Fuss-  und 
Haftmuskel  sind  nicht  erkenntlich.  Das  Ligament  ist  fein  und  schmal, 
an  seinem  Hinterende  findet  sich  die  wenig  vorspringende,  stumpf- 
dreieckige Ligamentalbucht. 

Die  Herkunft  der  Schale  ist  nicht  sicher  bekannt,  nur  so  viel 
ist  klar,  dass  sie  mit  den  übrigen  von  Spix  gesammelten  Arten  aus 
dem  nördlichen  Brasilien  herstammt. 

Von  den  durch  Lea  und  d'Orbigny  aus  dem  La  Platagebiete 
beschriebenen  Arten  unterscheidet  sich  diese  Species  durch  das  nicht 
eingezogene  oder  abgesetzte,  sondern  volle,  gerundete  Vordertheil 
und  den  fast  geraden  und  nicht  geschwungenen  Dorsalrand.  Das 
Aussehen  der  Schale  im  ausgewachsenen  Zustande  ist  unbekannt, 
daher  es  auch  noch  zu  entscheiden  sein  wird,  ob  und  in  wie  weit 
die  oben  geschilderte  Struktur  der  Epidermis  auch  der  ausgebildeten 
Schale  zukommt.     Herkunft  fraglich. 


Mycetopus  siliquosus  Spix. 

Anodon  siliquosum  Spix,  1.  c.  p.  30,  Tab.  23,  Fig.  2. 
juv.  =  Anodon  pygmaeum  Spix,  1.  c.  p.  30,  Tab.  23,  Fig.  3  u.  4. 
Myc.  pygmaeus  Hupe,  1.  c.  p.  93,  PI.  19,  Fig.  2. 
Myc.  Weddelii  Hupe,  1.  c.  p.  93,  PI.  20,  Fig.  2. 
Myc.  siliquosus  d'Orb.  p.  601,  PI.  67. 

Myc.  Hupeanus  Clessin  Küster  (für  pygmaeus  Hupe)  p. 205,  Taf.66, 
Figur  5. 

Wagner  bemerkt,  (1.  c.  p.  30),  es  werde  aus  den  Münchener 
Exemplaren  klar,  dass  An.  siliquosum  und  pygmaeum  Spix  nur  die 
durch  Uebergangsstufen  verbundenen,  verschiedenen  Altersstufen  einer 
einzigen  Art  darstellten,  welche  von  An.  longinum  Spix  durch  dünnere, 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  129 

glattere  und  minder  schief  abgestutzte  Schale  sich  unterscheide. 
Diese  von  den  Autoren  durchaus  nicht  acceptirte  Auffassung  ist  gleich- 
wohl durch  das  Studium  der  Spix' sehen  Typen  vollkommen  ge- 
rechtfertigt. 

Es  liegen  mir  von  Spix'schen  Typen  vor: 

1  Schale  von  M.  pygmaeus  Spix. 

4  Schalen  von  M.  siliquosus  Spix. 
Die  letzteren  sind  in  der  Umrissform  einigermassen  unter  sich  ver- 
schieden. Das  grössere  unvollkommene  Exemplar,  das  ich  No.I  nenne, 
ist  80  mm  lang  bei  31  mm  Höhe.  Die  Entfernung  des  Vorderendes 
vom  Wirbel  beträgt  22  mm,  oder  28  Procent  der  Länge.  Der  vordere 
Theil  des  Oberrandes  ist  etwas  eingebuchtet.  Das  Vordertheil  ist 
etwas  aber  nur  wenig  zugespitzt,  der  ventrale  Rand  fällt  stark  nach 
hinten  hin  ab  und  zwar  bis  ins  letzte  Drittel,  der  Hinterrand  ist 
schief  abgestutzt,  der  Wirbel  flach  sehr  wenig  aufgeblasen  d.  h.  mit 
sehr  kleiner  und  seichter  Höhlung.  Von  den  Muskelnarben  reicht  die 
hintere  nach  vorn  etwas  über  die  Ligamentalbucht  hinaus.  Das  Perl- 
mutter ist  blau  und  röthlich  irisirend;  es  lässt  am  ventralen  Rande 
einen  zumal  nach  hinten  breiten  Saum  frei  von  blassgrünlichblauer 
Farbe,  der  am  Uebergang  des  ventralen  in  den  hinteren  Rand  ganz 
besonders  breit  ist.     Epidermis  gelbgrün. 

Dieses  Exemplar  stimmt  ziemlich  gut  mit  Mycet.  pygmaeus 
Hupe  überein,  ebenso  mit  der  Abbildung  von  pygmaeus  bei  Reeve, 
die  wohl  nur  eine  Copie  nach   Hupe  ist. 

Exemplar  No.  II  ist  65  mm  lang,  22  mm  hoch  und  unterscheidet 
sich  vom  vorigen  durch  den  geraden  vor  dem  Wirbel  nicht  ein- 
gebuchteten Rückenrand.  Das  Vorderende  ist  weniger  zugespitzt,  resp. 
der  Ventralrand  läuft  fast  dem  Dorsalrande  parallel,  ist  aber  in 
und  hinter  der  Mitte  gerundet,  fällt  also  nicht  bis  ins  hintere  y3, 
sondern  nur  bis  zur  Hälfte  der  Schalenlänge  ab.  Das  Hinterende 
ist  schlanker,  mehr  ausgezogen.  Die  Schale  ist  im  Ganzen  etwas 
dünnschaliger  als  die  vorausgehende. 

Exemplar  No.  III,  44  mm  lang,  14  mm  hoch,  noch  dünnschaliger 
mit  wenig  deutlichen  Muskeleindrücken,  dem  vorigen  ganz  ähnlich. 
Das  Vorderende  der  Ligamentalbucht  reicht  noch  etwas  weiter  nach 
vorn  hin  als  bei  den  älteren,  gegen  die  sonst  kein  Unterschied 
existirt. 

Exemplar  No.  IV  ist  noch  etwas  kleiner  und  zarter,  40  mm  lang, 
durch  eine  leichte  Einbuchtung  des  Ventralrandes  an  der  Grenze 
vom  ersten  und  zweiten  Drittel  der  Länge  auffallend.  Ganz  zu  den 
letzteren  Exemplaren  passend  finde  ich  auch  das  Originalexemplar 
von  Myc.  pygmaeus  Spix,  das  45  mm  lang  ist  und  den  Wirbel  13  mm 
vom  Vorderende  entfernt  hat,  was  29  Procent  der  Länge  entspricht, 
während  das  Verhältniss  bei  siliquosus  an  den  Spix'schen  Exemplaren 
von  27 — 30  Procent  schwankte,  an  anderweiten  Exemplaren  auch 
gelegentlich  zu  25 :  100  angetroffen   wurde.      Der  Ventralrand   läuft 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  2.  9 


130  Dr.  H,  von  Ihering:    Revision  der 

fast  dem  dorsalen  parallel,  die  Schale  ist  dünn  und  hellgelblich, 
einen  Grund  sie  von  den  übrigen  zu  trennen  wüsste  ich  nicht  aus- 
findig zu  machen;  ich  ziehe  mithin  wie  schon  Wagner  den  Myc. 
pygmaeus  als  synonym  ein. 

Von  den  beschriebenen  Spix'schen  Exemplaren  von  siliquosus 
gleicht  wie  bemerkt  No.  I  mehr  Myc.  pygmaeus  Hupe,  No.  III  aber 
Myc.  Weddelii  Hupe,  der  freilich  noch  etwas  Länger  und  schlanker 
ist,  aber  doch  wohl  auch  nur  eine  der  vielen  Formvarietäten  von 
siliquosus  darstellt.  Ueber  den  Werth  dieser  Formverschiedenheiten 
von  M.  siliquosus  wird  man  erst  dann  sich  eine  zutreffende  Idee 
machen  können,  wenn  von  einer  beliebigen  Fundstelle  ein  grösseres 
Material  vorliegt,  und  zwar  auch  von  den  Thieren,  sodass  die  sexuellen 
Differenzen  festgestellt  werden  können.  Die  Spix'schen  Exemplare 
halte  ich  in  diesem  Sinne  alle  für  Vertreter  einer  Art  nicht  nur, 
sondern  auch  eines  Fundortes.  Nicht  nur  die  Epidermis,  ihre  Farbe 
und  die  kurzwelligen  Radiärlmien  derselben,  die  röthlich  irisirende 
Farbe  des  Perlmuttrrs  u.  s.  w.  stimmen  bei  allen  ganz  überein, 
sondern  auch  ein  Merkmal,  das  ich  unter  den  vielen  anderen  von 
mir  untersuchten  Exemplaren  von  siliquosus  nie  wieder  in  solcher 
Ausbildung  antraf,  nämlich  die  Breite  der  perlmutterlosen  Randzone, 
dieselbe  ist  zumal  am  Hinterende  ventral  am  stärksten  und  beträgt 
372  mm  bei  No.  III,  4  mm  bei  No.  I,  G  mm  bei  No.  IL  Wenn  wir 
daher  Grund  haben  diese  Formen  alle  als  Vertreter  einer  Art  und 
einer  lokalen  Varietät  anzusehen,  so  dürften  die  Formdifferenzen  sich 
wohl  nur  als  Sexualcharaktere  erklären. 

Zu  dieser  Ueberzeugung  bin  ich  namentlich  auch  durch  die  Unter- 
suchung einer  grösseren  Serie  von  Exemplaren  des  ,,M.  siliquosus" 
gekommen,  welche  alle  vom  östlichen  Peru  (Huagabamba)  stammen 
und  mir  von  Herrn  Dr.  Staudinger  zugesandt  wurden.  Ein  anderes 
Exemplar  von  Huallaga  verdanke  ich  Herrn  Dr.  H.  Dohrn.  Diese 
Exemplare  zeigen  neben  vollkommenster  Uebereinstimmung  in  Epi- 
dermis, Färbung,  Perlmutter,  Muskeleindrücken  u.  s.  w.  eine  Form- 
differenz derart,  dass  es  höhere  Formen  (Fig.  B)  mit  schief  abge- 
stutztem Hmterende  und  schlankere  giebt  (Fig.  A),  deren  Hintertheil 
nach  unten  hin  schnabelförmig  ausgezogen  ist,  wobei  das  hintere 
Ende  des  Oberrandes  nach  hinten  zunächst  steil  abfallend  einen  zahn- 
förmigen  Fortsatz  darstellt.  Vermuthlich  ist  die  Form  mit  abge- 
stutztem Hinterende  das  £,  jene  mit  schnabelförmig  ausgezogenem 
Hinterende  das  c?  oder  umgekehrt.  Wären  uns  wenigstens  von  irgend 
einer  Art  oder  Varietät  die  Grenzen  und  die  Bedeutung  der  Form- 
differenzen bekannt,  so  würden  wir  danach  wohl  schon  schliessen 
resp.  vermuthen  können,  welches  o  und  $  sei,  so  aber  muss 
dies  noch  ganz  dir  Zukunft  überlassen  bleiben.  Ich  gebe  neben- 
stehend beide  Formen  in  ihren  Oontouren.  Ich  nenne  dieselbe  Myc. 
Staudingeri  sp.  n.  Ich  erhielt  dieselbe,  wenn  auch  in  einer  noch 
schlankeren  Form,  auch  durch  Sowerby  aus  Ecuador.  Dieses 
Exemplar  war   142  mm   lang,   51  mm  hoch,    25  nun  dick    und   hatte 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden. 


131 


Fig.  A.    Mycetopus  Staudingeri  v.  Ih.  £ 


Fig,  B.    Mycetopus  Staudingeri  v.  Ih.  $ 

den  Wirbel  in  23  mm  Abstand  vom  Vorderende,  was  über  16  Procent 
der  Gesammtlänge  entspricht,  ein  Verliältniss ,  das  ich  bisher  noch 
bei  keiner  anderen  Mycetopusart  antraf.  Die  Schale  ist  gelbgrün, 
an  den  Enden  bräunlich  mit  blassblauem  in  der  Randzone  röthlich 
irisirendem  Perlmutter.  Die  Ligamental  bucht  ist  gross,  reicht  hinten 
nicht  bis  an  das  Ende  des  Dorsalrandes;  der  hintere  Muskeleinclruck 
reicht  nicht  bis  an  die  Ligamentbucht.  Das  Verhältniss  der  Höhe 
zur  Länge  ist  3,V100  fast  wie  bei  der  entsprechenden  geschnäbelten 
Form  von  Staudingeri  (35/ioo)>  während  die  andere  höhere  Form  das 
Verhältniss  von  *2/ioo  aufweist.  Das  erwähnte  Exemplar  der  Ecuador- 
form entspricht  also  auch  im  Höhenmaafs  der  geschnäbelten  Form 
von  Staudingeri,  von  der  es  sich  nur  durch  minder  stark  zahnartig 
vortretende  Ecke  des  Hinterrandes  und  relativ  weiter  vorn  liegenden 
Wirbel  —  der  Umbonahndex  ist  22  gegen  27 — 28  bei  der  typischen 
Staudingeri  —  unterscheidet.  Vielleicht  stellt  sich  späterhin  Myc. 
siliquosus  als  die  Art  von  Bolivien,  dem  La  Plata  und  unteren 
Amazonas  heraus,  und  Staudingeri  als  jene  des  oberen  Amazonas 
und  seiner  Zuflüsse  von  Ecuador  und  Peru. 

Halten  wir  fest  daran,  dass  es  bei  Myc.  Staudingeri  geschnäbelte 
und  ungeschnäbelte  Formen  giebt,  welche  offenbar  sexuellen  Differenzen 


132  Dr.  H.  von  Hierin g:    Revision  der 

entsprechen.  Bei  Myc.  siliquosus  Spix  ist  dies  Verhältniss  noch  nicht 
so  klar,  aber  jedenfalls  boten  die  wenigen  Spix'schen  Exemplare  auch 
erhebliche  Unterschiede  dar,  so  zwar,  dass  Exemplar  I.  die  unge- 
schnäbelte  Form  repräsentirte  und  die  anderen  Exemplare,  wenn 
auch  nicht  direkt  geschnäbelt  waren,  so  doch  diesen  Formen  mehr 
entsprachen.  Auch  in  der  Literatur  finden  wir  dasselbe.  Die  un- 
geschnäbelte  Form  z.  B.  ist  abgebildet  von  d'Orbigny  CP1.  67)  und 
Küster  (Taf.  68,  Fig.  4),  indess  Reeve  ausser  dieser  (Fig.  2  *  noch 
eine  schlankere  Form  abbildet  (PL  III,  Fig.  2  a)  mit  lang  ausgezogenem 
Schnabel.  Wenn  wir  daher  allen  Grund  haben,  in  der  Verwerthung 
der  Formverhältnisse  von  Myc.  siliquosus  und  der  in  seine  Nähe 
gehörigen  Formen  zu  spezifischer  Trennung  äusserst  vorsichtig  zu 
sein,  so  wird  man  es  sicher  nicht  billigen  können,  wenn  alle  etwas 
abweichenden  Formen  der  Siliquosus-Gruppe  gleich  zu  neuen  Arten 
erhoben  werden.  Clessin  meint  bezüglich  des  Myc.  pygmaeus  Hupe, 
dass  er,  der  Abbildung  von  Hupe  nach,  die  eine  jugendliche  Schale 
darstellt,  nicht  zu  siliquosus  gehören  könne,  weil  die  Jugendform  von 
letzterer  Art,  die  in  der  Küster'schen  Anodonta-Monographie  Taf.  68, 
Fig.  4  abgebildet  sei,  sich  dadurch  auszeichne,  dass  das  Hintertheil 
beträchtlich  breiter  sei  als  das  Vordertheil,  ein  Verhältniss,rwelches 
sich  bei  weiterem  Wachsthume  wieder  verliere;  auch  liege  de  Wirbel 
bei  der  Hupe 'sehen  Figur  weiter  gegen  die  Mitte  zu  gerückt.  Letz- 
teres ist  nicht  richtig.  Die  Entfernung  der  Wirbelspitze  —  die  nicht 
in  der  Mitte,  sondern  mehr  nach  vorn  hin  liegt  —  vom  Vorderende 
ist  17  mm,  was  zur  Länge  von  55  mm  ein  Verhältniss  von  30:  100 
ergiebt,  was  ganz  mit  der  Lage  bei  den  Typen  von  siliquosus  stimmt. 
Clessin  irrt  aber  darin,  wenn  er  annimmt,  die  Formverhältnisse  der 
Schale  änderten  sich  bei  Myc.  siliquosus  mit  dem  Alter.  Nicht  die 
Altersunterschiede  bedingen  die  Differenzen,  sondern,  vielleicht  noch 
neben  anderen  Variabilitätsmomenten,  die  Geschlechtsunterschiede. 
Myc.  Hupeanus  Clessin  ist  daher  einzuziehen.  Wenn  schon  die  wenigen 
Exemplare  von  Spix  eine  solche  Variabilität  in  der  Form  des  Um- 
risses aufweisen,  so  wird  man  das  gleiche  auch  von  grösseren  Serien 
des  Myc.  siliquosus  von  anderen  Fundorten  erwarten  dürfen.  Erst 
dann,  wenn  die  lokalen  und  geschlechtlichen  Differenzen  vollkommen 
und  an  reichen  Serien  festgestellt  sein  werden,  wird  man  den  hier 
erörterten  Fragen  wieder  näher  treten  können.  Möglich,  dass  dann 
Grund  vorliegen  könnte,  von  den  beiden  fraglichen  Hupe 'sehen  Arten 
eine  oder  die  andere  doch  noch  wieder  aufleben  zu  lassen  —  wahr- 
scheinlich ist  es  nach  dem,  was  wir  jetzt  über  die  Variabilität  bei 
Mycetopus  wissen,  eben  nicht. 

In  die  Nähe  von  Myc.  siliquosus  gehört  auch  die  aus  Rio  Grande 
do  Sul  stammende  Anodonta  legumen  v.  Martens.1)  Ich  habe  mich 
an  mehreren  Exemplaren  davon  überzeugen  können,  dass  die  betr. 
Schale  zu  Mycetopus  gehört,  mit  dem  sie  auch  die  starke  in  3  Narben 
aufgelöste  Entwicklung  der  vorderen  Fussmuskelnarben  gemein  hat. 


')  Sitzungsber.  d.  Ges.  naturf.  Freunde  zu  Berlin.    1888,  p.  65. 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  ,        133 

Mycetopus  legumen  ist  jedenfalls  durch  das  schlankere,  spitze  Hinter- 
ende  aulfallend,  ob  er  aber  als  Species  bleiben  kann  oder,  wie  ich 
denke,  als  var.  zu  siliquosus  zu  ziehen  ist,  wird  sich  erst  entscheiden 
lassen,  wenn  wir  durch  grössere  Serien  von  Exemplaren  besser  unter- 
richtet sind  über  die  Variationen  des  M.  siliquosus.  Während  also 
diese  vermeinte  Anodonta  sich  als  ein  Mycetopus  herausstellt,  ist 
dagegen  die  einzige  bisher  aus  Rio  Grande  do  Sul  beschriebene 
Mycetopus-Art  (M.  plicatus  Clessin1)  sicher  eine  Anodonta,  worüber 
an  anderer  Stelle  mehr. 


Mycetopus  longinus  Spix. 

Myc.  longinus  Spix  p.  29,  Taf.  22,  Fig.  1. 

—  —        Mousson  1.  c.  p.  189. 

—  maranhonensis  Mouss.  (in  lit.'?) 

—  subsinuatus  Sow.     Reeve  Mycet.  sp.  10. 

—  siliquosus  pars  Küster,  Taf.  68,  Fig.  2. 

Es  lag  mir  das  zur  Abbildung  und  Beschreibung  bei  Spix 
passende  Original  vor.  Zur  Diagnose  möchte  ich  nur  die  Bemerkung 
machen,  dass  der  Wirbel  zwar  wenig  aufgeblasen  ist,  aber  doch  mehr  als 
bei  siliquosus,  von  dem  sich  die  Schale  u.  A.  auch  durch  ihre  dunklere 
olivenbraune  Färbung  unterscheidet.  Dadurch,  dass  der  Wirbel  mehr 
vorsteht  als  bei  siliquosus,  ist  auch  seine  Höhlung  geräumiger.  Auf- 
fallend zugespitzt  ist  das  Vordertheil,  was  aber  zum  Theil  durch  eine 
Abschleifung  des  vorderen  Ventralrandes  bedingt  zu  sein  scheint. 
Es  lag  mir  nur  eine  Hälfte  der  Schale  vor,  die  120  mm  lang,  40  mm 
hoch  und  12  mm  dick  ist,  so  dass  für  die  ganze  Schale  der  Dicken- 
Durchmesser  24  mm  betragen  würde.  Der  Wirbel  ist  vom  Vorder- 
rande 30  mm  entfernt,  was  25  Procent  der  Schalenlänge  entspricht. 
Die  vorderen  Muskeleindrücke  sind  alle  drei  tief  eingedrückt,  der 
hintere  reicht  nach  vorn  etwas  über  die  sehr  kleine  Ligamentbucht 
hinüber.     Die  Schale  ist  ziemlich  kräftig,  glatt,  olivenbraun. 

Ein  ähnliches  Exemplar  erhielt  ich  von  Dr.  Staudinger  aus  dem 
östlichen  Peru  (Huagabamba).  Das  Vorderende  ist  etwas  weniger 
schmal,  der  Wirbel  liegt  etwas  mehr  nach  vorn  —  23,  bei  einem 
andren  22  :  100  der  Länge,  sonst  ist  der  einzige  Unterschied,  dass 
das  Hinterende  bei  dem  Spix'schen  Exemplare  glatt,  bei  den  Huaga- 
bamba-Exemplaren  aber  mit  schieferig  abstehenden  Epidermislamellen 
besetzt  ist.  Allerdings  ist  diese  Spix'sche  Schale  theilweise  abgerieben, 
so  dass  also  dieses  Exemplar  nicht  entscheidend  sein  kann.  Von 
diesem  übrigens  geringen  Unterschiede  abgesehen,  stimmen  ja  sonst 
beide  völlig  überein. 

Minder  weit  geht  diese  Uebereinstimmung  mit  einem  ähnlichen 
Exemplare  des  Bonner  Museum,    das  von  Jopetran    in   Columbien 


')  Malakolog.  Blätter  N.  F.  V.,  p.  190,  T.  4,  Fig.  7. 


134  Dr.  H.  von  Ihering:   Revision  der 

stammen  soll  und  Mycet.  maranhonensis  Mousson  bezeichnet  ist. 
Es  ist  mir  nicht  bekannt,  dass  resp.  wo  Mousson  eine  solche  Art 
beschrieben,  vermuthlich  ist  sie  nicht  veröffentlicht.  Der  Hinterrand 
ist  an  demselben  steiler  abfallend,  mehr  abgestutzt.  Vermuthlich 
rührt  es  auch  wesentlich  von  dieser  Verkürzung  des  Hinterendes  her, 
dass  der  Wirbel  etwas  weiter  vom  Vorderende  entfernt  liegt  (33/ioo 
der  Länge),  da  die  Entfernung  des  Wirbels  vom  Vorderende  29  mm 
beträgt.  Die  Länge  ist  90  mm,  die  Höhe  31  mm,  die  Dicke  17  mm. 
Von  dem  typischen  Myc.  longinus  unterscheidet  sich  diese  Schale 
auch  dadurch,  dass  bei  ihr  die  Umbonalfalte  gewölbt  und  deutlich 
verfolgbar  bis  zum  Hinterende  des  Unterrandes  reicht,  während  sie 
bei  longinus  vorher  verstreicht.  Das  Hinterende  ist  wie  bei  der 
Huagabamba-Form  rauh  durch  Epidermislamellen.  Vielleicht  kann 
diese  Form  als  Geschlechtsform  zur  Huagabamba-Form  gehören,  sie 
würde  dann  ihres  abgestutzten  Endes  halber  zu  dieser  im  selben 
Verhältnisse  stehen,  wie  von  Myc.  Staudingeri  die  Form  mit  abge- 
stutztem Hinterende  zur  anderen  mit  geschnäbeltem  Hinterende.  Hier 
wird  erst  weiteres  Material  voranhelfen,  wenn  von  den  einzelnen 
Arten  und  Fundstellen  reichhaltige,  auch  durch  die  Thiere  erläuterte 
Serien  von  Schalen  allen  Alters  und  Geschlechtes  vorliegen. 

Mit  der  Huagabamba-Form  identisch  sind  Exemplare  von  Myc. 
subsinuatus  Sow.  Sollten  sich  dereinst  Gründe  ergeben,  die  Spix'sche 
Form  von  der  Huagabamba-Form  zu  trennen,  so  würden  letztere  zu 
subsinuatus  Sow.  zu  stellen  sein.  Zunächst  aber  scheint  mir  kein 
Grund  vorhanden,  diese  Formen,  von  denen  wir  ja  die  sexuellen 
Differenzen  noch  nicht  kennen,  auseinander  zu  reissen,  zumal  sie 
alle  aus  demselben  grösseren  Gebiete,  dem  Qu elleu gebiete  des  oberen 
Amazonas  in  den  Cordilleren,  stammen.  Spix  giebt  für  longinus 
den  Japura  als  Wohngebiet  an,  also  Ecuador  —  Columbien  und  von 
ebenda  stammen  auch  die  Exemplare  von  Mousson  u.  Sowerby  u.  A., 
zu  denen  sich  dann  aus  dem  angrenzenden  nordöstlichen  Peru  die- 
jenigen Staudingers  hinzugesellen.  Es  ist  dasselbe  Gebiet,  in  dem 
auch  Myc.  Staudingeri  vorkömmt  (östl.  Peru  und  Ecuador). 

Wenn  man  diese  longinus-subsinuatus-Schalen  vor  sich  hat  und 
ihre  schlankere  Form  mit  etwas  mehr  aufgeblasenen  Wirbeln,  ihre 
dunklere  Färbung,  grössere  Dicke,  grössere  Rauhigkeit  der  Ober- 
fläche, in  der  Regel  mit  Epidermislamellen  am  Hinterende,  in  Be- 
tracht zieht,  so  kann  man  schwer  verstehen,  wie  d'Orbigny  und 
Lea  den  Myc.  longinus  Spix  als  Synonym  zu  siliquosus  Spix  ziehen 
konnten.  Ebenso  unglücklich  war,  wie  wir  sahen,  Lea  auch  darin, 
dass  er  Myc.  pygmaeus  Spix  von  siliquosus  Spix  für  verschieden 
hielt.  Lea's  Bearbeitung  von  Mycetopus  ist  überhaupt  eine  un- 
glückliche gewesen,  hat  er  doch  sogar  Myc.  pygmaeus  Hupe  und 
Weddelii  Hupe  als  synonym  zu  Myc.  soleniformis  d'Orb.  gezogen, 
einer  durch  die  centrale  Lage  des  Wirbels  so  ausnehmend  charak- 
teristischen Art,  dass  sie  fast  die  einzige  ist,  hinsichtlich  deren 
Verwechslungen  unmöglich  sind  und  zu  der  daher  obige  Hupe' sehe 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  135 

Arten  sicher  nicht  gehören  können.  Wer  übrigens  diese  verschieden- 
artigen Schalen  vor  Augen  hat,  wird  nicht  leicht  in  Gefahr  kommen, 
sie  zu  verwechseln,  was  bei  Vergleichung  der  Abbildungen  so  leicht 
möglich  ist.  Ich  bin  daher  auch  nicht  sicher,  ob  die  Abbildung 
Taf.  68,  Fig.  2  bei  Küster  zu  longinus  Spix  resp.  subsinuatus  Sow. 
gehört,  wie  ich  denke,  oder  doch  zu  siliquosus. 

Der  Wirbel  liegt,  bei  den  geschnäbelten  Formen  wenigstens,  bei 
Myc.  longinus  weiter  nach  vorn  (22 —  "25:100)  als  bei  siliquosus 
(25  —  30:100).  Möglich,  dass  bei  genauer  Kenntniss  der  Formen 
dieser  Gruppe  sich  ein  oder  die  andere  Art  oder  Lokalvarietät  wird 
abscheiden  lassen,  zunächst  kennen  wir  die  Variationen  dieser  Gruppe 
noch  zu  wenig,  um  behaupten  zu  können,  dass  eine  der  von  mir 
hierher  gezogenen  Formen  ausserhalb  der  Variabilitätsbreite  von  Myc. 
longinus  Spix  falle. 

Wenn  ich  in  der  Einleitung  bemerkte,  dass  Mycetopus  ein  auf 
Südamerika  beschränktes  Genus  sei,  so  wird  es  nöthig  sein,  darüber 
hier  einige  Bemerkungen  anzuschliessen.  Von  vermeintlichen  ausser- 
südamerikanischen  Mycetopus-Arten  erwies  sich  Myc.  plicatus  Gray 
als  eine  Mutela-Art  und  Myc.  rugatus  Reeve  von  Australien  ist  ver- 
muthlich  eine  Anodonta,  von  der  nicht  einmal  angegeben  wird,  ob 
sie  klafft.  Dagegen  giebt  es  in  China  und  Siam  klaffende  lang- 
gestreckte Anodonten,  die  als  Mycetopus  in  Anspruch  genommen 
werden.  Genau  beschrieben  ist  „Myc.  emarginatus  Lea."  Dieselbe 
scheint  in  vieler  Beziehung  von  Mycetopus  sehr  abweichend.  Nach 
Lea's  Abbildung  scheint  das  erweiterte  Vorderende  nicht  zu  klaffen, 
sondern  der  Spalt  erst  dahinter  zu  folgen.  An  der  Schlossleiste  fehlt 
die  dreieckige  Ligamentalbucht  und  findet  sich  eine  Seitenlamelle 
oder  eine  ihr  ähnliche  Erhebung  der  Schlossleiste,  auch  die  Muskel- 
narben scheinen  abweichend.  Kurz,  ganz  abgesehen  davon,  dass  die 
Untersuchung  der  Thiere  erst  den  Ausschlag  geben  kann,  so  ist 
offenbar  auch  conchyliologisch  Grund  genug  vorhanden,  diese  Art 
und  ähnliche  nicht  in  die  Gattung  Mycetopus  aufzunehmen,  sondern 
sie  der  von  Gray  für  Myc.  emarginatus  und  Verwandte  gegründeten 
Gattung  Solenaia  zuzuweisen.  Aechte  Mycetopus  sind  in  Asien  bisher 
ebenso  wenig  nachgewiesen  als  Hyria- Arten,  da  das,  was  man  als 
solche  ansah,  Unionen  (mit  offenem  Mantel)  der  Untergattung  Ar- 
conaia  Conr.  sind. 

Columha*)  Spixii  sp.  n.  (Fig.  4). 

Anod.  gigantea  Spix  juv.  Taf.  19,  Fig.  1,  p.  27. 
Anod.  gigantea  Spix  juv.  Küster  Taf.  I,  Fig.  2,  p.  6. 
Amazonenstrom  (Ega). 

Unter  dem  Namen  der  An.  gigantea  haben  Spix  und  Wagner 
zwei  verschiedene  Arten  beschrieben  und  abgebildet.  Von  den  beiden 
auf  Tafel  XIX  abgebildeten  Schalen  stellt  Fig.  2   ein  typisches  aus- 


*)  Leila  Gray;  Columba  Lea  praeocc.  durch  L.  Der  Herausg. 


13ß  Dr.  H.  von  Ihering:   Revision  der 

gewachsenes  Exemplar  der  Anod.  trapezialis  Lara.  dar.  Es  befinden 
sich  eine  Reihe  dahin  gehöriger  Schalen  in  der  Münchener  Samm- 
lung, welche  darthun,  dass  der  Name  der  Anod.  gigantea  Spix  dieser 
bekannten  Anodonta  des  Amazonas  zukommt  und  mithin  als  synonym 
zu  An.  trapezialis  zu  stellen  ist,  wie  auch  schon  häufig  vermuthet 
worden.  Unter  den  von  mir  untersuchten  Exemplaren  von  An.  gi- 
gantea Spix  befand  sich  nun  auch  ein  jugendliches  Exemplar  einer 
Columba-Art  und  zwar  ist  diese  einzige  jetzt  in  der  Münchener 
Sammlung  sich  findende  Columba  das  Original  zu  der  Spix' sehen 
Abbildung  auf  Taf.  19,  Fig.  1. 

Die  Spix' sehe  Abbildung  ist  ungeschickt  aufgenommen,  indem 
sie  beide  Wirbel  zeigt,  so  dass  man  sich  keine  ganz  sichere  Vor- 
stellung vom  Verlaufe  des  Dorsalrandes  nach  ihr  machen  kann.  Ich 
habe  deshalb  eine  neue  Abbildung  hier  beigefügt,  welche  die  charak- 
teristischen inneren  Theile  der  Schale  zeigt.  Ich  habe  der  älteren 
Beschreibung  und  den  beiden  nunmehr  vorliegenden  Abbildungen 
wenig  hinzuzufügen.  Besonders  zu  erwähnen  ist,  dass  die  Lunula 
überaus  kurz  und  schmal  ist,  schon  gleich  vor  den  Wirbeln  endigend. 
Die  Wirbel  sind  sehr  wenig  aufgetrieben,  der  ganze  Dorsalrand  ist 
fast  gradlinig.  Die  Form  der  Mantelbucht  und  der  Muskelnarben 
zeigt  unsere  Abbildung. 

Spix  und  Wagner  haben  aber  offenbar  nicht  nur  diese  eine 
bisher  unbeschriebene  und  von  mir  jetzt  nach  ihrem  Entdecker  be- 
nannte Art  mit  der  Anod.  trapezialis  verwechselt,  sondern  auch  noch 
eine  andere  ihr  ähnliche  Columba-Art,  welche  sich  zwar  jetzt  nicht 
mehr  in  München  vorfindet,  welche  aber  von  dort  unter  Doubletten 
als  Anod.  gigantea  abgegeben  wurde.  Dieses  Exemplar  ist  dann  von 
Küster  in  seiner  Monographie  der  Gattung  Anodonta  auf  Taf.  I, 
Fig.  1  als  „die  ächte  An.  gigantea"  abgebildet  worden.  Küster 
bemerkt  dazu  S.  32,  dass  diese  Schale  mit  der  Münchener  bei  Spix 
Taf.  19,  Fig.  1  abgebildeten  und  bei  ihm  Taf.  I,  Fig.  2  reproduzirten 
gut  übereinstimme,  und  dass  beide  von  ihm  abgebildeten  Schalen 
zu  A.  gigantea  Spix  gehören  und  von  An.  trapezialis  Lam.  verschieden 
seien.  Küster  befindet  sich  darin  in  einem  schweren,  freilich  durch 
das  in  München  begangene  Versehen  entschuldigten  Irrthume,  ver- 
grössert  aber  noch  die  Confusion,  indem  er  beide  von  ihm  abgebildete 
Exemplare  zu  ein  und  derselben  Spezies  zieht.     Das  ist  verkehrt. 

Küster 's  Figur  2,  Taf.  I  ist,  wie  bemerkt,  nur  eine  Copie 
nach  der  Spix 'sehen  Abbildung  der  Columba  Spixii,  aber  eine  Copie, 
vor  deren  Benutzung  zu  warnen  ist,  weil  Spix  beide  Schalen  in 
schräger  Ansicht  halb  von  oben  abbildete,  Küster  aber  nur  die  eine 
Hälfte  copirte,  so  dass  dadurch  die  Idee  erweckt  wird,  die  Schale 
sei  in  gewöhnlicher  Weise  abgebildet  und  mit  den  anderen  den 
Horizontalumriss  wiedergebenden  vergleichbar.  Die  Figur  1,  Taf.  I 
aber  von  Küster  stellt  eine  Schale  von  Columba  pulvinata  Hupe 
dar.  Es  ist  das  eine  überaus  charakteristische  Art,  auffallend  durch 
die  centrale  Lage  des  Wirbels,    der  sogar  in  die  hintere  Hälfte  der 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  137 

Schlossleiste  zu  liegen  kommt,  durch  bedeutende  Höhe  und  die  im 
Verhältniss  zur  Schlossleiste  geringe  Länge  der  Schale.  Hierzu  kommt 
noch  der  geschwungene,  nach  vorn  aufsteigende,  nach  hinten  sich 
stark  senkende  Verlauf  des  Dorsalrandes.  In  allen  diesen  Merkmalen 
unterscheidet  Col.  pulvinata  sich  von  Col.  Spixii,  deren  Dorsalrand 
gradlinig  ist  und  deren  Wirbel  minder  aufgeblasen  sind. 

Clessin  ist  in  der  Fortführung  des  Küster'schen  Werkes  nicht 
weiter  gekommen,  scheint  auch  keine  Originalexemplare  von  Columba 
zur  Untersuchung  gehabt  zu  haben.  Ebenso  wenig  ist  auch  Lea 
hierin  glücklicher  gewesen.  Lea  scheidet  die  beiden  im  La  Plata- 
Gebiete  vorkommenden  Arten  gut  von  einander  und  stellt  auch  ihre 
Synonymie  im  Wesentlichen  richtig,  indess  zieht  er  auch  die  in  Para- 
guay vorkommende  Col.  Castelnaudii  als  synonym  zu  Col.  esula  Jan, 
während  sie  doch  der  Form  nach  eher  zu  Col.  Blainvilleana  Lea 
passen  würde.  Ein  Vergleich  der  weiterhin  folgenden  Tabelle  wird 
klar  machen,  dass  dass  Col.  Castelnaudii  einen  auffallend  hohen  Car- 
dinalindex  hat,  was  davon  herrührt,  dass  der  hintere  Theil  der  Schale 
sehr  kurz,  wie  abgestutzt  ist.  Da  auch  die  Dorsallinie  etwas  mehr 
geschwungen,  der  Wirbel  etwas  weniger  aufgeblasen  erscheint,  so  ist 
es  wahrscheinlich,  dass  Col.  Castelnaudii  als  eine  besondere  der  Col. 
Blainvilleana  Lea  nahestehende  Art  anzusehen  ist,  die  auch  etwas 
grösser  wird.  d'Orbigny  giebt  für  Col.  Blainvilleana  125  mm  an, 
Hupe  für  Col.  Castelnaudii  160  mm.  Für  letztere  Art  wird  auch  der 
Diameter  (41  :  100)  geringer  angegeben  als  für  Blainvilleana  (43  bis 
47  :  100).  Hupe  giebt  als  Unterscheidungs-Merkmale,  der  Col.  Blain- 
villeana und  esula  gegenüber,  noch  an:  die  mehr  comprimirte  Form 
und  die  mehr  nach  hinten  gerückte  Lage  der  Wirbel.  Letzteres 
trifft  indessen  nur  für  Blainvilleana  zu.  Der  Umbonalindex  beträgt 
38  gegen  34  —  36  bei  Blainvilleana,  doch  ist  dieser  Unterschied  zu 
geringfügig,  um  viel  Werth  darauf  zu  legen,  wogegen  esula  einen 
höheren  Umbonalindex,  von  45,  hat.  Die  geschwungene,  nach  hinten 
abfallende  Configuration  des  Dorsalrandes  und  die  Verkürzung  des 
Hintertheiles  scheinen  mir  in  Verbindung  mit  den  anderweitigen 
angeführten  Differenzen  zu  genügen,  um  vorläufig  wenigstens  Col. 
Castelnaudii  als  gute  Art  anzuerkennen,  die  selbst  in  so  grossen 
Exemplaren,  wie  den  Hupe, 'sehen  von  160  mm  Länge,  noch  ein 
grünlich-blaues  Perlmutter  besitzt,  Avogegen  Col.  Blainvilleana  nach 
Lea  und  d'Orbigny  jeder  Zeit  das  Perlmutter  rosa  oder  lachs- 
farben hat. 

Vielleicht  ist  letzterer  Umstand  auch  der  Grund  gewesen,  wes- 
halb Lea,  welcher  sämmtliche  Arten  Hupe's  einzuziehen  für  gut 
befand,  sie  mit  esula  Jan  vereinte,  was  kaum  richtig  sein  dürfte. 
Das  Exemplar  von  Col.  esula  Jan,  welches  ich  sah  und  das  sich  im 
Kopenhagener  Museum  befindet  und  von  d'Orbigny  herstammt,  zeigt 
eine  von  Castelnaudii  ganz  abweichende  Form,  indem  das  Vorder- 
theil  nicht  schmal  und  eingezogen  ist,  sondern  voll  gerundet  wie  bei 
Col.  Spixii,  und  einen  sehr  gewölbten  und  fast  kreisförmig  und  gleich- 


138  Dr.  H.  von  Ihering:  Revision  der 

massig  gerundeten  Ventralrand  hat,  wodurch  auch  die  hintere  Spitze 
resp.  der  Winkel,  in  dem  Hinter-  und  Ventralrand  zusammenstossen, 
höher  zu  liegen  kommt  als  bei  Castelnaudii.  Dazu  ist  esula  höher 
und  hat  den  Wirbel  mehr  nach  der  Mitte  der  Schlossleiste  hin- 
gerückt, was  sich  in  einem  Umbonalindex  von  45  gegen  38  bei  Castel- 
naudii zu  erkennen  giebt.  Sofern  daher  nicht  etwa  grössere  Serien 
von  Exemplaren  eine  Aenderung  der  Auffassung  bedingen,  halte  ich 
Col.  Castelnaudii  für  eine  selbständige  Spezies. 

Völlig  verkehrt  ist  es,  wenn  Lea  sogar  Col.  pulvinata  Hupe 
einzieht.  Diese  Art  ist  durch  ihre  bedeutende  Höhe  und  vor  Allem 
durch  die  so  weit  nach  hinten  gerückte  Lage  des  Wirbels  sehr  aus- 
gezeichnet. Der  WTirbel  ist  hier  bis  hinter  die  Mitte  der  Schlossleiste 
hinausgerückt,  wodurch  ein  Umbonalindex  von  58  :  100  entsteht.  Der 
Hinterrand  zeigt  in  der  Höhe  der  Schliessmuskelnarbe  eine  Einziehung, 
in  Folge  deren  der  darunter  folgende  Theil  etwas  schnabelförmig 
vorspringt.  Es  bleibt  zu  ermitteln,  ob  sich  diese  Einbuchtung  regel- 
mässig vorfindet,  ebenso,  ob  die  Mantelbucht  stets  so  flach  ver- 
strichen und  wenig  entwickelt  verläuft,  wie  an  dem  von  Hupe  ab- 
gebildeten Exemplar. 

Eine  etwas  schwierige  Frage  ist  die  Unterbringung  der  von  mir 
in  Rio  Grande  do  Sul  im  Guahyba  aufgefundenen  Columba-Art.  Die- 
selbe stimmt  in  ihrer  Form,  wie  in  Dimensionen  und  Indices  gut  mit 
Col.  Blainvilleana  Lea  überein,  zu  der  ich  sie  auch  ziehe.  Sie  fällt 
nur  etwas  durch  eine  geringe  Abflachung  der  Seiten  auf,  in  Folge 
deren  die  Dicke  38  bis  41  :  100  ist  gegen  45  :  100  nach  d'Orbigny 
und  43  :  100  nach  Lea.  Die  an  mehreren  Stellen,  zumal  an  den 
Wirbeln  theilweise  abgelöste  Epidermis,  ist  von  dunkel  olivengrüner 
oder  von  gelbbrauner  Farbe,  immer  an  Umbonalfalte  und  Schild 
dunkel.  Die  Oberfläche  ist  glatt  und  glänzend,  aber  durch  zahl- 
reiche, stark  erhabene  Anwachsstreifen  unregelmässig  gefurcht.  Die 
Schale  klafft  vorn  sehr  stark,  hinten  wenig.  Vor  den  Wirbeln  hängen 
die  beiden  Klappen  durch  Schalensubstanz  in  dünner  Lage  zusammen, 
worunter  dann  eine  glashelle,  gelbe  Kittschicht  liegt.  Die  Wirbel 
sind  sehr  wenig  aufgetrieben,  offenbar  weniger  als  bei  Castelnaudii. 
Bei  dem  kleineren  Exemplare  bildet  die  Schlossleiste  unter  dem 
Wirbel  in  der  rechten  Schale  eine  zahnartige  breite  Verdickung, 
welche  in  eine  Ausbuchtung  der  Gegenschale  hinein  passt.  Die  hintere 
Retractornarbe  sitzt  derjenigen  des  Schliessmuskels  auf,  vorn  finden 
sich  drei  Retraktor-Narben,  von  denen  die  obere  mit  dem  Adductor 
zusammenhängt,  die  beiden  unteren,  etwas  kleineren  frei  liegen.  Eine 
Anzahl  kleiner  Haftmuskeleindrücke  stehen  in  einer  Reihe  gegen  den 
Wirbel  hin.  Ligamentalbucht  gross,  dreieckig.  Die  dreieckige  Mantel- 
bucht hat  einen  kurzen  oberen  horizontalen  Schenkel,  der  am  unteren 
Rande  des  Adductor  beginnt,  und  einen  längeren,  senkrecht  nach 
unten  ziehenden  Schenkel.  Permutter  bläulich,  unter  den  Wirbeln 
weiss,  zuweilen  etwas  gelblich  oder  rosa  schimmernd.  Auffallend  ist 
der  Mangel  eines  perlmutterlosen    Saumes.     Ich  schlage  vor,    diese 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  139 

offenbar  zur  Golumba  Blainvilleana  Lea  gehörende  Form  als  var.  rio- 
grandensis  zu  bezeichnen,  welche  vom  Typus  durch  etwas  geringeren 
Diameter,  noch  weniger  aufgeblasene  Wirbel  und  fehlende  oder  min- 
der ausgesprochene' Rosafärbung  des  Perlmutters  sich  unterscheidet. 
Uebrigens  sind  von  beiden  Fundorten  bisher  noch  viel  zu  wenige 
Exemplare  bekannt. 

Zur  Erleichterung  der  Bestimmung  der  Columba-Arten  gebe  ich 
folgende  Bestimmungstabelle : 


Schlüssel  zur  Bestimmung  der  Columba-Arten. 

I.  Wirbelspitze  hinter  der  Mitte  der  Schlossleiste  gelegen. 

a)  Schale  sehr  hoch,  Höhenindex  75,  Umbonalindex  58, 
Cardinalindex  76 Col.  pulvinata  Hupe. 

IL  Wirbelspitze  vor  der  Mitte  der  Schlossleiste  gelegen. 

A.  Dorsalrand  geschwungen,  nach  hinten  herabgesenkt. 

a)  Ventralrand  nach  hinten  abfallend.  Vorderende  zugespitzt. 
Schale  nicht  sehr  hoch.  Höhenindex  70,  Umbonal- 
index 38,  Cardinalindex  76.    Col.  Castelnaudii   Hupe 

b)  Ventralrand  gewölbt  gerundet.  Vorderende  breit,  voll. 
Schale  ziemlich  hoch,  Höhenindex  70,  Umbonalindex  45, 
Cardinalindex  68 Col.  esula    Jan 

B.  Dorsalrand  gerade  oder  kaum  geschwungen. 

a)  Ventralrand  nach  hinten  abfallend,  Vorderende  zugespitzt. 
Schale  nicht  sehr  hoch,  Höhenindex  63  —  66,  Umbonal- 
index 34  —36,  Cardinalindex  60  —  Q6. 

Col.  Blainvilleana  Lea 

b)  Ventralrand  gewölbt,  gerundet.  Vorderende  breit,  nicht 
zugespitzt.  Schale  hoch,  Höhenindex  71,  Umbonalindex  41, 
Cardinalindex  64 Col.  Spix ii  v.  Ih. 

Zur  Ergänzung  und  Controlle  möge  die  folgende  Tabelle  dienen. 
Ueber  Umbonal-  und  Cardinalindex  ist  schon  in  der  Einleitung  das 
Nöthige  bemerkt.  Nochmals  mache  ich  hier  auf  den  Höhenlagen- 
index aufmerksam.  Um  denselben  zu  berechnen,  messe  ich  an  der 
Zeichnung  des  Horizontalumrisses  die  Entfernung  der  die  grösste 
Höhe  angebenden  senkrechten  Linie  vom  Vorderende  der  Schale 
und  berechne  dieses  Mafs  in  Procenten  der  Länge,  die  also  immer 
=  100  gesetzt  wird.  Es  ist  hier  leicht  zu  ersehen,  wie  gut  dieser 
Index  die  bestehenden  Differenzen  zum  zahlenmässigen  Ausdruck 
bringt.  Bei  Col.  Spixii  und  esula,  wo  der  Ventralrand  stark  gewölbt 
ist  und  daher  die  grösste  Höhe  ziemlich  in  der  Mitte  der  Schalen- 
länge liegt,  ist  der  Höhenlagenindex  51  —  53,  während  er  bei  den 
anderen  Arten  mit  nach  hinten  abfallendem  Ventralrande  59  —  61 
beträgt.     In  gleicher  Weise  kann  die  oft  so    charakteristische  Form 


140  Dr.  H.  von  Ihering:  Revision  der 

des  horizontalen  Längsdurchschnittes  lediglich  durch  den  Diameter- 
lagenindex  exakt  zum  Ausdrucke  gebracht  werden. 

Der  einzige  Missstand  bei  diesen  Mafsen  ist  die  Art  die  grösste 
Länge  zu  messen.  Man  pflegt  sie  bisher  zu  messen,  wo  und  wie 
man  sie  eben  findet.  Das  ist  offenbar  ein  grosser  Missstand,  denn 
Länge,  Höhe  und  Diameter  müssen  bei  einer  Muschel  so  gut  wie 
bei  jedem  anderen  Naturkörper  in  senkrechter  Richtung  zu  einander 
gemessen  werden.  Bei  der  Messung  der  Höhe  ist  das  so  einleuchtend, 
dass  Niemand  sie  anders  denn  senkrecht  zur  Schlossleiste  oder  einer 
ihr  nahezu  entsprechenden  Horizontallinie  messen  wird.  Warum  aber 
soll  für  die  Messung  der  Länge  nicht  das  Gleiche  gelten?  Ich 
habe  eben  vor  mir  eine  Copie  der  Abbildung  Hupe's  von  Columba 
Castelnaudii.  Die  grösste  Länge  von  der  Schildchenecke  bis  zum 
prominirendsten  Theile  des  Hinterrandes  misst  an  dieser  Abbildung 
150  mm.  In  Wahrheit  entspricht  dieses  Mafs  aber  nicht  der  Länge, 
sondern  einem  schrägen  Durchmesser,  welcher  mit  der  durch  die 
Schlossleiste  gelegten  Horizontalen  einen  Winkel  von  32°  bildet! 
Wenn  der  Winkel  statt  32  °  sich  auf  45  °  beläuft,  so  kann  das  Mafs 
gerade  so  gut  als  schiefe  Länge  wie  als  schiefe  Höhe  in  Anspruch 
genommen  werden!  Misst  man  an  der  oben  bezeichneten  Abbildung 
die  grosse  Länge  in  horizontaler  Richtung,  wie  es  sich  gehört,  so 
kann  man  das  nicht  mit  dem  Zirkel,  weil  die  vorspringendsten  Theile 
von  Vorder-  und  Hinterrand  nicht  in  gleicher  Höhe  liegen.  Man 
müsste  sich  also  eines  Stangenzirkels  bedienen  oder  man  projicirt 
durch  senkrechte  Linien  diese  vorstehenden  Theile  auf  ein  und  die- 
selbe Horizontallinie.  Man  findet  dann  die  richtige  Länge  statt  zu 
150  mm  zu  138  mm,  ein  Unterschied  von  12  mm,  der  so  beträchtlich 
ist,  dass  er  z.  B.  den  Höhenindex  von  75  auf  69  herabdrückt.  Nun 
lehrt  aber  schon  der  flüchtige  Anblick  von  Col.  pulvinata,  dass  es 
eine  hohe,  relativ  kurze  Form  ist  und  nur  bei  richtiger  Messung 
kommt  dieses  Verhältniss  auch  im  Index  von  75  zum  Ausdrucke. 
Ich  halte  es  daher  für  nöthig,  immer  da,  wo  die  grösste  Länge  stark 
schief  liegt,  die  richtige,  projicirte  Länge  statt  der  schrägen  zu  messen. x) 

In  der  Tabelle  gebe  ich  den  Höhenindices  sowohl  in  Procenten 
der  absoluten  schrägen,  als  in  solchen  der  projicirten  horizontalen 
Länge,  damit  man  sich  von  der  ungleich  wechselnden  Differenz  über- 
zeugen kann,  sowie  davon,  dass  die  Benutzung  der  projicirten  Länge 
die  wirklich  vorhandenen  Differenzen  besser  zum  Ausdrucke  bringt. 
Die  schräge  Länge  ist  bei  Col.  Blainvilleana  um  2 — 5  Procent  grösser 
als  die  projicirte,  bei  Col.  Castelnaudii  und  pulvinata  aber  um  mehr 
als  9  Procent!  Von  Mittheilung  des  Diameter  sah  ich  in  folgender 
Tabelle  ab,  weil  die  betr.  Literatur -Angaben  zum  Theil  offenbar 
falsch  sind,  vielleicht  in  Folge  von  Druckfehlern.    Bezüglich  der  an- 


')  Wo  nicht  der  Dorsalrand  stark    ansteigt,   liegt  er   meistens    ziemlich 
parallel  zur  horizontalen  Länge. 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden. 


141 


geführten  Arten  und  Exemplare  bemerke  ich,  dass  Castelnaudii  und 
pulvinata  von  mir  an  den  Hupe 'sehen  Abbildungen,  Blainvilleana 
Lea  an  der  Lea' sehen  Figur  gemessen  sind,  während  esula  und 
Blainvilleana  (Kopenhagen)  von  d'Orbigny  herrührende  Exemplare 
der  Kopenhagener  Sammlung  darstellen. 


Mass  -  Tabelle  der 

Columba  -  Arten. 

Art. 

Schräge 
Länge. 

Projic. 
Länge. 

Höhe. 

Höhe 
in  Proc. 

der 

schrägen 

L. 

Höhe 
in  Proc. 

der 
projic. 

L. 

Schloss- 
leisten- 
Länge. 

Abstand 
des 

Wirbels 
vom 

Vorder- 
ende. 

Um- 
bonal- 
Index. 

Car- 

dinal- 

Index. 

Castelnaudii    .     . 

150 

138 

96 

64 

70 

105 

40 

38 

76 

pulvinata     .     .     . 

150 

138 

103 

69 

75 

104 

60 

58 

76 

esula  

100 
85 
79 

94 

83 
75 

66 
59 

47 

66 
69 
60 

70 
71 
63 

66 
53 
46 

30 
22 
20 

45 
41 
34 

68 

Spixii 

64 

Blainvilleana  Lea 

61 

»          Kopenh. 

130 

123 

77 

60 

63 

73 

27 

36 

60 

Blainvilleana  var. 

riogrand 

a. 

106 

101 

66 

62 

65 

67 

22 

33 

66 

»            » 

b. 

111 

105 

69 

62 

66 

68 

23 

34 

65 

»            » 

c. 

135 

132 

83 

61 

63 

84 

30 

36 

64 

Sehr  schwierig  resp.  theilweise  unmöglich  ist  die  Berücksichtigung 
der  Reeve'schen  Arten  von  Columba.  Reeve  hat  das  entscheidende 
Verhalten  der  Mantelbucht  nicht  genügend  berücksichtigt,  zum  Theil 
nur  nach  der  Literatur,  und  da  er  eigene  bezügliche  Beobachtungen 
gar  nicht  anstellte,  so  deutete  er  auch  bei  nicht  zu  Columba  ge- 
hörenden Anodonten  eine  leichte  Krümmung  der  Mantellinie  als 
Mantelbucht.  Nur  so  erklärt  es  sich,  dass  er  auch  Anocl.  trapezialis 
PI.  VI,  Fig.  12  zu  Columba  (Leila  Gray)  zieht.  Ich  bemerke  bei 
dieser  Gelegenheit,  dass  der  Lea'sche  Gattungsname  Columba  von 
1832  Priorität  hat  vor  Grays  Leila  (1840).  Wir  kennen  keine  Co- 
lumba- Art,  welche  in  der  Form  der  vermeinten  Reeve'sche  Leila 
Blainvilleana,  d.  h.  also  Anod.  trapezialis  Lam.  entspricht.  Ich  ver- 
weise hier  auf  das  unter  An.  trapezialis  bemerkte.  Reeve  hat  wie 
so  viele  Andre  das  Klaffen  der  Schalen  als  das  Wesentliche  bei 
Columba  angesehen,  während  sie  doch  diesen  Charakter  mit  so  vielen 
südamerikanischen  Anodonten  theilen  und  das  Entscheidende  nur 
die  Mantelbucht  ist.  Es  wäre  möglich,  dass  An.  hians  Sow.  bei 
Reeve  PL  IV,  sp.  8  zu  Columba  Blainvilleana  Lea  gehört,  aber  ohne 
Untersuchung  des  Manteleindruckes   lässt  sich  das  nicht  feststellen. 

Die  Abbildung,  welche  Reeve  von  Col.  pulvinata  giebt,  stimmt 
nicht  recht  zu  derjenigen  von  Hupe,  von  der  sie  durch  stärker  ge- 
schwollene, mehr  nach  vorn  gerückte  Wirbel  und  minder  geschwungenen 
Dorsalrand  etwas  abweicht,  zu  der  sie  aber  doch  wohl  eher  als  zu 


14*2  Di".  H.  von  Ihering:  Revision  der 

Col.  Spixii  passt.  Als  Fundort  giebt  Reeve  an  Rio  Janeiro  und 
Aga.  Letzteres  soll  wohl  Ega  am  Amazonas  bedeuten,  doch  sind 
bisher  zu  viele  Verwechslungen  mit  Columba- Arten  vorgekommen, 
als  dass  nicht  neue  bestätigende  Beobachtungen  über  die  Amazonas- 
Fundorte  zu  wünschen  wären.  Von  den  Gebieten  nördlich  des 
Amazonas  sind  noch  keine  Columba- Arten  bekannt  geworden.  Fol- 
gendes ist  die  Synonymie  der  bisher  beschriebenen  Arten: 

1.  Columba  Blainvilleana  Lea  (1832). 

Columba  Blainvilleana  Küster-Clessin  p.  253,  Taf.  86,  Fig.  1,  2. 

(Copie.) 
Iridina  trapezialis  Orb.  (1835). 
Leila  trapezialis  Hupe 
Leila  Parishii  Gray  (juv.). 
Leila  Georginae  Gray 
?  Anodonta  hians  Sow. 

Corrientes,  Entrerios  (d'Orbigny);  Paraguay  (Castelnau). 
la.  Col.   Blainvilleana  Lea  var.   riograndensis  v.  Ih. 
Rio  Grande  do  Sul. 

2.  Columba  Castelnaudii  Hupe  (1857). 

Leila  Castelnaudii  Reeve  (Copie). 

Columba  Castelnaudii  Küster-Clessin  p.  254,  Taf.  84  (Copie). 
Paraguay. 

3.  Columba  esula  Jan  (1837). 

Leila  esula  (Jan)  Lea 

Leila  esula  (Jan)  d'Orbigny 

Iridina  Blainvilleana  Orb.  (nee  Lea). 

Leila  Blainvilleana  Hupe.  —  Bolivia  (Moxos  und  Chiquitos). 

4.  Columba  Spixii  v.  Ih.  sp.  n. 

Anod.  gigantea  Spix  juv.  (Taf.  IS),  Fig.  1). 

An.  gigantea  (Spix) Küster  (Taf.  I,  Fig.  2).— Amazonas  (Ega). 

5.  Columba  pulvinata  Hupe  (1857). 

Anod.  gigantea  Küster  p.  6,  Taf.  I,  Fig.  1 . 

Leila  pulvinata  Reeve  PI.  V,  Fig.  10. 

Columba  pulvinata  Küster-Clessin  p.  255,  Taf.  85  (Copie). 

Rio  Janeiro  (Castelnau);    Amazonas-Ega  (Spix-Küster). 


Anodonta  rotunda  Spix.     (Fig.  5). 

Anodon  rotundum  Spix  1.  c.  p.  28,   Taf.  20,   Fig.  2,  3,  4. 
Anod.  Cailliaudii  Lea  1.  c.  Vol.  X,  1863  p.  31,  PI.  45,  Fig.  297. 
Anod.  rotunda  Küster  p.  33,  Taf.  8,   Fig.  1  (Copie). 
Anod.  Cailliaudii  Reeve  An.  Fig.  38. 

Prov.  S.  Paulo. 
Diese  Art  ist  in  der  Literatur  sehr  verschieden  gedeutet  worden. 
Während  d'Orbigny  sie  mit  trapezea  Spix  vereint,  stellt  Reeve  sie 
zu  latomarginata  Lea  und  Lea  zu  Spixii  d'Orb. 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  143 

Die  folgende  Beschreibung  wird  zeigen,  dass  wir  es  in  An.  rotunda 
Spix  mit  einer  von  An.  trapezea  Spix  sicher  verschiedenen  Art  zu 
thun  haben.  Dieselbe  lag  Spix  nur  in  jugendlichen  Exemplaren 
vor,  so  dass  also  die  Möglichkeit  besteht,  dass  die  erwachsene  Schale 
unter  anderem  Namen  beschrieben  wurde.  Dies  scheint  nun  in  der 
That  der  Fall  zu  sein,  da  An.  Cailliaudii  Lea,  wenn  auch  in  Farbe, 
Dicke  der  Schale  etc.  verschieden,  doch  nur  Differenzen  gegen  die 
Spix'schen  Exemplare  aufweist,  welche  als  Altersunterschiede  in  An- 
spruch genommen  werden  können. 

Es  lagen  mir  drei  Exemplare  vor,  die,  obwohl  im  Allgemeinen 
übereinstimmend,  doch  auch  ziemlich  erhebliche  Differenzen  auf- 
wiesen. Ich  werde  dieselben  im  Folgenden  als  No.  I,  II  und  III 
bezeichnen.  No.  II  bestand  nur  in  einer  halben  (rechten)  Schale, 
No.  III  ist  das  kleinste  Exemplar.  No.  I,  das  grösste,  misst  42  mm 
in  der  Länge,  36  in  der  Höhe,  22  im  Durchmesser.  Es  entspricht 
also  ziemlich  gut  den  Mafsen  von  Spix,  resp.  also  wohl  der  Ab- 
bildung Fig.  2,  die  dann  freilich  hinsichtlich  des  am  Originalexemplare 
etwas  mehr  gerundeten  Vorderrandes  nicht  ganz  stimmen  würde, 
überhaupt  ja  schlecht  gemacht  ist.  Der  Vorderrand  ist  wie  auch 
der  Ventralrand  voll,  gerundet,  sehr  wenig  eingezogen.  Die  Epidermis 
ist  glatt  und  glänzend,  sehr  fein  gestreift  ohne  deutliche  Anwachs- 
streifen. In  der  Gegend  der  Umbonalfalte  finden  sich  zwei  schwarze 
radiäre  Linien,  während  sonst  radiäre  Streifen  oder  Linien  fehlen. 
Lunula  breit,  Ligamentalbucht  klein.  Die  Schlossleiste  verläuft  im 
Wesentlichen  gerade,  sie  ist  nur  unter  dem  Wirbel  etwas  herab- 
gebogen.  Der  Wirbel  ist  mit  der  Spitze  stark  einwärts  gebogen,  so 
dass  diese  unmittelbar  auf  die  Schlossleiste  resp.  oben  über  sie  zu 
liegen  kommt.  Die  Wirbel  ziemlich  aufgeblasen.  Das  bläuliche  Perl- 
mutter lässt  einen  sehr  breiten,  unten  6 — 7  mm  hohen  Streifen  frei, 
der  von  gelblicher  Farbe  ist.  Die  Mantellinie  steht  am  Ventralrande 
8 — 10  mm  vom  Rande  ab,  so  dass  also  der  Marginaltheil  der  Schale 
sehr  breit  ist.  Um  so  mehr  fällt  es  auf,  dass  der  perlmutterlose 
Saum  fast  3/i  desselben  einnimmt.  Der  vordere  Adductor  ist  nur 
ca.  6  mm  breit,  also  schmäler  als  der  marginale  Theil  der  Schale. 
Nach  innen  von  ihm  liegt  am  unteren  Ende  die  Narbe  des  vorderen 
Retractor.  Die  Schale  ist  kräftig,  aber  nicht  dick,  die  Wirbel  sind 
etwas  corrodirt. 

Exemplar  III  ist  diesem  Exemplar  I  im  allgemeinen  sehr  ähnlich. 
Es  ist  34  mm  lang  bei  27  mm  Höhe,  was  wie  bei  No.  II  einem  Ver- 
hältnisse der  Höhe  zur  Länge  von  80:  100  entspricht,  während  bei 
No.  I  das  Verhältniss  86  :  100  ist.  Die  linke  Schale  ist  blass  gelb- 
grün,  die  rechte  lebhaft  hellgrün.  Zwischen  und  vor  den  beiden 
dunklen  Radiärstreifen  der  Umbonalfalte  sind  zwei  lebhaft  gelbe 
Streifen  vorhanden.  Der  perlmutterlose  Rand  nimmt  mehr  als  die 
Hälfte  des  Marginalstreifens  ein.  Die  Lunula  ist  etwas  ungleich- 
seitig, nämlich  stärker  auf  der  rechten  Seite  entwickelt.  Die  Wirbel 
sind  intakt,    die  Epidermislamellen    am  Marginaltheile    der  Schale 


144  Dr.  H.  von  Ihering:  Revision  der 

noch  vorhanden  resp.  wenig1  weggeschliffen,  das  jugendliche  Alter  der 
Schale  bezeugend.  Einzelne  vom  Wirbel  ausstrahlende,  aber  feine 
dunkle  Linien  finden  sich  auch  im  mittleren  Theile  der  Schale  resp. 
in  der  Epidermis. 

Exemplar  II  endlich  ist  dunkler  grünlich,  gegen  den  Rand  mehr 
braun  und  mit  dunkelfarbigen  radiären  Strahlen  versehen,  die  bei 
No.  I  obsolet  waren.  Die  Lunula  ist  schmaler  als  bei  No.  I,  ebenso 
der  perlmutterlose  Saum.  Einzelne  Anwachsstreifen  heben  sich  hier 
deutlicher  hervor  als  bei  No.  I,  dem  gegenüber  der  vordere  Theil 
des  Ventralrandes  hier   ein  klein  wenig  mehr  eingezogen  erscheint. 

Wir  haben  es  also  offenbar  mit  jungen  Schalen  zu  thun,  von 
denen  die  dunklere  No.  II  sich  jedenfalls  schon  etwas  mehr  der  Farbe 
der  ausgewachsenen  nähert  als  die  anderen  beiden.  Lea  hat  unter 
dem  Namen  der  Anodonta  Cailliaudii  eine  aus  Brasilien  stammende 
Schale  beschrieben,  welche  recht  gut  hierhin  passt.  Dieselbe  ist 
74  mm  lang,  61  mm  hoch  und  38  mm  dick.  Ihr  Höhenlängenindex 
ist  demnach  82  :  100  resp.  84  zu  100,  wenn  man  die  Höhe  an  der 
Schale  (zu  62  mm)  nachmisst.  Die  Münchener  Exemplare  zeigen 
einen  Höhenindex  von  80—86:100,  so  dass  also  Lea's  Exemplar 
gut  dazu  passt.  Die  Schale  klafft  nicht,  wie  auch  die  Spix'schen 
Exemplare.  Die  Schlossleiste,  die  übrigens  bei  No.  II  fast  gerade 
verlief,  passt  ebenso  zu  den  Spix'schen  Exemplaren,  wie  auch  der 
breite  perlmutterlose  Saum,  die  geschwollenen  und  einwärts  ge- 
krümmten Wirbel  (natibus  incurvis  bei  Lea)  und  die  Lunula.  Das 
Lea'sche  Exemplar  war  von  schwarzbrauner  Färbung  mit  obsoleten 
Radiärstreifen  mit  silberfarbenem  Perlmutter,  und  hat  auf  der  Um- 
bonalfalte  2  schwarze  und  2  gelbe  Linien,  ganz  wie  unser  Exemplar  III. 
Lea  erkannte  die  nahe  Beziehung  seiner  vermeintlich  neuen  Art  zu 
An.  rotunda  Spix,  aber  er  meinte,  seine  Art  sei  grösser  und  mehr 
rund.  Letzteres  ist,  wie  die  Höhenindices  zeigen,  nicht  richtig,  auch 
variirt  die  Höhe,  sowie  die  Rundung  des  Vorder-  und  Ventralrandes 
etwas,  auch  die  aussergewöhnliche  Glätte  der  Schale  von  Cailliaudii 
Lea  widerspricht  der  Einreihung  unter  rotunda  nicht.  Von  den  ver- 
meintlichen Unterschieden  bleibt  nichts  bestehen  als  die  Grössen- 
differenz,  die  sich  ganz  einfach  dadurch  erklärt,  dass  Lea  eine  aus- 
gewachsene Schale  vor  sich  hatte,  Spix  aber  nur  jugendliche  sammelte. 
An.  latomarginata  Lea,  zu  der  Küster  sie  ziehen  will,  ist  eine  andere 
Art  mit  vorne  leicht  klaffender  Schale,  minder  hoch,  mehr  lang- 
gestreckt und  mit  weniger  aufgeblasenem  Wirbel.  Ueber  die  Be- 
ziehungen zu  der  nahestehenden  An.  trapezea  Spix  vergleiche  man 
das  dort  bemerkte. 


von  Spix  in  Brasilien  gesamntelteu  Najaden.  145 


Anodonta  trapezea  Spix.    (Fig.  6). 

Anodon  trapezeuni  Spix  1.  c.  p.  28,  Taf.  20,  Fig.  1. 
Anodonta  Spixii  d'Orb.   1835  (teste  Orb.). 
Anod.  trapezea  Orb.  Voyage  p.  619. 
Anod.  trapezea  Küster  p.  7,  Taf.  I,  Fig.  3. 

Amazonas. 

Es  lag  mir  das  Spix' sehe  Originalexemplar  vor.  Die  Mafse 
desselben  betrugen  63  mm  für  die  Länge,  52  mm  für  die  Höhe, 
31  mm  für  den  Diameter,  was  ganz  den  von  Spix  gegebenen  Mal'sen 
entspricht.  Die  Spix' sehe  Abbildung,  wie  die  Küster  sehe  Copie 
derselben  sind  zu  schlecht,  um  sich  eine  richtige  Vorstellung  von  der 
Schale  zu  bilden.  Ich  habe  daher  eine  neue,  die  Innenansicht 
bringende  hier  gegeben.  Die  allgemeinen  Formverhältnisse  der  Schale 
ergeben  sich  daraus  in  Verbindung  mit  der  älteren  Beschreibung  zur 
Genüge.  Die  Farbe  der  Schale  ist  dunkelgrün  in  der  Mitte,  mehr 
braun  gegen  den  Rand  hin.  Auf  der  Umbonalfalte  verlaufen  radiär 
zwei  dunkle  Streifen,  zwischen  und  vor  welchen  die  Grundfarbe  gelb 
ist.  Ueber  den  glatten,  gewölbten  Mitteltheil  der  Schale  ziehen 
radiär  dunklere  Linien  hin.  Die  Wirbel  sind  erodirt,  sie  sind  sehr 
bauchig,  die  Wirbelspitze  steht  hoch  über  der  Schlossleiste. 
Das  Ligament  ist  sehr  dick.  Die  Lunula  ist  vorhanden,  breit,  ihr 
Zwischenraum  von  gelber  Masse  erfüllt,  die  sich  auch  unter  dem 
Ligamente  hinzieht.  Die  Schlossleiste  ist  gekrümmt,  indem  die 
hintere  Hälfte  derselben  fast  horizontal  steht,  der  vordere  Theil  nach 
unten  herabgesenkt  ist.  Die  dreieckige  Ligamentalbucht  von  massiger 
Grösse.  Marginalsaum  sehr  breit,  mit  breitem  ca.  73  desselben  ein- 
nehmendem perlmutterlosem  Saume.  Die  Narbe  des  vorderen  Re- 
tractor  ist  nicht  frei,  sondern  hängt  an  jener  des  Adductor  an.  Das 
stark  irisirende  Perlmutter  ist  silberfarben,  gegen  die  Randzone  hin 
röthlich  und  bläulich  schillernd,  der  perlmutterlose  Saum  gelb.  Es 
wäre  möglich,  dass  die  Schale  hinten  und  vorn  ein  klein  wenig  spalt- 
förmig  klafft,  indessen  lässt  sich  darüber  nichts  sicheres  sagen,  weil 
die  unregelmässig  gerissenen  Theile  des  Ligamentes  keine  genaue 
Zusammenfügung  mehr  erlauben,  ich  denke  aber,  dass,  als  die  Schale 
noch  intakt  und  das  Ligament  elastisch  war,  die  Schale  vollkommen 
schloss,  ohne  zu  klaffen. 

Das  Verhältniss  der  Höhe  zur  Länge  ist  82  :  100,  also  eine  sehr 
hohe,  fast  runde  Schale  anzeigend,  ungefähr  wie  bei  An.  rotunda 
Spix.  Letztere  hat  eine  etwas  weniger  geschwungene,  mehr  gerade 
Schlossleiste,  ein  Unterschied,  der  allein  aber  wohl  nicht  zur  Schei- 
dung genügen  würde,  diese  wird  nur  nöthig  durch  die  bedeutendere 
Höhe  und  Wölbung  der  Wirbel,  wodurch  die  Wirbelspitze,  die  bei 
A.  rotunda  der  Schlossleiste  aufliegt,  hoch  über  dieselbe  emporrückt. 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jalirg.1890.  Bd.  I.  H.  2.  10 


146  Dr.  H.  v.  Ihering:   Revision  der 

Da  alle  Exemplare  von  An.  rotunda  hierin  völlig  übereinstimmen, 
so  liegt  darin  offenbar  ein  zur  spezifischen  Trennung  zwingender  Unter- 
schied vor,  dem  sich  dann  andere  von  geringerer  Bedeutung  anreihen. 
Ich  kann  es  daher  nicht  billigen,  wenn  d'Orbigny  A.  rotunda  und 
trapezea  Spix  vereinigen  will  und  beiden  Arten  die  von  ihm  be- 
schriebene An.  Spixii  vom  La  Plata  zugesellt.  Da  mir  eines  der 
d'Orbigny'schen  Originalexemplare  aus  Kopenhagen  zur  Verfügung 
gestellt  wurde,  habe  ich  diese  Art  direkt  mit  den  Spix'schen  Typen 
vergleichen  können.  Es  ergab  sich  dabei,  dass  die  d'Orbigny 'sehe 
Schale  sich  im  Wesentlichen  An.  trapezea  Spix  anreiht,  gegen  welche 
sie  nur  geringe  Unterschiede  aufweist,  die  nur  zur  Aufstellung  einer 
Lokal varietät  Anlass  geben,  die  ich  var.  Spixii  d'Orb.  nenne.  Dabei 
muss  ich  allerdings  betonen,  dass  mir  nur  je  ein  einziges  Exemplar 
von  Spix  und  von  d'Orbigny  zur  Verfügung  stand,  so  dass  die 
geringfügigen  von  mir  beobachteten  Unterschiede  möglicher  Weise 
bei  Kenntniss  grösserer  Serien  hinwegfallen. 

Das  von  d'Orbigny  herrührende  Exemplar  dieser  var.  Spixii 
d'Orb.  stammt  vom  Rio  Parana.  Die  grosse  schwere,  nicht  klaffende 
Schale  ist  glatt,  glänzend,  schwarzbraun,  nach  unten  hin  mit  theil- 
weise  schuppig  vorstehenden  Rändern  der  Anwachsstreifen.  Die 
Wirbel  sind  erodirt,  hoch  und  sehr  geräumig  mit  tiefer  Wirbelhöhle 
und  hochstehender  Wirbelspitze,  die  weit  über  Schlossleiste  und 
Ligament  steht.  Die  Umbonalfalte  trägt  eine  stärkere  und  eine 
schwächere  Leiste.  Die  Lunula  ist  vorhanden,  massig  breit  mit  er- 
hobener Seitenlinie,  das  Ligament  ausnehmend  dick.  Die  Schloss- 
leiste massig  dick,  in  ihrem  hinteren  Theile  gerade,  nach  vorn  stark 
eingebuchtet  und  geschwungen.  Die  dreieckige  Ligamentalbucht  ist 
schmäler  und  spitziger  als  bei  dem  Spix'schen  Exemplar.  An  der 
vorderen  Adductornarbe  hängt  oben  innen  eine  kleinere  Retractor- 
narbe  an,  eine  ebensolche  liegt  etwas  weiter  unten  frei  nach  innen 
vom  Adductor  Die  hintere  Schliessmuskelnarbe  ist  lang  und  schmal, 
rechts  mehr  als  links,  wo  sie  weiter  nach  innen  vorspringt.  M  ar- 
gin alsaum  sehr  breit,  mit  überaus  feinem,  über  1  —  2  mm  breitem, 
dunkel  horngrauem,  perlmutterlosem  Saume.  Perlmutter  bläulich 
irisirend.  Die  Schale  ist  81mm  lang  und  66mm  hoch,  was  einem 
Höhenindex  von  81  :  100  entspricht.  Für  ein  etwas  grösseres  Exemplar 
von  90  mm  Länge  giebt  d'Orbigny  die  Höhe  zu  77  :  100,  die  Dioke 
zu  50 :  100  an. 

Der  einzige  wesentliche  Unterschied,  den  diese  Schale  der  Spix'- 
schen An.  trapezea  gegenüber  aufweist,  ist  die  überaus  geringe  Ent- 
wicklung des  perlmutterlosen  Randes.  Dazu  geringe  Unterschiede 
in  den  Muskelnarben  und  in  Färbung  von  Epidermis  und  Perlmutter. 
d'Orbigny  giebt  die  Farbe  des  Perlmutters  als  blau  oder  rosa  an, 
gegen  silberweiss  und  bläulich  bei  An.  trapezea.  Wir  haben  es  daher 
hier  mit  einer  südlichen  Varietät  der  Anod.  trapezea  Spix  zu  thun, 
die  ich  im  Anschlüsse  an  d'Orbigny  als  var.  Spixii  bezeichne.    Erst 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  147 

reiche  Serien  und  zwar  von  verschiedenen  Fundorten  werden  ge- 
statten, ein  sicheres  Urtheil  über  die  in  Frage  stehenden  Formen 
der  Gruppe  trapezea -rotunda  zu  gewinnen.  A.  trapezea  könnte  in 
Beziehung  gebracht  werden  zu  A.  latomarginata,  wie  Lea  und  Hupt'' 
meinten,  allein  A.  trapezea  ist  eine  höhere  Form  mit  mehr  ange- 
schwollenem Wirbel,  auch  ist  die  Schlossleiste  von  A.  latomarginata 
mehr  gerade,  länger,  nicht  geschwungen,  der  perlmutterlose  Saum 
breiter. 


Anodonta  trapezialis  Lam. 

$:  An.  trapezialis  Lam.    Encycl.  meth.  Helminth.  VI,  87,  PI.  205. 
An.  exotica  Cuvier  Regne  an.  Ed.  av.  Planches.  PI.  90,  Fig.  1  u.  la. 
An.  trapezialis  Küster  Bd.  IX,  1  p.  31,  Taf.  8,  Fig.  4. 
An.  (Leila)  Blainvilleana  Reeve  sp.  12. 
An.  rioplatensis  Reeve,  Fig.  101. 

An.  rioplatensis  Küster  p.  217,  Taf.  64,  Fig.  3  (Copie). 
?  An.  anserina  Reeve  Fig.  125. 


<J:  An.  gigantea  Spix  p.  27,  Taf.  19,  Fig.  2. 

An.  trapezialis  Lam.  var.  Küster  p.  235,  Taf.  77,  Fig.  5.  (Copie 

nach  Reeve  Fig.  18). 
?  An.  crassa  Swains.  Zool.  Illustr.  No.  34,  Taf.  167  (teste  Spix 

et  Küster). 
An.  trapezialis  Reeve  Fig.  18. 
An.  subsinuata  (Sow.)  Reeve  Fig.  14. 
Vjuv.  An.  anserina  Spix  p.  29,  Taf.  21,  Fig.  1  und  2. 

Die  Unterscheidung  und  Synonymie  der  grossen  klaffenden  Ano- 
donten  Südamerikas  bildet  eine  der  schwierigsten  Aufgaben  in  dem 
Studium  der  Najaden.  Spix  und  Wagner  haben  ihr  redlich  Theil 
zur  Vergrösserung  dieser  Confusion  beigetragen.  Dies  zunächst  und 
vor  Allem  dadurch,  dass  sie  die  Columba- Arten ,  welche  ihnen  vor- 
lagen, mit  den  gesammelten  Exemplaren  von  An.  trapezialis  ver- 
wechselten. Die  eine  der  beiden  Abbildungen  von  An.  gigantea,  ein 
junges  Thier  darstellend,  bezieht  sich  auf  eine  neue,  von  mir  nach 
ihrem  Entdecker  benannte  Columba,  und  sei  auf  das  dort  Bemerkte 
verwiesen.  Ich  erwähnte  daselbst  bereits,  dass  Spix  auch  Columba 
pulvinata  Hupe  sammelte  und  als  Doublette  von  An.  gigantea  weg- 
gab, wodurch  Küster  zu  seiner  verkehrten  Darstellung  gebracht 
wurde.  Dem  gegenüber  niuss  aber  betont  werden,  dass  die  im  Mün- 
chener Museum  aufbewahrten  Exemplare,  die  mir  vorlagen,  voll- 
kommen zur  Beschreibung  und  zur  Abbildung  Taf.  19,  Fig.  2  stimmen. 
Sie  sind  es  also,  welche  vor  Allem'  bei  der  Aufstellung  des  Anodon 
giganteus  gemeint  waren,  und  es  kann  daher  nicht  dem  mindesten 
Zweifel  unterliegen,    dass    A.  gigantea  Spix  in  die  Synonymie  von 

10* 


148  Dr.  H.  von  Ihering:  Revision  der 

A.  trapezialis  Lam.  gehört,   mit  welcher  die  Münchener  Exemplare 
übereinstimmen. 

Vermuthlich  wäre  man  längst  in  dieser  Frage  viel  weiter  ge- 
kommen, wenn  man  schon  früher  darauf  aufmerksam  geworden  wäre, 
dass  bei  allen  Arten  dieser  Gruppe  starke  sexuelle  Differenzen  der 
Schalen  vorkommen.  Speziell  für  An.  trapezialis  habe  ich  zweimal 
Gelegenheit  gehabt,  dies  zu  beobachten,  als  mir  von  Händlern  grössere 
Serien  je  von  ein  und  demselben  Fundorte  zur  Bearbeitung  und 
Auswahl  zugesandt  wurden.  Bei  der  einen  bauchigeren  Form  ist  der 
vordere  Theil  der  Schale  voller  gerundet,  bei  der  anderen  schlankeren 
schmäler,  indem  der  vordere  Theil  des  Ventralrandes  mehr  eingezogen 
ist.  Gleichzeitig  ist  bei  der  schlankeren  Form  das  Hinterende  ver- 
längert, bei  der  anderen  kürzer.  Die  Höhe  beträgt  bei  der  schlankeren 
Form  62 — 63,  bei  der  kürzeren  64 — 65  Procent  der  Länge.  Diese 
Unterschiede  sind  nicht  immer  sehr  ausgesprochen,  aber  man  hat 
doch  geglaubt,  daraufhin  beide  als  Varietäten  oder  als  Arten  trennen 
zu  müssen.  Ich  zweifele  nicht,  dass  diese  Differenzen,  die  in  ähn- 
licher Weise  auch  bei  den  anderen  verwandten  Arten  sich  wieder- 
holen, sexuelle  sind,  so  zwar,  dass  die  bauchige  kürzere  und  höhere 
Form  mit  voller  gerundetem  Vorderende  dem  $,  die  schlankere 
minder  bauchige  dem  $  zukommt. 

Die  Abbildung  Lamarcks  zeigt  uns  die  weibliche  Form  in  einem 
ausgewachsenen  Exemplar.  Es  ist  aber  zu  bemerken,  dass  diese 
Abbildung  in  Bezug  auf  den  hinteren  Theil  des  Dorsalrandes  ungenau 
ist.  Der  Dorsalrand  ist  an  dieser  Zeichnung  zu  weit  über  die  Li- 
gamentalbucht hinaus  verlängert,  mehr  als  es  meinen  Beobachtungen 
nach  je  vorkommt,  es  hätte  also  der  Winkel,  in  welchem  der  hintere 
Rand  mit  dem  dorsalen  zusammenstösst ,  etwas  weiter  nach  vorne 
gerückt  sein  müssen.  Eine  noch  schlechtere  Abbildung  existirt  in 
Cuviers  Regne  animal,  in  welcher  der  vordere  Theil  des  Dorsal- 
randes ganz  verzeichnet  ist.  Eine  gute  Abbildung  der  S  Form  gab 
Reeve  Fig.  18,  welche  aber  im  Texte  irrig  als  An.  gigantea  Lea  be- 
zeichnet ist.  Reeve  hat  dann  im  Index  und  bei  sp.  152  seinen 
Irrtimm  berichtigt,  was  Küster  (p.  236)  ganz  übersehen  hat.  — 

Die  5  Form  bildet  Reeve  als  Blainvilleana  und  rioplatensis  ab, 
und  daher  kommt  es,  dass  man  in  England  sowohl  wie  in  Deutsch- 
land in  Preislisten  der  Naturalienhandlungen  stets  An.  trapezialis 
als  Leila  Blainvilleana  angeführt  findet.  Aechte  Columba-Arten  sind 
grosse  Seltenheiten  und  nirgends  durch  Naturalienhandlungen  zu  er- 
langen. Von  der  ächten  Lea' sehen  Col. Blainvilleana  ist  die  Reeve'sche 
Leila  Blainvilleana  schon  in  der  Form  verschieden,  vor  Allem  aber 
natürlich  durch  den  Mangel  der  Mantelbucht,  welche  ja  für  Columba 
charakteristisch  ist.  Zwar  giebt  Reeve  ausdrücklich  die  Existenz 
der  Mantelbucht  an,  allein  was  er  als  solche  deutet,  ist  nur  eine 
leichte  Ausbuchtung  der  Mantellinie,   an  der  Stelle,   wo   sie  an  die 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaclen.  |  4  g 

• 
Narbe  des  hinteren  Schliessmuskels  herantritt.  So  kommt  es.  dass 
er  auch  An.  subsinuata  Sow.  eine  Mantelbucht  zuschreibt.  Reeve 
hat  die  ächte  Mantelbucht  von  Columba  offenbar  niemals  gesehen 
resp.  beachtet,  da  er  sie  bei  wirklichen  Columba-Arten,  wie  pulvinata 
z.  B.,  nicht  erwähnt.  Für  ihn  war  überhaupt  das  Klaffen  der  Schale 
das  Wesentliche  für  Leila,  während  doch  in  Wahrheit  dieses  Klaffen 
der  Schale  ausser  bei  Columba  auch  bei  sehr  vielen  Anodonten  und 
Unionen  Südamerikas  beobachtet  wird. 

Zu  An.  trapezialis  ziehe  ich  auch  An.  rioplatensis  Reeve.  Ich 
habe  ein  der  Reeve'schen  Abbildung  ziemlich  gleichendes  Exemplar 
von  An.  trapezialis  untersucht,  welches  von  d'Orbigny  im  Parana 
gesammelt  und  von  ihm  als  A.  exotica  var.  C  dem  Kopenhagener 
Museum  übermittelt  wurde.  Dasselbe  ist  147  mm  lang,  91  mm  hoch, 
63  mm  weit.  Der  Diameter  entspricht  43  Procent  der  Länge,  es  ist 
also  ein  sehr  bauchiges  Exemplar;  die  Höhe,  62  Procent  der  Länge 
entsprechend,  ist  geringer  als  an  dem  Reeve'schen  Exemplare,  wo 
sie  65  beträgt.  Die  übrigens  ziemlich  dünnschalige  Muschel  hat  gelb- 
grüne Epidermis,  blaues  in  roth  irisirendes  Perlmutter  und  ist  auf- 
fallend durch  die  geschwollenen  und  weit  nach  der  Mitte  gerückten 
Wirbel;  der  Umbonalindex  ist  49.  Der  Schlossrand  ist  ganz  gerade, 
auch  vorne  an  der  Ecke  des  Schildchens  nicht  erhoben,  wie  das  bei 
den  Amazonas-Exemplaren  der  Fall  zu  sein  pflegt.  Ob  es  angebracht 
ist,  diese  La  Plata-Form  von  den  Amazonas-Vertretern  als  var.  rio- 
platensis abzusondern  und  auf  welche  Momente  hin,  das  zu  ent- 
scheiden werden  erst  grössere  Serien  von  Exemplaren  vom  La  Plata 
gestatten. 

An.  trapezialis  erreicht  eine  sehr  bedeutende  Grösse.  Ich  erhielt 
ein  Exemplar,  aus  Ecuador  stammend,  von  Sowerby  zugesandt,  als 
,,An.  gigantea  Lea"  bezeichnet,  wohl  in  Folge  des  oben  erwähnten 
Versehens  von  Reeve,  welches  220  mm  lang  war  und  127  mm  hoch 

(=  56/100  d.  L.). 

An  sechs  von  mir  gemessenen  Exemplaren  von  An.  trapezialis 
beträgt  die  Höhe  60 — 64  Procent  der  Länge,  der  Diameter  37 — 43 
Procent  der  Länge.  Immer  ist  der  Wirbel  stark  angeschwollen,  ge- 
wölbt und  weit  nach  hinten  gerückt,  so  dass  also  der  präumbonale 
Theil  des  Dorsalrandes  sehr  lang  ist.  Der  Umbonalindex  variirt  von 
45 — 52,  nur  an  einem  sehr  kleinen  Exemplare  von  nur  41  mm  Länge 
war  er  grösser,  nämlich  60.  Es  rührt  dies  daher,  dass  bei  ganz 
jungen  Exemplaren  das  Ligament  noch  verhältnissmässig  sehr  kurz 
ist,  wodurch  die  vordere  Begrenzung  der  Ligamentalbucht  zu  einer 
sehr  langen,  in  spitzem  Winkel  gegen  den  mittleren  Theil  der  Schloss- 
leiste ziehenden  Linie  wird,  während  sie  im  Laufe  des  weiteren  Wachs- 
thumes  kürzer  wird  und  schliesslich  ziemlich  im  rechten  Winkel  die 
Schlossleiste  trifft.  Ich  habe  noch  nirgends  von  dieser  Entwicklung 
der  Ligamentalbucht  etwas  erwähnt  gefunden,  und  doch  ist  es  wichtig, 


150  Dr.  H.  von  Ihering:  Revision  der 

hierauf  zu  achten,  da  auch  bei  den  nahestehenden  Arten  das  gleiche 
Verhalten  zu  beobachten  ist  und  dieser  Umstand  mithin  zur  Alters- 
bestimmung gelegentlich  sehr  willkommen  sein  kann. 

Die  Lunula  ist  fast  immer  wohl  entwickelt,  oft  der  Länge  nach 
ausgehöhlt  mit  medianer  Trennungsleiste.  Die  Epidermis  ist  glatt 
und  ohne  jene  bei  A.  Forbesiana  und  Verwandten  so  häufigen  radiären 
Streifen  kurzer,  gebogener  und  verdickter  Erhebungen,  welche  ich 
im  Folgenden  Skalarstreifen  nennen  werde.  Auffallend  war  mir, 
dass  die  Wirbel  meist  intakt  sind,  oder  doch,  selbst  an  grossen 
Exemplaren  wenig  corrodirt.  Die  Wirbel  sind  nicht  nur  dadurch 
auffallend,  dass  sie  aufgeblasen,  gerundet  sind,  sondern  auch  durch 
die  fast  centrale  Lage  der  Wirbelspitze  bemerkenswerth,  namentlich 
im  Gegensätze  zu  manchen  der  verwandten  Arten,  bei  denen  sie 
excentrisch  liegt.  Wenig  entwickelt,  resp.  schmal  pflegt  der  perl- 
mutterlose Saum  der  Innenseite  zu  sein.  Der  klaffende  Spalt  der 
vorderen  Schalenhälfte  ist  sehr  weit,  in  der  Mitte  am  breitesten,  auch 
am  Hinterende  klaffen  die  Schalen. 


Anodonta  Hertwigii  sp.  n.  (Fig.  7) 

„An.  anserina  Spix"  Musei  Monachiensis  (nee  Spix  et  Wagner). 
An.  anserina  Küster  p.  80,  Taf.  20,  Fig.  1. 
Prov.  Bahia. 

Sehr  verbreitet  ist  als  Sammlungsname  jener  der  An.  anserina 
Spix.  Man  pflegt  damit  Formen  zu  benennen,  welche  der  An.  anserina 
Küster  oder  den  Lea'schen  Arten  Moricandii  und  Forbesiana  nahe 
stehen.  Der  Name  anserina  stammt  von  Spix,  welcher  p.  29,  Taf.  21, 
Fig.  1  und  2  unter  diesem  Namen  eine  von  Ega  stammende  Art  des 
Amazonas  beschreibt.  Das  Original  zu  dieser  Figur  scheint  im 
Münchener  Museum  nicht  mehr  zu  existiren.  Von  Spix'schen  Typen 
der  An.  anserina  lagen  mir  drei  Schalenhälften  vor,  die  verwittert 
und  durchlöchert,  offenbar  am  Ufer  aufgelesen  und  für  eine  genaue 
Untersuchung  nicht  ausreichend  sind.  Diese  drei  Schalen  gehören 
offenbar  ein  und  derselben  Spezies  an.  Die  corrodirten  Wirbel  sind 
massig  gewölbt,  nicht  aufgeblasen,  im  äusseren  Umfang  etwas  ab- 
geflacht, die  Wirbelspitze  liegt  excentrisch  nach  vorne  zu.  Die 
Schlossleiste  ist  gerade.  Am  vorderen  Ende  geht  der  Dorsalrand 
allmählich,  ohne  abgesetzte  Ecke  in  den  Vorderrand  über,  der  gleich- 
massig  gerundet  ist,  wie  es  die  beigegebene  Zeichnung  erkennen  lässt. 
An  dem  abgebildeten  Exemplare  ist  die  Länge  110,  die  Höhe  62  mm, 
was  einer  procentalen  Höhe  von  56  entspricht.  Die  Ligamentalbucht 
ist  hakenförmig  mit  nach  vorn  gerichteter  Spitze.  Der  Dorsalrand 
steigt  vom  Wirbel  aus  bis  über  die  Ligamentalbucht,  so  dass  er  über 
letzterer  sich  noch  ansteigend  gewölbt  erhebt,  ein  ziemlich  ab- 
weichendes eigenartiges  Verhalten.  Die  Schale  ist  massig  dick,  ihr 
perlmutterloser  Saum  ist  schmal,  das  Perlmutter  blau,  die  Epidermis 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  151 

olivengrün.  Besonders  bemerkenswert!!  ist  die  ziemlich  weit  nach 
vorn  gerückte  Lage  der  Wirbelspitze,  welche  an  dem  abgebildeten 
Exemplare  20  mm  vom  Vorderende  der  Schlossleiste,  37  mm  von  der 
Ligamentalbucht  entfernt  liegt,  was  einem  Umbonalindex  von  35 
entspricht. 

Vergleichen  wir  diese  Originale  mit  der  Abbildung  bei  Spix,  so 
haben  wir  u.  A.  folgende  Differenzen.  Die  procentale  Höhe  beträgt 
am  Originale  -  -  die  drei  Schalen  stimmen  unter  einander  gut  über- 
ein —  56,  an  der  Spix'schen  Zeichnung  60,  in  der  Spix' sehen  Be- 
schreibung 63.  Der  Umbonalindex  ist  bei  ersterem  35,  bei  letzterer  44, 
ein  Unterschied,  der  mir  denn  doch  zu  gross  erscheint,  um  ihn 
lediglich  auf  Rechnung  ungenauer  Zeichnung  setzen  zu  dürfen.  Auch 
ergiebt  die  Vergleichung  von  Text  und  Abbildung  bei  Spix  und 
Wagner,  dass  beide  übereinstimmen.  So  wird  z.  B.  die  scharf 
markirte  Ecke  des  Schildchens,  welche  die  Zeichnung  erkennen  lässt, 
im  Text  besonders  erwähnt,  —  wiederum  ein  Unterschied  den  von 
mir  untersuchten  Typen  gegenüber,  welcher  gegen  die  Zusammen- 
gehörigkeit dieser  Typen  und  der  Spix'schen  Abbildung  spricht.  In 
der  That  hat  auch  schon  Lea  (Vol.  X,  p.  33)  die  Meinung  aus- 
gesprochen, die  Abbildung  von  Spix  beziehe  sich  auf  ein  junges 
Exemplar  von  A.  trapezialis.  Sicherheit  lässt  sich  bei  dem  Mangel 
des  betr.  Originales  nicht  gewinnen,  und  es  wird  daher  am  besten 
sein,  die  A.  anserina  Spix  ganz  in  der  Literatur  untertauchen  zu 
lassen,  da  eben  Spix  und  Wagner  unter  A.  anserina  ebenso  Ver- 
schiedenartiges begriffen  zu  haben  scheinen,  wie  unter  der  Bezeich- 
nung An.  gigantea.  Was  dann  die  drei  losen,  von  Spix  gesammelten 
Schalen  „aus  Brasilien"  betrifft,  welche  sich  in  der  Münchener  Samm- 
lung unter  der  Bezeichnung  An.  anserina  Spix  befinden,  so  schlage 
ich  für  diese  Typen  den  Namen  der  An.  Hertwigii  vor,  sie  dem  be- 
rühmten dermaligen  Leiter  des  Münchener  Museums  widmend. 

Lea  hat  einige  als  anserina  Spix  von  Moricand  erhaltene 
Schalen  als  A.  Moricandii  beschrieben.  Die  angeführten  Unterschiede 
sind  recht  dürftig  und  bestehen,  abgesehen  von  untergeordneten 
Punkten,  als  olivengelbe  statt  dunkelgrüne  Epidermis,  dünne  und 
nicht  „solide"  Schale,  vor  Allem  in  der  Abplattung  der  Wirbel,  die 
nach  Spix  „ventricosi"  wären,  allein  dieser  Unterschied  verliert  an 
Bedeutung  durch  den  von  Lea  nicht  beachteten  Zusatz  „subdepressi". 
Immerhin  scheint  mir  Grund  genug  vorzuliegen,  um  A.  Moricandii 
Lea  als  gute  Art  gelten  zu  lassen,  denn  sie  ist  in  hohem  Grade  vor 
allen  verwandten  Arten  durch  die  eigenthümliche  Abplattung  der 
Seiten  ausgezeichnet;  sie  ist,  wie  Küster  bezw.  Clessin  sich  aus- 
drückt, im  horizontalen  Längsdurchschnitte  fast  cylindrisch,  indem 
nämlich  von  vorn  an  der  Diameter  so  rasch  zunimmt,  dass  er  schon 
in  der  Wirbelgegend  sein  Maximum  erreicht;  das  er  dann  auch,  von 
einer  hinter  den  Wirbeln  folgenden  Depression  abgesehen,  weithin 
behält.  Im  Gegensatze  dazu  nimmt  der  Diameter  bei  den  anderen 
verwandten  Formen  von  vorn  an  langsam  zu  und  erreicht  erst  weit 


152  Dr,  H.  von  Ihering:  Revision  der 

hinter  den  Wirbeln  seine  grösste  Ausdehnung,  so  dass  der  Längs- 
durchschnitt spindelförmig  oder  nahezu  eiförmig  wird.  An.  Moricandii 
Lea  scheint  auf  die  Provinz  Bahia  beschränkt  zu  sein. 

Die  eben  beschriebene  seitliche  Abplattung  von  A.  Moricandii 
unterscheidet  sie  leicht  von  A.  exotica  Lam.,  der  sie  in  der  Form 
nahe  steht.  Ich  besitze  die  ächte  An.  exotica  Lam.  in  vier  von  ver- 
schiedenen Theilen  des  Amazonas-Gebietes  stammenden  Exemplaren, 
die  sehr  unter  einander  übereinstimmen  und  eine  proc.  Höhe  von 
50 — 60  haben  und  einen  Diameter  von  29 — 32  Procenten  der  Länge. 
Es  ist  also  eine  abgeflachte,  wenig  bauchige  Art,  da  ja  der  Diameter 
bei  A.  trapezialis  37 — 43,  bei  A.  riograndensis  30 — 39  Procent  der 
Länge  misst.  Der  Umbonalindex  beträgt  an  meinen  Exemplaren  von 
exotica  35  —  43,  bei  der  Abbildung  von  Lamarck  41,  an  der  Ab- 
bildung der  sicher  hierher  gehörigen  An.  scripta  Fer.  bei  Reeve  37. 
Die  corrodirten  Wirbel  sind  zwar  etwas  abgeflacht,  aber  doch  hoch 
und  geräumig,  die  Wirbelspitze  liegt  excentrisch  nach  vorne.  Die 
Ecke  des  Schildchens  ist  stark  markirt,  erhoben,  die  Lunula  ent- 
wickelt, einfach.  Der  perlmutterlose  Randsaum  der  Schalen  ist  schmal. 
Die  Epidermis  ist  meist  mit  Skalarstreifen  versehen,  d.  h.  also  mit 
radiären  Strahlen  kurzer,  querer,  dicht  aufeinander  folgender,  er- 
hobener Verdickungen  der  Anwachsstreifen,  was  Lea  als  „epi dermis 
crimpled  with  festoons"  bezeichnet. 

Besonders  charakteristisch  finde  ich  nach  Untersuchung  meiner 
Exemplare  die  Form  des  vorderen  Klaffspaltes.  Während  bei  den 
anderen  klaffenden  Arten  der  Spalt  vom  vorderen  Theile  nach  der 
Mitte  desselben  hin  gleichmässig  zunimmt  und  dann  allmählig  wieder 
schmäler  wird,  ist  bei  A.  exotica  die  Mitte  des  Klaffspaltes  verengt, 
der  Spalt  also  davor  und  dahinter  etwas  weiter  als  an  der  Ver- 
engerungs-Stelle, welche  einer  seitlichen  Depression  der  Schale  ent- 
spricht. Ich  habe  dies  bei  keiner  anderen  Anodonta  wieder  getroffen. 
Ob  diese  Eigenthümlichkeit  sich  erst  bei  ausgewachsenen  Schalen 
voll  entwickelt,  oder  auch  schon  an  jungen  wahrnehmbar  ist,  bleibt 
noch  festzustellen.  Eine  weitere  Eigenthümlichkeit  dieser  Art  ist* 
die  Anwesenheit  schwärzlicher  Flecken  oder  Striche  im  Perlmutter, 
welche  sich  in  diesem  Mafse  bei  anderen  nahestehenden  Arten  nicht 
findet. 

Die  Zugehörigkeit  dieser  meiner  Exemplare  zur  A.  exotica  Lam. 
geht  hervor  aus  der  Vergleichung  derselben  mit  der  Abbildung  des 
Lamarck'schen  Originales  bei  Delessert,  Recueil  de  Coquilles  non 
figures  par  Lamarck  Paris  1841.  PI.  13,  Fig.  1.  Eine  minder  typische 
und  sicher  schlecht  gezeichnete  Form,  die  auch  hierher  gehört,  ist 
die  An.  exotica  von  Küster  p.  178,  Taf.  58,  Fig.  1  und  2.  Ein  Ver- 
gleich der  beiden  Abbildungen  der  Schale  von  der  Innen-  und  Aussen- 
seite,  sowie  von  Fig.  1  und  Fig.  2  ergiebt  klar,  dass  die  Wirbel- 
spitze in  der  Abbildung   der  Innenansicht  in  Fig.  1  um  8  —  10  mm 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  ]  53 

zu  weit  nach  hinten  verzeichnet  ist,  wodurch  der  Wirbel  eine  fast 
centrale  Lage  bekommt,  die  er  nach  Fig.  2  nicht  hat.  Uebrigens 
ist  dieses  Exemplar  auch  sonst,  z.  B.  in  der  geringen  Entwicklung 
der  Ecke  des  Schildchens  minder  typisch.  —  Ebenfalls  hierher  ziehe 
ich  die  An.  areolata  (Sow.)  Reeve. 

Es  ist  nach  dieser  Darstellung  klar,  wie  verkehrt  es  wäre,  nur 
nach  dem  Horizontalumrisse  der  Schalen  urtheilend,  alle  in  der 
äusseren  Form  einigerrnassen  ähnlichen  Schalen  der  A.  exotica  Lam. 
zuzuschreiben.  Was  ich  als  A.  exotica  von  d'Orbigny  u.  A.  vom  La 
Plata  bezeichnet  sah,  gehörte  ebenso  wie  A.  exotica  Reeve  zur  Gruppe 
der  A.  Forbesiana  und  riograndensis.  Die  ächte  A.  exotica  Lam. 
scheint  auf  das  Amazonas-Gebiet  beschränkt  zu  sein. 

Die  A.  Hertwigii  ist  ihrer  Herkunft  nach  nicht  sicher  bekannt, 
ich  denke  aber,  dass  sie  aus  der  Bahia- Gegend  stammt,  weil  die 
Originale  nicht  als  vom  Amazonas  herrührend  bezeichnet  sind,  und 
weil  ich  vom  Amazonas  bisher  nur  A.  trapezialis  und  exotica  sah. 
Dagegen  kennen  wir  aus  der  Provinz  Bahia  eine  der  A.  Hertwigii 
sehr  nahestehende  Form,  ich  meine  die  A.  anserina  Küst.  Die  Ab- 
bildung bei  Küster  Taf.  20,  Fig.  1  zeigt  uns  eine  der  A.  Hertwigii 
ähnliche  Schale,  die  nur  etwas  schlanker  ist,  mit  kleinerem  Umbonal- 
index  (30  gegen  35  am  Spix' sehen  Originale),  noch  etwas  stärker 
aufsteigendem  Dorsalrande  und  gewölbtem,  nicht  vor  der  Mitte  ein- 
gebuchtetem Ventralrande.  Vielleicht  entsprechen  diese  Differenzen 
sexuellen  Unterschieden  und  wird  dann  wohl  auch  hier  die  Ein- 
buchtung des  Ventralrandes  das  $  kennzeichnen.  Ich  muss  daher 
A.  anserina  Küst.  als  synonym  zu  A.  Hertwigii  ziehen,  das  Verhältniss 
beider  zu  einander  wie  zu  der  nahestehenden  A.  Moricandii  mit 
gerader  Schlossleiste,  wird  aber  erst  zu  entscheiden  sein,  wenn 
grössere  Serien  von  Exemplaren  dieser  Arten  zum  Studium  vorliegen. 
Erst  wenn  wir  die  Variationsgrenzen  und  die  sexuellen  Unterschiede 
für  diese  und  alle  nahestehenden  Arten  kennen,  wird  man  ihr  Ver- 
hältniss zu  einander  richtig  beurtheilen  können.  Bei  dem  jetzigen 
ungenügenden  Stande  unserer  Kenntnisse  kann  es  sich  nur  darum 
handeln  provisorisch  Ordnung  zu  machen  und  die  richtige  Frage- 
stellung vorzunehmen.  Erst  die  Zukunft  kann  Antwort  und  Gewiss- 
heit bringen. 

Eine  andere  bisher  nur  von  Bahia  bekannte  Art  dieser  Gruppe 
ist  A.  bahiensis  Küster  (1.  c.  p.  94,  Taf.  20,  Fig.  2).  Dieselbe  ist  charak- 
terisirt  durch  die  massig  gewölbten  Wirbel  mit  centraler  Lage  der 
Spitze.  Hierin  schliesst  sich  diese  Art  an  A.  trapezialis  an,  von  der 
sie  sich  aber  ausser  in  Grösse,  Dickschaligkeit  und  Perlmutter  auch 
durch  geringeren  Diameter  und  geringere  Höhe  unterscheidet.  Ich 
ziehe  dahin  zwei  Exemplare  meiner  Sammlung,  welche  aber  ein 
spitzeres  Hintertheil  haben  und  keinen  gebuchteten  Ventralrand.  Da 
sie    zugleich    sehr  wenig   bauchig  sind  —   Diameter  von   34/ioo    bei 


154  Dr.  H.  von  Ihering:   Revision  der 

beiden  — ,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  sie  als  3  zu  der  von  Küster 
abgebildeten,  wohl  weiblichen  Form  gehören.  Ein  mit  der  Küster'- 
schen  Abbildung  und  Beschreibung  noch  besser  stimmendes  wohl  ? 
Exemplar  befindet  sich  in  der  Münchener  Sammlung  als  A.  anserina 
Spix  aus  dem  „Pitricoflusse"  (ein  Fluss  dieses  Namens  ist  mir  un- 
bekannt). Dasselbe  misst:  L.  101,  H.  55,  D.  37,  hat  also  einen  proc. 
Diameter  von  37  gegen  34  bei  meinen  Exemplaren.  Dasselbe  hat 
einen  Umbonalindex  von  43,  während  das  Küster'sche  Exemplar  ihn 
der  Abbildung  nach  zu  41  haben  dürfte,  gegen  46  und  47  bei  meinen 
beiden  Exemplaren.  Vermuthlich  variiren  also  die  Schalen  nach  den 
Fundorten  ein  wenig  in  der  Wirbellage. 

Bei  allen  Exemplaren  von  A.  bahiensis  ist  die  Lunula  wohl  ent- 
wickelt, oft  durch  eine  mittlere  Leiste  getheilt.  Die  Epidermis  ist 
sehr  glatt  und  glänzend,  ohne  Skalarstreifen.  Die  massig  aufge- 
blasenen Wirbel  sind  fast  immer  intakt,  nicht  corrodirt.  Der  perl- 
mutterlose Saum  ist  schmal,  bei  allen  ist  das  Perlmutter  in  der  Mitte 
und  unter  den  Wirbeln  lachsfarben,  doch  stellt  sich  diese  Färbung 
wohl  erst  mit  dem  Alter  ein,  da  sie  nur  dem  kleinsten  jüngsten 
Exemplare  fehlt.  Die  Schale  ist  fest,  nicht  dünnschalig,  gelblich 
olivengrün,  am  Rande  bräunlich.  Es  scheint  mir  das  eine  sehr  gut 
charakterisirte  Art  zu  sein,  über  deren  sexuelle  und  lokale  Varietäten 
natürlich  weitere  Untersuchungen  nöthig  sind.  Das  kleinere  Exemplar 
erhielt  ich  von  Sowerby  als  undulata  Lam.,  doch  ist  eine  solche 
Art  nie  von  Lamarck  beschrieben  worden,  A.  undulata  Say  ist  eine 
andere,  nordamerikanische  Art. 

Eine  letzte  Art  endlich  aus  der  ,,anserina"-Gruppe  ist  die  Form, 
welche  wir  in  Rio  Grande  do  Sul  und  dem  La  Plata- Gebiete  an- 
treffen und  welche  ich  An.  riograndensis  sp.  n.  nenne.  Dieselbe  ist 
im  Allgemeinen  ziemlich  variabel,  zumal  dünnschalige  und  dickschalige 
Formen  scheinen  je  nach  den  lokalen  Fundorts-Bedingungen  ziemlich 
zu  wechseln,  indem,  wie  es  bisher  scheint,  in  ruhigeren  geschützteren 
Gewässern  die  Schalen  dünner  bleiben  als  in  lebhaft  bewegtem  Wasser. 
Ich  werde  an  anderer  Stelle  auf  diese  riograndenser  Art  näher  ein- 
gehen. Hier  sei  nur  so  viel  bemerkt,  dass  wir  neben  einander  zwei 
überaus  verschiedene  Formen  treffen,  von  denen  ich  vorläufig  die 
schlankere  als  S  in  Anspruch  nehme;  ich  hoffe  bald  in  der  Lage 
zu  sein,  die  bez.  sexuellen  Differenzen  feststellen  zu  können.  Die 
schlankere  Form  hat  eine  proz.  Höhe  von  49—53,  die  bauchige  von 
55—57,  während  der  Diameter  bei  der  schlankeren  Form  30 — 33, 
bei  der  bauchigen  34—39  Procent  der  Länge  beträgt.  Der  Umbonal- 
index schwankt  zwischen  34  -  43,  d.  h.  bei  ausgewachsenen  und  halb- 
wüchsigen Exemplaren;  bei  kleineren  von  nur  30 — 50  mm  Länge  ist 
er  beträchtlich  höher,  53 — 55  nämlich,  weil  da  die  Ligamentalbucht 
grösser  und  flacher  ist,  resp.  weiter  nach  vorne  hin  reicht.  Die 
corrodirten  Wirbel  sind  immer  flach,  abgeplattet  mit  weit  nach  vorne 
gerückter  Wirbelspitze.  Lunula  bald  vorhanden,  schmal  und  einfach, 
bald  fehlend,   die  Ecke  des   Schildchens   meist  nicht  erhoben.     Ich 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  155 

besitze  ein  $  Exemplar,  welches  so  hoch  und  bauchig  ist  und  auch 
in  der  Beschaffenheit  des  Wirbels  so  sehr  an  A.  trapezialis  erinnert, 
dass  ich  hätte  versucht  sein  können,  es  dieser  Art  zuzuschreiben, 
wenn  nicht  die  zugehörigen  übrigen  Exemplare  eines  Besseren  mich 
belehrten. 

Im  Gegensatze  zu  A.  Hertwigii  steigt  bei  A.  riograndensis  der 
Dorsalrand  nicht  nach  hinten  an,  sondern  ist  im  hinteren  Theile 
gerade,  während  der  vordere  Theil  in  der  Regel  nach  vorn  und  unten 
hin  sich  schief  hinabsenkt.  Dieser  letztere  Umstand,  der  nur  selten 
und  bei  S  eher  als  bei  $  vermisst  wird,  giebt  der  Schale  einen  ihrer 
charakteristischen  Züge.  Er  findet  sich  genau  in  gleicher  Weise  an 
den  Schalen,  die  ich  vom  Uruguay  und  aus  Montevideo  erhielt.  Der 
perlmutterlose  Saum  ist  massig  breit,  die  Epidermis  ist  fast  immer 
mit  Skalarstreifen  versehen.  Das  bläuliche  Perlmutter  zeigt  zuweilen 
unter  den  Wirbeln  Neigung  lachsfarben  zu  werden ;  an  den  Elxemplaren 
von  Montevideo  ist  es  glänzend  porzellanweiss. 

Unter  den  vom  Uruguay  resp.  einem  Nebenflusse  desselben 
stammenden  Exemplaren  befindet  sich  eines,  welches  ausserordentlich 
dickschalig  ist  und  vollkommen  mit  der  Abbildung  von  A.  Susannae 
(Griff.)  Reeve  stimmt.  Es  liegt  mir  nur  eine,  die  linke  Schalen- 
hälfte  vor,  die  104  mm  lang ,  58  mm  hoch  ist  und  einem  Diameter 
von  44  mm  durch  Verdoppelung  des  halben  Diameter  entspricht. 
Es  sind  also  die  proz.  Höhe  56,  der  proc.  Diam.  42.  Der  Umbonal- 
index  beträgt  40.  Die  Schale  fällt  auf  durch  die  besondere  Schwere; 
zumal  in  der  Gegend  des  vorderen  Klaffspaltes,  ist  die  Substanz 
derselben  sehr  verdickt  und  an  dieser  Stelle  ist  auch  der  perlmutter- 
lose Saum  besonders  breit.  Das  weisse  Perlmutter  ist  in  der  Rand- 
zone bläulich,  etwas  röthlich  irisirend.  Am  meisten  auffallend  ist 
mir  der  Umstand,  dass  der  hintere  Rand  nicht  ausgebuchtet  ist,  die 
Schale  hier  also  nicht  oder  kaum  klaffend  gewesen  sein  kann.  Auch 
Reeve  sagt  von  der  An.  Susannae,  die  auch  er  vom  Rio  de  la  Plata 
hatte  „latere  postico  paulo  hiante."  Jedenfalls  stammt  das  vor- 
liegende Exemplar  wie  die  überaus  angefressene,  stellenweise  bis  auf 
das  Perlmutter  corrodirte  Schale  zeigt,  aus  stark  fliessendem  Wasser. 
Sehr  ähnliche  Schalen  besitze  ich  auch  von  An.  Wymanni  Lea  aus 
Rio  Grande,  mit  der  auch  die  schmälere,  zugespitzte,  nach  vorn  ge- 
richtete Form  der  Ligamentalbucht  stimmt.  Ich  stelle  demnach 
A.  Susannae,  die  wahrscheinlich  nur  auf  ein  älteres  Exemplar  von 
A.  Wymanni  gegründet  ist,  zur  Latomarginata-Gruppe,  möglich,  dass 
die  mir  unbekannte  A.  crassa  Swains.  auch  dazu  gehört.  Dagegen 
dürfte  A.  sinuosa  Reeve  wohl  zu  A.  riograndensis  gehören. 

Die  meist  dickschaligen  Vertreter  der  A.  anserina- Gruppe  des 
La  Plata  wurden  von  d'Orbigny  irriger  Weise  zu  A.  exotica  ge- 
zogen, wogegen  Lea  für  sie  die  A.  Forbesiana  aufstellte.  Merk- 
würdiger Weise  nun  zeigten  sämmtliche  Exemplare,  welche  Lea  aus 


156  Dr.  H.  von  Ihering:  Revision  der 

dem  Uruguay  erhielt,  eine  ganz  abnorme  Form  des  quer  abgestutzten 
Hinterendes,  welches,  wie  aus  der  Abbildung  hervorgeht  und  auch 
von  Lea  angegeben  wird,  offenbar  bei  Lebzeiten  des  Muschelthieres 
durch  den  Biss  eines  Raubthieres  den  hinteren  schnabelförmigen 
Fortsatz  verloren  hatte.  Ich  kann  daher  nicht  beurtheilen,  wie  die 
unverletzte  Schale  aussehen  und  ob  sie  mit  meinen  Exemplaren  vom 
Uruguay  übereinstimmen  wird.  Sicher  scheint  mir  das  nicht,  weil 
die  Lea' sehe  Abbildung  die  Schlossleiste  ganz  gerade  und  vorn  nicht 
herabgesenkt  zeigt  und  ein  schmäleres  längeres  Vordertheil  erkennen 
lässt.  Ein  ähnliches  Verhalten  finde  ich  an  einem  meiner  Montevideo- 
Exemplare,  welches  wohl  als  S  in  Anspruch  zu  nehmen  ist.  Dass 
A.  Forbesiana  einen  grösseren  Diameter  aufweist  als  A.  riograndensis, 
erklärt  sich  aus  der  Verkürzung  des  verstümmelten  Hinterendes. 
Ein  nur  10  mm  grösseres  Mals  der  Länge  würde  schon  einen  proc. 
Dianieter  von  43  geben,  was  freilich  immer  noch  höher  wäre,  als 
ich  es  bei  riograndensis  beobachtet.  Der  Umbonalindex  von  A.  For- 
besiana ist  48  gegen  43  als  Maximum  bei  riograndensis,  alles  Gründe, 
die  gegen  eine  Vereinigung  beider  Arten  sprechen. 

Ich  muss  es  daher  bis  zur  Erlangung  reichlicheren  Unter- 
suchungs- Materials  vom  Uruguay  unentschieden  lassen,  ob  unsere 
Rio  Grande  do  Sul-Exemplare  einer  anderen  Art  zugehören  als  For- 
besiana oder  doch  mit  ihr  zu  vereinigen  wären.  Sicher  ist  nur,  dass 
ich  von  Montevideo  und  von  Nebenflüssen  des  Uruguay  Exemplare 
besitze,  welche  mit  A.  riograndensis  übereinstimmen.  Ob  dann 
A.  Forbesiana  durch  Verstümmelung  aus  dieser  Form  oder  aus  einer 
anderen  nahestehenden  Species  entstanden  ist,  werden  erst  künftige 
Untersuchungen  lehren  können.  Bis  dahin  mag  die  Bezeichnung 
A.  riograndensis  um  so  eher  bestehen,  als  auch  die  Stellung  der 
An.  exotica  (Gray)  Reeve  vom  La  Plata  noch  festzustellen  ist.  Mög- 
lich, dass  aus  ihr  die  verstümmelte  A.  Forbesiana  hervorgeht.  Die- 
selbe ist  durch  fast  geraden  Ventralrand  und  sehr  zugespitztes,  weit 
nach  unten  gerücktes  Hinterende  ausgezeichnet.  Es  ist  übrigens 
schwer  möglich,  sich  eine  intakte  Form  von  A.  Forbesiana  vorzu- 
stellen, aus  welcher  durch  einen  relativ  geringfügigen  Eingriff  ein 
so  steil  abfallender  Hinterrand  erzeugt  werden  könnte,  wie  ihn  Lea's 
Figuren  zeigen.  Die  Ansicht  der  geschlossenen  Schale  lässt  einen 
Defekt  von  ca.  1  cm  vermuthen,  während  ein  so  geringfügiger  Verlust 
aus  keiner  mir  bekannten  Anodonta  des  La  Platagebietes  einen  schon 
gleich  hinter  der  Ligamentalbucht  steil  abfallenden  Hinterrand  zu 
Stande  bringen  könnte.  Ich  bin  übrigens  auch  nicht  im  Stande  die 
Lea'sche  Abbildung  der  geschlossenen  Schale  genau  mit  jener  der 
Innenansicht  in  Uebereinstimmung  zu  bringen. 

Diesen  Zweifeln  gegenüber  ziehe  ich  es  wie  gesagt  vor,  die  genau 
untersuchten  riograndenser  Formen  und  die  ähnlichen  des  La  Plata 
so  lange  unter  einer  besonderen  Bezeichnung  aufzuführen,  bis  reich- 
licheres Material  eine  Entscheidung  über  ihre  etwaige  Zugehörigkeit 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  157 

zu  A.  Forbesiana  gestattet.  A.  riograndensis  und  Forbesiana  sind 
nur  aus  Rio  Grande  und  dem  La  Platagebiete  bekannt.  Zur  Er- 
leichterung der  Bestimmung  gebe  ich  folgenden  Schlüssel  für  die 
ganze  Gruppe. 


Schlüssel  zur  Bestimmung  der  grossen  vorn  und  hinten 
klaffenden  Anodonten  Südamerikas. 

Schale  dünn  oder  solid,  nie  sehr  verdickt,  am  vorderen  Ventral- 
rande stark,  am  oberen  Theile  des  Hinterrandes  massig  klaffend. 
Ligamentalbucht  plump,  breit.  Haftmuskeln  der  Wirbelhöhle  gut 
entwickelt. 

A.  Wirbel   aufgeblasen,  Wirbelspitze   central  gelegen; 
Skalarstreifen  fehlen. 

a)  Höhe  über  6%oo  der  Länge.  Sehr  bauchig.  Perlmutter  weiss 
oder  bläulich.     Diam.  37 — 43,  Umbonalindex  45 —  52. 

A.  trapezialis  Lam. 

b)  Höhe  unter  60/i,)0  der  Länge.  Massig  oder  wenig  bauchig.  Perl- 
mutter in  der  Wirbelgegend  lachsfarben.  Höhe  53 — 56,  Diam. 
34 — 37,  Umbonalindex  41 — 47      .     .     .     A.  bahiensis  Küst. 

B.    Wirbel   abgeflacht,   Wirbelspitze    excentrisch  gelagert 
nach  vorn  gerückt;  Skalarstreifen  oft  vorhanden. 

a)  Längsdurchschnitt  cylindrisch,  schon  in  der  Wirbelgegend  die 
grösste  Ausdehnung  des  Diameter  erreichend.  Höhe  49 ( — 52), 
Diam.  27,  Umbonalindex  37    ....     A.  Moricandii  Lea. 

b)  Längsdurchschnitt  mehr  oder  minder  spindelförmig,  grösster 
Diameter  weit  hinter  den  Wirbeln  gelegen. 

aa)  Wenig  bauchig,  Diameter  unter  34. 

1.  Dorsalrand  nach  hinten  ansteigend,  Ecke  des  Schildchens 
gerundet,  Höhe  56,  Umbonalindex  30 — 35. 

A.  Hertwigii  v.  Ih 

2.  Dorsalrand  leicht  geschwungen,  Schildchenecke  nach  vorn 
erhoben,  ventraler  Klaffspalt  in  der  Mitte  verengert. 
Höhe  50—57,  Diam.  29—32,  Umbonalindex  34  —  43. 

A.  exotica  Lam. 

3.  Schlossleiste  kurz.  Perlmutterloser  Saum  breit,  besonders 
am  Hinterende  der  Schale.  Höhe  51,  Diam.  29,  Um- 
bonalindex 47      . A.  radiata  Spix. 

bb)  Ziemlich    bauchige  Formen,    Diameter    in  der  Regel  weit 
über  34. 


158  r>r-  H-  von  Ihering:  Revision  der 

1.  Schlossleiste  nicht  gerade,  vorn  herabgesenkt.  Höhe 
beim  3  49—53,  beim  ?  55  —  57,  Diam.  30  —  33  beim  <£, 
34—39  beim  ?,  Umbonalindex  34—43. 

A.  riograndensis  v.  Ih. 

2.  Dorsalrand  gerade,  Hintertheil  verkürzt  und  abgestutzt 
(verletzt)  Höhe  58,  Diam.  46,  Umbonalindex  48. 

A.  Forbesiana  Lea. 


Für  die  nördlich  des  Amazonas  gelegenen  Gebiete  fehlt  es  mir 
an  Material,  um  sie  in  diese  Uebersicht  aufzunehmen. 


Anodonta  radiata  Spix. 

Spix  1.  c.  p.  31,  Taf.  23,  Fig.  1. 
Provinz  Minas. 

Die  Beschreibung  und  Abbildung  bei  Spix  ist  zwar  richtig, 
trotzdem  aber  liegt  die,  wie  es  scheint,  seit  d'Orbignys  Vorgang 
allgemein  vorgekommene  Verwechslung  mit  den  Arten  der  variabeln 
„An.  anserina-Gruppe"  Spix  nahe.  Aus  der  folgenden  Beschreibung 
und  Erörterung  ergiebt  sich  aber,  dass  An.  radiata  wesentlich  und 
constant  von  ihr  verschieden  ist. 

Es  lagen  mir  zahlreiche  Exemplare  vor,  alle  wie  es  scheint  un- 
ausgewachsen,  die  meisten  noch  klein,  alle  ziemlich  dünnschalig. 
Das  hier  beschriebene  Exemplar  misst  70  mm  in  der  Länge,  36  mm 
in  der  Höhe,  20  mm  im  Durchmesser.  Es  ist  also  die  proc.  Höhe  51, 
der  proc.  Diameter  29.  Ueber  die  Form,  die  genau  zur  Zeichnung 
bei  Spix  stimmt,  habe  ich  nichts  weiter  zu  bemerken.  Die  Epidermis 
ist  hellgrün  mit  dunkleren  radiären  Streifen  und  blauschwarzer  Fär- 
bung des  Schildes,  auf  welchem  tiefe  radiär  laufende  Furchen  ein- 
gedrückt sind.  Auch  die  Furchen  der  Anwachsstreifen  sind  tief. 
Die  Schale  klafft  vorne  und  hinten.  Der  Wirbel  klein,  wenig  ge- 
schwollen. Die  Schlossleiste  ist  sehr  kurz.  Sie  misst  vom  vorderen 
Ende  des  Dorsalrandes,  welches  sich  im  stumpfen  Winkel  gegen  den 
Vorderrand  absetzt,  bis  zum  Beginn  der  Ligamentalbucht  30  mm, 
was  also  43  Procent  der  Länge  entspricht.  Die  Entfernung  des 
Wirbels  vom  Vorderende  des  Dorsalrandes  ist  14  mm,  so  dass  also 
der  Umbonalindex  47  beträgt,  d.  h.  der  Wirbel  fast  in  der  Mitte  der 
Schlossleiste  liegt.  Zum  Theil  rührt  diese  auffallende  Kürze  der 
Schlossleiste  von  der,  bei  allen  Exemplaren  konstanten,  abweichenden 
Form  der  Ligamentalbucht  her,  welche  auch  nach  vorn  hin  ganz 
allmählig  verstreicht.  Gewöhnlich  d.  h.  bei  der  Mehrzahl  der  übrigen 
südamerikanischen  Anodonten  bildet  die  Ligamentalbucht  einen  scharf 
nach  dem  Innern  der  Schale  vorspringenden  Winkel,  dessen  hintere 
Grenzlinie  mit  dem  Dorsalrand  einen  spitzen  Winkel  bildet,  indessen 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  159 

die  vordere  Grenzlinie  sich  meist  senkrecht  von  der  Schlossleiste  ab- 
setzt, während  sie  hier  einen  stumpfen  Winkel  mit  ihr  bildet,  so 
dass  die  Ligamentalbucht  nicht  als  ein  rechtwinkliges,  sondern  als 
gleichschenkeliges  niedriges  Dreieck  sich  präsentirt,  wie  übrigens  auch 
bei  jungen  von  A.  riograndensis.  Vielleicht  verschwindet  dieser 
Charakter  auch  bei  An.  radiata  wie  bei  An.  riograndensis  mit  dem 
Alter,  allein  es  ist  jedenfalls  auffallend,  ihn  hier  noch  bei  Exemplaren 
von  70  mm  Länge  erhalten  zu  sehen. 

Die  Lunula  ist  klein  und  schmal.  Das  Perlmutter  ist  blau, 
lässt  aber  gegen  den  Rand  einen  breiten  Saum  von  grünlicher  Fär- 
bung frei.  Dieser  perlmutterlose  Saum  beträgt  vorn  und  hinten  je 
V2,  am  Ventralrande  etwas  mehr  als  l/s  des  nach  aussen  von  der 
Mantellinie  liegenden  Schalen-Theiles.  Neben  der  vorderen  Adductor- 
Narbe,  nach  innen  von  ihrem  unteren  Ende  liegt  der  Eindruck  des 
vorderen  Retractor.  Der  hintere  Adductor  ist  seiner  Narbe  nach 
relativ  klein,  mit  kurzem  oberem,  dem  hinteren  Retractor  ent- 
sprechendem Fortsatze;  er  ist  kaum  nennenswerth  grösser  als  der 
vordere,  und  liegt  ausserdem  sehr  weit  vom  Hinterrande  entfernt. 
Wenn  man  ungefähr  dem  Dorsalrande  parallel  durch  die  Mitte  der 
hinteren  Adductornarbe  eine  Linie  zieht,  so  ist  an  dieser  bei  An. 
riograndensis  der  Abstand  des  Hinterrandes  vom  Adductor  kleiner 
als  dessen  Durchmesser,  während  hier  umgekehrt  die  Adductorbreite 
bedeutend  geringer  ist  als  jene  des  Abstandes  vom  Hinterrande. 
Es  ist  mir  keine  andere  Anodonta  dieser  Gruppe  bekannt,  die  ebenso 
breiten  perlmutterlosen  Saum  hätte,  der  zumal  am  Hinterende 
excessiv  breit  ist. 

Die  übrigen  Exemplare  stimmen  alle  gut  mit  diesem  überein, 
so  auch,  was  den  perlmutterlosen  Saum,  die  Abflachung  der  Ligamen- 
talbucht, die  weit  vom  Hinterrande  abgerückte  Lage  der  hinteren 
Adductornarbe,  die  Kürze  der  Schlossleiste  und  die  Lage  des  Wirbels 
betrifft,  d.  h.  also  in  allen  jenen  Merkmalen,  welche  diese  Art  cha- 
rakterisiren. 

Da  wir  ausgewachsene  Exemplare  dieser  Art  noch  nicht  kennen, 
so  bleibt  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  sie  sich  späterhin 
als  zu  einer  der  beschriebenen  gehörig  erweisen  werde,  doch  hat 
auch  Lea,  welcher  diese  Art  besass,  sie  in  seiner  Synopsis  als  gute 
Species  anerkannt. 


Aiiodonta  obtusa  Spix. 

Anodon  obtusus  Spix  1.  c.  p.  30,  Taf.  22,  Fig.  3. 

An.  lituratum  Spix  (juv.)  ibid.  Taf.  22,  Fig.  4. 

Anodonta  obtusa  Moricand,  Mem  soc,  phys.  Geneve  VIII  1839  p.  147. 

An.  obtusa  Hupe  1.  c.  p.  86. 


160  Dr.  H.  von  Ihering:  Revision  der 

An.  liturata  Hupe  I.e.    p.  87,  PI.  XVII,  Fig.  4. 

An.  obtusa    Küster    p.  8,    Taf.  II,    Fig.  3  und  4  (litturata);  p.  170, 

Taf.  56,  Fig.  1  und  2  (obtusa). 
An.  litturata  Reeve  Fig.  78  (Copie  nach  Hupe). 

Es  lagen  mir  von  dieser  ziemlich  variabeln  Art  ein  schönes 
completes  Exemplar  und  eine  halbe  (rechte)  Schale  von  einem  halb- 
wüchsigen Thiere  vor.  Die  letztere  ist  an  den  Anwachsstreifen  noch 
mit  zahlreichen,  erst  wenig  abgestossenen  und  leicht  gekräuselten 
Epidermislamellen  versehen,  ein  Zeichen  der  Jugend.  Dieses  Exemplar 
weist  nach  aussen  wie  innen  die  schwarzen  Zickzackstreifen  auf, 
die,  wie  Wagner  richtig  bemerkte,  den  jungen  von  Spix  für  eine 
besondere  Art  (liturata)  gehaltenen  Exemplaren  zukommen.  Am 
Schild  hat  diese  Schale  zwei  stärkere,  oben  dickere  schwarze  Streifen 
und  darunter  folgen  auf  der  gerundeten  Umbonalseite  vier  schwächere. 
Die  Schale  ist  kräftig,  aber  nicht  dick,  die  Epidermis  blass  gelbgrün, 
das  Perlmutter  matt  bläulich. 

Das  grosse  Exemplar  ist  53  mm  lang,  35  mm  hoch,  25  mm  dick. 
Die  Epidermis  ist  blass  graubraun,  stellenweise  grün  oder  oliven- 
farben.  Ausser  den  bei  dem  vorigen  Exemplare  erwähnten  dunklen 
Linien  des  Hintertheiles ,  die  hier  aber  weniger  ausgeprägt  sind, 
existiren  noch  zahlreiche  blassbraune,  die  radiär  vom  Wirbel  aus- 
strahlen, wie  es  die  Spix'sche  Abbildung  zeigt.  Die  Wirbel  sind 
ziemlich  gewölbt,  die  Lunula  ist  lang  und  schmal,  in  scharfer  Spitze 
endend.  Die  feine  Schlossleiste  ist  leicht  gebogen,  gegen  die  Liga- 
mentalbucht etwas  herabgesenkt,  d.  h.  in  Bezug  auf  die  Verlängerung 
einer  durch  den  vorderen  Theil  des  Dorsalrandes  gelegten  Linie. 
Die  grösste  Höhe  liegt  gegen  das  Ende  des  zweiten  Drittels  der 
Länge,  etwas  vor  der  Ligamentalbucht.  Der  Vorderrand  ist  von  der 
Ecke  der  Lunula  aus  noch  etwas  nach  vorne  vorgewölbt,  und  ebenso 
wie  der  vordere  Theil  des  Ventralrandes  gewölbt,  nicht  eingezogen. 
Auffallend  klein  ist  die  Ligamentalbucht,  deren  vordere  Grenzlinie 
kurz  ist  und  rechtwinklig  zur  Schlossleiste  steht.  Die  hintere  Ad- 
ductor-Narbe  steht  ziemlich  weit  ab  vom  Hinterrande,  die  Mantel- 
linie fällt  von  ihm  aus  zuerst  steil  nach  unten  ab,  ehe  sie  in  den 
ventralen  Theil  nach  vorne  umbiegt.  Das  Perlmutter  ist  blau,  der 
perlmutterlose  Saum  ist  breit,  gelblich,  er  nimmt  von  dem  nach 
aussen  von  der  Mantellinie  gelegenen  Theile  der  Schale  ll3,  an  einer 
Stelle  des  Ventralrandes  zwischen  erstem  und  zweitem  Drittel  der 
Schalenlänge  sogar  die  Hälfte  ein.  Bei  der  zuerst  besprochenen 
Schale  ist  der  perlmutterlose  Saum  fast  durchgängig  von  halber  Breite 
des  marginalen  Schalentheiles.     Die  Schale  klafft  nicht. 

Ausser  diesen  Exemplaren  befindet  sich  in  der  Münchener  Samm- 
lung noch  eine  von  Hohenacker  in  Esslingen  1854  erworbene  Schale. 
Dieselbe  ist  in  der  Form  von  der  vorigen  insofern  etwas  abweichend, 
als  das  Vordertheil  etwas  länger  und  spitzer,  der  Ventralrand  in 
seiner  vorderen  Hälfte  nicht  gewölbt,  sondern  wie  abgestutzt,  etwas 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  161 

eingezogen  und  der  Wirbel  kleiner  minder  gewölbt  ist.  In  der  etwas 
geschwungenen  Form  der  Schlossleiste  und  der  kleinen  Ligamental- 
bucht  stimmt  dieses  Exemplar  zu  dem  Spix'schen  Typus,  von  dem 
es  sich  aber  durch  die  schöne  dunkle  kastanienbraune,  mit  schwarzen 
Radiärlinien  gezeichnete  Färbung  der  Epidermis  unterscheidet.  Das 
Perlmutter  ist  blau,  in  der  Mitte  etwas  lachsfarben  schillernd,  mit 
ganz  schmalem  perlmutterlosem  Rande  von  dunkel  horngrauer  Farbe. 
Dieser  letztere  Umstand  in  Verbindung  mit  den  anderen  erwähnten 
Differenzen  in  Form  und  Farbe  bestimmt  mich,  diese  Form  als  Ver- 
treterin einer  besonderen  Varietät,  die  ich  var.  Hohenackeri  nenne, 
zu  betrachten. 

Dieser  Varietas  ähnlich  sind  Exemplare,  die  ich  durch  Dr.  Dohrn 
vom  Mucury  besitze,  die  aber  in  der  Form  etwas  abweichend,  zumal 
nach  hinten  hin  höher  sind  und  einen  in  der  Farbe  übereinstimmen- 
den,  aber  breiteren  perlmutterlosen  Rand  besitzen. 

Es  scheint  daher  die  Anod.  obtusa  Spix  lokal  ziemlich  stark  zu 
variiren.  Es  liegt  indessen  kein  Grund  vor,  um  Hupe's  Meinung 
zu  theilen,  welcher  An.  liturata  für  eine  selbständige  Art  hält,  da 
auch  an  älteren  Exemplaren  oft  noch  die  zickzackförmige  Zeichnung 
in  der  Wirbelgegend  bei  passender  Beleuchtung  durchschimmernd 
gesellen  werden  kann.  Eine  andere  Frage  ist  es,  ob  man  auch  An. 
obtusata  Hupe  von  Bolivien  noch  hierher  ziehen  soll.  Sie  gehört 
offenbar  in  die  Gruppe  der  An.  obtusa  Spix,  aber  ihr  Vordertheil  ist 
länger,  mehr  zugespitzt,  die  Höhe  der  Schale  geringer  und  ihre  Form 
gestreckter,  vor  Allem  aber  ist  die  Schlossleiste  gerade,  ja  selbst 
nach  hinten  etwas  ansteigend,  auch  die  Ligamentalbucht  scheint 
grösser,  hakenförmig,  weit  einspringend.  Wenn  man  der  Abbildung 
trauen  darf,  ist  auch  die  Lage  des  vorderen  Adductors  eine  andere, 
mehr  nach  oben  und  vorn  gerückte.  Diese  Unterschiede,  zumal  die 
Beschaffenheit  der  Schlossleiste,  lassen  eine  Vereinigung  mit  obtusa 
Spix  wohl  nicht  zu. 


Aiiodonta  ensiformis  Spix. 

Spix  1.  c.  p.  31,  Taf.  24,  Fig.  1  und  2. 
d'Orbigny  1.  c.  p.  618,  PL  79,  Fig.  10. 
Küster  1.  c.  p.  8,  Taf.  2,  Fig.  2. 
Reeve  An.  sp.  31. 
Bolivia  und  Brasilien. 

Es  lag  mir  nur  ein  Exemplar  dieser  Art  vor,  welchem  die  Epi- 
dermis fehlt.  Perlmutter  düster  kupferfarben.  d'Orbigny  erhielt 
sie  in  Bolivien.  Die  Angaben  Brasilien  bei  Spix  und  Reeve  be- 
ziehen sich  wohl  auf  die  oberen  Zuflüsse  des  Amazonas. 

Arch.  f.Natnrgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.I.  H.  2.  11 


162  Dr.  H.  v.  Hierin  g:   Revision  der 


Anodouta  trigona  Spix. 

Spix  1.  c.  p.  29,  Taf.  22,  Fig.  2. 
Anod.  cliiquitana  Orb.  (1835). 
An.  trigona  Orbigny  Vogage  p.  Gl 8. 
An.  trigona  Küster  p.  9,  Taf.  2,  Fig.  5. 
Amazonas. 

Leider  hat  mir  von  dieser  Art,  der  einzigen  unter  sämmtlichen 
von  Spix  gesammelten  und  beschriebenen,  kein  Originalexemplar 
vorgelegen.  Die  Beschreibung  von  Spix  und  Wagner,  worin  das 
Hinterende  als  Vorderende  figurirt,  ist  eben  so  unvollkommen,  wie 
die  Abbildung.  Wären  nicht  die  Arten  dieser  Gruppe  im  ganzen 
Gebiete  des  Amazonas  und  seiner  Zuflüsse  so  sehr  gemein,  so  würde 
man  Mühe  haben,  danach  sich  zu  orientiren. 

Ueberall  im  Amazonasgebiete,  aber  auch  im  La  Plata  bis 
Corrientes  finden  sich  Vertreter  dieser  Art  und  der  ihr  nahestehen- 
den und  wohl  grösstentheils  identischen,  welche  von  Hupe,  Phi- 
lippi  u.  A.  beschrieben  wurden.  Darauf  des  Näheren  einzugehen, 
würde  an  dieser  Stelle  zu  weit  führen.  Vielleicht  wird  es  mir 
späterhin  möglich  sein,  das  Originalexemplar  von  A.  trigona  Spix, 
dessen  nachträgliche  Zusendung  mir  Herr  Prof.  Hertwig  in  Aus- 
sicht stellte,  zu  untersuchen  und  bei  dieser  Gelegenheit  auch  die 
Synonymie  von  A.  Castelnaudii  etc.  zu  klären. 


Castalia  ambigua  Lam. 

Tetraplodon  pectinatum  Spix  1.  c.  p.  32,  Taf.  25,  Fig.  3  u.  4. 
Unio  pectinatus  Wagn. 

Rio  S.  Francisco,  Prov.  Minas. 

Es  ist  längst  allgemein  anerkannt  und  kann  von  mir  nach  Unter- 
suchung der  beiden  Originalexemplare  nur  bestätigt  werden,  dass  die 
von  Spix  als  Tetraplodon  pectinatum  beschriebene  Schale  mit  Castalia 
ambigua  Lam.  identisch  ist.  Auf  die  complicirte  Synonymie  denke 
ich  an  dieser  Stelle  nicht  einzugehen,  nur  das  sei  bemerkt,  dass  wir 
in  der  schwierigen  Frage  der  Artbegrenzung  bei  Castalia  keinen 
Schritt  weiter  kommen  werden,  ehe  nicht  von  bestimmten  Fundorten 
grosse  Serien  von  Exemplaren  allen  Alters  und  Geschlechtes  zur 
Untersuchung  gelangen,  zumal  also  auch  die  Thiere. 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  163 

Hyria  avicularis  Lam. 

Diplpdon  furcatum  Spix  1.  c.  p.  35,  Taf.  27,  Fig.  1  u.  2. 
Unio  caudatus  Wagn.  ibid. 

Zwei  typische  Exemplare  vom  Amazonas. 

Hyria  corrugata  Lam. 

Triplodon  rugosum  Spix  1.  c.  p.  35,  Taf.  29,  Fig.  1  und  2. 
Unio  rugosus  Wagn,  ibid. 
Amazonas. 

Vier  ganz  untereinander  und  mit  der  Abbildung  übereinstimmende 
Exemplare. 

Uiiio  ellipticus  Spix.     (Fig.  8  u.  9). 

Diplodon  ellipticum  Spix  1.  c.  p.  33,  Taf.  26,  Fig.  1  u.  2. 
Unio  ellipticus  Wagner  ibid. 
Rio  S.  Francisco. 

Es  lag  mir  hiervon  eine  Schale  vor,  von  48  mm  Länge,  26  mm 
Höhe,  15  mm  Durchmesser.  Diese  Mafse  stimmen  nahezu  mit  den 
von  Wagner  angegebenen  und  vollkommen  mit  denen  der  Ab- 
bildung. Dass  das  hier  zu  beschreibende  Exemplar  das  Original- 
exemplar ist  zur  Abbildung,  geht  auch  aus  dem  weiterhin  bezüglich 
der  Seitenlamellen  Bemerkten  klar  hervor. 

Die  Schale  entspricht  in  ihrer  Gestalt  der  Abbildung  von  Spix- 
Wagner,  nur  die  Ansicht  von  innen  ist  nicht  ganz  genau,  weshalb 
ich  eine  bessere  hier  gebe.  Die  Schale  ist  massig  dickschalig.  Die 
grösste  Höhe  liegt  33  mm  vom  Vorderende,  was  also  fi9/ioo  der  Länge 
entspricht.  Der  Unterrand  ist  im  vorderen  Theile  subsinuat,  was 
einer  leichten,  aber  breiten  Compression  der  Schale  entspricht,  die 
nahe  dem  Ende  der  vorderen  Schalenhälfte  vom  Wirbel  gegen  den 
Ventralrand  hin  zieht.  Der  Durchmesser  der  Schale  entspricht  3Vioo 
der  Länge.  Die  Schale  ist  dicht  gestreift,  ohne  leiste  nförmige 
Erhebung  der  Anwachsstreifen,  glatt,  glänzend.  Ueber  die 
vordere  Hälfte  der  Schale  strahlen  vom  Wirbel  aus  radiär  feine 
Strahlen  aus.  Die  Epidermis  ist  in  der  Nähe  der  erodirten,  erz- 
farbenen  Wirbel  düster  olivengrün,  im  Uebrigen  glänzend  schwarz- 
braun. Vor  und  hinter  den  Wirbeln  sind  die  kurzen  Enden  der 
Radiärstrahlen  zu  sehen,  als  deren  Verlängerungen  vorne  die  Ratliär- 

11* 


1(34  Dr.  H.  v.  Hierin g:    Revision  der 

linien  erscheinen.  Hinten  am  Schild  sind  diese  Streifen  unregel- 
mässig  in  Stücke  aufgelöst,  resp.  durch  die  Furchen  der  Anwachs- 
linien unterbrochen,  jenseits  deren  sie  zum  Theil  die  Richtung  etwas 
ändern,  so  dass  es  aussieht,  als  theilen  oder  verzweigen  sich  die 
Strahlen.  Uebrigens  sind  diese  Strahlen  fein  und  kurz,  da  sie  vom 
Wirbelcentrum  aus  nur  9  — 10  mm  weit  reichen. 

Das  Perlmutter  ist  bläulich,  unter  dem  Wirbel  mit  starkem  Oel- 
fieck.  Die  vorderen  Muskelnarben  sind  tief  eingedrückt,  die  hinteren 
einfach,  nicht  eingedrückt.  In  der  Wirbelhöhle  gewahrt  man  die 
punktförmigen  Eindrücke  der  Haftmuskeln.  Von  den  Gardinalzähnen 
ist  links  nur  ein  einfacher  vorhanden,  welcher  lamellar,  aber  dick 
ist,  gerade,  etwas  crenulirt,  mit  starkem  Eindrucke  an  der  inneren 
Fläche,  welche  gefurcht  ist  und  deren  untere  Begrenzung  leisten- 
förmig  verdickt  ist,  also  bei  anderen  Exemplaren  wohl  bei  stärkerer 
Entwicklung  einen  zweiten,  kleineren  Zahn  wird  darstellen  können, 
wie  das  auch  aus  Wagner's  Beschreibung  hervorgeht.  In  der  rechten 
Schale  sind  zwei  crenulirte  Cardinalzähne  vorhanden,  von  denen  der 
obere  nur  eine  kurze  niedere  Leiste  darstellt,  die  über  der  oberen 
Spitze  der  Adductornarbe  endet,  wogegen  der  untere  stärker,  d.  h. 
dicker  und  länger  ist.  Die  Seitenlamellen  sind  in  beiden  Schalen 
doppelt,  allein  ihr  Verhalten  ist  in  beiden  Schalen  ein  verschiedenes. 
In  der  linken  Schale  ist  die  äussere  resp.  obere  Seitenlamelle  die 
stärkere,  sie  setzt  sich  nach  vorne  unmittelbar  in  das  kurze  Ver- 
bindungsstück zwischen  Cardinalzahn  und  Lamelle  fort;  sie  ist  in 
ihrem  mittleren  Theile  etwas  eingebuchtet,  dadurch  im  Ganzen  leicht 
S-  förmig  gekrümmt.  Die  innere  oder  untere  Seitenlamelle  ist  nur 
in  ihrem  hinteren  Theile  gut  entwickelt,  sie  verliert  sich  nach  vorne 
unter  dem  gebogenen  Mitteltheile  der  oberen  Leiste,  resp.  setzt  sich 
unter  ihr  noch  eine  kurze  Strecke  weit  gegen  die  Wirbelhöhlung 
hin  fort. 

In  der  rechten  Schale  setzt  sich  der  Cardinalzahn  nach  einer 
sehr  schmalen  Zwischenpartie  in  die  untere  Seitenlamelle  fort,  indess 
die  obere  Seitenlamelle  niedriger  und  minder  lang  ist,  da  nur  ihr 
Hinterende  gut  ausgebildet  ist.  Da  bei  den  verwandten  ähnlichen 
Arten  in  der  rechten  Schale  nur  eine  Seitenlamelle  existirt ,  so  ist 
hier  offenbar  diese  obere  schwächere  und  unvollkommener  entwickelte 
Seitenlamelle  die  accessorische,.  abnorme.  Es  ist  zu  vermuthen,  dass 
dieselbe  nur  eine  individuelle  Abnormität  dieser  Schale  darstellt,  wie 
solche  Abnormitäten  auch  bei  anderen  Arten  gelegentlich  beobachtet 
werden.  Dies  geht  auch  aus  der  Beschreibung  von  Wagner  hervor, 
welcher  angiebt,  dass  in  der  Schale,  in  welcher  2  Cardinalzähne 
existiren,  nur  eine  Seitenlamelle  sich  findet.  Es  wird  also  die  Ab- 
normität einer  doppelten  Seitenlamelle  der  rechten  Schale  nur  diesem 
einen  Exemplare  zugekommen  sein.  Da  die  Abbildung  von  Spix- 
Wagner  Tab.  26,   Fig.  2  für  beide  Schalen   die   im  Text  also  nicht 


voii  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  K;5 

erwähnte  Verdoppelung  der  Seitenlamellen  wiedergiebt,  ist  es  klar, 
dass  dieselbe  nach  dem  von  mir  untersuchten  typischen  Exemplare 
angefertigt  wurde. 

Bei  den  südamerikanischen  Unionen  mit  einfachen  lamellaren 
Cardinalzähnen  findet  sich  immer  in  der  linken  Schale  ein,  in  der 
rechten  zwei  Cardinalzähne.  Die  Sp  ix  'sehe  Abbildung  zeigte  nun 
zu  meinem  Erstaunen  das  umgekehrte  Verhältniss.  Ich  konnte  mir 
dasselbe  erst  erklären,  als  ich  dahinter  kam,  dass  die  sämmtlichen 
Figuren  des  Spix'schen  Atlas  ohne  Hülfe  des  Spiegels  direkt  auf  den 
Stein  übertragen  wurden,  so  dass  die  linke  Schale  in  der  Abbildung 
zur  rechten  wurde  und  umgekehrt.  Erinnert  man  sich  hieran,  so 
besteht  zwischen  meiner  und  der  Spix'schen  Abbildung,  welche  beide 
nach  derselben  Schale  angefertigt  wurden,  die  vollkommenste  Ueber- 
einstimmung.  Wenn  dann  freilich  Wagner  im  Texte  die  verkehrte 
Darstellung  der  Zeichnung  ausdrücklich  bestätigt,  so  ist  das  nur  ein 
Flüchtigkeitsfehler,  indem  die  Beschreibung  statt  nach  den  Exemplaren 
nach  der  Zeichnung  entworfen  wurde.  Anders  kann  es  nicht  sein, 
weil  die  von  mir  untersuchten  Originale  der  Spix'schen  Unionen  alle 
das  typische  Verhalten  aufweisen. 

Diese  Sp  ix' sehe  Art  ist  nun  sehr  vielfach  verkannt  worden, 
indem  zuerst  Lea  die  von  ihm  als  U.  multistriatus  beschriebene  Art 
für  identisch  mit  ellipticus  Spix  erklärte.  Die  als  Unio  multistriatus 
Lea,  psammactinus  Bronn,  ellipticus  Küster,  Reeve  etc.  beschriebenen 
Arten  gehören  wahrscheinlich  alle  einer  einzigen,  in  Form  und  Skulptur 
ziemlich  variabelen,  auf  die  Küstenflüsse  zwischen  Rio  Janeiro  und 
Bahia  beschränkten  Art  an,  welche  durch  die  erhobenen  leisten- 
förmigen  Anwachsstreifen  und  durch  die  starke  Radiärskulptur  von 
oft  V- förmigen  oder  sich  kreuzenden  Leisten  sehr  ausgezeichnet  ist 
und  welche  nur  bei  Benutzung  von  unzureichender  Abbildung  und 
Beschreibung  mit  U.  ellipticus  verwechselt  werden  konnte.  Ich 
werde  diese  vermeintlichen  U.  ellipticus  aut.  nee  Spix  im  Folgenden 
ausführlich  besprechen,  obwohl  sie  nicht  unter  den  Spix'schen  Arten 
vertreten  sind,  damit  ein  für  allemal  das  Verhältniss  klar  gestellt 
und  weitere  Verwechslungen  für  die  Zukunft  ausgeschlossen  sind. 


Unio  multistriatus  Lea  (1832). 

Lea  1.  c.  Vol.  I,  p.  101,  PI.  XII,  Fig.  22. 

U.  multistriatus  cVürb.    Vog.  p.  607. 

U.  multistriatus  Reeve  Unio  Fig.  455. 

U.  ellipticus  Küster  1.  c.  p.  238,  Tai".  80,  Fig.  2. 

U.  ellipticus  Reeve  1.  c,  Fig.  382.  — 

U.  ellipticus  Moussön  1.  c.  p.  186. 

U.  psammactinus   (Bronn  in  lit.)    Philippi   Abb.  III.  p.  11, 

Taf.  V,  Fig.  2. 
U.  psammactinus  (Bronn)  Küster  1.  c.  p.  159,  Taf.  45,  Fig.  6. 


Ißß  Dr.  H.  v.  Ihering:   Revision  der 

U.  granuliferjLLS  Dunkerl,  p.  18*2,  IL  p.  150,  Tat'.  39,  Fig.  1 — 3. 
U.  coriaceus  Dunker  I,  p.  181. 

Küstenflüsse  des  östl.  Brasilien  zwischen  Rio  Janeiro  und  Bahia. 

Diese  leicht  kenntliche  Art  befindet  sich  nicht  in  der  Spix'schen 
Sammlung.  Man  hat  sie  vielfach  mit  U.  ellipticus  Spix  verwechselt, 
dem  Vorgange  Lea's  darin  folgend,  allein  wie  aus  der  vorausgehenden 
Beschreibung  zur  Genüge  hervorgeht,  ist  ellipticus  Spix  eine  ganz 
andere  glatte,  nicht  tief  gefurchte  Art  mit  niemals  sich  kreuzenden 
Radiärstrahlen.  Obwohl  nicht  unter  den  Spix'schen  Arten  sich 
findend,  nehme  ich  gleichwohl  diese  Art  hier  auf,  um  die  bisher  be- 
gangenen Verwechslungen  klar  zu  stellen. 

Dieser  U.  multistratus  Lea  nun  ist  eine  ziemlich  variabele  Art. 
Es  gilt  das  zunächst  schon  für  die  Form,  indem  unter  einer  grösseren 
Anzahl  bei  Bio  von  Gaudichaud  gesammelten,  im  Kopenhagener 
Museum  befindlichen  Exemplaren,  sowie  solchen  meiner  Sammlung 
sich  ebenso  wohl  mehr  langgestreckte  als  auch  kürzere  relativ  höhere 
Formen  sich  finden.  Dabei  ist  aber  in  der  Regel  der  Vordertheil 
des  Oberrandes  etwas  schräg  nach  abwärts  geneigt  die  Vorderecke 
dadurch  abgerundet,  undeutlich,  das  Vordertheil  gerundet,  während 
bei  dem  von  Lea  abgebildeten  Exemplare  die  vordere  Ecke  scharf 
vorspringt,  der  Vorderrand  nicht  so  gerundet,  sondern  etwas  ein- 
gezogen ist.  Dabei  ist  die  Schale  bald  ziemlich  dünn  resp.  mittel- 
dickschalig, bald  etwas  stärker,  ebenso  sind  die  lamellösen  Cardinal- 
zähne  bald  etwas  kräftiger  und  dicker,  bald  feiner.  Es  sind  meist 
in  jeder  Schale  zwei  Gardinalzähne  vorhanden,  aber  von  ungleicher 
Stärke,  der  eine  schwächere  zuweilen  nur  als  niedere  Leiste  ent- 
wickelt. 

Bei  allen  ist  die  dunkel  gelblichbraune  Färbung  der  Epidermis, 
vor  Allem  aber  deren  leistenförmige  Erhebung  an  den  Anwachs- 
streifen übereinstimmend.  Dadurch  bekommt  die  Schale  ein  rauhes, 
gefurchtes  Aussehen.  Vom  Wirbel,  der  bei  alteren  Exemplaren  immer 
erodirt  ist,  strahlen  bald  dichter  stehend  und  fein,  bald  in  geringerer 
Zahl  gröbere  Leisten  radiär  aus.  Dieselben  sind  bisweilen  an  den 
Anwachsstreifen  unterbrochen  und  geben  dadurch  der  Schale  das 
granulirte  Aussehen,  das  D  unk  er  zur  Aufstellung  seines  granuliferus 
veranlasste.  Ich  habe  eines  der  Dunker' sehen  Originalexemplare 
untersucht  und  finde  danach  keinen  Grund  zur  Anerkennung  einer 
selbständigen  Species,  ebenso  wenig  wie  bezüglich  Dunkers  Unio 
coriaceus,  der  mir  gleichfalls  aus  der  Dunker1  sehen  Sammlung  bekannt 
ist.  Letzterer  repräsentirt  eine  Varietät,  bei  welcher  die  Granulirun, g 
weiter  hinab  reicht,  zumal  am  Vordertheil  der  Schale  bis  gegen  die 
Mitte  hin.  Das  von  mir  untersuchte  Dunker' sehe  Exemplar  dieser 
Art  stammte  vom  Rio  Negro  in  der  Provinz  Rio  Janeiro,  Distrikt 
St.  Rita.  Es  ist  ziemlich  kurz,  41  mm  lang,  die  Höhe  61/ioo  der 
Länge  und  im  Vordertheil  der  Schale  bis  nahe  an  den  Unterrand 
hinab  granulirt,  vielfach  ["-förmig,  indem  ausser  den  radiären  Leisten 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  Ifi7 

auch  die  Anwachsstreifen  erhoben  sind,  aber  nicht  continuirlich, 
sondern  in  abgebrochenen  Stücken.  Links  und  rechts  je  2  mittel- 
dicke Cardmalzähne,  abnormer  Weise  in  beiden  Schalen  zwei  Seiten- 
lamellen. 

Auch  Reeve  hat  Exemplare  mit  mehr  oder  minder  starker  und 
weit  herabreichender  Granulirung  und  Furchung  verschieden  be- 
nannt; die  über  den  grösseren  Theil  der  Schale  hinab  skulpturirtc 
Form  nennt  er  multistriatus.  Ein  längeres  Exemplar,  dessen  Höhe 
nur  51/ioo  der  Länge  beträgt,  von  Tayuara,  Distrikt  Canta  Gallo  in 
Prov.  Rio  de  Janeiro  stammend,  fand  ich  in  der  D  unk  er  'sehen 
Sammlung  als  U.  psammactinus  Bronn  bezeichnet.  Dasselbe  ist 
ziemlich  dickschalig  und  ziemlich  bauchig,  bis  zur  Mitte  hin  diver- 
girend,  nach  hinten  gegen  den  Schild  hin  kreuzförmig  und  V- förmig 
gerieft.  Die  Cardinalzähne  klein  aber  kräftig  und  ziemlich  dick, 
rechts  2 ,  links  1 ,  aber  mit  kurzem  Ansätze  dahinter.  Perlmutter 
bläulichweiss  mit  Üeliiecken. 

Vermuthlich  wird  sich  bei  Untersuchung  grösserer  Serien,  und 
auch  der  Thiere  herausstellen,  dass  die  kürzeren  meist  ziemlich 
flachen  Formen  die  cT,  die  etwas  bauchigeren  längeren  die  $  sind. 
Jedenfalls  wird  man  ein  Urtheil  über  diese  Art  erst  dann  sich  sicher 
bilden  können,  wenn  zahlreiche  Exemplare  vom  gleichen  Fundorte 
einen  Ueberblick  über  die  individuellen  und  sexuellen  Variationen 
geben.  Nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  scheint  mir  gerade  hier 
die  Variabilität  in  Bezug  auf  die  Skulptur  eine  sehr  weitgehende  zu 
sein,  so  dass  man  in  der  Anerkennung  besonderer  Arten  sehr  vor- 
sichtig wird  sein  müssen.  Ich  will  damit  nicht  sagen,  dass  nicht 
vielleicht  spätere  Untersuchungen  an  grösseren  Serien  doch  Anhalt 
dazu  geben  können,  mehrere  einander  nahestehende  Arten  unter  den 
hier  zusammengefassten  Formen  anzuerkennen,  zunächst  aber  kann 
ich  dazu  keinen  zwingenden  Grund  linden. 

Unio  multistriatus,  oder  wenn  eine  oder  die  andere  Form  später 
doch  davon  abgeschieden  werden  sollte,  die  mit  ihm  zusammen- 
gehörigen nahe  verwandten  Arten  bilden  eine  gut  abgegrenzte  Gruppe 
von  beschränkter  Verbreitung.  Südlich  von  Rio  de  Janeiro  kommen 
sie  nicht  vor  und  ich  vermuthe,  dass  alle  Fundorte,  die  sich  auf  Rio 
Janeiro  beziehen,  dem  Gebiete  des  südlichen  Rio  Parahyba  zugehören, 
also  dem  Stromgebiete  des  Rio  S.  Francisco. 

Aus  dem  Rio  Parahyba  erwähnt  sie  auch  d'Orbigny,  während 
Küsters  U.  elliptieus  von  Bahia  stammte.  Ob  die  Art  auch  weiter 
nördlich  reicht,  ist  noch  fraglich.  Mousson  erwähnt  sie  vom  Ama- 
zonas-Gebiete, sagt  aber,  die  Identität  mit  der  gewöhnlichen  bra- 
silianischen Form  sei  keine  vollständige.  Die  ,, rauhe  Streifung"  der 
Schale,  von  der  er  spricht,  weist  daraufhin,  dass  nicht  die  Spix' sehe 
Form,  sondern  eben  multistriatus  Lea  gemeint  ist,  ob  aber  wirklich 
diese  Art  oder  was  für  eine  vorlag,  lässt  sich  aus  der  kurzen  Notiz 
gar  nicht  ermessen.  — 


Ißg  Dr.  H.  v.  I  he  ring:   Revision  der 

Unio  rhomfoeus  Spix. 

Diplodon  rhombeum  Spix  1.  c.  p.  34,  Taf.  28,  Fig.  1  u.  2. 
Unio  rliombeus  Wagn.  ibid. 
Amazonas  (Solimöes). 

Es  lagen  mir  zwei  halbe,  rechte  Schalen  vor  und  eine  ganze. 
Zu  der  Spix'schen  Abbildung  stimmt  keines  der  Originale.  Am  meisten 
ähnlich  ist  noch  No.  I,  das  ganze  Exemplar,  doch  ist  das  in  Fig.  2 
abgebildete  Exemplar  schlanker,  hinten  minder  hoch. 

Exemplar  I  ist  81  mm  lang  bei  einer  Höhe  von  58  mm  und 
einem  Diam.  von  35  mm,  es  ist  also  die  proc.  Höhe  =  72,  der  proc. 
Diam.  43.  Die  Abbildung  bei  Spix  Fig.  2  ergiebt  eine  proc.  Höhe 
von  nur  67  und  es  entspricht  dem,  dass  dieses  Exemplar  in  der 
hinteren  Hälfte  höher  ist,  einen  steiler  nach  hinten  ansteigenden 
Dorsalrand  hat  und  ein  stärker  abgestutztes  Hinterende,  dessen 
Hinterrand  fast  senkrecht  abfällt.  Die  kräftige  dickschalige  Muschel 
hat  eine  braunrothe,  gegen_  den  Rand  hin  mehr  schwarzbraune  Epi- 
dermis, die  wenig  radiär  gestreift,  aber  glänzend  und  ziemlich  glatt 
ist.  Die  corrodirten  Wirbel  sind  ziemlich  flach,  wenig  geräumig, 
das  Perlmutter  ist  bläulieh.  Die  Schlossleiste  ist  unter  den  Wirbeln 
ziemlich  dick  (2  mm).  In  der  rechten  Schale  zwei  einfach  lamellöse 
kräftige  Cardinalzähne,  von  denen  der  obere  etwas  kleiner  und 
niedriger,  der  untere  dreieckig  ist,  in  eine  Spitze  erhoben  mit  aus- 
gehöhlter Hinterfläche.  In  der  linken  Schale  findet  sich  nur  ein 
hoher,  lamellöser,  auf  beiden  Flächen  gestrichelter  Cardinalzahn  mit 
einem  kleinen,  spitzen,  zahnartigen  Höcker  dahinter.  Die  untere  vordere 
Retractornarbe  liegt  frei  nach  innen  von  jener  des  Adductor. 

Während  dies  also  sicher  ein  gutes  typisches  Exemplar  des 
U.  rhombeus  ist,  so  bin  ich  bezüglich  der  beiden  anderen  Schalen- 
hälften ganz  ungewiss.  Exemplar  II  ist  72  mm  lang,  60  mm  hoch, 
hat  also  eine  proc.  Höhe  von  83.  Diese  Schale  ist  also  viel 
höher  als  No.  I,  hat  aber  das  Vordertheil  noch  in  ähnlicher  Weise 
undeutlich  zugespitzt.  Exemplar  III  dagegen  ist  fast  ganz  rund, 
65  mm  lang,  59  mm  hoch,  was  einer  proc.  Höhe  von  90  entspricht. 
Der  vordere  Theil  der  Schale  ist  ziemlich  gleichmässig  voll  gerundet. 
Da  auch  die  radiären  Leisten  der  Epidermis  an  diesem  Exemplare 
viel  stärker  sind,  so  nähert  es  sich  Unio  paranensis  Lea,  aber  es 
hat  gleichwohl  die  einfachen,  lamellöscn  Cardinalzähne  der  anderen 
Exemplare.  Im  Gegensätze  zu  den  beiden  anderen  Exemplaren  ist 
bei  No.  III  die  Lunula  wohl  entwickelt  und  breit.  Es  schien  mir 
auch,  als  ob  in  der  Lunula-Gegend  der  Horizontalcontour  der  Schale 
ein  anderer  sei,  mehr  ausgebuchtet  und  eingesenkt,  doch  ist  die 
Schale  gerade  in  dieser  Gegend  ganz  schlecht  erhalten.  Der  Ventral- 
rand vorn  leicht  klaffend  mit  verdickten  Seitenth eilen.  Perlmutter 
in  der  Wirbelgegend  röthlichweiss,  die  Epidermisunterlage  grünlich- 
braun. 


von  Spix  in  Brasilien  gesammelten  Najaden.  Kl'.) 

Diese  hohen  beiden  Schalen  ähneln  dem  Unio  rotundus  Küster 
sehr.  Möglich,  dass  sie  mit  diesem  zu  einer  Art  gehören,  möglich 
aber  auch,  dass  bei  Unio  rhombeus  starke  sexuelle  Differenzen  be- 
stehen: erst  spätere  Untersuchungen  können  dies  Verhältniss  auf- 
klären. Unio  rhombeus  scheint  eine  in  den  Sammlungen  sehr  seltene 
resp.  fehlende  Art  zu  sein.  Lea  besass  sie  nicht,  auch  Küster  und 
Reeve  haben  sie  nicht. 


Unio  rotundus  Spix.    (Fig.  10). 

Diplodon  rotundum  Spix  1.  c.  p.  34,  Taf.  26,   Fig.  3  u.  4. 
Unio  rotundus  Wagn.  ibid. 
'?  Unio  rotundus  Reeve  Fig.  361). 
?  Unio  rotundus  Küster  p.  160,  Taf.  46,  Fig.  1  u.  2. 
Flüsse  des  östlichen  Brasilien. 

Es  lag  mir  nur  ein  Exemplar  vor,  offenbar  von  einem  jungen 
Thiere.  Ich  gebe  davon  eine  Abbildung,  nach  der  es  fraglich  er- 
scheint, ob  sie  das  Original  zur  Abbildung  bei  Spix  ist,  welche  eine 
höhere  Schale  mit  kürzerem  voller  gerundetem  Vordertheile  darstellt. 
Da  übrigens  die  Mafse  die  gleichen  sind,  wäre  es  auch  möglich,  dass 
die  Spix 'sehe  Zeichnung  die  Contouren  nicht  ganz  wieder  giebt. 
Das  von  mir  untersuchte  Exemplar  ist  38  mm  lang,  32  mm  hoch 
(84/100  L.)  und  hat  einen  Diameter  von  16  mm.  Die  Beschreibung 
bei  Spix  und  Wagner  stimmt  im  Wesentlichen  mit  Ausnahme 
natürlich  der  Angaben  über  die  Zähne.  Die  Wirbel  sind  noch  intakt 
mit  14 — 15  Rippen,  von  denen  die  längste  6  mm  misst.  Auch  auf 
dem  Schild  einige  wenige  erhabene  Querleisten.  Die  grüne  Epi- 
dermis ist  in  der  Mitte  heller,  am  Rande  dunkler,  das  Perlmutter 
blau.  Die  Schale  klafft  vorne  ventral  etwas,  hat  ebenda  die  Ränder 
verdickt.  In  der  rechten  Schale  ein  langer  Cardinalzahn ,  dessen 
hinterer  Theil  etwas  abgetrennt  ist  durch  eine  Furche  und  zwei  wenig 
gebogene,  im  Hintertheil  gerade  und  etwas  abwärts  steigende  Seiten- 
lamellen. In  der  rechten  Schale  nur  eine  Seitenlamelle  und  zwei 
nicht  sehr  dicke  sublamellöse  Zähne,  wovon  der  hintere  der  grössere 
und  in  der  Mitte  in  eine  Spitze  erhoben  ist.     Schlossleiste  schmal. 

Da  wir  es  hier  mit  einer  jugendlichen  Schale  zu  thun  haben, 
zu  der  wir  weder  die  ausgewachsene  Schale,  noch  die  Geschlechts- 
differenzen und  den  Fundort  sicher  kennen,  so  muss  ihre  genauere 
Bestimmung  der  Zukunft  überlassen  bleiben.  Leicht  wäre  es  möglich, 
dass  sie  als  Jugendform  zu  U.  rhombeus  gehört.  Ob  U.  rotundus 
Küster  hierher  gehört,  ist  sehr  fraglich.  Küster  bildet  zwei  ziemlich 
verschiedene  Schalen  als  $  und  $  ab,  leider  ohne  zu  sagen,  worauf 
sich  diese  Bezeichnungen  gründen  und  ohne  Fundortsangabe.  Ich 
bin  jedoch  sehr  geneigt  zu  glauben,  dass  Küsters  Annahme  richtig, 
weil  ich  bei  einer  nahestehenden  Art,  U.  paranensis,  genau  den  gleichen 
l  unterschied  wiederfinde.  Es  giebt  da  Exemplare  mit  schmälerem 
Vordertheil,  deren  ventraler  Rand  geradlinig  in  seinem  oberen  Theil 


170  Dr.  H.  v.  Ihering:    Revision  der  etc. 

verläuft,  und  andere  Exemplare  mit  stark  vorgewölbtem  gerundetem 
Vorder-  und  Ventralrand.  Bei  letzteren  (Küsters  <£)  ist  der  Dorsal- 
rand  vor  dem  Wirbel  bogenförmig  ausgeschnitten  und  die  etwas  aus- 
gehöhlte Lunula  stark  entwickelt.  Bei  rotundus  Küst.  ist  die  Lunula 
auch  nur  bei  der  flacheren  und  höheren  Form,  also  doch  wohl  dem 
3,  entwickelt,  wenn  auch  kaum  ausgeschnitten,  und  auch  die  Form- 
differenzen entsprechen  jenen  von  U.  paranensis,  welche  ich,  da  ich 
beide  Arten  besitze,  mit  einander  vergleichen  konnte.  Es  ist  daher 
sehr  wohl  möglich,  dass  das  <$  von  Unio  rhombeus  die  gleichen 
Unterschiede  aufweist  und  würde  dann  Exempl.  I  das  ?,  Exempl.  III 
das  S  sein.  Ich  glaube,  dass  in  ähnlicher  Weise  Unio  Fontaineanus, 
die  ich  aus  S.  Paulo  besitze,  das  S  ist  zu  einer  anderen  mit  ihr  zu- 
sammen vorkommenden  und  dem  $  von  rhombeus  ähnlichen  Muschel. 
Für  alle  diese  Formen  wird  erst  ein  eingehendes  Studium  an  sehr 
reichem  und  geeignetem  Material  die  Entscheidung  über  Species- 
unterschiede  und   sexuelle   oder  Alters-   etc.  Unterschiede   gestatten. 


Erklärung  der  Tafel  IX. 

Alle  Figuren  sind  Darstellungen  in  natürlicher  Grösse ,   ausser  Figur  3,  die  im 
Massstabe  von  3/2  gehalten  ist. 

Fig.  1 — 3.     Aplodon  inerrae  Spix. 
»      4.     Columba  Spixii  v.  Ih. 
»     5.     Anodonta  rotunda  Spix. 
»      6.     Anodonta  trapezea  Spix. 

7.  Anodonta  Hertwigii  v.  Ih. 
»  8  u.  9.  Unio  ellipticus  Spix. 
»    10.     Unio  rotundus  Spix. 


Rio  Grande  do  Sul,  30.  Decbr.  1889. 


Beitrag 

zur 

Kenntniss  der  Vogeltänien 

nebst  Bemerkungen  über  neue  und  bekannte  Helminthen. 

Von 

Dr.  v.  Linstow 

in  Göttingen. 
Hierzu  Tafel  X. 

1.    Vogeltänien. 

(Fig.  1-15.) 
Die  Tänien  des  Menschen  und  der  Säugethiere  sind  in  zahl- 
reichen, werthvollen  Arbeiten  geschildert,  so  von  Leuckart,  Sommer, 
van  Beneden,  Moniez,  Stein,  Riehm,  Kahane,  Steudener,  Hamann, 
Niemic,  Zschokke;  die  Vogeltänien  sind  im  Vergleich  hiermit  ver- 
nachlässigt. Pagenstecher x)  beschrieb  den  Bau  einer  Tänie,  die 
vielleicht  mit  Taenia  microsoma  Crepl.  identisch  ist ;  von  Feuereisen  *) 
werden  drei  Vogeltänien  auf  ihre  Anatomie  untersucht,  Taenia  seti- 
gera  Frölich  =  T.  fasciata  Rud. ,  Taenia  fasciata  Rud.  =  T.  setigera 
Frölich  und  Taenia  lanceolata  Bloch;  Nitsche3)  beschreibt  den  Bau 
von  Taenia  undulata  Rud.,  Verf.4)  schildert  die  Lage  der  Geschlechts- 
organe in  den  Proglottiden  von  Taenia  depressa  v.  Sieb,  und 
Zschokke5)  giebt  die  Anatomie  seiner  Taenia  argentina.  Damit  ist 
die  Zahl  der  Arbeiten  über  die  Anatomie  der  Vogeltänien  erschöpft, 
wenn  man  nicht  Zschokke's6)  Darstellung  der  mit  den  Tänien  nahe 
verwandten  Form  Idiogenes  Otidis  mit  hierher  rechnen  will. 


')  Zeitschr.  für  wissensch.  Zoolog.  IX,  1858,  pag.  523—528,  Tab,  XXI. 

2)  ibid.  XVHI,  1868,  pag.  162—201,  Tab.  X. 

3)  ibid.  XXIII,  1873,  pag.  190-196,  Tab.  IX  Fig.  7-9. 

4)  Archiv  für  Naturgesch.,  1875,  pag.  187—188,  Tab.  II,  Fig.  1-3. 

5)  Centralbl.  für  Bact.  u.  Parasitk.    2.  Jahr.,  Bd.  1,  Jena  1888,  pag.  2—6. 

6)  Rech,  sur  la  struct.  anat.  et   histol.  des  Cestodes,   Geneve  1888,  pag  114 
—130,  PI.  in  Fig.  39-47. 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  3.  *11 


172  Di'-  v.  Liustow  : 

Die  Systematik  der  Vogelbandwürmer  ist  von  Krabbe  in  seinen 
unentbehrlichen  Arbeiten  Bidrag  til  kimdskab  om  fuglenes  baende- 
lorme,  Kjöbenhavn  1860  und  Nye  bidrag  t.  k.  o.  f.  b.  ibid.  1882  in 
gründlicher  Weise  behandelt.  Znm  Gegenstand  meiner  Untersuchungen 
wählte  ich  die  von  mir1)  beschriebenen  Taenia  puncta  aus  Corvus 
corone  und  nebula. 

Die  Länge  kann  bis  auf  60  mm  anwachsen,  beträgt  aber  meistens 
nur  30  mm. 

Der  Scolex  ist  nach  vorn  verbreitert  und  misst  hier  0,28  mm; 
die  Länge  beträgt  bei  zurückgezogenem  Rostellum  0,19,  bei  vor- 
gestrecktem 0,3  mm;  die  vorn  am  Scolex  angebrachten  Saugnäpfe 
erscheinen  je  nach  den  verschiedenen  Contractionszuständen  bald 
oval,  bald  rundlich  und  sind  0,096  mm  gross.  Das  Rostellum  ist 
vorn  verdickt  und  trägt  am  Scheitel  einen  doppelten  Hakenkranz,  der 
von  20  Haken  gebildet  wird  (Fig.  1  u.  2);  die  10  grösseren  messen 
0,046,  die  10  kleineren  0,036  mm;  der  Hakenast  beträgt  nicht  ganz 
ein  Drittel  der  ganzen  Länge,  der  Wurzelast  ist  bei  den  kleineren 
etwas  stärker  gekrümmt  als  bei  den  grösseren,  und  der  Hebelast  ist 
stumpf  und  schwach  entwickelt.  Das  Rostellum  ist  muskulöser  Natur 
in  seiner  Wandung,  die  von  kräftigen  Ringmuskeln  gebildet  wird, 
an  die  sich  aussen  Längsmuskeln  legen  (Fig.  3 — 4,  a);  es  ist  ab- 
gesehen von  der  Scheitelgegend  eingeschlossen  von  einem  Muskelsack, 
dem  Receptaculum  rostelli  (Fig.  3 — 5,  b),  das  ebenfalls  von  inneren 
Ring-  und  äusseren  Längsmuskeln  gebildet  wird  (Fig.  3 — 5,  b) ;  beide 
Muskelschichten  sowohl  des  Rostellum  wie  des  Receptaculum  be- 
stehen aus  regelmässigen,  parallelen  Muskelfasern,  die  durch  eben- 
solche Zwischenräume  getrennt  werden.  Der  Raum  im  Recepta- 
culum wird  von  sich  lebhaft  färbenden  drüsigen  Massen  ausgefüllt, 
die  durch  zwei  sich  im  rechten  Winkel  kreuzende  Hohlräume  in  vier 
der  Wandung  anliegende  Züge  getheilt  werden  (Fig.  4 — 5,  c);  in  den 
Hohlraum  tritt  das  Rostellum,  wenn  es  zurückgezogen  wird.  In  den 
Saugnäpfen  wiegen  die  Radiärmuskeln  vor  (Fig.  4  u.  5).  Die  Haken 
fallen  leicht  ab.  Bei  Taenia  undulata  soll  nach  Nitsche  der  Hohlraum 
des  Receptaculum  von  einer  feinkörnigen  Bindegewebsmasse  erfüllt 
sein;  bei  Idiogenes  fehlt  bekanntlich  ein  Scolex  ganz. 

Die  Gestalt  ist  die  bei  den  Vogeltänien  gewöhnliche;  auf  den 
Scolex  folgt  ein  sogenannter  Halstheil,  ein  kurzer  Abschnitt  ohne 
Gliederung,  der  0,24  mm  lang  und  am  Ende  0,072  mm  breit  ist;  die 
ersten  Proglottiden  sind  kurz,  nur  0,024  mm  messend  bei  einer 
Breite  von  0,16  mm,  an  der  Grenze  zwischen  dem  1.  und  2.  Drittel 
bei  einem  50  mm  langen  Exemplar  beträgt  die  Länge  0,39  und  die 
Breite  0,54  mm,  an  der  Grenze  vom  2.  und  3.  Drittel  aber  0,76  und 
resp.  0,96  mm,  bei  den  letzten  Proglottiden  überwiegt  die  Länge 
(1,44  mm)  die  Breite  (1,14  mm);  die  reife  Eier  enthaltenden  Prog- 
lottiden  sind  dagegen  wieder  breiter    als    lang;    so  betrug    bei    den 


')  Archiv  für  Naturgesch.  1872,  pag.  50,  Tab.  III  Fig.  5—6. 


Beitrag  zur  Keuutuiss  der  Vogeltänien.  173 

letzten  Proglottiden  eines  60  mm  langen  Exemplars  die  Länge  1,02  mm, 
die  Breite  aber  1,8  mm.  Auf  die  Grössenverhältnisse  ist  meines  Er- 
achtens  im  systematischen  Interesse  wenig  Werth  zu  legen,  da  sie 
sich  in  verschiedenen  Contractionszuständen  sehr  verschieden  ge- 
stalten. 

Eine  derbe,  schwach  bräunlich  gefärbte  Cuticula  bildet  die 
Aussengrenze ,  welche  sich  nicht  färbt;  sie  ist  0,0033  mm  dick  und 
zeigt  der  Oberfläche  parallele  Schichtungen;  unter  ihr  folgt  eine 
feine  Lage  von  Ring-  und  Längsmuskeln,  die  etwa  den  dritten  Theil 
der  Dicke  der  Cuticula  zeigt,  und  unter  diesen  Muskeln  bemerkt  man 
eine  mächtige  Lage  spindelförmiger  Zellen,  untermischt  mit  rundlichen 
Kernen ;  über  ihre  Function  oder  Bedeutung  weiss  ich  nichts  anzu- 
geben, als  Myoblasten  sind  diese  Zellen  aber  sicher  nicht  anzusehen, 
eine  Deutung,  welche  man  einer  ähnlichen  Zellschicht  in  der  Rinden- 
schicht anderer  Cestoden  gegeben  hat. 

Das  Parenchym  ist  zellig;  die  Zellen  sind  von  sehr  verschiedener 
Gestalt  und  Grösse,  stets  aber  führen  sie  einen  runden,  sich  nur 
schwach  färbenden  Kern. 

Kalkkörperchen  fehlen  gänzlich. 

Die  Muskeln  bestehen  ausser  der  erwähnten  Ring-  und  Längs- 
muskelschicht  unter  der  Cuticula,  von  denen  die  Ringmuskeln  aussen 
liegen,  feiner  sind  und  eine  continuirliche  Schicht  bilden,  während 
die  Längsmuskeln  derber  sind,  nach  innen  von  ersteren  liegen  und 
durch  Zwischenräume  getrennt  sind,  —  aus  sehr  kräftigen  Längs- 
muskelbündeln  (Fig.  8 — 10,  Lm);  jedes  Bündel  besteht  aus  2  bis  10 
starken  Fasern  von  rundlichem  Querschnitt.  Am  Anfang  und  Ende 
jeder  Proglottide  strahlen  die  mächtigen  Längsmuskeln,  um  die  Ver- 
engerung passiren  zu  können,  welche  die  Verbindung  je  zweier  Prog- 
lottiden bildet,  nach  der  Mittelaxe  zusammen,  sodass  man  hier  auf 
Querschnitten  Radiärmuskeln  zu  sehen  glaubt  (Fig.  10).  Dorsoventral- 
und  Transversalmuskeln  fehlen  gänzlich.  Die  Längsmuskeln  bilden 
auf  Querschnitten  einen  Ring,  der  sich  in  gewisser  Entfernung  von 
der  Rindenschicht  hält,  nach  innen  davon  folgt  noch  ein  zweiter, 
doch  ist  diese  Anordnung  in  zwei  Ringen  oft  undeutlich,  wenigstens 
lange  nicht  so  klar  wie  bei  Taenia  undulata,  bei  der  man  einen 
scharf  abgegrenzten  inneren  und  äusseren  Längsmuskelring  findet, 
die  durch  eine  völlig  muskelfreie  Zone  getrennt  sind. 

Bei  Taenia  argentina  findet  Zschokke  Längs-,  Transversal-  und 
Dorsoventralmuskeln. 

Das  Gefässsystem  besteht  aus  einem  im  Scolex  dicht  hinter 
dem  Hinterrande  der  Saugnäpfe  gelegenen  Ringe  (Fig.  1),  von  dem 
nach  vorn  seitlich  je  eine  Schlinge  bis  zum  Vordertheil  des  Rostellum 
abgeht,  nach  hinten  aber  seitlich  je  zwei  die  ganze  Proglottidenkette 
durchlaufende  Gefässe,  welche  am  engen  Verbindungstheil  je  zweier 
Proglottiden  sich  nähern,  in  der  Proglottide  selber  aber  weiter  aus- 
einander treten  (Fig.  7,  G),  sodass  der  Lauf  ein  gewellter  ist. 
Während  ganz  vorn  im  Körper  die  Gefässe,  welche  der  Rückenfläche 


174  Dr.  v.  Linstow: 

näher  liegen,  sich  von  denen  der  Bauchseite  nicht  unterscheiden, 
wird  ihr  Aussehen  bald  ein  sehr  verschiedenes;  das  der  Rückenseite 
(Fig.  7 — 9,  g  G)  ist  weit,  etwa  0,06  im  Durchmesser  gross,  und  von 
zarter  Wandung,  das  der  Bauchfläche  (Fig.  7 — 9,  k  G)  viel  enger, 
etwa  0,015  mm  im  Querschnitt  messend,  und  sehr  dickwandig.  Ausser 
durch  Weite  des  Lumens,  die  im  umgekehrten  Verhältniss  zur  Dicke 
der  Wandung  steht,  unterscheiden  die  Gefässe  der  Bauch-  und 
Rückenseite  sich  noch  dadurch  von  einander,  dass  letztere  am  Hinter- 
rande jeder  Proglottide  durch  einen  Querast  mit  einander  verbunden 
sind  (Fig.  7  u.  10,  GA),  erstere  nirgends.  Wenn  ich  von  Bauch- 
und  Rückenseite  spreche,  so  ist  ja  diese  Bezeichnung  bei  wirbellosen 
Thieren,  deren  Geschlechtsorgane  lateral  münden,  und  denen  alle 
Anordnungen  fehlen,  aus  denen  man  die  eine  Fläche  als  Bauch  - 
und  die  andere  als  Rückenseite  erkennen  könnte,  völlig  willkürlich, 
doch  glaube  ich  die  Seite  als  Rückenseite  bezeichnen  zu  müssen,  in 
welcher  die  weiten  und  die  dünnwandigen  Gefässe  und  die  Hoden 
liegen,  weil  nach  der  entgegengesetzten  die  gleich  zu  erwähnende 
Schwanzeinstülpung  geöffnet  ist.  Bei  unverletzten  Exemplaren  ist 
die  letzte  Proglottide  insofern  anders  gebildet  als  alle  übrigen,  als 
sie  an  ihrem  Hinterrande  durch  eine  halbkugelförmige  Einstülpung 
ausgezeichnet  ist,  die  nach  hinten  (Fig.  11)  und  nach  der  Bauchseite 
geöffnet  ist  (Fig.  12).  Sie  ist  0,18  mm  lang  und  0,34  mm  breit  und 
die  4  Gefässe  münden  in  sie  hinein;  dabei  ist  sie  aber  nicht  als  eine 
contactile  Endblase  des  Gefässsystems  zu  bezeichnen,  denn  die  Rinden- 
schicht, also  Cuticula,  Muskeln  und  die  subcuticulare  Zellschicht 
bilden  ihre  Wandung;  der  Hohlraum  kann  also  nur  als  Einstülpung 
bezeichnet  werden.  Taenia  argentina  hat  nach  Zschokke  auch  vier 
Hauptstämme  des  Gefässsystems,  die  am  Grunde  des  fünften  oder 
Frontal-Saugnapfes  eine  Ringcommissur  bilden ;  hier  aber  verschwinden 
die  von  hier  nach  hinten  verlaufenden  dorsalen  Aeste  im  ersten 
Viertel  der  Gliederkette,  während  die  ventralen  an  jedem  Hinterrande 
einer  Progiottide  durch  eine  Commissur  verbunden  sind;  in  der 
letzten  vereinigen  sie  sich  in  einen  Stamm,  der  durch  einen  Porus 
nach  aussen  mündet.  Idiogenes  führt  zwei  Stämme,  die  auch  in 
jeder  Progiottide  durch  eine  Anastomose  vereinigt  sind  und  Feuer- 
eisen giebt  über  Taenia  fasciata  Rud.  an,  dass  vier  Gefässe  um  die 
Rüsselscheide  einen  Ring  bilden. 

Das  Nervensystem  ist  sehr  schwach  entwickelt;  dicht  hinter 
dem  Receptaculum  rostelli  liegt  eine  elliptische  Gehirnmasse,  von  der 
zwei  Seitennerven  nach  hinten  abgehen,  die  in  ihrem  Verlauf  immer 
der  Aussenseite  der  Gefässe  in  geringer  Entfernung  folgen  (Fig.  7 
bis  10,  N).  Der  Hauptnerv  misst  im  Durchmesser  etwa  0,01  mm. 
Nach  Zschokke  bilden  bei  Taenia  argentina  zwei  Längsnerven  unter 
dem  Frontalsaugnapf  eine  Commissur;  Nitsche  findet  bei  Taenia 
undulata  zwei  spongiöse  Längsstränge,  bei  Taenia  crassicollis  deren 
zehn;  er  nennt  sie  ein  neues,  bisher  übersehenes  Organ,  ohne  sie  als 
Nerven  zu  bezeichnen. 


Beitrag  zur  Keimtniss  der  Vogel  tänien.  175 

lü  mm  vom  Kopfende  tritt  die  erste  Anlage  der  Geschlechts- 
organe auf  in  Gestalt  eines  mitten  in  der  Proglottide  gelegenen 
länglichrunden  Zellhaufens:  in  15  mm  Entfernung,  immer  vom 
Scolex  ab  gerechnet,  bemerkt  man  die  Anlage  des  Cirrusbeutels 
und  der  Vagina,  bald  darauf  auch  sämmtlicher  männlicher  und 
weiblicher  Geschlechtsorgane,  die  vorläufig  alle  aus  anscheinend 
gleichen  Zellenmassen  bestehen;  bei  25  mm  Entfernung  sind  alle 
Geschlechtsorgane  deutlich  erkennbar  in  ihrem  besonderen  Bau,  am 
weitesten  entwickelt  zeigen  sich  die  Hoden;  bei  30  mm  ist  das 
Receptaculuni  seminis  bereits  mit  Samen  gefüllt ;  in  45  mm  Ent- 
fernung füllt  sich  der  Uterus  mit  unreifen  Eiern.  Bei  Taenia  fasciata 
Rud.  unterscheidet  Feuereisen  vier  Hauptgruppen  von  Proglottiden, 
geschlechtslose,  männliche,  weibliche  und  eiführende;  die  männlichen 
und  weiblichen  sind  bei  unserer  Art  nicht  getrennt,  wenngleich  die 
Hoden  sich  etwas  früher  entwickeln  als  die  Ovarien;  wenn  bei 
Taenia  fasciata  die  Keimstöcke  (Dotterstöcke  Feuereisen)  auf  der 
Höhe  der  Entwicklung  stehen,  sind  die  Hoden  verschwunden,  während 
diese  Organe  bei  T.  puncta  gleichzeitig  bestehen  und  functioniren. 

Die  Geschlechtsöffnungen  stehen  am  vorderen  Drittel  der 
Proglottiden  unregelmässig  abwechselnd  links  und  rechts;  diese 
Stellung  beobachtete  Krabbe  bei  34  Vogeltänien,  eine  einseitige  Lage 
der  Geschlechtsöffnungen  bei  65,  ein  regelmässiges  Abwechseln  4mal 
und  eine  doppelseitige  Lage  2  mal,  die  letzteren  würden  dem  Riehni'- 
schen  Subgenus  Dipylidium  entsprechen. 

Cirrusbeutel  und  Vagina  münden  beide  in  einen  kleinen,  flachen 
Geschlechtssinus,  und  zwar  liegt  der  Cirrusbeutel  vor  der  Vagina 
(Fig.  7,  Gs).  Einen  Geschlechtssinus  von  colossaler  Grösse  beschreibt 
Feuereisen  bei  Taenia  fasciata  Rud.  Als  erste  Ho  den- Anlage  be- 
merkt man  kugelförmige,  0,023  mm  grosse  Zellen,  die  dichtgedrängte, 
ebenfalls  kugelige,  gekernte  Tochterzellen  enthalten  von  0,0066  mm 
Grösse.  Diese  Zellen  verschmelzen  zu  grossen  Zellen  (Fig.  15,  b), 
welche  wiederum  in  ihrem  Innern  gekernte  Zellen  ausbilden,  die  als 
Enkelzellen  zu  bezeichnen  sind;  die  grossen  Tochterzellen  zweiter 
Generation  haben  das  merkwürdige,  dass  sich  in  ihnen  das  Chromatin 
mondsichelförmig  an  einer  Seite  des  Umfanges  sammelt  (Fig.  15,  b  — e); 
in  der  weiteren  Entwickelung  differencirt  sich  in  jeder  Mutter- 
zelle eine  Tochterzelle  von  den  übrigen,  die  ich  als  Stammzelle  be- 
zeichnen möchte;  sie  ist  verhältnissmässig  klein,  scharf  contourirt 
mit  dunklem  Kern  und  bildet  keine  Enkelzellen  aus  (Fig.  15,  b — e,  S), 
die  Enkelzellen  sammeln  sich  an  der  Peripherie  der  Tochterzelle,  die 
nun  maulbeerartig  (Fig.  15,  c)  aussieht  und  erstere  beginnen  aus 
letzterer  auszuwandern,  sodass  sie  nun  frei  in  der  Mutterzelle  liegen; 
bald  wird  ihr  Kern  unsichtbar  (Fig.  15,  d)  und  in  ihnen  bilden  sich 
die  Samenfäden,  die  sehr  lang  und  etwa  0,0008  mm  breit  sind; 
endlich  schwindet  die  Membran  der  Enkelzellen  und  die  Samenfäden 
werden  in  der  Mutterzelle  frei,  die  man  nun  als  Samenblasen  be- 
zeichnen kann  (Fig.  15,  e). 


176  Dr-  v-  Linstow  : 

Das  lange  Vas  deferens  liegt  vielfach  aufgerollt  an  der  Grenze 
zwischen  dem  vorderen  und  mittleren  Drittel  der  Proglottide;  es 
sammelt  den  Samen ,  da  es  zugleich  als  Leitungs-  wie  als  ■  Aufbe- 
wahrungsorgan dient,  und  uhrt  ihn  in  den  Cirrusbeutel  (Fig.  7), 
der  cylindrisch  ist,  nach  aussen  zu  kolbig  anschwillt  und  in  die  Ge- 
schlechtscloake  mündet;  das  Vas  deferens  liegt  geschlängelt  in  ihm 
und  geht  in  den  Cirrus  über,  der  sehr  klein  und  unbedornt  ist ;  er 
ist  0,023  mnij  eit  herausgestreckt  an  einzelnen  Proglottiden  und 
0,0066  mm  breit  (Fig.  7,  Vd,  Cb;  Fig.  8,  Vd,  Cb,  C). 

Die  Cirren  der  Vogeltänien,  deren  Krabbe  verschiedene  be- 
schreibt _nd  abbildet,  zeichnen  sich  oft  durch  ihre  colossale  Grösse 
und  gewaltige  Bedornung  aus. 

Die  Hoden  fand  ich  bei  Taenia  depressa  weniger  zahlreich,  den 
Cirrus  aber  sehr  lang  und  am  Ende  wie  auch  am  vorderen  Drittel 
bedornt;  der  Cirrusbeutel  Hegt  hier  weit  vom  Proglottiden -Rande 
entfernt. 

Nach  Zschokke  ist  der  Cirrus  von  Taenia  argentina  handschuh- 
fingerartig  ein-  und  ausstülpbar  und  aussen  bedornt;  in  jeder  Prog- 
lottide liegt  nur  ein  grosser  Hoden. 

Pagenstecher  lässt  bei  Taenia  microsoma  sich  den  Cirrusbeutel 
direct  mit  Samen  füllen,  ohne  dass  ein  Vas  deferens  sich  in  ihm 
verbreitet ;  auch  hier  soll  nur  ein  Hoden  vorkommen,  wenn  nicht  die 
dreiblättrige  Kleeblattfigur,  als  Anfangstheil  des  Vas  deferens  ge- 
deutet, ein  dreitheiliger  Hoden  ist. 

Feuereisen  findet  bei  Taenia  fasciata,  setigera  und  lanceolata 
drei  Hoden  in  jeder  Proglottide,  in  Taenia  setigera  Fröl.  ausser  dem 
Receptaculum  seminis  und  dem  Cirrusbeutel  noch  eine  männliche 
Samenblase.  Idiogenes  hat  10 — 15  Hoden  in  jeder  Proglottide,  die 
in  der  Ventral-  und  Dorsalschicht  liegen,  eine  Samenblase  fehlt  und 
der  bedornte  Cirrus  ist  sehr  lang. 

Die  weiblichen  Geschlechtsorgane  bestehen  aus  Keimstock, 
Dotterstock,  Receptaculum  seminis,  den  sie  verbindenden  Gängen  und 
der  Vagina.  Der  Keimstock  liegt  in  der  Rückenhälfte  der  Prog- 
lottiden, vom  Vorder-  und  Hinterrand  etwa  gleich  entfernt  (Fig.  7 
u.  9,  K);  er  besteht  aus  gekernten  Zellen  von  0,0087 — 0,0098  mm 
Grösse;  er  ist  gelappt  und,  oft  in  undeutlicher  Weise,  in  eine  rechte 
und  linke  Hälfte  getheilt;  dicht  von  ihm,  im  Centrum  der  Prog- 
lottide liegt  der  unregelmässig  kugel-  oder  eiförmige  Dotter  stock 
(Fig.  7  u.  9,  D);  auch  er  besteht  aus  rundlichen,  gekernten  Zellen, 
die  aber  kleiner  als  die  des  Keimstocks  sind  und  0,0065  mm  messen; 
der  ganze  Dotterstock  ist  0,052 — 0,082  mm  gross.  Noch  vorn  und 
aussen  von  beiden  Organe  bemerkt  man  das  ovale,  sehr  dickwandige 
Receptaculum  seminis  von  0,15  mm  Länge  nnd  0,12  mm  Breite; 
an  seinem  Hinterrande  lässt  es  den  Samen  in  einen  Ausführungsgang 
treten,  um  ihn  in  den  Ausmündungscanal  des  Keimstockes  über- 
zuleiten (Fig.  7  u.  9,  RS);  nicht  weit  hinter  der  Einmündungsstelle 
tritt   ein   zweites  Rohr,   die  Verbindung  mit  dem  Dotterstock  hinzu; 


Beitrag-  zur  Kenntnis«  dei   Vogeltänien.  177 

diese  Canäle  sind  mit  gekernten  Zellen  dicht  und  regelmässig  besetzt. 
Eine  Schalendrüse  fehlt.  In  den  letzten,  reife  Eier  enthaltenden 
Pro-glottiden,  die  in  der  50  —  60  mm  vom  K  »fende  entfernten  Strecke 
zu  finden  sind,  lässt  sich  als  einziger  Re^i  der  weiblichen  Organe 
das  ganz  an  den  vorderen  Rand  der  Glieder  gedrängte  Receptaculum 
seminis  erkennen.  u 

Feuereisen  nimmt  für  Taenia  fasciata,  setigera  ,-iid  lanceolata 
einen  unpaaren  Keimstock  und  2  seitliche  Dotterstöcke  an,  so  dass 
man  annehmen  muss,  er  habe  beide  Organe  verwechselt.  Bei  Taenia 
depressa  fand  ich  eine  Schalendrüse  und  einen  merkwürdige  j  chiti- 
nösen  Ventilapparat,  der  das  Zurückströmen  des  Samens  aut.  dem 
Receptaculum  seminis  in  die  Vagina  verhindern  soll,  ein  Analogon 
der  trichterförmigen  Chitinlamelle,  die  Sommer  bei  Taenia  solium 
und  mediocanellata  fand.  Taenia  microsoma  soll  nach  Pagenstecher 
keinen  Dotterstock  haben;  wahrscheinlich  sind  aber  die  beiden  Uterin- 
hörner  der  Keimstock,  und  das  von  ihnen  nmfasste,  als  Keimstock 
bezeichnete  Organ  der  Dotterstock. 

Nach  Zschokke  liegt  bei  Taenia  argentina  ein  doppelter,  fächer- 
artig gestalteter  Dotterstock  quer  am  Hinterrande  jeder  Proglottide; 
bei  Idiogenes  ist  die  Vagina  mit  nach  innen  gerichteten  Cilien  aus- 
gekleidet, die  Proglottiden  zeigen  2  birnförmige  Keimstöcke  und  einen 
kleinen,  rundlichen  Dotterstock,  am  Beginn  des  Uterus  aber  eine 
kleine,  ringförmige  Schalendrüse;  das  Ende  der  Vagina  ist  zu  einem 
Receptaculum  seminis  sackförmig  erweitert. 

Die  Eier  haben  eine  dreifache  Schale;  die  äussere  ist  0,114mm 
lang  und  0,088  mm  breit ;  dann  folgt  eine  hyaline,  vielfach  gefaltete 
Hülle  und  hierauf  die  innerste,  in  der  die  Oncosphäre  liegt,  die 
innerste  Hülle  ist  0,062  mm  lang  und  0,043  mm  breit;  die  4  äusseren 
Haken  der  Oncosphäre  decken  sich  je  2  und  2  in  seitlicher  Lage, 
und  sind  stärker  und  gekrümmter  als  die  beiden  inneren  (Fig.  13  u.  14). 


2.    Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  von  Taenia 
mediocanellata. 

(Fig.  I.) 

In  der  Klinik  des  Herrn  Geheimrath  Professor  Ebstein  wurden 
zwei  Exemplare  von  den  Taenia  mediocanellata  von  einem  Kranken  ent- 
leert, der  eine  Schmierkur  mit  grauer  Quecksilbersalbe  durchgemacht 
hatte;  dieselben  hatten  nicht  die  gewöhnliche  weisse,  sondern  eine 
graue  Farbe,  die  von  massenhaften  Einlagerungen  von  schwarzen 
Partikel chen  herrührt,  welche  Herr  Professor  Polstorff  als  Queck- 
silberoxydul bestimmte.  Sehr  merkwürdig  ist  nun  die  Vertheilung 
der  schwarzen  Körnchen  in  den  Proglottiden;  das  Parenchym  ist 
ziemlich  gleichmässig  und  schwach  durchsetzt,  die  Hoden  aber  in  viel 
auffallenderer  Weise,  ebenso  die  Vasa  efferentia  und  das  Vas  deferens, 
am  stärksten  aber  die  Vagina,    die  kohlschwarz  erscheint,    während 

Aixh.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  3.  12 


178  Di-,  v.  Li  11  stow  : 

die  producirenden  weiblichen  Organe  nicht  ein  einziges  Körnchen 
enthalten,  nnd  in  gefärbten  Schnitten  schön  roth  erscheinen.  Die 
Vasa  efferentia  haben  einen  Grenzstrang,  welcher  dem  grossen  Längs- 
gefäss  an  dessen  Innenseite  parallel  läuft,  den  ich  in  allen  Beschrei- 
bungen vergeblich  gesucht  habe,  bei  dieser  natürlichen  Färbung  aber 
sehr  in  die  Augen  fallend  ist.  Man  muss  annehmen,  dass  das  Queck- 
silber, in  regulinischer  Form  dem  menschlichen  Körper  einverleibt, 
in  gelöstem  Zustande  als  Sublimat  in  kleinen  Mengen  nach  und  nach 
von  der  Tänie  resorbirt  und  in  ihr  dadurch,  dass  eine  Basis  sich 
mit  der  Chlorwasserstoffsäure  verband,  als  Quecksilberoxydul  aus- 
geschieden ist.  Was  die  merkwürdige  Vertheilung  betrifft,  so  erkläre 
ich  dieselbe  dadurch,  dass  die  männlichen  Organe  und  die  Vagina, 
welche  gleichzeitig  entstehen,  einen  grösseren  Nahrungsbedarf  haben, 
als  die  übrigen  Organe;  die  producirenden  weiblichen  Organe,  welche 
später  entstehen,  waren  noch  nicht  vorhanden,  und  als  sie  sich 
bildeten,  hatte  die  Quecksilberaufnahme  aufgehört;  die  Tänien  sind 
beide  kurz  und  die  producirenden  weiblichen  Qrgane  nur  in  ihren 
ersten  Anlagen  vorhanden.  Die  Kalkkörperchen  sind  ohne  Einlage- 
rungen. Einige  Proglottiden  befinden  sich  in  Selbstbegattung;  der 
Girrus  ist  in  die  Vagina  eingedrungen. 


3.   Taenia?  decipieiis  Dies. 

(Fig.  II.) 

Von  Herrn  Dr.  A.  Lutz  erhielt  ich  aus  Brasilien  eine  Tänie  aus 
dem  Darm  von  Molossus,  wahrscheinlich  M.  perotis  Neuw. ;  sie  ist 
50  mm  lang,  der  Körperrand  ist  sägeförmig  und  die  letzten  Prog- 
lottiden sind  0,78  mm  breit  und  0,16  mm  lang;  der  Scolex  hat  eine 
Breite  von  0,26  mm  und  geht  ohne  deutliche  Grenze  in  den  sogen. 
Hals  über;  die  Saugnäpfe  messen  0,082  mm  und  die  40  Haken  sind 
0,023  mm  lang;  sie  erinnern  in  der  Form  an  die  von  Taenia  acuta, 
deren  43 — 46  Haken  0,04  mm  messen.  Die  elliptischen  Eier  haben 
eine  doppelte  Schale ;  die  innere  ist  0,033  mm  lang  und  0,026  mm 
breit,  die  äussere  resp.  0,056  und  0,046  mm,  die  Geschlechtsöffnungen 
stehen  einseitig,  etwa  in  der  Mitte  des  Proglottidenrandes.  Ver- 
muthlich  ist  diese  Tänie,  wie  ich  aus  dem  Fundorte  schliesse,  identisch 
mit  Diesing's  Taenia  decipiens,  die  unvollkommene  Beschreibung  er- 
laubt keine  sichere  Entscheidung  der  Frage. 


4.    Taenia  crassiscolex  u.  sp. 

(Fig.  HL) 

Im  Darm  von  Sorex  vulgaris  (tetragonurus)  fand  ich  eine  Tänie, 
deren  Geschlechtsorgane  noch  nicht  entwickelt  waren ;  der  Scolex  ist 
sehr  gross  und  breit,  das  spindelförmige  Rostelluni  ist  0,22  mm  lang 
und  0,19  mm  breit;    die  Saugnäpfe  haben  eine  Länge  von  0,49  und 


Beitrag  zur  Kenntniss  der  Vogeltänien.  170 

eine  Breite  von  0,16  mm,  am  Rostellum  stehen  17  Haken  von  0,05:2  mm 
Länge;  der  Hakenast  ist  etwa  so  lang  wie  der  Wurzelast  und  der 
Hebelast  ist  klein  und  nach  innen  gekrümmt;  die  Haken  sind  viel 
grösser  und  von  wesentlich  anderer  Form  als  die  der  in  Spitzmäusen 
bisher  gefundenen  Tänien,  deren  Anzahl  und  Grösse  hier  zum  Ver- 
gleiche angegeben  ist: 

Zahl.  Grösse. 

Taenia  scalaris  Duj.       12—14  0,026—0,033  mm 

„  uncinata  Stieda  14—19  0,017—0,020  „ 

„  pistillum  Duj.     20—22  0,010  „ 

„  tiara  Duj.           30—34  0,022—0,026  „ 

„  furcata  Stieda   20—28  0,021  „ 

„  scutigera  Duj.    10  0,033—0,040  „ 

„  neglecta  Dies,  soll  ein  os  inerme  haben. 

5.    Diplostomum  Cobitidis  11.  sp. 

Eingekapselt  und  frei  in  der  Leibeshöhle  von  Cobitis  barbatula 
lebt  die  Larve  einer  Holostomum  von  0,72  mm  Länge  und  0,60  mm 
Breite;  die  Gestalt  ist  eiförmig,  am  Hinterende  bemerkt  man  einen 
kleinen,  rundlichen  Anhang,  der  Mundsaugnapf  ist  klein  und  der  in 
der  Mitte  des  Körpers  gelegene  kugelförmige  Körper  hat  einen  etwa 
dreimal  grösseren  Durchmesser;  die  Kapseln,  welche  die  Larve  ein- 
schliessen,  sind  sehr  dickwandig;  die  Wandung  misst  0,12  mm  und 
die  Länge  der  Kapsel  beträgt  0,78  mm,  die  Breite  0,66  mm,  sie  besteht 
aus  concentrisch  geschichteten  Lagen. 

Die  nächsten  beiden  Arten  hatte  der  der  Wissenschaft  leider  zu 
früh  verstorbene  Professor  Dr.  Brock  die  Güte  mir  mitzusth eilen;  sie 
waren  von  ihm  im  Jahre  1885  in  Ostindien  gesammelt;  3  weibliche 
Ascariden  aus  dem  Darm  eines  Acanthopteren  mit  langgestreckten 
Lippen,  die  Löffelbildung  und  eine  Einschnürung  vor  der  Mitte  zeigen, 
sodass  sie  mit  Ascaris  rigida,  clavata  und  labiata  verwandt  sind, 
lasse  ich  unbeschrieben,  weil  die  Männchen  fehlten  und  das  Wohn- 
thier  unbekannt  ist. 

6.    Ecliiiiorhyiickus  taeuiaeformis  u.  sp. 

(Fig.  IV.) 

wurde  im  Darm  von  Caranx  spec.  ?  gefunden;  das  Männchen  ist  17, 
das  Weibchen  19  mm  lang  und  1,3  mm  breit;  das  Rosstellum  ist  vorn 
verdickt  und  dicht  mit  18  Querreihen  von  Haken  besetzt,  deren  jede 
durch  10  Haken  gebildet  wird;  der  folgende  Körperabschnitt  ist  mit 
12 — 15  Querreihen  starker,  conischer  Haken  besetzt,  und  der  Körper 
ist  tänienartig  von  tiefen,  rinnenartigen  Furchen  eingeschnürt,  das 
Körperende  ist  bei  beiden  Geschlechtern  kolbig  aufgetrieben;  die  dick- 
schaligen, glatten  Eier  sind  0,035  mm  lang  und  0,023  mm  breit  und 
von  elliptischer  Gestalt;  am  nächsten  verwandt  die  Form  mit  Echino- 
rhynchus  arcuatus  Diesing. 

12* 


ISO  Di",  v.  L instow 


7.    Spiropteriiia  iiiflata  n.  sp. 

(Fig.  v— vni.) 

lebt  in  Scyllium  immoratum,  der  Magenwand  angeheftet. 

Die  Cuticula  am  Kopfende  ist  aufgetrieben  und  an  der  Scheitel- 
flache  napfförniig  eingezogen,  sodass  dieser  Theil  wohl  wie  ein  Saug- 
napf wirken  kann;  aus  der  Einziehung  ragen  2  rundliche  Lippen 
hervor,  die  beide  am  Scheitel  eine  spitze  und  rechts  und  links  an  der 
Basis  je  eine  kleine,  Hache  Papille  tragen;  0,48  mm  vom  Kopfende 
entfernt  liegt  ein  den  Oesophagus  einschliessender  Nervenring,  und 
0,65  mm  entfernt  stehen  2  Nackenpapillen.  Die  Cuticula  zeigt  feine, 
0,004  mm  breite ,  schwer  erkennbare  Querringel ;  auf  Ouerschnitten 
ist  sie  homogen  und  derbe;  unter  ihr  liegt  eine  Subcuticula,  welche 
sich  in  Längslamellen  nach  innen  erhebt,  und  in  den  so  entstandenen 
Zwischenräumen  liegen  die  Muskeln,  die  man  bei  unverletzten  Exem- 
plaren als  Längsstränge  durch  die  Cuticula  hindurchschimmern  sieht 
und  in  denen  man  eine  Menge  in  Längsreihen  geordneter,  glänzender, 
kugelförmiger,  kleiner  Kerne  erkennt.  Die  Muskelschicht  ist  nur  in 
den  Seitenlinien  unterbrochen;  hier  entspringen  von  der  Subcuticula 
2  stark  entwickelte  Wülste  von  birnförmigem  Querschnitt,  die  in  den 
Leibesraum  hineinragen;  eine  Scheidewand  theilt  sie  in  eine  Bauch- 
und  eine  Rückenhälfte  und  das  Gewebe  ist  zellig.  Die  Scheitelpunkte 
der  Wülste  sind  ihrer  ganzen  Länge  nach  durch  ein  Diaphragma 
verbunden,  das  die  Leibeshöhle  in  eine  Bauch-  und  Rückenhöhle 
scheidet ;  in  ersterer  liegen  die  Fortpflanzungsorgane,  in  letzterer  die 
Ernährungsorgane.  Die  Nerven  verlaufen  in  der  Subcuticula.  Oeso- 
phagus und  Darm  bestehen  aus  einer  dicken,  äusseren  Hülle,  ebenso 
ist  die  das  Lumen  auskleidende  Membran  sehr  mächtig,  zwischen  der 
äusseren  und  inneren  Hülle  liegen  grosse,  durch  Septa  geschiedene 
Zellen,  welche  da,  wo  sie  an  die  äussere  Hülle  grenzen,  einen  kleinen 
Kern  führen. 

Das  Männchen  ist  35,5  mm  lang  und  0,54  mm  breit;  der  Oeso- 
phagus nimmt  77,  der  Schwanz  V59  der  Gesammtlänge  ein;  das  Hinter- 
leibsende ist  in  3  Windungen  aufgerollt  und  am  Ende  abgerundet ; 
die  beiden  Girren  sind  ungleich,  der  linke  misst  0,44,  der  rechte 
0,19  mm;  die  Bursa  ist  links  stärker  entwickelt  und  zeigt  hier  einen 
gewellten  Rand,  dicht  vor  der  Cloake  stehen  4  kleine  Papillen  in  einer 
Bogenlinie  und  weiter  nach  vorn  4  grosse  im  Viereck;  postanale 
findet  man  jederseits  6 ,  von  denen  die  zweite  gestielt  ist  und  die 
beiden  letzten  dicht  neben  einander  am  äussersten  Schwanzende  stehen. 

Das  Weibchen  ist  57—39,7  mm  lang  und  0,6—0,54  mm  breit; 
der  Oesophagus  nimmt  --,-  der  Schwanz  ~h  der  ganzen  Länge  ein; 
die  Vulva  liegt  hinter  der  Körpermitte  und  theilt  die  Länge  im  Ver- 
hältniss  von  7:4;  sie  ist  durch  einen  starken  Wulst  an  der  Bauch- 
seite markirt,  von  hier  zieht  ein  1,2  mm  langer  Uterus  nach  vorn, 
von  dem  nach  vorn  die  Ovarien  entspringen,  die  in  vielen  Win- 
dungen   neben    Darm    und  Oesophagus    die    ganze   Körperhöhle    der 


Beitrag  zur  Kenntnis*  der  Vogeltänien.  181 

Bauchseite  erfüllen.  Die  Vagina  ist  in  ihrem  Endtheil  3  mal  recht- 
winklig geknickt,  hinter  der  Mündung  steht  eine  sehr  kleine  Papille. 
Das  Weibchen  ist  nach  der  Rückenfläche  gekrümmt,  sodass  Vulva 
und  Anus  an  der  convexen  Seite  liegen;  auch  hier  ist  das  Schwanz- 
ende abgerundet.  Die  Eier  haben  eine  dicke,  hyaline  Schale  und 
sind  0,043  mm  lang  und  0,029  mm  breit. 

Das  Genus  Spiropterina  lebt  in  Rochen  und  Haien  und  sind  bis 
jetzt  ausser  dieser  4  Arten  beschrieben. 

Spiropterina  coronata  van  Beneden1)  ist  der  inneren  Magen- 
wand von  Scyllium  canicula  und  Raja  radians  anhaftend  gefunden; 
das  Männchen  ist  25 — 30,  das  Weibchen  60  —  65  mm  lang;  ersteres 
führt  2  ungleiche  Spicula  und  die  Bursa  jederseits  6  —  7  Strahlen; 
das  Schwanzende  des  Weibchens  ist  einziehbar;  am  Kopfende  steht 
eine  kreisförmige  Membran,  die  zurükziehbar  ist,  das  Schwanzende 
ist  abgerundet. 

Spiroptina  dacnodes  Creplin2)  =  Histiocephalus  dacnodes  Molin3) 
wurde  im  Oesophagus  von  Raja  clavata  und  im  Magen  von  Mustelus 
vulgaris  gefunden;  das  Männchen  ist  25,  das  Weibchen  15  —  50  mm 
lang;  das  Kopfende  ist  von  einer  Membran  umgeben,  der  Mund  zeigt 
Papillen,  das  männliche  Schwanzende  ist  einmal  aufgerollt,  die 
Spicula  sind  ungleich,  das  Schwanzende  ist  abgerundet,  die  Bursa 
breit,   die  Vulva  liegt  hinter  der  Mitte. 

Spiropterina  Rajae  clavatae  Dujardin4)  und  Wedl5)  lebt  in  den 
Magenhäuten  von  Raja  clavata  und  im  Darm  von  Raja  batis;  die 
Form  ist  klein,  8  — 18  mm  lang  und  0,25  —  0,7  mm  breit,  röthlich 
von  Farbe  und  geschlechtlich  unentwickelt.  Das  Kopfende  zeigt 
3  hervorragende  Läppchen  an  der  Rückenfläche  mit  3  eingekerbten 
Erhabenheiten  und  2  Papillen  am  Scheitel. 

Spiropterina  elegans  Oerley 6)  lebt  im  Darm  von  Hexanchus  griseus; 
sie  ist  15  —  20  mm  lang;  das  Kopfende  hat  einen  durchsichtigen 
Kragen  und  2  Lippen,  die  je  einen  spitzen  Zahn  an  der  Scheitel- 
fläche tragen;  der  Rand  des  Kragens  ist  hinten  wellenförmig;  das 
Schwanzende  des  Weibchens  ist  einziehbar,  das  des  Männchens  hat 
eine  eiförmige  Bursa,  ungleiche  Cirren,  5  rippenförmige  Papillen- 
Paare  vor  dem  Anus  und  ein  abgerundetes  Schwänzende. 

Die  4  Arten  sind  in  Fischen  der  europäischen  Meere  gefunden. 


*)  Compt.  rend.  Acad.  sc.  Paris,  t.  II,  suppl.,  1861,  pag.  270 — 271. 

2)  Archiv  für  Naturgesch.  1851,  pag.  308. 

3)  Sitzungsber.  d.  k.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  Wien  XXXIV,  1860,  pag.  512 
bis  513. 

4)  Hist.  des  Helm.  pag.  105. 

5)  Sitzber.  d.  k.   k.  Akad.    d.  Wissensch.     Wien  XVI,     1855,    pag.  388, 
tab.  in,  fig.  28. 

6)  Die  Entozoen  der  Haien  und  Rochen,  Budapest  1885,  pag.  218,  tab.  IX 
fig.  7—9. 


182  Dr.  v.  Linstow: 


8.   Filaria  liyalina  n.  sp. 

(Fig.  IX.) 

Im  Darm  von  Sorex  vulgaris  fand  ich  männliche,  sehr  zarte, 
farblose,  fast  durchsichtige  Filarien  von  6,91  mm  Länge  und  0,26  mm 
Breite ;  die  Haut  ist  in  Abständen  von  0,0055  mm  regelmässig  quer- 
geringelt, das  Kopfende  bietet  nichts  bemerkenswerth.es;  die  beiden 
Girren  sind  sehr  ungleich,  der  linke  ist  0,49  mm  lang  und  0,0098  mm 
breit,  der  rechte  0,13  mm  lang  und  an  der  Basis  0,033  mm  breit; 
jederseits  stehen  4  prä-  und  6  postanale  Papillen,  von  denen  die 
beiden  hintersten  sehr  klein  sind  und  neben  einander  stehen;  ausser 
den  geschlechtsreifen  Exemplaren  fand  sich  im  Darm  noch  eine  freie 
und  eine  eingekapselte  Larve;  in  einer  kugelförmigen  Cyste  von 
0,29  mm  Durchmesser  liegt  die  Larve  aufgerollt,  und  das  der  Aussen- 
wand  der  Kapsel  anhaftende  Gewebe  zeigt,  dass  sie  aus  einer 
Schnecke  stammt. 


9.    Oxysoma  terdentatum  n.  sp. 

(Fig.  X-XI.) 

Im  Darm  von  Triton  cristatus  sammelte  ich  nach  und  nach 
1 9  Exemplare  eines  neuen  Nematoden,  der  zu  Oxysoma  gehört,  einer 
Gattung,  von  der  man  bis  jetzt  nur  3  Arten  kannte.  Der  Kopf  führt 
3  Lippen,  von  denen  jede  2  Papillen  trägt;  der  Oesophagus  tritt  in 
3  rundlichen  Erhebungen  vor,  von  denen  jede  einen  etwas  nach  aussen 
gebogenen  Zahn  trägt.  Der  Oesophagus  geht  ohne  Anschwellung  in 
den  Darm  über.  Die  Cuticula  ist  bei  lebenden,  ungeschrumpften 
Exemplaren  glatt  und  ohne  Querringelung.  Die  Muskeln  zeigen  den 
Typus  der  Meromyarier;  die  Zellen  sind  ausserordentlich  lang,  die 
grossen  Kerne  messen  0,023  mm  und  ihre  Kernkörperchen  0,0078  mm; 
in  den  Seitenlinien,  in  der  Rücken-  und  Bauchlinie  ist  die  Musku- 
latur unterbrochen,  so  dass  4  Längsfelder  entstehen;  die  Seitenleisten 
und  der  Bulbus  am  Ende  des  Oesophagus,  wie  Oxysoma  brevicaudatum 
sie  zeigt,  fehlen  hier. 

Die  Thiere  sind  ausserordentlich  zart  und  vertragen  nicht  den 
leisesten  Druck  des  Deckglases,  auch  kein  Glycerin;  sie  erscheinen 
hyalin,  so  dass  die  inneren  Organe  durchscheinen;  bei  beiden  Ge- 
schlechtern ist  das  Schwanzende  lang  und  fein  zugespitzt.  Das 
Männchen  ist  lockenförmig  aufgerollt  wie  etwa  Trichosoma  contortum; 
es  ist  15  mm  lang  und  0,32  mm  breit;  der  Oesophagus  misst  gTe 
der  Schwanz  x/31  der  Gesammtlänge;  die  wenig  gebogenen,  0,52  mm 
langen  und  breit  geflügelten,  0,009  mm  im  Durchmesser  grossen 
Girren  sind  gleich  lang;  vor  der  Cloake  stehen  jederseits  3  Papillen, 
neben  ihr  4  und  am  Schwanzende  ebenfalls  4,  von  denen  die  zweite 
etwas  aus  der  Reihe  nach  innen  gerückt  ist;  die  Papillen  sind  zart 
und  prominent. 


Beitrag  zur  Kenntniss  der  Vogeltänieii.  183 

Das  Weibchen  ist  15  mm  lang  und  0,46  mm  breit;  die  Vulva 
ist  etwas  hervorragend  und  die  Vagina  nach  vorn  gerichtet;  erstere 
liegt  in  der  hinteren  Körperhälfte  und  theilt  die  Länge  im  Ver- 
hältniss  von  4:9;  der  Oesophagus  misst  %,  der  Schwanz  2-~  der 
Körperlänge;  die  unregelmässig  runden,  0,008  mm  grossen,  dünn- 
häutigen Eiern  werden  mit  2  —  4  Blastomeren  und  2  Richtungs- 
körperchen  in's  Wasser  abgelegt. 

Im  Wasser  verlassen  die  Embryonen  nach  einer  Woche  die  Ei- 
hülle;  es  sind  0,8  mm  lange  und  0,013  mm  breite,  schlanke,  beweg- 
liche Thiere,  deren  Oesophagus  ^  der  ganzen  Länge  misst.  Ein 
Zwischenwirth  existirt  wahrscheinlich  nicht;  die  kleinsten  im  Darm 
von  Triton  cristatus  gefundenen  Larven  waren  2,5  mm  lang  und 
0,048  mm  breit;  der  Darm  war  braun,  der  Oesophagus  mass  ^, 
der  Schwanz  %  der  Gesammtlänge ;  die  schlanken  Thiere  sind  sehr 
zart  und  ohne  Geschlechtsorgane. 


10.   Dacnitis  globosa  Duj. 

(Fig.  XII— XVI.) 

=  ?  Cucullanus  globosus  Zeel.  Diesing,  Syst.  Helm.  II  pag.  239 
—  240,  Duj  ardin,  Hist.  des  Helm.  pag.  250 — 251. 

Dacnitis  globosa  Dujardin,  Hist.   des  Helm.  pag.  269. 

Dachnitis  globosa  Sp.  Cobbold.  Transact.  Linn.  Soc.  XXII,  3, 
London  1856,  pag.  159—160,  tab.  31  flg.  20—23. 

Ob  Cucullanus  globosus  Zed.  synonym  mit  dieser  Art  ist,  die 
im  Darm  von  Trutta  fario  lebt,  ist  zweifelhaft ;  der  Körper  soll  von 
rother  Farbe  sein,  während  er  bei  unserer  Form  farblos  ist.  Die 
Cuticula  ist  quergeringelt;  die  Muskeln  gehören  zu  den  Meromyariern ; 
die  Zellen  sind  sehr  lang,  rhombisch  mit  schönem  kugelförmigem 
Kern;  sie  messen  0,33  mm  in  der  Länge  und  0,033  mm  in  der  Breite, 
der  Kern  ist  0,013  und  das  Kernkörperchen  0,004  mm  gross.  Der 
Körper  ist  vor  dem  Kopfende  über  die  Rückenfläche  gebogen;  das 
kolbig  aufgetriebene  Kopfende  hat  an  der  Bauchseite  eine  herzförmige 
Mundöffnung,  vor  der  2  kleine  Papillen  stehen;  der  Oesophagus 
endet  in  eine  kleine  pilzförmige  Drüse,  die  mit  kleinen,  sich  lebhaft 
färbenden  Kernen  dicht  durchsetzt  ist,  der  Darm  in  eine  grosse, 
vorn  offene,  den  Oesophagus  umfassenden  Glocke.  Die  Hautringel 
sind  0,0022  mm  breit.  Die  Muskulatur  ist  in  der  Rücken-  und  Bauch- 
linie durch  eine  kleine,  keilförmige  Leiste  getheilt,  in  den  Seiten- 
linien aber  durch  mächtige,  u/42  des  Durchmessers  messende  Wülste, 
die  sehr  merkwürdig  gebaut  sind.  Sie  bestehen  aus  2  mittleren  und 
einen  rücken-  und  bauchständigen  Theil;  erstere  führen  je  ein 
grosses  Gefäss  in  ihrem  Innern,  letztere  viele  Kerne. 


134  Dr.  v.  Linstow  : 

Das  Männchen  ist  9,1  mm  lang  und  0,3  mm  breit;  das  Schwanz- 
ende ist  spiralig  eingerollt ;  der  Oesophagus  misst  grs  der  Schwanz- 
V50  der  Gesammtlänge ;  die  beiden  gleichen  Cirren  sind  0,66  mm 
lang,  ein  accessorisches  Stück  zwischen  ihnen  0,13  mm.  Die  Cirren 
sind  nach  innen  und  der  Rückseite  offene  Hohlrinnen,  welche  von 
3  parallelen,  hohlen  Stäben  gestüzt  werden,  von  denen  der  mittlere 
der  stärkste  ist;  man  zählt  5  prä-  und  4  postanale  Papillen  jeder- 
seits;  vor  der  Wurzel  der  Cirren  steht  eine  grosse,  flache,  länglich- 
runde Sauggrube  von  Hautstrahlen  umgeben.  Wie  bei  vielen  männ- 
lichen Nematoden  findet  man  an  der  Bauchseite  das  Schwanzende 
von  vorn  und  aussen  nach  hinten  und  innen  verlaufende  Muskeln, 
die  wohl  die  Function  haben,  bei  der  Copula  den  runden  Körper 
an  der  Bauchseite  abzuflachen.  Das  Weibchen  hat  wie  das  Männchen 
ein  abgerundetes  Schwanzende;  es  ist  13,1  mm  lang  und  0,34  mm 
breit;  die  Vulva  liegt  in  der  hinteren  Körperhälfte;  der  durch  sie 
gebildete  vordere  Abschnitt  verhält  sich  zum  hinteren  wie  28:17; 
der  Oesophagus  nimmt  575,  der  Schwanz  ±ti  der  ganzen  Länge  ein; 
die  Eier  sind  0,056  mm  lang  und  0,046  mm  breit. 

Dass  die  Art  mit  Dacnitis  (Cucullanus)  foveolatus  Rud.  aus 
Pleuronectes  in  dasselbe  Genus  gehört,  ist  zweifellos;  wenn  aber 
Schneider  letztere  Form  in  das  Genus  Heterakis  einreiht,  so  ist 
das  wohl  nicht  richtig,  den  Heterakis  gehört  zu  den  Polymyariern 
und  die  Kopfbildung  ist  ganz  und  gar  anders,  nur  die  Sauggrube 
des  Männchens  erinnert  an  Heterakis. 


11.  Ascaris  gracillima  n.  sp. 

(Fig.  XVII.) 

Eine  geschlechtlich  unentwickelte,  sehr  schlanke,  zarte  Form 
mit  lebhaften  Bewegungen  im  Darm  von  Cobitis  barbatula,  Phoxinus 
laevis  und  Gasterosteus  aculeatus.  Die  Länge  beträgt  bis  zu  5,1  mm 
und  die  Breite  bis  0,12mm;  der  Oesophagus  nimmt  ire,  der 
Schwanz  y47  der  ganzen  Länge  ein;  die  Muskeln  sind  die  der 
Polymyarier;  men  findet  breite,  am  Kopfende  0,048  messende 
Seitenleisten  und  am  Schwanzende  grosse  Analdrüsen;  der  Oesophagus 
endigt  in  einen  abgeschnürten,  rundlichen  Bulbus,  der  sich  nach 
hinten  in  einen  neben  dem  Darm  liegenden  Blinddarm  verlängert, 
der  3/ö  der  Länge  und  4/7  der  Breite  des  Oesophagus  besitzt.  Das 
Kopfende  zeigt  3  mit  Papillen  besetzte  Lappen  und  die  Mundöffnung 
hat  starke  Chitinwandungen. 


Beitrag  zur  Kernitniss  der  Vogeltäoien.  185 


12.  Trichosoma  spinulosum  n.  sp. 

lebt  im  Cöcum  von  Fuligula  ferina.  Der  Körper  ist  vorn  stark 
verdünnt  und  der  Oesophagus  sehr  lang;  die  Seitenbänder  verhalten 
sich  im  Durchmesser  zur  Körperbreite  wie  6:19. 

Das  Männchen  ist  9,2  mm  lang  und  vorn  0,024,  weiter  hinten 
0,048  mm  breit;  die  Cirrusscheide  ist  stark  bedornt  und  0,18  mm 
weit  vorgestreckt;  das  Hinterleibsende  ist  zweilappig;  der  derbe 
Cirrus  misst  0,94  mm;  die  Länge  des  Oesophagus  verhält  sich  zu 
der  des  Darms  wie  5  :  6. 

Das  13,3  mm  lange  Weibchen  ist  ganz  vorn  0,036,  hinten 
0,066  mm  breit;  auch  hier  verhält  sich  die  Oesophagus-  zur  Darm- 
länge wie  5:6;  die  dickschaligen  Eier  sind  0,062  mm  lang  und 
0,033  mm  breit. 

In  zahlreichen  Enten-Arten  ist  ein  Trichosoma  brevicolle  Rud. 
gefunden,  das  Eberth1)  untersucht  und  gefunden  hat,  dass  Vorder- 
und  Hinterleib  im  Durchmesser  wenig  verschieden  sind,  dass  die 
Penisscheide  des  Männchens  glatt  ist,  dass  der  Halstheil  kurz  ist 
und  die  dünnschaligen  Eier  0,049  und  0,026  mm  messen;  die  Art 
ist  von  unserer  also  in  allen  Punkten  verschieden. 


13.  Angiostomum  nigrovenosuni  Rud. 

(Fig.  XVIII— XX). 

Die  Embryonen  der  Froschlunge  gelangen  in  den  Darm  und 
von  da  in's  Freie,  wo  sie  schon  in  3  Tagen  geschlechtsreif  werden 
können.  Das  0,68  mm  lange  und  0,036  mm  breite  Männchen  mit 
einem  Oesophagus  von  1/i  und  einem  Schwanz  von  f^r6  Körperlänge 
hat  2  0,033  mm  lange  Cirren  und  eine  schmale  Bursa  mit  4  prä- 
und  3  postanalen  Papillen.  Das  Weibchen  0,9  mm  lang  und 
0,054  mm  breit;  die  Eier,  von  denen  in  der  Regel  2  zur  Entwicklung 
kommen,  sind  0,079  mm  lang  und  0,046  mm  breit. 

Die  Nachkommenschaft  dieser  freilebenden  Generation  wächst 
in  der  Froschlunge  sehr  rasch  heran;  zunächst  sind  es  im  Gegen- 
satz zu  den  grossen,  geschlechtlich  entwickelten  Thieren  schlanke, 
sehr  lebhaft  sich  bewegende  Würmer,  die  bald  5,2  mm  lang  und 
0, 1 3  mm  breit  sind ;  die  Geburtsöffnung  liegt  hinter  der  Körpermitte, 
sie  theilt  die  Länge  im  Verhältniss  von  50 :  37 ;  der  Oesophagus  hat 
im  vorderen  Drittel    eine   kleine  Anschwellung;    er    misst   ^-7,    der 


')  Un  tersuchimgen  über  Nematoden,  pag.  58,  tab.  VI  fig.  12  u.  17. 


186  Dr.  v.  Linstow: 

kegelförmige  Schwanz  ^g  der  Gesammtlänge ;  man  bemerkt  einen 
kleinen  chitinisirten  Mnndbecher  und  2  grosse,  drüsige  Organe,  die 
länger  sind  als  der  Oesophagus,  und  am  Kopfende  münden;  sie  sind 
nach  Hamann  als  Lemnisken  aufzufassen. 

Die  hermaphroditische  Lungenform  ist  durchschnittlich  9  mm 
lang  und  0,3  mm  breit;  der  Oesophagus  ist  kurz  und  dünn,  nur 
0,43  mm  lang  =  V21  der  Gesammtlänge  und  0,032  mm  breit;  im 
vorderen  Drittel  zeigt  er  eine  0,036  mm  breite  und  am  Ende  eine 
0,06  mm  breite  Anschwellung  ohne  Ventilzähne.  Der  Darm  besteht 
aus  grossen,  schönen  gekernten  Zellen  und  ist  0,16  mm  breit.  Die 
GeburtsöfYnung  liegt  etwas  hinter  der  Körpermitte  und  theilt  die 
Leibeslänge  im  Verhältniss  von  8:7;  die  sehr  dünnhäutigen  Eier 
sind  0,09  mm  lang  und  0,048  mm  breit;  der  conisch  zugespitzte 
Schwanz  misst  f^-  der  ganzen  Länge;  der  Mundbecher  ist  klein, 
die  Epidermis  am  Kopfende  ist  blasig  aufgetrieben,  dahinter  ist  sie 
0,012  mm  dick;  die  Muskelbildung  ist  die  der  Meromyarier;  sonder- 
barer Weise  hat  der  sonst  so  zuverlässige  und  genau  beobachtende 
Dujardin1)  die  garnicht  existirenden  Männchen  beschrieben  und  ab- 
gebildet. Seitenmembranen,  von  denen  Dujardin  spricht,  fehlen. 
Die  Mitte  des  Oesophagus  wird  durch  ein  merkwürdiges  Gebilde, 
das  wohl  dem  Nervensystem  angehört,  gestüzt,  das  diese 
Organe  gabelförmig  umfasst  und  bis  zur  Bauchlinie  reicht; 
die  Seitenwülste  sind  sehr  stark  entwickelt  und  nehmen  l/e  der 
Körperperipherie  ein;  der  den  Oesophagus  umfassende  Nervenring 
liegt  0,21  mm  vom  Kopfende.  Ich  untersuchte,  in  welcher 
Weise  die  Samenkörperchen  und  Eier  in  einer  und  derselben 
Geschlechtsröhre  entstehen  und  zu  einander  gelangen,  und  fand 
dass  im  unteren,  der  Geburtsöffnung  zunächstliegenden  Theil  be- 
fruchtete Eier  zu  finden  sind,  dass  der  mittlere  als  Ovarium  und 
der  oben  als  Hoden  functionirt.  Auf  Querschnitten  sieht  man, 
dass  im  mittleren  Theil  die  um  eine  Rhachis  gelagerten  Eizellen 
den  ganzen  Raum  ausfüllen;  die  Eier  müssen  also  reifen,  sich  los- 
lösen und  weiter  bewegt  werden,  um  so  den  gleichzeitig  im  oberen 
Theil  reif  und  frei  gewordenen  Samenkörpern  den  Weg  zu  ihnen 
passirbar  zu  machen. 


')  Histoire  des  Helminthe«  pag.  178  u.  263,  pl.  6  Fig.  C5. 


Beitrag  zur  Kenntniss  der  Vogeltänien.  187 


Erklärung  der  Abbildungen 

auf  Tafel  X. 


Figur  1.    Scolex  von  der  Seite,    a,  Rostellum,  b.  Receptaculum  desselben,  c.  Ge- 
hirnmasse ;  irrthümlich  ist  nicht  das  Gehirn,  sondern  der  Raum  inner- 
halb des  Gefässringes  blau  gezeichnet. 
»      2.    Haken  der  kleineren  und  grösseren  Sorte. 

3. — 5.    Querschnitte    durch    den    Scolex.    a.  Rostellum,    b.  Receptaculum 
desselben,  c.  Drüsenmassen,  d.  Saugnapf,  e.  Gefäss. 
»      6.    Querschnitt  durch  den  Hals.     g.  Gefäss,  n.  Nerv. 

7.-10.  Proglottiden,  7  Flächen-,  8— 10  Querschnitt.  C  Cuticula,  Sc.  sub- 
cuticulare  Zellen,  gG  grosses  Gefäss,  kG  kleines  Gefäss,  GA  Gefäss- 
Anastomose,  N  Nerv,  Lm  Längsmuskelu,  H  Hoden,  Vd  Vasdeferens, 
Ob  Cirrusbeutel,  C  Cirrus,  K  Keimstock,  D  Dotterstock,  RS  Recepta- 
culum seminis,  Gs  Geschlechtssinus,  V  Vagina.  In  Fig.  7  sind  beide 
Gefässe  gezeichnet,  obgleich  sie  nicht  in  derselben  Frontalebene  liegen. 
»     11.,  12.     Ende  der  letzten  Proglottide,  11  Längs-,  12  Querschnitt. 

13.,  14.    Eier,  14  Schnitt  durch  die  Oncosphäre. 
»     15  a  —  e.    Hodenzellen  und  Spermatogenese,  S.  Stammzelle. 


Figur  I.  Flächenschnitt  einer  mit  Quecksilberoxydul  durchsetzten  Proglottide 
von  Taenia  mediocanellata.  a.  Nerv,  b.  Gefäss,  c.  Vagina,  d.  Vas 
deferens,  e.  Hoden,  f.  Vas  efferens,  g.  Anlage  der  weiblichen  Drüsen. 

»     II.    Haken  von  Taenia?  decipiens  Dies. 

••  III.    Haken  von  Taenia  crassiscolex. 

»   IV.    Echinorhynchus  taeniaeformis. 

»  V. — VIII.  Spiropterina  inflata.  V.  Kopfende,  VI.  männliches  Schwanz- 
ende von  der  Bauchseite,  VII.  Querschnitt,  VIII.  durch  den  Darm. 

»   IX.    Männliches  Schwanzende  von  Filaria  hyaliua  von  der  Bauchseite. 

»  X.— XI.  Oxysoma  terdentatum,  X.  Kopfende  von  der  Rücken-,  XI.  männ- 
liches Schwanzende  von  der  Bauchseite. 

»  XII.— XVI.  Dacnitis  globosa.  XII.  Kopfende,  XHI.  Kopf  von  der  Bauch- 
seite, XIV.  Querschnitt  a.  Darm,  b.  Seitenwülste,  c.  Muskeln,  d.  Rücken- 
und  Bauchwulst;  XV.  männliches  Schwänzende  von  der  Bauchseite; 
XVI.  Querschnitt  durch  die  Cirren  und  den  Darm. 


188  D*'-  v.  Linstow:  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Vogeltänieu. 

Fig.  XVII      Kopfende  von  Ascaris  gracillima  von  der  Rückenfläche. 

■  XVIII.— XX.  Angiostomum  nigrovenosum.  XVIII.  Schwänzende  des  frei- 
lebenden Männchens  von  der  Bauchseite,  XIX.  junge  Lungenforin, 
a.  Drüsenschlauch ;  XX.  Querschnitt  einer  entwickelten  Lungenforin, 
a.Ösophagus,  dessen  Lumen  mit  Blut  der  Froschlunge  gefüllt  ist,  b.  Nerven- 
ring, c.  Muskeln,  d.  Seitenwulst,  e.  oberster  Theil  der  Geschlechts- 
röhre mit  Samenbildungszellen,  f.  mittlerer  mit  Eizellen,  g.  und  h. 
unterer,   g.  mit  Samenkörperchen  und  Eizellen. 


Beiträge  zur  Entwicklung 

von 

Cypselus  melba, 

nebst 
biologischen  und  osteologischen  Details. 

Von 

Leo  Zehntner. 


Hierzu  Tafel  XI. 


Vorvor  t. 

Vorliegende  Arbeit  wurde  im  Laufe  des  Sommers  1889  im 
zoologischen  Institut  zu  Bern  auf  Anregung  von  Herrn  Prof.  Dr. 
Th.  S  tu  der  ausgeführt,  in  der  Absicht,  die  Besonderheiten  im  Skelet 
des  Alpenseglers  aufzuklären.  Zugleich  wollte  ich  die  systematische 
Stellung  der  Cypseliden,  welche  selbst  im  neuesten,  grossen  Werk 
von  Fürbringer  (1)  keine  definitive  Erledigung  erfahren  hat,  erörtern. 
Da  aber  die  letztere  Frage  reiches  vergleichendes  Material  verlangt, 
wie  es  mir  zur  Zeit  nicht  zur  Verfügung  steht,  so  muss  ich  auf 
diesen  Teil  der  Arbeit  vorläufig  verzichten.  Ich  gebe  hier  im 
wesentlichen  die  Entwicklung  des  Extremitätenskelets  und  soweit 
möglich  diejenige  des  Schulter-  und  Beckengürtels.  Da  ich  ferner 
Gelegenheit  hatte,  viele  Beobachtungen  in  biologischer  Hinsicht  zu 
machen,  so  erlaube  ich  mir,  auch  diese  mitzuteilen,  in  der  Meinung, 
dadurch  eine  Lücke  in  der  einschlägigen  Literatur  auszufüllen.  In 
der  Tat  findet  sich  darüber  nur  wenig  vor. 

An  dieser  Stelle  sei  es  mir  gestattet,  meinem  hochverehrten 
Lehrer,  Herrn  Prof.  Dr.  Th.  S  tu  der  meinen  innigsten  Dank  aus- 
zusprechen für  die  stete  Anregung,  das  Wohlwollen  und  die  Weg- 
leitung, die  er  mir  in  hohem  Maasse  zu  Teil  werden  Hess.  Auch 
den  tit.  Gemeindebehörden  von  Bern,  sowie  dem  Kirchmeier  am 
Münster,  Herrn  Notar  Ho wald,  bin  ich  zu  Dank  verpflichtet  dafür, 
dass  sie  mir  bereitwilligst  den  Zutritt  zu  den  Niststellen  (Münster- 
turm) des  Alpenseglers,  der  sich  ihres  ganz  besonderen  Schutzes 
erfreut,  gestattet  haben. 


190  Leo  Zehntner:    Beiträge  zur  Entwicklung  von 


Literatur. 

Die  Werke,  welche  in  der  vorliegenden  Arbeit  benützt  und  be- 
rücksichtigt wurden,  sind  in  der  Reihenfolge  aufgezählt,  in  welcher 
sie  citirt  werden  und  bedeuten  die  hinter  den  Namen  der  Autoren 
gesetzten,  eingeklammerten  Zahlen  im  Text,  jeweilen  das  Werk,  das 
unter  der  gleichen  Nummer  im  Verzeichniss  aufgeführt  ist. 

1.  Fürbringer:  Morphologie  und  Systematik  der  Vögel.  1886 — 88. 

2.  Katalog  der  Schweiz.  Vögel,  bearbeitet  im  Auftrage  des 
eidgen.  Departements  für  Industrie  und  Landwirtschaft  von 
Dr.  Th.  S  tu  der  und  Dr.  V.  Fatio.     Lieferung  II. 

3.  Shufeldt:  Contribution  to  the  comparative  Osteology  of  the 
Trochilidae,  Caprimulgidae  and  Cypselidae.  Proc,  Zool.  Soc. 
1885,  pag.  886  ff. 

4.  Lucas:  The  main  divisions  of  the  Swifts.     Auk.   1889  pag.  8. 

5.  The  affmities  of  Chaetura.     Auk  1886  pag.  444. 

6.  Parker  und  G.  T.  Bethany:  Die  Morphologie  des  Schädels. 
Uebersetzung  von  B.  Vetter. 

7.  Kölliker:  Entwicklungsgeschichte  des  Menschen  und  der  höheren 
Thiere. 

8.  Kölliker:  Ueber  die  Beziehung  der  Chorda  zur  Bildung  der 
Wirbel  der  Selachier  und  einiger  anderer  Fische.  Verhand- 
lungen der  physikal.  medicin.  Gesellsch.  zu  Würzburg. 
Bd.  X. 

9.  Foster  und  Balfour:  Grundzüge  der  Entwicklungsgeschichte 
der  Tiere.     Uebersetzung  von  Kleinenberg.     1876. 

10.  Hertwig,0.:  Lehrbuch  der  Entwicklungsgeschichte  des  Menschen 
und  der  Wirbeltiere.     1888. 

11.  Gegenbau r:  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Anatomie  d. 
Wirbeltiere.     Heft  I.     Carpus  und  Tarsus.     1864. 

12.  Rosenberg:  Ueber  die  Entwicklung  des  Extremitätenskelets 
bei  einigen  durch  Reduction  ihrer  Gliedmassen  etc.  Zeit  sehr, 
wiss.  Zool.     Bd.  23.  1873. 

13.  Morse:  On  the  Tarsus  and  Carpus  of  Birds.  Annais  Lyc. 
Nat.  Hist.  New-York  1874,  pag.  141. 

14.  Studer:  Embryonalentwicklung  der  Vögel.  Forschungsreise 
S.  M.  S.  Gazelle,  Zoologie,  pag.  119. 

15.  Parker:  On  the  strueture  and  development  of  the  wing  in  the 
common  fowl.     Philos.  Transaction   1888.     B. 


Cypselus  nielba,  nebst  biologischen  und  osteologischen  Details.         191 

IG.  Tschan:  Recherches  sur  Fextremite  anterieure  des  Oiseaux  et 
des  Reptiles.     Dissertation.  Geneve,  1889. 

17.  Parker:  On  the  morphology  of  Birds.  Proceed.  Royal  So c. 
1887,  pag.  52. 

18.  Parker:  On  the  secondary  Carpals,  Metacarpals  etc.  Proceed. 
Royal  Soc.     1888,  pag.  323. 

19.  Lindsay:  On  the  Avian  Sternum.  Proc.  Zool.  Soc.  1885. 2 
pag.  684  ff. 

20.  Baur:  Der  Tarsus  der  Vögel  und  Dinosaurier.  Inaugural- 
Dissertation.     Morpholog.  Jahrbuch.     Bd.  9. 

21.  Gegenbaur:  Vergleichend  anatomische  Studien  zum  Fussskelet 
der  Vögel.  Archiv  für  Anat.,  Physiolog.  u.  wiss.  Medicin. 
Jahrg.  1863. 

22.  Sclater:  On  the  Genera  and  Species  of  Cypselidae.  Proc.  Zool. 
Soc.     1865,  pag.  593. 

Des  weitern  wurden  benützt: 

23.  Balfour:  Handbuch  der  vergleichenden  Embryologie.  Ueber- 
setzung  v.  Vetter.     1881. 

24.  Dames:  Ueber  Archaeopteryx.  Palaeontologische  Abhandlungen, 
herausgegeben  von  Dames  und  Kayser.     Berlin.     1884. 

25.  Forbes:  Report  on  the  Tubuläres,  „Challenger." 

26.  Gegenbaur:  Grundzüge  der  Vergl.  Anatomie. 

27.  Girtanner:  Bericht  der  St.  Gallischen  Naturw.  Gesellsch.  1867. 
pag.  101.     Ebenda: 

28.  Fatio:   Ueber  Anaperu  pallida  u.  A.  maxima.  pag.  117. 

29.  His:  Unsere  Körperform.  Briefe  an  einen  befreundeten  Natur- 
forscher.    1874. 

30.  Huxley:  Handbuch  der  Anat.  der  Wirbeltiere.  Uebersetzung 
von  Ratzel.     1873. 

31.  Milne-Edwards:  Recherches  anatomiques  et  palaeontologique 
pour  servir  a  l'Histoire  des  oiseaux  fossiles  de  la  France. 
1867—68. 

32.  Nitsch:  Osteographische  Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  Vögel. 
Leipzig  1811,  pag.  89. 

33.  Owen:  Archaeopteryx  lithographicus.     Phil.  Trans.  1863. 

34.  —  Lectures  on  the  comparative  Anatomy  and  Physiology. 
1846. 

35.  Selenka:  Bronns  Classen  und  Ordnungen  des  Tierreichs,  Ab- 
teilung Vögel. 

36.  Wagner:  Vergl.  Anatomie  1843. 

37.  Watson:  Report  on  the  Spheniscidae,  ,, Challenger." 

38.  Wiedersheim:  Lehrbuch  der  vergl.  Anatomie  der  Wirbeltiere. 


192  Leo  Zehntner:    Beiträge  zur  Entwicklung  von 

I. 

Biologisches  über  Cypselus  melba. 

Die  biologischen  Details  über  den  Alpensegler  sind  in  mancher 
Hinsicht  von  nicht  geringen  Interesse,  und  in  Anbetracht  des  Um- 
standes,  dass  die  bezüglichen  Beobachtungen  ziemlich  spärlich  sind 
wohl  wert,  veröffentlicht  zu  werden.  [Siehe  Gir tanner:  Bericht 
der  St.  gallischen  naturw.  Gesellschaft  1867,  pag.  101.  Ebenda: 
Fatio  über  Anapera  pallida,  welche  auf  Cypselus  schmarotzt. 
Ich  habe  die  Angaben  Fatio's  bestätigt  gefunden.]  Die  vorliegenden 
Beobachtungen  wurden  im  Laufe  des  Sommers  1889  auf  dem  Münster- 
turm in  Bern  gemacht,  wo  eine  ziemlich  starke  Colonie  von  Alpen- 
seglern nisten.  (Ueber  weitere  Niststellen  verweise  ich  auf  den 
„Katalog  Schweiz.  Vögelu  Lieferung  II  (2).  Die  Ankunft  des  Alpen- 
seglers fällt  auf  Ende  März  oder  Anfang  April  (im  verflossenen  Jahr 
kamen  die  ersten  am  1.  April)  und  zwar  erschienen  nach  Angabe 
des  Turmwartes  Reinhard  jun.  zuerst  nur  wenige  Exemplare,  gleichsam 
Vorposten,  welche  die  alte  Heimat  inspiciren.  Diese  ziehen  bald 
wieder  ab,  um  in  grösserer  Gesellschaft  nach  einigen  Tagen  zurück- 
zukehren. Niemals  rückt  die  ganze  Colonie  auf  ein  Mal  ein.  Der 
anfängliche  Schwärm  wird  hernach  von  Tag  zu  Tag  stärker,  indem 
sich  immer  neue  Ankömmlinge  den  ersten  hinzugesellen.  Im  letzten 
Jahre  mag  die  Colonie  aus  200  Stück  bestanden  haben,  eine  Zahl, 
die  bis  dahin  noch  nicht  beobachtet  worden  ist. 

Die  Alpensegler  kommen  wohlgenährt  aus  dem  Süden,  was  ihnen 
im  Frühjahr  sehr  zu  Statten  kommt.  Denn  ihr  Bedarf  an  Insecten 
ist  gross,  der  Vorrat  aber  gering,  namentlich,  wenn  im  April  kalte 
Witterung  eintritt.  Man  trifft  sie  dann  in  dichten  Haufen  zusammen- 
gedrängt, hungernd  auf  bessere  Witterung  wartend.  Oder,  wenn  sie 
von  Hunger  getrieben,  sich  hinauswagen,  so  umkreisen  sie  ganz  gegen 
ihre  Gewohnheit,  lautlos  den  Turm.  Jedes  Frühjahr  gehen  einige 
Exemplare  in  Folge  von  Hunger  und  Kälte  elendiglich  zu  Grunde. 
Wenn  aber  die  Witterung  günstig  ist,  dann  ist  der  Turm  ungemein 
belebt.  Unermüdlich  in  ihrem  Lärmen  und  gegenseitigen  Zanken 
sowohl  als  in  ihrem  äusserst  geschickten  Flug  durchsausen  die  Segler 
die  Lüfte,  wie  kein  anderer  Vertreter  der  Vögel.  Dabei  halten  sie 
eine  ziemlich  strenge  Tagesordnung  inne.  Mit  dem  Morgengrauen 
verlassen  sie  ihre  Ruheplätze,  um  der  Nahrung  nachzujagen,  welche 
sie  alle  im  Flug  erhaschen.  Der  Flug  dauert  ohne  Unterbruch  bis 
Mittag  an.  Nach  12  Uhr  sah  ich  selten  fliegende  Alpensegler.  Die 
Mittagspause,  die  einzige  Zeit,  während  welcher  sie  sich  relativ  ruhig 
verhalten,  dauert  bis  5  oder  6  Uhr,  wo  der  Flug  von  neuem  beginnt 
und  bis  zum  Einbruch  der  Nacht  anhält.  An  warmen  Abenden  sah 
ich  noch  um  9  Uhr  fliegende  Alpensegler.  Die  Nacht  wird  unter 
lautem,  unermüdlichem  Gezwitscher,  das  den  Anwohnern  des  Münster- 


Oypselus  melba,  nebst  biologischen  und  osteologischen  Details.         193 

platzes  oft  recht  unangenehm  wird,  zugebracht.  Oypselus  apus  hält 
die  Tagesordnung  weniger  streng  inne. 

Die  Nester  befinden  sich,  soweit  der  Platz  reicht,  auf  der  höchsten 
Stelle  des  Turmes,  d.  h.  unter  dem  Dach,  welches  den  noch  nicht 
ausgebauten  Turm  abschliesst.  Da  sind  sie  auf  die  Mauer,  auf  vor- 
ragende Balken  und  Steine,  auf  die  Gewölbe  im  Innern  des  Turmes, 
kurz,  wo  sich  nur  Gelegenheit  bietet,  gebaut.  Wenige  sah  ich  tiefer 
unten  am  Turm,  in  Mauerlöchern  und  sonstigen  Schlupfwinkeln  nisten, 
wo  sich  auch  der  bescheidenere  Verwandte  Cypseltts  apus,  angesiedelt 
hat.  Einige  wenige,  wahrscheinlich  Vertriebene  vom  Turm,  haben 
ihre  Nester  auf  dem  Estrich  eines  Hauses,  mitten  in  der  Stadt  an 
belebter  Strasse  angelegt.  Immer  konnte  ich  beobachten,  dass  die 
Nester  höher  oder  auf  demselben  Niveau  mit  der  Abflugstelle  liegen. 
Dies  ist  in  Zusammenhang  zu  bringen  mit  den  zum  Gehen  schlecht 
eingerichteten  Füssen  der  Alpensegler.  So  gewandt  sie  sich  in  der 
Luft  bewegen,  so  unbehilflich  sind  sie  auf  dem  Boden,  immerhin 
nicht  in  dem  Maasse,  wie  gewöhnlich  angegeben  wird.  Die  kurzen 
Füsse  mit  den  starken,  scharfen  Krallen  eignen  sich  ziemlich  gut 
zum  Klettern,  bei  welchem  sie  wie  beim  Gehen  auf  der  Erde  durch 
kräftige  Flügelschläge  auf  den  Boden  nachhelfen.  Dagegen  sind  sie 
ausser  Stande,  sich  vom  Boden  zum  Fluge  zu  erheben.  Doch  genügt 
ihnen  schon  eine  Erhöhung  ihres  Standpunktes  von  0,5 — 1  m,  um 
in  absteigendem  Bogen  vom  Rande  aus  zum  Fliegen  überzugehen. 
An  rauhen  Mauern  klettern  sie  ziemlich  behende  senkrecht  empor, 
behauene  Steine  vermögen  sie  hingegen  nicht  zu  erklettern. 

Da  der  Alpensegler  sich  nie  auf  die  Erde  niederlässt,  es  sei 
denn  in  unfreiwilliger  Weise,  so  ist  er  gezwungen,  das  Material  zu 
seinem  Nest  in  der  Luft  zu  suchen,  seine  Federn  allein  ausgenommen. 
Fliegend  erhascht  er  alles,  was  der  Wind  von  der  Erde  in  die  Luft 
erhebt  und  zum  Nestbau  dienlich  ist,  und  so  finden  wir  denn  alles 
mögliche:  Strohhalme,  Haare,  Wolle  und  Baumwolle,  Laub.  Sehr 
häufig  sind  die  Knospenschuppen  der  Buche  verwendet;  oft  machen 
sie  einen  beträchtlichen  Teil  des  Nestes  aus.  Ferner  finden  sich 
gelegentlich  kleine  Holzstäbchen,  sodann  Compositensamen  in  grosser 
Zahl,  Moos,  Papierschnitzel  etc.  etc.  Endlich  werden  auch  Federn 
verwendet,  diese  aber  erst  während  der  Brützeit  und  in  ziemlich  un- 
geordneter Weise  zugefügt.  Die  Papierschnitzel  rühren  zum  Teil 
vom  Turmwart  her,  die  dieser  zur  Zeit  des  Nestbaues  gelegentlich 
fliegen  lässt  Es  ist  dann  recht  ergötzlich,  zuzusehen,  wie  die  Papier- 
schnitzel von  den  Alpenseglern  mit  erstaunlicher  Sicherheit  weg- 
gefangen und  zu  Neste  getragen  werden.  Bei  anhaltender  Trockenheit 
improvisirt  der  Turmwart  mit  einer  kleinen  Giesskanne  einen  Regen 
und  es  ist  allerliebst,  wie  die  dürstenden  Tiere  die  fallenden  Tropfen 
weghaschen.  —  Alle  die  angeführten  Bestandteile  des  Nestes  sind 
miteinander  verfilzt  und  verklebt  durch  eine  Masse,  die  derjenigen 
sehr  ähnlich  sieht,  aus  welcher  das  Packpapier  verfertigt  wird. 
Diese  Masse  entsteht  so,  dass  der  Alpensegler  kleinere  Vegetabilien, 
die  er  in  grosser  Menge  fängt,    verschluckt  oder  wenigstens    in    den 

Archiv  f.  Naturgesch.  Jahrg.  18G0.  Bd.  I.  H,  3.  13 


194  Leo  Zehn  tu  er:    Beiträge  zur  Entwicklung  von 

Schlund  befördert,  wo  sie  gleich  wie  die  Nahrung  stark  eingespeichelt 
werden.  Die  Segler  zeichnen  sich  bekanntlich  durch  ihren  gummi- 
artigen Speichel  aus;  durch  das  innige  Vermengen  jener  kleinen 
Vegetabilien  mit  dem  Speichel  entsteht  eine  breiartige,  klebrige 
Masse,  die  nun  zum  Ueberziehen  und  Verkleben  der  grösseren  Be- 
standteile des  Nestes  dient.  Die  Masse  ist  also  Product  einer  Vor- 
verdauung und  wird  als  Bindemittel,  wie  Mörtel,  verwendet.  Leider 
konnte  ich  den  Nestbau  nicht  genügend  beobachten,  da  die  Tiere  zu 
dieser  Zeit  sehr  scheu  waren  und  ich  nicht  riskiren  mochte,  sie  ganz  zu 
vertreiben.  In  mehreren  Fällen  wurden  nämlich  Nester,  die  ich  ge- 
nauer beobachtete,  nicht  wieder  besucht.  Bei  der  geringsten  Störung- 
entfernten  sich  die  Tiere  und  kamen  selbst  nach  stundenlangem  Warten 
nicht  wieder  oder  nur  sehr  flüchtig  zurück.  Ich  konnte  daher  auch 
nicht  constatiren,  dass  die  mehrerwähnte  Masse  ausgespieen  werde, 
was  doch,  wenn  meine  Annahme  von  der  Entstehungsweise  richtig 
ist,  geschehen  müsste.  Trotzdem  glaube  ich  an  die  Richtigkeit  meiner 
Annahme  und  ich  werde  darin  durch  den  mikroscopischen  Befund 
bestärkt. 

Erst  während  der  Brütezeit  werden  die  Nester  vollständig  aus- 
gebaut, namentlich  der  obere  Rand.  Ich  sah  mehrmals,  wie  die 
brütenden  Alten  am  Nestrande  arbeiteten,  und  das  Resultat  ist  ein 
grossenteils  durchsichtiger,  oft  0,5  mm  dicker  Ueberzug  von  reinem 
Speichel.  Auch  grosse  Bestandteile  des  Nestes,  wie  Papierfetzen, 
Lappen,  Halme  werden  mit  durchsichtiger  Masse  überzogen,  wodurch 
das  Nest  ein  sauberes  Aussehen  bekommt.  In  mehreren  Fällen  haben 
die  Alpensegler  Cadaver  ihrer  eigenen  Cameraden  in  wenig  pietät- 
voller Weise  in  den  Nestbau  miteinbezogen. 

Die  Nester,  welche  wenig  Kunstsinn  verraten,  haben  eine  Breite 
von  12  cm  und  sind  nur  3  cm  tief.  Schon  wenige  Tage  nach  dem 
Ausschlüpfen  haben  die  Jungen  nur  kümmerlich  Raum  und  schützen 
sich  vor  dem  Hinausfallen  dadurch,  dass  sie  sich  an  das  Nest  an- 
klammern, mit  solcher  Gewalt,  dass  ich  einem  lOtägigen  Jungen  beim 
Herausnehmen  eine  Kralle  von  der  Zehe  riss.  In  der  spätem  Zeit 
verlassen  sie  oft  das  Nest  und  hocken  zusammengekauert  in  dessen 
Nähe. 

Um  die  Mitte  Mai  beginnt  die  Paarung.  Die  Begattung  vollzieht 
sich  namentlich  im  Laufe  des  Vormittages  oder  abends  nach  6  Uhr, 
und  ist  von  wüstem  Lärm  begleitet.  Unaufhörliches  Zanken,  gegen- 
seitiges Verfolgen,  heilloses  Geschrei  ist  die  Signatur  dieser  Zeit. 
Die  Begattung  ist  eine  sehr  ungestüme.  Nicht  selten  verkrallen  sich 
die  Paare  derart  ineinander,  dass  sie  oft  während  der  Begattung 
plump  auf  die  Gallerien  oder  bis  auf  die  Dächer  der  herumliegenden 
Gebäude  herabfallen,  ohne  den  geringsten  Schaden  zu  nehmen.  — 
Anfangs  Juni  fand  ich  die  ersten  Eier,  und  zwar  je  eines  in  einem 
Nest.  Nach  einigen  Tagen  kommt  ein  zweites  hinzu  und  damit  ist 
das  Gelege  fertig.  In  wenigen  Fällen  werden  drei  Eier  gelegt,  die 
Regel  sind  zwei.    Die  Eier  haben  meist  spitzovalen  Umriss.    Im  Durch- 


Cypselus  melba,  nebst  biologischen  nixl  osteologischen  Details.  1«,)5 

schnitt  beträgt  die  grösste  Länge  30,76  nun,  die  grösste  Breite 
19,55  mm.  Die  grösste  Länge  schwankt  bei  37  gemessenen  Eiern 
zwischen  27,5  und  33,5  mm,  die  grösste  Breite  zwischen  18,5  und 
20,75  mm.  -  -  Bald  nach  der  Eilage  beginnt  die  Brütung.  Sie  ist 
keine  sehr  sorgfältige.  Fast  jeden  Tag  fand  ich  zerbrochene  oder 
ans  den  Nestern  geworfene  Eier.  Die  Jungen  schlüpfen  nach  18 
bis  21  Tagen  aus,  selten  beide  am  gleichen  Tag.  Sie  wachsen  in 
Folge  des  reichlichen  Futters  rasch  heran.  Anfangs  ganz  nackt,  mit 
verschlossenen  Augenlidern,  brechen  nach  6  Tagen  auf  den  Feder- 
Auren  die  ersten  Dunen  hervor.  Diese  sind  von  aschgrauer  Farbe. 
Mit  ca.  12  Tagen  ist  der  ganze  Körper  damit  bedeckt.  Unter  den 
Dunen,  welche  verhältnissmässig  lange  Spulen  haben,  bemerkt  man 
schon  die  definitiven  Federn,  welche  zuerst  am  Kopf,  Schwanz  und 
den  Flügeln  hervorbrechen.  Der  Kopf  sieht  in  dieser  Zeit,  um  welche 
sich  die  Augen  öffnen,  wie  beschuppt  aus.  14  tägige  Junge  haben 
beinahe  die  definitive  Körpergrösse  erreicht,  und  es  handelt  sich  nun 
noch  um  die  Ausbildung  des  Gefieders  und  der  Flugfähigkeit  über- 
haupt. Anfangs  Juli  ausgeschlüpfte  Junge  werden  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  August  flügge. 

Die  Zeit  der  Eilage  schwankt  zwischen  sehr  weiten  Grenzen. 
Noch  am  12.  Juli  fand  ich  frischgelegte  Eier,  als  die  Brut  in  andern 
Nestern  schon  bald  flügge  war.  Dadurch  erklären  sich  die  Nach- 
zügler, welche  bis  zur  Zeit  des  Hauptzuges  nicht  flügge  werden  und 
von  den  Alten  verlassen,  zu  Grunde  gehen.  Jedes  Jahr  bleiben 
einige  Junge  von  allzustark  verspäteten  Brüten  zurück.  —  Eine  zweite 
Eilage  habe  ich  in  keinem  Fall  beobachtet. 

Die  Nahrung  der  Alpensegler  besteht  lediglich  in  Insecten, 
welche  sie  alle  im  Fluge  fangen.  Mehrmals  wartete  icli  bei  meinen 
Besuchen  der  Niststellen  die  Aetzung  der  Jungen  ab.  Bei  schönem 
Wetter  kamen  die  Alten,  die  sich  bei  meinem  Erscheinen  entfernt 
hatten,  bald  zurück,  Schnabel  und  Schlund  derart  von  Insecten  voll- 
gepfropft, dass  deren  Flügel  oft  noch  zum  Schnabel  herausschauten, 
und  die  Kehle  derart  aufgetrieben  war,  dass  die  Federn  sich  sträubten. 
Den  Jungen  vom  10. — 14.  Tage  an  wurde  der  ganze  Ballen,  oft  in 
der  Grösse  einer  mittleren  Baumnuss,  auf  ein  Mal  in  den  fürchterlich 
weit  aufgesperrten  Schnabel  resp.  Schlund  entleert.  Jüngere  erhalten 
natürlich  kleinere  Portionen.  -  -  Es  interessirte  mich  nun  sehr,  was 
wohl  alles  in  solchen  Ballen  enthalten  sein  konnte  und  ich  suchte 
mir  welche  zu  verschaffen.  Ich  verfiel  auf  folgende  einfache  Methode : 
wenn  die  ätzenden  Alten  aus  dem  hellen  Sonnenschein  am  Neste  an- 
flogen, waren  sie  ein  wenig  geblendet  und  ich  konnte  sie  ziemlich 
leicht  fangen,  wenn  anders  ich  mich  am  richtigen  Ort  aufgestellt 
hatte.  Sonst  hatte  ich  das  Nachsehen;  denn  die  Tiere  krabbeln 
sehr  behende  zu  ihren  Nestern  und  im  Nu  ist  der  Ballen  im  Rachen 
eines  Jungen  verschwunden.  Hierbei  kann  man  sich  überzeugen, 
dass  die  Alpensegler  ganz  und  gar  nicht  so  ungeschickt  sind,  wie 
man  glauben  möchte.  -  -  War  ich  im  Besitze  eines  Alten,    das  sich 

13* 


196  Leo  Zeh utne r:    Beitrage  zur  Entwicklung  von 

den  Schlund  so  recht  vollgestopft  hatte,  so  würgte  es,  wahrscheinlich 
wegen  der  Beängstigung,  unter  berechtigtem  Geschrei  den  Ballen 
heraus.  Dieser  ist  von  einer  zähflüssigen,  gummiartigen  Masse  ganz 
umhüllt.  Legt  man  ihn  auseinander,  so  hat  man  eine  förmliche 
kleine  Insectensammlung  vor  sich.  Nie  fand  ich  etwas  anderes  als 
Insecten.  Diese  sind  zum  grossen  Teil  noch  gut  erhalten,  ja  lebendig, 
alles  zappelt  und  krabbelt  und  sucht  aus  der  unbequemen  Lage  zu 
kommen.  Gewöhnlich  sind  aber  die  Flügel  verklebt  und  die  Beine 
in  einander  verstrickt.  Die  Zahl  der  Insecten  in  einem  Ballen  ist 
eine  sehr  grosse.  Ich  zählte  in  einem  156  Stück,  darunter  25  Taba- 
niden  und  ebensoviele  Syrphiden.  In  mehreren  fand  ich  80 — 100, 
in  einem  sogar  220  noch  ziemlich  gut  erhaltene  Exemplare,  darunter 
tabanus  bovinus  30  Stück.  In  einem  Falle  traf  ich  neben  einer  grossen 
Zahl  kleiner  Insecten  7  Stück  der  Vanessa  cardui,  mehrmals 
bestand  der  ganze  Ballen  aus  lauter  fliegenden  Ameisen  einer  und 
derselben  Art.  Soweit  möglich,  habe  ich  die  Insecten  generell  be- 
stimmt und  folgende  gefunden:  Tabaniden,  Syrphiden ,  Museiden, 
verschied.  Mücken,  Aphiden,  Lepidopteren,  Ichnewmoniden,  Libelle», 
Aculeaten,  Cole  opferen  etc.  etc.  Aus  dieser  Aufzählung  geht  hervor, 
dass  sich  die  schädlichen  und  nützlichen  Insecten  ungefähr  das  Gleich- 
gewicht halten  und  es  ist  keine  Rede  davon,  dass  der  Alpensegler 
eine  Auswahl  trifft.  Alles,  was  in  seinen  Bereich  kommt,  macht  er 
zur  Beute,  er  fliegt  gleichsam  mit  seinem  sehr  breiten  Schnabel  über 
seine  Beute  weg,  packt  alles  in  seinen  Schlund  und  speichelt  es  dort 
kräftig  ein.  Mit  der  Temperatur,  Witterung,  Jahres-  und  Tageszeit 
wechselt  auch  sein  Futter.  —  Ich  beobachtete  einen  Alpensegier,  der 
eben  geätzt  hatte  und  sah  ihn  schon  nach  einer  Viertelstunde  wieder 
mit  vollem  Schlund  zurückkehren.  Nehmen  wir  an,  ein  Alpensegler 
befinde  sich  täglich  nur  10  Stunden  auf  der  Insectenjagd  und  kehre 
jede  Stunde  nur  2  Mal  mit  nur  100  Insecten  zurück,  so  kommen  wir 
pro  Tag  auf  die  Zahl  2  000.  Wir  haben  es  also  mit  einem  ganz  an- 
sehnlichen Insectenvertilger  zu  thun. 

Im  September,  wenn  die  Brut  flügge  geworden,  unternehmen 
die  Alpensegler  grössere  Flüge  als  bisher.  Es  dient  dies  wahr- 
scheinlich als  Vorübung  auf  die  bevorstehende  Reise  nach  Süden. 
Am  frühen  Morgen  zieht  die  ganze  Colonie  vom  Turme  ab,  um  erst 
mit  Einbruch  der  Nacht  zurückzukehren.  Es  scheint,  dass  der  Flug 
den  ganzen  Tag  dauert.  Diejenigen  Jungen,  welche  den  Flug  noch 
nicht  wagen,  müssen  hungern,  wodurch  sie  schliesslich  zum  Fliegen 
gezwungen  werden.  In  kurzer  Zeit  haben  sie  es  zur  Meisterschaft 
gebracht. 

Ende  September  beginnt  der  Zug  nach  Süden.  Tagtäglich  wird 
die  Colonie  schwächer,  bis  endlich  der  letzte  Schwärm  abzieht.  Dies 
geschieht  in  der  Regel  in  der  ersten  Octoberwoche. 


Cypselus  melba,  nebst  biologischen  und  osteologischen  Details.         }<)7 

IL 

Osteologisches  über  Cypselus  melba. 

Was  das  Osteologische  über  Cypselus  melba  betrifft,  so  kann 
ich  mich  sehr  kurz  fassen.  Da  ich  in  den  folgenden  Capiteln  wesent- 
lich über  die  Extremitäten  handeln  werde,  so  kommt  es  mir  nament- 
lich darauf  an,  das  Extremitätenskelet  zur  Darstellung  zu  bringen. 
Da  ferner  in  jüngster  Zeit  bei  der  Systematik  der  Cypseliden  der 
Schädel  mehrfach  in  Berücksichtigung  gezogen  worden  (3,  4  u.  5), 
so  will  ich  auf  einige  Einzelheiten  des  Schädels  von  Cypselus  melba 
eingehen.  Die  untere  Ansicht  desselben  stimmt  in  den  Umrissen 
nahe  mit  der  Abbildung  überein,  welche  Lucas  (4)  von  Chaetura 
pelagica  gibt.  In  der  Gegend  des  vordem  Vomerencles  ist  der 
Schädel  von  ( ypselus  melba  etwas  schmäler.  Der  processus  maxillo- 
palatinus  hat  die  für  die  Segler  charakteristische  hakenförmige  Ge- 
stalt. Er  geht  über  das  vordere  Ende  des  Palatinum  hinweg,  er- 
reicht die  vordere  Ecke  des  Vomer,  wendet  sich  alsdann  nach 
hinten,  indem  er  längs  des  äusseren  Randes  des  Vomer  verläuft. 
Er  ist  bei  Cypselus  melba  länger,  als  ihn  Lucas  (4)  bei  Antrostomus, 
Dendrochelidon  und  Chaetura  abbildet,  und  in  eine  feine  Spitze  aus- 
gezogen. Das  Vomer  ist  vorn  abgestutzt  und  am  Ende  T- förmig 
verbreitert.  Das  hintere  Ende  ist  wenig  verbreitert,  abgerundet  und 
median  gespalten,  wodurch  2  lanzetliche  Knochenlamellen  entstellen. 
Eine  jede  dieser  legt  sich  an  das  entsprechende  Palatinum  an,  wo- 
durch der  Raum  zwischen  den  Palatina  gegen  das  Ethmoideum  zu 
abgeschlossen  wird.  In  der  Ebene  der  Schädelbasis  hingegen  stehen 
die  Palatina  um  2  mm  auseinander.  Sie  haben  sehr  complicirte  Ge- 
stalt. Von  unten  gesehen  bemerkt  man  zwei  parallel  nach  vorn 
verlaufende  Fortsätze,  von  denen  der  grössere,  äussere  sich  der 
Maxilla  von  unten  anlegt,  der  kleinere  griffeiförmige,  innere  vorn 
frei  endet.  Zwischen  beiden  Fortsätzen  ist  der  proc.  maxillopalat. 
sichtbar.  Am  hintern  Ende  verengern  sich  die  Palatina  plötzlich 
zu  einem  kurzen  Fortsatz,  der  mit  dem  entsprechenden  Pterygoideum 
in  Verbindung  steht.  Das  Rostrum  Sphenoidei,  welches  über  dem 
Vomer  verläuft,  tritt  nur  ganz  wenig  zwischen  den  Schenkeln  des 
letzteren  hervor,  während  es  bei  Dendrochelidon  und  Chaetura  zum 
grössten  Teil  sichtbar  ist.  Das  Ethmoideum,  welches  sich  zwischen 
die  Frontalia  eindrängt,  und  bei  jugendlichen  Schädeln  auf  der 
Schädeloberfläche  rautenförmig  erscheint,  ist  mit  den  wulstigen, 
lufterfüllten  Antorbitalplatten  (Parker)  versehen  (6).  Die  Antorbital- 
platten  springen  um  2  mm  über  den  Rand  der  Frontalia  hinaus. 
Die  Pterygoidea  treffen  unter  einem  Winkel,  der  ca.  90°  beträgt, 
beinahe  zusammen  und  keilen  sich  mit  einem  spitzen,  kleinen  Fort- 
satz zwischen  Palatinum,  Vomer  und  Rostrum  Sphenoidei  ein.  — 
Die  grösste  Länge  des  Schädels  beträgt  40  mm,  die  Breite  am 
distalen  Ende  der  Quadrata  22  mm,  der  Abstand  des  Condylus  von 
der  Spitze  der  Praemaxilla  32  mm.    Der  Umriss  des  foramen  magnum 


198  Leo  Zehntner:    Beiträge  zur  Entwicklung-  von 

ist    birnförmig ;    die    Spitze    ist    nach    dem    Occipitale    superius    ge- 
richtet. 

Das  Sternum  (Fig.  5  u.  6)  hat  länglich  viereckige  Gestalt. 
Der  Hinterrand1)  ist  ganz,  ohne  Einbuchtungen  und  ein  wenig 
convex;  die  seitlichen  Ränder  leicht  geschweift.  Von  Fenstern  im 
Körper  des  Sternum  finde  ich  nichts.  Die  crista  sterni  ist  sehr  gut 
entwickelt.  Bei  einer  Länge  des  Brustbeinkörpers  von  35  mm  ist 
die  grösste  Erhebung  der  Crista  15,5  mm  (vom  vordem,  obern 
Rand  der  Gelenkfläche  für  das  Coracoideum  gemessen).  Sie  springt 
ziemlich  stark  nach  vorn  winklig  vor.  Ihr  vorderer  Rand  ist  concav 
und  verdickt.  Von  der  höchsten  Spitze  verläuft  der  untere  Rand 
sehr  wenig  convex  gegen  den  Hinterrand  des  Brustbeinkörpers  zu. 
Auf  der  dem  Bauche  zugekehrten  Fläche  des  letztern  befinden  sich  zwei 
medial  gelegene  foramina  pneumatica,  das  eine  am  vordem  Ende, 
zur  Pneumatisirung  der  Crista,  namentlich  deren  vordem  Randes; 
das  andere,  kleinere  nahe  am  Hinterrand.  Letzteres  ist  nur  bei 
älteren  Exemplaren  deutlich  zu  sehen.  Die  Furcula  ist  breit, 
kräftig  gebaut ,  von  U  -  förmiger  Gestalt  (Fig.  7).  Sie  ist  mit 
dem  Coracoideum  beweglich  verbunden.  An  dieser  Stelle  beträgt 
ihre  Breite  18  mm  und  die  Verbindungslinie  der  Stellen,  wro  die 
Furcula  die  grösste  Breite  hat,  steht  nur  14,5  mm  von  ihrem  medianen 
Vereinigungspunkt  ab.  Das  Coracoideum  (Fig.  8)  ist  ein  massig 
langer,  starker  Knochen,  mit  kleinem  processus  procoracoideus,  der 
an  der  Basis  von  einer  kleinen  Oeffhung  durchbohrt  ist.  Die  Länge 
des  Coracoids  beträgt  17,5  mm,  also  gerade  die  Hälfte  derjenigen 
des  Sternum.  Der  Humerus  hat  ganz  bizarre  Gestalt.  Vor  allem 
zeichnet  er  sich  durch  seine  relativ  geringe  Länge  aus,  überhaupt 
durch  seinen  gedrungenen,  kräftigen  Bau.  Seine  Länge  beträgt  nur 
16,5  mm.  Das  proximale  Drittel  des  Humerus  ist  stark  verbreitert 
und  die  Verbreiterung  wird  noch  erhöht  durch  die  Anwesenheit  von 
starken  Fortsätzen,  welche  zum  Ansatz  der  kräftigen  Flugmusculatur 
dienen  (Fig.  9).  Auf  der  innern  Seite  liegt  der  processus 
medialis  mit  der  fossa  pneumoanconaea,  auf  der  äussern  der 
proc.  lateralis  als  Ansatzstelle  für  den  mu sc.  pect oralis,  welcher 
eine  bedeutende  Entwicklung  erlangt.  Der  proc.  med.  gewährt  den 
Mm.  scapulo  -  humeralis  post.  und  anconaeus  humeralis 
Ansatzstelle.  Das  distale  Ende  des  Humerus  wird  zu  2/3  von  der 
Ulna,  zu  Vs  vom  Radius  in  Anspruch  genommen.  Beide  Condylen 
sind  auf  der  dorsalen  (anconalen)  Seite  durch  eine  tiefe  Grube  von- 
einander getrennt,  auf  der  ventralen  springen  sie  wulstig  vor.  Der 
Epicondylus  medialis  s.  ulnaris  ist  in  Gestalt  von  2  warzen- 
artigen   Erhebungen    präsentirt,     der    Epicondylus    lateralis  s. 


l)  Bei  der  Beschreibung  des  Sternum  denke  ich  mir  dasselbe  so  gestellt, 
dass  der  Brustbeinkörper  horizontal  liegt.  Die  crista  sterni  springt  alsdann 
nach  vorn  und  unten  vor,  hat  also  einen  vordem  und  einen  untern  Rand.  Am 
Brustbeinkörper  unterscheide  ich  ausser  den  Seitenrändern  einen  Vorder-  und 
Hinterrand. 


Cypselus  melba,  nebst  biologischen  und  osteologischeu  Details.         !<,)<) 

radialis  ist  als  proc.  supracondyloideus  lateralis  beinahe  in 
die  Mitte  der  lateralen  Seite  des  Hivmerns  gerückt  und  wohl  ent- 
wickelt. Er  steht  mit  dem  m.  extensor  Metacarpi  radialis  in 
Beziehimg-.  ■ —  Der  kurze,  kräftige  Humerus  und  die  sehr  stark  ent- 
wickelte Flugmusculatur  scheinen  hauptsächlich  die  schnellen  Flug- 
bewegungen  zu  ermöglichen,  welche  den  Seglern  eigentümlich  sind. 
Aehnliche  Verhältnisse  bestehen  bei  den  Trochiliden.  -  -  Die  Pneu- 
maticität  des  Humerus  erreicht  einen  hohen  Grad;  das  foramen 
pneumat.  ist  bei  jugendlichen  Skeleten  sehr  gross,  bei  alten  wird 
es  durch  kleine  Knochenstäbchen  vergittert.  Die  Ulna  ist  ein 
kräftiger,  gerader,  im  Querschnitt  stumpf-dreieckiger  Knochen  von 
26  mm  Länge,  incl.  Olecranon.  Der  Radius  ist  viel  schlanker  und 
nur  "23,5  mm  lang.  Zwischen  Humerus  und  Ulna  liegen  zwei  kleine 
Sesambeine,  zu  beiden  Seiten  des  Olecranon.  Das  laterale  ist 
das  grössere  und  gehört  der  Endsehne  des  m.  anconaeus  scapu- 
laris  an,  während  das  mediale  in  der  Endsehne  des  m.  ancon. 
humeralis  liegt.  Ich  finde  diese  Sesambeine  auch  in  einer  Ab- 
bildung des  Flügelskelets  von  Trochüus  Alexandri,  welche  Shufeldt 
gibt  (3).  Dagegen  finde  ich  im  Carpus  neben  Radiale  und  Ulnare 
keine  Sesambeinbildungen,  wie  sie  Shufeldt  für  Troch.  alexandri  in 
der  Zweizahl  angibt.  Im  weitern  verweise  ich  auf  Fig.  9. 
Die  Länge  der  Hand  vom  Metacarpale  II  an  beträgt  55  mm,  ist 
also  grösser  als  die  des  Armes.  Ich  werde  auf  dieses  anormale 
Verhalten  später  näher  eintreten  und  sein  Zustandekommen  ver- 
folgen. 

Das  Becken  ist  verhältnissmässig  schwach  gebaut.  Es  ver- 
schmilzt mit  elf  Wirbeln,  von  denen  die  zwei  vordersten  noch  Rippen 
tragen.  Die  ossa  II ei  stossen  direct  an  die  Querfortsätze  der  Wirbel 
und  verschmelzen  ziemlich  spät  mit  ihnen.  Ilium  und  Ischium 
verwachsen  distal  mit  einander,  das  grosse  foramen  ischiadicum 
zwischen  sich  lassend.  Die  hintere,  gemeinsame  Grenze  ist  fast 
geradlinig.  Pubis  und  Ischium  verschmelzen  an  zwei  Stellen  mit- 
einander (foramen  obturatorium  und  for.  ovale).  Das  erstere  über- 
ragt letzteres  nach  hinten  um  9  mm.  Die  beiden  Pubis  stehen  an 
der  breitesten  Stelle  des  Beckens  um  30  mm  auseinander,  um  sich 
an  ihren  hintersten  Enden  bis  auf  18  mm  zu  nähern.  —  Der  Femur 
hat  einen  ziemlich  gerundeten,  ganz  ansitzenden  Gelenkkopf  und 
einen  abgeflachten  Trochanter,  der  proximalwärts  nicht  über  den 
Gelenkkopf  hinausspringt,  so  dass  das  obere  Ende  des  Femur  in  fast 
rechtem  Winkel  zur  Längsaxe  wie  abgeschnitten  erscheint.  Der 
rundliche  Schaft  ist  etwas  nach  aussen  gebogen.  Die  Länge  des 
Femur  beträgt  23,5  mm.  Eine  patella  genu  ist  in  guter  Ausbildung 
vorhanden.  Der  Tibiotarsus  ist  ein  schlanker  Knochen  von  31  mm 
Länge.  Die  proximale  Endfläche  ist  derart  verbreitert,  dass  sie 
fast  quadratischen  Umriss  hat.  Die  Gelenkfläche  neigt  in  ihrer 
Hauptrichtung  von  innen  nach  aussen.  Von  cristae  tibiae  ist  nichts 
zu  bemerken.  Der  Schaft  der  Tibia  ist  gerade,  rundlich ;  am  untern 
Ende  findet  sich  die  Knochenbrücke  für  die  Sehnen  der  Zehenstrecker. 


•200  Leo  Ze Initiier:    Beiträge  zur  Entwicklung  von 

Die  zwei  Condylen  am  distalen  Ende  stehen  schief  (nach  innen)  zur 
Längsaxe  der  Tibia,  ein  Verhalten,  das  beim  jugendlichen  Skelet 
noch  nicht  deutlich  ausgeprägt  ist.  Die  Fibula  ist  sehr  klein,  aber 
wohl  verknöchert.  Ihre  Länge  beträgt  nur  8  mm.  Der  Tarsome- 
tatarsus  ist  nur  13,5  mm  lang.  Er  wird  beinahe  horizontal  ge- 
tragen und  dient  zum  Sitzen,  was  sich  darin  ausdrückt,  dass  die 
Haut  am  proximalen  Ende  der  hintern  Fläche  des  Tarsometatarsus 
eine  feste  Sitzschwiele  bildet.  Die  hintere  Fläche  des  Tarsometatarsus 
ist  von  einer  breiten,  longitudinalen  Furche  durchzogen,  die  durch 
eine  starke  innere  und  äussere  Knochenleiste  noch  verstärkt  ist. 
Diese  Knochenleisten  sind  namentlich  an  den  Enden  des  Tarsometa- 
tarsus entwickelt  und  gehören  den  Condylen  des  Metatarsale  II  und 
IV,  sowie  der  distalen  Tarsalreihe  an.  Sie  haben  den  Zweck,  die 
Scheide,  welche  die  Sehnen  der  Zehenbeuger  susammenhält,  zu  ver- 
stärken. Bei  den  gewaltigen  Kraftäusserungen  der  Zehen  beim 
Klettern  ist  diese  Verstärkung  unbedingt  nötig,  um  die  Sehnen  sicher 
in  der  Richtung  der  Zehen  zu  halten,  wodurch  allein  eine  zum 
Klettern  günstige  Bewegung  der  Zehen  erzielt  wird.  Auch  die  vordere 
Fläche  des  Tarsometatarsus  ist  von  einer  Längsfurche  durchzogen, 
die  am  distalen  Ende  zwischen  den  zwei  äusseren  Condylen  endigt. 
Sie  wird  proximal  durch  die  distale  Tarsalreihe,  distal  durch  die 
Condylen  abgeschlossen,' während  die  Furche  auf  der  hintern  Fläche 
über  den  ganzen  Tarsometatarsus  verläuft.  Bei  jugendlichen  Skeleten 
kann  man  am  proximalen  Ende  desselben  noch  eine  Strecke  weit 
die  Grenze  zwischen  den  verschmolzenen  Metatarsen verfolgen;  zwischen 
dem  III  u.  IV.  verharrt  noch  lange  eine  ansehnliche  Durchbohrung, 
weniger  lang  eine  solche  am  distalen  Ende.  Die  erste  Durchbohrung 
ist  selbst  am  alten  Metatarsus,  allerdings  nur  mit  Hilfe  der  Lupe, 
wahrzunehmen.  Zwischen  dem  II.  u.  III.  Metatarsale  sind  eine  Zeit 
lang  an  beiden  Enden  seichte  längliche  Vertiefungen  zu  sehen.  Die 
drei  Condylen  sind  ziemlich  gut  isolirt ;  namentlich  zwischen  den 
zwei  innern  existirt  lange  Zeit  ein  tiefer,  schmaler  Einschnitt.  Der 
innerste  Condylus  reicht  am  weitesten  hinab,  der  äusserste  am 
wenigsten  weit.  Die  Phalangenzahl  beträgt  zwei  in  der  ersten  und 
je  drei  in  den  übrigen  Zehen.  In  einem  spätem  Abschnitt  werde  ich 
das  Zustandekommen  der  abnormen  Phalangenzahl  des  eingehendsten 
behandeln.  Die  erste  Phalange  der  drei  äussern  Zehen  ist  cubisch, 
sehr  kurz,  die  erste  der  ersten  Zehe,  sowie  die  zweite  der  drei  andern 
sind  schlank,  etwas  nach  unten  gebogen  und  messen:  die  der  I.  und 
II.  Zehe  je  9  mm,  die  der  III.  8  und  die  der  IV.  7,5  mm. 

III. 

Die  Entwicklung  der  Leibesformen  im  Allgemeinen. 

Vorbemerkung.  Die  jüngsten  Entwicklungsstadien,  welche  ich 
beobachten  konnte,  sind  vom  2.-3.  Brüttag.  Im  ganzen  war  ich 
ausser  Stande,  das  Alter  der  Embryonen  sicher  festzustellen,  wegen 
der  Unmöglichkeit,    den   Anfang    der  Bebrütung  iixiren  zu    können 


Cypselus  melba,  liehst  biologischen  und  osteologischen  Details.         201 

und  wegen  der  teilweise  unregelmässigen  Bebrütung  selbst.  Bis  auf 
einen  gewissen  Grad  konnte  ich  mir  dadurch  helfen,  dass  ich  frisch 
gelegte  Eier  wegnahm  und  in  Nester  unterlegte,  wo  das  Brutgeschäft 
schon  begonnen  hatte.  Auf  diese  Weise  erhielt  ich  einige  frühe 
Stadien,  deren  Alter  ziemlich  sicher  war,  wenngleich  auch  damit 
noch  keine  absolute  Sicherheit  erreicht  ist;  denn  die  Eier  sind  bei 
ihrer  Ablage  schon  sehr  verschieden  weit  vorgeschritten.  Nie  traf 
ich  in  einem  und  demselben  Gelege  die  gleichen  Entwicklungsstadien 
an.  Bald  wurde  schon  gebrütet,  wenn  erst  ein  Ei  gelegt  war  und 
nachher  wurde  noch  ein  zweites,  gelegentlich  sogar  noch  ein  drittes 
hinzugelegt,  bald  blieb  das  Gelege  mehrere  Tage  unbebrütct.  So  kam 
es,-  dass  ich  viel  weniger  passendes  Material  erhielt,  als  ich  erwartet 
hatte.  Dazu  kam  noch  der  Umstand,  dass  ich  am  Anfang  der  Briitung 
nur  wenige  Nester  beobachtete,  aus  Furcht,  die  Tiere  bei  allzu  öfteren 
und  eindringlichen  Besuchen  ganz  zu  verscheuchen.  Auch  erhielt 
ich  erst  am  15.  Juni  die  definitive  Erlaubniss  zum  Zutritt  zu  den 
Brütstellen,  als  schon,  wie  sich  nachher  herausstellte,  in  der  Mehr- 
zahl der  Nester  die  Brütung  begonnen  hatte.  Nichtsdestoweniger 
ist  es  mir  gelungen,  eine  Serie  von  Entwicklungsstadien  herzustellen. 
Wenn  ich  im  Nachstehenden  von  Embryonen  von  einem  gewissen 
Alter  spreche,  so  ist  dasselbe  immer  nur  als  ein  approximatives  an- 
zusehen. 

Die  Embryonen  wurden  zum  Teil  in  Chromsäure,  zum  Teil  in 
Pikrinsäure  fixirt,  in  Alcohol  gehärtet,  später  mit  Boraxcarmin 
oder  Alaunpurpurin  in  toto  gefärbt  und  weiter  verarbeitet.  Die 
Jüngern  Stadien  wurden  sofort  gezeichnet.  Die  Extremitäten,  welche 
ich  einer  genaueren  Untersuchung  unterzog,  wurden  vom  Körper  ab- 
getrennt, die  Jüngern  Stadien  unverändert  montirt,  die  altern  wegen 
ihrer  bedeutenderen  Dicke  der  Musculatur  entledigt  und  dann  eben- 
falls in  toto  montirt.  Die  Färbung  mit  Alaunpurpurin  ist  bei  dicken 
Objecten  besser  als  die  mit  Boraxcarmin,  weil  viel  klarer,  durch- 
sichtiger. Ich  konnte  an  den  in  toto  montirten  Extremitäten  schon 
sehr  viel  erkennen  und  fertigte  nur  da  Schnittserien  an,  wo  es  mir 
auf  feinere  Strueturverhältnisse  ankam.  Die  Objecte  bettete  ich  nach 
der  Chloroformparaffinmethode  ein  und  goss  sie  auf  würfelförmig  zu- 
geschnittene Korkblöcke,  welche  sich  für  kleine  Objecte  sehr  gut  zum 
Einspannen  in  das  Mikrotom  eignen.  Die  Schnitte  wurden  mit  Col- 
lodium-Nelkenöl  auf  die  Objectträger  geklebt,  das  Paraffin  mit  Benzol 
ausgewaschen  und  nachher  die  Schnitte  gefärbt,  wenn  das  Object 
nicht  schon  dieser  Operation  unterzogen  war. 

Ueber  die  Entwicklung  der  allgemeinen  Körperform  will  ich 
mich  nicht  weit  verbreiten,  da  sie  sich  in  der  Hauptsache  unter  den 
gleichen  Erscheinungen  vollzieht,  wie  beim  Hühnchen.  Bei  einem 
Embryo  von  ca.  60  Stunden  (Fig.  1)  bemerke  ich  deutlich  drei 
Visceralbogen ,  die  erste  Anlage  des  Ohres,  das  ziemlich  grosse 
Herz  mit  bulbus,  Kammer  und  Vorkammer  und  drei  Gehirnblasen. 
Der  Schwanzteil  ist  sehr  undeutlich.  Im  Auge  bemerkt  man  bei 
günstiger  Beleuchtung  die  gestielte   Linse,    allein  nur  so  lange  der 


202  Leo  Zehiitner:    Beiträge  zur  Entwicklung  von 

Embryo  durchsichtig  ist.  Die  ersten  Anlagen  der  Extremitäten 
treten  als  lappenförmige  Gebilde  am  dritten  Brüttag  auf  (Fig.  2). 
Sie  setzen  weit  dorsal  gerückt  mit  breiter  Basis  an  und  liegen  wegen 
des  Vorherrschens  des  Kopfes  scheinbar  weit  hinten  am  Körper.  Der 
lange  Schwanz  legt  sich  spiralig  um  das  distale  Ende  der  hintern 
Extremität.  Der  Kopf  ist  stark  auf  die  Bauchseite  gekrümmt  und 
berührt  den  Schwanz  beinahe.  Zwischen  beiden  tritt  der  Stiel  der 
birnförmigen  Allantois  hervor.  Am  Kopfe  sind  5  Gehirnblasen  zu 
erkennen.  Bei  einem  ca.  3tägigen  Embryo  von  6,5  mm  Nacken- 
steisslänge  pulsirte  das  Herz  in  verdünnter  Chromsäure  noch  min- 
destens eine  halbe  Stunde  lebhaft  fort.  Diese  Lebenszähigkeit  macht 
es  uns  erklärlich,  dass  das  Brütgeschäft  selbst  bei  jungen  Stadien 
für  längere  Zeit  kann  unterbrochen  werden,  ohne  dass  der  Embryo 
Schaden  nimmt.  Daher  auch  die  Unregelmässigkeiten  in  der  Be- 
brütung. — 

In  frischem  Zustand  oder  nach  dem  Färben  sind  bei  3tägigen 
Embryonen  die  Ursegmente  oder  Somiten,  durchweiche  die  Chorda 
hindurch  schimmert,  sehr  deutlich  zu  erkennen  (Fig.  2).  Ihre  Zahl 
ist  grösser  als  diejenige  der  Wirbel.  Ich  zähle  an  einem  3 —  4tägigen 
Embryo  44  Somiten,  wovon  auf  den  Hals,  d.  h.  vor  die  vordere  Ex- 
tremität 12,  auf  die  breite  Basis  der  vorderen  Extremität  6,  zwischen 
die  Extremitäten  7,  auf  die  hintere  Extremität  6  und  auf  den  Schwanz 
13  entfallen,  in  Summa  44.  —  Die  Zahl  der  Wirbel  beträgt  nur  37. 
—  Schon  beim  4 — ötägigen  Embryo  (Fig.  3)  sind  die  Somiten 
unmittelbar  hinter  dem  Kopfe  sehr  undeutlich  und  es  scheint  mir, 
dass  einige  im  Schädel  aufgehen.  Nach  den  Untersuchungen  von 
Kölliker  (7,  8),  Foster-Balfour  (9),  Gegenbaur  (nach  Foster- 
Balfour  citirt),  Hertwig  (10)  u.  A.  wird  ein  Teil  der  Somiten  zur 
Grundlage  der  Wirbel.  Diese  skeletogene  Partie  der  Somiten 
bildet  zunächst  eine  einheitliche  Umhüllung  der  Chorda  und  des 
Nervenrohrs,  welche  alsdann  eine  Neugliederung  erleidet.  Die 
Segmente  der  Neugliederung  werden  zu  den  definitiven  Wirbeln.  Bei 
Cypselus  melba  nun  werden  42  Wirbelelemente  angelegt,  5  mehr  als 
wir  bei  der  erwachsenen  Wirbelsäule  finden.  Es  tritt  also  im  Laufe 
der  Entwicklung  eine  Reduction  der  Wirbel  um  fünf  ein  und  nun  fragt 
es  sich,  wohin  diese  fünf  Wirbel  kommen.  Längsschnitte  durch  die 
Wirbelsäule  und  noch  besser  die  Dorsalansicht  der  Sacral-  und  Caudal- 
wirbelsäule  eines  10  —  12tägigen  Embryo  geben  den  nötigen  Auf- 
schluss.  In  der  Sacralregion  sind  die  Verhältnisse  des  fertigen  Ske- 
letes  nahezu  erreicht.  Ich  finde  das  Ilium  schon  mit  elf  Wirbeln  in 
loser  Verbindung.  Die  zwei  vordersten  tragen  Rippen,  gehören  also 
zur  Brustwirbelsäule.  Der  hinterste  der  elf  Wirbel  steht  nur  ganz 
wenig  mit  dem  Ilium  in  Verbindung;  er  wird  erst  später,  d.  h.  erst 
im  postembryonalen  Leben  ganz  in  das  Sacrum  einbezogen.  Hinter 
dem  Sacrum  liegen  noch  13  freie  Wirbelelemente,  welche  alle  dem 
Schwanz  angehören;  denn  im  Sacrum  haben  wir  die  volle  Zahl  der 
Elemente  constatirt.  Da  wir  nun  beim  fertigen  Skelet  7  freie  Schwanz- 
wirbel und  das  Pygostyl  haben,  so  müssen  in  dem  letztern  6  Wirbel 


Cypselus  melba,  nebst  biologischen  und  osteologiscben  Details.        -203 

enthalten  sein.  Im  Schwanz  eines  ca.  14tägigen  Embryos  sind  nur 
noch  10  freie  Wirbelelemente  vorhanden.  Das  hinterste  ist  zapfen- 
förmig  und  wird  von  der  Chorda  überragt  (Schwanzfaden).  Vor  ihm 
befinden  sich  zwei  kleine,  plattgedrückte  Wirbel,  die  dem  letzten  eng 
anliegen.  Diese  zwei  verschmelzen  erst  postembryonal  vollständig. 
An  jugendlichen  Pygostylen  kann  man  sie,  wenigstens  den  vordem, 
noch  ziemlich  lange  erkennen. 

Es  ist  nicht  ganz  ohne  Bedeutung,  dass  selbst  bei  einem  schon 
früh  differencirten  Typus,  wie  ihn  die  Cypseliden  darstellen,  eine  ver- 
hältnissmässig  grosse  Zahl  von  Schwanzwirbeln  constatirt  werden 
kann.  Ein  jeder  solcher  Befund  trägt  dazu  bei,  uns  den  langen 
Schwanz  der  Archaeopteryx  verständlicher  zu  machen. 

Kann  ich  beim  Embryo  von  ca.  60  Stunden  nur  drei  Visceral- 
bogen  beobachten,  so  sind  es  beim  3  —  4tägigen  vier;  den  5.  sah  ich 
nie  deutlich.  Dagegen  lässt  der  erste  schon  die  Anfänge  des  Ober- 
kieferfortsatzes erkennen.  Am  fünften  Brüttag  sind  alle  Bogen  bis 
auf  zwei  geschwunden ;  der  Oberkieferfortsatz  ist  schon  gut  entwickelt. 
In  eigentümlicher  Weise  ist  aber  die  Basis  des  zweiten  oberflächlich 
noch  sichtbaren  Bogens  weit  von  derjenigen  des  Unterkiefers 
abgerückt  (Fig.  3),  so  dass  ich  vermute,  wir  hätten  es  mit  dem 
ersten  Kiemenbogen  zu  tun  und  der  Hyoidbogen  sei  oberflächlich 
verschwunden,  internirt  worden.  Es  stimmt  dies  mit  der  Tatsache 
überein,  dass  schon  beim  3tägigen,  und  in  viel  höherem  Maasse  beim 
-itägigen  Embryo  der  erste  Kiemenbogen  über  den  Hyoidbogen  vor- 
herrscht. Auch  spricht  für  meine  Vermutung  der  Umstand,  dass 
vom  Hyoidbogen  nach  Parker  (6)  nur  noch  das  Basihyale  erhalten 
bleibt,  welches  der  Zunge  und  dem  ersten  Kiemenbogen  Stütze  ge- 
währt. Eben  diese  letztere  Function  und  die  weitgehende  Reduction 
(bis  auf  das  median  gelegene  Stück)  erklären  zur  Genüge  das  frühe, 
oberflächliche  Verschwinden.  Dagegen  ist  der  erste  Kiemenbogen 
wohl  entwickelt.  Von  ihm  gelangen  das  Basi-,  Kerato-  und  Epi- 
branchiale  zur  Ausbildung.  Vom  zweiten  Kiemenbogen,  welcher  zu 
gleicher  Zeit  wie  der  Hyoidbogen  verschwindet,  persistirt  noch  das 
Basibranchiale,  wenn  anders  der  zwischen  den  Keratobranchialia  des 
ersten  Kiemenbogens  nach  hinten  vorspringende,  stabförmige  Fort- 
satz als  solches  gedeutet  werden  darf.  —  Mit  aller  Deutlichkeit  ist 
am  5.  Brüttag  zu  erkennen,  dass  Ober-  und  Unterkiefer  aus  gemein- 
samer Wurzel  entspringen.  Beide  Fortsätze  wachsen  nun  ziemlich 
rasch  gegen  die  Medianlinie  und  suchen  sich  mit  dem  von  der  an- 
dern Seite  zu  vereinigen.  Am  6.  Brüttag  ist  dies  soweit  gediehen, 
dass  die  Oberkieferfortsätze  an  den  breiten  Stirnnasenfortsatz  von 
beiden  Seiten  anstossen,  während  die  Unterkiefer  bereits  im  Begriffe 
stehen,  mit  einander  zu  verschmelzen.  Schon  am  7.  bis  8.  Tage  ist 
der  Embryo  soweit  entwickelt,  dass  man  ihn  nunmehr  nur  noch  als 
Vogel  ansehen  kann.  Die  Schnabelbildung  geht  rasch  vor  sich  und 
auch  die  vordere  Extremität  nimmt  rasch  die  Form  des  Flügels  an, 
während  sie  am   5.   und   6.  Tag  der  hintern  noch  ziemlich  ähnlich 


204  keo  Zehntner:    Beiträge  zur  Entwicklung  von 

sieht.  Kurz,  in  dieser  Zeit  erhält  der  Embryo  die  Merkmale  des 
Vogels.  Zwischen  dem  8.  und  10.  Tag  treten  die  ersten  Federkeime 
auf  und  zwar  zunächst  auf  den  Federfluren,  wo  sie  als  kegelförmige 
Wärzchen  der  Haut  sich  anzeigen,  am  deutlichsten  und  in  der  Zahl 
wie  beim  definitiven  Gefieder  am  Schwanz  und  auf  der  oberen  Seite 
der  Flügel  (Fig.  4).  Zum  Durchbruch  kommt  es  aber  nicht;  die 
Jungen  schlüpfen  ganz  nackt  aus. 

Die  Extremitäten  haben  in  ihren  ersten  Anlagen  am  3.  Tag 
die  gleiche  Form  und  Grösse.  Schon  mit  dem  4.  Tag  werden 
sie  etwas  schlanker,  die  vordere  wenig  länger  als  die  hintere.  Am 
5.  Tag  sind  sie  an  der  Ansatzstelle  deutlicher  begrenzt  und  am 
schmälsten,  distal  ziemlich  verbreitert  (Fig.  3).  Auch  macht 
sich  eine  leichte  Krümmung,  dem  Knie,  resp.  Ellenbogen  ent- 
sprechend, bemerkbar.  In  dieser  Zeit  bemerkt  man  auch  die 
ersten  Anlagen  des  Axenskeletes ,  worauf  ich  später  zu  sprechen 
komme.  Am  6.  Tage  erhalten  die  verbreiterten  Enden,  welche  in 
beiden  Extremitäten  wenig  differiren,  an  ihrem  äussersten  Rande 
seichte  Einbuchtungen:  die  ersten  Anlagen  der  Finger  und  Zehen. 
Diese  Einbuchtungen  werden  tiefer  und  tiefer,  bis  wir  am  Fuss  vier 
wohlentwickelte  Zehen  haben.  Dies  ist  mit  dem  10.  Brüttag  erreicht. 
Im  Flügel  ist  die  äusserliche  Ausbildung  der  Finger  weniger  deutlich, 
aber  nicht  zu  verkennen.  Vom  7.  Tage  an  ist  sowohl  der  Daumen 
als  der  dritte  Finger  durch  eine  kleine  Einbuchtung  vom  zweiten 
abstehend.  Nach  dem  10.  Brüttag  schwindet  die  Einbuchtung  beim 
dritten  Finger,  diejenige  beim  Daumen  erhält  sich  noch  lange,  nach- 
dem das  Junge  das  Ei  verlassen  hat.  —  Lieber  die  postembryonale 
Entwicklung  wurde  schon  im  biologischen  Teil  gesprochen.  Es  bleibt 
noch  nachzutragen,  dass  die  Dunen  aus  einer  sehr  langen  Spule 
bestehen,  aus  welcher  30 — 40  gleichwertige,  gefiederte  Strahlen  pinsel- 
förmig hervorgehen.  Die  Dunen  sind  in  Quincunxstellung  ziemlich 
dicht  über  den  ganzen  Körper  verteilt.  —  Gegen  das  Ende  der 
Brützeit  bildet  sich  auf  der  Spitze  des  Oberschnabels  ein  kleines, 
hartes  Knötchen,  welches  zum  Durchbrechen  der  Schale  dient  und 
bald  nach  dem  Ausschlüpfen  abgeworfen  wird. 


IV. 
Entwicklung  der  Extremitäten  im  Besonderen. 

Ueber  die  Entwicklung  der  äusseren  Form  der  Extremitäten 
habe  ich  bereits  im  vorhergehenden  Capitel  gehandelt  und  kann  ich 
mich  nunmehr  darauf  beschänken,  die  Entwicklung  des  Extremitäten- 
skeletes  zu  besprechen. 

a.  Vordere  Extremität:  Die  ersten  Anlagen  des  Skeletes 
treten  am  5.  Brüttag  auf;  allein  schon  am  vierten  kann  man  in  der 
Flügelanlage  kleine  Streifen  dichteren  Gewebes,  sogenannte  Blastem- 
streifen  wahrnehmen,  welches  die  Vorläufer  des  Skeletes  sind.    Am 


Cypselus  melba,  nebst  biologischen  und  osteologi sehen  Details.         205 

Ende  des  5.  Tages  sind  die  Hauptabschnitte  desselben  deutlich  zu 
erkennen  (Fig.  10).  Von  dem  primitiven  Schultergürtel  aus, 
welcher  eine  fast  gerade,  von  vorn  nach  hinten  verlaufende  Knorpel- 
spange ist,  geht  ein  einfacher  Knorpelstreifen,  welcher  dem  Humerus 
entspricht.  Er  ist  weder  an  seinem  proximalen,  noch  an  seinem 
distalen  Ende  deutlich  abgegrenzt;  doch  kann  man  sich  von  der  be- 
ginnenden Isolirung  überzeugen.  An  das  distale  Ende  stossen  zwei 
unter  sich  gleich  starke,  gegenüber  dem  Humerus  schwächere  und 
kürzere  Streifen,  die  in  der  Mitte  ein  wenig  auseinanderweichen 
und  distal  in  einer  breiten,  einheitlichen  Knorpelmasse  aufgehen. 
Diese  zwei  Knorpelstreifen  entsprechen  dem  Radius  und  der  Ulna. 
Ihre  Abgliederung  vom  Humerus  ist  angedeutet.  Die  breite 
Knorpelmasse  entspricht  selbstredend  dem  Carpus.  Von  ihr  gehen 
die  ersten  Anfänge  der  Metacarpen  in  der  Zahl  von  drei,  cliver- 
girend,  aus.  Fig.  10.,  welche  aus  drei  Schnitten  combinirt  ist, 
gibt  ein  Bild  vom  Skelet  am  5.  Tage,  ein  Bild,  das  von  dem- 
jenigen, welches  Gegenbaur  (11.)  vom  Fusse  gibt,  nicht  abweicht, 
von  der  Krümmung  im  Ellenbogen  abgesehen.  Beim  6 — 7  tägigen 
Flügel  sind  die  Skeletstücke  schon  gut  differencirt  (Fig.  13 
bis  22).  Die  Ulna  herrscht  stark  über  den  Radius  vor,  ist  auch 
etwas  länger  als  dieser,  welcher  sich  ein  wenig  von  der  Ulna  weg- 
biegt. In  der  breiten,  dem  Carpus  entsprechenden  Knorpelplatte  des 
Flügels  vom  5.  Tage  haben  sich  eine  ganze  Anzahl  von  Knorpelkernen 
isolirt,  bedeutend  mehr  als  sich  im  definitiven  Flügel  vorfinden.  Die 
drei  Metacarpalia  sind  vollständig  frei,  unverwachsen  und  tragen, 
wenigstens  das  I.  u.  II.  je  eine  Phalange.  Es  wird  nun  am  Platze 
sein,  die  einzelnen  Flügelabschnitte  gesondert  zu  besprechen  und  in 
ihrer  Weiterentwicklung  zu  verfolgen. 

Bei  der  Beschreibung  des  Skeletes  habe  ich  den  auffallend 
kurzen,  gedrungenen  Humerus  erwähnt,  wie  er  nur  noch  bei  den 
Trochiliden  vorkommt.  Um  zu  erfahren,  ob  dieses  Verhalten  von 
Anfang  an  bestehe  oder  nicht  und  wie  sich  die  verschiedenen  Flügel- 
abschnitte im  Laufe  der  Entwicklung  bezüglich  ihres  Wachstumes 
verhalten,  habe  ich  bei  einer  ganzen  Reihe  von  Entwicklungsstadien 
die  nötigen  Messungen  vorgenommen  und  das  Verhältniss  zwischen 
Oberarm,  Unterarm  und  Hand  berechnet,  indem  ich  die  Länge  des 
Humerus  =  1  setze.  Als  Länge  des  Unterarmes  nehme  ich  diejenige 
des  Radius  und  messe  die  Hand  vom  Radiale  an,  letzteres  einge- 
schlossen. Ich  glaube  auf  diese  Weise  am  richtigsten  die  Länge 
der  Hand  zu  erhalten,  da  das  Radiale  in  der  directen  Ver- 
längerung des  zweiten,  d.  h.  des  längsten  Fingers  liegt  —  wenigstens 
bei  den  meisten  Embryonalstadien  —  und  dieses  wiederum  unmittelbar 
an  den  Radius  anstösst  (Fig.  12).  Geht  man  bei  der  Messung  über  die 
Ulna,  und  misst  die  Hand  vom  Ulnare  an,  so  wird  das  Radiale  nicht  ge- 
messen, weil  die  Ulna  tiefer  hinunterreicht  als  der  Radius.  Misst 
man  aber  die  Hand  vom  Radiale  an,  so  wird  die  Strecke,  um  welche 
die  Ulna  tiefer  reicht  als  der  Radius,  doppelt  gemessen.  Durch 
diese  Auseinandersetzung  glaube  ich  es  genug  gerechtfertigt  zu  haben, 


206 


Leo  Zehntner:    Beiträge  zur  Entwicklung-  von 


als  Länge  des  Unterarmes  diejenige  des  Radius  zu  nehmen,  obwohl 
dieser  der  imbedeutendere  Skeletteil  ist.  Bei  den  jüngsten  Stadien, 
wo  das  Skelet  distal  noch  nicht  distinct  ist,  mass  ich  die  Hand  bis 
zum  äussersten  Rande  des  Flügels.  Zur  bessern  Uebersicht  stelle  ich 
die  gefundenen  Verhältnisse  zwischen  Humerus,  Radius  u.  Manus  in 
der  folgenden  kleinen  Tabelle  zusammen. 


Länge 

des 

Humerus 
in  min. 


Alter 

der 

verschiedenen  Entwicklungsstadien . 


Verhältniss 

von 

Humerus  :  Radius  :  Manus. 


0,86 
1.41 
1,98 
2,17 
2,80 
3,18 
3,32 
3,60 
8,40 
11,0 
13,5 
16,0 
16,5 


ca.  ötägiger  Embryo 

»    8      -  »         

»  10      »  »         

..  12      »  ».        

■■  14      ■•  »         

»  16      »  ■•         

»  18      »  »»         

Eben  ausgeschlüpftes  Junges  .  . 
6—8  Tage  nach  dem  Ausschlüpfen 

2  Wochen  altes  Junges    .... 

3  •■  ■•.... 

4  »  .  .  .  . 
Erwachsen 


0,69 
0,86 
1,12 
1,12 
1,12 
1,12 
1,16 
1,27 
1,37 
1,36 
1,42 
1,38 
1,44 


1,29 
1,71 
2,31 
2,32 
2,30 
2,36 
2,35 
2,43 
2,62 
2  72 
3,10 
3,31 
3,50 


Aus  dieser  Tabelle  geht  zur  Evidenz  hervor,  dass  das  im  er- 
wachsenen Zustand  vorhandene  Verhältniss  keineswegs  zum  vorn- 
herein besteht,  sondern  Resultat  secundärer  Anpassung  ist.  Im 
Gegensatz  zum  erwachsenen  Flügel  ist  bei  den  zwei  jüngsten  Stadien 
erstens  der  Humerus  länger  als  der  Radius,  zweitens  der  Arm  länger 
als  die  Hand.  Dies  dauert  jedoch  nur  ganz  kurze  Zeit.  Wie  uns 
die  Tabelle  weiter  sagt,  hat  schon  beim  lOtägigen  Embryo  das  Ver- 
hältniss umgeschlagen:  Der  Radius  überwiegt  den  Humerus  und  die 
Hand  den  Arm;  zwar  noch  unbedeutend,  aber  entschieden.  Vom 
10.  Brüttag  an  bleibt  das  Verhältniss  bis  zum  Ausschlüpfen  beinahe 
constant,  von  ganz  geringen  Schwankungen  in  der  Hand  abgesehen. 
Das  heisst  nichts  anderes,  als  dass  während  der  Brützeit  vom  10.  Tage 
an  alle  drei  Hauptabschnitte  des  Flügels  ungefähr  gleich  stark 
wachsen.  In  dieser  Zeit  nimmt  hingegen  der  Humerus  eine  Gestalt 
an,  welche  der  definitiven  schon  ziemlich  ähnlich  sieht.  Mit  14  Brüt- 
tagen ist  er  schon  ziemlich  dick,  gedrungen,  die  Fortsätze  am 
verbreiterten  proximalen  Ende  noch  wenig  entwickelt  (Fig.  11). 
Mit  16  Tagen  sind  sie  dagegen  gut  bemerkbar  und  auch  die 
Condylen  am  distalen  Ende  beginnen  sich  auszubilden  (Fig.  12). 
Nach  dem  Ausschlüpfen  wächst  der  Unterarm,  und  in  viel  höherem 
Maasse  die  Hand  sehr  rasch,  so  dass  das  bisherige  Verhältniss  stark 


Cypselus  melba,  nebst  biologischen  und  osteologiscben  Details.         207 

ändert,  bis  schliesslich  die  Hand  um  Vs  länger  ist  als  der  Arm.  Der 
junge  Cypselus  wird  also  in  Bezug  auf  seinen  Flügel  erst  nach  dem 
Ausschlüpfen  cypseloid;  während  der  Brützeit  verhält  er  sich  wie 
die  meisten  Passeres.  Cypselus  geht  gewissermassen  über  den  Durch- 
schnittsvogel hinaus. 

Gehen  wir  nun  zum  Carpus  über.  Die  alte  Ansicht  (welche 
auch  Gegen baur  vertrat)  (11),  nach  welcher  im  Vogelcarpus  nur 
Elemente  der  ersten  Reihe  angelegt  werden  sollen,  ist  schon  längst 
corrigirt  durch  die  Untersuchungen  Rosenbergs  (12),  welcher  in 
der  distalen  Reihe  2  Knorpel  angibt,  die  den  Carpalia  1  bis  4  ent- 
sprechen. Diese  Carpalia  verschmelzen  mit  den  Metacarpen  in  ähn- 
licher Weise,  wie  die  distale  Tarsalreihe  mit  den  Metatarsen  des 
Vogelfusses.  Des  ferneren  gibt  Rosenberg  die  transitorische  Existenz 
des  Metacarpale  IV  an.  Seine  Untersuchungen  beziehen  sich  auf  das 
Hühnchen.  Morse  (13)  bildet  in  seiner  Fig.  44  Carpus  und  Hand 
von  Dendroeca  aestiv'a  ab  und  hält  den  einen  Knochen  der  proximalen 
Carpalreihe  für  das  Radiale,  den  andern,  über  dem  Radiale  gelegenen 
für  das  Intermedium,  während  er  das  Ulnare  als  mit  der  Ulna  ver- 
schmolzen annimmt.  Dasselbe  Verhalten  gibt  Morse  für  Cotyle  mparia 
und  Turdus  fuscescens  an.  Er  steht  mit  seiner  Angabe  eines  freien 
Intermedium  im  Vogelcarpus  bis  heute  allein.  Auch  hat  sich  die 
Annahme  einer  Verschmelzung  des  Ulnare  mit  der  Ulna  noch  nicht 
bestätigt.  In  der  distalen  Reihe  gibt  Morse  ein  Carpale  3  und  C4 
an,  den  beiden  ulnaren  Fingern  entsprechend,  welche  er  mit  Owen, 
Cones  und  Wyniann  als  den  III.  und  IV.  betrachtet.  Der  radiale 
Finger  wäre  demnach  der  zweite.  S  tu  der  (14)  gibt  für  Eudyptes 
Chrysocome  in  der  proximalen  Reihe  ein  Radiale  und  ein  Ulnare  an. 
In  der  distalen  befinden  sich  zwei  Stücke,  von  welchen  das  innere 
dem  Ci+2  entspricht.  Den  Fortsatz,  welchen  dieses  Stück  zwischen 
Ulnare  und  Radiale  sendet,  hält  Studer  für  das  Aequivalent  des 
Intermedium.  Das  äussere  Stück  ist  Carpale  3  +  4.  In  neuester 
Zeit  hat  sich  auch  Parker  (15)  eingehend  mit  der  Vogelhand  be- 
schäftigt und  namentlich  das  Hühnchen  berücksichtigt.  Er  fasst  die 
Knochen  der  proximalen  Reihe  als  Intermedio-Radiale  und  Centralo- 
Ulnare  auf,  während  Gegenbaur  (11)  und  mit  ihm  Rosenberg  (12) 
ein  Intermedio-Ulnare  und  ein  Radiale  annehmen.  Ueber  das  Centrale 
sprechen  sich  die  beiden  letztgenannten  Autoren  nicht  bestimmt  aus. 
Parker  weicht  nun  von  allen  genannten  Forschern  noch  darin  ab, 
dass  er  in  der  distalen  Reihe  drei  gesonderte  Carpuselemente  für 
das  Hühnchen  angibt,  den  Carpalia  1,  2  und  3  entsprechend.  Im 
Weitern  hat  Parker  zwei  Knorpelrudimente  im  Metacarpus  gefunden. 
Das  eine,  mit  m  c  2'  bezeichnet,  liegt  zwischen  M  c  II  und  III,  das 
andere  (m  c  3')  am  ulnaren  Rand  des  M  c  III.  Näheres  hierüber 
siehe  pag.  27. 

Was  nun  das  Verhalten  bei  Cypselus  melba  betrifft,  so  stimmt 
mein  Befund  mit  keinem  der  erwähnten  gänzlich  überein.  Im 
Carpus    eines   Flügels   vom   ca.    7.  Brüttag  (Fig.  13  —  22)  haben  sich 


208  Leo  Zehnt n er:    Beiträge  zur  Entwicklung  von 

die  Carpuselemente  eben  aus  der  gemeinschaftlichen  Knorpelmasse, 
welche  am  5.  Tage  dem  Carpus  entspricht,  herausgebildet.  Ich  kann 
mit  Sicherheit  5  wohl  isolirte  Knorpelkerne  erkennen.  Unter  dem 
Radius  liegt  ein  ziemlich  grosser,  im  ganzen  viereckiger  Knorpel 
welcher  einen  ziemlich  langen  und  bedeutenden  Fortsatz  von  der 
untern  Ecke  aus  bis  in  die  Mitte  des  Carpus  aussendet.  Auf  mehreren 
Schnitten  erscheint  das  Ende  dieses  Fortsatzes  etwas  verdickt.  In 
seiner  Verlängerung  liegt  auf  der  ulnaren  Seite,  dicht  unter  der  Ulna, 
ein  ganz  kleiner,  ellipsoidischer  Knorpel,  der  nur  auf  3 — 4  Schnitten 
deutlich  erscheint.  Unter  ihm  liegt  ein  rundlicher  Knorpel,  der  etwas 
kleiner  ist  als  der  auf  der  radialen  Seite.  Dieser  letztere  ist  das 
Radiale,  seinen  Fortsatz  halte  ich  für  das  Centrale.  Die  Deutung  des 
kleinen  Knorpelkernes  dicht  unter  der  Ulna  macht  einige  Schwierig- 
keit. Er  verschmilzt  bald  mit  dem  unter  ihm  liegenden  Kern,  um 
mit  diesem  das  spätere  Ulnare  zu  bilden.  Es  ist  nun  nicht  .ganz 
unwahrscheinlich,  dass  jener  ellipsoidische  Knorpel  dem  Intermedium 
entspricht,  das  aus  seiner  ursprünglichen  Lage  an  den  ulnaren  Rand 
des  Carpus  gerückt  ist.  Zugleich  liegt  es  der  dorsalen  Fläche  der 
Hand  näher  als  der  volaren.  Nach  meinem  Befunde  würden  nun 
die  Carpalknochen  der  proximalen  Reihe  einerseits  dem  Ulnare  -f  In- 
termedium, andrerseits  dem  Radiale  +  Centrale  entsprechen.  Weitere 
Untersuchungen  hierüber  behalte  ich  mir  vor. 

In  der  distalen  Reihe  kann  ich  nur  zwei  Stücke  erkennen. 
Auf  der  radialen  Seite,  oder  besser  über  dem  Metacarpale  II  liegt 
ein  breites,  am  proximalen  Ende  convexes,  am  distalen  concaves 
Knorpelstück,  welches  sich  dem  proximalen  Ende  des  Metarcarpale 
II  anlegt,  aber  am  7.  Brüttag  noch  wohl  von  ihm  getrennt  ist. 
Gegen  den  innern  Carpalrand  reicht  es  bis  an  das  M  c  I  heran, 
überdeckt  dieses  aber  nicht.  Das  Mcl  reicht  vielmehr  etwas  in 
den  Carpus  hinein  und  dringt  gegen  das  Radiale  vor,  jedoch  ohne 
dieses  zu  berühren.  Das  zweite,  d.  h.  ulnare  Carpalstück  der  distalen 
Reihe  liegt  auf  dem  äussern  Carpalrand,  in  gleicher  Höhe  mit  dem 
Meli,  also  neben  diesem.  Es  ist  am  7.  Brüttag  rundlich,  etwas 
kleiner  als  das  Ulnare  und  trägt  das  M  c  III  und  das  rudimentäre 
M  c  IV,  welches  in  diesem  Stadium  sehr  deutlich  zu  erkennen  ist 
(Fig.  20 — 22).  Ich  will  nun  die  beiden  Carpalelemente  in 
ihrer  Weiterentwicklung  getrennt  verfolgen.  Das  grössere  radial- 
wärts  gelegene  Stück,  welches  mit  dem  Mclu.  II  in  Verbindung 
steht,  wird  als  Carpale  1  +  2  aufzufassen  sein.  Mit  ca.  10  Brüt- 
tagen (Fig.  35 —  38)  hat  es  an  Dicke  zugenommen,  seine 
Umrisse  sind  schärfer  geworden  und  man  bemerkt,  dass  es  sich 
enger  an  das  Meli  anschliesst,  vorläufig  ohne  zu  verschmelzen, 
Ein  gleiches  Verhalten  hat  gegenüber  M  c  I  Platz  gegriffen.  Das 
Carpale  1+2  und  Mcl  stossen  seitlich  aneinander,  sind  aber  noch 
nicht  verschmolzen.  Die  Verschmelzung  findet  überhaupt  vor  der 
Verknöcherung  nicht  vollkommen  statt.  Sie  beginnt  central  und 
schreitet  gegen  die  Oberfläche  fort.  Um  den  14. — 15.  Brüttag  be- 
ginnt   die    Verknöcheruug,    und    zwar    verknöchern    Mcl   und    die 


Cypselus  nielba,  nebst  biologischen  und  osteologischen  Details.         209 

Carpalia  der  distalen  Reibe  von  einem  einzigen  Ossificationscentrum 
aus  (Fig.  39 — 42).  Während  man  oberflächlich  in  den  knorpeligen 
Teilen  die  Grenzen  zwischen  den  einzelnen  Elementen  noch  erkennen 
kann,  sind  sie  im  Innern  in  ein  einziges  Stück  aufgegangen,  welches 
das  M  c  II  von  oben  und  von  den  Seiten  hufeisenförmig  umfasst 
und  bald  mit  ihm  sowie  mit  M  c  III  verschmilzt  (Fig.  40  u.  41). 
Schon  bei  einem  Flügel  von  ca.  15  Brüttagen  finde  ich  das  proximale 
Ende  der  Metacarpalia  I  und  II  durch  eine  einheitliche  Knochen- 
masse verbunden.  Das  M  C III  hält  sich  länger  selbständig.  Die 
Verschmelzung  d.  Carpalia  der  distalen  Reihe  unter  sich  und  mit 
den  Metacarpen  ist  im  embryonalen  Leben  eine  keineswegs  intime. 
Im  Flügel  von  3 — 4  wöchigen  Nestjungen  lassen  sie  sich  noch  sehr 
gut  von  einander  trennen,  beim  Maceriren  fallen  die  einzelnen 
Stücke  auseinander.  Es  ist  aber  zu  bemerken,  dass  die  Ver- 
schmelzung von  C  i+2  mit  M  c  I  früher  perfect  ist,  als  zwischen 
C 142  und  M  c  II  einerseits  und  zwischen  C 1+2  n.  dem  ulnaren 
Carpalstück  andrerseits.  Bei  einem  1  Monat*  alten  Nestjungen  finde 
ich  nämlich  M  c  I  mit  C 142  verschmolzen  aber  von  M  c  II  ge- 
trennt. Das  ulnare  Carpalstück  ist  noch  ganz  frei.  Bei  ca.  5  wöchigen 
Jungen  ist  die  Verschmelzung  vollständig,  wenn  auch  noch  leise 
Trennungsspuren  sichtbar  sind. 

Das  zweite  Carpalstük  der  distalen  Reihe  welches  ich  in  Ueber- 
einstimmung  mit  Rosenberg  und  Studer  (loc.  cit.)    als  aus  C3  u.  C4 
zusammengesetzt  erachte,  ist  nach  der  Verknöcherung  kaum  Vo  so 
gross    als  C  i_j_2.     In  früheren    Stadien    ist    das    Grössenverhältniss 
ein  anderes.     Am  7.  Brüttag  haben  wir  es  fast  von  gleicher  Grösse 
wie    C  i_|_2    gefunden,    am    10.  macht    es    noch    mindestens    V?  CU5S 
C  i+2  aus.     Es  hat  in  diesem    Alter  von    der    dorsalen    Seite    aus 
gesehen  langovalen  Umriss,  liegt  ganz  ausserhalb  des  Carpus,  neben 
dem  proximalen  Ende  des  M  c  II,  etwas  tiefer  als  dieses.    In  späteren 
Stadien  ist  dieses  Verhalten  noch  viel  ausgesprochener.    Das  Carpale 
1+2    sendet    einen    Fortsatz    gegen    das    C34_4,    der    eine    kleine 
Strecke    längs    des    M  c  II    herabläuft.       Ueber    die    Zeit    der    Ver- 
knöcherung   und  Verschmelzung   ist    schon  oben  berichtet   worden. 
Auf  Querschnitten  durch  den  Carpus  gewahrt  man ,    dass  das  C  34.4 
keineswegs  ein  längliches  stabförmiges  Stück  ist,  als  welches  es  sich 
von    der    dorsalen  Ansicht   ergibt,    sondern    es   praesentirt   sich  als 
plattenförmiges ,    etwas  concaves    Stück,   das  sich  schalenförmig  um 
die    volare  Fläche  des  M  c  II  legt  und  in  der  ganzen  Ausdehnung 
mit    diesem    verschmilzt  (Fig.  23 — 34).      Noch    beim    ca.  3  Wochen 
alten     Nestjungen     löst     es     sich  vom    M  c  II     ab  und     zeigt     die 
eben    beschriebene    Form.      Bei   5  Wochen    alten    Jungen    ist    die 
Verwachsung    vollzogen    und    es    sind    nur    noch    leise  Spuren    der 
früheren    Trennung    zwischen    M  c  II  u.  C  344    zu    bemerken.     Das 
C  344  lässt  sich  beim  erwachsenen  Flügel    noch    daran    nachweisen, 
dass    seine    schalenförmige    Erweiterung    auf    der    Volarseite    einen 
Vorsprung  bildet,  der  gerade  auf  der  Mitte  des  M  c  II  liegt. 

Arch.f.Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.I.  H.  3.  14 


210  Tjeo  Zehntner:    Beiträge  zur  Entwicklung-  von 

Ich  habe  bisher  das  ulnarwärts  gelegene  Stück  der  distalen 
Carpalreihe  immer  mit  C  3^-4  bezeichnet,  ohne  die  Gründe  an- 
zugeben, welche  mich  dazu  veranlassen.  Wie  Rosenberg  (12) 
Parker  (15)  u.  A.  für  das  Hühnchen,  so  habe  ich  für  Cypselus  die 
Existenz  eines  rudimentären  M  c  IV  festgestellt.  In  seiner  Fig.  27 
gibt  Rosenberg  an,  das  M  c  IV  entspringe  mit  dem  M  c  III  aus  ge- 
meinsamer Basis,  wodurch  sich  das  fragliche  Carpalstück  ohne 
weiteres  als  C  3+4  ergibt.  In  spätem  Stadien  gliedert  sich  (nach 
Rosenberg)  M  c  III  ab  und  M  c  IV  wird  durch  Reduction  an  der 
Basis,  selbständig.  Durch  fortgesetzte  Reduction  rückt  es  immer 
mehr  distalwärts ,  bis  es  zuletzt  auf  der  volaren  Fläche  des  M  c  III 
aufliegt,  dort  verknöchert  und  schliesslich  nahe  der  Grenze  zwischen 
C  3+4  und  M  c  III  spurlos  verschmilzt.  Parker  beobachtet  das 
M  c  IV  (er  bezeichnet  es  mit  m  c  3 ')  ziemlich  spät ;  es  soll  erst  am 
10.  Brüttag  auftreten.  Es  steht  nach  ihm  nicht  in  Verbindung  mit 
dem  M  c  III  in  der  Art ,  wie  Rosenberg  angibt ,  sondern  es  ist  ein 
freier,  pyramidenförmiger  Knorpel,  dessen  breiteres  Ende  distalwärts 
gerichtet  ist.  Zunächst  liegt  es  an  der  Basis  des  McIII,  rückt 
dann  proximalwärts,  bis  es  schliesslich  auf  der  Grenze  zwischen 
McIII  und  dem  C  3_j_4  (c3  Parkers)  anlangt  und  mit  beiden  ver- 
schmilzt1). Was  nun  Cypselus  betrifft,  so  kann  ich  auch  in  den 
frühesten  Stadien  das  Verhalten,  wie  es  Rosenberg  angibt,  nicht 
constatiren.  Immer  finde  ich  M  c  IV  vom  Garpalstück  getrennt. 
Trotzdem  nehme  ich  das  ulnare  Carpalstück  als  aus  C3  und  C4  zu- 
sammengesetzt an.  Die  Reduction  der  Finger  geht  erfahrungsgemäss 
immer  vom  distalen  Ende  aus:  Zuerst  verkümmern  die  Phalangen, 
dann  die  Metacarpen  und  erst  zuletzt  die  Carpalia,  wenn  sie  nicht 
mit  ihren  Nachbarn  verschmelzen.  Nun  haben  wir  in  der  Cypselus- 
hand  noch  das  Metacarpale  des  vierten  Fingers  erhalten  und  es  niuss 
irgendwo  sein  Garpale  vorhanden  sein.  Nichts  liegt  näher,  als  es 
in  dem  ulnaren  Carpalstück  zu  suchen. 

Die  Existenz  des  M  c  IV  ist  bei  Cypselus  von  sehr  kurzer  Dauer. 
Es  tritt  am  6.-7.  Tag  auf,  ist  ziemlich  voluminös,  von  ellipsoidischer 
Gestalt  und  liegt  auf  der  Grenze  zwischen  C  3  +  4  und  M  c  III ,  mit 
dem  letzteren  divergirend.  An  das  C  3  _j_  4  tritt  es  ziemlich  nahe  heran, 
ist  aber  doch  deutlich  von  ihm  abgetrennt.  Schon  nach  einem 
Tage  ist  es  von  C  3  _j_  4  sowohl  als  von  M  c  III  abgerückt ;  es  liegt 
frei  im  übrigen  Gewebe,  hat  pfriemliche  Gestalt  angenommen  und 
ist  kleiner  geworden.  Dagegen  ist  es  viel  deutlicher  begrenzt.  Auf 
Querschnitten  durch  den  Carpus  ergibt  sich ,  dass  das  M  c  IV  nicht 
in  derselben  Ebene  mit  den  drei  übrigen  Metacarpen  liegt,  sondern 
ziemlich      bedeutend     auf    die    Flexorseite    gerückt     ist    (Fig.  43). 


')  Obsehon  ich  bei  Cypselus  das  Verbalten  des  McIV,  wie  es  Rosenberg 
für  das  Hühnchen  angibt,  nicht  vorfinde,  scbeinen  mir  docb  die  Angaben  Rosen- 
bergs zuverlässiger  als  diejenigen  Parkers,  weil  ersterer  viel  jüngere  Stadien 
untersucht  hat  als  letzterer,  folglich  primitivere  Verbältnisse  vor  sich  hatte. 
Audi  bat  sieb  Parker  damit  begnügt,  seine  Objecte  in  toto  zu  untersuchen. 


Cypselus  melba,  nebst  biologischen  und  osteologiscben  Details.         2 1 1 

Am  9. — 10.  Tag  ist  keine  Spur  mehr  vom  M  c  IV  zu  finden.  Während 
es  sich  beim  Hühnchen  noch  1  Monat  nach  dem  Ausschlüpfen  erhält, 
ja  selbständig  verknöchert,  geht  es  bei  Cypselus  einer  vollständigen, 
Atrophie  entgegen. 

Die  Metacarpalia  I — III  sind  fast  während  des  ganzen  Embryonal- 
lebens von  einander  getrennt.  Am  besten  verschmolzen  sind  in  dieser 
Zeit  M  c  II  und  III  an  ihrem  distalen  Ende.  Während  der  Ver- 
knöcherung erhalten  sie  ihre  Selbständigkeit  auf  kurze  Zeit  wieder, 
d.  h.  sie  sind  nur  so  verschmolzen,  dass  sie  sehr  leicht  von  einander 
getrennt  werden  können.  Noch  3  Wochen  nach  dem  Ausschlüpfen 
fallen  sie  selbst  bei  sehr  leichter  Maceration  auseinander.  Nach 
5  Wochen  ist  die  Verschmelzung  hingegen  vollkommen. 

Seit  Meckel  fassen  die  meisten  Autoren  die  in  der  Vogelhand 
persistirenden  Finger  als  den  L,  II.  u.  III.  auf;  nur  Owen,  Wyman, 
Cones  und  Morse  sprechen  dem  Flügel  den  IL,  III.  u.  IV.  Finger 
zu.  In  neuester  Zeit  vertritt  Tschan  (16.)  eine  andere  Zählweise, 
wonach  im  Flügel  der  L,  II.  u.  IV.  Finger  vorhanden  wären.  Tschan 
stützt  sich  auf  die  neueren  Untersuchungen  Parkers  (17  u.  18), 
lässt  aber  die  jüngste  Veröffentlichung  dieses  Forschers  über  den 
Flügel  des  Hühnchens  (15.)  ganz  unbeachtet,  sonst  hätte  er  schwerlich 
zu  seiner  Hypothese  gelangen  können.  Parker  hat  nämlich  im 
embryonalen  Flügel  des  Hühnchens  ausser  den  drei  persistirenden 
Metacarpen  noch  drei  sogenannte  additional  rays  oder  intercalary 
rat/s  gefunden.  Der  erste  dieser  accessorischen  Strahlen  liegt  auf 
der  äussern  Seite  des  M  c  I  und  wird  von  Parker  und  von  Tschan 
als  Praepollex  aufgefasst.  Der  zweite  liegt  auf  der  ulnaren  Seite 
des  M  c  II,  ist  von  Parker  mit  m  c  2'  bezeichnet  und  in  Proc.  Roy. 
Soc.  1887  als  rudimentäres  Metacarpale  angesehen  worden.  1888 
nimmt  Parker  diese  Ansicht  zurück  (15).  Die  späte  Entwicklung, 
das  gewöhnliche  Fehlen  eines  eigenen  Ossificationscentrums,  die  innige 
Beziehung  zur  Sehne  des  m.  extensor  metacarpi  ulnaris,  das  Fehlen 
des  Gebildes  bei  Rauten  und  nahverwandten  Reptilien  lassen  ihm 
die  Deutung  des  mit  m  c  2'  bezeichneten  Knorpels  als  Metacarpale 
nicht  zu.  —  Der  dritte  der  accessorischen  Strahlen  (m  c  3')  liegt 
auf  der  ulnaren  Seite  des  M  c  III  und  wird  von  Parker  als  rudi- 
mentäres M  c  IV  aufgefasst.  Tschan  nimmt  nun  die  von  Parker 
1887  vertretene,  nun  verlassene  Ansicht  wieder  auf  und  erklärt  frisch- 
weg, das  m  c  2'  Parkers  sei  das  Rudiment  des  M  c  III  und  verschmelze 
mit  M  c  II  zu  einem  Zwillingsfinger.  Die  von  uns  als  M  c  III  und 
IV  anfgefassten  Strahlen  werden  dadurch  M  c  IV  und  V  und  durch 
deren  Verschmelzung  ein  zweiter  Zwillingsfinger  geschaffen.  Abgesehen 
von  der  Begründung,  mit  welcher  Parker  seine  1887  vertretene  An- 
sicht über  seine  m  c  2'  zurücknimmt,  ist  es  mir  gänzlich  unverständlich, 
wie  nach  Tschan  der  dritte  Finger,  der  sonst  immer  am  längsten 
ausharrt,  hätte  verkümmern  können.  Jede  Reduction  der  Finger  oder 
Zehen  beginnt  an  den  Randfingern,  vornehmlich  am  äussern  Rand, 
aber  niemals    in    der  Mitte,    wie  Gegenbaur    des   überzeugendsten 

14* 


212  Leo  Zehntner:    Beiträge  zur  Entwicklung-  von 

nachgewiesen  hat  (11).  Es  ist  daher  die  von  Tschan  vorgeschlagene 
Zählweise  der  Finger  in  der  Vogelhand  als  völlig  unbegründet  zu- 
rückzuweisen. 

Gehen  wir  nun  wieder  auf  unsern  Cypselus  zurück,  so  ist  in 
Bezug  auf  die  Phalangen  zu  bemerken,  dass  sie  in  der  Zahl  von  1 
am  ersten,  2  am  zweiten  und  1  am  dritten  Finger  angelegt  und 
definitiv  ausgebildet  werden.  Um  den  10.  Brüttag  ist  die  erste 
Phalange  des  zweiten  Fingers  noch  stabförmig,  am  proximalen  Ende 
verdickt.  Mit  ca.  14  Brüttagen  beginnt  sie  sich  nach  der  ulnaren 
Seite  hin  zu  verbreitern  und  beim  reifen  Embryo  ist  die  Verbreiterung- 
schön  soweit  gediehen,  dass  die  Phalange  der  definitiven  Form  sehr 
ähnlich  sieht.  Am  10.  Brüttag  tritt  am  Daumen  und  weniger  deut- 
lich am  zweiten  Finger  eine  zarte  Kralle  auf.  Während  diejenige 
des  zweiten  Fingers  am  12.  Brüttag  schon  wieder  verschwindet,  dauert 
die  Daumenkralle  aus  und  bleibt  noch  ca.  3  Wochen  im  postem- 
bryonalen Leben  erhalten. 

Ueber  den  Schultergürtel  kann  ich  nur  bestätigen,  dass  Scapula 
und  Coracoid  aus  einem  einheitlichen  Knorpelstück  entstehen,  wie 
sich  aus  der  Schnittserie  einer  vordem  Extremität  vom  5.  Tage  er- 
gibt (Fig.  10).  Der  Knorpelstreifen  verläuft  fast  gerade  von  vorn 
nach  hinten ;  nur  das  vordere  Ende  ist  etwas  vornüber  gebogen. 
Die  Grenze  zwischen  beiden  Stücken  wird  angegeben  durch  den 
Humerus,  welcher  senkrecht  davon  ausgeht.  Das  coracoidale  Stück 
macht  7.3,  das  scapulare  2/3  des  Ganzen  aus.  Mit  dem  8.  Tag  ist 
die  Abtrennung  in  Scapula  und  Coracoid  vollzogen.  Von  da  an 
geht  die  Ausbildung  der  beiden  Skeletstücke  sehr  rasch  von  statten; 
beim  reifen  Embryo  ist  die  definitive  Gestalt  bereits  erreicht.  An 
der  Scapula  sind  zwei  Teile  zu  unterscheiden;  die  eigentliche  Scapula 
und  die  Suprascapula.  Die  Grenze  zwischen  beiden  liegt  an  der 
breitesten  Stelle  der  fertigen  Scapula,  also  gegen  das  hintere  Ende 
zu.  Die  Suprascapula  bleibt  sehr  lange  knorpelig  nnd  löst  sich 
beim  Praepariren  des  Schultergürtels  sehr  leicht  los.  Ich  finde  sie 
bei  5  wöchigen  Nestjungen  noch  nicht  vollständig  verknöchert.  Ueber- 
haupt  verknöchern  Scapula  und  Coracoid  zuerst  an  den  im  Schlüter- 
gelenk zusammenstossenden  Enden.  In  der  zweiten  Woche  nach 
dem  Ausschlüpfen  ist  das  an  das  Sternum  anstossende  Drittel  des 
Coracoid  noch  fast  ganz  knorpelig,  während  die  übrigen  2  Drittel 
schon  wohl  verknöchert  und  der  definitiven  Gestalt  nahe  sind.  Das 
erste  Auftreten  der  Claviculae  konnte  ich  nicht  sicher  feststellen. 
Sie  unterscheiden  sich  von  den  andern  Knochen  des  Schultergürtels 
dadurch,  dass  sie  nicht  knorpelig  praeformirt  sind,  sondern  aus 
bindegewebiger  Grundlage  hervorzugehen  scheinen.  Wegen  ihrer 
geringeren  Consistenz  können  sie  beim  Praepariren  bei  jüngeren 
Stadien  leicht  übergangen  werden.  [Nach  Lindsay  (19.)  finden  sich 
beim  Hühnchen  die  ersten  Anfänge  der  Clavicula  schon  am  4.  Brüttag.] 
Von  allen  Teilen  des  Schultergürtels  sind  sie  am  frühesten  und 
besten  verknöchert.      Auch    die  Verwachsung   zur  Furcula   vollzieht 


Cypselus  melba,  nebst  biologischen  und  osteologischen  Details.         213 

sich  sehr  rasch.  Nur  das  Ende,  welches  an  der  Bildung  des  foramen 
triosseum  teil  hat,  bleibt  sehr  lange  knorpelig  und  verknöchert  erst 
nach  dem  Flüggewerden  des  Vogels  vollständig. 

Ueber  das  Sternum  konnte  ich  wegen  mangelnden,  geeigneten 
Materials  nicht  viel  beobachten.  Bei  6 — 7  tägigen  Embryonen  sah 
ich  die  noch  nicht  ganz  vereinigten  Sternalleisten.  In  der  gleichen 
Zeit  nimmt  die  Entstehung  der  Crista  sterni  ihren  Anfang.  Sie 
entwickelt  sich  sehr  rasch  zu  bedeutender  Grösse  und  scheint  dadurch 
zu  entstehen,  dass  sich  die  eben  vereinigenden  Sternalleisten  gegen- 
seitig an  ihren  Rändern  erheben  und  zur  crista  verschmelzen. 
Wenigstens  scheinen  mir  Querschnitte  durch  einen  9 — 10  tägigen 
Embryo  diese  Deutung  zuzulassen.  Doch  bin  ich  nicht  in  der  Lage 
etwas  Positives  zu  behaupten.  Eine  erneute  Bearbeitung  dieses 
Gegenstandes  wäre  um  so  wünschenswerter,  als  die  bestehenden 
Ansichten  sehr  auseinandergehen  und  eine  Einigung  vorderhand  nicht 
abzusehen  ist.  Lindsay  (19.)  betrachtet  die  crista  sterni  als  Aus- 
wuchs des  Sternum;  meine  Ansicht  stimmt  also  damit  überein.  Ich 
habe  so  wenig  wie  Miss  Lindsay  je  eine  Interclavicula  beobachtet.  Das 
Sternum  ist  das  zuletzt  verknöchernde  Skeletstück.  Noch  beim  ca. 
1  Monat  alten  Nestjungen  ist  die  Verknöcherung  so  unvollständig, 
dass  nur  die  vorderste,  dickste  Partie  des  Brustbeinkörpers,  sowie 
etwa  die  Hälfte  des  vordem  Randes  der  Crista  aus  Knochengewebe 
besteht.  Das  Uebrige  ist  noch  mehr  oder  weniger  knorpelig,  mit 
spärlicher  Kalkeinlagerung.  —  Wegen  der  grossen  Zeitunterschiede 
in  der  Verknöcherung  des  Sternum  und  der  Claviculae  glaube  ich 
nicht,dass  diese  Anteil  an  der  Bildung  der  Crista  sterni  haben. 

b.  Hintere  Extremität.  Die  ersten  Anfänge  der  hintern  Ex- 
tremität sind  denjenigen  der  vordem  sehr  ähnlich,  bis  durch  den 
Ellenbogen  resp.  die  Kniebeuge  ein  wesentlicher  Unterschied  geschaffen 
wird.  Die  Skeletanlage  des  Fusses  differirt  nur  wenig  von  derjenigen 
des  Flügels.  Auch  das  Skelet  der  hintern  Extremität  ergibt  sich 
beim  ca.  5  tägigen  Embryo  als  Abgliederung  von  einem  einheitlichen 
Knorpelstück,  dem  primitiven  Becken,  das  eine  winklig  gebogene 
Knorpelspange  darstellt  (Fig.  45  und  46).  Das  femorale  Stück 
ist  an  beiden  Enden  abgegrenzt.  An  sein  distales  Ende  stossen  die 
zwei  der  Tibia  und  Fibula  entsprechenden  Knorpelstücke.  Sie  sind 
ungefähr  von  gleicher  Stärke,  die  Fibula  etwas  schwächer,  beide  in 
der  Mitte  auseinanderweichend.  An  ihrem  distalen  Ende  gehen  sie 
continuirlich  in  eine  breite  Knorpelmasse  über,  welche  das  Material 
für  den  Tarsus  liefert.  Aus  ihr  strahlen  drei  Knorpelstreifen  aus; 
die  ersten  Anfänge  der  Metatarsen,  an  deren  äussersten  Enden  die 
Spuren  der  ersten  Phalangen  zu  erkennen  sind  in  Gestalt  von  kuppen- 
förmig  vorgelagertem  dichterem  Gewebe.  Mit  6 — 7  Brüttagen  trennt 
sich  die  Tarsalplatte  einerseits  von  Tibia  und  Fibula  ab,  andrerseits 
von  den  Metatarsen  (Fig.  49  u.  50).  Zudem  zerfällt  sie  durch 
eine    quere    Furche,    welche    schon    am    5.  Tage    als  Spur  sichtbar 


214  Leo  Zehutuer:    Beiträge  zur  Entwicklung  von 

ist,  in  zwei  übereinanderliegende  Platten,   von   denen  die  proximale 
die  dickere,  die  distale  die  dünnere  ist  (Fig.  47  u.  48). 

Ist  beim  Fuss  vom  5.  Tag  die  Fibula  mir  wenig  schwächer  als 
die  Tibia  und  beide  von  gleicher  Länge,  so  wird  der  Unterschied 
zwischen  beiden  schon  mit  6 — 7  Brüttagen  bedeutender.  Mit  7 
bis  8  Tagen  ist  die  Fibula  schon  sehr  schlank:  sie  verläuft  ganz 
gerade  neben  der  Tibia  hin  und  reicht  beinahe  bis  an  deren  distales 
Ende  (Fig.  49  u.  50).  Ihre  Länge  verhält  sich  zu  derjenigen  der 
Tibia  wie  1  :  1,25,  incl.  proximale  Tarsalplatte  wie  1  :  1,37.  Das 
untere  Ende  beginnt  ligamentös  zu  werden  und  steht  nur  noch  durch 
einen  ligamentösen  Gewebestrang  mit  dem  Tarsus  in  Verbindung. 
Von  nun  an  geht  die  Reduotion  der  Fibula  Schritt  vor  Schritt, 
bis  im  erwachsenen  Zustand  ihre  Länge  zu  derjenigen  des  Tibio- 
tarsus  im    Verhältniss  von  1  :  3,87  steht. 

Im  Tarsus  glaube  ich  ein  rudimentäres  Tarsale  5  gefunden  zu 
haben  (Fig.  45 — 48).  Am  5  Brüttag  bemerke  ich  nämlich  auf 
dem  fibularen  Rande  der  sich  abtrennenden  distalen  Tarsalreihe 
einen  kleinen  gerundeten  Vorsprung,  in  dessen  Verlängerung,  aber 
getrennt  von  ihm,  ein  pyramidenförmiges,  kleines  Knorpelstück  liegt, 
welches  mit  dem  benachbarten  Metatarsale  IV  divergirt  (Fig.  47). 
Dieses  Knorpelstück  ist  zweifelsohne  das  Rudiment  des  MtV,  jener  Vor- 
sprung  das  Tarsale  5.  Die  übrigen  Metatarsen  entsprechen  dem  II, 
III  und  IV;  das  I.  wird  erst  später  angelegt  und  hat  zu  keiner 
Zeit  Beziehungen  zum  Tarsus.  Dies  stimmt  mit  den  Resultaten  von 
Baur  (20)  überein.  Das  MtV  fällt  sehr  bald  der  Atrophie  an- 
heim.  Schon  am  7.  Brüttag  ist  es  verschwunden,  während  das  T  5 
noch  länger  erkannt  werden  kann.  Während  nämlich  die  proximale 
Tarsalplatte  am  7.  —  8.  Tage  die  ganze  Breite  des  Tarsus  einnimmt 
und  das  fibularwärts  verbreiterte  Ende  der  Tibia  an  den  Rändern 
-  namentlich  dem  äussern  —  umfasst,  reicht  die  distale  Tarsal- 
platte nur  zum  Teil  über  M  t  II  hinweg  (Fig.  49  und  50). 
Dagegen  springt  sie  etwas  über  den  fibularen  Tarsalrand  vor  und 
dieser  kleine,  knötchenförmige  Vorsprung  ist  der  letzte  Rest  des 
Tarsale  5.  Er  ist  noch  am  10.  Tage  zu  erkennen,  wenn  auch 
weniger  deutlich.  —  Wegen  des  Umstandes,  dass  die  distale  Tarsal- 
platte nicht  die  ganze  Breite  des  Tarsus  einnimmt ,  springt  M  t  II 
in  den  Tarsus  hinein  und  reicht  nahe  an  die  proximale  Tarsalplatte 
heran.  Was  die  Verschmelzung  der  beiden  Tarsalplatten  betrifft, 
in  denen  ich  zu  keiner  Zeit  der  Entwicklung  isolirte  Knorpelkerne 
erkennen  konnte,  so  kann  ich  im  Gegensatz  zu  Gegen  baur  (21) 
und  im  Einklang  mit  Rosenberg  (12)  constatiren,  dass  die  distale 
Platte  zuerst  verschmilzt.  Die  Verschmelzung  beginnt  am  10.  Brüt- 
tag, und  zwar  finde  ich  an  einem  Tarsus  von  10 — 11  Brüttagen, 
dass  die  distale  Platte  zuerst  mit  M  t  II  verwächst ,  indem  sie  sich 
in  dünner  Schicht  über  dasselbe  hinüberlegt.  Die  Verschmelzung 
ist  am  innern  Tarsalrand  schon  perfect,  wenn  man  auf  der  Seite 
gegen  das  M  tili  zu  noch  deutlich  die  Grenzlinie  erkennen  kann(Fig.51). 


Cypselus  melbä,  nebst  biologischen  und  osteologischen  Details.         -215 

Mit  dem  M  t  III  und  IV  ist  die  Verschmelzung  noch  weniger  weit 
gediehen.  Die  proximale  Platte  ist  in  ihrem  ganzen  Verlaufe  noch 
discret.  Mit  ca.  15  Brüttagen  ist  sie  hingegen  mit  der  Tibia'  ver- 
schmolzen (Fig.  52),  kommt  aber  bald  wieder  durch  die  nun 
eintretende  Verknöcherimg  zu  relativ  geringer  Selbständigkeit, 
indem  sie  von  einem  besonderen  Ossificationscentrum  aus  verknöchert. 
Dasselbe  ist  der  Fall  mit  der  distalen  Platte.  Während  der  Ver- 
knöcherung ist  der  Zeitunterschied  in  der  Verschmelzung  der  beiden 
Tarsalplatten  viel  bedeutender  als  vorher.  Bei  ca.  3  wöchigen  Nest- 
jimgen ist  die  distale  Platte  schon  vollkommen  mit  den  Metatarsen 
verschmolzen;  nur  ganz  geringe  Spuren  von  früherer  Trennung  sind 
zu  erkennen.  Die  proximale  Platte  hingegen  ist  noch  nicht  ver- 
schmolzen, sie  lässt  sich  sehr  leicht  von  der  Tibia  ablösen.  Erst 
beim  ca.  5  wöchigen  Nestjungen  ist  die  Verschmelzung  so  weit  ge- 
diehen, als  mit  3  Wochen  diejenigen  der  distalen  Platte.  Bei  dieser 
ist  nunmehr  jede  Spur  eines  früheren  Getrenntseins  verschwunden. 
Die  Knochenbrücke  am  untern  Ende  der  Tibia,  unter  welcher  hin- 
durch die  Sehnen  der  Zehenstrecker  gehen,  verknöchert  in  der 
vierten  Woche. 

Die  Metatarsen,  welche  am  8.  Brüttag  noch  divergiren,  nähern 
sich  gegenseitig  mehr  und  mehr,  je  weiter  die  Verschmelzung  mit 
der  distalen  Tarsalplatte  fortschreitet.  Beim  beinahe  reifen  Embryo 
hat  ihre  Verschmelzung  der  Länge  nach  begonnen  und  sind  nur 
noch  die  Gelenkköpfe  an  ihren  distalen  Enden  frei.  Die  Trennungs- 
linien zwischen  den  einzelnen  Metatarsen  sind  aber  noch  sehr  deut- 
lich zu  erkennen.  Ueberhaupt  verharrt  der  Tarsometatarsus  von 
Cypselus  ziemlich  lange  auf  primitiver  Stufe.  Noch  beim  Nestjungen 
von  3  Wochen  sind  die  Metatarsen  II,  III,  u.  IV  ihrer  ganzen  Länge 
nach  zu  erkennen.  Nahe  ihrem  oberen  Ende  sind  noch  die  zwei 
Oeffnungen  erhalten,  welche  den  Tarsometatarsus  von  vorn  nach 
hinten  durchsetzen,  die  grössere  zwischen  M  t  II  und  III.  Zwischen 
diesen  findet  sich  auch  am  untern  Ende  noch  eine  deutliche 
Trennungsspur  in  Form  einer  ziemlich  tiefen,  länglichen  Grube.  Im 
Weitern  verweise  ich  auf  den  osteologischen  Teil.  —  Das  Meta- 
tarsale  I  wird  zwischen  dem  6.  und  7.  Brüttag  angelegt  und  erlangt 
seine  bedeutendste  Entwicklung  am  10.  Brüttag,  wo  seine  Länge  zu 
derjenigen  des  M  t  II  im  Verhältniss  von  1  :  3,4  steht.  Es  setzt  sich 
in  der  Mitte  des  letzteren  an  und  ist  ihm  dicht  angenähert.  Vom 
10.  Brüttage  an  atrophirt  sein  proximales  Ende,  so  dass  im  erwachsenen 
Zustand  das  Verhältniss  zwischen  ihm  und  dem  Tarsometatarsus 
nur  noch  1  :  5,4  beträgt.  Zugleich  rückt  es  distalwärts  und  auf  die 
hintere  Fläche  des  M  t  II. 

Gehen  wir  nun  auf  die  Zehen  ein,  so  ist  bekannt,  dass  das 
genus  Cypselus  eine  reducirte  Phalangenzahl  besitzt.  Die  normale 
Zahl  beträgt  nämlich  2  an  der  ersten,  3  an  der  zweiten,  4  an 
der  dritten  und  5  an  der  vierten  Zehe.  Cypselus  weist  aber  2  an  der 
ersten  und  je  drei  an  den  übrigen  Zehen  auf.    Es  fehlen  also:  eine 


216 


Leo  Zehntner:    Beiträge  zur  Entwicklung  von 


Phalange  in  der  dritten  und  zwei  in  der  vierten  Zehe.     Es  ist  dies 
schon  längst  bekannt  und  z.  B.  von  Sclater  (22)    als  systematisches 
Merkmal    verwendet    worden.      Eine    genauere    Untersuchung    über 
das   Verbleiben    der    fehlenden  Phalangen    wurde    aber    noch    nicht 
gemacht.      Die    Entwicklungsgeschichte    gibt    uns    den    gewünschten 
Aufschluss.     Ich   habe  das  Wesentliche   schon    in    einer  vorläufigen 
Mitteilung  im  Zoologischen  Anzeiger  (Nr.  319,  1889)   veröffentlicht. 
Erneute,  genauere  Untersuchungen  bestätigen  meine  dort  gemachten 
Aussagen   und   haben   folgendes   Resultat:    die   ersten   Anlagen    der 
Phalangen  finden  sich  schon  am  Ende  des  5.  Brüttages  als  kuppen- 
förmio-e  Vorwölbungen  dichteren  Gewebes  vor  den  Metatarsen.  Eigent- 
liches Knorpelgewebe  sind  diese  Vorwölbungen  nicht;  dagegen  kommt 
es    bald    zur  Ausbildung.      Denn    schon    am    7.   Brüttag    finde    ich 
Phalangen  vor  und  zwar  ist  nun  auch  schon  die  erste  Zehe  ziemlich 
entwickelt.    Das  M  1 1  trägt  bereits  eine  wohl  ausgebildete  erste  und 
die  Spur    einer  zweiten   Phalange.     In    der  zweiten  Zehe    ist    eine 
kurze  Phalange   vorhanden,    in  der  dritten  2  und  in  der  vierten  3. 
Auf  diese  kurzen  Phalangen  folgt  in  jeder  Zehe  ein  längeres  Knorpel- 
stück, welches  distal  sehr  undeutlich  begrenzt    ist    und  allmählig  in 
indifferentes  Gewebe  übergeht  (Fig.  1,  s.  Holzschnitte).    Die  zweite  Pha- 
lange der  dritten  Zehe  ist  sehr  kurz,  scheibenförmig,  kaum  V2  so  lang 
als  die  erste.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  der  dritten  Phalange  der  vierten 
Zehe.  Die  erste  Phalange   dieser  Zehe    ist  aber  die  unbedeutendste. 
Auf  Längsschnitten  durch  die  Zehe  repräsentirt  sie  sich  als  halbmond- 
förmiges Stück,  welches  der  Basis  des  M  t  IV  kuppenförmig  aufsitzt, 
gleichsam  als  Epiphyse  (Fig.  2).    In  dem  eben  beschriebenen  Stadium 
lässt   die  distale  Begrenzung  des  Fusses  äusserlich    die  Zehen    noch 


Fig.  i. 


Fiar.  2. 


Fig.  3. 


Beschreibung  der  Figuren. 

Fig.  1.     Fuss  von  ca.  7.  Brüttag. 
Vergr.  15. 

Fig.  2.     Schnitt  durch  die  4.  Zehe 
am  7.  Brüttag.  Vergr. 200. 

Fig.  3.     Fuss   vom   8.  Brüttag. 
Vergr.  15. 


Cypselus  nielba,  nebst  biologischen  und  osteologiscben  Details.         217 


wenig  erkennen.  Es  bestehen  nur  ganz  seichte  Einbuchtungen 
zwischen  den  einzelnen  Zehen.  Der  Fuss  vom  8.  Brüttag  zeigt  schon 
einen  Fortschritt  darin,  dass  die  Zehen  viel  deutlicher  ausgebildet 
sind,  indem  die  Einbuchtungen  tiefer  geworden  sind.  Bedeutender 
aher  sind  die  Veränderungen  im  Skelet  (Fig.  3).  Vor  allem  ist  zu 
constatiren,  dass  das  distale  Skeletstück  jeder  Zehe  nunmehr  stark 
in  die  Länge  gewachsen  ist  und  im  Begriffe  steht,  in  zwei  Stücke  zu 
zerfallen.  Ein  dunkles  Band  quer  über  das  Knorpelstück  zeigt  die 
beginnende  Trennung  an.  Distal  ist  das  Skelet  noch  immer  nicht 
deutlich  abgegrenzt,  sondern  es  verliert  sich  im  indifferenten  Gewebe. 
Wir  haben  nun  in  der  zweiten  und  dritten  Zehe  respective  3  und 
4  Phalangen,  also  die  normale  Zahl.  In  der  vierten  Zehe  hingegen 
sind  nur  vier  Phalangen  vorhanden,  indem  von  den  im  vorigen 
Stadium  abgegliederten  die  erste  spurlos  verschwunden  ist.  Da  sie 
in  so  innigem  Zusammenhang  zum  M  t  IV  gestanden  ist,  welches  sie 
allmählig  von  den  Rändern  her  ein  wenig  umwächst,  so  ist  nur  an- 
zunehmen, sie  sei  in  das  distale  Ende  des  M  t  IV  einbezogen  worden. 
Dafür  spricht  auch  der  negative  Befund,  dass  die  zweite  Phalange 
eine  Volumzunahme  nicht  erlitten  hat  und  auch  sonst  nicht  die  ge- 
ringste Spur  von  einer  Verschmelzung  aufweist.  Ich  habe  mich  bemüht, 
ein  Zwischenstadium  zu  erhalten,  das  alle  5  Phalangen  zu  gleicher 
Zeit  gezeigt  hätte,  allein  vergebens.  Immer  war  die  erste  Phalange 
der  4.  Zehe  schon  verschmolzen,  wenn  die  letzte  sich  abgliederte, 
oder  aber  die  erste  Phalange  war  vorhanden  und  die  letzte  noch 
nicht  abgegliedert.  Es  scheint  also,  dass  die  Verschmelzung  sehr 
rasch  vor  sich  geht.  Am  8.  Brüttag  ist  der  Fuss  in  Bezug  auf  die 
Phalangenzahl  in  dem  Stadium  angelangt,  in  welchem  er  bei  den 
PteroclkJen  und  Caprimulgiden  verharrt,  wo  nur  in  der  4.  Zehe 
eine  Phalange  fehlt.  Von  den  Caprimulgiden  weisen  einige  die 
normale  Phalangenzahl  auf.  Ein  sehr  deutliches  Bild  gibt  uns  der 
Fuss  vom  ca.  10.  Brüttag  (Fig.  4).  Das  M  1 1  legt  sich  eng  an  das 
M  t  II  an  und  trägt  2  deutlich  abgegrenzte 
Phalangen.  Diese  sind  sehr  schlank,  fast 
gerade,  die  erste  länger  als  die  zweite.  Die 
erste  Phalange  der  zweiten  und  dritten  Zehe, 
sowie  die  nunmehr  erste  der  vierten  Zehe 
ist  wenig  länger  als  breit,  kugelig,  mit  fast 
ebenen  Gelenkflächen.  Die  zweite  Phalange 
der  dritten  Zehe  ist  breiter  als  lang,  ziemlich 
kleiner  als  die  erste.  In  noch  höherem  Grade 
ist  diese  Form  ausgeprägt  bei  der  zweiten 
Phalange  der  vierten  Zehe,  welche  ganz 
scheibenförmig  und  sehr  klein  ist.  Die 
zweite  Phalange  der  zweiten  Zehe,  sowie  die 
dritte  der  2  äusseren  Zehen  sind  viel  schlanker 
als  die  proximalen,  stabförmig,  ungefähr 
gleich  lang  und  von  gleichem  Volumen.  Die  Fuss  vom  10.  Brüttag. 
Nagelphalangen    sind    etwas    kürzer    als    die  Vergr.  15. 


Fig.  4. 


218 


Leo  Zehnt n er:    Beitrage  zur  Entwicklung  von 


Fig.  5. 


\ 


vorletzten,  weniger  voluminös  als  diese,  ein  wenig  gekrümmt. 
Alle  Zehen  sind  bedeutend  schlanker  geworden  und  zwar 
in  Folge  stärkeren  Wachstums  der  zwei  Endphalangen.  Die 
andern  Phalangen  sind  seit  dem  8.  Brüttag  nur  unbedeutend  ge- 
wachsen. —  Es  ist  nun  die  Frage,  welches  das  weitere  Schicksal 
der  zweiten  Phalange  der  dritten  und  vierten  Zehe  ist.  Denn  dass 
die  Reduction  diese  zwei  betrifft,  ist  wegen  ihrer  geringen  Ent- 
wicklung zum  vornherein  zu  erwarten.  Am  12.  Brüttag  sind  sie 
noch  deutlicher  ausgeprägt  als  bisher;  in  der  dritten  Zehe  ist  sie 
von  viereckigem  Umriss,  in  der  vierten  Zehe  kugelig,  klein  (Fig.  5). 
Die  erste  Phalange  der  2.  bis  4.  Zehe  hat  ihre  kugelige  Form  auf- 
gegeben und  die  cubische  angenommen.  Die 
Nagelphalangen  sind  bedeutend  kräftiger, 
voluminöser  geworden  und  auf  die  ventrale 
Seite  hin  gekrümmt.  Es  beginnt  sich  Hörn 
für  die  Krallen  abzuscheiden.  Die  Einbuch- 
tungen zwischen  den  Zehen  sind  nun  bis 
in  den  Bereich  der  ersten  Phalangen  vorge- 
drungen, während  beim  10  tägigen  Embryo 
nur  bis  in  die  Nähe  des  proximalen  Endes 
der  vorletzten  Phalange.  Zwischen  dem  14. 
und  15.  Brüttag  beginnt  die  weitere  Ver- 
schmelzung von  Phalangen  und  es  bleibt  so- 
mit der  Cypselusfuss  6 — 7  Tage  lang  auf  der 
bei  Pterocliden  und  den  meisten  Caprimulgiden 
Fuss  vom  12.  Brüttag.  zeitlebens  bestehenden  Phalangenzahl.  — 
Vergr.  10.  Wie    ich  schon    in    meiner    vorläufigen    Mit- 

teilung angegeben  und  wie  ich  seither  an 
Längsschnitten  durch  die  dritte  und  vierte  Zehe  habe  constatiren 
können,  verschmilzt  die  fragliche  Phalange  dieser  Zehen  mit  der 
auf  sie  folgenden.  Die  Verschmelzung  beginnt  am  Rande  und 
schreitet  nach  innen  fort.  Die  verschmelzenden  Phalangen  sind  in 
dieser  Zeit  stark  abgeplattet,  so  dass  sie  fast  nichts  zur  Verlängerung 
beitragen.  Diese  Verschmelzung  geht  lange  nicht  so  rasch  vor  sich 
wie  diejenige  mit  dem  M  t  IV.  Noch  beim  reifen  Embryo  sind  die 
letzten  Spuren  der  Trennung  sehr  deutlich  zu  sehen  in  Form  einer 
kleinen,  queren  Spalte  am  obern  Ende  der  vorletzten  Phalange. 
In  der  vierten  Zehe  ist  die  Verschmelzung  früher  vollendet  als  in 
der  dritten.  —  Die  Ursache  der  Verschmelzung  glaube  ich  darin  zu 
erblicken,  dass  der  Fuss,  der  lediglich  zum  Sichanklammern  an 
Felsen,  Mauern,  Gebälk  etc.  dient,  gefestigt  werden  muss,  was  offen- 
bar durch  Verminderung  der  Gelenke  erreicht  wird.  Wegen  seiner 
Eigenschaften  als  Kletterfuss,  wo  die  Nagelphalangen  mit  ihren 
scharfen  Krallen  eine  Hauptrolle  spielen,  ist  es  selbstverständlich, 
dass  die  Reduction  im  proximalen  Teil  sich  vollzieht,  während  sonst 
die  distalen  Elemente  zuerst  schwinden  und  zwar  meist  durch  Aus- 
fall. Da  die  erste  Phalange  der  vierten  Zehe  so  rasch  verschmilzt 
—  ihre  Existenz  dauert  kaum  1  Tag  — ,  so  darf  wohl  angenommen 


Cypselus  melba,  nebst  biologischen  und  osteologischen  Details.         219 

werden,  dass  sie  bei  den  Vorfahren  des  Alpenseglers  schon  lange 
nicht  mehr  discret  war  und  jetzt  im  Begriffe  steht,  ganz  auszufallen. 
Jene  Vorfahren  hatten  offenbar  lange  Zeit  die  Phalangenzahl  der 
Pterocliden. 

Wie  der  primäre  Schultergürtel,  so  legt  sich  auch  das  Becken 
als  einheitlicher  Knorpel  an,  von  welchem  aus  die  hintere  Ex- 
tremität sich  bildet,  wie  Fig.  45  u.  46,  zeigt.  Dieser  einheitliche 
Knorpel  ist  winklig  gebogen.  Der  vordere  Schenkel  des  Winkels 
entspricht  dem  Ilium,  der  hintere  dem  Ischrain  -f  Pubis.  Die  Ex- 
tremität geht  vom  Scheitel  des  Winkels  aus.  Darnach  ist  die  erste 
Anlage  des  Ilium  fast  nur  dessen  späterer,  praeacetabulärer  Teil. 
Es  wächst  dann  nach  vorn  und  hinten  und  sucht  sehr  früh  Verbindung 
mit  den  Wirbeln.  Der  praeacetabuläre  Teil  ist  früher  fertig  als  der 
postacetabuläre.  Beim  14tägigen  Embryo  ist  der  grössere  Teil  des 
letzteren  noch  sehr  schwach  verknorpelt,  während  der  erstere  schon 
gut  knorpelig  praeformirt  ist  und  bis  an  den  zweitletzten  rippen- 
tragenden Wirbel  heranreicht.  Bei  der  Verknöcherung  verhält  es 
sich  ganz  ähnlich.  Noch  in  der  dritten  Woche  nach  dem  Ausschlüpfen 
des  Jungen  ist  ein  grosser  Teil  des  postacetabulären  Ilium  nur  schlecht 
verknöchert,  namentlich  der  hintere  Rand.  Dagegen  ist  der  prae- 
acetabuläre Teil  wohl  ausgebildet  und  verknöchert.  Der  hintere 
breite  Schenkel  der  primitiven  Beckenanlage  ändert  sich  am  8. 
bis  10  Brüttag  dahin,  dass  in  der  Mitte  das  Knorpelgewebe  de- 
generirt,  wodurch  eine  grosse  Durchbohrung  entsteht  und  eine 
Trennung  in  zwei  besondere,  dem  Ischium  und  Pubis  entsprechende 
Knorpelspangen  vollzogen  wird.  Beide  sind  an  ihren  hintern  Enden 
noch  verwachsen,  in  der  Mitte  weit  auseinanderweichend.  Mit  ca. 
14  Brüttagen  trennen  sie  sich  jedoch,  stossen  aber  noch  zusammen. 
Indessen  sind  sie  schlanker  geworden  und  das  Pubis  beginnt  über 
das  Ischium  hinaus  nach  hinten  zu  wachsen.  Im  Acetabulum, 
welches  sich  gleichzeitig  mit  der  Scheidung  in  ein  Pubis  und  Ischium 
bildet,  sind  Näte  zwischen  den  Beckenelementen  mit  Sicherheit  nicht 
festzustellen,  auch  an  Schnitten  nicht.  Die  Näte  kommen  eigentlich 
erst  beim  Verknöcherungsprocess  deutlich  zum  Vorschein  und  zwar 
bemerke  ich  bei  einem  Becken  aus  der  3.  Woche  eine  Nat,  welche 
senkrecht  zu  der  Längsaxe  des  Pubis  geht  und  dieses  zugleich  mit 
dem  Ischium  abtrennt.  Eine  zweite  Nat  verläuft  senkrecht  zur  erst- 
genanten und  trennt  Ischium  und  Pubis  unter  sich  auf  der  ganz 
kleinen  Strecke,  auf  der  sie  im  Acetabulum  zusammenstossen. 
Zwischen  Ischium  und  Ilium  habe  ich  eine  Nat  mit  Sicherheit  nicht 
constatiren  können.  —  Es  ist  merkwürdig,  dass  die  das  Pubis  vom 
Ischinum  trennende  Nat  nicht  in  der  Oeffnung  des  Acetabulum 
endigt,  oder  was  dasselbe  heisst,  dass  dass  Pubis  keinen  Anteil  an 
der  Begrenzung  des  Acetabulum  hat.  Nur  eine  ganz  winzige  Facette 
am  äussersten  Rande  bietet  dem  Femur  Unterlage. 


2*20  Leo  Zehntner:    Beiträge  zur  Entwickhing  etc. 

Erklärung  der  Figuren  auf  Tafel  XL 


Fig.    1.     Embryo  von  2  -  3  Briittageu,  von  4  mm  grösster  Länge.     Vergr.  71/,. 

2.  Embryo  von  ca.  4  Briittageu.     Vergr.  5. 

x  =  Oberkieferfortsatz. 

1=1.  Visceralbogen. 

2=  IL  » 

3  =  III. 

al  =  Allantois. 

3.  Embryo  von  ca.  5  Brüttagen.  Vergr.  4'/,.  Bezeichnungen  wie  in  Fig.  2. 
»      4.    Embryo  von  ca.  10  Brüttagen.    Vergr.  2. 

»      5.  ii;  6.    Sternum  von  der  Seite  und  von  unten  gesehen.    Nat.  Gr. 
7.  u.  8.     Schultergürtel.     Nat.  Gr. 
9.     Flügelskelet.     Nat.  Gr. 

pr.  m.  =  processus  medialis. 
pr.   1.  =        »»         lateralis, 
ep.  m.  =  epicondylus  medialis. 
pr.  sc.  1.  =  processus  supracondyloideus  lat. 
S.  S'  =  Sesambildungen. 
»     10.     Linke  vordere  Extremität  am  5.  -  6.  Brüttag.     Aus  3  Schnitten  com- 

binirt.     Vergr.  14. 
»     11.    Flügelskelet  am  14.  Brüttag  in  situ.     Daumen  mit  Kralle.    Vergr.  5. 
»     12.    Flügelskelet  vom  reifen  Embryo.    Vergr.  3'/2. 

»-    13.— 22.    Aus  der  Schnittserie  eines  Flügels  vom  6.-7.  Brüttag.     Camera- 
zeichnungen.    Vergr.  25. 

i  +  u  =  Intermedio  -  Ulnare. 
r  +  c  =  Centralo-Radiale. 
Im  übrigen  wie  in  folg.  Figg. 
»     23.     34.    Aus    der   Querschnittserie   eiues    Carpus   vom    ca.    10.  Brüttage. 
Camerazeichnungen.     Vergr.  13. 
U  =  Ulna, 
u  =  Ulnare, 
r  =  Radiale, 

C  ,-f  2  =  Carpale  1  -f  Carpale  2. 
C  3  +  4  =  Carp.  3  -f  Carp.  4. 
I,  II,  III,  IV  =  Metacarpale  I,  II,  III,  IV. 
»     35.-38.    Aus   der   Längsscbnittserie    eines    Carpus    vom   ca.    10.  Brüttag. 

Camerazeichnungen.    Nomenclatur  wie  in  Figg.  23—34.     Vergr.  13. 
»     39.-42.     Aus  der  Längsschnittserie    eines    Carpus    vom    ca.    15.  Brüttag. 

Vergr.  13.     Camerazeichnung. 
»     43.  u.  44.     Querschnitte    durch    einen  Carpus  von  ca.  8  Brüttagen.     Meta- 
carpale IV  getroffen  in  Fig.  43.     Vergr.  23  '/3.     Camerazeichnung. 
»     45.-48.     Aus  der  Schnittserie  einer  linken  hintern  Extremität  von  5  bis 

6  Brüttagen.     Camerazeichnung.     Vergr.  25.    V  =  Metatarsale  V. 
»     49.ii.50.    Längsschnitte  durch  einen  Tarsus  vom  7.  —  8.  Brüttag.     T5  der 
dem  Tarsale  5  entsprechende  knötchenförmige  Vorsprung  der  distalen 
Tarsalplatte.     Camerazeichnung.    II,  III,  IV  =  Metatarsale  II — IV. 
T  =  Tibia,  F  =  Fibula. 
»     51.    Längsschnitt  durch  den  Tarsus  vom  10.— 11.  Brüttag.   Camerazeichnung. 
»    52.     Tarsus  vom  ca.  14.  Brüttag. 


Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion. 


Von 

Alfred    Ockler. 


Hierzu  Tafel  XII  und  XIII. 


Wenn  man  das  umfangreiche  Gebiet  der  entomologischen 
Litteratur  bezüglich  des  Krallengliedes  am  Insektenfuss  überblickt, 
so  wird  man  zwar  eine  grosse  Reihe  einzelner  Notizen  über  dasselbe 
antreffen,  zugleich  aber  auch  empfinden,  dass  dieses  Glied  bis  in 
die  neueste  Zeit  recht  oberflächlich  behandelt  worden  ist.  Die  aller- 
meisten der  Notizen  sind  rein  systematische,  beschränken  sich  daher 
auf  die  Beschreibimg  der  äusseren  Theile,  die  im  ganzen,  vor  allem 
bezüglich  der  Krallen,  treffende  sind.  Aber  in  denjenigen  ento- 
mologischen Werken,  die  das  Insektenbein  in  besonderen  Kapiteln 
anatomisch  und  physiologisch  behandeln,  ist  das  Krallenglied  fast 
stets  ganz  vernachlässigt  worden.  Abgesehen  von  den  oft  grossen 
Schwierigkeiten  in  der  Analyse  dieses  Organs  mag  dies  dadurch  be- 
gründet sein,  dass  man  einerseits  das  Krallenglied  für  weniger  wichtig 
hielt  als  die  übrigen  Theile  des  Beines,  oder  andrerseits  Bau  und 
Mechanik  desselben  für  zu  einfach  ansah,  um  sie  von  neuem  zu 
untersuchen.  Man  begnügte  sich  infolgedessen  mit  den  Schilderungen, 
wie  sie  Straus-Dürkheim*),  und  ihm  folgend  Newport,  Bur- 
meister u.  a.  gegeben  haben. 

Erst  Da  hl,  durch  dessen  „Beiträge  zur  Kenntniss  des 
Baues  und  der  Funktionen  der  Insektenbeine"  die  neueste 
entomologische  Litteratur  und  Forschung  um  eine  treffliche  Arbeit 
bereichert  wurde,  behandelt  das  Krallenglied  eingehender.  Obgleich 
ich  nicht  alle  seiner  Resultate,  die  zum  Theil  schon  von  Graber  er- 
gänzt sind,  anerkennen  kann,  so  will  ich  dieselben  dennoch  meinen 
eignen  Untersuchungen  als  geschichtliche  Einleitung  vorausschicken, 
und  hier  nur  hinzufügen,  dass  Dahl  alle  die  irrthümlichen  Ansichten 
über  die  Muskulatur  des  Insektenbeines  beseitigte,  wie  sie  seit 
Straus-Dürkheim23)  traditionell  geworden  waren. 


*)  Die  benutzte  Litteratur  findet  sich  am  Ende  der  Arbeit  zusammengestellt. 


222  Alfred  Gelder:    Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

Bevor  ich  jedoch  zu  denselben  übergehe,  habe  ich  zu  bemerken, 
dass  dem  Thema  entsprechend  meine  Untersuchungen  begrenzte 
waren ;  denn  für  den  Bau  und  die  Mechanik  des  Krallengliedes  kommen 
ausser  den  Krallen  und  den  zwischen ,  an  oder  neben  denselben  be- 
findlichen Anhängen,  wie  Borsten,  Afterkrallen  und  Haftorgane,  nur 
die  als  Ersatz  für  die  fehlende  Muskulatur  eingetretenen,  mechanisch 
wirkenden  Theile  in  Betracht.  Dem  entsprechend  waren  vom  letzten 
Tarsengliede  der  distale,  d.  h.  der  den  Krallen  zugewendete  Theil,  vor 
allem  die  denselben  abschliessende  weiche  Haut  mit  ihren  Modifi- 
kationen, und  der  im  Tarsengliede  befindliche  Gelenkhöcker  zu  be- 
rücksichtigen. Das  letzte  Tarsenglied  nimmt  an  den  so  zahlreichen 
Modifikationen,  denen  die  Insektenbeine  unterworfen  sind,  fast  gar 
keinen  Antheil,  es  behält  vielmehr  beinahe  überall  seine  ursprüngliche 
Form  bei,  aber  dennoch  erleidet  es  am  distalen  Ende  für  das  Krallen- 
glied eine  Reihe  bemerkenswerther  Abänderungen. 

Freilich  ist  das  umfangreiche  Thema  durch  die  in  dieser  Arbeit 
kurz  zusammengestellten  Ergebnisse  meiner  Studien  über  den  Bau 
und  die  Mechanik  des  Krallengliedes  noch  nicht  annähernd  erschöpft; 
theils  fehlte  es  an  geeignetem  Material,  theils  auch  an  Zeit,  da  die 
Untersuchungen  fast  nur  in  den  späten  Nachmittags-  und  Abend- 
stunden vorgenommen  werden  konnten;  aber  dennoch  ist  das  ver- 
hältnissmässig  wenige,  was  aus  dem  Insektengebiet  untersucht  und 
hier  zusammengestellt  wurde,  schon  geeignet,  die  Typen  des,  Krallen- 
gliedes erkennen  zu  lassen.  Ergänzungen  oder  Abänderungen  werde 
ich,  da  ich  meine  Untersuchungen  fortzusetzen  gedenke,  später  an 
geeigneter  Stelle  folgen  lassen. 

Bezüglich  des  Materials  beschränkte  ich  mich  bisher  ausschliesslich 
auf  deutsche  Arten,  die  ich  soweit  es  möglich  war,  frisch  untersuchte. 
Die  Anfertigung  der  Präparate  erfolgte  vorwiegend  durch  Zer- 
gliederung unter  dem  Mikroskop,  vor  und  nach  der  Kalimaceration; 
in  zweiter  Linie  durch  die  Methode  der  Quer-  und  Längsschnitte. 
Zu  letzterem  Zweck  wurden  die  Theile  nach  Härtung  (und  Färbung) 
durch  Nelkenöl  aufgehellt,  in  Terpentin  übergeführt  und  nach 
"24  stündigem  Liegen  in  einer  Terpentin -Wachsmischung  (bei  25°  C. 
schmelzbar),  die  im  Oefchen  auf  45—50°  erwärmt  gehalten  wurde, 
in  die  aus  Wachs  und  Paraffin  (3:1)  bestehende  Einbettungsmasse 
gebracht,  in  der  sie  bei  50 — 55°  eben  so  lange  blieben. 

An  dieser  Stelle  sei  mir  gestattet,  allen  denen,  die  mich  durch 
Ueberlassung,  beziehungsweise  Bestimmung  des  Materials  unterstützt 
haben,  besonders  dem  Dipterologen  Herrn  Kreiswundarzt  Dr.  Vor- 
mann, und  Herrn  Dr.  Westhoff,  Assistent  am  zoologischen  Institut 
zu  Münster  meinen  verbindlichsten  Dank  auszudrücken,  den  ich 
Herrn  Prof.  Dr.  H.  Landois  für  den  gütigen  Hinweis  auf  dies  Gebiet 
und  für  die  Erlaubniss,  das  Mikrotom  (Kloenne  &  Mueller,  Berlin) 
des  Instituts  benutzen  zu  dürfen,  ebenfalls  bereitwilligst  abstatte. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  223 


Dahl4)  wies  nach,  dass  die  Muskulatur  im  Endtheil  des  Beines 
überraschend  einfach  ist,  da  die  Streckung  der  Krallen  nur  passiv, 
durch  die  Federkraft  der  aus  ihrer  Gleichgewichtslage  gebrachten 
elastischen  Gelenkhaut,  erfolgt.  Die  Krallen  werden  nur  von  einem 
Muskel  —  dem  Krallenbeuger  —  in  Bewegung  gesetzt,  der  am  Grunde 
der  Krallen  angreift,  seinen  Sitz  selbst  aber  im  Schenkel  hat,  von 
dessen  Mitte  aus  er  seine  dünne,  derbe  Sehne  durch  alle  Beinglieder 
hindurch  bis  an  die  Krallen  schickt.  Ein  Streckmuskel  für  die 
Krallen,  wie  Straus-Dürkheim  ihn  schildert  und  zeichnet,  fehlt 
dagegen  ganz.  Es  ist,  wie  in  den  übrigen  Tarsengliedern,  im  letzten 
Tarsengliede  überhaupt  kein  Muskel  vorhanden.  Als  Ersatz  für  den 
Streckmuskel  ist  eine  mediane  Ghitinplatte,  von  Dahl  „Streck- 
platte" genannt,  eingetreten,  welche  mit  ihrem  distalen  Ende  ver- 
mittelst einer  elastischen  Gelenkhaut  an  die  ventralen  Vorsprünge 
der  Krallen  angreift,  sich  in  das  häutig  geschlossene  Ende  des  letzten 
Tarsengliedes  einsenkt,  und  an  ihrem  proximalen  Ende  mit  der 
Sehne  des  Krallenbeugers  in  Verbindung  steht.  Nach  der  ventralen 
Seite  hin,  ist,  wie  Dahl  weiter  angiebt,  die  Streckplatte  vollkommen 
von  dem  letzten  Tarsengliede  getrennt;  sie  steht  nur  an  den  Seiten 
durch  eine  faltige  Haut  mit  dessen  Seitenwänden  in  lockerer  Ver- 
bindung. 

Morphologisch  ist  die  Streckplatte  nur  ein  verdicktes  Stück  der 
äusseren  Chitinhülle,  sie  zeigt  auf  der  ventralen  Oberfläche  eine 
schuppenartige,  fast  warzig  hervortretende  Felderung  und  im  Quer- 
schnitt dieselbe  geschichtete  und  von  feineren  dunklen  Querstreifen 
durchzogene  Struktur,  wie  die  äussere  Chitinhülle  des  Tarsengliedes. 

Die  Streckplatte  übt  ihre  Funktion  nach  Dahl  „nur"  auf  die 
Krallen  aus,  und  zwar  folgendermassen.  Sobald  die  Sehne  des  Krallen- 
beugers in  Thätigkeit  tritt,  zieht  sie  die  Streckplatte  mit  ihrem 
proximalen  Ende  tiefer  in  das  letzte  Tarsenglied  hinein  und  infolge- 
dessen die  Krallen  nach  unten.  Da  aber  die  Platte  ventralwärts 
frei  und  der  angrenzende  Theil  des  Gliedes  durch  eine  elastische 
Haut  abgeschlossen  ist,  so  wird  diese  durch  das  Eindringen  der  Platte 
zurückgedrängt,  und  die  unter  der  Haut  befindliche  Blutmasse  weicht 
etwas  in  den  Fuss  zurück.  Hört  alsdann  der  Zug  auf,  so  tritt  die 
zurückgedrängte  Blutflüssigkeit  wieder  vor  und  treibt  in  Verbindung 
mit  der  sich  contrahirenden  elastischen  Haut  die  Streckplatte  aus  dem 
Innern  des  Tarsengliedes  hervor,  wobei  auch  die  mit  der  Platte  in 
Verbindung  stehenden  Krallen  zurückgeschoben  werden. 

Gegen  diese  Ansichten  Dahl's,  vor  allem  gegen  die  Bedeutung 
und  Funktion  der  Streckplatte  machte  Graber  u)  einige  Einwendungen, 
die  aber  von  Dahl5)  bald  zurückgewiesen  wurden.  In  wie  weit  dies 
mit  Recht  geschehen,  will  ich  an  späterer  Stelle  zeigen  und  hier  nur 
bemerken,  dass  die  Bezeichnung  „St  reck  platte"  doch  eine  zweck- 
entsprechende zu  sein  scheint,  wenigstens  so  lange  bis  eine  passendere 
Bezeichnung    dafür    gefunden    ist.      Denn    nach    meinen    bisherigen 


224  Alfred  0 ekler:    Das  Krallenglied  am  Iusektenfuss. 

Untersuchungen  kann  ich  mich  im  ganzen  in  diesem  Punkte  auf 
Dahl's  Seite  stellen,  da  auch  Grab  er  die  Bedeutung  der  Streck- 
platte für  den  Mechanismus  des  Krallengliedes  noch  nicht  genügend 
erkannt  zu  haben  scheint,  obgleich  er  auf  die  von  Da  hl  übersehene, 
unter  der  Streckplatte  liegende  Platte,  die  er  als  Rinne  oder  Führung 
für  jene  bezeichnet,  aufmerksam  machte14).  Ich  erkläre  mir  das 
daraus,  dass  Grab  er  die  am  proximalen  Ende  der  Streckplatte 
sitzende  elastische  Haut  nicht  beachtete,  welche  die  Streckplatte  mit 
dem  proximalen  Ende  der  ,, Gleitrinne"  (wie  ich  die  untere  Platte 
nennen  will)  verbindet,  und  durch  die  auch  nach  Aufhebung  der  von 
Grab  er  erwähnten  Druckkraft  (die  verdrängte  Blutflüssigkeit,  welche 
nach  Eröffnung  des  Fusses  nicht  mehr  in  der  von  Da  hl  geschilderten 
Weise  mitwirken  kann)  die  Streckung  der  Krallen  erfolgt.  Ich 
werde  auf  diesen  Punkt  sowie  auf  die  sonst  noch  zu  besprechenden 
Stellen  der  Arbeiten  von  Dahl  und  Grab  er  in  den  betreffenden  Ab- 
schnitten zurückkommen  und  betrachte  nach  meinen  eigenen  Unter- 
suchungen zunächst 


Die  Krallen. 

Die  Anwesenheit  zweier  Krallen  an  den  Insektenbeinen  ist  eine 
so  allgemeine,  dass  man  die  Insekten,  deren  Beine  zum  Theil  oder 
durchgehend  mit  nur  einer  Kralle  ausgerüstet  sind,  wohl  mit  Recht 
als  Ausnahme  anführen  kann,  wofür  auch  der  abweichende  Bau  des 
Gliedes  spricht.  Wenn  2  Krallen  am  Insektenbein  vorhanden,  so  sind 
dieselben  symmetrisch  gebaut  und  in  der  Regel  gleich  gross;  die 
äussere  hat  jedoch  Neigung  zu  etwas  stärkerer  Entwickelung,  wie 
ich  bei  verschiedenen  Insekten  beobachtete.  Es  finden  sich  jedoch 
auch  bedeutende  Grössenunterschiede  zwischen  den  Krallen,  welche 
dann  ungleich  genannt  werden  und  in  der  Systematik  schon  sehr 
früh  Berücksichtigung  gefunden  haben.  So  ist  die  äussere  Kralle 
bedeutend  stärker  als  die  innere  entwickelt  bei  Anisoplia  (Fig.  47.), 
Hoplia  und  Anomala.  (Das  umgekehrte  ist  nach  Kirby  und  Spence 
bei  Areodea  und  Pelidnota  der  Fall).  Die  innere  Kralle  kann  sogar 
bis  zu  einer  blossen  Borste  zurückgebildet  sein,  wie  bei  Elater  sulcatus 
und  fuseipes.  In  diesen  Fällen  erleidet  dann  der  kleine  Gelenkhöcker 
im  Tarsenglied  (Fig.  45),  an  dem  die  Krallen  eingelenkt  sind,  mehr 
oder  wenige  entsprechende  Modifikationen,  theils  in  der  Form,  theils 
bezüglich  seiner  Richtung  auch  in  der  Lage,  indem  er  von  der 
medianen  Längsrichtung  nach  der  Seite  der  schwächer  entwickelten 
Kralle  abweicht,  wohl  um  der  stärkeren  Kralle  Gelegenheit  .zu  geben, 
für  die  andere  mit  einzutreten. 

Nach  Dahl*)  besitzen  die  Krallen,  und  zwar  jede  auf  ihrem 
Wurzelende,  ein  kleines  Grübchen  (Fig.  57),  mit  welchem  sie  je  auf 
einem  kleinen  Höckerchen  der  äusseren  Chitinhülle,  dem  „Krällen- 
gelenkhöcker"  (oder  kürzer  „Krallenhöcker") ,   unabhängig  von   cin- 

*)  4.  pag  7. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  225 

ander  beweglich  eingelenkt  sind.  Ich  fand  jedoch  auch  Krallen,  die 
an  ihrem  dorsalen  Wurzelrande  kein  Grübchen  hatten  (Fig.  11); 
in  diesem  Falle  ist  der  Gelenkhöcker  modificirt  gebaut  und  zeigt 
kleine  Grübchen,  bzhgsw.  kleine  seitliche  Vorsprünge.  An  der  ven- 
tralen Seite  basalwärts  haben  die  Krallen  eine  kleine  vorsprung- 
artige  Erweiterung,  an  welche  sich  die  Gelenkhaut  für  die  Streck- 
platte ansetzt. 

In  der  Regel  ist  jede  Kralle  für  sich  frei  beweglich,  indessen 
kommen  auch  zum  Theil  oder  ganz  unbewegliche  Krallen  vor,  wie 
bei  einigen  Wasserkäfern  (Acilius,  Hydaticus,  Colymbetes,  Ilybius), 
wo  sie  an  den  hinteren  Beinen  ungleich  und  so  eingelenkt  sind,  dass 
die  eine  fast  ganz  über  der  anderen  liegt;  die  obere  stärkere  ist  die 
unbewegliche.  Jedoch  ist  auch  diese  Kralle  beweglich  am  Krallen- 
höcker eingelenkt  und  mit  der  Streckplatte  verbunden.  Die  Un- 
beweglichkeit  derselben  erklärt  sich  wohl  durch  die  Modifikation  der 
Beine,  welche  sehr  schmal  geworden  sind,  um  dem  Medium  möglichst 
wenig  Widerstand  entgegenzubringen.  Ferner  giebt  es  Krallenglieder, 
bei  denen  die  Krallen  am  Grunde  ganz  mit  einander  verwachsen  sind, 
wie  bei  Phyllobius,  Peritelus,  Mylaeus,  Gymnetron,  Lema  u.  s.  w.; 
oder  sie  sind  nur  unvollkommen  getrennt,  wie  bei  Trachyplorus  und 
Otiorrhynchus.  Auch  in  diesen  Fällen  werden  sie  mit  Hülfe  der 
Streckplatte  bewegt. 

Die  Krallen  sind  morphologisch  nur  für  bestimmte  Zwecke  um- 
gewandelte Haare  oder  Borsten.  Denn  sie  zeigen  auf  Quer-  und 
Längsschnitten  dieselbe  geschichtete  (mit  feineren  dunklen  Streifen 
durchsetzte)  Struktur  wie  diese,  sind  ebenfalls  fast  bis  zur  Spitze  hohl 
und  enthalten  auch  die  Matrix.  An  der  Spitze  jedoch  sind  die  Krallen 
zum  grossen  Theil  stärker  chitinisirt  und  dunkler.  Sie  sind  entweder 
glatt  (Figg.  13 — 15),  oder  vor  allem  am  Grunde,  in  einigen  Fällen 
(wie  bei  Pompilus  [Figg.  2,  18])  jedoch  auch  bis  zur  Spitze,  mit  Haaren 
besetzt;  theils  finden  sich  auch  stärkere  Borsten  an  denselben,  vor  allem 
an  der  Innenseite  (Figg.  2,  28);  hier  kommen  längere  Borsten  neben 
der  Ansatzstelle  für  die  Gelenkhaut  der  Streckplatte  vor ,  zumeist 
bei  Insekten  mit  einem  unpaaren  mittleren  Haftläppchen.  Bezüglich 
der  Form  zeigen  die  meist  schwach  gekrümmten  Krallen  jedoch 
viel  Abwechselung;  vorwiegend  sind  sie  einfach,  seltener  gabelig 
gespalten  (Meloe),  oder  gesägt  (Calathus),  oder  kammförmig  gezähnt 
(Alleculinae).  Oefter  sind  sie  dagegen  mit  einem  oder  mehreren 
Zähnen  bewaffnet   (Melolontha,   Ornithomyia  [Figg.  42,  56]). 

Bei  den  Insekten  ohne  Haftläppchen  sind  die  Krallen  gleich- 
massiger  gebogen  (Figg.  42,  55,  65)  und  haben  einen  ovalen,  fast 
runden  mittleren  Durchschnitt ;  bei  denen  mit  Haftläppchen  beginnen 
sie  meist  gestreckter  (Figg.  2,  13,  15,  16,  18),  krümmen  sich  gegen 
das  Ende  stärker,  und  sind  seitlich  mehr  zusammengedrückt. 

Obgleich  die  Krallen  im  allgemeinen  frei  beweglich  eingelenkt 
sind,  so  ist  der  Spielraum  derselben  doch  nur  ein  beschränkter.  Dahl's 
Ansicht,    dass    sich    der  Beugung  der  Krallen  scheinbar  keine  feste 

Avch.f.Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  1.  H.3.  15 


2*26  Alfred  0 ekler:    Das  Krallen glied  am  Insektenfuss. 

Schranke  entgegengesetzt,  und  ihre  Excursionsfähigkeit  eine  recht 
bedeutende  ist,  kann  uns  keine  klare  Vorstellung  geben,  da  sie  zu 
allgemein  gehalten  ist.  Die  Beugungsfähigkeit  der  Krallen 
ist  stets  eine  beschränkte;  sie  wird  bedingt,  wenn  man 
von  der  Form  der  Krallen  absieht,  durch  das  V erhält niss  der 
Stellung  des  Krallenhöckers  im  Tarsengliede  zu  dem  Rande 
dieses  Gliedes,  gegen  welchen  sich  die  Krallen  bei  der  Beu- 
gung schliesslich  legen  müssen  (Figg.42,55,59).  Diesem  Umstände 
ist  auch  die  Grösse  der  taschenartig  eingesenkten  abschliessenden 
Haut  angepasst,  indem  diese  bei  Insekten,  die  eine  grosse  Krallen- 
excursionsfähigkeit  besitzen,  mehr  entwickelt  und  tiefer  in  den  Tarsus 
eingesenkt  ist  als  bei  solchen  Arten,  deren  Krallenexcursionsfähigkeit 
eine  beschränktere  ist.  Desgleichen  ist  auch  die  Streckplatte  mehr 
oder  weniger  gross.  Die  verschieden  gebauten  Krallenglieder  der 
Dytisciden  oder  Hydrophiliden  führe  ich  als  Beispiel  an. 

Wie  schon  bemerkt,  sind  die  Krallen  jede  für  sich  frei  be- 
weglich am  Krallenhöcker  eingelenkt.  Dieselben  werden  nicht  immer 
auf  glatte  Flächen  aufgesetzt  werden,  sondern  meist  auch  in  Uneben- 
heiten eingreifen.  Im  grossen  ganzen  müssen  sie  zwar  dieselbe  Be- 
wegung machen,  da  ja  die  Streckplatte  sich  an  deren  Grunde  mit 
einer  Gelenkhaut  ansetzt  und  somit  einen  skelettalen,  jedoch  nach- 
giebigen Halt  bietet;  aber  es  ist  doch  die  Möglichkeit  vorhanden, 
zumal  nur  geringere  Unebenheiten  für  das  Angreifen  der  Krallen 
in  Betracht  kommen  können,  dass  eine  der  Krallen  tiefer  oder  höher 
einen  Stützpunkt  findet.  Dies  beruht  entschieden  darauf,  dass  die 
Streckplatte  1)  mit  den  Krallen  durch  eine  Gelenkhaut  verbunden, 
und  2)  dass  sie  ventralwärts  frei  ist.  Infolge  der  faltigen  Seitenhaut 
(wodurch  sie  mit  dem  Tarsengliede  zusammenhängt)  kann  sie  etwas 
nachgeben  und  sich  in  ihrer  Gleitrinne  ein  wenig  zur  Seite  legen; 
die  schuppige  oder  quergeriefelte  Ventraloberrläche  der  Streckplatte 
mag  vielleicht  für  diesen  Zweck  von  Bedeutung  sein. 

Bei  den  einkralligen  Insektenbeinen  kann  man  echte  und  un- 
echte Krallenglieder  unterscheiden:  ich  sehe  als  echte  hierbei  nur 
solche  an,  welche  eine  Streckplatte  haben,  wie  z.  B.  die  Pediculinen 
(Figg.  30,  36,  37),  bei  denen  sie  für  die  Mechanik  des  Krallengliedes 
dieselbe  Bedeutung  hat,  wie  bei  den  zweikralligen.  Als  unechte 
sind  dagegen  solche  Krallenglieder  aufzufassen,  die  keine  besonders 
eingelenkte  Kralle  haben  und  denen  die  Streckplatte  fehlt;  für  die- 
selben wird  der  letzte  Tarsenabschnitt  mit  Hülfe  der  an  seinem 
inneren  Grunde  angreifenden  Sehne  gebeugt;  z.  B.  bei  Naucoris, 
Nepa. 

Echte  einkrallige  Tarsengiieder  finden  sich  ausser  bei  den  Pedi- 
culinen z.  B.  noch  bei  Claviger,  Pselaphus,  Trichodectes  und  Gyropus. 

Endlich,  aber  selten,  giebt  es  auch  Insektenbeine  ohne  Krallen, 
wie  bei  den  Physapoden  und  Stylopiden. 


Ein  Beitrag  zur  Keimtniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  227 

Ein  überaus  wichtiger  Theil  für  die  Mechanik  des  Krallen- 
gliedes ist 

die  Streckplatte 

deren  Bedeutung  bisher  noch  nicht  genügend  gewürdigt  ist;  denn  sie 
übt  ihre  Funktion  nicht  nur,  wie  Dahl4)  es  annimmt,  auf  die  Krallen 
aus,  sondern  auch  auf  die  Haftorgane,  mit  denen  sie  durch  Häute 
in  direkter  Verbindung  steht. 

Die  Streckplatte  ist  ein  den  Insekten  eigenthüm- 
liches  Organ,  das  sich  überall  da  findet,  wo  beweglich 
eingelenkte  Krallen  vorkommen. 

Dieselbe  wurde  bereits  von  Straus-Dürkheim23)  bemerkt;  er 
nennt  sie  ,,la  petite  piece  accessoire  des  crochets,  ä  laquelle  se  fixe 
le  muscle  flechisseur  de  ces  derniers";  an  anderer  Stelle  bezeichnet 
er  sie  als  ,,une  petite  piece  placee  dans  l'interieur  de  la  derniere 
phalange ,  qui  unit  inferieurement  les  crochets  terminaux".  Auch 
den  später  zu  betrachtenden  Gelenkhöcker  für  die  Krallen  —  denn 
um  diesen  kann  es  sich  doch  wohl  nur  handeln  — ,  an  welchen  sich 
nach  Straus-D.  der  Krallenstrecker  (,,1'extenseur  des  crochets")  an- 
setzt, erwähnt  er  als  ,,une  petite  piece  qui  reunit  les  deux  crochets 
en  dessus".  Straus-D.  ist  also,  wie  auch  aus  seinen  Zeichnungen 
hervorgeht,  der  Ansicht,  dass  die  Krallen  durch  '2  einzelne  Chitin- 
stücke verbunden  sind. 

Burmeister2)  und  andere,  wie  Newport 25),  Gräber13),  gaben 
nur  das  von  Straus-D.  beschriebene  wieder.  Aus  Burmeister's 
Darstellung  geht  jedoch  nicht  einmal  deutlich  hervor,  ob  er,  wie 
Straus-D.,  zwei  verbindende  „Chitinbogen"  unterscheidet.  Da 
Straus-D.  aber  die  Streckplatte  und  die  anderen  die  Krallen  zurück- 
treibenden elastischen  Momente  völlig  verkannte,  so  ist  es  auch  er- 
klärlich, dass  er  dem  Krallengliede  ein  so  complicirtes  Muskelsystem 
beilegte,  wie  es  noch  bis  in  die  neueste  Zeit  beschrieben  wurde 
[Graber13),  Stroebelt24)].  —  Landoislü)  jedoch  konnte  bei  der 
Anatomie  der  Pediculinen  keinen  Krallenstrecker  finden;  er  lässt 
dafür  elastische  Momente  der  letzten  Gelenkverbindung  mitwirken, 
die  er  sich  indessen  noch  nicht  erklären  kann.  Dieser,  aber  auch 
Stroebelt24),  bemerken  zwar  die  Streckplatte  und  beschreiben  sie 
als  feine  geriefelte  Chitinplatte,  lassen  sich  jedoch  auf  dieselbe  nicht 
weiter  ein. 

Simmermacher22)  fand  die  Streckplatte  am  Vorderbein  des 
Hydrophilus  piceus  (Figg.  40,  41).  Er  schreibt  darüber:  „Fast  am 
äussersten  Ende  des  erweiterten  fünften  Tarsalgliedes  befindet  sich 
ein  von  einem  Röhrchen  ausgehender  Büschel  von  Chitinborsten, 
welche  man  wohl  als  Tastborsten  anzusehen  hat.  Das  Röhrchen  mit 
Borsten  lässt  sich  aus  dem  Fuss  herausziehen.  An  dem  ersten  Theil 
erkennt  man  alsdann  noch  „  „eine  dunkle  kugelartige  Erweiterung"  ", 
an  welche  sich  wieder  eine  Anfangs  schwach  pigmentirte,  dann  glas- 
helle Chitinröhre  anschliesst."    Er  zeichnete  dieselbe  in  Figur  41  und 

15* 


228  Alfred  0 ekler:    Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

bringt  ausserdem  die  Streckplatte  einer  Cassida  in  Figur  45,  ver- 
kannte dieselben  aber  ganz.  Bei  den  Hydrophiliden  ist  diese  Platte 
allerdings  so  merkwürdig  abweichend  von  der  allgemeinen  Form  ge- 
baut, wie  ich  sie  bis  jetzt  annähernd  nur  noch  bei  Oryctes  nasicornis 
(Fig.  62)  gefunden  habe.  Bei  den  Hydrophiliden  ist  sie,  wie  Simnier- 
m  ach  er  richtig  angiebt,  in  der  That  auf  der  Unterseite  kugelförmig 
verdickt;  doch  lässt  sich  diese  starke  Entwickelimg  der  Streckplatte 
wohl  erklären:  sie  findet  sich  nämlich  nur  in  den  beilförmig  er- 
weiterten Tarsen  der  Vorderbeine,  während  sie  in  denen  der  hinteren 
Beine  wieder  normal,  d.  h.  flach  ist. 

Dahl*)  beschreibt  die  Streckplatte  als  eine  schmale  Chitinplatte, 
die  am  distalen  Ende  meist  abgestutzt  ist  und  sich  als  eine  weichere 
Haut  fortsetzt;  am  proximalen  Ende  dagegen  ist  sie  dicker,  stark 
gewölbt,  gerundet  und  in  der  Mitte  mit  einer  Auskerbung  versehen, 
in  welcher  die  Sehne  beweglich  befestigt  ist. 

Grab  er14)  scheint  dieser  Beschreibung  Dahl' s  nicht  zuzustimmen, 
denn  er  lässt  die  Sehne  des  Krallenbeugers  nahe  dem  Gelenk  zu  einer 
dicken  braunen  Platte  anschwellen,  die  mit  dem  Krallenpaar  durch 
eine  dünne  Gelenkhaut  knorpelig  verbunden  ist.  Dieser  Ansicht  ver- 
mag ich  nicht  beizupflichten,  da  die  Sehne  von  der  Streckplatte  stets 
genau  unterschieden  werden  kann  und  immer  deutlich  sichtbar  ein- 
gelenkt ist.  In  den  meisten  Fällen  kann  man  an  der  Sehne  dicht 
vor  der  Streckplatte  eine  schwache  chitinöse  Anschwellung  oder 
dunklere,  scharf  abgesetzte  Färbung  unterscheiden.  Der  Dahl' sehen 
Beschreibung  der  Streckplatte  kann  ich  dagegen  nur  zustimmen;  ich 
möchte  diese  Platte  jedoch  —  weiter  umfassend  —  wie  folgt  ge- 
schildert wissen. 

Die  Streckplatte  ist  eine  löffeiförmige  oder  lanzettförmige  (Figg.  6, 
7,  8,  32,  49,  52),  meist  mit  einer  mittleren  Rinne  versehene  Chitin- 
platte, die  sich  bezüglich  ihrer  Wölbung  und  Rundung  im  ganzen 
nach  der  äusseren  Form  des  Tarsengliedes  richtet.  Das  proximale 
Ende  ist  etwas  verdickt  (Figg.  51,  42)  und  für  die  Einlenkimg  der 
Sehne  entweder  ausgekerbt  (Fig.  7),  oder  quer  zur  Längsachse  ab- 
gestutzt (Fig.  6),  oder  mit  einem  kleinen  stielförmigen  Vorsprung  ver- 
sehen (Figg.  51,  52);  in  einigen  Fällen  ist  sie  am  proximalen  Ende 
stark  nach  oben  umgebogen  und  etwas  eingedrückt.  An  der  ventralen 
Oberfläche  ist  die  Streckplatte  nicht  nur,  wie  Dahl  meint,  warzen- 
artig schuppig  gefeidert  (Fig.  7),  sondern  theils  ganz  quergeriefelt 
(Figg.36,46),  theils  findet  sich  beides  vereinigt ;  dann  tritt  die  Riefelung 
nur  an  den  Seiten  auf.  In  manchen  Fällen  ist  die  Streckplatte  am 
distalen  Ende  der  Ventralfläche  auch  mit  kleinen  Borsten  besetzt 
(Fig.  3).,    Das  distale  Ende  dagegen  ist  verschieden  gebaut: 

1.  Es  läuft  in  eine  walzenförmige,  mehr  oder  weniger  flachgedrückte, 

theils  längere,    theils  kürzere,    dorsalwärts    schwach    gebogene 

Borste  aus,    die  ich  „Streckborste"  nenne.     (Figg.  (5,  9,  32, 

*)  4.  pag.  9. 


Ein  Beitrag  zur  Kemitniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  229 

41,  46,  47,  62).     Dieselbe  scheint   bei  allen  zweikralligen  In- 
sekten ohne  jegliches  oder  ohne  mittleres  Haftläppchen  vorzu- 
kommen. 
2.  Es  ist  abgestutzt;  und  dies  ist  der  Fall  bei 

a)  Insekten  mit  einem  mittleren  Haftläppchen,  bei  denen  die 
Streckplatte  durch  eine  schmale  weiche  Haut  mit  dem 
Haftläppchen  in  Verbindung  steht.    (Figg.  3,  7,  8,  19,  20  49.) 

b)  Insekten  mit  einkralligem  Tarsus.    (Figg.  30,  36,  37,  38.) 
Die  Streckborste  wird  von  vielen  Autoren  erwähnt,   da  sie  bei 

manchen  Insekten,  wo  sie  sehr  lang  ist,  leicht  bemerkt  werden  musste; 
sie  wurde  in  Bezug  auf  ihre  Herkunft  und^  Bedeutung  jedoch  eben- 
falls ganz  verkannt.  Die  ersten  Notizen  über  dieselbe  fand  ich  bei 
Straus-Dürkheim23),  welcher  sie  beim  Lucanus  beschreibt,  der 
seit  jener  Zeit  mit  grosser  Vorliebe  als  Beispiel  citirt  wird:  „Les 
Lucanus  ont  entre  les  deux  crochets  ordinaires  une  sixieme  phalange 
fort  grele,  terminee  par  une  seconde  paire  des  crochets." 

Burmeister2)  äussert  sich,  nachdem  er  einige  Krallenformen 
beschrieben,  beinahe  ebenso:  „Zwischen  diesen  beiden  Haken  des 
letzten  Fussgliedes  befindet  sich  bei  einigen  Kerfen  noch  eine  zweite 
kleinere  Kralle,  die  Afterkralle  (pseudonychium)  genannt.  Unter  den 
Käfern  zeigt  Lucanus  diese  Bildung.  Dem  Bau  nach  stimmt  diese 
kleinere  Kralle  vollkommen  mit  der  grösseren  überein,  besteht  also 
wie  diese  aus  einem  stielförmigen  Grundgliede,  an  dessen  Ende 
2  kleinere  Häkchen  sitzen."  Auf  die  letzten  Worte  dieses  Citats  will 
ich  nur  erwiedern,  dass  ich  kleinere  Häkchen  bisher  niemals  an  dem 
Ende  der  Streckborste  des  Lucanus  gefunden  habe;  jedoch  legen  sich 
die  langen  am  Ende  derselben  stehenden  Borsten  bein  Eintrocknen 
des  Insekts  dicht  an  einander  und  gewinnen  dadurch  leicht  das  Aus- 
sehen einer  Kralle. 

Tuffen  West27)  dagegen  äussert  sich  über  die  Streckborste  der 
Fliegen  in  richtiger  Weise,  wenn  er  schreibt:  ,,At  the  root  of  the 
pulvillus,  on  its  under-surface,  is  a  process,  which  in  some  instances 
is  short  and  stout,  in  others  long,  greatly  curved,  and  tapering  to 
its  extremity  (Scatophaga),  setose  (Empis),  plumose  (Hippoboscidae), 
or,  in  one  remarkable  example  (Ephydra) ,  so  closely  resembling  in 
its  appearance  the  very  rudimentary  pulvillus  with  which  it  is  asso- 
ciated,  that  J  was  for  some  time  unable  to  deeide  whether  it  was  a 
third  lobe  of  this  organ,  or,  with  the  other  exämples  named  and  to 
be  more  fully  described  hereafter,  a  peculiar  tactile  hair,  which  is 
present,  in  some  modification  or  other,  in  all  insects,  so  far  äs  my 
present  experience  goes.  This  tactile  hair  has  been  considered  by 
two  excellent  observers  to  be  a  spring,  by  the  help  of  which  the 
fiy  is  enabled  to  detach  its  cushions  from  any  surface  to  which  they 
have  been  applied;  but  J  shall  in  due  course  proeeed  to  show  that 
this  opinion  is  erroneous."  —  Tuffen  West  erkannte  die  Streck- 
borste meines  Erachtens  ganz  richtig,  obgleich  er  deren  Funktion 
,,to  detach  the  cushions"  als  irrthümlich  hinstellt.     Dieses  ist  nicht 


230  Alfred  Ockler:    Das  Krallenglied  am  Iiisektenfuss. 

zu  verwundern,  da  er  weder  die  Streckplatte  noch  ihren  Zusammen- 
hang mit  der  Streckborste  kannte.  Nach  seiner  Meinung  sind  die 
Krallen  bei  den  Dipteren  und  Hymenopteren,  abweichend  von  denen 
der  anderen  Insekten,  ja  nicht  einmal  ,,attached  to  the  fifth  tarsal 
Joint,"  sondern  „attached  to  the  terminal  sucker."  Obschon  ich 
Tuffen  West 's  Ansicht,  dass  die  Fliegen  ihre  Haftläppchen  mit 
Hülfe  der  Streckborste  loslösen,  anerkenne,  muss  ich  mich  hier  doch 
dagegen  verwahren,  dass  die  Streckborste  das  Abheben  allein  besorge, 
und  verweise  für  die  Funktion  dieser  Borste  auf  meine  folgenden 
Ausführungen. 

Auch  Simmermacher22)  giebt,  abgesehen  von  dem  schon  an- 
geführten Hydrophilus  piceus,  aus  dessen  Tarsus  er  eine  mit  Chitin- 
borsten besetzte  „Röhre"  herausgezogen,  noch  eine  Notiz  über  die 
Streckborste:  „Bei  dem  verhältnissmässig  grosse  Tarsen  besitzenden 
Enemia  lupercus  (exotische  Form)  fand  ich  am  starken  Krallenglied 
wohl  Chitinhaare,  dieselben  erwiesen  sich  jedoch,  wie  ich  vermuthete, 
unter  dem  Mikroskop  als  einfache  Borsten.  —  Dagegen  ist  bei  den 
Lamellicorniern  verbreitet  ein  am  Krallenglied  befindliches  Borsten- 
büschel, das  wohl  als  Tastapparat  dient,  wie  wir  Aehnliches  bei  Hydro- 
philus fanden."  —  Da  mir  dieser  exotische  Enemia  lupercus  nicht 
zugängig  war,  so  möchte  ich  an  dieser  Stelle  nur  erwiedern,  dass 
bei  dem  jedenfalls  „gespiessten"  Exemplar  die  Streckplatte  und  Streck- 
borste wohl  sehr  stark  in  den  Tarsus  zurückgezogen  war,  oder  aber 
die  letztere  sehr  kurz  ist.  Bei  den  Lamellicorniern  dagegen  sind 
sowohl  die  Streckborste  als  auch  die  an  deren  Spitze  sitzenden  Tast- 
haare verhältnissmässig  gross;  namentlich  die  letzteren  treten  oft  sehr 
lang  und  deutlich  am  Grunde  der  Krallen  hervor. 

Dahl4)  dagegen  übergeht  die  Streckborste  merkwürdigerweise 
ganz;  er  erwähnt  nur  bei  den  Fliegen,  „dass  sich  zwischen  den 
beiden  Haftläppchen  ein  langer  unten  gefiederter  Anhang  befindet, 
der  wohl  aus  dem  Empodium  entstanden  ist;  eine  Borste  die  sich 
bei  allen  Fliegen  findet." 

Meines  Erachtens  hat  die  biegsame  Streckborste  überall  den- 
selben doppelten  Zweck: 

1.  Die    Streckplatte  in  ihrer  Funktion  zu  unterstützen,  und 

2.  zum  Tasten  zu  dienen;  zu  letzterem  Zweck  sind  an  ihrem 
Ende  helle,  theils  schwach  chitinisirte  Härchen  eingelenkt,  die 
in  Gruben  stehen. 

Ehe  ich  jedoch  die  Funktion  eingehender  behandle,  will  ich 
die  Streckborste  und  ihren  Bau  beschreiben. 

Die  Streckborste 

erscheint  gewöhnlich  in  derselben  Farbe  wie  die  Krallen,  dunkel- 
braun; sie  ist  an  ihrer  Oberfläche  meist  glatt  und  läuft  entweder 
in  eine  lange  einfache,  verzweigte  oder  gefiederte  Spitze  aus 
(Figg.  G,  9,  32,  42,  46,  52,  Q2,  65),  oder  sie  ist    zungenförmig    ab- 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  231 

gestutzt ;  im  letzteren  Falle  ist  sie  flach  und  am  ventralen  Ende  fast 
regelmässig  mit  2  oder  mehreren  feinen  Härchen,  „Tasthaaren",  be- 
setzt (Figg.  9,  42,  65),  die  am  äussersten  Theile  der  Beine  jedenfalls 
sehr  zweckmässig  angebracht  sind.  Die  Streckborste  geht  am 
distalen  Ende  der  Streckplatte  direkt  aus  dieser  hervor  und  wird 
sehr  bald  hohl.  Man  kann  bei  den  meisten  Insekten  die  rundliche 
Oefmung  recht  gut  erkennen,  welche  zu  diesem  Hohlraum  führt 
und  für  den  Eintritt  von  Blut  und  Nerven  hinreichenden  Platz 
bietet.  Die  erwähnte  Oeffnung  befindet  sich  auf  der  dorsalen  Seite; 
dicht  hinter  derselben  tritt  die  Borste  aus  der  dünnen  Haut  hervor, 
welche  die  Krallen  an  ihrem  Grunde  verbindet.  Die  Tasthaare  an 
der  Spitze  stehen  in  Gruben  und  durch  einen  Kanal  mit  dem 
Innern  der  Streckborste  in  Verbindung.  Einen  näheren  Aufschluss 
gaben  mir  meine  bisherigen  Präparate  noch  nicht;  jedoch  fand  ich 
die  Matrix,  welche  sich  bis  zur  Spitze  der  Streckborste  fortsetzt. 
In  ihrer  äusseren  Form  richtet  sich  die  letztere  auch  nach  der  Ent- 
wickelung  der  Krallen;  denn  bei  Insekten,  wo  diese  sehr  ungleich 
sind,  weicht  die  Streckborste  ebenfalls  von  dem  sonst  symmetrischen 
Bau  ab  und  ist  nach  der  Seite  der  stärkeren  Kralle  hin  mehr  auf- 
gebaucht,  als  an  der  andern;  z.  B.  bei  Anisoplia-  (Fig.  47). 

Die  Bedeutung  der  Streckborste  für  das  Krallenglied  ist  nun 
folgende.  Beim  Zurückweichen  der  Streckplatte  werden  die  Krallen,  wie 
ich  schon  erwähnt  habe,  nach  unten  gezogen,  indem  sie  sich  um 
den  Krallenhöcker  drehen.  Die  ventralen  Krallenvorsprünge,  an 
welche  sich  die  Streckplatte  ansetzt,  beschreiben  also,  da  sie  ja  die 
Bewegung  vermitteln,  einen  kleinen  Bogen  von  unten  nach  oben 
und  treten  in  das  Tarsenglied  zurück.  Während  der  Zeit,  wo  das 
distale  Ende  der  Streckplatte  nach  innen  über  die  Gleitrinne  zurück- 
weichend sich  ein  wenig  nach  unten  senkt,  wird  die  Streckborste 
durch  den  Widerstand,  den  sie  an  der  Unterfläche,  auf  der  die 
Krallen  angreifen,  beziehungsweise  an  der  Gleitrinne  findet,  an- 
gespannt und  dadurch  ventralwärts  etwas  stärker  durchgebogen. 
Wie  jeder  federnde  Körper  das  Bestreben  hat,  in  seine  ursprüngliche 
Lage  zurückzukehren,  so  ist  es  auch  hier;  lässt  der  Zug  der  Sehne 
nach,  tritt  also  die  Streckplatte  wieder  hervor,  so  geht  zugleich 
deren  distales  Ende  mit  den  Krallen  denselben  Weg  zurück,  wobei 
die  Hebung  der  Krallen  durch  die  sich  wieder  streckende  Streck- 
borste sehr  erleichtert  wird. 

Eine  merkwürdige  Modifikation  erleidet  die  Streckborste 
bei  den  Insekten  mit  einem  unpaaren  mittleren  Haftläppchen. 
Wie  das  ganze  Bein  für  eine  Ausstülpung  vom  Stamm  er- 
achtet wird,  so  halte  ich  die  Haftläppchen  genetisch  ebenfalls 
nur  für  eine  umgewandelte  Ausstülpung  der  das  Tarsenglied  ab- 
schliessenden und  mit  den  Krallen  verbindenden  Haut;  als  Beweis 
dafür  möchte  ich  die  modificirte  Streckborste  gelten  lassen,  da  ja 
nichts  naheliegender  ist  als  die  Voraussetzung,  dass  die  Streckborste 
dann  an  dieser  Umwandlung  ebenfalls  Theil  genommen  haben  muss. 
Dieses   ist    meines   Erachtens  auch  der  Fall.     Die  Streckborste  ist 


232  Alfred  0 ekler:    Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

nämlich  in  eine  kleine  Platte  umgewandelt,  die  an  der  Unterseite 
mit  meist  feinen,  ziemlich  kurzen  Borsten  besetzt  ist,  welche,  in 
schräg  distaler  Richtung  auf  derselben  stehend,  schwach  gegen  die 
Platte  gekrümmt  sind  (Figg.  3,  11,  12,  16,  19,  20,  21,  43,  49).  Dahl 
fand  diese  Platte,  die  ich  „Strecksohle"  benannt  wissen  möchte, 
zuerst,  und  schrieb  über  dieselbe*):  ,, weiter  nach  dem  Grunde  hin 
(in  proximaler  Richtung  gedacht)  tritt  in  der  Mitte  des  Haftläppchens 
eine  Chitinmasse  mit  stärkeren  Haaren  auf,  welche  sich  als  un- 
mittelbare Fortsetzung  der  Streckplatte  erweist." 

Aus  dem  Wort  „unmittelbar"  muss  man  schliessen,  dass  die 
Strecksohle  mit  der  Streckplatte  starr  verbunden  ist;  dies  ist  jedoch 
nie  der  Fall.  Beide  sind  stets  etwas  beweglich  aneinander  gefügt, 
was  ja  auch  dem  Zweck  entsprechend  nothwendig  ist.  Während 
die  lange  schmale  oder  kürzere  breite  Streckborste  bei  den  übrigen 
Insekten  fest  mit  der  Streckplatte  verwachsen  sein  muss,  wenn  sie 
federnd  wirken  soll,  darf  die  Strecksohle  nur  beweglich  damit  ver- 
bunden sein,  weil  sie  sonst  bei  der  Funktion  der  Streckplatte 
nicht  nachgeben  könnte,  zumal  sie,  wie  diese  am  distalen  Ende, 
schwach  nach  unten  durchgebogen  ist.  Die  kleinen  Borsten  auf  der 
ventralen  Oberfläche  der  Strecksohle  wirken  nach  meiner  Ansicht  in 
ihrer  Gesammtheit  wie  die  eine  grössere  und  stärkere  Streckborste; 
da  sich  die  Arbeitsleistung  auf  die  einzelnen  Börstchen  vertheilt, 
brauchen  diese  nicht  so  gross  und  stark  zu  sein  wie  die  Streck- 
borste. 

Morphologisch  ist  die  Strecksohle  ebenso  wie  die  Streckplatte 
ein  verdicktes  Stück  der  äusseren  Chitinhülle;  sie  zeigt  aber  keine 
schuppige  Felderung  oder  Querriefelung  auf  der  ventralen  Fläche, 
bei  Schnitten  jedoch  dieselbe  geschichtete  Struktur;  die  Matrix  findet 
sich  ebenfalls  auf  ihr. 

Bei  meinen  bisherigen  Untersuchungen,  die  sich  über  alle  Ord- 
nungen der  Insekten  erstreckt  haben,  fand  ich  die  Strecksohle  bei 
Krallengliedern  mit  einem  unpaaren  mittleren  Haftläppchen  stets, 
und  zwar  meist  scharf  abgesetzt,  vor;  sie  hat  in  der  Regel  dieselbe 
Breite  wie  das  distale  Ende  der  Streckplatte,  zeigt  jedoch  in  Form 
und  Behaarung  mannigfache  Unterschiede.  Am  vollkommensten  ist 
sie  jedenfalls  bei  den  Hymenopteren  ausgebildet,  wo  ich  sie  einer 
eingehenderen  Betrachtung  unterziehen  werde.  Auffallend  weicht  die 
Strecksohle  der  Lepidopteren  von  dem  allgemeinen  Bau  ab ;  bei  diesen 
Insekten  ist  sie  meist  nur  sehr  schmal,  auf  der  Ventralseite  glatt 
und  am  Rande  unregelmässig  ausgezackt  abgesetzt  (Fig.  49). 

_Eine  gleiche  Platte,  wie  die  Strecksohle,  fand  ich  indessen  auch 
bei  einigen  Orthopteren,  die  keine  mittleren  Haftläppchen  am  Krallen- 
gliede  haben;  in  solchen  Fällen  war  dieselbe  an  der  Unterseite  mit 
einer  oder  auch  mehreren  längeren  Borsten  besetzt  (Figg.  11,  12). 
Bei  Gryllus  domesticus  läuft  dieselbe  in  2  seitliche  spitze  Enden  aus, 

*)  4.  pag.  '24. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis«  von  dessen  Bau  und  Funktion.  233 

ist  an  der  Unterseite  glatt  und  mit  der  Streckplatte  in  deren  Mitte 
gelenkartig  verbunden.  Als  Ersatz  für  die  auf  dieser  Strecksohle 
fehlenden  Borsten  sind  wohl  2  Längere  Borsten  anzusehen,  von  denen 
je  eine  an  der  Innenseite  der  Krallen  neben  der    Strecksohle    steht. 

Abgesehen  von  allem  anderen  können  solche  Krallenglieder 
vielleicht  als  Uebergang  von  denen  ohne  Haftläppchen  zu  denen  mit 
diesen  Organen  betrachtet  werden. 

Ueberaus  kurz  ist  die  Streckborste  bei  den  Hemipteren  (Fig.  27); 
am  distalen  mittleren  Ende  der  Streckplatte  sind  nehmlich  nur 
2  kleine  auf  einem  sehr  kurzen  stielartigen  Vorsprung  sitzende 
Höckerchen  zu  sehen,    in  denen  je  eine  sehr  lange  Borste  sitzt. 

Der  nächst  wichtigste,  vor  allem  für  die  Streckplatte  Bedeutung 
habende  Theil  ist 

die  Gleitrinne 

welche  zuerst  von  Grab  er14)  erwähnt  wurde.  Er  schreibt  darüber: 
„die  unter  der  Streckplatte  liegende  zweite  Platte  mit  der  ersteren 
und  dem  ventralen  Integument  des  Fusses  durch  eine  dünne  faltige 
Randhaut  verknüpft,  stellt,  was  Dahl  nicht  beachtet  hat,  eine  Rinne 
oder  Führung  vor,  in  welcher  die  nach  aussen  etwas  wulstig  vor- 
springende Sehnenplatte  sich  auf-  und  niederbewegen  kann." 

Die  Gleitrinne  ist  ebenso  wie  die  Streckplatte  als  eine  verdickte 
Modifikation  der  das  Tarsenglied  abschliessenden  Haut  zu  betrachten, 
denn  sie  ist  morphologisch  ebenso  gebaut  wie  die  äussere  Chitinhülle; 
jedoch  ist  sie  an  ihrer  dorsalen  (concaven)  Oberfläche  glatt.  Die 
Matrix  breitet  sich  über  ihre  Unterfläche  aus.  Die  meist  schwach 
rinnenartig  gebogene  Gleitrinne  zeigt  verhältnissmässig  wenig  Ver- 
schiedenheiten (Figg.  30,  31,  36,  37,  38,  42,  54).  Sie  richtet  sich 
bezüglich  ihrer  Rundung  ziemlich  genau  nach  der  äusseren  Form 
des  Tarsus  und  bildet  dem  entsprechend  bei  Insekten  ohne  Haft- 
läppchen, da  das  Tarsenendglied  fast  walzig  rund  erscheint,  eine 
etwas  stärker  zusammengebogene  Rinne  als  bei  solchen  Insekten, 
deren  Füsse  Haftläppchen  tragen.  Die  Tarsenendglieder  der  letzteren 
sind  nehmlich  flacher,  d.  h.  von  oben  nach  unten  zusammengedrückt; 
infolgedessen  erscheint  die  Gleitrinne  ebenfalls  sehr  flach.  Mit  dem 
ventralen  Rande  des  Tarsus  ist  sie  ziemlich  fest  verwachsen,  schliesst 
sich  in  der  Form  genau  an  diesen  an  und  ragt  schräg  in  das  Lumen 
des  Tarsus  hinein.  Am  proximalen  Ende  ist  sie  meist  rundlich  ab- 
gestutzt, während  sie  an  den  Seiten  durch  eine  dünne  faltige  Rand- 
haut mit  dem  Tarsus  zusammenhängt.  Am  inneren  Ende  steht  sie 
durch  eine  elastische  Gelenkhaut  mit  der  Streckplatte  in  Verbindung. 
Bei  den  Insekten  mit  Haftläppchen  ist  sie,  da  der  Tarsalrand  ventral 
stark  zurückgetreten  ist,  kurz,  aber  sehr  breit  und  flach  (Fig.  31) 
und  am  distalen  Ende  meist  noch  mit  sehr  feinen  hellen  Wimper- 
haaren besetzt. 

Auch  bei  den  einkralligen  Klammerfüssen  der  Pediculinen 
(Figg.  36,  37)  findet  sich  die  Gleitrinne  in  einer  sehr  flachen,  schräg 


234  Alfred  Ockler:    Das  Kralleiiglied  am  lnsekteufuss. 

in  das  Lumen  des  Tarsus  frei  hineinragenden,  oval  abgerundeten 
Form.  Auf  dieselbe  werde  ich  in  dem  betreffenden  Abschnitt  näher 
eingehen. 

Nachdem  ich  die  beiden  für  das  'Krallenglied  in  Betracht 
kommenden  Modifikationen  der  das  Tarsenglied  abschliessenden  Haut, 
die  Streckplatte  und  deren  Gleitrinne,  im  voraus  behandelt  habe, 
will  ich  mich  zu  dieser  selbst  wenden. 

Die  abschliessende  Haut 

senkt  sich,  wie  Grab  er14)  treffend  bemerkt,  taschenartig  in  das 
Tarsenglied  ein.  Dieselbe  ist  sehr  weich,  helldurchscheinend,  fast 
farblos  und  hat  auf  ihrer  Aussenseite  feine  höckerartige  Erhöhjungen, 
die  zum  Theil  in  sehr  kurze  härchenartige  Spitzen  auslaufen;  die 
am  proximalen  Ende  der  Streckplatte  und  Gleitrinne  sitzende  elastische 
Gelenkhaut,  welche  als  eine  besondere  Modifikation  der  abschliessenden 
Haut  zu  betrachten  ist,  zeigt  diese  warzenartig  höckerige  Oberfläche 
nicht,  sondern  ist  glatt;  sie  kann  von  der  abschliessenden  Haut  stets 
deutlich  unterschieden  werden. 

Schon  früher  habe  ich  erwähnt,  dass  Grab  er  die  der  Streck- 
platte von  Dahl  beigelegte  Bedeutung  bezweifeln  zu  müssen  glaubt, 
was  er  damit  begründet,  dass  die  Krallen  auch  noch  gestreckt  wurden, 
als  er  die  von  Dahl  für  die  Streckung  angenommene,  mitwirkende 
Druckkraft  des  Blutes  durch  Oeffnung  des  Fusses  eliminirt  hatte. 
Dies  musste  meines  Erachtens  auch  geschehen,  da  die  von  Dahl  er- 
wähnte elastische  Haut,  welche  das  proximale  Ende  der  Streckplatte 
mit  der  Gleitrinne  verbindet,  das  Hervortreiben  der  Streckplatte  in 
erster  Linie  veranlasst.  Um  über  die  von  Grab  er  gegen  Dahl 
gemachten  Einwendungen  Klarheit  zu  erlangen,  machte  ich  folgende 
Versuche. 

Ich  klebte  für  meinen  Zweck  geeignete  Insekten  mit  der  Bauch- 
oder Rückenseite  auf  einen  Objektträger,  wobei  ich  besonders  darauf 
achtete,  dass  nur  die  letzten  Tarsenglieder  frei  blieben.  Darauf 
trennte  ich  die  Krallen  von  der  Streckplatte  und  Hess  das  Bein 
durch  Reizung  des  Insekts  functioniren.  Hierbei  sah  ich,  dass  die 
Streckplatte  nicht  weiter  in  das  Tarsenglied  zurückgezogen  wurde, 
als  im  normalen  Zustande,  dass  sie  aber  eben  so  viel  wieder  vor- 
geschoben wurde.  Ausserdem  präparirte  ich  an  frisch  abgeschnittenen 
Beinen  die  Sehne  des  Krallenbeugers  an  geeigneten  Stellen  frei,  zog 
daran  und  kam  zu  demselben  Resultat;  die  elastische  Haut  dehnte 
sich  erst  bei  stärkerem  Ziehen  etwas  mehr  nach  innen  aus.  —  End- 
lich machte  ich  noch  folgenden  Versuch.  Ich  öffnete  ein  Bein  von 
Melolontha  vulgaris  an  verschiedenen  Stellen,  kochte  dasselbe  in 
Kalilauge  und  machte  es  nach  Behandlung  mit  Alkohol  in  Nelkenöl 
möglichst  durchsichtig.  Als  ich  nun  an  der  Sehne  zog,  sah  ich 
deutlich,  wie  beim  Nachlassen  des  Zuges  die  elastische  Haut  sich 
contrahirte  und  die  Streckplatte  vorschob.  In  diesem  Falle  war 
also  eine  Mitwirkung  der  lUuttfüssigkeit  nicht  möglich,  und  dennoch 


Ein  Beitrag  zur  Keuntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  235 

wurde  die  Streckplatte  in  ihre  natürliche  Lage  zurückgebracht.  Bei 
diesem  Experiment  fiel  auf,  dass  die  abschliessende  faltige  Haut  sich 
ebenfalls  etwas  mit  ausdehnte  und  wieder  zusammenzog.  Ich  er- 
kläre mir  diese  Mitwirkung  durch  die  faltige  Anordnung  derselben. 
Dalil*)  schreibt  über  diese  Haut  wohl,  dass  sie  gefaltet  ist,  aber 
nicht  wie,  ob  längs  ob  quer.  Dieselbe  ist,  wie  aus  Da  hl 's  Zeich- 
nung allerdings  schon  hervorgeht,  an  den  Seiten  der  Streckplatte 
stets  schwach  längs  gefaltet;  am  proximalen  Ende  der  letzteren  da- 
gegen legen  sich  die  Falten  um  die  Streckplatte  herum  und  ver- 
laufen nach  dem  Tarsalrande  und  den  Krallen  hin  breiter  und 
flacher.  Für  die  Funktion  der  Streckplatte  ist  diese  Anordnung  der 
faltigen  Haut  jedenfalls  durchaus  zweckentsprechend.  Um  mich  nun 
zu  überzeugen,  in  wie  weit  die  faltige  Haut  bei  der  Streckung  der 
Krallen  mitwirke,  zerstörte  ich  die  elastische  Gelenkhaut  mit  der 
Präparirnadel,  zog  an  der  Sehne  und  fand  beim  Loslassen  derselben, 
dass  die  Krallen  sich  viel  langsamer  streckten  als  vorher,  und  dass 
dies  überhaupt  wohl  nur  noch  durch  das  Zusammenziehen  der 
Falten  verursacht  wurde;  denn  der  Druck  der  Blutflüssigkeit  konnte 
infolge  der  durch  Zerstörung  der  elastischen  Gelenkhaut  entstandenen 
Oeffhung  nicht  mehr  in  Betracht  kommen.  Dasselbe  Resultat  er- 
zielte ich  bei  dem  —  wie  oben  angegeben  —  behandelten  Melolontha- 
fuss.  Hieraus  schliesse  ich,  dass  die  elastische  Gelenkhaut  das  Vor- 
treiben der  Streckplatte  in  erster  Linie  veranlasst. 

Das  Zusammenwirken  der  elastischen  und  faltigen  Haut  mit  der 
Streckplatte  denke  ich  mir  nun  folgendermassen. 

Beim  Zurücktreten  beschreibt  die  Streckplatte,  wie  ich  schon 
angegeben  habe,  mit  ihrem  proximalen  Ende  eine  kleine  Curve  nach 
oben  und  innen,  wobei  sie  nicht  nur  die  elastische,  sondern  auch 
die  faltige  Haut  ausdehnt.  Zugleich  drückt  sie  die  Blutflüssigkeit, 
von  der  Dahl  wohl  angiebt,  dass  sie  in  den  Fuss  zurückweicht, 
aber  nicht  wo  sie  bleibt,  gegen  die  feste  Hülle  des  Tarsengliedes. 
Da  diese  natürlich  Widerstand  leistet,  so  sucht  sich  das  Blut  einen 
anderen  Ausweg;  es  drückt  zurück  und  trifft  auf  die  faltige  Haut, 
welche  sich  glättet.  Lässt  der  Zug  der  Sehne  nach,  so  tritt  das 
umgekehrte  ein.  Es  wirken  bei  der  Beugung  und  Streckung  der 
Krallen  eben  eine  Reihe  einzelner  Momente  zusammen,  wie  sie  ein- 
facher und  passender  wohl  kaum  gedacht  werden  können.  —  Durch 
denselben  mechanischen  Vorgang  erklärt  sich  ferner  das  Eindringen 
der  Fussdrüsenflüssigkeit  in  die  später  zu  betrachtenden  Haftläppchen, 
die  mit  dem  Innern  des  Tarsus  stets  in  direkter  Verbindung  stehen, 
und  von  denen  schon  Dewitz8)  meint,  dass  sie  beim  Gebrauch 
strotzend  gemacht  werden,  da  sie  sonst  schlaff  herabhängen. 

Bemerkenswerthe  Unterschiede  in  Form  und  Lage  zeigt  auch  der 
Gelenkhöcker  für  die  Krallen,  zu  dem  ich  jetzt  übergehen  will. 
Denselben  habe  ich  bis  jetzt  nirgends  beschrieben  gefunden;  es  wird 
nur  seine  Existenz  und  allgemeine  Lage  erwähnt. 


236  Alfred  Ockler:    Das  Krallenglied  am  Insekteufuss. 


Der  Krallengeleiikhöcker 

befindet  sich  entweder  im  oberen  inneren  Theil  des  Tarsus  (Figg.  4, 
30,  42)  dicht  an  dessen  distalem  Ende  in  der  medianen  Längsachse 
des  Gliedes,  er  ragt  schräg  in  distaler  Richtung  in  das  Lumen  hin- 
ein; oder  er  ist  ganz  an  den  Rand  des  Tarsus  gerückt  und  bildet 
in  diesem  Falle  gewissermassen  nur  eine  verdickte,  nach  unten  ge- 
bogene Fortsetzung  desselben  (Figg.  22,  31,  36,  37).  Der  Krallen- 
höcker ist  am  Grunde  entweder  direkt  mit  der  Chitinhülle  verwachsen 
(Fig.  5),  und  dies  ist  bei  den  Insekten  ohne  Haftläppchen  der  Fall, 
oder  er  sitzt  auf  einer  bogenartigen  Chitinverdickung  (Figg.  28,  45,  47), 
die,  sich  dem  äusseren  Rande  des  Tarsengliedes  gewissermassen  an- 
schmiegend, nach  den  Seiten  schwächer  werdend  ausläuft;  welche 
Verdickung,  wie  sich  bei  der  Betrachtung  des  Tarsalrandes  im  fol- 
genden Abschnitt  ergeben  wird,  als  skelettale  Verstärkung  des  Tarsen- 
gliedes durchaus  nothwendig  ist.  Die  zweite  Form  des  Krallenhöckers 
findet  sich  bei  Insekten  mit  Haftorganen  am  Krallengliede. 

Bei  den  zweikralligen  Insekten  ohne  Haftläppchen  ist  der  Krallen- 
höcker am  distalen  Ende  meist  schwach  herzförmig  (Fig.  5),  bei  den 
einkralligen  einfach  quer  zur  Längsachse  abgerundet  (Fig.  30).  Bei 
denen  mit  einem  mittleren  Haftläppchen  dagegen  ist  er  breiter  (Fig.  28), 
so  dass  die  Krallen  weiter  von  einander  stehen,  und  hat  entweder 
für  diese  je  einen  seitlichen  Vorsprung  (Fig.  10),  während  er  in  der 
Mitte  zur  Einlenkung  der  dorsalen  Skeletttheile  des  Haftläppchens 
rinnenartig  ausgeschnitten  ist,  oder  er  hat  3  kleine  Vorsprünge,  an 
denen  sich  die  genannten  Theile  ansetzen. 

Bei  den  Dipteren  ist  der  Krallenhöcker  wieder  etwas  schmaler 
(Fig.  57);  er  zeigt  an  der  Aussenseite  hinter  den  Vorsprüngen  mi- 
die Krallen  entweder  kleine  Aushöhlungen  oder  ebenfalls  vorsprung- 
artige  Erweiterungen  zur  Einlenkung  für  die  Skeletttheile  der  Haft- 
läppchen. 

Auch  der  Krallenhöcker  ist  morphologisch  wohl  als  eine  Ver- 
dickung der  Chitinhülle  aufzufassen,  denn  er  zeigt  auf  Schnitten 
eine  sehr  fein  geschichtete,  dunkle  Streifung,  wie  er  sich  denn  gegen 
die  umliegende  Tarsalwand  überhaupt  stets  dunkler  abhebt.  Die 
Matrix  setzt  sich  von  dieser  über  seine  Innenseite  fort. 

Schöne  Anpassungen  an  die  Funktion  des  Krallengliedes  zeigt 
uns  endlich 

der  distale  Rand  des  Tarsenendgliedes. 

Bei  den  Insekten  ohne  Haftläppchen  ist  er  ziemlich  überein- 
stimmend gebaut,  und  zwar  ist  der  Tarsus  quer  zu  seiner  Längs- 
achse abgeschnitten  (Fig.  55).  Für  die  Excursionsgrenze  der  Krallen 
kommt  aus  leicht  erklärlichen  Gründen  nur  der  ventrale  Theil  des 
Randes  in  Betracht,  gegen  den  sich  die  Krallen  zu  legen  haben. 
Dieser  ist  nun  an  jeder  Seite  ein  wenig  ausgeschnitten;  infolgedessen 


Ein  Beitrag-  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funkfcion.  237 

können  die  Krallen,  da  sie  ihren  dickeren  Grundtlieil  in  diesen  Aus- 
schnitt hineinlegen,  weiter  zurückgeschlagen  werden;  auf  diese  Weise 
bilden  sie  mit  dem  Tarsus  einen  regelrechten,  zum  Klettern  vor- 
züglich geeigneten  Haken  (Fig.  42). 

Eine  überaus  zweckentsprechende  Einrichtung  fand  ich  bei  den 
Laufkäfern  (Fig.  48).  Bei  diesen  ist  der  mittlere  ventrale  Theil  des 
Tarsenrandes  in  eine  breite  zungenförmige  Spitze  ausgezogen,  die 
am  ganzen  Gliede,  von  oben  betrachtet,  ziemlich  stark  über  dessen 
Rand  hervorragt.  Diese  Spitze  ist  eine  direkte  Verlängerung  der 
Chitinhülle  und  der  Gleitrinne;  sie  hat  entschieden  den  Zweck,  der 
kurzen,  breiten  Streckborste  als  eine  Gleitfläche  zu  dienen,  welche 
die  Borste  niemals  zu  verlassen  hat.  Ich  halte  diese  Einrichtung 
bei  den  Laufkäfern  für  durchaus  nothwendig,  und  erkläre  mir  das 
so  schnelle  Laufen  dieser  Insekten  wenigstens  zum  Theil  aus  diesem 
Umstände.  Die  Streckborste  würde,  wenn  sie  über  den  Tarsalrand 
hinaus  ragte,  auf  zuviel  verschiedene  Hindernisse  stossen,  da  sie  dann 
auf  derselben  Unterlage  wie  die  Krallen  eine  Stütze  suchen  müsste; 
infolgedessen  könnte  sie  nicht  schnell  genug  functioniren.  Damit 
dieselbe  nun  mit  der  betreffenden  Fläche  gar  nicht  in  Berührung 
kommt,  ist  die  Gleitrinne  möglichst  weit  vorgeschoben.  Dass  diese 
Deutung  die  richtige  ist,  glaube  ich  daraus  schliessen  zu  können, 
dass  die  sonst  stets  an  der  Spitze  der  Streckborste  sitzenden  Tast- 
haare bei  den  Laufkäfern  fehlen,  die  Streckborste  selbst  aber  stets 
flach  und  zungenförmig,  in  der  Mitte  seitlich  etwas  verdickt  er- 
scheint. 

Die  gleiche  Einrichtung  findet  sich  bei  den  Wasserkäfern.  Diese 
Thatsache  scheint  mir  ein  neuer  der  vielen  zu  berücksichtigenden 
Punkte  für  den  Beweis  der  Ta seh enberg' sehen  Hypothese  zu  sein, 
dass  die  Wasserkäfer  nur  umgewandelte  Laufkäfer  sind. 

Bei  den  Füssen,  welche  vorwiegend  zum  Klammern  oder  Klettern 
dienen,  tritt  der  untere  Rand  des  Tarsus  mehr  zurück,  oder  der 
Krallenhöcker  nähert  sich  dem  oberen  Rande  (Fig.  22),  so  dass  die 
Krallen  sehr  weit  gegen  den  Tarsus  zurückgeschlagen  werden  können. 

Am  Tarsenglied  der  mit  Haftläppchen  versehenen  Insekten  da- 
gegen weicht  der  ventrale  Theil  des  Randes  sehr  bedeutend  zurück; 
das  Tarsenglied  erscheint  von  der  Unterseite  betrachtet  in  proximaler 
Richtung  gleichsam  sehr  weit  ausgeschnitten  (Figg.  16,  31).  Diese 
Einrichtung  hat  folgenden  Zweck.  Wenn  solche  mit  Haftorganen 
versehenen  Insekten  in  die  Lage  kommen,  ihre  Krallen  soweit  ein- 
schlagen zu  müssen,  dass  dieselben  sich  gegen  den  Rand  des  Tarsen- 
gliedes  legen  (und  zwar  bei  allen  zweikralligen  Insekten  an  dieselbe 
Stelle  der  seitlichen  Ausschnitte) ,  so  muss  für  die  zugleich  mit  der 
Streckplatte  zurücktretenden  Haftorgane  doch  Platz  zum  ausweichen 
vorhanden  sein,  wenn  sie  nicht  zerdrückt  oder  gequetscht  werden 
sollen;  durch  das  starke  Zurücktreten  des  unteren  Tarsalrandes  ist 
nun  der  nöthige  Raum  in  geeignetster  Weise  geschaffen.  Da  aber 
durch  diesen  Ausschnitt  der  obere  Rand  mit  dem  Krallenhöcker  an 


238  Alfred  Ockler:    Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

dem  flachen  Tarsenglied  dann  nicht  mehr  widerstandsfähig  genug 
sein  würde,  den  nöthigen  Druck  auszuhalten,  so  ist  er  durch  einen 
schmalen  Chitinbogen  verstärkt,  auf  welchem  der  Krallenhöcker  sitzt; 
dieser  Chitinbogen  verläuft  nach  den  Seiten  am  Tarsalrande  entlang 
immer  schwächer  und  spitzer  werdend.  Ich  kann  mir  eine  andere 
Erklärung  für  die  Bedeutung  dieses  Bogens  nicht  geben  und  möchte 
als  Beweis  für  meine  Erklärung  das  Krallenglied  einer  Fliege  gelten 
lassen,  die  keine  Haftläppchen  hat.  Bei  Leptogaster  (Fig.  59)  ist 
weder  der  ventrale  Theil  des  Tarsenrandes  zurückgetreten,  noch  findet 
sich  der  skelettale  Chitinbogen  an  dessen  Rand;  das  Tarsenendglied 
ist  vielmehr  normal,  wie  bei  den  Insekten  im  allgemeinen  gebaut. 

Welche  Faktoren  bei  der  Zurückschiebung  der  Haftläppchen  in 
die  natürliche  Lage  mitwirken,  habe  ich  an  anderer  Stelle  aus- 
geführt und  will  bei  der  Beschreibung  der  Haftläppchen  auf  die- 
selben näher  eingehen.  Es  sind  jedoch  noch  einige  Momente  be- 
sonders zu  beachten,  welche  die  Haftläppchen  ebenfalls  zurückschieben 
helfen.  An  der  Unterseite  des  Tarsenendgliedes  finden  sich  in  der 
Nähe  des  Randes  häufig  federnd  wirkende  Borsten,  die  vielleicht 
„Druck  borsten"  genannt  werden  können,  gegen  welche  sich  die 
Haftläppchen  beim  Zurücktreten  legen.  Diese  Borsten,  welche  da- 
durch etwas  angespannt  werden,  beschränken  ihre  Thätigkeit  nur 
auf  die  Hebung  der  Haftläppchen;  sie  legen  sich  bei  diesen  stets 
nur  gegen  fester  chitinisirte  Theile;  meist  sind  2  derartige  Borsten 
vorhanden,  welche  theils  sehr  schlank,  theils  gedrungener,  öfter  auch 
flach,  fast  blattartig  erweitert  sind,  wie  bei  Pompilus  (Fig.  35);  in 
manchen  Fällen  sitzen  sie  auch  auf  kleinen  Vorsprüngen  des  Tarsen- 
randes, wie  bei  Eristalis. 

Ebenso  finden  sich  auf  der  dorsalen  Seite  des  Tarsengliedes  in 
der  Nähe  des  Randes  an  bestimmten  Stellen  einige  längere,  sehr 
schlanke,  gekrümmte  Borsten,  die  sicherlich  denselben  Zweck  haben 
wie  die  eben  erwähnten,  ein  zu  starkes  Biegen  und  Zusammen- 
drücken der  Haftläppchen  nach  oben  zu  verhindern.  Diese  Borsten 
können  vielleicht  auch  als  ,, Schutzborsten"  für  das  ganze  Krallen- 
glied angesehen  werden.  Tuffen  West27)  hält  sie  für  solche;  er 
schreibt  nämlich  über  den  Fuss  von  Sargus  (Dipt.):  ,,from  the  base 
of  the  fifth  tarsal  Joint  arise  11  long,  overarching  setae  (guard-hairs) 
which  bend  downwards  towards  their  points."  Ob  diese  Borsten 
Sinneshaare  sind,  möchte  ich  bezweifeln,  da  ich  bezüglich  Färbung, 
Bau  und  Einlenkung  bisher  keinen  Unterschied  mit  der  übrigen 
Behaarung  finden  konnte.  Bei  den  Pompiliden,  deren  Haftläppchen 
durch  eine  besondere  „Schutzplatte  mit  langen  steifen  Borsten" 
(Figg.  60,  61)  bedeckt  wird,  konnte  ich  diese  auf  der  Oberseite  des 
Tarsus  stehenden  Borsten  nicht  finden. 

Nach  diesen  Ausführungen,  von  denen  ich  hoffe,  dass  sie  zum 
Verständniss  des  Baues  und  der  Funktion  des  Krallengliedes  etwas 
beitragen  mögen,  will  ich  einige  Formen  desselben  schildern,  wie  sie 
mit  mehr  oder  weniger  grossen  Abweichungen  im  Insektengebiet 
immer  wiederzukehren  scheinen. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  239 


Zweikralliger  Insekteiifuss. 

Die  einfachsten  Formen  eines  solchen  Krallengliedes,  wie  ich 
sie  bisher  gefunden,  zeigt  unter  den  Käfern  Corymbites  aeneus 
(Fig.  55).  Bei  demselben  erscheint  das  Krallenglied  ebenso  wie  das 
ganze  Bein  dunkelbraun.  Die  Krallen  sind  einfach,  schwach  ge- 
bogen und  haben  am  Grunde  je  ein  kleines  Grübchen.  Die  beiden 
äussersten  Punkte  des  Tarsalrandes  auf  der  dorsalen  und  ventralen 
Seite  liegen  in  einer  Ebene,  welche  fast  senkrecht  zur  Längsrichtung 
des  Tarsengliedes  steht.  Der  Tarsalrand  weicht  von  der  dorsalen 
Seite  aus  nach  unten  etwas  zurück,  biegt  aber  unterhalb  der  mittleren 
horizontalen  Längsebene  des  Gliedes  dann  plötzlich  sehr  scharf  in 
distaler  Richtung  wieder  um.  In  die  hierdurch  an  jeder  Seite  ent- 
standene Auskerbung  legen  sich  die  Krallen  zurück  und  finden  zu- 
gleich einen  festen  Halt  gegen  Druck  nach  der  Seite,  nach  oben 
und  unten,  üass  die  Krallen  sich  beim  Zurückschlagen  etwas  spreizen 
müssen,  geht  daraus  hervor,  dass  sie  am  Krallenhöcker  dicht  neben 
einander,  an  der  Streckplatte  weiter  von  einander  eingelenkt  sind. 
Die  flache  schuppig  gefelderte  Streckplatte  läuft  in  eine  zungen- 
förmige  Streckborste  mit  etwas  verbreiterter  abgerundeter  Spitze 
aus,  sie  ragt  nur  wenig  über  den  Grund  der  Krallen  hinaus  und  ist 
an  der  Unterseite  der  Spitze  mit  2  feinen  hellen  Tasthaaren  besetzt, 
die  fast  halb  so  lang  sind  als  die  Krallen.  Der  Gelenkhöcker  für 
diese  hat  zwei  abgerundete  kleine  Vorsprünge. 

Dieser  Typus  findet  sich  bei  allen  zweikralligen  Insekten;  die 
Hauptabweichungen  von  demselben  zeigen  die  Laufkäfer  mit  der 
vorgeschobenen  Gleitrinne,  und  die  Insekten  mit  Haftläppchen,  bei 
denen  der  untere  Tarsalrand  stark  zurückgetreten  ist.  Eine  andere 
bemerkenswerthe  Abweichung  zeigt  der  zweikrallige  Fuss  der  Psociden ; 
bei  diesen  ist  der  Gelenkhöcker  für  die  Krallen  nehmlich  ganz  an 
den  Rand  des  Tarsus  getreten  (Fig.  22);  infolgedessen  können  diese 
Thiere  ihre  Krallen  ebenfalls  sehr  weit  zurückschlagen. 

Die  bedeutendsten  Unterschiede  zeigen  neben  den  Krallen 
die  Streckplatte  und  die  Streckborste  in  Form,  Grösse  und  Umfang 
(Figg.  9,  32,  33,  40,  47,  52,  62). 

Ich  will  hier  nur  noch  erwähnen,  dass  sich  die  Streckborste 
selbst  bei  am  Grunde  zusammengewachsenen  Krallen  findet,  wie  sie 
z.  B.  auch  Cleonus  sulcirostris  besitzt;  dieselbe  ist  aber  sehr  kurz 
und  flach.  Die  Krallen  haben  an  ihrer  mittleren  Naht  eine  kleine 
Auskerbung  für  den  Ansatz  der  Streckplatte  und  für  die  Streckborste, 
welche  durch  diese  Auskerbung  hindurch  tritt.  Da  die  zusammen- 
gewachsenen Krallen  fast  das  ganze  Lumen  des  Tarsengliedes  ver- 
schliessen,  so  braucht  die  Streckborste,  infolge  der  geringen 
Excursionsfähigkeit  derselben,  nicht  lang  zu  sein.  Dieselbe  Ein- 
richtung findet  sich  bei  den  unvollkommen  verwachsenen  Krallen. 

Sehr  abweichend  jedoch  ist  das  Krallenglied  von  Hoplia  gebaut. 
Während  bei  Anisoplia  noch  beide  Krallen  mit  der  Streckplatte  ver- 


240  Alfred  0  ekler:    Das  Kvalleuglied  am  Insektenfuss. 

bunden  sind,  ist  dies  bei  Hoplia  eigentlich  nur  die  eine  überaus 
mächtige  Kralle;  zu  diesem  Zweck  ist  die  Streckplatte  am  distalen 
Ende  schräg  abgestutzt  und  durch  eine  stark  entwickelte  Gelenk- 
haut mit  der  grossen  Kralle  verbunden.  Die  kleine  Kralle  steht  nur 
mit  dieser  am  Grunde  in  Verbindung ;  sie  kann  daher  nur  mit  Hülfe 
der  grossen  eingeschlagen  werden.  Die  Streckborste  fehlt  bei  dem 
Krallenglied  der  Hoplia  ganz,  da  sich  die  Streckplatte  mit  ihrer 
ganzen  Breite  an  die  Gelenkhaut  ansetzt. 

Recht  eigenthümlich  erscheinen  die  gespaltenen  Krallen  bei 
Meloe  (Fig.  50);  während  die  eigentlichen,  vollkommen  ausgebildeten 
Krallen  sich  neben  einander  befinden,  stehen  die  feineren,  hell  durch- 
scheinenden flachen  Nebenkrallen  ausserhalb  daneben;  letztere,  sich 
in  der  äusseren  Form  nach  den  eigentlichen  Krallen  richtend,  sind 
mit  diesen  am  Grunde,  auf  der  Aussenseite  dagegen  durch  die  ab- 
schliessende Haut  mit  der  Streckplatte  verbunden.  Ich  möchte  die- 
selben für  Greiforgane  halten,  wie  sie  die  Lepidopteren  haben,  mit 
denen  sie  ziemlich  übereinstimmen  (Figg.  20,  21).  —  Eine  bemerkens- 
werthe  Umwandlung  der  Streckborste  fand  ich  bei  den  Trichoptery- 
giden.  Die  kleine,  aus  winzigen  Käfern  bestehende  Familie  der  Feder- 
flügler  zeichnet  sich  schon  durch  die  eigenthümlich  federartig  ge- 
stalteten Flügel  aus,  an  denen  sie  leicht  erkannt  werden  können. 
Ein  ferneres  Merkmal  für  dieselben  bildet  eine  flache,  hell  durch- 
schimmernde weiche  Haut,  die  sich  zwischen  den  Krallen  befindet; 
dieselbe  geht  direkt  aus  der  Streckplatte  hervor  und  wird  als  Haft- 
häutchen  angesehen,  wozu  sie  sich  auch  wohl  eignen  dürfte;  sie  ist 
leicht  mit  Farbe  durchtränkbar. 

Nach    diesen    Auseinandersetzungen    wende    ich    mich    zu    den 

Itralleiigliedern  mit  Haftorgauen. 

Die  seit  16(>4  durch  Power  angeregte  Frage,  wie  es  vielen 
Insekten  möglich  wird,  an  senkrechten  oder  überhängenden  glatten 
Flächen  sich  aufzuhalten  oder  herumzulaufen,  hat  die  Aufmerksam- 
keit der  Forscher  wiederholt  auf  sich  gezogen.  Infolge  der  ver- 
schiedenen Erklärungsversuche  dieser  Eigentümlichkeit  ist  eine 
ziemlich  umfangreiche  Litteratur  erschienen,  welche  insofern  recht 
eingehend  ist,  als  jeder  Forscher  sich  fast  ausschliesslich  mit  der 
Lösung  der  erwähnten  Frage  beschäftigt,  sich  bezüglich  des  Baues 
der  Haftorgane  dagegen  stets  nur  auf  eine  äusserst  kurze  Beschreibung 
von  deren  äusseren  Formen  beschränkte.  Erst  in  der  neuesten  Zeit, 
seit  Dewitz")  seine  Studien  diesem  Gebiet  ebenfalls  zuwandte  und 
dadurch  die  Po  wer 'sehe  Frage  von  neuem  anregte,  hat  sich  durch 
einige  im  Anschluss  an  Dewitz'  Arbeiten  erschienene  Abhandlungen 
unsere  Kenntniss  vom  Bau  der  Haftorgane,  besonders  durch  die 
Untersuchungen  Dali l's,  bedeutend  erweitert. 

Aus  der  von  Simmermacher82)  und  Dahl4u-5)  gegebenen  Zu- 
sammenstellung und  Beleuchtung  der  einschlägigen  Litteratur  geht 
deutlich  hervor,  welche  Vorstellungen  die  betreffenden  Entomologen 
von  den  Haftorganen  und  ihrer  Wirkungsweise    hatten.      Da  ich  in 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  241 

dieser  Arbeit  nur  den  Bau  und  die  Mechanik  des  Krallengliedes  be- 
handeln will,  so  erscheint  es  überflüssig,  diese  Litteratur  hier  nochmals 
zu  besprechen;  ich  kann  deshalb  wohl  auf  die  beiden  genannten 
Arbeiten,  beziehungsweise  auf  die  Referate  von  Emery9)  und 
Graber14)  über  die  Arbeiten  Dahl's  und  Simmermacher's  ver- 
weisen. Die  wenigen  anatomischen  Merkmale  über  die  Haftorgane 
am  Krallengliede,  welche  in  dieser  Litteratur  enthalten  sind,  werde 
ich  den  einzelnen  Abschnitten  vorausschicken;  die  durch  Dahl  ge- 
wonnenen Resultate  dagegen,  welche  —  soweit  mir  bekannt  —  bisher 
noch  nicht  fortgesetzt  oder  ergänzt  sind,  werde  ich  eingehender  be- 
sprechen; über  Dahl's  Untersuchungen  sei  hier  nur  noch  erwähnt, 
dass  sie  die  ersten  sind,  welche  diese  Theile  des  Insektenkörpers 
durch  genauere  Analyse  mittels  der  neuesten  Untersuchungsmethoden 
behandeln. 

Haftorgane  am  Krallengliede  finden  sich  bei  den  Dipteren, 
Hymenopteren,  Hemipteren,  Lepidopteren,  Neuropteren  und  Orthop- 
teren. Dieselben  erscheinen  in  der  Form  von  behaarten  oder  un- 
behaarten Haftläppchen  neben  oder  an  den  Krallen  und  bieten  für 
die  einzelnen  Ordnungen  typische  Formen. 

Als  zweikralliges  Tarsenglied  mit  mittlerem  unpaaren  Haft- 
läppchen schildere  ich  das  der  Hymenopteren,  einmal  weil  das  Haft- 
läppchen bei  diesen  Insekten  am  complicirtesten  gebaut  ist,  und  weil 
es  zweitens  schon  von  Dahl  kurz  und  ziemlich  treffend  beschrieben 
wurde. 

Das  Haftläppchen  der  Hymenopteren  wurde  erst  fast  100  Jahre 
später  als  diejenigen  der  Fliegen  beschrieben,  und  zwar  von  Swam- 
merdam:  „Zwischen  den  Nägeln  ist  ein  sehr  weiches  häutigesWesen, 
das,  wenn  es  zerdrückt  wird,  eine  helle,  durchsichtige  Feuchtigkeit 
ergiesset.  Die  Bienen  können  es  im  Gehen  nach  auswärts  bewegen. 
Und  das  thun  sie  nach  meinem  Bedünken,  wenn  sie  über  die  soeben 
zugesponnene  Brut  oder  das  frisch  verfertigte  Wachs  hinlaufen  wollen. 
Zu  der  Zeit  halten  sie  dann  ihre  Nägel  ein,  so  wie  etwa  die  Katzen 
thun,  die  mit  Jemand  spielen." 

Kirby  und  Spence18)  halten  das  Haftläppchen  zuerst  für  ein 
Haftorgan,  und  zwar  für  einen  Saugnapf.  Ihnen  schlössen  sich 
Hartig15),  Tuffen  West27)  und  Simmermacher22)  an. 

Hartig  schreibt:  „Weit  entwickelter,  als  an  den  ersten  4  Tarsen- 
gliedern  sind  die  Saugnäpfe  am  letzten,  wo  sie  zwischen  den  beiden 
hornigen,  gekrümmten  Klauen  liegen.  Das  Haftläppchen  besteht  aus 
einer  doppelten,  sackförmig  geschlossenen,  nach  aussen  sich  erweitern- 
den, derben  Membran,  welche  an  ihrer  Oberseite  durch  eine  ge- 
bogene Hornschuppe,  und  eine  derbere,  bis  zum  Vorderrand  der 
Membran  sich  erstreckende  und  dort  nach  unten  leicht  gekrümmte 
Horngräte,  in  der  Mitte  aber  durch  eine  ringförmige,  in  der  Mem- 
bran von  einer  Ecke  der  Hornschuppe  zur  anderen  sich  hinziehende 
Horngräte  unterstützt  und  ausgespannt  wird."  Im  Princip  erkannte 
er  den  Bau  des  Haftläppchens  also  richtig,  jedenfalls  viel  besser  als 

Avch.  f.  Natnrgesch.  Jahv«.189n.  Ba.I.  H.3.  16 


242  Alfred  Ockler:    Das  Krallenglied  am  Iusektenfuss. 

Simmermacher,  nach  dessen  Untersuchungen  „die  Bienen"  (und 
auch  andere  von  ihm  untersuchte  Hymenopteren)  „eben  so  gut  Haft- 
läppchen mit  Chitinhärchen  besitzen  wie  die  Fliegen".  „Dieselben 
sind  indessen,"  wie  Simmermacher  weiter  schreibt,  „nicht  scharf 
in  zwei  oder  drei  Theile  gesondert,  wie  bei  den  Fliegen,  sondern  mehr 
oder  weniger  zusammen  verschmolzen.  Hummeln,  welchen  die  Haft- 
läppchen wirklich  fehlen,  vermögen  nicht  an  Glas  zu  laufen." 
Die  Chitinhärchen,  welche  sich  nach  Simmermacher's  Ansicht  auf 
den  Haftläppchen  der  Hvmenopteren  finden,  haben,  wie  er  weiter 
meint  (ebenso  wie  bei  den  Fliegen),  „die  Bedeutung,  der  ganzen  als 
Saugapparat  wirkenden  Fläche  der  Haftläppehen  Elastieität  zu  ver- 
leihen, und  dadurch  das  schnelle  Laufen  an  glatten  Flächen  zu  er- 
möglichen." Genauer  untersuchte  er  ferner  —  nach  seiner  An- 
sicht —  „die  Wespe  (Vespa  vulgaris),  die  Biene  (Apis  mellifica)  und 
die  Hornisse  (Vespa  crabro),  bei  denen  das  Haften  an  glatten  Flächen 
auf  Bildung  eines  Vacuums  beruhen  solle;  indem  der  eine  Höhlung 
umschliessende  Haftlappen  wie  ein  Saugnapf  wirke,  welcher  durch 
Andrücken  und  Wiedernachlassen  einen  luftleeren  Raum  bildet. 
Letzterer  soll  durch  das  am  Bande  austretende  Sekret  noch  luft- 
dichter verschlossen  werden." 

Aus  diesen  höchst  unvollkommenen  Betrachtungen  Simmer- 
macher's geht  deutlich  hervor,  dass  er  die  im  ersten  Theil  seiner 
Arbeit  durchgeführte  Saugnapftheorie  auch  auf  die  Haftorgane  am 
Krallengliede  übertragen  wissen  will,  ohne  jedoch  ausreichende  Studien 
an  denselben  gemacht  zu  haben.  Er  ist  sich  nicht  einmal  über  ihre 
Wirkungsweise  klar  geworden,  denn  er  schreibt,  dass  die  Fähigkeit, 
an  glatten  Flächen  zu  laufen,  nicht  auf  blosser  Adhäsion  und  Be- 
feuchtung, sondern  auf  Bildung  eines  Vacuums  beruhe,  ohne  uns 
jedoch  über  das  Entstehen  des  letzteren  aufzuklären.  Nachdem 
Dewitz  und  Dahl  festgestellt  haben,  dass  kein  abgeschlossener  Raum 
entsteht,   kann  von  einer  Saugwirkung  wohl  keine  Rede  mehr  sein. 

Recht  unglücklich  ist  ferner  Simmermacher's  Vergleich  der 
Haf'tläppchen  der  Hvmenopteren  mit  denen  der  Fliegen.  Er  schreibt: 
„Es  finden  sich  nämlich  nicht  mehr  2  oder  3  getrennte  Haftläppchen, 
wie  bei  den  Dipteren,  sondern  nur  ein  einziger,  welchen  wir  ge- 
wissermassen  als  durch  eine  Verschmelzung  von  2  Dipterenhaftlappen 
entstanden  ansehen  können.  Den  Eindruck,  als  haben  sich  2  Haft- 
läppchen mit  ihren  inneren  Seitenrändern  an  einander  gelegt,  und 
so  eine  Art  Schale  gebildet,  empfängt  man  besonders  bei  Betrachtung 
des  Fusses  von  Vespa  vulgaris."  Kurz  darauf  verwahrt  er  sich 
aber  gegen  die  Ansicht,  dass  die  Haftläppchen  der  Hymenopteren  aus 
denen  der  Dipteren  durch  Verschmelzung  sich  entwickelt  haben  könnten. 

Schon  bei  Betrachtung  dieser  Haftläppchen  mit  einer  guten  Lupe 
kann  man  sehen,  dass  das  der  Hymenopteren  nicht  nur  einen  anderen 
Sitz  hat,  sondern  auch  ganz  anders  gebaut  ist  als  die  der  Dipteren. 
Während  man  bei  diesen  die  auf  ihnen  stehenden  Härchen  schon 
mit    schwacher    Vergrösserung    erkennen    kann,    ist    dies    bei    den 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  24'd 

Hymenopteren  nur  bei  stärkerer  Vergrösserung  möglich.  Im  übrigen 
lässt  sich  Simmermacher  auf  den  Bau  der  Haftläppchen  nicht  weiter 
ein;  selbst  die  am  Krallengliede  der  anderen  Insektenordnungen  be- 
findlichen Haftorgane  fand  er  „wie  bei  den  Fliegen." 

In  anderer  und  zwar  entsprechenderer  Weise  betrachtete  Dahl*) 
das  Haftläppchen  der  Hymenopteren,  auf  dessen  Bau  er  näher  ein- 
geht. Er  schreibt  nämlich:  „Der  Raum  zwischen  den  Krallen  ist 
unmittelbar  zum  Haftläppchen  erweitert.  Vollkommen  ausgebreitet 
hat  es  eine  fast  verkehrt  herzförmige  Gestalt  (Fig.  16).  Die  untere 
Fläche  ist,  namentlich  in  ihrem  unteren  Theile,  weich  und  fast  glatt, 
näher  nach  der  Basis  hin  dagegen  mit  kurzen  Härchen,  oft  nur 
spärlich,  besetzt.  Dieselben  stehen  auf  kleinen  Höckerchen  und 
gehen  unmittelbar  in  diese  über,  sind  also  nur  als  Anhängsel  der 
Hautmasse  anzusehen.  Weiter  nach  dem  Grunde  hin  tritt  in  der 
Mitte  eine  harte  Chitinmasse  mit  stärkeren  Haaren  auf,  welche  sich 
als  unmittelbare  Fortsetzung  der  Streckplatte  erweist.  Die  Ober- 
seite des  Haftläppchens  ist  nach  der  Spitze  hin  ebenfalls  weich  und 
entweder  mit  Haaren  bedeckt,  oder  die  Haut  ist  dicht  und  fein  ge- 
faltet. Näher  der  Wurzel  tritt  in  der  Mitte  eine  feste  Chitinplatte 
auf,  die  zwischen  den  Krallenwurzeln  liegend  durch  eine  Gelenkhaut 
mit  dem  dorsalen  Theil  der  Chitinhülle  des  letzten  Tarsengliedes 
in  Verbindung  steht.  Diese  Platte  trägt  meist  ein  Paar  starker 
Borsten.  Im  Inneren  des  Haftläppchens  befindet  sich  noch  ein 
Chitinbogen,  der  nahe  unter  dem  Ende  der  oberen  Platte  quer  durch 
den  ganzen  Lappen  geht,  und  der  jederseits  schräg  aufwärts  bis  in 
die  äussersten  Ecken  desselben  verläuft.  Dieser  Bogen  in  Verbindung 
mit  der  oberen  Platte  bewirkt  das  Zurückfallen  des  Haftläppchens. 
Der  elastische  Bogen  rollt  sich  im  Ruhestande  zusammen  und  legt 
die  beiden  äusseren  Ecken  nach  oben  aneinander.  Dann  drückt  die 
obere  Platte  das  Ganze  nach  unten  und  legt  es  vor  das  Ende  des 
letzten  Tarsengliedes." 

Das  Krallenglied  der  Hymenopteren  bietet  schon  äusserlich  eine 
grosse  Reihe  sehr  interessanter  Verschiedenheiten,  die  bei  einer 
genaueren  Untersuchung  jedenfalls  ein  sehr  hübsches  Resultat  er- 
geben würden.  Das  Krallenglied  erscheint  zumeist  gelbbraun  bis 
rothbraun;  nur  einzelne  Theile,  wie  das  proximale  und  distale  Ende 
der  Krallen,  der  Krallenhöcker  und  der  elastische  Bogen  im  Haft- 
läppchen sind  stets  dunkler  gefärbt.  Wie  der  ganze  Tarsus  stark 
behaart  ist,  so  finden  sich  bei  den  Hymenopteren  auch  an  den  Krallen 
vielfach  Härchen,  von  denen  einzelne,  namentlich  am  Grunde  der- 
selben ziemlich  lang  und  borstenartig  sind.  Die  Krallen  selbst  haben 
ein  grosses  Lumen  und  werden  erst  nach  der  Spitze  hin  fester  und 
dunkler;  sie  sind  seitlich  stark  zusammengedrückt  und  zeigen  an 
der  Innenseite  des  proximalen  Theiles  meist  eine  schwache  Ein- 
biegung.    Am  dorsalen  Theil,    vom   Gelenkhöcker  ab,    sind   sie  der 

*)  4.    pag.  24. 

16* 


244  Alfred  Öckler:    Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

Länge  nach  durch  eine  starke  Chitinleiste  gestützt,  die  sich  fast  bis 
zur  Spitze  genau  verfolgen  lässt.  An  der  Innenseite  der  ventralen 
vorsprungartigen  Erweiterung  finden  sich  regelmässig  eine  oder  mehrere 
lange  stärkere  Borsten,  welche  oft  bis  zur  Spitze  der  Krallen  reichen, 
aber  mehr  nach  unten  geneigt  sind.  Das  sackförmige,  zwischen  den 
Krallen  liegende  Haftläppchen  hat,  da  es  sehr  weich  ist  und  ohne 
Halt  leicht  beschädigt  werden  könnte,  stützende  Skeletttheile,  welche 
sich  an  allen  Seiten  finden.  Die  auf  der  Oberseite  liegende  Platte, 
von  Dahl  ,, Druckplatte"  genannt,  ist  zwischen  den  Krallen  —  wie 
diese  —  am  Gelenkhöcker  beweglich  eingelenkt;  sie  findet  sich 
stets  in  den  Haftläppchen  der  Hymenopteren ;  ebenso  auch  die  auf 
der  Unterseite  des  Haftläppchens  liegende  Strecksohle,  welche  regel- 
mässig mit  stärkeren  Haaren  besetzt  ist,  die  auch  am  distalen  Ende 
der  Streckplatte  vorkommen.  Die  Strecksohle  (Figg.  16,  19,  43),  welche 
meist  etwas  breiter  ist  als  die  Streckplatte,  geht  am  distalen  Ende 
stets  scharf  abgesetzt  in  die  helle,  weiche  und  fast  glatte  Haut  über, 
welche  das  eigentliche  Haftläppchen  bildet  und  an  der  ventralen  Seite 
mit  kurzen  höckerartigen  Härchen  besetzt  ist.  —  Zwischen  der 
Streckplatte  und  der  in  ihrer  Verlängerungsebene  liegenden  Streck- 
sohle einerseits  und  den  Krallen  andererseits  finden  sich  oft  noch 
kleine  scharf  abgesetzte  Chitinplättchen  eingeschaltet  (Fig.  19),  die 
wohl  ebenfalls  nur  zur  skelettalen  Verstärkung  dienen.  Dieselben 
sah  ich  bisher  nur  an  solchen  Haftläppchen,  bei  denen  die  Streck- 
platte am  distalen  Ende  nicht  gerade  abgestutzt,  sondern  seitlich 
etwas  ausgeschnitten  ist  und  somit  fast  spitz  ausläuft. 

Ich  wende  mich  jetzt  wieder  zu  der  oberen  Platte.  Die  Be- 
zeichnung als  „Druckplatte"  seitens  Dahl's  scheint  mir  nur  eine 
willkürlich  gewählte  zu  sein,  da  Dahl  keine  ausreichende  Erklärung 
für  dieselbe  giebt.  Ich  möchte  sie  als  eine  rein  skelettale  „Stütz- 
platte" angesehen  wissen,  die  einen  Druck  in  Dahl's  Sinne  nicht 
auszuüben  vermag.  Dieselbe  ist  nämlich  stets  beweglich  am  Gelenk- 
höcker der  Krallen  zwischen  diesen  eingelenkt  und  zu  dem  Zweck 
am  proximalen  Ende  convex  abgerundet  (der  Gelenkhöcker  zeigt  dem 
entsprechend  eine  rinnenartige  flache  Vertiefung).  Die  Stützplatte 
ist  verschieden  gebaut.  Sie  läuft  am  distalen  Ende  entweder  in  eine 
mittlere  Spitze  aus,  welche  seitliche  Vorsprünge  hat  (Vespa  crabro) 
(Fig.  13),  oder  in  2  seitliche  Spitzen  (Tenthredo  rustica  und  flavi- 
cornis)  (Fig.  25),  oder  sie  ist  quer  zur  Längsrichtung  abgestutzt 
(Apis  mellifica,  Drohne)  (Figg.  16,  23).  Im  ganzen  ist  diese  Platte 
meist  sehr  schmal  und  lang,  ab  und  zu  auch  breiter  und  gedrungener. 
Im  letzteren  Falle  hat  sie  in  der  Mitte  einen  Kanal  (Fig.  58),  dessen 
grosse  Einmündung  an  der  proximalen  Unterseite  und  dessen  feine 
Ausmündung  (in  den  unteren  [distalen]  Theil  des  Haftläppchens) 
durch  eine  röhrenförmige  Verlängerung  am  distalen  Ende  deutlich 
zu  sehen  ist.  Auf  der  dorsalen  Seite  ist  die  Stützplatte  regelmässig 
mit  einigen  sehr  langen,  stark  gekrümmten  Borsten  besetzt.  Mor- 
phologisch hat  sie  denselben  Ursprung  wie  die  Streckplatte,  worauf 
die  Struktur  und  Matrix  hinweisen. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  -J45 

Der  im  Innern  des  Haftläppchens  befindliche  Bogen  verläuft  nahe 
unter  dem  distalen  Ende  der  Stützplatte  quer  durch  das  Haft- 
läppchen; derselbe  ist  theils  einfach  halbkreisförmig  gebaut  (Fig.  16) 
und  dann  meist  stark  und  gedrungen,  theils  in  der  Mitte  etwas  ein- 
gedrückt (Figg.  1,  26);  in  solchen  Fällen  aber  stets  schwächer  und 
länger. 

An  der  Oberseite,  nach  der  Spitze  hin,  ebenso  auch  auf  der 
Unterseite  bis  zur  Strecksohle  ist  das  Haftläppchen  ganz  weich- 
häutig;  es  besteht  aus  einer  zarten  Membran,  welche  sehr  leicht 
Farbe  aufnimmt;  dieselbe  ist  entweder  mit  feinen  Härchen  besetzt, 
oder  besonders  an  den  den  Krallen  zugewendeten  Seiten,  wie  die 
Haftläppchen  der  Fliegen,  mit  sehr  feinen  Chitinstreifen  durchsetzt, 
die  wohl  ebenfalls  nur  zur  Stützung  dienen.  Eine  feine  und  dichte 
Faltung,  wie  Dahl  angiebt,  konnte  ich  bisher  nicht  finden.  Auch 
an  den  Enden  des  Ghitinbogens  finden  sich  im  Haftläppchen  oft 
noch  einige  etwas  stärker  chitinisirte  Stellen. 

Bevor  ich  zur  Mechanik  des  Haftorgans  übergehe,  will  ich  noch 
ein  eigenthümliches  Gebilde  erwähnen,  das  sich  bei  den  Pompiliden 
findet.  Bei  diesen  ist  die  obere  Stützplatte  des  Haftläppchens  nicht 
direkt  am  Krallenhöcker  eingelenkt,  sondern  mit  der  Unterseite  einer 
abgerundeten,  flachschaligen  Platte  fest  verwachsen  (Fig.  24),  die 
ihrerseits  am  Krallenhöcker  beweglich  befestigt  ist  (Figg.  60,  61).  Diese 
kleine  „Schutzplatte"  erscheint  dunkelbraun,  sowie  an  ihrer  Ober- 
seite gleich  den  Krallen  dicht  mit  kurzen,  fast  schwarzen,  steifen 
Borsten  besetzt.  Im  hellen  schmalen  distalen  Rande  stehen  eine 
Reihe  (bis  25)  schwarzer,  sehr  steifer,  langer  Borsten,  welche  seitlich 
zusammengedrückt  und  mit  ihrem  distalen  Ende  nach  unten  gebogen 
sind.  Diese  Schutzplatte  bedeckt  das  verhältnissmässig  kleine  Haft- 
läppchen, welches  ausserdem  sehr  flach  ist,  fast  ganz,  ragt  mit  ihren 
langen  Randborsten  jedoch  weit  über  dasselbe  hinaus.  Die  Krallen, 
die  Strecksohle  und  der  distale  Theil  der  Streckplatte  zeigen  eine 
auffallig  starke,  fast  schwarze  Beborstung  (Figg.  2,  3).  Das  Haft- 
läppchen, welches  an  den  Seiten  sehr  stark  chitinisirt  erscheint,  ist 
bei  diesen  auf  der  Erde  lebenden  Insekten  durch  diese  Einrichtung 
gegen  Beschädigungen  gut  geschützt.  Ferner  finden  sich  am  Krallen- 
gliede  der  Pompiliden,  und  zwar  am  ventralen  Tarsalrande,  2  flache 
blattförmige,  mit  ihrer  Breitseite  horizontal  gestellte  Chitinborsten 
(Fig.  35),  die  etwas  beweglich  eingelenkt  sind  und  den  Ausschnitt 
des  Randes  an  den  Seiten  soweit  bedecken,  dass  das  Haftläppchen 
beim  Zurückweichen  den  Zwischenraum  gerade  ausfüllt. 

Was  nun  die  Funktion  des  Haftläppchens  anbetrifft,  so  schreibt 
Dahl*):  ,,Wenn  der  Fuss  auf  einer  glatten  Fläche  auftritt,  so  legen 
sich  die  Krallen  zurück  und  das  Läppchen  kommt  mit  der  Fläche 
in  Berührung.  Es  wird  durch  den  Druck  zunächst  vorgeschoben, 
und  erst  dann  breitet  sich  auch  der  Bogen  aus,   so  dass  die  Haft- 

*)  4.   pag.  25, 


246  Alfred  O ekler:  Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

fläche  allmählich  von  der  Mitte  bis  zum  Rande  mit  der  Unterlage 
in  Berührung  tritt." 

Aus  den  Worten  „es  wird  durch  den  Druck  vorgeschoben," 
konnte  ich  leider  nicht  ersehen,  welchen  Druck  Dahl  meint.  Ich 
bin  der  Ansicht,  dass  auch  hier  die  Streckplatte  das  Vorschieben 
übernommen  hat.  Sobald  nämlich  der  Zug  des  Krallenbeugers  nach- 
lässt,  senkt  sich  das  Tarsenglied  nach  unten,  indem  es  sich  um  die 
Spitzen  der  angreifenden  Krallen  dreht  (diese  werden  also  umgekehrt 
gestreckt!).  Die  dabei  mit  hervortretende  Streckplatte  schiebt  nun 
das  Haftläppchen  um  so  viel  vor,  als  sie  selbst  aus  dem  Tarsen- 
gliede  hervortritt;  erst  dann,  wenn  die  Krallen  kein  Hinderniss  mehr 
bieten,  drückt  das  Bein  das  Haftläppchen  fester  gegen  die  Unter- 
lage. Bei  diesem  Vorschieben  breitet  sich  das  Haftläppchen  dann 
mit  Hilfe  des  elastischen  Bogens  aus,  der  sich  mit  seinen  Enden 
gleichzeitig  in  distaler  Richtung  abwärts  neigt.  So  complicirt  dieser 
Vorgang  durch  diese  Darstellung  erscheint,  so  einfach  ist  er  bei  der 
Beobachtung  am  lebenden  Objekt.  —  Die  auf  der  Strecksohle  stehen- 
den Borsten  werden  beim  Anlegen  des  Haftläppchens  gegen  die  Unter- 
lage gedrückt  und  bereiten  dadurch  dessen  Lösung  vor.  Wenn  das 
ganze  Bein  gehoben  wird,  treten  die  Krallen  bei  dem  Abheben  des 
Haftläppchens  nicht  in  Thätigkeit;  jedenfalls  verlässt  die  Strecksohle 
die  betreffende  Fläche  stets  zuerst. 

Was  den  Innenraum  und  das  bei  der  Funktion  des  Haftlappens 
abgesonderte  Sekret  anbetrifft,  so  habe  ich  meine  Untersuchungen 
darüber  noch  nicht  abgeschlossen,  und  verweise  daher  zunächst  auf 
die  Resultate  Dahl's5). 

Da  Bau  und  Funktion  des  Haftläppchens  bei  den  Hymenopteren 
am  complicirtesten  ist,  so  kann  ich  mich,  nach  der  ausführlicheren 
Behandlung  desselben,  bei  den  übrigen  Insekten  mit  einem  unpaaren 
mittleren  Haftläppchen  wohl  auf  die  Erklärung  beschränken,  dass 
die  Mechanik  des  Krallengliedes  bei  denselben  mit  der  der  Hyme- 
nopteren übereinstimmt.  Der  Bau  des  Haftläppchens  wird  jedoch 
immer  einfacher.  Während  sich  nehmlich  bei  den  Phryganeen  noch 
die  obere  Stützplatte  und  der  elastische  Bogen  im  Haftläppchen 
finden,  fehlen  diese  Theile  bei  den  Lepidopteren,  bei  denen  nur  eine 
vom  Grunde  der  Krallen  ausgehende  hufeisenförmige  Chitinstütze 
für  das  Läppchen  vorhanden  ist  (Fig.  21);  letzteres  ist  auf  der 
Unterseite  kahl  und  weich.  Dagegen  findet  sich  bei  den  Lepidop- 
teren noch  die  Strecksohle  (Fig.  49) ,  meist  breiter  wie  die  Streck- 
platte, aber  sehr  kurz,  am  Rande  scharf  unregelmässig  ausgezackt 
und  auf  der  ventralen  Seite  glatt.  Die  an  der  Aussenseite  der 
Krallen  befindlichen  eigentümlichen,  behaarten  Läppchen  halte  ich 
ebenso  wie  Grab  er  für  Greiforgane.  Dieselben  sind  nur  besondere 
Ausstülpungen  der  das  Tarsenglied  abschliessenden  Haut.  Auf  der 
den  Krallen  zugewendeten  Seite  stehen  sie  mit  diesen  am  Grunde, 
auf  der  äusseren  dagegen  mit  der  Längskante  der  Streckplatte  in 
Verbindung;    dieselben   werden  daher,    wenn  letztere  zurückweicht, 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  247 

mit  in  das  Tarsenglied  hineingezogen.  Ueber  ihre  Bedeutung  und 
Wirkungsweise  schliesse  ich  mich  der  DahFschen  Ansicht  an,  dass 
sie  mit  ihren  Härchen  zwischen  denen  der  Pflanzen  haften. 

Unter  den  Orthopteren  rinden  sich  ebenfalls  Krallenglieder  mit 
einem  mittleren  Haftläppehen ;  dieselben  haben  eine  grosse,  das  Haft- 
läppchen auf  der  dorsalen  Seite  ganz  bedeckende  „Skelettplatte", 
sowie  eine  scharf  abgesetzte  „Strecksohle",  die  ein  nothwendiger 
Bestandtheil  aller  mittleren  Haftläppchen  zu  sein  scheint:  denn  bisher 
fand  ich  sie  überall,  mehr  oder  weniger  charakteristisch  ausgebildet. 
Bei  den  Orthopteren  ist  sie  auf  der  Unterseite  glatt  und  mit  1  oder  2 
längeren  hellen  Borsten  besetzt  (Fig.  11). 


Krallenglied  mit  zwei  Haftläppchen. 

Zwei  seitlich  der  Krallen  stehende  Haftläppchen  finden  wir 
ausschliesslich  bei  den  Dipteren.  Die  ältere  Litteratur  bietet  über 
dieselben  nur  sehr  wenig.  Abgesehen  von  Power' s  unklarer  Deutung 
dieser  Haftorgane  als  eine  —  beim  Haften  einen  klebrigen  Stoff  ab- 
sondernde —  schwammartige  Bildung  (a  fuzzy  kind  of  substance 
like  little  sponges),  und  von  Hooke's  mystischer  dunstigen 
Schicht  (smoky  substance),  mit  der  alle  glatten  Flächen  bedeckt 
seien,  in  welche  zwecks  Haftens  die  von  ihm  bereits  erkannten  auf 
den  Haftläppchen  befindlichen  Härchen  sich  einsenken,  welche  etwas 
später  von  Leeuwenhoek  als  Häkchen  angesehen  wurden,  finden 
wir  nur  noch  eine  bemerkenswerthe  Deutung  der  Haftläppchen,  die 
sich  bis  in  die  neueste  Zeit  erhalten  hatte,  dass  sie  wie  Saugnäpfe 
wirken.  Diese  Ansicht  wurde  zuerst  (1788)  von  White28)  aus- 
gesprochen; ihm  schlössen  sich  bald  darauf  Derhamfi),  der  die 
Haftläppchen  für  fleischlose  Platten  ansah,  sowie  Kirby  und 
Spence18)  an,  die  diese  Organe  direkt  für  Saugnäpfe  (suckers) 
halten.  Auch  Burmeister2)  und  Wagler211)  stimmen  der  White- 
schen  Ansicht  bei.  Wagler  schildert  die  Haftorgane  der  Fliegen 
folgendermassen :  „Diese  Insekten  haben  am  letzten  Fusswurzelglied 
zwei  Saugnäpfchen,  welche  mit  ihm  durch  einen  schmächtigen  und 
trichterförmigen  Hals  zusammenhängen,  unmittelbar  unter  der  Wurzel 
einer  jeden  Kralle  stehen,  sehr  dehnbar,  konkav -konvex,  an  dem 
Rande  gezähnelt  und  nach  allen  Seiten  hin  beweglich  sind.  Ihre 
konkave  Fläche  ist  mit  Flaum  bedeckt,  welche  ohne  Zweifel  die  bei 
den  Plattzünglern  befindlichen  Hautplättchen  vorstellt;  ihre  konvexe 
körnig.  Diese  Näpfchen  erweitern  sich  beim  Auftreten  des  Fusses 
und  treiben  auf  der  Standebene  so  viel  Luft  unter  sich  aus  als 
nöthig  ist,  um  durch  den  Druck  derselben  das  Fallen  des  Insekts  zu 
verhindern". 

Noch  weiter  wurde  die  Saugnapftheorie  von  Hepworthlfi)  und 
Tuffen  West27)  durchgeführt,  welche,  wie  auch  aus  ihren  Ab- 
bildungen hervorgeht,  sogar  die  einzelnen  Härchen  auf  den  Haftlappen 
als  Saugnäpfe  ansehen. 


248  Alfred  O ekler:    Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

Dewitzs),  obgleich  er  die  Frage  von  neuem  angeregt,  sucht 
dieselbe  nur  durch  Experimente  und  Analogieschlüsse  zu  beantworten, 
denn  er  giebt  keine  bemerkenswerthen  Beiträge  zur  Kenntniss  des 
Baues  der  Haftorgane  am  Krallenglied. 

Simmermacher22)  dagegen  schildert  dieselben  etwas  ein- 
gehender: „Arn  äussersten  Tarsalgiied  der  Fliegen  befinden  sich 
zwei  verhältnissmässig  bedeutende,  bei  grösseren  Fliegen  mit  blossem 
Auge  sichtbare  Haftlappen.  Es  sind  dies  farblose,  sehr  dünne, 
anfangs  schmale,  dann  sich  rasch  verbreiternde  Chitinblättchen, 
welche  an  ihrer  Unterseite  mit  zahllosen  mikroskopischen  in  Quincunx- 
stellung  angeordneten  Chitinhärchen  besetzt  sind,  und  am  äusseren 
Rand  von  diesen  überragt  werden.  Oefter,  z.  B.  bei  Asilus,  finden 
sich  in  der  Mitte  des  sonst  farblosen  Haftlappens  je  ein  oder  zwei 
braun  pigmentirte  Streifen.  Wahrscheinlich  ist  diese  Pigmentirung 
als  eine  Verdickung  aufzufassen,  welche  dem  ganzen  Haftlappen 
eine  Art  Stütze  gewährt  und  ein  festeres  Anlegen  desselben  an  seine 
Unterlage  begünstigt".  —  Durch  Experimente  kommt  Simmermacher 
zu  dem  Schluss,  dass  die  von  Dewitz  gegebene  Erklärung  des  Laufens 
der  Fliegen  an  glatten  Flächen  durch  jedesmaliges  Ankleben  und 
Wiederlosreissen  nicht  die  richtige  sei.  „Das  Haften  der  Füsse  an 
glatten  Flächen  beruhe  vielmehr  auf  Adhäsion,  die  bei  den  Fliegen 
durch  ein  feuchtes  Sekret  noch  etwas  begünstigt  werden  kann.  Die 
dicht  mit  Chitinhärchen  besetzten  Haftlappen  vermögen  sich,  dem 
Drucke  des  Fusses  folgend,  jeder  glatten  Fläche  vollkommen  anzu- 
legen, wobei  die  unter  den  Haftlappen  befindliche  Luft  verdrängt 
wird,  und  die  äussere  ihren  Druck  ausübt.  (Ein  luftleerer  Hohlraum 
kann  freilich,  da  die  Haftlappen  keine  wirklichen  Saugnäpfe  sind, 
nicht  hergestellt  werden,  ist  aber  auch  bei  dem  geringen  Gewicht 
der  Dipteren  nicht  nöthig.)  Die  Härchen  auf  der  Unterseite  der 
Tarsen  tragen  jedenfalls  durch  ihre  Elasticität  dazu  bei,  den  Fuss 
schnell  wieder  von  seiner  Unterlage  losbringen  zu  können,  und  er- 
möglichen dadurch  das  anhaltend  rasche  Laufen  an  glatten 
Flächen."  —  Hieraus  geht  hervor,  dass  Simmermacher  sich 
ebenso  wenig  wie  seine  Vorgänger  mit  dem  feineren  Bau  der  Haft- 
läppchen beschäftigt  hat. 

Auch  Dahl*)  berührt  die  Haftläppchen  der  Fliegen  nur  kurz. 
Er  hat  in  denselben  keine  Drüsenzellen  finden  können.  ,,Sie  scheinen 
vielmehr  nach  Art  der  Haaranhänge  oft  nur  mit,  einem  Fortsatz  der 
Matrix  gefüllt  zu  sein,  der  sich  ganz  gleichmässig  färbt.  Die  untere 
Wandung  des  Läppchens  wird  von  vielen  Bohren  durchsetzt,  die 
ebenfalls  mit  der  eingeschlossenen  Substanz  gefüllt  sind.  Ueber 
den  Kanälen  stehen  die  Hafthaare.  Die  Oberseite  der  Läppchen 
wird  von  dichten,  chitinisirten  Streifen  überzogen,  welche  dieselben 
ausgebreitet  erhalten,   ohne  die  Biegsamkeit  zu  beeinträchtigen". 

Auch  aus  diesen  Notizen  geht  nicht  hervor,  in  welcher  Weise  die 
Haftläppchen  der  Fliegen   am  Tarsus  eingelenkt  sind,   und  wie  ihre 

*)  4.  pag.  32. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis«  von  dessen  Bau  und  Funktion.  249 

Mechanik  ist.  Ich  gehe  daher  gleich  zu  meinen  eigenen  Unter- 
suchungen über  und  wende  mich  zunächst  zur  Morphologie  des 
Dipterenfusses. 

Der  Fliegenfuss  ist  in  der  Regel  mit  2  stets  hell  erscheinenden 
Haftläppchen  ausgestattet,  welche  in  Form  und  Grösse  jedoch 
mannigfache  Unterschiede  zeigen.  Verhältnissmässig  sehr  grosse 
Haftlappen  finden  wir  bei  Asilus  crabroniformis ,  Pomponerus  ger- 
manicus  und  Sarcophaga  stercoraria.  Bei  den  ersteren  sind  die 
Haftlappen  länger  als  breit,  am  distalen  Ende  fast  quer  zur  Längs- 
achse abgestutzt,  bei  anderen  Dipteren  dagegen  gedrungener,  oval, 
fast  so  lang  als  breit.  Zwischen  den  Haftläppchen  tritt  aus  der  die 
Krallen  verbindenden  Gelenkhaut  die  Streckborste  hervor,  welche 
mancherlei  Modifikationen  aufweist,  z.  B.  einfach  glatt,  behaart  oder 
verzweigt  ist. 

Andere  Dipteren  haben  3  Haftläppchen;  in  solchen  Fällen  be- 
findet sich  das  dritte  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  äusseren; 
da  aber  die  Streckborste  dann  regelmässig  fehlt,  der  mittlere  Haft- 
lappen jedoch,  wie  ich  fand,  direkt  mit  der  Streckplatte  in  Ver- 
bindung steht,  so  ist  dieser  dritte  Lappen  als  eine  Umwandlung  der 
Streckborste  aufzufassen,  wofür  auch  der  Bau  des  mittleren  Haft- 
läppchens spricht.  Andrerseits  giebt  es  jedoch  auch  Fliegen  ohne 
jegliches  Haftläppchen,  z.  B.  Leptogaster.  Bei  dieser  ist  statt  der 
fehlenden  Streckborste  eine  mittlere  Afterkralle  vorhanden  (Figg.  53,59), 
die  an  der  abgestutzten  Streckplatte  deutlich  sichtbar  eingelenkt  ist. 

Eine  auffallende  Abweichung  bezüglich  der  Form  zeigen  die 
Haftläppchen  der  schmarotzenden  Fliegen  (Fig.  64).  Ich  halte  die- 
selben nicht,  wie  S  immermach  er22),  für  zurückgebildet,  sondern 
für  eine  Anpassung  an  die  Lebensweise.  Diese  Fliegen  können  ihre 
Haftläppchen  nämlich  nach  unten  gegen  das  Tarsenglied  zurück- 
schlagen, so  dass  sie  ihnen  beim  Herumlaufen  auf  bzgsw.  beim  Fest- 
halten an  ihrem  Wirthe  nicht  hinderlich  sind  und  den  stark  ge- 
krümmten Krallen  freieren  Spielraum  lassen. 

Nach  meinen  bisherigen  Untersuchungen  sind  die  Haftläppchen 
der  Fliegen  wie  folgt  gebaut. 

Die  Haftläppchen  sind  trichterförmig  in  das  letzte  Tarsenglied 
eingelassen,  auf  der  Innenseite  mit  dem  Grunde  der  Krallen,  auf  der 
Aussenseite  dagegen  mit  der  abschliessenden  Haut  verbunden.  Da 
sie  symmetrisch  gebaut  sind,  so  kann  ich  mich  auf  die  Beschreibung 
eines  Haftläppchens  beschränken. 

Zunächst  am  Grunde  befindet  sich  eine  dunkle,  auf  der  Ober- 
seite (d.  h.  der  dem  Tarsallumen  zugewendeten  Fläche)  mit  feinen 
kurzen  Härchen  besetzte  löffeiförmige,  mehr  oder  weniger  stark  ge- 
krümmte Chitin  platte  (Figg.  34,  39,  63);  dieselbe  steht  quer  und  im 
allgemeinen  fast  senkrecht  zur  Längsachse  des  Tarsengliedes.  Man 
kann  sie  vielleicht  ,, hintere  Stützplatte"  des  Haftläppchens 
nennen,  denn  sie  bildet  den  Haupthalt  für  das  Haftläppchen,  dessen 
Höhe  von  dieser  Platte  abhängt.    Die  beiden  Stützplatten  füllen  fast 


250  Alfred  0 ekler:   Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

die  ganze  Oeffnung  des  Tarsus  aus,  der  den  Haftläppchen  nur  da- 
durch Spielraum  lässt,  dass  sein  ventraler  Rand  zurückgetreten  ist. 
An  der  äusseren  (dem  Tarsalrand  zugekehrten)  Seite  ist  die  Stütz- 
platte abgerundet  (Fig.  34);  an  der  inneren  dagegen  mit  2  Vor- 
sprüngen versehen,  von  denen  der  obere  am  Krallengelenkhöcker 
seitlich  hinter  den  Krallen  an  besonderen  Vorsprüngen  oder  Ver- 
tiefungen mit  einer  Gelenkhaut  befestigt  ist.  Die  abschliessende 
Haut,  welche  sich  an  die  Stützplatte  ansetzt,  lässt  nur  den  unteren 
kleineren  Vorsprung  der  Stützplntte  frei  (Fig.  63);  dieser  legt  sich 
vor  den  distalen  Seitenrand  der  Streckplatte  und  wird  von  dieser 
bei  ihrer  Funktion  in  Bewegung  gesetzt.  An  der  Innenkante  zwischen 
den  beiden  Vorsprüngen  ist  die  Stützplatte  etwas  ausgeschnitten 
und  vermittelt  durch  diese  Oeffnung  den  direkten  Zusammenhang 
des  Inneren  des  Haftläppchens  mit  dem  Tarsus.  Auf  der  Innenseite 
breitet  sich  die  Matrix  über  die  Stützplatte  aus,  welche  auf  Schnitten 
sehr  dicht  aneinander  liegende  dunkle  Schichten  zeigt.  An  den 
Rand  dieser  Stützplatte  setzt  sich  nun  in  distaler  Richtung  das  Haft- 
läppchen folgendermassen  an.  Auf  der  Oberseite  ist  die  Membran 
durch  sehr  feine,  meist  braun  erscheinende  Chitinstreifen  gestützt, 
die  sich  bei  den  mehr  runden  Lappen  gleichmässig  über  deren 
ganze  Oberfläche  jausbreiten;  dieselben  sind  an  der  Stützplatte  am 
dichtesten  und  dunkelsten  und  verlaufen  fast  bis  zum  Rande  des 
Haftläppchens,  immer  feiner  und  heller  werdend  (Fig.  39);  hier  setzen 
sich  an  dieselben  nicht  so  dicht  nebeneinander  stehende  Chitinstreifen 
an,  die  als  feine  Borsten  über  den  Rand  des  Haftläppchens  etwas 
hinwegragen  und  in  einfache  oder  verzweigte,  nach  unten  gebogene 
Spitzen  auslaufen,  z.  B.  bei  Sarcophaga.  Bei  den  längeren  und 
schmaleren  Haftlappen  ist  die  Oberseite  nur  durch  wenige  flache 
und  ziemlich  breite  Chitinstreifen  gestützt  (Figg.  57,  63),  die  von  der 
Stützplatte  an  in  der  Mitte  über  das  Haftläppchen,  immer  schwächer 
und  feiner  werdend,  bis  fast  zu  dessen  Spitze  verlaufen.  In  solchen 
Fällen  erscheint  die  Oberseite  im  übrigen  weichhäutig  und  zum  Theil 
mit  sehr  feinen  hellen  Härchen  besetzt,  von  denen  die  am  Rande 
des  Haftläppchens  stehenden  ebenfalls  über  diesen  hinweg  nach  unten 
umgebogen  sind.  Die  auf  der  Oberseite  sich  ausbreitenden  Chitin- 
streifen halten  das  Haftläppchen,  wie  schon  SimmermaCher22) 
und  Dahl4)  angeben,  ausgebreitet,  lassen  es  aber  sehr  biegsam  er- 
scheinen. Die  auf  der  Oberseite  über  den  Rand  des  Läppchens 
hervorragenden  feinen  Haare  haben  jedenfalls  die  Veranlassung  ge- 
geben, dass  die  Hafthaare  als  spitz  angesehen  wurden,  z.  B.  von 
S  immer  mach  er-2).  —  Die  Unterseite  des  Haftläppchens  ist  dagegen 
anders  gebaut  Hier  setzt  sich  an  die  Kante  der  Stützplatte  die 
dicht  mit  feinen  Härchen  besetzte  Haftsohle  an,  welche  die  ganze 
Unterseite  des  Läppchens  einnimmt.  Die  Härchen  haben  Quincunx- 
stellung,  sind  aber  nicht  spitz,  sondern  am  Ende  quer  zur 
Längsrichtung  des  Ilaftlappen  etwas  verbreitert.  Diese  Härchen 
sind  meines  Erachtens  nicht,  wie  Dahl5)  angiebt  und  zeichnet,  einzeln 
in  die  Wandung  eingesenkt,   sondern  durchsetzen  dieselbe  quer  zur 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  251 

Längsachse  in  zusammenhängenden  Reihen.  Die  Härchen  stehen 
nämlich  unter  einander  in  Verbindung,  indem  sich  über  je  zweien 
eine  kleine  buckelförmige  Verdickung  erhebt.  Es  gelang  mir  wieder- 
holt, diese  Haarreihen  bei  Sarcophaga  und  Asilus  zu  isoliren.  Die- 
selben sind  durch  eine  sehr  zarte  Membran  verbunden.  Die  einzelnen 
Härchen  sind  hell  durchscheinend,  flach  gedrückt  und  äusserst  biegsam. 
Sie  nehmen  namentlich  am  Endtheil  leicht  Farbe  auf,  sind  im  Innern 
hohl,  haben  jedoch  keine  Ausmündimg,  anscheinend  aber  im  ver- 
breiterten Endtheil  ein  kleines  Lumen.  Dadurch  dass  die  Hafthaare 
in  distaler  Richtung  etwas  schräg  und  reihenweise  quer  zur  Längs- 
achse in  der  Sohle  stehen,  erhält  diese  eine  bedeutende  Elasticität. 

In  Bezug  auf  den  feineren  und  inneren  Bau  dieser  Haftläppchen 
und  die  Sekreterzeugung  derselben  verweise  ich  zunächst  auf  die 
Ausführungen  Dahl's5),  da  meine  Untersuchungen  darüber  noch 
nicht  abgeschlossen  sind. 

Die  zwischen  den  beiden  Haftläppchen  der  Fliegen  liegenden 
Krallen  sind  am  Grunde  durch  die  wenig  vorgestülpte  abschliessende 
Haut  verbunden.  Diese  mittlere  Vorstülpung,  aus  der  die  Streck- 
borste hervortritt,  ist  meist  mit  kurzen  feinen  Härchen  besetzt;  sie 
bildet,  wenn  sie  sich  erweitert,  mit  der  Streckborste  unter  gleich- 
zeitiger Umwandlung  beider  das  dritte  (mittlere)  Haftläppchen  der 
Dipteren.  Dasselbe  ist,  abgesehen  von  der  äusseren  Form,  ebenso 
gebaut  wie  die  seitlichen;  es  zeigt  jedoch  auf  der  Ventralseite,  da 
wo  es  aus  der  Streckplatte  hervorgeht,  oft  noch  einen  schwachen, 
mit  Borsten  besetzten  chitinösen  Längsstreifen,  der  jedenfalls  als 
der  Rest  der  umgewandelten  Streckborste  anzusehen  ist.  Dies  mittlere 
Haftläppchen,  theils  ebenso  gross  wie  die  äusseren,  theils  auch 
grösser,  ist  an  den  Seiten  concav,  am  distalen  Ende  dagegen 
convex  gehalten  und  bildet  somit  eine  symmetrische,  mittlere  Er- 
gänzung der  beiden  seitlichen  Haftläppchen;  jedoch  fehlt  eine  Stütz- 
platte für  dasselbe;  z.  B.  bei  Tabanus. 

Die  Funktion  der  Haftläppchen  am  Fliegenfusse  ist  dieselbe  wie 
bei  den  Hymenopteren ;  die  Krallen  legen  sich,  sobald  sie  auf  eine 
glatte  Fläche  treffen,  zurück,  wobei  durch  die  etwas  vortretende 
Streckplatte  die  Haftläppchen  ebenfalls  mit  vorgeschoben  werden. 

Das  Gegentheil  von  dieser  Funktion  beobachtete  ich  an  Männchen 
der  Sarcophaga,  bei  denen  die  Haftlappen  oft  so  stark  entwickelt 
sind,  dass  die  Krallen  nicht  mehr  über  das  Läppchen  hinwegreichen, 
sondern  auf  demselben  zu  liegen  kommen.  Es  fiel  mir  auf,  dass 
diese  Insekten,  als  ich  sie  an  Fenstern  laufen  sah,  nicht  nur  recht 
schwerfällig,  gewissermassen  mühsam  und  langsam  herumliefen, 
sondern  dass  sie  auch  die  Beine  bedeutend  weiter  von  der  Scheibe 
abhoben  als  daneben  laufende  Weibchen  Ich  konnte  sie  bequem 
mit  der  Hand  greifen.  Dies  langsame  Laufen  erkläre  ich  mir  daher, 
dass  nothwendigerweise  das  Haftläppchen  allein  aufgesetzt  und  ab- 
gehoben werden  muss,  was  jedenfalls  viel  mehr  Mühe  verursacht,  da. 


252  Alfred  Ockler:   Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

die  Krallen  nicht  mitwirken  können,  und  die  lange,  einfache  Streck- 
borste allein  zu  schwach  ist. 

Wie  ich  schon  weiter  oben  erwähnt  habe,  können  die 
ectoparasitisch  lebenden  Fliegen  ihre  Haftläppchen  zurückschlagen. 
Dies  wird  wie  folgt  ermöglicht.  Das  Tarsenglied  ist  stark  zusammen- 
gedrückt und  überaus  flach;  infolgedessen  fällt  der  Krallengelenk- 
höcker  mit  der  verlängert  gedachten  Ventralseite  des  Tarsenendgliedes 
fast  in  dieselbe  Ebene  hinein.  Durch  diesen  Umstand  können  die 
sehr  kräftigen,  stets  dunkel  erscheinenden  Krallen  sehr  weit  zurück- 
geschlagen werden.  Da  die  hintere  Stützplatte  der  Haftläppchen 
in  dem  flachen  Endlumen  des  Tarsus  keinen  Platz  mehr  hat,  die 
Läppchen  aber  trotz  der  langen  und  kräftigen  Krallen  gegebenen 
Falles  noch  haften  sollen,  so  ragt  ihre  Stützplatte  über  den  unteren 
Tarsalrand  fort  und  ist,  um  den  Krallen  nicht  hinderlich  zu  sein, 
sehr  lang  und  schmal  geworden  (Fig.  64);  an  das  Ende  der  Platte 
setzt  sich  das  wohl  entwickelte,  aber  sehr  zarte  und  weichhäutige 
Haftläppchen  senkrecht  an.  Die  lange,  schmale  Stützplatte  hat  eine 
glatte  Oberfläche  und  ist  wie  bei  den  anderen  Dipteren  seitlich 
hinter  den  Krallen  an  deren  Gelenkhöcker  eingelenkt.  Die  letzteren 
haben  in  ihrer  oft  schwach  gekerbten  Unterseite  einen  sehr  grossen 
wulstartigen  Vorsprung  (Figg.  56,  64),  welcher  der  Länge  nach  mit 
der  Kante  der  Haftläppchenstützplatte  häutig  verbunden  ist.  Wenn 
nun  die  Krallen  eingeschlagen  werden,  so  nimmt  der  wulstartige 
Vorsprung  die  lange  Stützplatte  mit  zurück  und  drückt  sie  am 
Tarsalrand  entlang  in  den  ventralen  Ausschnitt  des  Tarsengliedes 
hinein,  sodass  die  Haftläppchen  dann  in  der  That  so  aussehen,  als 
ob  sie  mitten  unter  dem  letzten  Tarsengliede  neben  einander  lägen. 
Dieselben  sind  durch  die  wulstige  Verdickung  der  Krallen  vollkommen 
geschützt  und  werden  es  bei  Stenopteryx  hirundinis  (Fig.  56)  noch 
durch  eine  besondere  schmale,  zahnartige  Platte,  die  sich  an  der 
Kralle  befindet. 

Wenn  die  Krallen  dieser  Fliege  bisher  als  doppelt  gezähnt  an- 
gesehen werden,  so  möchte  ich  dies  in  der  Weise  berichtigt  wissen,  dass 
dieselben  auf  der  Unterseite  in  Wirklichkeit  nur  einen  stark  ge- 
bogenen, kurzen  und  dicken  Zahn  haben;  der  hinter  diesem  dem 
Krallengrunde  noch  näher  stehende  Vorsprung,  welcher  bisher  als 
zweiter  Zahn  gilt,  ist  kein  solcher,  sondern  nur  eine  dünne,  hell- 
gelbbraun durchschimmernde,  schwach  gekrümmte,  etwas  nach  aussen 
geneigte  Schutzplatte  für  das  Haftläppchen. 

Die  auf  der  Unterseite  quer  geriefelte  Streckplatte  ist  bei  diesen 
Insekten  verhältnissmässig  klein.  Die  Streckborste  dagegen  ist  sehr 
stark  entwickelt;  sie  hat  sich  der  Funktion  des  Krallengliedes  auf- 
fallend schön  angepasst;  dieselbe  ist  nicht  nur  sehr  lang,  sondern 
vor  allem  ventralwärts  stark  durchgebogen,  damit  sie  in  geeigneter 
Weise  wirken  kann.  Dass  sie  verzweigt  oder  stark  behaart  er- 
scheint, ist  jedenfalls  eine  weitere  Anpassung  und  Einrichtung  für 
den  Gebrauch  in  der  dichten  Behaarung  des  Wirthes. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  253 

Eine  besondere  Art  Haftläppchen  haben  die  Hemipteren. 
Während  diese  Organe  sonst  stets  am  Krallenhöcker  neben  den 
Krallen  eingelenkt  sind,  weichen  sie  bei  diesen  Insekten  dadurch 
ab,  dass  sie  sich  unter  den  stark  gekrümmten  Krallen  befinden  und 
in  eine  an  deren  ventraler  Grundseite  befindliche  Vertiefung  mit 
einer  ziemlich  langen  Stützplatte  eingelassen  sind  (Figg.  27,  29), 
welche  zwei  Vorsprünge  hat;  an  den  distalen  setzt  sich  das  Haft- 
läppchen mit  einer  schmalen  Chitinplatte  an,  von  der  aus  sich  sehr 
feine  Chitinstreifen  über  die  Oberfläche  des  Läppchens  ausbreiten. 
Der  proximale  Vorsprung  steht  dagegen  durch  eine  feine  Haut  mit 
der  Streckplatte  in  Verbindung;  wenn  diese  zurückweicht,  zieht  sie 
die  Läppchen  mit  nach  unten;  sie  selbst  ist  am  distalen  Ende  zweck- 
mässig abgestutzt,  und  nur  mit  2  kleinen  Höckern  versehen,  in  denen 
je  ein  langes  Tasthaar  steht. 


Tarsenglied  mit  einer  Kralle. 

Wie  schon  früher  bemerkt,  sind  einkrallige  Insektenbeine  als 
eine  Ausnahme  anzusehen,  da  sie  sich  nur  vereinzelt  finden ;  theils 
kommen  sie  nur  an  einzelnen  Beinpaaren  eines  Insekts  (z.  B.  an 
den  Hinterbeinen  der  Hoplia),  theils  auch  an  allen  vor,  wie  bei  Pse- 
laphus;  besonders  jedoch  bei  schmarotzenden  Insekten,  wie  die  Pedi- 
culinen.  Im  letzteren  Falle  jedenfalls  als  eine  Anpassung  an  die 
Lebensweise. 

Schon  beim  ersten  flüchtigen  Vergleich  des  einkralligen  Tarsus, 
wie  er  sich  bei  Hoplia  und  Pselaphus  findet,  mit  dem  der  schma- 
rotzenden Insekten,  sieht  man ,  dass  das  Krallenglied  verschiedenen 
Zwecken  dient  und  dem  entsprechend  verschieden  gebaut  ist.  Während 
es  bei  den  Pediculinen  vorwiegend  zum  Festhalten  gebraucht  wird, 
d.  h.  ein  Klammerfuss  ist,  an  dem  die  Kralle  ganz  gegen  das  Tarsen- 
glied  zurückgelegt  werden  kann  und  mit  diesem  wie  eine  Zange 
wirkt,  kann  bei  den  Pselaphiden  die  Kralle  —  wie  bei  den  2 kralligen 
Insektenbeinen  —  nur  bis  an  den  unteren  Rand  des  Tarsus  ein- 
geschlagen werden ;  solche  Füsse  werden  daher  nur  zum  Klettern  zu 
brauchen  sein.  Dieser  Unterschied  wird  durch  den  Bau  des  Gliedes 
durchaus  bestätigt.     Ich  wende  mich  zunächst  zum 

einkralligen  Kletterfnss. 

Ausser  Hoplia  untersuchte  ich  eingehender  Pselaphus  (Fig.  30). 
Die  nackte,  schwach  gekrümmte  Kralle  des  letzteren  ist  in  einfacher 
Weise  am  Krallenhöcker  eingelenkt ,  auf  der  ventralen  Seite  am 
Grunde  etwa  bis  zu  y4  ihrer  Länge  ausgeschnitten  und  mit  der 
Gelenkhaut  für  die  Streckplatte  verbunden.  Der  Krallenhöcker  er- 
hebt sich  dicht  unter  dem  Tarsalrand  auf  einem  schwachen  Stielchen, 
verdickt  sich  dann  plötzlich  in  proximaler  und  distaler  Richtung 
und  bildet  mit  dem  distalen  abgerundeten  Ende  das  Gelenk  für 
die  Kralle.    Der  basale  Rand  des  Tarsengliedes  tritt  nur  wenig  zurück, 


254  Alfred  0 ekler:    Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

ist  jedoch  spitz  ausgekerbt.  Die  sehr  flache,  ventral  quergeriefelte 
Streckplatte  ist  am  distalen  Ende  scharf  abgestutzt  und  hier  mit 
der  Gelenkhaut  für  die  Kralle  verbunden.  Die  Gleitrinne  erhebt 
sich  zu  beiden  Seiten  der  Einkerbung  am  ventralen  Tarsalrande  und 
dient  für  diesen  als  skelettale  Verstärkung.  Wenn  die  Kralle  nun 
eingeschlagen  wird,  legt  sie  sich  in  diese  ^Einkerbung  hinein  und 
findet  dadurch  einen  festen  Halt  gegen  seitlichen  Druck. 
Die  andere  Art  des  einkralligen  Tarsengliedes,  der 

einkrallige  Klammerfüss 

findet  sich  bei  den  Pediculinen,  bei  denen  die  Kralle  gegen  die  vor- 
tretende auch  wohl  daumenartig  ausgezogene  und  meist  mit  einem 
Dorn  besetzte  Ecke  der  Schiene  zurückgeschlagen  werden  kann. 
Diese  auf  behaarten  Thieren  (Säugern)  lebenden  Insekten  vermögen 
sich  nach  meinen  Beobachtungen  auf  glatten  Flächen  nur  sehr  schwer 
fortzubewegen,  was  sich  wohl  durch  den  Bau  des  Beines  im  all- 
gemeinen und  dadurch,  dass  nur  eine  Kralle  an  jedem  Fuss  sitzt, 
erklären  lässt.  Das  erste  Beinpaar  erscheint  häufig  etwas  schwächer 
als  die  hinteren,  ist  jedoch  ebenso  gebaut  und  eignet  sich  infolge 
seiner  geringeren  Chitinisirung  gut  zum  Studium.  Bei  jüngeren 
Individuen  lässt  das  Krallenglied  die  einzelnen  Organe  schon  ohne 
besondere  Präparation  ziemlich  deutlich  zu  Tage  treten,  welche  auch 
bei  den  älteren  Exemplaren  nach  entsprechender  Behandlung  recht 
scharf  zu  unterscheiden  sind. 

Ehe  ich  mich  jedoch  zu  dem  Bau  und  der  Mechanik  dieses 
einkralligen  Klammerfusses  wende,  will  ich  die  für  das  Krallenglied 
in  Betracht  kommende  Beinmuskulatur  der  parasitisch  lebenden 
Insekten  einer  kurzen  Besprechung  unterziehen.  In  der  mir  bisher 
zugängig  gewesenen  Litteratur  fand  ich  eingehendste  Angaben  darüber 
nur  in  den  Abhandlungen  von  Landois19)  und  Stroebelt24);  denn 
Giebel 24)  giebt  über  die  Muskulatur  nur  einen  Auszug  aus  Landois' 
Resultaten.  Dieser,  sich  dahin  äussernd,  ,,dass  die  Erforschung  der- 
selben nicht  zu  den  leichtesten  Theilen  der  Läuseanatomie  gehört", 
schildert  die  Muskulatur  in  den  einzelnen  Beinabschnitten,  wie  sie 
Straus-Dürkheim  beschrieben,  mit  Ausnahme  des  Krallenstreckers, 
den  er  nicht  finden  konnte.  In  Bezug  hierauf  vermuthete  Landois 
ganz  richtig,  dass  die  Streckung  nothwendig  durch  Elasticitäts- 
momente  der  letzten  Gelenkverbindung  hervorgerufen  werden  müsse. 
Das,  was  Da  hl  bezüglich  Bau  und  Lage  der  Beinmuskulatur 
im  Insektenfuss  im  allgemeinen  so  treffend  geschildert  hat,  fand  ich 
auch  bei  den  ein-  und  zweikralligen  schmarotzenden  Insekten;  der 
kurze,  aber  sehr  kräftige  breite  Muskel  für  die  Krallenbeugung  hat 
seinen  Sitz  im  Schenkel  und  sendet  eine  helle  Sehne  durch  Tibia 
(und  Tarsus)  hindurch  bis  zum  Grunde  der  Krallen;  Längsschnitte, 
sowie  auch  Präparation  und  Färbung  des  Beines  unter  dem  Mi- 
kroskop gaben  mir  ein  überaus  klares  Bild.  —  Auffällig  erscheint 
es,    dass    Stroebelt24),    der    sich    in    seiner    Arbeit  unter   Berück- 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis«  von  dessen  Bau  und  Funktion.  255 

sichtigung  der  einschlägigen  neueren  Litteratur  im  ganzen  genau 
an  Lande- is  gehalten,  die  die  Krallen  streckenden  Momente  ganz 
übergeht. 

Als  genaueres  Beispiel  meiner  Untersuchungen  diene 

Phtirius  inguinalis. 

Die  Bur  meist  er 'sc  he  Behauptung,  dass  die  hinteren  Beine 
dieses  Insekts  zweikrallig  seien,  hat  bereits  Landois  widerlegt,  denn 
auch  diese  sind  nur  mit  je  einer  Kralle  ausgerüstet.  Das  Krallen- 
glied (Fig.  36),  ebenso  flach  wie  die  Beine  im  übrigen,  ist  an  allen 
Beinen  nach  demselben  Princip  gebaut,  obgleich  das  erste  Beinpaar 
merklich  schwächer  erscheint  als  die  hinteren.  Auch  die  Krallen 
sind  schmaler,  spitzer  und  nicht  so  stark  gekrümmt;  sie  erscheinen 
heller  als  die  der  hinteren  Beine  (Fig.  38),  an  denen  sie  kräftiger 
entwickelt,  breiter,  viel  stärker  chitinisirt  sind  und  infolgedessen 
dunkelbraun  erscheinen;  das  Ende  derselben  ist  abgerundet.  Der 
Zweck  der  Krallen  macht  sich  also  schon  äusserlich  bemerkbar:  die 
vorderen  dienen  zum  einhaken,  die  der  hinteren  Beinpaare  dagegen 
zum  umgreifen  der  Haare  des  Wirthes.  Die  vorderen  Krallen 
haben  auf  der  Innenseite  12 — 14  sehr  Meine  helle  Zähnchen,  die 
der  hinteren  Paare  dagegen  stets  5  grössere  und  dunkle  Zähne, 
von  denen  der  erste,  d.  h.  dem  Krallengrunde  zunächst  liegende,  der 
grösste  ist.  Die  Krallen,  welche  bei  den  Läusen  im  allgemeinen 
durchgehend  nackt  zu  sein  scheinen,  haben  am  dorsalen  Wurzel- 
ende eine  kleine  rinnenartige  Vertiefung,  mit  der  sie  auf  dem  Krallen- 
höcker eingelenkt  sind.  An  der  konkaven  Seite  sind  sie  dicht  hinter 
dem  grössten  Zähnchen  bis  zum  Grunde  ausgeschnitten  und  stehen 
hier  durch  eine  starke  Gelenkhaut  mit  der  Streckplatte  in  Verbindung. 
An  jeder  Seite  des  Grundes  haben  die  Krallen  der  hinteren  Beine 
einen  kleinen  (backen artigen)  Vorsprung,  an  der  dorsalen  Seite 
einige  halbkreisartig  gebogene  erhabene  Chitinriefelungen,  und  enden 
in  einer  knopfartigen  Verdickung,  welche  dieselbe  Riefelung  zeigt. 

Das  Tarsenglied ,  welches  wie  die  Beine  überhaupt  schmutzig 
weissgelb  erscheint,  halb  durchsichtig  ist  und  eine  zähe,  lederartige 
Consistenz  hat,  ist  mit  der  Tibia  verwachsen;  jedoch  sah  ich  das- 
selbe in  einigen  Fällen  auch  ziemlich  deutlich  abgesetzt.  Es  ist 
ebenso  wie  die  sich  an  dasselbe  anschliessende  Tibia  mit  schmalen 
Chitinleisten-  und  Höckern  verstärkt  (Fig.  36),  welche  an  der  äusseren 
beziehungsweise  inneren  Seite  liegen.  Die  an  der  convexen  Aussen- 
seite  befindliche  schwach  gekrümmte  Leiste  läuft  in  den  einfachen 
Krallenhöcker  aus,  der  an  seiner  Oberseite  mit  einem  kleinen,  etwas 
zurückgebogenen  Vorsprung  versehen  ist,  gegen  den  die  Kralle  stossen 
muss,  wenn  sie  stark  gestreckt  wird.  An  der  Innenseite  liegt  ein 
kleiner  Höcker  am  Grunde  des  Tarsus;  die  Gleitrinne  dagegen  an 
dessen  Rande ;  diese,  sehr  flach  und  nur  schwach  gekrümmt,  ragt 
mit  ihrem  distalen  Ende  frei  in  das  Lumen  des  Tarsengliedes  hinein; 
an  der  coneaven  Aussenseite  neben  ihr  ist  der  Tarsus  mit  kleinen, 


256  Alfred  0 ekler:    Das  Krallengiiecl  am  Insektenfuss. 

zahnartigen,  dunklen  Chitin  Verdickungen  versehen.  Am  distalen 
Ende  der  Gleitrinne  hat  der  Tarsus  meist  noch  einige  (2)  helle, 
ziemlich  lange  Härchen. 

Ueber  die  Streckplatte  schreibt  Landois19),  ,,dass  die  helle  feste 
Sehne  erst  kurz  vor  der  Anheftung  an  die  Basis  der  Kralle  zu  einer 
dicken  braungelben  gerieften  Chitinsehne  (apodema)  sieh  umgestaltet". 
Er  hat  damit  ziemlich  das  richtige  getroffen.  Die  die  Kralle  mit 
der  Streckplatte  verbindende  feste  Gelenkhaut  ist  nehmlich  stark 
entwickelt  und  länger  als  breit;  infolgedessen  ist  die  Platte  etwas 
weiter  in  das  Innere  des  Tarsus  zurückgetreten.  —  Die  Streckplatte 
selbst  erscheint  schwach  gekrümmt,  sowie  auf  der  ventralen  Seite 
quer  geriefelt.  An  den  Seiten  ist  sie  mit  dem  Tarsus  durch  eine 
schmale  helle  lockere  Haut  verbunden;  auf  der  ventralen  Seite  aber 
wie  beim  zweikralligen  Tarsus  ebenfalls  frei,  steht  sie  am  abgerundeten 
proximalen  Ende  durch  eine  feine  elastische  Gelenkhaut  mit  der 
Gleitrinne  im  Zusammenhang.  Die  Sehne  des  Krallenbeugers  ist  hell 
und  deutlich  abgesetzt  an  ihr  eingelenkt. 

Der  Rand  des  schwach  gekrümmten  Tarsengliedes  tritt  auf  der 
coneaven  Seite  stark  zurück,  zeigt  jedoch  seitlich  je  einen  backen- 
artigen Vorsprung;  der  dazwischen  liegende  Ausschnitt,  in  den  sich 
die  Kralle  zurücklegt,  steht  in  der  Längsrichtung  des  Gliedes  gedacht 
fast  senkrecht  unter  dem  Krallenhöcker;  an  denselben  setzt  sich  die 
Gleitrinne  an.  —  Bei  der  Funktion  des  Krallengliedes  beschreibt  die 
Streckplatte  einen  etwas  anderen  Weg  als  bei  den  2  kralligen  In- 
sekten; während  sie  bei  diesen  nämlich  nach  innen  in  einer  Curve 
von  unten  nach  oben  zurückweicht,  geht  sie  bei  den  Pediculinen 
diesen  Weg  fast  von  oben  nach  unten,  indem  sie  mit  ihrer  ventralen 
Concavseite  über  die  Gleitrinne  gezogen  wird.  Hierbei  nimmt  sie 
die  Kralle,  welche  sich  mit  ihren  backenartigen  Vorsprüngen  in  den 
Tarsus  einsenkt  (und  zwar  zwischen  dessen  backenartige  Rand- 
vorsprünge, die  etwas  auseinanderweichen),  an  den  daumenartigen 
Vorsprung  der  Tibia  heran,  gegen  dessen  Stift  die  Kralle  schlägt. 
Bei  Experimenten  mit  verschiedenen  lebenden  Individuen  sah  ich 
die  Kralle  jedoch  auch  an  dem  Tibialstift  vorbei  gegen  den  am  Tarsus 
liegenden  Chitinhöcker  schlagen. 

Die  Zweckmässigkeit  dieses  Baues  des  einkralligen  Klammer- 
fusses  ist  wohl  einleuchtend.  Der  Krallenhöcker  liegt  ganz  am 
coneaven  Ende  des  schwach  gekrümmten  Tarsus  und  bildet  nur  eine 
etwas  umgebogene  Fortsetzung  desselben.  Der  ausgeschnittene,  stark 
zurückgetretene  Rand  des  Tarsus  bietet  infolgedessen  der  Kralle 
einen  schon  ziemlich  grossen  Spielraum;  damit  dieselbe  aber  ganz 
zurückgeschlagen  werden  kann,  ist  die  Gelenkhaut,  welche  sie  mit 
der  Streckplatte  verbindet,  stark  entwickelt,  länger  als  breit  und  schon 
in  der  Mitte  der  coneaven  Krallenseite  angesetzt. 

Es  schien  mir  überaus  auffällig,  dass  die  Kralle  nicht  immer 
gegen  den  viel  dünneren,  schwachen  Tibialstift  schlug.  Dieser,  im 
Querschnitt  flach  oval,  steht  mit  der  schmalen  Kante  in  der  Beugungs- 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  257 

ebene  der  Kralle.  Ich  möchte  denselben  für  eine  Sinnesborste  halten. 
Er  erscheint  nicht,  wie  Landois  angiebt,  dunkelbraun,  sondern 
meist  hellgelbbraun,  er  ist  im  Innern  hohl  und  in  eine  Grube  ein- 
gesenkt; letztere  steht  durch  einen  Kanal,  der  breiter  als  der  Stift, 
mit  dem  Inneren  des  Tarsus  in  Verbindung.  Einen  zarten  Muskel, 
wie  Landois  ihn  an  diesen  Stift  treten  lässt,  konnte  ich  selbst  nach 
Färbung  niemals  finden.  Da  mir  meine  bisherigen  Präparate  in- 
dessen nicht  genau  Aufschluss  gaben,  ob  dieser  Stift  eine  Sinnesborste 
ist,  so  vermuthe  ich,  dass  Landois  einen  feineren  Nerv  gesehen,  der 
zu  diesem  Stift  geht. 

Die  Streckung  des  Krallengliedes  erfolgt  nun  in  der  umgekehrten , 
d.  h.  schon  von  Dahl  beschriebenen  Weise,  durch  Zurücktreten  der 
angespannten  elastischen  Häute  in  ihre  natürliche  Lage. 

Infolge  des  abweichenden  Baues  des  Krallengliedes  ist  natürlich 
die  Streckborste  ausgefallen,  weil  sie  weder  Platz  noch  Gelegenheit 
für  ihre  Wirkung  finden  würde,  denn  gegen  das  umfasste  Haar 
könnte  sie  sich  nicht  stützen.  —  Dieser  Bau  des  Krallengliedes  fand 
sich  mit  geringen  hier  nicht  in  Betracht  kommenden  Abweichungen 
bei  allen  übrigen  von  mir  untersuchten  einkralligen  Läusen.  In 
Landois1  Anatomie  des  Pediculus  capitis  (bzgsw.  vestimenti)  fiel 
mir  jedoch  auf,  dass  das  erste  Tarsalglied  des  Männchens  am  inneren 
Rande  oberhalb  der  Mitte  noch  eine  weisse  durchscheinende  Chitin- 
kralle tragen  soll.  Dieselbe  besteht  nach  Landois  ,,aus  einem  breiteren 
Basaltheil,  der  im  Inneren  einen  Hohlraum  zeigt;  auf  der  Oberfläche 
erscheint  sie  nicht  selten  leicht  höckerig,  und  hat  eine  dem  zweiten 
Tarsusgliede  entgegengerichtete  Klinge".  Da  mir  dieses  Organ  bei 
meinen  Untersuchungen  bisher  entgangen  war,  so  achtete  ich  auf 
passelbe  noch  besonders,  konnte  es  jedoch  trotz  aller  Mühe  nicht 
finden.  Was  Landois  sah,  kann  nur  die  Gleitrinne  für  die  Streck- 
platte gewesen  sein  (Fig.  37),  welche  der  Kralle  allerdings  entgegen- 
gerichtet ist,  an  deren  Rand  der  Tarsus  zwei  lange  helle  Borsten  trägt. 

Der  bei  der  Mechanik  des  Krallengliedes  weniger  in  Betracht 
kommende  Tibialstift  zeigt  bezüglich  seiner  Form  und  nächsten  Um- 
gebung einige  bemerkenswerthe  Unterschiede.  Während  bei  Phtirius 
inguinalis  die  Vorderbeine  nur  einen  ganz  unbedeutenden  Stift  haben, 
ist  er  an  den  Hinterbeinen  desselben  Thieres  dicker;  hinter  ihm  er- 
scheint die  Tibia  ausgehöhlt,  und  mit  einer  weichen  Membran  ver- 
schlossen. Bei  Pediculus  vestimenti  ist  der  Chitinstift  mit  zarten 
Borsten  umstellt ;  ausserdem  ist  der  ihn  tragende  Vorsprung  bei  den 
Männchen  am  ersten  Beinpaar  nach  der  Häutung  auffällig  anders 
gestaltet  als  bei  den  Weibchen,  wo  er  überall  gleich  ist ;  er  erscheint 
nämlich  bedeutend  grösser  und  am  Grunde  noch  mit  einer  säge- 
randigen  Chitinplatte  verstärkt.  Ganz  fehlt  der  Stift  bei  Haemato- 
pinus  stenopsis,  wo  statt  des  daumenartigen  Vorsprunges  die  Schiene 
für  die  plumpen  Krallen  nur  eine  breit  vortretende  Ecke  hat.  Bei 
Pediculus  capitis  ragen  die  letzteren,  da  sie  lang  und  stark  sind, 
beim  Einschlagen  sogar  weit  über  den  daumenartigen  Vorsprung  der 
Schiene  hinaus. 

Archiv  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1890.  Bd.  I.  H.  3.  17 


258  Alfred  Ockler:   Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

Die  Krallen  sind  bei  den  Pediculinen  überhaupt  bald  schwächer 
bald  stärker  gekrümmt  und  am  Innenrand  glatt,  oder  auch  fein  bis 
grob  gezähnelt.  Küchenmeister*),  welcher  Gelegenheit  hatte,  ein- 
getrocknete Läuse  vom  Kopfe  eines  Neuseeländers  und  eines  Peru- 
aners mit  der  europäischen  Art  zu  vergleichen,  fand  die  ganzen 
Thiere  verschieden  von  einander;  die  Krallen  der  europäischen  Art 
waren  0,113  mm,  bei  der  peruanischen  0,148  mm  und  bei  der  neu- 
seeländischen gar  0,172  mm  lang,  ihre  Basis  dagegen  breit:  0,025, 
0,025  und  0,033  mm. 

Am  Schlüsse  meiner  bisherigen  Untersuchungen  (April  1889) 
möchte  ich  die  mir  unlängst  zugängig  gewordene  Arbeit  von 
K.  Jordan:  „Anatomie  und  Physiologie  der  Physapoda"  (Zschr.  f. 
wiss.  Zool.  47.  1888)  nicht  unerwähnt  lassen,  da  meine  ganze  Auf- 
fassung über  Bau  und  Funktion  des  Krallengliedes  durch  den  die 
Beine  behandelnden  Theil  derselben  durchaus  bestätigt  wird. 
Jordan  hat  den  eigenthümlichen  Blasen apparat,  mit  dem  das  Tarsen- 
endglied  dieser  Insekten  ausgerüstet  ist,  eingehend  studirt  und 
dabei  auch  die  Streckplatte  gefunden,  welche  mit  Rüchsicht  auf  den 
einzustülpenden  Blasenapparat  zu  einem  schmalen  Stab  umgewandelt 
ist.  Aus  Jordan's  Mittheilungen  geht  hervor,  dass  der  Blasen- 
apparat nur  eine  modificirte  Umwandlung  der  hervorgestülpten  ab- 
schliessenden Haut  ist,  an  der  sich  die  Krallen  und  die  Streckplatte 
insofern  betheiligt  haben,  als  sie  mit  dem  Blasenapparat  eng  ver- 
wachsen sind.  Jordan  schildert  die  Krallen  als  eine  mit  einem 
Gelenk  versehene  Doppelspange,  deren  Enden  in  die  Sohle  des 
Blasenapparates  übergehen,  dessen  ventrale  Seite  durch  die  Streck- 
platte verstärkt  ist,  welche  in  verschiedene  schwache  Chitinstreifen  aus- 
läuft. Die  Krallen  sind  ebenfalls  beweglich  am  Krallenhöcker  ein- 
gelenkt und  an  ihrer  Basis  durch  die  Gelenkhaut  mit  der  Streck- 
platte verbunden.  Jordan  unterscheidet  weiter  einen  doppelten 
Zustand  des  Physapodenfusses,  einen  aktiven,  in  welchem  die  Haft- 
blase  ausgestülpt,  und  einen  inaktiven  in  dem  sie  eingezogen  ist  und 
uuthätig  verharrt.  Im  letzteren  liegen  die  Krallen  am  Tarsalrancl; 
zwischen  ihnen  ist  die  Haut  des  Blasenapparates  eingefaltet.  Wenn 
der  Fuss  in  Thätigkeit  tritt,  so  weicht  die  Streckplatte  zurück,  zieht 
die  Krallen  nach  unten,  sie  gleichzeitig  spreizend,  wobei  eine  vorher 
nicht  sichtbare  Blase  aus  der  Fusssohle  hervorquillt,  welche  leicht 
beweglich  ist  und  sich  jeder  Unterlage  anschmiegt.  Ueber  das 
Heraustreten  dieser  Blase  schreibt  Jordan:  „Zweifellos  geschieht 
das  Anschwellen  der  Blase  durch  den  Druck  des  Blutes,  und  letzterer 
wirkt  mit  bei  der  Hervorstülpung  des  dünnwandigen  Haftorgans". 
Meine  oben  dargelegte  Ansicht,  dass  die  Streckplatte  beim  Zurück- 
weichen das  Blut  (bzgsw.  die  Drüsenflüssigkeit)  in  das  Haftläppchen 
treibt,  wird  auch  hier  das  Hervorquellen  der  Blase  erklärlich  machen ; 
was  um  so  natürlicher  ist,  als  der  Blasenapparat  nur  dann  in  Thätig- 

*)  12.  pag.  30. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  259 

keit  gesetzt  wird,  wenn  das  Thier  kriecht  und  der  Tarsus  auf  einen 
festen  Gegenstand  trifft.  Sobald  aber  der  Fuss  gehoben  wird,  legt 
sich  der  Apparat  wieder  zusammen,  sodass  beim  Kriechen  ein  der 
Krallenbeugung  und  -Streckung  entsprechendes  Ein-  und  Ausstülpen 
des  Organs  stattfindet,  das  besonders  entfaltet  wird,  wenn  das  Thier 
Kraftanstrengungen  mit  den  Beinen  macht.  —  Die  die  Haftblase 
füllende  Drüse  scheint  Jordan  im  Basaltheile  des  Tarsus  bzw.  in 
der  Nähe  der  Schienenspitze  als  ein  birnförmiges  Gebilde  gefunden 
zu  haben,    das   sich  bei  der  Funktion  des  Apparates  mitbewegt. 

Indem  ich  am  Schlüsse  meiner  Arbeit  bezüglich  der  genaueren 
Abbildungen  aus  dem  Gebiete  der  Fliegen  auf  die  überaus  brauch- 
baren Bilder  Tuffen  West 's-7)  verweise  (in  denen  aber  die  Krallen 
falsch  eingezeichnet  sind),  will  ich  die  bisher  gewonnenen  allgemein 
gültigen  Resultate  meiner  Ausführungen  noch  einmal  kurz  zusammen- 
stellen. 

1.  Die  Krallen  sind  als  für  bestimmte  Zwecke  modificirte  Borsten 
anzusehen. 

2.  Das  Krallenglied  am  Insektenfuss  ist.  nach  Bau  und  Funktion 
durchgehend  in  2  Haupttypen  zu  trennen: 

A.  Zweikralliges     Tarsenglied    ohne    Haftorgane    oder    mit 
solchen. 

Letzteres  zerfällt  in  3  Subtypen: 

a)  Krallenglied   mit    einem  unpaaren   mittleren   Haft- 
läppchen. 

b)  Krallenglied  mit  zwei  äusseren  seitlichen  Haftlappen. 

c)  Krallenglied  mit  zwei  Haftlappen  unter  den  Krallen. 

B.  Einkralliges  Tarsenglied. 

a)  Einkralliger  Kletterfuss. 

b)  ,,  Klammerfuss. 

3.  Die  Excursion  der  Krallen  ist  eine  begrenzte;  die  Bewegung 
dieser  und  der  Haftorgane  wird  vermittelst  einer  elastischen 
Haut  durch  die  Streckplatte  im  Verein  mit  der  Streckborste 
bzgw.  Strecksohle  veranlasst. 

4.  Die  Strecksohle,  welche  sich  stets  bei  Insekten  mit  unpaarem 
mittlerem  Haftorgan  findet,  ist  als  eine  Modifikation  der  Streck- 
borste aufzufassen;  sie  ist  immer  deutlich  abgesetzt. 

5.  Die  Streckplatte  ist  ein  den  Insekten  eigenthümliches  Organ. 

6.  Die  Haftorgane  sind  umgewandelte  Ausstülpungen  der  ab- 
schliessenden Haut. 

7.  Der  Tarsalrand  ist  der  Funktion  des  Krallengliedes  angepasst. 

8.  Als  einkrallige  Insektenbeine  sind  nur  solche  anzusehen,  die 
eine  Streckplatte  mit  Gleitrinne  und  echter  Kralle  haben. 

9.  Die  ectoparasitisch  lebenden  Fliegen  haben  zurückschlagbare, 
wohl  ausgebildete  Haftlappen. 

10.  Das  mittlere  Haftorgan  bei  Fliegen  mit  3  Haftlappen  ist  eine 
Umwandlung  der  Streckborste  mit  der  ausgestülpten  ab- 
schliessenden Haut. 

17* 


260  Alfred  Ockler:   Das  Krallenglied  am  Insektenfnss. 

11.  Die  Streckborste  geht  stets  direkt  aus  der  Streckplatte  hervor. 

12.  Der  Krallenhöcker  zeigt  verschiedenen  Bau  und  Lage. 

13.  Die  sogenannte  Druckplatte  Dahl's  im  mittleren  Haftläppchen 
ist  nur  eine  beweglich  eingelenkte  skelettale  Stütz  platte  für 
dasselbe. 

Litteratur. 

1.  Brehm,   Thierleben.     Abthl.  Insekten,    bearb.  von  Taschenberg. 

2.  Burmeister,  Handbuch  der  Entomologie.    1832.  ff. 

3.  Claus,  Lehrbuch  der  Zoologie.    4.  Aufl.   1887. 

4.  Dalil,  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Baues  und  der  Funktionen 
der  Insektenbeine.  Dissert.  Kiel.  1884  (auch  im  ,,Arch.  f.  Nat. 
52.    1884). 

5.  Dahl,  Die  Fussdrüsen  der  Insekten,  im  ,,Arch.f. mikros.  Anat.  25. 
(1885). 

6.  Derham,  Physicotheology  IL    1798. 

7.  Dewitz,  In  „Sitzungsberichte  der  Gesellsch. naturforsch.  Freunde 
zu  Berlin.    1882. 

8.  Dewitz,  Ueber  die  Fortbewegung  der  Thiere  an  senkrechten 
glatten  Flächen  vermittelst  eines  Sekretes  (in  Pflüger's  „Archiv 
f.  d.  ges.  Physiologie.  33.    Bonn  1884). 

9.  Emery,  Fortbewegung  von  Thieren  an  senkrechten  und  über- 
hängenden glatten  Flächen  (Referat  im  „Biolog.  Centralblatt.  IV. 
1885). 

10.  Ersch  u.  Gruber.  EncyclopaedielL  18.  („Insekten",  bearbeitet 
von  Burmeister.     1840.) 

11.  v.  Fricken,  Deutschlands  einheim.  Käfer.    4.  Aufl.     1885. 

12.  Giebel,  Insecta  epizoa  (nach  Nitzsch).     1874. 

13.  Graber,  Der  Orgnnismus  der  Insekten,  München  1877. 

14.  Graber,  Ueber  die  Mechanik  des  Insektenkörpers  (im  „Biolog. 
Centralblatt.  IV.    1885). 

15.  Hartig,  Die  Familien  der  Blattwespen  u.  Holzwespen.      1837. 

16.  Hepworth,  On  the  structure  of  the  foot  of  the  fly ;  in  „Quarterly 
Journal  of  Microscopical  Science  1854.    IL 

17.  Hooke,  Micrographia.     1667. 

18.  Kirby  u.  Spence,  Einleitung  in  die  Entomologie,  deutsch  (von 
Oken).    1823. 

19.  Landois,  L.    Untersuchungen  über  die  a. d.  Menschen  schmarotz. 
Pediculinen;  in  „Zschr.  f.  wiss.  Zool.  14.  15.     1864/65. 

20.  Reaumur,  Memoires  pour  servir  ä  Thistoire  des  insectes,  1732 
—  1742. 

21.  Schiner,  Fauna  Austriaca  (Diptera).     1862. 

22.  Simmermacher,  Untersuchungen  über  Haftorgane  an  Tarsal- 
gliedern  der  Insekten,  in  „Zschr.  f.  wiss.  Zool.  40.    1884. 

23.  Straus  -Dürkheim,    Considerations    generales    sur  l'anatomie 
comparee  des  animaux  articules.     1828. 

24.  Stroebelt,  Anatomie  u.  Physiologie  v.Iiaematopinus  tenuirostris. 
Dissert.  Münster  1882. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  von  dessen  Bau  und  Funktion.  261 

25.  Todd,  Cyclopaedia,  IL    1839  („Insects,  by  Newport"). 

26.  Wagler,  Natürl.  System  d.  Amphibien  1830.    (Anmerk.p.234). 

27.  West,  T.,  The  foot  of  the  fly.  I,  in  ,,Transactions  of  the  Linnean 
Society  of  London.    Vol.  23.  1862. 

28.  White,  Natural  history,  edition  with  Bennet's  notes. 


s. 

Sehne. 

Schpl.  Schutzplatte. 

Skpl.    Skelettplatte, 
Strb.    Streckborste. 

Strpl. 
Strs. 

Streckplatte. 
Strecksohle. 

Th. 

Tasthaare. 

Tr. 

Tarsalrand. 

Tbst. 

Tibialstift. 

Figuren-Erklärung 

für  Tafel  XII— XIII. 

In  den  Figuren  bedeutet: 
A.  Kr.  Afterkralle. 
E.  B.    elastischer  Bogen. 
Gh.       Gelenkhaut. 
Glr.      Gleitrinne. 

Hf.  M.  hufeisenförmige  Masse  im  Haft- 
läppchen. 
Hl.        Haftläppchen. 
Kr.       Kralle. 

Krh.     Krallen(-gelenk-)höcker. 
Figur    1.    Elastischer  Bogen  aus  dem  Haftläppchen  von  Pompilus  viaticus. 
»        2.    Kralle   von    demselben    Thier,   mit   den  (3)  langen   Borsten    an   der 

Innenseite. 
»       3.    Desgl.  Streckplatte  mit  der  Strecksohle,  von  unten  gesehen. 
»       4.     Krallenhöcker  vom  Dytiscus  marginalis,  mittl.  Längsschnitt 
»        5.    Derselbe  von  der  Innenseite  des  Tarsus  gesehen. 
»        6.     Streckplatte  und  Streckborste  einer  Sarcophaga  carnaria  <§. 
»        7.  »  vom  Tabanus  bovinus     [mit  3  Haftl.). 

»       8.  ■>  »     Stratiomyia  bocata  (   »    »       »     ). 

9.  »  mit  Streckborste  und  Tasthaaren  von  Melolontha  vulgaris. 

»      10.    Krallenhöcker  von  Periplaneta  orientalis. 
»      11.    Krallenglied  von  demselben  Thier. 

»      12.    Streckplatte  mit  Streckborste  u.  dem  mittleren  Krallentheil  mit  der 
langen  Borste  von  Gryllus  domesticus. 
13.    Kralle  von  Asilus  atricapillus. 


am  Grunde  neben  dem  Gelenkhöcker  ist 


14.  »        »     Tabanus  bovinus^       das  in  die  Kralle  führende  Lumen 

sichtbar. 

15.  »         •>     Sarcophaga  carnaria. 

Die  Krallen  in  Figur  13  u.  15  (namentlich  in  dieser)  sind  stark 
gestreckt,  da  sie  über  den  langen  Haftlappen  hinwegreichen  müssen, 
was  bei  Figur  14  (3  lappiger  Tabanus)  nicht  nöthig  ist,  da  die  Kralle 
zwischen  je  2  Haftläppchen  Platz  zum  Angreifen  findet. 

16.  Krallenglied   von   Apis   mellifica   (Drohne)   von   unten   gesehen   (die 
Haftläppchen-Skelettplatte  schimmert  durch). 

17.  Skelettplatte  aus  dem  Haftl.  von  Vespa  vulgaris. 

18.  Kralle  von  derselben. 

19.  Desgleichen  Streckplatte   mit   den  kleinen  Nebenplättchen   und   der 
Strecksohle. 

20.  Die  behaarten  Läppchen  von  der  Aussenseite  der  Krallen  bei  Sphinx 
convolvuli. 

21.  Desgleichen  von  Arctia  caja,   mit   der   im  Haftläppchen  befindlichen 
hufeisenförmigen  Masse. 

22.  Krallenglied  von  Amphigerontia  (Psocidae). 

23.  Obere  Skelettplatte  von  Apis  mellifica. 

24.  Schutzplatte  des  Pompilus   niger,    mit  der  Skelettplatte;    beide   von 
der  Seite. 


262  Alfred  Ockler:    Das  Krallenglied  am  Insektenfuss. 

Skelettplatte  von  Tentkredo  flavicornis. 

Desgleichen,  elast.  Bogen  aus  dem  Haftläppchen. 

Krallenglied  von  Pentatoma  rufipes;  das  Haftläppchen  ist  mit  seiner 

Skelettplatte  in  einer  Vertiefung   am  Grunde  der  Krallen  befestigt. 

Krallenglied  der  Andrena  (species?),  von  unten. 

von  Pentatoma  bocaria;  Seitenansicht. 
Durchschnitt  durch  den  Fuss  des  Pselaphus  Heisii. 
Tarsenendglied   von  Locusta   viridissima ,    mit   der  durchschimmernd 
gezeichneten  Gleitrinne. 

Streckplatte  mit  Streckborste  von  Dytiscns  marginalis. 
»  »  »  »     Gryllotalpa  vulgaris. 

Skelettplatte    aus   dem  Haftl.  der    Sarcopbaga    camaria,   von  hinten 
(d.  h.  vom  Tarsallumen)  gesehen. 

Tarsenendglied  von  Pompilus  niger,    mit  den  2  blattartigen  Borsten 
an  der  ventralen  Seite. 
Fuss  vou  Phtirius  inguinalis  (1.  Beinpaar),  Durchschnitt. 

»    Pediculus  capitis  ^  ( »  »       ). 

»       ••     Phtirius  inguinalis  (3.  Beinpaar);  zerlegt. 
Haftlappen  von  Sarcopbaga  carnaria,  von  oben. 
Streckplatte  mit  Streckborste  von  Hydrophilus  aterrimus  (von    oben). 

»  ..  »  »  »  »  (v.  d.  Seite). 

Krallenglied   von  Melolontha  vulgaris,   von   der  Seite;    durchsichtig 
gedacht;  jedoch  ohne  Einzeichnung  der  faltigen  Haut. 
Strecksohle  von  Ammophila  sabulosa. 
Skelettplatte  »  »  » 

Krallenhöcker  von  Hippobosca  eguina. 
Desgleichen  Streckplatte  und  Streckborste. 
Aus^dem  Krallenglied  von  Anisoplia  horticula. 
Tarsenendglied  eines  Carahus  von  oben. 
Streckplatte  und  Strecksohle  von  Saturnia  pyri. 

mit  der  dünnen  Krallenabspaltung  von  Meloe  pro'scarabaeus ; 
daneben  die  zugeh'örige  Kralle  (von  unten  gesehen). 
Streckplatte  von  Aeschna  cyanea,  von  der  Seite. 

»  »     Libellula  depressa,  von  oben. 

Krallen  mit  der  Streckplatte  u.  der  Afterkralle  von  Leptogaster. 
Gleitrinne  aus  dem  Tarsenendglied  von  Stenopteryx  hirundinis. 
Krallenglied  von  Corymbites  aeneus. 
Kralle  von  Stenopteryx  hirundinis. 
Krallenhöcker  u.  s.  w.  von  Pomponerus  germanicus. 
Skelettplatte  mit  dem  auf  allen  Seiten  behaarten  rudimentären  Haft- 
läppchen eines  Bomhus  terrestris ;  die  Skelettplatte  ist  auf  der  Innen- 
seite mit  einem  Kanal  versehen,  der   in  das  rudimentäre  Haftl.  ein- 
mündet. 

59.  Krallenglied  von  Leptogaster  von  der  Seite. 

60.  u.  61.     Schutzplatte    für    das  Haftläppchen   von  Pompilus  viaticus  von 
oben  und  unten  gesehen. 

62.  Streckplatte  und  Streckborste  von  Oryctes  nasicornis. 

63.  Haftläppchen  (seitl.)  von  Tabanus  bovinus,  mit  der  hinteren  Skelett- 
platte. 

64.  Kralle  mit  der  Skelettplatte  des  Haftläppchens  von  Bippobosca  equina. 

65.  Aus  dem  Krallenglied  von  Silpha  thoracica. 


igur  25. 

»      26. 

..      27. 

.»      28. 

»»      29. 

».      30. 

-      31. 

..      32. 

»      33. 

>»      34. 

..      35. 

..      36. 

»      37. 

.»      38. 

>.      39. 

»      40. 

»      41. 

»      42. 

»»      43. 

..      44. 

.»      45. 

.»      46. 

»>      47. 

»      48. 

••      49. 

»      50. 

..      51. 

»»      52. 

..      53. 

•■      54. 

»      55. 

»      56. 

»      57. 

•■      58. 

Berichtigu  n  g : 

Bei  Figur  51  auf  Tafel  XIII  lies:    Strb  statt  Strs. 


Ein  neues  Copepoden-  Genus  (Sapphir) 
aus  Triest. 


Von 

Dr.  Lazar  Car. 


Hierzu  Tafel  XTV. 


Bei  der  Bearbeitung  des  Copepoden-Materiales,  welches  ich  in 
dem  Jahre  1888  in  Triest  sammelte,  und  dessen  Ergebnisse  ich  in 
„Glasnik  naravoslovnoga  druztva  (Societas  historico-naturalis  croatica) 
Bd.  V.  1890.  Agram"  veröffentlichte,  stiess  ich  unter  Anderem  auf 
eine  neue  Form  von  Copepoden,  welche  sich  bei  näherer  Betrachtung 
als  generisch  neu  erwies. 

Die  neue,  hier  beschriebene  Form  setzte  mich  in  der  That  in 
nicht  geringe  Verlegenheit.  Lange  konnte  ich  nicht  schlüssig  werden, 
wohin  ich  sie  stellen  sollte;  denn  selbst  die  Familien -Charaktere 
schienen  mir  im  Anfange  hier  völlig  combinirt  zu  sein.  Doch  musste 
ich  schliesslich  eine  Entscheidung  treffen,  und  diese  wage  ich  jetzt 
hiermit  der  Oeffentlichkeit  zu  übergeben. 

Ich  bin  mir  dabei  zwar  bewusst,  dass  ich  bei  der  mir  nicht 
vollständig  zu  Gebote  stehenden  Literatur  Gefahr  laufe,  schon  Be- 
kanntes als  neu  zu  beschreiben,  doch  ist  mir  eine  erschöpfende 
Durchsicht  der  gesammten  Copepoden-Literatur  unmöglich,  und  ich 
muss  mich  daher  gezwungener  Weise  einer  eventuellen  nachträglichen 
Correction  aussetzen. 

Ich  halte,  wie  oben  angedeutet,  die  fragliche  Form  für  ein  neues 
Genus  und  stelle  es  in  die  Familie  der  Sapphiriniden.  —  Bei  der 
Rundschau  der  in  Betracht  kommenden  Familien  ergab  sich  nämlich 
folgendes  Resultat. 

Farn.  Calanidae.  Das  Charakteristische  dieser  Familie  besteht 
bekanntlich  in  sehr  langen  24 — 25gliedrigen  vorderen  Antennen ;  in 
der  nur  einerseits  bei  Männchen  zum  geniculirenden  Fangarme  um- 
gebildeten Antenne.  Ferner  sind  die  hinteren  Antennen  gross, 
2  ästig    mit    umfangreichem    Nebenaste.      Die    weiteren    Charaktere 


264  Dr.  Lazar  Car: 

brauche  ich  nicht  hervorzuheben,  da  mein  Genus  blos  6gliedrige 
vorderen  Antennen  besitzt,  welche  ausserdem  noch  bei  beiden  Ge- 
schlechtern gleich,  oder  doch  bei  Männchen  beiderseits  in  gleicher 
Weise  stärker  entwickelt  sind.  Die  hinteren  Antennen  vom  neuen 
Genus  sind  klein  und  ohne  Nebenast.  Der  ganze  Habitus  ist  über- 
haupt nicht  Calaniden-förmig.  — 

Fam.  Cyclopidae.  Bei  Cyclopiden  ist  die  Gliederzahl  der 
vorderen  Antennen  in  der  Regel  auch  viel  grösser  als  bei  unserem 
Genus.  Eine  Uebereinstimmung  bestände  wohl  darin,  dass  auch  bei 
den  Cyclopiden  die  vorderen  i^ntennen  im  männlichen  Geschlechte 
jederseits  zu  Fangarmen  umgebildet,  und  die  hinteren  Antennen  ohne 
Nebenast  sind.  Doch  lassen  die  Palpen  der  Mandibeln  und  Maxillen, 
wie  auch  die  aus  4  --  6  Gliedern  bestehenden  und  mit  befiederten 
Borsten  besetzte  Maxillarmsspaare  der  Cyclopiden  keinen  Vergleich 
mit  unserem  Genus  zu. 

Fam.  Harpactidae.  Der  Gesammt- Habitus  unseres  neuen 
Genus  würde  sich  wohl  dem  der  Harpactiden  mehr  nähern.  In  der 
Organisation  der  vorderen  Antennen  stimmen  die  Harpactiden  sogar 
vollständig  mit  Letzterem  überein.  Allerdings  sind  die  hinteren  An- 
tennen bei  den  Harpactiden  mit  einem  Nebenast  versehen  und  tragen 
am  Endgliede  knieförmig  gebogene  Greif  borsten.  Dieser  Unterschied 
wäre  indess  von  keinem  grossen  Belange,  da  der  Nebenast  bei 
Harpactiden  ganz  verkümmern  kann  z.  B.  bei  Laophonte,  und  zweitens 
unser  Genus  auch  noch  eine  kräftige  befiederte  Borste  an  der  Stelle 
dieses  Nebenastes  aufweist.  Die  knieförmig  gebogenen  Borsten  am 
Endgliede  der  hinteren  Antennen  kann  man  auch  nicht  .als  Familien- 
Charaktere  ansehen.  Aber  die  Mandibeln  und  Maxillen  sind  bei 
Harpactiden  mit  Palpen  versehen;  ferner  ist  das  erste  Fusspaar  in 
der  Regel  zum  Greiforgan  umgebildet  und  das  fünfte  Fusspaar  blatt- 
förmig. In  den  letzteren  Merkmalen  weicht  unser  Genus  erheblich 
von  Harpactiden  ab.  — 

Fam.  Peltididae.  Dieser  Familie  nähert  sich  das  neue  Genus 
in  der  Körperform  noch  viel  mehr.  Der  Körper  desselben  ist  eben- 
falls platt,  mit  breiten  Seitenflügeln  der  einzelnen  Abschnitte  ver- 
sehen und  mit  einem  kräftigen  Chitinpanzer  bedeckt.  Doch  haben 
die  hinteren  Antennen  der  Peltidien  wieder  einen  Nebenast  und 
knieförmig  gebogene  Borsten.  Ausserdem  sind  es  wieder  die  Man- 
dibeln und  Maxillen,  durch  welche  sich  das  neue  Genus  von  Peltidien 
unterscheidet;  das  fünfte  Fusspaar  ist  überdies  beim  Letzteren  anders 
gestaltet  als  bei  den  Peltidien.  — 

Fam.  Corycaeidae.  Hier  sind  es  wieder  die  hinteren  An- 
tennen die  mit  Klauenhaken  bewehrt  sind,  und  die  daher  die  Ein- 
reihung der  neuen  Form  in  diese  Familie  nicht  zulassen.  Die  Man- 
dibeln, Maxillen  und  Maxillarfüsse  der  Corycaeiden  zeigen  aber  eine 
Verwandtschaft  mit  unserem  neuen  Genus.  — 


Ein  neues  Copepoden-Grcnus  (Sapphir)  aus  Triest.  265 

Die  Farn.  Sapphirinidae,  welche  ich  hier  nach  dem  Vorgänge 
Bradys  von  den  Corycaeiden  trenne,  wird  charakterisirt  durch  läng- 
lichen oder  abgeplatteten  Körper,  vollzählige  Körper-Segmente,  Ver- 
schmelzung des  ersten  Segments  mit  dem  Kopfe.  Vordere  Antennen 
5 — 7  gliedrig,  ähnlich  in  beiden  Geschlechtern;  die  hinteren  Antennen 
einfach,  ohne  Nebenast,  am  Endgliede  mit  Klauen  oder  einigen  ge- 
krümmten Borsten  besetzt. 

Die  Mandibeln  klein,  scharf  ausgezogen,  oder  mit  sehr  kleinen 
Zähnen  endigend.  Die  Maxillen  bestehen  aus  einem  kleinen  borstigen 
Finger,  der  sich  nahe  der  Basis  der  Mandibel  einlenkt.  Die  vorderen 
Maxillarfusspaare  (Aeste)  mit  einigen  kleinen  hakenähnlichen  Borsten; 
die  hinteren  Maxillarfusspaare  mit  terminaler  Klaue,  die  bei  Männchen 
viel  stärker  ist.  Die  ersten  vier  Fusspaare  '2  ästig,  jeder  Ast  3  gliedrig, 
ausgenommen  die  Fälle  wo  der  innere  Ast  des  vierten  Fusses  nur 
1  oder  2  gliedrig  vorkommt.  Fünftes  Paar  klein,  gewöhnlich  1  gliedrig ; 
Eisäckchen  zwei.  — 

Diese  Definition  der  Sapphiriniden,  welche  ich  Brady  entlehnte, 
lässt  sich  vollständig  auf  mein  neues  Genus  anwenden,  mit  einer 
einzigen  Ausnahme,  nämlich  der,  dass  bei  unserer  Form  der  äussere 
Ast  des  ersten  Fusses  blos  1  gliedrig  ist.  Dies  glaube  ich  jedoch, 
darf  nicht  die  Einreihung  derselben  in  die  Familie  der  Sapphiriniden 
hindern.  Es  entsteht  dann  aber  die  Nothwendigkeit  die  obige  Defi-' 
nition  der  Familie  in  dieser  Beziehung  zu  modifiziren,  respective  ihr 
hinzuzufügen:  dass  die  Aeste  der  ersten  vier  Fusspaare  ,, gewöhnlich" 
3 gliedrig  sind,  oder  den  Fall  als  einen  besondern  zu  intercaliren, 
so  wie  es  schon  oben  in  Bezug  auf  den  vierten  Fuss  geschah. 

Der  Punkt,  dass  die  hinteren  Antennen  bei  unserem  Genus  mit 
Borsten  und  nicht  mit  Klauen  endigen,  erfordert  keine  Modifikation 
der  obigen  Definition,  da  ich  diese  zweite  Möglichkeit  in  derselben 
schon  vorfand.  —  Auch  für  den  fünften  Fuss  steht  bereits  in  der 
Definition  der  Sapphiriniden,  dass  er  „gewöhnlich"  1  gliedrig  ist ; 
also  wird  die  Zweigliedrigkeit  darin  schon  zugelassen. 

Die  Bildung  der  Mundwerkzeuge,  auf  welche  ich  auch  besonderes 
Gewicht  legen  musste,  rechtfertigt  vollständig  die  Einreihung  des 
neuen  Genus  in  die  Familie  der  Sapphiriniden. 

Damit  glaube  ich  genug  Gründe  angeführt  zu  haben,  welche 
die  hier  gegebene  Stellung  des  neuen  Genus  stützen.  — 

Vorerst  führe  ich  die  lateinische  Diagnose  der  Familie  der 
Sapphiriniden  an,  und  füge  zugleich  die  jetzt  nöthig  gewordenen 
Amendements  ein. 

Farn.   Sapphirinidae  Thor.     (Lichomolgidae  Rossin.) 

Caput  thorace  multo  latius  plerumque  cum  segmento  I.  thoracico 
concretum ;  antennae  I.  5 — 7  articulatae,  II.  simplices  apice  setis  un- 
cinatis  aut  unco  armatae ;  mandibulae  falcatae  aut  subulatae,  niargine 
aut  serrato   aut  dentato  aut  spinis  munito;   maxillae  rudimentäres; 


266  Dr.  Lazar  Car: 

maxillipedum  par  II.  unco  terminatum ;  pedes  natatorii  parvi,  parium 
quatuor  anteriarum  birames,  ramis  triarticulatis  (ramo  externo  parisl. 
interdum  1  articulato ;  interno  paris  IV.  interdum  1  —  2  articulato), 
par  V.  parvum,  plerumque  uniarticulatum ;  sacci  ovigeri  duo.  — 

Aus  der  Familie  der  Sapphiriniden  sind  mir  folgende  6  Genera 
bekannt,  von  welchen  ich  hier  die  Diagnosen  anführe;  die  Unter- 
schiede von  meinem  neuen  Genus  sind  durch  besonderen  Druck  hervor- 
gehoben. 

1.   Sapphirina  Thomps. 

Corpus  depressum,  ovale,  abdomen  $  interdum  subito  cephalo- 
thorace  angustius;  thoracis  segmentum  V.  in  S  rudimentäre; 
pedes  paris  V.  tenues  uniarticulati;  pedes  natatorii  birames, 
ramis  internis  et  externis  triarticulatis;  antennae  anticae 
5  aut  6  articulatae,  articulo  2.  elongaton,  posticae  pediformes 
unguiculatae;  stili  caudales  laminati;  mares  saepe  opalini  aut 
metallici,  oculus  impar  vesiculiformis ,  oculorum  lateralium  corpus 
pigmentatum  stiliforme. 

2.   Copilia*  Dana. 

Corpus  depressum,  pellucidum,  sine  colore;  segmentum  V. 
thoracis  cum  pedibus  rudimentäre,  segmentum  abdominis  V. 
non  bene  distinctum;  pedum  paris  IV.  ramus  internus  uni- 
articulatus,  pes  V.  simplex  setis  duabus  instructus;  lentes  fron- 
tales omnino  deficientes;  oculus  inpar  inferior  vesiculiformis;  oculi 
superiores  uniti;  mandibulae,  maxillae,  maxillipedes  superiores  valde 
distantes  rudimentäres,  maxillipedes  inferiores  prehensiles,  unco 
curvato  arinati;  laminae  caudales  longae,  angustae,  lineares; 
S  opalinus. 

3.   Lichomolgus  Thor.     (Sepicola  Claus.) 

Corpus  subpiriforme,  sementis  11  ($)  aut  12  (o)  (10  Thoreil). 
cephalothorace  lato,  ovato,  capite  cum  thoracis  segmento  primo 
coalito;  ab d omine  angusto,  segmentum  I.  et  IL  in  ?  coalita,  in  3 
libera,  ultimum  duas  appendices  formans;  antennae  I.  filiformes, 
6 — (7)  articulatae,  IL  breviores  3 — (L)  articulatae,  in  apice  aculeis 
curvatis  armatae;  labrum  elongatum,  mandibulae  basi  lata  falcata 
instructae,  maxillae  laminas  parvas  ferentes;  maxillipedes  anteriores 
setis  duabus  stiliformibus  sursum  directis  praediti;  pedes  pa- 
rium I.  —IV.  ramis  triarticulatis,  excepto  ramo  interno 
paris  IV.  biarticulato,  paris  V.  uniarticulati;  aperturae 
genitales  superae. 


*  Da  nach   Griesbrecht  Sapphirinella  Claus  =  Hyalophyllum   flaeckel   die 

Männchen  vom  Genus  Copilia  darstelle,  der  Name  Copilia  Dana  aber  der  älteste 
ist,  so  wende  ich  letzteren  für  dieses  Sapphiriniden-Genus  an.  —  „Hyalophyllum 
Haeckel  =  Copilia  Dana  $.  Von  Dr.  W.  Giesbrecht.  Zool.  Anzeiger  XII.  Jahr- 
gang Nr.  314.    Leipzig.    1889'\ 


Ein  neues  Copepoden-Genus  (Sapphil')  aus  Triest.  267 


4.  Sabelliphillus  Sars. 
Corpus  subteres  elongatum,  postice  attenuatum,  segmentis  10; 
caput  $  cum  segmento  I.  thoracis  conjunctum,  <$  sejunctum;  ros- 
trum  frontale  subtus  porrectum  profunde  bifurcatum; 
antennae  I.  7  articulatae,  articulis  2  primis  plus  (?)  mi- 
nusve  (S)  dilatatis;  antennae  IL  pediformes  validae,  4arti- 
culatae,  articulo  ultimo  unguibus  3,  penultimo  singulo 
armatis;  maxillipedes  mediocres,  triarticulati;  articulo  ultimo 
unguiculato:  ramus  pedum  quatuor  parium  primerum  uterque 
triaticulatus,  paris  V.  rudimentaris,  minimus,  simplex.  uni- 
artic u latus;  sacculi  ovigeri  duo.  — 

5.   Anthessius  Della  Valle. 

Corpus  piriforme,  segmento  genitali  tumido,  in^libero, 
in  $  cum  segmento  sequente  coalito;  antennae  I.  7  articulatae, 
IL  9  articulatae,  prehensiles,  uncinis  terminatae;  mandi- 
bulae  falciformes,  margine  convexo  dentato,  appendice  palpi- 
formi  ciliata  in  margine  concavo;  maxillipedes  I.  maxillis 
minores  spinis  pancis  fortibus;  pedes  parium  quatuor 
anteriorum  ramis  binis  triarticulatis,  parium  V.  et  VI. 
rudimentäres. 

6.    Doridieula  Leyd. 

Corpus  piriforme  depressum,  cephalothorace  lato,  valvula 
lata  frontali  alisque  thoracalibus  deorsum  flexis,  segmen- 
lum  V.  minimum;  antennae  I.  7  articulatae,  IL  prehensiles; 
pedes  birames;  par  V.  pedum  conspicue  porrectum  biarticu- 
tatum;  segmenta  2  priora  abdominalia  coalita;  aperturae  genitales 
$  superae;  furca  setis  utrinque  quinis,  secunda  interna  longissima, 
munita. 

Von  allen  diesen  angeführten  6  Genera,  welche  mir  aus  dem 
Mittelmeere  bekannt  sind,  unterscheidet  sich  mein  neues  Genus  haupt- 
sächlich dadurch,  dass  der  äussere  Ast  des  ersten  Fusses  lgliedrig 
ist.  Ausserdem  unterscheidet  es  sich  vom  Genus  Sapphirina  durch 
das  gut  ausgebildete  thoracale  fünfte  Segment  des  cJ,  durch  den 
2  gliedrigen  fünften  Fuss  und  durch  die  Borsten  an  den  hinteren 
Antennen.  Vom  Genus  Copilia  unterscheidet  es  sich  hauptsächlich 
dadurch,  dass  bei  Copilia  der  innere  Ast  des  vierten  Fusses  1  gliedrig 
ist;  bei  unserem  Genus  aber  3 gliedrig.  Der  Unterschied  von  Licho- 
molgus  liegt  auch  im  inneren  Aste  des  vierten  Fusses,  welcher  bei 
Lichomolgus  2  gliedrig  ist,  und  der  fünfte  Fuss  nur  1  gliedrig.  Bei 
Sabelliphillus  ist  das  Rostrum  gegabelt,  die  vorderen  Antennen 
7  gliedrig,  die  hinteren  mit  Klauen  bewehrt.  Anthessius  hat  wieder 
7gliedrige  vorderen  Antennen,  und  die  hinteren  sind  bei  ihm  4 gliedrig 
und  mit  Klauen  besetzt. 

Auch  bei  Doridieula  sind  die  vorderen  Antennen  7  gliedrig, 
die  hinteren  zu  Greiforganen  umgebildet.  — 


268  Dr-  Lazar  Car  : 

Nachdem  ich  diesen  kritischen  Vergleich  meiner  neuen  Form 
mit  allen  näher  stehenden  Familien  angestellt,  und  auch  die  Unter- 
schiede von  allen  Genera  der  Sapphiriniden  ausführlich  hervor- 
gehoben habe,  gehe  ich  jetzt  zur  Beschreibung  des  neuen  Genus 
selbst  über. 


Sapphir*  n.  g. 

Corpus  depressum,  dilatatum,  rostro  triangulari  prominente. 
Caput  cum  annulo  primo  thoracico  conjunctum,  Antennae  anticae 
6  articulatae,  posticae  ramo  secundario  carentes,  3  articulatae,  setosae. 
Mandibulae  simplices,  attenuatae,  apice  dentatae,  maxillae  simplices 
acutae.  Maxillipedes  superiores  uncinati,  inferiores  prehensiles,  ar- 
ticulo  basali  styliforme,  elongato.  Pedum  primi  paris  ramus 
extern us  1  articulatus.  Abdomen  feminae  4-,  maris  5  articu- 
latum.  — 


Sapphir  rostratus  n.  sp. 

Körper  abgeplattet,  die  einzelnen  Thoracal-Segmente  sind  in 
breite  Seitenflügeln  ausgezogen,  welche  sich  am  Cephalothoracal- 
Abschnitte  sogar  ein  wenig  nach  einwärts  krümmen.  Abdomen 
eylindrisch,  nicht  scharf  vom  Thorax  abgesetzt,  gegen  das  hintere 
Finde  sich  allmählich  verjüngend,  endet  mit  zwei  kleinen  Furcal- 
Lamellen.  Die  Stirn  läuft  in  ein  breites  dreieckiges  Rostrum  aus. 
Die  Körperform  des  Männchens  und  Weibchens  gleich.  Der  Kopf 
mit  dem  ersten  Thoracalsegmente  in  beiden  Geschlechtern  verschmolzen. 
Beim  Weibchen  die  beiden  ersten  Abdominal-Segmente  verbunden. 
Das  Körper  -Integument  wird  von  einem  System  von  Chitin spangen 
gestützt,  was  stark  an  die  Körperhaut  der  Peltidien  erinnert,  sonst 
ist  es  aber  durchsichtig  und  lässt  sowohl  die  Muskeln  als  auch 
andere  innere  Organe  deutlich  durchschimmern. 

Die  vorderen  Antennen  in  beiden  Geschlechtern  6  gliedrig 
und  am  4.  und  5.  Gliede  mit  Riechschläuchen  versehen;  beim  Weibchen 
ist  das  letzte  Glied  lang  und  schmal;  bei  Männchen  sind  die  vor- 
deren Antennen  beiderseits  gleich,  doch  stärker  entwickelt  als  beim 
Weibchen.  Ausserdem  sind  sie  auch  am  3.  Gliede  mit  Riech- 
schläuchen versehen;  das  vorletzte  Glied  ist  mit  einer  feinen  Zahn- 
reihe an  der  Innenseite  bewehrt;  das  letzte  Glied  weniger  lang  als 
beim  Weibchen.  — 


*  Der  Habitus  der  Sapphirinen  ist  in  unserem  neuen  Genus  so  ausgeprägt, 
dass  ich  dieser  Thatsache  in  der  Aehnlichkeit  des  vorgeschlagenen  Namens  mit 
dem  der  Familie  Rechnung  zu  tragen  wünschte. 


Ein  neues  Copepoden-Genus  (Sapphir)  aus  Triest.  269 

Die  Antennen  des  zweiten  Paares  sind  klein,  3  gliedrig, 
mit  verlängertem  Basalgliede  und  ohne  Nebenast.  Das  Endglied  ist 
mit  vier  ziemlich  geraden,  nicht  knieförmig  gekrümmten  Borsten 
bewaffnet.  Am  distalen  Ende  des  Basalgliedes  findet  sich  an  der 
Aussenseite  eine  kräftige,  befiederte  Borste.  — 

Die  Mandibeln  sind  stark  verkümmert  mit  lang  ausgezogener 
Kauplatte,  ohne  Palpus;  am  Ende  scheinen  sie  jedoch  nicht  in  eine 
Spitze  auszulaufen,  sondern  mit  äusserst  feinen  Zähnchen  bewehrt 
zu  sein. 

Die  Maxillen  sind  auch  rudimentär,  stiletförmig ,  in  eine 
Spitze  ausgezogen,  ebenfalls  ohne  Palpus,  und  dicht  unter  den  Man- 
dibeln eingelenkt.  Beobachtung  der  Mundtheile  ist  äusserst 
schwierig.   — 

Die  vorderen  Maxillarfüsse  sind  sehr  klein;  bestehen  aus 
einem  grösseren  Basalgliede,  an  welches  sich  zwei  kleine,  nicht 
deutlich  getrennte  Glieder  anschliessen ,  welche  mit  je  zwei  feinen 
Häkchen  endigen.  — 

Die  hinteren  Maxillarfüsse  sind  gross,  zweigliedrig,  aus 
hingen  Gliedern,  welche  sich  in  der  Ruhe  knieförmig  schliessen,  zu- 
sammengesetzt. Das  Endglied  ist  mit  einer  kräftigen  Klaue  be- 
waffnet, und  ausserdem  bildet  es  durch  zwei  Reihen  von  Zähnchen 
eine  Scheide,  in  welche  sich  die  zurückgeklappte  Klaue  wie  in  eine 
Messerscheide  einsenkt.  Der  ganze  Fuss  und  namentlich  die  Klaue 
ist  beim  Weibchen  viel  schmächtiger.  — 

Die  ersten  vier  Fusspaare  sind  2  ästig,  jeder  Ast  3  gliedrig, 
ausser  dem  ersten  Paare,  bei  welchem  der  äussere  Ast  blos  1  gliedrig 
ist.  — 

Das  erste  Fusspaar  ist  zwar  wie  die  anderen  2  ästig,  der 
äussere  Ast  ist  jedoch  klein  und,  wie  gesagt,  nur  1  gliedrig,  und 
zwar  in  beiden  Geschlechtern.  Darauf  gründe  ich  hauptsächlich 
mein  neues  Genus,  da  sich  letzteres  dadurch  von  allen  Sapphirinen- 
Genera  scharf  unterscheidet. 

Das  zweite,  dritte  und  vierte  Fusspaar  ist  2  ästig,  jeder 
Ast  3  gliedrig,  und  alle  sind  untereinander  und  in  beiden  Ge- 
schlechtern gleich. 

Das  fünfte  Fusspaar  ist  1  ästig,  cylindrisch  und  besteht  aus 
2  Gliedern,  von  denen  das  basale  Glied  kürzer  und  an  der  Aussen- 
seite mit  einer  befiederten  Borste  bewehrt  ist.  Das  Endglied  ist 
länger  und  an  seinem  distalen  Ende  mit  zwei  längeren,  befiederten 
und  einer  viel  kleineren,  ebenfalls  befiederten  Borste  besetzt.  Dieser 
Fuss  ist  in  beiden  Geschlechtern  gleich.  — 

Das  Abdomen  besteht  beim  Männchen  aus  5,  beim  Weibchen 
aus  4  getrennten  Segmente.  Beim  Weibchen  sind  nämlich 'die  beiden 
ersten  Segmente  verschmolzen.  Beim  Männchen  lassen  sie  sehr  gut 
die  nur  linksseitig  entwickelte,  stark  Licht  brechende,  Spermatophore 


270  Dr.  Lazar  Car: 

durchschimmern.  Das  letzte  Abdominal -Segment  endet  mit  einer 
kleinen  lamellosen  Furca.  Die  Furca  ist  seitlich  mit  zwei  starken 
Haken  und  am  Ende  mit  kurzen,  sich  nach  innen  hin  kreuzenden, 
Borsten  bewehrt. 

Da  ich  von  dem  neuen  Genus  nur  diese  eine  Form,  die  ich 
„rostratus"  benennen  will,  kenne,  so  bin  ich  nicht  in  der  Lage  genau 
festzustellen,  welche  Charaktere  ausschliesslich  für  das  Genus  Geltung 
haben,  und  welche  sich  auf  die  Species  beziehen  mögen.  In  der 
Copepoden-Literatur  finde  ich  mehrere  solche  Fälle,  dass  eine  neue 
Form  beschrieben  wurde,  bei  welcher  man  einige  wichtigere  Charaktere 
als  generische  aufstellte,  die  man  jedoch  später,  als  man  eine  zweite 
Art  davon  fand,  corrigiren  musste.  Es  ist  eben  ein  missliches  Vor- 
gehen auf  Grund  einer  einzigen  neuen  Form  die  generische  Diagnose 
rein  auszuschälen.  Vorläufig  kann  ich  nur  den  einzigen  sicheren 
Charakter  des  Genus  hervorheben,  dass  der  äussere  Ast  des  ersten 
Fusses  1  gliedrig  ist.  Alles  andere  dürfte  sich  vielleicht  nur  auf  die 
Species  beziehen.  — 

Auf  Grund  meines  todten  Materials  konnte  ich  leider  nichts 
Sicheres  über  die  Augen  mittheilen.  Die  Muskulatur    Hess  sich 

durch  den  zwar  dicken,  jedoch  genügend  durchsichtigen  Chitinpanzer 
sehr  deutlich  beobachten ;  sie  verhält  sich  genau  so,  wie  ich  sie  bei 
einer  Sapphirina  aus  Triest  früher  einmal  beschreiben  und  abbilden 
konnte*.  — 

Es  möge  noch  das  bemerkt  werden,  dass  sich  bei  Männchen 
nur  der  linke  testiculus  entwickelt,  der  rechte  hingegen  sammt  der 
rechten  Spermatophore  ganz  ausfällt.  — 

Von  dieser  neuen  Form  erhielt  ich  entwickelte  Männchen  und 
Weibchen  in  mehreren  Exemplaren  aus  Triest.  — 


*  Ein   Beitrag   zur    Copepoden- Fauna  d.  adriat.  Meeres.     Archiv  f.  Nat. 
L.  Jahrg.  I.  Band.    1884.    S.  259. 


Ein  neues  Copepoden-Genus  (Sapphir)  aus  Triest.  271 


Erklärung  der  Tafel  XIV. 


Fig.  1.  Sapphir  rostratus  $,  von  der  dorsalen  Fläche,  145.  Vergr. 

2.  Sapphir  rostratus  $ .  seitlich  (mehr  von  der  dorsal.  Fläche),  145.  Vergr, 

»      3.  Vordere  Antenne  des  <§,  350.  Vergr. 

4.  Vordere  Antenne  des  £,  350.  Vergr. 

5.  Hintere  Antenne,  350.  Vergr. 
».     G.  Mundtheile:  350.  Vergr. 

ohen:  Mandibel. 
unten:  Maxille. 

»      7.  Vorderer  Maxillarfuss,  350.  Vergr. 

8.  Hinterer  Maxillarfuss  des  <$,  350.  Vergr. 

9.  Erster  Fuss,  350.  Vergr. 

»    10.  Vierter  linker  Fuss,  350.  Vergr. 

•    11.  Fünfter  Fuss,  350.  Vergr. 

»    12.  Hinterer  Theil  des  Abdomens  von  <£,  350.  Vergr. 


Anmerkung.  Sämmtliche  Figuren  wurden  durch  das  Zeichenprisina  von 
Nachet  gezeichnet.  Der  ganze  Körper  wurde  (2,  C)  145.  vergrössert,  die  ein- 
zelnen Theile  (2,  E)  350.  Zur  Zeichnung  diente  das  Mikroskop  von  C.  Zeiss, 
Stativ  I,  mit  dem  Ahee'schen  Beleuchtungs-Apparat. 


Gedruckt  in 

Kroll's  Buchdruckerei,  Berlin  S. 

Sebastianstrasse  76. 


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Archiv  f.  Nalurgesch   1890 


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Archi  'seil    1890 

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Archivf.  Näturgesck  1890 


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