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Full text of "Archiv für Naturgeschichte"

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ARCHIV 


FUE 


lATUEGE  SCHICHTE. 

GEGRÜNDET   VON  A.  F.  A.  WIEGMANN, 

FORTGESETZT  VON 

W.    F.    ERICHSON,    F.    H.    TROSCHEL 
UND    E.    VON    HÄRTENS. 


HERAUSGEGEBEN 


Prof.  Dr.  F.  HILGENDORP, 

GUSTOS  DES  K.  ZOOLOG.  MUSEUMS  ZU  BERLIN. 


SECHZIGSTER  JAHRGANG. 


I.   BAND. 


Berlin  1894. 
NICO LAISGHE   VERLAGS-BUCHHANDLUNG 

R.  STRICKER. 


Inhalt  des  ersten  Bandes. 


Seite 

Dr.  B.  Bergh.     Eiue  neue  Gattung  von  Polyceraden  (Greüada).    Hierzu 

Tafel  I 1 

Georg  Duncker.      Ueber  ein  abnormes  Exemplar  von  Aurelia  aurita  L. 

Hierzu  Tafel  I,  Fig.  11,  12 7 

M.  Traustedt  und  W.  Weltner.    Bericht  über  die  von  Herrn  Dr.  Sander 

gesammelten  Tunikaten.    Hierzu  Tafel  IT 10 

Prof.  Dr.  A.  Nehring.    Die  Verbreitung  des  Hamsters  (Cricetus  vulgaris) 

in  Deutschland.    Hierzu  Tafel  III    ... 15 

Federico  Phüippi.  Ein  neues  Beutelthier  Chile's.  Hierzu  Tafel  IV,  Fig.  2  33 
Dr.  B.  Ä.  Phüippi.      Beschreibung   einer   dritten   Beutelmaus.      Hierzu 

Tafel  IV,  Fig.  1 3G 

Dr.  H.  von  Jhering.      Ueber    Binnen  -  Conchylien    der    Küstenzone    von 

Rio  Grande  do  Sul 37 

Dr.  Carl  Apstein.      Die    Salpen    der   Berliner  Zoologischen   Sammlung. 

Hierzu  Tafel  V 41 

H.  J.  Kolbe.    Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  faunistischen  Verhältnisse 

des  centralafrikanischen  Seengebietes 55 

Johannes  Emil  Schmidt.    Die  Entwicklungsgeschichte  und  der  anatomische 

Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).    Hierzu  Tafel  VI 65 

Dr.  Arthur  Mueller.    Helminthologische  Beobachtungen  an  bekannten  und 

unbekannten  Entozoen.    Hierzu  Tafel  VII 113 

Dr.  Carl  Verhoeff.  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens  der  männ- 
lichen und   weiblichen   Lampyriden,    Canthariden    und   Malachiiden. 

Hierzu  Tafel  Vni— XI 129 

Dr.B.A.  Phüippi.     Callirrhabdos ,  ein  neues  Genus  der  gorgonenartigen 

Pflauzeuthiere? 211 

Dr.  B.  A.  Philippi.  Phryniscus  Bibron  ist  nicht  Phryniscus  Wiegmann.  .  214 
Lewis  Murbach.     Beitrage  zur  Kenntnis  der  Anatomie  und  Entwickelung 

der  Nesselorgane  der  Hydroiden.    Hierzu  Tafel  XII 217 

Otto  Augstein.     Strongylns  filaria  R.     Hierzu  Tafel  XHI  und  XIV     .     .       255 


2^113 


Eine  neue  Gattung  von  Polyceraden 
(Greilada). 

Von 
Dr.  R.  Bergh,   Kopenhagen. 


Hierzu  Tafel  I. 


Farn.  Dorididae  phauerobrancMatae. 

Subfam.  D.  phanerobp.  non  suetoriae  s.  Polyeeradae. 

Greilada,  Bgh. 

Corpus  limaciforme,  limbus  frontalis  digitatus ;  branchia  6  foliata, 
foliis  branchialibus  simpliciter  pinnatis;  appendices  dorsales  (extra- 
branchiales)  nullae;  rhinoplioria  vix  retractüia,  perfoliata. 

Lamellae  mandibulares  fortes,  infra  (ut  supra)  coalescentes, 
processu  superiori  aliformi.  —  Radula  rbachide  nuda;  pleuris  denti- 
bus  liamatis  duobus,  interno  minore,  externo  majore,  et  dentibus 
externis  paucis  (2 — 3)  instructis. 

Prostata  magna,  discreta. 

Diese  neue  Gattung,  die  Greiladen^),  stehen  den  ächten  Polyceren 
(Polycera)")  sehr  nahe  und  unterscheiden  sich  im  Aeusseren  von 
denselben  durch  das  absolute  Fehlen  von  Rücken  anhängen  neben 
der  Kieme.  Auch  im  inneren  Baue  weichen  sie  von  denselben 
wenig  ab,  besonders  doch  in  der  Form  der  Mandibeln,  die  unten  (wie 
oben)  mit  einander  durch  ein  cuticulares  Zwischenstück  verbunden 
sind.  Die  Radula  ist  fast  ganz  wie  bei  der  Polycera.  Die  Prostata 
und  die  Bewaffnung  des  unteren  Theils  des  Samenleiters  und  der 
Glans  penis  auch  wie  bei  der  Polycera. 

Von  der  Gattung  ist  bisher  nur  die  untenstehende  Art  aus  dem 
adriatischen  Meere  bekannt. 


^)  Greüada,  uxor  Thoi'finni.    Laxdaela-Saga,    Hafniae.    1826.    p.  9. 
2)  R.  Bergh,   Beitr.  zu  einer  Monogr.  d.  Polyceraden.  I.  Verh.  d.  k.  k.  zool- 
bot.  Ges.  in  Wien.  XXIX.  1879.  p.  5-27  (601-623). 

Arch.  f  Naturgesch.  Jahrg.  1894.  Bd.  I.  H.  1.  1 


2  Dr.  ß.  Bergh. 

Gr.  elegans,  Bgh. 

Color  generalis  citrinus;  clavus  rhinophoriorum  sicut  branchia 
rosea;  margo  dorsalis  coeruleus;  dorsum  linea  media  maculis  coeruleis 
ornatum;  latera  corporis  maculis  coeruleis  duabus  lineis  seriatis 
instructa. 

Hab.  M.  adriaticum. 
Taf.  I.    Fig.  1—10. 

Von  dieser  Thierform  hat  Prof.  Dr.  Moebius  im  Adriatischen 
Meere  bei  Rovigno  (Istrien)  im  Frühjahre  1893  mehrere  Individuen 
gefischt,  von  welchen  mir  zwei  für  Bestimmung  und  genauere  Unter- 
suchung geschickt  wurden;  das  eine  war  aber  eingetrocknet  gewesen 
und,  mit  Ausnahme  des  Schlundkopfes,  für  anatomische  Untersuchung 
unverwendbar. 

Die  Länge  der  lebenden  Individuen  soll  gegen  9  mm  betragen 
haben.  Zwei  mitfolgenden,  von  Meissner  nach  Originalzeichnungen 
von  Dr.  Val.  Hacker  copirten,  farbigen  kleinen  (22  mm  langen)  Skizzen 
geben  die  Grundfarbe  als  citronengelb  an,  dunkler  am  Stiele  der 
Rhinophorien,  ihre  Keule  sowie  die  Kieme  rosaroth.  Am  Stirne  drei 
blaue  Flecken,  von  welchen  der  mediane  längHch;  die  Rückenränder 
auch  blau,  sich  am  Grunde  des  Schwanzes  spitzwinkehg'vereinigend ; 
median  der  Rückenlänge  noch  mehrere  blaue  Flecken;  die  Körper- 
seiten mit  zwei  Reihen  von  ähnlichen  Flecken. 

Die  in  Alkohol  bewahrten  Individuen  betrugen  an  Länge 
8 — 8,5  mm  bei  einer  Höhe  bis  2  und  einer  Breite  bis  2,2  mm;  die 
Höhe  der  Rhinophorien  so  wie  der  Kieme  1,2  mm;  der  Rücken  hinter 
der  Kieme  4  mm  lang,  von  welchen  die  2, 2  auf  den  Schwanz  (d.  h. 
die  Strecke  hinter  der  Eingeweidehöhle)  kommen;  die  Breite  des 
Fusses  vorn  1,3  mm,  nach  hinten  verschmälert.  —  Die  Farbe  war 
milchweis;  am  Stirne  jederseits  ein  kleiner  schwarzer  Fleck,  und 
median,  sich  zwischen  und  hinter  den  Rhinophorien  hinziehend,  ein 
grösserer  länglicher,  der  hinten  etwas  breiter  ist;  als  Fortsetzung 
des  (weisslichen)  Stirnrandes  fängt  der  schwärzliche  Rückenrand 
an,  welcher  sich  hinter  der  Kiemengegend  fortsetzt  und  etwa  am 
Grunde  des  Schwanzes  sich  spitzwinkelig  mit  dem  der  anderen  Seite 
vereint.  Median  am  Rücken  mehrere  schwarze  Flecken,  die  auch 
hinter  der  Kieme  und  median  am  Schwänze  vorkommen,  hier  von 
mehr  länglicher  Form.  An  den  Körperseiten  zwei  Reihen  von 
meistens  ziemlich  grossen  und  länglichen  schwarzen  Flecken,  die 
obere  Reihe  setzt  sich  weiter  nach  hinten,  die  untere  weiter  nach 
vorne  fort,  indem  sie  mit  3 — 4  grösseren  Flecken  gegen  den  Stirn- 
rand hinauf  schwingt.  Die  Rhinophorien  und  die  Kieme  mit 
schwach  gelblichem  Anflug.     Der  Fussrand  fast  kalkweiss. 

Die  Eingeweide  schimmerten  gelblichweiss  hier  und  da  undeut- 
lich durch;  hinten  im  Genicke  die  schwarzen  Augenpunkte. 

Die  Form  schlank,  länglich,  ein  wenig  zusammengedrückt.  Der 
Stimrand  wenig  vortretend,  jederseits  mit  zwei  kurzen,  kegelförmigen 


Eine  neue  Gattung  von  Polyceraden  (Greilada).  3 

Höckern  (von  denen  der  innere  grösser);  dieser  Rand  setzt  sich 
längs  der  Aussenseite  der  Rhinopliorien  als  ein  schmaler  Rückenrand 
weiter  nach  hinten,  der  Kieme  vorbei,  fort,  wird  niedriger,  geht 
schräge  nach  innen  und  verbindet  sich  mit  dem  der  anderen  Seite 
etwa  am  Gmnde  des  Schwanzes.  Der  Rücken  ist  ganz  eben,  etwas 
schmaler  als  die  Körperseiten,  von  der  Gegend  der  Kieme  ab  fällt 
derselbe  etwas  nach  vorne,  mehr  nach  hinten  ab;  der  Rücken  des 
Schwanzes  kielförmig.  Innen  am  Grunde  der  Rhinophorien  eine 
Vertiefung;  die  Rhinophorien  kurzstielig,  die  Keule  kurz-spindel- 
förmig, mit  etwa  15—20  faltenartigen  Blättern  und  kleiner  End- 
papille.  Die  Kieme  mit  6  einfach  fiederigen  Blättern;  die  Anal- 
papille  nach  hinten  im  Kiemenkreise,  ziemlich  niedrig,  abgestutzt. 
Der  Oberrand  des  Aussenmundes  vortretend,  besonders  jederseits 
etwas  lappenartig.  Die  Körperseiten  etwas  gewölbt,  ganz  eben ;  vorne 
an  der  rechten  die  Genitalpapille,  aus  welcher  bei  dem  einen  Individuum 
der  Penis  fast  0,25  mm  hervorragte.  Der  Fuss  vorne  ein  wenig 
breiter,  im  Ganzen  schmal;  der  Vorderrand  ein  wenig  ausgekerbt, 
mit  gerundeten  Ecken;  die  Fussränder  sonst  wenig  vortretend,  die 
Sohle  des  Schwanzes  ganz  schmal. 

Das  Centralnervensystem  ganz  wie  bei  den  Polyceren.  Die 
cerebro-pleuralen  Ganglien  etwas  eiförmig,  vorne  breiter,  die  beiden 
Abtheilungen  deuthch  unterscheidbar;  die  pedalen  Ganglien  ziemlich 
rundlich.  Die  Commissuren  ziemlich  kurz.  Die  proximalen  Riech- 
knoten abgeplattet-zwiebeiförmig,  die  distalen  rundlich.  Die  buccalen 
Ganglien   wie  gewöhnlich,  gastro-oesophagale  schienen  zu  fehlen. 

Die  Augen  von  etwa  0,08  mm  Diam.,  mit  grosser  gelblicher  Linse, 
mit  nicht  sehr  reichlichem  schwarzem  Pigment.  Die  Ohr  blasen 
etwa  so  gross  wie  die  Augen,  mit  gegen  100  rundUchen  und  ovalen 
Otokonien  von  einem  Durchmesser  von  0,009  mm.  Die  Blätter  der 
Rhinophorien  ohne  Spikel.  In  der  Haut  nur  wenige  und  sehr 
zerstreute  Spikel,  ebenso  in  der  interstitiellen  Bindesubstanz. 

Die  Mundröhre  ziemlich  gross  und  weit.  Der  Schlundkopf 
kurz  und  gedrungen,  von  etwa  1,25  mm  Länge;  die  starke  Raspel- 
scheide noch  0,35  mm  vortretend;  zu  jeder  Seite  derselben  unten  ein 
starker,  von  dem  Hinterende  der  unteren  Zungenmuskelmassen  ge- 
bildeter Vorsprung.  Die  fast  vordere  Hälfte  des  Schlundkopfes  ist 
von  den  starken,  gelblichen,  in  den  dickeren  Parthien  rothbraunen 
Mandibelplattten  eingefasst.  Während  diese  bei  den  Polyceren 
geschieden  sind,  verschmelzen  sie  gleichsam  hier  (oben  wie) 
unten.  Sie  bestehen  aus  einem  Ringe,  von  dessen  Hinterseite 
in  mehr  als  der  oberen  Hälfte  jederseits  ein  Flügel  nach  hinten 
und  oben  aufsteigt  (Fig.  2).  Der  Ring  ist  nach  aussen  um- 
geschlagen, unten  viel  dünner,  oben  dicker;  der  dünnere  cuticulare 
Theil  verlängert  sich  nach  hinten  in  einen  zungenförmigen 
kurzen  und  breiten  Fortsatz  (Fig.  Ic);  der  dickere  Theil  besteht 
aus  zwei  in  der  Mittellinie  oben  vereinigten  Hälften,  von  deren 
innerem  Theile  ein  starker  glattrandiger  Schneiderand  nach    innen 

1* 


4  Dr.  R.  Bergh. 

hervorragt  (Fig.  1).  Die  Flügel  sind  dünn,  oben  gerundet  (Fig.  Ibb, 
2  b);  an  ihrem  Grunde  ein  nicht  ganz  oberflächlicher  Falz  (Fig.  2) 
(für  Muskelinsertion) ;  oben  sind  die  Flügel  durch  ein  kurzes  und 
nicht  recht  breites  Zwischenstück  (Fig.  ia,  2  a)  mit  gerundetem 
freien  Rande  vereinigt.  Die  Aussenseite  der  Mandibelplatten  ist 
von  einem  dünnen  Muskellager  gedeckt;  die  Innenseite  von  einem 
dünnen  Epithel  bekleidet;  die  Innenseite  begrenzt  den  vorderen 
Theil  der  Mundhöhle.  —  Die  Zunge  wie  bei  den  echten  Polyceren, 
stark,  etwas  abgeplattet,  mit  breiter  Raspelfurche.  In  der  Raspel 
7  Zahnplattenreihen,  weiter  nach  hinten  (in  der  Raspelscheide)  deren 
7  entwickelte  und  eine  unentwickelte;  die  Gesammtzahl  derselben  in 
beiden  Individuen  somit  15.  Die  Raspel  vorne  mit  einer,  nur  die 
Hälfte  derselben  an  Breite  betragenden  braungelben,  cuticularen 
Verdickung  endigend.  Die  erste  Reihe  incomplet  und  mit  stark  ab- 
genutzten Zahnplatten.  Zu  jeder  Seite  der  nicht  schmalen,  nackten 
Rhachis  kamen  zwei  starke  Seitenzahnplatten  und  2 — 3  Ausseiiplatten 
in  jeder  Reihe  vor.  Die  Zahnplatten  der  Raspel  horngelb,  die  der 
Raspelscheide  gelblich.  Die  Länge  der  innersten  Seitenplatte  betrug 
etwa  0,20,  der  äusseren  0,28  mm;  die  der  Aussenplatten  0,14 — 0,08 
— 0,06  mm.  Die  Seitenplatten  (Fig.  3)  einander  ziemlich  ähnHch, 
aus  einem  langgestreckten  Körper  bestehend,  der  vorne  fast  recht- 
winkelig in  den  etwas  gebogenen,  glattrandigen  Haken  umbiegt; 
vom  äusseren  Rande  des  Körpers  erhebt  sich  ein  starker  flügei- 
förmiger Fortsatz,  etwa  so  hoch  wie  der  Haken.  Die  innere,  kleinere 
Seitenzahnplatte  (Fig.  3b,  4—6)  mit  kleinerem  Haken  und  kleinerem 
Flügel,  welcher  letztere  sich  an  etwa  der  Mitte  der  Länge  findet. 
Die  äussere,  grössere  Seitenzahnplatte  (Fig.  3aa)  mit  stärkerem 
Haken  und  weiter  nach  dem  anderen  Ende  gestelltem  Flügel.  An 
das  Ende  dieser  letzteren  Seitenplatte  schliesst  sich  (Fig.  3)  die 
kurze  Schrägreihe  von  (2 — )3' Aussenplatten  an.  Die  erste  (Fig.  3c)  der- 
selben ist  die  längste,  etwas  breiter  vorne  als  hinten,  von  der  Grund- 
platte erhebt  sich  in  der  längeren  vorderen  Strecke  ein  starker,  oben 
abgeplatteter  und  nach  aussen  abfallender  Kamm.  Die  zweite  ist 
etwas  kürzer,  schwächer  und  mit  weniger  hohem  und  starkem  Kamme 
(Fig.  3d).  Eine  dünnere  und  flachere,  kammlose  dritte  Aussenplatte 
(Fig.  3e)  fehlt  oft,  besonders  in  der  freien  Raspel. 

Die  Speicheldrüsen  weissHch,  neben  einander  weit  nach 
hinten  Hegend;  die  Ausführungsgänge  lang. 

Die  Speiseröhre  ziemlich  lang,  schmal,  über  die  obere  Seite 
der  vorderen  Genitalmasse  verlaufend,  nach  unten  absteigend  und 
ganz  unten  am  Yorderende  der  hinteren  Eingeweidemasse  eintretend 
und  sich  in  die  kleine  Magenhöhle  öffnend.  Der  ein  wenig  links 
im  vorderen  Drittel  die  hintere  Eingeweidemasse  durchbrechende 
Darm  nicht  dicker  als  die  Speiseröhre,  seinen  weiten  Bogen  über 
die  vordere  Eingeweidemasse  hinlegend  und  nach  hinten  verlaufend 
in  die  niedrige  Analpapille  endigend. 


Eine  neue  Gattung  von  Polyceraden  (Greilada).  5 

Die  hintere  Eingeweidemasse  (Leber)  kurz,  kegelförmig,  3  mm 
lang  bei  einer  Breite  vorne  von  1,5  mm,  weisslich.  Die  Gallenblase 
links  am  Pylorus,  birnförmig. 

Das  Pericardium  wie  bei  den  Polyceren.  Die  abgeplattete 
Bhitdrüse  von  eckig-rundlichem  Umrisse,  in  den  Rändern  etwas 
lappig.  —  Die  Niere  wie  bei  der  Polycera. 

Die  Zwitterdrüse  gleichsam  mit  weisslichen  Körnern  das 
hintere  Ende  und  die  Seitentheile  der  Leber  überziehend;  in  den 
Läppchen  (von  einem  Durchmesser  bis  0,2  mm)  grosse  Eierzellen. 
Der  unten  neben  der  Cardia  rechts  aus  dem  Vorderende  der  hinteren 
Eingeweidemasse  hervortretende,  dünne,  weissliche  Zwitterdrüsengang 
eine  kleine,  auch  weissliche  Ampulle  bildend. — Die  vordere  Genital- 
masse 3  mm  lang  bei  einer  Breite  bis  2  und  einer  Dicke  bis  1,5  mm 
betragend.  Der  männliche  Zweig  der  Ampulle  des  Zwitterdrüsen- 
ganges, der  Samengang,  in  dicht  an  einander  liegenden  Zickzack- 
biegungen aufgerollt,  die  ein  gelbliches  Knäuel  an  der  inneren  Seite 
der  braungrauen,  fast  wurstförmigen  Prostata  bilden;  dieselbe 
war  etwa  1,5  mm  lang.  Aus  dem  vorderen  Ende  der  Prostata  geht 
die  Fortsetzung  des  Samenganges  aus,  dieselbe  hatte  eine  Länge 
von  etwa  4  mm,  war  in  der  längsten  Strecke  ein  wenig  dicker  als 
am  Grunde  und  ging  ohne  Grenze  in  den  Penis  über.  Die  letzte 
Strecke  des  Samenganges  bis  an  die  Spitze  des  (Glans-)  Penis  mit 
Hakenreihen  (Fig.  8)  besetzt;  diese  letzte  Strecke  von  einer  Länge 
von  beiläufig  0,55  mm  bei  einem  fast  durchgehenden  Diam.  des 
Hakenrohres  von  0,045  mm.  Die  Haken  von  ähnlicher  Form  wie  bei 
den  Euplocamen^),  schwach  gelblich,  von  einer  Höhe  bis  etwa  0,009  mm 
(Fig.  9).  Bei  einem  Individuum  ragte,  wie  erwähnt,  die  hervorge- 
streckte Glans  (Fig.  7)  beiläufig  0,25  mm  aus  der  Genitalöffnung 
hervor.  Die  Vorhaut  nicht  kurz.  Die  weisse  Spermatotheke  kugel- 
förmig, von  beiläufig  0,8mm  Durchmesser  (Fig.  10a),  leer;  der  Aus- 
führungsgang etwa  doppelt  so  lang  wie  die  Blase,  unten  weiter 
(Vagina)  (Fig.  10b).  Die  Spermatocyste  (Fig.  10c)  kaum  Vs  der 
Grösse  der  Spermatotheke  betragend;  der  Ausführungsgang  auch 
lang.  Die  Schleimdrüse  kaum  die  Hälfte  der  ganzen  vorderen 
Genitalmasse  betragend;  die  kleine  Eiweissdrüse  auch  weisslich;  der 
Schleimdrüsengang  kurz. 


1)  Vergl.  E.  Bergh,  Beitr.  zu  einer  Monogr.  d.  Polyceraden.    I.    Verh.  d. 
k.  k.  zool.  bot.  Ges.  in  Wien.    XXIX.    1879.    Taf.  XIV,    Fig.  1,  2. 


6  Dr.  R.  Bergh. 

Tafel -Erklärung. 

Greilada  elegans,  Bgh. 
Fig.    1.     Mandibelplatten    von    vorne,    mit   Cam.  lue.  gezeichnet   (Vergr.  55); 
a  oberes  Zwischenstück,    bb  die   flügeiförmigen  Fortsätze,  c  unteres 
Zwischenstück  mit  seiner  zungenförmigen  Verlängerung  nach  hinten. 
Mandibelplatten,  von  der  rechten  Seite;  a,  b,  c  wie  in  Fig.  1. 
Stück  der  rechten  Hälfte  der  Raspel,  mit  Cam.  gezeichnet  (Vergr.  350); 
aa  (3)  äussere  Seitenplatten,  b  innere  Seiten  platte;  c,  d,  e  erste,  zweite 
und  dritte  Ausseuplatte. 
Innere  Seitenplatte,  vom  Rande  (Vergr.  350). 
Aehnliche,  von  oben  (Vergr.  350). 

Innere  Seitenplatte  dreier  Reihen,  in  ursprünglicher  Lage  (Vergr.  350). 
Ausgestülpte  Glans  penis  (Vergr.  350). 
Ende  des  Samenganges  (glans)  (Vergr.  350). 
Elemente  der  Hakenbewaffnung  (Vergr.  750). 
Samenblasen;  a  Spermatotheke,  b  vagina;  c  Spermatocyste. 


Fig. 

2. 

Fig. 

3. 

Fig. 

4. 

Fig. 

5. 

Fig. 

6. 

Fig. 

7. 

Fig. 

8. 

Fig. 

9. 

Fig. 

10. 

lieber  ein  abnormes  Exemplar  von 
Aurelia  aurita  L. 

Von 

Georg   Dunckep, 

Hamburg. 


Hierzu  Tafel  I,  Fig.  11,  12. 


Am  16.  August  vorigen  Jahres  (1892)  fand  icli  in  unmittelbarer 
Nähe  des  Strandes  von  Kl.  Timmendorf  an  der  Neustädter  Bucht 
(Ost-Holstein)  zwischen  in  der  Brandung  treibenden  Massen  kurzer, 
brauner  Stücke  von  Zostera  marina  eine  eigenthümliche  Abnormität 
von  Aurelia  aurita  L.  (Fig.  11.)  lebend  umherschwimmen.  Das  Thier 
fühlte  sich  fester  an,  als  die  gewöhnliche  Form,  mit  der  es  beim 
ersten  Anblick  fast  gar  keine  Aehnlichkeit  bot. 

Der  Schirm  desselben  war  nämlich  über  die  exumbrellare  Seite 
hinüber  geschlagen  und  dann  derart  verändert,  dass  die  ursprüngUche 
Randöffnung  nur  noch  als  kleines,  bewimpertes  Loch  von  ca.  4  mm 
Durchmesser  erschien.  Demnach  gUch  die  Qualle  nun  einer  8  cm 
langen  Birne,  deren  spitzes  Ende  von  der  eben  erwähnten  Oefihung 
gebildet  wurde  und  deren  stumpfem  Pole  die  vier  am  Grunde  ver- 
dickten Arme  mit  der  schräg-kreuzförmigen  Mundöffnung  zwischen 
sich  aufsassen.  Die  Subumbrella  war  zur  Aussen-,  die  Exumbrella 
zur  Innenfläche  jenes  birnförmigen  Körpers  geworden,  dessen  dickste 
Stelle  mit  4,5  cm  Durchmesser  sich  am  Ende  des  ersten  Drittels 
seiner  Länge  befand.  Der  eine  Arm  war  bedeutend  länger  (7  cm)^ 
als  die  übrigen  drei  (ca.  4  cm) ;  sie  legten  sich  bei  schnellerer 
Schwimmbewegung  des  äusserst  lebhaft  und  gesund  erscheinenden 
Thieres  dem  Schirmteil  der  Länge  nach  an. 

Leider  hatte  ich  zur  Zeit  dieses  Fundes  im  Badeort  keine 
Gelegenheit,  am  frischen  Thier  feinere  anatomische,  sowie  histologische 
Untersuchungen  anzustellen.  Ich  bewahrte  es  zunächst  in  einer  mit 
Sublimat  gesättigten  wasserhaltigen  Mischung  von  Glyzerin  und 
Alkohol  %  Jahre  lang  auf,  härtete  es  später  gelegentlich  eines 
längeren  Transports  in  Osmiumsäure  und  konservierte  es  in  starkem 
Alkohol.     So  kann  ich  jetzt  die  8  Randkörper,  die  sich  damals  als 


3  Georg  Duücker. 

rotlie  Pünktchen  zeigten,  nicht  mehr  auffinden;  die  Randfäden  sind 
verschrumpft  und  zum  Theil  verloren,  die  Genitalkrausen  und  un- 
verzweigten Radiärkanäle  haben  ihre  kirschrothe  Farbe  verloren,  das 
ganze  Thier  ist  stark  geschrumpft,  so  dass  es  jetzt  fast  rundscheiben- 
förmig gestaltet  ist.  Ich  zähle  8  unverzweigte  und  8  verzweigte 
Gefässkanäle  in  alternierender  Stellung  ;if.  am  peripheren  Ende  der 
ersteren  befanden  sich  die  Randkörper,  ohne  dass  ein  deutlicher 
Einschnitt  für  dieselben  erkennbar  war.  Einen  Ringkanal  habe  ich 
nicht  wahrgenommen.  Die  Farbe  des  Thieres  war  die  einer  gewöhnlichen 
Aurelia  aurita.  Geschlechtsprodukte  sind  trotz  der  wohl  entwickelten 
Genitalkrausen  nicht  mehr  auffindbar. 

Die  Schwimmbewegung,  die  sieh  in  einem  grösseren  Gefäss  leicht 
beobachten  Hess,  fand  in  der  Weise  statt,  dass  die  Qualle  durch 
Kontraktion  der  Längsmuskulatur  unter  gleichzeitiger  Erschlaffung 
der  Ringmuskeln  sich  voll  Wasser  sog,  wobei  sie  natürlich  an  Länge 
ab-,  an  Dicke  zunahm,  und  dieses  durch  die  entgegengesetzte  Muskel- 
funktion in  kräftigem  Stoss  aus  der  Randöffnung  am  aboralen  Pol 
ausströmen  Hess,  so  dass  sie  nach  Art  der  Salpen  in  der  Richtung 
des  oralen  Pol  vorwärts  schoss.  Diese  Art  der  Bewegung  ist,  so 
merkwürdig  sie  beim  ersten  Anblick  auch  erscheint,  im  Grunde 
genommen  durchaus  normal;  bei  der  rudernden  Bewegung  regulärer 
Individuen  bedeutet  die  Kontraktion  der  Längs- (Radiär-)muskeln 
und  die  dadurch  bedingte  Abflachung  der  Körperscheibe  das  Aus- 
legen, die  Kontraktion  der  Ringmuskeln  nebst  der  durch  sie  bewirkten 
starken  Krümmung  des  Schirms  dagegen  den  treibenden  Stoss,  so 
dass  es  nur  die  durch  die  Körperform  gegebene  Stossrichtung  ist, 
durch  die  sich  die  Bewegung  jenes  Individuum  von  der  normaler 
Exemplare  unterscheidet. 

Von  wesentlicher  Bedeutung  scheint  mir  vielmehr  die  Art  der 
Abnormität  bei  der  vorliegenden  Qualle  zu  sein.  Ursachen  monströser 
Bildungen  sind  gewöhnlich  unvoUständige  oder  übermässige  Ent- 
wicklung einzelner  Organe  oder  des  ganzen  Thieres,  abnorme 
Geschlechtsverhältnisse,  Rückschlagserscheinungen,  ferner  bei  bi- 
lateralen Thieren  Störungen  der  Symmetrie,  bei  radiä^ren  solche 
der  normalen  Zahlenverhältnisse,  wie  sie  ja  auch  gerade  an  AureHa 
von  Ehrenberg  1)  u,  A,  vielfach  beobachtet  sind;  endlich  Verletzungen. 
Demnach  pflegen  derartige  Vorgänge  meistens  in  den  durch  Onto- 
und  Phylogenie  des  betr.  Organismus  vorgezeichneten  Bahnen  zu  ver- 
laufen. Hier  Hegt  jedoch  eine  Missbildung  vor,  die  sich  von  keiner 
dieser  Ursachen  direkt  ableiten  lässt.  Die  aus  der  Ontogenie  des 
Thieres  nicht  ohne  weiteres  erklärHche  Formveränderung  bedingt 
eine  von  der  seiner  normalen  Verwandten  total  abweichende  Lebens- 
weise,   welche  mit  denselben  Organen,   wie  denen  normaler  Thiere 

^)  Ehrenberg.  Ueber  die  Acalephen  des  Meeres  und  den  Organismus  der 
Medusen  der  Ostsee,  p.  199—202:  Ueber  die  Zahlenverhältnisse  und  Varietäten 
der  Medusa  aurita.  In:  Abb.  Berl.  Akad.  1835.  —  Ferner  Romanes  in  Journ. 
Linn.  Soc.  1876  u.  1877;  Haeckel,  System  der  Medusen. 


Ueber  ein  abnormes  Exemplar  von  A.urelia  aurita  L.  9 

ausgeführt  werden  muss  und  auch  ausgeführt  wird,  ein  Verhältniss, 
das  sich  nur  durch  Annahme  intensiver  Anpassungsvorgänge  er- 
klären lässt. 

Prof.  Haeckel,  dem  das  Präparat  in  Hamburg  auf  meine  Bitte 
durch  Herrn  Dr.  M.  v.  Brunn  vorgelegt  wurde,  erklärte  sich,  wie 
mir  Herr  v,  Brunn  freundlichst  mittheilte,  die  Bildung  als  so  ent- 
standen, dass  die  ursprüngHch  normale  Qualle  gelegentlich  die  in 
Fig.  12  dargestellte  Ermüdungslage  eingenommen  hätte,  sich  nicht 
wieder  zurückschlagen  konnte  und  nun  zu  dieser  Form  ausgewachsen 
wäre. 

Die  Eigenthümlichkeit  der  Aurelia,  zu  Zeiten  diese  Lage  ein- 
zunehmen, ist  altbekannt;  auch  ich  hatte  an  der  Kieler  und  Neu- 
städter Bucht  oft  Gelegenheit,  sie  zu  beobachten,  und  zwar  besonders 
häufig  an  windstillen  sonnigen  Tagen,  wo  die  Thiere  in  grossen 
Schwärmen  an  der  Oberfläche  umhertreiben.  Viele  derselben  liegen 
dann  bewegungslos  in  der  oben  erwähnten  Stellung  so,  dass  ihr 
Rand  bis  an  die  Luftgrenze  reicht.  Berührt  man  sie  in  diesem 
Zustande,  so  tauchen  die  meisten  rasch  unter,  wobei  sie  ihre 
gewöhnliche  Haltung  einnehmen;  einzelne  aber  scheinen  bisweilen 
ihre  Stellung  nicht  mehr  ändern  zu  können  und  machen  ihre 
Schwimmbewegungen  in  mehr  unserer  Abnormität  entsprechender 
Weise. 

Hiernach  Hesse  sich  die  Entstehung  der  letzteren  auf  zweierlei 
Art  erklären.  Entweder  hatte  das  Thier  bereits  seine  jetzige  Grösse 
annähernd  oder  vollständig  erreicht,  als  es  zur  perversen  Stellung 
gelangte,  und  der  Schirmrand  wurde  nachträghch  durch  Resorption 
sehr  stark  verengert.  Dagegen  spricht  der  durchaus  regelmässige 
Randtentakelbesatz  der  aboralen  Oeffiiung  und  das  Fehlen  von 
Faltungen  an  der  Schirmfläche,  die  hiermit  im  nothwendigen 
Zusammenhange  ständen.  Oder  das  Thier  erlitt  die  dauernde  Um- 
stülpung in  jugendlichem  Alter;  der  Schirm  wuchs  später  normal 
aus  bis  auf  den  Rand,  der  sich  vielleicht  sogar  noch  unerheblich 
verengerte. 

Juli  1893.  Georg  Duncker,  Hamburg. 


Bericht 

über  die  von  Herrn  Dr.  Sander  gesammelten  Tnnicaten. 

Von 

M.  Traustedt  und  W.  Weltner. 


Hierzu  Tafel  II. 


Die  von  Herrn  Stabsarzt  Dr.  Sander  auf  der  Reise  S.  M.  S. 
Prinz  Adalbert  1883 — 85  im  Atlantischen,  Indischen  und  südlichen 
Stillen  Ocean  gesammelten  Tunicaten  sind  theils  (die  Salpen)  in 
Chromsäure  und  Osmiumsäure,  theils  (die  Ascidien)  in  Chromsäure  oder 
in  SubHmat  und  Osmiumsäure  abgetödtet  worden.  Die  Erhaltung 
ist  eine  gute. 

Die  Bearbeitung  des  Materials  wurde  von  Herrn  M.  P.  A. 
Traustedt  ausgeführt;  er  fand  sechs  Arten  von  einfachen  Ascidien, 
darunter  drei  neue,  und  5  Arten  von  Salpen.  Eine  Bestimmung 
der  zusammengesetzten  Ascidien  war  unthunlich.  Die  folgende  Liste 
der  Sanderschen  Tunicaten  hat  Weltner  im  Einverständniss  mit 
Herrn  Traustedt  nach  dessen  Angaben  zusammengestellt,  die 
Diagnosen  der  3  neuen  Arten  sind  von  Traustedt  wörtlich  über- 
nommen. Die  Figuren  zu  diesen  Beschreibungen  rühren  von 
Weltner  her. 

Ascidiacea. 

Cynthia  sanderi  n.  sp.  Nagasaki  1.  6.  1884.     1  Exempl.  —  Nr.  382. 

Yokohama  10.  7.  84.     3  Exempl.  —  Nr.  383. 

Styela  plicata  (Lesueur)  Yokohama  10.  7.  84.  12  Exempl.  —  Nr.  384. 

Styela  longitubis  n.  sp.  Yokohama  10.  7.  84.     1  Exempl.  —  Nr.  385. 

Corella  japonica  Herdm.  Yokohama  10.  7  84,  12  Exempl.  —  Nr.  386. 

Yokohama  3.  10.  84.  20  Exempl.  —  Nr.  387. 

Sansibar  22.  8.  85.     1  Exempl.  —  Nr.  388. 

Phallusia  longitubis  Traust.  Sansibar  10.  9.  85.  2  Exempl.  —  Nr.  389. 

Phallusia  princeps  n.  sp.  Capstadt  22.  10.  85.  6  Exempl.  —  Nr.  390. 


M.  Traustedt  und  W.  Weltner.  H 


Thaliacea. 

SaJpa  cylindrica  Cuv.  proles  solitaria  et  gregata. 

37«  S,  750  51'  0.     31.  3.  84.     10  Exempl.  -   Nr.  391. 
Salpa  runcinata-fusiformis  Cham.-Cuv.  pr.  sol.  et  gr. 

370  S,  76«  0.     30.  3.  84.     8  Exempl.  —  Nr.  392. 
Salpa  democratica-  mucronata  Forsk.     pr.  sol,  et  gr. 

360S,  12^W.     14.2.84.     30  Exempl.  —  Nr.  393. 
Salpa  africana-maxima  Forsk.  pr.  sol. 

350  23'  S,  880  28'  W.    31.  12.  84.     1  Exempl.  —  Nr.  394. 
Salpa  africana-maxima  Forsk.     pr.  sol.  et  gr. 

370  42'  S,  830  28'  W.     12.  4.  85.     5  Exempl.  —  Nr.  395. 
Salpa  scutigera-confoederata  Cuv.     pr.  gr. 

350  23'  S,  88»  28'  W.     31.  12.  84.     2  Exempl.  ^  Nr.  396. 


Diagnosen  der  neuen  Arten  Yon  M.  Traustedt. 

jjCynthia  Sanderii  nov.  sp. 

Der  Körper  etwas  länger  als  hoch,  zusammengedrückt,  mit  dem 
niedrigsten  Theile  der  rechten  Seite  angewachsen.  83  mm  hoch, 
90  mm  lang;  Mund  bis  Kloakenöffnung  30  mm.  Der  Mantel  ist  sehr 
dick,  besonders  an  der  Basis  und  dem  angewachsenem  Theile  der 
rechten  Seite.  Die  Oberfläche  gerunzelt,  bräunlich,  zum  Theil  mit 
fremden  Körperchen  inkrustrirt. 

Die  Muskulatur  des  Körpers  recht  kräftig,  besonders  in  der 
Umgegend  der  Siphonen  und  an  denselben. 

Die  Mund-  und  Kloakenöffnung  sitzen  an  der  Rückenseite,  die 
Kloakenöffnung  ungefähr  in  der  Mitte,  die  Mundöffnung  etwas  länger 
(d.  h.  mehr)  nach  vorne.  Die  Siphonen  sind  geräumig,  mittellang, 
etwas  divergirend. 

Die  Tentakeln,  ca.  20  an  der  Zahl,  kurz,  verzweigt,  von  2 — 3 
verschiedenen  Grössen. 

Das  FHmmerorgan  ist  gross,  etwas  breiter  als  lang,  die  Öffnung 
zwischen  den  tief  eingerollten  Hörnern  ist  nach  vorne,  ein  wenig 
rechts  gekehrt.     Zona  praebranchialis  glatt. 

Der  Kiemensack  hat  sechs  schwach  gekrümmte  Falten  an  jeder 
Seite;  es  finden  sich  achtzehn  bis  neunzehn  Längsrippen  an  der 
freien  Oberfläche  jeder  Falte.  Die  grössten  Felder  sind  ungefähr 
3  mal  so  breit  wie  lang,  verhältnissmässig  klein ;  6  kurze  Spirakel 
in  jedem  Felde. 

Die  Dorsalleiste  ist  ziemlich  lang  und  wie  gewöhnlich  in  eine 
Reihe  Papillen  aufgelöst. 

Der  Darmkanal  bildet  eine  lange  Schlinge  an  der  linken  Seite; 
der  Oesophagus  und  der  Magen  sind  gross  und  geräumig;  der  Magen 
ist  mit  sehr  gelappten  Drüsen  versehen.  Der  Anus  ist  beinahe  frei 
und  aufwärts  gerichtet,  mit  3-4  stumpfen  Zähnen  am  Rande. 


12  M.  Traustedt  und  W.  Weltner. 

Die  Genitalorgane  wie  gewöhnlich  an  beiden  Seiten  entwickelt 
(an  dieser  Species  nur  schwach)." 

„Styela  longitubis  nov.  sp. 

Der  Körper  ist  doppelt  so  hoch  wie  lang.  Die  rechte  Seite 
stark  gewölbt;  das  Thier  ist  mit  beinahe  der  ganzen  linken  Seite 
angewachsen  gewesen.  IT'^nim  lang,  ca.  30nim  hoch.  Der  Mund- 
sipho  ca.  n^/^mm  lang;  der  Kloakensipho  13mm  lang. 

Der  Mantel  ist  dünn,  zähe,  lederartig,  völlig  undurchsichtig, 
beinahe  glatt,  mit  ganz  feinen  Sandkörnchen  inkrustirt.  Die  Farbe 
am  Spiritusexemplar  hellbräunlich-grau. 

Die  Muskulatur  des  Körpers  sehr  schwach  entwickelt,  gleich- 
massig  auf  beiden  Seiten  vertheilt.  Die  Muskulatur  der  Siphonen 
etwas  kräftiger. 

Die  Mund-  und  Kloakenöffnung  sitzen  an  sehr  langen,  ziemlich 
dünnen,  stark  divergirenden  Siphonen;  die  Kloakenöffnung  sitzt 
etwas  niedriger. 

Die  Tentakeln,  ca.  50  an  der  Zahl,  von  mehreren  verschiedenen 
Grössen ;  ausserdem  finden  sich  zwischen  diesen  noch  einige  ganz  kurze. 

Das  Flimmerorgan  ist  ziemlich  klein,  hufeisenförmig,  etwas  länger 
als  breit.  DieOeffnung  zwischen  den  zwei  schwach  gekrümmten  Hörnern 
ist  links  gekehrt.     Zona  praebranchialis  glatt. 

Der  Kiemensack  hat  vier  schwach  gekrümmte  Falten  an  jeder 
Seite.  (S  dünne  Längsrippen  an  der  freien  Fläche;  die  Querrippen  sind 
flach,  von  verschiedener  Breite;  die  Felder  sind  beinahe  quadratisch, 
jedes  mit  4 — 5  ziemlich  grossen  Spirakeln. 

Die  Dorsalleiste  ist  lang,  seicht,  ganzrandig. 

Der  Darmkanal  bildet  eine  S  förmige  Schlinge  an  dem  niedrigsten 
Theile  der  linken  Seite,  der  Oesophagus  sehr  lang;  der  Magen  wage- 
recht liegend,  gross  und  deutlich  gegen  Oesophagus  und  Mitteldarm 
abgesetzt.  Die  vordere  Krümmimg  des  Darmes  liegt  niedriger  als 
der  Anus.  Das  Rektum  steigt  senkrecht  empor,  und  der  Anus  ist 
trichterförmig,  am  Rande  unregelmässig  gelappt. 

Die  Genitalorgane  rohrförmig,  wie  gewöhnlich  an  beiden  Seiten 
vorhanden," 

„Phallusia  princeps  nov.  sp. 

Der  Körper  ungefähr  doppelt  so  hoch  wie  lang.  Die  linke 
Seite  flach,  die  rechte  stark  konvex. 

Der  Mantel  besonders  an  der  Bauchseite  sehr  dick  und  knorpel- 
artig ;  die  Oberfläche  in  der  Regel  mit  fremden  Körperchen  inkrustirt, 
sonst  glatt.  Mit  der  Basis  und  einem  Theil  der  linken  Seite  an- 
gewachsen. 

Die  Farbe  an  Spiritusexemplaren  heU  hornartig,  gegen  die 
Oefihungen  hin  fleischfarbig. 


Bericht  über  die  von  Herrn  Dr.  Sander  gesammelten  Tunicaten.         13 

Die  Mund-  und  Kloakenöffnungen  sitzen  einander  sehr  nahe, 
ungefähr  in  der  Mitte  des  Rückens.  Die  Mundöffnung  terminal;  die 
Kloakenöffnung  sitzt  etwas  niedriger  und  dreht  sich  ein  wenig  der 
rechten  Seite  an.     Die  Siphonen  sind  kurz. 

Die  Muskulatur  des  Körpers  schwach,  die  der  Siphonen  dagegen 
recht  kräftig. 

Die  Tentakeln,  ca.  40  an  der  Zahl,  ziemlich  kurz,  von  zwei  ver- 
schiedenen Grössen.     Zona  praebranchialis  glatt. 

Das  Flimmerorgan  ungefähr  doppelt  so  breit  wie  lang,  die 
Oeffnung  zwischen  den  tief  eingerollten  Hörnern  nach  vorne  gekehrt. 

Der  Kiemensack  ragt  unten  etwas  über  den  Magen  hinaus  und 
ist  hier  zugespitzt.  Die  Längsrippen  kräftig;  die  Querrippen  von 
verschiedener  Grösse.  An  den  Kreuzungsstellen  der  Längs-  und 
Querrippen  finden  sich  kegelförmige,  ziemlich  grosse  Papillen;  hier 
und  da  sind  auch  kleinere  intermediäre  Papillen  von  derselben  Form 
vorhanden.  Die  Felder  des  Kiemensackes  ungefähr  doppelt  so  breit 
wie  lang;  ca.  10  kleine  Spirakel  in  jedem  Felde. 

Die  Dorsalleiste  mit  glattem  ungezähnelten  Rande. 

Der  Darmkanal  bildet  ein  beinahe  geschlossenes  S  an  der 
linken  Seite.  Die  vordere  Krümmung  ist  stark  nach  hinten  turnirt. 
Der  Anus  liegt  niedriger  als  die  obere  Krümmung  des  Darmes." 
Die  Falte  im  Darme  ist  sehr  gross. 

Auf  den  vorliegenden  Stücken  sind  zahlreiche  Exemplare  und 
Schalentheile  von  Baianus  tintinnabulum  L.  eingewachsen. 


14  M.  Traustedt  und  W.  Weltner. 

Figurenerklärung. 


Allgemeine  Bezeichnungen, 
a  After. 

6  Eingang  in  die  Speiseröhre, 
k  Oeffnung  der  Kloake. 
m  Magen. 
0  Mund. 
Fig.  1.   Cynthia  sanderi  n.  sp.     Ein  mittelgrosses  Exemplar  vom  Rücken  ge- 
sehen.   Die  Runzeln  des  Mantels  sind  nur  zum  Theil  dargestellt.     Vi- 
Fig.  2.   Cynthia  sanderi  n.  sp.     Das  grösste  der  vorhandenen  Exemplare  ohne 

den  Mantel.    Yon  der  linken  Seite.    Vi- 

Fig.  3.   Cynthia  sanderi  n.  sp.    Verdauungsorgan  eines  anderen  Exemplars  von 

der  rechten  Seite.    Auf  dem  Magen  die  stark  gelappten  Drüsen.    Vi- 

Fig.  4.   Styela  longituhis  n.  sp.  auf  einem  Zweige.   Von  der  rechten  Seite.   Vi- 

Fig.  5.  Anatomie  desselben  Thieres,  welches  von  der  Bauchseite  geöffnet  wurde. 

Der  links  liegende  Darm  jetzt  rechts  gelegen,  t  Tentakelkreis,  f  eine 

Falte  des  Kiemensackes  ks,  oe  Speiseröhre,  r  Enddarm,  g  Genitalorgan, 

b  Bauchrinne,  fl  Flimmerorgan.     Vi 

Fig.  6.   Phallusia  princeps  n.  sp.     Grösstes  der  vorliegenden  Exemplare.     Von 

der  Rückenseite.    Vi- 
Fig.  7.  Dasselbe  Thier  ohne  den  Mantel.  Von  der  linken  Seite.  Die  Windungen 

des  Verdauungskanals  treten  stark  hervor.     Vi- 
Fig.  8.  Verdauungskanal  desselben  Thieres  von  links.    Etwas  chematisch.    Vi- 


Die 
Verbreitung  des  Hamsters  (Cricetus  vulgaris) 

in  Deutschland. 

Von 

Prof.  Dr.  A.  Nehring" 

in  Berlin. 


Hierzu  Tafel  III. 


Im  Zusammenhange  mit  der  Ausarbeitung  einer  Abhandlung 
über  pleistocäne  flamster-Reste  aus  Mittel-  und  Westeuropa,  welche 
kürzlich  von  mir  in  dem  Jahrbuche  der  k.  k.  geologischen  Reichs- 
anstalt zu  Wien,  1893,  Bd.  43,  p.  179—198  publiciert  worden  ist, 
habe  ich  mich  bemüht,  die  heutige  Verbreitung  des  gemeinen  Hamsters 
(Cricetus  vulgaris)  in  Deutschland  genauer  festzustellen.  Was  ich 
hierüber  in  der  mir  zugänglichen  Litteratur  fand,  schien  mir  unge- 
nügendi)  und  theilweise  sogar  irreführend 2)  zu  sein;  namentlich 
gilt  dieses  von  den  Angaben  der  ausländischen  Litteratur,  wonach 
es  so  scheinen  muss,  als  ob  der  Hamster  ein  in  ganz  Deutschland 
allgemein  oder  doch  sehr  weit  verbreitetes  Thier  sei,  was  doch 
thatsächlich  nicht  der  Fall  ist. 

Ich  bin  vor  Allem  bestrebt  gewesen,  mir  zuverlässige  Ori- 
ginal-Beobachtungen über  die  Verbreitung  des  Hamsters 
in  Deutschland  verschaffen,  indem  ich  zugleich  auch  die  mir  zu- 
gänghchen  Litteratur-Angaben  verwerthet  habe.  Ich  bemerke,  dass 
alle  diejenigen  Beobachter,  deren  Notizen  ich  im  Nachfolgenden  ver- 
wendet   habe,    den    gemeinen    Hamster    (Cricetus    vulgaris)    genau 


1)  Die  Angaben,  welche  F.  Gr.  Sulz  er  in  seiner  sonst  sehr  ausführlichen 
„Naturgeschichte  des  Hamsters",  Göttingen  und  Gotha  1774,  p.  106  ff.  über 
die  Verbreitung  des  Hamsters  geliefert  hat,  sind  zwar  zutreffend  und  sorgsam, 
können  aber  heute  nicht  mehr  genügen. 

2)  Siehe  z.  B.  Museum  of  Animated  Nature,  London,  Bd.  I,  p.  63.  — 
Verhältmässig  reichhaltig,  aber  zum  TheU  doch  unrichtig  sind  die  Angaben, 
welche  Fitzinger  in  seiner  wissensch.-popul.  Naturgeschichte  der  Säugethiere, 
Bd.  n,  Wien  1860,  p.  156  gemacht  hat.  Vergl.  auch  Fitzinger,  Versuch 
e.  natürl.  Anordnung  d.  Nagethiere,  Wiener  Akad.,  1867,  p.  42. 


IQ  Prof.  Dr.  A.  Nehring. 

kennen ;  man  muss  in  dieser  Beziehung  bei  dem  Sammeln  von  Notizen 
sehr  vorsichtig  sein,  weil  in  manchen  Gegenden  Deutschlands  die 
Schermaus  oder  Reutmaus  (Arvicola  amphibius)  von  den  Landleuten 
auch  mit  dem  Vulgärnamen:  „Hamstermaus"  oder  kurz  „Hamster" 
bezeichnet  wird,  wodurch  man  bei  der  Einziehung  von  Erkundigungen 
leicht  irre  geführt  werden  kann. 

Ich  bin  mir  sehr  wohl  bewusst,  dass  meine  nachstehenden  An- 
gaben über  die  Verbreitung  des  Hamsters  in  Deutschland  noch 
vielfach  lückenhaft  und  ergänzungsbedürftig  sind;  trotzdem  halte 
ich  sie  für  werth,  pubhciert  zu  werden,  da  sie  im  Vergleich  mit  den 
bisher  vorliegenden  Angaben  immerhin  einen  wesentlichen  Fortschritt 
mit  sich  bringen  und  zu  weiteren  Beobachtungen  anregen  dürften. 
Allen  denjenigen,  welche  mich  freundlichst  durch  Mittheilungen 
unterstützt  haben,  sage  ich  hiermit  meinen  verbindlichsten  Dank! 
Leider  sind  viele  meiner  Anfragen  unbeantwortet  geblieben. 


Der  gemeine  Hamster  (Cricetus  vulgaris  Desm.  seu  frumen- 
tarius  Fall.)  ist  die  grösste  und  kräftigste  Art  der  Gattung  Cricetus. 
Man  hat  etwa  ein  Dutzend  Hamster-Arten  unterschieden,  welche 
sämmtHch  der  sog.  palaearktischen  Region  angehören  und  entweder 
in  den  eigentlichen  Steppen,  oder  doch  in  waldarmen,  steppenähnlichen 
Distrikten  hausen.  (Siehe  meine  oben  genannte  Abhandlung  im  Jahrb. 
d.  k.  k.  geolog.  Reichsanstalt  zu  Wien,  wo  p.  180 — 184  einige 
kurze  Angaben  über  die  geographische  Verbreitung  der  einzelnen 
Cricetus-Species  gegeben  sind.) 

Der  gemeine  Hamster  bildet  diejenige  Cricetus-Species,  welche 
heutzutage  am  weitesten  nach  Westen  vorgeschoben  ist,  wenngleich 
nicht  so  weit,  wie  es  einst  während  eines  gewissen  Abschnittes  der 
Pleistocän-Periode  der  Fall  war.  Der  H.  führt  im  Allgemeinen  ein 
streng  sesshaftes  Leben;  er  hängt  zäh  an  dem  Wohngebiete, 
welches  ihm  günstig  erscheint,  und  hat  wenig  Neigung  zu  Wanderungen. 
Obgleich  eigentlich  zu  den  Steppen -Nagern  gehörig,  i)  verlangt  der 
gemeine  H.  doch  nicht  unbedingt  ein  ausgeprägtes  Steppenklima, 
wofern  nur  die  Vegetations-  und  Bodenverhältnisse  seinen  An- 
forderungen genügen.  Die  anderen  Hamster- Arten  sind  in  klimatischer 
Hinsicht  empfindlicher;  sie  finden  sich  heutzutage  nur  oder  fast 
nur  in  dem  weiten  Gebiete  Osteuropas  und  Central-Asiens,  welches 
unter  dem  vorwiegenden  Einflüsse  des  Steppenklimas  steht. 

Der  gemeinen,  bewohnt  in  Deutschland  mit  Vorliebe  solche  Distrikte 
der  Ebene  und  des  Hügellandes,  welche  waldlos  oder  waldarm  sind, 
und  in  denen  ein  tiefgründiger,  lehmig-sandiger  oder  lössartiger  Boden 
ihm  die  Anlage  undErhaltung  seiner  unterirdischen  Kammern  und  Gänge 
gestattet.  Am  liebsten  haust  er  auf  grossen  Getreidefeldern,  welche 
ihm  annähernd  die  Lebensbedingungen  der  freien  Steppe  bieten.    Da 


^)  Siehe  meine  Angaben  nach  Mod.  Bogdanow  in  d.  Zeitschr.  d.  Berl.  Gesellsch. 
f.  Erdk.,  1890,  Bd.  26,  p.  341. 


Die  Verbreitung  des  Hamsters  in  Deutschland.  17 

seine  Höhlen  und  Gänge  ziemlich  tief  hinabreichen,  wird  er  durch 
den  gewöhnlichen  Pflug  wenig  gestört.  Seltener  als  auf  oder  nahe 
bei  Getreidefeldern  findet  man  ihn  auf  sonstigen  Feldern  oder  in 
Gärten.  Nach  Conrad  Gessner  kam  er  einst  bei  Mühlberg  an  der 
Elbe  in  Weinbergen  vor;  auch  Fitzinger  erwähnt  sein  Vorkommen 
in    Rebenpflanzungen.  ^) 

Feuchte,  sumpfige  oder  den  Ueberschwemmungen  der  Flüsse 
ausgesetzte  Distrikte  meidet  der  H.,  ebenso  Gebirgsgegenden  mit 
felsigem  Boden;  auch  der  reine,  unfruchtbare  Sandboden  ist  ihm 
zuwider.     Die  Nähe  des  Meeres  scheint  er  gänzlich  zu  fliehen.  — 

Die  Westgrenze  des  Hamsters  in  Deutschland  fällt  ungefähr 
mit  der  politischen  Westgrenze  des  deutschen  Reiches,  sowie  auch 
beinahe  mit  der  Westgrenze  der  heutigen  Verbreitung  des  H.  über- 
haupt zusammen.  Nur  in  der  Gegend  von  Aachen  reicht  sein 
Wohngebiet  ein  wenig  nach  Belgien  hinein,  also  über  die  Grenze 
Deutschlands  hinaus.     Siehe  Tafel  HI. 

In  vielen  Werken  wird  der  Rhein  als  die  Westgrenze  des  H. 
angegeben^);  aber  mit  Unrecht.  Im  Bereiche  von  Elsass-Lothringen 
bilden  die  Vogesen  die  Westgrenze  seiner  heutigen  Verbreitung. 
In  der  Umgebung  der  Stadt  Strassburg  ist  er  schon  seit  langer 
Zeit  als  häufig  beobachtet  worden,  so  dass  die  Franzosen  ihm 
u.  a.  auch  den  Namen:  „marmotte  de  Strassbourg"  beigelegt 
haben;  schon  im  16.  Jahrhundert  wird  er  als  dort  vorkommend 
erwähnt.  3) 

In  der  bayrischen  Pfalz  (Rheinbayern)  findet  sich  der  Hamster 
nach  den  mir  freundlichst  übermittelten  Angaben  des  Herrn  Stud. 
agr.  W.  Huber, '^)  eines  meiner  Zuhörer,  in  den  Bezirken  von  Pirmasens, 
Zweibrücken,  Homburg  und  Kusel,  doch  für  gewöhnlich  nur  in  geringer 
Zahl ;  häufiger  ist  er  in  der  Vorderpfalz,  also  im  östlichen  Theile  der 
Rheinpfalz,  z.  B.  bei  Ludwigshafen.  —  Wahrscheinlich  kommt  er 
auch  in  dem  Theile  des  Elsass  vor,  welcher  zwischen  der  Vorderpfalz 
und  der  Gegend  von  Strassburg  sich  ausdehnt. 

In  Rheinhessen  ist  der  Hamster  nach  den  Mittheilungen  des 
Herrn  Stud.  Huber  stellenweise  recht  häufig,  so  z.  B.  in  den  Ge- 
markungen von  Pfeddersheim,  Griesheim  und  Wintersheim.    Von  der 


')  Man  vergl.  auch  Sulzer  a.  a.  0.,  p.  107,  wo  es  bezweifelt  wird,  dass  der 
H.  dauernd  in  Weinbergen  hause. 

-)  Siehe  z.  B.  Schreber,  die  Säugethiere,  3.  Teil,  1826,  p.  698.  Schreber- 
Wagner,  die  Säugethiere,  Supplementband,  3.  Abth..  1843,  p.  449.  Vergl.  auch 
A.  Wagner,  die  geogr.  Verbreitung  d.  Säugethiere,  p.  75. 

3)  Ch.  Gerard,  Faune  historique  des  mammiferes  sauvages  de  TAlsace. 
Colmar  1871,  p.  191.  —  Vergl.  auch  Vogt-Specht,  die  Säugethiere  in  Wort  und 
Bild,  München  1883,  p.  371. 

*)  Herr  Stud.  W.  Huber  hat  sich  in  anerkennenswerthester  Weise  bemüht, 
mir  genaue  Notizen  über  das  Vorkommen  des  Hamsters  in  Rheinbayern  und 
Eheinhessen  zu  verschaffen.  —  Fitzinger  a.  a.  0.  giebt  unrichtigerweise  an,  dass 
der  H.  in  der  Pfalz  fehle. 

Arch.  f.  Natm-gesch.  Jahrg.  1894.  Bd.I.  H.l.  2 


lg  Prof.  Dr.  A.  Nehring. 

Gemeinde  Wintersheim  sind  in  den  Jahren  1888—1890  Prämien 
für  5097  getödtete  Hamster  gezahlt  worden  i). 

Was  die  linksrheinischen  Theile  der  preussischen  Rhein- 
provinz anbetrifft,  so  ist  er  dort,  so  viel  ich  weiss,  nur  sporadisch 
beobachtet  worden.  Nach  Stud.  Huber  kommt  er  in  geringer  Zahl 
im  Kreise  Saarbrücken  vor.  Ferner  soll  er  zuweilen  in  der  Gegend 
von  Trier  beobachtet  werden;  die  mir  unterstellte  Sammlung  besitzt 
ein  Skelet  von  dort.  Blasius  erwähnt,  dass  Albertus  Magnus  ihn  von 
Bonn  und  Köln  gekannt  habe.  2)  Nach  A.  Wagner  bewohnt  er  ferner 
die  Gegend  von  Aachen.  Nach  S.  Longchamps  kommt  er  in  geringer 
Zahl  auch  noch  in  der  belgischen  Provinz  Lüttich  zwischen 
Herve  und  Limburg  vor;  ebenso  soll  er  bei  Venlo  am  rechten  Ufer 
der  Maas  vereinzelt  gefunden  sein. 

Der  letztere  Fundort  erscheint  nach  einer  freundlichen  Mittheilung 
des  Herrn  Dr.  A.  Jentink,  Directors  des  naturhistorischen  Reichs- 
museums in  Leiden,  einigermassen  zweifelhaft.  Jentink  schreibt  mir 
über  die  Frage,  ob  der  Hamster  irgendwo  im  Königreich  Holland 
vorkomme, 3)  Folgendes:  ,,Man  hat  früher  behauptet,  dass  Cricetus 
frumentarius  in  der  Provinz  Groningen  und  bei  Venlo  in  der  Prov. 
Limburg  vorkomme;  aber  man  hat  aus  Groningen  kein  Exemplar 
zeigen  können,  und  ich  denke  an  eine  Verwechselung  mit  Arvicola 
amphibius  var.  Mit  Venlo  ist  es  anders,  da  die  Prov.  Limburg 
geologisch  und  faunistisch  nicht  zu  Holland  gehört;  es  ist  denkbar, 
dass  Cricetus  frument.  dort  vorkommt,  aber  mir  ist  auch  von  dort  kein 
Exemplar  bekannt." 

Aus  dem  Regierungsbezirke  Düsseldorf  habe  ich  nichtf?  über  das 
etwaige  Vorkommen  des  Hamsters  erfahren.  In  Westfalen  ist  er 
bisher  nirgends  als  einheimisch  beobachtet  worden.  Prof.  Landois 
in  Münster,  der  sich  bekanntlich  sehr  eingehend  mit  der  Fauna 
Westfalens  befasst  hat,  schreibt  mir  hierüber:  „Wir  haben  bisher 
in  Westfalen  nirgends  den  Hamster  constatiert.  Es  ist  zwar  hie 
und  da,  z.  B.  in  Brünninghausen  bei  Dortmund,  sowie  auch  hier  in 
der  Stadt  Münster  selbst,  ein  Hamster  gefangen  worden;  es  sind 
dieses  aber  sicher  herübergesandte,  aus  der  Gefangenschaft  entlaufene 
Exemplare." 

In  Ostfriesland  und  in  Oldenburg  kommt  der  Hamster 
nicht  vor;  auch  nicht  im  Gebiete  von  Bremen.  Dr.  0.  Finsch  in  Delmen- 
horst, der  bekannte  Zoologe,  schreibt  mir:  „Was  Ihre  Anfrage  betrifft, 
so  ist  mir  über  das  Vorkommen  des  Hamsters  im  Bremer  und  Olden- 
burger Lande  nie  etwas  bekannt  geworden  und  ich  glaube  bestimmt, 


^)  Geuauere  Angaben  über  die  von  1840—1890  bei  VVintersbeim  getödteten 
Hamster  findet  man  in  d.  Beilage  für  Rheinhessen  zur  Zeitschr.  d.  Landw. 
Vereine  d.  Grossherzogtbums  Hessen,  1891,  Nr.  1. 

2)  Blasius,  Naturg.  d.  Säugeth.  Deutschlands,  p.  308. 

^)  Fitzinger,  Versuch  e.  nat.  Anordnung  d.  Nageth.,  1867,  giebt  ohne 
Einschränkung  oder  Fragezeichen  an:  „Holland,  Venloo." 


Die  Verbreitung-  des  Hamsters  in  Deutschland.  19 

dass  er  hier  fehlt."  Auch  in  dem  kleinen  Werke  von  Wiepken  und 
Greve  über  die  Wirbelthiere  Oldenburgs  wird  der  Hamster  nicht 
aufgeführt. 

In  dem  östlichen  Theile  der  Provinz  Hannover  scheint 
der  Hamster  nur  dasjenige  Gebiet  zu  bewohnen,  welches  westlich 
von  der  Weser  und  nördlich  von  der  Aller  begrenzt  wird,  ohne  dass 
er  aber  diese  Grenzen  thatsächlich  erreicht  oder  ausfüllt.  Mein 
geehrter  Freund,  der  Herr  Amtsrath  Dr.  Struckmann  in  Hannover, 
schrieb  mir  Folgendes:  „Soweit  ich  selbst  beobachtet  oder  aus  ganz 
zuverlässigen  Quellen  erfahren  habe,  findet  sich  der  Hamster  (Cricetus 
vulgaris)  recht  häufig  in  einem  Theile  des  Kreises  Goslar  und  zwar 
im  früheren  Amte  Liebenburg,  ferner  in  den  Kreisen  Hildesheim  und 
Marienburg,  sowie  in  einem  Theile  des  Kreises  Hameln  und  zwar 
im  früheren  Amte  Lauenstein,  weiter  sehr  häufig  im  südHchen  Theile 
des  Kreises  Neustadt  und  zwar  zwischen  Wunstorf  und  Gr.  Munzel, 
auch  in  dem  angrenzenden  westHchen  Theile  des  Kreises  Linden 
am  Nordfusse  des  Heisters.  Aus  den  Kreisen  Goettingen  und  Nort- 
heim  ist  mir  ein  Vorkommen  des  H.  nicht  bekannt  geworden." 

Mein  Bruder  Oskar,  welcher  seit  mehr  als  20  Jahren  ein 
Rittergut  in  dem  früheren  Amte  Liebenburg  verwaltet,  schreibt  mir: 
„Hamster  giebt  es  zwar  im  alten  Amte  Liebenburg,  aber  nicht  so 
massenhaft,  wie  bei  Halberstadt." 

Auch  bei  Oelheim  unweit  Peine  kommt  der  H.  hie  und  da  vor; 
das  naturhistorische  Museum  in  Braunschweig  hat,  wie  Herr  F. 
Grabowsky,  Assistent  an  jenem  Museum,  mir  freundlichst  mittheilte, 
im  vorigen  Jahre  durch  einen  Studirenden  der  technischen  Hoch- 
schule zu  Braunschweig  einen  Hamster  aus  Oelheim  erhalten. 

Im  Herzogthum  Braunschweig  ist  der  H.  stellenweise  ziem- 
lich häufig;  ich  kenne  ihn  aus  den  Kreisen  Braunschweig,  Wolfen- 
büttel, Helmstedt  und  Blankenburg  auf  Grund  eigener  Beobachtungen, 
namentHch  aus  der  Umgebung  der  Städte  Helmstedt^),  Wolfenbüttel 
und  Schöppenstedt,  Nach  Erwin  Schulze  soll  er  in  der  näheren 
Umgebung  der  Stadt  Braunschweig  fehlen,  doch  ist  dieses  wohl  nicht 
ganz  zutreffend ;  wie  Herr  Grabowsky  mir  mittheilte,  ist  Herrn  Prof. 
W.  Blasius  vor  einigen  Jahren  ein  Hamster  gebracht  worden,  welcher 
zwischen  dem  Wendenthore  und  dem  Schunter-Flüsschen,  in  der  Nähe 
des  Dove-Sees  (also  an  der  Nordseite  der  Stadt  Braunschweig)  er- 
schlagen war.  Herr  Prof.  W.  Blasius  erinnert  sich  ferner  mit  Be- 
stimmtheit, dass  der  H.  vor  ca.  25  Jahren  bei  Sophienthal,  etwa 
2V2  Stunden  nordwesthch  von  Braunschweig,  zahlreich  vorkam. 

Ob  der  Hamster  nach  Norden  bis  zur  AJIer  vorgedrungen  ist, 
darüber  kann  ich  bisher  keine  bestimmten  Angaben  machen.    Jeden- 


^)  Nach  den  Mittheilungen  meines  Bruders  Robert,  herzogl.  Braunschw. 
Oberförsters  in  Marienthal  unweit  Helmstedt,  scheint  der  H.  in  den  nördlichen 
Theilen  des  Kreises  Helmstedt  entweder  zu  fehlen  oder  selten  zu  sein.  Ich 
habe  ihn  auf  den  Feldern  südlich  und  südöstlich  von  der  Stadt  Helmstedt  während 
der  fünfziger  Jahre  häufig  beobachtet. 

2* 


20  Prof-  Dr-  A.  Ne bring. 

falls  fehlt  er  nördlich  von  der  Aller,  in  der  Lüneburger  Heide.  Auch 
in  dem  Haupttheile  der  Altmark  scheint  er  zu  fehlen;  einer  meiner 
Zuhörer,  der  in  der  Gegend  von  Stendal  zeitweise  als  Landwirth 
thätig  war,  hat  ihn  dort  niemals  beobachtet,  auch  nicht  von  ihm 
gehört.  — 

Dagegen  kommt  der  H.  von  Neu-Haldensleben  ab  südHch  in 
der  Provinz  Sachsen  sehr  häufig  vor.  Die  mir  unterstellte  Samm- 
lung enthält  zahlreiche  Exemplare  aus  der  Umgebung  von  Alt- 
Haldensleben  und  Hundisburg,  welche  von  Hermann  v.  Nathusius 
und  anderen  Mitgliedern  der  Famihe  Nathusius  gesammelt  sind.  Ich 
selbst  habe  den  H.  häufig  in  der  Magdeburger  Börde,  namenthch  in 
der  Gegend  zwischen  Hadmersleben  und  Westeregeln  beobachtet. 
Ich  kenne  ihn  ferner  von  Magdeburg,  Oschersleben,  Halberstadt  und 
Aschersleben,  wo  er  besonders  häufig  ist.  Erwin  Schulze  nennt  als 
Fundorte:  Osterwieck,  Hornburg,  Quedlinburg,  Aschersleben,  Halle, 
die  Gegend  am  südlichen  Harzrande  etc.  Ueberhaupt  kann  man 
den  ganzen  mittleren  und  südHchen  Theil  der  Provinz  Sachsen,  sowie 
auch  den  grösseren  Theil  des  Herzogthums  Anhalt  als  ein  bevor- 
zugtes Wohngebiet  des  Hamsters  bezeichnen.  [Siehe  Tafel  III].  Vergl. 
auch  Sulzer  a.  a.  0.,  p.  107. 

In  der  Provinz  Brandenburg  findet  sich  der  H.  hauptsächlich 
in  den  Districten,  welche  den  von  ihm  bewohnten  Theilen  der  Prov. 
Sachsen  benachbart  sind;  doch  kommt  er  weiter  verbreitet  vor,  als 
man  gewöhnhch  annimmt.  J.  H.  Schulz  erwähnt  in  seiner  „Fauna 
Marchica",  Berlin  1845,  p.  35,  Exemplare  von  Jüterbogk  und  Treuen- 
brietzen,  also  aus  dem  Südwesten  der  Provinz;  Friedel  nennt  in  der 
2.  Ausgabe  seiner  „Wirbelthiere  der  Prov.  Brandenburg",  Berhn  1886, 
p.  62,  ausserdem  noch  Luckenwalde,  sowie  ferner  Nauen  und  die 
Priegnitz.  Ich  selbst  konnte  im  vorigen  Jahre  auf  Grund  der 
mündlichen  Angaben  des  Herrn  Gustav  Stimming  zu  Brandenburg  nach- 
weisen, dass  der  H.  vor  ca.  40  Jahren  nahe  bei  der  Stadt  Brandenburg 
und  zwar  vor  dem  Krakauer  Thore  häufig  war;  derselbe  verschwand 
dann  plötzlich  ohne  ersichtlichen  Grund.  Seit  Kurzem  haben  sich 
aber  einzelne  Paare  bei  den  Dörfern  Moser  und  Grähnert  (westlich 
von  Brandenburg)  gezeigt  i).  Nach  einer  mündlichen  Mittheilung  des 
Herrn  P.  Matschie,  Assistent  am  hiesigen  Museum  f.  Naturkunde, 
ist  der  H.  schon  vor  ca.  20  Jahren  bei  dem  Städtchen  Ziesar,  süd- 
westlich von  der  Stadt  Brandenburg,  vorgekommen. 2) 

Besonders  interessant  erscheint  mir  sein  Vorkommen  bei  Nauen, 
bei  Fehrbellin,  in  der  Priegnitz,  sowie  bei  Templin,  Schwedt  und 
Oderberg.    Siehe  Tafel  III. 

Nach  Angabe  des  Herrn  Ludwig,  Präparators  an  der  zoolog.  Ab- 
theilung des  hiesigen  Museums  für  Naturkunde,  findet  sich  der  H.  häufig 


1)  Siehe  „Naturwiss.  Wochenschrift",  1892,  Band  VII,  p.  355. 

-)  Ziesar  liegt  übrigens  noch  in  der  Provinz  Sachsen,  sowie  auch  die  vorher 
genannten  Dörfer  Moser  und  Grähnert,  letztere  allerdings  dicht  an  der  Grenze 
der  Prov.  Brandenburg. 


Die  Verbreitung  des  Hamsters  in  Deutschland.  21 

bei  Nauen  (westlich  von  Berlin),  und  zwar  links  von  der  alten  Berlin- 
Hamburger  Chaussee;  Ludwig  ist  aus  Nauen  gebürtig  und  hat  ihn 
hier  schon  in  seiner  Jugend  (d.  h.  also  vor  ca.  40  Jahren)  beobachtet. 
Derselbe  kennt  ihn  ferner  von  dem  Dorfe  Brunne  bei  Fehrbellin  und 
hat  mir  ein  von  dort  stammendes  Exemplar  überlassen. 

Nach  einer  brieflichen  Mittheilung  des  bekannten  Ornithologen 
Schalow  hierselbst  kann  ich  über  das  Vorkommen  in  der  Priegnitz 
Folgendes  mittheilen:  „Von  Cricetus  vulgaris  habe  ich  (schreibt  mir 
Schalow)  lebende  Exemplare  gesehen  und  todte  in  Händen  gehabt 
in  der  Umgegend  der  Dörfer  Görcke  und  Granzow,  ca.  2  Stunden 
östlich  von  der  Eisenbahnstation  Glöwen.^)  Bei  Granzow  ist  der 
Hamster  sehr  häufig;  zwischen  Glöwen  und  Görcke  soll  er  nach  den 
Mittheilungen  der  Einwohner  nicht  vorkommen." 

Aus  dem  Nordosten  des  Regierungsbezirks  Potsdam  kenne  ich 
nur  Templin,  Schwedt  a.  d.  Oder,  Neuendorf  und  Lunow  (zwischen 
Angermünde  und  Oderberg)  als  Fundorte  des  H.  Bei  Templin  wurde 
er  durch  Herrn  Dr.  Arthur  Krause  (hier)  festgestellt,  sein  Vorkommen 
bei  Schwedt  ist  durch  den  verstorbenen  Prof.  Munter  (in  Greitswald) 
bezeugt;  dasjenige  bei  Amt  Neuendorf  und  Lunow  kenne  ich  durch 
Herrn  Förster  Schulz^)  in  Breitelege  bei  Oderberg  (Mark). 

An  das  Vorkommen  bei  Templin  schliesst  sich  dasjenige  inMecklen- 
burg-Strelitz  an,  über  welches  Herr  Gymnasiallehrer  Struck  in 
Waren  ausführHch  berichtet  hat. 3)  Hiernach  kommt  der  H.  in  der 
Gegend  von  Friedland,  also  im  nordöstlichen  Theile  des  Gross- 
herzogthums  Mecklenburg-Strelitz,  vor  und  zwar  südlich  von 
Friedland  bei  den  Orten  Lübbersdorf,  Hohenstein,  Golm  und  "Weitin. 
Siehe  Tafel  HI.  Aus  den  sonstigen  Bemerkungen  Strucks  ergiebt  sich, 
dass  der  Hamster  auch  an  einigen  Punkten  Pommerns,  nämlich 
auf  dem  Arnim'schen  Gute  Züsedow  bei  Pasewalk  sicher  festgestellt  und, 
wie  es  scheint,  sogar  bei  Demmin  beobachtet  worden  ist.^)  Nach  einer 
mündlichen  Mittheilung  meines  verehrten  Collegen,  des  Herrn  Forst- 
meisters Westermeyer,  welcher  in  Pommern  gut  Bescheid  weiss, 
kommt  der  H.  auch  bei  Löcknitz,  zwischen  Pasewalk  und  Stettin, 
vor;  Herr  Westermeyer  besitzt  ein  ausgestopftes  Exemplar  aus  der 
Gegend  von  Löcknitz. 

Hiermit  haben  wir  die  nördlichsten  Vorposten  des  H.  in  Deutsch- 
land berührt.  Andere  Fundorte  aus  Pommern  sind  mir  nicht  bekannt 
geworden ;  einige  bezügliche  Anfragen,  welche  ich  nach  Stettin  gesandt 
hatte,  sind  unbeantwortet  geblieben.     Nach  Angabe  des  Herrn  Stud. 


^)  Station  der  Berlin-Hamburger  Bahn  zwischen  Neustadt  a.  d.  Dosse  und 
Wilsnack. 

-)  Herr  Schulz  war  so  freundlich,  mir  einen  Hamster  von  Amt  Neuendorf 
einzusenden. 

^)  Siehe  Arch.  d.  Ver.  d.  Freunde  d.  Naturgesch.  in  Mecklenburg,  1876, 
Neubrandenburg  1876,  p,  66  u.  67.  und  ebenda,  1889,  p.  103—106. 

*)  Das  angebliche  Vorkommen  bei  Demmin  scheint  mir  allerdings  einer 
nochmaligen  Prüfung  zu  bedürfen. 


22  Prof.  Dr.  A.  Nehring. 

agr.  Ludwig,  eines  meiner  Zuhörer,  welcher  längere  Zeit  als  land- 
wirthschaftl.  Beamter  in  Pommern  thätig  gewesen  ist,  kommt  der  H. 
weder  bei  Anclam  und  Wolgast  (Vorpommern),  noch  auf  den  Ländereien 
des  Fürsten  Bismarck  bei  Varzin  vor^),  wie  er  denn  überhaupt  in 
dem  grössten  Theile  der  Provinz  Pommern  völlig  zu  fehlen  scheint. 
Wenn  an  manchen  Orten  dort  vom  „Hamster"  geredet  wird,  so  ver- 
steht man  darunter  die  Schermaus  (Arvicola  amphibius),  und  man 
muss  also  bei  der  Verwerthung  von  solchen  Angaben  sehr  skeptisch 
sein!  — 

Auch  im  Osten  der  Provinz  Brandenburg  scheint  der  H. 
zu  fehlen.  Nach  meinen  Erkundigungen  kommt  er  bei  Biesenthal 
und  Eberswalde,  also  nördlich  von  Berlin,  nicht  vor;  ebenso  wenig 
bei  Neudamm  und  Berneuchen  in  der  Neumark.  Ueljer  die  Gegend 
von  Frankfurt  a.  d.  0.  bin  ich  leider  ohne  Nachricht  geblieben.  In 
der  Niederlausitz  soll  er  fehlen,  sofern  meine  Erkundigungen  zutreffend 
sind  ^). 

In  der  Provinz  Posen  ist  der  H.  bisher  nirgends  beobachtet 
worden,  soweit  meine  Kenntniss  reicht;  auch  dem  landwirthschaftl. 
Provinzialverein  in  Posen,  an  den  ich  mich  um  Auskunft  gewendet 
hatte,  ist  nichts  über  sein  Vorkommen  in  jener  Provinz  bekannt 
geworden.  — 

In  West-  und  Ostpreussen  fehlt  der  H.  ebenfalls  vollständig, 
nach  dem  übereinstimmenden  Zeugnisse  mehrerer  namhafter  Autoren^). 
Ebenso  fehlt  er  in  den  russischen  Ostsee -Provinzen.  Alle  die  an- 
geblichen Fälle  seines  Vorkommens  in  diesen  Gegenden  beruhen 
entweder  auf  Verwechselungen  mit  der  Schermaus  (Arv.  amphibius), 
oder  auf  sonstigen  Irrthümern.  Bei  Schreber,  Die  Säugethiere,  3.  Theil, 
1826,  p.  698,  liest  man  in  einer  Fussnote  Folgendes:  „Nach  Fischer's 
Naturgeschichte  von  Lievland  S.  60  soll  es  auch  in  Lievland  Hamster 
geben,  von  denen  aber  gesagt  wird,  dass  sie  ihre  Höhlen  gern  unter 
Baumwurzeln  bauen,  und  gemeiniglich  paarweise  leben  —  welches 
auf  den  gemeinen  Hamster  nicht  recht  passt."  Hier  handelt  es  sich 
gewiss  nicht  um  den  richtigen  Hamster  (Cricetus),  sondern  um  die 
Schermaus.  — 

Sehr  ausführlich  hat  Oskar  von  Löwis,  der  ausgezeichnete 
Kenner  der  baltischen  Säugethiere,  die  Frage  des  Hamster- 
Vorkommens  in  den  russischen  Ostsee-Provinzen  behandelt. 
Siehe  „Zool.  Garten,"  Bd.  21,  1880,  p.  261  und  „Baltische  Monats- 
schrift," Bd.  32,  1885,  Heft  4,  p.  463  f.  Derselbe  kommt  zu  einem 
völlig  negativen  Resultate ;  ich  hebe  aus  der  letztgenannten  Zeitschrift 


^)  Herr  Stud.  Ludwig  war  längere  Zeit  Verwalter  beim  Fürsten  Bismarck 
in  Varzin  (Hinterpommern). 

2)  Nach  Fitzinger,  a.  a.  0.,  soll  der  H.  im  südöstlichen  Theile  der  Mark 
Brandenburg  vorkommen. 

^)  J.  G.  Bujack,  Fauna  Prussica,  Königsberg  1837,  p.  56,  lässt  es  zweifel- 
haft, ob  der  H.  in  der  Provinz  Preussen  vorkommt ;  doch  kann  man  heute  sicher 
behaupten,  dass  dies  nicht  der  Fall  ist. 


Die  Verbreituug  des  Hamsters  in  Deutschland.  23 

folgende  Bemerkungen  hervor:  „Früher  wurde  der  Hamster,  Cricetus 
frumentarius,  in  gutem  Glauben  und  in  Analogie  mit  seinem  häufigen 
Vorkommen  in  Mitteldeutschland,  oder  auch  weil  derselbe  weiter 
südlich  in  Polen  und  südöstlich  in  einem  Theile  des  witebskischen 
Gouvernements  schon  vorkommen  soll,  unter  den  hier  (d.  h.  in  den 
russ.  Ostsee-Provinzen)  vorhandenen  Nagerformen  kritiklos  vorgeführt 
und  seine  Beschreibung  aus  deutschen  Lehrbüchern  einfach  abge- 
schrieben, so  von  J.  L.  Fischer  im  vorigen  Jahrhundert,  von  E.  W. 
Drümpelmann  und  Friebe  etc.  und  in  vielen  späteren  Verzeich- 
nissen i).''^  ....  „Der  verstorbene  Prof.  der  Zoologie  Dr.  Zaddach 
aus  Königsberg  sagte  mir  1880  auf  der  Naturforscherversammlung 
zu  Danzig  bei  Besprechung  dieser  fälschlichen  Hamster-Aufführungen, 
dass,  da  der  Hamster  sowohl  in  West-  als  Ostpreussen  gänzlich  fehle 
und  erst  im  mittleren  Polen  gefunden  werde,  er  sicherlich  niemals 
in  den  (russischen)  Ostsee-Provinzen  vorgekommen  sein  könne.  Das 
von  A.  Lehmann  der  dorpater  Universitätssammlung  1836  übergebene 
Exemplar  ist  gewisslich  von  seinen  Reisen  aus  Südrussland,  wo  der 
Hamster  „chomjak,"  als  südöstliche  schwarze  Spielart  auch 
„karbysch"  genannt  wird,  mitgenommen  gewesen  und  wurde  im  Re- 
gister durch  ein  Versehen  als  livländisches  verzeichnet,  indem  man 
liest  „Livonia  1836."  Ehe  also  verbürgte  baltische  Hamster 
gefangen  und  eingesandt  wurden,  darf  derselbe  nicht  aufgeführt 
werden."  — 

Ich  erwähne  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  sich  in  der  zoolog. 
Abtheilung  des  hiesigen  Museums  für  Naturkunde  ein  ausgestopfter 
Hamster  befindet,  der  angeblich  aus  Parma  in  Oberitalien  stammen 
soll;  auch  hier  liegt  sicher  ein  Irrthum  vor!  Entweder  handelt  es 
sich  um  ein  lebend  nach  Parma  geschicktes,  später  aus  der  Gefangen- 
schaft entschlüpftes  Exemplar,  oder  es  ist  vielleicht  in  dem  Inventar 
ein  Schreibfehler  passirt  und  statt  Parma  etwa  Pirna  oder  dergl.  zu 
lesen.  Oberitalien  hat  zwar  während  der  jüngeren  Pleistocänzeit  den 
gemeinen  Hamster  beherbergt;  aber  heutzutage  ist  er  dort  nirgends 
einheimisch,  wie  Herr  Dr.  Forsyth  Major  (Florenz)  mir  auf  meine 
Anfrage  ausdrücklich  versichert  hat. 

Kehren  vnr  nach  Deutschland  zurück!  In  der  Provinz  Schlesien 
scheint  der  H.  in  vielen  Distrikten  vorzukommen,  und  zwar  haupt- 
sächlich Hnks  (westlich)  von  der  Oder.  Wie  Herr  Dr.  Peck,  der 
verdienstvolle  Vorsteher  des  Museums  der  naturforsch.  Gesellschaft 
in  Görlitz,  mir  kürzlich  bei  einem  Besuche  jenes  Museums  mittheilte, 
findet  er  sich  hie  und  da  in  der  Oberlausitz ;  ein  ausgestopftes 
Exemplar  der  genannten  Sammlung  kann  als  Belag  dafür  dienen. 
Nach  Angabe  des  Herrn  Jacob,  Portiers  an  der  Landwirthschaftl. 


1)  Auch  J.  Fr.  Brandt  hat  jene  Angaben  Fischer's  und  Drümpelmann's  als 
zuverlässig  angesehen  oder  doch  keinen  directen  Zweifel  gegen  sie  geäussert. 
Siehe  seine  Bemerkungen  über  die  Wirbelth.  d.  nördl.  europ.  Russl.,  Petersburg 
1856,  p.  40.  Auch  Bujack  und  Fitzinger  nehmen  fälschlich  an,  das  der  H.  in 
Lievland  vorkomme. 


24  Prof.  Dr.  A.  N  eh  ring. 

Hochscliule  zu  Berlin,  kam  der  H.  ira  Anfange  der  sechziger  Jahre 
häufig  bei  dem  Dorfe  Quaritz  unweit  Gr.  Glogau  vor.  Herr  Gnörich, 
Präparator  am  hiesigen  Museum  f.  Naturkunde,  hat  ihn  früher  in 
der  Gegend  von  Klettendorf,  südwestlich  von  Breslau,  beobachtet. 
Meine  jetzige  Dienstmagd,  eine  Schlesierin,  kennt  ihn  genau  aus  der 
Gegend  von  Weissdorf,  Kreis  Ohlau;  sie  hat  früher  oft  beim  Aus- 
graben der  Hamster  geholfen.  Nach  Angabe  des  Herrn  Dr.  Crampe 
(in  Breslau,  früher  in  Proskau)  soll  der  H.  in  die  Gegend  von 
Proskau  (südlich  von  Oppeln)  erst  in  den  siebziger  Jahren  vorgedrungen 
sein,  während  der  Ziesel  (Spermophilus  citillus)  dort  schon  früher  oft 
beobachtet  worden  ist.  Siehe:  ,,Der  Landwirth",  1892,  S.  508. 
Nach  einer  Mittheilung  des  Herrn  Stud.  agr.  Grosskurth  kommt  der 
H.  in  massiger  Zahl  auf  den  Feldern  bei  Ober-Glogau  im  Neustädter 
Kreise  vor,  zugleich  mit  dem  Ziesel,  doch  so,  dass  dieser  den  leichteren, 
jener  den  schwereren  Boden  vorzieht.     Siehe  Tafel  IH. 

Auf  der  rechten  Seite  der  Oder  scheint  der  H.  in  Schlesien 
nur  eine  sehr  geringe  Verbreitung  zu  haben.  Bisher  kenne  ich  ihn 
nur  aus  der  Gegend  von  Militsch,  nahe  der  Südgrenze  der  Provinz 
Posen,  wo  ihn  Herr  Rimane,  Diener  am  hiesigen  Museum  für  Natur- 
kunde, fi'üher  beobachtet  hat.  Nach  einer  gefälligen  Mittheilung 
des  landwirthschaftHchen  Vereins  des  Kreises  Lublinitz  kommt  der 
H.  dort  nicht  vor;  ebenso  fehlt  er  nach  Stud.  agr.  0.  Wagener  in 
der  Gegend  von  Tarnowitz. 

Der  reichsgräfhch  Schaffgotsch'sche  Präparator  in  Warmbrunn, 
Herr  Martini,  theilte  mir  auf  Grund  langjähriger  Erfahrungen  mit,  dass 
der  Hamster  hie  und  da  in  den  Kreisen  Bunzlau,  Liegnitz,  Striegau 
und  Jauer  vorkomme.  Herr  Martini  hat  aus  diesen  Kreisen  zuweilen 
frisch  getödtete  Hamster  zum  Ausstopfen  erhalten;  einer  derselben  war 
an  den  sog,  Rehbergen  bei  Liegnitz  erbeutet  worden.  Im  Hirschberger 
Kreise  wird  der  H.  nicht  gefunden.  Stellenweise  und  zeitweise  scheint 
übrigens  der  H.  im  Kreise  Liegnitz  ziemlich  häufig  zu  sein;  wie 
Herr  Josephi,  Hülfsarbeiter  am  hiesigen  Museum  f.  Naturk.,  mir 
freundlichst  mittheilte,  wurden  im  Herbst  1881  bei  Weissen  Leipe, 
zwischen  Maltsch  und  Striegau,  auf  einem  Gute  von  1000  Morgen 
86  Hamster  gefangen.  Ueber  das  Vorkommen  im  ,,Fürstenthum 
Jauer "^  siehe  auch  Sulzer,  a.  a.  0.,  S.  108. 

Was  den  östlichen  Theil  des  Königreichs  Sachsen  an- 
betrifft, so  hat  mir  Herr  Kreissecretär  Brugger  in  Bautzen  namens 
des  dortigen  landwirthschaftl.  Kreisvereins  mitgetheilt,  dass  der  H. 
in  der  ganzen  sächsischen  Lausitz  vorkomme,  aber  nicht  in  solcher 
Zahl,  dass  Schädigungen  in  grösserem  Umfange  zu  melden  seien. 
Auch  auf  dem  Grundstücke  der  landwirthschaftl.  Lehranstalt  in 
Bautzen  sind  schon  mehrfach  Hamster  ausgegraben  worden.  Neben 
ihm  findet  sich  in  der  sächsischen  Lausitz  auch  der  Ziesel  (Spermo- 
philus citillus),  doch  in  geringer  Zahl. 

In  den  ebenen  Distrikten  der  mittleren  und  westlichen 
Theile  des  Königreichs  Sachsen  scheint  der  H,  überall  vorzu- 
kommen.    Schon  Gessner  erwähnt,  dass  er  bei  Meissen,  Leipzig  und 


Die  Verbreitung-  des  Hamsters  in  Deutschland.  25 

Pegau  häufig  sei. i)  lieber  Osttliüringen  kann  ich  sehr  genaue, 
auf  langjährige  Beobachtungen  gestützte  Angaben  meines  verehrten 
Freundes,  des  Hofraths  Prof.  Dr.  K.  Th.  Liebe  in  Gera,  mittheilen. 
Derselbe  schreibt  mir  auf  meine  Anfrage  Folgendes:  „Der  Hamster 
ist  im  Norden  von  Ostthüringen,  bei  Zeitz,  Meuselwitz,  Altenburg  etc., 
also  im  eigentlichen  Osterland,  eine  gemeine  Erscheinung.  Weiter 
südlich,  in  der  Grafschaft  Gera,  im  Neustädter  Kreise  bis  Saalfeld 
hin  ist  er  vereinzelter,  wird  nicht  zur  Landplage,  ist  aber  garnicht 
selten.  Im  Nordwesttheile  (im  Buntsandsteingebiet)  ist  er  seltener 
als  in  dem  südlich  davon  gelegenen  Neustädter  Kreise,  wohl  nur 
deshalb,  weil  er  Sandboden  nicht  liebt.  Auf  den  südlicher  gelegenen 
Waldbergen  verschv?indet  er  und  fehlt  im  südlichen  Ostthüringen, 
wo  es  ihm  auch  zu  rauh  und  der  Boden  zu  steinig  und  flach- 
gründig  ist." 

In  der  Gegend  zwischen  dem  Thüringer  Walde  und  dem 
Harze  scheint  der  H.  eine  weite  Verbreitung  zu  haben.  Allgemein 
bekannt  aus  der  Litteratur  ist  sein  massenhaftes  Vorkommen  bei 
Gotha.  Von  meinen  Zuhörern  habe  ich  noch  folgende  Notizen 
erhalten:  Herr  Stud.  agr.  Claus  hat  ihn  bei  Almenhausen  unweit 
Sondershausen  beobachtet,  daselbst  auch  ein  schwarzes  Exemplar 
gefangen;  Herr  Stud.  agr.  Ludwig  kennt  ihn  von  Rossleben,  Herr 
Stud.  agr.  Wagener  aus  der  Gegend  von  Weimar.  —  Nach  Erwin 
Schulze  findet  er  sich  häufig  am  Südrande  des  Harzes,  z.  B.  noch 
bei  Lauterberg  a,.  H. 

Merkwürdig  ist  es,  dass  der  H.  weiter  westlich,  nämlich  im 
Hessischen  und  in  der  Göttinger  Gegend  zu  fehlen  scheint. 
Stud.  agr.  Hubach  hat  ihn  in  der  Gegend  von  Witzenhausen  und 
Cassel  nie  beobachtet,  Stud.  agr.  Wagener  ebenso  wenig  im  Kreise 
Marburg 2).  Stud.  agr.  Grosskurth,  ein  geborener  Waldecker,  der 
längere  Zeit  bei  Warburg  und  bei  Adelebsen  praktisch  thätig  war, 
hat  den  H. .  weder  in  der  Gegend  zwischen  Göttingen  und  dem 
Solling,  noch  in  der  fruchtbaren  Warburger  Böhrde,  noch  im 
Waldeck'schen  beobachtet.  Auch  in  Oberhessen  soll  er  fehlen.  — 
Dagegen  kommt  er  nach  Sulzer  bei  Frankfurt  a.  M.  und  in  der 
Wetterau  vor,  welches  Vorkommen  sich  an  das  in  Rheinhessen 
anschliesst. 

Was  Bayern  anbetrifft,  so  ist  der  H.  dort  nur  in  einigen 
wenigen  Distrikten  festgestellt  3),  wenn  wir  von  Rheinbayern  (siehe 
oben  p.  17.)  absehen.  Herr  Dr.  Fleischmann,  Assistent  am  zoolog. 
Institute  der  Univ.  Erlangen,  theilte  mir  auf  meine  Anfrage  Folgendes 


1)  Conr.  Gessner,  Hist.  Animal.,  Lib.  I,  Frankfurt  1603,  p.  740. 

-)  Nach  einer  mir  nachträglich  zugegangenen  Mittheilung  meines  Assistenten, 
des  Herrn  Dr.  Eörig,  kommt  der  H.  jedoch  thatsächlich  bei  Fortbach  und 
Ebsdorf,  ca.  2  Stunden  südlich  von  Marburg,  vor. 

^)  Es  ist  aber  unrichtig,  wenu  Fitzinger  a.  a.  0.  angiebt,  dass  der  H 
^,iu  Baiern,  der  Pfalz,  Württemberg,  den  fruchtbaren  Rheinländern  und  im 
ostlichen  Franken  gänzlich  fehle." 


26  Prof.  Dr.  A.  N ehrin g. 

mit:  „Mein  alter  Freund,  Dr  Hagen  in  Nürnberg,  kennt  nur  die 
Angaben,  welche  Pfarrer  Jäckel  im  10.  Jahrg.  des  Correspondenz- 
blattes  des  zoolog.-mineral.  Vereins  in  Regensburg  p.  73  macht: 
„„Der  getreidereiche  Grund  um  Schweinfurt  bis  zum  Ochsenfurter 
Gau,  übergehend  nach  Uffenheim,  z.  Th.  auch  in  der  Scheinfeld- 
Marktbibarter  Gegend.  Bei  Aschaffenburg  in  geringer  Verbreitung. 
Ausser  Dillingen  noch  in  der  Flur  des  Dorfes  Waat  bei  Buchloe,  wo 
ihn  die  Bauern  „Gritschen"  (cricetus)  nennen.""  Das  ist  Alles,  was 
ich  erfahren  konnte." 

Diese  Notizen  werden  noch  ergänzt  durch  Schrank,  Fauna 
Boica,  I,  p.  77,  wonach  der  Hamster  auch  in  der  Gegeud  von  Würz- 
burg vorkommt,  und  für  bayrisch  Schwaben  durch  die  Angaben 
des  Freiherrn  Richard  König -Warthausen  im  „Verzeichniss  der 
Wirbelthiere  Oberschwabens",  I,  Stuttgart  1875,  p.  62  f. ,  wo  es 
heisst:  „Im  Jahre  1813  soll  der  H.  bei  Lauingen  und  Dillingen  in 
Menge  gehaust,  bald  aber  fast  völlig  vertilgt  worden  sein;  1853  ver- 
mehrten sie  sich  daselbst  aber  wieder  und  im  Herbst  jenes  Jahres 
erhielt  Herr  Leu  in  Augsburg  ein  junges  Thier  von  Schwenningen; 
derselbe  schreibt  mir,  ihm  sei  der  Hamster  aus  der  Gegend  von 
Lauingen  bekannt,  von  wo  er  in  früheren  Jahren  einige  Exemplare 
zum  Ausstopfen  erhalten  habe.  Der  Kgl.  Förster  Maul  half  1842 
bei  Schrezheim  (a.  d.  Egge,  bei  Dillingen)  mehrere  ausgraben. 
Zwischen  Offingen  und  Ulm  kam  er  auch  in  den  letzten  Jahren 
noch  vor;  Lehrer  Weiner  versichert,  dass  die  Hamster  zwischen 
Offingen  und  Ulm  geradezu  häufig  gewesen  sind;  Lehrer  Kraus  von 
Mörslingen  grub  selbst  mehrere  aus;  ausserdem  wurden  sie  in  den 
letzten  Jahren  noch  beobachtet  bei  Nersingen  und  Strass  (beide  in 
der  Nähe  von  Elchingen),  bei  Bubesheim  a.  Günz  und  bei  Stein- 
heim unweit  Ulm  (Wiedemann)." 

Sonstige  Angaben  sind  mir  aus  Bayern  nicht  bekannt  geworden; 
der  H.  scheint  hier  heutzutage  auf  den  Norden^)  und  den  Südwesten 
beschränkt  zu  sein.     Siehe  Tafel  IIL 

In  Württemberg  ist  der  H.  selten.  Abgesehen  von  der  Um- 
gegend Uhn's,  welche  oben  schon  bei  Besprechung  der  Fundorte 
in  der  bayrischen  Provinz  Schwaben  und  Neuburg  berührt  wurden, 
scheint  er  nur  den  nordwestlichen  und  nördlichen  Theil  Württem- 
berg's  zu  bewohnen;  namenthch  kommt  er  in  der  Gegend  von 
Heilbronn  vor.  Siehe  R.  König-Warthausen,  a.  a.  0.,  p.  62.  Nach 
einer  gefälligen  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  J.  Vosseier,  Assistent 
am  kgl.  Naturalienkabinet  in  Stuttgart,  besitzt  die  Sammlung  des 
Vereins  f.  vaterländische  Naturkunde  in  Stuttgart  Exemplare  des 
H.  von  Heilbronn,  Böckingen,  Lauffen  a.  N.  und  Mergentheim. 


1)  Ob  er  in  der  sog.  fränkischen  Schweiz  (bayr.  Oberfranken),  wo  ich  fossile 
Reste  des  H.  in  grösserer  Zahl  ausgegraben  habe,  noch  heute  vorkommt,  konnte 
ich  bisher  nicht  sicher  feststellen. 


Die  Verbreitung  des  Hamsters  in  Deutschland  27 

Aus  Baden  habe  ich  keine  genaueren  Angaben  erhalten;  im 
nördUchen  Theile  des  Grossherzogthums  soll  der  H.  hie  und  da, 
namenthch  bei  Heidelberg  und  Mannheim,  i)  vorkommen,  im  südlichen 
Theile  soll  er  fehlen,  so  z.  B.  im  Breisgau.  Vergl.  Schreiber,  Freiburg 
und  seine  Umgebungen,  p.  161. 


Kurze  Zusammenfassung  der  Beobaclitungen,  nebst 
faunistischen  Betrachtungen. 

Stellen  wir  hiernach  die  oben  erwähnten  Beobachtungen  über 
die  Verbreitung  des  Hamsters  nochmals  kurz  zusammen,  so  ergiebt 
sich  Folgendes:  Der  Hamster  findet  sich  im  Elsass,  Rheinbayern, 
Rheinhessen,  in  einzelnen  Districten  der  preussischen  Rheinprovinz, 
in  gewissen  Gegenden  des  östlichen  Theiles  der  Provinz  Hannover,  im 
grössten  Theile  des  Herzogthums  Braunschweig  und  der  Provinz 
Sachsen,  im  Herzogth.  Anhalt,  an  manchen  Orten  der  Prov.  Branden- 
burg (Reg.-Bez.  Potsdam),  an  einigen  Orten  des  Grossherzogthums 
Mecklenburg-Strelitz  und  des  nächstbenachbarten  Gebiets  der  Provinz 
Pommern,  ferner  in  Schlesien,  im  Königreich  Sachsen,  in  Thüringen, 
in  einigen  Bezirken  der  Königreiche  Bayern  und  Württemberg,  sowie 
des  Grossherzogthums  Baden.     Siehe  Tafel  HI. 

Der  Hamster  fehlt  in  Westfalen,  in  vielen  Theilen  der  preuss, 
Rheinprovinz,  ferner  in  den  westlichen  und  nördlichen  Theilen 
Hannovers,  im  Grossherzogthum  Oldenburg,  in  Schleswig-Holstein, 
sowie  in  den  Gebieten  der  freien  Städte  Bremen,  Hamburg  und 
Lübeck,  im  Grossherzogthum  Mecklenburg-Schwerin,  in  der  Provinz 
Pommern  (mit  Ausnahme  einiger  Orte  im  S.W.),  im  Osten  der  Prov. 
Brandenburg  (vielleicht  mit  Ausnahme  einiger  Orte  im  S.O.),  in  den 
Provinzen  Posen,  West-  und  Ostpreussen;  auch  in  den  westlichen 
Gebieten  des  ehemaligen  Fürstenthums  Göttingen  scheint  der  H.  zu 
fehlen,  ebenso  in  den  angrenzenden  Theilen  des  Reg.-Bezirks  Cassel, 
sowie  in  den  meisten  Gegenden  von  Bayern  und  Württemberg. 
Siehe  Tafel  HL 

Die  Gründe  für  diesis  eigenthümhche  Verbreitung  des  Hamsters 
in  Deutschland  sind  offenbar  verschiedene.  Manche  Gegenden  sind 
dem  H.  zu  felsig  und  gebirgig,  manche  zu  feucht  und  sumpfig, 
andere  zu  dürr  und  sandig,  noch  andere  wegen  zusammenhängender 
Bewaldung  unbewohnbar.  Aber  es  giebt  in  Deutschland  ofienbar 
auch  weite  Gebiete,  welche  an  und  für  sich  dem  Hamster  günstig 
wären,  und  in  denen  er  trotzdem  fehlt.  Hier  scheinen  mir 
historische  Gründe  vorzuliegen,  d.  h.  das  Fehlen  des  Hamsters 
erklärt  sich  in  vielen  Fällen  daher,  dass  derselbe  im  Verlaufe  der 
faunistischen  und  floristischen  Entwickelung  Deutschlands  keine 
Gelegenheit  gefunden  hat,  in  die  betr.  Gebiete  vorzudringen. 


1)  Siehe   „Das  Grossherzogthum  Baden",  I.,  b.   die   Thierwelt,   bearb.   v. 
Nüsslin,  Karlsruhe  1883,  Sep.-Abdr.,  p.  5. 


28  Prof.  Dr.  A.  N  eh  ring. 

Leider  sind  wir  bisher  über  die  Verbreitung  des  gemeinen 
Hamsters  während  der  Diluvialzeit  (Pleistocänzeit)  nur  ungenügend 
orientiert.  Ich  kenne  fossile  (diluviale)  Reste  desselben  aus  Deutsch- 
land von  Goslar,  Westeregeln,  Saalfeld  in  Thüringen,  aus  bayr. 
Oberfranken,  aus  dem  Heppenloch  bei  Gutenberg  an  d.  Alb  (Würtem- 
berg),  von  Würzburg,  von  Mosbach  bei  Wiesbaden^)  und  von  Diez  im 
Lahnthal  2).  Besonders  interessant  erscheint  die  Thatsache,  dass  der  H. 
während  eines  gewissen  Abschnittes  der  Diluvialzeit  weiter  als  heute 
nach  Westen  und  Südwesten  in  Europa  verbreitet  gewesen  ist.  Ich 
habe  fossile  Hamster-Reste  bei  Schaffhausen  nachgewiesen,  Forsyth 
Major  in  der  Nähe  von  Pisa,  H.  v.  Meyer  bei  Verona;  man  kennt 
solche  ferner  aus  der  Auvergne^  von  Montmorency  bei  Paris,  sowie 
aus  der  Gegend  von  Dinant  sur  Meuse  in  Belgien.  (Siehe  meine 
oben  citierte  Abhandlung  über  pleistocäne  Hamster-Reste.) 

Neben  dem  gemeinen  Hamster  existierte  während  des  betr. 
Abschnittes  der  Diluvialperiode  in  Mitteleuropa  und  zum  Theil  auch 
in  Westeuropa  eine  charakteristische  Steppenfauna,  welche  haupt- 
sächlich durch  Spermophilus  rufescens  und  einige  andere  Ziesel- Arten, 
durch  Arctomys  bobac,  Alactaga  jaculus,  Cricetus  phaeus,  eine  Anzahl 
Arvicola-Arten,  Lagomys  pusillus,  Antilope  saiga,  wilde  Equiden, 
Canis  corsac,  repräsentiert  wurde. ^)  Die  Anwesenheit  dieser  Steppen- 
thiere  in  Mitteleuropa  und  in  gewissen  Distrikten  Westeuropas  deutet 
mit  Bestimmtheit  darauf  hin,  dass  damals  die  Wirkungssphäre  des 
osteuropäischen  Steppenklimas  sich  weit  nach  Westen  erstreckte. 
Es  war  dieses  die  von  mir  schon  oft  besprochene  diluviale  Steppenzeit. 
[Co rrectur -Zusatz.  Wenn  Herr  Dr.  med.  E.  H.  L.  Krause  in 
einem  so  eben  (Ende  Dezember  1893)  erschienenen  Aufsatze  über 
„die  Steppenfrage"  (,, Globus"  1894,  Nr.  1)  nur  die  Salzsteppen  als 
Steppen  anerkennt  und  nur  die  Saiga-Antilope  nebst  dem  Pferde- 
springer (Alactaga  jaculus)  als  charakteristische  Steppenthiere  des 
mitteleuropäischen  Löss  gelten  lässt,  so  kann  ich  dem  geehrten 
Autor  hierin,  sowie  in  manchen  anderen  Punkten,  nicht  beistimmen. 
Hoffentüch  wkd  es  meine  Zeit  erlauben,  bald  auf  Krause's  Erörte- 
rungen der  „Steppenfrage"  zu  antworten.] 

Der  gemeine  Hamster  war  ein  Mitglied  jener  Steppenfauna. 
Dass  er  damals  in  Mitteleuropa  unter  sehr  günstigen  Lebens- 
bedingungen hauste,  beweist  die  meistens  sehr  ansehnliche  Grösse 
seiner  Fossilreste.    Als  später  das  Klima  milder  und  feuchter  wurde 


^)  Diese  Reste  stammen  aus  dem  Löss  von  Mosbach,  nicht  aus  den  sog. 
Mosbacher  Sauden,  welche  unter  dem  Löss  liegen. 

2)  Siehe  meine  oben  citierte  Abhandlung  über  pleistocäne  Hamster-Reste 
aus  Mittel-  und  Westeuropa,  Jahrb.  d.  geolog.  Reichsanstalt  in  Wien,  1893, 
43.  Bd.,  p.  185  ff. 

^)  Vergl.  mein  Buch  über  „Tundren  und  Steppen  der  Jetzt-  und  Vorzeit", 
Berlin  1890,  p.  174  ff.,  wo  auch  meine  einzelnen  bezügl.  Abhandlungen  angeführt 
sind.  Ferner  die  zahlreichen  Abhandlungen  Woldrich's  über  die  diluviale  Steppen- 
fauna Mitteleuropas,  sowie  diejenigen  von  K.  Th.  Liebe,  Maska  und  Kriz. 


Die  Verbreitung  des  Hamsters  in  Deutschland.  29 

und  der  Wald  wieder  mehr  und  mehr  die  Herrschaft  in  Mittel-  und 
Westeuropa  gewann,  zogen  sich  die  empfindlicheren  Arten  der 
erwähnten  Steppenfauna  nach  Osteuropa  zurück.  Der  gemeine 
Hamster,  welcher  weniger  empfindlich  gegen  kKmatische  Aenderungen 
war,  begnügte  sich  damit,  Ober-Italien  und  Frankreich  zu  verlassen, 
sowie  in  Belgien  ein  wenig  ostwärts  sich  zurückzuziehen.  Ausserdem 
darf  man  annehmen,  dass  seine  Verbreitungsdistrikte  in  Deutschland 
während  der  prähistorischen  Waldperiode,  als  die  vielgenannten 
Urwälder  Germaniens  eine  grosse  Ausdehnung  erlangt  hatten,  stark 
eingeengt  worden  sind. 

Dass  der  Hamster  damals  nicht  vollständig  aus  Deutschland 
verschwunden,  sondern  in  geeigneten,  waldfreien  Distrikten  zurück- 
geblieben ist,  dafür  sprechen  die  subfossilen  Hamsterreste,  welche 
an  manchen  Orten  gefunden  werden.  Ich  besitze  solche  Hamster- 
reste in  grosser  Zahl  aus  den  Gypsbrüchen  von  Westeregeln  (zwischen 
Magdeburg  und  Halberstadt);  die  Fundumstände  und  der  Erhaltungs- 
zustand dieser  Hamsterreste  deuten  darauf  hin,  dass  sie  einerseits 
nicht  von  diluvialem  Alter,  andrerseits  aber  auch  nicht  recent  sein 
können. 

Die  Annahme  Hehn's^),  dass  der  Hamster  erst  „mit  der  Völker- 
wanderung oder  mit  dem  Eindringen  von  Cultur  und  Strassen  in 
den  dunklen  Osten  Europas  in  den  Gesichtskreis  der  Culturvölker 
des  Westens  getreten  sei",  ist  durchaus  unrichtig.  Dagegen  ist  es 
unzweifelhaft,  dass  der  Hamster  im  Laufe  der  historischen  Zeit  mit 
der  Lichtung  der  Wälder  und  der  Ausbreitung  des  Getreidebaus  in 
Deutschland  wieder  mehr  und  mehr  an  Terrain  gewonnen  hat^); 
namentlich  dürften  seine  heutigen  Wohnbezirke  im  Norden  der 
Provinz  Brandenburg  (Priegnitz,  Fehrbellin,  Nauen  etc.),  in  Mecklen- 
burg-Strelitz  und  in  den  benachbarten  Theilen  Pommerns  als  solche 
Gebiete  zu  betrachten  sein,  welche  vom  H.  erst  in  historischer  Zeit, 
vielleicht  erst  im  Laufe  des  letzten  Jahrhunderts,  occupiert  sind. 
Man  darf  vermuthen,  dass  er  auch  in  anderen  Gegenden  gewisse 
Erweiterungen  seines  Verbreitungsgebietes  vollführt  hat.  Diejenigen 
Gebiete  Deutschlands,  in  denen  er  besonders  häufig  ist,  scheinen 
im  Allgemeinen  dieselben  zu  sein,  welche  er  auch  schon  während 
der  diluvialen  Steppenzeit  bewohnt  hat,  also  namentlich  die  Mitte 
und  der  Süden  der  Provinz  Sachsen  und  die  angrenzenden  Theile 
von  Thüringen.  Hier  dürfte  er  wohl  auch  während  der  prähistorischen 
resp.  frühhistorischen  Waldperiode  geeignete  waldfreie  Wohnplätze 
gehabt  und  inne  behalten  haben. 


^)  Vict.  Hehn,  Culturpflanzen  und  Haustbiere  etc.,  3.  Aufl.,  Berlin  1877, 
p.  409. 

2)  Grade  so,  wie  es  neuerdings  in  manchen  Gegenden  Russlands  geschehen  ist. 
Vergl  meine  Abhandlung  über  die  geograph.  Verbreitung  der  Säugethiere  im 
AVolga-Gebiete  nach  Modest  Bogdanow  in  d.  Berl.  Zeitschr.  f.  Erdkunde,  1891, 
Bd.  26,  p.  319. 


30  Prof.  Dr.  A.  N  eh  ring. 

Betrachten  wir  zum  Schluss  noch  die  Verbreitung  des  ge- 
meinen Hamsters  überhaupt,  so  finden  wir  ihn  ausser  in  Deutsch- 
land auch  in  Oesterreich- Ungarn,  in  Galizien  und  im  südlichen 
Polen,  im  mittleren  und  südlichen  Russland  i),  in  Südwest -Sibirien 
bis  zum  Ob,  namentlich  in  der  Kirgisensteppe ,  sowie  auch  in  Klein- 
asien. Deutschland  bildet  also  keineswegs  das  Hauptwohngebiet  des 
Hamsters  (wie  manche  ältere  Autoren  anzunehmen  scheinen),  sondern 
es  bildet  nur  den  westlichen  Theil  der  vom  Hamster  bewohnten  Region^). 
Sein  heutiges  Verbreitungscentrum  liegt  im  europäischen  Russland,  und 
zwar  im  dortigen  Steppengebiete.  Besonders  häufig  ist  er  in  den 
Steppenlandschaften  an  der  mittleren  Wolga,  wo  er  namentlich  die  Gou- 
vernements Kasan,  Simbirsk  und  Saratow  bewohnt,  soweit  dieselben 
unbewaldet  oder  der  Wälder  beraubt  worden  sind.  (Siehe  meine 
Angaben  nach  Mod.  Bogdanow  in  d.  Zeitschr.  d,  Berl.  Ges.  f.  Erdk., 
1891,  Bd.  26,  p.  319,  330.) 

Soweit  die  bis  jetzt  vorliegenden  Beobachtungen  reichen,  scheint 
der  gemeine  Hamster  eigentliche  Wanderungen  nicht  auszuführen, 
sondern  nur  ganz  allmählich,  so  zu  sagen:  schrittweise,  sein  Wohn- 
gebiet zu  erweitern,  falls  die  Lebensbedingungen  sich  für  ihn  günstig 
gestalten.  Man  darf  vermuthen,  dass  ein  Vorrücken  desselben  in 
andere  Districke,  welche  bisher  noch  nicht  von  ihm  bewohnt  waren, 
hauptsächlich  in  sog,  „Hamster-Jahren"  stattfindet,  d.  h.  in  solchen 
Jahren,  in  denen  die  Vermehrung  des  Hamsters  eine  besonders  starke 
ist^).  Der  Sommer  1879  war  u.  a.  für  die  Gegend  zwischen  Had- 
mersleben  und  Westeregeln  ausserordenthch  reich  an  Hamstern;  als 
ich  im  Juni  jenes  Jahres  von  Hadmersleben  nach  Westeregeln  mar- 
schierte, um  die  bei  letzterem  Orte  gelegenen  Gypsbrüche  zu  besuchen, 
sah  ich  auf  den  Feldern  nahe  dem  Wege  Hunderte  von  jungen 
Hamstern  umherlaufen;  es  war  offenbar  eine  Uebervölkerung  ein- 
getreten, und  man  konnte  sich  leicht  vorstellen,  dass  ein  Theil  der 
jungen  Hamster  gezwungen  sein  würde,  auf  benachbarten,  weniger 
stark  bevölkerten  Feldern  sich  ein  günstigeres  Unterkommen  zu 
suchen.  Solche  Situationen  mögen  oft  genug  schon  vorgekommen 
sein.  Ausserdem  darf  man  annehmen,  dass  der  Hamster  gelegentlich 
auch  durch  Ueberschwemmungen ,  sowie  durch  Verfolgungen  von 
Seiten  der  Menschen  oder  gewisser  Raubthiere  zur  Veränderung 
seines  Wohnorts  gezwungen  wird. 


*)  Der  H.  fehlt  also  im  nördlichen  Russland,  in  Skandinavien,  Dänemark, 
Gross-Britannien,  im  eigentlichen  Holland,  im  grössten  Theil  von  Belgien,  in 
Frankreich,  Spanien  und  Portugal,  Italien  und  der  Schweiz.  Wie  weit  er  in 
der  Balkan-Halbinsel  vorkommt,  ist  mir  bisher  unbekannt  geblieben, 

2)  Vergl.  auch  E.  F.  v.  Homeyer's  Angaben  im  „Zoolog.  Garten,"  1876,  p.  248 
und  Blasius,  Säugethiere  Deutschlands  etc.,  Braunschweig  1859,  p.  308. 

^)  Fitzinger  meint,  dass  feuchte  Jahre  der  Vermehrung  des  H.  besonders 
günstig  seien;  nach  meinen  Erfahrungen  sind  es  aber  gerade  im  Gegentheü 
trockne,  sonnige  Jahre,  in  denen  der  H.  sich  stark  vermehrt. 


Die  Verbreitung  des  Hamsters  in  Deutscliland.  31 

Im  Allgemeinen  ist  er  jedoch  ein  sesshaft  lebendes  Thier,  das 
an  dem  ihm  günstig  erscheinenden  Wohnplatze  zäh  festhält.  Die 
Veränderungen,  welche  hinsichtlich  der  geographischen  Verbreitung 
dieser  Species  im  Laufe  der  Zeiten  erfolgt  sind,  scheinen  nur  sehr 
allmählich  stattgefunden  und  lange  Zeiträume  in  Anspruch  genommen 
zu  haben,  ganz  im  Gegensatze  zu  manchen  anderen  Species,  wie  z  B. 
Mus  decumanus,  welche  in  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  ihr  Ver- 
breitungsgebiet bedeutend  erweitert  haben. 

Ob  der  Hamster  während  der  letzten  Jahrzehnte  sein  Wohn- 
gebiet in  Deutschland  vergrössert  oder  eingeschränkt  hat,  darüber 
lauten  die  Ansichten  derjenigen  Autoren,  welche  sich  über  diese 
Frage  überhaupt  äussern,  verschieden.  Es  mag  wohl  die  Antwort 
nicht  für  alle  Gegenden  Deutschlands  die  gleiche  sein  können.  Wie 
mir  scheint,  hat  der  H.  in  manchen  Gegenden  sein  Wohngebiet  er- 
weitert; in  anderen  ist  dasselbe  durch  irgend  welche  Umstände, 
namentlich  durch  energische  Verfolgungen  von  Seiten  des  Menschen, 
eingeschränkt  worden.  Es  wäre  interessant,  wenn  man  in  Zukunft 
genauere  Feststellungen  über  etwaige  Veränderungen  in  der  geogra- 
phischen Verbreitung  des  Hamsters  machen  könnte.  Ich  hoffe,  dass 
meine  obigen  Angaben,  obgleich  sie  noch  in  mancher  Hinsicht 
lückenhaft  und  ergänzungsbedürftig  sind,  dennoch  für  Deutschland 
als  Grundlage  späterer  vergleichender  Feststellungen  hinsichthch  der 
Ausbreitung  oder  Verdrängung  bezw.  Ausrottung  jenes  merk- 
würdigen Nagers  dienen  können. 


32  Prof.  Dr.  A.  Nehring. 


Bemerkung  zu  der  Verbreitungskarte  auf  Taf.  IIL 


Der  Verfasser  ist  bemüht  gewesen,  die  Verbreitungsgebiete  des  Hamsters 
in  Deutschland  auf  Tafel  III  möglichst  genau  zur  Anschauung  zu  bringen;  doch 
liess  es  sich  nicht  vermeiden,  bei  Anwendung  der  Farbe  einigermaassen  schematisch 
vorzugehen.  Diejenigen  Gebiete,  in  denen  der  Hamster  allgemein  oder  doch 
zahlreich  verbreitet  ist,  sind  völlig  mit  Farbe  bedeckt  worden;  diejenigen,  in 
welchen  der  Hamster  eine  mehr  oder  weniger  sporadische  Verbreitung  hat, 
zeigen  nur  eine  fleckige  Anwendung  der  Farbe.  Die  äussersten  Vorposten  im 
Norden  und  Süden  sind  möglichst  genau  nach  der  Lage  der  Fundorte  augedeutet 
worden.  —  Nach  Vollendung  der  Karte  sind  dem  Verfasser  noch  die  Fundorte 
Ebsdorf  und  Fortbach  bei  Marburg  bekannt  geworden,  welche  somit  in  dem 
Gebiete  des  früheren  Kurfüistenthums  Hessen  nachzutragen  wären.  Wahr- 
scheinlich werden  aus  dieser  Gegend  demnächst  noch  manche  andere  Fundorte 
nachzutragen  sein. 


Ein  neues  Beutelthier  Chile's. 

Von 

Pederico  Philippi. 


Hierzu  Tafel  IV,  Fig.  2. 


In  der  Zoologia  de  la  Historia  fisica  i  politica  de  Chile  por 
Claudio  Gay  part  I  p.  84  wird  ein  kleines  Thierchen  von  der  Grösse 
und  Gestalt  einer  Maus  beschrieben,  die  llaca  oder  comadreja  der 
Chilenen,  welches  Waterhouse  Didelphys  elegans  genannt  hat,  nach 
den  ersten  Exemplaren,  welche  durch  Darwin  nach  Europa  ge- 
langten, und  die  dieser  bei  Valparaiso  fing,  während  er  als  Natur- 
forscher mit  Cap.  Fitzroy  auf  dem  Beagle  reiste. 

Ich  habe  auf  unserem  Gute  San  Juan,  welches  bei  La  Union  in  der 
Provinz  Valdivia  liegt,  mehrmals  lebende  comadrejas  gehabt,  habe 
dieselben  aber  immer  für  Didelphys  elegans  gehalten,  in  der  Meinung, 
es  gäbe  nur  eine  Art  dieser  interessanten  Gruppe  in  Chile.  Das 
hiesige  Museum  erhielt  im  vorigem  Jahre  einige  Bälge  der  comadreja 
aus  Valdivia,  welche  zum  Austausch  für  Europa  bestimmt  waren, 
da  aber  in  der  Sammlung  kein  Exemplar  von  diesem  Fundort  vor- 
handen war,  so  wurden  zwei  ausgestopft.  Als  dieselben  in  die 
Sammlung  eingestellt  wurden,  sahen  wir  zu  unserer  grossen  Ueber- 
raschung,  dass  sie  von  den  drei  Exemplaren  aus  dem  mittleren 
Chile  vollkommen  verschieden  waren,  und  eine  neue  Art  bilden, 
die  ich  nach  ihrem  Vorkommen  benenne. 


Didelphys  australls  F.  Ph. 

D.  vellere  brevi,  molli;  supra  fusco-cinerascens ,  subtus  alba, 
fasciis  tribus  fusco-cinerascentibus  a  dorso  descendentibus ,  prima 
humerali  genu  attingente,  secunda  femorali  tarsum  attingente,  tertia 
intermedia;  auribus  mediocribus,  oculis  nigrocinctis ,  singulo  supra 
albo-maculato,  maculis  supra  nasum  confluentibus ;  cauda  capite  et 
corpore  junctis  paulo  breviore. 

Habitat  in  provinciis  Valdivia  et  Llanquihne,  et  verosimiliter 
etiam  in  Araucania. 

Arch.  f.   Naturgescli.  Jahrg.  1894.  Bd.  I.  H.  1.  3 


34  Federico  Philip pi:    Ein  neues  Beutelthier  Chile's. 

Dieses  Thierclien  ist  mit  kurzen  weichen  Haaren  dicht  bedeckt, 
ist  oben  braungrau  und  unten  weiss,  und  vom  Rücken  gehen  drei 
Binden  von  braungrauer  Farbe  herab,  die  erste  auf  den  Schultern 
reicht  bis  zum  Knie,  die  zweite  auf  dem  Schenkel  reicht  bis  zum  Fuss, 
und  die  dritte,  zwischen  den  anderen  gelegene  reicht  bis  zur  Mitte 
der  Rippen.  Die  Ohren  sind  von  massiger  Grösse  und  überragen 
den  Kopf  nicht.  Die  Augen  sind  schwarz  eingefasst,  und  über  jedem 
ist  ein  heller  Fleck,  der  über  der  Nase  mit  dem  gegenüberliegenden 
zusammenfliesst.  Der  Schwanz  ist  etwas  kürzer  als  der  Kopf  und 
Körper  zusammengenommen,  am  Grunde  sehr  dick  und  dann  plötzhch 
bedeutend  dünner,  und  hat  dieselbe  Farbe  wie  der  Rücken. 

Das  Thier  ist  in  der  Provinz  Valdivia  nicht  selten,  befindet 
sich  auch  in  der  Provinz  Llanquihue  und  vielleicht  auch  in  Araucania 
und  wohl  auch  noch  weiter  nördhch. 

Die  Färbung  und  die  verhältnissmässig  kleinen  Ohren  unter- 
scheiden diese  Art  genügend  von  D.  elegans,  auf  der  beigefügten 
Abbildung  ist  der  Unterschied  der  Ohren  zu  sehen.  ^) 

Die  Maasse  sind  folgende: 

D.  australis  F.  Ph.  D.  elegans  Waterh. 
Von  der  Nase  bis  zur  Schwanzwurzel  0,13  0,113 

Länge  des  Schwanzes  0,11  0,11 

Vorderfuss  mit  dem  Nagel  0,01  — 

Hinterfuss     „       „         „  0,015  — 

Von  der  Nase  zum  Ohr  0,025  0,029 

Breite  des  Ohres  0,012  0,009 

Länge    „         „  0,009  0,016 

Diese  Art  Didelphys,  in  Valdivia  monito  del  monte  (Waldäffchen) 
genannt,  lebt  im  dichten  Gebüsch,  wo  sie  mit  vieler  Behendigkeit 
umher  läuft  und  klettert,  wobei  sie  von  ihrem  Kletters chwanz 
unterstützt  wird,  der  sich  um  die  dünneren  Zweige  schlingt  und  so 
wie  eine  Hand  wirkt.  Sie  macht  ein  Nest  von  dünnen  Zweigen, 
welches  innen  mit  Moos  und  anderen  zarten  Pflanzen  ausgekleidet 
ist,  und  dem  der  Finken  oder  ähnlicher  Vögel  gleicht,  aber  sie 
wird  wohl  auch  das  Nest  eines  Vogels  nicht  verschmähen,  wenn  sie 
es  leer  und  passend  angelegt  findet.  Während  des  Tages  sieht  man 
das  Thier  sehr  selten,  fast  blos  dann,  wenn  es  in  seinem  Neste 
gestört  wird,  denn  es  ist  ein  nächtliches  Thier,  wie  es  ja  auch  schon 
die  grossen  und  kugeligen  Augen  andeuten.  Seine  Nahrung  besteht 
wahrscheinlich  aus  Insekten,  Larven  und  Würmern ;  gefangen  nimmt 
es  Milch  und  kleine  Stückchen  Fleisch  an.  Allein  sie  ertragen  die 
Gefangenschaft  nicht  lange,  entweder  finden  sie  bald  Gelegenheit  zu 
entweichen  oder  sterben.  Eingesperrt  rühren  sie  sich  tags  über 
wenig,  sobald  es  aber  dunkelt,  werden  sie  lebhaft  und  durchlaufen 
den  Käfig  in  allen  Richtungen.  Man  weiss  sehr  wenig  über  die 
Lebensweise    und    Fortpflanzung;    Herr    von    Lossberg    in    Valdivia, 


^)  Der  Kopf  von   D.  elegans  ist  aus  The   Zoology  of  the  voyage  of  H.  M. 
Ship  Beagle,  pars  II  tab.  31  copirt. 


Federico  Philippi:    Ein  neues  Benteltbier  Chile's.  35 

welcher  dem  Museum  die  beschriebenen  Exemplare  verschafft  hat, 
und  der  verschiedene  Thiere  lebend  gehabt  hat,  theilte  mir  mit, 
dass  er  bis  fünf  Junge  in  einem  Nest  beobachtet  hat,  was  bei  der 
Kleinheit  des  Thieres  nicht  verwundern  kann ,  da  kleinere  Thiere 
meist  sehr  fruchtbar  sind. 

Beim  Einfangen  versuchen  diese  Thierchen  sich  zu  befreien, 
aber  die  verschiedenen  male,  dass  ich  solche  in  der  Hand  gehabt 
habe,  haben  sie  niemals  versucht  zu  beissen.  Eine  llaca,  welche 
ich  in  einem  Kanarienbauer  eingesperrt  hatte,  verschwand  nach 
wenigen  Tagen,  worauf  ich  eine  Finkenart  darin  einschloss,  und 
als  ich  nach  einigen  Tagen  die  Beutelmaus  hinter  einem  Möbel  ent- 
deckte und  zu  dem  Finken  that,  sah  ich  zu  meiner  grossen  Ueber- 
raschung,  wie  sie  dem  Vogel  an  die  Kehle  sprang,  diese  aufbiss  und 
das  Blut  sog.  War  diese  That  durch  den  wilden  Instinkt  ■  des 
Thierchens  hervorgerufen,  oder  durch  den  Hunger,  der  dasselbe  arg 
mitgenommen  und  abgemagert  hatte? 

In  Gay  findet  sich  nach  der  Beschreibung  von  D.  elegans  eine 
Bemerkung,  es  gäbe  bei  Naucagua  (in  der  Nähe  von  San  Fernando 
und  südlich  von  Santiago)  eine  andere  Art  llaca,  welche  mit  dem 
Namen  D.  crassicaudatus  (I)  bezeichnet  ist,  aber  da  keine  Be- 
schreibung beigefügt  ist,  welche  es  erlaubt,  das  Thier  zu  erkennen, 
so  kann  der  Name  nicht  in  Betracht  kommen. 

Von  den  beiden  Exemplaren  des  D.  australis  im  Museum  ist 
eines  ein  Männchen,  das  andere  ein  Weibchen,  die  drei  Exemplare 
von  D.  elegans  sind  alle  Männchen.  Zwischen  Männchen  und 
Weibchen  von  D.  austraHs  besteht  kein  anderer  Unterschied  als  die 
schlankere  Schnauze  des  ersteren;  unter  den  drei  Männchen  von 
D.  elegans  hat  eines  einen  sehr  dicken,  am  Grunde  eingeschnürten 
Schwanz,  welches  Merkmal  mit  D.  crassicaudatus  von  Gay  über- 
einstimmen würde,  sofern  die  besagte  Anmerkung  als  Kennzeichen 
desselben  angiebt:  ,,sein  Schwanz  ist  recht  dick,  spindelförmig,  wie 
gestielt  an  seinem  Ursprung"  (wörtUche  Uebersetzung  des  Spanischen), 
allein  unser  Exemplar  hat  keinen  kahlen  Schwanz,  wie  Gay  angiebt, 
und  unterscheidet  sich  in  allem  Uebrigen  nicht  von  den  anderen 
Exemplaren,  von  denen  das  eine  eine  etwas  andere  Färbung  hat, 
welche  etwas  an  die  von  D.  australis  erinnert,  jedoch  hat  es  die 
grossen  Ohren  von  D.  elegans.  Sollte  der  dicke  Schwanz  des  er- 
wähnten Individuums  nicht  vielleicht  einem  krankhaften  Zustand  zu- 
zuschreiben sein? 

Santiago  de  Chile,  Juli  1893. 


3* 


Beschreibung  einer  dritten  Beutelmaus 
aus  Chile. 


Von 

Dr.   R.   A.   P  h  i  1  i  p  p  i. 


Hierzu  Tafel  IV,  Fig.  1. 


Didelphys  soricina  Pb. 

D.  parva,  omnino  supra  nigrescens,  subtus  albida,  auriculis 
magnis;  caiida  corpus  aliquantum  superante,  supra  atra  subtus  Can- 
dida, basi  vellere  longo  dorsali  vestita,  deinde  sparsim  pilosa,  pilis 
ante  partem  subtus  nudam  copiosioribus  longioribusque. 

Dimensionen: 
Länge  von  der  Scbnauzenspitze  bis  zum  Ursprung  des  Schwanzes  9,8  cm 
„      des  Schwanzes  10,3   „ 

,,      der  Ohren  1,3   „ 

„      von  der  Schnauzenspitze  bis  zum  Auge  1,15,, 

)j        57      55  )?  11       11     Ohr  2,5   „ 

Abstand  der  Ohren  voneinander  1,3   „ 

Länge  der  Hand  mit  den  Krallen  1,4   „ 

„       des  Fusses  „       „  „  2,6   „ 

Diese  kleine  Beutelmaus  habe  ich  Anfang  dieses  Jahres  aus 
Valdivia  erhalten.  Sie  ist  sehr  leicht  von  den  beiden  anderen  Arten 
durch  den  einfarbigen,  dunkel  schiefergrauen  Pelz  der  Oberseite,  die 
geringere  Grösse  und  den  längeren  Schwanz  zu  unterscheiden.  Die 
Ohren  sind  im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Kopfes  etwas  kleiner  als 
bei  Didelphys  elegans  aber  grösser  als  bei  D.  australis  und  ganz 
schwarz.  Der  Schwanz  ist  an  seinem  Grunde  fast  1  cm  weit  mit  dem- 
selben langen  Pelz  wie  der  Rücken  bekleidet,  was  sehr  auffällt,  in  seinem 
weiteren  Verlauf  ist  er  oben  tief  schwarz,  unten  rein  weiss,  mit 
dicht  anliegenden  Haaren  bekleidet,  die  am  Anfang  des  letzten 
Fünftels  länger  werden  und  abstehen;  das  letzte  Fünftel,  welches 
zum  Greifen  dient,  ist  unten  kahl;  eine  Rinne,  wie  sie  D.  elegans 
in  diesem  Theile  des  Schwanzes  zeigt,  ist  nicht  mit  Deutlichkeit  zu 
erkennen.  —  Der  schwarze  Streifen,  der  sich  jederseits  vom  Auge 
bis  zur  Schnauzenspitze  hinab  zieht  und  der  Ring,  der  das  Auge 
umsäumt,  welcher  bei  so  vielen  Didelphys -Arten  gefunden  wird, 
ist  bei  unserem  Thierchen  sehr  tief  schwarz.  Die  Schnauzenspitze 
ist  schwarz,  während  sie  bei  D.  australis  weisslich  ist.  —  Der  Kopf 
ist  schmaler,  und  die  Ohren  stehen  daher  näher  bei  einander  als 
bei  dieser  Art.  —  Unterseite  und  Füsse  sind  weisslich. 

Das   Geschlecht  war  bei    dem  Balg  nicht    angegeben,    bei    der 
grossen  Analogie  aber,  welche  unsere  Art  mit  D.  elegans  hat,  darf  man 
wohl  annehmen,  dass  die  Weibchen  einen  gespaltenen  Beutel  haben. 
Santiago,  September  1893. 


Ueber  Binnen- Conchylien 
der  Küstenzone  von  Rio  Grande  do  Sul. 


Von 

Dr.  H.  von  Jhering. 


Im  November  1892  machte  ich  einen  Ausflug  an  die  Küste 
von  Rio  Grande  do  Sul,  um,  bevor  dort  das  Treiben  der  Badesaison 
beginnt,  etwas  sammeln  zu  können.  Die  Küste  bot,  abgesehen 
von  einigen  leider  zerbrochenen  seltenen  Voluten,  nichts  Neues,  da- 
gegen bot  die  Binnenfauna  einige  interessante  Neuheiten.  Ich  hielt 
mich  auf  der  Chacara  meines  Freundes  H.  R.  Maerck,  an  der 
Bollassa  auf,  einer  Station  der  zur  Küste  führenden  ca.  20  Kilom. 
langen  Bahn,  welche  das  Seebad  Villa  Sequeira  mit  der  Stadt  Rio 
Grande  verbindet. 

Diese  ganze  Gegend  ist  flach,  sandig  mit  spärlichem  Graswuchs, 
der  in  stetem  Kampfe  mit  dem  Flugsande  liegt.  Hie  und  da  er- 
hebt sich  aus  dem  Campe  ein  Sandhügel  von  durchschnittlich 
6 — 10  m  Höhe,  dessen  Seiten  meist  steil  abfallen  und  dessen  Krone 
von  Dorngebüsch  eingenommen  ist,  unter  dem  eine  Celtisart  vor- 
wiegt, und  welches  auch  mit  anderen  niedren  Bäumen  und  Sträuchern 
durchsetzt  ist.  An  manchen  Stellen  stehen  mehrere  solcher  Hügel 
zusammen,  dann  folgen  weite  Strecken  Camp,  der  hier  wohl 
kaum  mehr  als  1,  höchstens  2  m  über  dem  Meeresspiegel  liegt,  bis 
plötzlich  wieder  ein  solcher  buschgekrönter  Hügel  auftaucht.  Wind 
und  Regen  arbeiten  an  ihnen ,  sie  ständig  verkleinernd  und  den 
Sand  über  den  Camp  hin  tragend.  Wo  mehrere  solche  Hügel  zu- 
sammenstehen, bilden  sie,  wie  ich  sehen  konnte,  die  QueUe  für  eine 
enorme  Versandung  der  Wiesen.  Wie  sind  denn  diese  Hügel  ent- 
standen? Man  könnte  an  Dünen  denken,  allein  die  bieten  kaum 
dem  spärhehsten  Graswuchs  eine  passende  Unterlage,  geschweige 
denn  für  Gehölze,  in  deren  Schatten  Commelynen,  Tradescantien 
und  andere  Kräuter  gedeihen. 


38  Dl".  H.  von  Jheriug. 

Man  wird  diese  Verhältnisse  schwerlicli  anders  aufklären  können, 
als  durch  die  Annahme,  dass  einst  alle  diese  jetzt  isolirten  Hügel  zu- 
sammenhingen uud  damals  minder  hoch  lagen  als  jetzt.  Der  ganze 
Charakter  der  Landschaft  muss  dann  ein  etwas  anderer  gewesen 
sein,  dafür  sprechen  noch  die  folgenden  Beobachtungen.  An  einem 
der  Hügel  untersuchte  ich  eine  etwas  dunklere  Erdschicht,  die  ca. 
3  M.  über  dem  Camp,  etwa  eben  so  tief  unter  der  Krone  des  Hügels 
horizontal  hinstrich  in  10 — 12  cm  Mächtigkeit,  und  welche  zahlreiche 
kleine  Conchylien  enthielt.     Die  gesammelten  Arten  sind: 

Succinea 

Conulus  semen  lini 

Pupa 

Patula. 

Von  diesen  war  mir  nur  der  Conulus  bekannt,  eine  in  feuchten 
Waldniederungen  häufige  Species  des  Staates  Rio  Grande  do  Sul. 
Lebend  konnte  ich  sie  nicht  finden,  überhaupt  nichts  als  eine  Succinea. 

Aehnliche  Erdschichten  traf  ich  noch  in  den  anderen  Hügeln,  dann 
aber  meistens  mit  zahlreichen  Belegstücken  der  Anwesenheit  des 
Menschen.  Stücke  von  Urnenscherben,  Holzkohle,  zahlreiche  Knochen 
von  Säugethieren,  Reste  von  Fischen  und  zahlreiche  Muscheln  und 
Schnecken  des  Meeres  zeigen  hier  die  Anwesenheit  des  Menschen 
an.  Ich  habe  schon  früher  über  ähnliche  Hügel  nahe  bei  der  Stadt 
Rio  Grande  do  Sul  berichtet  (cf.  H.  v.  Jhering.  Die  Lagoa  dos  patos. 
Deutsche  Geograph.  Blätter.  Geograph.  Ges.  Bremen  Bd.  VHI  1885 
p.  191),  Hier  wiederholen  sich  die  Verhältnisse.  Bei  der  Zerstörung 
dieser  Hügel  durch  Regen,  Wind  u.  s.  w.  werden  alle  diese  Objekte 
frei,  fallen  herab  und  umgeben  in  Masse  die  Basis  des  Hügels. 
Unter  diesen  Conchylien  traf  ich  u.  A.  noch  Ampullaria  canaliculata 
Lam.,  Bulimus  (Borus)  oblongus  Müll,  und  Bulimus  (Borus)  latescens 
King.  Letzterer  Fund  ist  von  besondrem  Intresse,  da  ja  diese  Art 
des  La  Plata-Gebietes  in  Rio  Grande  do  Sul  bisher  noch  nicht  gefunden 
wurde.  Vielleicht  ist  sie  jetzt  erloschen,  jedenfalls  aber  kam  sie  bei 
Rio  Grande  noch  bis  vor  Kurzem  vor.  Sehr  gross  ist  die  Menge 
der  Schalen  von  Bulimus  oblongus,  während  es  mir  nicht  gelang  auch 
nur  eine  einzige  frische  oder  lebende  Schale  dieser  Art  in  der  ganzen 
Gegend  aufzutreiben. 

Diese  Beobachtungen  beweisen,  dass  in  früherer,  vielleicht  nur 
um  wenige  Jahrhunderte  zurückliegender  Zeit  die  Bedingungen  für 
das  Gedeihen  der  Landschnecken  nahe  der  Meeresküste  günstigere 
waren  als  gegenwärtig.  Wir  haben  uns  vorzustellen,  dass  damals 
Buschwaldungen,  von  Sümpfen  durchsetzt,  reichlicher  diese  Gegend 
überzogen,  günstige  Bedingungen  bietend  für  Landschnecken.  Ja  es 
scheint,  als  ob  in  Bezug  auf  letztere  eine  völlige  Umgestalltung  ein- 
getreten sei.  In  einer  Entfernung  von  3 — 4  Kilom.  von  Bollassa  liegen 
einige  kleine  Gehölze  in  der  Nähe  von  Sümpfen  und  deren  Abfluss- 


Ueber  ßiuueu-Couchylien  der  Kiisteuzone  von  Rio  Grande  do  Sul.       39 

wässern,  und  hier  hatte  ich  gute  Ausbeute  an  Bulimulus  papyraceus 
Mawe  und  Buliniuhis  interpunctus  Mart.  Dieselben  sassen  zumeist 
an  der  Unterseite  der  Blätter  eines  mir  als  Larangeira  do  mato 
bezeichneten  Baumes,  wie  es  scheint  eines  Hex.  Dagegen  traf  ich 
in  den  subfossilen  alluvialen  und  in  den  prähistorischen  Schichten 
nie  einen  Bulimulus,  während  ich  lebend  oder  doch  recent  keine 
Borus  sammelte. 

In  den  Sümpfen  bei  BoUassa  sind  Ampullaria  canaliculata  gemein 
sowie  Planorbis  peregrinus  Orb.,  Planorbis  lugubris  Wagn.  und  Ancy- 
lus  concentricus  Orb.  An  einem  aus  diesen  Sümpfen  gezogenen  Brette 
sassen  viele  Ancylus  und  interessante  Bryozoen  und  Schwämme, 
welche  dem  Berliner  Zoologischen  Museum  zur  Bearbeitung  zugingen. 
In  grosser  Masse  traf  ich  in  einem  Sumpfe  resp.  Teiche  bei  Bollassa 
PI.  lugubris  und  zwar  flache  typische  Formen  und  andere,  welche 
dem  PI.  tenagophilus  Orb.,  sehr  nahe  kommen.  Ich  muss  hier  ganz 
bestätigen,  was  zuerst  Martens^)  über  die  Variabilität  dieser  Art 
mittheilte,  jedoch  sind  an  den  hier  gesammelten  Exemplaren  schon 
von  Jugend  an  beide  Formen  gut  scheidbar.  ■  In  der  Camaquamgegend 
traf  ich  nur  typische  Plan,  tenagophilus,  an  der  Küste  nie,  wiewohl 
ja  die  dickere  resp.  höhere  var.  des  lugubris  jenem  überaus  nahe 
kommt.  Diesen  PL  lugubris  erhielt  ich  auch  aus  der  Lagoa  dos 
passos  an  der  Rio  Grandenser  Küste,  zwischen  dem  Ocean  und  der 
Lagoa  marim  gelegen.  Im  Schilf  an  der  Bollassa  fing  ich  auch  jene 
sonderbare  von  mir  am  Camaquam  gefangene  Nacktschnecke,  welche 
Herr  Dr.  Pelseneer  beschreiben  will,  und  von  der  es  mir  noch 
nicht  feststeht,  ob  sie  eine  Art  von  Hyalimax  ist  oder  ein  gen.^nov. 
der  Succinidae ,  Homalonyx  mit  ganz  innerer  Schale  ohne  Gew  nde. 
Das  Thier  ist  blass  grau  und  mit  schwärzlichen   Punkten  übersät. 

Von  Interesse  scheinen  mir  diese  Beobachtungen  vor  Allem  wegen 
des  Lichtes,  das  sie  auf  die  frühere  Geschichte  dieser  Gegend  werfen. 
Die  Massen  von  Voluten,  Austern  und  fast  allen  an  der  Küste  vor- 
kommenden Schalthieren  sind  offenbar  als  Reste  von  Mahlzeiten 
anzusehen.  An  der  heutigen  unwirthlichen  Küste  aber  ist  jede 
kleine  Schiffahrt  ein  Ding  der  Unmöglichkeit,  so  dass  selbst  an  dem 
reich  ausgestatteten  Badeetablissement  kein  Kahn  existirt.  Nach 
innen  von  der  Barre  aber  zumal  im  nahen  Sacco  da  Mangueira  lebt 
heute  keine  marine  Art  mehr,  und  auch  Azara  labiata  und  Solecurtus 
platensis  sind  selten.  Wenn  letztere  in  den  prähistorischen  Schichten 
fehlen  und  dagegen  zwischen  Knochen,  Scherben,  Gehörsteinen  von 
Arius  Commersonii,  Pogonias  chromis,  Micropogon  undulatus  u.  a. 
Fischen  diese  Unmassen  von  Konchylien  erscheinen,  von  denen  die 
grösseren  zerschlagen  sind,  so  folgt  meines  Erachtens  hieraus,  dass 
selbe  als  Nahrung  dienten,  und  das  war  nur  möglich,  wenn  hier 
ein  grosser  aber  relativ  geschützter  Meerbusen  lag.  Sowohl  bei 
Rio  Grande  wie  bei  Porto  Alegre  hat  man  bei  Quaibauten  Walfisch- 


1)  Malakolog.  Blätter  1868  p.  187  ff. 


40  Dl'-  H.  von  Jhering. 

knochen  gefunden,  welche  über  die  einstige  weite  Ausdehnung  des 
Meeres  in  das  Innere  des  Staates  keinen  Zweifel  lassen.  Zu  jener 
Zeit  nun,  da  die  Lagoa  dos  patos  noch  dem  Ocean  zugehörte,  muss 
der  Sacco  da  Mangueira  Meerwasser  und  eine  reiche  marine  Fauna 
enthalten  haben,  zugleich  aber  muss  dieser  Busen  einigermassen 
geschützt  gelegen  haben,  so  dass  die  Indianer  ihn  mit  Canoes  be- 
fahren und  befischen  konnten.  Die  ganze  Gegend  aber  von  Rio  Grande 
bis  zur  Küste,  zum  Theil  vielleicht  in  Inseln  gegliedert,  trug  reichlich 
niederen  Buschwald,  der,  wie  auch  die  umgebenden  Campos,  an  Rehen, 
Stinkthieren ,  Füchsen  u.  s.  w.  ein  sehr  viel  ergiebigeres  Jagdfeld 
repräsentirte,  als  es  heutigen  Tages  dieses  ganze  Gebiet  ist.  Mit 
der  3— 4m  betragenden  Hebung  des  Bodens  erfolgt  der  Rückzug  des 
Meeres,  das  Verschwinden  mariner  Weich thiere  aus  der  Lagoa  und 
dem  Sacco  da  Mangueira  und  die  Ueberhandnahme  des  Sandes  an 
dem  neu  auftauchenden  Boden.  Welche  Veränderungen  Hand  in  Hand 
damit  die  Landschnecken-Fauna  erlitt,  wurde  oben  erläutert. 

Rio  Grande  do  Sul,  21.  Nov.  1892. 


Die  Salpen  der  Berliner  Zoologischen 
Sammlung. 


Von 

Dr.  Carl  Apstein, 

Kiel.     Zoologisches  Institut. 


Hierzu  Tafel  V. 


Herr  Geheimrat  Prof.  Möbius  hatte  die  Güte,  mir  auf  meine 
Bitte  das  gesammte  Material  an  Salpen  zur  Untersuchung  anzu- 
vertrauen. Ich  spreche  ihm  auch  an  dieser  Stelle  für  die  Bereit- 
willigkeit, mit  welcher  derselbe  auf  meine  Bitte  einging,  meinen 
besten  Dank  aus.  Derselbe  gebührt  auch  Herrn  Dr.  Co  Hin,  der 
die  beträchtliche  Sammlung  zusammenstellte. 

Die  Sammlung  besteht  aus  114  Gläsern  (dazu  kommen  noch 
7  Gläschen  der  Schausammlung),  welche  nach  der  Bestimmung 
126  Nummern  lieferten  und  852  Individuen  von  Salpen  enthielten, 
von  denen  nur  3  als  unbestimmbar  sich  erwiesen. 

War  schon  die  Grösse  der  Sammlung  dazu  angethan,  das 
Interesse  zu  erwecken,  so  geschah  dieses  in  noch  viel  höherem 
Maasse  dadurch,  dass  sich  in  der  Sammlung  Originale  von  Chamisso 
und  Meyen  befinden.  Ferner  ist  die  ganze  Salpenausbeute  der 
Gazelle-Expedition  (25  Gläschen)  vorhanden. 

Die  849  bestimmten  Exemplare  verteilen  sich  auf  12  Arten  und 
2  Varietäten  folgendermaassen: 

— — 

zahl 
der 

No. 


Cyclosalpa  affinis  Cham.      ........ 

»  pinnata  Forsk 

Salpa  scutigera  confoederata  Cuv.  Forsk.      .     . 
»  "  forma  bicaudata  (Q.et  Gr.) 

democratica  mucronata  Forsk 

»      flagellifera  (Traust.) 

runcinata  fusiformis  Cham.  Cuv.     .     .     . 
»         var.  echinata  (Herdm.)  nov. 

africana  masima  Forsk 

cylindrica  Cuv.  .    .     ■ 

»      costata  Tilesii  Q.  et  C  Fall 

cordiformis  zonaria  Cuv 

»   hexagona  Q,.  et  G   

punctata  Vogt,  Forsk 


Zahl 

Davon 

der 

Indi- 

gre- 

soli- 

viduen. 

gate 

täre. 

21 

20 

1 

33 

29 

4 

94 

93 

1 

55 

55 

— 

345 

264 

81 

14 

14 

58 

51 

7 

71 

68 

3 

44 

39 

5 

21 

12 

9 

10 

5 

5 

60 

51 

9 

9 

8 

1 

14 

14 

— 

849   709 


140   126 


42  Dl"-  Carl  Apstein. 


Salpa  (Cyclosalpa)  affinis  Cham. 

Die  21  Individuen  dieser  Salpe  sind  die  Originale  von  Chamisso 
und  stammen  alle  von  den  Sandwichsinseln. 

Etikette:  Sandwichs-Inseln  No.  259  Chamisso  S.  prol    sol.  1. 
No.  260  „       „      „    greg.  20. 


Salpa  (Cyclosalpa)  pinnata  Forsk. 

Das  grösste  Exemplar  der  gregaten  Form  (No.  309)  erreicht  die 
Länge  von  76  mm.,  ist  also  noch  beträchtlich  grösser,  als  das  von 
Traustedt  (8)  angegebene  Exemplar  von  56  mm.  Eine  Ringkette 
dieser  Art  besteht  aus  7  Individuen. 

Etiketten:     Canaren  No.  261  Chamisso  S.  1  greg.  3  sol. 

„         No.  262  „        „  6     „ 

Atlant.  Ocean  No.  263  Meyen       „  8     „ 

?  No.  264  v.OlfersO  „  1     „ 

?  No.  301         „  „  2     „ 

?  No.  303        „  „  2     „ 

?  ?  No.  304        „  „  —    „    1  sol. 

?  No.  306        „  „  3     „ 

?  No.  309         „  „  3     „ 

?  ?  No.  314  Beske^)      „  2     „ 

N.  Atlant.  Ocean  No.  318  Rudolphi^)  „1     „ 


Salpa  (Pegea)  scutigera  confoederata  Ciiv.  Forsk. 

proles  gregata 

Ich  konnte  das  Original  von  Salpa  ferrvginea  Cham,  untersuchen 
und  kann  die  Angabe  Traustedts  (8),  dass  fermginea  Cham  = 
scutigera  confoederata  greg.  ist,  bestätigen.  Unter  dem  Material 
fand  ich  einige  ganz  gewaltige  Individuen;  das  grösste,  das  160  mm 
lang  und  an  der  breitesten  Stelle  60  mm  mass,  stammte  aus  dem 
Süd  Pacifischen  Ocean.     (No.  396). 


^)  V.  Olfers  war  General  -  Consul  in  Rio  de  Janeiro,  ungefähr  um  1820. 
Er  war  auch  in  Neapel.  Die  Salpen  stammen  aus  dem  Mittelmeer  oder  südl 
Atlantischen  Ocean.  Die  Notizen  über  die  Sammler  sind  mir  freundlichst  vom 
Berliner  Museum  mitgeteilt,  soweit  sie  dort  vorhanden  waren. 

2)  Beske  war  Naturalienhändler  in  Rio  de  Janeiro.  Seine  Salpen  stammen 
wohl  aus  dem  südl.  Atlant.  Ocean. 

^)  Rudolphi  war  Direktor  des  Berliner  Anatom.  Museums  von  1800—25 
Er  selbst  hat  wohl  nicht  marine  Tiere  gesammelt. 


Die  Salpen  der  Berliner  Zoologischen  Sammlung.  43 

Etiketten:  N.  Stiller  Ocean    No.  288  Chamisso  S.     1  greo-. 


V 

,     308  V.  Olfers   S.  56 

Kette. 

S.  Atlant.  Ocean? 

,    310  Beske  S.          2 

•p 

,     311   V.  Olfers  S.  13 

S.  Atlant.  Ocean? 

,     313  Beske  S.          8 

'^ 

,     316       „       „           1 

oder  sol.? 

? 

,     317       „       „           1 

V 

,     305  V.  Olfers    „     3 

350  25'  S.  88«  28'  W. 

,     396  Dr.  Sanderi)    1 

Marquesas- Inseln 

,     431  Putze  S.          8 

Kette. 

proles  solitaria 
Syn:  S.  quadrata  Herdman(4).  (Seite  84.  Taf  9.  Fig  1— 8). 
Das  einzige  Exemplar  der  solitären  Form  stammt  aus  Neapel 
und  ist  ein  21,5  mm  langer  und  11  mm  hoher  Embryo.  Ich  erkenne 
in  ihm  sicher  die  Salpa  quadrata  Herdm.  wieder  (Fig.  2.  3);  es  ist 
also  Salpa  qvadrata  nichts  weiter  als  der  Embryo  der  Salpa  scnti- 
gera  confoederuta.  In  dem  Materiale  der  Plankton  Expedition  (1) 
fand  ich  diese  Form  wieder  in  den  verschiedensten  Altersstadien, 
so  dass  die  Zusammengehörigkeit  ganz  unzweifelhaft  ist.  (Siehe  1. 
Fig.  16)  Herdman,  der  sie  im  Materiale  der  Challenger  Expedition 
(4)  entdeckte,  schreibt  über  sie  später  (5):  „Salpa  quadrata  Herdm. 
appears  to  be  closely  related  to  this  species.  The  single  ,, Challenger" 
specimen  (sol.  form)  had  a  remarkable  club  shaped  dorsal  lamina; 
but  that  may  be  an  individual  abnormity."  Traustedt  (9)  hielt 
sie  für  eine  Varietät  der  scutigera  confoederuta.  Das  vorliegende 
Exemplar  stimmt  recht  gut  mit  der  Beschreibung  und  den  Figuren 
Herdman's  (4)  überein,  wie  der  Vergleich  meiner  Figur  2  und  3 
zeigt,  es  ist  älter  als  das  Exemplar  Herdman's,  aber  bedeutend 
jünger  als  das  Exemplar,  das  Traustedt  (8  Fig.  26)  abbildet.  Die 
Grösse  des  Exemplares  würde  auch  nicht  gegen  einen  Embryo  oder 
junge  solitäre  Salpe  sprechen,  denn  oben  habe  ich  ein  gregates 
Individuum  von  160  mm  Länge  namhaft  gemacht.  Das  Exemplar 
kann  erst  seit  kürzerer  Zeit  frei  geworden  sein,  da  die  Placenta 
(Fig.  2)'  noch  vorhanden  war. 

Etikette:  Neapel  No.  268.     Zoologische  Station  1  sol. 


Salpa  scutigera  confoederata  forma  bicaudata  (Quoy  et  Gaim)  (7). 

Syn:  Salpa  bicaudata  Quoy  et  Gaim  7.    p.  585.    Taf.  89.    Fig.  1 — 5. 
,,       scutigera  confoederata  Herdm.  4  Taf.  IX.  Fig.  9. 
Ich  glaube,   dass  diese  gregate  Salpe   nur  als  eine  Form  der 
gregaten   Salpa   scutigera   confoederata    aufzufassen    ist.     Sie    unter- 
scheidet   sich    von    der   typischen  scutigera   confoederata  nur    durch 


^)   Dr.  Sander  sammelte  auf  der  Expedition  „Prinz  Adalbert". 


44  Dr-  C.  Apstein. 

zwei  Fortsätze,  in  die  das  Hinterende  ausgezogen  ist  (Fig.  1  das 
Hinterende  der  forma  typica,  Fig.  4  forma  bicaudata).  Der  eine 
Fortsatz  ist  stets  lang,  der  andere  kurz,  so  dass  letzterer  den 
Mantel  nicht  hervorstülpt,  wie  das  der  Fall  bei  dem  längeren  Fort- 
satz ist.  Bei  einer  Kette  von  26  Individuen  (No.  267  Neapel)  ist 
diese  Bildung  am  Hinterende  stets  in  gleicher  Weise  vorhanden. 
Bei  einem  Exemplar  aus  dem  Pacifischen  Ocean  (No.  435)  war 
auch  der  zweite  Anhang  etwas  länger,  aber  abgerissen.  Verglichen 
mit  der  forma  typica  fallen  diese  Anhänge,  welche  Ausstülpungen 
der  Körperhöhle  darstellen,  sofort  auf.  Bisher  ist  mir  nur  die 
gregate  Form  bekannt,  ob  auch  die  solitäre  Form  Abweichungen 
von  der  typischen  ScrJpa  scutigera  confoederata  zeigt,  kann  ich  nicht 
entscheiden,  da  die  Embryonen  noch  zu  klein  waren.  Die  An- 
ordnung der  Individuen  zur  Kette  ist  genau  so,  wie  bei  Salpa 
scutigera  confoederata:  Die  Kette  ist  zweizeihg,  die  Individuen  jeder 
Zeile  sind  durch  je  2  seitliche  Fortsätze  (Fig.  4.  as)  mit  einander 
verbunden,  die  Individuen  beider  Zeilen  durch  je  4  Fortsätze 
(Fig.  4  as')  auf  der  Bauchseite,  2  vorn,  2  hinten. 

Die  einzelnen  Organe  zeigen  gar  keine  Abweichungen  von  den- 
jenigen der  typischen  Form.  Das  Nervensystem  mit  dem  Auge  und 
dessen  Pigment  (Fig.  5)  wie  es  auch  Göppert  (3)  zeichnet,  ist  bei 
beiden  Formen  vollkommen  gleich,  dasselbe  gilt  von  allen  anderen 
Organen,  so  dass  ich  forma  bicaudata  nicht  als  Varität,  noch  viel 
'  weniger  als  eigene  Art,  sondern  nur  als  eine  „forma"  betrachten  kann. 

Die  Lauge  der  Individuen  schwankt  von  30 — 94  mm.  Hierher 
rechne  ich  auch  das  Individuum,  das  Her  dm  an  (4)  Tafel  9.  Fig.  9 
abbildet,  ebenso  die  Exemplare,  die  Quoy  et  Gaimard  (7)  in  der 
Meerenge  von  Gibraltar  fischten,  bei  letztem  Exemplare  sind  beide 
Anhänge  sehr  lang. 

Etiketten:  Neapel  No.  267  Zoolog.  Station  26  greg.  Kette. 

„  ?  No.  432       „  „       27     „ 

S.  Stiller  Ocean  No.  435  Sander  S.  1     „ 

W.  S.  W.  Timor  No.  462  Prof.  Studer.  Gazelle  Expedition 
9.  V.  75.  llV2"SBr.  1197/ EL. 
1  greg. 


Salpa  (Thalia)  democratica  mucronata.    Forsk. 

ist  in  zahlreichen  typischen  Exemplaren  vertreten. 

Etiketten:  Nordsee^)  No.  273  Fries  S.  0  greg.  1  sol. 


*)  Eine  Reihe  Salpen  sind  von  Fries  in  der  „Nordsee"  gesammelt.  Leider 
ist  nicht  näher  angegeben,  in  welchem  Theile.  Bisher  ist  mir  nur  von  Dr.  Van- 
höffen  (Siehe  1)  bekannt  geworden,  dass  S.  dem.  mucr.  bis  in  die  Nordsee  hinein- 
geht, Vermuthlich  sind  die  von  Pries  gesammelten  Exemplare  an  d.  Norwegischen 
Küste  gefunden. 


Die  Salpen  der  Berliner  Zoologischen  Sammlung. 


45 


Neapel 

No. 

274 

P.  Mayer 

S. 

2  greg.  2  sol. 

Nordsee  No. 

284 

Fries  S. 

1 

Vineyard  Sound 

No. 

287 

U.  St.  Fish  Commis.  6 

Cap  Hörn? 

No. 

312 

Meyen  S. 

13 

Sumatra  No. 

329 

Hellwege 

S. 

— 

','     3  sol. 

36"  SBr.  120  WL. 

No. 

393 

Sander  S. 

7 

M  20   „ 

Palermo 

No. 

420  Dönitz  S. 

4 

>> 

No. 

420 

11       n 

12 

Neapel 

No. 

426  A.Dohrn  S. 

34 

l  Kette. 

Norwegen 

No. 

430 

Sars  S. 

5 

Azoren  No. 

436 

Simroth  S 

1 

)) 

No. 

437 

55 

1 

"     1  sol. 

)5 

No. 

436 

J5 

58 

)i 

No. 

437 

11 

19 

','     2   „ 

? 

No. 

442  Prof.  Studers) 

24 

»  23  „ 

Biscaya 

Golf.    47030'NBr. 

70 

WL. 

No.  443 

Prof. 
10 

Studer 
sol.   5. 

?if7f: 

350  SBr. 

670  EL.  28.  III  75  3  ] 

ip. 

No.  452 

Prof. 

Studer  6  sol. 

22V2"SBr.  670  EL.  22.1175 

No.  457 

Prof. 

Studer 

2  greg. 

3  sol. 

Canal-Biscayabiicht.    VII  93 

No.  471 

Dr.  Borgert 

10  gTeg. 

10  soL 

Neapel 

No.  360 

Zool. 

Station  sol. 

>i 

No.  361 

Zool. 

Statior 

i  Kette. 

Salpa  flagelHfera  (Traustedt). 

Syn. :  S.  democratica  mucronata  var.  flageUifera  Traustedt  8. 
pg.  369.    Taf.  1.    Fig.  12—13. 

Traustedt  hat  diese  Art  entdeckt,  betrachtete  dieselbe  aber  als 
eine  Varietät  von  Salpa  democratica  mucronata,  gab  aber  zugleich 
an  (8  pg.  6),  dass  es  sich  durch  Untersuchung  eines  reicheren 
Materials  vielleicht  herausteilen  wird,  dass  Salpa  flageUifera  als 
eigene  Art  aufzustellen  ist.  Im  Berliner  Material  war  eine  Anzahl 
gut  erhaltener  Exemplare  vorhanden,  so  dass  ich  Gelegenheit  hatte, 
diese  Salpe  genauer  untersuchen  zu  können.  Auf  Grund  derselben 
muss  ich  Salpa  flageUifera  als  selbständige  Art  betrachten. 

In  der  Form  stimmen  meine  Exemplare  genau  mit  den  Ab- 
bildungen Traustedt's  (Taf.  1.  12 — 13)  überein,  im  einzelnen  zeigen 
sie  jedoch  von  einander,  sowie  auch  von  den  Exemplaren  Traustedt's 
kleine  Abweichungen. 

So  ist  von  den  6  parallelen  Körpermuskeln  bei  meinen 
Exemplaren  nur  der  erste  auf  dem  Rücken  zusammenhängend, 
während  bei  allen  Exemplaren  der  2. — 6.  Muskel  einen  vollkommenen 


ä)    Die  von  Studer  gesammelten  Exemplare  stammen  alle  von  der  Gazelle 
Expedition. 


46  D»"-  C.  Apstein. 

Ring  bilden;  nur  bei  einem  der  9  Exemplare  war  der  6.  Muskel  auf 
dem  Rücken  getrennt.  Durch  diese  Anordnung  der  Muskel  erinnert 
unsere  Salpe  sehr  an  die  Cydomyarier,  mit  denen  sie  aber  ihrer 
Bildung  der  übrigen  Organe  wegen  nicht  zusammenzustellen  ist 

Der  Endo  styl  reicht  meist  bis  zum  5.  Muskel,  ich  fand  aber 
zwei  Exemplare,  bei  denen  er  bis  zum  4.  respective  6.  Muskel  ging. 

Die  Flimmergrube  (Fig.  6)  stimmt  genau  mit  derjenigen  von 
Salpa  democratica  mucronata  überein,  dagegen  ist  der  Nerven- 
knoten verschieden  gebildet  (Fig.  1).  Er  ist  ein  ovaler  Körper  mit 
je  einem  seitlichen  nach  vorn  vorragenden  Anhang.  Das  Pigment 
war  leider  nicht  zu  erkennen.  Die  ganze  Form  weicht  aber  von 
dem  Nervenknoten  der  Salpa  democratica  mucronata  (Fig.  8,  9)  voll- 
kommen ab.  Letzteren  mit  dem  Augenpigment  zeichnen  schon 
Vogt  und  Yung  (11)  und  Göppert  (3.  Fig.  10)  richtig. 

Einmal  die  ganz  abweichende  Bildung  der  Muskeln,  dann  die 
des  Nervenknotens  veranlassen  mich,  Salpa  ßagellifera  als  eigene 
Art  von  Salpa  democratica  mucronata  zu  trennen.  Sie  ist  aber  mit 
letzterer  nahe  verwandt,  da  die  Anhänge,  Flimmergrube  und  die 
Bildung  und  Lage  der  Kette  bei  beiden  Arten  gleich  sind. 

Ueber  die  gregate  Form  vermag  ich  nichts  zu  sagen,  da  die 
Individuen  am  Stolo  noch  ganz  jung  waren.  Traustedt  scheint 
ältere  Exemplare  gesehen  zu  haben,  da  er  meint  (8  S,  35  (369): 
„Si  ex  foetibus  prolis  solitariae  exsectis  aestimare  licet,  nihil  a  prole 
gregata  typica  Salpae  democraticae-mucronatae  differre  videtur."^ 
Etiketten:  Indischer  Ocean.  40«  12' SBr.   66 »  43' EL.  No.  325.     Dr. 

Naumann  S.  8  sol.  +  5. 
Pacifischer     „       27V20SBr.    153«  EL.   No.  459.     Prof. 

Studer.     1  sol. 


Salpa  runcinata  fiisiformis  Cham.  Cuv. 
proles  gregata. 

Neben  typischen  Exemplaren  fand  ich  solche,  welche  in  ihrer 
Gestalt  der  Salfa  africana  maxima  sehr  ähnlich  sind  (siehe  auch  1), 
indem  der  vordere  Fortsatz  fast  ganz  fehlt,  während  am  Hinterende 
der  Fortsatz  auf  ein  seitlich  befindliches  Zäpfchen  reduciert  ist. 
Die  Untersuchung  der  Muskulatur  (Zusammenstossen  des  5.  und  6. 
Muskels  an  der  Seite)  lässt  aber  die  Zusammengehörigkeit  mit 
Salpa  runcinata  fiisiformis  erkennen. 

Etiketten:     Nordsee  No.  275  Fries  S.  1  greg. 

Messina  No.  276  Häckel  S.  4     „ 

Neapel  No.  277  Zoolog.  Station  3     „ 

Atl.  Ocean  ?        No.  285  Meyen  Sj  3     „ 

?  No.  315  Beske  S.  2     „ 

Sumatra  No.  418  Hellwege  S.        1     ,, 

370  SBr.  760  EL.  No.  392  Sander  S.  4     „ 


Die  Salpen  der  Berliner-  Zoologischen  Sammhing.  47 

Norwegen              No.  425  Sars  S.  4  „ 

No.  427      „     .,  4  „      Kette. 

No.  429      „     „  4  „ 

?  Neapel               No.  433        ■?  4  „ 

11"  SBr.  10»  EL.  No.  439  Prof.  Studer  S.   1  „ 

27V2  0SBr.l53«EL.No.  460            „  „  14  „ 

PNBr.  I370EL.  No.  456             „  „    2  „(Immgr.) 

proles  solitaria 
war  in  typischen  Exemplaren  vorhanden. 

Etiketten:     Neapel  No.  278  Zool.  Station  1  sol. 

Norwegen  No.  425  Sars  S.  1  sol. 

No.  429      „     „  2     „ 

l^NBr.  1370  EL.  No.  456  Prof.  Studer  2     „ 


Salpa  runciiiata  fusiformis  var.  echinata  (Herdm.) 

Wie  ich  an  anderer  Stelle  (1)  ausgeführt  habe,  ist  Saljm 
echinata  als  Varietät  von  Salpa  runmiata  ftisiformis  zu  betrachten. 
Her  dm  an  kannte  nur  die  soHtäre  Form  und  diese  trug  bei  seinen 
Exemplaren  keinen  Stolo,  an  dem  die  Muskulatur  der  gregaten 
Form  hätte  erkannt  werden  können.  Wenn  er  sagt  (5),  dass  Salpa 
ecJmiata  is  „closely  allied  to  hexagona",  so  glaube  ich,  dass  sie  mit 
hexagona  nichts  zu  thun  hat,  aber  so  nahe  mit  Salpa  runcinata 
fnsiformis  verwandt  ist,  dass  sie  nur  eine  Varietät  derselben  ist. 
Die  s  elitäre  Form  unterscheidet  sich  nur  dadurch,  dass  bei  runci- 
nata fusiformis  der  Mantel  glatt,  bei  echinata  mit  stachligen  band- 
artigen Streifen  besetzt  ist,  die  namentlich  auf  der  Verdickung  des 
Mantels  über  dem  Nucleus  stark  hervortreten.  Wie  ich  in  der  an- 
geführten Arbeit  gezeigt  habe,  findet  sich  bei  der  solitären  Form 
kein  Unterschied  in  der  Muskulatur,  indem  der  8.  und  9,  Muskel 
zum  Theil  weit  von  einander  getrennt  ist,  zum  Theil  sich  nähert 
oder  ganz  verschmilzt,  so  dass  darin  die  Uebergänge  zwischen  Salpa 
runchiata  fusiformis  und  echinata  da  sind.  Das  einzige  unter- 
scheidende Merkmal  liegt  darin,  dass  Salpa  runcinata  fusiformis 
einen  glatten,  Salpa  echinata  einen  mit  Zacken  besetzten  Mantel  hat. 

Ich  konnte  an  Stolonenindividuen  der  Salpa  echinata  aus  dem 
Material  der  Plankton-Expedition  und  des  Naturhistorischen  Museums 
zu  Hamburg  nachweisen,  dass  sich  diese  von  gleichalterigen  Individuen 
aus  dem  Stolo  der  runcinata  fusiformis  durch  nichts  unterscheiden. 
Ich  fand  aber  erwachsene  Salpa  runcinata  fusiformis  greg. ,  welche 
auf  ihrem  Mantel  auch  die  eigentümlichen  Zacken  zeigen,  so  dass 
ich  annehme,  dass  dieses  die  gregate  Form  der  Salpa  echinata  ist. 
In  dem  Material  des  Berliner  Museums  befinden  sich  71  Exemplare, 
die  ich  aus  dem  genannten  Grunde  für  die  gregate  Form  der  Varietät 
echinata  halte. 


48  Dr-  C.  Apstein. 

Ich  konnte  auch  Salpa  aspera  Cham,  untersuchen,  es  ist  die 
gregate  Form  von  der  Varietät  echinata  (No.  265). 

proles  solitaria. 
Etiketten.    Curilen  No.  265.     Chamisso  S.      1  sol. 

470  34,5'  SBr.  65°  46'  E.  No.  445.     Prof  Stud.  S.    2    „ 

proles  gregata.  (?) 
Curilen  No.  265.     Chamisso  S.      5  greg. 

450  SBr.  700  EL.  No.  438.     Prof.  Stud.  S.  22     „ 

47034,5'SBr.  65H6'EL.No.  444.       „        „      „  33     „ 
160  SBr.  117,50  EL        No.  465.       „         „      „     8     „ 
Sollte    sich  heraustellen,    dass  die  bestachelte  Form    dennoch 
nicht  zu  Var.  echinata  gehört,  so  sind  letztere  4  Nummern  zu  Salpa 
runcinata  fusiformis  proles  gregata  zu  stellen. 


Salpa  africana  maxima  Forsk. 

proles  gregata. 

Von  dieser  Form  liegt  mir  eine  ganze  Reihe  schön  erhaltener 
Exemplare  vor,  welche  alle  die  charakteristische  Muskulatur  zeigen, 
darunter  finden  sich  Individuen  von  10  (No.421)  und  11  cm  (No.  300) 
während  Traustedt  (8)  als  grösste  Länge  sogar  15  cm  angiebt. 
Etiketten:    Canaren  No.  280       Chamisso  S.  1  greg. 
Neapel  No.  281      Zool.  Station  5     „ 
„       No.  283         „  „       1     „ 

?       No.  300        V.  Olfers  S.  2     „ 
Neapel  No.  328      Zool.  Station  5     „ 
370  42' SBr.  820  28' WL.  No.  395  Sander  S.  1     „ 

Triest  No.  419  Joh.  Müller  S.  7     „ 
Palermo  No.  421  Dönitz  S.  1     „ 

Triest  No.  422  Joh.  MüUer  S.  6     „ 
Nizza  No.  423      „         „       „  2     „ 
Neapel  No.  428       A.  Dohrn  S.  1     „ 
110  SBr.  100  EL.  No.  441  Prof.  Studer  S.  7     „ 

proles  solitaria. 
Syn:  Salpa  antarctica  Meyen  (6  pg  416.  Taf.  29.  Fig.  1).  Es 
ist  nicht  ganz  sicher,  ob  das  von  mir  untersuchte  Exemplar  das 
Original  von  Meyen  Salpa  antarctica  ist,  da  auf  der  Etikette  Meyen 
mit  „?"  versehen  ist.  Ich  möchte  es  jedoch  glauben  und  stehe  nicht 
an,  Salpa  antarctica  als  Salpa  africana  maxima  prol  sol  zu  be- 
trachten, da  das  fraghche  Exemplar  mit  antarctica  gut  überein- 
stimmt, soweit  die  nicht  ganz  naturgetreue  Figur  einen  Vergleich 
erlaubt.  In  der  Figur  Meyen's  (Tafel  29.  1)  ist  der  Körper  vom 
Vorderende  bis  zum  letzten  Muskel  vom  Rücken  gezeichnet,  der 
darauf  folgende  Theil  dagegen  von  der  Seite,  eine  Lage,  welche  bei 
einem  so  grossen  Exemplar  leicht  eintreten  konnte.     Die  Muskel 


Die  Salpen  der  Berliner  Zoologischen  Sammlung.  49 

hat  Meyen  nicht  ganz  sorgfältig  gezeichnet,  es  sind  deren  9  (Meyen 
zeichnet  7),  die  sich  nur  auf  der  Rückenseite  finden.  Das  sogenannte 
„Ovarium"  (Meyen  Taf.  29.  Fig.  1  h)  fand  ich  auch  wieder,  es  ist 
ein  eigenthümlicher  Fortsatz  des  Mantels  in  das  Innere  der  Kloake, 
der  an  seinem  Ende  glatt  abgeschnitten  ist,  aber  tief  gezackte  Ränder 
trägt  (Fig.  10).  Dieses  „ovarium"^  (bei  der  solitären  Form!)  ist 
paarig  vorhanden  und  befindet  sich  jederseits  zwischen  Darm  und 
dem  9.  Muskel.  Es  scheint  mir,  abgesehen  von  allem  anderen, 
genügend  für  die  Identität  meiner  Salpe  mit  antarctica  zu  sprechen. 
Alle  die  genannten  Verhältnisse  fand  ich  aber  bei  der  typischen 
Salpa  africana  maxima  proles  solitaria  wieder,  so  bei  einem  wunder- 
voll conservirten  Exemplar  aus  der  Zoologischen  Station  in  Neapel 
(No.  282).  „Ovarium''  und  die  Flimmergrube  stimmen  genau 
mit  den  gleichen  Organen  von  antarctica  überein.  Den  eigenthümlichen 
Fortsatz  (ovarium  Meyen)  fand  ich  bei  mehreren  Exemplaren  wieder, 
während  er  bei  einem  Exemplar  (No.  394)  fehlte.  Was  dieser  Fort- 
satz für  eine  Bedeutung  haben  mag,  kann  ich  nicht  angeben,  er 
findet  sich  bei  keiner  anderen  Salpenart.  Müller,  der  in  Carus 
Icones  Zootomicae,  Salpen  Fig.  30,  die  beste  Abbildung  unserer  Salpe 
giebt,  zeichnet  ebenfalls  diesen  „klauenförmigen  Vorsprung".  Ebenso 
zeichnet  er  schon  eine  eigenthünüiehe  Bildung  (Fig.  30x)  „Stelle  wo 
der  innere  Mantel  durch  den  äusseren  zur  Oberfläche  tritt".  Ueber 
die  Bedeutung  dieses  Fortsatzes  zwischen  dem  6.  und  7.  Muskel 
jederseits  an  der  Seite  des  Rückens  sagt  er  nichts,  ebensowenig 
kann  ich  eine  Erklärung  desselben  geben. 

Etiketten:    Staaten  Island  No.  266       Meyen  S?  1  sol. 

Neapel  No.  282  Zool.  Station  1    „ 
?       No.  307         V.  Olfers  1    „ 

Neapel  No.  327  Zool.  Station  1    „ 
350  23'  SBr.  88^28' WL.  No.  394      Sander  S.  1   „ 


Salpa  cylindrica  Cuv. 

?Syn:  S.  coerulea  Quoy  et  Gaim.  (7)  Taf.  89.  Fig.  20-24.  pg.  589. 
Diese  Salpe  war  in  beiden  Formen  vertreten,  zeigte  aber  nichts 
besonderes,  bis  auf  die  Anordnung  der  Individuen  in  der  Kette,  die 
bisher  noch  nicht  sicher  bekannt  war,  und  die  ich  daher  abbilde 
(Fig.  11.  12.)  Quoy  et  Gaimard  (7)  bilden  eine  Salpe  ab  und 
auch  deren  Kette,  ich  glaube  darin  Salpa  cylindrica  zu  erkennen. 
Die  Kette  ist  zweizeilig,  die  Individuen  beider  Zeilen  sind  um 
eine  halbe  Körperlänge  gegen  einander  verschoben.  Ausserdem 
stehen  die  Individuen  etwas  geneigt  gegen  die  Längsachse  der  Kette. 
Etiketten:  37»  SBr.  75°  51' EL.  No-  391  Sander  S.  llgreg.  8  sol. 

und  Ketten. 
370  SBr.  760  EL.  No.  469       „       „      1  sol. 
360  SBr.  120  WL.  No.  470        „        „      1  greg. 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1894.  Bd.l.  H.I.  4 


50  Dl-  C.  Apstein. 


8alpa  punctata.    Forsk.   Vogt, 
proles  gregata  Forsk. 

Traustedt  hat  diese  Form  nach  Exemplaren,  die  er  in  Neapel 
(9)  untersucht  hat,  neu  beschrieben.  Mir  lagen  auch  einige 
Exemplare  vor,  darunter  eine  Kette.  Wie  bei  vielen  anderen  Salpen 
zeigen  auch  die  Exemplare  dieser  Art  individuelle  Schwankungen 
in  der  Bildung  der  einzelnen  Organe.  Von  den  6  Körpermuskeln 
stossen  die  4  ersten  auf  dem  Rücken  an  einander,  der  1.  und  2. 
sind  sogar  theilweise  verschmolzen,  ebenso  der  5.  mit  dem  6.  Auf- 
fällig ist  es,  dass  die  Muskulatur  unsymmetrisch  ist,  wie  das  schon 
Traustedt  erwähnt  (9);  auf  der  linken  Seite  liegen  die  Muskel 
viel  weiter  nach  hinten  als  auf  der  rechten,  was  namentlich  bei  der 
Betrachtung  von  der  Bauchseite  (Fig.  14)  deutlich  hervortritt.  Da 
wo  auf  der  linken  Seite  der  erste  Muskel  den  Endostyl  trifft,  liegt 
auf  der  rechten  schon  der  4.  Muskel.  Der  2.  Muskel  (Fig.  14)  geht 
von  der  linken  Seite  sogar  über  die  Mittellinie  des  Bauches  hinweg, 
so  dass  er  auf  der  rechten  Seite  zwischen  dem  5.  und  6.  Muskel 
zu  sehen  ist  (Fig.  13.  2'). 

In  der  Kette  scheinen  die  Muskel  so  zu  liegen,  dass  die 
Individuen  einer  Zeile  unter  sich  gleich  sind,  aber  zu  den  Individuen 
der  anliegenden  Zeile  spiegelbildlich  stehen  (Fig.  16).  Es  werden 
also  bei  der  Hälfte  der  Exemplare  in  der  Kette  die  Muskel  auf 
der  linken  Seite,  bei  der  anderen  Hälfte  auf  der  rechten  Seite  nach 
hinten  gezogen  sein.  Die  Muskulatur  um  den  Mund  ist  ziemlich 
verwickelt,  dagegen  um  die  Kloakenöffnung  einfach  (Fig.  13). 

Der  Endostyl  geht  vom  Vorderende  bis  hinter  den  5.  Muskel 
(auf  d.  rechten  Seite)  und  krümmt  sich  dann  nach  der  Leibes- 
höhle zu. 

Der  Nervenknoten  ist  kugelförmig,  das  Auge  kegelförmig  mit 
ringförmigem  Pigment  (Fig.  15), 

Die  Kette  ist  2  zeilig,  die  Individuen  liegen  mit  dem  Bauch 
gegeneinander  und  zwar  so,  dass  die  Individuen  einer  Zeile  etwas 
gegen  diejenigen  der  anderen  nach  hinten  verschoben  sind. 

Der  Embryo  liegt  auf  der  rechten  Seite  unter  dem  5.  Muskel. 
Etiketten:  Neapel  No.  286  Zoolog.  Station  5  greg.  Kette. 
?    „      No.  434        „  „       9     „ 


Salpa  (Jasis)  costata  Tilesii  Quoy  et  Craim.  Cuv. 

Eines  der  soHtären  Individuen  trägt  einen  Stolo,  der  jedoch 
noch  so  jung  ist,  dass  ich  nicht  die  Befestigung  der  einzelnen  In- 
dividuen in  der  zukünftigen  Kette  erkennen  kann.  Es  wäre  dieses 
von  Interesse  gewesen,  wie  ich  vor  kurzem  schon  nachwies  (1)  für 


Die  Salpen  der  Berliner  Zoologischen  Sammlung. 


51 


als   die  gregate  Form  von   Salpa  costata  Tilesii.     Ich  glaube   aber, 
dass  dieses  auch  sicher  ist,  ohne  diesen  directen  Beweis. 


Etiketten:  Südsee  No. 

„      No. 

„      No. 

?      No. 

Atlant.  Ocean  No. 

?  No. 

Messina  No. 

Mauritius  No. 

IPSBr.  100  EL.  No. 


289  Gedeffroy 

290 

291 


292  Collect.  Gerresheim?  1  greg. 


293  Simroth  S. 
302  Olfers  S. 

323  Häckel  S. 

324  V.  Martens  S. 
440  Prof.  Studer  S. 


1  sol. 
1  greg. 

1  „ 
1  sol. 
1 


Salpa  (Jasis)  cordiformis  zonaria.  Quoy  et  Gaim.-Pall. 

Diese  Salpe  ist  in  zahlreichen,  gut  erhaltenen  Exemplaren  ver- 
treten. 

Bei  der  gregaten  Form  verlängert  sich  der  hintere,  gewöhnlich 
kurze  Fortsatz  zu  einem  langen,  spitzen  Anhange.     (No.  454.) 

Bei  der  s elitären  Form  fand  ich  die  Muskelbänder  nicht  so 
breit  wie  sie  Traustedt  (8)  zeichnet. 


Etiketten:  Nordsee  No.  270 

Fries 

2  greg. 

?        No.271 

Schröder  S. 

2     „ 

?         No.  272 

Beske  S. 

3     „ 

Stiller  Ocean  No.  279 

Oppermann  S. 

2     „ 

Azoren  No.  294 

Chamisso  S. 

1     „ 

Nordsee  No.  295 

Fries  S. 

2  sol. 

Atlant.  Acean  No.  296 

Mechbg  S? 

1  grg. 

190  30'  N.Br.  25«  22'  W.L.  No.  320 

Jagor  S. 

7    „ 

370  50'  N.Br.  170  30'  W.L.  No.  326 

Prof.  Studer  S. 

1  sol. 

Island  No.  424 

? 

1  greg. 

34V/S.Br.  lOPE.N.  No.  447 

Prof.  Studer  1  sol.  mit  Stolo. 

241/2''  S.Br.  I52V2'  E.L.  No.  448 

» 

1  greg. 

360  s  Br.  700  E.L.  No.  449 

1     „ 

20V4'S.Br.  1140  E.L.  No.450 

5) 

4  sol. 

IQo  S.Br.  1240  E.L.  No.  453 

5> 

2  grg. 

10  N.Br.  1370  E.L.  No.  454 

5> 

4  grg.  1  sol. 

91/2*'  S.Br.  155  V  E.L.  No.  458 

5> 

1  grg. 
4  sol. 

IIV2'  S.Br.  1191/4°  E.L.  No.  461 

„ 

No.  463 

5> 

5  grg. 

160  S.Br.  117,50  E.L.  No.  464 

V 

3    „ 

V  N.Br.  1380  E.L.  No.  466 

>5 

2    „ 

VgO  N  Br.  1440  E.L.  No.  467 

•n 

4    „ 

00  14IV4''  E.L.  No.  468 

5) 

5    „ 

52  Dl-  C-  Apstein. 

Salpa  (Jasis)  hexagona.      Quoy  et  Gaim. 

Das  eine  solitäre  Individuum  trug  einen  weit  entwickelten 
Stolo.  Derselbe  ist  wie  bei  Salpa  scutigera  confoederata 
gebildet,  geht  vom  Nucleus  ein  Stück  nach  vorn,  biegt  dann  nach 
hinten  um  und  verläuft  auf  der  linken  Seite  bis  gegen  das  Hinter- 
ende der  Salpe.  Die  Individuen  sind  in  zwei  Zeilen  senkrecht  zur 
Längsachse  des  Stolo  gelagert,  und  zwar  so,  dass  die  Individuen  der 
einen  Zeile  zwischen  denen  der  andern  stehen. 

Eigentümlich  ist  der  Nervenknoten  mit  den  Augen.  Der- 
selbe ist  oval,  trägt  auf  seinem  hinteren  Teile  ein  schuhsohlenförmiges 
Auge,  ferner  an  seinem  Vorderende  jederseit  einen  nach  dem  Rücken 
erhabenen  Wulst,  der  ebenfalls  pigmentirt  ist,  also  je  ein  Auge 
tragen  wird,  so  dass  im  Ganzen  wohl  3  Augen  vorhanden  sind,  die 
von  einander  getrennt  liegen  (Fig.  17). 

Die  gregate  Form  zeigt  keine  Besonderheiten. 

Etiketten:    P  N.Br.  137«  E.L.  No.  446  Prof.  Studer  l'sol. 

No.  455     ,.         „        8  grg. 


Mit  Hilfe  vorstehender  Sammlung  ist  es  mir  gelungen,  nach- 
zuweisen, dass 

Salpa    bicaudata  Quoy  et  Gaim  =  S.  scutigera    confoederata    forma 

bicaudata, 
Salpa  quadrata  Herdm  =  S.  scutigera  confoederata  prol  sol, 
Salpa  democratica  mucronata  var  flagellifera  Traust  =  Salpa  flagellifera 

(Traust), 
Salpa  aspera  Cham  ■=  Salpa  runcinata  fusiformis  var.  echinata  (Herdm), 
Salpa  antarctica  Meyen  =  Salpa  africana  maxima  prol,  sol, 
?  Salpa  coerulea  Quoy  et  Gaim  =  Salpa  cylindrica  Cuv 
ist. 

Ueber  die  geographische  Verbreitung  der  Salpen  habe  ich  vor 
kurzem  (1)  berichtet.  Zu  der  Bearbeitung  benutzte  ich  auch  das 
vorliegende  Material,  so  dass  ich  an  dieser  Stelle  nicht  näher  auf 
diesen  Punkt  eingehen  brauchte.  Erwähnen  will  ich  nur,  dass  sich 
aus  dem  Material  ergeben  hat,  dass  Salpa  africana  maxima  auch 
im  Pacifischen  Ocean  (Dr.  Sander,  Prinz  Adalbert  Expedition. 
No.  394.  395),  dass  Salpa  runcinata  fusiformis  var.  echinata  im 
Indischen  Ocean  (Gazelle  Expedition)  und  Salpa  flagellifera  auch  im 
Pacifischen  Ocean  (Gazelle  Expedition)  vorkommt,  dass  also  alle  drei 
ebengenannten  Arten  resp.  Varietäten  in  allen  Oceanen  vorhanden  sind. 


Die  Salpen  der  Berliner  Zoologischen  Sammlung.  53 


Litteratur. 

1.  Ap stein.  Geographische  Verbreitimg  der  Salpen  nebst 
Bemerkungen  zur  Systematik,  in  Ergebnisse  der  Plankton-Expedition. 
Bd.  II.  Ea.    (im  Druck) 

2.  Forskähl.  Descriptiones  animalium  etc.  quae  in  itinere 
Orientali  observavit.  Postmortem  auctoris  edidit  C.  Niebuhr.  Hauniae. 
1775. 

3.  Göppert.  Untersuchungen  über  das  Sehorgan  der  Salpen. 
In  Morpholog.  Jahrbuch.     Bd.  19.    1893.  pg.  250 

4.  Herdman,  Report  on  the  Tunicata  of  H.  M.  S.  Challenger. 
Bd.  27. 

5.  —  Revised  Classification  of  the  Tunicata.  In  The  Journal 
of  the  Linnean  Society.  London,  Zoology,  Vol.  23,  No.  148,  p.  558 
bis  652.     1891. 

6.  Meyen.  Beiträge  zur  Zoologie,  gesammelt  auf  einer  Reise 
um  die  Erde.  1.  Abth.  Ueber  die  Salpen.  In  Nova  Acta  Acad. 
caes.  Leop.  Carol.  natur.  curios.  Tom  16.     1832. 

7.  Quoy  et  Gaimard.  Zoologie  in  Dumont  d'Urville  Voyage 
de  la  corvette  l'Astrolabe,  execute  par  l'ordre  du  roi  4  vol.  1826 
bis  1834.     Atlas. 

8.  Traustedt.  Bidrag  til  Kundskab  om  Salperne  in  Spolia 
atlantica.  Vidensk.  Selsk.  Skr.  6.  Raekke  nat  og  math.  Afd.  IL  8. 
Kopenhagen  1885. 

9.  —  Die  Thaliacea  der  Plankton-Expedition.  In  Ergebnisse 
der  Plankton-Expedition,  Bd.  IL  Ea.  1  Tafel.     1892 

10.  Vogt.  Recherches  sur  les  animaux  inferieurs  de  la  Medi- 
terranee,  second  memoire.  Sur  les  Tuniciers  nageants  de  la  mer 
de  Nice.  In  Mem.  de  ITnstitut  national  genevois.  1894.  IL  pag,  1 
bis  46.  Tab.  V— IX. 

11.  Vogt  und  Yung.  Lehrbuch  der  practischen  vergleichenden 
Anatomie.     Tunicaten.     Bd.  IL  5.  Lief  1890. 


54  Dl"-  C.  Apstein. 

Erklärung  zu  Tafel  V. 


In  allen  Figuren  bedentet: 
a  Einströmungsöffnung,  kurz  Mund  genannt, 
b  Ausströmungs-  oder  Kloakenöffnung, 
as  Anheftungsstelle  der  Kettenindividuen, 
e  Endostyl. 
f  Flimmergrube, 
fb  Flimmerbogen, 
g  Nervenknoten, 
ga  Pigment  des  Auges, 
m,  Körpermuskel  1  .  .  . 
r  Kieme. 
s  Embryo. 
X  Nucleus. 

Fig.    1.    Salpa   scutigera   confoederata   prol.  gieg.     Hinterende  7i   (Plankton- 
Expedition,  No.  172). 

Fig.    2. prol.sol.  ganz  jung;  von  der  linken  Seite.  Vi-  (Neapel  No.268) 

Fig.    3.    Dasselbe  Individuum  vom  Rücken.  Vi- 

Fig.    4. forma  bicaudata;  vom  Rücken,  -/i-     ^^'  <^i6  Anheftungsstelle 

auf  der  Bauchseite,  hindurchscheinend  (Neapel  No.  267). 

Fig.    5. Nervenknoten  und  Augenpigment  desselben  Exemplars. 

Fig.    6. flagellifera.      Kieme     mit    Flimmerbogen,    Flimmerrinne    und 

Nervenknoten,  ^o/j.  (No.  325) 

Fig.    7. Nervenknoten.  °°/i. 

Fig.    8.    S   democratica  mucronata  prol.  sol.    Nervenknoten   mit  Pigment  vom 

Rücken,  ^o/^  (No.  471). 

Fig.    9. Derselbe  von  der  Seite.  ^7i- 

Fig.  10.    S.  africana  maxima  prol.  sol.    Fortsatz  des  Mantels  (Ovarium  Meyen). 

Vi.  (No.  266) 
Fig.  11.     S.  cylindrica.    Kette  vom  Rücken.  Vi  (No.  391). 

Fig.  12. Dieselbe  von  der  Seite.  Vi 

Fig.  13.    S.  punctata  prol.  greg.;   von  der  rechten  Seite.  Vi-    P  Pigmentzellen 

(Neapel,  No.  286). 
Fig.  14.    Dieselbe  vom  Bauche  gesehan.  Vi- 
Fig.  15. Kieme  mit  Flimmerrinne,  Flimmergrube  und  Nervenknoten  mit 

Pigment.  27^. 

Fig.  16. Kette.  Vi- 

Fig.  17.     S.  hexagona  prol.  sol.  Nervenknoten  mit  Pigment.  ^7i  (Mus.  Hamburg). 


Ein  Beitrag 

zur  Kenntniss  der  faunistischen  Verhältnisse 
des  eentralafrikanischen  Seengebietes. 


Von 

H.  J.  Kolbe. 


Die  faunistischen  und  zoogeographisehen  Verhältnisse  des  nörd- 
lichen Theiles  des  eentralafrikanischen  Seengebietes,  welche  bisher 
noch  ganz  unbekannt  waren,  sind  durch  Emin  Pascha  und  Stuhl- 
mann  so  eingehend  erforscht,  dass  wir  uns  ein  genügendes  Bild 
davon  machen  können.  Das  bemerkenswertheste  Resultat  ist,  dass 
die  Fauna  des  westafrikanischen  Waldgebietes  sich  bis  zu  den  nördlichen 
Seen  Centralafrikas  ausdehnt  und  bis  an  den  Victoriasee  reicht. 
In  der  folgenden  kurzen  Skizze  erlaube  ich  mir  eine  Anzahl  Coleopteren- 
spezies  aus  den  Sammlungen  Stuhlmann's  anzuführen,  um  zu  zeigen, 
dass  Arten  aus  Ober-  und  Nieder-Guinea,  von  Kamerun  und  dem 
Kongobecken  bis  in  das  nördhche  Seengebiet  verbreitet  sind. 

Einen  wesentlichen  Beitrag  zu  dieser  westlichen  Fauna  des 
nördhchen  Seengebietes  liefern  die  Bockkäfer  (Cerambycidae),  die, 
weil  ihre  Larven  grösstentheils  an  Holzpflanzen  gebunden  sind,  soweit 
nach  Osten  hin  verbreitet  sind,  als  die  charakteristische  Vegetation 
des  westafrikanischen  Waldgebietes  reicht.  Das  Vorkommen  ist  im 
folgenden  bei  jeder  Art  näher  angegeben. 

Tithoes  frontalis  Har.  Lunda  und  Baluba  im  Kongobecken;  — 
südl.  Albert-Edward-See  (Migere,  Butumbi). 

Macrotoma  castaneipennis  Kolbe  im  Kongogebiet  (Baluba,  Lulua) ; 
—  Massogua,  nördlich  vom  Albert-Edward-See. 

Plocederus  chloropterus  Chevr.  Kamerun;  Aschanti,  —  nördl. 
Seengebiet  (ohne  nähere  Angabe). 

Plocederus  hasalis  Gahan.  Gabun,  Njam-Njam;  —  nördl.  Seen- 
gebiet (ohne  nähere  Angabe). 

Callichroma  cranchi  White.  Kongobecken;  —  am  Duki-Fluss, 
südwestlich  vom  Albert-See. 


56  H.  J.  Kolbe:    Ein  Beitrag  zur  Kemitniss  der 

Phrystola  hecphora  Thoms.  Westafrika;  —  Undussuma,  südwestl. 
vom  Albert-See. 

Phryneta  macularis  Har.  Lunda-Reich  (östlich  von  Angola), 
Kongo;  —  nördKches  Seengebiet  (ohne  nähere  Angabe). 

Phryneta  aurodncta  Guer.  Ober-Guinea;  —  Buessa,  südwestl. 
vom  Albert-See. 

Pachystola  fuliginosa  Chevr.  Senegambien,  Togo ;  —  Duki-Fluss, 
südwestl.  vom  Albert-See. 

Hecyrida  ricfolineata  Quedf.  Baluba-Land  im  Kongobecken;  — 
Itari,  südwestl.  vom  Victoria-See. 

Prosopocera  ocellata  Chevr.  Guinea,  Kongobecken,  Quango;  — 
Buginda,  südl.  vom  Albert-See. 

Monohammus  X-fulvum  Bat.  Kamerun;  —  West-Lendu,  westl. 
vom  Albert-See. 

Acridocepthala  histriata  Chevr.     Guinea;  —  Albert-See. 

Sternotomis  imperialisY.  Guinea,  Togo,  Kamerun,  im  nordöstlichen 
Gebiete  des  Kongobeckens;  —  West-Lendu,  westl.  vom  Albert-See. 

Sternotomis  aglaura  Kolbe,  Yaunde  im  Hinterlande  von  Kamerun, 

—  Buginda,  südl.  vom  Albert-See,  Uganda,  nördl.  vom  Victoria-See. 

Pinacosterna  mechowi  Quedf.  Kongogebiet  (Ibembo),  Quango 
(östlich  von  Angola);  —  Ituri,  westHch  vom  Albert-See. 

Ceroplesis  fissa  Har.  Lunda-Reich,  Kongo;  —  Itimba  und 
Atjangara-Fähre,  südlich  vom  Albert-See;  West-Lendu,  westl.  vom 
Albert-See;  Kafuro,  westl.  vom  Victoria-See. 

Moeclia  adusta  Har.  Kamerun,  Kongo,  Lunda-Reich,  Lulua 
(Nebenfluss  des  Kongo),  Baluba,  Njam-Njam;  —  Butalinga,  südl. 
vom  Albert-See. 

Synnupjserlia  homeyeri  Har.  Angola,  Kongogebiet;  —  Undussuma, 
südwestl.  vom  Albert-See. 

Nur  wenige  Cerambyciden  finden  sich  in  Ost-  und  Südost-Afrika, 
nämlich : 

Cymatura  miccorea  Fairm.  im  Somali-Lande  und  Deutsch-Ost- 
afrika; —  bei  Buginda,  südlich  vom  Albert-See,  und  bei  LTndussuma, 
südwestlich  vom  Albert-See. 

Ceroplesis  irregidaris  Har.  j\Juansa  am  Südufer  des  Victoria- 
Sees;  —  östliches  Deutsch-Ostafrika. 

Nitocris  nigricornis  Oliv.  Capland,  Natal;  —  Bukoba,  am  West- 
ufer des  Victoria-Sees. 

Wie  die  Mehrzahl  der  bekannten  Cerambyciden,  so  weisen  auch 
die  waldbewohnenden  Passaliden,  welche  unter  der  Rinde  morscher 
Bäume  leben,  auf  Westafrika  hin,  und  zwar  finden  sich 

Erionomus  plam'ceps  Eschz.   in  Guinea,   Kamerun,   Njam-Njam; 

—  im   Urwald  an  der  Atjangara-Fähre,  südl.  vom  Albert-See  und 
am  Jturi,  westl,  von  diesem  See. 


faunistischen  Verhältnisse  des  centralafrikani sehen  Seengebietes.         57 

Pentalobt(s  palinii  Perch.  in  Aschanti  und  Kamerun,  am  Gabun 
und  Quango,  auch  am  oberen  Kongo;  —  in  Uganda,  nördlich  vom 
Victoria-See. 

Pentalobus  harhatvs  F.,  fast  überall  in  Westafrika,  z.  B.  in  Ober- 
Guinea,  Togo,  Kamerun,  Njam-Njam,  Kongo -Gebiet,  Quango;  — 
und  auch  in  Uganda,  nördlich  vom  Victoria- See. 

Et/melosomus  dupHcatus  Har.  am  Quango,  im  Lunda-Reich  und 
im  Gebiet  des  oberen  Kongo  (Ibembo);  —  aber  auch  an  der  Ituri- 
Fähre,  westlich  vom  Albert-See  und  in  Nssangani,  nördl.  vom  Albert- 
Edward-See. 

Didimvs  pvnctipectm  Kaup  in  Guinea,  im  Lunda-Reich,  am 
Lubilasch  im  Gebiet  des  oberen  Kongo;  —  und  im  Kibissibili- Walde 
am  Ituri,  westlich  vom  Albert-See. 

Dasselbe  gilt  von  den,  grossentheils  an  Wald  gebundenen 
Cetoniiden.  Plaesiorrhina  svhaenea  Har.  und  cincta  Oliv.,  Gna- 
thocera  trivittata  Swed.  und  afzeli  Swartz,  Evdicella  tetraspüota  Har. 
und  gralli  Buq.,  Dicranorrhma  micans  Drury  und  Gametis  sungui- 
nolenta  Burm.  finden  sich  im  Seengebiet,  gehören  aber  der  west- 
afi'icanischen  Fauna  an.  Auch  Pseudinca^  Incala  und  Eccoptocnemis 
sind  westafricanische  Genera. 

Anders  verhält  es  sich  mit  den  Mistkäfern  (onthophile  Lamelli- 
cornier) ;  diese  sind  meist  nicht  an  das  Waldgebiet  gebunden,  finden 
hingegen  z.  Th.  einen  wesentlichen  Verbreitungsfactor  durch  die 
Hausthiere,  welche  die  Eingeborenen  bei  sich  halten  oder  mit 
sich  führen,  z.  B.  Schafe,  Ziegen  und  auch  Rindvieh.  Hieraus  ist 
wohl  das  Vorkommen  nordostafrikanischer,  ost-  und  südafrikanischer 
Mistkäferarten  im  Seengebiet  zu  erklären.  Die  dort  wohnenden 
Völker  haben  mehr  Beziehungen  zum  Nordosten  und  Osten  des 
Erdtheils,  als  zu  dem  Westen.  Auch  die  weite  Ausdehnung  des 
Steppengebietes  und  der  Steppencomplexe,  die  sich  bis  in  die  Seen- 
region erstrecken,  und  nordwärts  die  Steppengebiete  des  Sudan  bis 
Senegambien,  sowie  südwärts  die  Steppen  südlich  vom  Urwalde  des 
Kongogebietes,  verdienen  hinsichtlich  der  Verbreitung  der  Mistkäfer 
im  Gefolge  der  Steppenthiere  (Säugethiere)  Berücksichtigung. 

Bemerkenswerth  ist  in  dieser  Beziehung  die  Thatsache,  dass  von 
der  artenreichen  Gattung  Onitis,  von  der  50  Species  aus  dem 
äthiopischen  Gebiet  bekannt  sind,  sowohl  v.  Harold  als  auch 
Du  vi  vi  er  in  ihren  Abhandlungen  über  die  Coleopteren  des  Kongo- 
Gebietes  keine  Spezies  aufführen.  Auch  Quedenfeldt  verzeichnet 
vom  Quango  und  aus  dem  Baluba- Lande  im  Kongobecken  keine 
einzige  Art,  nur  von  Malange  in  Angola  zwei  Spezies.  Stuhlmann 
hingegen  hat  aus  dem  Seengebiet  10  Spezies  mitgebracht. 

Onitis  pecuarius  Lansb.  findet  sich  im  Capland,  Cafirarien, 
Mosambik,  am  Nyassa-See ;  —  bei  Undussuma,  südwestl.  vom  Albert- 
See,  in  Mpororo,  südöstl.  vom  Albert -Edward-See  und  in  Karague, 
westhch  vom  Victoria-See. 


58  H.  J.  Kolbe:    Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der 

Onitis  uncinatus  Kl.  in  Abyssinien,  Mosambik,  Caffrarien;  — 
in  Karague,  westlich  vom  Victoria-See. 

Copris  orphanus  Guer.  in  Sansibar,  Abyssinien;  —  in  Karague, 
westlich  vom  Victoria-See,  bei  Undussuma,  südwestlich  vom  Albert- 
See,  und  in  der  Issango-Ebene,  nördlich  vom  Albert-Edward-See. 

Oniticellus  tiasicornis  Reiche  in  Abyssinien,  Mosambik,  Natal, 
Angola,  Senegambien;  —  in  Karague,  westlich  vom  Victoria-See. 

Oniticelhis  militaris  Gast,  in  Nordost -Afrika ,  Mosambik,  Natal, 
Capland;  —  bei  Undussuma,  südwestlich  vom  Albert-See. 

Oniticellus  planatus  Bob.  auf  dem  Kihmandscharo,  am  Jipe-See 
in  Deutsch-Ostafrika,  in  Mosambik,  Natal,  Capland;  —  bei  Undussuma, 
südwesthch  vom  Albert-See  und  in  Karague,  zwischen  dem  Victoria- 
und.  Albert-Edward-See. 

Orvthophagus  picticollis  Gerst.  auf  dem  Kilimandscharo;  —  in 
Karague,  zwischen  dem  Victoria-  und  Albert-Edward-See. 

Heliocopris  colossus  Bat.  (Senegambien)  findet  sich  auch  bei 
Bukoba  am  Victoria  -  See ,  und  Diastellopalpus  acuminicollis  Quedf. 
ist  in  Baluba-Land  (Kongo-Gebiet)  und  in  Karague,  zwischen  dem 
Victoria-  und  Albert-Edward-See  gefunden. 

Onitis  castdnaui  Harold,  aus  Sansibar  und  Caffrarien  bekannt, 
liegt  vor  von  Kirima,  im  Nordwesten  vom  Albert-Edward-See.  Nach 
Stücken,  welche  angeblich  vom  Stanley-Pool  stammen,  zu  schliessen, 
kommt  die  Art  auch  am  Kongo  vor. 

Von  Tenebrioniden  finden  sich  die  für  Westafrika,  z.  B. 
Kongo,  Kamerun  und  Ober-Guinea,  charakteristischen  Arten  Chiro- 
scelis  digitata  F.  und  passaloides  Westw. ,  Prioscelis  serrata  F.  und 
fabricii  Hope,  Pezodontus  ohsoletits  Thoms.  und  Eupezus  hrevicolUs 
Har.  im  Seengebiet.  Prioscelis  serrata  ist  nach  einer  Notiz  von 
Stuhlmann  im  Wabudso- Walde,  westlich  vom  Albert-See  (westl. 
von  Wakangu)  sehr  gemein. 

Aber  auch  eine  ganze  Anzahl  neuer  Formen  wurde  von  Stuhl- 
mann im  Seengebiet  gefunden,  die  vielleicht  jener  Gegend  theilweise 
eigenthümlich  sein  mögen.  Recht  bemerkenswerth  ist  ein  fremdartiger 
Carabide  von  verhältnissmässig  grossen  Körperdimensionen.  Es  ist 
eine  neue  Gattung,  die  auf  Grund  der  Gruppenmerkmale  zu  den 
Chläniinen  gehört,  aber  unter  diesen  sich  ganz  absonderlich  ausnimmt. 
Ich  nenne  das,  gleichsam  auf  eine  fremde  Welt  der  Vergangenheit 
hinweisende  Coleopteron  Stuhlmajinium  mastodon.  Der  grosse  Kopf 
ist  nach  unten  gerichtet,  der  Hinterkopf  ist  dick  und  ohne  Hals, 
Von  Supraorbitalborsten  ist  nur  eine  neben  jedem  Auge  vorhanden. 
Die  Augen  sind  klein.  Die  Mandibeln  besitzen  keine  borstentragende 
Punkte  an  der  Aussenseite.  Der  Clypeus  ist  durch  eine  deutliche 
eingedrückte  Linie  von  der  Stirn  getrennt  und  am  Vorderrande  mit 
einem  mittleren  vorstehenden  Zahne  versehen.  An  den  Antennen 
sind  die  drei  ersten  Gheder  glänzend  und  ganz  glatt.  Die  Ligula 
ist  stark  vorgezogen,  vorn  verbreitert,  an  der  Vorderseite  ausgehöhlt; 


faunistischen  Verhältnisse  des  centralafrikanischen  Seengebietes.         59 

der  obere  Vorderrand  ist  in  der  Mitte  ausgerandet.  Das  Mentum 
ist  sehr  tief  viereckig  ausgerandet,  die  Seitenloben  sind  weit  vor- 
gezogen; in  der  Mitte  der  Ausrandung  befindet  sich  ein  kurzer 
stumpfer,  an  dem  Ende  ausgerandeter  Zahn.  Das  Mentum  ist  von 
der  Kehle  deutlich  abgesetzt.  Der  innere  Maxillarlobus  ist  sichel- 
förmig gebogen  und  zugespitzt.  Das  letzte  Ghed  der  Maxillarpalpen 
ist  kürzer  als  das  vorletzte;  jenes  bildet  mit  diesem  kein  Knie, 
sondern  steht  zu  diesem  in  gerader  Linie.  Das  zweite  Palpenglied 
ist  gegen  die  Spitze  hin  stark  verdickt.  Das  zweite  GHed  der 
Labialpalpen  ist  innenseits  mit  zahlreichen  Borsten  besetzt. 

Der  Prothorax  ist  länger  als  breit,  schmal,  oberseits  convex, 
vor  dem  Hinterrande  abgeflacht,  vorn  und  hinten  gleichbreit;  die 
Seiten  vor  der  Mitte  schwach  gerundet,  hinten  gerade. 

Die  länglich  ovalen  Flügeldecken  sind  vorn  und  hinten  ver- 
schmälert, der  Rücken  hoch  convex,  die  Naht  erhaben,  der  vordere 
Theil  niedergedrückt,  die  Seiten  vorn  fast  kielförmig  gerandet.  Die 
Ausrandung  nebst  der  Falte  am  Aussenrande  vor  der  Spitze  der 
Flügeldecken  ist  recht  deutlich. 

Der  Hinterleib  wird  von  den  Flügeldecken  ganz  bedeckt. 

An  den  Beinen  sind  die  verdickten  Schenkel,  hauptsächlich 
aber  die  stark  knieförmig  gebogenen  Mittelschienen  bemerkens- 
werth.  Die  Unterseite  der  Schenkel  ist  mit  einer  Doppelreihe  von 
Zähnchen  ausgerüstet;  die  Doppelreihe  geht  an  den  Vorderschenkeln 
fast  bis  zum  Grunde,  an  den  Mittelschenkeln  bis  zur  Mitte;  an  den 
Hinterschenkeln  ist  nur  das  apicale  Drittel  mit  einer  Doppelreihe 
von  Zähnchen  versehen.  Die  Mittelschenkel  sind  keulenförmig, 
dicker  als  die  übrigen.  Die  vorderen  Schienen  sind  gerade,  die 
mittleren  stark  gekrümmt,  die  hinteren  schwach  gebogen. 

Die  Mittelhüften  stehen  zapfenförmig  vor. 

Die  Schenkelringe  der  Hinterbeine  sind  in  einen  auffallend 
langen  Fortsatz  ausgezogen,  der  nach  hinten  zu  sehr  verdünnt,  nahe 
dem  Ende  hakenförmig  umgebogen  und  zugespitzt  ist. 

Die  Epimeren  der  Hinterbrust  sind  deutlich,  wie  bei  den 
Chläniern,  die  Mesosternalepimeren  schmal. 

Die  Vorderschienen  sind  im  apicalen  Drittel  schwach  ausgerandet. 

Die  Bildung  der  Ligula,  die  Zahl  der  Supraorbitalseten ,  der 
kurze  Schaft  der  Antennen,  das  Fehlen  von  Chätoporen  an  der 
Aussenseite  der  Mandibeln,  die  Grösse  des  Labrum,  die  drei  glatten 
Grundglieder  der  Antennen,  die  schmalen  Mesosternalepimeren,  die 
nicht  getrennten  Hinterhüften,  die  Bildung  des  Aussenrandes  der 
Flügeldecken;  —  alle  diese  Kennzeichen  sprechen  für  die  Zugehörig- 
keit von  Stuhlmannium  zu  den  Chläniinen,  denen  der  Käfer  habi- 
tuell keineswegs  ähnlich  ist. 

Die  neue  Gattung  weicht  von  den  eigentlichen  Chläniinen  durch 
die  Doppelreihe  von  Zähnchen  an  der  Unterseite  der  Schenkel  ab. 


60  H.  J.  Kolbe:    Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der 

Ausser  SUihlmannimn  giebt  es  noch  ein  eigenthümliches  Genus 
in  Afrika,  R/wpalomelus  Boh.,  welches  von  dem  Autor  Boheman 
zu  den  Sphodrinen  gestellt  wurde.  Ich  finde  aber,  dass  diese 
Gattung  zu  den  Chläniinen  gehört,  auf  Grund  derselben  Charaktere, 
welche  eben  für  Stuhlmannüim  angegeben  sind.  Bhopalomelus  hat 
nur  eine  entfernte  Aehnlichkeit  mit  den  typischen  Chläniern;  da 
aber  unter  diesen  eine  Anzahl  Arten  mit  sehr  schmalem  Prothorax 
und  längeren  Beinen  vorkommt,  so  sind  diese  wohl  am  ersten  mit 
Rhopalomelus  zu  vergleichen.  Stuhlmann  hat  nun  noch  einen 
zweiten  eigenartigen  Chläniinen  mitgebracht,  Parachlaenius  n.  g., 
der  auf  den  ersten  Blick  zu  den  Chläniinen  gehört,  jedoch  noch 
etwas  eigenartig  erscheint,  aber  in  allen  Charakteren  mit  diesen 
übereinstimmt.  Diese  Gattung  ist  ein  Bindeglied  zwischen  Rhopa- 
lomelus und  den  typischen  Chläniinen.  RJiopalomelus  vermittelt 
aber  zwischen  Stuhlmannium  und  Parachlaenius.  Wir  können  somit 
durch  eine  kettenförmige  Aufeinanderfolge  von  StMma7inium,  Rho- 
]>alomelus,  Parachlaenius  und  den  echten  Chläniinen  die  nächste 
Verwandtschaft  jener  Gattungen  mit  dieser  Gruppe  darthun.  Jene 
unterscheiden  sich  von  diesen  folgendermaassen : 

1.  Schenkel    an    der    Unterseite    doppelreihig    gezähnelt    oder 
crenulirt:     Stuldmannium,  Rhopalomelus  und  Parachlaenius. 

2.  Schenkel  an  der  Unterseite  glatt:  Chlaeniinae  genuinae. 

Bei  Parachlaenius  emini  finden  wir  fast  nichts  von  der  ab- 
sonderlichen Form  und  Bildung  des  Körpers  und  einzelner  Theile 
desselben,  wie  sie  uns  bei  Stuhlmannium  auffallen.  Jedoch  ver- 
binden sich  mit  dem  fast  normalen  Chläniertypus  des  Parachlaenius 
einzelne  Merkmale,  welche  zu  Rhopalomelus  und  Stuhlmannium  hin- 
überleiten, namentlich  die  Crenulirung  und  feine  Zähnelung  der 
Doppelleiste  an  der  Unterseite  aller  Schenkel,  die  Krümmung  der 
Mittelschienen,  das  vorgezogene,  am  Ende  abgestutzte  grosse  Labium, 
der  kurze  Scapus  der  Antennen,  die  etwas  robuste  Körperform. 
Gegenüber  dem  lang  zugespitzten  Lobus  der  hintersten  Trochanteren 
von  Stuhlmannium  und  Rhopalomelus  erscheint  derjenige  von  Para- 
chlaenius nicht  länger  als  bei  anderen  Chläniinen. 

Ueber  die  Organisation  des  Parachlaenius  emini  ist  im  Einzelnen 
noch  folgendes  mitzutheilen.  Die  Augen  sind  von  gewöhnlicher 
Grösse,  demnach  verhältnissmässig  viel  grösser  als  bei  Stuhlmannium. 
Die  Antennen  überragen  die  Basis  der  Flügeldecken  und  sind  vom 
4.  Gliede  an  braungelb  tomentirt.  Das  Mentum  ist  tief  ausgerandet, 
die  Seitenloben  sind  einander  parallel,  die  Mitte  der  Ausrandung  ist 
dreieckig  vorgezogen,  der  Vorsprung  an  der  Spitze  abgerundet.  Das 
Labium  ist  verlängert,  am  Ende  verbreitert,  abgestutzt,  an  der 
Vorderseite  mit  zwei  Borsten  versehen  und  an  der  Aussenseite  in 
der  Mitte  der  Länge  nach  gefurcht.  An  den  Lippentastern  ist  das 
2.  Glied  innenseitig  mit  mehreren  Borsten  besetzt.  An  den  Maxillar- 
tastern  ist  das  letzte  GKed,  wie  gewöhnlich  bei  den  allermeisten 
Carabiden,  länger  als  das  vorletzte.    Das  Labrum  ist  sehr  kurz  und 


faunistischen  Verhältnisse  des  centralafrikanischen  Seengebietes.         gl 

tief  ausgerandet.  Auch  das  von  der  Stirn  durch  eine  deutliche 
Naht  getrennte  Epistom  ist  vorn  ausgerandet;  die  Vorderecken  des 
Epistoms  sind  rechtwinklig.     Der  Hinterkopf  ist  nicht  verdickt. 

Der  Prothorax  erscheint  beinahe  quadratisch,  er  ist  ziemlich 
flach,  die  Scheibe  beiderseits  der  Mittelfurche  schwach  convex,  die 
Seiten  etwas  gerundet,  mit  der  grösseren  Breite  vor  der  Mitte.  Die 
Hinterecken  sind  rechtwinklig,  die  Ecken  selbst  aber  rundlich  ab- 
gestumpft; die  Seitenränder  sind  etwas  aufgerichtet.  Die  länglichen 
Flügeldecken  erscheinen  massig  convex;  die  feinen  Punktstreifen  sind 
eingedrückt,  die  Zwischenräume  schwach  convex  und  etwas  grob 
stichelig  punktirt. 

Die  an  der  Unterseite  der  Schenkel  deutlich  hervortretenden 
beiden  Längsleisten  sind  crenulirt  bis  schwach  gezähnelt;  an  den 
JVIittelschenkeln  findet  sich  ausserdem  ein  etwas  grösseres  Zähnchen 
unterseits  kurz  vor  der  Spitze,  an  dessen  Stelle  an  den  Hinter- 
schenkeln sich  nur  ein  kurzer  abgerundeter  Vorsprung  zeigt.  Die 
Vorderschienen  sind  gekrümmt,  der  Ausschnitt  an  der  Innenseite 
reicht  fast  bis  zur  Mitte;  der  obere  Sporn  dieses  bei  den  allermeisten 
Carabiden  vorhandenen  eigenthümlichen  Ausschnittes,  der  als  ein 
Reinigungsappara.t  für  die  Antennen  angesehen  wird*),  ist  massig 
umgeknickt  und  so  lang,  dass  er  die  Spitze  der  Schiene  etwas  über- 
ragt. Solchergestalt  kann  dieser  umgeknickte  Sporn  seinen  Zweck, 
als  Halter  an  dem  Reinigungsapparat  zu  dienen,  anscheinend  in 
verbesserter  Weise  erfüllen.  Auch  die  Mittelschienen  sind  etwas 
gekrümmt;  bei  Stuhlmcmnium  ist  die  Krümmung  aber  eine  viel 
stärkere. 

Der  Fortsatz  des  Trochanters  der  Hinterbeine  ist  ziemlich  lang 
und  gerade,  aber  nicht  in  eine  Spitze  ausgezogen,  sondern  stumpf- 
lich zugespitzt. 

Der  Körper  ist  von  schwärzlicher  Grundfärbung,  glänzend,  überall 
kurz  röthlichgelb  und  nicht  dicht  behaart;  die  Seitenränder  des 
Prothorax,  das  1.  Fühlerglied  und  die  Schenkel  sind  braun,  die 
Flügeldecken  dunkelviolett. 

Die  Länge  des  Körpers  beträgt  27  mm. 

Das  einzige  Exemplar  (augenscheinHch  ein  Weibchen,  da  die 
Vordertarsen  ganz  schmal  sind)  ist  gleichfalls  einer  der  schönen 
Funde  des  Dr.  Stuhlmann.  Es  wurde  am  1.  März  1891  bei 
Kafuro  in  der  Landschaft  Karague,  welche  sich  westhch  vom 
Victoria -See  ausdehnt,  gefunden. 

Zu  Stvhlmannium  mastodon  ist  noch  nachzutragen,  dass  der 
ganze  Körper  kohlschwarz  und  glänzend  ist;  die  Flügeldecken  sind 
an  den  Seiten  weniger  glänzend.  Am  Ende  der  Schienen,  z.  Th. 
auch  an  deren  Innenseite  befindet  sich  ein  Besatz  von  kurzen  röth- 


*)  Vergl.  H.  J.  Kolbe,  Einführung  in  die  Kenntniss  der  Insekten.    1893. 
S.  293. 


62  H.  J.  Kolbe:    Eiu  Beitrag  zur  Kenntniss  der 

liehen  Borsten.  Die  Antennen  sind  vom  4.  Gliede  an  braungelb 
tomentirt.  Die  beiden  vorliegenden  Exemplare  mögen  weiblichen 
Geschlechts  sein,  da  die  Vordertarsen  einfach  sind.  Es  giebt  aber 
unter  den  grossen  Carabiden  einige  Gattungen,  in  denen  ein  Ge- 
schlechtsunterschied in  der  Bildung  der  Tarsen  nicht  vorhanden  ist. 
Das  mag  auch  bei  Stuhlmannium  der  Fall  sein.  Da  nun  ein  Unter- 
schied in  der  Zahl  der  Chaetoporen  (borstentragende  Grübchen)  am 
letzten  freien  Abdominalsegmente  deutlich  ausgeprägt  ist,  so  halte 
ich  das  eine  schmächtigere  Stück,  an  welchem  vor  dem  Hinterrande 
dieses  Segments  jederseits  4  bis  5  in  einer  Reihe  stehende  Chäto- 
poren  und  eine  seitwärts  und  etwas  entfernt  stehende  Chätopore  zu 
erkennen  sind,  für  ein  männliches  Thier,  während  bei  dem  zweiten 
Stück,  welches  ich  für  ein  Weibchen  halte,  jederseits  vor  dem 
Hinterrande  des  Segments  nur  zwei  Chätoporen  und  eine  Anzahl 
unregelmässig  stehender  kleiner  Punkte  vorhanden  sind. 

Dr.  Stuhlmann  fand  diese  werthvolle  Art,  deren  Entdeckung 
den  besten  Resultaten  seiner  Forschungsreise  anzureihen  ist,  gleich- 
falls bei  Kafuro  in  Karague,  westlich  vom  Victoria-See,  und  zwar 
das  eine  Stück  ($)  am  6.,  das  andere  {$)  am  28.  März  1891.  Die 
Länge  der  beiden  Exemplare  beträgt  43  {S)  und  46  ($)  mm. 

Der  nächste  Verwandte  von  Stuhlmannium,  nämlich  der  Rhopa- 
lomelus  angusticollis  Boh.  aus  Natal,  erinnert  durch  die  einfache 
Form  der  Elytren  mehr  an  Parachlaenius\  dieselben  sind  indess 
noch  ziemlich  convex,  aber  nicht  so  wie  bei  Stuhlmannium.  Der 
Prothorax  des  Rhopalomelus  ist  länglich  und  schmal,  wie  bei  seinem 
grossen  Verwandten,  aber  nur  wenig  convex,  wie  bei  den  meisten 
Chläniinen.  Das  Labrum  ist  gleichfalls  gross,  der  Scapus  ziemlich 
kurz.  Die  Augen  sind  verhältnissmässig  viel  grösser  als  bei  Stuhl- 
mannium, also  wie  bei  Parachlaenius.  Dagegen  erinnert  der  Fort- 
satz der  hintersten  Trochanteren  durch  die  ausgezogene  und  etwas 
gebogene  Spitze  an  die  mehr  vollendete  Ausbildung  bei  Stuhlmannium. 
Auch  sind  die  Mittelschienen  gekrümmt,  aber  schwächer.  Dagegen 
ist  das  letzte  Glied  der  Maxillarpalpen  länger  als  das  vorletzte; 
es  sind  jedoch  die  beiden  letzten  Glieder  durch  die  auffallende 
Keulenform  ausgezeichnet. 

Absonderlichkeiten  in  seiner  äusseren  Organisation  theilt  Stuhl- 
mannium mit  Hypocephalus  armatus  Brasiliens.  Da  solche  Ab- 
sonderlichkeiten mit  zunehmender  Körpergrösse  sich  ausbilden,  so 
sehen  wir  in  Rhopalomelus  eine  Vorstufe  zu  Stuhlmannium. 

Bei  Stuhlmannium  besteht  eine  Eigenthümhchkeit  darin,  dass 
man  auf  den  ersten  BHck  nicht  sagen  kann,  zu  welcher  engeren 
Gruppe  der  Carabiden  diese  Gattung  gehört.  Das  gilt  auch  von 
Rhopalomelus. 

Die  eben  besprochenen  Gattungen  Stuhlmannium,  Rhopalomelus 
und  Parachlaenius  gehören  nun,  wie  mitgetheilt,  zu  den  Chläniinen, 
einer    Gruppe    der    Carabiden,    welche    von    allen    Gruppen    dieser 


faunistischeii  Verhältnisse  des  centralafrikaiiischeu  Seengebietes.         63 

Familie  in  dem  äthiopischen  Gebiet  am  formenreichsten  vertreten 
ist.  Zugleich  sind  die  Chläniinen  in  keinem  anderen  zoogeographischen 
Gebiet  so  reichlich  und  mannigfaltig  vorhanden,  wie  eben  in  dem 
äthioj)ischen.  Es  sind  jetzt  15  Gattungen  und  etwa  230  Arten  dieser 
Gruppe  aus  diesem  Gebiet  bekannt,  welche  über  alle  Untergebiete 
ziemlich  gleichmässig  verbreitet  sind.  In  dieser  Beziehung  stehen 
die  Chläniinen  zu  anderen  Carabidengruppen  in  Gegensatz.  So  z.  B. 
kommen  von  der  artenreichen  Gruppe  der  Anthiinen  nur  vereinzelte 
Arten  im  westafrikanischen  Waldgebiete  vor,  während  die  grosse 
Masse  (über  130  Species)  sich  über  Ost-  und  Südafrika  vertheilt.  Von 
den  echten  Panagäinen  leben  umgekehrt  die  allermeisten  Arten 
in  Westafrika,  während  Teflus  in  Ostafrika  sehr  überwiegt. 
Betrachten  wir  aber  die  Carabiden  des  äthiopischen  Gebiets  im 
Ganzen,  so  finden  wir,  dass  die  grossen  Formen,  und  zwar  in 
grösserer  Zahl,  auf  Süd-  und  Ostafrika  fallen  und  namentlich  von 
den  Gattungen  Scarites,  Ilaplotrachelus,  Passalidms^  Macromorphus^ 
Anthia,  Baeocßossa ,  Polyhirma,  Tefflvs  u.  a.  gestellt  werden.  Nur 
vereinzelte  grosse  Carabiden  konmien  im  westafrikanischen  Unter- 
gebiet vor,  z.  B.  einzelne  Arten  von  Ochyropiis,  Anthia  und  Scarites. 
Da  die  Nahrungsverhältnisse  in  den  grossen  Steppengebieten  Ost- 
und  Südafrikas  ganz  andere  sind,  als  in  den  Walddistrikten  West- 
afrikas, so  dürften  wir  hierin  den  Grund  sehen,  aus  welchem  die 
grossen  Carabiden,  welche  alle  als  räuberische  Fleischfresser 
anzusehen  sind,  zumeist  in  Ost-  und  Südafrika  so  reich  vertreten 
sind. 

Die  grössten  Coleopteren  des  äthiopischen  Gebietes  überhaupt  sind 
jedoch  auf  Westafrika  (vom  Kongo-Gebiet  bis  einschliesslich  Ober- 
Guinea)  beschränkt,  sieleben  sämmtlich  von  vegetabilischen  Stoffen 
und  gehören  zu  den  Cerambyciden,  Lucaniden,  Cetoniiden,  Dynastiden. 
Unter  den  von  Stuhlmann  im  nördlichen  Seen-Gebiet  aufgefundenen 
Käfern  ist  nur  ein  kleiner  Theil  der  grösseren  Formen  dieser 
Famüien  vorhanden;  gerade  die  grössten,  nämlich  Arten  von  Oma- 
cantha,  Batocera,  Mesotopns,  (roliathus,  Mecynorrliina  und  Augo- 
soma  fehlen.  Wir  müssen  es  weiteren  Forschungen  überlassen,  noch 
etwa  vorhandene  Lücken  auszufüllen. 


Die 
Entwicklungsgeschichte  und  der  anatomische 
Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe). 


Von 

Johannes  Emil  Schmidt. 


Hierzu  Tafel  VI. 


Die  Entwicklungsgeschichte  der  cysticerkoiden  Tänien  war  bis 
vor  kiirzem  so  gut  wie  unbekannt.  Diese  lange  Unkenntnis  erklärt 
sich  in  der  Hauptsache  wohl  aus  den  mannigfaltigen  Schwierigkeiten, 
welche  einer  Untersuchung  dieses  Gegenstandes  entgegenstehen.  Von 
dem  bei  weitem  grössten  Teile  der  betreffenden  Tänien  kennt  man 
ja  bis  jetzt  weder  den  Zwischenwirt,  noch  den  zugehörigen  Cysticer- 
koiden, geschweige  denn  die  Entwicklung  des  letzteren.  Alles,  was 
wir  bis  in  die  neuste  Zeit  herein  von  der  Entwicklung  der  Cysticer- 
koiden wussten  und  vermuten  konnten,  basierte  in  der  Hauptsache 
nur  auf  einem  Analogieschluss ,  auf  dem  Vergleich  mit  der  durch 
Leuckarts  Untersuchungen  zuerst  eingehend  bekannt  gewordenen 
Entwicklungsgeschichte  der  Cysticerken,  höchstens  noch  auf  der 
Kenntnis  einiger  weniger,  aber  völlig  zusammenhangloser  Zwischen- 
formen, welche  der  Zufall  gerade  geboten  hatte.  Erst  neuerdings 
haben  wir,  nachdem  Melnikoff  und  Leuckart  in  der  Hundelaus 
den  Cysticerkoiden  der  Taenia  elliptica  Batsch  (=  cucumerina 
Rudolphi)  entdeckt  hatten  und  die  Untersuchung  für  diese  Form  so- 
mit wesentlich  erleichtert  war,  durch  Grassi  und  Rovelli^)  näheres 
über  den  Entwickhmgsverlauf  eines  Cysticerkoiden,  eben  der  Taenia 
elliptica,  erfahren.  Vorliegende  Arbeit,  die  auf  den  Rat  meines 
hochverehrten  Lehrers  Prof.  Leuckart  in  dessen  Laboratorium 
unternommen  wurde,  lehrt  uns  die  Entwicklung  einer  zweiten,  von 
jener  in  mehreren  Stücken  abweichenden  Form  kennen,  die  Ent- 
wicklung der  Taenia  anatina  Krabbe. 

Schon  als  ich  meine  ersten  Versuche  anstellte,  die  zum  Zwecke 
hatten,  der  Entwicklung  einer  der  fünf  Tänienformen,  welche  nach 
Krabbe 2)  bei  unsern  Hausenten  gefunden    werden,    mit  Hilfe  des 


1)  Ricerche  Embrioligiche  Sui  Cestodi.  Memoria  del  Prof.  B.  Grassi  e  del 
Dr.  G.  Rovelli,  Catauia  1892. 

-)  Krabbe,  Bidrag  til  Kundskab  ora  Fuglenes  Baendelorme ,  Kjobenbavn 
1869;  Nye  Bidrag,  1882. 

Aich.  f.  Natuigesch.  Jahrg.1894.  Bd.L  H.2.  5 


66  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

Experiments  nachzuspüren,  machte  mich  Herr  Geheimrat  Leuckart 
darauf  aufmerksam,  dass  ihm  bei  seinen  Infectionsversuchen  einst 
in  Cypris  ovata  die  ausgeschlüpften  Embryonen  einer  dieser  Tänien 
begegnet  seien.  Obwohl  ich  nun  mit  gar  verschiedenen  Tieren, 
welche  hier  nach  Mräzeks^)  und  Hamanns 2)  Funden  in  Frage 
kommen  konnten  (Cyclops,  Gammarus ,  Asellus) ,  meine  Experimente 
anstellte,  behielt  ich  doch  ganz  besonders  die  Cypris  im  Auge,  zu- 
mal auch  die  Beobachtungen  von  Mrazek  auf  dieses  Genus  mit 
hinwiesen.  Mancher  Versuch  misslang,  wie  mich  meine  späteren 
Erfahrungen  lehrten,  wohl  deshalb,  weil  ich  nicht  die  gehörige  Menge 
von  Eiern  zur  Infection  verwendet  hatte.  Die  kleineren  Cyprisarten, 
welche  man  häufig  bei  uns  findet,  boten  wenig-  Aussicht.  Bei  Cyclops 
fand  ich  allerdings  einmal  den  Cysticerkoiden  von  Taenia  gracilis 
Zeder,  welchen  Mräzek  vor  mir  ebenfalls  bei  Cyclops  gefunden  und 
ausführlich  beschrieben  hat,  aber  die  zur  Infektion  benutzten  Würmer 
lieferten  trotzdem  ein  negatives  Resultat  Da  gelang  es  mir  endhch, 
in  der  oben  erwähnten  Cypris  ovata  Jur.,  den  Cysticerkoiden  von 
Taenia  anatina  Krabbe  zu  züchten,  eine  Form,  welche  in  ihrem  aus- 
gebildeten Jugendzustande  ebenfalls  schon  von  Mräzek 3)  beschrieben 
worden  ist.  Auch  letzterer  fand  den  Cysticerkoiden  bei  einer  Cypris, 
und  zwar  bei  Cypris  compressa  Baird  u.  incongruens  Ramd.,  sodass 
wir  drei  Cyprisarten  als  Finnenträger  von  Taenia  anatina  konstatieren 
können.  Bei  Cjpris  compressa  sind  von  Mräzek  ausserdem  noch  die 
Cysticerkoiden  zweier  anderer  Ententänien,  der  Taenia  coronula  Duj. 
und  T.  gracilis  Zeder,  aufgefunden  worden.  Bei  Cyclops  und  Gam- 
marus habe  ich  immer  vergeblich  nach  der  Finne  von  T.  anatina 
gesucht;  es  scheint  sich  also  der  Parasitismus  dieser  Art  ausschliesslich 
auf  die  Gattung  Cypris  zu  beschränken.  Bei  Cypris  ovata  gelang 
die  Infektion  aber  mit  unfehlbarer  Sicherheit.  Während  des  Sommers 
ist  mir  in  meinen  Zuchten  nicht  ein  einziges  Exemplar  vorgekommen, 
das  nicht  inficiert  gewesen  wäre  —  freilich  waren  es  auch  immer 
ganz  gehörige  Portionen  Eier,  welche  bei  dem  Experimente  zur  Ver- 
wendung gelangten. 

Die  Eier  von  T.  anatina  (in  Figur  1  abgebildet)  sind  nach 
ihrer  äussern  Form  und  Grösse  bereits  durch  das  Krabbe'sche 
Sammelwerk  bekannt  und  daselbst  in  ihrem  äussern  Umrisse  richtig 
abgebildet^).  Der  Embryo  ist  von  drei  Häuten  umgeben.  Das  ganze 
Ei  ist  0,125—0,175  mm  gross  und  besonders  durch  seine  charakte- 
ristische Form  leicht    von    den  Eiern  der    übrigen  Ententänien    zu 


1)  Mräzek,  1)  Die  Cysticerkoiden  iinserer  Süsswassercrustaceen  in:  Sitz. 
Ber.  Böhm.  Ges.  Wiss.  1890,  1.  Band  p.  226—248,  in  böhm.  Sprache.  2)  Unter- 
suchungen über  die  Entwicklung  einiger  Vogeltänien,  ibid.  1891,  1.  Bd.  p.  97  bis 
131,  böhmisch,  Auszug  französisch. 

'-)  Hamann,  Jenaische  Zeitschrift  f.  Naturwissensch.  Band  XXIV  u.  XXV, 
1890  u.  1891. 

^)  L.  c.  Nr.  2  (vom  Jahre  1891). 

*)  L  c.  Tafel  VI,  Figur  116. 


uml  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  67 

unterscheiden.  In  Anpassung  an  die  Gestalt  der  Proglottiden  von 
T.  anatina,  welche  sehr  kurz  sind,  also  die  Gestalt  eines  sehr  niedrigen 
Trapezes  haben,  sind  auch  die  Eier  von  länglicher  Form,  länglich- 
elliptisch, nicht  kugelig  oder  kreisrund  im  Durchschnitt,  wie  sonst 
bei  den  allermeisten  Tänien.  Die  äussere  Eihaut  ist  sehr  dünn, 
vollständig  durchsichtig,  spröde  und  strukturlos,  wie  bei  andern 
Tänieneiern.  Die  mittlere  der  drei  Eihäute  aber  zeigt  auf  ihrer 
Obertiäche  eine  äusserst  feine  Punktierung,  welche  sich  auf  dem 
optischen  Querschnitte  durch  die  Mitte  des  Eies  als  eine  sehr  feine 
Strichelung  erweist  und,  nach  ihren  optischen  Eigenschaften  zu 
schliessen,  von  feinen  Stäbchen  herrührt,  welche  diese  mittlere 
Membran  durchsetzen  —  ganz  analog  den  Eiern  vieler  Blasenband- 
würmer. Im  Innern  dieser  mittleren  Haut  sind  helle,  kugelige  Zellen 
sichtbar,  zwischen  denen  kleinere  und  grössere  fettartig  glänzende 
Körnchen  und  Tröpfchen  verstreut  liegen.  Auch  die  dritte,  innere 
Membran,  welche  den  Embryo  unmittelbar  umgiebt,  sowie  der  Embryo 
selbst  enthalten  diese  stark  lichtbrechenden  Körner  und  Tröpfchen. 
Doch  besitzt  diese  dritte,  innere  Haut,  wie  aus  der  Abbildung  Krabbes 
schon  ersichthch,  nicht  mehr  die  elliptische  Gestalt  der  beiden 
äussern  Eischalen,  sondern  verengt  sich  an  der  Stelle,  wo  sie  den 
Embryo  überragt,  plötzlich  nach  beiden  Seiten.  Der  Embryo  selbst 
besitzt  wieder  die  länglich -elliptische  Form.  Seine  Länge  beträgt 
etwa  den  dritten  Teil  von  der  Länge  des  ganzen  Eies  (0,05 — 0,06  mm); 
die  sechs  Embryonalhäkchen  sind,  Avie  auch  Krabbe  angiebt,  0,010 
bis  0,011  mm  lang.  Manchmal  sieht  man  sie  in  deutlicher  Bewegung. 
Der  Enibryonalkörper  besteht,  abgesehen  von  den  schon  erwähnten 
fettartig  glänzenden  Einlagerungen,  meist  aus  einer  homogenen  Masse ; 
jedoch  kann  man  bei  vielen,  wahrscheinlich  jüngeren  Eiern  noch 
ziemlich  deutlich  ihre  Zusammensetzung  aus  kugeligen  Zellen  er- 
kennen. Die  Resistenzfähigkeit  der  Eier  ist  ziemlich  gross.  Nach 
meinen  Beobachtungen  können  die  Eier  bis  drei  Wochen  im  Wasser 
liegen,  ohne  ihre  Entwicklungsfähigkeit  einzubüssen. 

Cypris  ovata  Jur.,  in  welcher  in  unseim  Falle  die  Eier  zur 
Weiterentwicklung  gelangen,  ist  einer  unsrer  grössten  Muschelkrebse 
(2,25 — 2,75  mm  gross),  von  dunkel-  bis  blaugrüner,  selten  hellgrüner 
Farbe  und,  wie  schon  der  Name  sagt,  von  ovaler  Gestalt.  Sein 
Aufenthaltsort;  schattige  Tümpel  und  Teiche,  sowie  seine  Nahrung, 
faulende  Tier-  und  Pflanzenstoffe,  machen  es  begreiflich,  dass  gerade 
er  und  seine  Verwandten  die  Zwischenträger  für  die  Parasiten  der 
Enten,  und  unter  ihnen  gerade  wieder  der  Ententänien  sind.  Die 
Art  und  Weise  und  die  verschiedenen  Möglichkeiten  der  Infection 
sind  bekannt  genug.  Dass  die  Umstände,  trotz  der  von  vornherein 
vielleicht  gering  erscheinenden  Wahrscheinlichkeit,  dennoch  oft  genug 
eine  Infection  auch  in  der  freien  Natur  herbeiführen,  beweist  das 
relativ  häufige  Vorkonmien  der  T.  anatina  bei  den  Enten  —  und 
doch  werden  nicht  alle  inficierten  Cypriden  von  Enten  gefressen  1 
Dass  übrigens  die  Verbreitung  der  Cysticerkoiden  in  Wirklichkeit 
nicht  so  gering  ist,  wie  man  gewöhnlich  glaubt,  beweist  u.  a.   die 

5* 


68  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

Thatsache,  dass  Mrazek  in  der  Umgegend  von  Piibram  unter  den 
dortigen  Cyclopskrebsen  sogar  förmliche  Finnenepidemien  beobachtet 
hat:  80  Prozent  der  von  ihm  eingefangenen  und  untersuchten  Cyklopen 
erwiesen  sich  als  inficiert.  Meist  kommt  die  T.  anatina  bei  den 
Enten  auch  nicht  einzeln  vor,  sondern  fast  immer  in  mehreren  Ex- 
emplaren, welche  dann  zumeist  auch  auf  gleicher  oder  annähernd 
gleicher  Entwicklungsstufe  stehen,  was  uns  wiederum  schliessen  lässt, 
dass  vielleicht  auch  schon  der  Zwischenträger,  die  Cypris,  mehrere 
Finnen  beherbergt  und  gleichzeitig  zur  Entwicklung  bringt.  Dies 
wird  auch  durch  die  Befunde  Mräzeks  bestätigt,  welcher  in  seinen 
aus  der  freien  Natur  stammenden  Cypriden  meist  mehrere  (bis  fünf) 
Cysticerkoiden  beisammen  fand,  noch  augenfälliger  aber  durch  meine 
Experimente.  Ich  habe  fast  immer,  allerdings  nur  im  Sommer,  die 
Finnen  in  bedeutender  Anzahl  gefunden  —  nur  im  Winter  in  ein- 
zelnen oder  wenigen  Exemplaren  — :  in  extremen  Fällen  über 
dreissig  Stück  beisammen,  gewöhnlich  aber  zwischen  zehn  und 
zwanzig  Stück,  was  in  Anbetracht  der  geringen  Grösse  des  Muschel- 
krebses doch  ganz  bedeutende  Zahlen  sind. 

Nicht  immer  befanden  sich  übrigens  die  einzelnen  Exemplare 
der  in  einem  Krebs  gefundenen  Finnen  auf  gleicher  Entwicklungsstufe. 
Die  am  weitesten  entwickelten,  event.  reifen  Individuen  waren  ge- 
wöhnlich freilich  in  der  Mehrzahl,  daneben  aber  fanden  sich  fast 
regelmässig  noch  weniger  weit  entwickelte,  manchmal  sogar  ganz 
junge  Parasiten,  Wenn  Grassi  und  Rovelli  für  ihre  Art  (T.  elliptica) 
das  Gegentheil  behaupten^),  so  scheint  das  allerdings  gegen  meinen 
Befund  zu  sprechen,  aber  es  scheint  nur  so;  denn  in  Wirklichkeit 
sind  auch  den  italienischen  Beobachtern  —  und  das  stört  die  Klar- 
heit ihrer  Abhandlung  ungemein  —  fast  bei  jedem  ihrer  „sieben 
Stadien"  Individuen  untergelaufen,  welche  entweder  in  das  vorige 
oder  auch  in  das  spätere  Stadium  hinübergehören,  von  ihnen  aber 
über  andere  Stadien  verteilt  sind.  Mag  sich  in  unserm  Falle  diese 
Verschiedenheit  der  Entwicklunghöhe  teilweise  auch  durch  eine  etwas 
verschiedene  Zeit  der  Infektion  erklären,  so  reicht  doch  diese  An- 
nahme zur  Erklärung  der  beobachteten  Thatsachen  nicht  aus.  Auch 
der  grösste  zeitliche  Abstand,  welchen  ich  auf  Grund  meiner  Ex- 
perimente zwischen  der  ersten  und  letzten  Infektion  hätte  annehmen 
können,  entsprach  nicht  immer  den  Abständen,  welche  sich  in  der 
Entwicklungshöhe  der  Individuen  vorfanden.  Vielleicht  sind  es  die 
verschieden  günstigen  Lagen-  und  dadurch  bedingten  verschiedenen 
Raum-  und  Ernährungsverhältnisse  innerhalb  des  Wirtsleibes,  welche 
eine  verschiedene  Schnelligkeit  der  Entwicklung  bedingen.  Ebenso 
mag  auch  für  die  Zahl  der  Finnen,  welche  der  Wirt  zur  Entwicklung 
bringt,  der  Grad  seines  Wohlbefindens  und  seiner  Wohlgenährtheit 
bestimmend  sein.  Dies  geht  mit  Evidenz  schon  daraus  hervor,  dass 
während  der  kälteren  Jahreszeit  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen 
durchweg  weniger  Eier  von  einem  Tiere  zur  Entwicklung  gebracht 


1)  L.  c.  p.  23. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  69 

wurden.  Aehnliche  Verhältnisse  finden  wir  ja  auch  bei  den  Wirten 
der  Blasenbandwürmer.  Ein  Umstand  freilich  wird  bei  diesen  warm- 
blütigen Wirten  niemals  mit  dieser  Auffälligkeit  zur  Beobachtung 
kommen  können,  wie  hier  bei  unserm  wechselwarmen  Krebse,  nämhch 
der  ganz  evidente  Einfluss  der  Jahreszeit,  also  der  Temperatur. 
Während  sich  im  Sommer  der  ganze  Wachstumsprocess  des  Embryos 
bis  zum  reifen  Cysticerkoiden  in  zwei  Wochen  abspielt,  verlangte 
dieser  selbe  Process  während  des  Spätherbstes  über  fünf  Wochen, 
also  fast  das  Dreifache  der  ZeitI  Die  meisten  der  inficierten  Tiere 
gingen  auch  während  dieser  Zeit,  spätestens  nach  vier  Wochen  zu 
Grunde;  nur  ein  einziges  Tier  konnte  ich  so  lange  erhalten,  bis  es 
die  Finne  zur  vollständigen  Reife  entwickelt  hatte.  Doch  hat  man 
noch  kein  Recht,  hieraus  zu  schliessen,  dass  die  frühzeitig  gestorbenen 
Tiere  direkt  an  dem  „Finnenleiden"  krepiert  seien.  Im  Gegenteil 
deuten  alle  Anzeichen  darauf  hin,  dass  die  Wirte  durch  ihre  Insassen 
nicht  alLzu  stark  afficiert  werden.  Anscheinend  befinden  sie  sich 
leidHch  wohl,  wofür  ausser  ihrer  Munterkeit  auch  der  Umstand  zu 
sprechen  scheint,  dass  die  Weibchen  ihre  Eier  ganz  ungestört  zur 
Reife  bringen,  was  bei  Cyclops,  wie  Mräzek  angiebt  und  was  auch 
ich,  allerdings  nur  auf  Grund  weniger  Beobachtungen,  bestätigen 
kann,  nicht  der  Fall  ist.  Freilich  erklärt  sich  die  Thatsache,  dass 
inficierte  weibHche  Cyklopen  keine  Eier  haben,  wahrscheinhch  dadurch, 
dass  bei  ihnen,  die  zum  Teil  ja  noch  kleiner  sind  als  unsere  Cypris, 
die  Cysticerkoiden  gerade  an  Stelle  der  Eierstöcke  zu  liegen  kommen. 
Im  übrigen  konstatiert  auch  Mräzek  von  seinen  Cyklopen  und 
Cypriden,  dass  diese  sich  ganz  wohl  befanden  und  sich  lange  im 
Aquarium  halten  Hessen.  Bei  unserer  Cypris  liegen  die  Finnen  meist 
direkt  über  dem  Darm,  unmittelbar  unter  der  Schale,  nur  von  dieser 
und  der  Epidermis  überdeckt.  Natürlich  jedoch,  dass  sich  die 
Cysticerkoiden  beim  Vorhandensein  einer  grösseren  Anzahl  durch  die 
ganze  Leibeshöhle  verteilen  und  überall  einzwängen.  Niemals  aber 
sind  sie,  wie  sich  auf  Schnitten  und  beim  Freipräparieren  zeigt,  durch 
eine  vom  Wirte  aus  gebildete  Bindegewebshülle  umschlossen ;  sie  liegen 
stets  vollständig  frei  im  Tiere,  und  zwar,  wie  bemerkt,  in  der  Rücken- 
gegend, sodass  sie  beim  Trennen  der  beiden  Schalenhälften  meist 
von  selbst  herausfallen.  Ganz  unter  den  nämHchen  äussern  Ver- 
hältnissen hat  auch  Mräzek  seine  Cysticerkoiden  gefunden. 

Wie  die  entwicklungsgeschichtliche  Untersuchung  naturgemäss  fast 
immer  mit  der  Auffindung  und  dem  Studium  des  ausgebildeten  Tieres 
beginnt,  so  wollen  wir  auch  in  unserer  Darstellung  der  Entwicklungs- 
geschichte, des  allgemeineren  Verständnisses  wegen,  von  der  Be- 
schreibung des  reifen  Cysticerkoiden  ausgehen.  Auch  historisch 
haben  sich  unsere  Kenntnisse  wie  in  anderen  Fällen,  so  auch  hier, 
in  dieser  Weise  entwickelt.  Hat  doch,  wie  erwähnt,  bereits  Mräzek 
den  Cysticerkoiden  unseres  Bandwurms  als  ausgebildetes  Tier  gefunden, 
beschrieben  und  abgebildet  i).  Seine  Darstellung  werden  wir  daher 
in  folgendem  vergleichend  heranziehen  müssen. 


0  L.  c.  Tafel  2. 


70  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

Der  Cysticerkoid  von  T.  anatina  gehört  zu  jenen  geschwänzten 
Formen,  deren  Zahl  besonders  durch  neuere  Funde  beträchtlich  ver- 
mehrt ist  und  deren  Aehnlichkeit  mit  den  Cercarien  der  Trematoden 
schon  oft  hervorgehoben  worden  ist.  So  wie  wir  ihn  meistens  im 
Körper  des  Wirtes  finden  und  wie  ihn  auch  Mräzek  abgebildet  hat, 
also  im  vollständig  entwickelten  Zustande,  besteht  er  aus  einem 
ovalen  oder  auch  elliptischen,  nahezu  kugeligen  „Körper",  welcher 
in  sich  den  Scolex,  den  „Kopf"^  des  Bandwurms  samt  Hakenkranz 
und  Saugnäpfen,  enthält,  und  aus  dem  Schwänze,  welcher  dem  Körper 
ansitzt  wie  der  Stiel  dem  Apfel.  Gleich  diesem  ist  derselbe  in  eine 
trichterförmige  Vertiefung  eingesenkt,  durch  welche  er  direkt  in  das 
innere  Parenchym  des  Körpers  übergeht  (Fig.  A).  Diesem  hintern 
vertieften  Ende  gegenüber,  am  vordem  Körperpole,  befindet  sich  eine 
zweite  ganz  ähnliche  Einsenkung,  der  „Blüte"  des  Apfels  vergleichbar 
—  der  Körper  sieht  unter  dem  Mikroskop  in  der  That  recht  apfel- 
ähnlich aus  —  eine  Grube,  welche  jeder  einigermassen  mit  den 
Verhältnissen  Vertraute  sogleich  als  die  ,, Einstülpungsstelle"  deuten 
wird.  Mräzek  sagt  in  seiner  ersten  Arbeit  von  dieser  Stelle  aus- 
drücklich, dass  sich  hier  der  Körper  eingestülpt  habe,  ,,um  den  Kopf 
zu  bilden."  Die  Breite  des  Cysticerkoidenkörpers  beträgt  0,19  bis 
0,20  mm,  seine  Länge  0,21  — 0,23  mm,  sodass  man  die  Tierchen  eben 
noch  mit  blossem  Auge  als  feine  Körnchen  erkennen  kann.  Der 
Schwanz  ist  3V2— 4Mal  länger  als  der  Körper,  also  0,70 -0,80  mm 
lang;  das  ganze  Tier  misst  demnach  etwa  1mm.  Mräzek,  welcher 
in  den  zwei  verschiedenen  Cyprisarten  auch  die  Finnen  von  ver- 
schiedener Grösse  fand,  giebt  für  die  kleineren  0,25  mm  als  Durch- 
messer und  für  die  grösseren  sogar  0,40 — 0,43  mm  als  Länge  des 
Körpers  an.  Schon  diese  Abweichungen  zeigen  deutlich,  dass  die 
Grösse  des  Cysticerkoiden  individuell  und  ausserordentlich  variabel 
ist  und  namentlich  —  wie  dies  noch  deutUcher  bei  den  Arten  her- 
vortritt, welche  sowohl  in  den  kleinen  Cyklopen  wie  in  dem  grösseren 
Gammarus  schmarotzen  —  durch  die  Grössenverhältnisse  des  Wirts 
und  die  Platzverhältnisse  in  demselben  bedingt  wird.  Ebenso  vari- 
abel, darum  auch  nebensächlicher  sind  einige  andere  Charaktere, 
denen  Mräzek  allerdings  durchweg  eine  grosse  Wichtigkeit  beüegt, 
die  er  mit  grösster  Peinlichkeit  und  Ausführlichkeit  registriert  und 
denen  wir  deshalb  noch  einige  Aufmerksamkeit  schenken  müssen. 
Die  Farbe  des  Cysticerkoiden,  welche  in  der  Regel,  von  der  wasser- 
hellen, völHg  durchsichtigen  Cuticula  des  Körpers  abgesehen,  gelblich 
in  wechselnden  Schattierungen  ist,  hält  er  für  so  wichtig,  dass  er  sie 
in  dem  Resume,  welches  seiner  sonst  czechisch  geschriebenen  Ab- 
handlung beigefügt  ist,  als  wesentliches  Artenmerkmal  ausführlich 
beschreibt  1).    Es  ist  klar,  dass  wir  in  diesen  abweichenden  Färbungen 


^)  L.  c.  p.  128:  La  couche  peripherique  d'ailleui's  hyaline  (=  unsere  Cuti- 
cula) est  dans  cette  espece  dune  couleur  rouge-jaune,  de  meme  comme  l'appen- 
dice  caudal.  Le  corps  qui  reste  outre  les  quatre  ventouses,  qui  sont  d'une 
couleur  brune,  est  päle-jaunätre. 


uiitl  der  anatomische  Bau  der  Taeiiia  anatina  (Krabbe).  71 

(der  rotgelben  Farbe  der  Cuticula  und  des  Schwanzes,  welcher  sonst 
weisslich  aussieht)  lediglieh  eine  zufällige  Modification,  vielleicht 
durch  die  jeweilige  Nahrung  des  Wirtes  verursacht,  vor  uns  haben. 
Nichtsdestoweniger  ist  Mräzek  geneigt,  die  Farbe  nicht  blos  als 
wesentlichen  Artunterschied  zu  betrachten,  sondern  ihr  sogar  eine 
,, phylogenetische  Bedeutung"  beizumessen.  Ebenso  sieht  er  die  etwas 
vieleckige,  weniger  gerundete  Form  der  Cysticerkoiden  von  T.  coronula 
als  das  siclierste  Kennzeichen  und  Unterscheidungsmerkmal  dieser 
Art  an,  was  sie  aber  scliwerlich  ist,  da  ich  auch  bei  den  Cysticer- 
koiden von  T.  anatina  nicht  bloss  Formen  von  verschiedener  Rundung 
(der  grösste  Durchmesser  bald  mehr  in  der  Mitte,  bald  mehr  dem 
hintern  Ende  zu  gelegen),  sondern  auch  entschieden  „vieleckige"  u. 
,,buckHge"  Individuen  beobachtet  habe,  deren  Gestaltänderung  durch 
Aveiter  nichts  verursacht  war,  als  durch  Konzentrationsänderungen 
der  umgebenden  Flüssigkeit  (es  wurde  meist  physiologische  Kochsalz- 
lösung verwendet),  welche  die  Cysticerkoiden  zu  Kontraktionen  reizten. 
Vielleicht  sind  auch  die  Formen,  denen  er  als  wesentliches  Merkmal 
die  Abplattung  zuschreibt  (deren  Querschnitt  nicht  einen  Kreis, 
sondern  eine  sehr  flache  Ellipse  bildet  —  T.  fasciata  Krabbe),  nur 
als  individuelle  Abweichungen  zu  betrachten  oder  noch  wahrscheinlicher 
durch  den  Druck  des  Deckgläschens  oder  ähnliche  Umstände  zu  er- 
klären. Auch  der  Lage  und  den  räumlichen  Anforderungen  des 
Kopfes,  welcher,  wie  Mräzek  bei  andern  Cysticerkoiden  richtig  be- 
merkte, den  Innenraum  manchmal  vollständig  ausfüllt,  manchmal 
auch  nicht,  so  dass  innerhalb  des  Körpers  ein  freier  Spaltraum  übrig 
bleibt,  misst  unser  Autor  eine  gewisse  Bedeutung  bei,  indem  er  daran 
die  Vermutung  knüpft,  dass  diejenigen  Tiere,  deren  Kopf  den  Innen- 
raum vollständig  ausfüllt,  älter  und  weiter  entwickelt  seien  als  die 
andern.  Gerade  betreffs  dieses  Punktes  werden  wir  später  sehen, 
wie  nebensächhch  und  zufällig  diese  Verschiedenheiten  und  wie  völlig 
irrig  besonders  diese  Deutungsversuche  sind.  Nur  die  Entwicklungs- 
geschichte kann  uns  zeigen,  welche  Eigenschaften  die  wesentlichen 
und  stabilen,  welche  die  nebensächlichen  und  variabeln  sind.  Aber 
die  Entwicklungsgeschichte  blieb  Mräzek  unbekannt. 

Wichtiger  für  uns,  da  sie  uns  Aufschluss  über  das  Wesen  des 
Cysticerkoidenkörpers  versprechen,  sind  die  verschiedenen  Schichten, 
aus  denen  diese  tierische  Kapsel  zusammengesetzt  erscheint  und 
welche  auch  Mräzek  ausführhch  beschreibt,  allerdings  ohne  sie 
richtig  zu  deuten.  Soviel  haben  wir  bereits  gesehen,  dass  wir  an 
dem  Körper  zwei  Teile  unterscheiden  müssen:  den  Scolex  im  Innern 
und  die  ihn  umgebende  Cyste.  Vier  Schichten  sind  es,  welche  die 
Wand  derselben  bilden.  Die  äussere  ist  die  schon  erwähnte  glashelle, 
völlig  durchsichtige  und  darum  fast  unsichtbare  Cuticula.  Sie  besitzt 
eine  verhältnismässig  ziemlich  beträchtliche  Dicke  (0,007 — 0,008  mm, 
Mräzek  giebt  0,013  mm  an),  ist  aber  ohne  Porenkanäle.  Sie  ist 
dieselbe  Schicht,  welche  Mräzek  in  seinem  bereits  angezogenen 
Resume  die  ,, peripherische,  sonst  hyaline"  Schicht  nennt,  welche  bei 
unserer  Species  aber  rotgelb  gefärbt  sei.     Die  Deutung  als  Cuticula, 


72  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

welche  sich  schon  bei  von  Linstow  findet,  weist  er  aber  aus- 
drücklich zurück.  Erst  die  darauf  folgende  Schicht  (Fig.  A,  Rm.), 
welche,  wie  auch  Mräzek  gesehen  hat,  eine  deutliche  radiäre 
Strichelung  zeigt,  die  sich  bei  richtiger  Einstellung  des  Tubus  über 
den  ganzen  Körper  des  Cysticerkoiden  als  feine,  ringförmige  Strichelung 
verfolgen  lässt  —  sie  hält  er  für  die  Cuticula.  Und  eben  diese 
radiäre  Strichelung  und  ringförmige  Streifung  ist  es,  auf  die  er  seine 
Auffassung  stützt:  sie  sind  nach  ihm  die  —  Porenkanäle  der  Cuticula, 
welche  reihenweise  angeordnet  seien.  Das  ist  jedoch  unzweifelhaft 
falsch  —  Ringmuskelfasern  sind  es,  aus  welchen  diese  zweite  Schicht 
besteht.  Ihre  Lichtbrechung,  welche  das  glänzende,  schillernde  Aus- 
sehen bedingt  und  welche  wir  später  auch  bei  andern  Muskelbildungen 
des  Cysticerkoiden  wiederfinden  werden,  zeigt  das  deutlich.  Auch 
V.  Linstow  habe,  wie  Mräzek  polemisierend  bemerkt,  Muskelfasern 
in  ihnen  vermutet,  doch  hätten  derartige  Ringmuskelfasern  an  dieser 
Stelle  physiologisch  gar  keinen  Sinn.  Dass  sie  aber  doch  einen  Sinn 
haben,  wird  uns  späterhin  einleuchten.  Auf  diese  Ringmuskelschicht 
folgt  nun  die  dritte  Schicht:  eine  Lage  dichten,  soliden  Parenchyms, 
aus  dicht  zusammengedrängten  Zellen  bestehend,  deren  Umrisse  sich 
kaum  noch  erkennen  lassen.  Dieselbe  ist  nicht  überall  von  gleicher 
Dicke  —  am  dicksten  gewöhnlich  am  hintern  Ende,  wo  der  Schwanz 
aus  ihr  entspringt;  nach  innen  ist  sie  gewöhnlich  von  einem  dünnen 
Faserzuge  begrenzt  (Fig.  A,  P).  Endlich  folgt  noch  als  vierte  Schicht 
eine  wohlcharakterisierte  Lage  weniger  dichten,  lockeren  Parenchyms 
(Fig.A,  H),  welche  besonders  dadurch  gekennzeichnet  ist,  dass  in  ihr 
eine  ziemlich  grosse  Menge  (30—40)  Kalkkörperchen  (0,005 — 0,009  mm 
im  Durchmesser)  regellos  verstreut  liegen.  Auch  diese  Schicht  ist 
nicht  an  allen  Stellen  gleich  dick,  gewöhnlich  wiederum  am  hintern 
Ende  am  dicksten. 

Dort  geht  sie  nach  innen  zu  in  den  Scolex  über,  welcher,  in 
aufrechter,  aber  meist  schräger  Haltung,  etwas  nach  links  oder  rechts 
geneigt,  den  Innenraum  ganz  oder  auch  nur  teilweise  ausfüllt,  welcher 
geringfügige  Unterschied  sich  uns  später  von  selbst  erklären  wird. 
Er  ist  also  nicht  eingestülpt,  sondern  in  normaler,  aufrechter  Haltung, 
wie  schon  aus  dem  Umstände  hervorgeht,  dass  er  sich  von  unten 
aus  in  den  Cystenhohlraum  erhebt  —  in  derselben  Haltung,  wie  wir 
sie  zuerst  von  den  Cysticerkoiden  aus  Arion  und  aus  dem  Mehlkäfer  ^) 
kennen  gelernt  haben.  Was  uns  am  Scolex  zuerst  in  die  Augen 
fällt,  ist  der  mächtige  Hakenkranz,  bestehend  aus  zehn  in  einfacher 
Reihe  geordneten,  wohlgebildeten  Haken  von  verhältnismässig  be- 
deutender Grösse.  Sie  sind  es  vor  allem,  welche  uns  —  wenn  es 
nicht  schon  die  Art  der  verfütterten  Eier  selbstverständlich  machte 
—  den  Cysticerkoiden  sofort  als  zur  T.  anatina  gehörig  erkennen 
lassen  2).  Ihre  Spitzen  sind  nach  hinten  gerichtet,  die  hintern,  längeren 
Wurzelfortsätze  einem  gemeinschaftlichen  Centrum  zugeneigt,  wodurch 

^)  Leuckart,  Parasiten  des  Menschen,  p.  419  u.  459, 
^)  Krahbe,  1.  c.  Fig.  114,  115. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  73 

dieser  hakentragende  Teil  des  Scolex  die  Gestalt  eines  abgestumpften 
Kegels  erhält.  Die  Form  der  Haken  ist  im  Krabbe' sehen  Werk 
definitiv  niedergelegt.  Die  Grösse  fand  ich,  übereinstimmend  mit 
Mräzek,  0,065  mm,  Krabbe  giebt  0,065— 0,072  mm  an  —  möglich, 
sogar  wahrscheinlich,  dass  die  Haken  späterhin,  in  der  Ente,  noch 
neue  Schichten  ansetzen,  wie  dies  auch  von  andern  Bandwürmern, 
besonders  von  T.  echinococcus  ^),  bekannt  ist.  Zu  beiden  Seiten  der 
Haken  liegen  zwei  dicke,  etwa  0,1  mm  lange  und  halb  so  breite 
längHch  runde  Wülste  von  dunklerer  Färbung,  welche,  wie  man  bei 
genauerem  Zusehn  und  richtiger  Einstellung  erkennt,  von  einer 
dunklen,  äusserst  feinen  und  dichten,  reihigen  Punktierung  der  Ober- 
fläche hervorgerufen  ist.  Diese  Wülste  sind  selbstverständlich  die 
Saugnäpfe  ,  natürlich  \ier  an  der  Zahl,  zwischen  denen  der  haken- 
tragende Teil  des  Scolex  mitten  inne  liegt.  Sie  sind  ebenfalls  in 
ihrer  gewöhnlichen  Haltung,  nicht  eingestülpt,  geradeso  wie  bei  dem 
Cysticerkoiden  aus  Arion.  Worauf  freilich  die  oben  erwähnte  feine 
Zeichnung  der  Oberfläche,  welche  auch  Mräzek  gesehen,  aber  höchst 
ungenau  abgebildet  hat,  zurückzuführen  ist,  lässt  sich  zunächst,  so- 
lange die  Saugnäpfe  von  den  vier  beschriebenen,  wenn  auch  ziemlich 
durchsichtig'en  Schichten  überdeckt  sind,  unmöglich  entscheiden  und 
ist  infolgedessen  auch  von  Mräzek  nicht  erkannt  worden.  Ein 
Gebilde  jedoch,  welches  ebenfalls  zum  Scolex  gehört  und  sogar  einen 
sehr  wesentlichen  Teil  desselben  ausmacht,  hat  Mräzek  überhaupt 
nicht  gesehen  oder  nicht  erkannt:  den  Rostellarsack  (Fig.  A,  R).  Es 
ist  dies  um  so  unbegreiflicher,  als  Mräzek  bei  T.  fasciata  das 
nämliche  Organ  in  vollster  Deutlichkeit  gesehen  und  gezeichnet  hat, 
sich  auch  in  seiner  Zeichnung  unseres  Cysticerkoiden  unterhalb  des 
Hakenkranzes  insofern  eine  Andeutung  desselben  vorfindet,  als  daselbst 
das  Gewebe  stellenweise  durch  kleine  Ringe  und  Punkte  markiert 
und  abgegrenzt  ist.  Freilich  findet  sich  weder  im  Texte,  noch  in 
der  Abbildung  selbst  ein  Hinweis  darauf.  Eben  dieser  unterhalb  des 
Hakenkranzes  befindliche,  durch  eine  Membran  deutlich  abgegrenzte, 
oftmals  etwas  flach  gedrückte  Sack,  welcher  in  seinem  Innern  stark 
glänzende  Tröpfchen  und  Körnchen  (Mräzek s  Ringe  und  Punkte) 
und  auch  Zellen  enthält,  ist  der  Rostellarsack.  Bei  T.  fasciata,  in 
der  Mräzek  das  Rostellum  erkannt  hat,  erklärte  derselbe  diese  fett- 
artig glänzenden  Körperchen  im  Innern  für  eine  kleinere  Sorte  von 
Kalkkörperchen ;  sie  sind  aber,  schon  nach  ihrer  Lichtbrechung, 
welche  genau  dieselbe  ist  wie  z.  B.  die  der  Radiärstreifen  in  der 
Ringmuskelschicht  der  Cyste,  sowie  auf  Grund  verschiedener  That- 
sachen,  welche  später  noch  hinzukommen  werden,  nichts  anderes  als 
Plasmakörner,  wie  wir  ähnlichen  auch  schon  im  Ei  begegnet  sind. 
Auch  das  Excretionsgefässsystem  mit  seinen  Längskanälen  und 
seinem  Verbindungsring  lässt  sich,  wenn  auch  nicht  bei  allen 
Individuen  gleich  deutlich,  bei  genauerer  Betrachtung  im  Innern 
des  Scolex  erkennen  und  ist  auch  von  Mräzek  abgebildet  worden. 


1)  Leuckart,  1  c.  S.  736. 


7-4:  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entvvicklnngsgeschichte 

Der  Gefässring  liegt  in  der  Höhe  des  Hakenkranzes  und  umgiebt 
denselben,  so  dass  der  hakentragende  Teil  des  Scolex  durch  den 
Gefässring  durchgesteckt  erscheint  (Fig.  A,  Ex).  Natürlich  ist  infolge- 
dessen nur  die  vordere  Hälfte  des  Ringes  deutlich  sichtbar,  die 
hintere  durch  die  Haken  verdeckt,  ebenso  wie  meist  auch  nur  die 
zwei  vordem  vom  Verbindungsring  sich  abzweigenden  Längsstämme 
mit  grösserer  Deutlichkeit  zur  Beobachtung  kommen.  Dieselben 
lassen  sich  bei  den  verschiedenen  Individuen  mehr  oder  weniger 
weit  verfolgen;  sie  verlaufen  in  zwei  Windungen  nach  unten,  dem 
Schwänze  zu,  und  verheren  sich  dann  in  der  kalkkörperführenden 
Parenchymschicht,  aus  welcher  sich  der  Scolex  erhebt. 

Der  Schwanz  endlich,  dessen  Länge  (0,70—0,80  mm)  und 
Ursprungstelle,  die  dritte,  dichte  Parenchymschicht  (Fig.  A),  wir 
schon  kennen,  ist  im  grossen  und  ganzen  von  cylindrischer  Form. 
Seine  äussern  Konturen  sind  zwar  nicht  sehr  regelmässig,  voller 
Buckel  und  Einschnürungen,  doch  besitzt  er  in  ganzer  Länge 
wesentlich  immer  den  gleichen  Durchmesser  von  0,025 — 0,030  mm. 
Ausgenommen  ist  nur  die  Ursprungsstelle,  an  der  er  sich  beim 
Uebertritt  in  die  Vertiefung  des  Körpers  halsartig  verengt,  und  sein 
Ende,  welches  häufig  etwas  knotig  verdickt  erscheint.  Besonders 
interessant  und  bedeutungsvoll  wird  er  dem  Beschauer  dadurch,  dass 
auf  seiner  Oberfläche  fast  immer  die  sechs  Embryonalhäkchen,  die 
man  mit  einigen  Bemühungen  fast  immer  in  ihrer  vollen  Zahl  nach- 
weisen kann,  sichtbar  sind,  wie  das  ja  auch  von  den  übrigen  ge- 
schwänzten Formen  allgemein  bekannt  ist.  Ihre  Lage  ist  sehr 
variabel:  in  den  meisten  Fällen  finden  sie  sich  auf  dem  hintern 
Ende  des  Schwanzes  verstreut,  gewöhnlich  aber  noch  pa.arweise  bei- 
sammen, öfters  auch  über  seine  ganze  Länge  verteilt,  ein  Paar  vorn, 
der  Ursprungsstelle  nahe,  das  andere  im  mittleren  Teile,  das  dritte 
hinten  (Fig.  B),  oder  auch  zwei  Paar  hinten,  eins  vorn  u.  s.  w. ;  in 
einzelnen  Fällen  fand  sich  sogar  das  eine  Paar  überhaupt  nicht 
mehr  auf  dem  Schwänze,  sondern  auf  dem  hintern  Teile  des  Körpers, 
eine  Thatsache,  die  besonders  hervorgehoben  werden  soll.  Fast  noch 
merkwürdiger  und,  wie  wir  später  einsehen  werden,  sogar  von  ausschlag- 
gebender Bedeutung  für  die  Auffassung  der  Finnenentwicklung  im 
allgemeinen  ist  der  Umstand,  dass  das  hintere,  oft  wulstig  verdickte 
Ende  des  Schwanzes  ganz  konstant,  ohne  Ausnahme,  eine  kurze 
röhrige  Einsenkung  zeigt,  was  noch  von  keinem  der  Forscher,  welche 
geschwänzte  Cysticerkoiden  gesehen  und  beschrieben  haben,  bemerkt 
worden  ist,  wiewohl  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit,  ja  mit  Sicher- 
heit anzunehmen  ist,  dass  sich  diese  Erscheinung  auch  bei  den 
verwandten  Cysticerkoiden  finden  wird.  Dass  sie  bisher  übersehen 
wurde,  ist  um  so  leichter  erklärlich,  als  man  meist  geneigt  sein 
wird,  über  diesen  Schwanzanhang,  der  nach  Aussehen  und  histologischer 
Struktur  ganz  deutlich  das  Zeichen  des  Verfalls  und  der  physio- 
logischen Bedeutungslosigkeit  zur  Schau  trägt,  bei  der  Untersuchung 
etwas  rascher  wegzugehen,  und  sein  äusserstes  Ende  vielleicht  gerade 
am  allerwenigsten  einer  schärferen  Untersuchung  für  wert  hält,  wie 


und  der  aiiatomisclie  Bau  der  Taenia  auatina  (Krabbe).  75 

solche  zum  Erkennen  der  fraglichen  Einröhrung  allerdings  nötig  ist. 
Auch  ich  muss  bekennen,  dass  Herr  Geheimrat  Leuckart  es  war, 
welcher  mich  zuerst  auf  das  konstante  Vorhandensein  dieser  Ver- 
tiefung aufmerksam  machte.  Dass  die  histologische  Struktur  dieses 
Schwanzes  sehr  wenig  markant  und  sehr  veränderlich  ist,  wurde 
bereits  angedeutet.  Das  Gewebe,  aus  welchem  er  besteht,  ist  ausser- 
ordentlich zart,  locker  und  lose.  Schon  der  geringste  Druck  macht 
die  innern  hellen,  blasigen,  teilweise  ziemlich  grossen  Zellen  hervor- 
treten, in  welchem  Falle  man  dann  in  ihnen  mit  besonderer 
Deutlichkeit  einen  ziemlich  grossen,  bläschenartigen  Kern  erkennen 
kann.  Auch  fettartig  glänzende  Tropfen  kommen  zeitweilig  in  dem 
Gewebe  vor.  Häufig  ist  der  Schwanz  auch  nicht  durchaus  solide, 
sondern  im  Innern  von  einem  unregelmässigen,  bald  engeren,  bald 
weiteren,  längeren  oder  kürzeren  Hohlraum  durchsetzt,  welcher  selbst 
wieder  stellenweise  ein  schleimiges  Netzwerk  oder  auch  grossblasige 
Zellen  enthält.  Nur  die  peripherische  Schicht  ist  gewöhnlich,  doch 
auch  sie  nicht  immer,  etwas  solider  und  kompakter;  eine  bestimmte 
histologische  Prägung  fehlt  ihm  aber  gänzlich,  weshalb  auch  die 
älteren  Angaben  über  ihn  unbestimmt  und  schwankend  sind.  Schon 
durch  diese  histologische  Beschaffenheit  kennzeichnet  er  sich  als  ein 
rudimentäres  Organ.  Auch  die  Verwendung,  welche  er  bei  einigen 
andern  Cysticerkoiden  (so  namentlich  bei  dem  ältestbekannten 
Cjsticerkoiden  aus  Tenebrio  mohtor  und  dem  von  T.  sinuosa  aus 
Gammarus^))  dadurch  findet,  dass  er  sich  als  äusserste  Körperhülle 
rings  um  den  Körper  herum  legt  und  so  zum  Schutze  dient,  lässt 
sich  bei  unserer  Form  nicht  konstatieren.  Er  liegt  im  Körper  seines 
Wirtes,  wo  eben  Platz  für  ihn  ist,  oft  in  dessen  Eingeweiden  ver- 
strickt. Seine  Beweglichkeit  hat  er  noch  nicht  vollständig  ein- 
gebüsst;  man  sieht  ihn  unter  dem  Mikroskop  sich  krümmen,  zusammen- 
ziehen und  wieder  ausstrecken.  Weiter  lässt  sich  vorläufig  an  ihm 
sowohl,  wie  auch  sonst  an  dem  übrigen  Körper  nichts  Wesentliches 
entdecken.  Erst  die  Verfolgung  der  Entwicklungsgeschichte  wird  zu 
diesem  noch  manches  hinzufügen,  was  sich  jetzt  unserer  Auf- 
merksamkeit begreiflicher  Weise  noch  entzieht  und  sich  auch  früheren 
Beobachtern  entzogen  hat. 

Wer  dieses  sonderbare  Ding  von  einem  Tiere  zum  ersten  Male 
und  bloss  in  dieser  Form  sieht,  dem  dürfte  es  gewiss  schwer  werden, 
sich  eine  richtige  Vorstellung  darüber  zu  machen.  Sthon  um  ein 
gut  Teil  verständlicher  jedoch  wird  uns  Wesen  und  Bau  des  Tieres 
werden,  wenn  wir  es  ausgestreckt,  in  seiner  ganzen  Länge  be- 
trachten; denn  dass  der  „Kopf"  unseres  Tieres  aus  der  Körper- 
wandung heraustreten  kann,  dass  also  das  Tier  in  der  beschriebenen 
Form  ein  in  sich  eingestülptes  Wesen  darstellt,  ist  ja  bekannt  und 
wurde  auch  bereits  angedeutet,  als  wir  von  der  sogenannten  „Ein- 
stülpungsstelle" sprachen.  Nicht  vielen,  welche  Cysticerkoiden  ge- 
funden und  beschrieben  haben,  ist  es  geglückt,   die  Tiere  auch  in 


1)  Nach  Hamann,  1.  c.  Band  24,  Tafel  1. 


76  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

dieser  Form  kennen  zu  lernen.  Auch  Mrc4zek  fand  unsern  Cysti- 
cerkoiden  nur  in  eingezogenem  Zustande,  woraus  es  auch  begreiflich 
wird,  dass  er  die  innere  kalkkörperführende  Schicht  als  eigentliche 
Cystenwand  in  Anspruch  nehmen  konnte. 

Schon  bei  meinem  ersten  Funde  war  ich  so  glücklich,  Exemplare 
zu  finden,  deren  Scolex  aus  der  Cyste,  wie  wir  die  äussere  Umhüllung 
des  Körpers  fürder  nennen  wollen,  herausgestreckt  war  und  sich 
sogar  unter  meinen  Augen  in  den  Körper  zurückzog,  event.  auch 
wieder  ausstreckte.  Im  ausgestreckten  Zustande  haben  wir  an  Stelle 
des  früher  kugeligen  Parasiten  ein  ausserordentlich  schmächtiges, 
merkwürdiges  Wesen  vor  uns,  das  fast  die  doppelte  Länge  misst, 
also  ziemlich  2  mm  lang  ist  (Fig.  B).  Beim  Anblick  desselben  wird 
uns  mit  einem  Male  auch  klar,  wie  wir  uns  das  zusammengezogene 
Thier  zu  denken  haben.  Die  uns  schon  bekannte  Cyste,  welche 
jetzt  leer  ist,  setzt  sich,  wie  das  Leuckart  auch  von  dem  hervor- 
gestreckten Cysticercus  arionis  zeichnet  i),  in  einen  ziemlich  (0,18  bis 
0,20  mm)  langen,  cylindrischen  Leib  fort  (0,06  mm  im  Durchmesser), 
welcher  die  uns  wohlbekannten  Kalkkörperchen  enthält  und  welchen 
wir,  besonders  in  Rücksicht  darauf,  dass  er  den  ,,Kopf"  trägt,  ferner- 
hin als  ,,Hals"  bezeichnen  wollen.  An  manchen  Individuen  kann 
man  deutlich  bemerken,  dass  sich  der  innere  Hohlraum  der  Cyste 
in  Form  eines  Spaltes  mehr  oder  weniger  tief  auch  in  den  ,,Hals" 
hinein  fortsetzt.  Weiter  nach  vorn  folgt  auf  den  Hals  ein  breiterer 
Abschnitt,  welcher  an  Breite  sogar  dem  ehemaligen  ,, Körper",  der 
jetzigen  „Cyste"  gleich  kommt  und  sich  infolgedessen  scharf  von  dem 
schmäleren,  kalkkörperführenden  Halse  absetzt.  Zwei  dicke  Backen 
treten  nach  den  Seiten  hervor,  an  deren  Form  und  charakteristischer 
Oberfläche  wir  sofort  die  Saugnäpfe  wiedererkennen,  und  wir  sehen 
jetzt  auch,  woher  die  früher  bemerkte  feine  Zeichnung  ihrer  Ober- 
fläche rührt.  Dieselbe  trägt  nämlich  einen  ausserordentlich  dichten 
Besatz  mikroskopischer  Häkchen,  deren  Bedeutung  im  Hinblick  auf 
die  Bestimmung  der  Saugnäpfe  ohne  weiteres  klar  ist.  Sie  sind 
Kutikularbildungen,  wie  sie  ähnlich  ja  nicht  selten  bei  den  Tänien 
vorkommen  und  auch  in  den  grossen  Haken  des  Hakenkranzes  ihre 
Analoga  haben.  An  die  Saugnäpfe  schliesst  sich  nun  aber  nicht  un- 
mittelbar der  Hakenkranz  an,  sondern  es  folgt  erst,  ebenfalls  durch 
seine  gering6*'e  Breite  scharf  von  den  Saugnäpfen  abgesetzt,  ein 
zweiter,  etwas  kürzerer  halsartiger  Abschnitt,  der  das  Rostellum  in 
sich  einschliesst  und  den  wir  als  Nacken  oder  Hinterkopf  bezeichnen 
wollen,  und  auf  diesen  endUch  der  Hakenteil  des  Scolex,  der  ,,Kopf" 
im  engeren  Sinne.  Wie  bei  vielen  Tänien  zeigt  derselbe  auch  hier 
an  seiner  Spitze,  zwischen  den  vorderen  Enden  der  Wurzelfortsätze, 
eine  flache  Vorwölbung,  welche  sich,  wie  man  oftmals  bemerkt,  zurück- 
ziehen, aber  auch  noch  weiter  vorwölben  kann,  sodass  im  ersteren 
Falle  zwischen  den  Haken  eine  Eintiefung,  im  letztern  eine  knopf- 
artige Erhebung  bemerkbar  wird.    Wir  bezeichnen  diesen  vordersten 


1)  A.  a.  0.  S.  459. 


und  der  aiiatomiscbe  Bau  der  Taeiiia  anatma  (Krabbe).  77 

Teil  des  Kopfes  mit  dem  dafür  gebräuchlichen  Namen  als  „Scheitel" 
(Fig.  B,  S).  Da,  wo  der  vordere  halsartige  Abschnitt  zwischen  den 
Saugnäpfen  hervortritt,  also  ein  beträchliches  Stück  noch  hinter  dem 
Hakenkranze,  liegt  der  Gefässring  des  Excretionsapparates,  von  dem 
man  jetzt  noch  deutlicher  wie  vorher  die  vier  Längskanäle  sich  ab- 
zweigen sieht  (Fig.  B,  Ex).  Während  wir  dieselben  früher  aber  nur 
eine  kurze  Strecke  weit  verfolgen  konnten,  sehen  wir  sie  jetzt  durch 
den  ganzen  Hals  sich  hindurchschlängeln  und  sogar  in  die  Cysten- 
wandung  übertreten,  wo  sie  sich  am  hintern  Ende  einander  nähern 
und  schliesslich  verschwinden.  Keine  Ausmündungsstelle,  keine  End- 
blase, die  man  doch  vermuten  sollte,  lässt  sich  hier  am  hintern  Ende 
der  Cyste  erkennen,  wiewohl  andere,  so  Grassi  und  Rovelli^), 
solche  bei  derartigen  geschwänzten  Formen  daselbst  gesehen  haben 
wollen.  In  Wirklichkeit  aber  ist  keine  Spur  davon  vorhanden,  und 
es  bleibt  uns  vorläufig  unbekannt,  wo  und  wie  der  Excretionsapparat 
unseres  Tieres  endigt.  Auf  den  Excretionsgefässring  folgt  weiter 
nach  vorn  im  Innern  des  halsartigen  Fortsatzes,  dessen  Länge 
0,12  mm  beträgt,  der  Rostellumsack  (Fig.  B,  Rst.),  welcher  also 
zwischen  und  unter  dem  Hakenkranz  gelegen  ist  und  hier  beim  aus- 
gestreckten Tiere  gewöhnlich  auch  etwas  länger  erscheint.  Recht 
schön  kann  man  manchmal  bemerken,  wie  der  kontraktile  Bulbus 
sich  verlängert  und  verschmälert,  verkürzt  und  verbreitert  und  wie 
dabei  sein  glänzender  Inhalt  vor  und  zurückfliesst.  Die  äussere  Be- 
grenzung des  Sackes  ist  noch  sehr  schwach  und  völlig  strukturlos. 
Ringfasern  sind  auch  bei  genauestem  Zusehn  nicht  an  ihm  bemerkbar, 
wohl  aber  im  Innern  deutHche  Längsstränge  und,  besonders  im 
Grunde  des  Sackes,  neben  den  schon  genannten  stark  lichtbrechenden 
Körnchen  und  Tröpfchen,  den  Kalkkörperchen  Mräzeks,  Zellen  mit 
deutlichen  Kernen.  Um  eine  richtige  Einsicht  in  den  Bau  des 
Rostellums  zu  gewinnen,  wendet  man  sich  am  besten  zunächst  an 
den  ausgebildeten  Bandwurm.  Bei  diesem  aber  unterscheidet  man 
deutlich  zwei  Rostellarsäcke,  einen  vorderen  kleineren,  welcher  inner- 
und  unmittelbar  unterhalb  des  Hakenkranzes  gelegen  ist,  und  einen 
hinteren  längeren,  welcher  als  Fortsetzung  des  Hinterkopfes  in  Form 
eines  langen  muskulösen  Schlauches  zwischen  den  Saugnäpfen  des 
Wurmes  in  den  Hals  hineinragt  und  den  vordem  in  sich  einschliesst, 
wie  dies  ähnlich  ja  auch  bei  T.  undulata  der  Nachtigall  der  Fall  ist 2). 
Der  hintere  Rostellarsack  ist  seinem  Baue  nach,  wie  wir  später  noch 
genauer  sehen  werden,  nur  eine  Wiederholung  des  vordem  in  ver- 
grössertem  Massstabe.  Beide  Rostellarsäcke  erscheinen  durch  regel- 
mässig aufeinanderfolgende  Einschnürungen  ihrer  stark  muskulösen 
Wandung,  besonders  am  hintern  Ende,  in  viele  ringartige  Segmente 
gegliedert.  Im  Innern  kann  man  bei  genauerm  Zusehen  schon  auf 
Totalpräparaten  (auf  Schnitten  selbstverständhch  in  allen  Einzelheiten) 


1)  L.  c.  p.  18,  Tafel  1,  Fig.  10,  12. 

-)  Leuckart,  1.  c.  p.  498,  vergl.  auch  Nitsche,  Zeitschr  f.  wissensch.  Zoologie, 
XXm.  Band,  p.  190. 


78  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgescliichte 

ziemlich  starke  Längszü^e,  Längsnmskeln  erkennen,  welche  um  die 
ganze  Peripherie  regelmässig  verteilt  sind.  Das  Vorhandensein  eines 
äussern  Rostellarsackes  bei  der  ausgebildeten  Tänie  erklärt  uns  nun 
auch  in  unserm  Cysticerkoiden  ein  Gebilde,  dessen  Bedeutung  ohne 
den  Vergleich  mit  der  Tänie  selbst  nicht  ohne  weiteres  verständlich 
wäre.  Bei  etwas  näherer  Untersuchung  des  ausgestreckten  Cysticer- 
koiden fällt  uns  nämlich  im  Innern  zwischen  den  Saugnäpfen  ein 
heller,  strukturloser  bogenförmiger  Strang  auf  (Fig.  B,  h.  R)^),  welcher 
sich,  nach  dem  Grunde  zu  etwas  dicker  werdend,  von  der  Grenze 
zwischen  Saugnäpfen  und  Nacken  aus  nach  hinten  ins  Innere  hinein- 
biegt und  ganz  offenbar  nichts  anderes  ist,  als  der  optiche  Durch- 
schnitt eben  des  hintern  Rostellarsackes,  welcher  ins  Innere  zwischen 
die  Saugnäpfe  hineinhängt.  Gelegentlich,  besonders  in  einer  Haltung, 
die  wir  gleich  genauer  kennen  lernen  werden,  nämlich  wenn  der 
Kopf  zwischen  die  Saugnäpfe  zurückgezogen  ist,  kann  man  auch 
sogar  innerhalb  dieses  hinteren,  noch  ziemlich  weiten  Rostellumsackes 
eine  fliessende  Auf-  und  i\.bwärtsbewegung  weniger  in  ihm  be- 
findlicher Zellen  bemerken,  welche  zugleich  mit  den  Kontraktions- 
bewegungen des  vordem  Rostellums  erfolgt.  Bedeutung  und  Wirkungs- 
art des  Rostellums  sind  durch  Leuckart  ja  längst  klar  gestellt 
worden^),  sodass  es  überflüssig  ist,  an  dieser  Stelle  darauf  ein- 
zugehen. 

Sechs  Abschnitte  also  sind  es,  welche  wir  an  unserm  aus- 
gestreckten Cysticerkoiden  zu  unterscheiden  haben:  Kopf —  worunter 
wir  also  bloss  den  hakentragenden  Teil:  Haken})olster  mit  Haken 
und  Scheitel  verstehen  wollen  —  Nacken  oder  Hinterkopf  mit 
Rostellum,  Saugnäpfe,  Hals,  Cyste  und  Sclnvanz.  Die  vordem  vier 
Abschnitte,  sonst  wohl  auch  im  weitern  Sinne  „Kopf"  genannt, 
wollen  wir,  der  besseren  Unterscheidung  und  Deutlichkeit  wegen,  in 
ihrer  Gesamtheit  als  Scolex  bezeichnen,  sodass  wir  nun  die  wichtigsten 
Termini,  scharf  begrenzt,  beisammen  haben. 

Es  wird  nun  ein  Leichtes  sein,  beide  Formen,  das  ausgestreckte 
und  das  eingezogene  Tier,  aufeinander  zurückzuführen  und  dadurch 
zugleich  ein  besseres  Verständnis  unserer  eingekapselten  Ausgangs- 
form zu  gewinnen.  Schon  während  der  Betrachtung  des  ausgestreckten 
Tieres  zeigte  es  sich,  dass  das,  was  wir  an  dem  Tiere  als  die  vierte, 
kalkkörperführende  Schicht  bezeichnet  haben,  eigentlich  nicht  mehr 
zur  Cystenwand  gehört  (was  ja  Mräzek  ehedem  glaubte),  sondern 
dass  sie  in  Wirklichkeit,  wie  das  schon  von  Leuckart  für  den 
Cysticercus  limacis  richtig  erkannt  ward,  den  Hals  des  Cysticerkoiden 
darstellt.  Ausser  ihr  findet  sich  ja  doch  kein  Körpertheil  weiter, 
welcher  Kalkkörper  enthält.  Nur  zwischen  den  Saugnäpfen  bemerkt 
man  gelegentlich  einige  wenige  Kalkkörperchen,  niemals  aber  in  der 


^)  Auch  bei  einzehien  eingekapselten  Tieren  war  derselbe  sichtbar,  siehe 
Fig.  A,  h.R. 

-)  Leuckart,  1.  c.  p.  496  ff.  und  die  daselbst  sowie  auch  von  Nitsche  (1.  c.) 
citierte  Stelle :  Leuckart,  Blaseubandwürmer,  p.  63  Aura. 


und  der  anatomische  Bau  dei'  Taenia  anatina  (Krabbe).  79 

leeren  Cyste,  obgleich  diese  sonst  die  übrigen  drei  Schichten  deutlich 
zeigt.  Die  dritte,  also  jetzt  innerste,  welche  wir  als  eine  Schicht 
festen,  kompakten  Parenchyms  kennen  lernten,  besteht,  wie  sich 
jetzt  zeigt,  aus  einem  lockeren  Gewebe,  welches  den  peripherischen 
Teil  des  Cystenhohlraums  bildet,  während  der  centrale  Teil  entweder 
von  einem  grossmaschigen  Flechtwerk  schleimiger  Stränge  durchsetzt 
oder,  was  auch  nicht  selten  vorkommt,  von  einer,  glänzende  Körnchen 
enthaltenden,  Schleimmasse  erfüllt  wird.  Das  ursprünglich  lockere 
Cystengevvebe  war  also  durch  den  Druck  des  umfänglichen,  ein- 
gezogenen Scolex  zusammengepresst  worden.  Erscheint  es  doch 
von  vornherein  überhaupt  kaum  glaublich,  dass  der  lange  Scolex  in 
der  kleinen  Kapsel  genügend  Platz  finden  könne.  Und  wir  sehen 
gleich,  dass  dies  überhaupt  nur  dadurch  möglich  wird,  dass 
sich  der  Kopf  samt  Nacken  selbst  erst  wieder,  durch  den 
Gefässring  hindurch,  zwischen  die  Saugnäpfe  einsenkt.  Natürlich 
bleibt  infolgedessen  von  dem  Nacken  beim  eingekapselten  Tiere 
keine  Spur  mehr  sichtbar,  das  Rostellum  ausgenommen,  welches, 
gewöhnlich  etwas  verkürzt,  direkt  über  den  Hals  zu  liegen  kommt. 
Dieser  selbst,  welcher  ja  den  ganzen  Scolex  als  Hohlkugel  umhüllt, 
hat  sich  nach  innen  eingeschlagen,  wodurch  natürlich  seine  frühere 
äussere  Begrenzung,  eine  dünne  Kutikularschicht,  nach  innen,  die 
innere  nach  aussen  zu  liegen  kommt.  Dies  aber  setzt  voraus,  dass 
der  Hals  nicht  bloss  sehr  dehnbar,  sondern  vor  allem  im  Innern  hohl 
sein  muss,  welche  Vermutung  ja  auch  wirklich  durch  die  bereits 
erwähnte  Beobachtung  bestätigt  wird,  dass  sich  der  Cystenhohlraum 
beim  ausgestreckten  Tier  als  Spalt  in  den  Hals  hinein  fo]-tsetzt. 
Jetzt  erst  können  wir  uns  ein  richtiges  Bild  von  der  wirklichen 
Beschaftenheit  der  erstbeschriebenen  Tierform  und  den  ihr  zu  Grunde 
liegenden  tektonischen  Verhältnissen  machen.  Die  Kalkkörperschicht 
ist  die  direkte  Fortsetzung  der  parenchymatösen  Cystenwand,  und 
zwar  als  eine  Einbiegung  oder  Einsackung  derselben  aufzufassen. 
Histologisch  ist  sie  nur  durch  den  Besitz  der  Kalkkörper  unterschieden; 
beid'^  bestehen  sie  ursprünglich  aus  demselben  lockeren,  weichen 
Parenchym.  Die  eigentliche  parenchymatöse  Cystenwand  biegt  sich 
also  am  Vorderende,  an  der  „Einstülpungsstelle",  bis  wohin  sie  noch 
von  der  dicken  Kutikula  bekleidet  ist,  nach  innen  ein  und  senkt 
sich  als  Kalkkörperschicht,  fest  sich  anpressend,  —  hieraus  erklärt 
sich  die  dünne  Faserlage  zwischen  beiden  Schichten  —  bis  zum 
Grunde  hinab.  Am  Grunde  erhebt  sich  die  Einsackung  wieder,  die 
frühere  Innenseite  natürlich  wieder  nach  aussen  kehrend,  und  führt 
in  die  Saugnäpfe  über,  und  an  diesen  wiederholt  sich  von  ihrem 
Rande  an,  welcher  gewöhnlich  Hppenartig  aufgebogen  ist  und  sonach 
gewissermassen  eine  zweite  Einstülpungsstelle  repräsentirt,  derselbe 
Prozess  von  neuem :  die  auf  die  Saugnäpfe  folgende  Körperwandung, 
also  der  Hinterkopf  (welcher  demnach  auch,  wie  der  Hals,  hohl, 
röhrig  sein  muss),  senkt  sich  daselbst  zwischen  die  Saugnäpfe  und 
erhebt  sich  wieder  ganz  wie  vorhin,  indem  er  dabei  in  den  aufrechten 
Kopf  übergeht.     Und  selbst   dieser  hat,   wie   mr  wissen,   an    seiner 


80  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

Spitze  noch  eine  Einsenkung,  beziehentlich  Vorwölbung,  welche  man 
den  vorgenannten  Einsenkungen  und  Vorwölbungen  event.  als  dritte 
an  die  Seite  stellen  könnte.  So  sehen  wir,  dass  sich  im  Innern  des 
Cysticerkoidenkörpers  ein  und  derselbe  Einsenkungs-  und  Erhebungs- 
prozess  zwei,  ja  dreimal  wiederholt.  Ein  Querschnitt  durch  die 
Mitte  dieses  Körpers  müsste  uns  also  fünf,  und  wenn  der  Scheitel 
getroffen  ist,  sogar  sechs  konzentrische  Ringe  zeigen,  welche  sich 
auf  Schnitten  in  der  That  auch  vorfinden:  von  aussen  nach  innen 
folgen  auf  einander  die  dreischichtige  Cystenwand,  der  Hals,  die 
Saugnäpfe  —  natürlich  der  dickste  aller  Ringe  — ,  die  Nackenwand, 
der  Durchschnitt  des  Hakenkranzes  und  event.  als  Centrum  eine 
kleine  Scheibe,  der  Scheitel  I 

Wie  aber  geht  dieser,  offenbar  ziemlich  komplizierte,  Ein- 
ziehungs-  und  Ausstreckungsprozess  vor  sich?  Er  zerfällt 
augenscheinlich  in  zwei  Akte,  der  eine  die  Zurückziehung  des  Kopfes 
und  Nackens  zwischen  die  Saugnäpfe,  der  andere  die  Einziehung 
des  Halses  in  die  Cyste  oder  beides,  beim  Ausstrecken,  in  Um- 
kehrung. Je  nach  der  zeitlichen  Aufeinanderfolge  und  der  Art  und 
Weise  des  einzelnen  Vorganges  würde  es  mehrere  Möglichkeiten  für 
den  Übergang  der  einen  Form  in  die  andere  geben,  die  wir  hier 
nicht  einzeln  aufzuzählen  brauchen.  Sicherlich  hat  unter  den  ver- 
schiedenen Möghchkeiten  nur  diejenige  statt,  welche  für  das  Tier 
die  leichteste  und  bequemste  ist  und  dem  Baue  des  Tieres  entspricht. 
Noch  niemand  jedoch  hat  den  Verlauf  des  Prozesses  genau  beobachtet; 
aus  leicht  begreiflichen  Gründen  musste  man  sich  immer  damit 
begnügen  —  wie  wir  das  vorläufig  ja  auch  gethan  haben  — ,  aus 
der  Beschaffenheit  beider  Formen  vor  und  nach  dem  Prozesse,  auf 
den  Prozess  selbst  zu  schliessen,  und  so  hat  man  denn  diesen 
Vorgang,  ihn  als  identisch  mit  der  Einröhrung  des  Kopfzapfens  bei 
den  Blasenwürmern  fassend,  gewöhnlich  als  „Einstülpung",  „Inva- 
gination",  manchmal  auch  als  „Einsackung"  oder  „Einkrempelung" 
bezeichnet,  ohne  wohl  mit  diesen  Ausdrücken  den  Hergang  in  seinen 
Einzelheiten  bestimmt  charakterisieren  zu  wollen.  Wie  schon  er- 
wähnt, ist  mir  aber  dieser  Ausstreckungs-  und  Einziehungsakt,  wie 
wir  jetzt  noch  allgemein  sagen  wollen,  einige  Male  deuthch  zur 
Beobachtung  gekommen,  die  Ausstreckung  freilich  selten,  mehrmals 
jedoch  die  Einziehung,  und  sie  ist  es  auch,  an  welcher  uns  der 
komplizierte  Vorgang  am  klarsten  werden  wird. 

Die  Einziehung  beginnt  am  vordem  Körperende  mit  der 
Zurückziehung  des  Kopfes  zwischen  die  Saugnäpfe,  dann  folgt  der- 
selbe Vorgang  weiter  hinten  am  Halse.  Der  erste  Prozess,  die 
Zurückziehung  des  Kopfes  zwischen  die  Saugnäpfe,  geschieht  aber, 
genau  genommen,  selbst  wieder  in  zwei  Stufen.  Er  erfolgt  nämlich 
in  der  Weise,  dass  sich  der  Vorderkopf  erst  ein  Stück  in  den  Hinter- 
kopf zurückschiebt,  was  dadurch  bewirkt  wird,  dass  sich  der  letztere 
unterhalb  des  ersteren  einfaltet.  Darauf  wiederholt  sich  dieselbe 
Einfaltung  in  noch  umfangreicherer  Weise  am  Grunde  des  Hinter- 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krahbe).  81 

kopfes,  infolge  deren  sich  dieser  samt  dem  Scheitel  zwischen  die 
Saugntäpfe  einsenkt.  Die  vordere  Einfaltung  wird  dabei  in  die  zweite, 
tiefere  mit  aufgenommen,  gleichsam  von  ihr  verschlungen,  sodass 
nur  die  eine  bereits  beim  eingekapselten  Tiere  bemerkte  tiefe  Falte 
zwischen  den  Saugnäpfen  übrig  bleibt.  Das  Rostellum  ist  auf  diese 
Weise  vollständig  innerhalb  der  Saugnäpfe  zu  liegen  gekommen  und 
natürlich  auch  innerhalb  des' hintern,  weiten  und  ersichtlich  dehnbaren 
Muskelsackes,  in  welchem  man,  wie  schon  bemerkt,  gerade  bei  dieser 
Haltung  des  Tieres  das  FHessen  seines  spärlichen  Zelleninhalts 
deutlich  erkennen  kann.  Und  die  Nackenwand,  zwischen  den  Saug- 
näpfen in  doppelter  Lage,  besitzt  jetzt  natürlich  nur  noch  etwa 
die  halbe  Länge.  Ist  dies  geschehen,  so  erfolgt  in  vollständig 
gleicher  Weise,  ebenfalls  etagenweise,  die  Einziehung  der  hinteren 
Scolexhälfte  in  die  Cyste:  zunächst  die  Zurückschiebung  der  Saug- 
näpfe zwischen  die  auseinander  weichenden  elastischen  Halswände 
und  nun  deren  Einfaltung  —  welche  als  solche  also  immer  am 
Grunde  des  einzufaltenden  Stückes  beginnt  —  in  die  Cyste.  Die 
schon  vorher  vermuteten  zwei  Faltungsprozesse  zerlegen  sich  sonach 
selbst  wieder  jeder  in  zwei  Vorgänge,  sodass  wir  eigentlich  vier 
Einfaltungen  aufeinander  folgen  sehen,  welche  allerdings  in  so  rascher 
Folge  und  in  solcher  Glätte  verlaufen,  dass  dieselben,  da  sie  ganz 
kontinuierlich  in  einander  übergehen,  teilweise  sogar  gleichzeitig 
geschehen,  unter  Umständen  wie  ein  einziger  zusammenhängender 
Vorgang  erscheinen.  Die  ganze  Einfaltungsbewegung  ist  dem 
Zusammenschieben  eines  viergliedrigen  Fernrohrs  in  seine  Hülse  (als 
fünftes  GHed)  ganz  ausserordenthch  ähnlich.  Auch  in  den  Principien 
ihres  Baues  stimmen  beide  Dinge  mit  einander  sehr  überein.  Ebenso 
wie  die  Glieder  des  Fernrohrs  von  der  äussern  Hülse  bis  zum 
Ocular  ihrem  Zwecke  entsprechend  stets  in  einem  bestimmten  Ver- 
hältnisse kleiner  und  enger  werden,  so  nehmen  auch  die  ihnen  ent- 
sprechenden Abschnitte  unseres  Cysticerkoiden  nach  dem  Scheitel 
zu  in  einem  durch  ihren  Bau  und  physiologischen  Zweck  bedingten 
Verhältnisse  ab,  woraus  wir  jetzt  sogar  die  Notwendigkeit  der  früher 
angegebenen  Längenverhältnisse  erkennen  können.  Es  ist  evident, 
dass  die  allmähliche,  segmentweise  erfolgende  Einfaltung  eine  ganz 
bedeutende  Kraftersparnis  für  das  Tier  bedeutet,  und  dass  durch  sie 
die  Kraftleistungen  gleichmässiger  über  die  einzelnen  Körperabschnitte 
verteilt  werden.  Vorzugsweise  sind  es  wohl  die  den  ganzen  Körper 
wie  die  Cyste  (nur  in  schwächerer  Ausbildung)  umgebenden  Ring- 
fasern,  sowie  die  subkutikularen,  radiär  gerichteten  Spindelzellen, 
welche  auf  Querschnitten  leicht  nachweisbar  sind  und  uns  später 
bei  der  Entwicklungsgeschichte  noch  beschäftigen  werden,  welche 
durch  ihre  segmentweise  aufeinander  folgenden  Kontraktionen  die 
Einfaltung  bewirken.  Der  ganze  Bewegungsvorgang  geschieht  mit 
einer  ganz  erstaunlichen  Leichtigkeit,  Ebenmässigkeit  und  Ruhe. 
Er  ist  aber,  wie  wir  gesehen  haben,  genau  genommen  keine 
eigentliche  Einstülpung  (welche  sich  ja  als  eine  von  der  äussersten 
Spitze  ausgehende,  immer  weiter  fortschreitende  Eintiefung  äussern 

Aich.  f.  Natuigesch.  Jahrg.  1894.  Bd,  I.  H,  2.  Q 


82  Johannes  Emil  Schmidt:   Die  Entwicklungsgeschichte 

müsste),   sondern  muss  als  eine,  in  unserm  Falle  mehrfache,  Ein- 
faltung  aufgefasst  werden. 

Die  Ausstreckung  oder  Ausfaltung,  wie  wir  jetzt  genauer 
sagen  können,  erfolgt  natürlich  ganz  nach  demselben  Mechanismus, 
nur  in  umgekehrter  Aufeinanderfolge.  Den  Anfang  bildet  die  Aus- 
faltung der  Halswand,  mit  welcher  zugleich  der  übrige  Scolex  aus 
der  Cyste  heraustritt  —  wie  er  vorhin  zugleich  mit  der  Einfaltung 
der  Halswand  allmähhch  ins  Innere  sank.  Dass  bei  diesem  Austritt 
die  Ringfasern  der  Cyste  durch  ihre  Kontraktion  und  den  dadurch 
erfolgenden  Druck  wesentliche  Dienste  zu  leisten  vermögen,  ja  bei 
der  komplizierten  Einschachteluug  der  übrigen  Teile  wahrscheinlich 
ganz  unerlässhch  sind,  ist  klar  und  ihre  physiologische  Bedeutung 
hieraus  vollkommen  begreifhch  (vergl.  S.  72) i).  Wie  nun  der  Scolex 
sich  vorhin  vor  dem  Eintritt  in  die  Cyste  erst  zwischen  die  Hals- 
wand einfaltete,  so  sehen  wir  ihn  jetzt  nach  seinem  Austritt  aus 
derselben  eine  Phase  durchlaufen,  in  welcher  er  manschettenartig 
von  dem  oberen  Stück  des  Halses  umgeben  ist,  von  welcher  Stellung 
aus  alsbald  die  vollständige  Streckung  und  Ausfaltung  beginnt. 
Der  schon  vorher  neugierig  zwischen  den  Saugnäpfen  vorlugende 
„Kopf"  erhebt  sich  und  die  beiden  Falten  glätten  sich  allmählich. 
Bei  dieser  allmählichen  Glättung  werden,  zumal  bei  halb  vollendeter 
Streckung,  an  beiden  Seiten  des  Hinterkopfes  längliche,  oft  drei- 
eckige Spalten  sichtbar,  welche  bei  weiterer  Glättung  der  Falten 
immer  enger  werden  und  endlich  verschwinden.  Offenbar  dienen 
sie  dazu,  die  Einfaltung  des  Hinterkopfes,  dessen  centraler  Hohl- 
raum ja  durch  das  in  ihn  hineinhängende  Rostellum  zum  Teil 
ganz  illusorisch  wird,  zu  erleichtern  und  auf  diese  beiden  Stellen 
zu  beschränken. 

So  haben  wir  denn  jetzt  den  Prozess  der  Ein-  und  Ausfaltung, 
sowie  das  ein-  und  ausgefaltete  Tier  in  ziemlicher  Vollständigkeit 
kennen  und  begreifen  gelernt.  Nur  weniges  bleibt  dem  noch  hinzu- 
zufügen. Es  wird  uns  dies  Wenige  jedoch,  dessen  Untersuchung 
hier  beim  ausgebildeten  Tiere  vielfach  erschwert  ist,  deuthcher  noch 
bei  Verfolgung  des  Entwicklungsganges,  zu  dem  wir  nun  über- 
gehen, entgegentreten. 

Da  wirft  sich  uns  denn,  in  Verbindung  mit  den  schon  bekannten 
Thatsachen,  sofort  die  eine  grosse  Frage  auf:  Welche  von  den  beiden 
uns  bekannten  reifen  Formen  ist  der  Entwicklung  nach  die  frühere, 
ursprüngliche?  Entwickelt  sich  der  Cysticerkoid  eingefaltet,  inner- 
halb der  Cyste  oder  ausgefaltet,  ausserhalb  derselben?  Auf  Grund 
der  uns  bekannten  Entwicklung  der  Blasenwürmer,  der  bei  den 
warmblütigen  Tieren  schmarotzenden  Finnen,  würden  wir  unbedingt 
das  erstere,  die  Entwicklung  innerhalb  der  Cyste  als  das  vorläufig 
Wahrscheinlichste  annehmen  müssen.  Und  diese  Auffassung  hat 
auch,  vor  allem  auf  Grund  der  Autorität  Leuckarts,  welcher  eben- 


1)  Vergl.  auch  Leuckart,  1.  c.  p.  448. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  83 

falls,  natürlich  mit  vollem  Rechte,  diesen  Entwicklungsmodus  für 
den  wahrscheinlichsten  hielt,  bis  vor  kurzem  unter  den  Zoologen 
ganz  allgemeine  Geltung  gehabt.  Neuerdings  jedoch  haben  zwei 
Forscher,  die  schon  erwähnten  Italiener  Grassi  und  Rovelli^),  ge- 
stützt auf  ihre  Beobachtungen  an  dem  Cysticerkoiden  der  T.  elliptica, 
die  Behauptung  aufgestellt,  der  Cysticerkoid  entwickle  sich  nicht  von 
vornherein  innerhalb  einer  (aus  dem  vergrösserten  Embryo  ent- 
standenen) Cyste,  sondern  zöge  sich  erst  auf  einem  späteren  Stadium 
(=  dem  sechsten  ihrer  sieben  Stadien)  in  seinen  hintern  Abschnitt 
zurück,  worauf  dann  innerhalb  der  Cyste  die  völlige  Ausreifung  er- 
folge 2).     Beide  Ansichten  glaubt  Mräzek   in  seiner  zweiten  Arbeit 

—  in  der  ersten  schloss  er  sich  ja  der  alten  Ansicht  an  (vergl,  S.  70) 

—  auf  Grund  seiner  eigenen  und  der  gleich  zu  erwähnenden  Be- 
obachtungen Hamanns  dadurch  vereinigen  zu  können,  dass  er,  im 
wesentlichen  auf  der  alten  Ansicht  beharrend,  als  wahrscheinlicher 
annimmt,  dass  die  Einstülpung  des  vordem  in  den  hintern  Teil  noch 
nicht  „stabil"  sei,  dass  der  Wurm  also  anfangs  ganz  nach  Belieben 
„aus-  und  einkriechen"  könne,  wie  man  ähnliche  Bewegungen  ja 
auch  beim  Kopf  des  Archigetes  Sieboldii  Lkt,  beobachtet  habe. 
Mräzek  hatte  später  nämlich  selbst  Formen  in  ausgestreckter 
Haltung  gefunden  und  darunter  sogar  solche,  welche  noch  gar  nicht 
völlig  ausgebildet  waren  3);  niemals  freilich,  das 'sagt  er  ausdrücklich, 
waren  ihm  Exemplare  vorgekommen,  welche  unausgebildet  und  zu- 
gleich eingestülpt  gewesen  wären.  Diese  jedoch  boten  ihm  Hamanns 
Funde  und  Abbildungen'^).  Hamann  hat  freilich  die  Entwicklung 
der  von  ihm  ziemlich  schematisch  abgebildeten  Formen  durchaus 
nicht  beobachtet,  wiewohl  er  selbst  das  annimmt;  denn  die  sechs 
von  ihm  (in  einem  Tiere!)  gefundenen  Formen  repräsentieren  ganz 
gemss  nicht  die  „ganze  Entwicklungsreihe  mit  Ausnahme  des  letzten  (!) 
Stadiums",  sondern  sind  offenbar  einander  ganz  ausserordentKch  nahe 
stehende  Stadien  gewesen.  Dass  vollends  die  Formen  zu  T.  sinuosa 
gehörten,  was  er  ohne  weiteres  als  feststehend  annimmt,  ist  ebenfalls 
nicht  erwiesen  und  höchst  fraglich.  Aus  diesen  seinen  Mitteilungen 
Folgerungen  über  die  Entwicklungsgeschichte  der  Cysticerkoiden  zu 
ziehen,  scheint  mir  darum  sehr  gewagt.  —  Ich  habe  nun  für  unsere 
T.  anatina  die  Entwicklung  von  Tag  zu  Tag  in  allen  ihren  Fortschritten, 
von  Anfang  bis  zu  Ende  verfolgt  und  bin  zu  einem  Resultate  gelangt. 


^)  Vergl.  ausser  dem  bereits  citierten  Werke  noch  die  in  deutscher  Sprache 
veröffentlichte  vorläufige  Mitteilung  darüber :  Centralbl.  f.  Bacteriol.  u.  Parasiten- 
kunde, V.  Band  Nr.  11. 

2)  Eine  dritte,  von  den  beiden  genannten  Modalitäten  abweichende  Ent- 
wicklungsweise hat  Mecznikoff  an  einem  echinococcusarti gen  Cysticerkoiden 
aus  dem  Eegenwunn  konstatiert  —  vergl.  Leuckart,  1.  c.  S.  465/66. 

3)  Von  T.  fasciata  u.  gracilis,  abgebildet  in  der  zweiten  der  citierten  Ab- 
handlungen vom  Jahre  1891. 

*)  L.  c.  Band  24,  Tafel  1. 

6* 


84  Johannes  Emil  Schmidt:  Die  Entwicklungsgeschichte 

das  mit  keiner  der  angeführten  Ansichten  völlig  übereinstimmt. 
Nichtsdestoweniger  kann  ich  wohl  auf  Grund  der  erwähnten  Beob- 
achtungen mit  Recht  behaupten,  dass  das  Endresultat,  welches  sich 
für  unsere  Form  inbezug  auf  die  vorliegende  Frage  ergeben  hat, 
ganz  unzweifelhaft  feststeht,  ja  dass  es  nahezu  das  einzige  völlig 
sichere  Ergebnis  ist,  welches  wir  über  die  Frage  nach  dem  Modus 
der  Cysticerkoidenentwicklung  bis  jetzt  besitzen. 

Werfen  wir  zunächst,  um  uns  einen  allgemeinen  Ueberblick 
zu  verschaffen,  einen  orientierenden  Blick  über  das  Ganze  der  Ent- 
wicklung! Dieselbe  scheidet  sich  fast  von  selbst  in  zwei  wohl 
charakterisierte  Epochen,  welche  beide  auch  von  fast  vollkommen 
gleicher  Dauer  sind^).  Das  Tier,  welches  aus  dem  sechshakigen 
Embryo  hervorgeht,  wächst  anfangs  nach  allen  Richtungen  hin 
gleichmässig,  besitzt  also  zuerst  im  wesentlichen  eine  kugelige  Ge- 
stalt; auch  betreffs  des  Innern  Baues  besitzt  keine  Richtung  vor 
der  andern  einen  Vorzug;  es  ist  anfangs  radiär  gebaut,  wobei  wir 
freilich  von  der  Lage  der  Embryonalhäkchen,  welche  natürlich  nicht 
radiär  verteilt  sind,  absehen  müssen.  Durch  diese  Gestalt  und  diese 
Art  des  Wachstums  ist  die  erste  Entwicklungsepoche  unseres  Tieres 
charakterisiert:  gerade  die  Hälfte  der  ganzen  Entwicklungsdauer  — 
im  Sommer  also  sechs  bis  sieben  Tage,  im  Spätherbst  dagegen  etwa 
drei  Wochen  lang  —  behält  unser  Tier  diese  Kugelform  bei.  Dann 
beginnt  es  auf  einmal  rapid  nach  einer  Richtung,  hauptsächHch  an 
einem  Körperpole  zu  wachsen.  Mit  dieser  Veränderung  tritt  unser 
Wurm  in  seine  zweite  Entwicklungsperiode,  in  welcher  der  frühere 
radiäre  Bau  einem  seitlich  symmetrischen  Platz  macht.  Zugleich 
mit  der  Streckung  beginnt  auch  die  Differenzierung  der  Organe  im 
Innern,  die  während  der  ersten  Epoche  kaum  angedeutet  ist. 

Daraus  ergiebt  sich  von  selbst,  dass  die  Entwicklung  des 
Cysticerkoiden  während  der  ersten  Periode  wesentlich  nur  in 
einem  einfachen  Wachstum  des  Embryos  besteht.  Im  Ei  hat  der- 
selbe, wie  wir  wissen,  eine  flache,  elliptische  Form  mit  einem  Längen- 
durchmesser von  0,05—0,06  mm.  Der  Uebertritt  des  Parasiten  in 
die  Leibeshöhle  ist  in  unserm  Falle  sehr  einfach,  wie  es  bei  der 
geringen  Grösse  und  dem  einfachen  Baue  unseres  Zwischenwirts  nicht 
anders  zu  erwarten  ist.  Schon  einen  Tag  nach  der  Fütterung  fand 
ich  im  Darminhalt  des  Zwischenwirtes  neben  Eiern,  deren  halb- 
verdaute äussere  Schale  einen  ruhenden  Embryo  enthielt,  zahlreiche 
freie  Embryonen,  die  ihre  charakteristischen  Bewegungen  machten, 
wie  man  solche  zuweilen  auch  schon  im  Ei  wahrnehmen  kann.  Dieser 
Befund  lässt  darauf  schliessen,  dass  es  die  lösende  Wirkung  der 
Verdauungssäfte  und  die  aktive  Bewegung  des  Embryos  zugleich  ist, 
welche  demselben  zur  Freiheit   verhelfen.     Bei  der  Hakenbewegung 


^)  Die  siehen  Stadien,  in  welchen  Grassi  u.  Rovelli  die  gesammte  Ent- 
wicklungsgeschichte darstellen,  sind  völlig  willkürlich  gewählt,  sie  waren  ihnen 
ledigUch  durch  ihr  Untersuchungsmaterial  gegeben. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  85 

des  Embryos  kann  man  deutlich  sehen,  dass  die  zwei  seitlichen  Paare 
der  Embryonalhäkchen,  welche  erst  mit  ihrem  untern  Ende,  dann 
mit  dem  obern  Teil  auseinanderweichen,  dazu  dienen,  den  Armen  des 
Schwimmers  gleich,  den  Körpers  vorwärts  zu  drücken,  während  das 
mittlere  Paar,  das  sich  bekanntlich  in  medianer  Richtung,  aber  mit 
den  äussern  beiden  Paaren  nicht  gleichzeitig  bewegt,  unterdessen  den 
Körper  stützt  und  vor  dem  Rückwärtsgleiten  sichert.  Stets  operieren 
dabei  die  Haken,  deren  untere  Enden  sich  bei  jedem  Paare  an  ein- 
ander anlegen,  während  die  Spitzen  klaflfen,  paarweise  in  völlig 
gleichem  Sinne  und  ohne  Verrückung  ihrer  gegenseitigen  Lage.  Es 
ist  völlig  einleuchtend,  dass  wir  es  hier  mit  einer  wirklichen,  aktiven 
Ortsbewegung  zu  thun  haben,  was  Grassi  und  Rovelli,  ohne 
genügenden  Grund,  in  Abrede  stellen  i).  Ganz  besonders  kommt  dem 
wandernden  Embryo  bei  der  Fortbewegung  (im  Leibe  des  Wirts) 
seine  ausserordentliche  Kontraktilität  zu  statten:  er  verlängert  und 
verschmälert,  verkürzt  und  verbreitert  sich  während  der  Haken- 
bewegungen —  ganz  wie  der  kriechende  Wurm.  Auch  vermag  sich 
der  Embryonalkörper  nach  allen  Richtungen  und  an  allen  Stellen 
einzuschnüren,  ja  sogar  amöbenartig  Fortsätze  auszusenden.  Seine 
Gestalt  wechselt  infolgedessen  fortwährend;  am  häufigsten  aber  be- 
obachtet man,  dass  die  Einschnürungen  senkrecht  zur  Bewegungs- 
richtung, also  quer  zur  Längsachse  des  Embryos  stehen.  Der 
Zellenbau  des  Körpers  ist,  wie  auch  im  Ei,  anfangs  noch  sehr  un- 
deutlich. Wie  schon  früher  beschrieben,  besteht  der  Embryonalkörper 
aus  einer  feinkörnigen,  scheinbar  homogenen  Protoplasmamasse. 
Porenkanäle  konnte  ich,  trotz  der  Angabe  von  Grassi  u.  Rovelli, 
dass  sie  wenigstens  bei  absterbenden  Tieren  an  einzeln  Stellen 
sichtbar  seien,  auch  bei  grösster  Aufmerksamkeit,  niemals  mit  Sicher- 
heit erkennen,  weder  jetzt  noch  in  spätem  Stadien.  Was  man  leicht 
dafür  hätte  ansehen  können,  eine  sehr  feine  Granulierung  an  der 
Innenseite  des  äusserst  dünnen  Kutikularüberzugs ,  rührte  wohl  von 
der  körnigen  Beschaffenheit  des  Protoplasmas  her.  Das  Auftreten 
der  sogenannten  „Sarkodebläschen"  besonders  beim  Absterben  des 
Embryos,  welche  durch  Ausscheidungsprodukte  hervorgerufen  zu  sein 
scheinen,  berechtigt  natürlich  nicht,  auf  das  Vorhandensein  von 
Porenkanälen  zu  schliessen,  da  derartige  Erscheinungen  auch  bei 
Tieren  ohne  Porenkanäle,  so  bei  Infusorien,  vorkommen. 

Nachdem  nun  der  Embryo  den  Darm  durchbrochen  und  sich 
an  den  schon  früher  bezeichneten  Stellen,  die  für  seine  Ernährung 
besonders  günstig  zu  sein  scheinen,  festgesetzt  hat,  bemerken  wir  an 
ihm  zunächst  keine  weiteren  Veränderungen  als  eine  verhältnismässig 
ziemhch  beträchtliche  Grössenzunahme  und  einen  allmählichen  Verlust 
seiner  Beweglichkeit.  Seine  ursprünglich  mehr  ovale  als  kugelige 
Gestalt  behält  er  noch  kurze  Zeit  bei.  Dabei  rücken  die  Hakenpaare 
(infolge  des  Wachstums)  etwas  weiter  auseinander;  ihre  Bewegungen, 
welche  zunächst  nach  dem  Freipräpariren  noch  zu  bemerken  sind, 

1)  L.  c.  p.  8. 


86  Johannes  Emil  Schmi fit:   Die  Entwicklungsgeschichte 

werden  matter  und  seltener,  aber  die  Fähigkeit  des  Einschnürens 
besitzt  er  in  gleichem  Masse  wie  früher.  Diese  letztere  behält  er 
überhaupt  durch  alle  Stadien  hindurch;  ist  doch  auch  die  Ein-  und 
Ausfaltung  seines  Körpers  in  letzter  Instanz  nur  die  Folge  der  immer 
mehr  und  mehr  lokalisierten  Einschnürungsfähigkeit. 

Aber  schon  nach  kurzer  Zeit  lassen  sich  in  der  ursprünglich 
fast  homogenen  Grundsubstanz  des  Körpers  die  Umrisse  von  Zellen 
deutlicher  unterscheiden.  Dieselben  werden  immer  schärfer  und  ver- 
ändern dadurch  das  frühere  Aussehen  allmählich  vollständig.  Der 
Körper  ist  sehr  durchsichtig  geworden  und  sieht  jetzt  aus  wie  eine 
Klüftungskugel.  Denn  inzwischen  ist  auch  seine  ursprünglich  ovale 
Gestalt  in  die  Gestalt  einer  Kugel  übergegangen,  und  daraus  erklärt 
es  sich  auch,  dass  sein  Durchmesser,  trotz  der  Grössenzunahme, 
zunächst  nicht  grösser  ist  als  der  längste  Durchmesser  der  älteren 
ovalen  oder  elliptischen,  flachen  Form  (0,05 — 0,06  mm).  Das  Tier  ist 
jetzt  ein  Aggregat  von  hellen,  durchsichtigen  Zellen  mit  verhältnismässig 
grossem,  glänzendem  und  bläschenförmigem  Kern  und  Kernkörperchen. 
Die  Zellen  sind  von  verschiedener  Grösse,  klein  und  gross,  jedoch 
lässt  sich  zunächst  noch  keine  Spur  irgend  einer  Regelmässigkeit 
der  Gruppierung  oder  Verteilung  wahrnehmen.  Die  grössern  Zellen 
messen  etwa  0,01  mm  im  Durchmesser,  der  Kern,  welcher  überaus 
deutlich  ist,  0,004 — 0,005  mm.  Manchmal  kann  man  den  Kern 
deutlich  in  Teilung  begriffen  sehen,  verlängert  und  in  der  Mitte  ein- 
geschnürt. Die  schon  früher  erwähnten  fettartig  glänzenden  Mole- 
kularkörnchen sind  in  verschiedener  Grösse  und  Menge  in  die  Inter- 
cellularsubstanz  eingelagert.  Die  Haken,  jetzt  völHg  unbeweglich, 
liegen  noch  in  der  alten  Anordnung  und  am  alten  Flecke,  an  dem 
einen  Pole  der  Kugel.  Bei  scharfem  Zusehn  scheint  es  manchmal, 
als  zögen  sich  von  ihnen  aus,  und  zwar  von  der  Stelle  aus,  wo  der 
eigentliche  Hakenteil,  die  Kralle,  in  den  Wurzelfortsatz  übergeht, 
beim  mittleren  Paare  aber  vom  untern  Ende  aus,  feine  Faserzüge 
schräg  ins  Innere,  dort  in  eine  der  runden  Zellen  übergehend.  Auch 
Grassi  und  Rovelli  glauben  Aehnliches  bemerkt  zu  haben,  allerdings 
erst  auf  einem  spätem  Stadium.  Hierdurch  würde  dann  die  Annahme 
gerechtfertigt  sein,  dass  die  Bewegung  der  Embryonalhäkchen  nicht 
passiv,  als  eine  blosse  Begleiterscheinung  der  allgemeinen  Kontraktionen 
des  Embryonalkörpers  erfolgt,  sondern  durch  die  Kontraktionen  be- 
sonderer muskulärer  Fasern  geregelt  wird,  eine  Annahme,  welche 
auf  Grund  der  Analogie  mit  den  Embryonen  der  Bothriocephalen, 
bei  denen  Leuckart  derartige  Muskelzüge  sah^),  und  auf  Grund 
der  Exaktheit  und  Bestimmtheit,  mit  der  diese  Bewegungen  erfolgen, 
manches  für  sich  hat. 

Unmittelbar  nachdem  die  Embryonalkugel  ihr  zellig- blasiges 
Aussehn    angenommen    hat,  tauchen  im  Innern    derselben    an  ver- 


1)  A.  a.  0.  S.  415. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  87 

schiedenen  Stellen  Spalten  und  Hohlräume  auf,  welche  sich  rasch 
erweitern,  zusammentiiessen  und  zuletzt  einen  einzigen  Hohlraum 
liefern:  unsere  anfangs  massive  Keimkugel  ist  zu  einer  Hohl- 
kugel, zu  einer  Keimblase  geworden.  Es  ist  dies  die  Form,  welche 
Grassi  und  Rovelli  mit  dem  Namen  „Primitivbläschen"  bezeichnen. 
Dieselben  Autoren  behaupten  aber  von  ihrer  Art,  dass  der  Hohlraum 
gleich  von  vornherein  eine  excentrische  Lage  habe,  dass  die  Wand 
also  am  einen  Pole  dünn,  am  gegenüberliegenden  dick  sei.  Für 
unsere  Art  trifft  dies  nicht  zu  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
wohl  auch  für  die  ihrige  nicht:  entweder  hat  ihnen  an  dieser  Stelle 
der  Entwicklungsreihe  ein  Stadium  gefehlt  oder  sie  haben,  da  das 
allmähliche  Werden  des  Tieres  von  ihnen  gar  nicht  beobachtet  wurde, 
mehrere  verschiedene  Stadien  in  eins  zusammengeworfen.  Trotzdem 
dass  die  Konturen  des  Hohlraums  unregelmässig,  voller  Ein-  und 
Ausbuchtungen  sind,  dass  also  auch  die  Wände  der  Hohlkugel  un- 
regelmässig dick  sind  (Fig.  2),  hat  doch  der  Hohlraum  im  grossen 
und  ganzen  eine  centrale,  keine  excentrische  Lage.  Daran  wird 
auch  durch  die  Thatsache  nichts  geändert,  dass  sich  die  Kugelwand 
am  Hakenpole,  direkt  unter  den  Haken,  fast  regelmässig,  jedoch  bei 
den  einzelnen  Individuen  mit  verschiedener  Deutlichkeit,  aufwulstet 
und  infolgedessen  mehr  oder  weniger  stark  in  den  Hohlraum  vor- 
springt (Fig.  2),  was  für  den  spannenden  und  der  Weiterentwicklung 
harrenden  Beobachter  natürlich  auffällig  genug  ist.  Von  einer  den 
Innenraum  erfüllenden  Flüssigkeit  lässt  sich  bei  der  grossen  Durch- 
sichtigkeit desselben  zwar  direkt  nichts  bemerken,  doch  muss  man 
gerade  aus  optischen  Gründen  annehmen,  dass  der  Hohlraum  von 
einer  farblosen,  in  der  Hauptsache  wässrigen  Flüssigkeit  von  gleichem 
Brechungsexponenten  wie  das  umgebende  Medium  (physiologische 
Kochsalzlösung)  erfüllt  ist.  Die  Grösse  des  Tieres  hat  während 
der  Büdung  des  centralen  Hohlraumes  ganz  bedeutend  und 
rasch  zugenommen;  der  Durchmesser  hat  sich  verdoppelt  und 
nach  vollständiger  Aushöhlung  sogar  verdreifacht  (0,18 — 0,20  mm), 
sodass  die  Hohlkugel  an  Grösse  jetzt  schon  der  Cyste  des 
ausgebildeten  Cysticerkoiden  gleichkommt.  Diese  rapide  Grössen- 
zunahme  gerade  während  der  Entstehung  des  Hohlraums 
deutet  darauf  hin,  dass  derselbe  im  wesentlichen  wohl  dem 
Auseinanderweichen  der  Kugelwände  seine  Entstehung,  vor  allem 
seine  rasche  Erweiterung  verdankt.  Doch  legen  die  anfangs  im 
Innern  sichtbaren  Querwände  und  Querpfeiler,  durch  welche  die 
einzelnen  Teilräume,  vor  ihrem  Zusammenfliessen,  zuerst  noch  ge- 
schieden werden,  die  Vermutung  nahe,  dass  dabei,  wenigstens  anfangs, 
auch  eine  Verflüssigung  centraler  Zellen  im  Spiele  ist  In  diesem 
Stadium  ist  es  nun  auch  möglich,  die  erste  Differenzierung  des  die 
Hohlkugel  zusammensetzenden  Grundgewebes  zu  konstatieren.  Man 
bemerkt,  dass  die  peripherischen  Zellen  im  allgemeinen  etwas 
kleiner  sind,  während  die  grösseren,  blasenförmigen  Zellen  mehr 
nach  innen,  der  Grenze  des  Hohlraums  zu  liegen.  Am  weitesten 
nach  aussen,  direkt  unter  der  Kutikula,  erkennt  man  bei  genauerer 


88  Johannes  Emil  Schmidt:  Die  Entwicklungsgeschichte 

Untersuchung  sogar  eine  Reihe  ganz  kleiner  Zellen,  welche  so  dicht 
aneinander  gedrängt  sind,  dass  man  ihre  Umrisse  viel  weniger 
deutlich  als  die  der  übrigen  unterscheiden  kann  (Fig.  2).  Nur  am 
Hakenpole  lässt  sich  von  dieser  Scheidung  zwischen  grossen  und 
kleinen  Zellen  nichts  bemerken.  Diese  kleinen,  peripherischen  Zellen 
sind  es  offenbar,  von  denen  ein  grosser  Teil  späterhin  die  charakte- 
ristischen subkutikularen  Spindelzellen  liefert  i).  Ob  in  den  tiefern 
Schichten,  gegen  die  Grenze  des  Hohlraums  zu,  eine  Lage  lang- 
gestreckter, mit  ihren  spitzen  Enden  zu  einem  Ring  zusammen- 
schliessender  Zellen,  welche  also  die  subkutikulare  Muskelschicht 
vorbereiten  würden,  als  regelmässige  Erscheinung  auftritt,  muss  ich 
dahingestellt  sein  lassen.  Wohl  glaubte  ich  solche  in  einigen  Fällen 
in  äquatorialer  wie  in  meridionaler  Richtung  unterscheiden  zu 
können,  aber  in  andern  habe  ich,  trotz  sorgfältiger  Untersuchung, 
vergeblich  darnach  gesucht.  Die  äussere  Kutikularschicht ,  obwohl 
noch  sehr  dünn,  ist  gegen  früher  etwas  stärker  geworden.  Von 
Zeit  zu  Zeit  treten  auch  Kontraktionen  auf,  welche  die  kugelige 
Gestalt  mehr  oder  weniger  stark  verändern,  dieselbe  beim  Nach- 
lassen aber  wieder  herstellen. 

Dieses  Hohlkugelstadium  ist  unter  allen  den  beschriebenen  und 
noch  zu  beschreibenden  Durchgangsformen  von  der  längsten  Dauer. 
Immer  langsam  wachsend,  verharrt  das  Tier  geraume  Zeit  in  dieser 
Gestalt.  Hat  es  jedoch  die  früher  angegebene  Grösse  erreicht  —  und 
das  geschieht,  wie  wir  wissen,  um  die  Mitte  der  gesamten 
Entwicklungszeit  —  dann  beginnt  an  dem  den  Haken  gegenüber- 
liegenden Pole  in  der  Richtung  nach  aussen  (oder  vorn,  wie  wir 
jetzt  sagen  müssen)  auf  einmal  ein  reger  Wucherungsprozess.  Die 
Wand  verdickt  sich  infolgedessen  an  diesem  Pole  sehr  schnell,  und 
jetzt  erst  erhält  der  Hohlraum  eine  excentrische  Lage  —  das  Tier 
ist  in  die  zweite  Periode  seiner  Entwicklung  getreten.  Der 
Hohlraum  liegt  also  nunmehr  in  der  hintern  Hälfte  des  jetzt  ge- 
streckten Tieres,  und  der  Hakenpol,  den  wir  früher  auf  Grund  der 
Bewegungen  des  Embryos  als  den  vordem  anzusehn  geneigt  gewesen 
waren,  ist  zum  hintern  geworden,  als  welcher  er  sich  ja  auch  beim 
reifen  Cysticerkoiden  deutlich  kennzeichnet.  Es  hat  also  (wenn 
wir  die  Hohlkugel  nicht  als  ein  wirkliches  Radiärtier  mit 
Differenzierung  der  Pole  ansehen  woUen)  eine  Umkehrung  von  vom 
und  hinten  stattgefunden. 

Von  jetzt  ab  folgen  die  Veränderungen  und  Bildungen  in  solcher 
Raschheit  aufeinander,  dass  wir,  der  Klarheit  wegen  und  um  unnötige 
Wiederholungen  zu  vermeiden,  gut  thun  werden,  alle  die  all- 
gemeineren und  für  die  ganze  Weiterentwicklung  giltigen  Ver- 
hältnisse im  Aussehen  und  Bau  unseres  Tieres  vorerst  zu  betrachten, 


^)  Vergl,  hierzu  Leuckart,  1.  c.  p.  433.  Die  Darstellung,  welche  hier  von 
der  histologischen  Differenzierung  des  jungen  Finnenkörpers  gegehen  wird, 
bietet  auch  sonst  manche  Analogie  mit  den  oben  geschilderten  Vorgängen. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  89 

um  dann  im  speciellen  der  Entstehung  der  einzelnen  charakteristischen 
Organe  unsere  Aufmerksamkeit  zu  schenken. 

Bei  Beginn  des  Längenwachsthums  nimmt  das  Tier  zunächst 
eine  ovale  oder  auch  elliptische  Form  an  (Fig.  3),  wie  wir  sie  ähnlich 
auch  von  dem  gleichen  Stadium  bei  den  Blasenwürmern  (von 
T.  serrata  und  saginata^))  kennen.  Immer  weiter  jedoch  schreitet 
das  Längenwachstum  und  Hand  in  Hand  damit  die  Streckung  des 
Tieres  vorwärts.  Sehr  bald  wird  es  überhaupt  unmöglich,  noch  von 
einer  bestimmten  Gestalt  des  Tieres  zu  reden.  Infolge  von  Ein- 
schnürungen an  den  verschiedensten  Stellen  des  Körpers  oder  von 
Kontraktions-  und  Sft-eckungsbewegungen  des  ganzen  Wurmes,  be- 
sonders aber  auch  infolge  der  grossen  Veränderlichkeit,  welcher  die 
Absetzung  des  Schwanzes  von  dem  übrigen  Körper  unterliegt,  ändert 
sich  dieselbe  fast  fortwährend  und  nimmt  mitunter  sogar  ganz  ab- 
sonderliche Gestalten  an.  Selbst  die  gestreckte,  längUche  Form 
verschwindet  manchmal  vollständig,  indem  sich  das  Tier,  natürhch 
unter  beträchtücher  Verbreiterung,  zu  einem  Klumpen  zusammen- 
zieht. Unter  Umständen  streckt  es  sich  wieder  sehr  in  die  Länge 
—  alles  Beweis  genug,  dass  auf  diesem  Zeitpunkt  der  Entwicklung 
die  Grössenangaben  mehr  oder  weniger  illusorisch  werden  und  nur 
als  mittlere  Werte  Geltung  besitzen. 

Zu  Beginn  des  Längenwachstums,  während  dessen  die  Gestalt- 
veränderungen noch  weniger  häufig  und  tiefgreifend  sind,  beträgt 
die  Länge  des  Würmchens  0,25—0,30  mm.  Natürlich  nimmt  dieselbe 
besonders  um  die  Zeit,  zu  welcher  sich  der  Schwanz  abgliedert, 
ganz  beträchtlich  zu.  Aber  es  ist  ganz  auffällig,  dass  gerade  diese 
Zeit,  wie  schon  angedeutet,  bei  den  einzelnen  Individuen  eine 
ausserordentlich  verschiedene  sein  kann,  wie  überhaupt  das  Aus- 
wachsen und  die  Absetzung  des  Schwanzes  in  verschiedener  Hinsicht 
grossen  Schwankungen  unterworfen  ist.  So  begegnet  man  Exemplaren, 
welche  schon  auf  sehr  früher  Entwicklungsstufe,  eben  nachdem  das 
Längenwachstum  begonnen  hat,  einen  nach  hinten  sich  allmähHch 
verschmälernden,  vom  Körper  aber  noch  nicht  scharf  abgesetzten 
schwanzartigen  Anhang  haben,  während  andere,  schon  viel  weiter 
entwickelte  Formen  noch  kaum  eine  Andeutung  desselben  zeigen. 
Ebenso  haben  fast  völlig  reife  Tiere  mitunter  einen  noch  ganz 
kurzen  Schwanz,  während  andere,  jüngere,  denselben  schon  fast  in 
seiner  spätem  Länge  besitzen.  Die  oben  erwähnte  Einsenkung  des 
hintern  Körperendes  findet  sich  jedoch  überall,  bei  jedem  Individuum, 
mag  es  einen  Schwanz  haben  oder  nicht,  schon  zu  Beginn  der 
zweiten  Entwicklungsepoche.  Sie  tritt  unmittelbar  nach  Beginn  der 
Längsstreckung  auf,  nur  dass  sie  auf  diesem  Stadium  oftmals  schwer 
erkennbar  ist.  Das  vordere  Schwanzende  hingegen,  welches  wir 
beim  reifen  Tiere  in  eine  Vertiefung  des  Körpers  übergehen,  also 
in    den    Körper    eingezogen    sahen,    findet    sich    bei    den    unreifen 


1)  Leuckart,  1.  c.  p.438. 


90  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

Tieren  niemals  in  dieser  Form.  Niemals,  aucli  wenn  der  Schwanz 
schon  recht  lang  ist,  sind  Körper  und  Schwanz  scharf  abgegrenzt; 
beide  Teile  gehen  kontinuierlich  in  einander  über,  höchstens  dass  sich 
an  ihrer  Grenze  eine  mehr  oder  weniger  starke  Einschnürung  findet, 
welche  sie  vorübergehend  zur  schärferen  Unterscheidung  bringt,  auf 
die  Dauer  aber  nicht  bestehen  bleibt.  Rechnen  wir  zu  dieser 
späten,  endgiltigen  Abgiiederung  und  zu  der  grossen  Variabilität 
seiner  Enstehung  nun  noch  die  weitere  Thatsache  hinzu,  dass  auch 
der  Körperteil,  der  Zellencomplex,  welcher  durch  sein  Wachstum 
den  Schwanz  liefert,  ganz  ausserordentlich  variabel  ist  —  wie  sich 
schon  aus  der  veränderlichen  Lage  der  Embryonalhäkchen,  sowie 
aus  dem  Umstände,  dass  auch  der  Hohlraum  der  einstigen  Hohl- 
kugel sich  öfters  in  den  Schwanz  hinein  fortsetzt,  unwiderleglich 
ergiebt,  —  so  haben  wir  Momente  genug,  um  auch  hier  wieder,  wie 
früher  auf  Grund  seiner  histologischen  Struktur,  den  Schwanz  für 
ein  stark  in  der  Rückbildung  begriffenes  Organ  erklären  zu  können, 
was  auch  a  priori  schon  als  höchst  wahrscheinlich  anzunehmen  war. 

Auch  der  Hohlraum  der  ursprünglichen  Hohlkugel  unterliegt 
bei  der  Weiterentwicklung  einigen  Veränderungen.  Früher  im 
grossen  und  ganzen  kugelig,  nimmt  derselbe,  der  allgemeinen  Längs- 
streckung wenigstens  teilweise  folgend,  allmählich  ebenfalls  eine 
längliche  Form  an,  indem  er  sich,  schmaler  und  enger  werdend,  ein 
Stück  in  die  vordere  Partie  des  Körpers  hineinstreckt  und  sich  dort, 
einmal  mehr,  einmal  weniger  weit  von  der  Spitze,  verliert,  was  uns 
als  ein  Beweis  dafür  gelten  kann,  dass  die  starke  Zellwucherung 
am  vordem  Pole  nicht  lediglich  auf  diesen  beschränkt  bleibt,  die 
seitlichen  Partien  des  Körpers  vielmehr  gleichfalls  mehr  oder 
weniger  an  dem  Längenwachstum  teilnehmen.  Späterhin  wechselt 
infolge  der  Abschnürungen  und  Einschnürungen,  der  Zusammen- 
ziehungen und  Ausstreckungen  die  Gestalt  des  Hohlraums  natürhch 
mannigfach;  bald  erscheint  er  kurz,  flach  gedrückt  und  breit,  bald 
schmal  und  lang  wie  ein  grosser  Spalt.  Manchmal  setzt  er  sich 
von  seiner  ursprünghchen  Lage  aus  nur  nach  vorn  fort,  manchmal 
reicht  er  auch  weiter  nach  hinten  in  den  sich  abgliedernden  Schwanz 
hinein,  was  wiederum  auf  das  Wachstum  der  hintern  Seitenpartien 
schhessen  lässt.  Ganz  besonders  aber  erleidet  der  Hohlraum  später- 
hin noch  dadurch  eine  Veränderung,  dass  einzelne  der  ihn  um- 
gebenden grossen  Bindegewebszellen,  welche,  anfangs  noch  im  Ver- 
bände mit  dem  übrigen  Gewebe,  nach  dem  Innenraume  vorragen, 
sich  allmähhch  lösen  und  tiefer  in  den  Hohlraum  vortreten,  woselbst 
sie  sich  fast  wie  Nervenzellen  verästeln,  bis  sie  schliesslich  mit 
diesen  Ausläufern,  die  wieder  mit  denen  benachbarter  Zellen  in 
Verbindung  treten,  den  ganzen  Hohlraum  durchsetzen.  Im  Innern 
des  Hohlraums  entsteht  auf  diese  Weise  ein  netzartiges,  weit- 
maschiges Füll-  oder  Stützgewebe,  welches  denselben  nicht  mehr 
als  eine  einzige  grosse  Höhle,  sondern  weit  mehr  als  ein  Aggregat 
von  vielen  Lücken  und  Spalträumen  erscheinen  lässt  (Fig.  4),  weshalb 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  91 

denn  auch  Grassi  und  Rovelli,  wohl  ihrer  Theorie  zu  Liebe ^), 
von  einem  „völligen  Verschwinden  des  Hohlraums"  und  von  einer 
Erfüllung  desselben  mit  „weichem  Parenchym"  reden  2). 

Die  Durchsichtigkeit  des  Gewebes  ist  jetzt,  während  der  zweiten 
Entwicklungsepoche,  nicht  mehr  so  gross  wie  während  des  Hohl- 
kugelstadiums ;  oft  nimmt  das  ganze  Tier  schon  frühe  ein  gelbhches 
Aussehen  an,  sodass  sich  nur  bei  genauem  Zusehen  noch  Zell- 
grenzen erkennen  lassen.  Sehr  bald  nach  Beginn  der  zweiten  Epoche 
nimmt  man  jedoch  längs  des  ganzen  Aussenrandes,  unmittelbar  unter 
der  dünnen  Kutikula  bläulich  glänzende  Pünktchen  wahr,  ähnlich 
denen,  welche  wir  schon  an  der  Cyste  des  ausgebildeten  Tieres 
unter  ihrer  dicken  Kutikularschicht  gesehen  haben,  nur  sehr  viel 
feiner  und  schwächer.  Bei  genauer  Untersuchung  lässt  sich  sogar 
an  verschiedenen  Stellen  von  ihnen  ausgehend  eine  analoge,  aber 
feinere  Ringstreifung  wahrnehmen,  welche  natürhch  ebenfalls  von 
feinen  Ringmuskelfasern  herrührt,  die  den  ganzen  Körper  umgeben 
und  an  der  Cyste  später  zu  stärkerer  Ausbildung  gelangen.  Ob 
sie  ein  Ergebnis  der  Umwandlung  eines  Teiles  jener  bei  der 
Hohlkugel  bemerkten  peripherischen  kleinen  Zellen  sind  oder  von 
jenen  problematischen  langgestreckten  und  ringförmig  zusammen- 
schliessenden,  tiefern  Zellen  gebildet  sind,  lässt  sich  nicht  entscheiden. 
Aber  auch  auf  der  ganzen  übrigen  Oberfläche  —  und  besonders 
deutlich  um  den  vordem  Pol  herum  —  lassen  sich,  schon  auf 
ziemlich  frühen  Stadien,  derartige  glänzende  Pünktchen  erkennen. 
An  Schnittpräparaten  gewinnen  wir  die  Ueberzeugung,  dass  sie  die 
Ansatzpunkte  der  radiär  nach  innen  verlaufenden  Spindelzellen  be- 
zeichnen, welche  sich  wie  bei  andern  Finnen,  so  auch  bei  der  unsrigen 
konstatieren  lassen  (Fig.  a).  Dieselben  haben  ganz  die  gleiche 
Beschaffenheit  und  Lage,  wie  wir  solche  sonst  an  den  für  die  Cestoden  so 
charakteristischen  Spindelzellen  beobachten 3),  und  sind  zwischen 
andern,  ebenfalls  peripherisch  gelegenen  kleinen  Zellen,  aus  denen 
sie  offenbar  hervorgegangen  sind,  rings  um  die  ganze  Peripherie 
verteilt.  Auch  Grassi  u.  Rovelli  deuten  sie  in  ihren  freilich 
recht  schematischen  Zeichnungen  an^).  Von  Längsfasern  konnte  ich 
ebensowenig  wie  Grassi  u.  Rovelli  eine  sichere  Spur  bemerken. 
Wohl  sieht  man,  dass  unmittelbar  unter  der  dünnen  Kutikula  die 
äussere  Begrenzung  des  Gewebes  eine  dichte,  festere  Beschaffenheit 
hat;  man  glaubt  darin  auch  manchmal  wirklich  langgestreckte,  sehr 
schmale,  nur  in  der  Mitte  ein  wenig  dickere  Fasern  zu  erkennen, 
aber  nur  selten  und  nur  an  einzelnen  Stellen  gelingt  es,  diese  dichte 
Rindenschicht  derart  aufzulösen,  dass  man  sich  mit  Sicherheit  von  dem 
Vorhandensein  derartiger  Längsmuskelfasern  überzeugen  kann.    Dass 


1)  Centralblatt  f.  Bakt,  u.  Paras.  5.  Band  No.  11,  p.  7,  8,  15. 

2)  L.  c.  (Ricerche  embriologiche  — )  p.  17. 

3)  Vergl.  Leuckart,  1.  c.  p.  366. 
*)  L.  c.  Tafel  II,  Fig.  2,  3,  8. 


92  Johannes  Emil  Schmidt:   Die  Entwicklungsgeschichte 

unser  Tier,  wie  andere  Finnen,  auch  ohne  besondere  Muskeln  der 
verschiedensten  Kontraktionen  fähig  ist,  wissen  wir  ja  —  möglich 
also,  dass  die  Längsfasern  und  Längsmuskeln  erst  bei  der  Tänie 
zur  vollen  Ausbildung  kommen,  wie  wir  das  von  den  Längsmuskeln 
des  Rostellums  späterhin  sogar  mit  Sicherheit  konstatieren  werden. 
Wenden  wir  uns  nun  der  allmählichen  Differenzierung  und 
Hervorbildung  der  übrigen  Organe  unseres  Wurmes  zu,  einem 
Vorgang,  der,  wie  wir  wissen,  zugleich  mit  der  Längsstreckung 
unseres  Tieres  beginnt  und  die  zweite  Periode  wiederum  ziemlich  scharf 
von  der  ersten  absetzt.  Dasjenige  Organ,  welches  wir  zuerst  und 
am  frühesten,  zugleich  mit  Beginn  des  Längenwachstums  auftreten 
sehen,  ist  das  Excretionsgefässsystem.  Wenn  es  anfangs  auch 
keineswegs  so  deutlich  und  augenfällig  ist  wie  bei  den  vollentwickelten 
Tieren,  so  lässt  es  sich  doch  bei  genauerer  Untersuchung  schon  an 
den  jüngsten  Streckungsformen,  welche,  bis  auf  Spuren  der  Ringfasern, 
keine  weitere  Differenzierung  aufweisen  und  aus  einem  völlig'  gleich- 
artigen Gewebe  zu  bestehen  scheinen,  mit  völHger  Sicherheit  nach- 
weisen. Wir  befinden  uns  auch  hier  in  vöHiger  Uebereinstimmung 
mit  den  bei  den  verwandten  Tieren,  bei  den  Blasenwürmern  und 
Trematoden,  festgestellten  Thatsachen^),  nicht  aber  mit  Grassi  und 
Rovelli,  welche  den  Excretionsapparat  erst  am  Ende  ihres  vierten 
Stadiums  entstehen  lassen  und  seine  Ausbildung  noch  später,  in  ihrem 
fünften  Stadium  zum  Abschlüsse  bringen.  Doch  es  ist  kein  Zweifel: 
schon  auf  Grassi 's  ,, zweitem  Stadium"  (zum  zweiten  gehören  bei 
ihnen  sowohl  das  „Primitivbläschen",  als  auch  die  jüngeren  gestreckten 
und  geschwänzten  Formen  —  auf  dem  dritten  legen  sich  Rostellum 
und  Saugnäpfe  an)  sieht  man  bei  unserm  Thiere  deutliche  Längs- 
kanäle, welche  sich  in  dem  manchmal  schmaleren,  manchmal  auch 
breitern  Parenchymstreifen  zwischen  Hohlraum  und  Kutikula  in  un- 
regelmässigen Windungen  hinziehen  und  sich  bei  einiger  Mühe  auch 
eine  gute  Strecke  weit  verfolgen  lassen  (Fig.  3).  An  einzelnen  Stellen 
erkennt  man  sogar,  wie  die  Hauptstämme  durch  quere  und  schräge 
Anastomosen  unter  sich  verbunden  sind,  sodass  die  Entscheidung, 
Avas  als  Hauptkanal  und  was  als  Verbindungsgang  anzusehen  sei, 
sehr  erschwert  ist  und  ganz  in  Frage  gestellt  werden  müsste,  wenn 
es  nicht  an  andern  Stellen  wieder  gelänge,  den  Hauptstamm  eine 
ziemliche  Strecke  weit  mit  Evidenz  zu  erkennen  und  zu  verfolgen. 
Auch  den  Verbindungsring,  welcher  bei  den  jüngeren  Tieren  weit 
vorn,  dem  vordem  Pole  nahe  gelegen  ist  und  erst  später  infolge  fort- 
gesetzten Spitzenwachstums  etwas  weiter  nach  hinten  verschoben 
wird,  kann  man  bei  etlichen  Tieren  mit  Sicherheit  nachweisen.  Bei 
manchen  freilich  lässt  sich  wohl  eine  Verbindung  der  beiderseitigen 
Stämme,  aber  nicht  die  Ringbildung  deutlich  erkennen,  was  jedoch 
angesichts  der  Schwierigkeit  solcher  Untersuchung  das  Vorhandensein 
desselben  nicht  ausschHesst.  Flimmertrichter  mit  Flimmerläppchen 
konnte  ich  auf  den  Jüngern  Exemplaren  dieser  zweiten  Epoche  leider 


1)  Leuckart,  1.  c.  p.  436  ff. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatiua  (Krabbe).  93 

nicht  entdecken,  wohl  aber  beobachtete  ich  dieselben,  ebenso  wie  die 
feine  Verästelung  der  von  den  Hauptstämmen  nach  der  Aussenfläche 
des  Körpers  abgehenden  Seitenzweige  recht  schön  auf  etwas  älteren, 
weiter  differenzierten  Stadien.  Dass  dieselben  aber  auch  schon  bei 
den  jüngeren  Formen  in  Verbindung  mit  den  beobachteten  Längs- 
kanälen vorhanden  sind,  können  wir  auf  Grund  der  bekannten  Ver- 
hältnisse bei  ähnlichen  Formen  mit  Sicherheit  annehmen.  Wie  aber 
steht  es  um  die  Ausmündung  der  Excretionskanäle?  Das  ist  eine 
Frage,  die  ich  bei  Betrachtung  der  reifen  Cysticerkoiden  offen  lassen 
musste  und  mir  auch  bei  meinen  embryologischen  Untersuchungen 
lange  Zeit  hindurch  ein  Rätsel  geblieben  ist.  Dass  die  Excretions- 
kanäle den  engen  Hals  zwischen  Cyste  und  Schwanz  durchsetzen  und 
in  den  Schwanz  übergehen  könnten,  schien  mir  von  vornherein  kaum 
glaublich.  Und  dennoch  verhält  es  sich  so,  wie  wir  sehen  werden. 
Es  war  Herr  Geheimrat  Leuckart,  der  mir  zur  Lösung  dieses 
Rätsels  verhalf,  nachdem  er  mich  schon  vorher  auf  das  konstante 
Vorhandensein  der  Einstülpung  am  Schwanzende  hingewiesen  hatte. 
Bei  Gelegenheit  der  Untersuchung  eines  der  Jüngern  Stadien  der 
zweiten  Epoche  machte  er  mich  darauf  aufmerksam,  dass  am  hintern 
Ende,  direkt  vor  der  hier  befindlichen  Grube,  welche,  wie  wir  wissen, 
schon  früh  entsteht,  eine  rötlich  schimmernde  Blase  liege,  welche 
sich  in  diese  Einfaltungshöhle  öffne  und  in  welche  die  Excretions- 
kanäle einmündeten.  Und  wirkUch,  es  war  so  (Fig.  3).  Sogar  die 
Ausscheidung  selbst  glaube  ich  an  dieser  Stelle  beobachtet  zu  haben, 
da  ich  nämlich  gerade  an  dieser  Stelle,  sonst  nirgends  am  Körper, 
einige  Male  tropfenartige  Körperchen  in  der  umgebenden  Flüssigkeit 
bemerkte,  welche  sich  vermehrten  und  im  übrigen  ganz  wie  die  früher 
erwähnten  ,, Sarkodebläschen"  der  absterbenden  Embryonen  aussahen. 
Allerdings  ist  das  betreffende  Gebilde,  die  längst  gesuchte  ,, kon- 
traktile Endblase",  nicht  leicht  und  nur  bei  scharfem  Zusehn  zu  er- 
blicken, aber  evident  vorhanden,  schon  auf  einer  Entwicklungsstufe, 
wo  das  Tier  gewöhnlich  noch  gar  keinen  Schwanz  besitzt.  Jetzt 
konnte  es  nicht  anders  sein:  bei  den  geschwänzten  Tieren  müssen 
die  Längskanäle  in  den  Schwanz  übertreten  und  an  seinem  äussersten 
Ende  in  der  „Einröhrung"  ausmünden  - —  und  eine  Untersuchung 
älterer  und  auch  reifer  Tiere  bestätigte  diese  Schlussfolgerung  (Fig.  B, 
Ebl.).  Es  war  nur  die  starke  Verengung  und  Zusammenschnürung 
an  der  Uebergangsstelle  des  Schwanzes  in  die  Cyste,  die  uns  den 
weitern  Verlauf  der  Kanäle  früher  übersehen  liess.  Grassi  und 
Rovelli  betonen  in  ihrer  Arbeit  ausdrücklich,  dass  die  Längskanäle 
nicht  in  den  Schwanz  überträten  und  dass  gerade  dieser  Umstand 
wohl  ,, der  Grund  seines  späteren  Abfallens"  sei^).  Halten  wir  jedoch 
unsern  Befund  mit  der  Thatsache  zusammen,  dass  auch  Mräzek  und 
Hamann  bei  den  von  ihnen  untersuchten  reifen  und  geschwänzten 
Cysticerkoiden  eine  Endblase,  wie  Grassi  und  Rovelli  sie  beschreibt, 
nicht  gefunden  haben,  so  wird  es  zum  mindesten  sehr  wahrscheinlich, 

^)  L.  c.  p. 


94  Johannes  Emil  Schmidt:   Die  Entwicklungsgeschichte 

dass  auch  bei  T.  elliptica  die  Verhältnisse  in  Wirklichkeit  anders 
liegen  und  dass  die  von  den  italienischen  Forschern  gezeichnete  (und 
vermeintlich  auch  in  ihrer  Entwicklung  beobachtete)  Endblase  nichts 
anderes  als  die  Vertiefung  ist,  in  welche  der  (leicht  sich  abtrennende) 
Schwanz  eingesenkt  ist.  Wie  die  Endblase  und  die  Excretionskanäle 
sich  entwickeln,  habe  ich  nicht  festzustellen  vermocht  —  vielleicht, 
dass  bei  dem  schönen  Materiale,  das  ich  zur  Verfügung  hatte, 
wenigstens  einige  Punkte  hätten  festgestellt  werden  können,  wenn 
mir  die  Beziehung  der  hintern  Einfaltung  zu  dem  Excretionsapparate 
früher  deutlich  geworden  wäre. 

Nach  der  Entstehung  des  Excretionsapparates  wird  das  Bild, 
welches  uns  der  Wurm  darbietet,  ein  recht  lebensvolles  und  ab- 
wechslungreiches, indem  von  jetzt  an  die  weiteren  Veränderungen 
rasch  aufeinanderfolgen.  Der  Sitz  dieser  raschen  Entwicklungs- 
vorgänge ist  natürlich,  wie  vorauszusehen,  das  vordere  Körperende 
des  Tieres.  Zunächst  sind  es  Kopf  und  Saugnäpfe,  welche  ent- 
stehen, beide  fast  gleichzeitig,  letztere  in  ihrer  Anlage  nur  wenig 
nach  der  des  Kopfes. 

Sehr  bald  nach  Beginn  der  Längsstreckung  unseres  Tieres,  im 
Sommer  schon  am  zweiten  Tage  nach  derselben  —  das  Tier  hat 
jetzt  im  Mittel  die  Länge  von  0,40 — 0,50  mm  — ,  sieht  man  die 
vordere  Körperspitze  sich  einranden,  anfangs  nur  seicht,  bald  aber 
tiefer  (Fig.  4).  In  der  ersten  Zeit  vermag  sich  diese  ,, Einrandung", 
welche  auf  nichts  anderm  als  auf  dem  uns  längst  bekannten  Ein- 
faltungsvermögen beruht  und  genau  wie  die  übrigen  Einfaltungen 
von  statten  geht,  wieder  zu  glätten,  event.  auch  bloss  zu  verflachen, 
um  sich  dann  nach  einiger  Zeit  wieder  zu  vertiefen.  Später  jedoch 
geschieht  diese  Auf-  und  Abwärtsbewegung  am  vordem  Körperpole 
auf  eine  andere  Weise.  Bei  fortschreitendem  Wachstum  erhebt  sich 
nämlich  der  Boden  der  Einsenkung,  also  die  eigentliche  Spitze  des 
Körpers,  zu  einer  Vorwölbung,  welche  in  den  durch  die  Einfaltung 
entstandenen  Hohlraum  hineinragt,  sich  anfangs  ebenfalls  rasch 
wieder  glätten  kann,  bald  jedoch,  nachdem  sie  ansehnlicher  geworden, 
als  ein  bleibender  Vorsprung  zapfenartig  in  die  Einfaltungshöhle 
vorspringt.  Manchmal  sieht  man  auch  schon  vor  der  Einfaltung 
an  der  vordem  Körperspitze  einen  ebensolchen  kleinen  Vorsprung 
(besonders  wenn  die  Tiere  eben  erst  aus  dem  Zwischenwirt  unters 
Microskop  gelangt  sind),  welcher  sich  gewöhnlich  aber  rasch  wieder 
ausgleicht.  Diese  fortwährenden  Auf-  und  Abwärtsbewegungen  sind 
es,  welche  die  Aufmerksamkeit  des  Beobachters  in  Anspruch  nehmen. 
Sie  geschehen  meist  langsam,  manchmal  aber  auch  in  rascherem 
Tempo;  vollständig  ruhig  bleibt  der  Zapfen  selten:  er  tritt  nach 
aussen  vor,  manchmal  bloss  ein  Stück,  manchmal  in  ganzer  Länge, 
sodass  die  Einfaltung  fast  verschwindet  —  oder  er  zieht  sich  weiter 
zurück  und  führt  seine  Oscillationen  innerhalb  engerer  Grenzen  aus, 
sodass  er  überhaupt  nicht  nach  aussen  vortritt.  Vollständig  wieder 
verschwinden  sah  ich  ihn  auf  späteren  Stadien  niemals.     Das  sind 


und  der  anatomische  Bau  der  Taeuia  anatina  (Krabbe).  95 

wohl  dieselben  Bewegungen,  von  denen  Mrazek  (vergl.  S.83)  und  auch 
Grassiu.  Rovelli^)  sagen,  dassman  sie  beim  Archigetes  SieboldüLkt. 
beobachtet  habe,  und  auf  welche  Mrazek  seine  Ansicht  über  die 
ganze  Entwicklungsweise  der  Cysticerkoiden  stützt.  Die  Beziehungen 
der  eben  geschilderten  Vorgänge  zu  der  Entwicklung  des  Kopfes 
sind  unverkennbar.  Die  Einrandung  bezeichnet  den  Anfang  der 
Kopfbildung,  ebenso  repräsentiert  die  Einfaltungshöhle  die  sogenannte 
„Kopf höhle"  der  Finnen.  Es  ergiebt  sich  also,  dass  sich  auch  bei 
unserer  Form  der  Kopf  ,, eingestülpt",  gleichsam  ,, umgekehrt"  ent- 
wickelt; denn  der  sich  vorwölbende  Zapfen  ist  nichts  anderes  als 
der  Scheitel  des  Kopfes.  Während  der  beschriebenen  Vorgänge 
treten  jedoch  noch  andere  Modifikationen  ein.  Schon  jetzt  macht 
sich  an  den  äussern  Konturen  der  vordem  Zone  die  späterhin  so 
wesentliche  Segmentierung  (in  Kopf,  Nacken  und  Saugnäpfe  nebst 
dem  übrigen  Leibe)  bemerkbar,  und  zwar  durch  das  Auftreten  von 
zwei  zunächst  noch  veränderhchen  Einschnürungen,  die  in  kurzer 
Entfernung  aufeinander  folgen,  sodass  die  durch  sie  begrenzten 
Abschnitte  dicht  hintereinander  liegen.  Ihnen  entsprechen  im  Innern 
zwei  Paar  Spalten,  dieselben,  welche  wir  schon  früher  bei  Gelegenheit 
der  allmählichen  Ausfaltung  des  reifen  Tieres  bemerkten  und  nichts 
anderes  sind  als  Intercellularräume,  die  durch  Auseinanderrücken 
von  Zellen  schon  vor  der  Einfaltung  des  Kopfes  vorn  in  dem  Gewebe 
ihren  Ursprung  nehmen.  Auch  die  Kopfhöhle  modifiziert  sich  etwas. 
Sie  behält  nicht  die  anfänglich  vollkommen  röhrige  oder  sackartige 
Form  bei,  sondern  teilt  sich,  sobald  die  Einstülpung  etwas  tiefer 
geworden  ist,  (aber  noch  bevor  die  Vorwölbung  des  Scheitels  konstant 
wird),  in  zwei  Abschnitte,  einen  vordem  und  einen  hintern,  und 
zwar  dadurch,  dass  sie  sich  hinter  der  Mitte,  also  mehr  dem  Scheitel 
zu,  infolge  einer  ringförmigen  Vorwölbung  der  Wand,  etwas  einengt. 
Durch  diese  Ringwulst  wird  natürlich  der  Scheitel  zum  grossen  Teil 
überdeckt  (Fig.  4)  und  schhesslich  vollständig  überwölbt.  Bei  den 
Ein-  und  Ausschiebungen  des  Scheitelzapfens  verwischt  sich  freilich 
dieser  Ringwulst  manchmal  mehr  oder  weniger;  er  verschwindet 
gelegenthch  sogar  vollständig,  aber  das  Vermögen  seiner  sofortigen 
Wiedererzeugung  (durch  stellenweise  Kontraktion  der  Ringfasern 
und  Spindelzellen)  ist  immer  vorhanden. 

Während  dieser  Vorgänge  geschieht  nun  auch  die  Entwicklung 
der  Haken,  nnd  zwar  in  einer  Weise,  die  im  wesentlichen  mit  dem 
übereinstimmt,  was  wir  in  dieser  Beziehung  von  den  echten  Finnen 
wissen^).  Eben  nachdem  die  Einrandung  der  Körperspitze  begonnen 
hat  und  noch  nicht  zu  grösserer  Tiefe  vorgeschrittsn  ist,  da  erscheint 
auf  der  vordem  Fläche  des  Cysticerkoidenkörpers  im  Umkreise  der 
Grube  eine  grosse  Menge  sehr  kleiner,  schwach  gebogener  Spitzen, 
welche  ihre  Konkavitäten  sämtlich  nach  aussen  wenden,  aber,  soweit 
sich  das  bei  der  grossen  Menge    entscheiden  lässt,  nicht  in  Reihen 


1)  L.  c.  (Centralbl.  f.  B.  u.  P.)  p.  8. 

2    Vergl.  Leuckart,  1.  c.  p.437ff.,  445/46. 


96  Johannes  Emil  Schmidt:   Die  Entwicklungsgeschichte 

angeordnet  sind.  Bei  der  weiter  fortschreitenden  Einfaltung  geraten 
diese  Spitzen,  obzwar  anfangs  sämtlich  aussen  auf  der  Oberfläche 
gelegen,  zum  grossen  Teile  natürlich  in  die  Kopfhöhle  hinein, 
und  zwar  grösstenteils  wieder  in  den  vordem  Abschnitt  derselben, 
über  den  Ring-wulst.  Auf  dem  Scheitel  oder,  vor  dessen  Vorwölbung, 
auf  dem  Grunde  der  Einsenkung,  woselbst  Grassi  u.  Rovelli  die 
Spitzen  in  derselben  Menge  und  gleicher  Ausbildung  wie  vorn 
fanden  i),  habe  ich  nur  selten,  und  dann  nur  sehr  wenige  überaus  feine 
Spitzen  bemerkt,  niemals  aber  auf  dem  Ringwulst,  wo  auch  Grassi 
u.  Rovelli  sie  vermissten.  Wahrscheinlich  fallen  auch  die  unter- 
halb desselben  befindlichen  Spitzen,  wenn  sie  zur  Ausbildung  gelangen, 
rascher  ab  als  die  übrigen,  welche  ja  bekanntlich  ebenfalls  nicht 
lange  nach  ihrem  Entstehen  wieder  verloren  gehen,  bis  auf  die 
wenigen,  in  diesem  Falle  zehn,  welche  zu  den  grossen  Bandwurm- 
haken auswachsen.  Dieselben  hegen,  nachdem  die  übrigen  abgefallen 
sind,  in  einfacher  Reihe  und  gleichen  Abständen  von  einander  un- 
mittelbar über  der  Ringwulst,  je  nach  der  Weite  besonders  des 
untern  Teiles  der  Kopfhöhle,  welche  je  nach  der  Stellung  des  Kopf- 
zapfens verschiedentlich  wechselt,  etwas  über  oder  unter  der  Mitte 
(Fig.  4).  Ihre  Spitzen,  welche  den  eigentlichen  Hakenteil,  die  Kralle 
des  spätem  Hakens  repräsentieren,  sind  nach  oben  und  aussen 
gekehrt  und  schieben  sich  infolge  des  raschen  Wachstums  am  Grunde 
immer  weiter  in  dieser  Richtung  vor.  Sie  sind  hohl,  tutenförmig, 
doch  ist  eine  papillenartige  Erhebung  oder  ein  direkter  Zusammen- 
hang mit  den  kleinen  runden  Zellen,  welche  unmittelbar  unter  ihrem 
Grunde  liegen  und  bis  nahe  an  die  Höhlung  heranreichen,  nicht 
nachweisbar.  Dass  die  Haken  Kutikularbildungen  sind  und  die 
Kutikula  auch  die  Innenfläche  der  Kopfhöhle  auskleidet,  braucht 
kaum  erwähnt  zu  werden.  Ebenso  selbstverständlich  ist  es,  dass 
beim  Vortreten  des  Scheitels  die  Haken  an  die  äussere  Seitenfläche 
des  Kegels  treten  und  ihre  Spitzen  dabei  allmählich  nach  unten 
senken,  bis  schhesslich  die  endgültige  Form  des  Kopfes  resultiert. 
Der  lange  hintere  Wurzelfortsatz  bildet  sich  zuletzt.  Manchmal, 
wenn  auch  selten,  findet  man  Haken  von  ganz  absonderlicher  Form. 
Sie  sind  fast  vollkommen  ausgebildet,  aber  ihre  Spitze  ist  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  umgebogen.  Auch  Mräzek  hat  Tiere  mit 
derartigen  Haken  gefunden  und  die  Hakenform  abgebildet  2),  doch 
kann  ich  dieselben  nicht  für  normale  Bildungen  halten,  wohl  aber 
als  einen  Beweis  für  die  grosse  Biegsamkeit  und  anfängliche 
Weichheit  der  Hakensubstanz. 

Aber  nicht  nur  an  und  auf  der  Aussenfläche  des  vordem 
Körperpols  gehen  grosse  Veränderungen  vor  sich.  Auch  im  Innern, 
in  dem  der  Einfaltungsstelle  benachbarten  Gewebe  schreitet  die 
Entwicklung  rüstig  vorwärts.  Gleichzeitig  mit  der  Kopfbildung, 
sehr   bald   nach  der  Entstehung  der  Kopfhöhle  sieht  man  in  den 

1)  L.  c.  Tafel  I,  11;  II,  6,  8. 

2)  L.  c.  Nr.  2,  Tafel  1. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  97 

seitlichen  Partien  des  vordem  Körperabschnitts  die  peripherischen 
Zellen  sich  strecken  nnd  radiär,  also  senkrecht  zur  Kutikula,  sich 
anordnen.  Dicht  gedrängt  liegen  sie  pallisadenartig  nebeneinander 
(Fig.  4),  Es  ist  die  Anlage  der  Saugnäpfe,  die  wir  vor  uns  haben. 
An  derselben  beteiligen  sich  somit  nicht  bloss  die  schon  früher  uns 
bekannt  gewordenen  Spindelzellen,  sondern  auch  die  zwischen  ihnen 
gelegenen  peripherischen,  kleinen  Zellen.  Diese  sowohl,  wie  auch 
die  Spindelzellen  strecken  sich  mehr  und  mehr  (Fig.  b)  —  sie  liefern 
ja  späterhin  die  Radiärmuskeln  der  Saugnäpfe  —  und  allmählich 
so  stark,  dass  sich  die  betreffenden  Stellen  buckeiförmig  nach  aussen 
vorwölben.  Die  Saugnäpfe  entstehen  mithin  nicht  wie  bei  den 
Blasenwürmern  innerhalb  der  Kopf  höhle,  in  umgestülpter  Lage, 
sondern  ausserhalb  und  etwas  unterhalb  derselben  gleich  in  ihrer 
späteren  normalen  Haltung,  ebenso  wie  Grassi  u.  Rovelli  dies 
auch  gefunden  haben. 

Nicht  so  klar  ersichtlich  wie  die  Bildung  der  Saugnäpfe  ist  die 
Entstehung  des  Rostellums,  ein  Vorgang,  der  —  wie  schon  die 
anatomischen  Verhältnisse  erwarten  lassen  —  vollständig  von  dem 
abweicht,  was  Grassi  u.  Rovelli  bei  der  T.  elliptica  darüber  an- 
geben i).  Der  vordere  Rostellumsack  erscheint  zugleich  mit  dem 
Auftreten  der  zahlreichen  Kutikularspitzen  auf  der  vorderen  Fläche, 
also  gleich  nach  Beginn  der  vordem  Einfaltung.  Seiner  Entstehung 
scheint,  wie  dies  auch  aus  seiner  Beschaffenheit  und  Lage  begreiflich 
ist,  eine  Aushöhlung  des  ganzen  vordem  Körperabschnitts  vorher- 
zugehen. An  Exemplaren,  welche  noch  keine  Einfaltung  des  vordem 
Körperendes  zeigen,  aber  unmittelbar  davor  stehen,  sieht  man 
nämlich  im  Innern  oftmals  ein  deutliches  Auf-  und  Nieder  strömen 
einer  glänzenden  Körnermasse,  der  anscheinend  auch  Zellen  bei- 
gemischt sind,  derselben  Masse,  welche  wir  früher  als  Inhalt  des 
Rostellumsackes  kennen  gelernt  haben.  Und  dieses  Strömen  ist 
keineswegs  nur  auf  kurze  Strecken  beschränkt,  sondern  lässt  sich 
mitunter  durch  die  ganze  vordere  Partie  des  Tieres  verfolgen,  bis 
gegen  den  schon  lange  bestehenden  hintern  Hohlraum  hin,  welchen 
wir  zum  Unterschied  von  dem  vordem  jetzt  den  ,, primären"  nennen 
wollen.  Es  muss  sich  also  der  ganze  vordere  Körperabschnitt  aus- 
gehöhlt haben  —  was  sich  auch  späterhin  völlig  bestätigt  —  und  zwar 
allem  Anschein  nach  dadurch,  dass  sich  die  centralen  Zellen  lockerten 
und  teilweise  verflüssigten.  Für  die  spätere  Einfaltung  der  Körper- 
spitze ist  dieser  Vorgang  von  grosser  Wichtigkeit,  denn  ohne  ihn 
würde  dieselbe  unmögHch  sein.  Auf  ein  solches  Hohlwerden  deuten 
auch  die  unregelmässigen  Hohlräume  hin,  welche  nach  der  Ein- 
stülpung öfters  im  Innern  auftreten  und  vielmals  blasenartig,  oft 
mehrere  nebeneinander,  mit  einer  stark  lichtbrechenden,  rötlich 
schimmernden  Flüssigkeit  erfüllt  sind.  Der  vordere  RosteUarsack 
entsteht  nun  dadurch,  dass  die  unterhalb  des  Scheitels  gelegene 
Höhlung   von  Zellen   umwachsen   wird  und  den   grössten  Teil   der 


1)  L.  c.  p.  13  ff. 

Arch.  f.  Naturgescli.  Jahrg.  1894. 


98  Johannes  Emil  Schmidt:   Die  Entwicklungsgeschichte 

verflüssigten  Bindesubstanz  in  sich  einschliesst.  Gleichzeitig  mit  ihm 
legt  sich  auch  die  äussere  Bekleidung  des  Rostellums  an,  doch  tritt 
die  sackartige  Beschaffenheit  derselben  zunächst  nicht  so  auffällig 
zu  Tage  wie  beim  ausgebildeten  Tänienkopfe,  da  sie  ja  in  dieser 
spätem  massiven  und  engen  Form  ein  Zurückziehen  des  Kopfes 
unmöglich  machen  würde.  An  lebenden  Tieren  ist  auf  den  früheren 
Entwicklungsstufen  das  Vorhandensein  der  äussern  Rostellumwandung 
überhaupt  kaum  zu  erkennen  und  nur  auf  Schnitten  mit  Sicherheit 
zu  konstatieren.  An  solchen  ist  auch  ihre  Entstehungsweise  deutlich 
zu  erkennen.  Die  Bildung  geht  von  einem  am  Grunde  des  spätem 
Sackes  gelegenen,  centralen  Zellkomplexe  aus  (Fig.  b),  dessen  äussere 
Zellen,  sich  streckend  und  aufwärts  richtend,  mit  andern  darüber 
gelegenen  in  Zusammenhang  treten  und  mit  diesen  sich  zu  einem 
weiten  und  dehnbaren,  unten  geschlossenen,  nach  oben  offenen  Sacke 
verbinden,  dessen  Ränder,  wie  schon  früher  bemerkt,  an  der  Grenze 
zwischen  Nacken  und  Saugnäpfen  in  die  Körperwand  übergehen. 
Dass  auch  die  Entstehungsweise  des  vordem  Rostellumsackes  sehr 
ähnlich  ist  —  nur  insofern  verschieden,  als  die  Zahl  der  sich  dabei 
beteiligenden  Zellen  viel  geringer  ist  — ,  Hess  sich  nach  den  Schnitten 
mit  grösster  "Wahrscheinhchkeit  vermuten,  doch  nicht  mit  absoluter 
Sicherheit  feststellen. 

Mit  der  Bildung  des  vordem  Rostellums  gehen  aber  noch  zwei 
weitere  Differenzierungen  Hand  in  Hand.  Zunächst  gewinnt  das 
seitlich  von  ihm  liegende  Gewebe  allmählich  eine  ausserordentlich 
dichte,  fast  homogene  Beschaffenheit,  sodass  das  Rostellum  in  seiner 
ganzen  Länge  wie  von  dicken  Muskelbacken  begrenzt  erscheint. 
Man  könnte  dieselben,  wenn  man  nicht  darunter  die  Saugnäpfe 
sähe,  fast  für  diese  selbst  in  Anspruch  nehmen.  An  manchen 
Exemplaren  bemerkt  man  aber  schon  jetzt,  dass  diese  Masse,  obwohl 
sie  sich  nur  schwer  in  einzelne  Zellenelemente  auflösen  lässt,  in 
mehrere,  allerdings  nicht  deutlich  zu  sondernde  ringförmige  Gruppen 
zu  zerfallen  scheint.  Auf  Längsschnitten  wird  solches  noch 
deutlicher;  man  erkennt  dann,  dass  die  ganze  Masse  in  drei  Paar 
von  Zellgruppen  sich  auflöst,  die  (Fig.  b)  seitlich  zur  Kopfhöhle 
oder  bei  vorgestrecktem  Scheitel  seitlich  vom  vordem  Rostellum 
hintereinander  liegen,  einen  etwas  schrägen  Verlauf  einhalten  und 
die  optischen  Durchschnitte  ebensovieler  ringförmiger  Zellaggregate 
darstellen.  Ein  vierter  schwächerer  Zellring  ist  in  der  Mitte  dicht 
unter  dem  Scheitel,  also  im  Rostellum  selbst  gelegen.  Die  innern 
Grenzen  desselben  machen  sich  am  lebenden  Tiere  durch  zwei  von 
der  Scheitelspitze  nach  innen  in  schwachem  Bogen  auf  einander  zu- 
laufende Linien  bemerkbar,  welche,  da  sie  auch  einen  Teil  der 
körnigen  Protoplasmamasse  des  Rostellums  einschliessen,  fast  wie 
die  Grenzen  eines  dritten,  vordersten  und  kleinsten  Rostellarsackes 
aussehen.  Diese  ringförmigen,  hintereinander  liegenden  Zellaggregate 
sind  es,  welche  späterhin  in  dem  Tänienkopfe  jene  ringförmig 
geordneten,  stark  ausgebildeten  Längsmuskeln  des  Rostellums  liefern. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  99 

Die  zweite  Differenzierimg,  welche  mit  der  Bildung  des  Rostellums 
Hand  in  Hand  geht,  ja  sogar  mit  ihr  in  direkter  Verbindung  steht, 
ist  die  Anlage  des  Nervensystems.  Gleich  von  vornherein  will 
ich  bemerken,  dass  ich  mich  betreffs  dieses  Punktes,  bekanntlich 
des  schwierigsten  und  „kitzlichsten"  in  der  ganzen  Cestodenkunde, 
zu  einer  Annahme  gedrängt  sehe,  welche  in  mancher  Beziehung 
ausserhalb  des  Rahmens  der  bis  jetzt  über  das  Nervensystem  der 
Tänien  bekannten  Thatsachen  steht.  Darin  stimmen  meine 
Beobachtungen  mit  den  übrigen  und  mit  denen  von  Grassi  u. 
Rovelli  überein,  dass  das  Nervensystem  unmittelbar  am  Grunde 
des  Rostellumsackes  gelegen  ist,  ja  sich  mit  diesem  anscheinend 
sogar  im  Zusammenhang  befindet  i).  Unsere  Tänie  aber  besitzt  zwei 
Rostellarsäcke  —  an  welchem  ist  nun  das  Nervensystem  gelegen? 
Unter  dem  vordem  Rostellarsack  sieht  man,  besonders  bei  vor- 
gestrecktem Scheitel,  an  lebenden  Tieren  sowohl  wie  an  Schnitt- 
präparaten kleine  runde  Zellen  mit  Kernen,  welche  ohne  eine 
bestimmte  erkennbare  Anordnung  bei  einander  liegen,  in  einigen  Fällen 
aber  auch  in  zwei  nebeneinander  liegende  Gruppen  getrennt  erschienen 
(Fig.  b).  Aber  auch  am  Grunde  des  hintern  Rostellums  liegen,  wie 
Fig.  b  ebenfalls  zeigt,  unterhalb  der  den  Sack  bildenden  gestreckten 
Zellen  derartige  Zellen,  Beide  Male  scheinen  dieselben  auch  im 
Zusammenhang  mit  dem  betreffenden  Rostellarsack  zu  stehen,  insofern 
nämlich,  als  sie  vorn  wie  hinten  die  untern  Zellen  eben  jenes  Zell- 
komplexes bilden,  von  welchem,  wie  erwähnt,  die  Bildung  der 
Rostellarsäcke  ausgeht.  Nach  den  bis  jetzt  uns  bekannten  Ver- 
hältnissen würde  man  von  vornherein  nur  die  unterhalb  des  äussern 
Rostellarsackes  gelegenen  Zellen  als  die  Anlage  des  Nervensystems 
annehmen  können.  Schnitte  durch  den  ausgebildeten  Tänienkopf, 
welchen  ich  zum  Vergleich  und  zur  Entscheidung  dieser  Frage 
heranzog,  sowie  Färbungen  desselben  mit  Methylenblau  haben  mich 
jedoch  überzeugt,  dass  ganz  entschieden  auch  die  unterhalb  des 
vordem  und  —  das  ist  das  Auffällige  —  innerhalb  des  äussern 
Rostellarsackes  gelegene  Zellengruppe  ein  Nervencentrum  repräsentiert. 
Sowohl  zu  den  Seiten  des  vordem,  wie  auch  am  Ende  des  hintern 
Sackes  findet  man  nämhch  auf  Schnitten  innerhalb  eines  blassen, 
granulösen,  manchmal  maschigen  Protoplasmas  eine  grosse  Zahl  sehr 
dunkel  gefärbter  Kerne  (die  Objekte  wurden  mit  Hämatoxylin  gefärbt, 
in  Sublimat  konserviert).  Beide  Stellen  sind  von  dem  benachbarten 
Gewebe  deutlich  unterschieden  und  in  ihrem  Aussehen  unter  sich 
vollkommen  gleich:  es  bleibt  nichts  andres  übrig  —  denn  auch  die 
Färbungen  mit  Methylenblau  geben  dasselbe  und  zwar  ein  sehr 
schlagendes  Resultat  -  ,  als  beide  Stellen  als  Sitz  eines  Nerven- 
centrums  und  beide  Zellgruppen  als  Gruppen  von  Ganglienzellen 
anzuerkennen.  Formen  mit  zwei  Rostellarsäcken  sind  bisher  auf  diese 
Verhältnisse  noch  nicht  untersucht  worden.  Dahingegen  hat 
Zschokke  bei  zwei  Arten   mit   einfachem  Rostellum,    welche    auf- 


^)  Grassi  u.  Rovelli,  1.  c.  p.  19. 


100  Johannes  Emil  Schmidt:   Die  Entwicklungsgeschichte 

fälligerweise  in  ihrem  sonstigen  anatomischen  Bau  unserer  T.  anatina 
sehr  nahe  stehen,  bei  der  T.  diminuta  Rudolphi  und  T.  relicta 
Zschokke,  innerhalb  des  Rostellums  Ganglienzellen  zu  bemerken 
geglaubt  und  bei  der  T.  relicta  sogar  zwei  Kommissuren,  eine  obere 
unter  der  Scheitelspitze  und  eine  untere  unterhalb  des  Rostellums 
nachgewiesen  1),  sodass  schon  auf  Grund  dieser  Thatsachen  die  aus- 
gesprochene Auffassung  sehr  viel  von  ihrer  anfänglichen  Unwahr- 
scheinlichkeit  verliert.  Ob  man  bei  dem  Cysticerkoiden  schon  von 
einem  peripherischen  Fasersystem  reden  kann,  scheint  mir  fraglich. 
Allerdings  gerät  man  manchmal  in  Versuchung,  besonders  den  unter- 
halb des  vordem  Sackes  gelegenen  Ganglienzellen  ein  deutliches, 
verästeltes  Fasernetz  zuzuschreit)en,  das  von  ihnen  ausgehend  sowohl 
nach  vorn  um  den  Rostellumbulbus,  als  auch  nach  hinten  in  zwei 
verzweigte  Stränge  sich  fortsetzt.  Doch  lässt  sich  zwischen  diesen 
Zellen  und  den  genannten  Fasern  niemals  ein  direkter  Zusammenhang 
konstatieren.  Ein  derartiges  fasriges  Strangsystem  sieht  man  auf 
einem  gewissen  Stadium,  nämlich  gleich  nach  dem  Sichtbarwerden 
des  Rostellums,  ausserordentlich  häufig  und  mit  ausserordentlicher 
Deutlichkeit.  Doch  ist  es  immer  nur  sichtbar,  wenn  der  Scheitel 
nach  vom  gestreckt  ist,  und  es  scheint  mir  darum  wahrscheinlicher, 
dass  dieses  in  der  That  ausserordentlich  nervenähnliche  Netzwerk, 
in  dem  man  hin  und  wieder  auch  einige  wenige  Zellen  gewahrt 
(Fig.  b),  als  eine  blosse  Ausfüllung  der  Rüsselhöhle  zu  betrachten 
und  jenem  Netzwerk  an  die  Seite  zu  stellen  ist,  welches  wir  früher 
als  Ausfüllung  des  primären  Hohlraums  kennen  gelernt  haben,  zumal 
auch  dieses  ganz  den  nämlichen  Typus  zur  Schau  trägt.  Im  Gegen- 
satz zu  Grassi  u.  Rovelli,  welche  bei  dem  Cysticerkoiden  der 
T.  elliptica  die  vollständige  Ausbildung  und  Verzweigung  des  Nerven- 
systems beobachtet  nnd  abgebildet  haben^),  können  wir  deshalb  bei 
unserm  Cysticerkoiden  nur  von  einem  sehr  rudimentären  Nerven- 
system reden,  das  durch  zwei  Gruppen  von  Ganglienzellen  unterhalb 
des  vordem  und  hintern  Rostellarsackes  repräsentiert  ist  und  auch 
bei  der  späteren  Ausreifung  unseres  Tieres  kaum  weiter  sich  aus- 
bildet. 

So  sind  wir  nun,  nachdem  wir  die  einzelnen  Organe  des  reifen 
Cysticerkoiden  sich  haben  anlegen  sehen,  soweit  gelangt,  die  völlige 
Ausreifung  des  Wurmes,  deren  einzelne  Phasen  sich  schon  jetzt 
zum  grössten  Teil  voraussehen  lassen,  verfolgen  zu  können.  So  rasch 
die  Anlage  aller  dieser  Gebilde  erfolgt  und  fortschreitet,  so  rasch, 
für  den  Beobachter  fast  verblüffend  rasch,  erfolgt  auch  die  vollständige 
Ausreifung  unseres  Cysticerkoiden.  Dass  die  Entwicklung  bald  ein 
Ende  erreicht  hat  und  der  Reife  entgegenführt,  giebt  sich  am  ersten 
und  deutlichsten  dadurch  kund,  dass  der  Cysticerkoid  allmählich  seine 
charakteristische  Gestalt  anzunehmen  beginnt.    Natürlich  ist  es,  wie 


^)  Zschokke,  Recherches  sur  la  structure  anatomique  et  histologique  des 
Cestodes,  Geneve  1888:  p.  67,  82  u.  Fig.  28. 
2}  L  c.  p.  25,  Tafel  H,  13;  m,  26,  27. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  101 

wir  wohl  längst  schon  erkannt  haben,  die  ausgestreckte,  ausgefaltete 
Form,  in  die  er  zunächst  übergeht.  Und  zwar  geschieht  dieser  Ueber- 
gang  weniger  durch  ein  weiter  fortschreitendes  Längenwachstum,  wie 
man  vielleicht  glauben  könnte  —  dieses  hört  im  Gegenteil  schon  vor 
Ende  der  Entwicklung  fast  ganz  auf,  nur  der  Schwanz  streckt  sich 
noch  in  die  Länge  —  als  vielmehr  dadurch,  dass  sich  das  Tier, 
welches  sich  lange  Zeit  hindurch  noch  ganz  beliebig  zusammenzog 
und  einschnürte,  jetzt  an  ganz  bestimmten  Stellen  kontrahiert  und 
diese  Einschnürungen  dann  immer  konstanter  beibehält.  Aber  eben 
mit  dieser  Beschränkung  der  Einschnürungen  auf  bestimmte  Partieen 
des  Körpers  und  dem  Konstantwerden  derselben  ist  stellenweise  noch 
eine  Verschmächtigung,  ein  Längerwerden  —  ohne  eigentliches  Wachs- 
tum —  verbunden.  Dies  tritt  mit  besonderer  Deutlichkeit  an  dem 
den  Hals  liefernden  Teile  hervor,  welcher  vorher  kaum  als  ein  be- 
sonderer Körperabschnitt  zu  erkennnen  war,  jetzt  aber  infolge  der 
Einschnürungen  an  seinen  Enden  sich  nicht  nur  deutlich  von  den 
Saugnäpfen,  die  sich  dann  noch  stärker  hervorwölben,  und  von  der 
Cyste  abhebt,  sondern  auch  bedeutend  länger  und  schmächtiger  wird. 
Dadurch  dass  sich  jetzt  auch  der  Schwanz  von  dem  übrigen  Körper 
schärfer  absetzt  und  zuletzt  sogar  seine  Ansatzstelle  ebenfalls  ein 
Stück  eingefaltet  wird,  hebt  sich  auch  die  Cyste  mit  ihrem  Hohl- 
raum als  scharf  gezeichnetes  Glied  von  dem  übrigen  Körper  ab,  und 
das  um  so  mehr,  als  Aehnliches  auch  von  dem  Hinterkopf  gilt.  Dass 
der  Hohlraum  der  Cyste  und  ebenso  seine  spaltartige  Fortsetzung 
in  den  Hals  hinein  dem  alten  „primären"  Hohlraum  entspricht,  der 
schon  in  der  ersten  Entwicklungsperiode  sich  nachweisen  liess,  braucht 
kaum  erwähnt  zu  werden.  Fast  sieht  jetzt  der  Cysticerkoid  wie  ein 
völlig  reifes  Tier  aus;  denn  auch  der  Kopf  nimmt  von  nun  an  immer 
häufiger  eine  gestreckte  Haltung  an,  sodass  er  nur  noch  selten  in 
zurückgezogenem  Zustande  gefunden  wird.  Nur  die  unfertigen  Haken, 
denen  noch  die  Wurzelfortsätze  fehlen,  sowie  die  geringe  Zalil  von 
Kalkkörperchen,  welche  jetzt  erst,  nach  der  Anlage  sämtlicher  Organe, 
sich  zu  bilden  beginnen,  verraten  noch  die  Unreife  des  Tieres.  Auch 
die  Kutikula  der  Cyste  ist  noch  nicht  in  ihrer  spätem  Dicke  vor- 
handen, zunächst  kaum  dicker  als  an  den  andern  Körperteilen.  Die 
Kalkkörperchen,  welche  bei  der  T.  elliptica  schon  im  „zweiten  Stadium" 
vor  Anlage  der  Organe  sich  bilden,  entstehen  bei  unserm  Wurme 
also  viel  später.  Einmal  vorhanden,  vermehren  sie  sich  aber  rasch, 
bleiben  aber  gewöhnlich,  wie  bekannt,  auf  den  Hals  beschränkt.  Nur 
selten  findet  man  deren  zwischen  den  Saugnäpfen,  noch  seltener 
(von  mir  nur  in  einem  Falle  beobachtet)  im  Schwänze.  Die  Saug- 
näpfe, welche  infolge  ihrer  fortschreitenden  Vorwölbung  das  zwischen 
ihnen  liegende  Gewebe  natürlich  stark  gedehnt  und  ausgehöhlt  und 
dem  Hinterkopfe  dadurch  zugleich  die  Möghchkeit  der  Einfaltung 
geschaffen  haben,  sie  erhalten  jetzt  auch  binnen  kurzer  Zeit  den 
dichten  Besatz  von  Kutikularhäkchen.  Ihre  gewölbte  Form  behalten 
sie  beständig;  eine  napfartige  Einziehung,  wie  sie  Grassi  und 
Rovelli  für  ihre  Form  als  „Ruhelage"  der  Saugnäpfe  konstatiereuj 


102  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

findet  sich  bei  unserer  Finne  niemals ;  sie  würde  eine  Einfaltung  des 
Küsseis  auch  unmöglich  machen  i).  Zugleich  mit  der  Entstehung  der 
Kalkkörper  und  des  Häkchenbesatzes  auf  den  Saugnäpfen,  hat  sich 
auch  der  Hakenapparat  vollständig  ausgebildet.  Niemals  sieht  man 
nach  dessen  Entwicklung  den  Kopf  noch  in  eingefalteter,  umgekehrter 
Lage;  er  behält  von  jetzt  an  die  normale,  aufrechte  Haltung  mit 
den  nach  hinten  gerichteten  Hakenspitzen  konstant  bei,  und  in  dieser 
Haltung  faltet  er  sich  auch  ein:  der  Cysticerkoid  faltet  sich  ein  — 
er  ist  fertig.  Die  Einfaltung  bildet  also,  das  ist  unser  Endergebnis, 
den  Schluss  des  Ganzen.  Sie  findet  während  der  Entwicklung  nicht 
willkürlich  statt,  wie  Mräzek  meint,  sie  erfolgt  auch  nicht,  wenigstens 
nicht  bei  unsrer  Form,  vor  der  Ausreifung,  welche  dann  erst  im 
Innern  stattfindet,  wie  Grassi  und  Rovelli  für  die  T.  elliptica  an- 
geben, sondern  sie  ist  das  sicherste  Zeichen,  dass  die  Entwicklung 
zu  Ende,  der  Cysticerkoid  reif  ist.  Nur  die  Ausscheidung  der  dicken 
Kutikula  findet  während  und  nach  der  allgemeinen  Einfaltung  noch 
statt,  gleichsam  als  eine  weitere,  zweite  Umhüllung  und  Einkapselung 
—  zum  Schutze  während  der  langen  Ruhezeit,  die  des  Cysticerkoiden 
möglicherweise  im  Leibe  des  Zwischenwirts  harrt. 

Zwei  grosse  Abschnitte  oder  Perioden  waren  es,  welche  wir  in 
der  Entwicklungsgeschichte  des  Cysticerkoiden  unterschieden  hatten: 
die  Epoche  des  allseitigen  Wachstums  und  die  des  Längenwachstums. 
Ein  Ueberblick  über  dieselben  und  eine  kurze  Zusammenfassung 
der  Ergebnisse  zeigt  uns,  dass  wir  innerhalb  jeder  dieser  Epochen 
wiederum  drei  Zeitabschnitte  und  ihnen  entsprechend  drei  Ent- 
wicklungsstadien unterscheiden  müssen:  während  der  ersten  Periode 
1.  den  wandernden  Embryo,  2.  die  massive,  3.  die  hohle  Keimkugel, 
während  der  zweiten  Periode  1.  das  Stadium,  in  welchem  die  Anlage 
der  wichtigsten  vegetativen  und  animalischen  Organe  geschieht  (Ex- 
cretionsgefässsystem,  Ringmuskeln,  Spindelzellen),  2.  das  Stadium, 
in  welchem  die  Ausbildung  speciell  des  vordem  Abschnittes  und 
die  Entstehung  der  spätem  Haftorgane  erfolgt  (Kopf,  Saugnäpfe), 
3.  das  Stadium  der  Ausreifung  (Formgebung,  Einkapselung).  Ausser- 
dem ergiebt  sich,  dass  wir  in  der  Entwicklungsgeschichte  unseres 
Cysticerkoiden  zwei  Einfaltungsprozesse  unterscheiden  müssen,  die 
Einfaltung  des  vordem  Körperendes  behufs  Bildvmg  des  Kopfes  und 
die  lediglich  dem  Schutze  dienende  allgemeine  Einfaltung  des  vordem 
Körperabschnitts  in  den  hintern,  zwei  Prozesse,  welche  also  eigentlich 
gar  nichts  miteinander  zu  thun  haben,  bei  den  Finnen  der  Blasen- 
bandwürmer jedoch  in  einen  Akt  zusammenfallen. 

Inbezug  auf  die  erste  Anlage  des  Kopfes  gilt  also  nach  dem 
gegenwärtigen  Stande  unserer  Kenntnisse  für  alle  Finnen  der  gleiche 
Entwicklungsmodus:  bei  Cysticerken  sowohl  wie  bei  Cysticerkoiden  ent- 


^)  Der  Cysticerkoid  der  T.  elliptica  verhält  sich  in  dieser  Beziehung  anders, 
da  die  Einziehung  bei  ihm  auf  eine  viel  einfachere  "Weise,  nämlich  durch  fort- 
schreitende Vertiefung  der  Kopfhöhle  erfolgt. 


iiud  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  103 

steht  der  Kopf  in  einer  Einstülpung  „gleichsam  umgekehrt".  Inbezug 
auf  die  Entwicklung  des  übrigen  Körpers  mit  Einschluss  der  Saug- 
näpfe und  des  Halses,  weichen  jedoch  beide  Gruppen,  soweit  wir  von 
ihnen  sichere  Kunde  haben,  von  einander  ab:  bei  den  einen,  den 
Cysticerken,  entwickeln  sich  die  letzteren  wie  der  Scheitelteil  des 
Kopfes  ebenfalls  in  eingestülpter  Lage  innerhalb  der  ,, Schwanzblase", 
bei  den  andern,  den  zwei  in  dieser  Beziehung  bis  jetzt  allein  be- 
kannten Cysticerkoiden,  jedoch  ausserhalb  der  „Cyste"  in  normaler 
Haltung.  Innerhalb  dieser  Cysticerkoiden  selbst  können  wir  aber 
schon  jetzt  zwei  verschiedene  Typen  unterscheiden,  als  deren  Re- 
praesentanten  wir  eben  die  T.  elliptica  und  die  T.  anatina  ansehen 
müssen:  die  T.  elhptica  als  Typus  für  gewisse,  wahrscheinlich  kurz- 
rüsselige  cysticerkoide  Tänien,  deren  Saugnäpfe  sich  schon  früh  in 
die  Kopfhöhle  einsenken,  sodass  die  Haltung  derselben  die  Ver- 
hältnisse der  echten  Finnen  wiederholt  —  die  T.  anatina,  der  Re- 
präsentant gewisser  langrüsseliger  und  langhalsiger  Formen,  deren 
Kopf  nach  der  Einfaltung  aufrecht  und  in  gewöhnlicher  Haltung  in 
der  Cyste  gelegen  ist.  Dies  das  vorläufige  Ergebnis  und  der  vor- 
läufige Stand  unserer  Kenntnisse.  Ob  es  auch  noch  andere  „Typen" 
giebt,  ob  sich  der  Scolex  auch  innerhalb  der  Cyste  und  sogar  in 
aufrechter  Haltung  entwickeln  kann,  wie  dies  Grassi  und  Rovelli 
für  die  T.  murina  und  Hamann  für  seine  noch  unbestimmte  Form, 
allerdings  beide  nur  auf  Grund  wenig  abgerundeter  und  wenig  sicherer 
Beobachtungen,  behaupten  —  wer  weiss  es?  Bei  der  augenscheinlich 
ganz  ausserordentlichen  Mannigfaltigkeit  der  Formen  und  bei  den 
ungeahnten,  überraschenden  Resultaten,  die  wir  schon  jetzt  gewonnen 
haben,  würde  es  gewagt  sein,  schon  jetzt  auf  diese  Fragen  Antwort 
zu  geben  und  die  gewonnenen  Resultate  ohne  weiteres  zu  verall- 
gemeinern. 

Anders  in  vergleichend  -  anatomischer  Beziehung.  Schon  jetzt 
können  wir,  auf  Grund  der  Entdeckung  der  Endblase  des  Excretions- 
gefässsystems  in  der  Schwanzspitze  durch  Leuckart,  wohl  mit 
Sicherheit  behaupten,  dass  der  Schwanz  der  Cysticerkoiden,  welcher 
ja  aus  den  verschiedensten  Gründen  ohnehin  schon  als  in  Rückbildung 
begriffen  angesehen  werden  muss,  bei  den  Cysticerken  in  die  Bildung 
der  ,, Schwanzblase"  eingeht,  dass  mithin  auch  die  ,, Cyste"  der 
Cysticerkoiden  der  „Schwanz"blase  der  Cysticerken  morphologisch 
nicht  in  jeder  Hinsicht  gleichwertig  ist,  was  ja  auch  schon  aus  der 
Kopfbildung  hervorgeht.  Von  einem  ,, Verlorengehen"  des  Schwanzes, 
welche  Möglichkeit  ja  früher  noch  offen  stand  und  auch  von  Grassi 
und  Rovelli  1)  noch  erwogen  wird,  kann  streng  genommen  (vom 
morphologischen  Standpunkte  aus)  keine  Rede  mehr  sein.  Noch 
helleres  Licht  über  das  Wesen  der  Schwanzblase  wie  überhaupt  des 
Finnenleibes  verbreitet  die  Thatsache,  dass  beide  Pole  der  Schwanz- 
blase, unserer  hohlen  Keimkugel,  anfänglich  offenbar  gleichwertig 
und  gleich  entwicklungsfähig  sind:  eine  Vergleichung  der  Cysticerken 

1)  L.  c.  (Centralblatt  f.  B.  u.  Pkde.)  p.  U. 


104  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

und  des  Cysticerkoiden  aus  Arion^)  mit  den  bekannten  geschwänzten 
Cysticerkoiden  ergiebt  ohne  weiteres,  dass  jeder  der  beiden  Pole  die 
Produktion  des  Kopfes  übernehmen  kann  —  ein  Umstand,  der  uns 
auch  das  Verständnis  der  merkwürdigen  Coenurus-  und  Echinococcus- 
formen etwas  näher  rückt.  Ob  freiHch  bei  den  gewöhnlichen  ein- 
köpfigen Finnen  auch  andere,  seitliche  Stellen  der  Hohlblase  diese 
Fähigkeit  besitzen  (das  Vermögen  einer  derartigen  Einfaltung  besitzen 
sie  ja,  wie  wir  aus  der  Kontraktionsfähigkeit  unserer  Form  gesehen 
haben),  darüber  fehlen  sichere  Angaben  noch,  wenn  auch  einige 
Beobachtungen  darauf  hinzuweisen  scheinen^).  —  Für  weitergehende 
Kombinationen  halte  ich  die  Zeit  noch  nicht  für  gekommen  —  auch 
die  spekulativen  Betrachtungen  Grassjs  und  Rovellis  erweisen  sich 
in  mehrfacher  Hinsicht  als  übereilt  und  ungenügend  begründet. 

Die  Vorgänge  nach  dem  Uebertritt  des  Cysticerkoiden 
in  den  Darm  der  Ente  sind  von  mir  nicht  experimentell  verfolgt 
worden. 

Eine  darauf  gerichtete  Untersuchung  würde  in  ihren  Haupt- 
ergebnissen doch  nur  eine  Bestätigung  dessen  bringen,  was  wir  bei 
ähnlichen  Experimenten  schon  längst  in  Erfahrung  gebracht  haben  3), 
und  dessen,  was  wir  bereits  geeigneten  Orts  aus  dem  Vergleich  der 
Finne  mit  der  Tänie  selbst  erschliessen  konnten  (vergl.  hierzu 
S.  73,  77,  98,  100).  Dass  aber  die  Weiterentwicklung  unseres 
Cysticerkoiden  im  Darm  der  Ente  zu  dem  als  T.  anatina  Krabbe 
bekannten  Bandwurm  wirklich  erfolgt,  darüber  ist  kaum  ein  Zweifel 
gestattet.  Dass  übrigens  der  Scolex,  welcher  ja  allein  in  die 
Bildung  des  Bandwurmes  eingeht,  nach  seinem  Uebertritt  in  den 
Entendarm  noch  beträchtlich  wächst,  zeigen  mit  grösster  Deutlichkeit 
seine  späteren  Dimensionen:  Breite  des  Kopfes  0,14 — 0,15  mm,  Länge 
des  vordem  Rostellarsackes  0,16  mm,  Länge  des  hintern  bei  ge- 
wöhnlicher Streckung  0,50  mm,  grösste  Breite  zwischen  den  (im 
Tode  eingestülpten)  Saugnäpfen:  0,55  —  0,60mm.  Ganz  besonders 
ist  es  demnach  das  hintere  Rostellum,  welches  wächst  und  sich 
bedeutend  verlängert,  gleichzeitig  aber  auch,  da  es  sich  der  Ein- 
faltung des  Rüssels  nicht  mehr  anzuquemen  braucht,  etwas  verengt. 
Dass  die  Muskulatur  der  Rostellen,  sowie  das  Nervensystem  erst 
in  der  Ente  zur  vollen  Ausbildung  gelangen,  wissen  wir  schon 
(s,  Seite  98  u.  100).  Das  Hakenpolster  verwächst  dabei  zu  einer 
geschlossenen  Scheiteldecke. 

„Durch  Verlängerung  und  Gliederung  des  Halsteils"  ^)  entwickelt 
sich  schliesslich  ein  Bandwurm,  dessen  Länge  nach  den  Exemplaren, 
die  mir  und  Krabbe  zu  Gesicht  gekommen  sind,  bis  20  cm,  nach 
Exemplaren,   die  Krabbe  in  Gurlts  Sammlung  fand^),   sogar    bis 


1)  Vergl.  hierzu  Leuckart,  1.  c.  p.  457  Anm.,  592  u.  826. 

-)  Leuckart,  1.  c.  p.  592. 

3)  Leuckart,  I.e.  p.  482  ff. 

*)  Leuckart,  1.  c.  p.  485  Anmerkung. 

'S)  Krabbe,  1.  c.  m.  43. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taeuia  anatina  (Krabbe).  105 

30  cm  beträgt  und  dessen  Breite  2 — 3  mm  erreicht.  Die  Zahl  seiner 
Glieder,  welche  sich  wegen  der  bedeutenden  Kürze  derselben  in  den 
vordem  Partien  nur  schätzen  lässt,  mag  nach  den  ungefähren 
Zählungen,  die  ich  an  verschiedenen  Exemplaren  vorgenommen  habe, 
bei  den  längsten  Tieren  wohl  2000  und  darüber  betragen.  Das  von 
mir  auf  Schnitten  untersuchte  Exemplar  hatte  bei  einer  Länge  von 
7  cm  etwa  650  Glieder,  war  also  noch  ziemlich  jung.  Vorn  ist  der 
Wurm  fadendünn,  ganz  allmählich  aber  nimmt  er  an  Breite  zu  und 
erreicht  seine  grösste  Breite,  etwa  0,5—1  cm  vor  dem  Ende.  Dieselbe 
betrug  bei  dem  oben  erwähnten  jungen  Exemplar  1,4  mm,  die 
mittleren  Glieder  waren  1 — 1,2  mm  breit,  aber  nur  0,10 — 0,11  mm  lang, 
also  gerade  zehnmal  breiter  als  lang.  Nur  nach  hinten  nimmt  die 
Länge  der  GHeder  etwas  zu,  aber  auch  dort  beträgt  sie  nur  den 
fünften  bis  sechsten  Teil  ihrer  Breite.  Die  T.  anatina  gehört  also 
zu  den  ausgeprägt  kurzgliedrigen  Formen.  Die  Geschlechtsöffnungen 
sind  einseitig.  Die  volle  Geschlechtsreife  oder,  was  dasselbe  heisst, 
der  Beginn  der  Begattung  trat  bei  dem  untersuchten  Tiere  um  das 
490.  Glied  ein;  etwa  70  GHeder  später  sah  man  den  Uterus  sich 
füllen.  Das  Wachstum  des  Wurms,  welcher  am  häufigsten  den 
hintern  Teil  des  Dünndarms  bewohnt,  scheint  sehr  rasch  zu  erfolgen 
—  ganz  kleine  Exemplare  findet  man  höchst  selten  und  die  voll- 
ständig „reifen",  näinlich  trächtigen  Tiere,  wie  früher  erwähnt, 
verhältnissmässig  häufig. 

Die  folgenden  Blätter  sollen  als  Beitrag  zu  der  noch  so  wenig 
bekannten  Anatomie  der  cysticerkoiden  Tänien,  den  anatomischen 
Bau  der  Taenia  anatina  in  knapper  Form  zur  Darstellung  bringen, 
da  dessen  Kenntnis  im  Interesse  einer  künftigen  rationellen 
Systematik  und  als  Ergänzung  zu  vorHegender  Entwicklungsgeschichte 
immerhin  erwünscht  sein  möchte. 

Gliederform  und  anatomischer  Bau  stehen  in  Wechselwirkung 
zu  einander  —  wie  bei  den  menschlichen  Tänien,  so  auch  hier:  die 
Kurzgliedrigkeit  ist  es,  welche  dem  innern  Bau  der  T.  anatina  das 
Gepräge  giebt.  Dies  spricht  sich  zunächst  aus  in  der  Thatsache, 
dass  die  einzelnen  Organe  der  T.  anatina  nicht,  wie  bei  den  lang- 
gliedrigen  Tänien,  der  Länge  nach  von  vorn  nach  hinten  auf  ein- 
ander folgen,  sondern  in  der  Hauptsache  von  oben  nach  unten  ge- 
lagert sind,  dass  ihr  längster  Durchmesser  also  nicht  longitudinal, 
sondern  dorsoventral  verläuft,  sodass  die  Organe  in  den  einzelnen 
Gliedern  mehr  zu  stehen  als  zu  liegen  scheinen.  In  Wechselwirkung 
damit  steht  der  weitere  Umstand,  dass  die  Glieder  verhältnismässig 
höher,  resp.  dicker  sind,  als  sonst  bei  den  Bandwürmern  —  ihre 
Dicke  beträgt  die  Hälfte  ihrer  Breite!  Infolgedessen  tritt  auch  der 
bandartige  Charakter  unseres  „Band"wurms  viel  weniger  scharf 
hervor,  als  etwa  bei  den  meisten  übrigen  Ententänien  (T.  sinuosa, 
gracilis,  malleus)  mit  Ausnahme  von  T.  coronula.  Was  sich  bei  den 
langgliedrigen  Bandwürmern,  etwa  den  bekannteren  menschlichen 
Tänien,  am  übersichtlichsten  auf  horizontalen  Längsschnitten  (Flächen- 
schnitten) beobachten  und  darstellen  lässt,  wird  bei  unserer  T.  anatina 


106  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

somit  am  besten  auf  Querschnitten  untersucht  und  veranschaulicht, 
wie  Fig.  C  beweist. 

Nur  was  zum  genaueren  Verständnis  und  zur  Ergänzung  dieser 
Figur  C  dient,  soll  in  folgendem  hervorgehoben  werden.  Wie  sonst, 
sind  auch  bei  unserer  Art  die  weiblichen  Keimdrüsen,  Ovarium 
(Fig.  C,  Ov.)  und  Dotterstock  (Dst.),  dem  Prinzipe  nach  aus  Schläuchen 
zusammengesetzt,  nur  dass  diese,  eben  eine  Folge  der  Kurzgliedrigkeit, 
vom  Bauche  nach  dem  Rücken,  dorsoventral  verlaufen.  Die  Drüsen 
selbst  jedoch  folgen  in  der  Längsrichtung  aufeinander:  der  Dotter- 
stock, dessen  tubuläre  Natur  weniger  scharf  hervortritt,  liegt  hinter 
dem  Ovarium,  dem  hintern  Gliedrande  angenähert,  wird  aber  von 
dem  ziemUch  umfangreichen  Ovarium,  dessen  Schläuche,  acht  in  der 
Regel,  halbkreisförmig  vor  ihm  liegen  und  nach  dem  Bauche  zu 
konvergierend  zusammenstrahlen,  an  beiden  Seiten  umfasst,  wie 
Fig.  C  zeigt.  Natürlich  befindet  sich,  dieser  allgemeinen  Lagerung 
gemäss,  auch  der  Ausführungsgang  des  Dotterstocks  (Dg.)  nicht 
ganz  auf  gleichem  Querschnitte  mit  dem  des  Ovariums  (Fig.), 
sondern,  in  gleicher  Höhe  mit  demselben,  hinter  ihm.  Die  Ver- 
bindung der  weiblichen  Organe  ist  dem  Principe  nach  ganz  dieselbe, 
wie  wir  sie  zuerst  durch  Leuckart  für  die  Blasenbandwürmer 
kennen  gelernt  haben,  nur  dass  der  sogenannte  „Befruchtungskanal" 
(Bk.),  also  die  Fortsetzung  des  mächtigen  Receptaculum  seminis  in 
unserm  Falle  eine  verhältnismässig  ganz  ausserordentliche  Länge  hat, 
indem  er  an  der  Stelle,  wo  er  in  eine  schwache  Erweiterung  seines 
Lumens  den  Eiergang  aufnimmt,  nach  oben  umbiegt  und  erst  nach 
mehrfachen  Schlängelungen  in  die  Schalendrüse  (Schdr.)  einmündet. 
Auch  der  Ausführungsgang  der  Schalendrüse  (Af.),  welcher  die  be- 
fruchteten Eier  dem  Uterus  (Ut.)  zuführt,  mündet  bei  unserer  Form 
erst  nach  mehrfachen,  ja  noch  bedeutenderen,  auf-  und  absteigenden 
Windungen,  welche  auf  der  Zeichnung  nur  angedeutet  werden 
konnten,  nach  vorn  in  den  Uterus,  welcher  sich,  ebenfalls  in  An- 
passung an  die  kurzen,  hohen  Glieder,  als  ein  in  querer  Richtung 
verlaufender,  nach  oben  und  unten  ausbiegender  weiter  Kanal  oder 
Sack  erweist^).  Sämtliche  Verbindungskanäle  sind  verhältnismässig 
deutlich  zu  erkennen  und  scharf  umrissen;  ihr  Querdurchmesser 
beträgt  durchschnitthch  0,007  mm.  Die  Schalendrüse,  welche  auch 
hier  in  anatomischer  Hinsicht  das  Centrum  des  ganzen  komplizierten 
Apparates  bildet,  ist  von  annähernd  kugeliger  Gestalt  (Durchmesser 
0,05 — 0,06  mm)  und  besteht  aus  kleinen,  sich  nur  schwach  färbenden 
Kernzellen,  welche  dicht  um  den  sehr  engen  Innenraum  gruppiert 
sind  —   alles  von  den  übrigen  Tänien   her  bekannte  Verhältnisse. 


^)  Dass  das  Ovarium  selbst  späterhin  als  Uterus  fungiere  und  der  Aus- 
führungsgang der  Schalendrüse  wieder  ins  Ovarium  zurückführe,  was  neuer- 
dings Diamare  [Le  funzioni  dellovario  nella  Davainea  Tetragoua  Molin,  Nota 
di  Vincenzo  Diamare,  Napoli  1893]  von  einer  Hühnertäuie  beschreibt  und 
für  viele  Vogeltänien  als  giltig  annimmt  —  findet  auf  die  T.  anatina  keine 
Anwendung. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  107 

Die  Eier,  welche  anfangs  den  Dotterzellen  fast  gleich  sind,  später 
aber  besonders  in  ihrer  Grösse  sehr  differieren  (Eier:  0,006  mm, 
Dotterzellen:  0,003  mm),  lassen  Kern  und  Kernkörperchen  erkennen. 
Von  den  den  Uterus  füllenden  Eiern  sind  sie  bei  oberflächlichem 
Zusehn  kaum  zu  unterscheiden;  doch  kann  man  bei  schärferer 
Untersuchung  in  den  Uteruseiern  deutlich  mehrere  Kerne  mit  Kern- 
körperchen  erkennen  —  sie  sind,  trotz  ihrer  fast  gleichbleibenden 
Grösse,  in  reger  Teilung  begriffen.  Auch  erwiesen  sie  sich,  ebenso 
wie  die  Schalendrüse  und  ihr  Ausführungsgang,  für  Färbungsmittel 
(Boraxkarmin)  schwerer  empfänghch. 

Bei  der  Ueberblickung  der  männlichen  Organe  ist  zunächst 
die  Dreizahl  der  Hoden  bemerkenswert,  ein  Merkmal,  welche  unsere 
Tänie  bekannthch  mit  vielen  andern  Vogeltänien  gemein  hat^). 
Ihre  Lage  ist  auf  der  Zeichnung  ersichtlich;  der  auf  der  rechten 
Seite  gelegene  Hoden  (H.)  befindet  sich,  da  der  Geschlechtsporus 
ganz  regelmässig  etwas  vor  der  Mitte  des  Gliedes  gelegen  ist,  hinter 
der  männlichen  Samenblase.  Auffallenderweise  persistieren  die 
Hoden  ausserordentlich  lange;  selbst  auf  Schnitten,  die  ich  durch 
ältere  Glieder  legte,  als  das  von  mir  untersuchte  Exemplar  sie  auf- 
wies, waren  die  Hoden  noch  in  voller  Grösse  vorhanden.  Das  Vas 
deferens  (V.  d.),  welches  ohne  weitere  Schlängelungen  direkt  nach 
der  Geschlechtsöffnung  zu  verläuft,  erweitert  sich  vor  seinem  Ueber- 
tritt  in  den  Cirrusbeutel  (Cb.)  zu  einer  ziemlich  weiten  und  etwas 
gewundenen  Samenblase  (Sbl.);  Prostatadrüsen  sind  nicht  vorhanden. 
Eine  besondere  Auszeichnung  unserer  Tänie  ist  der  inwendig  mit 
sehr  feinen  Spitzen  besetzte,  kurze  Präputialsack  (Ps.),  welcher 
innerhalb  des  Cirrusbeutels  dicht  hinter  dem  ebenfalls  mit  solchen 
Spitzchen  inwendig  besetzten  Endstück  des  Samenleiters,  dem  sogen. 
Cirrus  (C),  gelegen  ist  und  sich  wie  dieser  bei  der  Begattung  nach 
aussen  vorstülpt  —  er  vermittelt  offenbar  die  Ueberführung  des 
Cirrus  und  des  Samens  nach  der  Vagina 2).  Die  Weite  des  stark 
muskelwandigen  Cirrus  ist  ungefähr  gleich  der  ihm  sehr  ähnlichen 
Vagina  oder  nur  wenig  geringer  (0,003 — 0,004  mm).  Dem  bleibt 
noch  hinzuzufügen,  dass  die  sonst  bei  den  Tänien  vorhandene,  am 
hintern  Gliedrande  gelegene,  weite  Queranastomose  zwischen  den 
beiden  Längskanälen  (Lk.)  bei  unserer  Form  fehlt,  offenbar  infolge 
der  starken  Verkürzung  der  Glieder;  nur  eine  schwache  Ausbuchtung 
des  weiten  Längskanals  zeigt  sich  an  ihrer  Stelle;  hingegen  ist  das 
zweite  engere  Paar  der  Längskanäle  durch  die  ganze  Gliederkette 
hindurch  vorhanden.  Ihre  Lage  zu  einander,  ferner  auch  die  Ver- 
teilung der  starken  Längsmuskelbündel  ist  auf  der  Zeichnung  er- 
sichthch  (Lm.). 


^)  Auch  noch  ein  anderer  Entenbandwurm,  die  T.  gracilis,  gehört  zu  dieser 
Gruppe. 

2)  Auch  bei  der  bereits  erwähnten  T.  gracüis  der  Ente  ist  er  vorhanden, 
sogar  in  noch  stärkerer  Ausbildung. 


108  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 

Was  über  den  histologischen  Bau  der  einzelnen  Organe  zu 
sagen  wäre,  betrifft  Verhältnisse,  wie  solche  sich  im  wesentlichen 
auch  bei  den  übrigen,  bekannten  Formen  finden.  Und  eben  aus 
dem  Umstände,  dass  sie  in  der  Hauptsache  typischer  Natur  und  in- 
folgedessen auch  bekannter  sind,  lässt  sich  wohl  das  Recht  ableiten, 
dass  sie  in  vorliegender  Darstellung  nicht  mit  gleicher  Ausführlich- 
keit behandelt  und  im  folgenden  nur  noch  die  für  die  T.  anatina  im 
besonderen  charakteristischen  und  von  den  übrigen  Tänien  weniger 
bekannten  Verhältnisse  hervorgehoben  werden.  Zwei  Punkte  er- 
scheinen in  dieser  Beziehung  besonders  interessant  und  erwähnens- 
wert, das  Nervensystem  und  die  Muskulatur  betreffend.  —  Wie  auf 
der  Zeichnung  zu  sehen,  finden  sich  bei  der  T.  anatina  etwa  auf 
der  Grenze  zwischen  Rinden-  und  Mittelschicht,  in  unmittelbarer 
Nähe  der  starken  Längsmuskelzüge  grosse,  multipolare  Zellen  mit 
grossem,  hellschimmerndem  Kern,  dunklem  Kernkörperchen  und  fein 
granulösem,  hüllenlosem  Protoplasma.  Sie  sind  nicht  regelmässig 
verteilt,  aber  ziemlich  zahlreich,  und  ihre  Ausläufer,  gewöhnUch 
drei,  richten  sich  konstant  den  Längsmuskeln  zu,  mit  denen  sie  in 
Verbindung  treten.  Ihr  Aussehen  V)  und  diese  ihre  Beziehung  zur 
Längsmuskulatur  lässt  es  kaum  zweifelhaft  erscheinen,  dass  wir 
es  hier  mit  Ganglienzellen  (Gz.)  zu  thun  haben,  analog  denen, 
welche  im  Körperparenchym  der  Trematoden  nachgewiesen  worden  2), 
bei  den  Cestoden  aber  noch  nicht  beobachtet  sind,  wenn  nicht,  was 
nach  dem  Wortlaute  der  Beschreibung  sehr  wahrscheinlich  ist,  jene 
multipolaren  Zellen  auf  sie  gedeutet  werden  müssen,  welche  Schiefer- 
decker im  Bindegewebe  der  grossen  Tänien  auffand  und  auch 
Leuckart  (1.  c.  p.  356)  erwähnt.  Einen  Zusammenhang  mit  den  von 
den  zwei  Hauptstämmen  sich  abzweigenden  Nebennerven  konnte  ich 
freilich  nicht  erkennen,  nach  verschiedenen  Wahrnehmungen  jedoch 
als  wahrscheinlich  vermuten;  sicher  ist,  dass  auch  in  den  Längsnerven- 
stämmen  selbst  und  in  ihrer  unmittelbaren  Nähe  ähnliche  Zellen 
vorhanden  sind,  nur,  besonders  in  den  Längsstämmen,  sehr  viel  kleiner 
als  die  genannten.  — 

Betreffs  der  Muskulatur  muss  ich  die  Beobachtung  Ferdinand 
Schmidts 3)  bestätigen,  welcher,  nach  dem  Vorgange  von  Pintner 
und  Hamann,  das  Vorhandensein  von  Myoblasten  auch  in  der 
Cestodenmuskulatur  behauptet.  Auch  bei  der  T.  anatina  habe  ich, 
besonders  schön  in  jüngeren  GHedern,  die  Sagittal-(Dorsoventral)- 
muskelfasern  in  der  Form  von  einfachen,  sehr  lang  ausgezogenen, 
spindelförmigen  Zellen  mit  Kernen  beobachten  können.  Selbst  an 
den  Quer-  und  Längsmuskeln  konnte  ich,  wenn  auch  nur  an  einzelnen 


^)  Niemic  bildet  in  seinen  „Untersuchungen  über  das  Nervensystem  der 
Cestoden"  aus  dem  Nervencentrum  der  Ligula  eine  Zelle  ab,  welche  denen 
unserer  T.  anatina  vollständig  gleicht  (Tafel  II,  2). 

-)  Leuckart,  1.  c ,  2.  Abteilung  (Trematoden)  p.  25,  26, 

^)  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Entwicklung  der  Geschlechtsorgane  einiger 
Cestoden,  Zeitschr.  f.  wisssch.  Zoologie,  ßd.  46,  1888. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  109 

Stellen,  das  Vorhandensein  kernhaltiger  Myoblasten  in  Gestalt  von 
Ausbuchtungen  an  der  Muskelfaser  konstatieren.  Ausser  den  Längs-, 
Quer-  und  Sagittalmuskeln  waren  bei  meiner  Tänie  in  der  Rinden- 
schicht, zwischen  der  Subcuticula  und  der  starken  Längsmuskulatur, 
auch  schräg  in  der  Horizontalebene  nach  rechts  und  links  verlaufende 
Faserzüge  bemerkbar,  welche  einander  rechtwinklig  kreuzten,  aber 
nur  eine  dünne,  gitterartige  Lage  bildeten  und  nicht  zu  grösseren 
Bündeln  vereinigt  waren.  — 

Die  T.  anatina  in  die  Reihe  der  übrigen  bekannten  cysticerkoiden 
Tänien  einzughedern,  ist  bei  dem  gegenwärtigen  Stande  unserer 
Kenntnisse  noch  kaum  möglich.  —  Jeder,  der  sich  mit  dem  vor- 
liegenden Gebiet  beschäftigt  hat,  weiss  und  fühlt  es,  wie  vieles,  vieles 
darin  noch  seiner  Bearbeitung  und  Aufklärung  harrt.  Gerade  an- 
gesichts dieser  Thatsache  aber  erachte  ich  es  als  eine  um  so 
dringendere  Pflicht,  hier  am  Schlüsse  Herrn  Geheimrat  Leuckart, 
dem  wir  ja  die  Erschliessung  und  Urbarmachung  dieses  Gebiets 
überhaupt  verdanken  und  der  sowohl  für  die  vorliegende  Arbeit  wie 
für  alle  weiteren  Forschungen  die  Grundlage  geschaffen  hat,  meinen 
wärmsten  Dank  auszusprechen  —  für  die  überaus  freundliche  Unter- 
stützung, welche  er  mir  bei  Anfertigung  dieser  Arbeit  nach  jeder 
Beziehung  hin  zuteil  werden  Hess,  wie  auch  sonst  für  die  reiche 
Anregung,  welche  ich  durch  ihn  erfahren  habe. 


ilO  Johannes  Emil  Schmidt:    Die  Entwicklungsgeschichte 


Tafelerklärung. 


Fig.  A:  Cysticerkoid  innerhalb  der  Cyste:  Rm.  Ringmuskelschicht,  P.  (dritte) 
Parenchymschicht,  H.  vierte  Schicht  (=Hals),  h.  R.  hinterer  Rostellar- 
sack,  R.  Rostellum,  Ex.  Excretionsgefässsystem,  Cu.  Kutikula. 

Fig.  B:  Ausgestreckter  Cysticerkoid:  S.  Scheitel,  R.  Rostellum,  Ex.  Excretions- 
gefässs.,  h.  R.  hinterer  Rost.,  Ebl.  Endblase. 

Fig.  C:  Anatomie  der  Tänie,  im  Querschnitt  dargestellt:  H.  Hoden,  V.  d.  Vas 
deferens,  Bk.  Befruchtungskanal,  Ut.  Uterus,  Lm.  Längsmuskeln, 
Sbl.  Samenblase  (männl).  Gz.  Ganglienzellen,  Ps.  Präputialsack, 
C.  Cirrus,  Cb.  Cirrusbeutel ,  Lk.  Läugskanäle,  R.  sem.  Recept.  semin., 
Ov.  Ovarium,  Eig.  Eiergang,  Dst.  Dotterstock,  Dg.  Dottergang, 
Schdr.  Schalendrüse,  Af.  Ausführungsg.  d.  Schalendrüse. 

Fig.  1 :      Ei  von  Taenia  anatina. 

Fig.  2:      Hohlkugelstadium. 

Fig.  3:      Erstes  Streckungsstadium:  Ebl.  Endblase. 

Fig.  4:  Stadium  nach  Anlage  des  Kopfes  und  der  Sauguäpfe:  Kh.  Kopfhöhle, 
Qusp.  Querspalte  (=  Nackenhöhle),  Sn.  Anlage  der  Saugnäpfe,  S.  Vor- 
gewölbter Scheitel  (mit  Rostellumanlage). 

Fig.  a:      Jüngeres  Stadium  der  zweiten  Entwicklungsperiode  im  Querschnitt. 

Fig.  b:  Längsschnitt  durch  den  vordem  Abschnitt  eines  spätem  Stadiums  der 
zweiten  Entwicklungsperiode:  Ns.  Nervensyst. 


und  der  anatomische  Bau  der  Taenia  anatina  (Krabbe).  Hl 


Inhaltsübersicht. 


Seite 

A.   Die  Entwicklung  des  Cystieerkoiden. 

I.  Die  äussern  Bedingungen  u.Umstände  d.  Entwicklung.  65-69 

a.  Die  Aufsuchung  des  Zwischenwirtes 65—66 

b.  Die  Eier  von  T.  anatina 66—67 

c.  Der  Zwischenwirt  u.  seine  Infektion 67 — 68 

d.  Der     Einfluss     äusserer     Bedingungen     auf    die    Eut- 

wicklungsdauer  u.  Zahl  d.  Finnen       68—69 

II.  Beschreibung  des  reifen  Cystieerkoiden        69 — 82 

a.  des  eingekapselten  Tieres 70 — 75 

b.  des  ausgestreckten  Tieres 75—78 

c.  Vergleichung  und  Übergang  beider  Foimen  in  einander 

(Einfaltungsprozess) 78—82 

III.  Entwicklungsgeschichte 82—104 

a.  Vorbemerkungen:   Bisheriger  Stand  der  Frage         .  82—83 
Überblick 84 

b.  Die  erste  Entwicklungsperiode 84—88 

1.  Der  Embryo        84—85 

2.  Die  massive  Keimkugel        85—86 

3.  Die  Hohlkugel 86-88 

c.  Die  zweite  Entwicklungsperiode 88—102 

1.  Die     allgemeineren    Verhältnisse    (Körperform, 

Schwanz,  Hohlraum,  Riugmuskeln,  Spindelzellen)  88—91 

2.  Die  Differenzierung  der  übrigen  Organe      .    .    .  91—100 

Excretionsgefässsystem 92—94 

Kopf  mit  Rostellum 94-98 

Nervensystem 99—100 

3.  Die  Ausreifung  des  Cystieerkoiden       100—102 

d.  Zusammenfassung  und  Schlussfolgerungen    .    .  102—104 


112  Johannes  Emil  Schmidt. 

Seite 

B.  Die  Taenie. 

1.  Die  Vorgänge   nach   dem   Übertritt  des  Cysticerkoideu  in 

die  Ente  u.  die  äussere  Form  der  Taenie 104—105 

II.  Der  anatomische  Bau  der  T.  anatina 105 — 109 

a.  Princip  der  Anordnung  der  Organe       105—106 

b.  Die  weiblichen  Organe 106—107 

c.  Die  männlichen  Organe 107—108 

d.  Histologisches       108—109 


Helmintliologisclie  Beobachtungen 
an  bekannten  und  unbekannten  Entozoen, 


Von 

Dr.  Arthur  Mueller 

in  München. 


Hierzu  Tafel  VII. 


1.  Filaria  gastrophila  n.  sp.'? 

2.  Strongyluris  brevicaudata  n.  sp. 

3.  Trichocephalus  affinis  Rud. 

4.  Trichocephalus  unguiculatus  Rud. 

5.  Liorhynchus  vulpis  Duj. 

-9.  Helminthen  von  Exocoetus  sp.  (?). 

6.  Echinorhynchus  pristis  Rud. 

7.  Echinorhynchus  annulatus  Moliu, 

8.  Monostoma  filum  Duj. 

9.  Monostoma  filicoUe  Rud. 

10.  Distoma  militare  Rud. 

11.  Distoma  segmentatum  n.  sp. 
Erklärung  der  Abbildungen. 


1.    Filaria  (Spii'Optera)  gastrophila  noY.  sp.  (?)  (Fig.  1). 

Im  Februar  1890  kam  durch  Zufall  ein  interessantes  Präparat, 
welches  schon  mehrere  Jahre  in  Spiritus  aufbewahrt  worden  war, 
in  meinen  Besitz.  Es  war  der  Magen  einer  Katze,  welche,  da  ihr 
zuletzt  jede  Nahrungsaufnahme  unmöglich  geworden  war,  an  Hunger 
zu  Grunde  gegangen  war. 

Während  die  Innen-  und  Aussenfläche  der  Magenwandung 
nichts  Pathologisches  erkennen  Hessen,  zeigte  sich  an  der  Cardia 
ein  dichtes  Knäuel  ineinander  verschlungener  Würmer,  welche  mit 
den  vorderen  Körperenden  im  untersten  Theile  des  Oesophagus  und 
der  Cardia  befestigt  waren,  während  die  anderen  Enden  spiraüg- 
geroUt,  2 — 3  Ctm.  lang,  frei  in  den  Magen  hineinragten.  Zwischen 
den  Würmern,  etwa  in  der  Mitte  des  Knäuels,  beiand  sich  noch  ein 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1894.  Bd.  I.  H.  2.  8 


114 


Dr.  Arthur  Mi;eller:   Helmintbologische  Beobachtungen 


kleines  Büschel  schwarzer  Mäusehaare.  Der  Oesophagus,  welcher 
etwa  1  Ctm.  von  der  Cardia  quer  durchschnitten  war,  zeigte  sich  auf 
seinem  Querschnitte  völlig  ausgefüllt  von  den  Querschnitten  der 
Wurmleiber,  doch  war  auch  hier  das  Haarbüschel,  welches  den 
Verschluss  vervollständigte,  zu  bemerken.  Die  Durchlässigkeit  für 
feste  und  wahrscheinlich  auch  für  flüssige  Nahrung  muss  durch  die 
Ansammlung  der  Würmer  aufgehoben  worden  sein.  Bei  dem 
Versuche,  einzelne  Würmer  vom  Magen  aus  loszulösen,  zeigte  es 
sich,  dass  sich  dieselben  mit  dem  Kopfende  durch  die  Schleimhaut 
des  Magens  und  Oesophagus  so  durchgebohrt  hatten,  dass  sie  in 
einiger  Entfernung  vom  Mundende  durch  ein  schmales  Schleimhaut- 
band befestigt  waren.  Nur  wenige  hatten  ihre  Befestigung  in  der 
Magenwand,  in  geringer  Entfernung  von  der  Cardia,  die  meisten 
Würmer  erstreckten  sich  in  den  Oesophagus  hinein.  Die  Zahl  der 
Würmer  betrug  etwa  40  Stück. 

Filaria  gastrophila  nov.  sp.(?) 


Männchen.      Weibchen 


Körperlänge 27,0'"  26,0-37,0" 

Körperdicke 0,8'"  0,6-0,1 

Länge  des  Oesophagus 8,5'"  6,0—10,0" 

Länge  der  Spicula 0,56'"  u.  0,6" 

Entfernung   der    männlichen    Genitalöffnung    vom 

hinteren  Leibesende 0,37'" 

Entfernung  der  Vulva  vom  Kopfende —  12,0—17,0" 

Entfernung  des  weibl.  Afters  vom  Leibesende    .    .  —  0,5—0,6" 

Durchmesser  der  Eier  (im  Uterus) —  0,05—0,03' 

Die  Würmer,  durch  den  langen  Aufenthalt  in  Spiritus  gebräunt, 
sind  drehrund,  der  Körper  gleichmässig  dick,  das  Kopfende  all- 
mählich etwas  verdünnt.  Das  Schwanzende  des  Männchens  ist 
etwas  verdickt  und  ventralwärts  eingerollt,  mit  bursaartiger  Seiten- 
membran versehen.  Das  Schwanzende  des  Weibchens  endet  in  eine 
stumpfe  Spitze. 

Die  Cuticula  ist  von  massiger  Dicke  und  fein  quergeringelt. 
Etwa  3'"  vom  Kopfende,  an  welcher  Stelle  dasselbe  hakenförmig  um- 
gebogen ist,  befindet  sich  an  der  concaven  Seite  der  Krümmung 
eine  Einschnürung,  ähnlich  einem  Widerhaken,  welche  die  Befestigung 
des  Wurmes  in  der  Schleimhautöse  vermittelt.  Der  Mund  ist  von 
zwei  Lippen  und  4  zwischen  denselben  stehenden  Papillen  umgeben. 
Die  Pulpa  der  Lippen  zeigte  bei  einigen  Exemplaren  drei  feine 
papillenartige  Fortsätze,  von  denen  der  mittlere  kürzer  und  dicker 
war,  als  die  seitlichen.  Der  Oesophagus,  aus  kurzen  polyedrischen 
Zellen  gebildet,  ist  von  bedeutender  Länge,  fast  ein  Drittheil  der 
Körperlänge  einnehmend.  An  seinem  vorderen  Ende  zeigen  sich 
Längsfurchen,    welche  nach  hinten   allmähhch  verschwinden.      Das 


an  bekannten  und  unbekannten  Entozoen.  115 

hintere  Ende  ist  ohne  Verdickung  in  den  aus  kleinen  Zellen  mit 
polyedrischen  Oberflächencontour  gebildeten.  Darm  eingesenkt. 
Hinter  der  Mitte,  bei  jungen  Exemplaren  fast  genau  in  der  Mitte 
des  Körpers,  befindet  sich  die  weibliche  Geschlechtsöffnung.  Die 
Cuticula  ist  an  dieser  Stelle  verdickt  und  bildet  eine  kurze,  der 
äusseren  Leibeswand  anliegende,  nach  dem  hinteren  Leibesende  zu 
geöffnete  Röhre,  in  welche  sich  die  einfache  Vagina  einsenkt. 
Letztere  ist  häufig  strotzend  mit  Eiern  gefüllt.  Von  ihr  aus  gehen 
nach  beiden  Körperenden  zu  die  Uteri  ab,  welche  ebenfalls  mit 
Eiern  gefüllt  sind. 

An  den  elUptischen  Eiern  lässt  sich  noch  keine  Furchung  wahr- 
nehmen und  sind  die  Umrisse  derselben  nur  in  dem  der  Vagina 
benachbarten  Theile  der  Uteri  und  in  der  Vagina  selbst  deutlich 
erkennbar.  Das  hintere  Leibesende  der  Weibchen  verschmälert 
sieh  hinter  dem  After  in  eine  kurze,  stumpfe  Spitze. 

Das  Männchen,  welches  durch  das  IV2 — 2  mal  spiralig  auf- 
gerollte hintere  Leibesende  leicht  kenntlich  ist,  ist  kleiner  als  die 
Weibchen.  Das  hintere  Leibesende  ist  etwas  verdickt  und  endet 
hinter  der  Cloake  in  eine  kurze,  gekrümmte  Spitze. 

Es  lassen  sich  4  Paar  präanale  Papillen  und  4  postanale 
unterscheiden,  welche  in  der  bursaartigen  Seitenmembran  liegen. 
Die  präanalen  und  das  erste  postanale  Paar  enden  mit  breiten 
Knöpfen,  das  zweite  und  dritte  postanale  Paar  liegen  dicht  neben- 
einander, nahe  dem  Körperende,  dicht  vor  welchem  die  eine  un- 
paarige Papille  steht.  Da  die  Würmer  durch  den  Alkohol  gehärtet 
sich  nicht  aufrollen  Hessen  und  bei  jedem  Versuche  sie  zu  strecken 
zerbrachen,  konnte  das  Leibesende  nur  in  Seitenansicht  untersucht 
werden. 

Die  Cloake  mündet  in  einem  lippenartig  vorspringenden  Wulste, 
2  mm  von  der  Schwanzspitze  entfernt. 

Die  Spicula  sind  gebogene  Chitinlamellen  von  ungleicher  Breite 
und  Länge.  Das  breitere  und  längere  Spiculum  trägt  gitterförmige 
Zeichnung  und  umschliesst  das  kürzere,  schmälere,  welches  vor  der 
Spitze  lanzettförmig  verbreitert  ist,  wie  eine  Halbrinne. 

Die  4  präanalen  Papillenpaare  und  die  ungleichen  Spicula  lassen 
den  Wurm  als  der  Gattung  Filaria  (Schneider)  angehörig  erkennen. 
In  seinem  Compendium  sowohl,  wie  im  Nachtrage  dazu,  führt 
V.  Linst ow  unter  den  Parasiten  von  Felis  catus  Schreb.  und  Felis 
domestica  Briss.  weder  eine  Filaria,  noch  eine  Spiroptera  an.  In 
Bezug  auf  den  Wohnort  würde  am  nächsten  stehen  Filaria  sangni- 
nolenta  Rud.  aus  Knoten  in  der  Schleimhaut  des  Oesophagus  und 
des  Magens  von  Canis  vulpis,  Canis  lupus  und  Canis  familiaris. 
Schneider  (Monog.  d.  Nemat.  p.  100)  findet  bei  F.  sanguinolenta 
nur  2  postanale  Papillenpaare  und  bildet  den  Kopf  anders  ab,  als 
er  bei  unserer  Art  erscheint,  auch  findet  er  die  Vagina,  welche 
ähnlich  gebildet  zu  sein  scheint,  nur  5'"  vom  Kopfende  entfernt. 
Duj ardin    (Histoire  des   Helm.,  p.  88)    beschreibt    ausser    anderen 


116  Dr.  Arthur  Mu eller:  Helmin thologische  Beobachtungen 

Abweichungen  die  Spiciila,  von  denen  das  eine  2'"  lang  ist,  als  von 
völlig  verschiedener  Form. 

Es  scheint  also  eine  noch  nicht  bekannte  Art  zu  sein. 


2.    Strongyluris  brevicaudata  nov.  sp.  aus  Agama  colonum  (Fig. 2). 

In  einer  an  der  Westküste  Afrikas  sehr  verbreiteten 
Eidechsenart  (Agama  colonum)  sowie  einer  derselben  sehr  nahe- 
stehenden Form,  fand  ich  einen  Wurm,  welcher  einerseits  in 
Habitus  und  Bau  des  Oesophagus  Oxyuris  und  Leptodera  nahesteht, 
im  Bau  der  Bursa  jedoch  an  Strongylus  erinnert  und  welcher  in 
den  bekannten  Gattungen  nicht  untergebracht  werden  zu  können 
scheint. 

Maasse: 
Körperlänge  ^  bis  T",  $  bis  12'",  Breite  bis  0,8'". 
Oesophaguslänge  1,8 — 2,0"',    Breite  0,057"',    vorderer    Oesophagus- 

abschnitt  0,3'"  lang. 
Bulbus  d.  Oesophagus  0,3'"  breit,  Bulbus  d.  Darmes  0,5"'  breit. 
Bursalänge  0,08'",  Breite  0,64'",  Saugnapf  0,17'"  breit,  0,08"'  hoch. 
Spicula  1,6'"  lang,    0,042"'  breit.      Schwanzspitze    des    Männchens 

0,027'"  lang. 
Vulva  wenig  hinter  der  Mitte,  After  von  Schwanzspitze  0,3"'  entfernt. 
Eier  0,07'"  lang,  0,05'"  breit.  Schale  0,007"'  dick. 

Körperform  ähnlich  Oxyuris,  Kopf  und  Schwanzende  ver- 
schmälert. Die  Cutis  ist  glatt,  spärlich  geringelt.  Die  Mundöffnung 
ist  sehr  klein  und  scheint  von  kleinen  Lippen  umgeben  zu  sein. 
Der  Oesophagus  besteht  aus  einem  vorderen,  kurzen,  sehr  dünnen 
Abschnitt,  dem  Vestibulum,  welches  keine  Zähne  trägt  und  einem 
langen,  etwas  dickeren  hinteren  Theile,  welcher  in  einen  Bulbus 
übergeht,  in  welchem  sich  kein  deutlicher  Zahnapparat  befindet. 
Der  Darmkanal  beginnt  mit  einer  bulbusartigen  Anschwellung. 
Derselbe  ist  dunkel  pigmentirt  und  geht  die  polyedrische  Begrenzung 
der  Zellen  an  der  Oberfläche  des  Darmes  vor  der  Einmündung  in 
die  Cloake  in  elliptische  oder  spindelförmige  Formen  über. 

Die  sehr  kurze  Schwanzspitze  des  Männchens  ist  nicht  in  die 
Bursa  einbezogen  und  liegt  letztere  unterhalb  der  Schwanzspitze. 

Die  Bursa  ist  kurz,  an  der  Bauchseite  offen  und  wird  getragen 
von  6  Paar  Papillen  oder  plumpen  Rippen,  welche  in  je  zwei  kleine 
Knöpfchen  auslaufen.  Diese  scheinen  die  feine  Mündung  von 
Canälen  zu  tragen,  so  dass  man  an  Drüsenmündungen  denken  muss. 

Die  Papillen  selbst  sind  bisweilen  gestreckt,  öfter  besonders  ober- 
halb der  Basis  aufgetrieben,  und  scheinen  daher  contractu  zu  sein. 

Dicht  unterhalb  der  Schwanzspitze  bemerkt  man  bei  aus- 
gebreiteter Bursa  eine  dorsal-  und  ventralwärts  in  zwei  Arme  ge- 
theilte  Spange,  wie  es  scheint,  einen  chitinösen  Stützapparat,  wie 
er    auch    ähnlich    bei    Strongyliden  vorkommt.      Wäre  die  Bildung 


an  bekannten  und  unbekannten  Entozoen.  117 

ebenfalls  eine  Rippe,  so  würde  sie  der  Hinterrippe  der  Strongyliden 
entsprechen  und  die  Aehnlichkeit  in  der  Bursabildung  erhöhen. 
Ventralwärts  von  der  Cloakenmündung  befindet  sich  ein  grosses, 
kegelförmiges,  napfförmiges  Organ.  Die  Aussenwände  desselben 
sind  von  einer  dicken  Chitinlamelle  gebildet,  innerhalb  welcher 
ebenso,  wie  auf  dem  Grunde,  eine  dicke  Muskelschicht  liegt.  In 
der  Mitte  ist  eine  kreisrunde  Einsenkung.  Es  scheint  daher  dieses 
Organ  ein  Saugnapf  zu  sein. 

Die  gleich  langen,  dünnen  Spicula  scheinen  bei  Flächenansicht 
aus  einer  Mittelrippe  und  aus  von  Stäbchen  getragenen  Seiten- 
lamellen zu  bestehen.  An  abgebrochenen  Enden  kann  man  jedoch 
sehen,  dass  der  Durchschnitt  kreisrund  ist  und  dass  die  Cirrhen 
aus  einem  cylindrischen,  granulirten,  centralen  Markstrang  bestehen, 
um  welchen  rosettenartig,  keulige,  abgerundet  endende  Stäbchen  an- 
geordnet sind. 

Dementsprechend  findet  man  bei  guter  Beleuchtung  die  cylindrische 
Oberfläche  der  Cirrhen  mit  polyedrischer  Zeichnung  versehen.  Die 
Basis  der  Cirrhen  ist  leicht  kolbig  verdickt,  die  Spitze  leicht  gebogen. 
Die  Marksubstanz  endet  etwas  verbreitert  vor  der  Spitze. 

Der  Hoden  ist  einfach,  feinkörnig  und  verläuft  in  seinem 
vorderen  dünnen  Ende  vielfach  geschlängelt  bis  fast  zum  Bulbus 
des  Darmes. 

Das  Weibchen  ist  etwas  kräftiger  gebaut,  als  das  Männchen. 
Die  Vulva  ragt  nicht  hervor;  in  einer  Einsenkung  der  Cutis  hegt 
ein,  wie  es  scheint,  hohler  Zapfen,  welcher  dem  Saugnapfe  zur  An- 
heftung zu  dienen  scheint.  An  diese  Einsenkung  schHesst  sich  ein 
kurzer  Schlauch  von  dem  zwei  den  Cirrhen  an  Länge  entsprechende 
Vaginae  abgehen. 

Die  zahlreichen  Eier  sind  oval,  von  dicker,  heller  Schale  um- 
geben und  enthalten  Furchungskugeln  oder  die  erste  unentwickelte 
Anlage  des  Embryos,  welcher  hufförmig  gekrümmt  ist. 

Von  den  nahestehenden  Gattungen  Pelodera  und  Leptodera 
unterscheidet  sich  unser  Wurm  dadurch,  dass  bei  Pelodera  die  Vulva 
fehlt,  der  Oesophagus  zwei  Anschwellungen  besitzt  und  der  Darm 
aus  zwei  Reihen  sechseckiger  Zellen  zusammengesetzt  ist.  Von  Lepto- 
dera unterscheidet  er  sich  durch  die  hier  ebenso  wie  bei  Pelodera 
beschaffene  Bildung  des  Darmes.  Ausser  diesem  Unterschiede  wäre 
es  mögHch,  da  Schneider  hier  Thiere  vereinigt,  welche  in  der  Form 
der  Bursa,  Zahl,  Stellung  der  Papillen,  Vorhandensein  und  Fehlen 
eines  Vestibulum  Oesophagi,  und  Vorhandensein  oder  Fehlen  des 
Zahnapparates  im  Bulbus  Oesophagi,  sehr  diiferiren  und  theils  in 
diesen  Organen  unserem  Wurme  ähnhch  gebaut  sind,  theils  nicht, 
denselben  hier  einzufügen. 


118  Dl'.  Arthur  Mu eller:  Helminthologische  Beobachtungen 


3.    Tricliocephalus  afflnis,  Rud.  (Fig.  3). 

Diesing  (Syst.  Helminth  II  p.  290)  beschreibt  das  männliche 
Geschlechtsorgan:  bursa  longa  cylindrica  muricata,  apice  truncata, 
vagina  penis  tubnlosa  antice  dilatata. 

Dujardin  (Hist.  nat.  p.  39)  Spicule  pointu  long  de  6,75'",  large 
de  0,025'",  elargi  jusqu'ä  0,038"'  par  une  lame  diaphane,  gaine 
tubuleuse,  cylindrique,  longue  de  1,55'"  large  de  0,07'"  toute  heris- 
see  de  petites  epines,  ou  lames  triangulaires ,  couchees  en  arriere 
longues  de  0,005'". 

Schneider  (Monogr.  d.  Nemat.  p.  171,  Taf.  XIII  Fig.  6.)  „Stacheln 
d.  Scheide  spitz,  an  der  Geschlechtsöffaung  in  grösseren  Abständen 
stehend  und  grösser,  als  weiter  nach  hinten.  Die  innere  Höhle  des 
Spiculum  reicht  fast  bis  zur  Spitze.  Die  Chitinmasse  des  Rohres 
zeigt  feine  Querstriche."  Auf  der  Abbildung  reichen  dementsprechend 
die  Stacheln  bis  zu  dem  äussersten  Ende  der  nicht  verbreiterten 
Scheide. 

Bei  einem  (?  Exemplar  aus  Cervus  capreolus  fand  ich  das  Spiculum 
h'"  lang  0,027'"  breit,  die  Scheide  2,4'"  lang  cylindrisch  und,  während 
dieselbe  der  Beschreibung  Dujardins  bis  auf  ihr  hinterstes  Ende  voll- 
ständig entspricht,  ist  dieses  verbreitet  und  unbestachelt ,  an  der 
Basis  eingefaltet,  so  dass  die  Länge  von  0,034'"  offenbar  nicht  der 
voUen  Länge  dieses  becherförmigen  Endstückes  entspricht. 


4.    Trichocephaliis  unguiculatus  R.  (Fig.  4)  aus  Lepus  timidus. 

Schneider  [Monographie  d.  Nematoden  pag.  172,  Taf.  XIII  Fig.  8] 
sagt  über  Trichocephalus  unguiculatus  nur  „Scheide  glatt,  Spiculum 
sehr  dünn  und  spitz"  und  bildet  dementsprechend  an  dem  Körper- 
ende des  Wurmes  nur  einen  dünnen  unregehnässig  ausgebuchteten 
Schlauch  ab,  in  dessen  Anfangstheil  das  dünne  spitze  Spiculum 
hineinragt.  Dujardin  (Histoire  p.  37)  giebt  d.  Spiculum  0,01'"  breit, 
1,87"'  (?)lang  an.  Die  Scheide  durchsichtig,  sehr  schmal  1,55'"  lang 
0,017'"  breit  etwas  spindelförmig  verbreitert  zu  0,042'"  und  gegen 
das  Ende  mit  sehr  kleinen  Punkten  bestreut. 

Diesing  schreibt  (Syst.  II  p.  291):  bursa  longissima  apice  dila- 
tata truncata  parce  echinata.    Vagina  penis  tubulosa  apice  attenuata. 

Rudolphi  Entoz.  Synops.  p.  226:  Genitale  masculum  vagina  lon- 
gissima filiformis  apice  truncata  ex  quo  styli  pars  brevissima  emergit. 

In  einem  Hasen  fand  ich  ein  Exemplar,  welches  der  Beschreibung 
Dujardin's  am  besten  entspricht.  Das  Spiculum  ist  indessen  7"' 
lang,  die  Scheide  ähnlich  Schneiders  Abbildung,  0,32"'  lang  und 
und  0,03'"  breit,  also  im  Vergleiche  zu  Dujardins  Angabe  zu  kurz 
und  dick,  daher  wohl  nicht  völlig  gestreckt.  An  ihrem  Ende  trägt 
sie  einen  deutlich  abgesetzten  hyalinen  nach  hinten  erweiterten 
Becher  von  0,1'"  Länge  und  0,05'"  Breite  an  der  Mündung,  welcher 


an  bekainiteii  und  unbekannten  Entozoen.  119 

mit  äusserst  feinen  punktförmigen  Stacheln  dicht  besetzt  ist.  In 
ihn  ragt  die  Cirrhusscheide  ein  Stück  hinein.  Der  Cirrhus  selbst 
ist  in  die  Scheide  zurückgezogen. 


5.   Liorhynchus  vulpis  Duj. 

In  einer  Abhandlung  über  ,,Die  Nematoden  der  Säugethierlungen 
und  die  Lungenwurmkrankheit"  (Deutsche  Zeitsch.  f.  Thiermed.  und 
vergi.  Path.  XV.  Bd.  p.  261 — 321)  habe  ich  als  Lungenparasiten  des 
Fuchses  nur  Crenosoma  semiarmatum  Mol.  u.  Trichosoma  aerophilum 
Creplin,  als  Parasiten  der  Hundelunge  die  zweifelhafte  Art  Strongylus 
canis  bronchialis  Osler  und  eine  ohne  Namen  von  Dr.  C.  Rabe 
beschriebene  Art  angeführt. 

Da  V.  Linstow  in  seinem  Compendium  p.  46  als  Synonym  für 
Crenosoma  semiarmatum  Mol.den  Liorhynchus  vulpis  Dujardin  (Histoire 
naturelle  des  Helminthes  p.  283)  angiebt  und  mir  dieses  Werk  damals 
nicht  zugänglich  war,  übersah  ich,  dass  der  Rabe'sche  Wurm  offen- 
bar mit  dem  Liorhynchus  vulpis  Duj.  identisch  ist. 

Die  fernrohrartige  Beschaffenheit  des  Kopfabschnittes  und  die 
beiden  Organe  neben  dem  Oesophagus,  welche  Dujardin  mit  den 
Lemnisken  der  Echinorhynchen  vergleicht,  lassen  den  Wurm  von 
Crenosoma  leicht  unterscheiden,  mit  welcher  Form  er  nur  ringförmige 
Verdickungen  oder  Falten  der  Haut  gemeinsam  hat,  welche  nach 
Duj.  in  der  Zahl  16 — 20  vorhanden  sind,  während  Rabe  nicht  an- 
giebt, wie  viele  es  sind,  und  wie  weit  dieselben  sich  nach  hinten  er- 
strecken. Rabe  giebt  auch  die  Beschreibung  des  Männchens,  welches 
Dujardin  nicht  beobachtete. 

Es  wäre  also  Liorhynchus  vulpis  Duj  beizubehalteten  und  Fuchs 
und  Hund  als  Wohnthiere  zu  betrachten. 


6—9.   Helmintlien  von  Exocoetus. 

Im  Juni  1890  bekam  ich  in  der  Nähe  der  canarischen  Inseln 
eine  Anzahl  frischer  Exemplare  von  fliegenden  Fischen  zur  Unter- 
suchung, welche  zwei  Arten  (sp.V)  der  Gattung  Exocoetus  angehörten. 

Die  Untersuchung  auf  Helminthen  ergab  im  Darme  ein  Mono- 
stomum  und  zwei  Echinorhynchen,  zwischen  den  Hautplatten  der 
Flugflossen  ein  Monostomum.  v.  Linstow  führt  in  seinem  Compendium 
p.  235  unter  No.  1320,  Exocoetus  exsiliens  Gm.  als  Parasiten  auf: 
Monostomum  filum  Duj.  Hepar  et  cav.  oculorum,  Scolex  Exocoet. 
exsil.  und  Scolex  sp.  ?  Wagener.  Es  sind  demnach  ausser  dem  Mono- 
stomum filum  die  gefundenen  Würmer  noch  nicht  als  in  den  FKeg- 
fischen  vorkommend  bekannt. 


120  Dr.  Arthur  Mn eller:  Helmhitliologische  Beobachtungen 


6.    Echinorhynchus  pristis  Rud.  (Fig.  5)  aus  Exocoetus  evolans 
und  exsiliens  (?)  Darm. 

Von  ähnlichen  Formen,  mit  bewaffnetem  Körper  und  einer 
grossen  Zahl  30 — 60  Querreihen  von  Rüsselhaken  kommen  in  Betracht : 
E.  pristis,  Rud.  lateralis  Mol.  und  Nardoi  Mol. 

E.  lateralis  und  Nardoi  haben  einen  kurzen  nackten  Hals,  E. 
pristis  hat  keinen  Hals.  E.  Nardoi  hat  einen  spindelförmigen,  in  der 
Mitte  verbreiterten  Rüssel,  E.  lateralis  einen  keulig  am  Ende  ver- 
dickten und  gebogenen  Rüssel  und  zeichnet  sich  durch  4  Stachel- 
reihen vor  dem  abgestumpften  Körperende  aus.  Pristis  hat  einen 
cyhndrischen,  am  Ende  kaum  verdickten  Rüssel  mit  30 — 40  Haken- 
reihen, lieber  die  Körperstacheln  sagt  Rudolphi:  parte  antica  tres 
lineas  longa  seriebus  aculeorum  fortium  (crassorum)  et  sanguine- 
orum  obliquis,  remotis,  duodecim  armata;  apice  caudali  obtuso. 

Die  von  mir  in  Exocoetus  evolans  und  exsihens  gefundenen 
Formen  unterscheiden  sich  etwas  von  der  für  pristis  gegebenen  Be- 
schreibung und  haben  Aehnlichkeit  mit  dem  von  Natterer  in  Cory- 
phaena  hippuris  gefundenen  Echinorhynchus,  welchen  Dujardin^) 
wegen  geringerer  Grösse,  und  relativ  grösserer  Länge  des  Rüssels 
3,37'"  bei  15'"  Körperlänge,  für  verschieden  von  pristis  hält.  Von 
den  Körperstacheln  des  Echinorh.sp.  Natterer  sagt  Dujardin:  aiguillons 
forte  diaphanes  triangulaires ,  avec  une  nervure  medine  comme  des 
feuilles  de  mousse.  Die  Maasse  der  in  Exocoetus  gefundenen  Exem- 
plare sind  folgende: 

Körperlänge  des  Männchens  4,7'" — 5,5'",  Breite  0,4"';  Länge 
des  Weibchens  10,0'"— 11,0'";  Länge  des  Rüssels  bis  1,8"';  Ver- 
hältnis der  Körperlänge  zur  Dicke  15 — 25:1;  Rüsselhaken  schlank 
32  Längsreihen  40 — 50  Querreihen;  Hakenlänge  0,066'",  Dicke  nach 
der  Krümmung  0,006'".  Kein  Hals.  Die  Körperstacheln  stehen  in 
bis  18  Querreihen  und  10  Längsreihen,  sind  0,083'"  lang  und  in  der 
Mitte  0,033'"  breit.  Sie  erstrecken  sich  auf  etwa  2,5'"  Länge.  Die 
Eier  sind  0,023'"  lang  und  0,017"'  breit.  Der  Körper  des  Männchens 
ist  hufeisenförmig  gebogen,  das  Leibesende  des  Weibchens  ist  spiralig 
aufgerollt. 

Die  Haut  ist,  besonders  beim  Weibchen,  im  hinteren  Theile  des 
Leibes  quergeringelt,  wie  segmentirt. 

Die  Stacheln  des  Körpers  sind  von  dreieckig- flaschenförmiger 
Gestalt  mit  flaschenförmiger  Pulpa,  welche  letztere  auf  ihrer  Ober- 
fläche fein  gestrichelt,  wie  behaart  erscheint.  Die  Stacheln  stehen  in 
weiten  Abständen  von  einander  in  Quincunxstellung  und  werden 
nach  dem  Schwanzende  zu  kleiner  und  seltener.  Offenbar  sind  die- 
selben sehr  hinfällig  und  nur  die  ersten  Querreihen  pflegen  vollzählig 
zu  sein,  während  die  letzten  Reihen   oft  ganz  fehlen.     Bis  zum  Be- 


1)  Duj.  Syst.  p.  535. 


an  bekannten  und  unbekannten  Entozoen.  121 

reiche  der  5.  bis  6.  Querreihe  lässt  sich  das  vordere  Körperende  mit 
dem  Rüssel  gemeinsam  einstülpen  und  ersetzt  so  gleichsam  einen  Hals. 

Die  männliche  Geschlechtsöffnung  ist  ein  von  wulstigen  Lippen 
umgebener  von  dem  Leibesende  nach  der  Bauchseite  verlaufender 
Spalt.  Von  einem  glockenförmigen  hervorstülpbaren  Organ  ist  nichts 
zu  finden. 

Die  Vulva  des  Weibchens  ist  bauchständig,  und  von  einem 
wulstigen  Ringe  umgeben,  welcher  an  seiner  hinteren  Peripherie  eine 
über  die  Genitalöffnung  gekrümmte  fingerförmige  Papille  trägt,  welche 
dem  Männchen  vielleicht  zur  Fixierung  dient.  Vor  der  Geschlechts- 
öffhung  ist  der  Körper  etwas  verbreitert.  Die  Eier  sind  stumpf-oval 
und  besitzen  eine  einfache  dicke  Schale  von  brauner  Farbe,  sie  sind 
0,03'"  lang  uud  0,02'"  breit.  Erst  eine  grössere  Anzahl  von  Befunden 
und  genauere  Beschreibung  derselben  wird  feststellen  lassen,  ob  es 
sich  um  mehrere  ähnliche  Arten,  oder  nur  um  Varietäten  einer  Art 
handelt. 

7.    Echinorhynchus  annulatus  Molin.  (Fig.  6). 
Denkschr.  der  kaiserl.  Academie  Wien.  29.   p.  267  . 

Im  Darme  von  Exocoetus  evolans  (?)  fand  ich  ein  Exemplar  von 
E.  annulatus  Mol.  Der  Beschreibung  Molin' s  habe  ich  nur  hinzu- 
zufügen, das  die  Rüsselhaken  zweierlei  Form  besitzen.  Die  unteren 
Reihen  sind  schlanker  und  haben  eine  kurze,  knopfförmige  Wurzel, 
welche  in  ein  Nussgelenk  passt,  welch  Letzteres  durch  eine  Ver- 
dickung einer  zwischen  den  Stacheln  dünnen  Chitinlamelle  ge- 
bildet wird. 

Die  Stacheln,  welche  der  Spitze  näher  stehen,  haben  einen 
wenig  gebogenen  Wurzelast,  welcher  mit  dem  Haken  fast  gleiche 
Länge  hat.  Der  Rüssel  hat  32  Längs-  und  15  Querreihen  von  Haken. 
Der  erste  Stachelring  des  Körpers  wird  von  in  10 — 12  Querreihen 
und  50  Längsreihen  geordneten  schmalen  Schuppenstacheln  mit 
Mittelrippe  gebildet,  welche  durch  breite  Zwischenräume  getrennt 
sind  und  in  Quincunxstellung  stehen.  Es  spricht  dies  dafür  das 
dieser  Theil  des  Körpers  eingestülpt  werden  kann.  Die  12  Querreihen 
und  60 — 70  Längsreihen  von  Schuppenstacheln  auf  dem  zweiten  ver- 
dickten Ringe  entspringen  von  fünfseitigen  aneinander  grenzenden 
Chitinfeldern  der  Cutis  und  greifen  dieselben  dachziegelförmig  über- 
einander. Die  Schuppenstacheln  sind  von  ähnlicher  Form,  aber  mit 
viel  breiterer  Basis  als  die  des  erstes  Ringes. 


8.   Monostoma  fllum,  Dujardin  (Fig.  7). 
Histoire  des  Helminth.  p.  362. 

Dujardin  beschreibt  nach  einem  schon  macerirten  Exemplare 
aus  dem  Darme  von  Scomber  scombrus  ein  Monostoma,  welches  sich 
durch  fadenförmige  Gestalt  mit  sehr  grossem  Saugnapfe  auszeichnet: 


122  Dr.  Arthur  Mueller:  Helminthologische  Beobachtungen 

termine  en  avant  pas  une  large  Ouvertüre  oii  ventouse  cupuliforme. 
Seitdem  wurde  dieser  Wurm  nur  von  Wagener  in  Cysten  der  Orbita 
und  der  Leber  von  Exocoetus  exiliens  wiedergefunden.  Die  Identität 
dieses  Befundes  mit  dem  Dujardin's  bezweifelt  schon  Diesing^). 

Im  Darme  von  Exocoetus  exiliens  und  evolans  (?)  fand  ich  zwei 
unreife  Exemplare  und  4  Kopfstücke  von  zwei  reifen  Exemplaren 
eines  Wurmes,  welcher  mit  Dujardin's  Monostoma  filum  identisch 
sein  dürfte,  obgleich  die  Maasse  nicht  völlig  stimmen.  Länge  (der 
unreifen  Exemplare)  10 — 13'".  Breite  0,6 — 0,7'",  Saugnapf  0,4 — 0,5'", 
Länge  des  Oesophagus  0,4 — 0,5'",  Länge  des  verdickten  vorderen 
Körperabschnittes  2,3—2,7'",  EierO,02  -0,03'"  lang  und  0,014—0,02'" 
breit. 

Der  Körper  ist  cylindrisch,  der  vordere,  sowie  der  hintere  Ab- 
schnitt dicker  und  ist  der  vordere,  Abschnitt  gegen  den  mittleren, 
halsartigen  Abschnitt  ziemlich  scharf  abgesetzt,  während  dieser  Hals 
nach  hinten  allmähHch,  entsprechend  dem  Auftreten  der  Uterus- 
schlingen, anschwillt. 

Der  grosse  Saugnapf  liegt  am  vorderen  Körperende  schief  zur 
Längachse  des  Körpers  und  scheinen  in  den  Grund  seiner  dreieckigen 
Höhlung  nach  vorne  der  Oesophagus,  in  der  Mitte  die  Genitalgänge 
auszumünden,  was  wohl  auch  Dujardin  mit  dem  Ausdrucke:  „Ouver- 
türe ou  ventouse  cupuliforme"  hat  bezeichnen  woUen.  Ein  Cirrhus 
wurde  nicht  gefunden. 

Der  Oesophagus  besitzt  keinen  Bulbus,  ist  dünn  und  theilt  sich 
spitzwinklich  in  zwei  dünne  pigmentirte  Darmblindsäcke,  welche  sich 
bis  nahe  an  das  Körperende  verfolgen  lassen.  Bei  den  unreifen 
Exemplaren  beginnen  die  Schlingen  des  Eierganges  etwa  in  der 
Körpermitte  und  sind  im  Beginne  an  den  Seiten  am  deutlichsten, 
was  mit  Dujardins  Angabe:  „oviducte  formant  deux  cordons  sinueux" 
übereinstimmt. 

Nach  hinten  zu  werden  die  Schlingen  knäuelförmig  gehäuft  und 
in  dem  kleineren  Exemplare  fanden  sich  vor  dem  Körperende  zwei 
grössere  und  ein  kleinerer  runder  Körper,  welcher  die  Hoden  und 
das  Ovar  sein  mögen.  In  den  beiden  Kopfstücken  waren  die  Eier- 
gänge bis  zur  Mitte  der  Saugnäpfe  mit  reifen  braunen  stumpf  ovoiden 
Eiern  prall  gefüllt.  Von  den  „tubercule  rond  situe  en  dessous.  pres 
de  l'extremite  caudale"  Dujardin's  konnte  ich  nichts  bemerken,  das- 
selbe könnte  wohl  eine  hervortretende  Uterusschlinge  oder  ein  Hoden, 
der  die  Haut  des  macerirten  Thieres  ausbuchtete,  gewesen  sein. 
Dünne  verschlungene  pigmentirte  Gänge  im  Endabschnitte  möchte 
ich  für  Dotterstöcke  halten. 


^)  Nachtrag  zur  Revision  der  Myzhelminthen  pag  427. 


bekaunteii  und  unbekannten  Entozoen.  123 


9.   Monostoma  fllicolle  Rud.  (?)  Fig.  8. 

Von  ähnlichen  Arten  kommen  in  Betracht  Monostoma  fiUcolle 
Rud.  und  Mon.  tenuicoUe  Rud.  Rud.  Synops.  p.  85,  346,  347, 
No.  18,  17. 

Rudolphi  giebt  als  Unterschied  des  fiUcolle  vom  tenuicolle  an: 
porus  apicis  tenioris  obscurus  coUum  longissimum."  Die  auf  die 
Windungen  des  Uterus  basirten  Unterschiede  dürften  nicht  wesentlich 
sein.  In  der  Abbildung,  welche  Rudolphi  von  M.  tenuicolle  giebt, 
erscheint  dasselbe  relativ  viel  kürzer  und  plumper,  als  unsere  Art 
und  steht  in  der  Form  zwischen  filum  Duj.  und  filicoUe  Rud. 

Monostoma  filicolle  Rud. 

Länge  10 — 20'",  Dicke  des  Kopfendes  0,2'",  dickste  Stelle  alter 
Exemplare  2,0'",  Länge  des  Saugnapfes  0,05—0,07'",  Länge  des 
Bulbus  Oesophagi  0,03—0,037'",  Länge  des  Oesophagus  0,27—0,37'", 
Entfernung  der  GenitalöfPnungen  vom  Munde  0,067'",  respective 
0,083'". 

Der  Körper  des  jungen  Thieres  ist  fadenförmig,  nach  hinten 
etwas  verschmälert,  bei  den  älteren  Thieren  ist  das  hinterste  Viertel 
des  Körpers,  bisweilen  auch  ein  etwas  grösserer  Theil  durch  grosse 
Eiermassen  stark  aufgetrieben  und  röthchbraun  bis  schwarzbraun 
gefärbt.  Das  Leibesende  nimmt  an  dieser  Auftreibung  nur  wenig 
Theil  und  setzt  sich  als  kurze  Spitze  von  dem  verdickten  End- 
abschnitte ab.  An  der  Spitze  dieses  kleinen  Kegels  liegt  der  Porus 
excretorius.  Auf  der  sonst  glatten  Haut  liegen  kleinste  kugelige 
stark  lichtbrechende  Gebilde,  oft  zu  vier  Stück  rosettenartig  vereinigt, 
welche  im  Vereine  mit  den  braunen  Eiern  eine  dunkele  Färbung 
bewirken.  Ob  dieselben  dem  Körper  des  Thieres  angehören  oder 
ob  sie  krystallinische  oder  pflanzhche  Auflagerungen  sind,  kann  ich 
nicht  entscheiden. 

Der  Mundsaugnapf  ist  sehr  klein  —  Rudolphi  sagt  „obscurus" 
und  endständig.  An  ihn  schliesst  sich  ein  glockenförmiger  Bulbus 
Oesophagi  oder  Pharynx  von  gleicher  Grösse,  und  von  diesem  geht 
der  sehr  dünne  Oesophagus  aus,  welcher  sich  bald  in  zwei  dickere 
Darmsäcke  gabelt.  Wie  weit  dieselben  sich  erstrecken,  konnte  nicht 
verfolgt  werden,  doch  scheinen  sie  bis  weit  in  den  hinteren  Abschnitt 
zu  reichen. 

Die  Genitalöffnungen  liegen  dicht  hintereinander  in  der  Höhe 
des  Bulbus  Oesophagi.  Die  Ausführungsgänge  der  Geschlechtsdrüsen 
laufen  zunächst  neben  dem  Oesophagus,  alsdann  neben  oder  zwischen 
den  Darmschenkeln.  Der  Eiergang  ist  meist  kurz  geschlängelt  und 
oft  bis  an  die  Mündung  mit  einzelnen  Eiern  oder  auch  grossen 
Eiermassen  gefüllt.  In  dem  hinteren,  dickeren  Körperabschnitte 
knäuelt  sich  der  Eiergang  in  dicke  Schhngen  auf,  welche  alle 
anderen  Organe  verdecken  und  nur  die  äusserste  Spitze  des  Körpers 
welche  höchstens  eine  dünnere  Schlinge  enthält,  frei  lassen. 


124  Dr.  Arthur  Mueller:  Helminthologische  Beobachtungen 

In  dem  hinteren  Körperabschnitt  konnten  an  den  Seiten  neben 
den  Uterusschlingen  einzelne  kleine  Dotterstöcke  bemerkt  werden. 
Hoden  konnten  in  dem  Convolute  der  Uterusschlingen  nicht  ent- 
deckt werden,  ebensowenig  das  Ovarium  oder  die  Schalendrüse. 
Bei  einigen  Exemplaren  befanden  sich  dicht  vor  der  Bifurcation  des 
Oesophagus  je  2  0,026 — 0,036'"  dicke,  kleine,  undeutliche,  kugelige 
Gebilde  jederseits,  die  bisweilen  verschmelzen.  Da  das  Vas  deferens 
sich  an  ihnen  vorbei  verfolgen  lässt,  können  es  die  Hoden  nicht  sein. 

Die  Eier  sind  0,028—0,03'"  lang  und  0,018—0,023'"  breit, 
dunkelbraun,  stumpf-elliptisch.  Die  Schale  ist  0,003'"  dick  und 
besteht  aus  drei  Schichten,  einer  dunkleren  inneren,  einer  hellen 
mittleren  und  einer  glasartigen  äusseren  Schicht. 

Ich  fand  diesen  Wurm,  der  seit  Rudolphi  nicht  wieder  beobachtet 
worden  zu  sein  scheint,  zahlreich  in  den  Flugflossen  von  Exocoetus 
evolans(?)  und  exihens(?)  längs  der  Flossenstrahlen  aufgeknäuelt  zwischen 
den  beiden  Lamellen  der  Flossen  als  langgestreckte,  gelbliche  bis 
schwärzliche  Verdickungen. 

Rudolphi  fand  den  Wurm  bei  Brama  Rayi.  Diesing  betrachtet 
das  Monostoma  filicolle  als  identisch  mit  Distomum  Okenii  KöUiker, 
dem  getrenntes  Geschlecht  beigelegt  wird,  welche  Annahme  später 
mit  Bezug  auf  von  Beneden  widerrufen  wird.  Ich  habe  einen 
Saugnapf,  ausser  dem  winzigen  Mundnapfe,  welcher  die  Spitze  des 
Körpers  einnimmt,  bei  meinen  Exemplaren  nicht  finden  können  und 
halte  die  dünnen  Exemplare,  welche  von  Beneden  bei  Distom.  Okenii 
Köll.  für  Männchen,  respective  Zwitter  mit  verkümmerten  weiblichen 
Organen  hält,  für  unreife  Thiere. 

Es  ist  also  entweder  die  Art  Monost.  fiHcolle  Rud.  aufrecht  zu 
erhalten,  oder,  wenn  Rudolphi's  Art  aus  Brama  Rayi  mit  Distomum 
Okenii  Köll.  identisch  ist,  der  vorbeschriebene  Wurm  eine  neue  Art. 


10.   Distoma  (Echinostoma)  militare  Rud.    (Fig.  9). 

Diesing:  Syst.  Helminth.  L  p.  384.       v.  Linstow:  Arch.  f.  Naturg. 

1873,  p.  106,  Larve.     Synonym:  uncinatum  Crepl.? 

Habitaculum  nov.  Rallus  aquaticus. 

Länge  6,75—11,25'".  Breite  0,56—1,0'".  Körper  abgeflacht, 
linear,  hinten  stumpf  abgerundet  oder  abgestutzt,  die  Cutis  bis- 
weilen in  grösseren  Abständen  leicht  eingeschnürt,  wie  segmentiert. 
Der  Kopf  ist  rundlich  bis  queroval,  mit  39  graden  Stacheln  versehen, 
welche  in  zwei  Reihen  gestellt  und  von  verschiedener  Grösse  sind. 
Die  kleinen  Stacheln  messen  0,043'",  die  grösseren  0,055 — 0,066"'. 
Fünf  jederseits  sind  von  den  anderen  etwas  getrennt  in  einer  Gruppe 
angeordnet. 

Der  Mundnapf  elliptisch,  0,13'"  breit,  am  vorderen  Ende  der 
durch  die  Stachelwulste  gebildeten  Grube  liegend,  bisweilen  die 
vorderste  Körperspitze  bildend,  so  dass  der  Kopf  stumpf-herzförmig 


an  bekannten  und  unbekannten  Entozoen.  125 

erscheint.  Mit  ihm  direkt  zusammenhängend  findet  sich  der  0,14'" 
lange  kräftige  Bulbus  ösophagi.  Der  Oesophagus  selbst  ist,  dem 
kurzen  gedrungenen  Halse  entsprechend,  kurz,  die  Gabelung  befindet 
sich,  wie  bei  allen  Echinostomen  vor  den  Genitalmündungen,  zwischen 
OS  und  acetabulum.  Der  Hals  ist  kurz,  hoch,  vorn  verschmälert,  auf 
der  Unterseite  concav,  nach  dem  grossen  Bauchnapfe  zu  verbreitert. 
An  den  Rändern  des  Halses  stehen  wenige  Reihen  sehr  hinfälliger 
0,02'"  langer,  nach  hinten  gerichteter  Stacheln.  Der  Saugnapf  ist 
sehr  gross,  0,6'"  im  Durchmesser,  nach  der  Bauchseite  hervorragend, 
vor  ihm  befinden  sich  die  Genitalöfi"nungen.  Der  Cirrhusbeutel 
liegt  dorsalwärts  nach  vorn  vom  Bauchnapfe  und  ist  0,5'"  lang. 

Die  Dotterstöcke  liegen  in  den  Seiten  des  Körpers,  vom 
Schwanzende  bis  zum  Bauchnapfe. 

Der  Dottergang  liegt  etwa  in  der  Körpermitte,  vor  ihm  das 
Ovar  und  die  Schlingen  des  Uterus,  hinter  ihm  hintereinander  die 
grossen  elliptischen  bis  abgestumpft -rechteckigen  Hoden.  Die  Eier 
sind  0,1 — 0,103'"  lang.  Das  Schwanzende  ist  abgestutz  oder  stumpf 
abgerundet  und  trägt  in  der  Mitte  die  Oefihung  des  porus  secretorius 
und  eine  ovale  Blase,  sowie  die  Enden  der  Darmschenkel. 

Die  Stacheln  des  Halses  sind  oft  abgefallen  und,  weil  nur  in 
wenigen  Reihen  längs  des  Randes  vorhanden,  oft  schwer  zu  sehen. 
Distomum  uncinatum  Cepl.  dürfte  mit  militare  identisch  sein. 


11.   Distoma  (EcMno  Stoma)  segmentatum  sp.  nov. 

Habitaculum:  Vidua  paradisea.     Africa.  Intest,  tenue. 

Länge  bis  2,25'".  Der  Körper  wird  gebildet  aus  einem  vom 
Rücken  oder  Bauche  aus  gesehen,  kurz  herzförmigen  Kopfe,  auf 
dessen  Bauchseite  nach  hinten  zu  sich  die  wulstigen  Ränder  jeder- 
seits  kissenartig  verbreiten  und  fast  die  Mittellinie  erreichen.  Der 
Aussenrand  dieser  Wülste  ist  mit  einer  Doppelreihe  verschieden 
grosser  gerader  Stacheln  besetzt.  Auf  den  Kissen  steht,  von  den 
Saumreihen  getrennt,  jederseits  eine  Gruppe  von  5  Stück  grosser 
Stacheln  von  0,6'"  Länge  und  einer  kleinen  von  0,35'"  Länge. 

Die  grösseren  Stacheln  der  Doppelreihe  messen  0,053 — 0,057'" 
die  kleineren  0,037'"  an  Länge.  Im  ganzen  finden  sich  36  (38?)  Stück 
Stacheln.  Die  ersten  4  Stacheln  von  den  Seitengruppen  an  gezählt, 
scheinen  jederseits  in  einfacher  Reihe  zu  stehen  und  sind  gleich 
gross.  Der  Mundnapf  liegt  auf  der  Unterseite  der  Kopfspitze.  Die 
Mundööhung  ist  fast  kreisrund,  nach  hinten  etwas  spitz  ausgezogen, 
der  Mundnapf  0,07'"  breit. 

An  den  Kopf  schliesst  sich  ein  cylindrischer  Hals,  welcher  sehr 
dehnbar  ist.  Derselbe  ist  dicht  mit  schuppenartigen,  dreieckigen 
Stacheln  von  0,013'"  Länge  bedeckt,  welche  auf  der  Seitenfalte, 
welche  durch  die  Aushöhlung  des  Halses  auf  der  Bauchseite  gebildet 
wird,  besonders  stark  hervorspringen. 


126  Dr.  Arthur  Mueller:   Helminthologische  Beobachtungen 

An  den  Hals  schliesst  sicli  der  grosse  Bauchnapf  an,  welclier 
0,3'"  im  Durchmesser  hat  und  auf  der  Bauchseite  mit  runder 
Oeffnung  mündet.  In  der  Höhe  des  Bauchnapfes  beginnt,  zuerst  an 
der  Rückenfläche  über  demselben,  alsdann  auch  bald  an  der  Bauch- 
fläche, eine  Segmentirung  der  Cuticula  hervorzutreten  und  mit  der 
deutlichen  Ausbildung  derselben  schliesst  sich  die  Gruppirung  der 
Stacheln  den  Rändern  der  Cuticularringe  an. 

Am  eigentlichen  Körper,  woselbst  die  Ringe  über  einauder 
greifen,  wie  die  Glieder  eines  Insektenkörpers,  sind  dieselben  nur 
an  den  Rändern  mit  feinen  Stacheln  besetzt.  Die  Glieder  sind  an 
der  breitesten  Stelle  des  Körpers  0,037'"  lang.  Hinter  dem  grossen 
Bauchnapfe  folgt  mit  einem  dünnen  sehr  dehnbaren  Theile  beginnend, 
der  flaschenförmige,  gegliederte  Körper.  Gegen  das  hintere  Körper- 
ende zu,  setzen  sich  die  Gheder  weniger  scharf  von  einander  ab 
und  hört  die  Bestachelung  allmählich  kleiner  werdend  schliesslich 
ganz  auf.  An  den  gegliederten  Körper  schliesst  sich  ein  0;2"'  langer 
elliptischer  Anhang  an,  welcher  an  seinem  Ende  die  kreisförmige 
Mündung  des  Excretionsorganes  trägt  und  die  Enden  der  beiden 
Blinddarmschenkel  enthält. 

An  den  Mundnapf  schliesst  sich  fast  direct,  nur  durch  ein 
höchstens  0,002'"  langes  Zwischenstück  getrennt,  der  0,06'"  lange, 
schmale  Bulbus  ösophagi  an  und  auf  diesem  folgt  ein  sehr  dünner 
Oesophagus,  dessen  Länge  mit  der  Contraction  des  Halstheiles 
wechselt  und  welcher  sich  dicht  vor  dem  Bauchnapfe  in  zwei  dünne 
Blinddärme  gabelt. 

Etwa  in  der  Mitte  des  spindelförmigen  Theiles  des  Körpers 
hegt  der  Vereinigungsgang  der  Dotterstöcke,  welche  Letztere  die 
Seiten  des  Körpers  vom  Schwanzanhange  bis  zur  vorderen  Ver- 
schmälerung  des  Körpers  einnehmen.  Hinter  dem  Dottergange 
liegen  die  beiden  grossen  Hoden  dicht  hinter  einander. 

In  gleicher  Höhe  mit  dem  ductus  vitelligerus  liegt  ein  kleineres, 
querovales  Organ,  welches  ich  für  die  vesicula  seminalis  inferior 
halte  und  vor  dieser,  deuthch  begrenzt,  die  Schalendrüse  mit  dem 
ersten  geformten  Ei.  Undeutlicher  ist  ein  grosszelhges,  leicht  ge- 
lapptes Organ  vor  dem  Dottergang,  das  Ovarium.  Die  dünnschaligen 
Eier  sind  0,1'"  lang  und  0,06 — 0,07'"  breit,  elliptisch.  An  einem 
Pole  ist  die  Eischale  etwas  verdickt.  Ich  fand  7 — 12  Eier  in  einem 
Thiere,  welche  in  dem  wenig  gewundenen  Uterus  zwischen  Schalen- 
drüse und  Acetabulum  Hegen. 

Der  Cirrhusbeutel  und  die  Vesicula  spermatica  superior  liegen 
dorsalwärts  und  nach  vorn  von  dem  Bauchnapfe  und  mündet  die 
männhche  Genitalöffnung  vor  der  weiblichen,  dicht  vor  dem  Bauch- 
napfe an  der  ausgehöhlten  Bauchseite  des  Halses.  Ein  hervorragender 
Cirrhus  wurde  nicht  gefunden. 

Zur  Benennung  schlage  ich  nicht  den  auffallenden  Schwanz- 
anhang vor,  sowohl  weil  der  Name  caudatum  schon  durch  v.  Linstow 
vergeben  wurde,  als  auch,  weil  dieser  Anhang  offenbar  leicht  ab- 


an  bekannten  und  unbekannten  Entozoen.  127 

gestossen  werden  kann  und  einigen  Exemplaren  fehlte.  Auch  bei 
dem  Distomum  caudatum  v.  Linstow  (Arch.  für  Naturg.  1873  p.  103) 
=  leptostomum  Olsson  (K.  svenska  vetensk.  Acad.  Handl.  Band  X.  1. 
Stockholm  1875)  aus  Erinaceus  europaeus  ist  der  Anhang  offenbar 
nur  bei  lebenden  Thieren  oder  in  einem  gewissen  Alter  deutUch 
sichtbar.  Bei  etwa  60  in  Alkohol  conservirten  Exemplaren  und 
einem  lebend  beobachteten  einzelnen  Stücke  konnte  ich  ihn  nicht 
finden  und  auch  Olsson  beobachtete  ihn  nicht.  Dagegen  konnte  ich 
bei  mehreren  Exemplaren  den  0,05'"  langen  kegelförmigen  glatten 
Cirrhus,  dicht  hinter  welchem  die  von  einem  kurzen,  ringartigen 
Wulste  umgebene  Vulva  liegt,  hervorgestreckt  finden.  Da  der  Name 
caudatum  auf  ein  nicht  immer  vorhandenes  oder  deutliches  Organ 
basirt  ist,  würde  der  indifferentere  Name  Olsson's:  leptostomum 
vorzuziehen  sein. 


128  Dr-  Arthur  Mueller. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Fig.  1.  Filaria  gastrophila  nov.  sp.?  A.  Kopfende.  B.  Vereinigungsstelle  von 
Oesophagus  und  Darm.  C.  Mündung  des  weiblichen  Geschlechtskanales. 
a.  Vulva,  b.  Vagina,  c.  Uterus,  d.  Darm.   D.  weibliches  Hinterleibsende. 

a.  Anus.    E.  männliches  Hinterleibsende :  a.  Hoden,  b.  Darm.  c.  Spicula. 
F.  weiblicher  "Wurm  in  natürlicher  Grösse.     ■ 

Fig.  2.  Strongyluris  brevicaudata.  nov.  sp.  A.  männliches  Leibesende  von 
der  Seite:  a.  Hoden,  b.  Darm.  c.  Spicula.  d.  Saugnapf.  B.  dasselbe 
von  der  Bauchseite  c.  Spicula  d.  Bauchnapf.     C.  Spiculum  a.  Spitze 

b.  Querschnitt  c.  Wurzel.     D.  weibliches  Leibesende.     E.  Weibchen 
in  natürlicher  Grösse. 

Fig.    3.    Cirrhusende  von  Trichocephalus  affinis  Rud. 

Fig.    4.    Männliches  Leibesende  von  Trichocephalus  unguiculatus  Rud. 

Fig.  5.  Echinorhynchus  pristis  Rud.  a.  Rüsselhaken  b.  Schuppenstachel  des 
Körpers  c.  männliches  Hinterleibsende  von  der  Bauchseite  d.  von  der 
Seite  e.  weibliches  Leibesende  von  der  Bauchseite. 

Fig.  6.  Echinorhynchus  annulatus  Mol.  a.  vorderer  Rüsselhaken 
b.  hinterer  Rüsselhaken  c.  Stück  aus  dem  vorderen  Stachelringe 
d.  aus  dem  hinteren  Stachelringe. 

Fig.    7.    MonoStoma  filum  Duj. 

Fig.  8.  MonoStoma  filicolle  Rud.  a.  unreifer  b.  reifer  Wurm  in  natürlicher 
Grösse  c.  Kopfende  von  der  Fläche  d.  von  der  Seite. 

Fig.    9.    Distoma  (Echinostoma)  militare  Rud.  Kopf. 

Fig.  10.  Distoma  (Echinostoma)  segmentatum  nov.  sp.  A.  ganzer  Wurm  in 
natürlicher  Haltung  von  der  Seite  (nach  einer  Photographie),  a.  Mund- 
napf b.  Bulbus  des  Ösophagus  c.  Teilungsstelle  des  Ösophagus  d.  Cirr- 
husbeutel  e.  ßauchnapf  f.  Schalendrüse  mit  einem  Ei  g.  Eierstock 
h.  Vesicula  seminal.  inferior,  i.  Dottergang  k.  Hoden  1.  Dotterstöcke 
m.  Blinddarmenden  n.  Mündung  des  Excretionssystems.  B.  Kopf  von 
der  Bauchseite. 


Vergleichende  Morphologie  des 
Abdomens  der  männlichen  und  weiblichen 
Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden, 

untersucht  auf  Grund  der 

Abdominalsegmente,   Copulationsorgane,   Legeapparate  und 

Dorsaldrüsen. 

Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Phylogenie  der  Coleopteren. 
Vou 

Carl  Vephoeff,  Dr.  phil. 

Bonn  a.  Rh. 


Hierzu  Tafel  VIII— XI. 


I.   Yorbemerkungen. 

In  „vergleichenden  Untersuchungen  über  die  Abdominalsegmente 
und  Copulationsorgane  der  männlichen  Coleoptera"  und  „vergleich. 
Untersuch,  über  d.  Abdomin.-Segm.  und  Legeapparate  der  vi^eibhchen 
Coleoptera"  1)  habe  ich  versucht,  an  der  Hand  von  17  besonders 
wichtigen  Familien  eine  allgemeine  Uebersicht  über  das  Ab- 
domen der  Coleopteren  vorzuführen.  —  Es  waren  nun  besonders 
meine  einerseits  an  Rhynchoten,  andererseits  an  der  Coleopteren- 
gruppe  der  Eleutherosiphona  m.  gewonnenen  neuen  Gesichts- 
punkte und  Resultate,  welche  mich  bestimmten,  jene  Coleopteren- 
Familien  in  einzelnen  Arbeiten  noch  genauer  abzuhandeln,  um 
eine  genügende  Basis  zu  schaffen  für  ein  fernes  aber  trotzdem  nicht 
unerreichbares  Ziel,  die  Schaffung  eines  natürlicheren  und  zwar 
mögHchst  natürhchen  Systemes  der  Insekten-Klasse  Coleoptera, 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Ordnungen,  Familien  und 
Unterfamilien.  —  Die  männlichen  Elateriden  wurden  bereits 
abgehandelt, 2)  die  Coccinelliden,  Silphiden  und  Carabiden 
habe  ich  unter  Händen.  Die  Coccinelliden  erregten  mein  Interesse 
besonders  durch  ihren  so  ganz  eigenartigen  Copulationsapparat. 
(Vergl.auch:  Deutsche  entomol.Zeitschr.  1894;  über  den  Copulations- 
apparat männlicher  Coleopteren.). 


1)  Deutsche  entomol.  Zeitschr.  Berlin  1893.    Heft  1  und  2. 
-)  Zoologischer  Anzeiger  1894,  No.  443. 

Aich.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1894.  Bd.  I.  H.  2.  9 


130      Dl'-  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Die  Malacodermen  nahm  ich  jetzt  mit  besonderem  Interesse 
in  Angriff,  weil  sie  mir  durch  ältere  und  neuere  Untersuchungen  als 
eine  der  ursprünglichsten  und  darum  auch  für  das  Verständniss  der 
ganzen  Klasse  wichtigsten  Coleopteren-Gruppen  bekannt  waren.  — ■ 
Ob  es  mir  möglich  sein  wird,  das  ganze,  grosse  Heer  der  Coleo- 
pteren  in  der  Weise,  wie  es  mit  den  hier  besprochenen  FamiHen 
geschieht,  durchzuarbeiten,  das  vermag  ich  auch  bei  dem  besten 
Willen  nicht  zu  sagen.  Jedenfalls  darf  ich  mit  den  Resultaten 
dieser  Untersuchungen  zufrieden  sein  und  mich  darum  trösten,  nicht 
umsonst  mich  bemüht  zu  haben.  Ich  hoffe,  dass  in  dieser  Bahn 
andere  Forscher  mitschreiten  und  mitarbeiten  werden  i). 

Ich  will  gleich  bemerken,  dass  es  in  meiner  Absicht  liegt, 
später  auch  die  Thorakalsegmente  ebenso  durchzustudieren,  wie  nun 
die  Abdomirialsegmente,  um  auch  daraus  Stützen  für  ein  natürliches 
System  zu  gewinnen. 

Es  sei  auch  noch  auf  meinen  Aufsatz  „Zur  vergleichenden 
Morphologie  des  Abdomens  weiblicher  Coleopteren^)^'  hingewiesen, 
da  derselbe  eine  wichtige  Verbesserung  meiner  früheren  Darlegungen 
enthält.  Wir  werden  sehen,  dass  mit  dieser  Verbesserung  auch 
vorliegende  Untersuchungen  vollkommen  harmoniren. 

Diese  Arbeit  dürfte  zur  Genüge  den  Unterschied  zeigen,  welcher 
besteht  zwischen  einer  allgemeinen,  die  Coleopteren  im  Ganzen  be- 
handelnden Arbeit  über  das  Abdomen  (wie  die  oben  angeführte) 
und  einer  solchen,  welche  (wie  die  vorliegende)  eine  einzelne 
Ordnung  derselben  (oder  zwei)  zum  Gegenstande  hat. 

Jeder  Vorurteilsfreie  wird  nun  nicht  verkennen,  dass  gerade 
für  die  verschiedenen  Spezialarbeiten,  obwohl  sie  weniger  leicht 
einen  Detailfehler  enthalten  werden  als  eine  allgemeine  Arbeit,  doch 
erst  durch  Vermittelung  der  allgemeinen  Vorarbeit  die  leitenden 
Gesichtspunkte  geschaffen  werden,  welche  uns  befähigen,  eine 
Spezialarbeit  über  das  spezielle  Gebiet  zu  erheben  und  zu  einem 
Gliede  einer  ein  Ganzes  ausmachenden  Kette  zu  gestalten.  Die 
Vorarbeit  musste  erst  lehren,  dass  die  Malacodermen  einfache 
Coleopteren  seien  und  dann  konnte  ich  mich  an  dieselben  heran- 
begeben und  sie  genauer  durcharbeiten,  um  noch  weitere  Aufschlüsse 
über  ihre  niedere  Organisation  und  ihre  verwandschaftKchen  Be- 
ziehungen zu  anderen  Coleopteren-Gruppen  zu  erhalten.  — 

Wie  ich  schon  früher  nachgewiesen  habe,  besteht  das  Abdomen 
der  Coleopteren  bei  sehr  vielen  Formen  in  beiden  Geschlechtern 
noch  aus  10  Segmenten.  Die  10.  und  1.  V.  fehlen  aber  in  beiden 
Geschlechtern  bis  auf  ganz  minimale  Reste  immer.  Je  mehr  sich 
nun  eine  Gattung  von  dem  ursprünglichen  Vorkommniss  von  10  gut 
ausgebildeten  D.  (1. — 10.)  und  8  gut  ausgebildeten  V.  (2. — 9.)  ent- 
fernt   hat,    um    so    jünger    ist    eine    solche    Gattung.      Diejenigen 


^)  Etwas  hat  sich  diese  Hoffnung  auch  schon  erfüllt. 
^)  Deutsche  entom.  Zeitschr.  1894. 


d.  mämilichen  n.  weiblichen  Lairipyriclen,  Cantharitlen  u.  Malachiideii.     131 

Segmentplatten,  Avelche  besonders  häufig  in  Wegfall  kommen  können, 
sind  die  2.  V.  9.  D.  imd  10.  D.  Aber  auch  die  8.  V.  und  9.  V. 
können  einem  Schwund  anheimfallen. 

Dagegen  ist  es  mir  bei  Coleopteren  noch  nie  vorgekommen, 
dass  eine  der  folgenden  Platten  verschwände:  1.  D.^ — 8.  D.  (incl.j 
und  3.  V.— 7.  V.  (incL). 

Schon  aus  meinen  früheren  Mitteilungen  kann  man  ersehen, 
dass  verschiedene  der  den  3  letzten  Segmenten  angehörigen  Platten 
entweder  sehr  eigenartige,  von  der  Plattenform  sich  oft  sehr  weit 
entfernende  Umbildungen  erfahren  können,  oder  dass  sie  an  ihrem 
Vorderende  ins  Körperinnere  ragende,  mehr  weniger  lange  Muskel- 
stangen abgehen  lassen.  Alle  diese  Bildungon,  welche  von  dem 
ursprünglichen,  einfachen  Bau  des  Abdomens,  in  dem  es  sich  nur 
um  typische  Segmentplatten  handelt,  mehr  oder  weniger  abweichen, 
geben  uns  einen  Anhalt,  um  zu  bestimmen,  wie  weit  die  betreffenden 
einzelnen  Gattungen  vom  Bau  des  Urkäfers  abgewichen  sind;  kurz 
sie  sind  eine  vorzügliche  Handhabe  zur  Bestimmung  der  phylo- 
genetischen Stellung  der  einzelnen  Käfergattungen. 

Aber  auch  die  Platten  der  übrigen  Segmente  sind  in  dieser 
Hinsicht  nicht  bedeutungslos,  denn  die  2.  und  3.  können  am  Baue 
eines  Ventralphragmas  gegen  die  Coxa  HI  teilnehmen  und  dabei 
kommt  die  2.  V.  häufig  mehr  weniger  in  Wegfall.  Ferner  zeigen 
die  3. — 6.  V.  bei  höheren  Gruppen  das  Bestreben  mit  einander  fest 
zu  verkitten  und  dadurch  ein  Ventralbecken  zu  bilden.  Sehr 
häufig  sind  die  Fälle  von  Zweiteiligkeit  irgend  einer  Platte.  So 
ist  z.  B.  die  9.  V.  der  weiblichen  Coleopteren  nie  anders  als  zwei- 
teilig anzutreffen,  besonders  häufig  auch  die  9.  D.  desselben  Ge- 
schlechtes, aber  keineswegs  immer.  Die  9.  V.  der  Weibchen  tragen, 
mit  seltenen  Ausnahmen,  (Dytiscinae)  einen  Stylus,  welcher  gelenkig 
inserirt  ist.  Bei  der  Ordnung  der  Caraboidea  sind  die  Styli  fast 
immer  in  Grab  klauen  metamorphosiert. 

Ovipositoren  fehlen  den  $  Coleopteren,  nur  bei  Dytiscus 
und  Malthinus  konnte  ich  Beste  nachweisen. 

Die  Parameren,  welche  die  Homologa  der  Ovipositores 
posteriores  vorstellen  und  einem  ventralen  Gliedmaassenpaar  ent- 
sprechen, (wie  die  4  Paare  der  Mundteile  und  die  Antennen)  fehlen 
bei  Coleopteren  (soweit  bekannt)  nie,  sind  aber  in  vielen  Fällen 
einer  Reduction  anheimgefallen,  ja  man  kann  sagen,  dass  bei 
mehreren  Ordnungen  der  Coleopteren  (z.  B.  den  Caraboidea 
und  der  Fam.  der  Chrysomeliden)  geradezu  eine  Tendenz  zum  Auf- 
geben der  Parameren  herrscht.  Aber  es  kommt,  wie  gesagt,  nie 
zu  deren  völligem  Schwunde. 

Mit  der  10.  V.  fehlen  den  männlichen  sowohl  wie  weiblichen 
Coleopteren  Cerci  und  Terminalschuppe  immer. 

Stigmen  kommen  im  einfachsten  Falle  am  1. — 8.  Abdominal- 
segmente vor  und  liegen  meist  in  der  Pleurenhaut.  Ueber  Pleuren- 
platten  und  Dorsaldrüsen  werde  ich  im  Folgenden  nähere  Mitteilung 
machen. 


132       Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Die  Malacodermata  wurden  bisher  als  eine  der  vielen 
Coleopterenfamilien  gefasst,  die  auch  heute  noch  eine  lange 
unübersichtliche  Eeihe  darstellen.  Es  sind  bisher  nur  ganz  wenige 
Versuche  gemacht,  diese  vielen  Familien  zu  natürlichen  Ordnungen 
zu  gruppiren  (Schioedte,  Roger,  Preller,  Imhoff  u.  a.).  Die  ungeheure 
Formenfülle  gestaltet  diese  Aufgabe  zu  einer  überaus  schwierigen. 
Mit  besonderem  Erfolg  hat  Schioedte^)  gearbeitet,  indem  er  die 
Larven  studirte.  Lindemann^)  hat  seine  vortrefflichen  Unter- 
suchungen am  Thorax  der  Coleopteren  leider  nicht  weiter  an  be- 
sonderen FamiKen  durchgeführt  und  auch  1.  c.  kommt  er  in  Bezug 
auf  natürliche  Systematik  nicht  über  Andeutungen  hinaus.  Aber 
diese  Andeutungen  waren  vorzügKche  und  hätten  von  andern  Zoologen 
verwertet  werden  sollen.  Leider  scheint  fast  Niemand  seine  Arbeit 
studirt  zu  haben. 

Thatsache  ist,  dass,  [wenn  wir  von  Ganglbauers  Caraboidea 
etwa  absehen]  heute  eine  noch  schlimmere  Uebersichtslosigkeit  im 
Reiche  der  Coleopteren  herrscht  als  ehedem.  Man  nehme  z,  B. 
den  „Catalogus  Coleopterorum  Europae  et  Caucasi"  oder  den 
„Redtenbacher"  (Fauna  Austriaca)  in  die  Hand.  Beide  Werke 
glänzen  durch  einen  „Bandwurm"  von  Familien.  Wie  trefflich  ist 
dagegen  Imhoff s  „Versuch  einer  Einführung  in  das  Studium  der 
Coleopteren"!  Ein  solches,  wirklich  gediegenes  Buch  aber  wird 
nicht  benutzt,  ein  Umstand,  der  sich  ja  schon  aus  dem  Mangel 
weiterer  Auflagen  ergiebt.  Freilich  ist  von  phylogenetischen 
Gesichtspunkten  auch  in  Imhoffs  Werk  nichts  zu  spüren,  was 
aber  in  der  Zeit  (185-6)  seine  genügende  Erklärung  findet. 

Phylogenetische  Gesichtspunkte  fehlen  ja  auch  noch  in 
Ganglbauers  Arbeit 3)  und  doch  wird  ohne  diese  ein  genügendes 
morphologisches  und  darum  auch  systematisches  Verständniss  der 
Coleopteren  ganz  gewisslich  niemals  erreicht  werden.  Kolbe*) 
benutzt  allerdings  phjdogenetische  Gesichtspunkte,  aber  ihnen  fehlt 
jegliche  Begründung  und  darum  sind  es  Gebäude  ohne 
Fundamente. 

Wirklich  begründete  phylogenetische  Darlegungen  gab  uns 
dagegen  Roger  ^),  aber  leider  sind  diese  seine  vortrefflichen  Anfänge 
noch  wenig  weiter  ausgebaut  worden.  —  Da  ich  mich  bereits  mit 
Mundteilen,  Flügeln,  Thorax  und  Abdomen  der  Coleopteren  be- 
schäftigt habe,  so  darf  ich  behaupten,  dass  alle  diese  Organgruppen 
phylogenetisch  verwertbar  sind,  aber  ich  muss  hinzufügen,  das 
Abdomen  ist  in  dieser  Beziehung  die  wichtigste  Organgruppe, 
schon  deshalb   weil  es  bei  jeder  Form  auf  zweierlei  Weise  aus- 


^)  De  Eleutheratorum  Metamorphosi. 

-)  Ueber  den  Bau  des  Skelettes  der  Coleopteren.  Das  Skelett  der  Brust.  1865, 

^)  Die  Käfer  von  Mitteleuropa.    Bd.  I.    Caraboidea, 

*)  Natürliches  System  der  caniivoren  Coleoptera.    Berlin  1880. 

^)  Das  Flügelgeäder  der  Käfer.    Erlangen  1875. 


d.  mcännlichen  u.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     133 

gebildet  wurde.  Deshalb  aber  dürfen  die  andern  Körperregionen 
nicht  vernachlässigt  werden,  vielmehr  ist  es  sehr  geboten,  auch 
Mundteile  (wie  überhaupt  den  ganzen  Kopf)  Thorax  und  Extremitäten 
im  äusseren  und  inneren  Baue  zu  studiren. 

Indem  ich  in  dieser  Arbeit  meine  Untersuchungen  am  Abdomen 
der  Malacodermen  vorlege,  hoffe  ich  ein  Schärflein  zur  Erkenntniss 
der  Anatomie  und  Phylogenie  der  Coleopteren  beizutragen. 
Es  wird  hierdurch  meine  schon  a.  a.  0.  ausgesprochene  Ansicht 
bestätigt,  dass  diese  Gruppe  in  dem  bisher  gefassten  Rahmen  nicht 
bestehen  bleiben  kann. 


Es  wurden  Repräsentanten  folgender  Gattungen  studirt: 

1.  Lygistopterus.  2.  Eros. 

3.  Homalisus.  4.  Lampyris  (Lamprorhiza). 

5.  Luciola.  6.  Phosphaenus. 

7.  Drilus.  8.  Cantharis. 

9.  Rhagonycha.  10.  Malthodes. 

11.  Malthinus.  12.  Malachius. 

13.  Axinotarsus.  14.  Anthocomus. 

15.  Ebaeus.  16.  Charopus. 

17.  Dasytes.  18.  Danacaea. 

19.  Dolichosoma.  20.  Psilothrix. 

Ich  lasse  mm  zunächst  meine  Beobachtungen  über  den  Bau  der 
einzelnen  angeführten  Gattungen  folgen: 


n.  Spezieller  Teil. 

Lygistopterus. 

c^sanguineus:  AUe Segmentplatten  sind  dunkelbraun  pigmentirt, 
wobei  zwischen  D.  und  V.  nur  ein  geringer  Unterschied  besteht. 
Vordere  und  mittlere  V.  um  Vs  breiter  als  die  entsprechenden  D. 
Am  8.  S.i)  sind  beide  Platten  fast  gleich  breit.  Am  Hinterrande 
der  8.  V.  befindet  sich  eine  bogenförmige  Ausbuchtung  des  mittleren 
Drittels.  Die  9.  D.,  welche  fast  so  lang  ist  wie  die  8  D.,  erscheint 
2  lappig  (nicht  2  teilig),  indem  sowohl  der  Vorder-  wie  Hinterrand 
breit  ausgeschnitten  ist.  (Fig.  2.)  Im  Ausschnitt  des  Hinterrandes 
sitzt  die  relativ  grosse,  etwas  rundliche  10.  D.,  grösser  als  jeder 
der  beiden  Lappen  der  9.  D.  Am  meisten  weicht  von  den  übrigen 
Platten  die  9.  V.  ab  (Fig.  2.),  da  sie  am  Vorderende  sich  allmähhg 
verschmälert  und  in  einen  Fortsatz  ausläuft,  dessen  Ränder  wulstige 
Chitinspangen  aufweisen.  An  letztere  heftet  sich  jederseits  eine 
andere  Spange  an,   welche  von   den  Vorderecken  der  9.   D.   nach 


^)  S.  =  Segment.    Betreffs  der  übrigen  Abkürzungen  vergl.  man  die  Tafel- 
erklärungen. 


134       Df-  Carl  Verhoeff:  Vergleichenrle  Morphologie  des  Abdomens 

unten  und  vorne  abläuft.  Der  Fortsatz  der  9.  V.  ist  ein  Mittel- 
ding zwischen  einem  Spiculum  gastrale^)  und  einem  Bogen. 

Er  ist  vorzustellen  als  ein  Bogen,  welcher  von  den  Seiten  stark 
zusammengedrückt  worden  ist.  Das  Hinterende  der  9.  V.  schlägt 
sich  nach  vorne  um  und  bildet  über  der  9.  V.  eine  scharf  abgesetzte 
Duplicatur-Platte  (Fig.  3.  Dp),  welche  hier  besonders  gut  entwickelt 
ist.  Diese  Platte  hat  eine  an  einen  Anker  erinnernde  Form,  wobei 
das  abgerundete  Ende  nach  vorn  gerichtet  ist.  Die  Anker-Dupli- 
catur  liegt  zwischen  den  Fortsatz  -  Spangen  der  9.  V.,  sodass  die 
Punkte  ßß  (Fig.  3)  sich  an  die  Punkte  aa  (Fig.  2)  anheften  und 
Punkt  d'  über  /  lagert.    Der  Spiess  e  ist  also  nach  hinten  gerichtet. 

Die  grossen  Stigmata  des  1.  S.  lagern  neben  der  1.  D.  Vom 
2. — 8.  S.  finden  wir  die  eigentlichen  (physiologischen)  Abdominal- 
stigmen in  den  Ventralplatten  und  zwar  in  dem  Seitenrande  der 
nach  oben  umgebogenen  Seitenstreifen.  (Andeutung  falscher  Pleuren.) 
Sie  sind,  wie  fast  immer,  bedeutend  kleiner  als  das  St.  des  1.  S. 

Echte  Pleurenplatten  fehlen.  (Allerdings  sind  die  V.  am 
Kande  nach  oben  umgebogen,  aber  ohne  Randschärfung.)  —  Auf- 
fallend längere  Borsten  kommen  nur  an  den  hinteren  Aussenecken 
der  9.  D.  und  am  Endrande  der  10.  D.  vor.  (An  letzterer  wurden 
sie  in  der  Zeichnung  weggelassen.)  Dorsaldrüsen  und  Drüsen- 
porenplatten,  welche  wir  im  Folgenden  noch  kennen  lernen  werden, 
fehlen  hier. 

Ich  will  nun  auf  eigenthümhche  und  oft  sehr  hübsche  Partien 
in  den  Segmentplatten  aufmerksam  machen,  welche  ich  kurz  Mosaik- 
felder nenne: 

In  Fig.  1  (unter  Mo.)  ist  ein  solches  Feld  abgebildet.  Man 
beobachtet  helle,  dicht  aneinander  gedrängte  Räume,  welche  an 
Pflanzengewebe  erinnern.  Durch  mehr  weniger  kräftige,  chitinige 
Grenzbälkchen  sind  sie  von  einander  getrennt.  Da  die  Mosaikfeld- 
zellen im  Innern  heUer,  in  ihren  Grenzbälkchen  dunkler  zu  sein 
pflegen  als  das  umliegende  Feld  der  Segmentplatten,  so  treten  sie 
scharf  hervor  und  man  kann  sie  als  Gruppen  schon  mit  der  Lupe 
wahrnehmen.  Bei  200 fach.  Vergröss.  und  genauer  Einstellung  kann 
man  sich  übrigens  überzeugen,  dass  auch  das  umliegende  Feld  der 
Platten  zellige  Struktur  zeigt.  Nur  ist  dieselbe,  im  Vergleich  zu  den 
Mosaikfeldern,  sehr  schwach.  Eine  derartige  zellige  Struktur  des 
Chitinskelettes  ist  ja  sehr  verbreitet  und  schon  lange  bekannt 2). 

Die  zellige  Struktur  rührt  nicht  von  Zellen  selbst  her,  sondern 
stellt  Eindrücke  der  EpidermiszeUen  ins  Skelett  vor.  Ueber  die 
Zellen,  welche  unter  den  Mosaikfeldern  lagern,  hoffe  ich  in  einer 
spätereji  Arbeit  über  Drüsen  bei  Coleopteren  mich  zu  verbreiten.  Hier 


1)  cf.  Zoolog.  Anzeiger  No.  432.  1893.  „Giebt  es  flu  die  Laminae  basales 
der  Coleopteren  Homologa  bei  Hymenopteren".  — 

-)  cf.  z.  B.  Fr.  Leydig,  1855.  Archiv  für  Anatomie  und  Physiologie, 
„Zum  feineren  Baue  der  Arthropoden."  S.  379  „Polygonal-zellige  Struktur"  bei 
Asellus  aquaticus.  — 


(1.  inäuiilichen  u,  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malacliiideii.     135 

soll  auf  die  Lage,  Menge  und  Verteilung  der  Mosaikfelder  hingewiesen 
werden,  Sie  machen  übrigens  den  gleichen  Eindruck,  einerlei  ob 
man  sie  von  oben  oder  unten  betrachtet. 

Auf  dem  meisten  D.  fand  ich  3  Paare  von  Mosaikfeldern.  Eines, 
welches  jederseits  meist  25 — 30  Zellen  enthält  und  seine  Längsachse 
mit  der  Körperlängsachse  gleichgerichtet  hat,  wobei  in  der  Breite 
2 — 4  (5)  Zellen  (oft  polygonal)  lagern  (Fig.  1  Mo.)  findet  man  jeder- 
seits ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  Mediane  und  Seitenrand,  jedoch 
der  Mediane  etwas  näher  und  auch  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen 
Vorder-  und  Hinterrand,  doch  dem  Vorderrande  etwas  näher.  Ich 
nenne  es  das  Paar  der  inneren  Mosaikfelder.  Man  beobachtet 
es  auf  der  2.-7.  D.  Es  fehlt  auf  der  L,  8.,  9.  und  10.  D.  Das 
2.  Paar  von  Mosaikfeldern i)  lagert  ausserhalb  der  vorigen,  ungefähr 
in  der  Mitte  zwischen  demselben  und  dem  Aussenrande,  doch  dem 
inneren  Mos.  etwas  näher,  auch  mehr  nach  dem  Vorderrande  zu. 
Diese  äusseren  Mos.  stehen  quer  nach  aussen  und  enthalten  nur 
10 — 20  Zellen.  Sie  kommen  auf  der  3.,  4.,  5.,  6.  D.  vor,  fehlen  aber 
auf  den  6  übrigen. 

Das  3.  Paar  endlich,  das  ich  wegen  seiner  Lage  am  Vorder- 
rande der  Platten,  das  Paar  der  vorderen  Mosaikfelder  nenne,  ist 
das  grösste  und  zieht  sich  daselbst  in  langen  Querhaufen  hin,  welche 
in  der  Mitte  zwischen  sich  einen  Zwischenraum  lassen,  noch  nicht 
gleich  der  Breite  eines  jeden  von  ihnen.  Die  Tiefe  dieser  langen 
Querhaufen  beträgt  3—4  Zellen. 

Die  vorderen  Mos.  kommen  an  der  2. — 8.  D.  vor,  sind  an  der 
8.  aber  kleiner  als  an  den  übrigen  Platten. 

Also  vordere  Mosaikfelder  an  der  2. — 8.  D. 
innere  „  „      „     2. — 7.  D. 

äussere  „  ,,     „     3. — 6.  D. 

An  den  Ventralplatten  fehlen  die  äusseren  und  inneren 
Felder,  nur  am  Vorderrande  sind  solche  bemerkbar.  An  der  2.  V. 
ziehen  sich  Mosaikzellen  in  langem  Bande  am  Vorderrande  hin. 
An  der  3. — 7.  V.  liegt  jederseits,  nicht  sehr  weit  von  den  Seiten- 
ecken eine  tiefe,  rundliche  Grube,  deren  Grundwandung  em  Mos. 
bildet.  Am  Vorderrande  der  8.  V.  fehlen  die  Gruben  und  es  werden 
überhaupt  nur  noch  wenige  Mosaikzellen  wahrgenommen.  Der  9.  V. 
fehlen  solche  vollständig.     Die  1.  und  10.  V.  fehlen. 

Die  2.  V.  ist  von  typischer  Bildung,  so  lang  und  so  breit  als 
die  übrigen,  aber  am  Vorderrande  breit  ausgebuchtet.  Alle  S.  sind 
frei  gegen  einander  beweglich,  daher  fehlt  ein  Ventralbecken, 
ebenso  fehlt  ein  Ventralphragma.  Die  Beborstung  der  V.  ist 
reichlicher  als  die  der  D.  — 

Copulationsorgane:  An  der  Ba.^)  (Fig.  3)  bemerkt  man 
jederseits  ein  Hörn,  wodurch  die  Verbindung  mit  den  Pa.  hergestellt 
wird.    In  der  Mediane  liegt  eine  dunkle  Naht.  Im  Uebrigen  ist  die  Ba. 


^)  M.  oder  Mos.  =  Mosaikfelder. 
-)  cf.  Abkürzungen  am  Scliluss. 


136       Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

schön  hell  chitinbraun.  Die  Pa.  dagegen  sind  völligschwarz  pigmentirt, 
mit  Ausnahme  der  Endsäume,  welche  hell  durchscheinen  und  zahl- 
reiche Grübchen,  offenbar  Sinnesgruben,  tragen.  In  der  Mediane 
sind  die  Pa.  mit  einander  verwachsen,  sodass  sie  sich  nicht  gegen 
einander  bewegen  können.  Auch  eine  Verwachsungsnaht  habe  ich 
nicht  beobachtet,  nur  einen  dunkeln  Schatten  jederseits  der  Mediane. 
Sie  sind  sehr  plump,  kurz,  gedrungen,  zusammen  fast  quadratisch. 
Wegen  ihrer  Undufch sichtigkeit  kann  ich  die  Art  der  Befestigung 
des  P.  nicht  genau  angeben.  Das  wü^d  sich  aber  bei  einer  Reihe 
weiterer  Formen  schon  herausstellen.  Der  P.  ist  eigenthümlich  da- 
durch, dass  der  d.  ej.  weit  vor  der  Spitze  mündet.  Die  letzten  2/5 
des  P.  bilden  einen  vom  d.  je.  nicht  mehr  durchsetzten,  geschlossenen, 
fingerartigen  Kegel,  welcher  in  situ  über  die  Pa.  hinausragt  und 
von  den  Poren  zahlreicher  Hautdrüsen  durchbohrt  wird.  Der  P.  ist 
schön  chitinhellbraun  und  verbreitert  sich  allmählig  gegen  seine 
Basis.  Etwas  über  der  Mitte  mündet  der  d.  ej.  nach  aussen  und 
man  sieht  den  mit  zahlreichen,  spitzen  und  dreieckigen,  horngelben 
Zähnchen  besetzten  Präputialsack  i)  durchschimmern.  P.-Schenkel 
habe  ich  nicht  beobachtet.  Die  Ba.  liegt  natürlich  vor  den  Pa., 
aber  ich  kann  sie  weder  als  ventral  noch  als  dorsal  bezeichnen.  — 

$  sanguineus.  Für  die  7  ersten  S.  gilt  das  beim  ^  Gesagte. 
Auch  die  Mosaikfelder  treten  in  derselben  Weise  auf.  Die  8.  D. 
und  V.  aber,  welche  beim  ^  4-eckig  erscheinen  und  doppelt  so  breit 
als  lang  sind,  haben  hier  beim  $  eine  fast  halbkreisförmige  Gestalt, 
indem  der  Diameter  den  Vorderrand  vorstellt.  Die  8.  V.  ist  auch 
hier  am  Hinterrande  ausgebuchtet,  aber  sehr  viel  tiefer  als  beim  <^. 
Am  Vorderrande  setzt  sich  (Fig.  1)  ein  die  Platte  an  Länge  fast  um 
das  Doppelte  übertreffendes  Spiculum  ventrale  an,  welches  jedoch 
keine  continuirliche  Fortsetzung  des  Vorderrandes  mehr  bildet, 
sondern  sich  gegen  dieselbe  bereits  ganz  selbständig  darstellt. 
Es  gabelt  sich  vor  der  8.  V.  mit  2  kleinen  Armen,  welche  in  der 
durchsichtigen  Verbindungshaut  endigen.  Es  ist  schwarz  pigmentirt 
und  erscheint  nur  an  beiden  Enden  aufgehellt.  Seine  Länge  (2,3  mm) 
harmonirt  mit  derjenigen  den  Legeröhre  (3  mm).  — 

Die  9.  und  10.  D.  fehlen. 

Die  Legeröhre,  welche  man  in  Fig.  1  in  vollkommen  vor- 
gestülptem Zustande  sieht,  erscheint  hier  als  eine  sehr  ausgeprägte 
Bildung.     An  derselben  haben   wir  3  Abschnitte  zu  unterscheiden: 

1.  Die  Vorderröhre,  vom  Hinterrande  der  8.  V.  (x)  bis  R, 

2.  Die  Hinterröhre,  von  R  bis  t, 

3.  Den  Plattenabschnitt,  von  t  bis  Sty.  — 

R.  ist  eine  ringförmige  Einschnürung,  die  Ringfalte.  Die  vor 
derselben  liegende  Vorderröhre  kann  ihre  Wandung  einstülpen,  wie 
der  Augenträger  einer  Pulmonate.  Die  Hinterröhre,  welche  hinter 
der  Ringfalte  liegt,  bedarf  keiner  Einstülpung,  denn  durch  die  Ein- 


^)   cf.     Deutsche   entomolog.   Zeitschr.    1894.     „Ueber  die   Copulat.-Org. 
männlicher  Coleopteren,  eine  Antwort  an  die  Herren  Schwarz  und  Weise." 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Larapyrideu,  Canthariden  u.  Malacliiiden.     137 

stülpung  der  Vorderröhre  wird  die  Ringfalte  nicht  nur  bis  zum 
Punkte  X  gebracht,  sondern  um  ebenso  viel  vor  x,  als  R.  hinter  x 
liegt.  Da  nun  die  Vorderröhre  noch  etwas  länger  ist  als  die  Hinter- 
röhre, so  gelangt  bei  der  Einstülpung  der  Punkt  t  noch  vor  x. 
Somit  kommt  durch  Einstülpung  und  völHge  Umstülpung  der  Lege- 
röhre die  ganze  Legeröhre  im  Körper  zur  Bergung.  —  Im  Linern 
der  Legeröhre  treffen  wir  2  lange  und  kräftige  Chitinspangen,  welche 
ich  Radii  nenne,  (jr  Fig.  1)  und  welche  den  die  Rückziehung  der 
Legeröhre  bewirkenden  Muskeln  zum  Ansatz  dienen.  [Auf  die 
physiologische  Seite  des  Legeapparates  kann  ich  in  dieser  Arbeit 
näher  nicht  eingehen.]  Die  Radii  ragen  vorne  noch  ein  gutes  Stück 
aus  der  Legeröhre  hervor  und  verbreitern  sich  am  Ende  merklich. 
Auch  vor  der  Gegend  der  Ringfalte  besitzen  sie  eine  kleine  Er- 
weiterung. Am  Hinterende  berühren  die  Radii  jederseits  einen 
Chitinbalken  (t),  mit  dem  sie  artikuliren,  und  diese  Chitinbalken 
hegen  am  Vorderende  des  Plattenabschnittes.  Sie  springen  innen 
in  einen  dünneren  Zapfen  vor. 

Die  Legeröhre  ist  nun  bemerkenswertherweise  in  ihrer  ganzen 
Länge,  von  x — t,  d.  h.  also,  soweit  sie  beim  Ausstülpen  mit  der 
Aussenluft  in  Berührung  kommt,  mit  einer  zierlichen  Struktur  ver- 
sehen, welche  eine  etwas  unregelmässige,  schildpattartige  Felderung 
vorstellt.  In  Fig.  1  sind  nebenan  links  3  Partieen  aus  der  Haut 
der  Legeröhre  stark  vergrössert  dargestellt,  a,  ß  und  /  sind  in 
gleicher  Höhe  mit  den  Stellen  der  Legeröhre  gezeichnet,  denen  sie 
angehören.  Daraus  ergiebt  sich  also,  dass  in  der  Vorderröhre  die 
Skulptur  mehr  rundlich  (/),  in  der  Hinterröhre  mehr  längHch  (a) 
sind.  Es  muss  aber  hervorgehoben  werden,  dass  zwischen  beiden 
Skulpturen  keine  scharfe  Grenze  besteht;  vielmehr  sind  auch  im 
vorderen  Theile  der  Hinterröhre  noch  rundliche  Felder  vorherrschend 
und  erst  ganz  allmählich  nehmen  nach  hinten  zu  die  Felder  eine 
längUchere  Form  an.  Die  Felder  selbst  erscheinen  auffallend  scharf 
begrenzt,  was  daher  kommt,  dass  sie  selbst  eine  braune,  die 
Zwischenräume  aber  eine  hellgraugelbe  Farbe  haben,  auch  sind  sie 
etwas  emporgewölbt.  Jedes  Feld  dürfte  einer  EpidermiszeUe  seinen 
Ursprung  verdanken.  Was  nun  die  Felder  der  Gruppe  ß  betrifft, 
welche  Poren  enthalten,  so  sei  bemerkt,  dass  sie  auf  der  Vorder- 
röhre gänzlich  fehlen.  Sie  beginnen  aber  schon  am  Vorderende 
der  Hinterröhre  in  zerstreuter  Anordnung.  Besonders  zahlreiche 
Poren  tragen  die  Felder  in  der  Region  vor  dem  Anus  (A).  Hinter 
demselben  ist  wieder  nichts  von  Poren  zu  sehen.  Diese  selbst  sind 
offenbar  Sinnesgniben.  Sie  haben,  wie  auch  die  Basalgruben  der 
Tastborsten,  von  denen  nur  wenige  kurze  ausserhalb  der  After- 
region stehen,  eine  doppelte  Ringeontour,  während  Drüsenporen 
das  nicht  zeigen,  vielmehr  eine  einfache  Contur,  von  welcher  aus- 
gehend in  die  Tiefe  man  meist  noch  ein  Stück  des  Ausführungs- 
ganges bemerken  kann.  Der  Plattenabschnitt  besitzt  jederseits 
in  einem  länglichen,  scharf  begrenzten  Theile  eine  dunkelbraune 
Farbe  und    ermangelt    vollständig   der  Felderstruktur.      Schon  da- 


138       Dl'-  Carl  Verhoeff:  ■Vergleicheiule  Morphologie  des  Abdomens 

durch  erkennt  man  diese  paarigen  Theile  als  etwas  Besonderes.  Da 
wir  nun  aus  anderen  Untersuchungen  wissen,  dass  die  9.  V.  paarig, 
d.  h.  zweiteiKg  auftritt  und  die  Vaginalmündung  flankirt,  dass  sie 
ferner  die  Styli  trägt,  so  erkennen  wir  auch  hier  leicht,  dass  die 
der  Felderstruktur  entbehrenden  Endplatten  der  Legeröhre  die 
zweitheilige  9.  V.  sind,  um  so  mehr,  da  sie  auch  am  Ende  in  Gelenk- 
gruben Styli  trägt  und  zwischen  den  Enden  die  Vagina  mündet. 
Diese  Mündung  selbst  und  die  in  der  Mitte  zwischen  den  Hälften 
der  9.  V.  Hegende  Partie  der  Legeröhrenhaut  trägt  übrigens  auch 
noch  Felderstruktur.  Aber  Sinnesporen  bemerkte  ich  dort  nicht. 
Die  9.  V.  ist  in  ihrer  vorderen  Hälfte  mit  zerstreuten  Sinnesgruben, 
in  ihrer  Endhälfte  besonders  mit  Tastborsten  besetzt.  Letztere  sind 
besonders  kräftig  auf  den  Styli  ausgebildet,  an  deren  Grund  aber 
sitzen  auch  einzelne  Sinnesgruben. 

Aus  dem  im  Vorigen  Gesagten  gelangen  wir  zu  der  Erkenntniss, 
dass  die  ganze  Vorder-  und  Hinterröhre  des  Legeapparates 
als  eine  sehr  differencirte  und  vor  allen  Dingen  eine  ganz 
enorm  in  die  Länge  vergrösserte  Zwischenhaut  zwischen 
dem  8.  und  9.  S.  anzusehen  ist.  — 

Es  muss  noch  hervorgehoben  werden,  dass  die  Radii  nirgends 
an  der  Wandung  des  Legeröhrenschlauches  Antheil  haben,  sondern 
ganz  im  Innern  der  Legeröhre  lagern.  Auf  ihre  vergleich.-morphol. 
Bedeutung  komme  ich  hernach  zurück.  — 

Eros. 

(?  Aurora.  Alle  Segmentplatten  sind  schön  braun  pigmentirt, 
wesentlich  heller  als  bei  Lygist.  Indessen  sind  D.  und  V.  ziemlich 
gleich  intensiv  gefärbt.  Die  8.  V.  ist  am  Hinterrande  breit  und 
ziemlich  tief  ausgebuchtet,  die  8.  D.  erscheint  zugerundet.  9.  und 
10.  D.  und  9.  V.  erinnern  sehr  an  diejenigen  von  Lyg.,  doch 
ist  der  Bogenfortsatz  (Fig.  5)  etwas  länger  als  bei  jenen  (wurde 
aber  in  der  Fig.  etwas  zu  kurz  gezeichnet).  Die  9.  D.  ist  am 
Hinterrande  weniger  tief  ausgebuchtet,  am  Vorderrande  fast  gar 
nicht,  daher  sie  denn  auch  keinen  2  lappigen  Eindruck  macht.  Fort- 
satzspangen sind  wie  bei  Lyg.  vorhanden  und  fügen  sich  auch  in 
entsprechender  Weise  an  den  Bogenfortsatz  an.  Die  Duplicatur 
der  9.  V.  ist  in  ihrem  stärkeren  Plattentheil  hinten  auch  abgerundet, 
aber  sie  entbehrt  des  Fortsatzes  £,  wie   er  bei  Lyg.  vorkommt.  — 

Die  1.  und  10.  V.  fehlen.  Die  7.  V.  ist  gut  ausgebildet  wie 
bei  Lyg. 

Dorsaldrüsen  und  Drüsenporenplatten  fehlen  auch  hier.  Die 
8  Stigmenpaare  liegen  ganz  in  der  Pleurenhaut,  in  welcher 
keine  Pleurenplatten  vorkommen. 

Die  Seiten  der  V.  schlagen  sich  nur  wenig  nach  oben  um. 
Besonders  kräftige  Borsten  stehen  am  Endrande  der  9.  V.,  ebenso 
an  der  9.  und  10.  D.,  doch  an  letzteren  weniger  stark  als  bei  Lyg. 


(1.  mäunlichen  u.  weiblichen  Lanii»yritleii,  Cantliariden  u.  Malachiideii.     139 

Die  Mosaikfelder  kommen  auch  hier  vor,  sind  aber  im  Ganzen 
undeutlicher  als  bei  Lyg.  Sie  fehlen  wieder  vollständig  auf  der  1,, 
9.  und  10.  D.  und  9.  V. 

Die  vorderen  Mos.  sind  an  der  2. — 7.  D.  angeordnet  wie  bei 
Lyg.,  nur  sind  die  Grenzbälkchen  etwas  blasser.  An  der  8.  D.  ist 
nur  noch  wenig  davon  bemerkbar.  Die  inneren  M.  stehen,  auch 
ganz  wie  bei  Lyg.,  auf  der  2. — -7.  D.  und  fehlen  auf  der  8.  D., 
doch  sind  sie  in  der  Längsrichtung  hin  in  2 — 4  getrennte  Häuflein 
aufgelöst.  An  der  7.,  6.  und  5.  D.  sieht  man  am  Hinterrande  eines 
jeden  Häufleins  einen  gebogenen,  vorn  concaven  Wulst  von  dunkler 
Farbe  als  Grenze.  An  den  vorderen  Plattten  geht  das  mehr  und 
mehr  verloren. 

Die  äusseren  M.  stimmen  mit  denen  von  Lyg.  überein,  nur 
sind  sie  etwas  blasser. 

Neu  ist  gegenüber  Lyg.,  dass  auch  noch  hintere  M.  vorkommen. 
Diese  enthalten  recht  zahlreiche  Zellen  und  liegen  in  einem  unregel- 
mässigen Längshaufen  hinter  den  äusseren  M.  Sie  sind  von  allen 
am  blassesten  und  kommen  an  der  2.-7.  D.  vor,  wobei  sie  nach 
hinten  kleiner  (aber  nicht  undeutlicher)  werden. 

An  den  V.  finden  sich  die  M.  auch  hier  nur  in  eiaem  Paare 
vor  und  zwar  am  Vorderrande.  Sie  liegen  aber  nicht  in  so  tiefen 
Gruben  wie  bei  Lyg.,  doch  zieht  sich  eine  kleine  Gruppe  von  Zellen 
quer  nach  aussen  und  hinten  wie  ein  Ast  ab  und  zwar  auf  der 
3. — 6.  V.  Die  Mos.  kommen  auch  noch  an  der  7.  und  8.  V.  vor, 
aber  sie  eimangeln  des  Astes. 

Die  Copulationsorgane  (Fig.  4)  stimmen  im  Wesentlichsten 
mit  denen  von  Lyg.  überein,  nur  sind  die  Pa.  nicht  fest  an  einander 
gewachsen.  Die  Ba.  ist  derjenigen  von  Lyg.  sehr  ähnHch,  besitzt 
auch  am  Ende  2  Hörner.  Die  Pa.  aber  sind  viel  schlanker  als 
bei  Lyg.,  endigen  nicht  wie  dort  breit  und  abgestumpft,  sondern  in 
einem  kurzen,  daumenartigen  Fortsatz,  der  mit  Sinnesgrübchen 
besetzt  ist,  wie  das  P.-Ende  mit  Drüsenporen.  Auch  hier  liegt  die 
Mündung  des  d.  ej.  weit  vor  der  P. -Spitze.  Die  Ba.  liegt  vor 
den  Pa.,  aber  man  kann  sie  weder  als  dorsal  noch  als  ventral 
bezeichnen. 

$  Aurora.  Die  Platten  sind  schwarzbraun  pigmentirt,  wie 
bei  Lyg.  Die  7  ersten  S.  stimmen  sonst  mit  denen  des  S  überein, 
doch  sind  die  abgehenden  Aeste  an  den  Mos.  der  3. — 6.  V.  deutlicher 
ausgegrägt  als  beim  <S,  was  offenbar  theilweise  an  der  dunklen  Pig- 
mentirung  liegt. 

Die  Stigmen  befinden  sich  wieder  in  der  Pleurenhaut  am 
1.  — 8.  S. 

Die  8.  D.  ist  ungefähr  dreieckig,  mit  abgerundetem  Endrande. 
An  der  8.  V.,  welche  fast  einen  Halbkreis  vorstellt  (imd  der  Mos. 
entbehrt),  tritt  der  gebogene  Hinterrand  in  der  Mitte  etwas  vor 
(also  das  Gegentheil  von  einer  Einbuchtung).  Ein  Spiculum 
ventrale  ist  vorhanden,  aber  im  Gegensatze  zu  Lyg.  bemerkt  man, 
dass  es 


140      Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

1.  nicht  länger  ist  als  die  Platte  selbst  und 

2.  continuirlich  in  dieselbe  übergeht. 

Das  Spie.  V.  ist  hier  also  noch  nicht  selbständig  geworden, 
sondern  bildet  einen  langen  Stangenfortsatz  an  der  Platte.  Es  liegt 
folglich,  gegenüber  Lyg.,  ein  ursprünglicheres  Verhalten  vor. 
Jederseits  am  Vorderrande  ist  die  8.  V,  leicht  eingebuchtet.  — 

Es  sei  nun  auf  die  Länge  des  Legeapparates  (Fig.  6)  hin- 
gewiesen, welche  mit  der  Spiculum-Länge  harmonirt: 

Auch  dieser  zeigt  sich  als  eine  Vorstufe  des  Legeapp. 
von  Lyg. 

a)  er  stimmt  mit  ihm  überein: 

1.  in  der  9.  V.  und  den  Styli, 

2.  in  den  queren  Stützbalken  t, 

3.  in  dem  Besitz  kräftiger  Radii, 

4.  in  der  allgemeinen  Legeröhrenform. 

b)  er  unterscheidet  sich  von  ihm: 

1.  durch  die  geringe  Entwickelung  des  Legeröhrenschlauches, 

2.  durch  den  Mangel  der  Ringfalte, 

3.  durch  den  Mangel  der  Schildpattskulptur.  — 

Die  Styli  sind  weniger  schlank    als   die  von  Lyg.,    aber  doch 
nicht  ganz  so  kegelig  als  es  die  Fig.  zeigt. 
Auch  hier  fehlt  die  9.  und  10.  D.  — 

Homalisus. 

^  suturalis.  Die  Platten  zeigen  ungefähr  dieselbe  braune 
Pigmentirung  wie  bei  Eros  Aurora  ^.  In  den  Grössen  der  Platten 
herrschen  etwa  dieselben  Verhältnisse  wie  bei  den  2  vorigen  Gatt. 
Die  1.  und  10.  V.  fehlen. 

Die  2.  V.  ist  deutlich,  aber  sie  ist  nur  seitlich  braun  pigmentirt, 
in  der  Mitte  sehr  hell,  durchsichtig.  Die  8.  D.  und  V.  sind  quer 
viereckig,  mit  fast  geradem  Hinterrande.  Die  9.  D.  schliesst  sich 
vortreffhch  an  die  der  beiden  vorigen  Gattimgen  an.  War  die  von 
Eros  schon  einfacher  als  die  von  Lygist.,  so  ist  die  von  Homal. 
noch  etwas  einfacher  als  die  von  Eros.  Sie  hat  fast  typische 
Plattenform  (Fig.  23),  nur  befindet  sich  am  Hinterrande,  der  mit 
kräftigen  Borsten  geziert  ist,  in  der  Mitte  eine  tiefe  Ausbuchtung, 
unter  welcher  die  fast  borstenlose,  nach  hinten  stark  verschmälerte 
10.  D.  vorschaut.  Sehr  erwähnenswert  ist  übrigens  der  Umstand, 
dass  auch  hier  die  nach  unten  ablaufenden  Spangen  (fi),  welche 
eine  Verbindung  mit  dem  Bogen  der  9.  V.  herstellen,  vorhanden 
sind.  Auch  die  9.  V.  (Fig.  23)  steht  der  ursprünglichen  Plattenform 
noch  näher  als  die  entsprechenden  Organe  bei  Eros  und  Lygist. 
Ln  Ganzen  stellt  sie  eine  recht  längliche  Ellipse  vor,  wobei  der 
Bogen  (B.  v.)  seine  typische  Gestalt  beibehalten  hat,  also  nicht 
komprimirt  ist,  wde  bei  Eros  und  Lyg.  Der  Bogen  geht  continuirlich 
in  die  eigentliche  9.  V.  über  und  ist  am  Vorderende  (e)  stark  ver- 
breitert.    Die  DupUcatur  (Dp)  ist  fast  kreisrund  und  geht  hinten  bei 


d.  männlichen  n.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     141 

gleichbleibender  Kräftigkeit  in  den  Hinterrand  der  9.  V.  über.  Da- 
selbst steht  eine  reichliche,  lange  Beborstung.  Die  3.  —  8.  V.  sind 
reichlich  beborstet,  aber  die  2.V.  und  die  1. — 7.D.  nicht,  denn  diese 
liegen  verdeckt.  An  den  Aussenecken  des  Hinterrandes  der  8.  D. 
aber  sitzen  einige  kräftige  Borsten. 

Pleurenplatten  fehlen,  die  Seitenränder  der  V.  sind  nur  wenig 
nach  oben  eingebogen. 

Die  8  Stigmenpaare  liegen  am  1. — 8.  S.  in  der  Pleurenhaut, 
wobei  das  1.  natürlich  wieder  bedeutend  grösser  ist  als  die  fol- 
genden. Es  liegt  neben  der  1.  D.,  welche  deutUch  ausgebildet  ist, 
aber  nur  halb  so  lang  wie  die  2.  — 

Dorsaldrüsen  und  Drüsenporenplatten  fehlen.  — 

Vordere  und  hintere  Mosaikfelder  fehlen  an  den  D.  An 
der  1.  D.  fehlen  die  Mosaikfelder  überhaupt;  auch  an  der  8.  D.  sind 
kaum  Spuren  zu  finden.  Die  7.  D.  zeigt  eine  Strecke  weit  von  den 
Seitenecken  jederseits  vor  dem  Yorderrande  ein  rundhches  Mos. 
An  der  2. — 6.  D.  ist  es  mehr  weniger  unregelmässig,  und  nach 
aussen  liegen  am  Vorderrande  noch  unregehnässige ,  kleine  und 
blasse  Zellcomplexe  versprengt;  auch  noch  ein  solcher  weiter  nach 
innen  und  hinten  zu,  ebenfalls  blass  und  quer  an  der  3.  und  4.  D. 
—  Die  V.  besitzen  hier  auch  nur  1  Paar  Mos.  am  Vorderrande  der 
2.  —  7.  V.  Sie  sind  ziemlich  deutlich  ausgeprägt  und  Hegen  nicht 
in  Gruben.     An  der  8.  und  9.  V.  fehlen  die  M. 

An  den  Copulationsorganen,  welche  denen  der  2  vor. 
Gatt,  ähneln,  sind  die  Pa.  frei  gegen  einander  beweglich.  Sie  heften 
sich  nur  an  ihrer  Basis  an  einer  Stelle,  welche  dorsalwärts  gelegen, 
gelenkig  an  einander.  Jeder  Pa.  legt  sich  ventralwärts  mit  einer 
Kante  an  einem  Basalfortsatz  des  P.  an,  den  ich  auch  hier  als  P.- 
Schenkel bezeichne  (Fig.  23 f).  Die  Pa.  sind  dunkelbraun,  der  P. 
hellbraun.     Beide  sind  unbeborstet. 

Die  Pa.  scheinen  am  Ende,  oberhalb  der  umgebogenen  und 
nach  aussen  gerichteten  Hakenspitze,  hell  durch  und  tragen  dort 
viele  Sinnesgruben.  An  der  Innenseite  sitzen  zerstreut  Drüsenporen, 
wie  auch  am  P.  Letzterer  ist  auch  hier  auffallend  dadurch,  dass 
die  Mündung  des  d.  ej.  (welche  ich  allerdings  nicht  ganz  genau 
gesehen  habe)  jedenfalls  weit  vor  dem  P.-Ende  sich  befindet.  Einen 
Praep.  habe  ich  nicht  beobachtet.  Die  Ba.  ragt  jederseits  nach 
hinten  vor,  ohne  doch  deutliche  Hörner  zu  bilden.  Am  Ende  der 
Von^agungen  heften  sich  die  Pa.  an. 

Die  Ba.  (Fig.  24)  ist  schon  etwas  ventral  gelegen.  An  den 
Seitenrändern  besitzt  sie  je  einen  Vorsprung  (a),  an  welchen  sich 
Bewegemuskeln  der  Pa.  anheften.  — 

Einen  $  suturalis  besitze  ich  leider  nicht i). 


^)  Das  $  Ex.,  welches  Prof.  Bertkau  vorlag  in:  „Beschreibung  d.  Larve 
xmA  des  Weibchens  von  Homalisus  suturalis",  ist  im  Besitze  des  Herrn  v.  fleyden 
(Frankfurt). 


142       Dl'-  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Ahdoinens 

Lampyris. 

(J  splendidula.  Die  meisten  Segmentplatten  sind  graubraun 
pigmentirt.  Auch  hier  besteht  noch  kein  auffälliger  Unterschied  in 
der  Pigmentation  und  Wandungsstärke  zwischen  V.  und  D.  Von 
der  8.  —  1.  D.  nimmt  aber  die  Pigmentation  immerhin  an  Stärke 
ab,  ist  also  auf  der  8.  D.  am  intensivsten.  Unter  den  V.  ist  die 
2.  in  der  Vorderhälfte  jederseits  der  Mediane  in  einer  rundlichen 
Partie  pigmentlos,  im  Uebrigen  pigmentirt,  wie  auch  die  3.,  4.  und 
5.  V.  Die  6.  V.  besitzt  nur  im  A^ordersten  Drittel  Pigment,  im 
Uebrigen  ist  sie,  wie  die  ganze  7.  und  8.  V.,  fast  pigmentlos,  hell. 
Diese  Helligkeit  ist  notwendig,  um  die  leuchtenden  Zellen,  welche 
besonders  über  der  6.  und  7.  V.  lagern,  in  ihrem  Effekt  nicht  zu 
beeinträchtigen.  Man  kann  die  6.  und  7.  V.  kurz  die  Fenster - 
platten  nennen.  —  Die  1.  und  10.  V.  fehlen,  —  Die  2.  V.  ist  gut 
ausgebildet,  vorn  flach  ausgebuchtet.  Die  1.  D,  erreicht  nur  Vs 
der  Länge  und  nicht  ganz  die  Breite  der  2.  D. 

Die  3.  —  7.  V.  sind  Adereckig,  quer,  mit  geraden  Hinterrändern, 
die  Ecken  springen  nicht  vor.  Die  8.  V.  dagegen  (Fig.  9)  ist  am 
Vorderrande  schwach  ausgebuchtet,  während  das  mittlere  Drittel 
des  Hinterrandes  stark  nach  hinten  vorragt  und  selbst  Avieder  eine 
Ausbuchtung  besitzt.  An  der  4.  und  5.  D.  treten  die  Hinterecken 
in  dreieckigen  Zipfeln  nach  hinten  vor,  während  der  Hinterrand 
noch  ziemlich  gerade  bleibt.  Er  ist  aber  an  der  6.  und  7.  D.  in 
der  ganzen  Breite  ausgebuchtet,  bei  der  7.  noch  stärker  als  bei 
der  6.  Während  die  7.  D.  noch  doppelt  so  breit  ist  als  lang, 
kommt  bei  der  8.  D.  Länge  und  Breite  einander  gleich.  Diese  Platte 
ist  fast  rund,  nur  am  Hinterrande  auch  ausgebuchtet. 

Während  bei  den  3  vorigen  Gatt,  die  9,  und  10.  D.  den  vorher- 
gehenden an  Grösse  noch  nicht  erheblich  nachstanden  (die  10.  ist 
natürlich  meist  kleiner  als  die  9.  und  die  9.  kleiner  als  die  8.),  ist 
hier  ein  sehr  beträchtlicher  Grössenunterschied  vorhanden.  Die 
8.  D.  misst  1,3  mm.,  die  9.  D.  nur  noch  0,3 — 0,4  mm.  Ferner  ist 
die  10.  D.  fest  an  die  9.  D.  angewachsen  (Fig.  8).  Auch  von 
einer  Naht  ist  nur  noch  seitAvärts  etwas  zu  sehen,  doch  setzt  sich 
in  der  Seitenlinie  die  10.  D.  deutlich  gegen  die  9.  ab.  Beide  Platten 
sind  fast  borstenlos.  Besonders  lange  Tastborsten  sind  auch  an 
keiner  andern  D.  oder  V.  vorhanden,  ziemlich  kurze  allerdings 
zahlreich.    Letztere  fehlen  aber  an  der   9.  und  10,  D.  auch  fast  ganz. 

Die  9.  V.,  deren  eigentlicher  hinterer  Plattentheil  beborstet  ist, 
geht  nach  vorne  in  einen  typischen  Bogen  über  (Fig.  7),  welcher 
eine  fast  gleichbreit  bleibende  Spange  aufweist,  die  vorne  ein  wenig 
klafft.     Eine  eigentliche  Duplicatur platte  fehlt. 

Pleurenplatten  sind  nicht  vorhanden.  Allerdings  sind  kleine 
Seitenteile  der  V,  nach  oben  umgebogen  und  scharf  gegen  die  V. 
abgesetzt,  aber  sie  gehen  ohne  bemerkbare  Grenze  in  die  Pleuren- 
haut  über. 


d.  männlichen  ii.  weibliclien  Lampyiiden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     143 

Die  Stigmen  kommen  wieder  in  8  Paaren  am  1. — 8.  S.  vor 
und  liegen  in  der  Pleurenhaut,  hart  an  ihrer  unteren  verschwommenen 
Grenze. 

Mosaikfelder  fehlen  auf  der  1.,  9.  und  10.  D.  und  8.  und  9.  V. 

Die  Mos.  der  andern  D.  sind  nicht  leicht  zu  beschreiben.  Man 
findet  1  Paar  am  Vorderrande,  das  einen  queren,  blassen,  aber 
grossen  Haufen  darstellt,  welcher  meist  jederseits  in  2  getheilt  ist 
sodass  2  Mos.  Paare  am  Vorderrande  stehen,  dicht  hinter  dem 
äusseren  dieser  Paare  liegt  auf  jeder  Körperseite  ein  rundliches, 
stärker  ausgeprägtes  Mos.  (äusseres)  und  ein  queres  hinter  dem 
inneren  Paare  der  vorderen  M.  (inneres).  Hinter  dem  inneren  und 
äusseren  Paare  liegen  jederseits  in  der  Mitte  der  Platte  kleine,  nur 
wenige  (2 — 5)  Zellen  enthaltende  Mos.  zerstreut,  welche  man  als 
zerstreute  hintere  Mos.  bezeichnen  kann.  Ich  sah  9 — 12  solcher 
kleinen  Feldchen  jederseits  auf  der  Platte  verteilt.  (Sie  erscheinen 
wie  eine  Gruppe  kleiner  Inseln  auf  einer  Karte).  Man  findet  sie 
auf  der  2. — 7.  D.  Die  inneren  Felder  sind  auf  der  7.  D.  fast  er- 
loschen, die  äusseren  noch  deuthch.  Auf  der  8.  D.  finden  sich  auch 
von  der  äusseren  M.  nur  noch  Andeutungen. 

Seitwärts  von  der  Mediane  liegen  auf  der  8.  D.  V4  ihrer 
Länge  hinter  dem  Vorderrande,  2 — 3  helle  Fleckchen,  Reste  der 
zerstreuten  hinteren  Mos.  Auf  der  2. — 7.  V.  finden  sich  M.  wieder 
nur  am  Vorderrande  und  zwar  jederseits  ein  äusseres  und  ein 
inneres  Feld. 

Die  Copulationsorgane  von  horngelber  Farbe  erinnern  sehr 
an  diejenigen  von  Homalisus.  Auch  hier  liegt  die  Ba.  etwas  ven- 
tral und  trägt  nach  oben  vorspringende  Kanten  (a.  Fig.  24). 

Der  P.  ist  in  der  Mitte  stark  eingeschnürt  und  verbreitert  sich 
von  dort  stark  nach  vorne,  während  die  Endhälfte  zuerst  etwas  an- 
schwillt, dann  sich  verschmälert  und  am  Ende  abgerundet  ist,  also 
eine  Daumenform  zeigt.  Der  d.  ej.  mündet  wieder  weit  vor  der 
Spitze,  ungefähr  in  der  Mitte  der  Länge  des  P.  Der  P.  liegt  mehr 
ventral  zu  den  Pa.,  trägt  Drüsenporen,  wie  auch  die  Pa.,  über  die 
Endhälfte  zerstreut.  Die  Pa.  sind  am  Ende  stark  abgerimdet,  (nicht 
hakig  umgebogen)  und  besitzen  daselbst  Sinnesporen  und  auch  einige 
kurze  und  lange  Tastborsten.  Die  Femora  des  P.  sind  kurz  und 
verbinden  sich  mit  den  Pa.  und  verschmelzen  auch  in  der  Mediane 
in  einem  vorne  ausgebuchteten  Höcker.  Die  Pa.  verbinden  sich 
dorsalwärts  in  einem  kurzen,  dicken  Bogen,  welcher  vorne  um  den 
Verbindungshöcker  der  P. -Schenkel  herläuft.  Sie  sind  offenbar  nm' 
geringer  Bewegung  gegen  einander  fähig. 

$  noctiluca.  Während  bei  den  bisher  beti'achteten  Gattungen 
die  $?  im  Baue  der  7  ersten  Abd.-S.  so  gut  wie  ganz  mit  den  (^3 
übereinstimmten,  treffen  wir  in  denselben  bei  Lampyris  ?  er- 
hebHche  Abweichungen  vom  <^. 

Die  Segmentplatten  sind  graubraun,  nur  die  6.,  7.,  8.  und  9.  V. 
hell,  fast  pigmentlos.  An  den  D.  fällt  die  helle  Medianlinie 
auf.     Durch   dieselbe  werden  die  D.  vollständig  in  2  gleiche  Hälften 


144      DJ"-  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

getheilt.  Nur  an  der  8.  D.  ist  die  Theilungslinie  nicht  vollständig, 
indem  sie  im  Enddrittel  verschwindet.  Viel  auffallender  aber  sind  — 
und  das  ist  überhaupt  das  merkwürdigste  an  den  Lampyris-Weibchen 
—  die  grossen  Pleurenplatten,  welche  am  1.— 7.  S.  vorkommen, 
am  8.  und  9.  aber  vollkommen  fehlen.  Dass  die  Pleurenplatten 
auch  am  1.  S.  vorkommen,  ist  besonders  hervorzuheben.  Sie 
sind  hier  schon  recht  gross,  wenn  auch  kleiner  als  an  den  übrigen  S. 
und  an  Form  dreieckig,  während  die  andern  viereckige  Gestalt 
haben.  Diese  6  Paare  viereckiger  Pleurenplatten  sind  je  V2 — ^^/s  so 
breit  wie  die  zugehörigen  Hälften  der  D.  Letztere  sind  aber  stets 
länger  als  die  PL  Die  1.  D.  ist  etwas  kürzer  und  schmäler  als 
die  2.  D.  Die  Hälften  der  D.  sind  je  noch  V2 — ^/s  breiter  als  lang. 
Da  die  V.  nur  so  lang  sind  als  die  PL,  die  D.  aber  länger,  ergiebt 
sich,  dass  die  Aufblähung  eines  trächtigen  $  vorwiegend  durch 
Auseinanderweichen  und  Emporwölben  der  D.  geschieht.  Die  8.  D. 
ist  wesentlich  schmäler  als  die  7.,  nämlich  nur  wenig  breiter  als 
lang,  der  Hinterrand  abgerundet.  Ebenso  ist  der  Hinterrand  der 
8.  V.,  welche  im  Ganzen  fast  einen  Halbkreis  ausmacht,  abgerundet. 
Der  Hinterrand  zeigt  in  der  Mitte  einen  kleinen  Ausschnitt  imd 
einen  noch  kleineren  an  jeder  Seite,  Interessant  ist  die  Platte 
durch  ein  kurzes  Spie,  v.,  was  am  Vorderrande  vorragt.  Die 
Platte  selbst  ist  1,7  mm,  das  Sp.  v.  0,3  mm  lang.  Innerhalb  der 
Platte  setzt  es  sich  übrigens  nach  hinten  bis  in  die  Nähe  des  Hinter- 
randes fort,  auffallend  als  ein  horngelber,  nach  hinten  sich  ver- 
schmälernder Strang.  Mit  der  Kürze  des  Sp.  v.  harmonirt  natürlich 
die  Kürze  des  Legeapparates.    (Fig.  10.) 

Die  9.  D.  des  ?  ist  hier,  wie  häufig,  zweitheilig.  Jede  Theil- 
hälfte  ist  doppelt  so  lang  als  breit,  mit  ihrem  Seitenrande  nach 
unten  weit  umgeschlagen,  ohne  längere  Borsten  und  unten  und  an 
der  Seite  überhaupt  borstenlos,  oben  aber  mit  zerstreuten  Tast- 
borsten besetzt.  Vorne  und  oben  läuft  sie  in  einen  sie  an  Länge 
fast  um  das  Doppelte  übertreffenden  Processus  aus,  auch  besitzt  sie 
zerstreute  Hautdrüsenporen.  An  die  äussere  Hinterecke  jeder  Hälfte 
der  9.  D.  setzt  sich  gelenkig  eine  Theilhälfte  der  9.  V.  an,  welche 
fast  dreieckig  gestaltet,  nach  ihrem  Ende  zu  sich  verschmälert  und 
daselbst  einen  gelenkig  inserirten  Stylus  trägt.  Die  9.  V.  ist  be- 
deckt mit  Tastborsten,  Sinnesgruben  und  Drüsenporen,  welche 
letztere  besonders  um  den  Basalring  der  Tastborsten  stehen.  Von 
der  Basis  des  Processus  aus  gehen  Muskeln,  welche  die  9.  V.  zu 
bewegen  vermögen. 

Eine  10.  D.  fehlt;  ebenso  die  1.  V.  und  10.  V.  —  Während 
der  Legeapparat  von  Eros  eine  Vorstufe  zu  dem  von  Lygist. 
repräsentirt,  giebt  der  Legeapparat  von  Lampyris  eine  Vorstufe 
für  den  von  Eros  ab: 

Denken  wir  uns  die  Theilhälften  der  9.  D.  aUmählig  so  ver- 
schmälert, dass  sie  nur  noch  eine  Fortsetzung  des  Processus  bilden, 
wobei  sie  gleichzeitig  mit  demselben  in  einem  Guss  verschmelzen, 
so  haben  wir  die  Radii  von  Eros  vor  uns.     Es  bedarf  dann  nur 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     145 

noch  einer  Aneinanderdrängung  der  Hälften  der  9.  V.  und  einiger 
Verlängerung  der  Zwischenhaut  zwischen  8.  und  9.  S.,  so  haben 
wir  den  Legeapparat  von  Eros.  —  In  Bezug  auf  den  Legeapparat 
(nicht  den  ganzen  Körperbau)  können  wir  also  sagen:  Aus 
Lampyris  entwickelte  sich  Eros,  aus  Eros  Lygist.  — 

In  schönster  Weise  harmonirt  mit  dem  Gesagten  die  Be- 
schaffenheit des  Spie,  ventr.,  denn  dasselbe  ist 

1.  bei  Lampyris  viel  kürzer  als  die  8.  V. 

2.  bei  Eros  so  lang  wie  die  8.  V. 

3.  bei  Lygist.  viel  länger  als  die  8.  V.  — 

Die  2.  V.  ist  durchaus  typisch;  an  Länge,  Breite  und 
Pigmentirung  gleicht  sie  den  folgenden  V.  Sehr  interessant  ist  die 
Lagerung  der  Stigmen.  Dieselben  finden  sich  am  1. — 7.  S.  ganz  in 
den  Pleurenplatten ,  von  der  Mitte  aus  etwas  mehr  nach  oben  und 
vorn  geschoben,  auffallend  durch' ihre  Grösse.  Bemerkenswertherweise 
liegt  derartig  auch  in  der  1.  PI.  das  St.  und  dieses  St.  des  1.  S. 
ist  nicht  grösser  als  die  St.  des  2. — 7.  S.,  ein  seltener  Fall.  — 
Wer  nun  noch  irgend  einen  Zweifel  hegt,  ob  die  grossen  St.  an  der 
Basis  des  Hinterleibes  der  Coleopteren  wirklich  zum  1.  Abd.  S.  ge- 
hören, der  präparire  sich  diese  Lampyris-??  und  überzeuge 
sich,  dass  die  St.  hier  ganz  in  den  PI.  des  1.  S.  liegen  und  durch 
ihre  den  übrigen  gleiche  Grösse  dokumentiren ,  dass  sie  nicht  nur 
morphologisch  sondern  auch  physiologisch  Abdominalstigmen  sind. 
Am  8.  S.,  wo  wie  schon  gesagt,  die  Pleuren  fehlen,  sind  die  St. 
zwar  vorhanden,  aber  kleiner  als  alle  vorhergehenden  und  liegen 
im  Seitenrande  der  8.  V.  Dorsaldrüsen  und  Drüsenporenplatten 
fehlen.  ^ 

Längere  Borsten  kommen  nicht  vor,  doch  sind  reichlich  fast 
allenthalben  mittellange  Tastborsten  zerstreut.  Diese  mittellangen 
Tastborsten  stehen  auf  D.,  V.  und  PL  allenthalben  und  in  merk- 
würdig regelmässigen  Abständen  zerstreut.  Sie  stehen  ziemlich  dicht, 
viele  Hunderte  auf  einem  Segment. 

Ich  möchte  hier  noch  auf  kleinere  Anhänge  am  Chitinskelett 
hinweisen,  welche  auch  bei  den  vorigen  Gatt,  zur  Genüge  beobachtet 
werden  können,  hier  aber  sich  besonders  schön  präsentiren.  Ich 
nenne  diese  Gebilde  Häutungshaare,  da  sie  die  Aufgabe  haben 
bei  dem  Ausschlüpfen  der  Jmago  aus  dem  Nymphenskelett  das 
Abstreifen  desselben  zu  erleichtern.  (Ich  habe  schon  an  anderer 
Stelle  über  Häutungshaare  bei  Insekten  gesprochen  i).  Hier  bei 
Lampyris  sind  solche  auf  den  8  ersten  S.  allenthalben  zu  sehen. 
Die  Zwischensegmenthäute  und  die  Pleurenhäute,  auf  denen  Tast- 
borsten fast  immer  fehlen,  sind  reichlich  mit  zierlichen  Häutungs- 
haaren bedeckt,  welche  spitz  zulaufen  und  sich  nach  unten  stark 
verbreitern,  wodurch  man,  gleichzeitig  mit  dem  Mangel  von  unter- 
sitzenden   Sinnesgruben,    leicht    erkennt,    dass    es    sich    eben   um 


1)  cf.    Zoolog.  Anzeiger.   1892.   No.  401  und  402.    „Physiol.  Bedeutung  des 
Stachelapparates,  besonders  der  Hymenopteren-Nymphen." 

Arch.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1894.  Bd.  I.  H.  2.  10 


146      Dl"-  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

cuticulare  Fortsätze  handelt.  Die  Haut.i)  auf  den  Platten  sind 
kaum  länger  als  die  Haare  der  Zwischenhäute ,  an  der  Basis  aber 
nicht  so  stark  verbreitert.  Sinnesgruben  sind  auch  unter  ihnen 
nicht  zu  erkennen,  sodass  sie  sich  auch  als  Culticularfortsätze  dar- 
stellen. Solcher  Haut,  findet  man  auf  den  Platten  zwischen  einem 
Viereck  von  Tastborsten  durchschnittlich  er.  20.  (Vergleicht  man 
die  Tastborsten  mit  den  Stämmen  einer  regelmässigen  Baumschule, 
so  würden  die  Haut,  etwa  wie  die  darunter  stehenden  Gräser  er- 
scheinen.) Bezüglich  der  Reichhaltigkeit  des  Tastborstenbesatzes  ist 
zwischen  D.,  PL  und  V.  kein  Unterschied  zu  bemerken.  —  Vorzüglich 
geeignet  sind  die  Lampyris-?$  auch  zum  Beobachten  der  Mosaik- 
felder. Allerdings  ist  hier  zwischen  vorderen,  hinteren,  äusseren 
und  inneren  Mos.  nicht  mehr  gut  zu  unterscheiden,  denn  die  Zahl 
der  Mos.  ist  eine  recht  bedeutende,  wobei  fast  alle  rundlich  sind. 
Besonders  an  den  D.  kann  man  die  Mos.  schon  mit  unbewaffnetem 
Auge  und  bei  durchfallendem  Lichte  erkennen  als  zerstreute,  aber  doc 
vorwiegend  symmetrisch  gelagerte  Fleckchen. 

Auf  jeder  Hälfte  der  D.  fällt  besonders  ein  rundes  Mos.  auf, 
welches  in  der  Mitte  zwischen  Mediane  und  Seitenrand  nicht  weit 
hinter  dem  Vorderrande  liegt,  bemerkbar  auf  der  1. — 7.  D.  (Im 
Gegensatz  zu  den  bisherigen  Gatt,  ist  hier  nämlich  auch  die  1.  D. 
reichlich  mit  Mos,  bedacht 2),  15 — 20  Mos.  liegen  ausser  dem  ge- 
nannten, grossen  und  runden  Felde  noch  auf  jeder  der  7  ersten  D. 
Ein  queres  Mos.  liegt  auch  am  Vorderrande  jeder  Hälfte  der 
1.^ — 5.  D.,  an  der  6.  und  7.  D.  nur  noch  in  Spuren  vorhanden.  Die 
auf  den  D.  zerstreuten  Mos.  liegen  etwas  grubig  vertieft  und  in 
ihijem  Bereich  finden  sich  weder  Tastborsten  noch  Haut.  Auch  auf  der 
1. — -4.  PI.  liegen  zerstreut  rundliche  Mos.;  auf  der  5.  PI.  nur  noch 
wenige;  auf  den  6.  und  7.  PI.  fehlen  sie  auch  nicht,  sind  aber  sehr 
blass  und  undeutlich.  Auf  den  V.  findet  sich  nur  1  Paar  blasser 
Mos.  am  Vorderrande;  über  die  Platten  zerstreut  giebt  es  dort  keine. 
Am  Hinterrande  der  D.  des  2. — 7.  S.  finden  sich  Drüsenporen  nur 
vereinzelt,  am  Hinterrande  der  PI.  schon  mehr,  am  zahlreichsten 
aber  am  Hinterrande  der  V.  und  auch  hier  bevorzugen  sie  die  Basen 
der  Tastborsten.  An  der  8.  D.  fehlen  die  Mos.,  aber  Drüsenporen 
an  der  Basis  der  Tastborsten  sind,  besonders  am  Hinterrande  der 
Platte,  sehr  zahlreich.  Dasselbe  gilt  für  die  8  V.,  wo  ebenfalls  die 
Mos.  fehlen. 

Auf  der  9.  D.  und  V.  kommen  auch  hier  keine  Mos.  vor,  auch 
Haut,  fehlen  vollständig.  Letztere  kommen  am  8.  S.  zwar  noch 
reichlich  vor,  sind  aber  schon  viel  spärlicher  vertreten  als  am  L — 7.  S. 

Es  sind  mancherlei  Differenzen,  welche  wir  hier,  gegenüber 
den  Weibchen  anderer,  geflügelter  Malacodermen  antreffen,  und  z.  T. 
dürfen  wir  sie  als  Veränderungen  betrachten,  welche  secundär,  in 
Folge    des    Verlustes    von    Elythren  und  Alae    eintraten.      So    die 


^)  Haut.  =  Häutungshaare. 

2)  Dieselben  kommen  auch  auf  den  Thorakalsegm.  vor. 


d.mäimlichen  u.  weiblichen  Lampyi-iden,  Canthariden  xt.  Malachiiden.     147 

gleichartige  Beborstimg  von  V.  und  D.,  so  auch  die  Vertiefung  der 
Mos.  —  Auf  die  Frage,  ob  die  Ausbildung  der  PL,  welche  ja  auch 
die  Larven  besitzen,  hier  beim  $  eine  primäre  oder  secundäre  Er- 
scheinung ist,  antworte  ich  deshalb,  es  ist  eine  primäre,  weil  die 
Larve  auch  im  Uebrigen  sehr, primäre,  einfache  Merkmale  aufweist, 
so  z.  B.  eine  typische  1.  V. 

Pleuren  finden  sich  im  Allgemeinen  aber  überhaupt  mehr  bei 
niederen  als  höheren  Tracheaten-Typen.  — 

Luciola. 

^  lusitanica.  Die  3.,  4.  und  5.  V.  sind  dunkelbraun,  die 
2. — 6.  D.  hellbraun  pigmentirt,  die  L  D.  noch  heller.  Die  6.  und 
7.  V.  und  die  7.  und  8.  D.  erscheinen  hellgelblich,  ebenso  die  vom 
9.  und  10.  S.  erhaltenen  Theile.  Die  2.  V.  ist  seitlich  hellbraun,  in 
der  Mitte  glasig,  vorne  ausgebuchtet,  im  Uebrigen  fast  so  gross  als 
die  folgenden  V.,  welche  ebenso  wie  die  vorderen  und  mittleren  D. 
quer,  viereckig  sind,  2- — 3  mal  breiter  als  lang.  Die  7.  V.  ist  am 
Hinterrande  fast  halbkreisförmig  abgerundet,  (cf.  Lampyris)  die  7.  D. 
quer,  4  eckig.  Die  8  V.  fehlt,  ein  seltener  Fall.  (Sie  war  bei 
Lampyris  schon  zart,  aber  noch  ziemlich  gross.)  Der  Vorderrand 
der  8.  D.  ist  breit  ausgebuchtet,  auch  tief,  sodass  die  Vorderecken 
fortsatzartig  vortreten.  Der  Hinterrand  ist  ziemlich  gerade,  die 
Seiten  gerundet.  Die  9.  V.  ist  in  ihrem  Plattentheil  auch  ver- 
schwunden, der  Bogen  aber  ist  vorhanden  (Fig.  20)  und  legt 
sich  mit  seinen  Hinterenden  an  die  Processus  ^j  der  9.  D.,  ohne 
aber  mit  ihnen  zu  verschmelzen^).  Er  ist  nur  am  Vorderrande 
etwas  verdickt  und  verbreitert  (cf.  Homalisus,).  Die  9.  D.,  deren 
Processus  in  der  Form  an  diejenigen  von  Eros  erinnern,  ist  im 
Plattentheil  sehr  zart,  hell  und  seitlich  fast  borstenlos;  in  der  Mitte 
beborstet.  Die  kleine,  aber  doch  sehr  deutliche  10.  D.  ist  nach 
hinten  verschmälert  und  abgerundet,  reichlich  mit  Tastborsten  be- 
setzt; auch  einige  Drüsenporen  kommen  vor.  Häutungshaare, 
welche  der  9.  und  10.  D.  fehlen,  stehen  aber  reichUch  in  der  Anus- 
gegend. —  Die  1.  und  10.  V.  fehlen.  — 

Pleurenplatten  finden  sich  am  2.-7.  S.,  aber  es  sind  falsche 
Pleuren.  (Am  8.  S.  fehlen  sie.)  Sie  werden  nur  durch  den  scharfen 
Seitenrand  gegen  die  V.  abgesetzt,  durch  Pleurenhaut  von  den  D. 
getrennt.  Zwischen  PI.  und  V.  liegt  keine  Pleurenhaut.  Die  PI. 
sind  3 — 4  mal  so  lang  als  breit  und  reichlich  mit  Tastborsten  be- 
setzt.    Am   7.  S.   sind  sie  nicht  getrennt,   sondern  vereinigen   sich 


^  Man  denke  sich  die  9.  V.  mit  ihrem  Bogen  in  Fig.  23,  soweit  sie  hinter 
dem  Punkt  x  liegt,  weggefallen  und  die  Processus  fi  selbständig,  so  hat  man 
den  Sachverhalt  bei  Luciola. 

2)  Denkt  man  sich  die  Bogeuenden  mit  den  Enden  der  Processus  ver- 
schmolzen, so  erhält  man  einen  Kreisbogen,  wie  ich  ihn  für  das  9.  S.  von 
Carabiciden,  Cicindeliden  und  Dytisciden  nachwies. 

10* 


148       Dj"-  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

am  Hinterrande,  aber  ohne  Naht,  sodass  sie  zusammen  einen  breit 
umgeschlagenen  Rand  der  7.  Y.  darstellen,  welcher  nur  am  Vorder- 
rande fehlt.  Die  Stigmen  des  2. — 7.  S.  liegen  in  den  PL,  am 
oberen  Rande,  ungefähr  in  der  Mitte.  Das  St.  des  1.  S.  ist  grösser 
als  die  folgenden  und  hegt  in  der  Pleurenhaut.  Am  8.  S.  fehlen 
die  St.  Mosaikfelder  sind  auf  den  D.  fast  verschwunden.  Nur  an 
der  2.  und  3.  D.  finden  sich  am  Vorderrande  einige  schwache, 
blasse  Felder.  Auf  der  Bauchseite  trifft  man  nur  am  Vorderrande 
der  3.,  4.  imd  5.  V.  2  Paare  blasser  Mos. 

Die  V.  sind  übrigens  zwar  reichlich  mit  mittellangen,  ziemhch 
dünnen  Tastborsten  besetzt,  entbehren  aber  vollkommen  der  Haut. 
(Nur  an  den  2.  und  3.  PI.  treten  einige  auf.)  Anders  die  D.:  Die 
1.  D.  besitzt  reichlich  Haut,  aber  auch  schon  viele  Tastborsten, 
besonders  in  der  hinteren  Hälfte.  Auf  den  weiter  folgenden  D. 
nehmen  die  Tastborsten  zu,  die  Haut.  ab.  So  stehen  letztere  noch 
reichlich  auf  der  vorderen  Hälfte  der  3.,  4.,  5.  D.  Auf  den  hinteren 
Hälften  derselben  sind  sie  fast  verschwunden.  Auf  den  übrigen 
D.  stehen  Haut,  nur  noch  ganz  vereinzelt,  aber  auf  der  8.  D. 
wieder  reichlicher,  Tastborsten  stehen  auf  allen  diesen  Platten 
reichlich.  Am  Hinterrande  der  6.  und  7.  D.  steht  ein  dichter 
Saum  von  Haut.,  welche  hier  aber  offenbar  auch  zum  Schutz  der 
Zwischenhäute  dienen,  wie  man  das  ja  an  zahlreichen  Gelenken  des 
Insektenkörpers  beobachten  kann.  Die  6.  und  7.  V.  bilden,  wie 
auch  bei  Lampyris,  die  Fensterplatten. 

Sehr  hell  sind  die  Copulationsorgane,  nur  in  ihren  dickeren 
Partieen  bernsteingelblich. 

Die  Ba.  besteht  aus  2  gebogenen,-  schmalen  Spangen,  deren 
eine  in  Fig.  18  dargestellt.  Sie  berühren  sich  in  der  Mediane,  ver- 
wachsen daselbst  aber  nicht.  Die  mehr  dorsal  vom  P.  gelegenen 
Pa.  sind  in  der  Mediane  vorne  auf  kurzer  Strecke  verwachsen  und 
daselbst  auch  verdickt,  scheinen  aber  doch  einer  gewissen  Aus- 
einanderbewegung fähig  zu  sein.  Gegen  das  Ende  verschmälern 
sich  die  Pa.  nur  wenig  und  sind  dort  abgerundet.  In  ihnen  stehen 
auf  der  Unterfläche  zerstreute  Sinnesgruben,  an  der  Oberfläche  zer- 
streute Drüsenporen.  Unter  dem  Ende  springt  nach  innen  ein 
rundlicher,  auch  nach  vorne  weit  ablaufender  und  am  Innenrande 
mit  6^)  kräftigen  Tastborsten  besetzter  Lappen  vor,  über  dessen 
Fläche  zerstreut  zahlreiche  Sinnesporen  liegen.  An  der  Aussenseite 
des  Grundes ,  da  wo  die  Ba.  sich  anheften ,  sind  die  Pa.  verdickt 
und  vom  Ende  dieser  Verdickung  läuft,  in  einem  spitzen  W'^inkel 
zu  derselben,  schräg  nach  innen  und  vorne,  ein  am  Ende  zugespitzter 
Fortsatz  ab  (h),  an  welchen  sich  offenbar  Bewegemuskeln  der  Pa. 
anheften.  ■ —  Der  P.,  (dessen  Endhälfte  in  Fig.  17  zu  sehen,)  schliesst 
sich  an  den  Typus  der  bisher  besprochenen  Gatt,  an,  mdem  er 
einen  fingerartigen,  vom  d.  ej.  nicht  durchsetzten  Endtheil  aufweist, 
der  hinten  ziemlich  abgerundet  ist.    Die  Mündung  des  d.  ej.  liegt  also 


1)  Bei  3  untersuchten  ^^  constant. 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Lanipyi'iden,  Canthariden  u.  Malacliiiden.     149 

weit  vor  dem  P.-Endo  und  der  P.  selbst  zu  den  Pa.  mehr  ventral. 
Die  Pa.  sind  symmetrisch.  Dagegen  ist  der  P.  unverkennbar  etwas 
asymmetrisch  und  das  gilt  auch  für  die  vorne  abgerundeten 
P. -Schenkel  (f).  Von  letzteren  gehen  nach  innen  zwei  kleine,  finger- 
förmige Fortsätze  ab,  welche  ihre  Enden  über  einander  stellen  (z). 
Im  Endteil  des  P.  sieht  man  zahlreiche  Drüsenporen.  Ob  ein  Praep. 
existirt,  kann  ich  nicht  sicher  constatiren,  jedenfalls  ist  von  Stachel- 
oder Zähnchenarmatur  nichts  vorhanden.  —  Das  $  besitze  ich  nicht. 

Phosphaenus. 

(^  hemipterus.  Die  Platten  der  7  ersten  S.  sind  braun,  die 
des  8.  und  9.  S.  gelblich,  D.  und  V.  gleich  stark  pigmentirt.  Da 
bei  dieser  Form  die  Flügel  und  die  Decken  rudimentär  sind  und 
dabei  wieder  Andeutungen  zu  Zweitheilung  der  D.  vorhanden,  so 
liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  letztere  eine  Folge  der  ersteren  Ver- 
hältnisse sind.  Die  D.  sind  aber  in  der  Mediane  nicht  vollständig 
getheilt,  sondern  es  geht  nur  ein  kurzer  Einschnitt,  am  Vorder-  und 
am  Hinterrande  in  die  Platte  hinein.  So  auf  der  2. — 8.  D.,  nicht 
auf  der  I.D.  Die  2.  D.  ist  3  mal,  die  7.  2  mal  breiter  als  lang, 
die  8.  D.  nur  wenig  breiter  als  lang.  Die  Vorderecken  der  2. — 7.  D. 
erscheinen  abgerundet,  die  Hinterecken  etwas  zugespitzt.  Die  8.  D. 
ist  am  Hinterrande  flach  ausgebuchtet,  in  der  Mitte  eingeschnitten. 
Die  V.  haben  eine  auffallend  bedeutendere  Breite  als  die  D.,  sind 
dabei  aber  noch  kürzer  und  daher  vielmal  breiter  als  lang,  am 
Vorderrande  concav,  am  Hinterrande  convex.  Die  2.  V.  ist  w^ohl- 
ausgebildet  und  den  folgenden  V.  sehr  ähnlich.  Die  7.  V.  ist  nur 
noch  4  mal  breiter  als  lang,  die  8.  V.  2V2  i^i^l.  Diese  S.V.  hat 
am  Hinterrande  eine  breite  Ausbuchtung,  springt  in  der  Mitte  der 
Ausbuchtung  selbst  aber  wieder  etwas  vor.  An  der  9.  V.  können 
wir  einen  Plattentheil  unterscheiden,  der  reichlich  beborstet,  am 
Hinterrande  abgerimdet  und  in  der  Mitte  etwas  ausgeschnitten  ist 
und  einem  zusammengedrängten  Bogen,  ähnlich  dem  von 
Lygist.  Dieser  Bogen  ist  aber  recht  asymmetrisch,  denn  seine 
Spangen  laufen  an  beiden  Seiten  verschieden  weit  in  die  Platte 
hinein  und  diese  selbst  ist  vorne  asymmetrisch.  Eine  deutliche, 
differencirte  Duplicaturplatte  fehlt.  Die  9.  D.  erinnert  sehr  an 
diejenige  von  Lampyris  (Fig.  8)  in  Bezug  auf  Form  und  den  Umstand, 
dass  sie  mit  der  10.  D.  verwachsen  ist.  Während  aber  bei  Lampyris 
die  10.  D.  noch  deutlich  gegen  die  9.  D.  abgesetzt  w^ar,  ist  hier  von 
einer  solchen  Absetzung  kaum  noch  eine  Spur  zu  sehen.  Die  beiden 
Platten  sind  (wie  auch  bei  Lampyris),  mit  nur  sehr  vereinzelten 
Börsten  und  Drüsenporen  besetzt,  auch  das  helle  Fenster  in  der 
Mitte  der  9.  D  ist  wieder  vorhanden,  aber  noch  grösser  als  bei 
Lampyris.  Die  10  D.  ist  also  fast  zum  Schwunde  gebracht.  Die 
1.  und   10.  V.  fehlen. 

Pleurenplatten  fehlen  vollständig,  auch  sehe  ich  keine  An- 
deutungen zu  falschen  Pleuren. 


150      -Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Die  Stigmen  liegen  durchaus  in  den  V.  und  zwar  noch  eine 
kleine  Strecke  vom  Seitenrande  entfernt.  Sie  sind  ziemlich  gross 
und  in  genannter  Lage  am  2. — 8.  S.  anzutreffen.  Die  St.  des  8.  S. 
sind  etwas  kleiner  als  die  übrigen.  (Ueber  das  St.  des  1.  S.  kann 
ich  aus  Mangel  an  weiterem  üntersuchungsmaterial  keine  sichere 
Mittheilung  machen.)  — 

D.  und  V.  des  2. — 8.  S.  und  die  1.  D.  sind  mit  Tastborsten 
und  Häutungshaaren  reichlich  besetzt.  Die  Haut,  werden  nur  auf 
der  Mitte  der  7.  und  8.  D.  spärlicher.  (Die  Haut  der  Nymphe  soll 
eben  besonders  an  den  vorderen  S.  gelockert  werden.)  Von  den 
dünnen  Haut,  der  Platten  unterscheiden  sich  auffallend  die  Haut, 
der  Pleuren-  und  Zwischenhäute.  Diese  erweitern  sich  nämlich  an 
ihrer  Basis  sehr  stark  und  erscheinen  daher  von  oben  wie  runde 
Knötchen,  wobei  man  die  Haarspitze  kaum  wahrnimmt.  Viele  sind 
aber  auch  wirklich  sehr  stumpf  oder  ganz  abgerundet.  —  Mosaik- 
felder fehlen  der  1.  D.  An  dem  Vorderrande  der  2. — 6.  D.  stehen 
2  Paare  querer,  blasser  Mos.,  welche  an  der  7.  D.  kaum  mehr 
wahrnehmbar  sind  und  an  der  8.  D.  ganz  fehlen.  Auf  jeder  Hälfte 
der  2. — 7.  D.  finden  sich  ausserdem  zahlreiche  kleine,  aus  nur 
wenigen  Zellen  bestehende  Feldchen  zerstreut,  welche  auf  den 
vorderen  Platten  deutlich,  auf  der  7.  D.  verwischt  sind.  Auf  der 
8.  D.  ist  fast  nichts  mehr  von  ihnen  zu  sehen.  Auf  den  V.  sind 
nur  sehr  schwache  Spuren  von  Mos.  zu  sehen,  am  Vorderrande  und 
auch  in  der  Platte  selbst  seitlich. 

Dorsaldrüsen  und  Drüsenporenplatten  fehlen. 

Die  Copulationsorgane  weichen  in  einigen  Punkten  nicht 
unerheblich  von  den  bisher  betrachteten  ab.  Da  ich  jedoch  nur 
1  Ex.  1)  zur  Untersuchung  besitze,  kann  ich  keine  sehr  eingehende 
Beschreibung  liefern.  Der  P.  ist  sehr  schwach  entwickelt,  wenig 
skelettirt,  fast  häutig  zu  nennen.  Ein  kleiner  Praep.  ist  vorhanden, 
aber  seine  Armatur  ist  schwach,  die  Zähnchen  kaum  als  solche  zu 
bezeichnen,  jedenfalls  schwächer  als  Haut.  In  der  häutigen  Wand 
sind  wenige  Drüsenporen  zu  bemerken.  Die  Pa.,  deren  Gestalt  man 
aus  Fig.  22  ersehen  mag,  sind  an  der  Basis  an  einander  gewachsen 
und  wie  der  ganze  Cop.-App.  blass  horngelblich.  Von  der  Ver- 
wachsungsstelle aus  entspringen  2  auffallende,  am  Ende  zugespitzte 
Fortsätze  b,  zwischen  denen  ein  Läppchen  steht.  Ueber  der  Basis 
dieser  Teile  wölbt  sich  noch  ein  ziemlich  breiter,  wieder  in  sich 
zurücklaufender  Bogen,  den  die  Fig.  nicht  zeigt.  Die  Ba.,  deren 
Ansatz  an  die  Pa.  ich  nicht  genau  kenne,  ist  viereckig.  Die  Ecken 
sind  stark  abgerundet.  Sie  erscheint  wie  ein  in  sich  abgeschlossenes 
Band  oder  ein  Ring.  Die  Pa.  werden  durchsetzt  von  zahlreichen 
Drüsenporen,  aber  auch  einigen  Sinnesporen.  — 

Das  ?  besitze  ich  nicht.  — 


^)    Gefangen  am  Rande    eines   Tümpels  der   Ippendorfer  Höhe  bei  Bonn, 
22.  VI.  92,  auf  dem  Wasser  schwimmend,  bei  hellem  Tage. 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     151 

Drilus. 

S  flavescens.  Alle  Segmentplatten  sind  braun  pigmentirt, 
Die  D.  etwas  heller  als  die  Y.  Letztere  sind  viel  breiter  als  die  D. 
An  der  2.,  3.,  4.  und  5.  D.  bemerkt  man  einen  schmalen,  am  Vorder- 
rande gelegenen,  recht  dunkeln  Plattenstreifen,  welcher  von  der 
jedesmal  zugehörigen,  dahinterliegenden  D.  durch  einen  hellen 
Zwischenstreifen  getrennt  ist.  Auch  ist  an  der  2.  und  3.  D.  eine 
deutliche  Trennungs falte  zwischen  diesem  Streifen  und  der  übrigen 
Platte  sichtbar  und  diese  Streifen  sind  auch  nach  vorne  durch  eine 
Falte  gegen  die  Zwischenhaut  abgesetzt.  An  der  4.  D.  ist  vorne 
der  Zwischenstreifen  nur  zu  Seiten  der  Mitte  durch  eine  Naht 
markirt,  im  Uebrigen  mit  der  4.  D.  verschmolzen. 

An  der  5.  D.  finden  sich  nur  noch  Andeutungen  einer  Trennung 
und  an  der  6.  D.  sieht  man  von  einem  Zwischenstreifen  nichts  mehr. 
Diese  Zwischenstreifen  dürfen  als  Reste  von  Complementär- 
segmenten  angesehen  werden,  (cf.  Myriopoda.)  An  den  meisten  V. 
sind  nur  Andeutungen  derselben  in  den  dunkeln,  wulstig  verdickten 
Vorderrändern  der  3. — 7.  V.  sichtbar.  Dagegen  lagern  vor  der 
gut  ausgebildeten,  aber  2-theiligen  2.  V.  zwei  durch  eine  Falte  von 
ihr  getrennte,  dunkle  Plättchen,  welche  den  Rest  der  V.  des 
Complementärsegments  des  2.  S.  vorstellen.  Uebrigens  kann  man 
bei  durchfallendem  Lichte  die  geschilderten  Complementärsegment- 
rudimente  mit  unbewaffnetem  Auge  schon  erkennen.  Die  8.  V.  ist 
noch  3  mal  breiter  als  lang,  am  Hinterrande  fast  gerade,  in  der 
Mitte  eingebuchtet.  Die  8.  D.  ist  stark  doppelt  so  breit  als  lang, 
hinten  etwas  convex,  vorne  etwas  concav.  Der  8.  steht  die  9.  D. 
an  Grösse  nicht  viel  nach.  Sie  ist  ungetheilt,  doppelt  so  breit  als 
lang,  vorn  gerade,  hinten  in  der  Mitte  flach  ausgebuchtet.  Die 
Seiten  laufen  nach  der  Bauchseite  als  3  eckige,  am  Ende  spitze 
Zipfel  herab,  verlängern  sich  aber  noch  nicht  in  Processus.  Nur 
ein  heller  Hautstreifen  läuft  zur  9.  V.  Auf  der  9.  D.  stehen  zerstreut 
wenige  Poren  und  Tastborsten,  jederseits  eine  Anzahl  recht  langer 
Borsten.  Die  gut  ausgebildete  10.  D.  ist  Vs  so  breit  aber  noch 
etwas  länger  als  die  9.  D.,  verschmälert  sich  nach  hinten  allmähig 
und  ist  am  Ende  abgestutzt.  Der  Vorderrand  hat  eine  tiefe  Aus- 
buchtung, sodass  die  Vorderecken  als  3  eckige  Zipfel  vorspringen, 
unter  der  9.  D.  lagernd.  Die  Oberfläche  ist  mit  Tastborsten  besetzt, 
alle  Ränder  sehr  reichlich  mit  ziemlich  langen  Haut.  Unter  der 
10.  D.  bemerkte  ich  noch  eine  plattenartig  gestellte  Haut,  welche 
aber  keine  Borsten  trägt.  Von  einer  wirklichen  10.  V.  kann  nicht 
die  Rede  sein.  —  Die  9.  V.  hat  einen  auffallend  einfachen  Bau. 
Sie  ist  nämlich  fast  rund,  höchstens  Va  länger  als  breit,  hinten  ab- 
gerundet und  vorne  wenig  vorspringend.  Die  ganze  Platte  ist  als 
solche  pigmentirt  imd  chitinisirt.  Ein  Bogen  fehlt,  denn  die  seitlichen 
Spangen  eines  solchen  sind  noch  nicht  einmal  in  Andeutungen  vor- 
handen. Die  Platte  ist  zerstreut  beborstet  und  springt  oben  nach 
vorne  in  einer  gelblichen,  aber  nicht  besonders  abgesetzten  Dupli- 
catur  vor. 


152      Dr-  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Pleurenplatten  fehlen  vollständig. 

Die  Stigmen  liegen  am  1. — 8.  S.  in  der  Pleurenhaut.  Das  1. 
ist  doppelt  so  gross  als  die  folgenden.  Die  2. — 8.  (aiicli  9.)  V.  sind 
reichlich  mit  langen  Tastborsten  besetzt,  entbehren  aber  völlig 
der  Haut.  Ebenso  fehlen  sie  total  den  Zwischensegmenthäuten, 
auch  da  wo  diese  die  Pleurenhäute  kreuzen,  während  letztere  im 
Uebrigen  reichlich  mit  Haut,  besetzt  sind.  Den  D.  dagegen  fehlen 
die  langen  Tastborsten  vollständig,  (ausgenommen  die  9.  D.)  nur 
sehr  kurze  Tastborsten  stehen  auf  ihnen  zerstreut.  Haut,  sind  da- 
gegen an  der  1. — 8.  D.  in  grosser  Dichtigkeit  vorhanden  und  zwar 
besonders  auf  den  hinteren  Hälften  der  D.  Besonders  dicht  ist 
damit  die  8.  D.  besetzt.  —  Auf  den  Resten  der  Complementärsegm. 
stehen  weder  Haut,  noch  Borsten.  Mos.  stehen  sowohl  auf  den  D. 
wie  V.  nur  in  einem  recht  blassen  Paare  am  Vorderrande,  in  der 
Nähe  der  Seitenecken.  Auf  den  vorderen  D.  (excl.  1.  D.)  stehen 
sie  auf  den  Seiten  der  Complementärsegmentstreifen.  Die  1.  V. 
fehlt.     Dorsaldrüsen  imd  Drüsenporenplatten  fehlen. 

Die  Copul.-Org.  (Fig.  21)  sind  relativ  einfach. 

Der  äussere  Umriss  der  Ba.,  die  ich  weder  als  dorsal  noch 
ventral  bezeichnen  kann,  erscheint  ungefähr  als  ein  Halbkreis,  doch 
treten  die  Ecken  schwach  vor.  Innen  und  nach  hinten  zu  ist  die 
Ba.  fast  in  rechtem  Winkel  tief  ausgeschnitten,  sodass  jederseits  ein 
nach  hinten  vorspringender  Lappen  gebildet  wird,  mit  dem  sie  sich 
an  die  Pa.  anheftet.  Die  Pa.  selbst  sind  kurz,  wenig  länger  als 
breit  und  am  Ende  zugerundet.  Daselbst  stehen  eine  Anzahl  zer- 
streuter Tastborsten.  Die  Pa.  liegen  auch  hier  mehr  dorsal  vom 
P.  und  verschmelzen  in  der  Mediane  durch  eine  rundliche  An- 
schwellung dorsalwärts  mit  einander.  Der  P.  ist  ebenfalls  kurz, 
ragt  aber  über  die  Pa.  hinaus.  Am  Ende  ist  er  abgerundet  und  mit 
Sinnesporen,  weiter  vorne  mit  Drüsenporen  versehen.  Der  d.  ej. 
mündet  auch  hier  vor  dem  Ende  des  P.  und  endet  ventralwärts  in 
einem  faltigen  Praep.,  in  welchem  ich  übrigens  keine  Bezahnung 
bemerken  kann.  Der  P.  schwillt  nach  vorne  bulbusartig  an  und  heftet 
sich  mit  kurzen,  abgerundeten  Schenkeln  an  die  Pa.  — 

Ein  $  hat  mir  nicht  vorgelegen.  — 


Canthar 


IS. 


(^  rustica.  D.  und  V.  sind  ziemlich  gleich  stark  chitinisirt, 
horngelb.  Auf  den  vorderen  S.  sind  ausgedehnte  Strecken  braun- 
schwarz pigmentirt. 

Die  1.  und  10.  V.  fehlen. 

Die  2.  V.  ist  gut  ausgebildet,  so  gross  wie  die  folgenden,  vorne 
flach  ausgebuchtet.  Die  2. — 6.  V.  sind  4  mal,  die  7.  V.  3  mal 
breiter  als  lang. 

Die  D.  kommen  den  entsprechenden  V.  an  Grösse  ziemhch 
gleich.  Die  1.  D.  ist  ebenso  breit  und  auch  fast  so  lang  wie  die 
2.  D.     Vor  der  2.  und   3.  D.   befindet  sich  ein  deuthcher  Comple- 


d.  männlichen  n.  weiblichen  Lamiiyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     153 

mentärstreifen  (ähnlich  wie  bei  DriUis).     Vor  der  2.  V.  ist  eine  An- 
deutung davon  vorhanden. 

Am  2. — 8.  S.  schieben  sich  zwischen  die  D.  und  V.  echte 
Pleuren  ein,  welche  also  von  beiden  durch  Pleurenhaut  gut  ab- 
gesetzt sind.  Am  1.  S.  fehlen  die  PI.  Sie  sind  doppelt  so  lang 
als  breit,  am  7.  S.  noch  länger  und  am  8.  S.  sehr  schmal. 

Die  8.  D.  ist  am  bemahe  geraden  Vorderrande  doppelt  so  breit 
als  lang,  am  Hinterrande,  welcher  auch  fast  gerade  ist,  viel  schmäler, 
sodass  sie  Trapezform  aufweist.  Kleiner  und  auch  zarter  ist  die 
8.  V.,  deren  Hinterrand  breit  und  tief  ausgebuchtet  ist.  Ihre  Seiten 
convergiren  nach  hinten  weniger  als  die  der  8.  D.  Die  9.  D.,  welche 
nur  die  halbe  Breite  der  8.  erreicht,  ist  IV2  mal  breiter  als  lang. 
Die  Seiten  springe»  in  der  Mitte  etwas  vor,  der  Hinterrand  ist  gerade, 
in  der  Mitte  aber  etwas  ausgeschnitten.  Von  den  Seiten  her  biegt 
sich  die  Platte  etwas  nach  unten  herab,  eine  Art  falscher  Pleuren 
bildend  und  entsendet  von  den  Vorderecken  Processus,  welche  so 
stark  ausgebildet  sind,  dass  sie  sich  nach  einer  anfänglichen  Aus- 
wärtsbiegung schliesslich  wieder  nähern  und  mit  den  Enden  fast 
berühren.  Letztere  verbinden  sich  durch  Haut.  So  ist  ein  dorsaler 
Bogen  entstanden.  Die  mittlere  Oberfläche  der  Ü.D.ist  borstenlos,  aber 
es  münden  dort  zahlreiche  Hautdrüsen,  deren  Poren  meist  zu  2 — 3 
beisammen  stehen.  Gegen  die  Ränder,  besonders  den  Hinterrand, 
findet  man  reichliche  und  z.  T.  auch  lange  Beborstung  und  hier 
stehen  die  Drüsenporen  mit  VorHebe  an  der  Basis  der  Tastborsten. 
Haut,  fehlen  der  9.  D.  Ganz  unter  ihr  versteckt  sitzt  die  10.  D., 
wrelche  nur  halb  so  breit  ist  als  sie,  aber  auch  mit  Tastborsten  und 
Drüsenporen  besetzt.  Schön  hell  bernsteingelb  ist  die  längliche  9.  V. 
Ihr  Plattentheil  ist  mehr  als  doppelt  so  lang  als  breit,  nach  hinten 
verschmälert  und  am  Ende  ausgebuchtet.  In  der  hinteren  Hälfte 
stehen  viele  Tastborsten  und  Drüsenporen.  Eme  besondere  DupH- 
caturplatte  ist  nicht  ausgebildet,  dagegen  ein  deutlicher  Bogen  vor- 
handen, dessen  Spangen  knapp  halb  so  lang  sind  als  die  Platte. 
Am  Ende  verwachsen  auch  diese  Spangen  nicht  (Fig.  85),  sondern 
klaffen  und  verbinden  sich  häutig.  Die  Enden  der  Spangen 
dieses  ventralen  Bogens  heften  sich  durch  Bindehaut  an 
die  Enden  der  Spangen  des  dorsalen  Bogens. 

Die  Stigmen  sind  in  8  Paaren  vorhanden,  am  1. — 8.  S.  Sie 
hegen  in  den  PI.  und  zwar  am  oberen  Rande  derselben,  nicht  weit 
von  dem  Vorderrande  entfernt.  Nur  am  1.  S.  Hegen  die  St.  welche 
im  Durchmesser  5 — 6  mal  so  gross  sind  als  die  übrigen,  in  der 
Pleuren-Haut.  — 

In  derl.— 8.D.  bemerkt  man  innerhalb  der  Platten  eigenthümhche 
runde  Oeffnungen,  welche  auf  den  ersten  BHck  an  Stigmen  erinnern, 
in  paarweiser  Anordnung.  Sie  liegen  weit  auseinandei-,  mehr  als 
V2  mm  vom  Seitenrande  entfernt,  dem  Hmterrande  näher  als  dem 
Vorderrande.  An  der  8.  D.  stehen  sie  dem  Seitenrande  noch  etwas 
näher.  Mit  der  Lupe  bei  durchfallendem  Lichte  betrachtet  erscheinen 
sie  meist  als  ein  weisser,   von  schwarzem  Ringe  umgebener  Fleck. 


154      Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Unter  stärkerer  mikr.  Vergr.  sieht  man,  dass  es  sich  um  einen  die 
Platte  durchsetzenden,  kurzen  Kanal  handelt,  dessen  Ringwandung 
als  ein  brauner  oder  gelblichbrauner  Kreis  erscheint.  Im  Innern 
bemerkt  man  ein  Gewirr  von  äusserst  winzigen  Härchen,  welche 
radiär  nach  der  Mitte  verlaufen  (Fig.  55). 

Da  ich  die  St.  bereits  nachgewiesen  habe  und  an  einem  S.  nie 
mehr  als  1  Paar  St.  vorkommen,  da  ferner  auch  keine  Tracheen 
an  diese  Oeffnungen  herangehen,  so  ist  es  klar,  dass  wir  es  hier 
mit  den  Mündungen  von  paarweise  angeordneten  Drüsen  zu  thun 
haben,  welche  aber  keine  einzellige  oder  zweizeilige  Hautdrüsen 
sind,  sondern  vielzellige  Complexdrüsen.  Dafür  spricht  evident  die 
Grösse  der  Oeffnungen.  Es  kann  sich  ja  auch  nicht  um  Sinnes- 
apparate handeln,  denn  die  Oeffnungen  sind  nicht  verschlossen  und 
überhaupt  für  etwas  derartiges  zu  gross.  Auch  liegen  sie  für  Sinnes- 
apparate viel  zu  sehr  versteckt. 

Ich  habe  mich  nun  aber  auch  an  Alkoholmaterial  überzeugt, 
dass  es  sich  thatsächlich  um  Drüsen  und  Drüsenöffnungen  handelt. 
Die  Drüsen  selbst  sitzen  unter  den  Platten  als  rundliche  BäUchen, 
deren  eines  unter  jedem  Porus.  Ein  solches  ist  gelblichweiss  und 
z.  B.  an  der  8.  D.  ungefähr  V2  ^^  an  Durchmesser.  Die  Zahl 
der  einzelnen  Zeilen  ist  ausserordentlich  gross  und  nicht  annähernd 
anzugeben.  Es  scheint,  dass  die  einzelnen  Zellen  sich  zu  Schläuchen 
vereinigen  und  die  ganze  Drüse  somit  eine  ramöse  oder  verästelte 
ist.  1)  Merkwürdigerweise  sind  diese  interessanten  Drüsen  bisher 
unbekannt  geblieben.  Meines  Wissens  kannte  man  bisher  derartige 
Drüsen  bei  Coleopteren  überhaupt  nur  an  Larven,  so  z.  B.  von  Lina 
popuh,  nicht  aber  von  Imagines.  Es  kann  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, dass  diese  Drüsen,  welche  ich  ebenfalls  als  Rücken-  oder 
Dorsal drüsen  bezeichne,  den  entsprechenden  Organen  der  Hemip- 
tera-Gymnocerata  homolog  sind.  Während  man  dort  aber  nur  noch 
paarige  Ausführungsgänge  antrifft,  die  Drüsen  selbst  aber  unpaar 
sind,  haben  wir  es  hier  mit  paarweisen  Drüsen  sowohl  wie  Aus- 
führungsgängen zu  thun  und  zwar  sind  die  Drüsen  sehr  weit 
von  einander  entfernt,  wie  das  bei  den  Wehrdrüsen  der  Diplopoden 
der  Fall  ist.  Ausserdem  kommen  diese  Drüsen  von  Cantharis  nicht 
nur  (wie  bei  Hemipteren)  an  drei  S.  vor,  sondern  an  allen  Abd.  S. 
mit  Ausnahme  der  beiden  letzten. 

Das  sind  aber  2  sehr  wichtige  Punkte,  durch  welche  die  Dorsal- 
drüsen von  Cantharis  sich  als  ursprünglichere  dokumentiren  wie 
diejenigen  der  Hemipteren.  —  Ich  will  noch  bemerken,  dass  einige 
Muskelbündel  in  einer  Schleife  unter  jeder  Drüsenöffnung  herlaufen. 
Offenbar  bewirken  dieselben  einen  Druck  auf  die  Drüse,  wenn  sie 
sich  entleeren  soll.  —  Drüsenporenplatten  fehlen.  — 


^)   Genauere  Mittheilungen  behalte   ich  mir  für  eine  andere  Arbeit  vor. 
Es  genügt  hier  festzustellen,  dass  es  sich  thatsächlich  um  Drüsen  handelt. 


(1.  männlicben  u.  weiblichen  Lainpyiiden,  Cauthariden  u.  Malachiiden.     155 

Mosaikfelder  kommen  nur  als  2  Paare  von  schwacher  Aus- 
prägung auf  den  Complemontärstreifen  vor,  welche  letztere  übrigens 
auch  hier  weder  Borsten  noch  Haut,  tragen. 

Die  2. — 8.  V.  sind  reichlich  mit  kräftigen,  langen  Tastborsten 
und  auch  mit  Haut,  besetzt.  Dasselbe  gilt  für  die  PL,  doch  stehen 
bei  diesen  die  Borsten  mehr  in  der  unteren  Region.  Die  Pleuren- 
häute  sind  sehr  reichlich,  die  Zwischensegmenthäute  weniger  reichlich 
mit  Haut,  versehen.  An  letzteren  stehen  sie  besonders  auf  den 
den  Platten  zugekehrten  Säumen,  fehlen  aber  dazwischen.  Auf 
den  D.  stehen  reichlich  Haut,  und  zwar  stehen  sehr  oft  2 — 4  solcher 
feinen  Härchen  kammartig  bei  einander,  Sie  finden  sich  über  die  ganze 
1.  D.  Auf  der  2. — 5.  D.  stehen  sie  nur  in  der  Vorderregion,  werden 
auf  der  6.  D.  wieder  zahlreicher  und  dehnen  sich  auf  der  7.  wieder 
über  die  ganze  Platte  aus,  wobei  sie  im  hinteren  Drittel  sogar  ganz 
besonders  dicht  stehen.  Auf  allen  diesen  D.  finden  sich  auch 
zerstreute,  aber  kurze  Tastborsten,  sowie  sehr  zahlreiche,  zerstreute, 
oft  in  Gruppen  geordnete  und  auch  mit  Vorhebe  an  der  Basis  der 
Borsten  stehende  Hautdrüsenporen.  Die  8.  D.  ist,  ähnlich  den  V., 
besonders  an  den  Rändern,  reichlich  mit  kräftigen  und  längeren  Tast- 
borsten besetzt,  aber  auch  Poren  und  Haut,  fehlen  nicht. 

Die  Copulationsorgane  sind  sehr  compHcirt  gebaut  und 
weichen  von  denen  der  bisher  betrachteten  Gatt,  erheblich  ab. 

An  der  Ba.i)  (Fig.  72  und  73)  können  wir  3  besonders  wichtige 
Theile  unterscheiden: 

1.  Die  seitKchen  Platten, 

2.  Die  Querspange, 

3.  Die  Basalhöcker,  Processus  laminae  basaHs.  — 

Die  seitlichen  Platten,  welche  sich  mit  ihrem  Hinterrande  ver- 
mittelst einer  Chitinsehne  an  die  Paramerenkapsel  anheften,  werden 
durch  die  Querspange  mit  einander  verbunden  und  liegen  mehr 
dorsalwärts.  Jede  der  Seitenplatten  ist  ungefähr  doppelt  so  lang 
als  breit  und  chitingelb  wie  der  ganze  Cop.-App.  Die  Ba.  zeigt, 
wie  fast  immer,  weder  Tastborsten  noch  Haut.  Der  Basalhöcker 
ist  ein  doppelter  Vorsprung  am  Vorderrande  der  Querspange  und 
vermittelt  die  Anheftung  des  Cop.-App.,  denn  an  diesen  Basalhöcker-) 
legen  sich  die  vorderen  Enden  sowohl  des  dorsalen  wie  ventralen 
Bogens,  welche  beide  Ansatzknochen  für  die  Refraktoren  des 
Copulationsapp.  sind. 

Die  Pa.  bilden  zusammen  eine  Pa.-Kapsel,  denn  sie  befestigen 
sich  sowohl  dorsal-  als  ventralwärts  vom  P.  mit  einander.  Denken 
wir  uns  zunächst  den  P.  aus  dem  Pa.  herausgehoben  (Fig.  73),  so 
lassen  sich  als  auffallendste  Theile  der  Pa.-Kapsel  zwei  kräftige 
Arme  (Pa,  d.)  erkennen,  welche  am  Ende  nach  innen  hakenförmig 


^)   Dieselbe  wurde  1.  c.  vou  mii-   noch   nicht   als  solche   erkannt,   aber  in 
Fig.  43.  durch  die  Linien  x  bereits  aufgezeichnet. 

2)   Er  entspricht  den  Punkten  A  meiner  Fig.  42  1.  c. 


156       Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

umgebogen  sind.  Icli  nenne  sie  wegen  ihrer  zumeist  zu  beobach- 
tenden Form  die  Pa.-Finger.  Sie  sind  das  Hauptstück  der  Pa. 
und  der  m'sprüngliche  Bestand  jedes  Parameros.  — 

Von  hinten  nach  vorn  zu  verbreitern  sich  die  Pa.  und  bilden 
so  in  ihrem  Stammtheil  ein  Dreieck,  dessen  verlängerte  Spitze  eben 
der  Pa.-Finger  ist.  Die  vordere  Aussenecke  der  Pa.  verbindet  sich 
mit  der  Ba.,  und  zwar  tritt  sie  als  ein  Fortsatz  etwas  vor.  Hinter 
dieser  Ecke  erhebt  sich  dorsalwärts  eine  von  einem  Pa.  zum  andern 
laufende  Verbindungsbrücke  (d.  Ve.),  dieselbe  ist  seitlich  am 
breitesten  und  verschmälert  sich  nach  der  Mediane  zu.  In  der 
Mediane  selbst  findet  man  eine  faltige  Einknickung,  wodurch  die 
Verbindungsbrücke  in  2  gleiche  Hälften  geschieden  wird.  Jede 
dieser  Hälften  stellt  ein  längliches  Dreieck  dar,  dessen  Spitze  in 
der  Mediane  liegt  und  dessen  Basis  nach  aussen  gerichtet  ist.  Die 
faltige  Einknickung  lässt  erkennen,  dass  die  genannten  Dreiecke 
und  die  Pa.  überhaupt,  sich  um  diese  Knickung  drehen  können. 
Auf  den  Dreiecken  der  dorsalen  Verbindungsbrücke  finden  sich 
einige  Poren  und  feine  Borsten.  Auf  dem  Stammtheil  der  Pa.  sitzen 
übrigens  auch  Tastborsten  und  zwar  ziemlich  kräftige,  besonders 
an  der  Aussenseite.  Auch  zerstreute  Drüsenporen  sind  vorhanden. 
Die  Pa.-Finger  sind  mit  viel  feineren  Borsten  besetzt,  welche  in 
grossen  Sinnesgruben  eingelenkt  sind.  Die  inneren  Ecken  des 
grossen  Dreieckes  der  Pa.  -  Stammtheile  schliessen  in  der  Mediane 
ventralwärts  an  einander  imd  dadurch  erst  verbinden  sich  die 
Pa.  zu  einer  Kapsel.  Diese  inneren  Ecken  (b  Fig.  73)  spi'ingen 
nach  vorne  vor,  verbinden  sich  durch  Haut  mit  einander  und  ver- 
schmelzen also  nicht.  Dadurch  erklärt  es  sich  von  selbst,  dass 
auch  ventralwärts  die  Möglichkeit  gegeben  ist,  dass  die  Pa.  sich 
gegen  einander  bewegen. 

Der  P.  ist  mit  den  Pa.  selbst  durch  Häute  an  seinem  Vorder- 
ende verbunden.  An  die  Ba.  aber  setzt  er  sich  noch  vermittelst 
besonderer  Schenkel  an  (f).  Diese  Schenkel  sind  rundhche,  aber 
am  Ende  umgekrümmte,  laterale  Plättchen  des  P. ,  hinter  dessen 
Vorderecken  gelegen.  Am  P.  selbst  müssen  wir  eine  Lamina  in- 
ferior und  superior  unterscheiden.  Die  Lamina  superior, 
welche  dorsalwärts  liegt, .  ist  grösstentheils  sehr  hell  und  breiter  als 
die  ventral  gelegene,  gelbliche  Lamina  inferior.  Die  L.  s.  ist 
vorne  halbkreisförmig  abgerundet,  die  L.  i.  mehr  gerade,  indem 
die  Ecken  etwas  vortreten.  Die  Seiten  der  L.  s.  sind  fast  gerade, 
die  der  L.  i.  erweitern  sich  nach  hinten  bis  zu  der  Stelle,  wo  beide 
Platten  in  einander  übergehen.  Die  beiden  Laminae  stehen  nämlich 
grösstentheils  von  einander  ab,  imd  ihre  Seitenränder  verwachsen 
nur  ganz  hinten  mit  einander.  Oberhalb  dieser  Verwachsungsgegend 
ist  die  L.  s.  mehr  gelblich  gefärbt  und  tritt  an  jeder  Seite  nach 
hinten  in  eine  braungesäumte,  lappenförmige  Ausstülpung  vor, 
welche  ich  die  P.- Hörn  er  oder  kurz  Cornua  neime.  Wir  werden 
sehen,  dass  sie  bei  manchen  Formen  viel  stärker  entwickelt  sind 
als  hier.     Auf  den  Cornua  münden  zahlreiche  und  stellenweise  sehr 


d.  männlichen  n.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     157 

dicht  stellende  Hautdrüsen.  Auch  finden  sich  Sinnesporen  und  ver- 
einzelte Tastborsten.  Im  Uebrigen  tragen  die  P.- Platten  nichts 
dergleichen. 

Die  Copul.-Org.  von  Cantharis  sind  vorzüglich  geeignet,  uns 
über  das  morphologische  Wesen  des  Praeputialsackes  Aufklärung 
zu  geben.  [Ich  sprach  über  denselben  im  Allgemeinen  schon  an 
anderer  Stelle^).]  Hinter  den  Cornua  der  L.  s.  nämlich  geht  diese 
Platte  allmählig  in  die  Wandung  einer  Blase  über,  welche  man  als 
eine  Fortsetzung  des  d.  ej.  erkennen  kann,  wenn  man  den  P. 
mit  Sorgfalt  aufpräparirt.  Die  Chitinhaut  der  Blase  ist  fast  überall 
glashell  und  mit  Zähnchen  besetzt,  welche  je  nach  der  Gegend  der 
Blase  stumpf  oder  spitz  sind.  Hat  man  vom  P.  eine  der  Platten, 
z.  B.  die  L.  i.  wegpraep.,  so  kann  man  die  Blase  oder  besser  be- 
zeichnet, den  Praeputialsack,  zurückschlagen  und  ausstrecken  (Fig.  74) 
und  erkennt  dabei,  dass  einerseits  hinten  thatsächlich  die  Wandung 
des  P.  in  die  Wandung  des  Praep.  übergeht,  andererseits  vorne  der 
d.  ej.  die  Fortsetzung  desselben  bildet.  Der  Praep.  ist  mehrmals 
länger  als  breit  und  verschmälert  sich  vorne  trichterförmig,  wobei 
der  D.  ej.  das  Rohr  des  Trichters  bildet.  Die  Wand  des  Praep. 
ist  allenthalben  mit  zierlicher  Skulptur  geschmückt.  Dieselbe  hört 
erst  in  der  Gegend  a  auf,  da  nämlich,  wo  der  eigentliche  d.  ej. 
endet.  Vor  dieser  Region  besitzt  der  Praep.  einen  Blindsack  b, 
dessen  Wandung  besonders  reichlich  bezahnt  ist  und  zwar  mit 
kammartigen  Zähnen,  wie  sie  die  Gruppe  ß  vorführt.  Diese  Kamm- 
zähne erstrecken  sich  in  dichtester  Aneinanderstellung  nach  vorne 
bis  zur  Linie  y.  Hinter  dem  Blindsack  sind  sie  auch  noch  vor- 
handen, gehen  aber  dann  allmählig  in  die  einfachen  Zähne  (Gruppe  /) 
über,  welche  die  ganze  hintere  Hälfte  der  Praep. -Wandimg  besetzen. 
Eine  besondere  3.  Skulptnrart  von  grosser  Feinheit  findet  sich  niu" 
auf  der  Strecke  a — y,  sie  ist  in  der  Gruppe  a  stark  vergrössert 
wiedergegeben.  Es  handelt  sich  um  Faltenkämme,  welche  durch 
wellige  Einschnitte  in  äusserst  feine  Spitzchen  abgesetzt  werden.  — 

Der  ganze  Praep.  kann  nun  nach  aussen  vorgestülpt  werden, 
was  —  ebenso  wie  bei  den  noch  zu  erörternden  Pleuralsäckchen  — 
durch  Blutdruck  geschieht.  In  Fig.  73  sehen  wir  einen  solchen 
Praep.  zur  Hälfte,  in  Fig.  7G  ganz  vorgestülpt.  —  Ich  will  hier 
auch  darauf  hinweisen,  wie  das  feste  Aneinanderhaften  vieler 
Coleopteren  bei  der  Copula  durch  das  Gesagte  leicht  die  Erklärung 
findet:  Nachdem  nämlich  der  P.  in  die  weibliche  Vagina  eingedrungen' 
ist,  wird  der  Praep.  ausgepresst.  Die  mannigfachen  Zähnchen- 
bildungen desselben  fassen  in  die  Wandung  der  Vagina  ein  und 
es  können,  solange  das  Männchen  den  Blutdruck  unterhält,  die  in 
Copula  begriffenen  Thiere  nicht  ohne  Gewalt  von  einander  entfernt 
werden.  Die  Zähnchen  des  Praep.  bewirken  somit  eine  Verankerung 
des  ^  an  den  weibl.  Geschlechts  weg.  —  Der  d.  ej.  ist  glashell  und 
entbehrt  der  Skulpturen  vollständig.     Alle  die  mannigfaltigen  Zahn- 

^)  Deutsche  entomologische  Zeitschrift  1894. 


158       Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleicliende  Morphologie  des  Abdoraens 

bildimgen  des  Praep.  siiid  übrigens  keine  Zuthaten  zn  Sinnesapparaten, 
sondern  Fortsätze  des  Hautskelettes  wie  die  Haut.  —  Die 
Armaturen  des  Praep.  können  als  differencirte  und  vergrösserte 
Haut,  aufgefasst  werden.  —  Die  untere  P.-Platte  reicht  nach  hinten 
hin  weiter  als  die  L.  s.  Sie  bildet  dort  eine  unter  den  Praep. 
greifende  und  ihn  von  unten  stützende  Subpraeputialplatte, 
welche  durch  einen  mittleren  Einschnitt  in  zwei  Hälften  zertheilt 
ist.     Poren  oder  Borsten  sind  in  derselben  nicht  vorhanden. 

(^  livida.  Die  verschiedenen  Cantharis- Arten  zeigen  so 
interessante  Differenzen  im  Bau  der  Cop.-Org.,  dass  ich  noch  auf 
andere  Arten  eingehen  will:  Bezüglich  der  Segmentplatten  herrscht 
bei  livida  Uebereinstimmung  mit  rustica,  nur  ist  die  9.  V.  am 
Hinterende  gerade  gerandet,  entbehrt  also  der  Ausbuchtung  (Fig.  85). 

Während  die  Pa.  bei  rustica  sowohl  dorsal-  als  ventralwärts 
so  aneinandergefügt  waren,  dass  sie  sich  gegen  einander  etwas  be- 
wegen konnten,  ist  hier  bei  livida  die  Möglichkeit  einer  Gegen- 
einanderbewegung  der  Pa.  nicht  mehr  gegeben.  Diejenigen  Theile 
nämlich,  welche  ich  bei  rustica  als  dorsale  Verbindungsbrücke  be- 
zeichnete und  welche  in  der  Mitte  durch  eine  Emknickung  sich 
gegen  einander  absetzten,  sind  hier  nicht  nur  mit  einander  ver- 
schmolzen, sondern  haben  sich  auch  ganz  kolossal  vergrössert, 
indem  sie  eine  dorsalwärts  sich  über  die  anderen  Theile  des  Cop.-App. 
erstreckende  und  nach  hinten  noch  über  sie  hinausragende  Wand 
abgeben,  welche  ich  als  Dorsalwand  bezeichne  (so  Fig.  75  und  82). 
Sie  lässt  in  der  Mediane  von  einer  Naht  nichts  mehr  erkennen.  Der 
Endrand,  an  und  vor  welchem  viele  Tastborsten  und  Drüsenporen 
liegen,  ist  jederseits  tief  eingebuchtet,  tritt  aber  in  der  Mitte  auf 
breiter  Strecke  vor,  und  diese  Strecke  zeigt  auch  wieder  eine  seichte 
Einbuchtung.  Von  den  Seiten  der  Dorsal  wand  schlagen  sich  nach 
unten  Wülste  herab,  an  denen  ebenfalls  Tastborsten  und  Drüsen- 
poren aufgefunden  werden.  Weiter  nach  vorne  trifft  man  auf  den 
schon  bei  rustica  geschilderten,  dreieckigen  Stammtheil  der  Pa., 
welcher  nach  innen  und  unten  vorspringt  und  sich  nach  hinten  in 
die  Pa.-Finger  fortsetzt.  Dieselben  (Fig.  84)  lassen  deutlich  erkennen, 
wie  sich  ihre  Wandung  nach  dem  Ende  zu  mehr  und  mehr  ver- 
dünnt. Auffallend  ist,  dass  man  hier  von  Sinnesgruben  und  Borsten, 
welche  bei  rustica  so  zahlreich  vorkommen,  nichts  antrifft.  Da- 
.  gegen  sind  Drüsenporen  reichlich  vorhanden  und  diese  findet  man 
auch  über  das  Stammstück  zerstreut.  Am  Vorderende  laufen  die 
Stammstücke  nach  innen  und  vorne  in  einen  spangenartigen  Fort- 
satz aus  (b),  der  ja  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  rustica  vorkommt. 
Es  ist  also  bei  Hvida  eine  Pa.-Kapsel  im  vollsten  Sinne  zu  Stande 
gekommen,  während  rustica  erst  eine  Vorstufe  dazu  vorstellt,  denn 
es  gehört  zum  vollen  Begriff  einer  Pa.-Kapsel,  dass  die  Pa.  sich  so 
mit  einander  vereinigt  haben,  dass  eine  Bewegung  gegen  einander 
aufhört.  —  Die  Ba.  stimmt  in  ihren  verschiedenen  Theüen  mit  der- 
jenigen von  rustica  ziemlich  überein.  — 


d.  niännlicheu  n.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiideii.     159 

Nicht  so  der  P.  Er  besitzt  am  Hinterende  seiner  L.  s.  mächtige 
Fortsätze  (besetzt  mit  Tastborsten  und  einigen  Drüsenporen),  welche 
dem  Namen  Cornua  gewisslich  entsprechen.  (Fig.  76.)  Während 
dieselben  bei  rustica  hinter  der  Subpraeputialplatte  weit  zurück- 
bleiben, reichen  sie  hier  fast  so  weit  nach  hinten  wie  die  Enden 
der  Subpraeputialplatte.  Letztere  ist  hier  vollkommen  zweitheilig 
und  kann  sich  gegen  den  übrigen  P.  vermittelst  eines  Gelenkes 
(Fig.  78  g)  bewegen,  während  die  L.  i.  sich  jederseits  mit  einem 
nach  aussen  umgebogenen  Fortsatz  an  die  Wandung  der  L.  s.  da 
ansetzt,  wo  die  Cornua  entspringen. 

Bemerkenswerthen  Abweichungen  begegnet  man  auch  am  Praep. 
(Fig.  76).  Die  Stacheln  kommen  vorwiegend  in  der  Form  der 
Gruppe  a  (Fig.  77)  vor,  stehen  aber  auf  2  dunkeln,  auifälligen 
Wülsten,  welche  eine  concave  Innenseite  zeigen,  in  spitzeren 
Elementen  (Gruppe  /?).  Einen  Blindsack  habe  ich  nicht  beobachtet.  — 
Betrachten  wir  noch  als  eine  3.  Art: 

S  violacea.  Die  Segmentplatten  stimmen  mit  denen  der 
Vorigen  überein,  nur  ist  die  9.  D.  am  Hinterrande  tief  ausgebuchtet, 
die  9.  V.  ebendaselbst  leicht  ausgeschnitten.  In  Hinsicht  auf  die 
Pa.  nimmt  diese  Art  eine  Mittelstufe  ein  zwischen  rustica  und 
livida,  denn  mit  ersterer  stimmt  sie  darin  überein,  dass  die  dorsalen 
HäKten  der  Verbindungsbrücke  noch  nicht  mit  einander  in  der 
Mediane  verschmolzen,  mit  letzterer  in  dem  weiten  Vorragen  dieser 
dorsalen  Stücke  der  Pa.  nach  hinten  zu,  wodurch  eine  Dorsalwand 
gebildet  wird.  Hier  ist  dieselbe  aber  eine  getheilte  (w  Fig.  79), 
indem  die  Hälften  getrennt  bleiben  und  jede  HäKte  einen  fast  vier- 
eckigen Lappen  darstellt,  dessen  Endrand  abgerundet  und  an  der 
Innenecke  etwas  eingekrümmt  und  dessen  innerer  Rand  etwas 
eingebuchtet  ist.  An  den  Seiten  finden  sich  Tastborsten,  auf 
der  übrigen  Fläche  zerstreute  Drüsenporen.  Die  Pa. -Finger  sind 
gegen  das  Ende  keulenförmig  verdickt  und  ihre  Wandung  wii'd 
am  Ende  von  zahlreichen  Sinnesgruben  geziert,  weiter  vorne 
von  zerstreuten  Drüsenporen  durchsetzt.  Nur  ganz  vereinzelte  kleine 
Tastborsten  kommen  vor.  Die  Ba.  ist  der  der  Vorigen  wieder 
höchst  ähnlich,  nur  sind  die  Hörner  des  Basalhöckers  stark  nach 
aussen  gekrümmt.  —  Auch  der  P.  nimmt  in  sofern  eine  Mittel- 
stellung zwischen  den  P.  der  beiden  vorigen  Arten  ein,  als  die 
Cornua  (Fig.  80)  kräftiger  sind  als  bei  rustica  aber  kürzer  als  bei 
livida.  Sie  haben  einen  fast  geraden  Innenrand,  aber  einen  ge- 
bogenen End-  und  Aussenrand  und  tragen  innen  eine  Gruppe  von 
Borsten.  Innerhalb  ihres  Grundes  stehen  ebenfalls  Tastborsten, 
aber  auch  viele  Drüsenporen.  Von  den  Cornua  abgesehen  ist  der 
P.  nur  so  lang  als  breit,  ein  Fall  den  ich  sonst  von  keinem  Käfer 
kenne.  Die  L.  i.  und  L.  s.  sind  annähernd  gleichgross.  Zwischen 
den  gekrümmten  P. -Schenkel  und  den  Cornua  ungefähr  in  der  Mitte 
befindet  sich  jederseits  ein  am  Ende  abgerundeter  Lobus,  der  sich 
durch  eine  Sehne  mit  den  Pa.  verbindet.  Diese  Verbindung  ge- 
schieht hinter  der  Stelle,  wo  die  Pa.  sich  an  die  Ba.  anheften  und 


160      Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

ist  aucL.  bei  den  2  vorliergehenden  Arten  zu  bemerken  (cf.  Fig.  72 
und  75),  ohne  dass  ich  jedoch  einen  so  distinkten  Lobus  gesehen 
hätte.  Der  Praep,  ist  auch  wieder  recht  abweichend  von  dem  der 
beiden  vor.  Arten  gebaut,  ich  will  nur  hervorheben,  dass  er  einen 
unpaaren,  dunkeln  Stachel wulst  besitzt.  — ■ 

?  violacea  und  rustica.  An  den  7  ersten  Abd.  S.  lassen 
sich  keine  nennenswerthen  Unterschiede  von  den  Männchen  auf- 
finden. Dagegen  weichen  sie  von  ihnen  sehr  auffallend  im  8.,  9. 
und  10.  S.  ab.  Die  beiden  Arten  sind  aber  unter  sich  im  2  Geschl. 
so  ähnlich,  dass  ich  mich  des  Genaueren  an  violacea  halten  will. 

Man  vermisst  am  8.  S.  die  bei  den  3  S  angetroffenen  PI.  Die 
St.  des  8.  S.  liegen  in  dem  umgeschlagenen  Seitenrande  der  8.  D. 
(Fig.  53).  Auf  der  8.  D.  findet  man,  ebenso  wie  auf  der  V.  zahl- 
reiche Tastborsten,  Haut,  und  Hautdrüsenporen,  letztere  an  den 
Basen  der  Borsten.  Die  8.  D.  welche  doppelt  so  breit  als  lang  ist, 
hat  geraden  Vorderrand  und  gebuchtete  Seitenränder.  Sie  ver- 
schmälert sich  nach  hinten  und  wird  dadurch  trapezförmig.  Der 
Hinterrand  ist  schwach  ausgebuchtet.  Die  8.  V.  ist  P/2  mal  breiter 
als  lang,  vorne  gerade  und  verschmälert  sich  allmählig  nach  hinten, 
bei  gerundeten  Seiten,  Am  Hinterrande  findet  sich  jederseits  eine 
Ausbuchtung. 

Innerhalb  dieser  Ausbuchtungen  springt  die  Platte  stark  nach 
hinten  vor  und  besitzt  im  Vorsprunge  eine  tiefe  Einbuchtung  (Fig.  53). 
Vom  Rande  des  ausgebuchteten  Vorsprunges  zieht  sich  nach  vorne 
und  dem  Körperinnern  eine  Duplicatur  (Dp.),  welche  ich  früher 
irrthümlich  für  eine  besondere  V.  hielt.  ^)  Ich  habe  aber  bereits  an 
anderer  Stelle  diesen  Fehler  berichtigt.  2)  Im  hinteren  Theile  der 
Duplicatur  stehen  noch  einige  Tastborsten  und  Drüsenporen.  —  Die 
9.  D.  hat  einen  ursprünglichen  Charakter  bewahrt  (Fig.  51),  in 
sofern  sie  nicht  zweitheilig  ist.  Allerdings  ist  sie  in  der  Längs- 
richtung in  zwei  sehr  verschiedene  Bezirke  abgesetzt. 

Der  vordere  Bezirk  (b)  ist  2-theihg  und  nur  aussen  mit  besonders 
feinen  Haut,  besetzt.  Der  hintere  Bezirk,  die  eigentliche  Platte,  ist 
einheitlich,  ventral  durch  eine  Falte  gegen  den  vorderen,  der  Fort- 
sätze ins  Körperinnere  vorstellt,  abgesetzt  und  mit  einem  höchst 
dichten  Walde  von  langen  Tastborsten  bedeckt,  welcher  die  Drüsen- 
poren an  der  Basis  der  Borsten  nur  schwer  erkennen  lässt.  Der 
hintere  Bezirk  ist  2V2  ^al  so  breit  als  lang,  am  Hinterrande  in 
der  Mitte  ausgeschnitten.  Die  Seiten  sind  gerade  und  convergiren 
etwas  nach  hinten  zu.  Am  Vorderende  jeder  Hälfte  des  gelblichen 
Vorderabschnittes  der  9.  D.  ist  dieser  von  einer  gebogenen,  braun- 
gelben Chitinspange   (t)    begrenzt,    welche    sich    nach    aussen    ver- 


^)  Vergl.  Untersuch,  üb.  d.  Abd.  S.  und  Legeapparate  der  §  Coleopt.  Fig.  24. 
Was  ich  dort  als  10.  D.  bezeichnet  habe,  gehört  mit  zur  9.  D.  Die  10.  D.  habe 
ich  damals  noch  nicht  gesehen. 

Deutsche  entomol.  Zeitschr.    1893.    Heft  II. 

-)  Zur  vergleich.  Morphologie  des  Abdomens  $  Col.   Daselbst  1894,    Heft  11. 


d.  mänulicbeu  u.  weiblichen  Lampyi'iden,  Canthariden  u.  Malacliiiden.     1  Gl 

schmälert,  nach  innen  verbreitert  und  am  inneren  Ende  etwas  aus- 
gebiichtet  ist.  Aussen  reicht  der  Balken  t  weiter  nach  vorne  als 
innen  und  bildet  dort  die  vordere  Grenze  des  Fortsatzes,  als  welcher 
jeder  der  beiden  Vorderabschnitte  der  9.  D.  nach  vorne  ragt.  An 
das  innere  Ende  jeder  der  Spangen  t  legt  sich  eine  andere,  ebenfalls 
braungelbe,  in  der  Längsrichtung  verlaufende  Spange  s,  welche  in 
der  Mitte  am  dicksten,  nach  den  beiden  Enden  verschmälert  und 
gebogen  ist,  wobei  die  concave  Seite  nach  innen  gerichtet.  An 
das  hintere  Ende  jeder  dieser  Spangen  endlich  schliesst  sich  die, 
wie  immer  so  auch  hier,  2-theilige  9.  V.  an.  Sie  ist  in  jeder  Hälfte 
langgestreckt,  4-mal  länger  als  breit  und  mit  sehr  kräftigen  Tast- 
borsten reichlich  besetzt.  Auch  einige  Drüsenporen  münden  in  ihr. 
Auf  dem  Ende  jeder  Hälfte  der  9.  V.  sitzt  in  einer  Gelenkgrube 
der  Stylus,  welcher  doppelt  so  lang  als  breit  und  gleichfalls  mit 
starken  Tastborsten  besetzt  ist. 

Ueber  diesen  Gebilden  und  unter  der  9.  D.  ganz  versteckt  Hegt 
die  kleine  10.  D.,  welche  in  der  Mitte  des  Hinterrandes  eckig  vor- 
tritt und  auch  noch  viele  Tastborsten  und  Drüsenporen  aufweist. 
Vor  jeder  Hälfte  des  Vorderabschnittes  der  9.  D.  liegt  noch  ein 
länglicher,  vorn  abgerundeter  Lappen  von  heller,  grauweisslicher 
Farbe.  Das  Mikroskop  lehrt  uns,  dass  er  überall  äusserst  dicht  mit 
feinen  runden  Ringen  besetzt  ist,  welche  sehr  an  die  so  viel  erwähnten 
Hautdrüsenporen  erinnern,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  sie  eben 
hier  so  dicht  stehen,  dass  an  vielen  Stellen  kaum  noch  Zwischen- 
räume übrig  bleiben.  Viele  Tausende  dieser  Poren  sitzen  dicht  an 
einander  gedrängt.  Bei  entsprechender  Einstellung  des  Tubus  gewahrt 
man  in  der  Mitte  jedes  Porus  ein  winziges  schwarzes  Pünktchen, 
das  sich  aber  bei  noch  stärkerer  Vergröss.  als  ein  kleiner,  runder 
Kreis  ausweist,  die  Mündung  einer  Hautdrüse.  Die  bei  200  f.  Vergr. 
erscheinenden  Kreislein  sind  somit  nur  Papillen  der  Cutikula, 
während  die  eigentlichen  Drüsenporen  erst  bei  500  f.  V.  recht  deutlich 
als  runde  Poren  erkennbar  werden,  (cf.  Fig.  51.  Li  den  Lappen 
links  sind  einige  Papillen  eingezeichnet.)  Dass  es  sich  nun  that- 
sächlich  um  Drüsenporen  handelt,  davon  habe  ich  mich  durch 
Untersuchung  der  Drüsen  selbst  überzeugt.  Unter  jenen  Lappen, 
welche  ich  darum  die  Drüsenporenplatten  nenne,  sitzen  an 
winzigen  Stielchen  (den  chitinigen  Ausführungsgängen)  Tausende 
von  einzelligen  Hautdrüsen  welche  sehr  an  diejenigen  erinnern 
welche  F.  Stein')  und  Ph.  Bertkau-)  bekannt  gemacht  haben. 3) 
An  der  Aussenflanke  jeder  Drüsenporenplatte  findet  sich  ein 
bräunlicher  Randwulst  (n  Fig.  54),  an  dessen  Vorderende  sich  das 
Ende  der  Spange  t  anlegt,     u,  t  und  s  sind  Hebel  zur  Bewegung 


^)  Die  weiblichen  Geschlechtsorgane  der  Käfer.  Berlin.  1847.  Tafel.  XI., 
Fig.  12. 

2)  Ueber  den  Stinkapparat  von  Lacon  murin us.  Archiv  für  Naturgesch. 
1882.    S.  371  und  Tafel  XVIII.,  Fig.  28. 

^)  Eine  genauere  Mittheilung  auch  über  diese  Drüsen  behalte  ich  mir  vor. — 

Aich.  f.  Naturgescli.  Jahrg.  1894.  Bd.I.  H.2.  11 


162       Dr.  Carl  Verhoeff:    Vergleiclieiide  Morphologie  des  Abdomens 

der  palpenartigen  Hälften  der  9.  V.,  d.  h.  sie  erlauben  deren  Vor- 
und  Rückbewegimg.  Die  Lage  dieser  Theile  zu  einander  ver- 
anschaulicht Fig.  54. 

Ich  hebe  ausdrücklich  noch  hervor,  dass  die  beiden  Drüsen- 
porenplatten  mit  den  unterliegenden  Drüsenfeldern  nur  den 
weiblichen  Cantharis  zukommen,  mithin  eine  sexuelle  Bedeutung 
haben  müssen.  — 

In  Fig.  88  sieht  man  die  Seitenansicht  eines  Hinterleibes  von 
C.  violacea  ^.  Am  Hinterrande  der  PI.  des  2. — 7.  S.  findet  sich 
jederseits  eine  blasenartige  Vorstülpung  Bl. ,  welche  den  Aus- 
stülpungen von  Malachius  analog  sind,  aber  kleiner  und  nicht 
mehrzipfelig.  Die  Andeutung  einer  solchen  Ausstülpung  findet  sich 
auch  in  der  Pleurenhaut  des  1.  S.  [Vergl.  auch  den  „Allgemein. 
Theil".]  — 

Rhagonycha. 

Der  Hinterleib  ist  demjenigen  von  Cantharis  so  ähnlich  gebaut, 
dass  ich  mich  darauf  beschränken  kann,  auf  einige  Differenzen 
hinzuweisen. 

Die  Pleurenplatten  sind  unechte,  indem  sie  von  den  V.  nur 
durch  Knickung,  nicht  durch  Pleurenhaut  abgesetzt  sind.  Die 
Stigmen  liegen  in  der  Pleurenhaut. 

Die  Copulat.-Org.  haben  denselben  Grundtypus  wie  diejenigen 
von  Cantharis,  obwohl  interessante  und  eines  besonderen  Studiums 
werthe  Abweichungen  vorkommen.  Ich  kann  mich  in  dieser  Arbeit 
nicht  näher  auf  dieselben  einlassen,  erwähne  aber,  dass  der  Praep. 
von  fulva  und  pallida  (Fig.  89  und  90)  durch  wellige  Struktur 
und  mehrere  Gruppen  dolchförmiger,  dicht  an  einander  gedrängter 
Stacheln  ausgezeichnet  ist. 

Die  Dorsaldrüsen  kommen  in  derselben  Weise  vor  wie  bei 
Cantharis,  nämlich  an  der  1. — 8.  D.  ebenso  am  9.  S.  des  3  der 
dorsale  und  ventrale  Bogen. 

Malthodes. 

^  marginatus.  Die  Segmentplatten,  welche  graubraun  pig- 
mentirt  sind,  besitzen  auf  D.  und  V.  in  ziemlich  gleicher  Anzahl 
zerstreute  Tastborsten.  Auf  den  V.  stehen  Haut,  nur  am  Vorder- 
rande, auf  dem  D.  auch  über  die  Mitte  zerstreut,  nur  spärlich 
auf  der  3. — 7.,  reichlicher  auf  der  1.  und  2.,  sehr  reichlich  auf  der 
8.  D.  An  dieser  ist  auch  der  Hinterrand  mit  einem  dichten  Walde 
und  zwar  von  längeren  Haut,  besetzt.  Die  Pleurenhäute  tragen 
sehr  reichlich  winzige  Haut.,  welche  zu  kleinen  Gruppen  beisammen 
stehen.  Die  Zwischensegmenthäute  sind  nur  an  der  dem  Vorder- 
rande der  Platten  zugekehrten  Seite  mit  Haut,  besetzt  und  zwar 
stehen  meist  2—3  kammartig  zusammen,  sonst  sind  sie  nackt. 

Die  2.  V.  ist  gut  ausgebildet,   nur  blasser  als  die  folgenden. 

Die  1.  und  10.  V.  fehlen. 


d.  männlichen  iv  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  n.  Malachiiden.     163 

Die  vorderen  D.  sind  3  —  2V2  mal,  die  6.,  7,,  8.  doppelt  so 
breit  als  lang.  Die  V.  haben  etwa  dieselbe  Breite.  Die  8.  V.  ist 
am  Hinterrande  leicht  ausgebuchtet,  die  8.  D.  daselbst  gerade, 
übrigens  trapezförmig,  indem  sie  sich  nach  hinten  verschmälert. 

Pleurenplatten  fehlen  vollständig. 

Die  8  Stigmenpaare  liegen  in  der  Pleurenhaut  vom  1. — 8.  S. 
—  Dorsaldrüsen  finden  sich  auch  hier  an  der  1. — 8.  D.,  sie  liegen 
den  Hinterrändern  der  Platten  näher  als  den  Vorderrändern.  An 
der  1. — 7.  D.  sind  aber  die  Drüsenporen  rudimentär,  d.  h.  ge- 
schlossen und  nur  noch  durch  einen  dunkeln  Fleck  angezeigt, 
in  welchem  ein  kleiner  bogenförmiger,  schwarzer  Strich  steht, 
welcher  hinten  concav  ist.  An  der  7.  D.  ist  dieser  dunkle  Bogen 
am  deutlichsten,  auf  der  8.  D.  aber  ist  er  zu  einem  Kreis  ge- 
schlossen, sodass  es  scheint,  dass  hier  noch  ein  wirklicher  Porus 
besteht.  Jedenfalls  sind  am  1. — 7.  S.  die  Dorsaldrüsen  selbst  obli- 
terirt  (cf.  Hemiptera-Gymnocerata),  vielleicht  aber  auch  schon  am 
8.  S.  —  Die  9.  D.  (Fig.  25)  besteht  aus  einem  Stück  und  ist  mehr 
als  doppelt  so  breit  als  lang.  Die  Seiten  sind  leicht  gebogen,  der 
Hinterrand  fast  gerade.  Der  Vorderrand  springt  jederseits  in  Form 
eines  dreieckigen  Zipfels  vor  und  jeder  Zipfel  setzt  sich  in  eine 
Spange  fort,  welche  beide  anfangs  divergiren,  hernach  convergiren, 
ohne  jedoch  zu  verschmelzen.  So  wird  auch  hier  wieder  ein  dor- 
saler Bogen  gebildet.  —  Auf  der  9.  D.  stehen  reichlich  Haut.,  an 
den  Seiten  einige  Tastborsten.  Auffallend  gross  ist  die  10.  D. 
Doppelt  so  breit  als  lang  und  ^/g  so  breit  wie  die  9.  D. ,  ragt  sie 
weit  unter  derselben  vor,  hat  gerade  Seitenränder  und  Hinterrand 
und  breit  ausgebuchteten  Vorderrand,  sodass  die  Vorderecken  spitz 
vortreten.  Starke  und  schwache  Tastborsten  sind  vorhanden,  ebenso 
nicht  wenige  Hautdrüsenporen.  An  der  9.  V.  fällt  die  sehr  tiefe 
dreieckige  Einbuchtung  des  Hinterrandes  auf.  Dadurch  wird  die 
Platte  in  3  Lappen  abgesetzt,  deren  2  schräg  nach  hinten,  deren 
einer  gerade  nach  vorn  gerichtet  ist.  An  dem  vorderen  setzt  sich 
ein  kurzer  ventraler  Bogen  an,  welcher  vorne  aber  nicht  klafft, 
sondern  verschmolzen  und  sogar  besonders  verdickt  ist.  Diese 
Verdickung  ist  aussen  jederseits  etwas  eingebuchtet,  und  in  diese 
Buchten  greifen  die  Enden  der  Hälften  des  dorsalen  Bogens.  Auf 
den  hinteren  beiden  Lappen  der  9.  V.  finden  sich  zerstreute  Tast- 
borsten und  Drüsenporen,  aber  keine  Häutungshaare. 

Die  Copul.-Org.  (Fig.  26)  weichen  von  denen  der  beiden  vor. 
Gatt,  beträchtlich  ab,  geben  sich  aber  als  eine  Weiterbildung  der- 
selben zu  erkennen.  Die  Ba.  (Fig.  70)  ist  von  derjenigen  der  vor. 
Gattungen  ausserordentlich  verschieden.  Während  sie  dort  noch  durch- 
aus eine  Vorderlage  inne  hatte,  ist  sie  hier  als  entschieden  dorsal 
zu  bezeichnen.  Sie  liegt  dorsalwärts  über  der  Pa.-Kapsel  und  be- 
steht aus  einer  einzigen  unpaaren,  hinten  tief  ausgebuchteten  Platte, 
welche  1  V2  nial  so  lang  als  breit  ist  und  in  der  Mitte  des  Vorder- 
randes ebenfalls  leicht  ausgebuchtet  und   aus   einem  Stiel,  der  die 

11* 


164      Dr-  Carl  Verhoeff:   Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Länge  der  Platte  niclit  ganz  erreicht.    Der  Stiel  ist  als  Homologon 
des  Basalhöckers  der  Ba.  der  Cantharini  aufzufassen. 

Die  Pa.  stellen  zusammen  eine  Kapsel  dar,  deren  abgerundeter, 
vorderer  Theil  fast  einen  Halbkreis  bildet.  Von  diesem  wird  ein 
Abschnitt  durch  eine  Falte  (ps)  abgesetzt  und  so  eine  Pseudobasal- 
platte  gebildet,  denn  sie  ist  thatsächlich  von  der  übrigen  Pa.-Kapsel 
nicht  getrennt  und  die  wahre  Ba.  wurde  schon  beschrieben.  Während 
im  vorderen  Theile  der  Pa.-Kapsel  die  Zweitheiligkeit  nicht  mehr 
angedeutet  ist,  hat  sie  sich  im  hinteren  Theile  vollständig  erhalten. 
Wir  unterscheiden  dort  zunächst  die  Stammlappen  der  Pa.-Kapsel 
(y  Fig.  71).  Von  diesen  aus  gehen  nach  aussen  lange  Arme  ab, 
die  Pa.-Finger  (Pa.  d.),  welche  sich  gegen  das  Ende  keulenartig 
verdicken  und  daselbst  mit  vielen  langen  Tastborsten  geschmückt 
sind.  Hinter  der  Basis  der  Pa.-Finger  läuft  der  Rand  der  Kapsel 
noch  eine  Strecke  schräg  nach  innen  und  hinten  und  biegt  dann 
in  stumpfem  Winkel  ganz  nach  innen  ab.  An  der  Kante  stehen 
einige  Tastborsten.  Innen  bildet  jeder  Stammtheil  der  Kapsel  vor 
den  mit  Borsten  besetzten  Hinterecken  eine  tiefe  Einbuchtung. 

Unter  jenen  Hinterecken  ragt  jederseits  ein  auffallendes,  fast 
viereckiges  und  mit  Papillen  sehr  dicht  besetztes  Polster  vor  (p). 
Tastborsten  stehen  nicht  auf  demselben.  Es  setzt  sich  aber  nach 
vorne  in  einen  dreieckigen,  spitzen,  nach  aussen  gerichteten  Zahn 
fort,  mit  dem  es  anscheinend  gelenkig  bewegt  werden  kann.  Zwischen 
den  Polstern  liegt  der  P. ,  an  welchem  sich  eine  L.  s.  und  L.  i. 
unterscheiden  lassen.  Die  L.  i.  hat  einen  knollenartigen  Vorder- 
theil  und  verschmälert  sich  nach  hinten,  wo  sie  in  einen  Fortsatz 
ausläuft,  in  welchem  der  d.  ej.  hinzieht  und  am  Ende  mündet. 
An  das  Vorderende  schliesst  sich  noch  ein  ringförmiges  Stück  an, 
welches  auch  mit  der  L.  s.  in  Verbindung  steht.  Die  L.  s.  selbst 
ist  so  zu  sagen  ganz  in  2  Cornua  gespalten,  welche  in  der  Mitte 
sich  etwas  verdicken  und  am  Ende  etwas  nach  aussen  vortreten. 
Auf  der  hinteren  Hälfte  der  Cornua  finden  sich  zerstreute  Drüsen- 
poren und  Tastborsten.  (Ich  gewann  den  Eindruck,  dass  die  L.  s. 
mit  ihrem  Vorderende  auch  an  den  mittleren  Teil  des  oberen 
Hinterrandes  der  Pa.-Kapsel  angewachsen  ist.)  —  Ein  Praep.  fehlt. 

$  marginatus.  Die  Dorsaldrüsenporen  sind  hier  noch  mehr 
erloschen  als  beim  c^,  indem  sie  auf  der  8.  D.  vollständig  fehlen, 
auf  der  1. — 7.  D.  finden  sich  Andeutungen  in  Form  runder  Fleckchen 
mit  rundlichem  Kern.  —  1  Paar  blasser,  bräimlicher  Mos.,  welche 
quer  stehen,  finde  ich  am  Vorderrande  der  2.  —  6.  D.  Das  8.  S. 
ist  braun,  die  vorhergehenden  Platten  grau.  Die  8.  D.  ist  2^/2  mal 
breiter  als  lang,  trapezförmig,  nach  hinten  verschmälert.  Die  8.  V., 
welche  doppelt  so  breit  ist  als  lang,  hat  am  Hinterrande  eine  tiefe 
runde  und  jederseits  noch  eine  seichte  Ausbuchtung.  Die  9.  D. 
(Fig.  68)  ist  nicht  zweiteilig,  sondern  ganz  geblieben,  dreimal 
so  breit  als  lang,  nach  hinten  verschmälert,  mit  geradem  Hinterrande. 
Sie  trägt    ziemlich    reichlich  Tastborsten    und   auch   einigeDrüsen- 


ä.  männlichen  u.  weiblichen  Lampyriden,  Cauthariden  n.  Malachiiden.     1G5 

poren.  Die  10.  D.  ist  nur  halb  so  breit  imd  halb  so  lang  wie  die 
9.  D.,  ebenfalls  am  Rande  beborstet.  Sie  ragt  unter  der  9.  D.  vor. 
Vorne  setzt  sich  an  die  9.  D.  jederseits  eine  helle  Drüsenporenplatte 
an,  welche  aber  nicht  länglich  ist,  wie  bei  Cantharis,  sondern  mehr 
rundlich.  Sie  enthält  Hunderte  von  Drüsenporen  in  Papillen  liegend. 
Die  Hälften  der  9.  V.  sind  kaum  länger  als  breit,  nach  hinten  ver- 
schmälern sie  sich  etwas  und  tragen  nur  wenige  Borsten.  Die 
Styli  sitzen  nicht  in  Gelenkgruben,  sondern  sind  an  die  9.  V.  fest- 
gewachsen. Von  rundlich- viereckiger  Gestalt,  sind  sie  sehr  reichlich 
mit  langen  Tastborsten  besetzt.  Zwischen  den  eng  an  einander 
gedrängten  Hälften  der  9.  V.  mündet  die  Vagina. 

Ovipositoren  fehlen.  — 

Die  Drüsenporenplatten  sind  übrigens  von  der  9.  D.  nicht  etwa 
durch  eine  Naht  abgesetzt,  sondern  sie  bilden  deren  unmittelbare 
Fortsetzung.  Nur  ist  an  der  Stelle,  wo  die  Poren  beginnen,  keine 
dunkle  Pigmentirung  mehr  vorhanden,  sondern  die  Platte  ist  hell, 
durchsichtig.  — 

Bei  M.  dispar  $  finde  ich  deutliche  Dorsaldrüsenporen  an 
der  1. — 8.  D.  und  zwar  sind  auch  noch  Oeffnungen  im  braunen 
Ringe  erkennbar.  — 

Die  Styli  sind  viel  kleiner  als  bei  voriger  Art.  — 

Malthinus. 

S  punctatus.  Alle  Platten  sind  sehr  hell,  grau  bis  weissgrau. 
8  Paare  von  Dorsaldrüsenporen  sind  auf  der  1. — 8.  D.  deutlich  er- 
kennbar, aber  es  ist  auch  hier  fraglich,  ob  diese  Poren  wirklich 
geöffnet  und  die  unterhegenden  Drüsen  noch  funktionsfähig  sind. 
Pleurenplatten  fehlen. 

Die  8  Stigmenpaare  liegen  in  der  Pleurenhaut  des  1. — 8.  S. 
Die  V.  sind  reichlich  mit  Tastborsten  besetzt,  die  D.  nur  spärlich. 
Nur  am  8.  S.  ist  die  D.  fast  ebenso  reich  beborstet  wie  die  8.  V. 
Haut,  fehlen  auf  den  V.,  auf  den  D.  stehen  sie  auch  nur  spärlich 
an  den  Rändern.  Ein  dichter  Wald  von  Haut,  steht  aber  auch 
hier  wieder  am  Hinterrande  der  7.  und  8.  D.  Drüsenporen  finden 
sich  auf  D.  und  V.  sehr  spärHch,  nur  am  8.  S.  an  D.  und  V.  reich- 
licher. Die  Zwischensegment-  und  Pleurenhäute  tragen  Haut., 
welche  auf  den  ersteren  äusserst  winzig,  auf  den  letzteren  deutlich 
sind.  —  Die  1.  und  10.  V.  fehlen,  —  Die  2.  V.  ist  gut  ausgebildet. 

Blasse,  braungelbe  Mos.  finden  sich  am  Vorderrande  der  3.  V. 
in  1  Paare,  an  der  4. — 7.  in  2  Paaren  von  querer  Lagerung.  Sie 
fehlen  an  der  2.  und  8.  V.  An  der  1.  und  2.  D.  ebenfalls.  An  der 
3.  D.  ziehen  sie  in  blassem  Bande  am  Vorderrande  hin,  ein  kleiner 
Längshaufen  auch  jederseits  dahinter.  Ebenso,  aber  schwächer 
verhalten  sie  sich  an  der  4.  D.,  an  der  5.  fehlen  die  Mos.  An  der 
6.  stehen  sie  wieder  wie  an  der  3.,  an  der  7.  fehlen  sie  fast  und 
an  der  8.  D.  ganz.  Die  2.  V.  ist  vorne  schwach  ausgebuchtet,  die 
8.  V.  hinten  sehr  tief.      Die    8.  D, ,    welche   2V2  mal  breiter  ist  als 


166       Dr.  Carl  Verhoeff:    Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

lang,  verschmälert  sich  nach  hinten  nur  wenig  und  besitzt  geraden 
Vorder-  und  Hinterrand. 

Die  Form  der  9.  D.  möge  man  aus  Fig.  63  ersehen.  Sie  be- 
sitzt vorne  jederseits  einen  langen  Processus,  welcher  sich  allmählig 
verschmälert.  Beide  convergiren  nur  wenig.  Hinter  der  Basis  der 
Processus  ist  die  Platte  abgerundet,  und  vom  Innenrande  einer  Ab- 
rundung  zieht  sich  eine,  an  den  Seiten  nach  vorne,  in  der  Mitte 
nach  hinten  gebuchtete  Spange  quer  nach  dem  Innenrande  der 
andern  Abrundung  herüber.  Auf  der  dahinter  liegenden  eigentlichen 
9.  D.  finden  sich  viele  Tastborsten  und  Drüsenporen.  Die  10.  D. 
sitzt  unter  der  9.,  ist  recht  klein,  besitzt  aber  auch  noch  Tastborsten. 
Die  9.  V.  (Fig.  64)  hat  geraden  Hinterrand,  in  dessen  Mitte  eine 
kleine  Einbuchtung  liegt.  Sie  ist  in  der  hinteren  Hälfte  reichlich 
mit  Tastborsten,  aber  auch  mit  Drüsenporen  versehen,  besitzt  keine 
besondere  Duplicaturplatte,  wohl  aber  einen  gut  ausgebildeten 
Bogen.  — 

An  den  Copulationsorganen  ist  die  Ba.  am  auffälligsten 
(Fig.  66).  Die  Pa.  sind  vollkommen  mit  einander  verwachsen  (Fig.  65). 
Beide  Teile  haben  sich  so  verschoben,  dass  sie  im  Ganzen  2  über 
einander  lagernde  Platten  darstellen,  deren  dorsale  die  Ba.,  deren 
ventrale  die  Pa. -Kapsel  ist.  Es  handelt  sich  also  um  einen  sehr 
extremen  FaU  von  Ba.-Bildung,  um  so  mehr,  als  die  Ba.  überhaupt 
von  sehr  auffallender  Form  und  sogar  an  den  Hinterecken  mit 
vielen  Tastborsten  bewehrt  ist,  ein  Fall,  für  den  mir  bisher  kein 
2.  Beispiel  bekannt  wurde. 

Diese  Ba.  stimmt  mit  derjenigen  von  Malthodes  im  Besitz  eines 
Processus  überein.  Relativ  ist  derselbe  viel  kürzer.  Die  ganze  Ba. 
ist  aber  viel  grösser  als  diejenige  von  Malthodes,  denn  sie  kommt 
an  Grösse  der  Pa. -Kapsel  gleich.  —  Der  Processus,  soweit  er  vor- 
ragt, hat  kaum  Vs  der  Länge  der  übrigen  Ba.  Deren  Inneres  ist 
mit  einer  Haut  überzogen.  Der  Processus  setzt  sich  mitten  hindurch 
fort  (n)  bis  zum  Hinterrande,  wobei  er  aber  viel  dünner  geworden 
ist.  Am  Vorderrande  laufen  gebogene  Spangen  nach  der  Seite, 
welche  an  den  Vorderecken  in  beinahe  rechtem  Winkel  abbiegen 
und  nach  hinten  und  etwas  nach  innen  verlaufen.  Sie  gehen 
schliesslich  auch  in  die  kräftige,  chitinisirte  Hinterpartie  über,  welche 
ein  Band  darstellt,  das  viermal  breiter  ist  als  lang.  In  der  Mitte 
springt  am  Hinterrande  ein  grosser,  abgerundeter  Wulst  vor. 
Jederseits  befinden  sich  2  gerundete  Vorragungen,  von  denen  die 
inneren  («)  mit  dem  Mittelwulst  in  einer  Flucht  liegen,  die  äusseren 
iß)  etwas  mehr  dorsalwärts.  Diese  äusseren  Vorragungen  sind 
reichlich  beborstet,  die  andern  Wülste  weniger  und  nur  dorsal- 
wärts. Auch  finden  sich  einige  Drüsenporen.  Die  Pa. -Kapsel 
(Fig.  65)  ist  ein  4-eckiger  Ring.  Vom  Hinterrande  dieses  Ringes 
erheben  sich  3  grosse  Fortsatz- Ausstülpungen,  deren  seitliche  wir 
nach  ihrer  Lage,  Form  und  Bewehrung  als  Pa. -Finger  erkennen. 
Sie  sind  kaum  doppelt  so  lang  als  am  Grunde  breit  und  Ende  ab- 
gerundet.    Der  mittlere  Fortsatz,   das  Homologen  der  Polster  von 


d.  mämilicheii  u.  weiblichen  Lampyriden,  Cauthariden  u.  Malachiideii.     167 

Malthodes,  ist  wesentlich  grösser  als  die  seitlichen,  etwas  länger 
und  fast  dreimal  so  breit.  Er  entbehrt  der  Tastborsten,  besitzt  aber 
zahlreiche  Drüsenporen,  an  die  man  deutlich  die  Kanäle  herangehen 
sieht.  Man  muss  sich  vorstellen,  dass  die  Polster  von  Malthodes 
in  der  Mediane  nathlos  mit  einander  verschmolzen,  so  hat  man  im 
Wesentlichen  den  mittleren  Fortsatz  der  Pa.-Kapsel  von  Malthinus. 
Er  besitzt  aber  keine  Papillen. 

Der  P.  ist  schwer  zu  beschreiben.  Ich  verweise  auf  Fig  67. 
Man  bemerkt  eine  dorsalwärts  etwas  convexe  P. -Röhre,  an  deren 
Ende  der  d.  ej.  mit  einem  kleinen,  mit  einigen  Zähnchen  bewehrten 
Praep.  mündet.  Ventralwärts  erheben  sich  von  der  Basis  2  etwas 
gebogene  und  am  Ende  abgerundete  Cornua,  zwischen  denen  am 
Grunde  ein  Blättchen  steht.  Nach  vorne  läuft  der  P.  in  2  ab- 
gerundete, helle  und  lappenartige  Schenkel  aus,  zwischen  denen  der 
d.  ej.  hinzieht.  — 

$  punctatus.  Die  8.  D.  ist  trapezförmig,  indem  sie  sich 
nach  hinten  allmählig  verschmälert.  Der  Hinterrand  ist  breit  und 
seicht  ausgebuchtet,  die  Seitenränder  fast  gerade.  Sie  ist  2V2  mal 
breiter  als  lang.  Die  8.  V.  ebenso,  aber  ihre  Seitenränder  sind 
etwas  gebogen,  der  Hinterrand  in  der  Mitte  tief  3-eckig  ausge- 
schnitten, jederseits  etwas  vorgebogen.  Im  Uebrigen  gleicht 
dieses  8.  S.  und  die  vorhergehenden  denen  des  c^.  — 

Die  9.  D.  (Fig.  61)  ist  vollkommen  zweitheilig.  Jede  Hälfte 
von  ovaler  Form  trägt  zahlreiche  Tastborsten  und  Drüsenporen,  ist 
hinten  abgerundet  und  verschmälert  sich  etwas  nach  vorne.  Eine 
Drüsenporenplatte  fehlt.  — 

Die  10.  D.  ist  deutlich  ausgebildet  (Fig.  62)  und  an  Gestalt 
fast  halbkreisförmig,  ebenfalls  mit  Tastborsten  und  Drüsenporen 
besetzt;  auch  fehlen  ihr  die  Haut,  nicht.  Jede  Hälfte  der  2-teiligen 
9.  V.  (Fig.  61  und  59)  stellt  einen  ungefähr  dreieckigen,  fast  borsten- 
losen und  zarten  Lappen  vor.  Der  Sty.  ist  mit  demselben  auch 
hier  verwachsen,  von  beinahe  kegelförmiger  Gestalt  und  reichlich 
mit  Drüsenporen  und  langen  Tastborsten  besetzt.  Zwischen  den 
Hälften  der  9.  V.  mündet  die  Vagina,  aber  diese  Mündung  ist  von 
ganz  absonderlichen  Gebilden  umgeben  (Fig.  60),  welche  horngelb, 
z.  T.  stark  chitinisirt  und  völhg  borsten-  und  drüsenlos  sind.  Das 
Gebilde  ist  paarig  aber  asymmetrisch,  indem  von  der  Mediane  an 
der  einen  Hälfte  eine  starke,  an  der  andern  eine  schwache  Falte 
nach  vorne  zieht;  die  erstere  verbreitert  sich  nach  vorne.  An  der 
Hälfte  mit  schwacher  Innenfalte  läuft  eine  Chitinspange  nach  vorne, 
welche  schliesslich  nach  hinen  abbiegt  und  sich  dort  an  eine  andere 
Verdickung  anschliesst.  Weiter  nach  vorne  folgen  2  längliche  zarte 
Blättchen  von  gelblicher  Farbe  (x),  welche  die  Vagina  flankiren. 
Das  ganze  Gebilde  zeigt  einen  gebogenen  und  in  der  Mitte  (wo  die 
Hälften  sich  an  einander  legen)  eingekerbten  Hinterrand.  — 

Welche  vergleich.-morphol.  Bedeutung  kommt  diesem  Gebilde 
zu?  —  Es  liegt  im  Bereiche  des  9.  S.  — ■  Da  ich  aber  die  Elemente 
des  9.  S.  bereits  nachgewiesen  habe,  kann  es  keine  Platte  desselben 


168       Dr.  Carl  Verhoeff;    Vergieiclieucle  Morphologie  des  Abdomens 

sein.  Auch  die  Elemente  des  8.  S.  sind  alle  vorhanden.  Es  hat 
überhaupt  nicht  die  Form  einer  Segmentplatte,  und  seine  Lage  um 
die  Vaginalmündung,  verbunden  mit  dem  paarigen  Bau  weist  uns 
nothwendig  auf  die  bei  vielen  anderen  Insektenklassen  vorkommenden 
Ovipositoren  hin.  Solche  sind  mir  sonst  von  Coleopteren  (aus- 
genommen die  Dytiscinae)  nicht  bekannt.  Da  sie  indessen  den 
meisten  andern  Insekten  und  zvt^ar  besonders  auch  den  niederen 
Klassen  zukommen  und  schon  bei  einem  Theil  der  Thysanuren 
angetroffen  werden,  so  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  die  Vorläufer 
der  Coleopteren  auch  Ovipositoren  besassen,  dass  dieselben  aber 
allmählig  verloren  gingen  und  sich  heute  nur  noch  bei  wenigen 
Formen  in  Resten  erhielten,  wie  im  vorliegenden  Falle.  —  Die 
obigen  Gebilde  erkläre  ich  somit  als  rudimentäre  Ovipositoren.  — 

Malachius. 

Wir  treten  hiermit  in  eine  Gruppe  ein,  welche  von  den  vorigen 
Gattungen  sehr  abweicht. 

S  bipustulatus.  Nachdem  man  mit  einem  Sagittalschnitt, 
entweder  durch  die  D.  oder  die  V.  oder  eine  der  Pleurenhäute,  die 
S.  aufgetrennt  und  sie  übersichtlich  in  eine  Ebene  ausgebreitet  hat, 
constatirt  man  leicht  das  Vorkommen  von  nur  7  Stigmenpaaren, 
deren  erstes  den  mehr  als  doppelten  Durchmesser  der  folgenden 
hat.  Die  St.  liegen  alle  in  der  Pleurenhaut,  da  PL  fehlen  und 
zwar  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  den  zugehörigen  D.  und  V. 
und  deren  Vorderrändern  mehr  als  den  Hinterrändern  genähert.  Es 
fällt  auf,  dass  an  den  durch  die  St.  leicht  markirten  7  ersten  Abd. 
S.  vor  der  7.  V.  nur  noch  vier  V.  liegen,  während  an  der 
Dorsalseite  die  D.  von  hinten  nach  vorne  allmählig  an  Grösse  ab- 
nehmen. Wir  erkennen  aus  dem  Gesagten,  dass  die  2.  V.  voll- 
ständig fehlt,  im  Gegensatze  zu  allen  vorher  besprochenen  Gatt.  — 
Das  gilt  aber  ebenso  für  alle  noch  folgenden  Gatt.  Reste  der  2.  V. 
sind  auch  nicht  vorhanden. 

Der  Vorderrand  der  3.  V.  ist  stark  ausgebuchtet,  sodass  die 
Vorderecken  etwas  vortreten.  Die  3.  V.  ist  5  mal  breiter  als  lang, 
die  4.  und  5.  V.  sogar  6  mal,  die  6.  V.  5  mal,  die  7.  V.  fast  4  mal. 
Ganz  anders  gestaltet  ist  die  8.  V.  (Fig.  30).  Der  Vorderrand  hat 
eine  tiefe  Bucht,  wodurch  die  Ecken  in  spitze  Zipfel  vortreten,  in 
der  Mitte  des  Hinterrandes  findet  sich  ein  sehr  tiefer,  winkhger 
Ausschnitt,  wodurch  die  Platte  fast  in  2  Theile  getheilt  wird.  Die 
Hinterecken  neben  dem  Einschnitt  springen  nach  oben  in  ein 
Zäpfchen  (a)  vor.  Die  Seiten  sind  gerundet,  die  ganze  Platte  ist 
wenig  breiter  als  lang.  Die  8.  D.  ist  etwas  länger  als  breit,  sie 
verschmälert  sich  allmähhg  nach  hinten  zu  und  zeigt  eine  kleine 
Einbuchtung  an  dem  sonst  fast  geraden  Hinterrande  (Fig.  32  und  33). 
Von  den  Seitenecken  des  leicht  eingebuchteten  Vorder randes  ent- 
springen kräftige  Fortsätze,  welche  die  halbe  Länge  der  Platte 
erreichen.  Sie  legen  sich  an  die  Zipfel  der  8.  V.  und  ermöglichen, 
dass    sich    beide    Platten    gelenkig    gegen   einander  bewegen.     Die 


(1.  inämiliclien  u.  weiblichen  Lampyriden,  Cantharideii  u  Malachiiden.     169 

3. — 7.  V.  sind  braun,  nach  der  Mitte  zu  etwas  heller,  die  8.  D, 
und  Y.  braunschwarz,  letztere  in  der  Mitte  viel  heller.    Die  7.  und 

6.  D.  sind  dunkelbraun  pigmentirt,  ziemlich  rechteckig,  die  7.  D. 
3  mal,  die  6.  D.  4  mal  breiter  als  lang.  Die  5.,  braune  D.  ist  noch 
so  breit  wie  die  6.,  aber  die  Seitenbegrenzungen  schon  etwas 
unregelmässig.  Etwas  schmaler,  heller  und  an  den  Seiten  noch 
mehr  unterdrückt  ist  die  4.  D.  Die  3.  und  2.  D.  sind  rudimentär, 
die  1.  ist  sogar  in  Wegfall  gekommen.  Die  3.  D.  ist  noch  als  ein 
rundlicher  Fleck  erhalten,  von  dem  vorne  nach  jeder  Seite  ein 
unregelmässiger  Wisch  abgeht. 

Auch  von  der  2.  D.  ist  noch  ein  rundlicher,  medianer  Fleck 
erhalten,  aber  kleiner  als  der  der  3.  D.  und  getrennt  davon,  etwas 
weiter  nach  vorne  stehen  aussen  jederseits  2  dunkle  Querstreif chen. 
An  Stelle  der  1.  D.  findet  sich  eine  ihren  Raum  einnehmende,  breite, 
glashelle  uud  strukturlose  Haut,  in  welcher  aber,  als  letzte  An- 
deutung einer  dagewesenen  Platte,  noch  jederseits  2  Tastborsten 
symmetrisch  angeordnet  sind.  Auch  die  Haut,  welche  den  übrigen 
Raum,  in  welchem  die  2.  und  3.  D.  entwickelt  sein  müsste,  einnimmt, 
ist  strukturlos.  Nur  auf  den  geschilderten  Rudimenten  stehen  einige 
zerstreute,  feine  Tastborsten.  Auf  den  Pleurenhäuten  stehen  zahl- 
reiche Haut.,   auf   den  Zwischenhäuten    sind  sie  nur  zwischen   der 

7.  und  6.  und  6.  und  5.  D.  vorhanden,  sonst  äusserst  winzig,  oder 
sie  fehlen  auch. 

Die  Platten  besitzen  eine  feine,  runzelig -zelHge  Skulptur.  An 
den  meisten  D.  finden  sich  nur  w^enige  Tastborsten.  Sie  werden 
an  der  6.  D.  reichhcher  und  stehen  auf  der  7.  D.  sehr  dicht.  Dazu 
kommen  noch  sehr  lange  schwarze  Borsten  an  der  8.  D.  Solche 
besonders  lange  Borsten  finden  sich  auch  an  den  Seiten  der  V., 
wobei  sie  jedoch  auf  den  vorderen  Platten  immer  schwächer  an- 
getroffen werden.  Im  Uebrigen  sind  die  3.  —  8.  V.  sehr  reichlich 
mit  Tastborsten  versehen,  und  kurze  und  lange  stehen  durcheinander 
gemengt.  Haut,  finden  sich  weder  auf  D.  noch  V.,  auch  nicht  am 
Hinterrande  der  7.  und  8.  D. 

Mos.  kommen  vor,  aber  die  Zellen  sind  nicht,  w^ie  ich  das 
von  Lj'gistopterus  und  anderen  schilderte,  durch  dunkle  Bälkchen 
von  einander  getrennt,  sie  erscheinen  auch  nie  polygonal,  sondern 
zwischen  den  einzelnen  runden  Zellen  von  schwarzer,  brauner,  röt- 
licher oder  gelblicher  Farbe  finden  sich  erhebliche  Zwischenräume. 
Es  würde  mich  zu  weit  führen,  ganz  genau  auf  die  Vertheilung  der 
Mos.  einzugehen,  es  sei  nur  erwähnt,  dass  sie  am  Vorderrande 
mehrerer  V.  und  als  rundliche  Häufchen  an  verschiedenen  D.  vor- 
kommen. In  den  Rudimenten  der  2.  D.  fehlen  sie,  sind  aber  an 
der  3.  D.  noch  bemerkbar.  —  Dorsaldrüsen  fehlen.  — 

Sehr  eigenthümlich  ist  die  Gestaltung  des  9.  S.  (Fig.  31).  Eine 
eigentliche  9.  D.  fehlt,  ebenso  eine  typische  9.  V.  Dagegen  findet 
sich  ein  Gebilde,  das  ich  Trapez  nenne  und  das  wir  als  eine  Ver- 
schmelzung der  9.  D.  und  V.  anzusehen  haben.  Es  ist  eine  zarte, 
graue  bis  braune  Platte,  welche  schräg  liegt  und  von  unten  vorne 


170       Dl'-  Cai-1  Verhoeff:    Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

nach  oben  und  hinten  läuft.  Der  vordere  Theil  ist  ungefähr  vier- 
eckig ,  aber  von  den  Hinterecken  des  Vierecks  ragen  nach  hinten 
convergirende  Fortsätze,  welche  dunkler  gefärbt  sind  als  das  übrige 
Trapez,  in  der  Mitte  sich  verschmälern  und  nach  hinten  wieder 
verbreitern. 

Borsten,  Haut,  und  Poren  fehlen  dem  Trapez;  nur  am  Ende 
der  Fortsätze  stehen  2  kleine  Poren  dicht  bei  einander.  Von  der 
Basis  der  Fortsätze  zieht  sich  in  den  Plattentheil  jederseits  eine  sehr 
feine  Naht,  w^elche  wahrscheinlich  den  Rest  einer  Verwachsungs- 
falte zwischen  der  9.  V.  und  D.  vorstellen.  Jedenfalls  repräsen- 
tiren  die  Fortsätze  die  Reste  einer  zweitheiligen  9.  D.,  der  Platten- 
theil des  Trapezes  hauptsächlich  die  9.  V.,  in  deren  Mediane  auch 
noch  eine  feine  Naht  hinzieht,  welche  den  Vorderrand  nicht  erreicht, 
sondern  vor  demselben  seithch  zu  den  Nebenlinien  abbiegt.  Ueber 
dem  Trapez  lagern:  Die  Copul.-Org.  (Fig.  33).  Die  Pa.  sind  von 
einfachem  Bau,  aber  mit  einander  verwachsen  (Fig.  28).  Auch 
ihnen  fehlen  Borsten  und  Drüsenporen  vollständig.  Sie  sind  braun 
pigmentirt.  Wir  müssen  an  ihnen  die  Arme  und  den  Ring  unter- 
scheiden. Durch  den  Ring  läuft  der  P.  hindurch.  An  ihn 
setzen  sich  die  Arme  als  Fortsätze  nach  hinten  in  einem  Gusse  an. 
Die  Arme  sind  ungefähr  so  breit  wie  der  Ring,  convergiren  nach 
hinten  zu  und  verschmelzen  an  ihrem  Ende  mit  einander.  Die 
Pa.-Arme  liegen  durchaus  dorsal  vom  P.  — 

Der  P.  hat  die  Gestalt  einer  unten  etw^as  concaven  Röhre 
(Fig.  29)  und  krümmt  sich  vorne  ein  wenig  herab.  Der  d.  ej.  tritt 
von  unten,  etwas  hinter  dem  Vorderende  in  den  P.  ein  und  mündet 
dicht  vor  der  von  Drüsenporen  durchsetzten  Spitze.  Lmerhalb  des 
P.  erweitert  er  sich  zu  einem  mit  spitzen  Stacheln  reichlich  besetzten 
Praep.  — 

?  viridis.  Die  7  ersten  S.  sind  denen  von  bipust.  <$  äusserst 
ähnlich.  Die  4.  D.  ist  aber  noch  kleiner,  bildet  ein  braunes  Drei- 
eckchen vor  der  5.  D.  und  von  der  3.  und  2.  D.  sind  nur  einige 
rötlichgelbe  Mos.  erhalten,  sonst  findet  sich  eine  strukturlose  Haut. 
Ebenso  an  der  Stelle  der  fehlenden  I.D.,  auf  deren  früheres 
Vorhandensein  aber  auch  hier  noch  2  Borstenpaare  hinweisen. 
Die  7.  D.  ist  stark  doppelt  so  breit  als  lang,  trapezförmig.  — • 
Dorsaldrüsen  fehlen.  —  Die  Gestalt  der  8.  D.  ist  der  des  S  ähnlich, 
der  Vorderrand  ist  breit  winkelig  ausgeschnitten  und  die  Fortsätze 
sind  nur  halb  so  lang  als  beim  d,  artikuliren  aber  auch  hier  mit 
entsprechenden  Fortsätzen  am  Vorderrande  der  8.  V.  (Fig.  34).  Die 
8.  V.  bildet  etwa  ein  Dreieck  mit  abgestutzter  Spitze  und  tief  und 
breit  ausgebuchteter  Basis.  Die  Seiten  sind  ziemlich  gerade.  Vor 
der  8.  V.  findet  sich  ein  sie  an  Länge  um  das  Doppelte  über- 
treffendes Spie,  ventr.  Dieses  ist  von  der  Platte  durch  einen 
häutigen  Streifen  ganz  getrennt.  — 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Lanipyriden,  Cantharirten  u.  Mulachiiden.     171 

Die  9.  und  10.  D.  fehlen  als  solche.  Zwischen  den  gelenkig 
auf-  und  zuklappenden  Platten  des  8.  S.  kann  der  Legeapparat 
vorgestülpt  werden.  Derselbe  stimmt  mit  demjenigen  von  Lygi- 
stopterus  in  sofern  überein,  als  wir  an  ihm  auch: 

1.  Vorderröhre,  2.  Hinterröhre,  3.  einen  Plattenabschnitt 
unterscheiden  können,  auch  ferner  darin,  dass  am  Plattenabschnitt 
die  Hälften  der  9.  V.  mit  ihren  Styli  sitzen  und  Vorderröhre  plus 
Hinterröhre  die  kolossal  verlängerte  Zwischensegmenthaut  zwischen 
dem  8.  und  9.  S.  vorstellen.  Dass  der  Legeröhrenschlauch  in  seiner 
feineren  Struktur  von  dem  der  Lygist.  differirt,  kommt  bei  Be- 
urteilung der  Homologie  nicht  in  Betracht.  Es  ist  dagegen  sehr 
wichtig,  dass  in  der  Legeröhre  von  Malachius  und  Verwandten 
nicht  2,  sondern  4  (6)  Stütz stäbe  vorhanden  sind,  von  denen  die 
2  ventralen  aus  je  2  Stücken  bestehen  und  dass  alle  4  Stäbe  oder 
Radii  nach  vorne  (hier  sowohl  wie  bei  allen  folgenden  Gatt.) 
nie  über  die  Ringfalte  hinausragen,  während  die  2  Radii 
bei  Lygistopterus  sogar  noch  aus  der  Vorderröhre  Vor- 
schauen. 

Wir  können  daher  den  Legeapparat  von  Malachius  und  Ver- 
wandten, in  Bezug  auf  die  übereinstimmenden  Teile,  wohl  als  dem 
von  Lygist.  homodynam,  nicht  aber  in  toto  als  homolog  bezeichnen. 
(Beide  Legeapparate  entstanden  unabhängig  von  einander.)  Die 
Schlauchwandung  der  Vorderröhre  zeigt  (ebenso  wenig  wie  die 
Hinterröhre)  jene  bei  Lygist.  zu  beobachtende  Schildpattfelderung, 
vielmehr  ist  sie  bis  zur  Gegend  der  Ringfalte  allenthalben  mit  feinen 
Querringen  versehen  (Fig.  37/9),  hier  besonders  markirt  dadurch, 
dass  sich  sehr  feine  schwarze  Pigmentkörner  zu  Gürteln  an  ein- 
ander gelagert  haben.  Diese  sind  aber  nicht  immer  vorhanden 
(wenigstens  nicht  bei  einem  $  aus  Dalmatien),  und  dann  erkennt  man 
die  Ringelung  doch  ganz  deutlich  als  feine  dunkle  Gürtellinien,  Rinnen, 
zwischen  erhabeneren  Nebenstreifen  gelegen.  Am  Vorderende  der 
Vorderröhre  liegt  noch  ein  kleines,  halbkreisförmiges  Plättchen  «, 
an  dessen  Endrande  eine  Gruppe  kräftiger  Tastborsten  steht.  Dies 
ist  keine  besondere  Platte,  sondern  ein  von  der  nach  unten  und 
vorne  vortretenden  Duplicatur  der  8.  D,  abgelöstes  Stück.  — 
Hinter  der  Ringfalte  hört  die  Ringelung  vollständig  auf,  und  es 
befindet  sich  auf  der  Hinterröhre  eine  dichte  Anordnung  von  läng- 
hchen,  längs  gerichteten,  sehr  kleinen  Erhebungen,  in  welche  auch 
hier  sehr  feine  Pigmentkörnchen  eingelagert  sein  können  (Fig.  35 
links). 

Im  ganzen  Legeröhrenschlauche  finden  sich  weder  an  der 
Vorder-  noch  an  der  Hinterröhre  Tastborsten  oder  Sinnes-  oder 
Drüsengruben.  Am  Hinterende  findet  man  die  Hälften  der  9.  V., 
welche  etwa  doppelt  so  lang  als  breit  sind,  stumpfe  Kegel  vor- 
stellen und  gegen  die  Hinterröhre  durch  eine  Querfurche  abgesetzt 
sind.  Sie  schhessen  so  dicht  an  einander,  dass  sie  am  Grunde  nicht 
einmal  vollkommen  von  einander  getrennt  sind  und  damit  ist  auch 
gesagt,    dass    vom    Legeröhrenschlauche    sich    nichts    zwischen  die 


172       Dl".  Carl  Verhoeff:    Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Hälften  der  9.  V.  erstreckt.  Auch  in  ilinen  ist  kein  Pigment  ab- 
gelagert, ausser  den  feinen,  zerstreuten,  schwarzen  Körnchen,  welche 
sich  auch  in  der  Schlauchwandung  finden.  Dem  abgerundeten 
Ende  jeder  Hälfte  sitzt  ein  gelblicher  Stylus  auf,  welcher  sich  gegen 
das  Ende  hin  etwas  keulig  verdickt  und  dort  einige  kräftige  Tast- 
borsten trägt.  Eine  grössere  Anzahl  solcher  stehen  auf  dem  Hinter- 
rande jeder  Hälfte  der  9.  V.  Wie  schon  gesagt  befinden  sich  im 
Innern  der  Legeröhre  vier  Radii.  Wir  müssen  ein  dorsales  und 
ein  ventrales  Paar  unterscheiden.  Die  Vorderenden  beider  PtJare 
sind  an  die  Wandung  des  Legeröhrenschlauches  befestigt  und  zwar 
dicht  hinter  der  Ringfalte,  wo  sie  unverbreitert  enden.  Im 
Ganzen  behalten  die  bernsteingelben  Radii  ihre  Stärke  bei,  sie  ver- 
dicken sich  nur  wenig  nach  hinten  zu.  Die  dorsalen  Radii  ver- 
laufen gerade,  die  ventralen  sind  an  einer  Stelle  etwas  gebogen. 
Vom  Vorderende  jeder  Hälfte  der  9.  V.  entspringt  eine  Spange, 
welche  gekrümmt  ist,  eine  kurze  Strecke  in  die  Hinterröhre  hinein- 
ragt und  in  ihrer  vorderen  Partie  dicker  ist  als  die  Radii.  Ich 
nenne  sie  die  Hinterspangen.  An  das  vordere,  etwas  ausgetiefte 
Ende  derselben  setzen  sich  die  ventralen  Radii  gelenkig  an  (Fig.  35g). 
Die  dorsalen  Radii  reichen  nicht  soweit  nach  hinten,  sie  enden 
nämlich  noch  eine  Strecke  weit  v  o  r  der  SteUe ,  wo  die  dorsalen 
Radii  an  die  Hinterspangen  stossen  und  heften  sich  an  die  dorsale 
Wand  des  Legeröhrenschlauches.  Die  dorsalwärts  von  der  9.  V. 
gelegene  Vaginalmündung  wird  oben  von  einer  häutigen  Klappe 
bedeckt.  ■ —  (Im  Rectum  finde  ich  immer  Pollenkörnerschalen,  wie 
auch  bei  den  meisten  andern  Malacodermen.)  — 

Axinotarsus. 

Stimmt  im  Abdomen  im  Wesentlichen  mit  Malachius  überein. 

^  pulicarius.  Die  4.  und  5.  V.  welche  im  Uebrigen  braun  sind, 
haben  im  mittleren  Drittel  ihr  Pigment  fast  ganz  verloren,  sind 
aber  doch  nicht  eigenthch  zweitheilig,  da  der  Vorder-  und  Hinter- 
rand auch  in  der  Mitte  gut  abgegrenzt  ist  und  das  mittlere  Drittel 
ziemlich  reichhch  Tastborsten  aufweist.  Die  1.,  2.  und  3.  D. 
haben  auch  hier  ihr  Pigment  verloren  und  sind  in  strukturlose 
Häute  reducirt,  welche  aber  (wie  auch  bei  Malachius)  deutlich  durch 
Falten  von  einander  abgetrennt  geblieben  sind.  Die  1.  D.  ist  völlig 
verschwunden,  von  der  2.  und  3.  D.  sind  nur  jederseits  2 — 3  Mosaik- 
feldchen  erhalten  gebheben,  Tastborsten  fehlen.  —  Die  8.  D.  und  V. 
(cf.  Fig.  39)  sind  denjenigen  von  Malachius  sehr  ähnlich.  Dasselbe 
gilt  für  das  Trapez  (an  dem  die  Fortsätze  etwas  länger  sind)  und 
den  Copul.-Appar.,  in  welchem  der  P.  keinen  nennenswerthen 
Unterschied  von  Mal.  zeigt.  Die  Pa.  fallen  dadurch  auf  (Fig.  27), 
dass  die  Arme  viel  breiter  sind  als  das  Band  des  Ringes.  — 

Anthocomus. 
Diese  Gatt,  steht  den  beiden  vorigen  sehr  nahe  und  kann   ich 
mich  begnügen  die  wichtigeren  Differenzen  hervorzuheben. 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Lampyriden,  Cantharideu  n.  Malachiiden.     173 

3  fasciatiis.  Zeigt  sich  dadurch  niedriger  und  ursprünghcher, 
dass  die  3  ersten  D.  zwar  auch  kleiner  sind  als  die  nachfolgenden, 
aber  doch  noch  als  deutliche,  braune,  mit  feiner,  runzelig-zelliger 
Struktur  sowie  zerstreuten  Drüsenporen  und  einigen  Tastborsten 
versehene  Platten  vorhanden  sind.  Das  8.  S.  schliesst  sich  eng 
an  das  der  Malachien  an.  Der  Einschnitt  an  der  8.  V.  ist  sehr 
tief  und  eng,  die  Höcker  an  den  Ecken  neben  dem  Einschnitt  sind 
gerundet  lappenförmig.  Das  Trapez  (Fig.  44)  hat  dünne  und 
relativ  kurze  Fortsätze  und  ist  am  Vorder-  und  Hinterrand  aus- 
gebuchtet. Im  Uebrigen  erscheint  es,  wie  auch  sonst,  graubraun 
und  strukturlos.  Der  P.  (Fig.  43)  steht  dem  der  vorigen  beiden 
Gatt,  sehr  nahe.  In  der  Wandung  zieht  eine  schwarze,  stabförmige 
Verdickung.  Die  Zähne  des  Praep.  sind  recht  gross  und  spitz 
(Fig.  45),  die  Pa.-Anne  (Fig.  42)  haben  mit  dem  Ringbande  ungefähr 
gleiche  Breite.  Am  Hinterrande,  wo  sie  verschmolzen,  sind  sie 
schräg  abgestutzt.  Skulpturen  fehlen  ihnen  auch  hier;  an  Farbe 
sind  sie  ebenfalls  braun.  — 

Ebaeus. 

Stimmt  im  Wesentlichen  mit  Anthocomus  überein. 

$  thoracicus.  Die  Fortsätze  an  der  8.  D.  (Fig.  40)  sind  fast 
so  lang  als  diese.  Die  8.  V.  ist  fast  halbkreisförmig,  aber  breiter 
als  lang  (Fig.  38).  Das  Spie,  ventr.  ist  etwa  3  mal  so  lang  als 
die  Platte,  mit  dem  Vorderrande  derselben  nicht  verschmolzen, 
sondern  durch  Haut  etwas  von  ihr  getrennt,  aber  in  einer  Aus- 
buchtung des  Vorderrandes  sitzend.  Die  Legeröhre  ist  der  der  vorigen 
Gatt,  höchst  ähnlich.  Am  Vorderrande  der  gut  ausgebildeten  2.,  3. 
und  4.  D.  findet  sich  jederseits  ein  bräunlicher  Streifen  mit  emem 
Mos.,  den  ich  nicht  mehr  als  Rest  eines  Complementärsegmentes  be- 
zeichnen kann,  da  er  durch  keine  Falte  von  den  betreffenden 
Platten  getrennt  ist.   — 

Charopus. 

Steht  den  Gatt.  Anthocomus  und  Ebaeus  sehr  nahe. 

(^  flavipes.  Die  1. — 4.  D.  sind  gut  ausgeprägt  und  stehen 
auch  an  Grösse  den  folgenden  wenig  nach,  sodass  wir  Charopus 
in  dieser  Beziehung  in  der  Malachien-Reihe  als  Anfangsform  be- 
trachten müssen.  Sowohl  D.  als  V.  zeichnen  sich  durch  zierliche 
und  sehj-  deutliche,  zellige  Struktur  aus.  Haut,  finden  sich  in 
zierlicher  Anordnung  an  den  Häuten  zwischen  den  D.,  nicht  zwischen 
den  V.  —  Die  8.  V.  erinnert  sehr  an  diejenige  von  Malachius, 
ebenso  die  8.  D.,  doch  erreichen  die  Fortsätze  an  den  Vorderecken 
nur  Vs  der  Plattenlänge.  Das  Trapez  ist  ebenfalls  dem  von  Malachius 
sehr  ähnlich.  Am  Ende  jedes  Fortsatzes  finden  sich  3  Drüsenporen. 
Der  P.  ist  dem  von  Anthocomus  bis  fast  zur  Uebereinstimmung 
ähnlich.  Der  Praep.  zeigt  eine  deuthche  Bewehrung  von  Zähnchen. 
Die  Pa.   (Fig.  41)  haben   ganz   den  Typus   der  vorigen   Gattungen. 


174       Dl'-  Carl  Verlioeff:    Vergleicliende  Morphologie  des  Abdomens 

Am  Ende  sind  sie  gerundet  und  in  einander  vorschmolzen,  die 
Arme  kaum  breiter  als  das  Ringband.  Auch  hier  sind  sie  struktur- 
und  borstenlos,  graubraun.  — 

Dasytes. 

3  plumbeus.  Die  V.  sind  dunkelbraun,  die  D,  hellgraubraun 
pigmentirt,  erstere  wesentlich  kräftiger  als  die  letzteren.  Die  1.  und 
10.  V.  fehlen.  Die  2.  V.  fehlt  ebenfalls.  Die  3.  V.  ist  aber  recht 
gross ,  doppelt  so  breit  als  lang  und  1 V2  mal  länger  als  die  nach- 
folgende 4.  V.  An  der  3.  V.  ist  ein  vorderes,  zweilappiges  Stück, 
welches  viel  kleiner  ist  als  die  übrige  Platte,  durch  eine  Kante 
gegen  diese  abgesetzt.  Dieses  2-lappige  Stück  stellt  ein  Ventral- 
phragma  dar.  Es  steht  schräg  nach  oben  und  bildet  jederseits 
eine  Grube  und  eine  Hinterwand  für  die  Hinterhüften.  Die  4.  und 
5.  V.  sind  3  mal,  die  6.  V.  2V4mal,  Die  7.  V.  2V2  mal  breiter  als 
lang.  Die  D.  sind  so  lang,  aber  schmäler  als  die  V.  Die  2.  und 
3.  D.  sind  zusammen  so  lang  als  die  3.  V. 

Die  braunschwarze  8.  D.  von  halbkreisförmiger  Gestalt  besitzt 
auch  hier  an  den  Vorderecken  kräftige  Fortsätze,  welche  aber  nur 
^/4  ihrer  Länge  erreichen. 

An  der  braunen  8.  V.  (Fig.  48),  welche  die  Gestalt  einer  Mond- 
sichel aufweist,  ist  der  Vorderrand  ausgebuchtet,  tritt  an  den 
Vorderecken  spitz  vor  —  (und  vermittelst  dieser  Spitzen,  welche 
sich  an  die  Fortsätze  der  8.  D.  anschliessen,  artikuliren  beide  Platten 
gegen  einander)  —  und  in  der  Mitte  in  ein  Spie,  ventr.,  welches  mit 
der  Platte  in  einem  Guss  verschmolzen  ist,  braunschwarz  gefärbt 
und  so  lang  wie  die  Platte  selbst.  Diese  ist  in  der  Mitte  des 
Hinterrandes  eingebuchtet  und  die  Bucht  erscheint  dadurch  noch 
grösser,  dass  vor  ihr  in  einem  kleinen  Bezirk  die  Pigmentirung  fehlt 
nnd  diese  Stelle  häutig  geworden  ist.  Die  8.  V.  ist  reichlich  be- 
borstet und  am  Hinterrand  stehen  jederseits  mehrere  sehr  starke 
und  lange,  schwarze  Borsten.  Letztere  sind  an  der  8.  D.  noch 
zahlreicher  und  diese  ist  im  Uebrigen  auch  mit  kürzeren  Borsten 
reichlich  besetzt. 

Eine  ähnliche,  aber  nicht  so  tiefe  Ausbuchtung  wie  am  Hinter- 
rande der  8.  V.  findet  sich  auch  in  der  Mitte  des  Hinterrandes  der 
7.  V.  Die  übrigen  V.  sind  auch  reichlich  beborstet  und  es  stehen 
im  hinteren  Bezirk,  besonders  an  den  Hinterecken  der  5.,  6.  und  7,  V. 
ebenfalls  grosse,  schwarze,  gebogene  Tastborsten.  Auf  der  1. — 7.  D. 
fehlen  die  Borsten,  nur  wenige,  winzige  finden  sich  an  der  6. 
und  7.  An  diesen  beiden  Platten  steht  auch  jederseits  vor  dem 
Hinterrande  ein  heller,  pigmentloser  Fleck.  Auf  den  D.  finden 
sich  auch  sehr  zerstreute,  feine  Drüsenporen.  Haut,  fehlen  den  V. 
vollständig.  Auf  den  D.  bilden  sie  am  Hinterrande  der  6.  und  7.  D. 
einen  dichten  Besatz.  Sonst  finden  sie  sich  noch  über  die  ganze 
7.  D.  zerstreut,  im  Hinterdrittel  und  in  der  Mediane  der  6.  und  in 
der  Mediane  der  5.  D.  Besonders  dicht  und  auffallend  stehen 
sie  auf  den  hellen  Flecken  der  6.  und  7.  D.     Den  Zwischen- 


d.  mämiliclieu  u,  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     175 

häuten  der  V.  und  D.  fehlen  die  Haut.,  dagegen  finden  sie  sich  auf 
den  Pleurenhäuten ,  welche  hellbraun  pigmentirt  sind  und  daher 
wenig  gegen  die  D.  abstechen.  Man  kann  aber  von  PI.  nicht  reden.  — 
Die  Stigmen  liegen  in  7  Paaren  am  1. — 7.  S.,  auf  der  Grenze  von 
D.  und  Pleurenhaut.  Am  8.  S.  fehlen  die  St.  Am  7.  S.  liegen 
sie  hart  am  Rande  der  D.  — 

Auf  den  V.  findet  man  eine  zierliche  Querfelderung.  Auf  den 
D.  ist  dieselbe  ^del  schwächer  ausgebildet.  In  den  D.  lagern  ausser 
der  diffusen,  bräunlichen  Pigmenth-ung  noch  sehr  winzige,  schwarze 
Körnchen.  Mos.  finden  sich  auf  den  V.  nur  an  der  3.  V.  in  einem 
Paare  als  Querhaufen,  hinter  der  Kante  gelegen,  welche  das  Ventral- 
phragma  absetzt.  Auf  den  D.  smd  sie  zahlreicher,  wenigstens  auf 
den  mittleren  Platten,  am  Vorderrande  als  quere  und  in  der  Platte 
als  rundliche  Gruppen  vertheilt.  Die  einzelnen  Zellen  sind  auch 
hier  bräunliche  Flecke  von  rundlicher  Form.  —  Die  9.  und  10.  D. 
fehlen.  — 

Die  9.  V.  (Fig.  49)  zeigt  keine  Plattenform  mehr,  sie  ist  zu 
einer  Ringspange  umgewandelt,  welche  sich  von  vorne  nach  hinten 
allmählig  verdünnt,  hinten  klafft  und  vorne  in  ein  Spie,  gastrale 
ausläuft,  das  etwas  länger  ist  als  der  Ring  und  grösstentheils  sich 
als  aus  2  Spangen  (den  Fortsetzungen  des  Ringes)  verschmolzen 
zu  erkennen  giebt.  —  Die  Copul.-Org.  weichen  von  denen  der 
vorhergehenden  Gatt,  erheblich  ab,  stehen  aber  denen  der  nach- 
folgenden Gatt,  äusserst  nahe. 

Besonders  bemerkenswerth  ist  die  Aehnlichkeit  der  Pa.  mit 
denen  der  Cerambo-Chrysomeloidea^)  und  dieselbe  harmonirt  mit 
der  Aehnlichkeit  in  der  9.  V.  ■ —  Ich  charakterisirte  diesen  Pa.-Typus 
1.  c.  S.  141  als:  „Verwachsen,  dorsal,  mit  Ringbogen  oder  Schenkel- 
bogen". —  An  den  Pa.  von  Dasytes  (Fig.  50),  welche  im  Ganzen 
eine  gestreckte  Ellipse  vorstellen,  lassen  sich  unterscheiden: 

1.  Die  Schenkelplatte,  2.  die  Oberplatte,  3.  die  Oeffnung, 
welche  beide  trennt. 

Durch  diese  Oeffnung  läuft  der  P.  hindurch,  sodass  die  Pa. 
also  dorsal  und  ventral  desselben  mit  einander  verwachsen  sind 
und  um  ihn  einen  ovalen  Ring  bilden.  Die  Schenkelplatte  hegt 
ventral,  die  Oberplatte  dorsal  vom  P.  Beide  werden  verbunden 
durch  die  Schenkelspangen,  welche  am  ganzen  äusseren  Rande 
der  verwachsenen  Pa.  von  oben  bis  unten  entlang  laufen,  als  die 
verdickten  Ränder.  Die  Schenkelplatte,  welche  ganz  strukturlos 
ist,  tritt  nach  unten  in  einen  3-eckigen  Zipfel  vor.  An  der  Ober- 
platte spricht  sich  die  Entstehung  aus  paarigen  Organen  noch 
darin  aus,  dass  sie  nach  oben  in  2  abgerundete  Vorsprünge  vortritt. 

Auf  jedem  derselben  stehen  5 — 6  kräftige,  bernsteingelbe,  in 
weiten  Sinnesgruben  inserirte  Tastborsten  und  unter  denselben 
mehrere  Drüsenporen. 


1)  cf.    Vergleich.  Uutemich.  über  ^  Coleopt.  Fig.  93,  98,  110,  120. 


176       Dr.  Carl  Verhoeff:   Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Der  P.  (Fig.  11)  ist  ein  bernsteingelbes  Rohr,  dessen  hintere 
Hälfte  gegen  die  vordere  fast  um  einen  rechten  Winkel  geknickt 
ist.  Das  Ende  verbreitert  sich  wenig  und  läuft  in  eine  3-eckige 
Spitze  aus.  Auf  der  Oberseite  befindet  sich  eine  nach  hinten  tiefer 
werdende  Rinne  und  an  deren  Ende  mündet  der  grosse  Praep.  des 
d.  ej.,  dessen  Wandung  weiter  vorn  so  kolossale,  gebogene  und 
schwärzliche  Zähne  trägt,  wie  sie  mir  sonst  von  keinem  Käfer 
bekannt  sind.  Solcher  Zähne  finde  ich  28  —  30.  Sie  haben  die 
Form  von  Rosendornen  und  sind  im  Innern  hohl.  Von  unten  be- 
trachtet erscheint  die  Basis  oval  bis  langgestreckt-oval.  Vor  den 
grossen  Zähnen  finden  sich  noch  einige  kleinere.  Nach  hinten  zu 
ist  der  Praep.  strukturlos.  — 

$  plumbeus.  Die  7  ersten  S.  stimmen  mit  denen  des  <$  über- 
ein, ebenso  die  8.  D.  Die  8.  V.  (Fig.  46)  gleicht  auch  der  des  (^ 
ausserordentlich.  Die  Einbuchtung  am  Hinterrande  ist  aber  schärfer 
und  die  Beborstung  noch  reichlicher.  Sehr  verschieden  ist  das 
Spiculum  ventrale.  Es  hängt  mit  der  Platte  nicht  mehr  eng  zu- 
sammen, sondern  ist  nur  noch  häutig  mit  ihr  verbunden.  Seine 
Länge  ist  eine  bedeutende,  sie  übertrifft  die  der  Platte  um  das 
Vierfache.  — 

Der  Legeapparat,  (dessen  Ende  zur  Hälfte  in  Fig.  47  dar- 
gestellt ist)  schliesst  sich  sehr  eng  an  den  der  Malachien  an.  Als 
Unterschiedliches  kann  ich  nur  erwähnen,  dass  die  Hinterspangen 
länger  sind,  dünner,  gleichbreit  bleiben  und  stärker  gebogen  sind. 
Die  Radii  reichen  auch  hier  bis  zur  Ringfalte,  aber  die  dorsalen 
erstrecken  sich  viel  weiter  nach  hinten,  nämHch  fast  bis  ans 
Ende  der  Legeröhre.  Die  Skulptur  des  Legeröhrenschlauches  ist 
eine  deutlichere,  die  Ringelung  der  Vorderröhre  eine  sehr  aus- 
geprägte. Auf  der  Hinterröhre  findet  sich  eine  höchst  zierliche, 
bienenwabenartige,  regelmässige  Felderung  durch  polygonale  Zellen- 
struktur. 

Die   9.  V.   trägt  zerstreute    Tastborsten    und    Drüsenporen.   — 

Danacaea. 

Steht  der  vorigen  Gatt,  recht  nahe. 

^  pallipes.  Die  Felderstruktur  der  D.  ist  sehr  deutlich  und 
zierlich,  die  Beborstung  der  V.  sehr  dicht.  Ein  höcht  dichter 
Saum  von  Haut,  steht  auch  hier  am  Hinterrande  der  6.  und  7.  D., 
weniger  dicht  auch  an  der  5.  D.  Besonders  auffällig  ist  es,  dass 
auch  hier  vor  dem  Hinterrande  der  6.  und  7.  D.  jederseits  ein 
heller  Fleck  steht  und  gerade  auf  diesem  wieder  dichtgedrängt  die 
Haut.,  welche  aber  im  Uebrigen  diesen  Platten  vollständig  fehlen.  - — 

Die  braune  8.  D.  ist  fast  doppelt  so  breit  als  lang  und  vorne 
in  Fortsätze  verlängert,  welche  ^/g  ihrer  eigenen  Länge  erreichen. 
Die  braune  8.  V.  ist  sehr  kurz,  sichelförmig  (Fig.  14),  in  der  Mitte 
des  Hinterrandes  leicht  ausgebuchtet,  sonst  reich  beborstet.  Das 
Spie,  ventrale  ist  2^/2  mal  so  lang  als  die  damit  verwachsene  8.  V. 
Ueber  ihr  liegt  die   3  armige  9.  V.,  welche  derjenigen  von  Dasytes 


d.  rfiäiinliclien  ii.  weiblichen  Lampyriden,  Cantharideu  u.  Malachiiden.     177 

im  Bogen  und  dem  davon  abgehenden  Spie,  gastrale  sehr  ähnlich 
ist,  besitzt  jedoch  als  Besonderheit  am  Hinterrande  noch  einen 
bandartigen  Rest  des  eigentlichen  Plattentheiles,  welcher  den  Bogen 
hinten  zu  einem  Kreise  schliesst  und  mit  Tastborsten  besetzt  ist. 
(Fig.  U.) 

Die  9.  und  10.  D.  fehlen  ebenso  wie  die  1.,  2.  und  10.  V. 
Die  Pa.  (Fig.  13)  sind  nach  demselben  Typus  gebaut  wie  die  von 
Dasytes.  Die  Oberplatte  ist  jedoch  nicht  in  2  Lappen  vorgezogen, 
sondern  einfach  abgerundet  und  auf  dem  oberen  Rande  stehen  in 
symmetrischer  Anordnung  4  starke  Tastborsten.  Die  Oeffnung 
ist  nicht  rund  sondern  länglich  und  macht  unten  eine  Einbuchtung 
in  die  Schenkelplatte.  Oben  ragt  in  sie  ein  Lappen  von  der  Ober- 
platte hinein.  — 

Der  P.  (Fig.  12)  ist  (wie  bei  Dasytes)  gekrümmt,  am  Vorder- 
ende angeschwollen.  Am  Hinterende  läuft  er  in  2  laterale,  lang 
dreieckige  Spitzen  aus,  zwischen  denen  der  Praep.  mündet.  Letzterer 
entbehrt-  der  Riesenzähne.  Er  besitzt  nur  vorne  ventralwärts  eine 
Gruppe  kleiner,  blasser  aber  spitzer  Zähnchen  und  dahinter  in 
grösserer  Ausdehnung  einen  Besatz  von  stumpfen  Papillen.  — 
Drüsenporen  fehlen  am  Cop.-App.  ganz.    — 

Dolichosoma. 
S  lineare.  Die  Segmentplatten  erinnern  sehr  an  diejenigen 
von  Dasytes,  sind  aber  im  Ganzen  schmäler,  wie  ja  diese  Thiere 
überhaupt  schmal  gebaut  sind.  Die  3.  V.,  welche  so  lang  ist  wie 
die  2.  und  3.  D.  zusammen,  ist  wenig  breiter  als  lang.  Ihre  vordere 
Partie  bildet  wieder  ein  Ventralphragma.  Die  4. — 7.  V.  sind 
2V4  — 2V.inial  breiter  als  lang.  Die  entsprechenden  D.  haben  gleiche 
Länge  aber  geringere  Breite.  Die  D.  sind  auch  hier  zarter  und 
heller  als  die  V.,  letztere  aber  noch  immer  sehr  deutlich  durch 
Zwischenhäute  von  einander  getrennt,  sodass  es  nicht  zur  Bildung 
eines  Ventralbeckens  kommt.  Die  dunkelbraune  8.  D.  ist  lV2nial 
breiter  als  lang,  sehr  stark  beborstet,  auch  mit  schwarzen  Gross- 
borsten versehen.  An  den  Vorderecken  fehlen  die  Fortsätze  nicht, 
sie  sind  nur  halb  so  lang  als  die  Platte  und  haben  eine  lappen- 
artige, starke  Verbreiterung  erfahren,  sodass  sie  wie  gestielte  Läppchen 
erscheinen.  Die  8.  V.  stimmt,  abgesehen  von  der  etwas  schwächeren 
Beborstung,  mit  der  von  Dasytes  überein,  nur  ist  das  Spie,  ventrale 
kürzer  als  die  Platte.  Die  9.  V.  stimmt  ebenfalls  mit  der  von 
Dasytes  überein,  nm-  sind  die  einzelnen  Spangen  dicker.  Die 
7  Stigmenpaare  liegen  in  der  hellen  Pleurenhaut  vom  1.— 7.  S. 
Am  8.  S.  fehlen  auch  hier  die  St.  Die  V.  sind  stark  beborstet, 
die  D.  unbeborstet.  Ausserdem  stehen  zahlreiche,  schwarze  Gross- 
borsten auf  den  V.,  mit  Ausnahme  der  3.  Man  findet  eine  Gruppe 
derselben  in  der  Mitte  des  Hinterrandes  der  4.,  5.  und  6.  V.  An 
der  6.  V.  ist  die  stärkste  Gruppe.  Hier  erreichen  einige  Borsten 
eine  solche  Mächtigkeit,  dass  man  sie  dolchförmig  nennen  kann. 
Es    findet  sich  übrigens   eine    kleine   Ausbuchtung  am  Hinterrande 

Aich.  f.  Naturgesch.  Jalirg.  1894.  Bd.  I.  U.  2.  12 


178       Dl".  Carl  Vei'hoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

der  6.  V.,  um  welche  die  Stacheln  in  2  Gruppen  stehen,  eine  eben- 
solche Ausbuchtung  an  der  7.  V.,  aber  dort  stehen  nur  wenige 
Grossborsten.  Haut,  fehlen  auf  den  V.  und  allen  Zwischenhäuten, 
auf  den  Pleurenhäuten  sind  sie  reichhch  vorhanden.  üeber  die 
zellenartige  Platten skulptur  gilt  das  bei  Dasytes  Gesagte.  Mos.  sind 
in  wenigen  Resten  bemerkbar.  —  Interessant  ist,  dass  Haut,  wieder 
nur  am  Hinterrande  der  7.  D.  vorkommen  und  davor  jederseits  ein 
heller  Fleck  steht,  der  dicht  mit  Haut,  besetzt  ist.  Auf  der  6.  D. 
fehlt  dergleichen.  Sonst  fehlen  den  D.  überhaupt  die  Haut.  Auf 
der  7.  D.  stehen  vereinzelt  sehr  kurze  Tastbörstchen,  — 

Die  Pa.  stimmen  mit  denen  von  Dasytes  fast  ganz  überein, 
doch  stehen  auf  jeder  Yorwölbung  der  Oberplatte  nur  4  starke, 
gelbe  Tastborsten,  darunter  auch  hier  einige  Drüsenporen.  —  Die 
Oeffnung  ist  mehr  oblong.  Der  P.  hat  dieselbe  Gesammtfigur 
wie  bei  Dasytes,  nur  die  Endigung  ist  etwas  anders  geformt.  In 
der  Endhälfte  finden  sich  einige  zerstreute  Drüsenporen.  Am  Praep. 
kommen  auch  hier  die  schwarzen  Riesenzähne  vor,  aber  sie  sind 
bedeutend  zahlreicher  und  zwischen  ihnen  stehen  zerstreut  noch 
ganz  winzige  Zähnchen.  Nach  hinten  zu  nehmen  die  Riesenzähne 
an  Grösse  ab  und  werden  aUmählig  mehr  braun.  — 

?  lineare.  Die  V.  sind  denen  des  3  sehr  ähnlich,  doch  fehlen 
die  Ausbuchtungen  an  der  6.  und  7.  V.  Ebenso  fehlen  die  Stachel- 
borsten und  nur  wenige  gekrümmte  Grossborsten  sind  vorhanden. 
Die  D.  sind  viel  kleiner  als  beim  3,  aber  die  Pleurenheute  sehr 
breit.  Die  2. — 6.  D.  bilden  ungefähr  gleichseitige  Dreiecke,  deren 
abgerundete  Spitze  vorne  liegt.  Die  7,  D.  ist  die  grosseste,  sie  ist 
l^/omal  breiter  als  lang,  trapezförmig,  indem  die  Seiten  allmählig 
nach  vorne  convergiren.  Auf  der  1.^ — 6.  D.  stehen  nur  wenige  zer- 
streute Drüsenporen  und  ganz  vereinzelte,  kleine  Börstchen.  Grössere 
Tastborsten  fehlen,  doch  kommen  sie  an  jeder  Hinterecke  der  7.  D. 
in  einer  Gruppe  vor  und  sonst  zerstreut  auf  dieser  Platte.  Haut, 
fehlen  den  V.  Auf  den  D.  aber  sind  sie  wieder  in  einem  Saume 
am  Hinterrande  der  7.  D.  und  jederseits  vor  derselben  in  einem 
hellen  Gebiet  dicht  zusammengedrängt.  Vor  der  2.  D.  findet  sich 
ein  durch  eine  feine  Falte  von  ihr  abgesetzter,  brauner  und  schmaler, 
strukturloser  Complementärstreifen.  Mos.  finden  sich  neben  und 
vor  der  3.-6.  D.  —  Den  Zwischenhäuten  fehlen  Haut,  fast  ganz. 
Auf  den  Pleurenhäuten  sind  sie  auch  nur  schwach  vertreten.  Man 
findet  in  der  mittleren  Region  derselben  braune  Gebiete  (als  erste 
Anfänge  zu  PL),  auf  denen  statt  der  Haut,  warzige  Höckerchen  stehen. 

Die  Stigmen  lagern  in  der  Pleurenhaut,  am  1. — 7.  S,  Die 
St.  des  1.  S.  sind  nur  wenig  grösser  als  die  übrigen. 

Die  dunkelbraune  8.  D.  ist  IVgmal  breiter  als  lang,  fast  halb- 
kreisförmig, mit  geradem  Vorderrande.  Die  Vorderecken  springen 
in  kurze,  lappenartige  Fortsätze  vor.  Die  8.  D.  ist  sehr  reichlich 
mit  gelben,  etwas  keulenförmigen  aber  am  Ende  doch  zugespitzten 
Tastborsten  besetzt  und  am  Hinterrande  steht  eine  Gruppe  schwarzer 
Langborsten.     Im   Innern  der  gelben  Borsten   bemerke  ich  in   der 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Larapyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     179 

Achse  äusserst  winzige,  schwarze  Körnchen.  Die  8.  V,  ist  ebenso 
mit  zweierlei  Borsten  besetzt,  wenigen  längeren  schwarzen  und 
zahlreichen  gelben,  welche  kürzer  sind.  Sie  ist  auch  fast  halbkreis- 
förmig gerundet,  aber  kürzer  als  die  8.  D.,  doppelt  so  breit  als 
lang.  Der  Vorderrand  ist  leicht  zweimal  gebuchtet.  Am  Vorder- 
rande setzt  sich  ein  Spie,  ventrale  an,  welches  durch  Bindehaut 
ein  wenig  von  der  8.  V.  getrennt  ist.  Es  erreicht  1 V2  der  Länge 
der  Platte.  Ausser  der  1.,  2.  und  10.  V.  fehlen  auch  die  9.  und  10.  D. 
Der  Legeapparat  (Fig.  15)  ist  relativ  kurz,  gedrungen.  Im 
Uebrigen  schliesst  er  sich  aufs  Engste  an  denjenigen  der  vorher- 
gehenden Gatt.  an.  Die  Radii  dorsales  reichen  bis  gegen  den  Endrand 
der  die  Vulva  von  oben  bedeckenden,  häutigen  Klappe  und  ver- 
breitern sich  etwas  am  Ende.  Alle  4  Radii  heften  sich  mit  ihrem 
Vorderende  wieder  hinter  der  Ringfalte  an.  Die  Hinterspangen 
sind  gekrümmt  und  verbreitern  sich  ebenfalls  am  Ende,  mit  dem 
sie  innerhalb  der  9.  V.  liegen.  Letztere  besitzt  auf  der  Mitte  jeder 
Hälfte  eine  kräftigere,  sonst  viele  kurze  Tastborsten,  ausserdem 
einige  Sinnesgruben.  Die  dunkelbraunen  Styli  sind  bulbusförmig 
gestaltet,  sitzen  in  einer  Gelenkgrube  und  tragen  einige  kurze  aber 
dicke  Tastborsten.  Es  finden  sich  übrigens  auch  zu  Seiten  der 
Hinterröhre  einige  Sinnesgruben  mit  sehr  feinen  Tastbörstchen.  Die 
Hinterröhre  ist  dicht  mit  längHchen,  feinen  Wülsten  bedeckt,  die 
Vorderröhre  besitzt  die  geschilderte  Rmgelung. 

Psilothrix. 

(^  nobilisi).  Steht  den  vorigen  Gattungen  sehr  nahe.  Die 
V.  sind  ziemlich  reichlich  mit  gelblichen,  mittellangen  und  schwarzen, 
sehr  langen  und  gekrümmten  Tastborsten  besetzt.  Letztere  stehen 
besonders  an  den  Seitenrändern.  Die  7.  V.  hat  eine  tiefe  Bucht 
am  Hinterrande  und  jederseits  derselben  springt  sie  in  einen  ab- 
gerundet-dreieckigen Höcker  vor.  Auf  derselben  stehen  viele  schwarze 
Borsten.  Haut,  finden  sich  auch  hier  wieder  am  Hinterrande  der 
7.,  aber  auch  der  6.  D.  (ganz  wenige  auch  am  Hinterrande  der  5.) 
und  im  Bereiche  der  2  hellen  Fleckenpaare  vor  dem  Hinterrande 
dieser  Platten.  Mos.  fehlen  bis  auf  verschwindend  kleine  Spuren. 
Die  Zwischenhäute  entbehren  der  Haut.,  auf  der  Ventralseite  tragen 
sie  nur  winzige  dunkle  Pigmentkörnchen.  Die  Pleurenhäute  sind 
aber  reichlich  mit  spitzen,  kräftigen  Haut,  besetzt.  Die  St.  liegen 
in   7   Paaren  in   der  Pleurenhaut,   am  1. — 7,  S.,   am  8.  fehlen   sie. 

Die  dunkle  8.  D.  ist  so  lang  als  breit,  fast  halbkreisförmig, 
stark  beborstet.  In  der  Mitte  des  Hinterrandes  besitzt  sie  eine 
kleine  aber  ziemlich  tiefe,  gerundete  Einbuchtung.  Die  Vorderecken 
treten  in  kurze,  dicke,  nach  dem  Ende  zu  sich  verschmälernde  Fort- 
sätze vor.  An  der  ebenfalls  dunkeln  und  stark  beborsteten  8.  V. 
findet  sich  eine  tiefe  und  breite,  ovale  Bucht,  sodass  die  Hinter- 
ecken als   3-eckige,   abgerundete  und  etwas  convergirende  Lappen 


^)  Zur  Untersuch,  dienten  Ex.  von  den  friesisch,  Inseln. 

12* 


180       Dr-  Carl  Verhoeff;  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

vortreten.  Die  ganze  8.  V.  erhält  dadurch,  dass  auch  der  Vorder- 
rand breit,  aber  weniger  tief,  ausgebuchtet  ist  und  die  Vorderecken 
als  spitze  Zipfel  vortreten,  eine  Gestalt  wie  2  mit  den  Rücken  an 
einander  gelegte  Beile.  Vom  Vorderrande  läuft  ein  mit  der  Platte 
verschmolzenes  Spie,  ventrale  ab,  das  die  doppelte  Länge  des 
mittleren  Theiles  der  8.  V.  hat.  Die  9.  V.  ist  ein  Stiel,  von  welchem 
hinten,  gabelig,  zwei  gerade,  divergirende  Zweige  ablaufen,  deren 
jeder  etwa  so  lang  ist  wie  der  Stiel.  Letzterer  besitzt  in  der  Mitte 
hinten  eine  Rinne.  Die  einzelnen  Spangen  dieser  mithin  dreizinkigen 
9.  V,  sind  kräftig  ausgebildet.  Die  Pa.  erinnern  wieder  sehr  an 
diejenigen  von  Dasytes.  Die  Oberplatte  besitzt  2  Endlappen  und 
auf  jedem  sitzen  in  grossen  Sinnesgruben  G — 7  sejir  grosse,  braune 
und  eine  kleinere  Tastborste.  Weiter  unten  finden  sich  mehrere 
Drüsenporen.     Die  Oeffnuug  ist  regelmässig,  eiförmig. 

Der  P.  ist  weniger  gekrümmt  als  bei  den  vorigen  Formen, 
aber  noch  immer  ventralwärts  stark  concav.  Er  bleibt  ziemlich 
gleichdick  und  endet  hinten  mit  dreieckiger  Zurundung.  Li  der 
hinteren  Hälfte  trägt  er  zahlreiche  feine  Drüsenporen.  Der  Praep. 
ist  ausserordentlich  lang.  Seine  Zähne  sind  nicht  so  gross  wie  bei 
Dasytes,  aber  sehr  zahh-eich,  dreieckig-zugespitzt,  braun,  im  Innern 
hohl.     Ihre  Grössen differenzen  sind  gering.  — 

$  nobilis.  Die  Vorsprünge  am  Hinterrande  der  7.  V.  fehlen. 
Der  Saum  von  Haut,  am  Hinterrande  der  6.  und  7.  D.  ist  auch 
hier  vorhanden,  auch  die  mit  Haut,  besetzten  Flecke  daselbst  fehlen 
nicht,  sind  aber  etwas  kleiner  und  dunkler.  Die  8.  D.  stimmt  mit 
der  des  3  ziemlich  überein,  auch  in  Bezug  auf  Ausschnitt  und 
Fortsätze.  Die  8.  V.  hat  aber  wesentlich  andere  Form.  Der  Hinter- 
rand ist  zugerundet,  besitzt  keine  Ausbuchtung.  Die  Platte  ist 
2V2Daal  breiter  als  lang,  trapezförmig,  mit  geraden,  nach  hinten 
stark  convergirenden  Seiten.  Das  Spie,  ventrale  ist  durch  Binde- 
haut von  der  Platte  getrennt,  doppelt  so  lang  als  dieselbe. 

Der  Legeapparat  (Fig.  16)  steht  dem  von  Dasytes  äusserst 
nahe.  Die  Skulptur  des  Schlauches  stimmt  mit  der  von  Dolichosoma 
überein,  doch  sind  die  Felder  der  Hinterröhre  breiter,  mehr  bienen- 
wabenartig. Die  schlanken  Radii  dorsales  reichen  bis  ans  Hinter- 
ende, ohne  sich  aber  dort  zu  verbreitern.  Die  R.  ventr.  erreichen 
die  Ringfalte  nicht  ganz.  In  der  Mitte  ihrer  Länge  besitzen  sie 
einen  hakenartigen  Anhang.  Die  Hinterspangen  sind  stark  ge- 
krümmt, verbreitern  sich  am  Ende  aber  auch  nicht.  — 


Meine  Untersuchungen  über  die  Clerlden,  an  der  Hand  der 
Gattungen  T  rieh  ödes,  Opilo,  Clerus  und  Tillus,  will  ich  später 
in  einer  besonderen  Arbeit  genauer  erörtern,  jetzt  aber  doch  schon 
darauf  hinweisen,  dass  dieselben  die  nächsten  natürlichen  Ver- 
wandten der  Malachiiden  sind.  —  Die  bisher  bekannten  Merkmale, 
durch  welche  dieselben  von  den  Malacodermen  getrennt  wurden, 
genügen  durchaus  nicht  zur  Begründung  dieser  Familie.  Erst  durch 
Untersuchung    der    Abdominalsegmente,     Legeapparate    und 


(1.  mäuiilicheii  \\.  weiblichen  Lampyridcn,  Canthariden  u.  Malachiiden.     181 

Copulationsorgane  habe  ich  den  Beweis  erbringen  können,  dass 
die  Cleriden  mit  den  Malachiiden  (nicht  Malacodermen)  in 
nächster  Verwandtschaft  stehen.  Als  besonders  wichtige  Merkmale 
der  Cleriden  hebe  ich  folgende  hervor: 

1.  Die  2.  V.  fehlt  vollständig. 

2.  Die  übrigen  V.  sind  frei  gegen  einander  beweglich. 

3.  Der  Legeapparat  besteht  aus  durch  Ringfalte  gegen 
einander  abgesetzter  Vorder-  und  Hinterröhre,  trägt  am  Ende  die 
2  Hälften  der  9.  V.  mit  ihren  Styli ,  besitzt  2  Radii  ventrales  und 
2  R.  dorsales,  sowie  2  Hinter spangen,  und  die  4  Radii  enden  vorne 
an  der  Ringfalte.     (Also  wie  bei  Malachiiden.) 

4.  Die  8.  D.  der  $?  hat  an  den  Vorderecken  Fortsätze,  die 
8.  V.  trägt  am  Vorderrande  eine  [für  die  Cleriden  charakteristische] 
Querspange  und  gegen  diese  artikulirt  das  Spiculum  ventrale. 

5.  Die  9.  und  10.  D.  und  die  10.  V.  der  $  $  fehlen. 

6.  Die  8.  D.  der  So  hat  an  den  Vorderecken  lange  Fortsätze 
(an  der  8.  V.  daselbst  bisweilen  kurze). 

7.  Die  9.  und  10.  D.  und  10.  V.  der  SS  fehlen. 

8.  Die  9.  V.  der  SS  ist  eine  zweizinkige,  nach  hinten  geöffnete 
Gabel,  welche  sich  nach  vorne  in  einem  kürzeren  oder  längeren 
Stiel  (Spie,  gastrale)  auszieht. 

9.  Die  Parameren^),  welche  dorsal  liegen  und  die  Seiten 
des  Penis  umfassen,  aber  in  der  Mediane  ventralwärts  klaffen, 
sind  in  der  dorsalen  Mediane  vollkommen  mit  einander  verschmolzen. 
Sie  enden  nach  hinten  in  2  Vorsprünge.  Vorne  besitzen  sie 
2  Schenkelspangen ,  welche  am  Vorderende  zu  einem  Stiele  ver- 
schmelzen und  in  der  Mediane  nach  hinten  eine  Mittellamelle 
entsenden,  die  sich  allmählig  verliert.  Der  Stiel  pflegt  sich  vorne 
zu  verbreitern.     Eine  Basalplatte  fehlt. 

10.  Pleuren  fehlen.  Die  Stigmen  hegen  in  der  Pleurenhaut 
am  1.— 7.  S.,  am  8.  S.  fehlen  sie.  — 


III.  Allgemeiner  Theil. 
A.   Systematisch-phylof/enetische  Resultate. 

Die  im  vorigen  Abschnitt  niedergelegten  Beobachtungen  führen  zu 
der  Erkenntniss,  dass  die  Malacodermen  im  bisher  gebräuchlichen 
Sinne  nicht  aufrecht  zu  erhalten  sind,  dieselben  bilden  eine  un- 
natürliche Mischgruppe. 

Um  aus  derselben  eine  natürliche  Gruppe  herzustellen,  müssen 
diejenigen  Formen,  welche  einer  2.  V.  entbehren  und  welche  ich 
als    Malachiiden    zusammenfasse,     ausgeschieden    werden.      Die 


^)  Die  Angaben  von  Escherich,  Monographie  von  Trichodes.  1893.  Ver- 
handl.  d.  zoolog.-botanisch.  Gesellsch.  Wien  (S.  156),  sind  unvollständig  und 
fehlerhaft.  —  cf.  auch  C.  Verhoeff:  Entoinol.  Nachricht,  1894,  N.  10,  S.  155—157 
,,Zur  Kenntniss  des  Hinterleibes  der  Cleriden."  — 


182        Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleicheude  Morphologie  des  Abdomens 

Ordnung  Malacodermata 

definiere  ich,  abgesehen  von  ganz  bekannten,  leicht  in  die  Augen 
fallenden  Merkmalen,  folgendermassen :  Die  2.  V.  ist  stets  vor- 
handen und  in  typischer  Weise  ausgebildet.  Alle  Bauch- 
platten sind  frei  gegen  einander  beweglich,  sodass  es  also 
nicht  zur  Bildung  eines  Ventralbeckens  kommt. 

Am  8,  Segment  bilden  die  D.  und  die  V.  keine  gegen 
einander  bewegliche  Klappen,  besitzen  dem  entsprechend 
auch  keine  Fortsätze  an  den  Vorderecken.  Stigmen  finden 
sich  am  1.^ — ^8.  S.,  also  in  8  Paaren  (nur  bei  Luciola-c^  in 
7  Paaren).  Die  St.  des  1.  S.  sind  grösser  als  die  folgenden,  (bei 
Lampyris-?  ihnen  gleich  gross).  Pleurenplatten  fehlen  oder  sind 
vorhanden.  Die  8.  V.  des  $  besitzt  häufig  ein  Spiculum  ventrale, 
von  geringerer  oder  bedeutenderer  Länge,  welches  bald  selbständig 
ist,  bald  mit  der  Platte  verschmolzen,  häufig  aber  fehlt  jegliche 
Spur  eines  Spie,  ventrale. 

Die  9.  D.  des  ?  kann  vorhanden  sein  oder  fehlen.  Im  ersteren 
Falle  kann  sie  ganz  sein  oder  zweitheiHg.  Die  10.  D.  fehlt  bei 
den  $  $  der  einen  Gruppe,  bei  denen  der  andern  ist  sie  vorhanden, 
mehr  oder  weniger  deutlich.  Die  9.  V.  der  ?$  ist  immer  vorhanden, 
immer  2-teilig  und  stets  mit  beborsteten,  länglichen  Styli  ver- 
sehen. Ein  Legeapparat  kann  fehlen  oder  vorhanden  sein.  Im 
letzteren  Falle  enthält  er  nie  mehr  als  2  Radii.  Drüsenporen- 
platten  kommen  nur  bei  $$  einer  Gruppe  vor,  bei  den  andern 
fehlen  sie  beiden  Geschlechtern.  Dorsaldrüsen  fehlen  oder  sind 
vorhanden. 

Im  letzteren  Falle  sind  sie  stets  paarig  und  weit  aus  einander 
gerückt,  dann  in  der  Regel  in  der  1. — 8.  D.  gelegen.  — 

Die  8.  V.  der  S(^  besitzt  nie  ein  Spiculum  ventrale,  bei 
Luciola  fehlt  sie  sogar. 

Die  9.  V.  der  SS^  ist  (ausser  bei  Luciola)  stets  mit  einem 
Plattentheil  versehen.  Ein  (ventraler)  Bogen  ist  immer  vor- 
handen (auch  bei  Luciola),  wird  aber  häufig  seitlich  zusammen- 
gedrängt, einem  Spie,  gastrale  ähnlich  werdend.  Die  9.  D.  der  (^ S 
ist  stets  ganz,  aber  bisweilen  durch  Einschnürung  zweilappig. 
An  ihren  Vorderecken  fehlen  Processus  (Lampyris,  Phosphaenus) 
oder  sie  sind  vorhanden,  was  meistens  der  Fall.  Nicht  selten  sind 
die  Processus  so  stark  ausgebildet,  dass  ein  (dorsaler)  Bogen  zu 
Stande  kommt  und  dann  legt  sich  derselbe  mit  seinen  Vorderenden 
an  den  ventralen  Bogen  an  oder  verschmilzt  sogar  mit  ihm 
(Homalisus). 

Die  10.  D.  der  <S<S  ist  immer  vorhanden,  bisweilen  recht 
gross,  bisweüen  sehr  klein  und  mit  der  9.  D.  verwachsen  (Lampyris, 
Phosphaenus).  — 

An  den  Copulationsorganen  ist  stets  eine  Basalplatte 
vorhanden.  Dieselbe  hat  meist  eine  Vorderlage,  bisweilen 
rückt  sie  jedoch  dorsalwärts.  Sie  ist  nie  rudimentär  und  nie  mit 
den  Pa.  verschmolzen.    Die  Parameren  selbst  sind  nie  voUkommen 


(1.  mämilichen  u.  weiblichen  Lampyriden,  Oauthariden  u.  Malachiideu.     183 

von  einander  getrennt.  Häufig  heften  sie  sich  nur  am  Grunde  auf 
sehr  kurzer  Strecke  an  einander  und  sind  dann  gelenkig  gegen 
einander  bewegbar,  häufig  aber  verwachsen  sie  in  der  Mediane 
auf  längerer  Strecke  unbeweglich.  In  letzterem  Falle  kann  es 
alsdann  zu  einer  mehr  oder  weniger  ausgeprägten  Kapselbildung 
kommen.  Gewisse  Anzeichen  der  ursprünglichen  Zweiheit  der  Pa. 
sind  immer  noch  vorhanden. 

Der  Penis  ist  von  den  Pa.  immer  gut  abgesetzt,  nie  mit  den- 
selben verschmolzen,  an  seinem  Grunde  jedoch  gelenkig  oder  fest 
angeheftet.  Er  ist  entweder  röhrenförmig  gestaltet  oder  besteht 
aus  einer  Lamina  superior  und  inferior.  Im  ersteren  Ealle  ist  er 
am  Ende  abgerundet  und  der  Ductus  ejaculatorius  mündet  eine 
Strecke  weit  vor  dem  Ende,  im  letzteren  Falle  mündet  der  D.  ej. 
am  Ende  des  P,  selbst.  — 


Innerhalb  der  Malacodermen  selbst  müssen  wir  wieder  zwei 
in  vielen  Punkten  von  einander  abweichende  Familien  unterscheiden: 
1.  Familie  Lampyridae. 

Die  ??  besitzen  an  oder  vor  der  8.  V.  ein  Spiculum  ventrale 
von  geringerer  oder  bedeutenderer  Länge.  Ein  Legeapparat  ist 
vorhanden  und  zwar  in  verschiedenen  Stufen  der  Ausbildung.  An 
ihm  kommen  2  Radii  vor,  wenn  die  9.  D.  fehlt,  ist  letztere 
vorhanden,  so  ist  sie  zweitheilig  und  jede  Hälfte  trägt  vorne  einen 
Fortsatz,  die  Vorbildungen  zu  echten  Radii  (Lampyris),  —  Die 
10.  D.  der  ?$  fehlt.  Wenn  die  9.  D.  der  ?$  vorkommt,  ist  sie 
zweiteilig.  An  den  Copulationsorganen  ist  die  Basalplatte  am 
Vorderrande  nie  mit  einem  Höcker  oder  Fortsatz  ver- 
sehen. Sie  ist  nie  durch  eine  Querspange  in  2  Lappen  zertheilt, 
besteht  vielmehr  immer  aus  einem  Stück  (ausgenommen  Luciola), 
an  dessen  Hinterpartie  sich  häufig  Hörner  befinden  oder  auch  nur 
eine  tiefe  und  breite  Einbuchtung.    Die  Ba.  hat  stets  eine  Vorderlage. 

Die  symmetrischen  Par  am  er  en  sind  fast  immer  gegen  ein- 
ander beweglich,  also  nur  am  Grunde  an  einander  geheftet,  wenn 
nicht,  wenn  also  eine  Verwachsung  in  der  Mediane  auf  längerer 
Strecke  vorkommt  (Lygistopterus),  findet  doch  keine  auffällige  Ab- 
weichung von  der  typischen  Gestalt  der  Pa.  statt. 

Dieselben  liegen  gegen  den  Penis  mehr  dorsal.  Letzterer  lässt 
nie  eine  Lamina  superior  und  inferior  erkennen,  ist  vielmehr  röhren- 
artig, gegen  die  Basis  angeschwollen  und  am  Ende  abgerundet. 
Der  Duct.  ejacul.  mündet  weit  vor  dem  Ende  des  P. 

Dorsaldrüsen  fehlen. 

Drüsenporenplatten  am  9.  S.  kommen  bei  den  $?  nicht  vor^). 


^)  In  Unterfamilien  kann  ich  die  Lampyriden  vorläufig  noch  nicht 
gruppiren,  weil  mir  die  $  $  mehrerer  Gatt,  noch  fehlen.  Ich  behalte  mir  deren 
Untersuchung  vor  und  verweise  jetzt  nur  auf  die  eigenartigen  Charaktere  von 
Luciola  und  Phosphaenus. 


184       Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 


2.  Familie  Cantharidae. 

Die  $$  besitzen  an  der  8.  V.  keine  Spur  eines  Sp.  ventr.  Im 
Zusammenhang  damit  fehlt  ein  ausgeprägter  Legeapparat. 

Die  9.  D.  der  ??  ist  meist  ganz,  bisweilen  zweitheilig.  Processus 
(analog  denen  von  Lampyris)  kommen  an  derselben  nicht  vor.  An 
ihren  Vorderrand  aber  schliessen  sich  2  mit  Drüsenporen  dicht  be- 
säete  Felder,  die  Drüsenporenplatten,  (nur  bei  Malthinus  fehlen 
solche.)  Die  10.  D.  der  $?  ist  zwar  ziemlich  klein  aber  immer 
deutlich  vorhanden. 

Dorsaldrüsen  finden  sich  bei  beiden  Geschlechtern  an  und 
unter  der  1. — 8.  D.,  indem  die  Ausfuhrwege  diese  Platten  durch- 
setzen und  sie  hegen  an  jeder  in  1  Paare.  Die  Drüsen  jedes 
Paares  stehen  weit  von  einander  ab.  Häufig  veröden  die  Drüsen, 
doch  sind  stets  noch  Spuren  der  Mündungspori  aufzufinden.  — 

Die  Parameren  bilden  eine  mehr  oder  weniger  deutliche 
Kapsel,  welche  den  Penis  immer  ganz  umgreift.  Sie  sind 
fast  immer  unbeweglich  mit  einander  verbunden  und  lassen  immer 
eine    Verbindungsbrücke    und    Parameren-Finger    erkennen. 

Die  Basalplatte  ist  entweder  durch  eine  Querspange  in 
2  Lappen  getheilt,  wobei  sie  am  Vorderrande  der  Querspange  einen 
doppelten  Höcker  besitzt  und  mehr  eine  Vorderlage  einnimmt  oder 
sie  ist  nicht  in  Lappen  zerlegt,  besitzt  keine  Querspange,  wobei  sie 
am  Vorderrande  in  einen  Fortsatz  vortritt  und  entschieden  dorsal 
liegt. 

Der  Penis  ist  stets  mit  mehr  oder  weniger  langen  Cornua 
bewehrt  und  an  ihm  lässt  sich  immer  eine  Lamina  superior  und 
inferior  mehr  oder  weniger  deutlich  unterscheiden.  — 

Die  Canthariden  lassen  sich  in  2  natürhche  Unterfamilien 
eintheilen : 

a)  Unterfamihe  Cantharini. 
[hierher  Cantharis,  Rhagonycha.] 

Die  Hälften  der  9.  V.  der  $$  sind  gestreckt  und  bewegen  sich 
mit  Hülfe  einiger  hebelartig  gegen  einander  gestellter  Spangen.  Die 
Styli  sind  gelenkig  inserirt.  Die  Dorsaldrüsenporen  sind  gut  aus- 
gebildet. 

Die  Basalplatten,  welche  mehr  eine  Vorderlage  haben, 
bestehen  aus  einer  Querspange  und  2  Seitenlappen.  An  der 
Querspange  ragt  vorne  ein  Doppelhöcker  vor.  Beide  Parameren 
zusammen  bewegen  sich  drehend  gegen  die  Ba.,  indem  sie  sich 
mit  der  vorderen  Aussenecke,  vermittelst  einer  Sehne,  an  die  Hinter- 
ecken der  Ba.  anheften. 

Im  Penis  mündet  der  D.  ej.  mit  einem  kolossalen  Praeputial- 
sack,  welcher  überaus  reich  mit  Zähnen  oder  Riefen  besetzt  ist, 
auch  kommen  an  ihm  häufig  Stachelgruppen  vor. 


d.  mänulichen  u.  weiblichen  Lampyrideii,  Caiithariden  u.  Malachiiden.     185 

b)  Unterfamilie  Malthinini 
[hierher  Malthiniis  und  Malthodes.] 

Die  Hälften  der  9.  V.  der  $?  sind  rundlich  oder  dreieckig,  nicht 
auffallend  gestreckt  und  werden  nicht  durch  hebelartige  Spangen 
bewegt.     Die  Styli  sind  fest  an  sie  angeheftet. 

Die  Dorsal drüsen  veröden,  es  sind  aber  mindestens  immer 
noch  die  Spuren  von  Pori  zu  sehen. 

Die  Basalplatten  der  S6  liegen  durchaus  dorsal,  bestehen 
aus  einer  ungetheilten  Platte  und  einem  mehr  weniger  langen 
Processus  am  Vorderrande  und  sind  nicht  durch  Sehnen  an  die 
Pa.  befestigt,  sodass  sie  sich  gegen  dieselben  auch  nicht  drehend 
bewegen  können. 

Am  Ende  des  Penis  mündet  der  D.  ej.,  aber  er  besitzt  ent- 
weder gar  keinen  Praeputialsack  oder  einen  recht  kleinen,  an 
welchen  nur  winzige  Zähnchen  bemerkt  werden.  — 


Für  die  von  den  früheren  Malacodermen  ausgeschiedenen 
Formen  gilt  folgende  Charakteristik; 

Familie  Malachiidae. 

Die  2.  V.  fehlt  bei  beiden  Geschlechtern. 

Alle  Bauchplatten  sind  frei  gegen  einander  beweglich. 

Am  8.  Segment  bewegt  sich  in  beiden  Geschlechtern 
die  D.  klappenartig  gegen  die  V.  und  im  Zusammenhang  damit 
besitzt  die  8.  D.  an  den  Vorderecken  mehr  weniger  kräftige  Fort- 
sätze. Auch  die  8.  V.  tritt  daselbst  in  spitze  Ecken  vor,  welche 
sich  gelenkig  an  die  Fortsätze  der  8.  D.  anlegen  und  so  eine 
Drehung  der  Platten  lun  den  Anheftungspunkt  der  Fortsätze 
bewirken. 

Die  Stigmen  finden  sich  in  7  Paaren  am  1. — 7.  S.  am  8.  S. 
fehlen   sie.     Am  1.  S.  sind  die  St.   grösser  als  an  den  folgenden. 

Pleurenplatten  fehlen. 

Die  S.V.  der  $?  besitzt  immer  ein  langes  Spiculum 
ventrale,  welches  durch  Haut  von  der  Platte  stets  ein  wenig  ab- 
gesetzt ist. 

Die  9.  und  10.  D.  der  ??  fehlen. 

Der  Legeapparat  ist  höchst  charakteristisch  und  findet  sich 
immer  in  derselben  ausgebildeten  Weise,  bestehend  aus  Vor  der- 
und Hinterröhre,  Hälften  der  9.  V.  und  ihren  beborsteten 
Styli.  Im  Innern  findet  man  constant  vier  Radii,  2  dorsale 
und  2  ventrale  und  ausserdem  2  Hinterspangen,  welche 
sich  an  die  Radii  ventrales  anlegen.  Die  4  Radii  reichen 
nach   vorne  zu  nie  über  die  Ringfalte  hinaus. 

Dorsaldrüsen  und  Drüsenporenplatten  fehlen.  — 

Die  8.  V.  der  <^<^  besitzt  bei  einer  Gruppe  am  Hinterrande 
einen  tiefen  und  engen  Einschnitt  und  daneben  kleine  erhobene 
Vorsprünge,  während  ein  Spie,  ventr.  vollständig  fehlt,  bei  der 
andern    Gruppe    fehlt    der    Einschnitt,    aber   ein    Spie,   ventrale  ist 


186       Dl"-  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

vorhanden.  Letzteres  ist  dann  stets  kürzer  als  bei  den  $?  und  mit 
der  Platte  verschmolzen. 

Die  10.  D.  der  $S  fehlt.  Die  9.  D.  fehlt  entweder  auch  oder 
sie  ist  zweitheilig,  die  Theile  klein  und  mit  der  9.  V.  zum  Trapez 
verschmolzen. 

Die  9.  V.  ist  entweder  3-zinkig,  indem  von  einem  vorderen 
Stiel  (Spie,  gastrale)  nach  hinten  2  Arme  abgehen,  welche  einen 
hinten  meist  offenen  Bogen  vorstellen  (und  von  der  eigentlichen 
Platte  ist  dann  meist  nichts  mehr  vorhanden)  oder  sie  bildet  mit  den 
Resten  der  9.  D.  das  strukturlose  Trapez.  Den  Copulations- 
organen  fehlt  stets  die  Basalplatte.  Sie  sind  überhaupt  von 
recht  einfachem  Baue  und  dabei  zeigen  sich  die  Parameren  stets 
so  mit  einander  verwachsen,  dass  der  Penis  zwischen 
ihnen  hindurchläuft.  Dorsalwärts  sowohl  wie  ventral- 
wärts  vom  P.  sind  die  Pa.  verschmolzen  und  zwar  bestehen 
sie  dann  entweder  aus  Ring  und  Armen  und  sind  dabei  struktur- 
und  borstenlos  oder  aus  Oberplatte  und  Schenkelplatte, 
wobei  erstere  mit  einer  Anzahl  starker  Tastborsten  bewehrt  ist. 

Der  Penis  ist  immer  röhrenförmig  und  dann  fast  gerade  oder 
ventralwärts  mehr  weniger  stark  gekrümmt.  Das  Ende  des  Duct. 
ejac.  erweitert  sich  regelmässig  zu  einem  Praeputialsack,  dessen 
Zähne  bald  sehr  klein  sind,  bald  von  kolossaler  Grösse.  — 


Den  so  definirten  Malachiiden  stehen  nun  die  Cleriden  viel 
näher  als  die  Malacodermata  mihi.  Um  sich  davon  zu  überzeugen, 
lese  man  die  Charaktere  des  Abdomens  der  Cleriden  nach ,  welche 
ich  am  Schlüsse  des  2.  Abschnittes  in  10  Sätzen  aufführte. 

Die  hervorstechendsten  Uebereinstimmungen  der  Malachiiden 
und  Cleriden  bestehen: 

1.  in  der  vollständigen  Homologie  des  Legeapparates, 

2.  in  dem  Besitz  eines    Spiculum  ventrale   bei  den  $$, 

3.  in  dem  Fehlen  der  9.  und  10.  D.  der  ??, 

4.  in  dem  Fehlen  der  [9.  und]  10.  D.  der  S$, 

5.  in  dem  Mangel  jeghcher  Bogen  an  dem  9.  S.  der  $S^ 

6.  in  dem  Fehlen  der  Basalplatte, 

7.  in  der  Verwachsung  der  Parameren,  welche  entweder 
in  der  ganzen  Länge  geschah,  wobei  sie  fast  ganz  dorsal  vom  P. 
liegen,  oder  ventral-  und  zugleich  dorsalwärts  vom  Penis,  welcher 
dann  in  der  Mitte  durchläuft; 

8.  in  dem  Fehlen   der  2.  V.  bei  beiden  Geschlechtern, 

9.  in  der  freien  Beweglichkeit  aller  Bauchplatten,  eben- 
falls bei  beiden  Geschlechtern; 

10.  in  der  klappenartigen  Beweglichkeit  der  mit  zwei 
Fortsätzen   versehenen  S.D.  gegen  die  8.  V; 

11.  dem  Mangel    von  Stigmen  am  8.  Segment; 


(1.  mäuuliclien  u.  weiblicben  Lainpyiiden,  Cantliaiiden  ii.  Malachiiden     187 

12.  dem  Mangel  echter  Pleuren  und  auch  im  Mangel  von 
Dorsaldrüsen').  — 

Es  giebt  noch  verschiedene  andere  Merkmale,  in  denen  die 
Cleriden  mit  den  Danacaeini  übereinkommen,  worüber  später  be- 
richtet werden  mag.  — ■  Aus  dem  Gesagten  ei'giebt  sich  aber  als 
die  Hauptsache,  dass  die  Cleriden  mit  den  Malachiiden  zu  einer 
verwandtschaftlichen  Kategorie  höheren  Ranges,  nämlich  als 

Ordnung  Malachioidea 
zu  vereinigen  sind.  — 

Schon  jetzt  kann  ich  daraufhinweisen,  dass  die  Lymexyliden, 
deren  Untersuchung  ich  grösstentheils  erledigte,  diesen  Malachioidea 
äusserst  nahe  stehen.  Da  sie  noch  eine  wohlausgebildete  2.  V. 
besitzen,  im  Uebrigen  aber  mit  den  Malachioidea  in  sehr 
wichtigen  Punkten  überstimmen,  so  können  sie  als  modificirte  Vor- 
läufer derselben  angesehen  werden.  Ich  will  die  Lymexyliden 
in  einer  späteren  Arbeit  behandeln  und  dann  wird  sich  voraussichtlich 
eine  entsprechend  erweiterte  Definition  der  Malachioidea  geben 
lassen.  — 

Die  Malachiiden  theile  ich  in  folgende  zwei  Unterfamilien  ein: 

a)  Unterfamilie  Danacaeini. 

[liierher  Dasytes,  Danacaea,  Dolichosoma,  Psilothrix.] 

Die  S.V.  der  ^(^  besitzt  ein  mit  der  Platte  verschmolzenes 
Spiculum  ventrale. 

Die  9.D.  der  <^3  fehlt  vollständig. 

Die  9.  V.  der  SS  ist  3-zinkig,  indem  von  einem  vorderen  Stiele 
(Spie,  gastrale)  nach  hinten  zwei  Arme  abgehen,  welche  einen  hinten 
meist  offenen  Bogen  vorstellen. 

Die  verwachsenen  Parameren  bestehen  aus  Oberplatte  und 
Schenkelplatte  und  lassen  zwischen  sich  und  den  beide  verbindenden 
Spangen  eine  Oeffnung,  durch  welche  der  P.  hindurchläuft.  Die 
Oberplatte  ist  mit  einer  Anzahl  starker  Tastborsten  bewehrt.  Der 
Penis  ist  ventralwärts  concav,  mehr  weniger  stark  gekrümmt.  Bei 
beiden  Geschlechtern  findet  sich  vor  dem  Hinterrand  der  7.  und 
meist  auch  der  6.  D.  jederseits  ein  heller  Fleck,  welcher  äusserst 
dicht  mit  Häutungshaaren  besetzt  ist  und  dadurch  von  der  Umgebung 
deuthch  absticht. 

b)  UnterfamiKe  Malachiini, 

[hierher  Malachius,  Axinotarsus,  Ebaeus,  Anthocomus, 
Charopus.) 
Die  8.  V.   der   SS   entbehrt  des   Spie,  ventrale,   besitzt   aber 
am  Hinterrande  einen  tiefen  und  engen  Einschnitt  und   daneben 
kleine,  aufragende  Vorsprünge. 


^)  Die  keulenförmigen  Antennen  der  Cleriden  sind  ein  Merkmal 
das  mehr  praktisch-systematischen  als  pbylogenetisch-systematischen  Werth  be- 
anspruchen kann. 


188       ßi"-  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Die  9.  D.  der  ^^  ist  in  ihren  Resthälften  mit  der  0.  V.  zum 
Trapez  verschmolzen.     Dasselbe  ist   strukturlos. 

Die  verwachsenen  Parameren  bestehen  aus  Ring  und  Armen 
und  sind  struktur-  und  borstenlos.  Die  Arme  liegen  durchaus 
dorsal. 

Der  röhrenförmige  Penis  ist  fast  gerade. 

Auf  der  6.  und  7.  D.  fehlen  die  Fleckenpaare  mit  den  Häutungs- 
haaren. — 


jB.     Vergleichend- morpholof/ische  Ert/ehnisse. 

Auf  die  Definition  des  Segmentbegriifes  will  ich  mich  hier  nicht 
einlassen,  dagegen  sei  die  Frage  aufgeworfen :  Was  versteht  man 
unter  einer  Segmentplatte? 

Jedes  Tracheat  besitzt  an  seiner  Körperoberfläche  einen 
continuirlichen  Cutikularschlauch,  welcher  alle  Organe  umhüllt  und 
von  demselben  aus  gehen  zahlreiche  grosse  oder  kleine  Ein- 
stülpungen zu  grossen  und  kleinen  Organen  ab,  so  zum  Darm, 
zum  Tracheensystem  und  zu  den  verschiedensten  vielzelligen  oder 
einzelligen  Drüsen.  Ausstülpungen  aus  dem  Hautschlauch  stellen 
die  in  1.  Linie  gestaltbildenden  Hüllen  für  die  mannigfachen  An- 
hänge dar. 

Dieser  Hautschlauch  ist  nun  aber  bei  Tracheaten  keineswegs 
nur  ein  solcher  geblieben.  So  himmelweit  das  laufende  oder  fliegende 
Insekt  über  dem  kriechenden  Ringelwurm  steht,  so  himmelweit  ist 
auch  seine  Cutikularbekleidung  von  dem  dünnen  Chitinschlauch  des 
letzteren  entfernt. 

Der  Unterschied  scheint  uns  ein  sehr  einfacher,  wenn  wir  sagen, 
die  Cutikularbekleidung  des  Insektes  ist  nur  durch  eine  stellenweise 
Verdickung  von  derjenigen  eines  Ringelwurmes  verschieden.  Und 
allerdings  ist  das  der  wesentlichste  und  allgemeinste  Unterschied. 
Wenn  man  aber  glauben  sollte,  deswegen,  weil  dieser  Unterschied 
so  einfach  klingt,  sei  man  eines  näheren  Studiimis  der  Cutikular- 
bedeckung  der  Tracheaten  überhoben,  dann  gäbe  man  sich  doch 
einer  sehr  grossen  Selbsttäuschung  hin.  Man  würde  nämlich  die 
ganz  gewaltige  Bedeutung,  welche  für  die  Tracheaten  aus  der 
stellenweise  sich  vollziehenden  Verdickung  der  Cutikularbekleidung 
entsteht,  total  verkennen. 

Diese  Bedeutung  der  Verdickung  liegt  in  erster  Linie  darin,  dass 
aus  der  Cutikularhaut  allmählig  ein  Cutikularskelett  ward, 
ein  Hautskelett.  Damit  ist  gleichzeitig  ein  viel  wirksameres  Schutz- 
organ gegeben,  als  es  der  dünne  Cutikularschlauch  ist.  Es  knüpfen 
sich  an  die  Ausbildung  des  Hautskelettes  aber  weitere,  sehr  wichtige 
Folgen.  Es  können  nämlich  die  Muskeln,  in  Verein  mit  den 
einzelnen  Stücken  des  Hautskelettes,  indem  letztere  als  Hebel  dienen, 
zur  Gliederbildung  Veranlassung  geben.  Ueberhaupt  aber  wird 
durch  Vermehrung  fester  Ansatzstellen  den  Muskeln  Gelegenheit 
zur  Differencirung  geboten. 


(1.  mänulichen  u.  weiblichen  Lanipyrideu,  Cautbarideu  u.  Malachiiclen      189 

Die  Cutikula  ist  bei  den  Tracheaten  nun  Haut  und  Skelett 
zugleich  und  darum  auch  das  Studium  des  Tracheaten-Skelettes 
noch  viel  wichtiger  als  das  des  Wirbelthier-Skelettes.  Bei  höheren 
Tracheaten -Klassen,  wie  z.  B,  bei  Coleopteren,  gehen  vom  Haut- 
skelett mehr  und  mehr  Stützen  ins  Innere  des  Körpers  ab  und  so 
bildet  sich  auch  ein  Endoskelett  aus,  welches  aber  stets  mit  dem 
Exoskelett  zusammenhängt.  —  Die  Skolettbildung  konnte  nicht 
gleichmässig  an  der  ganzen  Cutikula  stattfinden,  es  mussten  viel- 
mehr weiche  Zwischenräume  bleiben,  welche  es  ermöglichen, 
dass  die  Muskeln  die  verschiedenen  Skelettstücke  gegen  einander 
bewegen  können.  Diese  weichen  Zwischenräume  haben  stets  die 
Gestalt  von  Streifen,  welche  im  ursprünglichen  Falle  stets  entweder 
senkrecht  zur  Körperlängsachse  stehen  oder  derselben  annähernd 
parallel  laufen.  Am  Abdomen  der  Insekten  finden  wir  meist  2  solcher 
der  Körperlängsachse  parallel  gerichteten  weichen  Streifen,  es  sind 
die  Pleurenhäute,  da  sie  in  den  Seiten  des  Abdomens  liegen. 
Die  quer  zur  Körperlängsachse  gerichteten,  weichen  Häute,  die 
Zwischensegmenthäute,  gehören  mit  zu  denjenigen  Organen, 
welche  eben  die  einzelnen  Ringel  des  Körpers  als  solche  markiren, 
sie  bezeichnen  die  Grenzen  der  einzelnen  Segmente  im  Bereiche  der 
Haut  und  ihre  Zahl  ist  gleich  der  Zahl  der  deutlich  durch  Zwischen- 
segmenthäute abgesetzten  Segmente,  weniger  eins. 

Die  Zwischenhäute  müssen  natürlich  die  Pleurenhäute  kreuzen. 
Da  jedes  hintere  Segment  mit  seinem  Vorderrande  unter  den  Hinter- 
rand des  vorhergehenden  Segmentes  sich  einzuschieben  bestrebt 
ist,  so  müssen  die  Zwischensegmenthäute  weich  und  biegsam  sein 
und  jedes  derselben  pflegt  sich  um  so  schärfer  durch  eine  Knickungs- 
falte gegen  das  vorhergehende  und  das  nachfolgende  Segment  ab- 
zusetzen, je  mehr  sie  abwechselnd  vor  und  zurückgezogen  wird  bei 
der  Zusammenziehimg  und  Ausdehnung  der  Segmente. 

Es  ist  klar,  dass  durch  die  Knickungsfalten  der  Zwischen- 
segmenthäute und  durch  die  Pleurenhäute  an  jedem  Segmente  eine 
dorsale  und  eine  ventrale   Skelettplatte  abgegrenzt  wird. 

Diese  Erörterung  hat  mich  somit  auf  die  obige  Frage  zurück- 
geführt : 

Unter  einer  Segmentplatte  ist  ein  mehr  oder  weniger  stark 
skelettirter,  rings  durch  weichere   Chitinhaut  begrenzter  Bezirk 
der  Körperhülle  und  des  Körperstammes  zu  verstehen,    welcher 
ferner  ausgezeichnet  sein  kann  durch: 
1.  Tastborsten,  2.  Haare, 

3.  Häutungshaare,  4.  Drüsenporen, 

5.  Sinnesporen,  6.  zellige   Struktur, 

7.  Mosaikfelder,  8.  feine  Pigmentkörnchen, 

9.  diffuse  Pigmentirung.  — 

Häutungshaare  findet  man  bei  den  in  dieser  Arbeit  behandelten 
Coleopteren -Gruppen  sowohl  auf  den  Platten,  wie  auf  Zwischen- 
häuten und  Pleurenhäuten,  aber  die  Haut,  der  Häute  pflegen  eine 
etwas   andere   Gestalt  zu  haben  als  die  der  Platten.     Dass  in  der 


190       Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Vertheikmg  derselben  zwischen  verschiedenen  Gattungen  beträchtliche 
Differenzen  bestehen,  ersieht  man  aus  dem  2.  Abschnitt,  aber  gleich- 
zeitig auch,  dass  im  Ganzen  die  Pleurenhäute  reichhcher  und  häufiger 
mit  Haut,  versehen  sind  als  die  Zwischenhäute. 

Alle  die  oben  angeführten  Merkmale  für  eine  Segmentplatte 
finden  sich  nun  keineswegs  immer  auf  einer  solchen.  Mehr  oder 
weniger  Merkmale  können  fehlen,  ja  es  können  Fälle  eintreten  und 
solche  habe  ich  im  2.  Abschnitte  mehrere  angeführt,  wo  es  zweifel- 
haft ist,  ob  man  noch  von  einer  Segmentplatte  reden  soll  oder  nicht 
(cf.  Malachius),  da  muss  allemal  vergleichend -anorphologisch  die 
Entscheidung  getroffen  werden.  Es  geht  mit  den  Segmentplatten 
eben  nicht  anders  wie  mit  allen  andern  thierischen  Organen.  Man 
mag  eine  von  uns  Menschen  aufgestellte  Definition  für  1000  Fälle 
gültig  finden,  im  1001.  Falle  passt  sie  vielleicht  nicht  mehr.  Das 
darf  uns  nicht  abhalten,  Begriffe  zu  bilden;  wir  kommen  nie  ohne 
solche  aus.  Niemand  wird  die  Begriffe  Vögel  und  Reptilien  deshalb 
aufgeben,  weil  es  Mitteldinge  zwischen  beiden  giebt  oder  gegeben  hat. 

Es  liegt  nun  mit  denjenigen  Gebilden,  über  deren  Plattennatur 
man  zweifelhaft  sein  könnte,  am  Abdomen  der  Coleopteren  so,  dass 
dieselben,  soweit  es  D.  und  V.  sind,  niemals  einen  primären  sondern 
immer  einen  secundären  Zustand  repräsentiren,  es  lässt  sich  da- 
her durch  Vergleich  mit  einfacheren  Coleopteren  immer  entscheiden, 
ob  irgend  ein  Rudiment  wirklich  ein  Plattenrudiment  ist.  Bei  den 
niedersten  Coleopteren-Familien  sind  die  Platten  welche  vorkommen 
als  solche  unzw^eifelhaft  zu  erkennen.  —  Die  1.  D  von  Malachius 
lehrt  uns,  dass  eine  Platte  mit  allen  obigen  Charakteristiken  ver- 
loren gehen  kann,  aber  doch  der  Raum,  den  sie  am  Hautschlauch 
eingenommen,  nicht  verloren  gehen  muss,  denn  eine  Haut  von  der 
sonstigen  Grösse  einer  1.  D.  ist  dort  vorhanden  und  stellt  so  den 
dorsalen  Abschnitt  des  1.  Segm.  noch  deutHch  dar,  aber  so  zart, 
wie  an  der  Haut  eines  Ringelwurmes.  Das  ist  aber  kein  ursprünglicher 
Zustand  sondern  eine  secundäre  Materialersparniss ,  ermöglicht 
durch  die  geschützte  Lage  der  1.  D.  tief  unter  den  Flügeln.  (Der 
Fall  wiederholt  sich  in  andern  hier  nicht  erörterten  Familien.) 

Es  können  aber  auch  Platten  mit  einander  verwachsen  oder 
sogar  verschmelzen,  Avas  sich  durch  Näthe  und  Vergleich  mit 
andern  Formen  herausstellt  (Lampyris).  Häufiger  noch  sind  Zwei- 
theilungen der  Platten  und  dann  pflegen  die  Hälften  einander 
symmetrisch  gegenüber  zu  liegen. 

Unter  den  obigen  Charakteren  für  die  Segmentplatten 
der  Coleopteren  muss  ich  als  besonders  charakteristisch  bezeichnen: 

1.  Die  diffuse  Pigmentation, 

2.  den  Besitz   von  Tastborsten, 

3.  von  Haaren, 

4.  von  Drüsenporen, 

5.  von  zelliger  Struktur. 


d.  mämilicheri  u.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden     191 

Die  diffuse  Pigmentation  kommt  zwar  (selten)  auch  an  den 
Hautstreifen  vor,  dann  ist  sie  auf  den  Platten  aber  immer  viel 
intensiver  und  die  4  andern  Merkmale  habe  ich  bei  den  hier  be- 
handelten Familien  auf  typischen  Pleuren-  oder  Zwischenhäuten 
niemals  beobachtet.  — 


Nunmehr  will  ich  die  einzelnen  Abdomin  altheile  der  Malaco- 
dermen  und  Malachiiden  noch  einer  Besprechung  unterziehen,  so- 
weit es  nothwendig  ist. 

1.  Die  1. — 7.  D.  zeigen  keine  weitgehenden  Abweichungen  von 
der  typischen  Plattenform.  Sie  sind  häufig  an  Stärke  und 
und  Pigmentation  den  V.  gleich,  aber  häufiger  noch  zeigen  sie 
sich  heller  und  vor  allen  Dingen  dünner  als  die  V.  Die  1.,  2.  und 
selten  auch  3.  D.  können  als  solche  verloren  gehen  (Malachiini),  an 
ihrer  Stelle  bleibt  dann  aber  die  dünne  Haut  in  der  Breite  erhalten, 
welche  die  Platten  sonst  zu  haben  pflegen.  Meist  ist  die  1.  D.  etwas 
kürzer  als  die  2.  Ganz  verloren  geht  ein  dorsaler  Bezirk  am 
1. — 7.  S.  niemals. 

2.  Von  den  V.  des  1. — 7.  S.  fehlt  die  1.  V.  immer,  die  2.  V.  ist 
bei  den  Malachiiden  ebenfalls  in  Wegfall  gekommen,  bei  den 
Malacodermen  aber  immer  erhalten  und  zwar  in  guter  Ausprägung. 
Die  Danacaeini  lassen  an  der  3.  V.  ein  mehr  weniger  deutliches 
Ventralphragma  für  die  Coxae  HI  erkennen.  Es  kommt  niemals  zur 
Bildung  eines  Ventralbeckens,  vielmehr  sind  die  2. — 7.  oder  3. — 7.  V. 
stets  frei  gegen  einander  beweglich. 

3.  Während  die  1. — 7.  D.  von  den  Flügeln  und  Decken  ver- 
hüllt werden,  ragt  die  8.  D.  theilweise  oder  ganz  frei  vor.  Darum 
treffen  wir  eben  die  vorderen  D.  so  oft  in  zarter  Ausbildung  an, 
während  am  8.  S.  die  D.  und  V.  an  Stärke  und  Pigmentation  sich 
meist  ziemlich  gleich  kommen.  (Bei  Luciola  aber  fehlt  die  8.  V.) 
Der  Hinterrand  dieser  Platten  pflegt  dann  gerade  zu  sein,  wenn 
noch  eine  9.  D.  und  V.  nachfolgen,  gebogen  dagegen,  wenn  die 
9.  D.  erloschen  oder  schwach  ist  und  die  9.  V.  eine  starke  Um- 
wandlung erfahren.  Die  8.  D.  trägt  bei  den  Malachiiden  an  den 
Vorderecken  in  beiden  Geschlechtern  Processus,  die  8.  V.  bei  jenen 
und  einem  Theil  der  ?  Lampyriden  (ob  allen?)  ein  Spiculum  ventrale. 
Letzteres  kommt  unter  den  Malachiiden  einem  Geschlecht  zu  bei 
den  Malachiini,  beiden  Geschlechtern  bei  den  Danacaeini.  Das 
Spie,  ventrale  der  Männchen  ist  alsdann  kürzer  und  mit  der  Platte 
verschmolzen,  bei  den  Weibchen  durch  Haut  von  der  Platte  ab- 
gesetzt. 

Während  also  bei  den  7  ersten  S.  sexuelle  Differenzen  fehlen i), 
finden  sie  sich  in  sehr  ausgeprägter  Weise  am  8.  S.,  dem  auch  der 
Name  Prägenitalsegment  beigegeben  werden  kann.  Ich  verweise 
auf  die  mannigfachen  Verschiedenheiten  in  Bezug  auf  Ausbuchtungen 


^)  Bei  Dolichosoma  kommen  solche  vor,   sind  aber  von  geringer   morphol. 
Bedeutung. 


192       Dr.  Carl  Verhoeff:  Vergleicheiule  Morphologie  des  Abdomens 

und  Randvorsprünge,  welche  im  2.  Abschnitt  beschrieben  wurden. 
Grösser  sind  noch  die  Differenzen  am  9.  und  10.  S.  Somit  unter- 
liegen das  8.,  9.  und  10.  Segment  mehr  oder  weniger  be- 
deutenden sexuellen  Differenzen,  während  das  1. — 7.  S. 
derselben  in  der  Regel  ganz  entbehren. 

4.  Gut  ausgebildete,  echte  Pleurenplatten  wnirden  von 
Lampyris -Weibchen  und  Cantharis  (<?  und  ?)  nachgewiesen. 
Bei  ersteren  kommen  sie  am  1. — 7.  S.,  bei  letzteren  am  2. — 8.  (S) 
oder  2. — 7.  S.  (?)  vor  und  enthalten  dann  die  Stigmen  in  der  Mitte 
oder  am  Rande. 

Bei  mehreren  Gatt,  wies  ich  unechte  Pleuren  nach.  Meistens 
aber  fehlen  Pleurenbildungen  vollständig.  Es  kann  der  Satz  gelten: 
Pleurenplatten  kommen  bei  Coleopteren  nur  am  1. — 8.,  nie 
am  9.  und  10.  Segment  vor. 

5.  Tastborsten  finden  sich  an  D.  und  V.  in  gleicher  Menge 
und  Stärke  nur  bei  den  flügellosen  Formen  (Lampyris-?,  Phosphaenus), 
bei  den  Geflügelten  sind  sie  am  Rücken  mehr  entbehrlich  geworden 
und  werden  thatsächlich  auf  den  V.  viel  reichlicher  angetroffen 
als  auf  den  D. 

6.  Drüsenporen  können  alle  Segmentplatten  durchbohren, 
aber  ihre  Vertheilung  ist  eine  ausserordentlich  verschiedenartige 
und  daher  im  2.  Abschnitt  nachzulesen.  Sehr  häufig  (Cantharis) 
lagern  sie  um  die  Basis  der  Tastborsten.  — 

7.  Häutungshaare  können  sich  an  allen  Regionen  des 
Abdomens  befinden,  aber  sie  sind,  im  Gegensatze  zu  den  Tastborsten, 
an  den  D.  viel  reichlicher  vertreten  als  an  den  V.  Ferner 
finden  sie  sich  sowohl  auf  Pleuren-  wie  Zwischenhäuten,  aber  auf 
den  Pleurenhäuten  stehen  sie  durchschnittlich  viel  häufiger 
und  reichlicher.  Ihrer  Form  nach  sind  sie  bald  Borsten,  bald 
Dornen,  bisweilen  stehen  sie  zu  mehreren  kammartig  nebeneinander. 

8.  Die  Mosaikfelder  sind  bei  den  einen  Gattungen  sehr  zahl- 
reich (Lampyris,  Lygistopterus),  bei  andern  fast  ganz  verschwunden 
(Psilothrix).  Immer  finden  sie  sich  auf  den  D.  reichlicher 
als  auf  den  V.  und  auf  letzteren  fast  immer  nur  am  Vorder rande. 

9.  Dorsaldrüsen  kommen  bei  Canthariden  an  der  1. — 8.  D. 
vor,  niemals   aber  an  der  9.  und  10. 

10.  Die  9.  D.  der  ??  kommt  noch  in  ungetheilter  Form  vor^) 
(Cantharini  und  Malthodes),  nicht  selten  ist  sie  zweitheilig  (Malthinus 
und  Lampyris),  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  aber  fehlt  sie  voll- 
ständig. 

11.  Die  10.  D.  der  $?  ist  noch  mehrfach  erhalten,  so  bei  allen 
Canthariden,  fehlt  aber  den  Lampyriden  und  Malachiiden. 

12.  Die  9.  V.  der  $$  ist  immer  vorhanden  und  immer  zwei- 
theihg.  Auf  jeder  Hälfte  sitzt  ein  stets  mit  Tastborsten  versehener 
Stylus.    Zur  Bewegung  der  9.  V.  dienen  bei  den  Cantharini  mehrere 

^)  1893  habe  ich  1.  c.  noch  keine  nngetheilte  9.  D.  bei  $?  gekannt,  daher 
ist  der  Passus  auf  S.  219  zu  berichtigen. 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Lampyi  iden,  Canthariden  n.  Malachiiden.     193 

kurze  Spangen,  welche  bei  den  Malthinini  fehlen.  Zu  einer  starken 
Entwickelung  der  Zwischensegmenthaut  zwischen  8.  und  9.  S. 
kommt  es  bei  beiden  nicht.  Letzteres  ist  auch  bei  Lampyris  noch 
nicht  der  Fall,  macht  sich  aber  bei  Eros  schon  sehr  bemerkbar 
und  erreicht  bei  Lygistopterus  jenen  hohen  Grad  der  Ausbildung, 
welcher  bei  den  Malachioidea  ganz  allgemein  vorkommt.  Eigentliche 
Legeapparate  finden  wir  also  bei  einem  Theil  der  Lampyriden 
und  bei  allen  Malachioidea. 

Bei  Lampyris  sahen  wir,  dass  die  9.  V.  Processus  besassen.  In 
dem  Masse,  wie  diese  Hälften  der  9.  V.  reducirt  werden,  nehmen  die 
Processus  an  Länge  zu  und  werden  schliesslich  die  Radii  des  aus- 
gesprochenen Legeapparates  der  Erosini. 

Die  Radii  der  Erosini  sind  sonach  nicht  Reste  der 
Plattentheile  der  9.  D.,  sondern  Weiterbildungen  der  von 
der  9.  D.  aus  aufgetretenen  Processus  derselben. 

Die  Processus  an  der  9.  D.  von  Lampyris  sind  daher  den  Radii 
der  Erosini  als  homolog  zu  erachten. 

Ich  habe  im  2.  Abschnitt  mitgetheilt,  dass  hinter  dem  Hinter- 
ende der  Radii  von  Eros  und  Lygistopterus  sich  kleine  Querspangen 
befinden  (t  Fig.  1  und  6).  Diese  erinnern  auffallend  an  die  aller- 
dings gestaltlich  anders  beschaffenen  Hinterspangen  der 
Malachioidea.  Sie  dürfen  als  denselben  homodynam  angesehen 
werden.  Sie  gingen,  offenbar  unabhängig  von  den  Hinterspangen, 
am  gleichen  Orte  aus  ähnlichen  Anlagen  und  ähnlichem  physiologischen 
Bedürfniss  hervor.  Jedenfalls  dienen  die  3  Entwickelungsstufen, 
welche  wir  vom  Legeapparat  der  Lampyriden  kennen  lernten  und 
welche  die  Gattungen  Lampyris,  Eros  und  Lygistopterus  repräsentiren, 
dazu  uns  auch  den  Legeapparat  der  Malachioidea,  für  welchen 
Vorstufen  eben  imbekannt  sind,  verständlicher  zu  machen.  Die 
Radii  und  die  kleinen  Trabes  am  Legeapparat  der  Erosini  können 
wir  sonach  mit  den  Radii  ventrales  und  den  Hinterspangen 
am  Legeapparat  der  Malachioidea  vergleichen.  Es  sind  homodyname, 
nicht  aber  homologe  Gebilde. 

Der  Legeapparat  der  Malachioidea  muss  schon  in  sehr  ent- 
legenen Zeiten  zur  Entstehung  gekommen  sein,  da  er  jetzt  bei 
dieser  Gruppe  so  allgemein  verbreitet  ist.  Er  ist  für  dieselben  so- 
mit ein  Erblichkeitscharakter.  Die  Radii  dorsales  sehe  ich  als 
Bildungen  eigener  Art  an. 

13.  Im  Vorigen  ist  eine  Differencirung  einer  Zwischensegment- 
haut schon  erwähnt.  Eine  andere  betrifft  die  ??  der  Canthariden 
(excl.  Malthinus).  Es  ist  bemerkenswertherweise  wieder  die  Haut 
zwischen  dem  8.  und  9.  S.,  diese  hat  sich  hier  ebenfalls  stark 
vergrössert  und  an  der  Dorsalseite  ist  jederseits  ein  Bezirk  zu  einer 
Drüsenpo renplatte  differencirt,  worüber  man  das  Nähere  im 
2.  Abschn.  findet. 

14.  Die  9.  D.  der  ^SS  ist  viel  häufiger  ungetheilt  als  die 
der   ??.     So  kommt  sie  bei  allen  Malacodermen  in  ganzer  Form 

Arch.  f.  Natuigesch.  Jahrg.  1894.  Bd.I.  H,2.  13 


194       Dl"-  Carl  Verhoeff:   Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

vor.  Unter  den  Malachiiden  fehlt  sie  entweder  oder  sie  ist  zwei- 
theilig und   dann  in  ihren  Rudimenten  mit  der  9.  V.  verwachsen. 

Bei  den  Malacodermen  zeigen  die  Vorderecken  der  9.  D.  das 
Bestreben  sich  mit  der  9.  V.  zu  verbinden,  was  durch  Entsendung 
von  Spangen  nach  vorne  und  nach  der  Ventralseite  geschehen  kann. 
Bei  Drilus  undLampyris  findet  dergleichen  noch  nicht  statt.  Bei 
Malthinus  sind  Processus  vorhanden,  aber  diese  bilden  noch  keinen 
Bogen.  Erst  bei  Malthodes  kommt  ein  vollständiger,  dorsaler 
Bogen  zu  Stande.  Unter  den  Cantharini  findet  sich  ein  solcher 
dorsaler  Bogen  allgemein,  während  bei  Lampyriden  die  meisten 
Gattungen  nur  Processus  aufweisen,  deren  Anheftung  an  die  9.  V. 
bald  eine  engere,  bald  eine  losere  ist.  (Eine  scharfe  Grenze  zwischen 
Processus  und   dorsalem  Bogen  lässt   sich  natürlich  nicht  ziehen.) 

In  Bezug  auf  Ausrüstung  mit  Tastborsten,  Haaren  und  Drüsen- 
poren bietet  die  9.  D.  die  grössten  Differenzen. 

15.  Die  10.  D.  der  S3  fehlt  bei  den  Malachiiden,  bei  den 
Malacodermen  ist  sie  vorhanden,  nur  bei  Lampyris  und  besonders 
Phosphaenus  durch  Verwachsen  mit  der  9.  fast  in  Wegfall  ge- 
kommen. Klein  und  unter  der  9.  versteckt  ist  die  10.  D,  der 
Cantharini  und  von  Malthinus,  besonders  gross  diejenige  von 
Malthodes,  Drilus,  Homalisus,  Eros  und  Lygistopterus.  — 

16.  Die  9.  V.  der  S^  ist  wesentlich  mannigfaltiger  als  die 
der  ??.  Styli  trägt  sie  allerdings  niemals.  Bei  den  Danacaeini 
ist  sie  als  eigenthche  Platte  (ausser  bei  Danacaea,  wo  noch  etwas 
von  ihr  erhalten  geblieben,  Fig.  14)  erloschen,  aber  es  findet  sich 
stets  das  von  ihr  ins  Körperinnere  ausgegangene,  dreizinkige 
Spiculumgastrale.  Bei  den  Malachiini  ist  sie  stets  mit  den  Resten 
der  9.  D.  zu  einem  strukturlosen  Trapez  verwachsen. 

Die  9.  V.  der  c^  Malacodermen  ist  ganz  allgemein  von  länglicher 
Form  und  vorne  mit  einem  ventralen  Bogen  ausgerüstet.  Nur 
bei  Luciola  (Fig.  20)  fehlt  die  Platte  als  solche,  während  der 
Bogen  gut  ausgebildet  ist  (extremster  Fall).  Bei  Drilus  dagegen 
ist  die  Platte  selbst  sehr  gut  ausgebildet,  während  ein  Bogen  noch 
nicht  zu  deuthcher  Ausbildung  kam  (primitivster  Fall). 

Eine  Duplicatur  der  9.  V.  entsteht  dadurch,  dass  die  Platte 
sich  vom  Hinterrande  nach  oben  und  vorne  umbiegt.  Diese  Um- 
biegung  setzt  sich  weit  nach  vorne  hin  über  der  eigentlichen  Platte 
fort  und  kann  dann  durch  partielle  stärkere  Pigmentirung  und 
Chitinisirung  selbst  bisweilen  den  Charakter  einer  eigenen  Platte 
annehmen  (Lygistopterus  Fig.  2  und  3).  Zu  dieser  Bildung  giebt 
es  allerlei  Uebergänge.  In  der  Regel  ist  die  Duplicatur  hinten 
ähnlich  beborstet  wie  die  übrige  Platte.  Der  Bogen  hat  in  der 
Regel  die  typische  Form  wie  in  Fig.  7  und  64,  —  er  kann  also 
vorne  klaffen  oder  geschlossen  sein  —  nicht  selten  aber  wird  er 
seitlich  zusammengedrängt  und  kann  dann  als  falsches  Spiculum 
gastrale  bezeichnet  werden  (Eros,  Lygistopterus).  — 


d.  männliclien  u.  weiblichen  Lampyviden,  Caiithariden  u.  Malachiiden.     195 

Der  Bogen  entstellt  also  durch  auswachsende  Spangen  von 
den  Hinterecken,  das  Spie,  gastrale  von  der  Mitte  des  Vorder- 
randes der  9.  V,  — 

17.  Cerci  und  10.  V.  fehlen  sowohl  den  S^  als  den  ??.  — 

18.  Eine  ßasalplatte  fehlt  den  Malachioidea  vollständig, 
während  sie  beiden  Malacodermata  immer  vorhanden  ist.  Zwei- 
theilig kommt  sie  fast  niemals  vor  (so  nur  bei  Luciola),  nicht 
selten  aber  zweilappig.  So  ist  sie  bei  den  Cantharini  in  2  Lappen 
auseinander  geMnchen,  welche  durch  eine  Querspange  zusammen- 
hängen. Die  Ba.  der  Malthinini  ist  ganz  und  am  Vorderrande 
in  einen  Stiel  verlängert.  Am  Hinterrande  tritt  sie  bei  Lygistopterus 
und  Eros  in  Hörner  vor  (und  besitzt  bei  Lyg.  eine  Mittelnaht),  bei 
Homalisus,  Lampyris  und  Drilus  ist  sie  breit  eingebuchtet,  so- 
dass seitlich  dreieckige  Vorsprünge  entstehen.  Die  Ba.  von 
Phosphaenus  stellt  einen  viereckigen  Ring  mit  abgerundeten  Ecken  vor. 

Tastborsten  finden  sich  nur  an  der  Ba.  von  Malthinus.  Bei  den 
Malthinini  Hegt  die  Ba.  entschieden  dorsal,  bei  den  übrigen 
Malacodermen  nimmt  sie  eine  Vorderlage  ein,  ohne  sich  aus- 
geprägt dorsal-  oder  ventralwärts  zu  w^enden. 

19.  Die  Parameren  sind  nie  vollkommen  von  einander  ge- 
trennt. Häufig  findet  eine  Anheftung  an  einander  nur  an  der 
Basis  statt,  so  bei  Drilus,  Homalisus,  Lampyris,  Luciola,  Phosphaenus. 
Die  Grundgestalt  ist  dabei  die  eines  Kegels  von  rundlicher  oder 
abgeplatteter  Form.  Verwachsen  mit  einander  sind  die  Pa.  von 
Lygistopterus,  doch  haben  sie  die  typische  Gestaltung  wie  bei  den 
vorigen  Gatt,  noch  beibehalten.  Bei  den  übrigen  Formen  ver- 
schmelzen die  Pa.  mehr  oder  weniger  innig  mit  einander. 
So  kommt  es  bei  den  Canthariden  zu  einer  Kapselbildung. 
Der  Begriff  der  Kapsel')  ist  mehr  ein  descriptiver  als  ein  vergleich.- 
morphologischer,  indem  sich  für  ihn  einerseits  keine  genaue  und  all- 
gemeine Definition  geben  lässt,  andererseits  bald  hier  bald  dort  in  einer 
Familie  oder  Ordnimg  eine  Kapsel  um  den  Penis  zur  Ausbildung  ge- 
langen kann  aus  verschiedenen  Elementen.  Doch  mag  soviel  bestimmt 
sein,  dass  von  einer  Kapselbildung  der  Pa.  dann  die  Rede  ist,  wenn 
dieselben  dorsal  sowohl  wie  ventral  vom  Penis  mit  einander  sich 
verbinden  und  zwar  so,  dass  sie  ihn  mehr  weniger  umhüllen  und 
sich  gegen  einander  nicht  mehr  bewegen  können. 

Demgemäss  kann  bei  fast  allen  Canthariden  von  einer  Kapsel 
die  Rede  sein,  nur  bei  Cantharis  rustica  traf  diese  Bezeichnung 
noch  nicht  vollkommen  zu,  da  die  Pa.  noch  einer,  wenn  auch 
geringen  Bewegung  gegen  einander  fähig  sind.  Entsprechend  der 
extremeren  Ba,  der  Malthinini  sind  auch  deren  Pa.  noch  mehr 
verschmolzen  als  bei  den  Cantharini,  haben  sich  also  von  dem  ur- 
sprünglichen Zustande,  in  dem  es  sich  um  zwei  getrennte  Organe 
handelte,  noch  mehr  entfernt. 


^)  Der   erste   Ausdruck,   den   man   von   den   Parameren   der   Coleopteren 
gebraucht  hat. 

13* 


196       Dr.  Carl  Verhoeff:   Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Die  basalplattenlosen  Pa.  der  Malacliiiden  sind  aucli  im  Uebrigen 
sehr  einfach,  stets  sowohl  dorsal  als  ventral  vom  Penis  mit  ein- 
ander verwachsen.  Man  kann  aber  nicht  von  einer  Kapsel  reden, 
weil  die  Pa.  den  P.  nicht  einhüllen.  Sie  sind  bei  den  Malachiini 
struktiirlos,  bestehen  aus  Ring  und  Armen  und  liegen  mit  letzteren 
dorsal  vom  P.,  bei  den  Danacaeini  bestehen  sie  aus  Schenkel- 
platte und  Oberplatte  und  letztere  tnägt  Tastborsten.  —  An  den 
Pa.  der  Malacodermen  können  sowohl  Tastborsten,  als  Drüsenporen, 
als  Sinnesgruben  vorkommen.  Dagegen  fehlen  die  Häutungshaare. 
—  Während  die  Ba.,  wie  schon  ihr  Name  sagt,  eine  mehr 
weniger  gebogene  Platten  form  aufweist  (nur  bei  Malthinus  bildet 
die  Hinterpartie  eine  Duplikatur),  sind  die  Parameren  in  ihrer 
Grundform  als  Kegel  oder  blindgeschlossene  Schläuche 
vorzustellen,  entsprechend  ihrer  Bedeutung  als  ventrale  Anhänge. 
Zu  einer  solchen  Grundform  giebt  es  nun,  wie  ich  gezeigt  habe, 
die  mannigfachsten  Modifikationen  und  Abweichungen,  veranlasst 
durch  Ausstülpungen,  Biegungen,  Verwachsungen  etc.  — 

Sind  die  Pa.  nur  am  Grunde  an  einander  geheftet,  so  können 
sie  sich  gegen  einander  bewegen.  Das  hört  aber  natürlich  auf, 
sobald  eine  Verwachsung  oder  eine  Kapselbildung  eintritt.  Trotz- 
dem finden  wir  bei  den  Canthariden,  wie  gesagt,  eine  Ba.,  von  der 
ich  für  die  Elateriden^)  bereits  angab,  dass  sie  die  Ansatzfläche 
bilde  für  die  Bewegemuskeln  der  Pa.  —  Das  gilt  nun  für  alle 
Formen,  welche  eine  Ba.  besitzen. 

Wir  müssen  aber  wohl  unterscheiden: 

a)  die  Bewegung  der  Parameren  gegen  einander, 

b)  die  Bewegung  beider  Parameren  zusammen  gegen  die  Ba- 
salplatte. 

Wo  erstere  Bewegung  aufgehört  hat,  bleibt  doch  noch  meist 
letztere  bestehen,  wie  bei  den  Canthariden,  und  die  Ba.  ist  in 
diesem  Falle  keineswegs  ein  überflüssiges  Organ  geworden. 

Bei  den  Malachioidea  fehlt  eine  Basalplatte  ganz  allgemein  und 
auch  von  etwaigen  Rudimenten  einer  solchen  habe  ich  durchaus 
nichts  gefunden. 

Ich  kann  nun  aber  darauf  hinweisen,  dass  jene  Plättchen  bei 
Carabiciden,  über  welche  ich  1.  c.  1893  noch  im  Unklaren  war 
[cf.  g,  Fig.  55,  57  und  63],  ganz  unzweifelhaft  rudimentäre  Ba- 
salplatten sind,  von  denen  ich  allerdings  noch  nicht  sagen  kann, 
ob  sie  noch  eine  Funktion  erfüllen  oder  nicht.  — 

20.  Der  Penis  zeigt  meistens  die  Form  einer  Röhre  oder 
eines  länglichen  Kegels.  Bisweilen  differencirt  er  sich  in  eine  La- 
mina  superior  und  inferior  (Canthariden).  Dabei  tritt  nur  sehr 
selten  der  FaU  ein,  dass  die  Länge  von  der  Breite  erreicht  wird 
(Cantharis  violacea),  meistens  ist  die  Länge  viel  beträchtlicher  als 
die  Breite.  Cornua  finden  sich  nur  an  denjenigen  P.,  welche  jene 
Difi'erencirung  in  2  Platten  erfahren    und  zwar  sitzen    sie  dann  als 

^)  Zoologischer  Anzeiger  1894. 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Lampyriden,  Cantharideu  u  Malachiiden.     197 

Ausstülpungen  an  der  Lamina  superior.  Femora  stellen  die  mehr 
weniger  ausgeprägten  Verbindungsfortsätze  oder  Plättchen  mit  den 
Pa.  oder  mit  der  Ba.  vor. 

Der  einfach  röhrenförmige  F.  ist  für  die  Malachiiden  cha- 
rakteristisch.    Beinahe  häutig  ist  der  von  Phosphaenus. 

Drüsenporen  finden  sich  in  der  Penis- Wandung  fast  immer 
und  zwar  stehen  sie  vorwiegend  in  der  hinteren  Hälfte  desselben. 
Häutungshaare  fehlen  immer,  Tastborsten  fehlen  meistens,  sie 
finden  sich  nur  an  den  Cornua    der  Mehrzahl    der  Canthariden.  — 

21.  Der  Ductus  ejaculatorius  zieht  durch  die  Achse  des  P.  und 
geht  an  seinem  Ende  in  die  Wand  des  P.  über.  Er  mündet  bei 
Malachiiden  und  Canthariden  an  dessen  Ende,  bei  Lampyriden  da- 
gegen ist  das  Ende  des  P.  abgerundet  und  der  D.  ej.  mündet  eine 
Strecke  weit  vor  dem  Ende,  sodass  das  letzte  Stück  nicht  mehr 
von  ihm  durchzogen  wird. 

Ein  Praeputialsack,  die  terminale,  blasenartige  Er- 
weiterung des  D.  ej.,  fehlt  bei  Malthodes  vollständig,  sonst  aber 
finden  sich  alle  Uebergänge  vom  kleinen  und  engen  bis  zum  grossen 
und  weiten  Praep.  Die  grössten  Praep.  weisen  auch  die  ent- 
wickeltste Stachelarmatur  auf.  Von  den  kleinsten  Spitzchen,  die 
noch  winziger  sind  als  Haut.,  bis  zu  den  dornenartigen  Riesenzähnen 
von  Dasytes  finden  sich  alle  Uebergangsstufen.  Nicht  selten  trifft 
man  an  demselben  Praep.  2  oder  gar  3  ganz  verschiedene  Be- 
stachelungsarten,  wofür  besonders  auf  die  Gatt.  Cantharis  verwiesen 
sei.  In  physiologischer  Beziehung  dient  die  Stachelarmatur  des 
ausstülpbaren  Praeputialsackes  zur  Befestigung  des  S  an  den  $ 
Geschlechtsweg.    Die  Befestigimg  wird  durch  Blutdruck  unterhalten. 

Der  Praeputialsack  Hesse  sich  auffassen  als  eine  Verschmelzung 
von  zwei  Ventralsäckchen  des  9.  S.,  nachdem  dieselben  in  ihren 
Ostien  mit  der  Mündung  des  D.  ej.  zu  einem  gemeinsamen  Atrium 
vereinigt  wären.  Ich  halte  es  für  sehr  wahrscheinUch,  dass  sich 
ein  derartiger  Vorgang  phylogenetisch  abgespielt  hat,  obwohl  uns, 
zur  Zeit  wenigstens,  ursprünglichere  Vorkommnisse  nach  dieser 
Richtung  hin  unbekannt  sind. 

[Auch  möchte  ich  auf  Fig.  16  in  E.  Haases  Arbeit  hin- 
weisen! ^)] 

22.  Stigmen  finden  sich  stets  in  je  1  Paare  am  1.  —7.  Segment. 
Am  8.  S.  fehlen  sie  bei  den  Malachiiden  und  Luciola  c^,  während 
allen  übrigen  Malacodermen  8  Stigmenpaare  zukommen.  Die  Stigmen 
des  1.  S.  sind  (ausser  bei  Lampyris  $)  stets  grösser  als  die  der 
folgenden  S.,  bisweilen  wenig,  bisweilen  ganz  bedeutend  viel  grösser 
(Cantharis).  In  den  meisten  Fällen  (aber  keineswegs  immer)  geht 
das  Verschwinden  des  8.  Stigmenpaares  Hand  in  Hand  mit  dem 
Verschwinden  der  9.  und  10.  D.  —  Am  9.  und  10.  S.  giebt  es 
niemals  Stigmen. 


^)  Die    iLhdominalanhänge    der   Insekten,    mit    Berücksichtigung   der   My- 
riopoden.    Morphol.  Jahrbücher  Bd.  15,  1889. 


198      Dl'-  Carl  Verhoeff:   Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Meistenteils  befinden  sich  die  St.  in  der  Pleurenhaut. 
Sind  Pleuren  vorhanden,  so  liegen  sie  in  diesen.  Bei  Phosphaenus 
lagern  aber  die  St.  in  den  V.  und  zwar  noch  etwas  vom  Seiten- 
rande entfernt.  — 

Einen  Tracheen- Verschlussapparat  habe  ich  bei  allen  hier  be- 
handelten Formen  beobachtet  und  gehe  vielleicht  in  einer  späteren 
Arbeit  auf  denselben  ein  (cf.  Fig.  56). 


Abdominale  Endoskelettbildungen  finden  sich,  wie  aus 
diesen  und  früheren  Mittheilungen  hervorgeht,  wenn  wir  vom  Ventral- 
phragma  absehen,  nur  am  8.  und  9.  Segment.  Sie  fehlen  am 
1. — 7.  S.  und  an  der  10.  D.  Am  8.  und  9.  S.  aber  können  sie  von 
der  8.  und  9.  D.  sowohl  wie  von  der  8.  und  9.  V.  ausgehen.  Ich 
habe  es  schon  gesagt  und  wiederhole  es,  dass  alle  abdominalen 
Endoskelettbildungen  von  ganz  bestimmten  Abdominal- 
segmentplatten ausgehen  und  denselben  zuzurechnen  sind. 

Ich  habe  auch  schon  viele  Fälle  mitgetheilt,  in  denen  eine 
Platte  als  solche  erloschen  war,  während  ein  von  ihr  ausgegangenes 
Endoskelettstück  gut  ausgebildet  ist  und  weite  Verbreitung  hat. 
Der  dorsale  Bogen  ist  das  Endoskelettstück  zur  9.  D.,  der  ven- 
trale Bogen  oder  das  einfache  oder  das  dreizinkige  Spiculum 
gastrale  sind  Endoskelettstücke  zur  9.  V.  Das  Spiculum  ven- 
trale ist  ein  solches  zur  8.  V.  Endoskelettbildungen  zur  8.  D. 
finden  wir  bei  allen  Malachiiden.   — 

Paarige  Endoskelettspangen  sind  bis  jetzt  von  der  8.  und  9.  D. 
sowohl  wie  8.  und  9.  V.  bekannt,  unpaarige  nur  von  der  8. 
und  9.  V. 

Wenn  über  das  Vorhandensein  oder  Fehlen  einer  Platte  zu 
berichten  ist,  muss  fortan  genau  angegeben  werden,  ob  es  sich  um 
eigentliche  Platten  oder  Endoskelettbildungen  oder  um  beides 
handelt,  ein  Umstand,  den  ich  in  meinen  allgemeinen  Vorarbeiten 
noch  theilweise  vernachlässigt  habe.  Für  alle  endoskelettalen 
Bildungen  ist  das  vollständige  Fehlen  von  Tastborsten,  Haaren, 
Häutungshaaren,  Drüsenporen  und  zelliger  Struktur  charakteristisch, 
was  ja  auf  der  Hand  liegt.  Das  Vorkommen  mehrerer  Endoskelett- 
stücke ist  natürlich  ein  Zeichen,  dass  es  sich  um  eine  höherstehende 
Form  handelt,  welche  vom  Urkäfer,  der  der  abdominalen  Endoskelett- 
bildungen entbehrt,  weiter  entfernt  ist.  — 


IV.   Allgemeine  und  kritische  Anmerkungen. 

Aus    meinen  Untersuchungen   ergeben    sich    für  die    natürliche 
Systematik  folgende  Sätze: 

1.  Das  Fehlen  oder  Vorhandensein    einer    Basalplatte    kann 
für  eine  ganze  Ordnung  charakteristisch  sein. 

2.  Ebenso    kann    für    eine    ganze  Ordnung    ein  Legeapparat 
von  bestimmtem  Bau  charakteristisch  sein. 


d.  männlichen  u.  weiblichen  L.auipyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     199 

3.  Das  Vorhandensein  oder  Fehlen  und  die  Form  gewisser 
Segmentplatten  kann  für  ganze  Familien  gelten. 

4.  Andere  Vorkommnisse  oder  Gestaltungen  von  Segment- 
platten sind  für  Unterfamilien  typisch. 

5.  Das  Fehlen  oder  Vorhandensein  der  Stigmen  des  8.  Segm. 
kann  für  Ordnungen  charakteristisch  sein. 

6.  Ganze  Familien  können  einen  Penis  von  bestimmtem  Typus 
aufweisen. 

7.  Die  Verwachsung  der  Parameren  mit  einander  und  ihre 
Form  kann  in  wesentlich  übereinstimmender  Weise  bei  den  An- 
gehörigen von  Familien  und  Unterfamilien  vorkommen. 

8.  Bei  den  Formen  einer  Unterfamilie  kann  sich  ein  besonderer 
Typus  des  Praeputialsackes  finden. 

9.  Bestimmte  Endoskelettbildungen  können  für  Ordnungen,  für 
Familien  oder  für  Unterfamilien  gelten. 

10.  Eine  bestimmte  Differencirung  oder  Form  einer  Basalp latte 
kann  für  Unterfamilien  typisch  sein. 

Für  alle  diese  Sätze  finden  sich  Beispiele.  —  Mit  Absicht  wählte 
ich  stets  den  Ausdruck:  es  „kann"  sein,  weil  das,  was  für  eine 
oder  mehrere  Gruppen  gilt,  noch  lange  nicht  für  alle  gilt  oder  zu 
gelten  braucht. 

Auf  die  Sätze  6.  und  7.  sei  deshalb  besonders  hingewiesen, 
weil  sie  der  Ansicht  Escherichs  i)  und  Weises^)  diametral  entgegen- 
stehen. Diese  Autoren  glauben  nämhch  fälschlich,  wie  auch  manche, 
der  vergleich.  Morphol.  unkundige  Coleopterologen,  dass  die  Copula- 
tionsorgane  in  der  Systematik  nur  zur  Unterscheidung  der  Arten 
verwendbar  seien.  Sie  übersehen  dabei  gänzlich,  dass  diese  Organe 
nicht  nur  von  Form  zu  Form  Differenzen  aufweisen  (meist!), 
sondern  auch  Uebereinstimmungen  und  zwar  sind  diese  Ueber- 
einstimmungen  viel  grössere  als  die  Verschiedenheiten.  Aber  selbst 
angenommen  es  handele  sich  um  grosse  Verschiedenheiten,  so  giebt 
es  doch  noch  immer  Uebereinstimmungen,  welche  hochwichtig  sind 
und  durch  Abstrahirung  der  Differenzen  herausgeschält  und  als 
Gruppencharaktere  ausfindig  gemacht  werden  müssen.  Allerdings 
ist  das  schwieriger  als  Beschreibungen  der  Einzelformen.  — 

Es  sei  nun  kurz  die  Inaugural-Dissertation  von  H.  Liegel 
besprochen,  betitelt:  „Ueber  den  Ausstülpungs-Apparat  von  Mala- 
chius  und  verwandten  Formen",  Göttingen  1872. 

L.  hat  bereits  die  „Säcke  an  den  Seiten  des  Abdomens"  von 
Cantharis  richtig  gefunden.  Er  irrt  sich  aber,  wenn  er  meint,  dass 
sie  „das  Phänomen  der  Ein-  und  Ausstülpung  niemals  zeigen", 
denn  ich  habe  an  Alkoholmaterial  sowohl  eingestülpte  als  aus- 
gestülpte Säcke  gesehen. 


^)  Vergl.  Coleopterengatt.  Trichodes.  Wien,  Verh.  d.  zool.-botan.  Ges. 
1893,  S.  155. 

2)  Deutsche  entomol.  Zeitschr.,  1894,  Heft  1;  polemischer  Artikel  gegen 
meine  „Vergleich.,  Untersuch,  etc." 


200      Dl'-  Carl  Verhoeff :   Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

Ferner  bemerke  ich  mehrere  Bündel  von  Rückziehmuskeln, 
welche  sich  in  jedem  Pleuralsäckchen  an  die  terminale  Wand  an- 
setzen und  sicherhch  nicht  zum  Luxus  da  sind.  Ueberdies  finde 
ich  in  der  Haut  der  Säckchen  zerstreut  die  feinen,  in  besonderen 
Papillen  gelegenen  Mündungen  von  Hautdrüsen.  Letztere  er- 
wähnt L.  nicht.  Dagegen  sind  ihm  die  Muskeln  wohlbekannt,  wes- 
halb es  um  so  unverständlicher  ist,  wie  er  zu  jener  Aeusserung 
kommt.  Die  Pleurenplatten  hat  er  auch  aufgefunden.  Ihm  diente 
zur  Untersuchung  Canth.  fusca,  von  der  er  sagt,  dass  sie  nur 
2  Paare  von  „kugelförmigen  Auftreibungen"  in  den  Seiten  besitze. 
Darnach  schiene  sich  diese  Art  ja  durch  die  Zahl  der  Pleural- 
säckchen von  violacea,  bei  welcher  ich  6  deutliche  Paare  nach- 
wies, zu  unterscheiden.  Jedenfalls  bezweifle  ich  es  sehr,  dass 
eines  dieser  beiden  Paare  von  fusca  zwischen  Metathorakal-  und 
1.  Abdominalsegment  liegen  soll,  wie  er  sagt.  Er  begeht  ferner 
darin,  dass  er  den  Thorax  von  Cantharis  für  stigmenlos  erklärt 
(S.  23),  einen  schweren  Fehler,  denn  der  Thorax  besitzt  thatsächlich 
2  Stigmenpaare,  wie  bei  den  meisten  Coleopteren.  Sein  Fehler 
wird  aber  dadurch  ein  doppelter,  dass  er  auch  die  riesigen 
Stigmen  des  1.  Abd.-S.  übersehen  hat,  denn  er  sagt,  dass  „die 
an  den  beiden  vorderen  Segmenten  gelegenen  Stigmata  etwas 
grösser  sind".  Damit  charakterisirt  er  aber  die  St.  des  2.  und 
3.  S.  Ueber  die  Zahl  der  St.  giebt  er  nichts  an.  Die  Dorsal- 
drüsen hat  er  (wie  auch  Leydig)  nicht  gefunden.  —  Irrig  ist  es, 
wenn  er  meint,  dass  „bei  Malachius"  „die  Einstülpungen  nach  dem 
Tode  eingezogen"  werden.  Ich  besitze  ein  Ex.  in  Alkohol,  welches 
die  Säcke  sehr  schön  praU  ausgestülpt  hat.  Ob  die  Thiere  die 
Säcke  im  Spiritus  beim  Todeskrampfe  ein-  oder  ausstülpen  hängt 
vielleicht  nur  von  der  Conzentration  des  Alkohol  ab. 

Betreffs  seiner  Auseinandersetzungen  über  Malachius,  zu  denen 
zwei  etwas  sehr  schematische  Figuren  geliefert  werden,  sei  noch 
Folgendes  bemerkt:  Die  „Abdominalsäcke",  deren  „Bezeichnung" 
er  für  „nicht  ganz  zutreffend"  hält,  da  das  hintere  Paar  sowohl 
dem  Thorax  als  auch  dem  Abdomen  zugerechnet  werden  kann", 
können  durchaus  als  solche  bezeichnet  werden,  denn  Liegel 
hat,  wie  schon  so  mancher  Entomotom,  das  1.  Segment,  hier  also 
die  1.  D.  verkannt,  indem  er  die  wahre  2.  D.  für  die  erste  hält. 
Darum  hält  er  auch  das  grosse  Stigmenpaar  des  1.  Abdominal- 
segmentes fälschlich  für  das  Metathorakalsegment-Stigmenpaar  und 
glaubt  dementsprechend,  dass  die  Abdominalsäcke  an  der  Grenze 
von  Methatorax  und  1.  S.  des  Abdomens  lägen,  während  sie  sich 
faktisch  auf  der  Grenze  zwischen  1.  und  2.  Abd.-S.  befinden.  In 
den  Fig.  sind  die  nach  vorne  mehr  und  mehr  kleiner  werdenden 
D.  viel  zu  gross  gezeichnet.  Richtig  bemerkt  hat  L.  bereits,  dass 
die  Haut  der  Säcke  „keinerlei  Häkchen"  besitzt,  aber  sich  „viel- 
fach   in    Falten    zusammengelegt    zeigt"    (S.  12).     Ebenso    fand    er 

richtig,  „dass  die  Schienen   (er  meint  die  Segmentplatten) 

von  zahlreichen  Porenkanälen  durchzogen  sind,  während  die  weich 


d.  rDcännlichen  n.  weiblichen  Lauipyi'iden,  Caiithariden  u.  Malachiideu.     201 

gebliebenen  Verbindungstheile  (er  meint  die  Pleurenhäuto)  mit  kleinen 
Häkchen  (Häutungshaaron)  —  mittlere  Länge  00,2  mm,  Breite 
0,007  mm  — ,  mit  gekrümmter  Spitze  und  breiter  Basis,  mit  der  sie  von 
der  Haut  abgeben,  besetzt  sind  und  der  Porenkanäle  gänzlich  ent- 
behren". —  Eine  sehr  merkwürdige  und  total  falsche  Hypothese 
trägt  er  in  Kap.  V  vor:  „Physiologische  Bedeutung  der  Aus- 
stülpungen". Er  meint  nämlich,  „dass  die  Ausstülpungen  für  die 
Aufnahme  der  Luft  in  die  Tracheen  von  Bedeutung  sind".  (!) 

Für  diese  Ansicht  kann  er  nur  wenig  Belegendes  beibringen. 
Einmal  soll  die  Lage  der  Pleurasäcke  an  den  „grossen  Thorakal- 
stigmata"  von  Bedeutung  sem,  wobei  jedoch  übersehen  wird,  dass 
am  2.  Paare  der  Thorakalstigmen  überhaupt  keine  Pleuralsäcke 
liegen.  Sodann  sollen  diese  Pleuralsäcke  „bei  der  Athmung  in  der 
Weise  von  Bedeutung  sein,  dass  sie  der  Luft  den  Eintritt  in 
diejenigen  Stigmata  erleichtern,  welche  die  grösste  Bedeutung  für 
die  Aufnahme  der  Luft  haben."  Er  meint:  „In  dem  Zustande,  wo 
die  Blasen  nicht  ausgestülpt  sind,  werden  die  Stigmata  durch  die 
Faltungen  und  Uebereinanderlagerungen  der  weichen  Chitinhaut 
überdeckt;  werden  durch  die  Ausstülpung  der  Blasen  diese  Falten 
nun  geglättet,  so  treten  die  Stigmata  frei  zu  Tage"  (S.  28).  Ich 
habe  mich  nun  einerseits  nicht  davon  überzeugen  können,  dass  die 
zusammengefaltenen  Pleuralsäcke  die  Stigmen  wirklich  „verdecken" 
können,  andererseits  wird  auch  durch  die  kräftigen,  gegen  die 
Basis  stark  verbreiterten  Häutungshaare  der  Pleurenhäute,  selbst 
dann,  wenn  wirklich  eine  Ueberdeckung  durch  die  Pleuralsäcke 
stattfände,  eine  so  nahe  Anlegung,  dass  dadurch  die  Aus-  und  Ein- 
strömung der  Luft  in  die  Stigmen  beinträchtigt  werden  könnte,  ganz 
unmöglich  gemacht.  Es  ist  aber  ferner  a  priori  ganz  widersinnig, 
dass  die  Natur  ein  Organ  soll  zur  Entstehung  gelangen  lassen,  das 
nur  den  Vortheil  bringt,  den  Nachtheil,  den  dieses  Organ  für 
gewisse  Stigmen  hat,  wieder  aufzuheben.  Da  giebt  doch 
(+  1)  +  ( —  1)  Null,  das  Organ  wäre  also  im  Grunde  ein  nutzloses. 
—  Erich  Haase  hat  uns  nun  den  Beweis  geliefert i),  dass  die 
Ventralsäckchen  bei  Thysanuren  allerdings  zur  Athmung  dienen, 
freilich  in  gänzlich  anderer  Weise  als  es  Liegel  bei  Malachius 
meint.     Er  sagt  auf  S.  430  in  seiner  gediegenen  Arbeit: 

„Die  Beziehungen  der  Ausbildung  des  Tracheensystems  zu  der 
der  Ventralsäckchen  ergeben,  dass  letztere  eine  respiratorische 
Funktion  haben  und  als  Blutkiemen  anzusehen  sind."  „Bei 
Poduren  Hess  sich  unter  dem  Mikroskop  eine  bedeutende  und  schnelle 
Durchströmung  des  ausgestreckten  Ventraltubus  durch  Blutflüssigkeit, 
in  der  Richtung  nach  dem  Vorderende  des  Körpers  zu,  verfolgen." 

Es  stimmen  nun  in  physiologischer  Beziehung  die  Pleural- 
säckchen  von  Malachius  und  auch  Cantharis  mit  den  Ventral- 
säckchen von  Ma Chilis  u.  A.  überein,  indem  auch  bei  diesen  Cole- 


^)  Die   Abdoininalanbänge    der    Insekten,   mit  Berücksichtigung   der  My- 
riopoden.  1889. 


202       Dr-  Carl  Verhoeff:   Vergleichende  Morphologie  des  Abdomens 

opteren  Blut  ein-  und  ausgepresst  wird.  Durch  die  sehr  zarte 
Wandung  der  Säckchen  hindurch  gehen  die  von  innen  an  ihr  her- 
streichenden Zeilen  der  Leibesflüssigkeit  mit  der  umgebenden  Luft 
einen  Gasaustausch  ein.  Das  ist  die  phys.  Bedeutung  der  Pleural- 
säckchen. 

Die  Anwesenheit  von  Hautdrüsen  deutet  aber  noch  auf  eine 
zweite  Funktion  derselben  hin.  Sie  besteht  jedenfalls  in  einem 
„ Vertheidigungs mittel  durch  einen  Übeln  Geruch,"  eine  Ansicht, 
Avelche  schon  Westwood  und  Laboulbene  vertraten.  Diese  Autoren 
wiesen  aber  keine  Drüsen  nach  und  sprachen  darum  nur  eine  Ver- 
muthung  aus.  Nun  behauptet  Liegel  fälschlich,  „Drüsen"  könnten 
„nicht  aufgefunden  werden"  und  weist  daher  jene  Ansicht  zurück. 
Sie  war  aber  trotzdem  richtig.  Es  sind  Drüsen  vorhanden, 
welche  St.  Klemensiewicz^)  für  Malachius  nachgewiesen  hat, 
ich  selbst  fand  sie  bei  Cantharis.  Ob  wir  mit  unseren  mensch- 
lichen Riecherkern  im  Stande  sind  Gerüche  dieser  Hautdrüsen  wahr- 
zunehmen oder  nicht,  ist  für  jene  Coleopteren  ja  ganz  gleichgültig, 
quod  licet  Malachio,  non  licet  homini.  Ich  erinnere  daran,  dass 
auch  die  Gerüche  gewisser  Lepidopteren- Weibchen,  denen  die 
Männchen  eben  nur  dieser  wegen  nachspüren  konnten,  für  den 
Menschen  nicht  wahrnehmbar  sind.  — 

Liegel  spricht  den  Pleuren  von  Cantharis  die  Aufgabe  zu, 
die  Verdeckung  der  Stigmen  durch  Pleurenhäute  zu  verhindern. 
Eine  solche  Erklärung  der  Pleuren  muss  ich  aber  entschieden  zurück- 
weisen, einmal,  weil  es  Formen  giebt  (die  meisten  Hemiptera-Gymno- 
cerata),  bei  welchen  die  PL  vorkommen,  die  St.  aber  durchaus  nicht 
in  diesen  und  auch  nicht  in  der  Pleurenhaut  liegen,  sondern  in  den 
Ventralplatten,  sodann  weil  manche  Formen,  z.B.  Malachius  und 
Dolichosoma,  theilweise  sehr  weite  Pleurenhäute  haben  und  darin  die 
St.  liegen,  aber  keine  PL,  und  diese  Formen  ersticken  deshalb 
durchaus  nicht.  Endhch  wäre  es  auch  ganz  überflüssig,  dass  die 
Pleuren  so  kolossale  Grösse  erreichen,  wie  z.  B.  bei  Lampyris  $, 
wenn  sie  nur  jene  Funktion  hätten.  Bestände  überhaupt  jemals 
die  Gefahr  einer  Verdeckung  der  St.  durch  Pleurenhäute,  so  brauchten 
die  St  nur  an  den  Rand  der  festen  D.  oder  V.  zu  rücken.  Aber 
ein  solcher  Fall  kann  überhaupt  niemals  eintreten.  Die  ganze  Idee 
beruht  auf  einer  unüberlegten  Vorstellungsweise  Liegeis. 

Das  grösste  Curiosum  aber  hören  wir  bei  der  ,,Cantharisform 
aus  Cordova"^).  Damit  diese  gmndlich  in  die  Theorie  Liegeis 
passt,  werden  „die  Blasen"  als  „rudimentäre  Organe"(!  !)  aufgefasst 
und  doch  heisst  es  auf  S.  25  ,,dass  sie  an  Grösse  die  Ausstülpungen 


^)  Zur  Kenntniss  der  Hautdrüsen  bei  den  Raupen  und  bei  Malachius. 
Mit  2  Taf. 

Wien.    Verhandl.  d.  zool.-botan.  Ges.    1882. 

Zu  Malachius  gehört  Taf.  XXII  Fig.  9  und  10. 

^)  Wahrscheinlich  überhaupt  gar  keine  Cantharis!  Ich  zweifle  sogar,  ob 
es  eine  Cantharide  ist! 


(1.  männlichen  u.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     203 

unserer  Cantharis  um  das  Fünffache  (!)  übertrafen".  Nun  sind  schon 
„die  Ausstülpimgen  unserer  Cantharis"  nicht  rudimentäre  Organe, 
wieviel  weniger  Dinge,  welche  fünfmal  so  gross  sind!  —  Ich  ver- 
stehe nicht,  wie  man  dergleichen  an  einer  Universität  drucken  lassen 
kann.  — 

Der  Schlusssatz  Liegeis  ist  ein  total  überflüssiger.  Was  der 
Fortsatz  A  in  der  Fig.  1  bedeuten  soll,  weiss  ich  nicht.  Es  ist  ein 
Phantasiegebilde ! 

Ich  muss  endlich  noch  das  Werk  Erichsons  berühren,  Natur- 
geschichte der  Insekten  Deutschlands,  Coleoptera,  Bd.  IV.  Berlin  1863, 
bearbeitet  von  H.  v.  Kiesenwetter. 

Dieser  Forscher  trennt  nämlich  bereits  die  Malachiiden  m. 
unter  dem  Namen  Melyriden  von  den  Malacodermen  ab,  und 
theilt  letztere  selbst  wieder  in  4  Unterfamilien,  nämlich  Lyciden, 
Lampyriden,  Telephoriden  und  Druiden.  Die  letzten  enthalten 
nur  die  Gatt.  Dri lus.  —  Doch  hören  wir,  was  er  auf  S.  429  selbst  sagt: 

Malacodermata:  „Die  Famüie  umfasst,  wie  sie  von  Latreille 
aufgestellt  worden  ist,  eine  grosse  Zahl  von  Formen,  welche  L. 
selbst  und  cHe  späteren  Systematiker  wieder  daraus  entfernt  haben, 
um  sie  als  Typen  besonderer  Familien  aufzustellen.  Und  aller- 
dings hat  die  systematische  Umgrenzung  und  Anordnung  hier  be- 
sondere Schwierigkeiten,  da  einestheils  zahlreiche  Uebergangsformen 
zu  andern  Familien  hinüberleiten,  z.  B.  Drilus  zu  den  Melyriden, 
Homalisus  zu  den  Elateriden  u.  s.  w.,  anderntheils  aber  die  zur 
Familie  selbst  gehörenden  Coleopteren  sich  nach  ziemlich  bestimmt 
ausgeprägten  Typen  in  verschiedene  Abtheilungen  gruppiren,  die 
man  als  ebenso  viele  besondere  Familien  auffassen  kann  und  bereits 
aufgefasst  hat. 

So  unterscheidet  Erich  so  n  (Agassiz  Nomenclater  zoolog.  und 
Wiegmanns  Archiv  1847p.  79ff.)  vier  Familien :  Lampyriden,  Lyciden, 
Telephoriden  und  Melyriden;  Redtenbacher  stellt  Melyriden  (muss 
natürlich  heissen  Lampyriden!)  Lyciden  und  Telephoriden  in  eine 
Famihe,  für  die  er  den  Namen  Malacodermi  beibehält  und  bildet 
aus  den  Melyriden  eine  zweite;  Le  Conte  (Proced.  Acad.  Phil. 
Ser.  IL  1.  73)  betrachtet  die  Lyciden  und  Melyriden  als  besondere 
Familien  und  verschmilzt  Lampyriden  und  Telephoriden  zu  einer 
dritten;  Lacordaire  vereinigt  die  vier  Erichson'schen  Familien  zu 
einer,  unter  dem  Namen  Malacodermes;  Thomson  (Scandinaviens 
Coleoptera.  Lund  1859)  nimmt  seine  „Stirps  Malacodermi"  wieder 
in  dem  weiten  Sinne,  wie  sie  Latreille  aufgestellt  hat  und  unter- 
scheidet darin  Cyphonidae,  Dasytidae,  Lampyridae  (mit  den  Tribus 
LycLQa  und  Lampyrina),  Telephoridae  (mit  den  Tribus  Telephorina 
und  Malachüna),  Cleridae,  Corynetidae  und  Hylotrogi.  — 

Lässt  man  sich  aber  durch  einzelne  abnorme  (!)  Formen,  welche, 
wie  z.  B.  Homalisus,  als  Uebergangsgattungen  heterogene  Charaktere 
darbieten,  nicht  beirren,  so  lassen  sich  nicht  nur  recht  gut  Dascilliden 
auf  der  einen  und  Cleriden  auf  der  andern  Seite  abtrennen,  sondern 
es  scheiden  sich  auch  aus  der  noch  übrigen  Masse  der  Malacodermen 


204       Dl'-  Carl  Verhoeff:  Vergleichende  Morphologie  des  Ahdomens 

im  Sinne  Lacordaires  durcli  die  geringere  Zahl  der  Baiichsegmente, 
durch  ein  deutiich  abgesetztes  Kopfschild,  durch  eine  abweichende 
Insertion  der  Fühler,  durch  einen  verschiedenen  Bau  der  Mandibeln 
und  endlich  durch  ein  durchaus  anderes  Geäder  der  Flügel  die 
Melyriden  aus,  welche  auch  im  äusseren  Habitus  eine  fremdartige 
Bildung  zeigen." 

So  schliesst  sich  v.  Kiesenwetter  also  an  Redtenbacher  an. 

In  der  3.  Auflage  seiner  Fauna  Austriaca  aber  hat  Redt,  die 
Melyriden  wieder  in  die  Malacodermata  als  „5.  Gruppe"  eingezogen 
und  führt  ganz  davon  getrennt  als  eigene  Familie  die  Cleriden  auf. 
Dasselbe  findet  sich  im  „Catalogus  Coleopteratorum  Europae  et 
Caucasi"  3.  Ed.  Berlin  1883  von  L.  v.  Heyden,  E.  Reitter  und 
J.  Weise,  die  Malacodermen  unter  dem  Namen  Cantharidae. 

Die  V.  Kiesenwettersche  Gruppirung  ist  diejenige,  welche 
der  von  mir  aufgedeckten  noch  am  nächsten  kommt.  Weil  sie  aber 
nicht  genügend  begründet  war  konnte  sie  wieder  durch  andere 
Fassungen   dieser    fluktuirenden    Malacodermen    verdrängt    werden. 

Die  Begründung  ist  aber  die  Hauptsache.  Ich  wiederhole 
das,  was  ich  schon  früher  einmal  erklärte:  Es  ist  ganz  werthlos, 
dass  jemand  etwas  Richtiges  äussert,  wenn  es  nicht  durch  zwingende 
Thatsachen  oder  Beweise  oderlogischeErwägungenbegründet  ist.  Wenn 
verschiedene  Autoren  verschiedene  Ansichten  über  eine  Sache  haben, 
so  wird  naturgemäss  leicht  einer  das  Richtige  treffen.  Wenn  das  aber 
nicht  durch  Ergründung  der  Wahrheit  geschah,  sondern  nach 
mehr    weniger  unbestimmten  Eindrücken,    so  ist  es  ein  Errathen. 

Das  oben  Angeführte  zeigt  aber  zur  Genüge,  dass  man  sich 
statt  mit  ernstem  Forschen  mit  „Glauben"  und  „Meinen"  begnügt 
hat.     Daher  das  fortgesetzte  Schwanken.  — - 

Meine  Untersuchungen  haben  nun  noch  nichts  davon  aufdecken 
können,  wieso  „Drilus  zu  den  Melyriden"  „hinüberleitet",  das  ist 
ein  vollständiger  Irrthum  v.  Kiesenwetters.  Ebenso  wenig  habe 
ich  eine  Spur  von  einer  näheren  Beziehung  zwischen  „Homalisus 
und  den  Elateriden"  finden  können.  (Diese  Ansicht  hat  v.  Fricken 
in  seiner  „Naturgeschichte  d.  Käfer  Deutschlands"  S.  285.  4.  Aufl. 
1885,  auch  wieder  hingesetzt.) 

Auf  die  andern  beträchtlichen  Abweichungen  meines  Systems 
von  demjenigen  v.  Kiesenwetters  brauche  ich  hier  nicht  weiter  ein- 
zugehen. —  Den  Namen  Malachiiden  wählte  ich,  weil  einmal 
diese  Gruppe  ganz  neu  begründet  wurde,  sodann  auch  Malachius 
die  bekannteste  Gattung  in  derselden  ist.  — 

Die  lateinischen  Diagnosen,  welche  v.  Kiesenwetter  seinen 
Malacodermen  und  Melyriden  beigiebt,  sind  gar  nicht  einmal  voll- 
kommen contradiktorisch  abgefasst.  So  spricht  er  bei  den  Mel.  von 
„Clypeus,  Labrum"  und  „Mesosternum"  bei  den  Mal.  nicht.  Bei 
den  Mal.  spricht  er  von  den  Tarsen  und  bei  den  Mel.  nicht. 
Die  Erklärungen  „Abdomen  segmentis  Septem,  rarissime  sex 
compositum"  (Mal.)  und  „Abdomen  segmentis  sex  vel  quinque 
compositum"  (Mel.)  sind  heute  als  werthlos  zu  betrachten.  — 


d.  männlichen  u.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     205 

Im  Interesse  anderer  Autoren  setze  ich  hier  die  Titel  meiner 
PubKkationen  über  das  Abdomen  der  Insekten  hin: 

1.  Vergleich,  Untersuch,  über  die  Abdominalsegmente  und 
Copulations Organe  der  männlichen  Coleoptera.  4  Taf.  Deutsche 
entomol.  Zeitschr.  Berlin  1893.     1.  Heft. 

2.  Vergleich.  Untersuch,  üb.  d.  Abdominalsegmente,  insbesondere 
die  Legeapparate  der  weiblichen  Coleoptera.  2  Taf.  Daselbst  1893. 
2.  Heft. 

3.  a)  Bemerkungen  zu  C.  Escherich  „Die  biologische  Bedeutung 
der  Genitalanhänge  der  Insekten".  Entomolog.  Nachricht.  1893.  Nr,  3. 

b)  Erwiderung  auf  C.  Escherichs  Bemerkungen  in  Nr.  9  der 
Entom.  Nachr.     Daselbst  Nr.  18. 

c)  Kurze  Bemerkung  über  die  Bedeutung  der  Genitalanhänge  in 
der  Phylogenie.     Das.  Nr.  18. 

d)  Zur  vergleichenden  Morphologie  der  „Abdominalanhänge"  der 
Coleopteren.     Das.  1894.     Nr.  6, 

4.  a)  Finden  sich  für  die  Laminae  basales  der  männlichen  Cole- 
opteren Homologa  bei  Hymenopteren? 

Zoologischer  Anzeiger  1893.     Nr.  432  mit  6  Fig. 
b)  Ueber  das  Abdomen  männlicher  Elateriden.    Daselbst  1894. 
No.  443  mit  7  Fig. 

5.  Vergleich.  Untersuch,  über  die  Abdominalsegmente  der 
weiblichen  Hemiptera-Heteroptera  und  -Homoptera.  Bonn  1893. 
Dissertation  und  in  Verh.  d.  naturhist.  V.  f.  Rheinl.  u.  Westfalen. 
1893.     Heft  2, 

6.  Zur  Kenntniss  der  vergleich.  Morphologie  des  Abdomens 
weiblicher  Coleopteren. 

Deutsche  entomol.  Zeitschrift  1894.     2.  Heft.     1  Fig. 

7.  Ueber  Copulationsorgane  der  Coleopteren:  Eine  Antwort  an 
die  Herren  J.  Schwarz  imd  F.  Weise,  daselbst  mit  3  Fig. 


206       Dr.  Carl  Verhoeff:   Vergleicbende  Morphologie  des  Abdomens 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Folgende  Abkürzungen,   welche 
Figuren : 

V.  =  Ventralplatte, 

D.  =  Dorsalplatte. 

PI.  =  Pleurenplatte. 

Dp.  =  Duplicatur  an  der  9.  V.  des  ^. 

s.  g.  =  Spiculum  gastrale  (9.  V.  (^). 

s.  V.  =  Spiculum  ventrale  (8.  V.  ^  $). 

B.  V.  =  ventraler  Bogen  (9.  V.). 

B.  d.  =  dorsaler  Bogen  (9.  D.). 

r.  =  Radii. 

r.  V.  =  Radii  ventrales. 

r.  d.  =  Radii  dorsales. 

Sty.  =  Stylus. 

St.  =  Stigma. 

dr.  =  Dorsaldrüsenporus. 

Dr.  =  Drüsenporenplatte. 

Pa.  =  Parameren. 


vpiederholt   vorkommen,   gelten   für   alle 

Ba.  =  Basalplatte. 

p.  b.  =  Processus  laminae  basalis. 

P.  =  Penis. 

f.  =  Femora  Penis. 

1.  i.  =  Lamina  inferior  desselben. 

1.  s.  =       „        superior       „ 

Co.  =  Cornua  Penis. 

Pa.  d.  t=  Parameren-Finger. 

I  =:  Verbindungsstelle  von  Ba.  und  Pa. 

Pr.  =  Praeputialsack. 

d.  e.  =  ductus  ejaculatorius. 

M.  =  Mündung  desselben. 

Seh.  =  Legeröhrenschlauch. 

E,.  =  Eingfalte  der  Legeröhre. 

Va.  =  Vagina. 

R.  =  Rectum. 


Fig.  1. 

Fig.  2. 

Fig.  3. 

Fig.  4. 

Fig.  5. 

Fig.  6. 

Fig.  8. 


Fig.  1—3.    Lygistopterus  sanguineus. 
Der  Legeapparat   des  §  ausgestreckt,   von  oben  gesehen.     Er   setzt 
sich  mit  dem  Ende    des  Legeröhrenschlauches   an   die  8.  V.,   welche 
vorne  ein  Spiculum  ventrale  trägt. 

Die  9.  und  10.  D.  von  unten  und  die  9.  V.   von  oben  gesehen.     An 
den  Schmalbogen  der  9.  V.    setzt   sich   die  Spange   fi  jederseits   an. 
(Nur  eine  Seite  wm^de  gezeichnet). 
Copulationsorgane  und  Dp.  der  9.  V.  von  oben  gesehen. 

Fig.  4 — 6.     Eros  Aurora. 
Copulationsorgane  von  der  Seite  gesehen. 
9.  V.  von  oben. 
Legeapparat,     t  =  Stützbalken  der  Radii. 

Fig.  7 — 9.    Lampyris  splendidula  ^. 
Die  9.  und  10.  D.  an  einander  gewachsen. 

Fig.  10.     Lampyris  noctiluca  $. 
„Legeplatten"  der  linken  Körperseite  von  oben. 
Fig.  11.     Dasytes  plumbeus  ^. 
P.  von  der  Seite.    Das  Ende  ist  etwas  quer  gedrückt,  sodass  man  die 
Rinne  sieht,  in  welcher  der  Pr.  mündet.     Letzterer  ist  ganz  zurück- 
gestülpt.   Von  seinen  Riesenzähnen  wurden  nur  2  eingezeichnet. 


d.  mämilichen  u.  weiblichen  Laini/yiiden,  Caiithariden  ii.  Malachiiden.     207 

Fig.  12- 14.    Danacaea  pallipes  ,^. 
Fig.  12.     P.  von  der  Seite.     Der  Pr.  schimmert  durch. 
Fig.  14.     Die  8.  und  9.  V.  mit  ihren  Spicula  von  unten  gesehen. 
Fig.  15.    Dolichosoma  lineare  $. 
Ansicht  des  Legeapparates  von  oben. 

Fig.  16.    Psilothrix  nobilis  $.     Ebenso. 
Fig.  17—20.     Luciola  lusitanica  (J. 
Fig.  17.     Endhälfte  des  Penis  von  der  Seite. 
Fig.  18.     Hälfte  der  Basalplatte. 

Fig.  19.     Copulatiousorgane  von  oben.     (Linker  Parameros  z.  T.  weggelassen.) 
Fig.  20.     9.  und  10.  D.  von  unten  ges. 

Fig  21.    Drilus  flavesceus  (^. 
Copulationsorgane  von  unten. 

Fig.  22.     Phosphaenus  hemipterus  (J. 
An  der  Basis   der  am  Grunde   verwachsenen  Pa.   sitzen   spiessartige 
Fortsätze  auf  (b). 

Fig.  23  und  24.     Homalisus  suturalis  $. 
Fig.  23.     Copulationsorgane  und  die  2  letzten  Abdom.-Segm.  von  oben. 
Fig.  24.     Ba.  von  oben,  mit  seitlichen  Vorsprüngen  (a). 

Fig.  25  und  26.    Malthodes  marginatus  (^. 
Fig.  25.     Die  2  letzten  D.  von  unten.    Die  tief  ausgebuchtete  9.  V.  ist  zurück- 
geklappt. 
Fig.  26.     Copulationsorgane  von  unten  gesehen.      Die  dorsalwärts  gelegene  Ba. 
ist   etwas    zur  Seite    geschoben,     p  =  mit  Warzen  bedeckte  Polster, 
ps  =  Linie,  welche  eine  Pseudobasalplatte  abgrenzt. 
Fig.  27,    Axinotarsus  pulicarius  q. 
Pa  von  der  Seite. 

Fig.  28— 33.    Malachius  bipustulatus  ^. 
Fig.  28.     Pa.  von  der  Seite. 
Fig.  29.     P.  ebenso. 
Fig.  30.     8.  V.  von  oben.     Sie  trägt  am  Hinterrande  einen  tiefen  Einschnitt. 

An  dem  Hinterrande  ragt  ein  Zapfen  «  vor. 
Fig.  31.     9.  Segment. 

Fig.  33.  Copulationsorgane  und  benachbarte  Segmentplatten  von  unten  und  der 
Seite  ges. 

Fig.  34-37.    Malachius  viridis  ?. 
Fig.  34.     8.  V.  und  das  etwas  davon  abgerückte  Spie.  (s.  v.). 
Fig.  35.     Links  die  Cuticularstructur  des  Legeröhrenschlauches  in  der  Region 

y  —  g.~ 

Rechts  das  Gelenk,  welches  die  Enden  der  Vorder-  und  der  Hinter- 
spange der  r.  v.  mit  einander  bilden. 

Fig.  36.     St.  des  3.  Segmentes  von  aussen. 

Fig.  37.  Legeröhre  An  dem  Vorderende  mehr  von  oben ,  am  Hinterende 
mehr  von  unten  gesehen.  Bei  ß  schimmern  die  Schalen  zahlreicher 
verdauter  Polleukörner  durch.  Vorne  treten  zwei  kräftige  Tracheen- 
stämme ein. 


208      Dl*-  Carl  Verhoeff:  Vergleiclieiule  Morphologie  des  Abdomens 

Fig.  38—40.    Ebaeus  thoracicus  §. 

Fig.  38.     Die  8.  V.  mit  kräftigem  Ventralsi^iculum. 

Fig.  39.  Theile  der  8.  V.  und  D. ,  welche  mittelst  ihrer  Seitenfortsätze  bei  g 
ein  Gelenk  bilden. 

Fig.  40.     8.  D.  von  oben,  mit  langen  Seiteufortsätzen  am  Vorderrande. 
Fig.  41.     Charopus  flavipes  ^. 
Pa.  von  unten  und  der  Seite.     Der  untere   Bogen   des  Ringes  b  ist 
an  einer  Seite  abgerissen  und  emporgehoben. 

Fig.  42— 45.     Anthocomus  fasciatus  ^. 

Fig.  42.     Pa.  von  unten  und  der  Seite. 

Fig.  43.  P.  von  der  Seite.  Der  Praeputialsack,  dessen  Zähne  in  45  stark  ver- 
grössert  dargestellt  sind,  schimmert  durch. 

Fig.  44.     9.  Segm.  (eine  Seite  z.  T.  fortgelassen). 

Fig.  46  und  47.     Dasytes  plumbeus  $. 

Fig.  47.  Das  Ende  einer  Hälfte  der  9.  V.  mit  ihrem  Stylus.  (Der  übrige  Lege- 
apparat ist  fortgelassen.) 

Fig.  48—50.    Dasytes  plumbeus  ^. 
Fig.  51—54.     Cantharis  violacea.  $. 

Fig.  51.  Die  2  Endsegmente,  von  der  Bauchseite  ges.,  s  und  t  sind  Stützbalken 
der  armartig  verschmälerten  Hälften  der  9.  V.  Auf  den  Drüsenporen- 
platten  -wurden  die  Mündungen  der  Hautdrüsen  nur  auf  einer  kleinen 
Stelle  angegeben.  Nebenan,  rechts  oben  sieht  man  ein  Stück  bei 
starker  Vergröss. 

Fig.  52  zeigt  einen  Stylus,  vrelcher  auf  dem  Ende  der  9.  V.  in  einer  Grube 
gelenkig  inserirt  ist. 

Fig.  53.  Ansicht  der  8.  V.  von  oben.  Die  8.  D.  ist  zur  Seite  geschlagen  und 
wurde  nur  theilweise  gezeichnet.  Ganz  in  ihrem  umgeschlagenen  Rande 
mündet  das  Stigma. 

Fig.  54.  Seitenansicht  des  Genitalsegmentes,  s,  t,  u  die  Hebel  zur  Bewegung 
der  9.  V.  mit  ihren  Styli. 

Fig.  55—57.     Cantharis  rustica  ,^. 

Fig.  56.  Tracheenverschluss  vom  2.  Segmente.  Das  Peritrema  durch  eine 
punktirte  Elipse  angegeben. 

Fig.  57.  Die  2  ersten  Abdominalsegmente  ausgebreitet.  Es  vmrde  nur  die  Be- 
borstung  der  Pleurenplatte  gezeichnet.     1.  Stigma  sehr  gross. 

Fig.  58.     Axinotarsus  pulicarius  rj. 
Furcula  posterior  (F.  p.)  mit  zwei  Hörnern  (-c)  und  medianem,  nach 
vorn  gerichtetem  Kiel  (me.),  welcher  in  der  Fig.  zur  Seite  gedrängt 
erscheint. 

Fig.  59— 62.    Malthinus  punctatus  $. 

Fig.  59.    Zarte  9.  V.  mit  kräftigem  Stylus. 

Fig.  60.    Reste  von  Ovipositoren  (Ov.),   welche  zwei  asymmetrische,  sich  bei  « 
etwas  überdeckende  Skelettstücke  vorstellen. 
Bei  X  schliessen  2  zarte  Blätter  die  Vaginalmündung  ein. 

Fig.  61.  Rechte  Hälfte  der  9.  V.  nach  aussen  gebogen  mit  der  sich  anlegenden 
Hälfte  der  9.  D. 


d.  männliclien  n.  weiblichen  Lampyriden,  Canthariden  u.  Malachiiden.     209 

Fig.  63— 67.     Malthinus  punctatus  ^. 
Fig.  63.    Die  9.  und  10.  D.  von  unten. 

Fig.  65.    Paramerenkapsel  mit  stark  vorragender  Endplatte  E. 
Fig.  66.     ßasalplatte  mit  Mittelgrat  n,  Endkuppe  e  und  Seitenwülsten  et  und  ß. 
Fig.  67.    Penis  schräg  von  unten  gesehen. 

Fig.  68.    Malthodes  marginatus  §. 
Die   2  Endsegmente   von   unten   gesehen.      Daneben   ein   Stück   der 
Drüsenporenplatte  sehr  stark  vergr. 

Fig.  69.    Malthodes  marginatus  (^. 
Theil  des  8.  Segmentes,  ausgebreitet. 

Fig.  70  und  71  derselbe. 
Fig.  71.    Ansicht  der  Paramerenkapsel  von  oben,    p  das  papillöse  Polster. 

Fig.  72—74.     Cantharis  rustica  ^. 

Fig.  72.  Cop.-Org.  von  oben  ges.,  der  Praeputialsack  ist  vorgestülpt  aber  bei 
Pr.  abgeschnitten,  spr.  =  Subpraeputialplatte.  (Der  P.  wurde  etwas 
zu  breit  gezeichnet.) 

Fig.  73.  Dasselbe.  Der  Pr.  ist  vollkommen  sichtbar  und  grösstentheils  vor- 
gestülpt. Der  P.  wurde  aus  der  Paramerenkapsel  herausgehoben. 
(Von  letzterer  ist  die  linke  Seite  fortgelassen.) 

Fig.  74.  Das  Ende  des  aufgeschnittenen  P.,  die  Verwachsung  desselben  mit 
dem  Endabschnitt  des  Praeputialsackes  zeigend,  welcher  nach  oben 
zurückgelegt  ist.  b  =  kurzer  Blindsack  desselben.  Nebenan  rechts  stehen 
bei  «,  ß  und  y  stark  vergröss.  Partien  der  Wandung  des  Pr. 

Fig.  75-78.    Cantharis  livida  (^. 
Fig.  75.    Ansicht  der  Paramerenkapsel  von  unten,  nachdem  der  Penis  entfernt 
worden  ist.  w  =  dorsale,  stark  ausgebildete  Wand,  b  =  Vereinigungs- 
stelle der  Schenkel  der  Paramereniinger. 

P.  von  oben.  Der  Pr.  ist  vollkommen  vorgestülpt.  Er  trägt  ein  Paar 
von  Stachelwülsten  W,  welche  man  bei 

ß  z.  T.  stark  vergröss.  sieht.  Fig.  77«  ist  eine  Partie  der  übrigen 
Praeputialsackwand. 

Stelle,  wo  die  Subpraeputialplatte  (spr.)  sich  an  einen  der  hinteren 
Ausläufer  der  Lamina  inferior  (1.  i.)  gelenkig  ansetzt  (g). 

Fig.  79  und  80.    Cantharis  violacea  ^. 
Hälfte  der  Paramerenkapsel. 

Penis,  nachdem  der  ausgestülpte  Praeputialsack  bei  Pr.  abgeschnitten. 
Zwischen  den  Femora  und  Cornua  kommt  hier  noch  ein  Paar  Lobi 
(lo.)  zur  Ausbildung. 

Fig.  81.    Cantharis  rustica  (^. 
Furcula  posterior  von  hinten  ges.  mit  nach  vorn  gerichtetem  Median- 
kiel (me.).    Die  Seitenhörner  (c)  sind  kurz  und  plump,  cf.  Fig.  58. 

Fig.  82-87.    Cantharis  livida  ^. 
Fig.  82.     Copulationsorgane   von   unten   ges.    Pr,   vorgestülpt.      Der  P.  ist  in 
natürlicher  Lage  gelassen. 

Arcli.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1894.    Bd.  I.  H.  2.  14 


Fig. 

76. 

Fig. 

77 

Fig. 

78. 

Fig. 
Fig. 

79. 
80. 

210  '  I>r.  Carl  Verhoeff. 

Fig.  83.     Die  8.  V.  mit  einer  Pleure  PI.  und  dem  Stigma. 

Fig.  84.     Ein  Paramerenfinger  stärker  vergröss. 

Fig.  86.     Die  4  letzten  Abdominalsegm.  und  die  Cop.-Org.  von  oben.    Letztere 

sind  vorgestossen. 
Fig.  87.     Die  9.  und  10.  D.  von  unten  ges. 

Fig.  88.     Cantharis  violacea  (J. 
Seitenansicht  des  Abdomens,   x  =  rudimentäres  Bläschen.  Bl.  =  6  deut- 
liche blasenartige  Ausstülpungen. 

Fig.  89  und  90.    Rhagonycha  pallida  ^. 
Fig.  89.     Ende  der  Paramerenkapsel  und  ausgestülpter  Pr. 
Fig.  90«.  Wellige  Struktur  des  Pr. 
Fig.  90  ß.  Einige  Stacheln  aus  den  Stachelgi-uppen  des  Pr. 


Callirrhabdos, 

ein  neues  Genus  der  gorgonenartigen  Pflanzenthiere? 

Von 
Dr.  R.  A.  Philipp!  (Santiago). 


Von  Herrn  Doktor  Karl  Martin  in  Puerto  Montt,  dem  unser 
Museum  schon  so  manche  werthvolle  Bereicherung  verdankt,  habe 
ich  kürzhch  ein  sehr  interessantes  neues  Geschlecht  der  Pflanzenthiere 
erhalten,  welches  an  der  Ostküste  des  südhchen  Theiles  der  Insel 
Chiloe  gefischt  worden  war. 

Auf  einem  schwarzen  Rollstein,  der  in  nicht  sehr  bedeutender 
Meerestiefe  gelegen  hat,  sitzen  zwei  ruthenförmige  80  cm  lange, 
wenig  über  2  mm  dicke,  biegsame  Gebilde  auf,  die  genau  wie  eine 
Schnur  milchweisser,  cannelirter  Perlen  aussehn;  eine  dritte  war  auf 
dem  Transport  abgebrochen,  was  die  Struktur  der  Gebilde  deuthch 
zu  erkennen  erlaubte.  Sie  sind  mit  einer  dünnen,  weissen,  kalkigen, 
10  mm  im  Durchmesser  habenden  Basis  fest  aufgewachsen,  und  haben, 
genau  wie  die  Gorgonien,  im  Innern  eine  hornartige,  biegsame  Achse; 
die  Perlen,  deren  Höhe  im  unteren  Theil  etwas  weniger  beträgt  als 
ihre  Dicke,  während  sie  im  oberen  Theil,  wo  weniger  Cannelirungen 
sind,  die  Dicke  übertrifft,  bestehen  aus  kohlensaurem  Kalk,  der  in 
einem  thierischen  Gewebe  reichhch  abgelagert  ist,  aber  doch  wenig 
Festigkeit  besitzt.  Sie  stehen  dicht  an  einander,  und  zeigen  im 
unteren  Theil  9  bis  11  Cannehrungen,  im  oberen  weniger;  man  sieht 
hier  an  mehreren  Perlen,  wie  sich  neue  Cannelirungen  von  unten 
her  einschieben.  Siehe  Fig.  1  e  der  beigefügten  Abbildungen.  Jede 
Cannehrung  ist  wahrscheinlich  die  Wohnung  eines  Thieres,  das  man 
nach  der  Aehnhchkeit  des  Gebildes  für  einen  achtarmigen  Polypen 
halten  möchte.  Diese  Wohnungen  sind  wie  man  im  Querschnitt 
oder  richtiger  im  Querbruch  deutlich  erkennen  kann,  seitlich  voll- 
ständig mit  einander  verschmolzen,  denn  man  kann  keine  Trennungs- 
linie erkennen,  nur  ihr  oberster  Theil,  der  rundlich  vorspringt,  ist 
frei.  Sie  lösen  sich  leicht  von  der  hornigen  Achse  ab,  lassen  sich 
aber,  wie  schon  bemerkt,  nicht  ohne  zu  zerbrechen  von  ihren  Nach- 
barzellen trennen.  Die  Höhlung  ist  ziemlich  geräumig,  die  Oeffnung, 
aus  welcher  das  Thier  heraustritt,  ist  aber  nicht  zu  erkennen.  Noch 
ist  zu  bemerken,  dass  die  Oberfläche  der  Zellen  oder  Cannehrungen 
ganz  glatt  und  glänzend  ist. 

Das  beschädigte  Exemplar  gibt  uns  Auskunft  über  das  Wachs- 
thum  des  ganzen.  Wir  sehen,  dass  die  Achse  am  Ende  haarförmig 
wird,  und  dass  sie  dort  nur  von  wenigen,  sechs  oder  vier  Zellen, 
umgeben  ist,  die  unten  in  einen  dünnen,  hier  nicht  canneKrten  Ring 
verschmolzen  sind,  in  dem  Maass  also,  als  durch  Einschiebung  neuer 
Zellen  die  off'enbar  aus  dem  gemeinsamen  Ring  entspringen,  die 
Dicke  des  Gesammtkörpers  wächst,  wächst  auch  die  Dicke  der 
homartigen  Achse.     Das  Einschieben  neuer  Polypenzellen   erreicht 

14* 


212 


Dr.  R.  A.  Philippi. 


frt 


aber  rasch  seine  Grenze;  denn  die  untersten  Perlen  der  Ruthe  sind 
nicht  dicker  als  die  übrigen. 

Suchen  wir  nun,  welche  Stellung  im  System  der  Callirrhabdos 
zukommt,  so  scheint  auf  den  ersten  Anblick  kein  Zweifel  zu  bleiben, 
dass  sie  zu  den  Gorgonien  gebracht  werden  muss,  aber  in  dieser 
Famile  eine  sehr  eigenthümliche  Stellung  einnimmt,  da  sie  in  sehr 
wesentlichen  Merkmalen  mit  dem  freien,  nicht  festgewachsenen,  und 
deshalb  zu  der  Abtheilung  der  Seefedern  oder  Pennatuliden  ge- 
rechneten Genus  Virgularia,  wenigstens  mit  V.  juncea  übereinkommt. 

Unter  der  Abtheilung  Gor- 
gonellaceae  finden  wir  in  M. 
Edwards  Histoire  naturelle  des 
Coralliaires  tom.  I  p.  183  und 
212  das  Genus  Juncella  auf- 
geführt, das  sich  von  den  übrigen 
Gattungen  durch  „tiges  droites, 
,  en  baguettes,  simples  ou  ä  peine 
divisees"  auszeichnet,  und  so 
könnte  man  versucht  sein,  un- 
sere Callirrhabdos  für  eine  Art 
Juncella  zu  halten.  Allein  die 
Gorgonellaceen  sollen  eine 
„axis  sclerobasique  sublithoide, 
contenant  beaucoup  de  carbo- 
nate  de  chaux,  de  fagon  ä  faire 
effervescensce  avecl'acide  chlor- 
hydrique"  haben,  und  unsere 
Art  hat  eine  durchaus  horn- 
artige  Achse,  die  mit  Salz- 
säure betupft  nicht  die  aller- 
geringste Spur  von  Brausen 
zeigt,  und  unter  den  ächten 
Gorgoniaceen    mit    hornartig  er 

1.  CallirrhaMos  chUensis.  ^^^«^  ^'^\  f  i^^^".'   ^'^  ^^^* 

«  Die  Spitze  der  Ruthe,  b  ein  Stück  des  f^^^  verästelt  waren  (eme 
unteren  Theiles  natürlicher  Grösse,  c  ein  J unceüa  kann  sie  auch  deshalb 
Stück  des  unteren  Theiles,  d  ein  einzelner  nicht  sein,  weil  bei  diesem  Ge- 
Ring  im  oberen  Theüe;  man  sieht  eine  schlecht  die  Wohnungen  der 
Zelle,  die  sich  zwischen  den  anderen  ein-  piriyplnpri  PolvrtPTi  Hip  «jao- 
schiebt,  e  Querschnitt  der  Ruthe,  c,  d  einzelnen  ^olypen  die  sog. 
und  e  vergrössert.  Kelcne  zerstreut  sitzen). 

2.  Tirgularia  juncea  nach  ßlainville;  beide  Nun  betrachte  man  die 
Figuren  sind  vergrössert.  p^g^ren  2,  getreue  Copien  aus 

dem  Atlas  zu  Blainvüle's  „Manuel  d'Actionologie"  Tafel  LXXXX  fig.3. 
6  u.  c,  welche  Stücke  von  Virgularia  jnncoides  vorstellen.  Wir  sehen 
hier,  dass  die  Polypenzellen  genau  wie  bei  Callirrhabdos  zusammen 
gestellt  sind,  und  auch  dieselbe  cylindrische,  der  Achse  genau  vor- 
liegende Gestalt  haben,  aber  die  Ringe,  bestehend  aus  einer  grösseren 
Anzahl  von  Zellen,    sind  nicht  geschlossen,    sondern  hinten  durch 


Callirrhabdos,  ein  neues  Genus  der  gorgonenartigen  Pflanzenthiere?    213 

ein  freies,  schlangenförmiges  Band  getrennt.  Was  Blainville  im 
Text  S.  514  sagt,  hat  nicht  die  geringste  Beziehung  auf  die  Ab- 
bildung, von  der  jede  Erklärung  fehlt,  auch  was  im  oben  erwähnten 
Werk  von  Milne  Edwards  p.  213  über  V.  juncea  gesagt  wird,  ist 
höchst  dürftig;  er  beschränkt  sich  nämlich  auf  folgende  Worte: 
„pinnules  tres  courtes  et  ne  constituant  sur  les  echantillons  desseches 
que  des  bourrelets  transversaux."  (Er  citirt  den  Text  von  Blainville, 
aber  nicht  die  Figur).  Ich  glaube  kaum,  dass  jemand,  der  die 
Blainville'sche  Abbildung  betrachtet,  darin  angetrocknete  Fiedern 
finden  wird,  die  Abbildung  müsste  dann  ganz  und  gar  missrathen 
sein.  Eine  etwas  ausführhchere  Nachricht  lesen  wir  in  der  zweiten, 
von  Deshayes  und  Milne  Edwards  besorgten  Ausgabe  von  Lamarck's 
Histoire  naturelle  des  animaux  sans  vertebres  tome  II  p.  648:  „la 
Virgulaire  joncoide  .  .  .  cette  tige  est  garnie  dans  les  trois  quarts 
de  sa  longueur  de  rides  transversees ,  tres  nombreuses,  en  demi- 
anneaux,  serres  contre  le  rachis,  et  qui  paraissent  disposees  sur 
deux  rangees  longitudinales.  [Die  Abbildung  zeigt  entschieden  nur 
eine  Reihe  und  Ringe,  die  drei  Viertel  eines  Kreises  bilden].  Ces  rides 
noduleuses  en  leur  bord  [in  der  Abbildung  sind  sie  der  ganzen 
Länge  nach  gefaltet]  sont  des  pinnules  polypiferes,  tres  petites  et 
embrassantes."  Bei  Lamarck  ist  als  Vaterland  l'Ocean  europeen 
etc.  angegeben,  ]\ülne  Edwards,  der  mit  Cuvier  annimmt,  die  Penna- 
tula  juncea  Esper  oder  Virgularia  juncea  Lamarck  sei  identisch 
mit  Lamarcks  Pennatula  australis,  citirt  unter  andern  Rumph 
herb.  Amboin.  VI  p.  256,  wo  blos  gesagt  wird,  die  „sagitta  marina" 
(d.  h.  die  Virgularia  juncea)  als  Produkt  von  Würmern,  gehöre  nicht 
in  das  Buch.  Was  soll  ein  solches  Citatü  Etwas  ausführlicher 
handelt  Rumph  davon  in  der  Amboin-Raritätkamer,  aber  man  er- 
fährt doch  auch  gar  nichts  von  der  Struktur.  Wie  dem  auch  sei, 
so  kann  unsere  Art  nicht  mit  einer  Virgularia  zusammengestellt 
werden,  da  dieses  Geschlecht  nicht  festgewachsen,  sondern  frei  ist, 
und  eine  fast  steinige  Achse  hat.  Nun  entsteht  aber  eine  grosse 
Schwierigkeit.  Ich  kann  keine  Oeffnung  an  den  Zellen  ent- 
decken, und  eine  solche  müssten  sie  doch  haben,  wenn  sie  einem 
Thier  zur  Wohnung  gedient  hätten. 

Nachschrift.  Einem  Briefe  des  Herrn  Dr.  K.  Martin  vom 
April  1894  entnehme  ich  noch  Folgendes:  „Dr.  Mathias  Juraszek, 
jetzt  Stadtarzt  in  Castro  (Insel  Chiloe),  augenblicklich  hier  auf  Ur- 
laub, besitzt  das  andere  Gorgoniden-Exemplar.  Auf  einem  Steine 
haben  sich  gegen  40  solcher  Fäden  festgesetzt.  Er  will  es  dem 
Museum  schicken  und  erzählte  mir,  es  existire  noch  ein  drittes 
Exemplar,  das  ein  Geistlicher  an  sich  genommen  habe.  Die  3  Expl. 
seien  zwischen  der  Nordspitze  der  Insel  Cancahua  und  der  Nord- 
küste der  grossen  Insel  Chiloe  aus  60  Faden  Tiefe  mit  der  Angel  (?) 
hervorgeholt  worden." 

Zusatz  des  Herausgebers.  Im  Habitus  besitzt  die  oben  be- 
schriebene Form  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  Primnoella  magel- 
haensica  Studer.  F.  Hf. 


PhryniscuS   Bibron 

ist  nicht  Phryniscus  Wiegmann. 

Vou 
Dr.  R.  A.  Philippi. 


Herr  Philibert  Germain,  welcher  jetzt  dem  Museum  von 
Santiago  aggregirt  ist,  ist  vor  wenigen  Tagen  von  der  „hacienda 
S.  Ignacio  de  Sanehue"  zurückgekehrt,  wo  er  über  zwei  Monate  ge- 
sammelt hat.  Diese  hacienda  liegt  mitten  im  Araukanerland ,  und 
erstreckt  sich  viele  Meilen  lang  am  Ufer  des  Flusses  Renaico  ent- 
lang bis  zu  dessen  Quelle  in  der  hohen  Cordilliere.  Seine  Ausbeute 
ist  sehr  beträchtlich,  namentlich  an  Käfern,  und  enthält  viel  neue 
Arten,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  war.  Er  fand  auch  drei  un- 
beschriebene Batrachier,  einen  wunderschönen  Bufo,  kohlschwarz 
mit  brennend  rothen  Zeichnungen  auf  dem  Rücken,  einen  Cystignathus 
mit  einer  weissen  Längslinie  auf  dem  Rücken,  und  einen  Phryniscus. 
Bei  Untersuchung  dieses  letzteren  Thieres  habe  ich  mich  nicht  be- 
gnügt die  Histoire  naturelle  des  Reptiles  von  Dumeril  u.  Bibron 
nachzusehn,  sondern  ich  bin  auf  die  Quelle,  auf  Wiegmann,  zurück- 
gegangen, da  ich  schon  oft  gefunden  habe,  dass  die  Quelle  das 
reinste  Wasser  liefert,  und  das  von  ihr  abgeleitete  Wasser  oft  recht 
trübe  ist.     Dies  ist  auch  bei  Phryniscus  der  Fall. 

Wiegmann,  der  dieses  Geschlecht  aufgestellt  hat  (Nov.  Acta 
Leopold.  1834  tom.  17  I  p.  264 1))  sagt:  „die  gesammte  Körperform 
ganz  wie  bei  Bufo^);  wie  bei  diesem  die  Kiefer  zahnlos  und  die 
Zunge  eiförmig,  nur  mit  ihrer  vorderen  Spitze  festgewachsen,  übrigens 
völKg  frei.  Auch  Ohrdrüsen  sind  vorhanden,  aber  nur  klein. 
Vorder-  und  Hinterfüsse  fünfzehig  [dass  die  Vordenfüsse  fünfzehig 
sind,  ist  wohl  ein  Irrthimi  und  ein  sehr  sonderbarer];  die  Zehen  der 
Hinterfüsse  durch  kurze  Bindehäute  geheftet.  —  Die  Gattung  steht 


^)  In  Meyers  Beiträgen  zur  Zoologie  aus  den  Verhandlungen  der  Kais. 
Leopold.  Caroliniscben  Akad.  Band  XVI  Theil  1  besonders  abgedruckt,  steht  die 
Beschreibung  des  Genus  Phryniscus  S.  514.  Sollte  die  Angabe  tom.  17  nicht 
ein  Irrthum  sein? 

-)  In  der  dritten  Auflage  von  Leunis  Naturgesch.  heisst  es  I  p.  618: 
Gesammtaussehen  froschartig. 


Dr.  R.  A.  Philippi.  215 

hierdurch  dem  Bombinator  nahe,  allein  dieser  hat  Zähne   im  Ober- 
kiefer, und  eine  völlig  festgewachsene  Zunge." 

Andere  generische  Kennzeichen  sind  nicht  angegeben,  in  der 
Artbeschreibung  aber  heisst  es:  „von  einem  Paukenfelle  findet  sich 
dagegen  natürlich  keine  Spur."  Er  kommt  wieder  auf  die  Ohrdrüsen 
zurück.  „Die  Ohrdrüsen  sind,  wie  bei  Bufo,  vorhanden,  aber  klein 
i-undlich.  Die  einzige  Art  stammt  von  den  „Hochebenen  des  süd- 
lichen Peru." 

Im  Werk  von  Dumeril  und  Bibron  heisst  es  dagegen  tome  VIII 
S.  722  „Pas  de  parotides",  und  weiterhin:  „Rien  ne  distingue  le 
genre  Phrynisque  de  celui  des  Crapauds,  que  les  deux  caracteres 
negatifs  suivants:  absence  complete  des  parotides  et  non  ap- 
parence  de  la  membrane  tympanale  au  travers  de  la  peau."  Als 
Vaterland  der  von  Wiegmann  beschriebenen  Art,  Phr.  nigricans, 
wird  nicht  die  Hochebene  Perus,  sondern  Montevideo  angegeben, 
wo  das  Thierchen  nach  Bell  (Zoologie  of  the  Voyage  of  the  Beagle 
Part  V  Reptiles  S.  50)  alle  Tage  unter  einer  brennenden  Sonne  über 
den  glühenden  und  losen  Sand  kriechend  gesehn  werden  kann. 

Die  Fundorte  des  Phryniscus  nigricans  Wiegm.  und  Phr.  nigri- 
cans Bell  und  Bibron  sind  so  weit  von  einander  entfernt,  und  das 
Klima  so  wie  die  physische  Beschaffenheit  des  Bodens  sind  so  ver- 
schieden, dass  man  von  vorn  herein  erwarten  darf,  es  sind  zwei 
verschiedene  Thiere.  Vergleicht  man  nun  die  Beschreibung  beider, 
so  wird  das  zur  Gewissheit.  Wiegmann  sagt:  „Die  Farbe  des 
Rückens  ist  ein  schwärzliches  Olivengrün;  die  der  Bauchseite 
schwärzlich;  die  Aftergegend  ist  hell  fleischfarbig,  welche  Farbe  sich 
streifenartig  am  Oberschenkel  zum  Knie,  am  Unterschenkel  zum 
Hackengelenk,  am  Oberarm  zum  Ellenbogengelenke  hinzieht,  und 
besonders  an  den  genannten  Gelenken,  so  wie  an  den  Zehen  und 
Sohlenballen  ins  Auge  fällt."  Es  ist  klar,  dass  diese  fleischfarbige 
Zeichnung  sich  auf  die  Unterseite  des  Körpers  bezieht.  Bell  dagegen: 
„Die  Farbe  ist  tintenschwarz,  mit  Ausnahme  der  Hand-  und  Fuss- 
teller,  einer  breiten  Querbinde  über  den  hinteren  Theil  des  Bauches, 
zwei  kleinere  nahe  der  Mitte,  und  bei  einigen  Individuen  ein  paar 
kleine  zerstreute  Flecke,  die  vom  intensivsten  Zinnoberroth  sind."  — 
Wiegmann  fährt  fort:  „die  Haut  des  ganzen  Körpers  ist  mit  kleinen 
rundlichen  Kömern  übersät;  ausserdem  finden  sich  rundliche,  eben- 
falls gekörnte  Warzen  auf  der  Rückenseite  eingestreut,  in  deren 
Mitte  eine  glatte,  convex  rundliche,  rosenrothe  Pustel  liegt."  BeU 
spricht  garnicht  von  der  Beschaffenheit  der  Rückenhaut,  ausser,  dass 
er  in  der  latein sehen  Diagnose  sagt:  „corpore  granuloso,  scabriusculo", 
hier  hilft  uns  aber  Bibron,  der  ja  dasselbe  Thier  von  Montevideo  in 
von  Darwin  gesammelten  Exemplaren  beschrieben  hat.  Er  sagt 
S.  724  „La  peau  de  toutes  les  parties  superieures,  sans  exception, 
est  finement  granuleuse  et  semee  de  petites  verrues  coniques,  sur- 
montees  chacune  d'une  petite  epine;  ces  epines  sont  plus  fortes  sur 
les   cuisses   et  sous  les  tarses  que  partout  aiUeurs."     Ich  brauche 


216  Dr.  R.  A.  Philippi. 

wohl  niclit  besonders  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  diese 
Beschreibung;  der  Oberfläche  der  Haut  sehr  verschieden  von  der 
Wiegmannschen  ist.  (Wenn  Bibron  die  Bauchseite  weisslich,  blanc 
carne,  gefleckt  nennt,  so  kommt  dies  unstreitig  daher,  dass  seine 
Exemplare  viel  später  untersucht  sind,  als  die  von  Bell,  und  durch 
ein  längeres  Liegen  in  Spiritus  die  brennend  zinnoberrothe  Farbe 
abgeblasst  war). 

Ich  glaube  den  Beweis  geliefert  zu  haben,  dass  BeU  und  Bibron 
für  Phryniscus  nigricans  Wiegmann  eine  ganz  andere  Kröte  genommen 
haben,  und  dass  diese  Bewohnerin  der  Küste  von  Montevideo  identisch 
mit  Chaunus  formosus  Tschudi  ist,  siehe  Bibron  p.  723  und  Bell 
p.  50.  Es  muss  ihr  also  der  Name  Phr.  formosus  bleiben,  wenn 
anders  eine  Ohrdrüse  vorhanden  ist,  die  nach  Wiegmann  dem  Genus 
Phryniscus  zukommen  muss. 

Santiago  25.  März  1894. 

Zusatz  des  Herausgebers.  Auch  in  Boulenger's  Cat.  Batr, 
sah,  2.  Ed.  1882  p.  150,  werden  Phr.  nigr.  Wiegmann  u.  Phr.  nigr. 
Dum.  et  Bibr.  als  synonym  aufgeführt.  F.  Hf. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der 

Anatomie  und  Entwickelung  der  Nesselorgane 

der  Hydroiden. 


Von 

LeTA^ls  Murbaeh. 


Hierzu  Tafel  XII. 


Die  vorliegende  Arbeit  wurde  im  Dezember  1892  im  Labo- 
ratorium des  Herrn  Geh. -Rat  Prof.  Leuckart  angefangen.  Sie 
wurde  dadurch  angeregt,  dass  mir  bei  Gelegenheit  anderer  Unter- 
suchungen mehrere  bis  jetzt  unbekannte  Entwickelungsstadien  der 
Nesselorgane  aufstiessen,  über  die  ich  in  einer  vorläufigen  Mit- 
teilung i)  berichtete.  Meine  Aufmerksamkeit  war  zwar  im  Anfang 
nur  auf  die  Entwickelung  der  Nesselorgane  gerichtet;  allein  da  sich 
mir  bei  diesen  Untersuchungen  auch  betreffs  der  Anatomie  einige 
neue  Gesichtspunkte  darboten ,  halte  ich  es  nicht  für  unzweckmässig, 
der  Darstellung  meiner  Beobachtungen  über  die  Entwickelung  einige 
Angaben  über  die  Anatomie  derselben  vorausgehen  zu  lassen. 

Betreffs  der  Methoden  der  Untersuchung  habe  ich  nichts  be- 
sonderes zu  bemerken.  Neben  dem  Studium  von  Paraffinschnitten, 
teilweise  auch  von  Celloidinschnitten  an  konserviert  vorliegenden 
Objekten  wurden  besonders  Zupf-  und  Klopfpräparate  hergestellt. 

Frisches  Material  stand  mir  nur  von  Hydra 2)  zur  Verfügung. 
Das  Spiritusmaterial  bestand  aus  Hydroiden,  Medusen  und  Sipho- 
nophoren.  ^ 

Ein  Teil  der  letzteren  war  mir  von  Herrn  Prof.  Dr.  Chun 
gütigst  zur  Verfügung  gestellt  worden,  wofür  ich  nicht  unterlassen 
will,  demselben  an  dieser  Stelle  meinen  besten  Dank  auszusprechen. 
Vor  allem  aber  möchte  ich  meinem  hochverehrten  Lehrer  Herrn 
Geh.-Rat  Prof.  Leuckart  für  die  grosse  Freundlichkeit  und  die  er- 


1)  Zool.  Anz.  No.  419,  1893. 

-)  Im  Texte  sind  die  Speciesnamen  weggelassen,  da  die  liier  beschriebenen 
Verhältnisse  bei  den  verschiedenen  Species  nicht  abweichen.  Die  benutzten 
Species  sind  aber  in  der  Tafelerklärung  augegeben. 

Arch.  f.  Natm-gesch.  Jahrg.  1894.  Bd.I.  H.3.  14  a 


218  Lewis  Murbacli:    Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

munternde   Teilnahme,    mit  der  er  jederzeit  meine  Studien  unter- 
stützte,   meinen  aufrichtigen  Dank  entgegenbringen. 

Was  die  Anordnung  des  Stoffes  in  der  folgenden  Darstellung 
anlangt,  so  hielt  ich  es  für  zweckdienlich,  sowohl  bei  der  Be- 
sprechung der  Anatomie  der  Nesselorgane,  wie  auch  bei  den  An- 
gaben über  die  Entwickelung  der  in  Frage  stehenden  Organe 
zuerst  eine  kurze  Zusammenstellung  des  bereits  Bekannten  zu  geben 
und  daran  das  von  mir  neu  Beobachtete  anzuschliessen. 

Die  Litteratur  über  die  Nesselorgane  der  Coelenteraten,  welche 
seit  ihrer  Entdeckung  das  wissenschaftliche  Interesse  vielfach  in 
Anspruch  genommen  haben,  ist  alhnälig  zu  einer  solchen  Höhe  an- 
gewachsen, dass  es  fast  unmöglich  ist,  dieselbe  lückenlos  heran- 
zuziehen. Ich  begnüge  mich  deshalb  damit,  nur  die  mir  wichtig 
erscheinenden  Arbeiten  namhaft  zu  machen.  Sollte  auch  von  diesen 
noch  die  eine  oder  andere  unberücksichtigt  geblieben  sein,  so  möge 
das  in  der  Reichhaltigkeit  der  Auswahl  eine  Entschuldigung  finden, 
oder  auch  darin,  dass  die  betreffenden  Arbeiten  mir  nicht  zugänglich 


Anatomie. 

1.    Litteratur. 

Den  Abbildungen  und  dem  Texte  nach  zu  urteilen,  hat  schon 
Trembley  (42),  der  Entdecker  der  Süsswasserpolypen,  die  Nessel- 
kapseln an  der  Oberfläsche  der  Fangarme  von  Hydra  gesehen. 

Er  bemerkt  in  seinen  Memoires  pour  l'histoire  des  polypes: 
La  superfice  d'un  bras  qui,  lors  qu'il  est  contracte,  parait  tres 
chagrinee  par-tout,  tres  garnie  de  petits  grains,  change  conti- 
nueUement,  ä  mesure  qu'il  s'etend,  et  plus  sensiblement  pres  de 
l'extremite  du  bras  qu'ä  son  origine  .  .  .  Quand  le  bras  est  parvenu 
a  un  certain  degre  d'extension,  sa  superficie  n'est  plus  que  par- 
semee  de  boutons,  qui,  continuant  a  s'eloigner  les  uns  des  autres 
au  moyen  de  l'extension  du  bras,  se  trouvent  enfin  ranges  ä  la  file, 
et  separes  par  un  fil  transparent. 

„Ces  boutons  se  forment  par  la  reunion  de  plusieurs 
grains." 

Es  ist  auch  nicht  unwahrscheinlich,  dass  Trembley  bereits  die 
Cnidocile  oder  haarförmigen  Fortsätze  bei  Hydra  wahrgenommen 
hat,  denn  er  sagt  weiter  unten  in  seinem  Werke:  „Les  especes 
de  poils,  dessines  dans  les  Fig.  3  et  4  de  la  PL  V.  se  remarquent 
dans  un  bras  de  Polype  etendu,  lorsqu'on  l'expose  ä  une  forte 
lentille  du  microscope.     Ils  paraissent  transparents." 


und  Entwickelung  der  Nesselorgaue  der  Hydroiden.  219 

Als  selbständige  Gebilde  wurden  die  Nesselorgane  zuerst  wohl 
von  R.  Wagner*)  erkannt,  obwohl  Agassiz  (1)  diese  Entdeckung 
Clark  zuschreibt.  Wagner,  der  die  Nesselorgane  (bei  Actinien) 
bereits  im  Jahre  1836  aufgefunden  hatte,  hielt  sie  anfangs  für  Sper- 
matozoen;  drei  Jahre  später  aber  überzeugte  er  sich  von  ihrer 
nesselnden  Wirkung  und  erkannte  damit  ihre  wahre  Natur.  Einer 
eingehenden  Untersuchung  wurden  sie  kurz  darauf  von  Er  dl  (17) 
unterworfen.  Derselbe  beschreibt  sie  (bei  Actinien)  als  häutige  mit 
einer  wasserklaren  Flüssigkeit  gefüllte  und  daher  prall  gespannte 
Cylinder,  die  schon  bei  leisem  Irritieren,  bei  Compression  u.  a.  einen 
Faden  nach  aussen  hervortreten  lassen.  Seine  weiteren  Angaben, 
dass  die  ausgetretenen  Fäden  eine  schlängelnde  Bewegung  zeigten, 
dürften  auf  deren  oft  wellenförmige  Krümmungen  zurückzuführen  sein. 

Endlich  konstatierte  derselbe  Autor  das  Kleben  und  nesselnde 
Brennen  der  betreffenden  Organe.  Ueber  die  pfeilspitzartig  zu- 
sammengelegten Widerhaken  in  den  Nesselorganen  hatte  Er  dl 
jedoch  die  irrtümliche  Ansicht,  dass  dieselben  nach  dem  Heraus- 
stülpen wieder  zurückgezogen  werden  könnten.  Diesen  beiden 
Autoren  schloss  sich  der  Zeit  nach  an  Chorda  (6),  der  die  Nessel- 
organe für  Tastorgane  hielt. 

V.  Siebold  fasst  in  seinem  Lehrbuch  der  vgl.  Anatomie  unsere 
Organe  als  Nessel-,  Angel-  oder  Giftorgane  zusammen  und 
spricht  von  ihrem  glashellen  Aussehen  und  ihrer  häutigen  Natur.  Er 
erwähnt  auch,  dass  der  Faden  zunächst  im  Innern  aufgeknäuelt  sei. 
Auch  dass  derselbe  hohl  ist,  also  eine  Röhre  oder  ein  Schlauch,  hat 
er  erkannt;  ferner  spricht  er  von  der  Ausstülpung  wenigstens  eines 
Teils  dieses  Fadens.  Endlich  war  er  der  erste,  welcher  erkannte, 
dass  die  in  Frage  stehenden  Organe  nur  einmal  benutzt  werden 
können. 

Gegenbaur  (18)  beschreibt  die  Nesselorgane  der  Siphono- 
phoren  als  cylindrische  Körper,  die  aus  einer  „äusseren  Zellmembran" 
bestehen,  „deren  Form  von  einem  dicht  anliegenden  blassen  Bläschen 
wiederholt  wird."  In  diesem  eingekapselten  Bläschen  liegt  nach 
ihm  der  Nesselfaden.      In   einer  Anmerkung  fügt   er  jedoch  hinzu: 

„Da  man  bei  der  geschlossenen  Nesselzelle  den  Faden  deutlich 
innerhalb  des  eingesclilossenen  Bläschens  liegen  sieht,  so  entsteht 
mit  den  Verhältnissen,  wie  sie  nach  der  Explosion  der  Zellen  sich 
kundgeben,  ein  Widerspruch,  der  nur  durch  die  Annahme,  dass 
das  innere  Bläschen  vom  zusammengewickelten  Faden  ein- 
gestülpt werde,  gelöst  werden  kann.  Auf  diese  Art  würde  dann 
der  Faden  doch  ausserhalb  des  Bläschens  liegen".  Man  sieht 
hieraus,  dass  Gegenbaur  mit  seinen  Beobachtungen  selbst  nicht 
recht  in's  Reine  kommen  konnte. 

Grundlegend  für  die  Anatomie  und  Physiologie  der  Nessel- 
kapsehi   wurde   die  Arbeit  von    Möbius   (33).       Es  möge  mir  ge- 

1)  Archiv  für  Naturgeschichte  1841.  T.  1,  S.  42  (über  mutmassliche  Nessel- 
organe). 

14a* 


220  Lewis  Murbach:    Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

stattet  sein,  auf  die  Hauptresiütate  der  Untersuchungen  dieses 
Gelehrten  (über  den  Bau,  Mechanismus  und  die  Entwickelung 
der  Nesselkapseln)  etwas  genauer  einzugehen  und  daran  zugleich 
die  Resultate  späterer  Forscher,  die  sich  mit  denselben  Organen 
beschäftigten,  anzuschliessen. 

Moebius  beschreibt  die  Nesselkapseln  als  walzenförmige,  eirunde 
oder  kugelrunde  Bläschen  in  der  Haut  der  Polypen  und  Quallen, 
besonders  reichlich  vorhanden  an  ihren  Fangarmen.  Die  walzen- 
förmigen sind  am  proximalen  Ende  verjüngt,  aber  distal wärts  hals- 
artig ausgezogen. 

Die  verschiedene  Brechungsfähigkeit  der  die  Kapsel  ein- 
schliessenden,  sowie  der  von  ihr  eingeschlossenen  Masse  lassen  nach 
Mob  ins  die  Kapselwand  einschichtig  erscheinen. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  Angaben  von  Mob  ins  ist  von  den 
späteren  Autoren  Jickeli  (26)  der  erste,  der  die  Existenz  einer 
doppelten  Wand  andeutete.  Schneider  (37)  schildert  dann  später 
bei  Hydra  eine  äussere  und  eine  innere  Kapselwand. 

Bei  dieser  Gelegenheit  soll  auch  erwähnt  werden ,  dass 
Leuckart,  Chun,  Claus  u.  a.  in  ihren  Arbeiten  über  die  Sipho- 
nophoren  einen  Deckel  als  Bestandteil  der  Kapselwand  erwähnen. 
Nach  diesen  Autoren  sitzen  die  grossen  Nesselkapseln  der  Nessel- 
bänder dieser  Tiere  mit  ihrer  Mündung  auf  einem  Deckel,  der  eben 
so  gross  wie  der  Entladungspol  der  Kapsel  ist  und  auf  seiner  freien 
Seite  kegelförmig  sich  zuspitzt.  Derselbe  springt  mittelst  eines  Ge- 
lenkes auf  der  convexen  Seite  der  etwas  gebogenen  Kapsel  auf. 
Vermittelst  der  Kegelspitze  des  Deckels  inseriert  sich  der  ganze 
Apparat  auf  dem  Rande  der  Nesselbänder.  Ehe  der  Faden  entladen 
werden  kann,  muss  sich  aber  die  Kapsel  von  dem  Deckel  abheben. 

Die  innere  Masse  der  Kapsel  ist  nach  der  Ansicht  von  Möbius 
eine  wasserhelle  Flüssigkeit,  in  der  die  schlauchförmigen  Gebilde 
schweben.  Dieser  Ansicht  haben  sich  auch  alle  späteren  Autoren 
angeschlossen. 

Was  die  Natur  dieser  Kapseln  betrifft,  so  giebt  Möbius  an, 
dass  sie  gegen  Süsswasser,  sowie  gegen  verschiedene  Säuren  sehr 
widerstandsfähig  seien.  Während  er  sie  mit  einer  Sekretzelle  ver- 
gleicht, lassen  Chun  (11)  Bedot  (3)  und  Schneider  (37)  dieselben 
aus  einer  Sekretmasse  entstehen,  und  Leuckart  (29)  und  Chun  (11) 
äussern  sich  dahin,  dass  die  Kapseln  chitiniger  Natur  seien  oder 
wenigstens  dieser  sehr  nahe  stehen.  Alle  Autoren  mit  Möbius 
sind  aber  darin  einig,  dass  die  Kapsel  elastisch  ist.  Neuerdings 
jedoch  schreibt  ihr  Schneider  (38)  bei  den  Siphonophoren  selb- 
ständige Contractilität  zu. 

Der  Schlauch  besteht  nach  Möbius'  Darstellung  seiner  Haupt- 
sache nach  aus: 

a)  einer  weiten  geraden  Röhre  (dem  Achsenkörper) ;  diese  geht 
über  in 

b)  eine    schmale    lange  Röhre,    die    sich    in    der  Kapsel    um 
erstere  herum  lagert. 


und  Entwickelung  der  Nesselorgaue  der  Hydroideu.  221 

Um  dem  Druck  der  Kapsel,  die  elastisch  ist,  das  Gleichgewicht 
zu  halten,  lässt  Möbius  auch  das  Lumen  des  eingestülpten  Schlauches 
von  Flüssigkeit  erfüllt  sein.  Dieser  Punkt  ist,  so  weit  ich  sehen 
kann,  später  nie  wieder  hervorgehoben  werden. 

Der  weite  gerade  Abschnitt  (Achsenkörper)  ist  nach  Möbius 
ungefähr  IV2  mal  so  lang  und  V3 — V2  mal  so  breit  als  die  Kapsel. 
Während  die  erste  kurze  Strecke  dieses  Achsenkörpers  völlig  glatt 
und  unbehaart  erscheint,  ist  die  übrige  Strecke,  wie  unser  Autor 
hervorhebt,  mit  drei  spiralig  verlaufenden  Reihen  starker,  recht- 
winkhg  abstehender  Haare  besetzt.  Bei  Hydra  sah  Möbius  an  dem 
mittleren  Teile  des  Achsenkörpers  drei  Dornen  (Widerhaken).  Diese 
wurden  auch  von  Er  dl,  Siebold  u.  a.  beobachtet.  Aehnlich  haben 
die  späteren  Autoren  diese  Verhältnisse  geschildert. 

Möbius  fand  ferner,  dass  der  Achsenkörper  vor  der  Entladung 
zweimal  so  in  sich  eingestülpt  ist,  dass  er  drei  in  einander  liegende 
Röhren  darstellt;  von  diesen  nimmt  die  äusserste  etwa  Vs  der 
Strecke  von  dem  Hals  der  Kapsel  bis  zur  Basis  derselben  ein, 
während  die  innerste  Röhre  von  hier  aus  in  die  schmale  eng  ge- 
wundene Röhre  übergeht.  Diese  ist  ebenfalls  mit  3  losen  Spii'alen 
feiner  Härchen  besetzt.  Diese  Haarreihen  fanden  in  der  Litteratur 
ihre  erste  Erwähnung  durch  Gegenbaur.  F.  E.  Schulze,  um 
das  hier  zu  erwähnen,  beschreibt  keine  auf  dem  Endfaden  des 
Nesselschlauches  von  Cordylophora. 

Möbius  hebt  auch  besonders  noch  hervor,  dass  der  Schlauch 
keine  stechende  Spitze  besitzt,  also  zum  Eindringen  in  andere  Körper 
nicht  befähigt  ist.  Schneider  (37)  nimmt  dagegen  an,  dass  der 
Schlauch  an  der  Spitze  offen  sei.  —  Möbius  beschreibt  diesen 
dünnen  Abschnitt  des  Schlauches  als  14  mal  so  lang  als  die  Kapsel 
selbst,  in  welcher  er  entweder  zu  einem  unentwirrbaren  Knäuel  zu- 
sammengelegt sei  oder  auch  in  engen  Windungen  oder  lockerer  Spirale 
um  den  weiten  Teil  des  Achsenkörpers  herumgewunden.  Für  Hydra 
bestätigen  die  Ansichten  von  Möbius  über  die  Nesselschläuche  im  all- 
gemeinen Jickeli  (25),  Nussbaum  (34)  imd  Schneider  (37),  für 
die  Siphonophoren  Claus  (12),  Bedot  (3)  und  Chun  (8).  Jedoch 
findet  man  über  die  3  in  einander  gestülpten  Röhren,  welche  Möbius 
eingehend  beschreibt,  bei  allen  diesen  Autoren  nichts  erwähnt. 

Dass  die  Nesselkapsel  in  einer  Zelle  eingeschlossen  ist,  hat 
zuerst  Leydig  (32)  erkannt.  Seine  Beobachtungen  wurden  von 
Claus  (12),  Möbius  (33),  F.  E.  Schulze  (39),  AHman  (2),  Kleinen- 
berg, sowie  den  späteren  Autoren  bestätigt.  Die  einfachste  Art 
dieser  Zellen  ist  stiellos,  wie  verschiedene  Autoren  hervorheben. 
Diese  Art  findet  sich  nach  ihnen  besonders  häufig  in  den  Nessel- 
bändern und  Körperflächen  der  Siphonophoren.  Das  Protoplasma 
mit  dem  zugehörigen  Kern  wurde  bei  den  Kapseln  in  Nesselbändern 
zuerst  von  Chun  (11)  nachgewiesen. 

Möbius  und  Kleinenberg  (29)  haben  Ausläufer  der  Nessel- 
zellen gezeichnet,  ja  Möbius  beobachtete    sogar,    „dass  die  Zell- 


222  Lewis  Murbach:  Beiträge  zui-  Kenntnis  der  Anatomie 

masse amöbenartig  ihre  Form  veränderte,   während  er  sie 

zeichnete."  Kleinenberg  hielt  diese  Gebilde  für  Fetzen  der  heraus- 
gerissenen Nesselzelle.  Wirkliche  Fortsätze  der  Nesselzelle  wurden 
zuerst  erkannt  vor  F.  E.  Schulze.  Dieser  fand  sie  in  Gestalt  von 
Ausläufern  an  der  Basis  der  Nesselzelle,  nach  unten  hin  sich  ver- 
jüngend, um  dann  am  anderen  Ende  wieder  ein  wenig  anzuschwellen. 

Eine  bestimmte  Ansicht  über  die  Natur  dieser  Gebilde  äusserten 
jedoch  erst  die  Gebrüder  Hertwig  (24).  Sie  hielten  sie  bei  den 
Medusen  für  Nervenausläufer.  Bewogen  durch  die  Insertion  dieser 
Ausläufer  auf  der  subepithelen  Stützlamelle  hielten  Claus  (13) 
und  dann  Hamann  (23)  die  fraglichen  Gebilde  für  stielartige  Stütz- 
fasern. Später  erklärte  sie  Claus  dann  für  muskulös.  Andere 
Autoren  haben  wieder  hervorgehoben,  dass  diese  Stiele  mit  den  sub- 
epithelen Muskelorganen  zusammenhängen.  Vielleicht  wurden  sie 
hierzu  dadurch  veranlasst,  dass  bei  verschiedenen  Gruppen  von  Tieren 
diese  Gebilde  sich  verschieden  tief  inserieren. 

Die  oben  erwähnten  Ansichten  über  die  Natur  unserer  Gebilde 
wurden  jedoch  allmählich  durch  eine  andere  verdrängt.  Claus 
hatte  schon,  wie  oben  erwähnt,  die  Stiele  für  muskulös  erklärt. 
Auch  Chun  (7)  hielt  sie  für  homolog  mit  den  Ausläufern  der 
Klebzellen  der  Ctenophoren,  die  er  als  Spiralmuskeln  nachgewiesen 
hatte.  In  dieser  Ansicht  wurde  er  noch  bestärkt,  als  er  an 
den  Stielen  (Fortsätzen)  und  Kapselumhüllungen  der  grossen  und 
kleinen  Nesselzellen  bei  Physalia  derbe  Querstreifungen  auffand, 
welche  er  auf  quergestreifte  Muskeln  zurückführen  zu  müssen  glaubte. 
Diese  Ansicht  fand  allgemeinen  Beifall.  Jickeli  (26)  wies  dann 
auch  noch  bei  Hydroiden  verkürzte  Nesselzellenausläufer  nach  und 
ausserdem  noch  wellenförmig  zusammengezogene.  Eine  weitere 
Bestätigung  von  Chun 's  Entdeckung  von  Querstreifen  fand  endlich 
Bedot  (4)  in  den  Stielen  der  NesselzeUen  von  Velella.  Korotneff 
(27),  der  die  Nesselzelle  als  eine  Muskelzelle  in  Anspruch  nahm, 
bezweifelte  jedoch  die  Chun 'sehen  Auffassungen  eines  quergestreiften 
Muskels,  da  nach  seiner  Ansicht  die  Ausläufer  einer  Muskelzelle 
nie  quergestreift  seien. 

Was  den  Kern  der  Nesselzellen  betrifft,  so  lassen  sich  unsere 
Autoren  durchweg  nur  darauf  ein,  über  seine  Lage  in  der  Zelle 
und  sein  Aussehen  zu  berichten.  Man  findet  ihn  gewöhnlich  unter 
der  Basis  oder  an  der  Seite  der  Nesselkapsel. 

Ein  anderer  wichtiger  Bestandteil  der  Nesselzelle,  die  haar- 
oder  stiftförmigen  Erhebungen  sind  schon  von  Trembley  (42), 
Ehrenberg  (15),  Leydig  (33)  u.  a.  gesehen  worden,  doch  war  es 
das  Verdienst  F.  E.  Schulze's  (39)  die  Zugehörigkeit  dieser 
Gebilde  zu  der  Nesselzelle  zu  erkennen.  Nach  ihm  ragen  die- 
selben vom  Plasma  der  Nesselzelle  etwas  seitlich  von  dem  Ent- 
ladungspol der  Kapsel  hervor,  durchbohren  die  darüber  liegende 
Epithelzelle  und  gelangen  so  nach  aussen.  Eine  mehr  komplizierte 
Form,  bei  der  das  Cnidocil  selbst  in  einem  röhrigen  Fortsatz  des 
Zellplasma  enthalten    ist,    fand  Jickeli  (25)   später  bei  einer  ein- 


und  Entwickelung  der  Nesselorgane  der  Hydroiden.  223 

gehenden  Untersuchung  von  Hydra.  Durch  diese  Röhre  gelangt 
das  basale  Ende  des  Cnidocils  bis  beinahe  auf  die  Kapselwand. 
Besonders  lange  hakenförmige  Cnidocile  fand  Chun  bei  manchen 
Monophyiden.  Nach  seinen  Angaben  fehlen  die  Cnidocile  aber  alle- 
mal, wenn  die  Nesselzellen  stiellos  sind. 

Bevor  man  die  Natur  der  Nesselzelle  kannte,  suchte  man  die 
Ursache  der  Ausstülpung  des  Schlauches  in  dem  besser  bekannten 
Teile  des  Nesselapparates,  der  Nesselkapsel  selbst.  Mehrere  Autoren 
nahmen  zur  Entladung  der  Nesselkapseln  inneren  Druck  an,  indem 
sie  eine  physikalische  Veränderung  der  in  der  Kapsel  enthaltenen 
Flüssigkeit  nachzuweisen  suchten.  Andere  schrieben  die  Entladung 
einem  Drucke  der  die  Kapsel  umgebenden  Gewebe  zu. 

Möbius  (31),  F.  E.  Schulze  (39)  und  später  Nussbaum  (34) 
sahen  die  Elasticität  der  im  Wachstum  gespannt  gewordenen  Kapsel 
als  die  Hauptursache  der  Entladung  an.  Zufälliges  Entladen,  glaubte 
Möbius,  werde  durch  die  Härchen  auf  dem  Schlauche  verhindert. 
Er  vergass  aber  wohl  dabei,  dass  nicht  alle  Schläuche  mit  diesen 
Haaren  versehen  sind.  Die  drei  zuletzt  genannten  Autoren  waren 
aber  von  der  Notwendigkeit  irgend  eines  Anstosses  oder  Druckes 
überzeugt.  Diesen  Anstoss  glaubte  Möbius  in  der  Kontraktion  der 
umgebenden  Zellen  gefunden  zu  haben.  Schulze  lässt  ihn  von 
aussen  durch  das  Cnidocil  übermitteln,  während  Nussbaum  ihn 
durch  die  muskulöse  Kapselumhüllung  auf  die  Kapsel  selbst  über- 
tragen lässt. 

Bei  den  Nesselkapseln  der  Nesselbänder  von  Siphonophoren, 
wo  Schneider  (38)  keine  Plasmaumhüllung  nachweisen  konnte, 
obgleich  schon  vor  ihm  Chun  eine  solche  für  Monophyiden  (11) 
nachgewiesen,  nahm  er  dann  an,  dass  die  Kapsel  selbst  kontraktil 
sein  müsse. 

Bis  zu  der  Zeit,  wo  Schulze  den  Nachweis  der  Zugehörigkeit 
des  Cnidocils  zu  den  Nesselzellen  lieferte,  wurde  allgemein  eine 
Massenentladung  der  Nesselkapseln  angenommen.  Schulze  (39) 
überzeugte  sich  jedoch,  dass  die  Entladung  immer  eine  locale  sei 
und  gründete  darauf  die  Ansicht,  dass  der  erste  Anstoss  von  einem 
Druck  auf  das  Härchen  (Cnidocil)  ausgehen  müsse  (mechanische 
Erklärung).  Im  Gegensatz  zu  Schulze  stimmen  viele  der  späteren 
Autoren  mit  Jickeli  (28),  Chun  (8),  Nussbaum  (34),  Schneider 
(37)  überein,  und  schreiben  dem  Cnidocil  die  Uebertragung  des 
Reizes  auf  das  kontraktile  Plasma  der  Kapselumhüllung  zu  (physio- 
logische Erklärung).  Neben  dieser  Funktion  glaubte  Chun  (11)  den 
von  ihm  bei  Monophyiden  gefundenen,  stark  krummen  Cnidocilen 
noch  eine  ankernde  Funktion  zum  Festhalten  der  Beute  beilegen 
zu  sollen. 

Sobald  die  muskulöse  Natur  der  Stiele  und  Kapselumhüllung 
einigermassen  sicher  gestellt  war,  nahm  man  bald  allgemein 
an,  dass  die  Nesselzellen  bei  der  Entladung  das  Haupt- 
moment abgeben.    Die  Hauptvertreter  dieser  Ansicht  waren  Claus, 


224  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

Jickeli,  Bedot,  Schneider  (dieser  jedoch  nahm  die  Kapseln  der 
Nesselbänder  hiervon  aus)  und  Chun.  Als  Beispiel,  wie  man  sich 
die  Entladung  dachte,  lasse  ich  hier  Chun 's  Auffassung  folgen.  In 
erster  Linie  kommen  hierbei  die  kontraktilen  Fasern  der  Kapsel- 
umhüllung in  Betracht  mit  ihrem  Druck  auf  die  Kapsel.  Dann 
ziehen  die  Stiele  durch  ihre  Kontraktion  die  Nesselkapseln  gegen  die 
unterliegenden  Gewebe  und  vergrössern  so  den  Druck  auf  die  Kapsel. 

Chun  (7)  beobachtete  bei  Physalia  subepitheliale  Ganglien  und 
glaubte,  sie  ständen  in  Beziehung  zu  einer  Massenentladung  der 
Nesselkapseln.  Später  haben  namentlich  Jickeli  (25)  und  Schneider 
(37)  und  noch  später  wieder  Chun  (11)  es,  wenn  nicht  sicher  gestellt, 
so  doch  wenigstens  sehr  wahrscheinlich  gemacht,  dass  ein  coor- 
dinierendes  Nervensystem  von  Ganglien  und  Fasern  zu  einer  effekt- 
vollen Massenentladung  der  Kapseln  bei  Hydi'oiden  in  Beziehung  stehe. 

Darüber,  wie  der  Nesselapparat  (Kapsel  und  Faden)  funktioniert, 
haben  wir  ziemhch  verschiedene  Meinungen.  Nach  der  Angabe  bei 
Mob  ins  glaubten  emige  Autoren  an  eine  Einbohrung  des  Fadens 
(Schlauches),  welche  Ansicht  aber  von  anderen  widerlegt  wurde. 

Erdl  (17),  V.  Siebold  (Vergl.  Anatomie  1848),  Möbius  (33) 
und  neuerdings  Nussbaum  (34),  Schneider  (37),  Chun  (9)  lassen 
den  Schlauch  dem  Beuteobjekt  durch  Kleben  sich  anheften.  Dies 
wird,  nach  Möbius,  noch  begünstigt  durch  die  grosse  Reibungsfläche, 
welche  durch  die  Härchen  gebildet  wird.  Jickeli  (25)  lässt  das 
Beutetier  bespickt  erscheinen,  und  mit  Nussbaum  (34)  und  Chun 
(9)  lässt  er  das  Sekret  der  Kapsel  durch  Zerreissen  der  Spitze  des 
Fadens  nach  aussen  treten,  während  es  bei  Schneider  (37)  durch 
eine  Oeffnung  am  Ende  des  Schlauches  sich  ergiesst. 

Was  die  Verwendung  der  Kapseln  in  dem  Haushalte  dieser 
Tiere  betrifft,  so  stimmen  alle  Autoren,  so  weit  ich  ihre  Arbeiten 
einsehen  konnte,  darin  überein,  dass  dieselben  zum  Beuteerwerb  und 
zur  Verteidigung  dienen.  Möbius  und  einige  andere  wollen  noch, 
dass  diese  Kapseln  in  ihrer  Funktion  als  Kleb-  und  Haftorgane  den 
Polypen  als  Lokomotionsmittel  dienen.  Bei  der  Fortbewegung  dieser 
Tiere  werden  dann  die  Kapseln  durch  den  klebenden  Schlauch 
herausgezogen. 

Derselbe  Autor  berichtet,  dass  die  Actinien  aus  den  ver- 
brauchten Nesselkapseln  sich  eine  Körperumhüllung  bilden.  Früher 
war  auch  die  Ansicht  verbreitet,  dass  die  zahllosen  mit  der  Beute 
verschluckten  Nesselkapseln  die  Verdauung  beförderten. 


2.    Eigene  Beobachtungen. 

Nachdem  ich  in  dem  vorhergehenden  Kapitel  versucht  habe, 
einen  historischen  Ueberblick  über  die  Arbeiten  zu  geben,  welche 
die  Nesselorgane  zum  Gegenstand  hatten,  sowie  über  die  Resultate 
der  Untersuchungen  der  verschiedenen  Autoren  auf  diesem  Gebiete, 
schliesse    ich    minmehr  meine  eigenen   Beobachtungen  über  die  in 


und  Entwickelung-  der  Nesselorgaue  der  Hydroiden.  225 

Frage  stehenden  Organe  an.  Dieselben  beziehen  sich  in  der  Haupt- 
sache auf  die  grösseren  Formen  der  Nesselorgane.  Abgesehen 
davon,  dass  bei  diesen  die  Verhältnisse  des  Baues  leichter  zu  er- 
kennen sind,  scheinen  die  kleineren  Formen  auch  nicht  wesentlich 
von  ihnen  verschieden  zu  sein,  so  dass  sie  ohne  Schaden  unbe- 
rücksichtigt bleiben  und  von  der  Betrachtung  ausgeschlossen  werden 
dürfen. 

Um  zunächst  in  meiner  Schilderung  mit  der  Kapsel  anzu- 
fangen, so  kann  ich  die  Behauptungen  Gegenbaur's,  Jickeli's 
und  Schneider's  von  einer  doppelwandigen  Kapsel  nur  be- 
stätigen. Es  lässt  sich  bei  allen  von  mir  untersuchten  Kapseln  ein 
inneres  zartes  Bläschen  konstatieren,  welches  sich  beinahe  untrennbar 
dem  äusseren  dickeren  anlegt.  Das  letztere  besitzt  an  einem  Pol, 
dem  Entladimgspol ,  eine  Oeffnung  oder  Mündung.  Der  Schlauch 
setzt  sich  an  das  innere  Bläschen  gerade  unter  der  Mündung  des 
äusseren  so  an,  dass  es  sich  von  dem  letzteren  ein  wenig  abhebt 
und  damit  eine  günstige  Stelle  bietet,  einen  Teil  des  inneren 
Bläschens  zu  Gesicht  zu  bekommen. 

Eine  weit  kräftigere  Bestätigung  dafür,  dass  wirklich  zwei 
Bläschen  vorhanden  sind,  dürfte  aus  dem  verschiedenen  Ursprung 
derselben,  wie  später  bei  Gelegenheit  der  Entwickelungsgeschichte 
gezeigt  werden  wird,  abzuleiten  sein. 

Der  Form  nach  unterschied  schon  Möbius,  a)  walzenförmige 
(cylindrische),  b)  eirunde  und  c)  kugelrunde  Kapseln.  Unter 
eine  von  diesen  drei  Kategorieen  konnte  auch  ich  alle  von  mir 
beobachteten  Nesselkapseln  bringen.  Doch  scheint  mir  das  Charak- 
teristische nicht  so  sehr  in  der  Form  der  Kapsel,  als  in  dem 
Bau  des  Schlauches  zu  liegen. 

Es  laufen  nämlich  ganz  allgemein  den  erwähnten  3  Kapsel- 
formen auch  3  verschiedene  Nesselschlaucharten  parallel.  Die  ein- 
fachste Form  dieser  Schläuche  findet  sich  in  den  kugelrunden 
Kapseln  (Fig.  5.  A,  B,  C.);  sie  kommt  aber  auch  in  den  kleinen 
cylindrischen  Kapseln  der  Nesselknöpfe  der  Siphonophoren  vor. 
Der  Schlauch  setzt  sich  hier  (als  Beispiel  dient  der  Nesselschlauch 
von  Physalia,  Fig,  5.  A,  B,  C.),  direkt  an  das  innere  Bläschen  an 
und  ist  von  hier  aus  bis  ans  Ende  allmählig  verjüngt.  Unter  starker 
Vergrösserimg  sieht  man,  dass  sein  gewundenes  Aussehen  sich  auf 
3  spiralig  verlaufende  Erhebungen,  die  mit  feinen  Härchen  besetzt 
sind,  zurückführen  lässt.  Nur  in  der  letzten  kurzen  Strecke  un- 
mittelbar vor  der  Kapsel  ist  der  Schlauch  um  etwa  Härchenlänge 
frei  von  Haaren. 

Die  etwas  komplizierte  zweite  Art  der  Schläuche  kommt  vor 
bei  den  ovalen  Kapseln  von  (Fig.  3,  4,  6)  Hydra,  Velella  und 
manchen  Siphonophoren^).     Der  Schlauch  besteht  hier   aus   3   Ab- 

^)  Sogar  in  den  ovalen  Nesselkapseln  von  Microstomura  sp.  ?  habe  ich  diese 
Schläuche  beobachtet.  Von  ihrer  Grösse  abgesehen,  konnte  man  sie  von  denen 
der  Hydra  nicht  unterscheiden. 

Aich.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1894.  Bd.  I.  H.  3.  15 


226  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

schnitten,  a)  einem  Basalabschnitt  (Fig.  7b.)  mit  weitem  Lumen, 
b)  einem  konischen  Zwischenstück  (co)  und  c)  einem  geisseiförmigen 
Endabschnitt  (S). 

Der  Basalabschnitt  ist  etwa  ^/^  so  lang  wie  die  Kapsel  und  an 
seiner  Basis  etwas  dünner  als  die  Mündung  der  äusseren  Kapsel- 
wand, aus  der  er  hervorragt.  Von  hier  aus  verjüngt  er  sich  bis 
auf  das  konische  Zwischenstück.  Da ,  wo  Basalabschnitt  und 
Zwischenstück  zusammenkommen,  stehen  3  kräftige  Widerhaken 
(Fig.  7w.)  von  beinahe  derselben  Länge  wie  der  Basalabschnitt. 
Das  Zwischenstück  ist  immer  mit  kleinen  Spitzen  oder  Dornen  be- 
setzt, welche  nach  dem  Endabschnitt  zu  an  Grösse  abnehmen. 

Der  geisseiförmige  Endabschnitt  dürfte  dem  Schlauch  ein- 
fachster Art  (a)  entsprechen.  Er  ist  jedoch  zarter  und  nicht  immer 
von  den  spiralig  verlaufenden  Erhebungen  besetzt. 

Ebensowenig  wie  es  Schulze  bei  Chordylophora,  ist  es  mir 
bei  Hydra  gelungen,  dieselben  nachzuweisen. 

Die  dritte,  komplizierteste  Art  des  Nesselschlauches  findet  sich 
besonders  gut  bei  den  Siphonophoren  ausgebildet.  Die  zugehörige 
Kapsel  ist  lang  cylindrisch  (Fig.  L  A,  B.  u.  IL)  oder  spindeKörmig. 
Man  kann  auch  hier  wieder  die  drei  Schlauchabschnitte  w^ie  bei 
der  zweiten  Art  deutlich  unterscheiden.  Der  Basalabschnitt  aber  ist 
hier  verhältnissmässig  schlanker,  nimmt  aber  auch  hier  etwa  "Vi  tler 
Länge  der  Kapsel  ein. 

Die  halbe  Länge  dieses  Abschnitts  ist  kahl  (Fig.  2,  B.) ,  der 
übrige  Teil  bis  an  das  Zwischenstück  dagegen  dicht  mit  langen 
Dornen  besetzt.  Im  Gegensatz  zu  Möbius  finde  ich  aber,  dass 
diese  Dornen  rechtwinklig  oder  schräg  nach  hinten  (d.  h.  der  Kapsel) 
zu  von  der  Röhre  abstehen  (Fig.  2.  W).  Die  Dornen  sind  nie 
länger  als  die  kahle  Strecke  des  Basalabschnittes.  Das  konische 
Zwischenstück  ist  auch  oft  mit  Härchen  besetzt.  Es  ist  im  Wesent- 
lichen von  dem  der  oben  beschriebenen  zweiten  Art  der  Nessel- 
schläuche wenig  verschieden.  Der  dünne  Endabschnitt  weicht  eben- 
falls nicht  in  seiner  Form  von  dem  der  zweiten  Art  ab,  abgesehen 
davon,  dass  er  nicht  ganz  so  dünn  und  immer  mit  den  spiralig  ver- 
laufenden Erhebungen  besetzt  ist,  die  allerdings  nach  der  Spitze  zu 
sehr  schwer  zu  sehen  sind.  Im  Gegensatz  zu  Schneider  muss 
ich  noch  betonen,  dass  ich  in  keinem  Falle  an  der  Spitze  des 
Schlauches  eine  Öffnung  nachweisen  konnte.  Ich  finde  den  Schlauch 
vollkommen  abgeschlossen. 

Was  nun  die  Verhältnisse  des  Schlauches  im  eingestülpten 
Zustande  (wie  er  normal  in  der  Kapsel  liegt)  betrifft,  so  konnte  ich 
die  Schilderungen  von  Möbius  hierüber  mit  meinen  Beobachtungen 
nicht    in  Einklang    bringen i).      Es    ist  jedoch  möglich,    dass   diese 

^)  Abgesehen  davon,  dass  (wie  später  gezeigt  wird)  der  Endabschnitt  des 
Schlauches  in  dem  Zwischenstück  liegt  und  dieses  wiederum  in  dem  unteren 
Ende  des  Basalabschnittes  steckt. 


und  Entwickelung  der  Nesselorgane  der  Hydroiden.  227 

Verhältnisse  bei  den  Actinien  andere  sind.  Da,  wo  der  Basal- 
absclinitt  (Achsenkörper)  länger  ist  als  die  Kapsel,  mag  seine  An- 
sicht immerhin  Geltung  haben. 

Eine  dreifach  in  einander  liegende  Röhre  finde  ich  nur,  wenn 
der  Schlauch  schon  teilweise  ausgestülpt  ist  (Fig.  4  a),  also  dann, 
wenn  das  konische  Zwischenstück  schon  gegen  die  Mündung  der 
Kapsel  hinaufrückte,  und  den  geisseiförmigen  Endabschnitt  nach 
sich  gezogen  hat.  Im  normalen  Zustande  aber  ist  der  Basal- 
abschnitt  seiner  ganzen  Länge  nach  in  die  Kapsel  zurückgestülpt. 
(Fig.  1  u.  3).  Im  andern  Falle  müssten  ja  auch  die  Dornen  oder 
Widerhaken  schon  zur  Kapsel  herausragen.  Diese  ragen  aber 
überall  von  der  bedornten  Hälfte  resp.  von  der  Basis  des  konischen 
Zwischenstückes  ab  nach  oben  in  das  Lumen  des  eingestülpten 
Basalabschnittes  hinein  und  legen  sich  zu  einer  Spitze  (Dolch  bei 
Nussbaum)  zusammen    (Fig.  1.  A.  B). 

Dass  diese  Spitze  (Dolch)  bei  dfen  unentladenen  Nesselkapseln 
der  grossen  Siphonophoren  die  Länge  der  ganzen  Kapseln  hat, 
rührt  nicht  etwa  daher,  dass  die  Dornen  hier  dieselbe  Länge  wie 
die  Kapsel  haben,  denn  sie  sind  in  Wirklichkeit  nur  etwa  halb 
so  lang,  sondern  daher,  dass  sie  sich  zu  einer  grösseren  Spitze  zu- 
sammen gelegt  haben,  wie  man  sich  leicht  bei  der  künstlichen 
Ausstülpung  überzeugen  kann.  Unter  dieser  Spitze  (Dolch)  oder 
den  zusammengelegten  Dornen  sitzt  nun  das  konische  Zwischen- 
stück (Fig.  1.  A.  B.  3.  ev.)  in  dem  unteren  Teile  der  Kapsel,  mit 
seiner  Spitze  nach  dem  Entladungspol  gerichtet,  genau  wie  nach 
der  Ausstülpung.  Das  konische  Zwischenstück  ist  nicht  eingestülpt. 
In  dasselbe  ist  nun  aber  der  dünne  Endabschnitt  des  Schlauches 
nach  unten  in  das  Innere  der  Kapsel  eingestülpt,  wo  er  sich  in 
LängsscMingen  und  in  Querwindungen  um  den  Basalteil  herumlegt 
(Fig.  I.  A.  B),  bei  ovalen  und  runden  Kapseln  hauptsächhch  in 
Querwindungen    (Fig.  5). 

Bei  den  kugeligen  Kapseln,  wo  kein  weiterer  Basalabschnitt 
vorhanden  ist,  ist  der  ganze  Schlauch  in  die  Kapsel  eingestülpt; 
er  geht  direkt  von  der  Mündung  oben  in  Spiraltouren  an  den 
Seiten  der  Kapsel  entlang  nach  dem  Boden  zu.  Das  abweichende 
Verhalten  des  Schlauches  bei  der  Einstülpung  lässt  sich  wohl 
auf  das  Fehlen  des  Basalabschnittes  und  Zwischenstückes  zurück- 
führen. 

Ich  werde  jedoch  auf  diese  Verhältnisse  später  bei  der  Ent- 
wickelungsgeschichte  zurückkommen  und  wende  mich  jetzt  zur  Be- 
sprechung der  Nesselzelle.  Zu  dem,  was  darüber  in  dem  histo- 
rischen lieber  blick  bereits  gesagt  wurde  und  als  gesichert  erschien, 
habe  ich  im  allgemeinen  wenig  hinzuzufügen. 

Den  Zellkern  konnte  ich  immer  in  einer  mehr  oder  weniger 
reduzierten  Masse  von  Protoplasma  nachweisen.  Stiellose,  ein- 
fache Nesselzellen  habe  ich  bei  Velella  und  namentlich  auch  in 
den    Nesselbändern    der    Siphonophoren    beobachtet.      Alles,    was 

15* 


228  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kemituis  der  Anatomie 

darüber  von  früheren  Autoren  angeführt  wurde,  kann  ich  be- 
stätigen. 

Nur  betreffs  der  gestielten  Nesselzellen  habe  ich  einige  er- 
gänzende Bemerkungen  zu  machen.  Seit  Chun's  Arbeit  über  die 
Nesselorgane  hat  man  wohl  allgemein  angenommen,  dass  die  Quer- 
streifungen  an  den  Stielen  bei  Physalia  auf  quergestreifte 
Muskeln  zurückzuführen  seien.  Dem  glaube  ich  widersprechen  zu 
müssen.  Ich  fand  nämlich  bei  den  kleinen  Stielen  von  Physalia 
bei  genauem  Einstellen  auf  diese  sogenannten  Querstreifungen,  dass 
dieselben  unter  dem  Mikroskop  sich  scheinbar  hin  und  her  be- 
wegten, genau  so,  wie  man  es  bei  Einstellung  auf  verschiedene 
Ebenen  einer  horizontal  liegenden  Spirale  sehen  würde.  In  den 
aus  maceriertem  Material  von  mir  hergestellten  Klopfpräparaten  be- 
merkte ich  mm,  dass  dort,  wo  die  Hülle  der  Stiele  etwas  zersetzt 
war,  kurze  Strecken  einer  feinen  Spirale  sich  zeigten.  Fig.  5  A 
stellt  diese  Spirale  dar  nach  *einem  Macerationspräparat.  Sie  er- 
scheint hier  etwas  lockerer  als  im  normalen  Zustande,  wo  sie  eng 
und  fest  gewunden  ist. 

Bei  den  grossen  Nesselorganen  von  Physalia  ist  das  Ver- 
hältnis insofern  ein  anderes,  als  der  kurze  dicke  Stiel  eher  eine 
granulöse  Masse  Protoplasma  darstellt,  in  der  ähnliche  spiralige 
Gebilde  vorkommen,  die  aber  verhältnismässig  sehr  klein  sind 
und  den  Nachweis  erschweren.  Sie  sind  blos  auf  der  Peripherie 
des  Stieles  zu  sehen  und  scheinen  sich  um  das  untere  runde  Basal- 
ende  desselben  herum  zu  legen.  Bei  hoher  Einstellung  geben  dann 
die  vielen  parallel  laufenden  Spiralgebilde  auf  der  Oberfläche  des 
Stieles  den  Anschein  eines  grossen  quergestreiften  Muskels.  Stellt 
man  aber  auf  die  Mitte  des  Stieles  ein,  so  sieht  man  blos  noch  an 
den  Rändern  diese  Erscheinung.  Hier  ist  auch  die  Kapsel  von 
dicht  gedrängten,  meridional  verlaufenden  Fasern  umstrickt  (Fig.  5D), 
die  nach  unten  in  die  Spiralfasern  der  Stiele  überzugehen  scheinen 
(Fig.  5.  B).  Diese  Fasern  sind  eigentümlich  geknickt  (Fig.  5) 
oder  wellig  gebogen,  lassen  aber  Nichts  von  einer  wirklichen 
Querstreifung  erkennen. 

Aehnliche  spiralförmige  Gebilde  fand  ich  auch  in  den  Nessel- 
zellen bei  Velella  (Fig.  3.  A.  B.),  wo  seiner  Zeit  Bedot  ebenfalls 
quergestreifte  Muskeln  gefunden  zu  haben  glaubte. 

Die  Gebilde  befinden  sich  hier  in  der  Anhäufung  des  Proto- 
plasma, das  die  Kapselumhüllung  bildet;  in  einigen  Fällen  ragten 
sie  auch  eine  kurze  Strecke  in  den  Stiel  hinein. 

Eine  Verbindung  dieser  spiraligen  Gebilde  mit  dem  von  Bedot 
im  unteren  Teile  der  Stiele  gefundenen  Faden  konnte  ich  jedoch 
nicht  nachweisen.  Sie  erschienen  mir  als  feine  Stäbchen  (Fig.  3.  B.), 
die  eine  enge  Zickzackreihe  bilden,  so  dass  sie  sich  fast  zu  be- 
rühren scheinen.  Bei  Einstellung  auf  diese  Reihen  glaubt  man  zu 
beobachten,  dass  sie  sich  hin  und  her  bewegen,  ganz  wie  das  bei 
PhysaHa    beschrieben    wurde.      Diese    Erscheinung  lässt  sich  aber 


und  Entwickeliuig  der  Nesselorgane  der  Hydroiden.  229 

auch  hier  wieder  auf  eine  feine  Spirale  zurückführen  (Fig.  7. 
A.  B.  C).  Meine  Beobachtungen  wurden  an  Klopfpräparaten  ge- 
macht. Fig.  7.  A.  B.  C.  stellen  Präparate  dar,  bei  denen  der 
Stiel  so  zerriss,  dass  die  darunter  liegende  Spirale  bloss  gelegt 
wurde  i). 

Diese  Spiralen  sind  aber  so  fein,  und  der  Stiel  an  der  be- 
treffenden Stelle  so  dick,  dass  ich,  gestützt  auf  Einzelfälle,  in  denen 
ich  neben  einander  liegende  Querstreifungen  beobachtete,  auch  hier 
das  Vorhandensein  von  mehreren  Spiralen,  ähnlich  wie  in  den 
grossen  Stielen  der  Physalia,  vermute. 

Ich  halte  hiernach  den  Schluss  für  gerechtfertigt, 
dass  die  Querstreifungen  in  den  Stielen  der  Nesselorgane 
von  Physalia  und  Velella  nicht  auf  einer  Querstreifung  von 
Fasern  beruhen,  sondern  auf  Spiralgebilde  zurückzuführen 
sind. 

Wenn  nun  übrigens  einige  Autoren  daraus,  dass  sie  die  Stiele 
(Ausläufer,  Fortsätze)  der  Nesselkapseln  bis  auf  die  Stützlamelle 
hinziehen,  ja  sogar  an  diese  sich  inserieren  lassen,  den  Schluss  ziehen, 
dass  denselben  eine  muskulöse  Natur  nicht  zukomme,  so  liegt 
dazu  nach  meiner  Ansicht  kein  genügender  Grund  vor.  Ebensowenig 
ändert  der  Nachweis  von  der  spiraligen  Natur  der  vermeintlichen 
Querstreifungen,  den  ich  beigebracht  zu  haben  glaube,  etwas  an 
der  Auffassung  der  muskulösen  Natur  des  betreffenden  Gebildes 
die  auch  ich  aufrecht  halte.  Nach  meinem  Dafürhalten  wird  diese 
aber  jetzt  auf  eine  rationellere  Basis  gestellt. 

Denn  wenn  es  auch  nicht  befremdet,  in  den  Hauptteilen  des 
Körpers  der  Cnidarier  quergestreifte  Muskeln  zu  finden,  so  möchte 
man  doch  W'ohl  eher  geneigt  sein,  in  den  einzelligen  Nessel- 
organen statt  der  quergestreiften  Muskeln  glatte  kontraktile  Fasern, 
wenn  auch  vielleicht  hoch  differenzierte  oder  gar  spiralig  zusammen- 
gelegte, anzunehmen. 

Gestützt  wird  diese  Ansicht  auch  noch  durch  die  spiraligen 
Ausläufer  der  Klebzellen  bei  den  Ctenophoren,  die  von  Chun  (7) 
als  Muskeln  nachgewiesen  sind  und  mit  den  als  muskulös  auf- 
gefassten  Ausläufern  der  Cnidarier  in  eine  Reihe  gestellt  werden. 
Für  diese  Homologie  wäre  der  Nachweis  einer  spiraligen  Bildung 
statt  einer  Querstreifung  erst  recht  bedeutend.  Jickeli  hat  ebenfalls 
wellenförmige  Verkürzungen  nachgewiesen,  die  er  mit  den  zusammen- 
gezogenen Stielen  der  Vorticellen  vergHch. 

Schhesslich  hat  Leuckart^)  schon  im  Jahre  1853  zickzack- 
artige Kontraktionen  der  glatten  Fasern  in  den  Stämmen  mancher 
Siphonophoren  gesehen.  Wahrscheinlich  liegt  hier  eine  ähnliche 
Kontraktion  vor,  wie  wir  sie  schon  seit  lange  in  den  Stielen  der 
Vorticellen  kennen. 


)  Die  Figui-en   sind  mit   der    Camera   gezeichnet   ohne   nachherige  Ver- 
ang. 
2)  Litt.  31. 


230  Lewis  Murbach:   Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

Wo  die  Fasern  sich  Zickzack  förmig  zusammenziehen,  wird 
die  VorsteUung  insofern  anders,  als  man  wohl  annehmen  miiss, 
dass  die  kontraktile  Substanz  in  kurzen  Abschnitten  mit  nicht 
kontraktilen  Stützpunkten  oder  Anhaltspunkten  abwechselt.  Eine 
noch  höhere  Differenzierung  würden  dann  auch  die  Fasern  der 
Kapselumhüllung  von  Physalia  zeigen. 

In  beiden  Fällen  handelt  es  sich  nicht  so  sehr  um  eine  vor- 
teilhaftere Kontraktion,  als  vielmehr  darum,  nachzuweisen,  dass 
die  spiraligen  Muskeln,  als  den  ursprünglicheren,  der  Vorzug 
gebührt  vor  den  quergestreiften. 

Betreffs  der  Entladung  der  Nesselkapseln  schliesse  ich  mich 
der  von  Chun  u.  a.  vertretenen  Ansicht  über  Entladung  durch 
Muskel  druck  an,  wie  dieses  für  die  höheren  Nesseltiere  nach- 
wiesen ist. 

Über  die  Wirkungsweise  des  Schlauches  herrschten  bis  dahin 
zwei  Ansichten.  Einmal  nahm  man  an,  dass  der  Schlauch  sich  in 
fremde  Objekte  einbohre,  das  andere  Mal,  dass  er  sich  infolge  seiner 
klebrigen  Natur  denselben  bloss  anhefte.  In  beiden  Fällen  setzte 
man  voraus,  dass  das  giftig  wirkende  Sekret  ausschliesslich  in  der 
Kapsel  enthalten  sei  und  aus  derselben  entweder  durch  eine  natürliche 
Öffnung  oder  durch  eine  künstliche  nach  aussen  gelange.  Mir  scheint 
es  nun  wahrscheinlicher  anzunehmen,  dass  das  in  dem  eingestülpten 
Schlauchlumen  enthaltene  Sekret,  welches  beim  Ausstülpen  nach 
aussen  kommt,  sowohl  klebrige  wie  auch  giftige  Eigenschaften  hat, 
das  in  der  Kapsel  enthaltene  Sekret  dagegen  weder  giftig  noch 
klebrig  ist,  sondern  nur  dazu  dient,  hydrostatisch  zu  wirken.  Für 
diese  Auffassung  dürfte  auch  der  Umstand  sprechen,  dass  erstens 
keine  Einrichtung  zur  Ergiessung  des  Sekrets  an  der  Spitze  des 
Schlauches  zu  konstatieren  ist,  und  zweitens  ganz  entladene  Schläuche 
noch  sehr  oft  ein  völlig  intaktes  Aussehen  besitzen. 

Nach  dem,  was  ich  im  Vorstehenden  zu  schildern  suchte,  können 
wir  uns  nunmehr  von  den  Nesselorganen  der  Polypen  etwa  folgendes 
Bild  machen. 

Sie  sind  einzellige  Organe  mit  offensiver  und  defensiver  Funktion. 
Jedes  Organ  besteht  aus  drei  Teilen 

a)  einem  Gebilde,  das  die  Aktion  eines  giftigwirkenden  Sekrets 
befördert ; 

b)  einem  Muskel,  der  diese  Waffe  in  Thätigkeit  setzt,  und 

c)  einem  den  Muskel  übertragenden  (vielleicht  auch  selbst 
Druck  ausübenden)  Sinneshärchen,  zu  welchem  sich  tiefer 
in  den  Geweben  vielleicht  noch  koordinierende  (nervöse) 
Elemente 


imd  Entwickelung  dei-  Nesaelorgaue  der  Hydroiden.  231 


Entwickeliing. 

1.     Geschichtlicher  Ueberblick. 

Leuckart  (31)  war  wohl  der  erste,  der  in  der  Entwickelung 
begriffene  Nesselkapseln  beobachtete.      Er  sagt:    „Die  Bildung  der 

Angelorgane  geschieht  bereits  sehr  früh. Die  ersten  Rudimente 

derselben  .  .  .  sind  helle  aber  gleich  anfangs  ziemlich  scharf  be- 
grenzte Körner  (die  kloinen?)  oder  Stäbchen,  die  durch  fortdauerndes 
Wachstum  allmählich  ihre  spätere  Grösse  und  Bildung  annehmen". 
Etwas  später  hat  Leydig  (32)  und  dann  Schulze  (39)  ihre  Ent- 
stehung in  Zellen  behauptet.  Auch  Pagen  Stecher  (35)  schildert 
kurz  die  Entwickelung  der  Kapseln  in  gewissen  Mutterzellen,  sagt 
aber  nichts  von  der  Entwickelung  des  Schlauches. 

Bis  auf  Moebius'  Schrift,  die  im  Jahre  1866  erschien,  beziehen 
sich  die  Angaben  über  Entwickelung  der  Nesselorgane  hauptsächlich 
auf  die  Entstehung  der  Kapseln  im  Innern  von  Zellen,  aber  das 
Aussehen  der  sich  entwickelnden  Kapseln  selbst  giebt  nur  Leuckart 
genauer  an. 

Die  Beobachtungen  von  Moebius  (33)  die  im  übrigen  auch  recht 
kurz  gefasst  sind,  wurden  fast  20  Jahre  hindurch  nicht  wesentlich 
ergänzt  Moebius  bemerkt:  „Was  über  die  Entwickelung  der  Nessel- 
kapseln geschrieben  ist,  bezieht  sich  hauptsächhch  auf  spätere  Ent- 
wickelungsstadien  derselben."  Er  selbst  lässt  die  Kapseln  aus  Sub- 
epithelzellen  „von  Kugel-  oder  Eiform"  entstehen,  „welche  aus  einer 
körnigen  Flüssigkeit  bestehen,  in  der  einer  oder  mehrere  Körner 
durch  bedeutendere  Grösse  hervorstechen".  Weiter  unten  erwähnt 
Möbius  auch  amöbenartige  Gestaltveränderungen  dieser  Zellen. 
Den  Kern  hat  er  nicht  speziell  erwähnt. 

Dass  auch  Allman  (2)  denKern  nicht  mit  der  Kapselentwickelung 
in  Beziehung  brachte,  ja  vielleicht  gar  nicht  erkannte,  geht  aus  seiner 
Zeichnung  und  Beschreibung  hervor.  Er  sagt:  „A  portion  of  certain 
ectodermal  generating  cells  becomes  differentiated  as  a  spherical  or 
oval  mass  which  may  be  seen  to  occupy  a  vacuole  .  .  .  and  in 
which  one  or  more  nuclei  are  usually  apparent.  This  little  mass 
is  to  become  developed  into  the  thread  cell". 

F.  E.  Schulze  (40)  hat  dann  später  im  Gegensatz  zu  Eimer  (16) 
besonders  hervorgehoben,  dass  die  Nesselkapsel  sich  nicht  aus  dem 
Kern  ihrer  Zelle,  sondern  neben  diesem  im  Protoplasma  bildet, 
weil  noch  nach  der  Entwickelung  ein  Kern  vorhanden  sei. 

Nach  dem  Vorgang  von  Kleinenberg  (29)  nennt  man  nun 
ganz  allgemein  bei  Hydroiden  die  Subepithelzellen ,  die  unter  dem 
Ectoderm  liegen,  Interstitiellzellen.  Auch  Hamann  (23)  hebt  diese 
als  Bildnerinnen  der  Nesselkapseln  hervor  und  schliesst  aus  der 
Anwesenheit  des  Kernes  neben  der  Kapsel,  dass  sich  die  Kapsel 
bloss  aus  dem  Plasma  gebildet  habe. 

Dass  die  Interstitiellzellen  auf  den  Tentakeln  von  Hydra  fehlen 
und  daher  auch  Entwickelungsstadien  der  Nesselkapseln  dort  nicht 


232  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

vorhanden  sind,  hat  Nussbaum  (34)  besonders  betont.  Es  entsteht 
nach  demselben  in  jeder  Nesselzelle  nur  einmal  eine  Kapsel.  Auch 
die  späteren  Autoren  lassen  sämmtlich  die  Nesselapparate  in  Inter- 
stitiellzellen  oder  aus  diesen  gleichwertigen  Zellen  entstehen. 

Ueber  die  Teilung  dieser  Zellen  haben  namentlich  Nussbaum 
(34)  und  Schneider  (37)  Beobachtungen  gemacht.  Beide  halten  die 
am  gewöhnlichsten  vorkommende  Teilung  für  eine  mitotische,  jedoch 
beziehen  sich  Nussbaum's  Zeichnungen  dieser  Mitose  auf  dasOvarium. 
Er  vermutet  aber  auch  das  Vorkommen  von  amitotischer  Teilung. 

Die  ersten  definitiven  Angaben  über  die  Entstehung 
der  Kapsel  in  einer  Zelle  hat  Möbius  gemacht.  Er  sagt:  „Die 
ersten  Spuren  der  Nesselkapsel  sind  Verdichtungen  in  Form  einer 
Krümmung,  welche  der  äusseren  Grenze  der  Zelle  parallel  läuft." 
.  .  .  „Diese  wird  die  konkave  Seite  der  Nesselkapsel.  Während 
ihrer  Entwickelung  liegt  die  Kapsel  gebogen  mit  ihren  beiden  Enden 
einander  genähert,  streckt  sich  aber  mit  Abschluss  ihrer  Entwickelung 
in  ihrer  nachgiebigen  Zellenmasse."  Möbius  beobachtete  ferner 
amöbenartige  Gestaltsveränderungen  der  Zelle. 

Die  Entwickelung  des  Schlauches  verlegte  Möbius  in  das  Innere 
der  Kapsel.  Den  Achsenkörper  konnte  er  zuerst  sehen,  dann  den 
gewundenen  Abschnitt.  Obgleich  diese  Beobachtungen  über  die  Ent- 
wickelung an  einer  Actinie  gemacht  wurden,  fand  Möbius  dieselben 
für  Hydra  bestätigt,  abgesehen  davon,  dass  bei  dieser  die  Kapseln 
von  Anfang  an  oval  waren. 

Allman  (2)  lässt  die  Kapsel  aus  einer  Masse  (Plasma),  die  in 
einer  Vacuole  in  der  Nesselzelle  liegt,  entstehen.  Von  einem  Kern 
sagt  er  nichts. 

Eimer  (16)  hat  spindelförmige  Nesselbildungszellen  mit  kon- 
zentrischen Streifungen  im  Innern  eines  Schwammes  gesehen,  die  er 
als  schiffförmig  beschreibt.  Ich  erwähne  dieses  hier,  obgleich  wir 
später  sehen  Averden,  dass  seine  Beobachtung  sich  auf  Schlauchent- 
wickelung bezog,  was  er  aber  nicht  erkannte. 

Die  Gebrüder  Hertwig  (24)  beobachteten  im  Nesselwulst  von 
Carmarina  hastata  Nesselbildungszellen,  die  eigentümhch  in  Lamellen 
geschichtet  waren.  Auch  diese  Erscheinung  lässt  sich  auf  den  sich 
entwickelnden  Schlauch  zurückführen,  was  jedoch  von  den  genannten 
Autoren  nicht  richtig  erkannt  wurde. 

Alle,  die  bis  dahin  über  Entwickelung  von  Kapsel  imd  Schlauch 
sich  ausgesprochen  haben,  betonten  eine  intrakapsulare  Entwickelung 
des  Schlauches.  Jickeli  (25)  dagegen  machte  völlig  abweichende 
Beobachtungen.  Ueber  die  Entwickelung  der  Kapsel  bringt  er  nichts 
Neues,  für  den  Schlauch  aber  konnte  er  eine  wenigstens  teilweise 
Entwickelung  ausserhalb  der  Kapsel  nachweisen.  NatürHch 
musste  er  nun  eine  nachträgliche  Einstülpung  annehmen,  wie  er 
solche  denn  auch  beobachten,  aber  nicht  erklären  konnte.  Diese 
Befunde  stellte  er  dann  den  Beobachtungen  Bütschli's  (5)  über  die 
Schläuche  der  Polkörperchen  (Nesselkapseln)  von  Psorospermien  an 
die  Seite. 


und  Entwickelung-  der  Nes.selorgane  der  Hydroiden.  233 

Eine  Bestätigung  fanden  die  Beobachtungen  Jickeli's  über 
extrakapsuläre  Schlauclientwickelung  durch  Nussbaum  (34),  der  in 
einer  eingehenden  Arbeit  über  Hydra  die  Resultate  seiner  Unter- 
suchungen niederlegte.  Die  Kapsel  lässt  auch  er  aus  einem  Bläschen 
(in  der  Zelle  ?)  entstehen.  Seine  Ansichten  über  Entwickelung  von 
Kapsel  und  Schlauch  fasst  er  zusammen  in  den  Worten:  „Es  (das 
Bläschen)  streckt  sich,  spitzt  sich  vorn  zu  und  verlängert  sich  an 
diesem  Pol  zu  einer  Röhre,  die  in  vielen  Windungen  um  die  übrigen 
Teile  des  Bläschens  herum  geschlungen  oder  nach  vorn  zu  einem 
Convolut  zusammengedroht  daliegt."  Er  bemerkt,  dass  allgemein  der 
m  der  Entwickelung  begriffene  Schlauch  gegen  die  Stützlamelle  ge- 
richtet ist,  und  will  die  Einstülpung  des  Schlauches  in  die  Kapsel 
so  bewerkstelHgt  wissen,  dass  diese  von  den  darüber  liegenden 
Geweben  gegen  die  Stützlamelle  gedrückt  wird. 

Unser  Autor  ist  auch  der  erste,  welcher  bemerkt,  dass  die 
Kapsel  nach  abgeschlossener  Entwickelung  sich  in  der  Zelle  um 
1800  drehe. 

Der  nächste  Autor,  der  spezielle  Angaben  über  die  Entwickelung 
unserer  Organe  macht,  ist  Bedot  (4). 

Derselbe  lässt  einen  Protoplasmazapfen  (Nematoblast)  an 
behebiger  Stelle  in  eine  Vacuole  in  der  Nesselbildungszelle  hinein 
wachsen.  Der  Raum  zwischen  dem  Zapfen  und  der  Vacuole  wird 
von  einer  hellen  Masse  erfüllt,  die  später  der  Kapsel  den 
Ursprung  giebt.  Durch  Ein  Wucherung  eines  Kanals  durch  den 
Hals  hindurch  in  den  Plasmazapfen  entsteht  der  Schlauch,  also 
wieder  im  Innern  der  Kapsel, 

Die  Entstehung  der  Widerhaken  des  Schlauches  glaubte  Bedot 
aus  kugeligen  Gebilden  in  der  Kapsel  beobachtet  zu  haben. 

Zoja  (44)  schliesst  sich  betreffs  der  extrakapsulären  Entwickelung 
des  Schlauches  an  Jickeli  und  Nussbaum  an. 

Dagegen  behauptet  Chun  (11)  in  seiner  neuen  Monographie 
über  die  Siphonophoren  immer  noch  eine  Entwickelung  des  Schlauches 
innerhalb  der  Kapsel.  Trotzdem  aber  stimmt  er  nicht  etwa  mit 
Bedot  oderSchneider  überein,  die  nur  denSchlauch  aus  demPlasma- 
zapfen  in  der  Vacuole  entstehen  lassen,  sondern  er  glaubt,  beide, 
Kapsel  und  Schlauch,  aus  diesem  Cnidoblasten,  wie  er  auch  genannt 
worden  ist,  entstehen  lassen  zu  müssen. 

Chun  bildet  auch  im  Text  ovale  Zellen  mit  konzentrischen 
Streifungen,  wie  sie  früher  schon  gesehen  wurden,  ab  und  hält  diese 
für  konzentrische  Verdickungsstreifen  in  der  Wandung  der  Nessel- 
zelle. Die  Entladungsöffnung  der  Kapsel  verlegt  er  in  das  Ende 
des  Cnidoblasten  gegenüber  seiner  Verbindungsstelle  mit  dem  Plasma 
der  Zelle,  wahrscheinlich,  weil  er  die  Umdrehung  der  Kapsel  in  der 
Zelle  nicht  beobachtet  hatte.  Die  mannigfaltigen  Formen  der  Nessel- 
bildungszellen in  den  basalen  Nesselpolstern  der  Fresspolypen  der 
Siphonophoren  sind  nach  seiner  Ansicht  in  der  Entwickelung  stehen 
gebliebene  NesselzeUen  und  somit  ungünstige  Untersuchungsobjekte. 


234  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

Während  Schneider  (37)  über  die  Entstehung  des  Schlauches 
früher  entgegengesetzter  Ansicht  war,  hat  er  sich  jetzt  (38)  in  seiner 
neuesten  Arbeit  auf  die  Seite  Jickeli 's  und  Nussbaum's  gestellt, 
nimmt  also  nunmehr  auch  eine  Entwickelung  des  Schlauches 
ausserhalb  der  Kapsel  an. 

Nach  ihm  entsteht  die  Kapsel  als  eine  Vacuole  von  einer 
Membran  umgrenzt;  diese  ist  mit  Sekret  erfüllt.  Der  Schlauch 
entsteht  auf  der  Kap  sei  Oberfläche  (der  Membran).  Die  Wider- 
haken nehmen  in  dem  (eingestülpten?)  Schlauchlumen  ihren  Ursprung, 
lieber  die  Bildung  der  Widerhaken  sowie  die  der  Kapsel  weiss  er 
jedoch  Bestimmtes  nicht  anzugeben. 

Gelegentlich  beobachtete  Schneider  auch  ein  Verdrängen  des 
Sekrets  im  Schlauche,  einen  Vorgang,  von  dem  er  vermuthet,  dass 
er  mit  dem  Einstülpen  des  Schlauches  in  Causalnexus  stehe. 
Der  Schlauch  wird  von  der  Spitze  aus  eingestülpt. 

Angaben  über  die  Entwickelung  der  muskulösen  Aus- 
läufer (Stiele)  habe  ich  nur  bei  Jickeli  (25)  gefunden.  Derselbe 
zeichnet  Fig.  19,  Taf.  XVII,  Anhänge,  die  er  für  die  ersten  Anlagen 
der  Muskelstiele  hält.  Es  sind  stumpfe  kurze  Fortsätze  an  der  Basis 
der  Nesselzelle,  lieber  die  Entwickelung  des  Cnidocils  weiss 
er  nichts  zu  berichten. 

Nach  Nussbaum  (34)  u.  Chun  (11)  entsteht  das  Cnidocil  erst, 
wenn  das  Nesselorgan  die  Oberfläche  erreicht  hat.  Bei  den  übrigen 
Autoren  fehlen  die  Angaben  hierüber  gänzlich. 

Alle  Autoren  lassen  die  Nesselbildungszellen  bei  den  Hydroiden 
aus  InterstitiellzeUen  oder  ihresgleichen  im  Ectoderm  entstehen. 
Nach  Angaben  von  Jickeli,  Schulze  und  Nussbaum  sollen 
sich  aber  Nesselkapseln  bei  Hydren  auch  im  Entoderm  finden,  obwohl 
Entwickelungsstadien  daselbst  nicht  beobachtet  wurden.  Hierzu  noch 
die  Bemerkung,  dass  diese  Nesselkapseln  bei  Velella  trotz  ihrer 
subentodermalen  Lage  nach  Häckel  (22)  undBedot  (3)  ectodermalen 
Ursprunges  sind.  Neuerdings  will  Davenport  (14)  bei  Schnecken 
(Aeolis)  die  Entwickelungsstadien  der  Nesselkapseln  auch  im  Ento- 
derm beobachtet  haben.  Die  Beobachtungen  von  Schneider  freilich 
(über  Hydra) ,  die  dabei  angezogen  werden ,  sind  von  ihrem  Autor 
selbst  inzwischen  wieder  zurückgenommen. 

Schon  die  älteren  Autoren,  Leuckart,  Gegenbaur,  Claus 
haben  beobachtet,  dass  die  verbrauchten  Nesselknöpfe  auf  dem 
Fangfaden  der  Siphonophoren  von  der  AnsatzsteUe  der  Fangfäden  aus 
durch  Vorschub  ersetzt  werden.  Ebenso  werden  mehrfach  auch 
die  Nesselpolster  oder  Nesselwülste  bei  anderen  Coelenteraten  als  die 
Bildungs-  und  Vorratstellen  von  Nesselorganen  in  Anspruch  ge- 
nommen. So  z.  B.  von  den  Gebrüdern  Hertwig  bei  Carmarina  (24). 
Bei  den  Hydroidpolypen  beschreibt  Jickeli  förmliche  Magazine  von 
Nesselkapseln.  Sie  finden  sich  stets  an  proximalen  Körperteilen, 
während  die  Nesselkapseln  selbst  distalwärts  verbraucht  werden. 
Aus  seinen  Bemerkungen  ist  zu  erschhessen,  dass  Jickeli  für  letztere 


und  Eutwickelung  der  Nesselorgaiie  der  Hydroiden.  235 

eine  Art  Wanderung  annimmt.  Noch  bestimmter  lauten  die  Angaben 
von  Bedot  (3)  in  Betreff  der  Velella,  die  überall  in  den  Lücken 
der  Stützlamelle  Nesselzellen  aufweist,  welche  einem  grossen  Nessel- 
polster entstammten,  das  unter  der  sogenannten  Leber  und  dem 
Ectoderm  auf  der  Oralfläche  aufliegt.  Diese  Masse  von  Nesselzellen 
beschreibt  er  als  „le  heu  de  formation  des  nematocystes  et  comme 
un  reservoir  charge  de  fournir  de  cellules  urticantes  les  parties  ex- 
ternes de  l'animal." 

Ebenso  schloss  Nussbaum  (34)  in  Anbetracht  des  Umstandes, 
dass  es  auf  den  Armen  von  Hydra  keine  Entwickelungsstadien  von 
Nesselzellen  giebt,  auf  eine  Art  Vorschub  von  dem  Magenabschnitt 
her,  wo  die  betreffenden  Gebilde  in  grosser  Zahl  vorkommen.  Dabei 
wird  die  Vermutung  ausgesprochen,  dass  die  spiralige  Drehung  der 
Arme  diese  Wanderung  unterstütze. 

Auch  Schneider  sieht  sich  in  seiner  neuesten  Veröffentlichung 
(38)  durch  die  topologischen  Beziehungen  zwischen  der  Verbrauchs- 
stätte und  dem  Bildungsherde  der  Nesselkapseln  bei  den  Siphono- 
phoren  veranlasst,  eine  derartige  Wanderung  anzunehmen,  obwohl  er 
sie  durch  directe  Beobachtung  nachzuweisen  ausser  Stande  war 
(auch  die  oben  citirten  Angaben  Bedot 's  nicht).  Andererseits  darf 
übrigens  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  Chun  neuerdings  (11)  ein 
Ueberwandern  fertiger  Nesselzellen  von  gewissen  Bildungsherden  auf 
ihre  Verbrauchsstätten  in  keinem  Falle  mit  Sicherheit  nachzuweisen 
vermochte. 

Wenn  wir  in  Kürze  hiernach  zusammen  fassen,  was  die 
voranstehende  historische  Uebersicht  uns  lehrt,  so  ist  vor  Allem 
die  Thatsache  zu  constatieren ,  dass  der  Nesselapparat  nach 
sämthchen  Autoren  ectodermalen  Ursprungs  ist.  Nachdem  einmal 
festgestellt  war  (Leydig),  dass  die  Kapseln  je  ihren  Ursprmig 
in  einer  Zelle  nahmen,  entstand  dann  die  Frage  nach  den  Be- 
ziehungen derselben  zum  Kerne.  Sie  wurde  dadurch  entschieden, 
dass  man  (Schulze)  den  Kern  noch  in  der  ausgebildeten  Nesselzelle 
vorfand.  Dafür  aber  glaubte  man  die  Eutwickelung  der  Nesselkapsel 
lange  Zeit  mit  dem  Plasma  der  Zelle  in  Zusammenhang  bringen 
zu  müssen.  Man  nahm  ein  sekreterfülltes  Bläschen  oder  eine  Vacuole 
als  erste  Anlage  der  Nesselkapsel,  und  liess  in  diese  dann  eine 
Protoplasmamasse  (Zapfen)  hineinwachsen.  Aus  diesem  sollte  nun 
nach  den  Einen  blos  der  Schlauch  entstehen,  während  die  Kapsel 
ihren  Ursprimg  in  dem  die  Protoplasmamasse  umgebenden  Sekret 
nehme,  während  Andere  (Chun)  dagegen  sowohl  Kapsel  wie 
Schlauch  daraus  hervorgehen  Hessen.  Während  von  beiden  Seiten 
der  Ursprung  des  Schlauches  in  das  Lmere  der  Kapsel  verlegt 
wurde ,  behaupten  endlich  Jickeli,  Nussbaum,  Zoja  und 
Schneider,  dass  letzterer  ausserhalb  der  Kapsel,  auf  der  Kapsel- 
wand sich  entwickele.  Letztere  Auffassung  macht  natürlich  eine 
nachträgliche  Einstülpung  des  Schlauches  notwendig.  Eine  genügende 
Erklärung  der  Einstülpung  fehlt  bei  sämthchen  Autoren.  Schliesslich 
wird  von  mancher  Seite   noch    eine  Wanderung  der  Nesselorgane 


236  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenutiiis  der  Anatomie 

von  ihrem  Bildungsorte  an  den  Ort  der  Verwendung  statuiert,  ein 
Verhalten,  was  aber  nur  durch  eine  Beobachtung  (Bedot)  ge- 
stützt ist. 

2,     Eigene  Beobachtungen. 

Wie  schon  früher  kurz  angedeutet,  stiess  ich  bei  Gelegenheit 
einer  anderen  Untersuchung  in  den  interstitiellen  Zellen  der  Hydra 
wiederholt  auf  kleine  glänzende  Stäbchen,  die  in  der  Zelle  dicht 
neben  dem  Kern  lagen  und  an  einem  Ende  das  Aussehen  eines 
Schraubengewindes  darboten  (Fig.  15  b). 

Da  ich  über  diese  Einlagerungen  in  der  Litteratur  keinen  be- 
friedigenden Aufschluss  bekommen  konnte  und  dieselben  nach  ge- 
nauer Untersuchung  auf  Entwickelungsstadien  der  Nesselorgane 
zurückführen  zu  müssen  glaubte,  nahm  ich  mir  vor,  die  Ent- 
wickelung  der  Nesselorgane  überhaupt  einer  eingehenden  Unter- 
suchung zu  unterziehen,  einer  Untersuchung,  deren  Resultate  ich 
nun  im  Folgenden  mitteile.  Zugleich  hoffte  ich,  auf  diese  Weise 
vielleicht  neue  Beiträge  zur  Frage  über  die  Entwickelung  des 
Schlauches  an  diesen  Organen  liefern  zu  können,  worüber  die 
Meinungen  ja  immer  noch  stark  aus  einander  gehen. 

Die  Nesselorgane  entstehen  in  Zellen,  welche  von  den  inter- 
stitiellen Zellen,  die  auch  den  Geschlechtszellen  den  Ursprung  geben, 
nicht  zu  unterscheiden  sind.  Sie  sind  bei  allen  Cnidariern  zu  finden 
und  bilden  manchmal  eine  lokal  begrenzte,  subepitheliale  Lage  (d.  h. 
sie  bilden  eine  eigentliche  Gewebelage). 

Ein  sehr  grosser  Kern  wird  von  einer  verhältnissmässig  geringen 
Masse  (körnigen)  Protoplasma  umschlossen  (Fig.  10).  In  dem 
sehr  hellen  Kern  markieren  sich  jedoch  durch  ihr  stärkeres  Licht- 
brechungsvermögen ein  oder  zwei  Kernkörperchen,  von  denen 
das  eine  grösser  ist  als  das  andere.  In  der  letzten  Teilung  be- 
griffene Kerne  weisen  jedoch  deren  oft  blos  eines  auf.  Ferner  zeigt 
das  Protoplasma  des  Kernes  eine  fein  granulierte  Stniktur.  Das 
umgebende  Plasma  sieht  dann  mehr  homogen  aus,  kann  aber  auch 
gröbere  Körnchen  (Nährstoff?)  enthalten.  In  manchen  Fällen  (Hydra) 
bildete  das  Plasma  einen  so  dünnen  Belag,  dass  ich  es  nur  schwer 
nachweisen  konnte. 

Die  interstitiellen  Zellen  sind  zu  allen  Jahreszeiten  in  stetem 
Wuchern  begriffen.  Hin  und  wieder  beobachtete  ich  auch  in  den 
Nesselbildungszellen  (Physalia)  eine  Umlagerung  und  Umgestaltung 
des  Chromatins  des  Kernes  in  Knäuelform  und  in  Schleifen,  die  die 
eintretende  mitotische  Teilung  ankündigten  i)  (Fig.  8  a.  b).  Die 
grobkörnigen  Teile  verschwinden  mit  dem  Auftreten  des  Faden- 
knäuels. Dabei  wird  auch  das  Kernkörperchen  in  Mitleidenschaft 
gezogen,  jedoch  nicht  immer  sofort.  Entschieden  mitotische  Teilungs- 
stadien   konnte  ich   übrigens   auch  an  anderen  Stellen  beobachten 

^)  Die  betr.  Zellen  stammten  hier  aus  einer  Gruppe  Nesselbildungszellen, 
von  denen  einige  bereits  die  ersten  Anlagen  der  Kapsel  aufwiesen. 


und  Entwickelung  der  Nesselorgane  der  Hydroiden.  237 

(Fig.  9),    vornehmlich  da,  wo  sich  dem  Anscheine  nach  später  das 
Ei  anlegte. 

Diese  Wucherungen  müssen  dazu  bestimmt  sein,  einen  grossen 
Verbrauch  zu  ersetzen.  Sie  geschehen  wie  bei  der  Erzeugung  der 
Geschlechtszellen,  so  auch  bei  der  Knospung ^)  und  ferner  bei  der 
Regeneration  der  äusseren  Gewebelage,  wenn  Teile  davon  verloren 
gehen  oder  verbraucht  werden.  Hauptsächlich  aber  dienen  sie 
wohl  zur  Bildung  von  Nesselorganen.  Denn  der  Verbrauch  für 
Regeneration  im  engeren  Sinne  ist  beim  normalen  Tier  nicht  so 
gross,  und  die  Bildung  von  Geschlechtszellen  geht  nicht  zu  allen 
Jahreszeiten  vor  sich. 

Sehr  oft  liegen  diese  Nesselbildungszellen  in  Gruppen  zusammen 
(Fig.  10.  11),  in  denen  die  späteren  Umwandlungsprodukte  dann  auch 
so  ziemlich  die  gleiche  Entwickelungsstufe  einhalten.  Dieser  Umstand 
hat  zu  der  Vermutung  Anlass  gegeben,  dass  die  Zellen  einer  solchen 
Gruppe  einer  gemeinschaftlichen  Mutterzelle  ^)  entstammten.  Man 
findet  aber  auch  in  ein  und  derselben  Gruppe  Beispiele  von  ver- 
schieden weit  entwickelten  Nesselorganen. 

In  solch  einer  Gruppe  eben  sich  teilender  Zellen,  die  deutlich 
Nesselorgane  bilden  werden,  konnte  ich  nie  Mitose  nachweisen, 
wohl  aber  fand  ich  diese  nicht  selten  in  mehr  vereinzelten  Zellen. 
Obschon  die  Befunde  anderer  Forscher  dem  widersprechen  ■ —  blos 
Nussbaum  entscheidet  sich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  für  Ami- 
tose —  konnte  ich  meinerseits,  wie  gesagt,  in  den  betreffenden 
Zellgruppen  immer  nur  eine  direkte  Teilung  konstatieren. 

Da  ich  diese  häufig  auch  in  anderen  Zellen  fand,  dürfte  eine 
Beschreibung  des  Teilungsvorganges  hier  am  Platze  sein.  Zuvor 
aber  sei  beiläufig  erwähnt,  dass  diese  Teilung,  da  sie  die  letzte 
ist,  welche  die  betreffenden  Zellen  durchlaufen,  den  Resultaten 
der  neuesten  Forschung  über  Kernteilung^)  durchaus  nicht  wider- 
spricht. Im  Muskelepithel  habe  ich  dieselbe  nicht  nachweisen 
können,  wohl  aber  ist  sie  im  Entoderm  mir  öfter  begegnet. 

Nach  meinen  Beobachtungen  dürfte  die  amitotische  Teilung 
folgendermassen  vor  sich  gehen. 

Das  Chromatin  verbindet  sich  mit  den  Kernkörperchen  zu 
einem  Ganzen  oder  es  sondert  sich  in  dem  Kern  in  ziemlich  gleich- 
massig  grosse  Granula. 


•)  Hiermit  soll  nicht  gesagt  sein,  dass  die  Knospen  aus  einzelneu  Inter- 
stitiellzellen  ihren  Ursprung  nehmen  und  das  Entoderm  dabei  gar  nicht  beteiligt 
ist,  wie  es  neuerdings  Albert  Laug  (lieber  die  Knospung  bei  Hydra  etc. 
Zeitschr.  für  Wiss.  Zool.  Bd.  54.  Heft  1.  2,  1892)  behauptet  hat.  Meine  vorläufigen 
Beobachtungen  lassen  mir  immer  noch  die  bisherige  Ansicht  (mit  einigen  Mo- 
difikationen) als  richtig  erscheinen. 

'2)  Schon  früher  beobachtet  von  Nussbaum. 

■')  vide  Litteratur  36,  43,  45. 


238  Lewis  Miirbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

Im  ersten  Falle  zielit  das  Körperchen  sicli  in  die  Länge  und 
schnürt  sich  in  der  Mitte  hanteiförmig  ein.  Im  andern  Falle,  wo 
aus  dem  Chromatin  mehrere  Granula  sich  gebildet  haben,  ordnen 
diese  sich  in  der  Mitte  des  Kernes  in  zwei  Gruppen,  die  sich  ein- 
ander gegenüber  stellen.  Von  nun  an  sind  die  Veränderungen  beide 
Male  die  gleichen.  Die  beiden  Massen  der  Hantel  sowie  die  beiden 
Gruppen  der  Granula  trennen  sich  in  zwei  Hälften,  die  beinahe 
gleich  sind. 

Der  Kern  fangt  an  sich  zu  strecken,  sobald  die  Hantelform 
sichtbar  wird  oder  die  Granula  sich  gruppieren,  schnürt  darauf  sich 
ein  bildet  durch  Trennung  und  Abrundung  zwei  neue  (Tochter-) 
Kerne,  von  denen  jeder  durch  die  Teilung  ungefähr  die  Hälfte  des 
Chromatins  erhalten  hat. 

Mit  der  Teilung  des  Kernes  Hand  in  Hand  geht  auch  die 
Teilung  des  Plasmas. 

Hanteiförmige  oder  eben  sich  abschnürende  Kernkörperchen 
finden  sich  nicht  gerade  sehr  häufig.  Viel  öfter  begegnet  man  dem 
etwas  länglich  ausgezogenen  Kernkörperchen  oder  den  schon  abge- 
schnürten beiden  Hälften,    die  noch  die  Spitzen    einander  zukehren. 

Dieses  Stadium  darf  aber  nicht  mit  solchen  verwechselt  werden, 
in  denen  der  Kern  zwar  auch  zwei  Nucleolen  enthält,  aber  Nucleolen 
von  ungleicher  Grösse,  die  sonst  aber  noch  keinerlei  Anzeichen  einer 
Teilung  zeigen. 

Das  spärliche  Vorkommen  der  zuerst  beschriebenen  Stadien 
(Hantelform)  kann  übrigens  ebensowenig  befremden,  wie  der  Mangel 
anderer,  die  sonst  bei  der  Mitose  auftreten.  In  unsern  Fällen  handelt 
es  sich  um  schnell  verlaufende  Vorgänge,  denen  gegenüber  solche, 
die  von  längerer  Dauer  sind,  weit  häufiger  zur  Beobachtung  kommen. 

Ich  habe  diese  Teilung  als  eine  direkte  oder  amitotische  be- 
zeichnet. Wenn  man  allerdings  unter  mitotischer  Teilung  nur 
diejenige  versteht,  bei  der  die  Kernsubstanz  (Chromatin)  in  zwei 
gleiche  Hälften  sich  sondert,  so  könnte  auch  die  eben  be- 
schriebene Teilung  als  eine  Art  Mitose  gelten.  Sieht  man  aber  den 
Fadenknäuel,  die  Schleifen,  die  Spindel  als  wichtige  Kriterien 
der  Mitose  an,  dann  haben  wir  in  unserem  Falle  nichts  als  eine 
amitotische  Kernteilung. 

Die  erste  Anlage  der  Nesselkapsel  (Kapselkeim,  K.  k.  in 
allen  Figuren)  beobachtete  ich  als  ein  kleines  längliches  (manchmal 
auch  beinahe  kugeliges)  hellglänzendes  Körperchen  im  Innern  nicht 
des  Zellenplasma,  sondern  des  Kernes,  beinahe  unmittelbar  neben 
dem  Kernkörperchen,  von  demselben  durch  seine  mehr  homogene 
(nicht  granulöse)  Beschaffenheit  unterschieden  i)  (Fig.  10a). 

In  einigen  Fällen  schien  dieser  kleine  Kapselkeim  sich  eben 
erst  in  Form  eines  Stäbchens  von  dem  Kernkörperchen  abgehoben 
zu  haben  (Fig.  10b,  e,  h  und  Fig.  IIa),  aber  noch  neben  demselben 


^)  Die   Kapselkeime    zeichnen    sich   im  allgemeinen    auch    durch    stärkere 
Tinktionsfähigkeit  vor  den  Kernkörperchen  aus. 


und  Entwickeluiig  der  Nesselorgane  der  Hydroiden.  239 

zu  liegen.  Wo  sich  von  anfang  an  mehrere  Kernkörperchen  gebildet 
hatten  (Fig.  10c,  d)  fand  ich  später  blos  ein  Kernkörperchen  und 
daneben  das  längliche  Stäbchen. 

Allmählich  kommt  nun  der  Kapselkeim  aus  der  Tiefe  des 
Kernes  an  die  Peripherie  zu  liegen  (Fig.  10a,  d  u.  IIb  u.  17b), 
ohne  dass  zunächst  an  ihm  eine  auffallende  Grössenveränderung 
zu  beobachten  wäre.  Einmal  freilich  habe  ich  ihn  schon  jetzt  von 
einer  beträchtlichen  Grösse,  ähnlich  der  seiner  definitiven  Form,  vor- 
gefunden (Fig.  10g,  a).  Auf  der  Peripherie  angelangt,  ist  die  Masse 
bereits  unverkennbar  die  junge  Kapsel.  Man  ist  somit  zu  dem 
Schlüsse  berechtigt,  dass  die  erste  Anlage  der  Nesselkapsel 
aus  dem  Kern  stammt  und  durch  eine  Art  Teilung  ensteht,  bei 
der  aber  nur  ein  verhältnissmässig  kleiner  Teil  der  Kernsubstanz 
Verwendung  findet. 

Sobald  der  Kapselkeim  an  die  Oberfläche  des  Kernes  aufgerückt 
ist,  bildet  sich  um  denselben  ein  heller  Hof  entweder  bloS  an  der 
inneren  Seite  (Fig.  10g,  e,  lld)  oder  fast  im  ganzen  Umfange. 
Oft  jedoch  verweilt  er  längere  Zeit  im  Plasma  der  Zelle,  ehe  sich 
der  helle  Hof  um  ihn  bildet. 

Immer  aber  steht  der  Kapselkeim  da,  wo  er  sich  von  dem 
Kern  abgehoben  hat,  mit  dem  Plasma  der  Zelle  in  direkter  Ver- 
bindung. 

Diesen  hellen  Hof  oder  Sekretraum,  wie  er  von  den  älteren 
Autoren  auch  genannt  worden  ist,  nahm  man  bis  dahin  für  die  erste 
Anlage  der  Kapsel  an.  Verleitet  wurde  man  zu  dieser  Annahme 
jedenfalls  durch  die  Häufigkeit  der  Fälle,  in  denen  der  kleine  Kapsel- 
keim beinahe  ganz  von  dem  hellen  Hofe  umgeben  war.  Ich  meiner- 
seits aber  habe  nie  einen  Sekretraum  ohne  Kapselkeim  auf- 
finden können,  wohl  aber  junge  Kapselkeime,  die  noch 
nicht  von  einem  hellen  Hofe  umgeben  waren  (Fig.  10,  IIb, 
12  a,  13). 

Dieses  helle  Aussehen  des  Hofes  ist  jedenfalls  darauf  zurück 
zu  führen,  dass  das  Protoplasma  durch  das  Wachstum  der 
jungen  Kapsel  dünnflüssiger  geworden  ist,  denn  mit  dem  Grösser- 
werden  des  Hofes  wird  das  ursprünglich  dickflüssige  Protoplasma 
allmähhch  auf  eine  sehr  dünne  Hülle  (Plasmabelag)  reduciert.  Der 
dünne  Plasmamantel  ist  an  der  Stelle,  wo  er  den  Kern  birgt,  be- 
deutend dicker  als  sonst,  ja  sogar  dicker  als  nötig  scheint,  um  blos 
den  Kern  zu  beherbergen  (Fig.  IG  u.  18e). 

Es  ist  dies  die  Stelle,  wo  der  Hals  der  jungen  Kapsel  dem 
Protoplasma  anliegt,  und  von  wo  aus  sich  auch  der  Schlauch  des 
Nesselapparates  ausbildet  (Fig.  11,  e,  d  u.  12). 

Der  Hals  der  Kapsel  wird  allmählig  etwas  länger,  bis  man 
schliesslich  in  ihm  den  Basalteil  des  Schlauches  erkennt.  Und  endlich 
sieht  man,  wie  eine  fadenförmige  Fortsetzung  des  Halses,  durch 
stärkere  Lichtbrechungsfähigkeit  auffallend,  in  den  Plasmabelag 
hineinwächst  und  eine  Windung  nach  der  anderen  um  den  Kern 
herum  legt:  es  ist  der  Schlauch  der  Kapsel,  den  man  darin  vor  sich 


240  Lewis  Muibach:   Beiträge  zur  Kenutnis  der  Anatomie 

hat.  Der  Basalteil  desselben  liegt  in  der  äussersten  Spirale,  während 
das  innerste,  wachsende  Ende  den  Kern  umfasst. 

Wir  können  also  in  der  Bildung  des  Schlauches  mehrere  Stadien 
unterscheiden,  deren  Dauer  wesentlich  von  einander  abweicht. 
Das  früheste  Stadium,  in  dem  die  ersten  Anlagen  des  Schlauches 
sichtbar  werden,  kann  im  Ganzen  nur  selten  beobachtet  werden;  die 
Bildung  geht  anscheinend  sehr  schnell  vor  sich  und  entzieht  sich  so 
in  den  meisten  FäUen  der  Beobachtung.  Die  darauf  zunächst 
folgenden  Stadien  der  Entwickelung ,  in  denen  sich  der  Schlauch 
bereits  in  3  oder  mehr  (bis  6)  Windungen  um  den  Kern  herum  gelegt 
hat,  können  sehr  häufig  beobachtet  werden  (Fig.  16).  Dann 
aber  wird  es  schwieriger ,  die  weitere  Entwickelung ,  das  Wachsen 
des  Schlauches,  genauer  zu  verfolgen,  da  letzterer  in  den  meisten 
Fällen  bereits  eingestülpt  in  der  Kapsel  liegt  (Fig.  20).  Die 
Schläuche  sind  dann  nicht  blos  viel  länger  und  dünner,  sondern 
auch  fester  als  in  dem  Stadium  vor  der  Einstülpung. 

Es  entsteht  nun  die  Frage  ob  a)  etwa  der  vor  der  Einstülpung 
an  seinem  äussersten  Ende  noch  ziemlich  dick  aussehende  Schlauch 
sich  bei  der  weiteren  Ausbildung  in  die  Länge  streckt,  oder  ob  b)  die 
feinsten  jüngsten  Spiraltouren  sich  so  wenig  vom  Plasma  abheben, 
dass  sie  unsichtbar  bleiben,  oder  ob  c)  diese  weiteren,  letzten  Stadien 
so  schnell  vor  sich  gehen,  dass  es  schwer  hält,  dieselben  zur  Be- 
obachtung zu  bekommen.  Ich  möchte  ein  Zusammenwirken  von  b 
und  c  für  das  Wahrscheinlichere  halten. 

Da  der  Schlauch  vor  seiner  Einstülpimg  bis  in  das  letzte  Stadium, 
das  ich  beobachten  konnte,  noch  eine  gewisse  embrj^onale  Unfertig- 
keit  aufweist,  indem  weder  die  Spiralerhebungen  (Härchen)  des  End- 
abschnittes, noch  deutliche  Widerhaken  nachzuweisen  sind,  so  darf 
man  wohl  annehmen,  dass  er  von  einer  Art  Ueberzug  oder  Bildungs- 
matrix umhüllt  ist.  Diese  würde  sich  dann  nach  seiner  Einstülpung 
ablösen,  so  dass  der  Schlauch  dann  in  seiner  definitiven  Form  er- 
scheint. 

Kapselkeim  und  Schlauch  sind  jetzt  vollkommen  ausgebildet. 
Der  Kapselkeim  wird  zur  dünnen  Innenwand  der  doppelwandigen 
Kapsel  und  der  Schlauch  ist  eingestülpt,  während  die  Masse,  die 
den  hellen  Hof  um  die  innere  Kapselwand  (Kapselkeim)  bildete,  sehr 
rasch  kleiner  wird,  sich  verdichtet  und  schhesslich  die  dickere  äussere 
Wand  der  Kapsel  darstellt. 

Der  kontraktile  Plasmabelag  der  Zelle  folgt  der  Kapsel  und 
schhesst  sich  eng  an  diese  an. 

Wenn  wir  seiner  Zeit  in  dem  anatomischen  Teil  drei  Arten  der 
Nesselapparate  unterschieden,  so  geschah  dieses  zunächst  mit  Rück- 
sicht auf  ihre  Beschaffenheit.  Es  findet  diese  Einteilung  aber  auch 
in  der  Entwickelung  eine  Stütze.  Die  allgemeinen  Züge  der  Ent- 
wickelung sind  freilich  für  alle  Formen  die  gleichen.  Aber  daneben 
finden  sich  gewisse  Eigenthümlichkeiten,  die  eine  jede  derselben 
auszeichnet.    Ich  beginne  bei  der  Darstellung  derselben,  wie  in  dem 


und  Entwickelung  der  Nesselorgane  der  Hydi'oiden.  241 

anatomischen  Teile,  mit  dem  einfachsten  Nesselapparat,  wie  wir  ihn 
bei  Physalia  und  anderen  finden. 

Der  längliche  Kapselkeim  wächst  hier  anfänglich  verhältnis- 
mässig langsam  (Fig.  11),  nimmt  aber  mit  zunehmender  Grösse 
eine  immer  mehr  rundliche  Form  an.  Sobald  der  verlängerte 
Schlauch  und  der  sehr  früh  gross  gewordene  helle  Hof  es  erlauben, 
finden  wir  die  junge  Kapsel  etwas  entfernt  vom  Zellkern  (Fig.  16  a,  b). 
Der  Kern  liegt  aber  immer  in  der  dickeren  Masse  des  Proto- 
plasmabelages, wo  er  von  dem  wachsenden  Ende  des  Schlauches 
eng  umfasst  ist,  und  weist  stets  ein  Kernkörperchen  auf. 

Vor  der  Einstülpung  des  Schlauches  konnte  ich  nie  mehr  als 
6  Spiraltouren  beobachten,  während  ich  in  der  ausgebildeten  Kapsel 
deren  wenigstens  zweünal  so  viele  vorfand.  Spiraltouren  und  Kapsel- 
keim liegen  nicht  in  derselben  Ebene,  doch  liegen  die  Windungen 
des  Schlauches  gewöhnlich  seitlich  neben  der  ovalen  Nesselzelle.  Ein 
Bild  für  die  noch  nicht  ganz  abgeschlossene  Einstülpung  des  Schlauches 
bildet  Fig.  5B.     Ich  konnte  diesen  Fall  mehrfach  beobachten. 

Beobachtungen  an  Hydra,  marinen  Hydrozoen  und  Velella,  bei 
denen  durchweg  komplizierte  Schläuche  mit  Widerhaken  in  den 
ovalen  Kapseln  vorkommen,  lehren,  dass  der  Entwicklungsgang  bei 
ihnen  allen  derselbe  ist  (Fig.  10,  12,  14,  15). 

Der  Kapselkeim  ist  hier  mehr  länglich  und  nicht  so  grobkörnig, 
wie  bei  Physalia.  Der  helle  Hof  ist  stets  verhältnismässig  klein. 
Der  Basalteil  des  werdenden  Schlauches  ist  von  Anfang  an  weit,  und 
die  Widerhaken  entwickeln  sich  spät  als  nach  hinten  gerichtete 
Fortsätze.  Die  Zahl  der  Spiraltouren  ist  IV2  oder  zwei.  Dieselben 
liegen  in  einer  Ebene  mit  dem  Kapselkeim  und  dem  Zellkern;  die 
Ebene  durchschneidet  die  Mitte  der  Zelle.  Besonders  in  den  späteren 
Stadien  liegt  der  Kern  dem  Basalteile  des  Schlauches  sehr  nahe. 
Ohne  dass  man  inzwischen  mehr  Spiraltouren  beobachten  kann, 
ist  der  Schlauch  in  späteren  Stadien  teilweise  schon  eingestülpt 
(Fig.  14,  20) 

Bei  der  Entwickelung  der  dritten  mehr  komplizierten  Nessel- 
apparate aus  Nesselbändern  von  Physophora  und  Agalma  weist  der 
Kapselkeim  gewöhnlich  schon  früh  eine  längliche  und  etwas  ge- 
bogene Form  auf  (Fig.  17,  18c).  Er  ist  hier  wieder  sehr  grob- 
körnig und  Hegt  in  einem  mittelmässig  grossen  hellen  Hofe.  Der 
Schlauch  zeigt  nie  viele  Windungen  (1 — 4).  Der  Kern  nimmt 
anfangs  die  konkave  Seite  des  Kapselkeimes  ein,  scheint  aber  später 
mehr  an  dem  Basalteil  des  Schlauches  zu  liegen.  In  der  Einstülpung 
begriffene  Schläuche  habe  ich  nicht  beobachten  können. 

Bei  der  zuerst  beschriebenen  Art  der  Nesselapparate  war  kein 
Basalabschnitt  des  Schlauches  vorhanden,  bei  der  zweiten  und  dritten 
Art  kamen  Basalabschnitte  mit  Widerhaken  und  Dornen  vor. 

Ganz  abgesehen  von  der  verschiedenen  Form  des  Nesselkapsel- 
keimes, liegt  der  Hauptunterschied  der  drei  Arten  in  der  Form  des 
Schlauches  und  in  seinen  primitiven  Lagebeziehungen  zu  dem  Zell- 

Aicli.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1894.    Bd.  I.  H.  3.  16 


242  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

kern.  Aus  dem  letzteren  Umstand  glaube  ich  noch  einen  wichtigeren 
allgemeinen  Schluss  ableiten  zu  können. 

In  den  zuletzt  beschriebenen  Fällen  konstatierten  wir  die  pro- 
ximale Lage  des  Kernes  zu  dem  Basalabschnitt  des  Schlauches, 
bei  allen  3  Arten  aber  die  unmittelbare  Gegenwart  des  Kernes  an 
dem  wachsenden  Schlauchende.  Hierin  liegt  nach  meiner  Ansicht 
eine  Bestätigung  der  schon  von  anderen  Autoren  ^)  behaupteten  That- 
sache,  dass  die  Bildungsthätigkeit  der  Zelle  von  der  Lage 
des  Kernes  in  derselben  abhängt. 

Die  Angaben  früherer  Autoren  über  Einstülpung  des 
Schlauches  beziehen  sich  nie  auf  die  erste  Ursache  dieser  Er- 
scheinung. Sie  beschränken  sich  durchweg  auf  die  die  Einstülpung 
unterstützenden  Momente.  Zu  diesem  ganz  eigenartigen  Vorgang 
möchte  ich  mir  nun  erlauben,  folgende  Bemerkungen  als  Versuch 
einer  Erklärung  zu  machen. 

Ich  nehme  an,  dass  mit  dem  Abschluss  der  Bildung  der  inneren 
Kapselwand  und  des  Schlauches  eine  chemische  Veränderung  im 
Plasma  der  Nesselzelle  vor  sich  geht. 

Es  wird  der  „hellen  Masse"  (d.h. jener,  die  die  innere  Kapsel 
umgiebt,  also  den  früher  besprochenen  hellen  Hof  bildet)  Wasser 
entzogen  und  die  Folge  davon  ist,  dass  diese  sich  verdichtet.  Das 
Wasser,  welches  auf  diese  Weise  der  äusseren  Kapselwand  entzogen 
wurde,  wird  nun  aus  dem  Inhalte  der  inneren  Kapsel  ersetzt.  Durch 
diesen  Wasserverlust  im  Innern  der  Kapsel  muss  der  Druck  auf  das 
Aeussere  der  Kapsel  zunehmen.  Die  Kapsel,  nunmehr  aus  doppelter 
Hülle  bestehend,  wird  so  fest,  dass  sie  dem  Drucke  von  aussen 
gar  nicht  oder  sehr  wenig  nachgiebt,  wie  man  auch  aus  ihrer  Form 
erschliessen  kann 2).  Der  Schlauch  dagegen  stellt  eine  dünnere  nach- 
giebigere Stelle  dar  und  zwar  ist  die  Spitze  des  Schlauches  am 
dünnsten.  An  dieser  Stelle  wird  nun  dem  Drucke  nachgegeben,  und 
eine  rasche  Einstülpung  vom  Ende  des  Schlauches  aus  ist  davon 
die  natürliche  Folge.  Von  der  Spitze  an  wird  der  Schlauch  durch 
den  „negativen  Druck"  förmlich  eingesogen  (Fig.  14b,  20). 

Diese  Einstülpung  (Einkrempelung)  erfolgt  sehr  rasch  bis  an  die 
Widerhaken,  wo  solche  vorhanden.  Durch  die  Einkrempelung  ver- 
anlasst, legen  diese  ihre  Spitzen  nach  oben  zusammen  (Fig.  14b) 
und  senken  sich  so  herunter  in  die  Röhre.  Da  die  Uebergangsstelle 
des  Zwischenstückes  in  den  Basalabschnitt  gewöhnhch  am  dünnsten 
ist,  so  krempelt  sich  der  Basalteil  des  Schlauches  so  ein,  dass  die 
zusammengelegten  Widerhaken  mit  der  Spitze  nach  aussen  in  sein 
Inneres  eingezogen  werden.  Man  kann  sich  diesen  Vorgang  dadurch 
veranschaulichen,  dass  man  sich  eine  feine  Dolchspitze  auf  der 
Fingerspitze  eines  Handschuhes  befestigt  denkt.  Krempelt  man  nun 
den  Finger  des  Handschuhes  ein,  so  kommt  die  Dolchspitze  in  das 

1)  cf.  Litt  21  u.  28. 

')  Nur  Kapseln  mit  bereits  eingestülptem  Faden  wurden  zuweilen  mit  zu- 
sammengefallener und  gerunzelter  Wand  gefunden. 


und  Eutwickeluüg  der  Nesselorgane  der  Hydroiden.  243 

Innere  des  eingekrempelten  Fingers  zu  liegen,  der  eingekrempelte 
Finger  selbst  liegt  aber  im  Innern  (der  Hand)  des  Handschuhes, 
welches  dann  etwa  der  Kapsel  entsprechen  würde. 

Wenn  die  Widerhaken  bis  gegen  die  Basis  der  Kapsel  hinunter 
reichen,  dann  folgt  aus  der  anatomischen  Sachlage,  dass  normaler 
Weise  blos  ein  kurzer  Abschnitt  der  dünnen  Röhre  in  dem  Hohl- 
raum unter  den  zusammengelegten  Widerhaken  liegt  (Fig.  1,  2) 
Von  der  Spitze  dieses  kurzen  Abschnittes  geht  der  dünne  Schlauch- 
abschnitt nach  der  Basis  der  Kapsel  zurück,  um  von  da  aus  in 
vielen  Windungen  sich  aufzurollen.  Da  der  Schlauch  sich  in  einer 
spiraligen  Lage  entwickelte,  eine  derartige  Anordnung  im  Kapsel- 
raum aber  auch  für  das  spätere  Hervorschnellen  von  Nutzen  ist, 
wird  man  sich  die  spiralige  Anlage  im  Innern  der  Kapsel  leicht  er- 
klären können. 

Bei  der  Ausstülpung  würde  dieser  ganze  Vorgang  sich  dann 
gerade  in  umgekehrter  Reihenfolge  abwickeln.  In  der  That  hatte 
ich  bei  einer  durch  Druck  sich  langsam  entladenden  Kapsel  Gelegen- 
heit das  letztere  zu  beobachten  (Fig.  2,  5). 

Als  für  alle  Fälle  geltend  ist  noch  hinzufügen,  dass  der  ein- 
stülpende Druck  von  aussen  das  sich  einkrempelnde  Lumen  des 
Schlauches  stets  mit  der  umgebenden  Masse  gefüllt  erhält. 

Um   die  Hauptzüge   der  Einstülpung  sich    zu    veranschaulichen, 
denke  man  sich  etwa  folgenden  Apparat. 

Eine  ziemlich  resistente  Kapsel  aus  einem  Material,  das  hohe 
osmotische  Fähigkeit  besitzt,  trägt  an  dem  Halse  eine  dünne  Röhre 
(Schlauch),  deren  Wand  allmählich  nach  der  Spitze  zu  dünner  wird 
und  sich  verjüngt.  Das  Ganze  aber  ist  mit  Wasser  gefüllt. 
Kapsel  und  Röhre  werden  nun  in  einer  starken  Eiweisslösung  oder 
sonst  einer  osmotischen  Druck  produzirenden  Flüssigkeit  unterge- 
taucht. Sobald  die  Exosmose  vor  sich  geht,  wird  der  äussere  Druck 
auf  die  Kapsel  und  den  Schlauch  gesteigert,  und  da  die  Kapselwand 
nicht  nachgeben  kann,  so  wird  die  sehr  zarte  Röhre,  von  ihrer 
dünnsten  Stelle  aus  anfangend,  eingestülpt  werden.  Da  der  Druck 
blos  mittelst  der  umgebenden  Flüssigkeit  wirken  kann,  so  wird  selbst- 
verständlich das  sich  einstülpende  Lumen  der  Röhre  von  der  um- 
gebenden Flüssigkeit  erfüllt  sein.  Gerade  dieser  letztere  Umstand, 
der  seit  Möbius'  Arbeit  nicht  wieder  hervorgehoben  worden  ist, 
scheint  mir  sehr  wichtig.  Während  nun  aber  Möbius  diese  Flüssig- 
keit blos  zur  Erhöhung  der  Adhäsion  des  ausgestülpten  Schlauches 
verwendet  haben  will,  glaube  ich,  dass  diese  Flüssigkeit  das  giftig 
wirkende  Sekret  ist,  während  der  Kapselinhalt  nur  dazu  bestimmt 
ist,  hydrostatisch  zu  wirken  (cf.  anatomischer  Teil). 

Bis  nach  der  Einstülpung  hegt  nun  die  Kapsel  mit  dem  Ein- 
stülpungs-  oder  Entladungspol  dem  Kern  der  grösseren  Protoplasma- 
masse der  Zelle  zugewendet,  im  entladungsfähigen  Zustande  aber 
ist  der  Entladungspol  von  dem  Kern  abgewendet  (Fig.  5B.  20). 

16* 


244  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

Dieser  dickere  Teil  des  Plasmabelags  mit  Kern  wird  zum  Basal- 
teil der  Nesselzelle  und  ist  gewöhnlich  der  Stützlamelle  zugewendet 
(Fig.  5e  u.  14). 

Folglich  muss  die  Kapsel  nach  ihrer  Ausbildung  eine  Rotation 
von  180  Grad  durchmachen,  um  in  die  richtige  Stellung  zu  kommen. 
In  manchen  Fällen  ist  aber  der  Kern  schon  an  der  Seite  der  Kapsel, 
dann  genügt  eine  Drehung  von  90  Grad.  Nur  bei  Hydra  hat  Nuss- 
baum  diese  Umdrehung  beobachtet;  ich  konnte  sie  nicht  nur  hier, 
sondern  auch  bei  Physalia  feststellen. 

Was  ist  nun  der  Zweck  und  die  Bedeutung  einer  solchen 
Drehung?  Das  Natürlichste  ist  wohl,  dass  die  Kapsel  sich  auf  diese 
Weise  in  die  richtige  Lage  für  die  Entladung  setzt.  Denn  der 
Schlauch  konnte  ja  nicht  gut  durch  den  dicken  Teil  des  Plasma- 
belages, wo  der  Kern  sitzt,  entladen  werden.  Ob  dann  auch  der 
Kern  aufs  Neue  an  eine  Stelle  tritt,  wo  seine  Thätigkeit  verlangt 
wird,  und  ob  dieser  Vorgang  mit  der  Bildung  der  später  zu  be- 
sprechenden Fortsätze  (Stiele)  in  Beziehung  steht,  kann  erst  nach 
weiteren  Beobachtungen  festgestellt  werden,  zu  denen  ich  später 
Gelegenheit  zu  finden  hoffe. 

Ueber  die  Entwickelung  der  Muskelstiele  ist  wenig  zu  sagen. 
An  den  soeben  zur  Ausbildung  gelangten  Nesselapparaten  kann 
man  noch  nicht  von  einem  Ausläufer  oder  Stiel  sprechen;  man  er- 
kennt hier  nur  eine  massenhafte  Anhäufung  von  Plasma,  die  den 
Kern  birgt.  Der  übrige  Teil  des  Kapselbehälters  ist  gewöhnlich  auf 
eine  dünnere  Membran  reduziert,  die  später  bei  der  Entladung  des 
Schlauches  durchbohrt  ist  (Fig.  5  D). 

Meine  Untersuchungen  über  die  Entwickelung  der  Stiele  sind  im 
Ganzen  ebenso  resultatlos  verlaufen,  wie  seiner  Zeit  die  Untersuchungen 
Jickeli's.  Einen  kleinen  Plasmafortsatz  (Fig.  21),  der  in  der  Richtung 
des  späteren  Stieles  hinzieht,  kann  man  als  erste  Andeutung  desselben 
ansehen.  Bei  VeleUa  (Fig.  22  a)  habe  ich  auch  weiter  vorgerückte 
Stadien  gefunden,  in  denen  der  Fortsatz  eine  bedeutendere  Länge  er- 
reicht hatte  und  unzweifelhaft  schon  den  späteren  Stiel  repräsentierte, 
auch  manchmal  ein  stark  tingirbares  Granulum  in  sich  einschloss. 
Stadien,  wie  ich  sie  in  Fig.  22b,  e  abgebildet  habe,  würden  dann 
direkt  auf  die  ausgebildeten  Stiele  führen. 

Von  diesen  halte  ich  e  für  das  jüngere  Stadium,  weil  dort  noch 
kein  Cnidocil  vorhanden  ist,  und  b  für  das  ältere;  auch  hier  sieht 
man  an  dem  unteren  Ende  die  hellglänzende  Masse.  Es  ist  möglich, 
dass  das  stark  sich  fingierende  Körperchen  Beziehung  zu  den  An- 
schwellungen hat,  die  man  im  Basalteil  der  Stiele  von  Velella  vorfindet. 

Noch  eine  Beobachtung  will  ich  hier  erwähnen,  die,  obgleich 
ich  sie  nicht  verwerten  kann,  von  Interesse  sein  dürfte.  Es  ist  dies 
eine  sich  entwickelnde  Nesselkapsel  mit  Schlauch  (bei  Velella)  in 
einer  Nesselzelle,  deren  Stiel  schon  die  langgestreckte  schlanke 
Form  und  die  derbe  Beschaffenheit  des  spätem  Apparates  besitzt 
(Fig.  27.).  Anfangs  glaubte  ich  einen  Fall  vor  mir  zu  haben,  wo 
nach  Verlust  der  ersten  Nesselkapsel  eine  zweite   sich  bildete.     In 


und  Eutwickelung  der  Nesselorgaue  der  Hydroideii.  245 

Ermangelung  weiterer  Beobaclitungen  muss  ich  es  aber  dahingestellt 
sein  lassen,  ob  diese  Annahme  die  richtige  war. 

Nachdem  wir  hiermit  die  Entwickelung  der  Nesselorgaue  bis 
zimi  Abschluss  geschildert  haben,  bleibt  noch  übrig,  die  Frage  zu 
erörtern,  auf  welche  Weise  diese  Organe  von  dem  Entwickelungs- 
ort  an  die  Stätte  ihres  Verbrauches  gelangen,  an  einen  Ort,  der  in 
vielen  Fällen  eine  nicht  unbeträchtliche  Strecke  von  ersterem  ent- 
fernt ist.  Die  Frage  ist  zwar  schon  viel  angeregt  worden,  aber  eine 
befriedigende  Beantwortung  hat  sie  bis  dahin  nicht  gefunden.  Zwei 
Antworten  liegen  auf  der  Hand.  Entweder  werden  die  Nesselorgane 
auf  natürliche  Weise  durch  das  Wachstum  der  Gewebe  vorgeschoben, 
oder  sie  werden  durch  ein  aktives  Wandern  an  ihre  Verbrauchsstätte 
befördert. 

Bei  den  Polypen  findet  im  allgemeinen  ein  grösserer  Verbrauch 
von  Nesselorganen  auf  den  Tentakeln  statt  als  irgendwo  anders. 
Nun  bilden  sich  diese  Organe  aber  nicht  etwa  auf  letzteren,  sondern 
im  Ectoderm  des  Körpers,  vorzüghch  in  der  Nähe  der  Tentakelzone, 
wo  ansehnliche  Massen  von  Nesselbildungszellen  liegen  und  förm- 
liche Vorrathskammem  darstellen.  Da  es  mir  zunächst  sehr  unwahr- 
scheinlich schien,  dass  so  hoch  differenzierte  Zellen,  wie  die  Nessel- 
organe es  sind,  aktive  Wanderungen  durchmachen  könnten,  suchte 
ich  nach  Merkmalen  eines  Vorschubs  durch  Wachstum  der  Gewebe, 
wie  es  ja  auch  schon  die  älteren  Autoren^)  bei  den  Fangfäden  der 
Siphonophoren  beobachtet  hatten.  Allein  ich  konnte  bei  Hydra 
dafür  keine  Stütze  finden. 

Hie  und  da  bemerkte  ich  aber  in  den  Tentakeln  bei  Hydra 
Nesselorgane  parallel  zur  Oberfläche,  und  dieses  schien  auf  eine  active 
Wanderung  hinzudeuten.  Später  fand  ich  auch  in  der  früheren 
Litteratur  Zeichnungen,  die  bei  nahe  verwandten  Formen  ganz 
deutlich  das  gleiche  Verhalten  zeigten.  So  kann  man  u.  a.  in  den 
sehr  sorgfältig  ausgeführten  Zeichnungen  Schulz e's  (40)  die  Richtung 
der  Nesselzellenwanderung  beobachten,  wenngleich  im  Texte  selbst 
darüber  Nichts  bemerkt  ist.  Auch  in  den  Zeichnungen  der  Gebrüder 
Hertwig  (24)  Taf.  V.  sieht  man  Nesselzellen,  die  auf  der  Wanderung 
vom  Nesselwulst  auf  die  Tentakel  begriffen  sind  (Fig.  26  bei  Carma- 
rina  hastata). 

Eine  weitere  auffallende  Beobachtung  benahm  mir  den  letzten 
dweffel  an  einer  Wanderung  dieser  Organe;  sie  brachte  mich  über 
Ziese  Erscheinung  völlig  in's  Klare. 

Bei  Velella^)  fand  ich  nämlich  nicht  blos  ein  grosses  Nessel- 
lager unter  der  sogenannten  Leber,  sondern  auch  überall  zwischen 
deren  röhrigen  Fortsetzungen  Nesselorgane  in  den  verschiedensten 
Entwickelungszuständen.  In  der  Velellascheibe  haben  wir,  von  unten 
nach  oben  gedacht,  zuerst  Ectoderm  (Ec),  dann  eine  dicke  faserige 


1)  cf.  Litt.  31  u.  38. 

2)  Fig.  26,  Taf.  II. 


246  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

Stützlamelle  m,  eine  Lage  Entoderm  und  endlicli  das  oben  erwähnte 
mächtige  Nessellager  (n.  p.). 

Wie  eine  solche  Masse  von  Nesselorganen  zur  Verwertung  ge- 
langen sollte,  da  sie,  ganz  abgesehen  von  Ectoderm  und  Entoderm, 
durch  eine  dicke  Stützlamelle  begrenzt  war,  schien  so  lange  un- 
begreiflich, bis  meine  Aufmerksamkeit  auf  letztere  selbst  (Fig.  23.  24m) 
gerichtet  wurde.  Jetzt  aber  fand  ich  in  derselben  hie  und  da 
kanalartige  Lücken  (Fig.  26 e),  die  alsbald  näheren  Aufschluss  gaben. 

Auf  Serienschnitten  konnte  ich  nun  nachweisen,  dass  diese 
Kanäle  schräg  durch  die  Stützlamelle  hindurch  aus  der  Tiefe  bis  in 
das  Ectoderm  der  unteren  Fläche  der  Velellascheibe  führten.  Ge- 
legentlich traf  ich  dabei  den  schrägen  Kanal  in  seiner  ganzen  Länge 
(Fig.  23  u.  24  e),  und  da  stiess  ich  nun  auf  die  überzeugendsten 
Zeichen  einer  Wanderung ;  denn  der  Kanal  enthielt  mehrfach  Nessel- 
organe (Fig.  23,  24),  die  auf  dem  Wege  von  dem  Magazin  nach 
dem  Ectoderm  waren.  ^)  Ich  konnte  sogar  noch  mehr  beobachten, 
denn  die  betreffenden  Gebilde  waren  nicht  etwa  regellos  angeordnet, 
sondern  immer  mit  dem  Basalteil  (Plasma  und  Kern)  in  der 
Richtung  ihrer  Wanderung  gestellt  (Fig.23,24).  Auf  all  den  vielen 
Schnitten,  die  ich  untersuchte,  konnte  ich  immer  die  Einhaltung  dieser 
Lage  feststellen.  Da  aber  Nesselorgane  im  Ectoderm  der  unteren 
Seite  der  Velellascheibe  im  allgemeinen  nicht  sehr  häufig  vorkommen, 
konnte  ich  hoffen,  in  der  Nähe  der  Verbrauchsstätten  (der  Geschlechts- 
polypen u.  Tentakeln)  dieselben  noch  häufiger  anzutreffen.  Und 
auch  dieses  bestätigte  sich  vollständig.  An  der  Basis  der  Polypen 
waren  sowohl  die  Kanäle  häufiger,  als  anderswo  (Fig.  25,  26),  wie 
auch  die  Nesselorgane  in  grosser  Menge  vorhanden.  Sogar  in  den 
Lücken  konnte  ich  sie  schaarenweise  (Fig.  25  e.  no)  auffinden, 
im  Begriff  an  den  Polypen  herabzusteigen.  Die  Zellkörper  selbst 
scheinen  sie  dabei  nicht  zu  durchsetzen,  wohl  aber  zwischen  den  Ecto- 
dermzellen  dahin  zu  kriechen.  Ihre  Bewegung  w^ird  wahrscheinlich 
durch  Kontraktionen  in  den  nächstliegenden  Zellen  befördert.  Wo 
die  Durchbruchstelle  in  geringer  Entfernung  von  dem  Polypen  ist,  da 
sieht  man  die  Nesselorgane  longitudinal  unter  dem  Ectoderm  hin- 
ziehen. Beiläufig  mag  dabei  übrigens  erwähnt  sein,  dass  diese 
Nesselorgane  oft  das  Cnidocil  schon  aufweisen,  bevor  sie  an  die 
Oberfläche  gekommen  sind  (Fig.  23.  no.). 

Bei  den  nesselbandtragenden  Siphonophoren  sind  die  Ver- 
hältnisse insofern  andere,  als  die  Kapseln  sich  in  dem  Nesselband 
entwickeln  und  nach  Abschluss  der  Entwickelung  des  Nesselknopfes 
unmöglich  von  anderer  Stelle  einwandern  können. 

Hier  hätten  wir  also  doch  einen  Fall,  wo  für  die  verbrauchten 
Nesselkapseln  durch  einen  Nachschub  Ersatz  geleistet  wird,  welcher 


^)  Erst  nachdem  meine  Beobachtungen  soweit  gediehen  waren,  kam  mir 
Bedot's  (3)  Schrift  zu  Gesicht,  und  hier  fand  ich,  dass  diese  Beobachtung 
schon  vor  mir  gemacht  war.  Bedot  giebt  jedoch  nicht  an,  wie  die  Nessel- 
organe nach  dem  Ectoderm  bewegt  werden. 


und  Entwickeluiig  der  Nesselorgaiie  der  Hydroiden.  247 

auf  dem  natürlichen  Wachstum  der  Gewebe  beruht.  Allerdings  finden 
sich  zahlreiche  Entwickelungsstadien  aller  Art  auch  auf  dem  Basal- 
abschnitt  des  Polypen,  aber  die  Fangfäden  oder  Tentakeln  sind  ja 
nichts  als  Ausstülpungen  dieses  Basalteils  der  Polypen. 

Bei  den  Hydroiden  darf  man  wohl  mit  Recht  annehmen, 
dass  die  Nesselorgane  sich  in  mehr  proximal  gelegenen 
Regionen  des  Körpers  bilden,  aber  durch  aktive  Wanderung 
oder  auch  durch  Vorschub  infolge  Wachstums  nach  mehr 
distalen  Teilen  des  Körpers  gebracht  werden,  um  dort  ihre 
Funktion  zu  erfüllen  und  dabei  verbraucht  zu  werden. 

Dass  ziemlich  einfache  Zellen  —  Eier  —  der  Hydroiden  im  Ecto- 
derm  und  im  Entoderm  hin  und  her  wandern,  ja  sogar  durch  die 
Stützlamelle  hindurchpassieren,  ist  zwar  längst  durch  andere  Arbeiten ') 
bekannt,  bei  so  hoch  differencierten  Zellen  aber,  wie  unsere  Nessel- 
organe es  sind,  spricht  eine  derartige  Wanderung  für  eine  Selb- 
ständigkeit, die  ein  hohes  Interesse  beanspruchen  dürfte. 

Um  meine  Befunde  zum  Schluss  noch  einmal  kurz  zusammen  zu 
fassen,  so  besteht  die  Nesselkapsel  zunächst  aus  einem  sehr  zarten 
Bläschen,  das  von  einer  sehr  festen  äusseren  Wand  umschlossen 
ist.  Während  das  Bläschen  von  dem  Kern  aus  seinen  Ursprung 
nimmt,  rührt  die  äussere  Wand  von  der  Masse  her,  die  während 
der  Entwickelung  des  Bläschens  um  dasselbe  herum  ausgeschieden 
wurde. 

Der  Schlauch  büdet  sich  als  Fortsetzung  des  Bläschens  aus 
dem  Protoplasma  der  Zelle  um  den  Kern  herum.  Diese  Entstehungs- 
weise bedingt  seine  spiralige  Aufrollung  in  der  Kapsel. 

Die  Wasserentziehung  aus  der  das  Bläschen  umgebenden  Masse 
erzeugt  osmotischen  Druck  nach  dem  Innern  des  Bläschens  und  ist 
als  die  Ursache  der  Einstülpung  des  Schlauches  anzusehen. 

Die  wichtigsten  Teile  des  Nesselapparates  der  Hydro- 
iden, Bläschen  und  Schlauch,  sind  Gebilde,  die  durch 
Wachstum  in  der  Zelle  entstanden,  und  nicht  etwa  Aus- 
scheidungsprodukte derselben. 


Nachtrag. 

Während  eines  kurzen  Aufenthaltes  an  der  Zoologischen  Station 
zu  Neapel  benutzte  ich  einen  Teil  meiner  Zeit,  die  im  vorigen  Jahre 
an  konserviertem  Materiale  gewonnenen  Resultate  an  lebenden 
Objekten  zu  kontrolieren. 

Als  Tinctionsmittel  wurde  Methylenblau  mit  gutem  Erfolg 
benutzt. 


^)  Weismann,  Die  Entstehung  der  Sexualzellen  bei  Hydromedusen. 


248  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

An  Siphonoplioren  und  Medusen  (Carmarina)  liess  sich  die  oben 
geschilderte  Entwickelung  der  Nesselorgane  vollständig  bestätigen. 

Da  ich  früher  keine  Gelegenheit  hatte,  Actinien  zu  berück- 
sichtigen, so  nahm  ich  zuerst  diese  vor.  —  An  Gewebeteilen,  die 
dem  äusseren  Rande  des  Körpers  unterhalb  der  Tentakel  einer 
Anemone  sulcata  entnommen  wurden,  konnte  ich  Nesselorgane, 
in  verschiedenen  Entwickelungsstadien  begriffen,  auffinden.  Die 
frühesten  Stadien,  die  bei  dieser  vorläufigen  Beobachtung  festgestellt 
werden  konnten,  betrafen  junge  Kapseln,  die  hufeisenförmig  zu- 
sammengekrümmt in  der  Nesselzelle  lagen  und  den  Kern  gewöhnlich 
im  Bogen  einschlössen. 

In  älteren  Stadien  war  die  Kapsel  mehr  gestreckt  und  man 
konnte  den  Schlauch  als  Fortsetzung  der  Kapsel,  um  den  Kern 
herum  1)  in  vielen  Windungen  verfolgen.  Die  Windungen  sind 
locker  und  liegen  nicht  in  einer  Ebene. 

Es  scheint  somit  auch  hier  derselbe  Entwickelungsgang 
der  Nesselorgane,  wie  solcher  für  die  Hydroiden  be- 
schrieben wurde,  stattzufinden. 

Betreffs  der  Wanderung  der  Nesselorgane  wurden  (bis  jetzt) 
an  lebendem  Material  drei  Beobachtungen  gemacht.  Bei  der  ersten 
wurde  ein  Hydranth  von  Pennaria  Cavohnii  unter  dem  Deckglas  durch 
Klopfen  so  weit  zertrümmert,  dass  die  Zellen  ziemlich  isoliert  waren. 
Sehr  viele  von  den  Nesselzellen  waren  verletzt.  In  einer,  die  noch 
intakt  schien,  konnte  ich  Formveränderungen  des  Plasma  feststellen. 
Sie  waren  träge  und  nicht  umfangreich.  Vorwärtsbewegung  konnte 
nicht  beobachtet  werden.  Eine  Täuschung  durch  passive  Lagen- 
veränderung war  durch  gleichzeitige  Beobachtung  eines  fixen  Punktes 
(der  Widerhaken)  in  der  Nesselkapsel  ausgeschlossen. 

Die  zweiten  und  dritten  Beobachtungen  geschahen  ebenfalls  an 
Pennaria  C.  Die  eine  gab  ein  kleines,  jedoch  sicheres  Resultat  (Vergl. 
Holzschnitt).  Ein  Nesselorgan,  das  lokale  Wanderungen  zu  machen 
schien,  wurde  während  26  Minuten  beobachtet  und  zu  Intervallen  von 
4 — 9  Minuten  mit  der  Camera  lucida  skizziert,  wobei  die  gleichfalls  ge- 
zeichneten Kuppen  der  EctodermzeUen  als  Anhaltspunkte  dienen.  Es 
ergab  sich  dabei,  dass  die  Nesselzelle  unter  fortwährenden  Form- 
veränderungen anderthalb  Zellen,  eine  Strecke,  die  ungefähr  ihrem 
Längsdurchmesser  gleichkam,  durchsetzte.  Die  Bewegung  war  mit  dem 
Basalteil  der  Zelle  voran  auf  einen  Tentakel  hin  gerichtet.  Bei  einer 
Skizze  (b)  konnte  ich  die  Umrisse  der  ZeUe  nicht  deutlich  genug 
sehen,  sie  zu  zeichnen.  In  zwei  anderen  (a  u.  f)  war  der  Kern 
nicht  sichtbar. 

An  einem  anderen  Tage  wurden  verschiedene  Nesselzellen,  die 
parallel  zur  Oberfläche  lagen,  an  einem  frisch  abgeschnittenen 
Hydranthen  beobachtet.  Einige  schienen  sich  gar  nicht  zu  bewegen, 
während  andere  dies  sehr  langsam  thaten.  Eine,  deren  Bewegung 
sofort  in's  Auge  fiel,    wurde  längere  Zeit  verfolgt  (ihre  Lage  war 


1)  Aber  nicht  um  die  Kapsel  wie  Schneider  (vide  lit.)  meint. 


uiui  Entwickeluug  der  Nesselorgaue  der  Hydroiden. 


249 


ungünstig  zum  Zeiclmen).  Sie  lag  parallel  zur  Oberfläche  und  in 
einer  Entfernung,  die  ihren  Längsdurchmesser  ungefähr  drei  Mal 
übertraf,  hinter  einem  geknöpften  Tentakel,  der  direkt  unter  dem  Rüssel 
stand.     Die  Bewegung  geschah  in  der  Richtung  des  Tentakels,   die 


9  min. 


7  min. 


Widerhaken  waren  dabei  nach  hinten  gerichtet.  In  ca.  15  Minuten 
hatte  sie  die  Tentakelbasis  erreicht  —  und  dabei  sich  2  Mal  beinahe 
aufrecht  gestellt.  Der  Hydranth  selbst  war  inzwischen  nahezu  ab- 
gestorben.    Nach  einer  langsamen  Umdrehung  (180*')  ging  die  Zelle 


250  Lewis  Miirbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

in  beinahe  entgegengesetzter  Richtung  durch  eine  Strecke,  die  un- 
gefähr 1 V2  Mal  die  ihres  Längsdurchmessers  war,  und  stockte  dann 
völlig.  Die  Bewegung  von  der  Basis  des  Tentakels  bis  dahin  nahm 
wiederum  15  Minuten  in  Anspruch. 

Es    sind    das   Thatsachen,    die    meine    früheren  Schlüsse  voll- 
kommen zu  bestätigen  geeignet  sein  dürften. 

Napoli,  den  31.  Mai  1894. 


Litteratur-  Verzeichnis. 

1.  Agassiz,  L.     Contributions   to  the  Natural  History  of  the  U. 

S.  A.  Vol.  III.  1860. 

2.  AUman,  Geo.    A  Monograph  of  Gymnoblastic  Hydroids.    1871. 

3.  Bedot,  M.    Recherches  sur  l'organ  central  et  le  Systeme  vas- 

culair  des  Velelles.     Recueil   zool.   suisse.     Tom.  I.     1884. 

4.  —  Recherches  sur  les  cellules  urticantes.    Ibid.    Tom.  4.  1888. 

5.  Bütschli,  0.     Beiträge  zur  Kenntnis  der  Fischpsorospermien. 

Zschr.  f.  Wiss.  Zool.  Bd.  35.  1881. 

6.  Chorda,    Nova  Acta  Physico-Medica.     T.  XVIII.  1839    (nach 

Erdl). 

7.  Chun,  Carl.     Die  Greifzellen  der  Rippenquallen.     Zool.  Anz.  I" 

1878. 

8.  —  Die  Natur-  und  Wirkungsweise  der   Nesselzellen   bei  Coe- 

lenteraten,  Zool.  Anz.  4.  1881. 

9.  —  Die    mikroskopischen    Waffen    der    Coelenteraten.      Zschr. 

Humboldt.  Bd.  I. 

10.  —  Die  Canarischen  Siphonophoren 

1.    Stephanophyes    superba,     in    Abhdlg.    der    Senkenber- 
gischen  Nat.  Ges.  1891. 

11.  —   2.    Monophyiden,  ebenda  1893. 

12.  Claus,    C.      Physophora    hydrostatica.      Zschr.   f.   wiss.  Zool. 

Bd.  10.    1860. 

13.  —  Haiistemma    tergestinum.      Arb.  a.  d.  Zool.  Inst,   zu    Wien. 

1878. 

14.  Davenport.     On  the  development  of  Cerata  in  Aeolis.      Bull. 

of  the  Mus.  of  Comp.  Zool.  Harvard  Coli.  Cambridge.   Vol.  24. 
No.  6.    1893. 

15.  Ehrenberg.     Abh.  der  Berliner   Akademie  aus  d.  Jahre  1835 

bis  36  (nach  v.  Siebold). 


und  Entwickeluiig  der  Nesselorgane  der  Hydroiden.  251 

16.  Eimer,    Th.      Nesselzellen    und    Samen    bei    Seeschwämmen. 

Archiv  für  Mikr.  Anat.  Bd.  8.  1892. 

17.  Erdl,    P.      Ueber    Organisation    der    Fangarme    der    Polypen. 

Muellers  Arch.  1841. 

18.  Gegenbaur,  C.    Beiträge  zur  näheren  Kenntnis  der  Siphono- 

phoren.     Zschr.  f.  w.'^Zool.  Bd.  5.  1854. 

19.  Gosse,  British  Sea  Anemones  (nach  Möbius). 

20.  Greef ,  Rieh.    Protohydra  Leuckartii.    Zschr.  f.  Zool.   Bd.  XX. 

1870. 

21.  Haberlandt.     Ueber  Beziehungen  zwischen  Lage  und  P\inktion 

des  Zellkernes  bei  den  Pflanzen.    1887. 

22.  Haeckel,  E.     Report  Challenger,  Siphonophora.    1888. 

23.  Hamann ,   0.     Der  Organismus  der  Hydroid- Polypen  I.     Jen. 

Zschr.  f.  Nat.  Bd.  XV.  N.  F.  VIII.  1882  und  IL  ebenda. 

24.  Hertwig,  0.  u.  R.     Das   Nervensystem  und  die  Sinnesorgane 

der  Medusen.    1878. 

25.  Jickeli,  C.    Ueber  den  histol.  Bau  von  Eudendrium  racemosum 

und  Hydra.     Morph.  Jahrb.  Bd.  8.  1882. 

26.  —  II.    Bau  der  Hydroid-Polypen. 

27.  Korotneff ,  A.    Zur  Histologie  der  Siphonophora.    Mitteil.  a.  d. 

Zool.  Stat.  Neapel  Bd.  9.   1886. 

28.  Korscheit,  E.    Beiträge  zur  Morph,  u.  Physiol.  des  Zellkernes. 

Zool.  Jahrb.  Bd.  4.  1889. 

29.  Kleinenberg,    U.      Hydra,    eine    anatomisch  -  entwickelungs- 

geschichtliche  Untersuchung.    1872. 

30.  Lendenfeld,    R.   v.     Ueber    Wehrpolypen    und    Nesselzellen. 

Zsch.  f.  Zool.  Bd.  38. 

31.  Leuckart,   R.     Zool.  Untersuchungen  I.      Die   Siphonophoren. 

1853. 

32.  Leydig,  F.    Bemerkungen  über  den  Bau  der  Hydra.    Mueller's 

Archiv.    1854. 

33.  Möbius,  C.    Ueber  den  Bau,  Mechanismus  und  die  Entwicklung 

der  Nesselkapseln.     Abh.  d.  naturwiss.  Vereins  zu  Hamburg. 
1866. 

34.  Nussbaum,    M.     Ueber    die    Teilbarkeit    d.  leb.  Materie.     H. 

Archiv  f.  microsp.  Anat.  Bd.  27.  1887. 

35.  Pagenstecher,  A.    Zur  näheren  Kenntnis  der  Vellelliden-Form 

Rataria.     Zschr.  f.  w.  Zool.  Bd.  XII.  1862. 

36    von  Rath,  0.     Ueber   die   Bedeutung  der    amitotischen  Kern- 
teilung im  Hoden.     Zool.  Anz.  Bd.  14.  1891. 


252  Lewis  Murbach:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Anatomie 

37.  Schneider,  C.  K.    Histologie  von  Hydra  fiisca  mit  besonderer 

Rücksicht  auf  das  Nervensystem  der  Hydroidpolypen.    Archiv 
f.Mic.Anat.  Bd.  35.  1890. 

38.  —  Einige  histologische  Befunde  an  Coelenteraten.     Jen.  Zschr. 

f.  Nat.  Bd.  27.  N.  F.  20.  1892. 

39.  Schulze,   F.  E.     lieber  den  Bau    und  die  Entwickelung  von 

Cordylophora  lacustris.    1871. 

40.  —  Ueber  den  Bau  und  die  Entwickelung  von  Syncoryne  Sarsii. 

1873. 

41.  —  Spongicola  fistularis.    Archiv  f.  Mic.  u.  Anat.  Bd.  XHI.  1877. 

42.  Trembley,  A.    Memoire  pour  servir  a  l'histoire  d'un  genre  de 

polypes  d'eau  douce.    1744. 

43.  Ziegler,  H.  E.     Die  biologische  Bedeutung  der  amitot.  Kern- 

teilung im  Tierreich.     Biol.  Centralblatt.  Bd.  H.  1891. 

44.  Zoja,  Raff.     Alcune  ricerche  morfologiche  e  fisiologiche  suU' 

Hydra.     BoUet.  Scientif.  Anno  XII.  1890. 

45.  —  Amitosis  or  Direct  Nuclear  Division.     Jour.  Roy.  Micr.  Soc. 

Pt.    1.  Febr.  1892. 

(Benutzte    Lehrbücher     und     allgemeine     Werke     über 
Cnidarier  sind  nicht  besonders  verzeichnet.) 


und  Entwickelung  der  Nesselorgane  der  Hydroideu. 


253 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Allgemeine  Bezeichnungen. 


Cn  =  Cuidocil. 

Co  =  Zwischenstück  des  Schlauches. 

Dk  =  Deckel. 

Ec  =  Ectoderm. 

En  =  Entoderm. 

H  =  Hof  (heller)  um  den  Kapselkeim 

K  =  Kapsel. 

Kk  =  Kapselkeim. 

m  =  Stützlamelle. 


n  =  Nucleus. 

No  =  Nesselorgan. 

P  =  Centralpolyp. 

p  =  Geschlechtspolyp. 

S  =  Schlauch. 

Sp  =  Spiralmuskel  d.  Nesselkapselstiele. 

St  =  Stiele  der  Nesselorgane. 

W  =  Widerhaken. 

w  =  kleine  Widerhaken. 


Fig.  1.  Physophora  hydrostastica.  A.  Nesselkapsel.  B.  Nesselorgan  aus 
der  Tasterspitze,    -^^o/i-    C.  Querschnitt  von  B. 

Fig.  2.  Eine  ehen  durch  Druck  auf  das  Deckglas  entladene  Nesselkapsel  aus 
dem  Nesselband.  Dk  =;  der  aufgesprungene  Deckel,  welcher  noch  an 
der  Kapsel  hängt. 

Fig.  3.  Velella  spirans.  A  u.  B  =  zwei  Formender  grossen  Nesselkapsel- 
stiele mit  Spirale  (Sp)  versehen.  C  u.  D  =  Seiten-  und  Queransicht 
derselben  (kleineren)  Kapsel. 

Fig.    4.     a  :=  eine  grössere,  b  =  eine  kleinere  Kapsel   im  Ausstülpen  begriffen. 

Fig.  5.  Physalia  utriculus.  A.  Kleines  Nesselorgan  mit  durch  Reagentien 
etwas  ausgedehnter  Spirale  (Sp)  sowie  teilweise  abgehobenem  Plasma- 
behälter. B.  grosses  Nesselorgan,  noch  in  der  Entwickelung  begriffen. 
Faden  nicht  vollkommen  eingestülpt  und  die  Kapsel  noch  nicht 
richtig  gedreht.  C.  Querschnitt  von  Fangfäden  kleiner  und  grosser 
Kapseln  im  Gewebe  darstellend.    D.  Kapselbehälter  von  oben  gesehen. 

Fig.    6.    Velella  spirans.     Grössere  u.  kleinere  Nesselorgane. 

Fig.    7.    Nesselkapsel  schematisiert  von  Velella  und  Hydra  zur  Anschauung  des 
ausgestülpten  Schlauches  mit  äusserer  Kapselwaud. 
A.  B.  C.  Herauspräparirte  Spirale  der  Muskelstile,  genau  mit  der  Ca- 
mera gezeichnet  und  ohne  nachherige  Verbesserung  mit  Ausnahme  der 
einen  der  zwei  Linien  der  Spirale. 

Fig.    8.    Physalia  utriculus.     Interstiellzellen  mit  angehender  Mitose. 

Fig.    9.     Hydra  fusca.    Institiellzellen  mit  angehender  Mitose. 

Fig.  10.  Interstitiellzellen  und  Kapselkeime  in  verschiedenen  Stufen  der  Ent- 
wickelung. 

Fig.  11.  Physalia  utriculus.  Kajiselkeime  in  verschiedenen  Stufen  der 
Entwickelung.     a  =  eine  eben  erkennbare  Nesselbildungszelle. 

Fig.  12.  Velella  spirans.  Ein  frühes  und  ein  ziemlich  spätes  Entwickelungs- 
stadium  der  Nesselorgane,  a  =  noch  kein  Hof  vorhanden,  b  =  ein 
bedeutender  Hof  sichtbar. 

Fig.  13.     Agalma  Sarsii.     Junger  Kapselkeim  ohne  Hof. 


254  Lewis  Murbach. 

Fig.  14.  Hydra  grisea.  Kapselkeime,  a  =  Schlauchbildung,  b  =  ein  bis 
auf  die  Widerhaken  eingestülpter  Schlauch.  Kapsel  noch  nicht  um- 
gedreht. 

Fig.  15.  Hydra  grisea.  a)  ein  vorgerücktes  Stadium  der  Schlauchbildung, 
b)  eigentümlich  quergerunzelte  Erscheinung  (Einstülpungsstadien?)  der 
kleinen  Kapseln. 

Fig.  16.  Physalia  utriculus.  a  und  b  =  Modifikationen  der  Schlauchbildung, 
welche  aber  nicht  bedeutende  Abweichungen  sind. 

Fig.  17.  Agalma  Sarsii.  Drei  Stadien  der  Entwickelung  in  zusammen- 
hängenden Zellen,  a)  einfache  Zelle,  b)  Kapselkeira  auf  der  Peripherie 
des  Kernes,    c)  vorgerückteres  Stadium  mit  Anlage  des  Schlauches. 

Fig.  18.  Physophora  hydrostatica.  Drei  Entwickelungsstadien  der  Nessel- 
kapselu.     a,  b,  c  vom  Fangfaden;  d  vom  Taster. 

Fig.  19.    Velella  Spirans.    Aeltere  Entwickelungsstadien. 

Fig.  20.  Hydra  fusca.  Ein  eben  sich  ausbildender  Schlauch  und  ein  schon 
teilweise  eingestülpter  Schlauch. 

Fig.  21.  Velella  spirans.  Muskelfortsatz  oder  Stielbildiang,  sehr  frühes 
Stadium. 

Fig.  22.    Reihenfolge  a,  c,  b.    Muskelfortsatz  oder  Stielbildung. 

Fig.  24  u.  23.  Velella  spirans.  Schnitt  durch  einen  Teil  der  Scheibe  (26) 
des  Tieres,  Nesselorgane  auf  der  Wanderschaft  durch  die  Stützlamelle 
aufweisend. 

Fig.  25.  Velella  spirans.  Schnitt  durch  Scheibe  und  Geschlechtspolyp,  die 
Anhäufung  der  Nesselkapseln  an  der  Basis  des  Polypen  zeigend,  sowie 
die  brüchige,  lockerfaserige  Stützlamelle. 

Fig.  26.  Schnitt  durch  die  Scheibe  und  den  Centralpolypen ,  um  den  Nessel- 
vorrat zu  zeigen  und  zur  Orientierung. 

Fig.  27.     Gestielte  Nesselzelle  mit  sich  entwickelndem  Nesselapparat. 

Anmerk.    Sämtliche  Figuren  sind  —  nach  einem  Seibert' sehen  Instrumente 

(Apochromat)  —  mit  der  Camera  lucida  vorgezeichnet. 


Strongylus  fllaria  R. 


Von 

Otto  Aug-stein. 

Königl.  Preuss.  Kreisthierarzt  zu  Labiau. 


Hierzu  Tafel  XIII  und  XIV. 


Seitdem  durch  die  bahnbrechenden  Untersuchungen  von 
Schneider  (18,  19  u.23)  und  Leuckart  ("24)  der  allgemeine  Character 
des  anatomischen  Baues  und  der  Entwickelungsgeschichte  der 
Nematoden  in  so  ausgezeichneter  und  bis  auf  den  heutigen  Tag 
mustergültiger  Weise  klargelegt  wurde,  hat  es  nicht  an  zahl- 
reichen Forschern  gefehlt,  die  es  sich  zur  Aufgabe  stellten, 
den  einen  oder  anderen  Vertreter  dieser  Würmerklasse  ein- 
gehender zu  Studiren,  um  seine  specielle  histologische  Einrichtung 
sowohl,  als  auch  die  Art  und  die  Bedingungen  seiner  Entwickelung 
bis  ins  kleinste  Detail  zu  ergründen.  Wenn  dabei  auch,  zufolge 
der  für  eine  derartige  Untersuchung  durchaus  ungünstigen  Ver- 
hältnisse, in  entwich elungsgeschichtlicher  Beziehung  nur  wenig 
Neues  und  im  Grossen  und  Ganzen  relativ  Unvollständiges  gebracht 
werden  konnte,  so  haben  doch  die  histologischen  Untersuchungen 
so  nennenswerthe  Resultate  gezeitigt,  dass  sie  zu  immer  neuen 
Forschungen  anregten,  und  so  besitzen  wir  denn  in  der  heutigen 
Litteratur  schon  eine  recht  ansehnliche  Summe  von  Monographieen, 
die  uns  nicht  nur  einen  immer  tieferen  Einblick  in  die  Histologie 
und  Ontogenie  dieser  interessanten  Thiere  gewähren,  sondern  die 
auch  immer  wieder  zeigen,  wie  scharf  schon  die  oben  erwähnten 
ersten  Untersucher  beobachtet,  und  wie  richtig  sie,  trotz  der  damals 
noch  verhältnissmässig  unvollständigen  technischen  Hülfsmittel,  ihre 
mikroskopischen  Bilder  beurtheilt  haben. 

Wenn  ich  hier  erwähne,  dass  neben  anderen:  Trichina  spiralis 
(20),  Pseudalius  ovis  pulmonalis  (30),  Allantonema  mirabile  (34), 
Ascaris  megalocephala  (31,  40,  45  u.  46),  Ascaris  lumbricoides 
(31  u.  40),  Strongylus  paradoxus  (36  u.  47),  Strongylus  micrurus 
(41),  Strongylus  convolutus  (48)  und  Bradynema  rigidum  (49)  einer 
eingehenden  Bearbeitung  gewürdigt  wurden,  so  geschieht  es  deshalb, 
um  hen^orzuheben ,  dass  es,  wie  ja  naturgemäss  zu  erwarten  war, 


256  Otto  Augstein: 

vorzugsweise  solche  Vertreter  der  Nematoden  waren,  welche  dank 
ihres  häufigen  Vorkommens  ihren  Forschern  ein  reichliches  Unter- 
suchungsmaterial zur  Verfügung  stellten. 

Unter  solchen  Umständen  erscheint  es  etwas  überraschend,  dass 
gerade  einer  der  häufigsten  Strongyliden ,  der  in  Schaflungen 
schmarotzende  Strongylus  filaria,  welcher  noch  obenein  wegen  seiner 
ansehnlichen  Grösse  ein  nicht  gerade  unbequemes  Forschungsobject 
darstellt,  bisher  etwas  stiefmütterlich  behandelt  wurde,  und  ich 
entschloss  mich  daher,  auf  diese  Thatsache  von  meinem  hoch- 
verehrten Lehrer,  Herrn  Geheimrath  Dr.  Leuckart  aufmerksam 
gemacht,  um  so  lieber  diesem  Parasiten  meine  besondere  Auf- 
merksamkeit zuzuwenden,  weil  er  gerade  in  thierärztHchen  Kreisen 
wegen  der  oft  recht  bedeutenden  Schädigungen,  die  er  in  Schaf- 
haltungen anzurichten  im  Stande  ist,  von  jeher  ein  lebhaftes  Interesse 
erweckte. 

In  der  mir  zugänglich  gewesenen  Litteratur  —  ich  benutzte  die 
Bibliothek  der  Universität  Leipzig  und  diejenige  der  Berliner  Thier- 
ärztlichen  Hochschule  und  wurde  in  liebenswürdigster  Weise  durch 
die  Herren  Geheimrath  Dr.  Leuckart  und  Hofrath  Dr.  Zürn,  welche 
mir  einschlägige  Werke  aus  ihrer  eigenen  Büchersammlung 
freundlichst  überliessen,  unterstützt  —  fand  ich  den  Strongylus 
filaria  zum  ersten  Male  von  Daubenton  (1  p.  269)  erwähnt.  Derselbe 
beobachtete  im  Jahre  1768  in  der  ßourgogne  eine  „mörderische 
Schafseuche",  bei  welcher  er  fadendicke,  drei  bis  vier  Zoll  lange 
Würmer  in  den  Luftröhren  bezw.  in  deren  Aesten  fand. 

Dass  dieser  Fund  thatsächlich  Strongylus  filaria  betraf,  ist  von 
Rudolphi  (2,  vol.  IL  p.  220)  bestätigt  worden.  Letztgenannter 
grosser  Entozoenkenner  hat  die  gleichen  Würmer  des  öfteren  im 
Berliner  zootomischen  Theater  bei  Professor  Sick  gesehen,  und  er 
erzählt  (2,  vol.  I  p.  454),  dass  ihm  auch  der  Londoner  Professor 
Flormann  übereinstimmende,  den  Bronchien  des  Schafes  entnommene 
Strongyliden  unter  dem  Namen  „zusammengerollte  —  contortiplicati  — " 
übersandt  habe.  In  seiner  Enumeratio  Specierum  (2,  vol  IL  p.  219) 
stellt  er  die  fraglichen  Thiere  unter  die  „Strongyliden  mit  nacktem 
Munde"  und  giebt  von  ihnen  folgende  Beschreibung: 

„Vermes  unum  ad  tres  cum  dimidio  pollices  longi,  filiformes, 
flavescentes.  Caput  obtusum,  subtruncatum ,  continuum.  Corpus 
utrinque,  praesertim  antice,  parum  tamen  attenuatum.  Bursa  maris 
Integra,  compressa,  in  apicem  obliquum  excurrens;  extus  convexa, 
radiata,  patellam  referens;  filium  genitale  longum  emittens.  Cauda 
feminae  acuta,  fere  subulata,  vulva  ab  ejusdem  apice  haud  longe 
distante.  Ova  elHptica  satis  magna,  minora  tamen  quam  in  specie 
praecedente,  an  immatura?  Strongyli  bronchiales  prolem  vivam 
fovent." 

Rudolphi  war  es  auch,  welcher  unseren  Wurm  mit  dem 
Namen  „Strongylus  filaria"  belegte,  imd  zwar  will  er  diesen  Namen 


Strongylus  filaria  R.  257 

deshalb  gewählt  haben,  weil  die  Weibchen  eine  grosse  Aehnlichkeit 
mit  den  Filarien  hätten. 

Die  Einzelheiten  der  Rudolphi'schen  Beschreibung  werden  1817 
von  Veith  (3,  p.  430)  bestätigt;  im  Uebrigen  lässt  derselbe  unser 
Thier,  wie  überhaupt  alle  Eingeweidewürmer,  in  Uebereinstimmung 
mit  der  damals  herrschenden  Ansicht  nicht  von  aussen  in  seinen 
Wirth  gelangen,  sondern  sich  in  diesem  „im  Konflicte  besonderer 
Umstände  von  selbst"  erzeugen. 

Auch  bei  Waldinger  (4,  p,  50),  von  Am-Pach  (5,  p.  215)  und 
Peterka  (9,  p.  43)  finden  wir  dieselbe  irrthümliche  Ansicht  ver- 
treten, und  sagt  Letzterer  z.  B.  wörtlich: 

,y.Die  Lungenwurmkrankheit  der  Schafe  besteht  in  einer 
langsam  fortschreitenden  Entzündung  des  Bronchialsystems  mit 
starker  Schaumsecretion  und  Ausschwitzung  von  eiterähnlichem, 
die  innere  Fläche  der  Lungenröhrenzweige  bekleidendem,  sehr 
zähem  und  cohärentem  Schleim,  wodurch  eine  Menge  Ento- 
zoen  regelmässig  gebildet  wird." 

Im  Uebrigen  beschäftigen  sich  diese  Autoren,  ebenso  wie  Tausch 
(11,  p.  373),  welcher  im  Jahre  1837  in  der  Gegend  von  Halle  eine 
an  „wurmiger  Lungenseuche"  leidende  Lämmerheerde  mit  Erfolg 
behandelte,  vorzugsweise  mit  den  Krankheitserscheinungen  der 
Wurmpneumonie  und  mit  dem  gegen  dieselbe  einzuschlagenden  Heil- 
verfahren, ohne  über  den  Bau  der  Würmer  selbst  etwas  Neues  zu 
bringen. 

Ueberhaupt  entwickelt  sich  die  Kenntniss  vom  anatomischen 
Baue  des  Strongylus  filaria  nur  sehr  langsam.  Die  im  Jahre  1824 
erschienenen  Abbildungen  von  Bremser  (8,  Tab.  HI,  Fig.  26 — 31) 
enthalten  keinen  weiteren  Fortschritt,  als  dass  sie  die  Rudolphi'schen 
Angaben  sehr  schön  veranschaulichen.  1831  erkannte  Mehlis 
(10,  pag.  84),  dass  das  Spiculum  der  Männchen  — ■  er  nannte  es 
noch  Penis  —  doppelt  sei,  und  1851  machte  Diesing  (13,  p.  315), 
welcher  übrigens  die  männliche  Bursa  mit  10,  theils  zwei-  theils 
dreigeth eilten  Stäbchen  ausgestattet  sein  liess,  zum  ersten  Male  auf 
den  Grössenunterschied  zwischen  Männchen  und  Weibchen  auf- 
merksam. 

Nach  diesen  Forschern  scheint  es  erst  wieder  1866  Schneider 
(23,  p.  146)  gewesen  zu  sein,  welcher  auf  Grund  selbstständiger 
Untersuchungen  im  Stande  war,  in  der  Beschreibung  unseres  Wurms 
über  die  Angaben  Rudolphi's  hinauszugehen.  Er  sah  schon  die 
Längskanten  der  ■  Haut  imd  erkannte  sehr  richtig,  dass  die  von 
Rudolphi  als  Vulva  beschriebene  Oeffnung  der  After  sei,  dass  die 
Geschlechtsöffnung  dagegen  weiter  nach  vorn  —  30  mm  vom  Schwanz- 
ende entfernt  —  U^gSj  ^^nd  dass  die  Eierstöcke  symmetrisch  nach 
hinten  und  vorne  verlaufen.  Er  fand  die  Spicula  dick,  kurz  und 
dimkelbraun  und  zerlegte  die  Rudolphi'schen  Bursalstäbchen  in 
drei  mit  Einkerbungen  versehene  Hinterrippen,  zwei  Mittelrippen 
und  vier  Vorderrippen. 

Arch.f.Naturgesch.  Jahrg.  1894.  Bd.  I.  H.  3.  17 


258  Otto  Augstein: 

In  Leuckarts:  „Menschliche  Parasiten  1866 — 1876"  ist,  der 
Bestimmung  dieses  Werkes  entsprechend,  unseres  ausschliesslich 
auf  Thieren  schmarotzenden  Wurmes  nur  vorübergehend  Erwähnung 
gethan,  trotzdem  erweitert  dasselbe  (dessen  erste  Lieferung  übrigens 
gleichzeitig  mit  Schneiders  Monographie  erschien,)  die  früheren 
Angaben  über  Strongjdus  filaria  durch  die  Abbildung  der  reifen 
Samenelemente  (24,  p.  38)  und  durch  die  bildliche  Wiedergabe  und 
Beschreibung  der  Embryonen  (24,  p.  106),  welche,  0,54  mm  lang, 
ein  stumpfes  Schwanzende  und  einen  knopfartig  vorspringenden 
Mundzapfen  besitzen  sollen,  an  dessen  Basis  die  Chitinhaut  ein 
Paar  kleiner  Verdickungen  erkennen  lässt. 

Die  Spicula  sind  1881  von  Nörner  (27,  No.  1)  einer  eingehenden 
Untersuchung  unterworfen  worden,  und  werden  von  demselben  als 
0,432  nam  lange,  aus  gefächertem  Gewebe  gebildete,  röhrenförmige 
Organe  angesprochen,  welche  an  Stelle  der  bei  anderen  Strongyliden 
vorhandenen  W^iderhaken  eine  bedeutende  Anschwellung  kurz  vor 
der  vorn  abgerundeten  Spitze  besitzen,  und  die  an  ihrem  oberen 
Ende  0,072  mm,  in  der  Mitte  0,065  mm,  an  der  Anschwellung 
0,102  mm  und  an  der  Spitze  0,025  mm  dick  sind. 

Etwas  befremdend  ist  seine  Behauptung,  dass  die  Spicula  des 
in  den  Rehlungen  schmarotzenden  Strongylus  filaria  zwar  ebenfalls 
aus  gefächertem  Gewebe  beständen,  aber  sich  von  denjenigen  ihres 
in  Schaflungen  lebenden  Verwandten  nicht  nur  durch  geringere 
Grösse,  sondern  auch  durch  das  Fehlen  einer  Anschwellung  aus- 
zeichneten. 

Die  Schilderung  unseres  Wurmes  durch  Perron  cito  (28,  p.  371) 
ist  nicht  allein  sehr  unvollständig,  sondern  sie  enthält  auch  die  falsche 
Behauptung,  dass  sich  vor  der  männlichen  Bursa  eine  starke  An- 
schwellung des  Körpers  befinde,  in  deren  Mitte  der  After  gelegen 
sei,  dagegen  bringt  die  in  demselben  Jahre  erschienene  Characteristik 
von  Zürn  (29,  p.  254)  eine  vervollständigte  Beschreibung  der  Bursa  — 
von  ihm  Schwanzbeutel  genannt  —  und  ihrer  Rippen:  „Von  letzteren 
seien  im  Prinzip  14  vorhanden,  nämlich  zwei  Hinterrippen,  deren 
jede  am  Ende  drei  Spitzen  trägt,  so  dass  man  von  jederseits  be- 
findlichen drei  Hinterrippen  sprechen  könnte,  ferner  auf  jeder  Seite 
zwei,  einem  gemeinschaftlichen  Stamme  aufsitzende  Mittelrippen 
und  endlich  jederseits  zwei  getrennte  Vorderrippen." 

Sehr  eingehend  hat  sich  dann  1883  Koch  (30,  p.  22)  mit  dem 
Strongylus    filaria    beschäftigt.      Er    spricht    von  einer  muskulösen 

Haut,  von  einem  1 ,5  mm  langen  Oesophagus, den  er  allerdings, 

wie  auch  alle  späteren  Autoren,  fälschlich,  aber,  wie  ich  später 
zeigen  werde,  mit  einer  gewissen,  seiner  Untersuchungsw^eise  ent- 
sprechenden Berechtigung,  mit  einem  glockenförmigen,  0,1  mm  langen 
Ansätze  in  den  Darmanfang  hineinragen  lässt,  —  von  einem  einfachen, 
den  ganzen  Leib  durchlaufenden  Darm  und  von  vorgetriebenen 
lippenartigen  Wülsten,  welche  die  Vulva  bilden.  Die  ovalen,  Jappen- 
förmigen  Anhänge  der  Spicula    (Nörner's  Anschwellungen)  lässt  er 


Strongylus  fiJaria  R.  259 

dadurch  entstanden  sein,  dass  die  sonst  gleich  einem  Blatte  ein- 
gerollten Gebilde  an  diesen  Stellen  nicht  eingebogen  seien.  In  den 
0,1  mm  langen  und  0,06  mm  breiten,  ovalen  Eiern  sah  er  die  aus- 
gebildeten Embryonen  lebhafte,  schlangenartige  Bewegungen  aus- 
führen, so  dass  er  zu  der  Uel)erzeugung  kam,  die  jungen  Thiere 
müssten,  um  frei  zu  werden,  mit  grosser  Gewalt  die  durchsichtigen 
Eihüllen  sprengen.  In  der  Beschreibung  der  Embryonen  selbst 
wiederholt  Koch  im  Grossen  und  Ganzen  Leuckart's  Angaben. 

Railliet  (Elements  de  Zoologie  1886,  p.  334)  hebt  hervor,  dass 
der  Geschlechtsapparat  beim  Männchen  aus  einer  einfachen,  hinter 
dem  Darmanfange  beginnenden  Hodenröhre  bestehe,  welche  sich, 
ohne  bemerkenswerthe  Ausbuchtimgen  zu  bilden,  bis  zum  hintersten 
Körperende  erstrecke,  und  dass  die  weiblichen  Geschlechtsorgane 
von  zwei  symmetrischen  Eiröhren  repräsentirt  würden,  die  je  vorn 
und  hinten  eine  Schlinge  bildeten,  hinter  derselben  zu  langen, 
taschenartigen  Fruchthältern  sich  erweiterten  und  sich  dann  wieder 
verengerten,  um  gemeinschaftlich  eine  kurze,  zweihörnige  Vagina  dar- 
zustellen. Seine  Zeichnungen  sind  zu  schematisch  gehalten,  als  dass 
sie  den  natürlichen  Verhältnissen  in  jeder  Beziehung  hinreichende 
Rechnung  trügen. 

Diese  anatomische  Schilderung  erweiterte  1889  Müller  (38,  p.  40) 
dahin,  dass  der  Darm  aus  polyedrischen  Zellen  mit  verschieden 
grossen  Kernen  bestehe,  dass  derselbe  beim  Männchen  kurz  vor 
der  Schwanzspitze  das  Vas  deferens  aufnehme  und  in  einer  Aus- 
buchtung seiner  Wandung  die  Spicula  enthalte. 

Die  besten  und  vollständigsten,  immerhin  aber  auch  nur  nach 
Uebersichtspräparaten  angefertigten  Abbildungen  fand  ich  endlich 
bei  Cooper  Curtice  (39,  p.  201).  Sie  geben  fast  alle  durch  die 
früheren  Forscher  eruirten  Thatsachen  wieder  und  bringen  als  Neues 
zwei  einzellige  Halsdrüsen,  eine  Einschnürung  an  den  Uebergangs- 
stellen  der  Vagina  in  die  resp.  Uteri  und  die  Verbindung  des 
hinteren  Eileiters  mit  dem  zugehörigen  Uterus  kurz  nach  seiner 
am  Schwänze  belegenen  Umschlagstelle. 

Bezüglich  des  Wohnsitzes  geht  aus  der  mir  bekannten  Litteratur 
hervor,  dass  sich  der  Strongylus  filaria  als  Lieblingswirth  das  Haus- 
schaf (Ovis  aries)  aussucht,  und  in  diesem  ist  er  auch  von  den  ersten 
Beobachtern  (Daubenton,  Sick,  Flormann  und  Rudolphi)  gefunden 
worden. 

Rudolphi  wusste  aber  schon,  dass  unser  Wurm  auch  bei  Ovis 
animon  —  dem  ArgaU  der  Mongolen  —  schmarotzt  (6,  p.  33).  Auch 
bei  der  Antilope  hat  er  ihn  bereits  gesehen,  hielt  ihn  hier  aber  für 
eine  besondere  Species,  die  er  Strongylus  Dorcadis  (G,  p.  37)  nannte, 
ein  Irrthum  aufweichen  erst  1851  Diesing  (13,  p.  37)  aufmerksam 
machte. 

Als  weitere  Wohnthiere  unserer  Schmarotzer  werden  noch 
in  Anspruch  genommen;  von  Davaine  (21)  das  Kameel,  das  Dromedar 
und  die  Ziege,  von  Leuckart  (24,  p.  106)  das  Reh  und  das  Damm- 

17* 


260  Otto  Augstein: 

wild,  von  Bonnet  (38,  p.  29)  die  Gemse  und  von  Kitt  (42,  p.  475) 
der  Edelhirsch. 

Von  den  Organen  des  Wirths  sind  es  fast  nur  die  Luftröhre 
und  die  Lungen,  in  den  fragl.  Nematode  sich  aufhält,  und  nur  die 
Angabe  von  Parsons  (15,  p.  685),  dass  er  bei  seinen  Sectionen  oft 
nicht  nur  die  Bronchien  der  mit  Blutungen  durchsetzten  Lungen 
mit  Strongylus  filaria  vollgepfropft  fand,  sondern  dieselben  Würmer 
auch  im  Kehlkopfe,  in  den  Nasenhöhlen,  im  Schlundkopfe  und  selbst 
im  Darme  antraf,  und  diejenige  von  Crisp  (22,  p.  53),  dass  er  in 
an  Lungenwurmseuche  eingegangenen  Lämmern  unser  Thier  bezw. 
dessen  Eier  sowohl  in  den  Bronchialverzweigungen,  als  auch  im 
Darme  constatiren  konnte:  lassen  —  vorausgesetzt,  dass  genannte 
Forscher  sich  nicht  durch  andere  zufällig  anwesende  Schmarotzer 
täuschen  Hessen  —  darauf  schliessen,  dass  ausnahmsweise  und 
unter  besonderen  Bedingungen  die  durch  den  Exspirationsstrom  bis 
zum  Rachen  heraufbeförderten  Parasiten  durch  einen  Schluckact 
dem  Darmtractus  übermittelt  werden  können. 

In  den  Lungen  sind  es  wieder  hauptsächlich  die  Bronchien, 
welche  als  Aufenthaltsort  benutzt  werden,  doch  äussert  sich  schon 
1887  Bewly  (35,  p.  374),  welcher  des  öfteren  in  Knötchen,  die  er 
als  aus  drei  concentrisch  angeordneten  Schichten  von  characteristischer 
histologischer  Einrichtung  bestehend  beschreibt,  abgestorbene  15 
bis  17  mm  lange  Exemplare  von  Strongylus  filaria  fand,  dahin,  dass 
zwar  unser  Wurm  gewöhnhch  in  der  Luftröhre  bezw.  in  deren 
Verzweigungen  lebe  und  hier  zur  vollen  Reife  sich  entwickele,  dass 
er  aber  auch  ausnahmsweise,  und  zwar  dann  in  der  Jugendform, 
sich  in  das  Lungengewebe  hinein  verirre  und  dort  innerhalb  eines 
durch  seinen  Reiz  sich  bildenden  Knötchens  absterbe.  Damit  im 
Einklänge  steht  auch  die  ältere  Notiz  Leuckart's  (24,  p.  108),  dass 
in  einer  Schaf lunge  eine  Anzahl  tuberkelartiger  Knötchen  je  einen 
12  mm  langen  Rundwurm  enthalten  hätten,  „der  allem  Anscheine 
nach  Strongylus  filaria  gewesen  sei",  und  auch  ich  konnte  in  mehreren 
Schaf lungen  vereinzelte,  kaum  erbsengrosse,  meist  schon  verkalkte 
Knötchen  nachweisen,  in  deren  bröckeligem  Centrum  ich  Wurm- 
fragmente fand,  deren  Form-  und  Grössenverhältnisse  mich  lebhaft 
an  junge  Exemplare  meines  Parasiten  erinnerten. 

Die  durch  Strongylus  filaria  bedingten  Gesundheitsstörungen 
imd  pathologischen  Veränderungen  nehmen  in  der  Litteratur  einen 
so  breiten  Raum  ein,  dass  es  zu  weit  führen  würde,  wenn  sie  hier 
eingefügt  werden  sollten;  ich  möchte  daher  nm-  auf  die  in  dieser 
Hinsicht  das  Beste  bringenden  Arbeiten  von  Cooper  Curtice 
(39,  p.  203)  und  Friedberger  -  Fröhner  (43,  p.  239)  hinweisen 
und  kurz  hervorheben,  dass,  wenn  ich  auch  bei  den  Hunderten  der 
von  mir  durchforschten  faden  wurmkranken  Lungen  jene  pathologisch- 
anatomischen Angaben  im  Uebrigen  bestätigt  fand,  es  mir  doch 
unmöglich  bHeb,  Bronchiectasieen  nachzuweisen,  die  fast  jeder 
Schriftsteller  als  characteristisches  Folgeleiden  der  Lungenwurm- 
krankheit  hingestellt  hat. 


Strongylus  filaria  R.  261 

Die  wichtige  Frage,  ob  die  von  ihren  Wirthen  ausgehusteten 
Embryonen  ein  freilebendes  Stadium  durchlaufen,  oder  ob  sie  sich 
eines  Zwischenwirthes  bedienen,  um  in  jenen  Zustand  zu  gelangen, 
der  sie  befähigt,  wieder  in  die  Schafslungen  gebracht,  sich  zur  vollen 
Geschlechtsreife  zu  entwickeln,  konnte  ich  um  so  weniger  zur  Ent- 
scheidung bringen,  als  meine  Untersuchungen  im  Winter  statthatten, 
zu  einer  Zeit  also,  wo  die  als  Zwischen wirthe  in  Frage  kommenden 
Thiere  (Insecten,  Regenwürmer,  Schnecken)  im  Winterschlafe  lagen. 
Immerhin  glaube  ich  aber,  mich  für  die  letztere  Annahme  entscheiden 
zu  dürfen,  schon  weil  gegen  das  freie  Leben  die  Leuckart'schen 
Untersuchungen  (24,  p.  107)  streiten.  Dieser  Forscher,  welcher 
ausser  mit  anderen  Strongyliden  auch  mit  Strongylus  filaria  ent- 
wickekmgsgeschichthch  experimentirte,  konnte  zwar  die  Embryonen 
in  feuchter  Erde  wochenlang  am  Leben  erhalten,  und  er  beobachtete 
sogar  —  meist  in  der  zweiten  Woche  —  eine  Häutung,  die  das 
frühere  Mundknötchen  reduciren  und  den  Schwanz  eine  spitzere 
Form  gewinnen  liess,  aber  seine  Thiere  starben  fast  immer  während 
der  Häutung  oder  doch  bald  nach  derselben,  und  der  Versuch  mit 
solchen  in  der  Häutung  begriffenen  W^ürmchen  Lämmer  zu  inficiren, 
misslang  ebenso,  wie  die  Uebertragung  des  mit  Embryonen  reichlich 
durchsetzten  Bronchialschleimes,  obgleich  solche  Infectionsversuche 
zu  den  verschiedensten  Jahreszeiten  angestellt  wurden.  Für  die 
Annahme  eines  zur  Entwickelung  unseres  Wurmes  nothwendigen 
Zwischen wirthes  aber,  für  die  sich  übrigens  auch  Leuckart  auf 
Gnmd  seiner  negativen  Untersuchungsresultate  entschieden  hat, 
sind  leider  positive  Beweise  bisher  nicht  erbracht  worden  (cfr.  Railliet 
p.  336  u.  A.),  und  auch  die  im  Jahre  1875  von  Cobbold  aufgestellte 
Behauptung,  dass  die  Brut  von  Strongylus  micrurus  passiv  in  den 
Darm  von  Regenwürmern  übertragen  würde,  um  hier  ihre  für  die 
vollständige  Ausbildung  in  den  Rinderlungen  nothwendigen  Ent- 
wickelungsphasen  zu  durchlaufen  —  eine  Behauptung,  die,  wenn  sie 
richtig  wäre,  bei  der  Uebereinstimmung  des  anatomischen  Baues, 
der  Lebensweise  und  der  pathogenen  Wirkung  des  Strong.  micrm-us 
mit  unserem  Nematoden  (cfr.  41)  auch  für  die  Benutzung  eines 
Zwischenwirthes  seitens  des  Strong.  filar.  sprechen  würde  —  kann 
nicht  als  entscheidend  gelten,  weil  die  im  Jahre  1879  (26,  p.  336) 
bekannt  gegebenen  Experimente  Cobbold's  von  späteren  Beobachtern 
(z.  B.  Ströse  41)  hinsichtlich  ihrer  Beweiskraft  wohl  mit  Recht 
in  Zweifel  gezogen  worden  sind. 

Was  nun  endlich  die  Häufigkeit  des  Vorkommens  von 
Strongylus  filaria  betrifft,  so  dürfte  uns  aus  wirthschaftlichen 
Gründen  hier  vorzüglich  sein  Schmarotz erthum  bei  Schafen  interessiren, 
leider  aber  stammen  die  diesbezüglichen  litterarischen  Veröffent- 
lichungen fast  ausschliesslich  aus  Gegenden,  in  denen  unser  Parasit 
zu  Heerdekrankheiten  Veranlassung  gegeben  hatte  und  müssen  daher 
auch  von  diesem  Standpunkte  aus  beurtheilt  werden.  So  berichtet 
z.  B.  Parsons  (15,  p.  685),  dass  1855  in  einer  lungenwurmkranken 
Heerde   (die  Stückzahl  ist  nicht   angegeben)  im  Juni   und  Juli  an 


262  Otto  Angstein: 

jedem  Morgen  8 — 10  Lämmer  todt  und  mehrere  sterbend  gefunden 
wurden;  Carnet  (25)  giebt  an,  dass  an  der  marokkanischen  Grenze 
die  Hälfte  aller  vorhandenen  Schafe  der  Lungenwurmseuche  zum 
Opfer  fiel,  und  Wernicke  (37)  erzählt,  dass  in  Buenos  Ayres 
während  der  Jahre  1883 — 1886  sogar  mehr  als  ^4  des  gesammten 
Schafbestandes   —  viele    Millionen  —  derselben    Krankheit    erlag. 

Eine  etwas  tiefere  Einsicht  in  die  wirthschaftliche  Bedeutung  des 
Strongylus  filaria  liefert  uns  die  Angabe  Ger  lach 's  (14,  p.  293), 
da  sie  als  Facit  aus  einer  vieljährigen  Beobachtung  gezogen  ist. 
Nach  ihr  gingen  in  einem  Gute,  wo  die  Lungenwürmer  alljährlich 
vorkamen,  durch  dieselben  in  den  günstigen  Jahren  V« — ^/bi  in  den 
ungünstigen  V2 — Vs  sämmtHcher  Lämmer  verloren. 

Den  besten,  leider  aber  auch  den  einzigen  Anhalt  für  die  Be- 
urtheilung  des  procentualen  Vorkommens  von  Strongylus  filaria  unter 
normalen  Verhältnissen,  boten  mir  die  Berliner  Schlachthausberichte. 
Nach  ihnen  sind  in  Berlin  in  den  Jahren  1883 — 1888  insgesammt 
1675  Schafe  lungenwurmkrank  befunden  worden,  und  wenn  man 
berücksichtigt,  dass  die  hier  zur  Schlachtung  kommenden  Thiere  von 
den  Metzgern  ohne  Wahl  aus  den  verschiedensten  Gegenden  Deutsch- 
lands zusammengekauft  werden,  so  darf  man  wohl  aus  der  Thatsache, 
dass  z.  B.  im  Geschäftsjahre  1887/88  von  275  049  geschlachteten 
Schafen  788  mit  Lungenstrongyhden  behaftet  waren,  nicht  ohne 
Berechtigung  den  Schluss  ziehen,  dass  etwa  3  pro  mille  des  deutschen 
Schafbestandes  an  Strongylus  filaria  leidet. 

Bevor  ich  die  Besprechung  meiner  Litteraturstudien  beende, 
sei  es  mir  noch  gestattet  darauf  hinzuweisen,  dass  der  Name 
unseres  Parasiten  wiederholt  irrthümlich  für  andere  Würmer 
in  Anspruch  genommen  wurde.  So  beschreibt  z.  B.  Bojanus 
(7,  p.  177  u.  Tab.  III,  Fig.  28—33)  den  Strongylus  micrurus  unter 
der  Bezeichnung  Strongylus  filaria.  Ranke  (17,  p.  456)  behandelt 
unter  gleichem  Namen  einen  Wurm,  der,  wie  Text  nnd  Abbildungen 
zweifellos  erkennen  lassen,  der  Pseudalius  ovis  pulmonalis  Koch 
(Pseudalius  capillaris  Müller)  ist,  und  auch  die  von  demselben  Autor 
auf  Strongylus  filaria  bezogene  Arbeit  von  Padley  und  Sandie 
(12,  p.  102)  beschäftigt  sich  ausschliesslich  mit  Pseudalius  ovis  s. 
capillaris. 


Vorstehender  Litteraturzusammenstellung  gemäss  war  also  bis 
zum  Beginne  meiner  Arbeit  nicht  allein  der  innere  Bau  des  Strongylus 
filaria  noch  vollständig  unbekannt,  sondern  es  Hess  auch  die  äussere 
Beschreibung  —  schon  meine  ersten  Uebersichtspräparate  über- 
zeugten mich  davon  —  noch  Manches  zu  wünschen  übrig,  und  ich 
war  daher  Herrn  Geheimrath  Dr.  Leuckart  für  seinen  Hinweis  auf 
diesen  Wurm  um  so  dankbarer,  als  mir  solcherweise  von  vorne- 
herein interessante  Untersuchungsresultate  gesichert  waren. 

,  Die  für  meine  Studien  nothwendigen  Strongyliden  sammelte  ich 
in  den  Monaten  August,  September  und  Oktober  v.  J.  am  BerKner 


Strongylns  filaria  R.  263 

Schlachthofe,  imd  war  es  nicht  sowohl  der  hier  ständig  grosse  Auf- 
trieb von  Schafen,  und  der  am  dortigen  Schlachthause  geübte  muster- 
gültige Untersuchungsmodns,  als  besonders  die  liebenswürdige  Hülfe 
der  dort  beschäftigten  Thierärzte,  wodurch  ich  in  den  Stand  gesetzt 
wurde,  in  jener  kurzen  Zeit  ein  ansehnliches  und  ausreichendes 
Untersuchungsmaterial  zusammen  zu  bringen.  Diesen  Herren  fühle 
ich   mich   daher  zu  besonderem  Danke  verpflichtet. 

Meine  Arbeit  selbst  begann  ich  Mitte  Oktober  1803  im  zoolo- 
gischen Laboratorium  der  Universität  Leipzig,  und  nur  die  mir  jeder- 
zeit bewiesene  freundliche  Antheilnahme  und  die  stets  bereitwilligst 
und  in  uneigennützigster  Weise  ertheilten  Rathschläge  meines  hoch- 
verehrten Lehrers,  des  Herrn  Geheimrath  Prof.  Dr.  Leuckart, 
ermöglichten  es  mir,  dieselbe  der  Hauptsache  nach  in  einem  Semester 
zum  Abschluss  zu  bringen;  es  ist  mir  daher  Bedürfniss  dem  genannten 
Herrn  auch  an  dieser  Stelle  meinen  ehrerbietigsten  Dank  darzubringen. 

Das  für  die  Schnittserien  bestimmte  Material  hatte  ich  theils 
in  gesättigter  schw^ach-alkoholischer  Sublimatlösung,  theils  in 
Mayer'scher  Pikrinsalpetersäure  (100  cbcm  kaltgesättigte  wässerige 
Pikrinlösung  -f-  2  cbcm  officinelle  Salpetersäure)  und  theils  in 
Perenyi'scher  Chromsalpetersäure  (4  cbcm  10  7o  Salpetersäure  -^ 
3  cbcm  Alkohol  +  3  cbcm  0,5  7o  Chromsäure)  fixirt,  wonach  ich 
es  durch  je  24  stündigen  Aufenthalt  in  50  «/o,  60  %,  70  %  und  80  % 
Alkohol  erhärtete,  um  es  bis  zum  Gebrauche  in  90  %  Alkohol  auf- 
zuheben. Dabei  habe  ich  die  Erfahrung  gemacht,  dass  sich  die  in 
Pikrinsalpetersäure  fixirten  Strongyliden  am  besten  halten;  noch 
heute,  also  nach  reichlich  7  Monaten  sind  sie  rund  und  prall,  wie 
wenn  sie  soeben  den  Bronchien  entnommen  wären,  während  die 
nach  den  beiden  anderen  Methoden  fixirten  Thiere  im  Laufe  der 
Zeit  ihr  schönes  Aussehen  mehr  oder  weniger  verloren  haben. 

Eine  ansehnliche  Summe  von  Würmern  brachte  ich  aber  auch 
aus  den  Bronchien  direct  in  eine  Mischung  von  2  Theilen  Glycerin 
und  3Theilen  70%  Alkohol,  welcher  einige  Tropfen  Essigsäure  zugesetzt 
waren.  Hierdurch  gelang  es  mir  ein  schön  aufgehelltes  und  die 
frischen  Thiere  fast  vollständig  ersetzendes  Material  an  der  Hand 
zu  haben,  das  mir  jederzeit  gestattete,  die  durch  Quer-  oder  Längs- 
schnitte gewonnenen  Bilder  mit  Uebersichtspräparaten  in  Vergleich 
zu  stellen. 

Gefärbt  habe  ich  sowohl  stück-  als  auch  schnittweise. 
Während  zur  Gewinnung  einer  allgemeinen  Uebersicht  die  erstere 
Methode,  für  die  ich  bei  mit  Sublimat  oder  Pikrinsalpetersäure  fixirten 
Thieren  Hämatoxilin  oder  Boraxkarmin,  bei  mit  Chromsalpetersäure 
fixirten  aber  nur  Hämatoxilin  anzuwenden  empfehle,  ausreicht,  ist 
für  die  Beurtheilung  des  feineren  histologischen  Baues,  insbesondere 
für  die  Untersuchung  der  Epithel-  sowie  der  Ei-  und  Samenzellen 
die  Schnittfärbung  um  so  weniger  zu  umgehen,  als  unser  Nematode 
wegen  seines  immerhin  kleinen  Querschnittes  oft  1000  fache  Ver- 
grösserung  erheischt,  ein  Umstand,  der  es  bisweilen  wünschenswerth 
macht,  dass  bestimmte  Gewebe  besonders,  oder  wenigstens  Vorzugs- 


264  Otto  Augstein: 

weise  tingirt  werden.  Im  Allgemeinen  erhielt  ich  recht  gute  und 
schön  differenzirte  Farbenwirkungen,  wenn  ich  die  Schnitte  der  mit 
Boraxkarmin  durchgefärbten  Würmer  für  6 — 8  Minuten  in  eine  sehr 
schwache  wässerige  Hämatoxilinlösung  brachte  —  diese  Methode 
lieferte  bei  der  Untersuchung  der  Samenbildung  vorzügliche  Kern- 
theilungsfiguren  — ,  oder  wenn  die  Schnitte  der  mit  Hämatoxilin 
durchgefärbten  Würmer  24  Stunden  lang  in  wässeriger  Eosinlösung 
weilten. 

•Um  beim  Einbetten  in  Paraffin  Schrumpfungen  zu  vermeiden, 
die  ja,  wie  schon  frühere  Beobachter  hervorgehoben  haben,  ge- 
wöhnlich bei  der  Ueberführung  aus  dem  absoluten  Alkohol  in  die 
mit  Paraffin  mischbare  Flüssigkeit  stattfinden,  kommt  es  nicht  so- 
wohl darauf  an,  letztere  —  ich  benutzte  meist  Benzol  —  dem  absoluten 
Alkohol  tropfenweise  zuzusetzen,  bis  dieser  fast  ganz  verdrängt  ist, 
sondern  es  ist  vor  Allem  unbedingt  nothwendig,  die  Würmer  vorher 
in  ganz  kurze,  höchstens  74  c^^i  lange  Stücke  zu  schneiden.  Die 
Cuticula  unserer  Thiere  ist  eben  den  mit  dem  Reagenswechsel  ver- 
bundenen Dilfusionsströmungen  so  hinderlich,  dass  diese  fast  nur 
an  den  Schnittstellen  statthaben;  sind  nun  die  Wurmstücke  lang, 
so  legen  sich,  wahrscheinlich  weil  der  Alkohol  schneller  entweicht, 
als  das  Benzol  eindringen  kann,  an  den  von  den  Schnittstellen  weit 
ab  gelegenen  Parthien  die  Körperdecken  derart  auf  die  gleichfalls 
zusammenfallenden  Eingeweide,  dass  bei  Querschnitten  ein  Körper- 
lumen nicht  mehr  zu  erkennen  ist.  Erst  seitdem  ich  sehr  kurze 
Stückchen  einbettete,  gelang  es  mir  durchweg  kreisrunde,  un- 
geschrumpfte  Querschnitte  zu  erhalten.  Bei  diesem  Modus  muss 
man  aber  bei  der  Orientirung  sehr  vorsichtig  sein,  weil  wegen  der 
äusserlich  gleichmässigen  Körperform  leicht  das  vordere  Ende  eines 
Wurmstückchens  mit  dem  hinteren  verwechselt  werden  kann;  ich 
legte,  um  solche  Verwechselung  zu  vermeiden,  meine  Objecte  in  mit 
Rillen  versehene  Glasblöcke,  an  denen  für  das  vordere  Ende  Marken 
angebracht  waren  und  führte  nun  statt  der  einzelnen  Wurmstückchen 
die  Glasblöcke  durch  die  ganze  Reagentienstufenleiter  bis  ins  flüssige 
Paraffin. 

Die  Schnitte,  Längsschnitte  sowohl  wie  Querschnitte  wurden 
10,  7V2  u.  5  II  dick  gemacht;  dünnere  Schnitte  anzufertigen  empfiehlt 
sich  nicht,  da  sie  undeutliche  Bilder  liefern.  Dass  von  jedem 
Geschlechtsvertreter  mehrere  vollständige  Serien  angefertigt  werden 
mussten,  liegt  auf  der  Hand,  da  ja  durch  das  zum  Einbetten  noth- 
wendige  Zerschneiden  der  Würmer  in  jeder  Serie  Lücken  nicht  zu 
vermeiden  waren. 


Indem  ich  mich  nun  dem  Resultate  meiner  eigenen  Unter- 
suchungen zuwende,  muss  ich  vorausschicken,  dass,  wo  ich  in 
meinen  Ausführungen  positive  Längenangaben  gemacht  habe,  diese 
zwar  durch  jedesmalige  gewissenhafte  Messungen  eruirt  wurden, 
aber  tür  die  allgemeine  Beurtheilung  unserer  Thiere  in  vielen  Fällen 


Strongylus  filaria  R.  265 

deshalb  nur  einen  bedingten  Werth  besitzen,  weil  ja,  wie  wir  später 
sehen  werden,  nicht  nur  Männchen  und  Weibchen  in  ihren  Grössen- 
verhältnissen  sehr  von  einander  abweichen,  sondern  auch  beide 
Geschlechter  für  sich  in  ihren  ausgewachsenen  Vortretern  Exemplare 
von  sehr  verschiedener  Länge  besitzen.  Trotzdem  glaubte  ich  die 
Längenmaasse  einfügen  zu  müssen,  weil  sie  mir  als  Corrigens  für 
die  Verzerrung  der  räumlichen  Verhältnisse  —  welche  ja  bei 
schematischen  Abbildungen,  deren  auch  ich  mich  zur  Erläuterung 
meines  Textes  bedienen  musste,  nicht  zu  vermeiden  ist,  —  unbedingt 
nothwendig  erschienen.  Im  Uebrigen  dürften  sie  auch  deshalb  im 
Allgemeinen  den  natürlichen  Verhältnissen  entsprechen,  weil  sie  sich 
in  ihrer  Hauptsache  auf  das  vordere  und  hintere  Körperende  be- 
ziehen, und  diese  Leibesabschnitte  wohl  mit  dem  Eintritt  der 
Geschlechtsreife  als  ausgewachsen  zu  betrachten  sind,  denn  ich 
habe  mich  durch  vergleichende  Messungen  überzeugen  können,  dass, 
wo  bei  geschlechtsreifen  Thieren  derselben  Geschlechtsgattung  das 
eine  grösser  war,  als  das  andere,  diese  Grössenzunahme  fast  aus- 
schiesslich  auf  den  die  Geschlechtsorgane  beherbergenden  mittleren 
Körpertheil  anzurechnen  war,  wie  das  übrigens  auch  für  andere 
Nematoden  schon  längst  bekannt  ist. 


I.   Allgemeines. 

Die  geschlechtliche  Form  des  Strongylus  filaria  hält  sich  mit 
Vorliebe  in  den  mittelgrossen  und  kleinen  Bronchien  auf,  wird  aber 
auch  an  jeder  anderen  Stelle  der  Luftwege,  vom  Kehlkopfe  herab 
bis  zu  den  kleinsten  Bronchiolen,  angetroffen.  Hier  erregt  sie,  je 
nach  der  Menge  ihres  Vorkommens  und  der  Dauer  ihres  Aufent- 
haltes, eine  Schwellung,  sowie  hämorrhagische  und  eitrige  Ent- 
zündung der  Bronchialschleimhaut  —  verminöse  Bronchitis  — ,  die 
ihrerseits  zur  Atelectase  oder  Hepatisation  verschieden  grosser,  um- 
schriebener Lungenabschnitte  führen  kann  —  verminöse  Pneumonie  — , 
und  sie  ist  im  Stande,  sowohl  durch  Verlegung  grösserer  Bronchial- 
äste unter  den  Erscheinungen  der  Erstickung,  als  auch  durch  Lungen- 
phthise,  und  dann  unter  dem  Bilde  einer  schleichenden  Anämie, 
zum  Tode  ihres  Wirths  Veranlassung  zu  geben.  In  den  von  ihr 
heimgesuchten  Schaflungen  findet  man  die  Würmer  am  besten,  wenn 
man  etwa  in  der  Mitte  ihres  oberen,  abgerundeten  Randes  vorsichtig 
bis  auf  den  hier  fast  parallel  zum  Lungenrande  verlaufenden  Haupt- 
bronchialzug einschneidet  und  event.  letzteren  ein  wenig  nach  vorn 
und  hinten  hin  verfolgt. 

Der  Strongylus  filaria  ist  ein  schlanker  Wurm  von  zart  weisser 
bis  röthlich  gelber  Farbe,  dessen  männliche  und  weibliche  Geschlechts- 
organe nach  Nematodenart  auf  verschiedene  Individuen  vertheüt 
sind.  Dabei  sind,  dem  allgemeinen  Nematodencharacter  entsprechend, 
die  Männchen  im  Grossen  und  Ganzer  kleiner,  schlanker  und  agiler 
als  die  Weibchen.     Für  die  Geschlechtsbestimmung  aber  sind  diese 


266  Otto  Augstein: 

Grössenverhältnisse  um  so  schwieriger  zu  verwerthen,  als  sie,  je 
nach  dem  Alter  und  vielleicht  auch  nach  den  Nahrungsbedingungen, 
ausserordentlich  schwanken,  denn  während  ich  die  unter  günstigen 
Bedingungen  bis  zu  89  mm  Körperlänge  heranwachsenden  Weibchen 
schon  bei  einer  Länge  von  50  mm  ausgesprochen  geschlechtsreif 
fand,  traf  ich  unter  den  Männchen  Exemplare  an,  die  die  erstaunliche 
Grösse  von  64  mm  besassen,  eine  Grösse,  die  das  von  früheren 
Beobachtern  angegebene  Durchschnittsmaass  —  25  bis  30  mm  —  um 
mehr  als  das  Doppelte  überragte. 

Dafür  ist  aber  die  äussere  Körper  form  bei  beiden 
Geschlechtern  so  ausserordenthch  verschieden,  dass  es  keine 
Schwierigkeit  macht,  diese  schon  mit  unbewaffnetem  Auge 
auseinander  zu  halten.  Nur  die  vorderen  Leibesenden  zeigen 
nämlich  äusserlich  eine  übereinstimmende  Beschaffenheit,  und  zwar 
dadurch,  dass  die  drehrunden  und  in  der  Hauptmasse  cylinder- 
förmigen  Körper  sich  etwa  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Viertel 
ganz  allmählich  zu  verschmächtigen  beginnen  und  zu  einer  schlanken, 
an  ihrem  abgestumpften  Ende  die  Mundöffnung  tragenden  Spitze 
ausziehen.  Die  hinteren  Leibesenden  dagegen  sind  bei  beiden 
Geschlechtern  durchaus  verschieden  gebaut.  Beim  Männchen 
präsentirt  sich  die  hier  sitzende,  den  verwandten  Nematoden  eigen- 
thümhche  Bursa  mit  den  gedrungenen,  durch  das  hinterste  Leibes- 
ende hindurchschimmernden  und  als  dunkelbrauner  Fleck  in  die 
Erscheinung  tretenden  Spicula  dem  blossen  Auge  als  ein  etwas 
plumper  Körperabschluss,  wohingegen  beim  Weibchen  auch  das 
hintere  Leibesende  in  eine  zierhche  Spitze  ausläuft,  eine  Spitze, 
welche  wegen  ihrer  Schärfe  und  ihrer  kurzen,  konischen  Form  es 
ermöglicht,  sie  von  dem  schlankeren,  weniger  spitzigen  Kopfende 
leicht  zu  unterscheiden.  Da  ausserdem  auch  die  Vulva  des 
Weibchens  schon  dem  unbewaffneten  Auge  als  eine  etwas  hinter 
der  Körpermitte  belegene  kleine  Hervorragung  entgegentritt,  so 
gehngt  es  dem  aufmerksamen  Untersucher  stets,  auf  den  ersten  Blick 
das  Geschlecht  seiner  Exemplare  zu  bestimmen. 

Beide  Geschlechter  entbehren  nicht  nur  der  Segmentirung  ihres 
Körpers,  sondern  auch  jeghcher  Haftwerkzeuge  —  es  sei  denn,  dass 
man  die  später  zu  beschreibenden  Längskanten  als  solche  in  Anspruch 
nehmen  wollte  — ,  ihr  langgesreckter  Leib  findet  eben  vermöge  seiner 
Biegsamkeit  und  Elastizität  an  den  Bronchialwänden  eine  hin- 
reichende Bemhrungsfläche,  um  dem  verhältnissmässig  geringen 
Andränge  der  ein-  und  ausströmenden  Athmungsluft  genügenden 
Widerstand  bieten  zu  können. 

Die  Bewegungen  werden  schlängelnd  und,  besonders  beim 
Weibchen,  mit  geringer  Energie  ausgeführt.  Dabei  liegen  die 
Thiere  gewöhnlich  auf  einer  Seite  und  biegen  den  Körper 
hauptsächlich  von  der  Bauch-  nach  der  Eückenfläche,  eine 
Erscheinung,  die  nach  den  Bemerkungen  Leuckarts  (24,  p.  13) 
dadurch  erklärt  wird,  dass  die  den  Hautmuskelschlauch  unter- 
brechenden Seitenfelder  ein  Seitwärtskrümmen  erschweren. 


Stroiigylus  filaria  R.  267 

Die  äussere  Hülle  des  Strongylus  filaria  wird  von  einer  derben, 
elastischen  und  farblosen  Cuticula  gebildet,  die  sich  an  den 
natürlichen  Körperöffnungen  in  die  hier  mündenden  Organe  um- 
schlägt und  diese  eine  unter  Umständen  recht  ansehnliche  Strecke 
weit  auskleidet. 

Unter  der  Cuticula,  und  mit  dieser  durch  die  Subcuticula  ver- 
bunden, liegt  der  Hautmuskel  schlauch,  welcher,  durch  die 
ansehnlichen  Seitenlinien  und  durch  die  nur  sehr  schwach  in 
die  Erscheinung  tretenden  Medianlinien  unterbrochen,  in  Gestalt 
von  4  breiten,  aber  wenig  dicken  Bandstreifen  in  der  ganzen  Länge 
des  Thieres  hinzieht. 

Der  somit  aus  zwei  Schichten  —  nämlich  aussen  die  Cuticula 
und  innen  die  Muskulatur  mit  den  Längslinien  —  bestehende  Körper- 
schlauch umschliesst  nun  eine  geräumige  Leibeshöhle,  w^elche  nicht 
nur  sämmtliche  Eingeweide  in  sich  aufnimmt,  sondern  auch  das 
Blut  imserer  Thiere  enthält.  Es  ist  dies  eine  farblose  Flüssigkeit, 
in  welcher  reichlich  körperliche  Elemente  suspendirt  sind.  Die 
Blutkörperchen  präsentiren  sich  als  scharf  conturirte,  stark  licht- 
brechende, homogene  Körnchen  mit  einem  Durchmesser  von  1,5  bis 
8  //,  die  sich  meist  traubenartig  aneinanderlagern.  Der  Zusammen- 
halt solcher  Trauben  ist  aber  nur  ein  sehr  lockerer,  denn  der 
leiseste  äussere  Druck  —  also  auch  schon  die  einfache  Contraction 
des  Hautmuskelschlauches  —  lässt  sie  zerschellen,  worauf  sich  ihre 
Bestandtheile  an  anderen  Körperstellen  wieder  zu  traubigen 
Conglomeraten  zusammenballen. 

Da  solcher  Weise  den  Blutkörperchen  Gelegenheit  gegeben 
ist,  bald  die  äussere  Darmfläche  zu  berühren,  bald  an  jedes 
andere  Organ,  sowie  an  jede  Stelle  der  inneren  Leibeswandfläche 
sich  anzulegen,  so  muss  ihnen  eine  hervorragende  Mitwirkung  an 
den  Stoffwechselvorgängen  vindicirt  werden.  Nicht  unwahrscheinKch 
ist  es,  dass  ihnen  dabei,  ebenso  wie  bei  den  höheren  Thieren, 
hauptsächlich  die  Vermittelung  des  Gasaustausches  obliegt,  denn 
der  vorzugsweise  Aufenthalt  im  freien  Räume  der  luftführenden 
Bronchien,  und  das  frühzeitige  Absterben  der  in  das  Lungengewebe 
hinein  verirrten  Exemplare  sprechen  zur  Genüge  für  ein  ausser- 
ordentliches Sauerstoffbedürfniss  unserer  Parasiten*). 


*)  Bunge  kommt  auf  Grund  seiner  schönen  Versuche  über  das  Sauerstoif- 
bedürfniss  der  Darmparasiten  (Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie  v.  Hoppe-Seyler, 
Bd.  VIII  1883/84  p.  48-59),  durch  welche  er  nachwies,  dass  z.  B.  der  im 
Katzendünndarm  schmarotzende  Ascaris  mystax,  selbst  wenn  man  ihm  mit  allen 
Hülfsmitteln  der  modernen  Chemie  imd  Physik  möglichst  sämratlichen  Sauerstoff 
entzieht,  noch  5  mal  24  Stunden  leben  kann,  zu  der  Ueberzeugung ,  dass  die 
Quelle  der  Muskelkraft  hauptsächlich  in  der  lebendigen  Kraft  zu  suchen  sei, 
welche  bei  den  Spaltungsprozessen  der  aufgenommenen  Nahrung  frei  werde, 
und  dass  der  von  aussen  aufgenommene  Sauerstoff  bei  den  betr.  Würmern  vor- 
herrschend nur  zur  Erhaltung  der  Körperwärme  benutzt  werde. 


268  Otto  Augstein: 

Von  den  Eingeweiden  durchzieht  der  Verdauungstractiis 
als  ein  mehr  oder  minder  plattgedrücktes  und  kaum  von  der  Geraden 
abweichendes,  schlauchförmiges  Gebilde  die  ganze  Länge  des  Thieres. 
Er  beginnt  am  Kopfende  mit  einer  kurzen  —  beim  ?  21,5  (i^  beim 
c^  19,5  //  langen  —  trichterförmigen  Mundhöhle,  die  in  den  —  beim 
$  1,5  mm,  beim  S  1,1  mm  langen  —  mit  einer  Radiärmuskulatur  aus- 
gestatteten Oesophagus  führt,  der  seinerseits  etwa  auf  der  Grenze 
zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Dritttheil  seiner  Länge  —  beim 
$  525  (i^  beim  (J  414  //  vom  Kopfende  entfernt  —  von  Schhmdringe 
umfasst  wird  und  sich  gegen  den  Chylusdarm  scharf  absetzt.  Dieser 
Letztere  stellt  eine  aus  vollsaftigen,  mit  ausserordentlich  grossen 
Kernen  ausgestatteten  Epithelzellen  gebildete  Röhre  dar,  die  dem 
Drucke  des  mächtig  entwickelten  Geschlechtsapparates  nachgebend, 
die  verschiedensten  Querschnitte  besitzt  und  am  hinteren  Ende  in 
die  trompetenartige  Erweiterung  einer  röhrenförmigen  Einstülpung 
der  äusseren  Cuticula  einmündet.  Das  eb ener wähnte ,  chintinöse 
Gebilde,  welches  man  mit  seiner  Umhüllung  bei  anderen  Nematoden 
nicht  ohne  Grund  als  Mastdarm  bezeichnet  hat,  ist  in  dorsoventraler 
Richtung  abgeplattet.  Beim  Weibchen  160  ^m  lang,  mündet  es,  ca. 
475  fi  vor  der  Schwanzspitze,  an  der  Bauchfläche  nach  aussen, 
nachdem  das  hinterste  Ende  seiner  dorsalen  Wand  einem  fächer- 
förmigen Muskel  Ansatz  gewährt  hat,  welcher  zur  Oeifnung  des  Afters 
dienen  dürfte.  Beim  Männchen  nimmt  die  anale  Cuticulareinstülpung 
mit  ihrer  trompeten  artigen  Erweiterung  noch  den  Ausführungsgang 
der  Geschlechtsröhre  auf.  Dann  läuft  sie  als  ebenfalls  von  der 
Bauch-  nach  der  Rückenfläche  abgeplattete,  röhrenförmige  Kloake 
162  //  weit  nach  hinten  und  schHesst  hier  in  einer  dorsalen  Aus- 
buchtung die  Spicula  ein.  Sie  mündet  endlich  mit  einem  80 // 
langen  Endstücke,  das  weit  genug  ist,  um  den  an  ihren  breitesten 
Stellen  je  95  n  dicken  Spicula  einen  bequemen  Durchgang  zu  ge- 
statten, im  Grunde  der  Bursa  an  jener  Stelle  des  Körpers,  wo 
dieser  sich  fingerartig  in  die  Bursalrippen  auflöst. 

Der  Geschlechtsapparat  im  engeren  Sinne  präsentirt  sich  beün 
Männchen,  wie  bei  den  Nematoden  gewöhnlich,  als  ein  einfacher 
Schlauch,  welcher,  etwa  4,3  mm  hinter  dem  vorderen  Körperende 
blind  beginnend,  in  ziemlich  gerader  Richtung  und  höchstens 
2 — 3  mal  um  den  Darm  sich  windend,  nach  der  trompetenartigen 
Kloakenerweiterung  hinzieht  und  je  nach  der  Beschaffenheit  seiner 
Wand  und  vorzüglich  seines  Inhaltes  in  Hoden,  Samenleiter, 
Samentasche  und  Ductus  ejaculatorius  geschieden  werden  muss. 


Demgemäss  muss  unser  Strongylns  filaria,  da  er  dauernd  durch  die  immer- 
hin etwas  kühle  Inspirationshift  einem  Wärmeverluste  ausgesetzt  ist,  für  die 
Erhaltung  seiner  Eigenwärme  mehr  Sauerstoff  verwenden,  als  solche  Parasiten, 
welche  (wie  z.  B.  Ascaris  mystax)  wegen  ihres  Aufenthaltes  in  dem  stets 
gleichmässig  hoch  temperirten  Innenraurae  warmblütiger  Thiere  eigentlich  keine 
Körperwärme  zu  entwickeln  brauchen. 


Strongylus  filaria  R.  269 

Beim  Weibchen  sind  die  Geschlechtsorgane  derart  angeordnet,  dass 
zwei  diirchschnitthch  80 — 95  (i  dicke  Röhren  mit  ihren  24  (i  Durch- 
messerbesitzenden blinden  Enden  etwas  vor  der  Vulva  um  ein  Geringes 
über  einandergreifen  und,  nach  vorn  und  hinten  divergirend,  in  der 
Längsrichtung  des  Thieres  als  Eierstöcke  hinlaufen,  um  4,()75  mm 
hinter  dem  Uebergange  des  Oesophagus  in  den  Darm,  bezw.  1,085  mm 
vor  der  Afteröffnung,  durch  Gewinnung  eines  eigenthümlichen, 
mächtigen  Epithelbelages  je  einen  Abschnitt  zu  bilden,  der  als 
Schalen drüse  functioniren  dürfte.  Dieser  Röhrentheil  zieht  zu- 
nächst vorn  sowohl  wie  hinten  noch  etwa  338  (i  weit  in  der  Ver- 
längerung seines  Eierstockes  nach  dem  zugehörigen  Körperende 
hin,  schlägt  sich  dann  hufeisenförmig  um  und  bildet,  nachdem 
er  etwa  825  (i  weit  nach  der  Körpermitte  zurückgelaufen  ist,  je 
eine  blindsackartige  Ausbuchtung,  das  Receptaculum  seminis. 
Aus  diesen  Samenbehältern  gehen  die  weiten,  bis  255  (i  Durch- 
messer gewinnenden  Uteri  hervor,  welche  in  gerader  Richtung 
nach  der  Körpermitte  hinziehen  und  gegen  die  Enden  der  hier 
belegenen  unpaaren,  schlauchförmigen,  850  //  langen  Vagina  durch 
muttermundartige  Verschlussvorrichtungen  abgesetzt  sind.  Die 
Vagina  endlich  mündet  durch  einen  von  zwei  wulstigen  Lippen 
begrenzten,  zur  Längsaxe  des  Körpers  quer  gestellten  Spalt, 
die  Vulva,  nach  aussen  und  zwar  an  einer  Stelle  der  Bauch- 
fläche, die  gewöhnlich  im  fünften  Achtel  der  Körperlänge  be- 
legen ist,  hier  aber  keine  ganz  bestimmte  Stellung  innehält,  denn 
einmal  fand  ich  bei  einem  60  mm  langen  Weibchen  die  Geschechts- 
öffnung  37  mm  hinter  der  Mundöffnung,  während  sie  ein  anderes 
Mal  bei  einem  62  mm  langen  weiblichen  Thiere  nur  35  mm  vom 
Kopfende  entfernt  lag.  Durch  Muskelfasern,  die  von  der  ventralen 
Vaginal  wand  ausgehen  und  fächerartig  in  die  wulstigen  Lippen  ein- 
strahlen, kann  die  Vulva  willkürlich  geöffnet  werden,  während  ihr 
Verschluss,  ebenso  wie  derjenige  des  weiblichen  Afters,  durch  die 
Elastizität  der  sich  hier  100  (.i  weit  in  das  Scheideninnere  hinein- 
ziehenden Chitinauskleidung  erzeugt  wird. 

Ausser  diesen  Organen  finden  sich,  wie  bei  andern  Strongyliden, 
in  weiblichen  sowohl  wie  in  männlichen  Würmern  an  dem  Kopf- 
ende ein  Paar  ansehnlich  entwickelter  Hals drüsen,  deren  spindel- 
förmige, dunkele,  mit  einem  hellen,  bläschenförmigen  Kerne  ver- 
sehene Körper  beim  $  850  //  lang  und  136  //  breit,  beim  ^  630  [i 
lang  und  100  ii  breit  sind,  etwa  1,5  mm  hinter  dem  Uebergange 
des  Oesophagus  in  den  Darm  liegen  und  mit  ihren  durchschnittlich 
50  ^  breiten  Ausführungsgängen  bis  zu  dem  beim  $  730  ^w,  beim 
$  600  [i  hinter  dem  Kopfende  befindlichen  Excretionsporus 
hinlaufen. 

Der  Strongylus  filaria  ist  ovipar.  Ueber  diesen  Punkt  haben 
nach  der  früheren  Litteratur  bisher  meist  falsche  Vorstellungen 
geherrscht.  Während  Rudolphi,  Schneider,  Zürn,  Koch  und  Bewly 
unseren  Wurm  als  vivipar  hinstellen,  erklärt  ihn  Perroncito  und 
Cooper  Curtice  für  ovovivipar  und  Müller  sagt  sehr  vorsichtig,  er  sei 


270  Otto  Augstein: 

mcht  durchaus  vivipar  (38,  p.  41).  Nm-  Lenckart  (24,  p.  106) 
äusserst  sich  sehr  richtig,  dass  die  Jungen  zwar  bereits  vollkommen 
entwickelt,  aber  immer  noch  mit  der  Eischale  geboren  werden. 
Jene  vorerwähnten  irrthümhchen ,  oder  doch  wenigstens  unklaren 
Ansichten  dürften  wohl  zum  grössten  Theile  darauf  zurückzuführen 
sein,  dass  die  darauf  gerichteten  Untersuchungen  nur  sehr  selten 
an  den  noch  lebenswarmen  Thieren  gemacht  wurden,  sondern  erst 
dann  stattfanden,  wenn  entweder  die  Würmer  für  sich,  oder  diese 
mit  den  sie  beherbergenden  Limgen  schon  mehrere  Tage  aus  ihrem 
Träger  (Schaf)  entfernt  waren.  In  solchen  Fällen,  in  denen  ich 
die  exenterirten  fadenwurmkranken  Lungen  4 — 5  Tage  lang  an  einem 
kühlen  Orte  aufbewahrt  hatte,  fand  auch  ich  in  den  zwar  noch 
lebenden,  aber  bereits  sehr  schwachen,  dem  Tode  nahen,  weiblichen 
Exemplaren  die  hinteren  Enden  der  Uteri,  und  vor  AUem  die 
Vagina,  mit  sehr  agilen,  schalenlosen  Embryonen  bevölkert,  aber 
ich  möchte  diese  Erscheinung  darauf  zurückführen,  dass  die  längere 
Abkühlung  der  an  Körperwärme  gewöhnten  Würmer  und  die 
schädliche  Einwirkung  der  bekanntlich  bald  nach  der  Exenteration 
der  Lungen  beginnenden  Fäulniss  unsere  Nematodenmütter  derart 
schwächen,  dass  sie  nicht  mehr  im  Stande  sind,  willkürlich  die 
Vulva  zu  öffnen  und  den  für  die  Geburt  reifen  Inhalt  heraus- 
zupressen, denn  nie  konnte  ich  bei  den  vielen  Hunderten  von 
trächtigen  Exemplaren,  die  ich  entweder  unmittelbar  nach  der 
Schlachtung  ihrer  Wirthe  untersuchte,  oder  zu  dieser  Zeit  durch 
Einlegen  in  eine  Fixation sflüssigkeit  abtötete,  freie  Embryonen  im 
mütterlichen  Körper  nachweisen,  obschon  der  diesen  umhüllende 
Bronchialschleim  zahlreiche,  den  Eihüllen  entschüpfte  Würmchen 
enthielt. 

Was  endlich  die  Nahrung  des  Strongylus  filaria  betrifft,  so 
glaube  ich,  dass  unser  Thier  ausschliesslich  von  den  dmxh  seinen 
Reiz  desquamirten  Bronchialepithelien  lebt,  denn  ich  fand  nicht  nur 
seinen  Darm  mit  zahlreichen,  den  Bronchialepithelkernen  gleichenden 
Körnchen  angefüllt,  sondern  ich  konnte  auch  in  den  vorderen  Ab- 
schnitten desselben  stets  einen  diese  Körnchen  umgebenden,  proto- 
plasmatischen Hof  nachweisen  und  traf  auch  im  Darmanfange 
wiederholt  noch  vollständig  unveränderte  Epithelzellen  an. 


II.  Specielles. 

a.  CuHcula. 

Als  ein  glasheller  und  überall  durchsichtiger,  elastischer  Schlauch 
überzieht  die  Cuticula  die  ganze  äussere  Leibesfläche  unserer  Würmer 
und  schlägt  sich,  wie  bereits  erwähnt,  in  die  Mundhöhle,  den  Porus 
excretorius,  die  Vulva,  den  weiblichen  After  und  die  männhche 
Kloake  hinein,  nicht  nur,  um  die  an  diesen  Stellen  mündenden 
Organe  eine  Strecke  weit  mit  einer,  äusseren  Einwirkungen  besser 


Strongylns  filaria  R.  271 

Stand  haltenden,  derben  Auskleidimg  zu  versehen,  sondern  auch, 
um  geeignetenfalls  —  so  in  besonders  auffäUiger  Weise  im  Oesophagus, 
an  der  Vulva  und  am  weiblichen  After  —  vermöge  ihrer  elastischen 
Spannung  einen  natürlichen  Verschluss  der  betreffenden  Aus- 
mündungen zu  bewirken. 

Im  Allgemeinen  besitzt  die  Cuticula  eine  gleichmässige,  durch- 
schnittlich 1,5 — 2  //  betragende  Dicke;  nur  gegen  das  hintere  Leibes- 
ende der  Weibchen  erreicht  sie  die  ansehnliche  Wandstärke  von 
11  jM  (Fig.  16  u.  17,  C).  Auf  Querschnitten  lässt  sie  in  ihren  dickeren 
Parthien  drei  concentrisch  angeordnete  Schichten  erkennen  (Fig.  18,  C), 
die  aber  wenig  scharf  von  einander  abgesetzt  sind.  Die  innerste, 
nur  eine  dünne  Lamelle  darstellende  Schicht  zeigt  durch  ihre  sich 
stark  tingirende,  dunkelkörnige  Beschaffenheit  eine  auffallende  Ueber- 
einstünmung  mit  der  später  zu  beschreibenden  Subcuticula,  hebt 
sich  aber  von  dieser  beim  Abreissen  der  Cuticula  (Fig.  18,  a)  mit 
so  grosser  Regelmässigkeit  ab,  dass  sie  der  letzteren  zugerechnet 
werden  muss.  Ihr  liegt  eine,  sie  an  Stärke  um  das  drei-  bis  vier- 
fache übertreffende,  ebenfalls  gekörnte,  aber  viel  hellere  Schicht 
auf,  die  sich  in  nicht  ganz  regelmässigen  Abständen  buckelartig 
erhebt,  und  so  jene  Längskanten  bildet,  welche,  auf  der  Körpermitte 
etwa  15 — 20  //  von  einander  entfernt  liegend,  in  der  ganzen  Länge 
des  Strongylns  filaria  parallel  hinziehen  und  nur  an  den  zugespitzten 
Körperenden  convergiren.  Diese  mittlere  Cuticularzone  wird  endlich 
peripherisch  von  einer  wieder  nur  flachen  Schicht  bedeckt,  welche 
sich  durch  ihr  ausserordentlich  helles,  fast  glänzendes  Aussehen 
auszeichnet,  und  in  sofern  an  der  Bildung  der  Längskanten  Antheil 
nimmt,  als  sie  die  Thäler  sowohl  als  die  leistenförmigen  Vors]3rünge 
der  mittleren  Zone  mit  einem  überall  gleich  dicken  Ueberzuge 
versieht. 

h  u.  c.   Subcuticula  und  Längslinien. 

Die  Subcuticula  (Fig.  28,  Sc)  zieht  als  eine  nur  schwach  ent- 
wickelte, kaum  Vs  (^  dicke  Körnerlage  unter  der  Cuticula  hin  und 
darf,  schon  wegen  ihrer  Uebereinstimmung  mit  der  tiefsten  Cuticular- 
schicht,  als  deren  Matrix  angesprochen  werden.  In  ihrem  lockeren, 
körnigen  Gefüge  sucht  man,  wenigstens  dort,  wo  sie  die  Cuticula 
mit  der  Muskulatur  verbindet,  vergebens  nach  Kernen,  wie  über- 
haupt eine  ihr  eigenthümliche  Strukturirung  nicht  ermittelt  werden 
kann.  Am  vorderen  Leibesende,  wo,  wie  wir  später  sehen  werden, 
die  Körper-Muskulatur  an  das  obere  Schlundende  tritt,  erlangt  die 
Subcuticula  eine  mächtige  Entwickelung  (Fig.  3  u.  4,  Sc).  Indem 
sie  dabei  an  ihrer  Aussenfläche  sechs  in  die  Längsrichtung  des 
Körpers  gestellte,  rillenartige  Einsenkungen  gewinnt  (Fig.  3),  greift 
sie,  von  der  ihr  eng  anliegenden  Cuticula  bedeckt,  in  Gestalt  von 
sechs  hakenförmig  gekrümmten  Wülsten  über  die  Mundhöhle 
(Fig.  1  u.  2,  Lw),  dieser  einen  ovalen  Zugang  freilassend  (Fig.  2,  Mo). 

Ob  die  bei  Querschnitten  in  den  Lippenwülsten  kurz  vor  der 
Mundöffnung  sichtbaren  dunklen,  nicht  scharf  umschriebenen  Flecke 


272  Otto  Augstein: 

(Fig.  2)  nervöse  Tastapparate  darstellen,  oder  ob  sie  als  kernartige 
Bildungen  aufzufassen  sind,  ist  mir  nicht  klar  geworden. 

Mit  Bestimmtlieit  möchte  ich  aber  zwei  am  Schwanzende  des 
Weibchens  angebrachte,  eigenthümliche  Subcuticularbildungen  als 
Tastorgane  in  Anspruch  nehmen.  Es  sind  dieses  nämlich  zwei 
etwa  0,2  mm  vor  der  Schwanzspitze  einander  nicht  genau  gegen- 
überstehende, kegelförmige  Gebilde  (Fig.  17,  Pp),  die  sich  von  den 
hier  mächtig  entwickelten  Seitenfeldern  mit  einer  14  //  breiten  Basis 
erheben,  etwa  7 — 8  ^  weit  in  die  Cuticula  hineinragen,  also  die 
Oberfläche  der  letzteren,  die  hier  ja  11  (i  dick  ist,  nicht  ganz  er- 
reichen und  besonders  in  ihrem  Centrum  eine  eigenthümliche 
Streifung,  sowie  eine  leichte  Einkerbung  ihrer  Kuppe  besitzen.  Sie 
sind  als  von  der  lebenden  Subcuticularmasse  ausgehende  Wucherungen 
zu  betrachten,  welche  der  freien  Körperoberfläche  zustreben,  und 
müssen,  wenn  es  mir  auch  nicht  gelang  eine  sie  versorgende  Nerven- 
faser aufzufinden,  jenen  Papülen  an  die  Seite  gestellt  werden,  welche 
des  öfteren  bei  grösseren  Nematoden  (z.  B.  von  Rohde  [45,  p.  42] 
bei  Ascaris)  beschrieben  wurden.  Ob  diese  beiden  seitlichen  Schwanz- 
papillen  die  einzigen  bei  Strongylus  filaria  vorkommenden  sind, 
bleibt  noch  zu  ergründen;  bisweilen  glaubte  ich  bei  Uebersichtsbildern 
noch  jederseits  2  bis  3  ähnliche,  aber  viel  kleinere  Bildungen  zu 
erkennen,  diese  entzogen  sich  jedoch  wegen  ihrer  Kleinheit  einer 
ControUe  durch  Querschnittuntersuchung. 

Nach  Nematodenart  bildet  auch  bei  unserem  Thiere  die 
Subcuticula  vier  in  das  Körperlumen  hineinragende  Längswülste, 
die,  wenn  man  die  der-  Länge  nach  aufgeschlitzte  und  flächenhaft 
ausgebreitete  Körperdecke  von  der  inneren  Seite  betrachtet,  ebenso 
viele  hohlrinnenartige,  breite  Streifen  begrenzen,  in  denen  die 
Körpermuskulatur  gelegen  ist. 

Von  diesen  Wülsten,  die  althergebrachter  Weise  als  Längs- 
linien bezeichnet  werden,  besitzen  immer  die  einander  diametral 
gegenüberliegenden  je  einen  in  Form  und  Grössenverhältnissen  über- 
einstimmenden Querschnitt. 

Die  in  der  Medianebene  des  Körpers  gelegenen  zwei  Wülste, 
die  Bauch-  und  die  Rückenlinie  (Fig.  18,  Ml),  sind  nur  sehr  schmal, 
höchstens  9  ^  breit,  während  die  zwei  anderen,  welche  die  Seiten- 
flächen unseres  Wurmes  einnehmen  —  die  sogen.  Seitenfelder 
(Fig.  18,  Sf)  — ,  gewöhnlich  das  10  fache  dieser  Breite  besitzen. 

Ihre  Tiefe  schwankt,  je  nachdem  ihr  Dickenwachsthum  durch 
die  Ausbildung  der  Eingeweide  beeinflusst  ist  und  beträgt  z.  B. 
beim  Weibchen  in  der  Körpermitte,  wo  neben  dem  Darm  die  prall 
mit  Geschlechtsproducten  gefüllten  Geschlechts  röhren  das  Körper- 
lumen vollständig  in  Anspruch  nehmen,  nur  etwa  2  //,  während  sie 
weiter  nach  vorn  und  hinten,  wo  der  Geschlechtsapparat  weniger 
Platz  erfordert,  bis  10  //  erreicht.  Im  vordersten  Leibesabschnitt, 
wo  noch  keine  Geschlechtsorgane  vorhanden  sind,  werden  die 
Längslinien  sogar  bis  20  [i  dick.     Beim  Männchen,  das  übrigens  im 


Strongylus  iilaria  R.  273 

Allgemeinen  mehr  Platz  in  seiner  Leibeshöhle  besitzt,  als  das 
Weibchen,  sind  sie  verhältnissmässig  dicker,  durchschnittlich  21,6  //. 

Die  Medianlinien  lassen  wegen  der  Kleinheit  unseres  Objectes 
keine  andere  Eigenthümlichkeit  erkennen,  als  dass  die  körnige 
Struktur  der  Subcuticula,  aus  der  sie  hervorgegangen  sind,  in  ihnen 
eine  mehr  faserige  Beschaffenheit  angenommen  hat. 

Die  Seitenfelder  dagegen  zeigen  auf  Querschnitten  einen  sehr 
characteristischen  Bau.  Gegen  den  freien  Raum  der  Leibeshöhle 
von  einer  ausserordentlich  dünnen,  keine  besondere  Struktur  be- 
sitzenden Membran  überzogen,  die  wohl  als  —  vielleicht  chitinöse 
—  Ausscheidung  der  von  ihr  eingeschlossenen  Körnermasse  auf- 
gefasst  werden  darf,    besitzt  jedes  Seitenfeld  folgende  Einrichtung: 

Peripherisch  liegt  eine,  wegen  ihrer  grösseren  und  dichter  ge- 
lagerten Kömer  ausserordentlich  dunkel  erscheinende  Zone,  die  in  der 
Mitte  ein  8  [j,  weites,  scharf  abgesetztes,  ovales  Lumen  in  sich  ein- 
schliesst  (Fig.  18,  SG).  Es  ist  Letzteres  das  Seitengefäss,  das  stets 
in  seinem  Inneren  eine  geronnene  Excretionsflüssigkeit  erkennen 
lässt.  Jederseits  neben  diesem  Seitengefässe  und  centralwärts  von 
der  stark  tingirten  Zone,  treten  von  Zeit  zu  Zeit  hellere  Flecke  auf, 
in  deren  Centrum  je  ein  8 — 10  ,w  grosser,  ovaler  Kern  mit  ein  bis 
zwei  grossen  Kernkörperchen  liegt  (Fig.  18,  K).  In  der  centralen, 
mit  einer  etwas  feineren  Körnung  ausgestatteten  Parthie  des  Seiten- 
feldes endhch,  und  von  dieser  wiederum  durch  einen  scharfen,  ge- 
wöhnlich kreisnmden  Contur  abgesetzt,  liegt  auf  gleichem  Radius 
mit  dem  Seitengefässe  ein  9  //  dicker  Strang,  den  ich  deshalb  als 
Nervenbahn  ansprechen  möchte,  weil  er  in  der  mannigfachsten 
Weise  verflochtene  Längsfasern  enthält,  so  dass  sein  Querschnitt 
eine  bald  marmorirte,  bald  auch  unregelmässig  gestreifte  oder 
regelmässig  kreuzförmige  Zeichnung  aufweist  (Fig.  18,  N  Str).  Er 
tritt  erst  etwas  hinter  dem  später  zu  erwähnenden  Seitenganghon 
deutlich  in  die  Erscheinung  —  ein  Umstand,  der  noch  besonders 
dafür  spricht,  dass  er  sich  aus  der  Zusammenlagerung  von  dem 
Letzteren  entstammenden  Nervenfasern  gebildet  hat,  —  und  lässt  sich 
in  ziemlich  gleichmässiger  Stärke  bis  gegen  das  Schwanzende  hin 
verfolgen. 

Das  in  der  peripherischen  Zone  verlaufende  Excretionsgefäss 
zieht  zwar  etwas  weiter  nach  hinten,  als  der  Nervenstrang, 
erreicht  aber  auch  seinerseits  nicht  das  hinterste  Köi'perende  unserer 
Thiere.  Beim  Weibchen,  dessen  Schnittserie  man  von  hinten  nach 
vorne  untersucht,  tritt  es,  vielleicht  weil  es  vorher  zu  klein  und 
unauffällig  war,  erst  dort  deutlich  hervor,  wo  etwa  die  hufeisen- 
förmige Knickung  der  hinteren  Schalendrüse  sich  befindet.  Hier 
liegt  es  noch  in  der  centralen  Zone  seines  Seitenfeldes  (Fig.  14,  SG), 
sehr  bald  aber  rückt  es  gegen  die  Aussenfläche  desselben  vor  und 
läuft  dann,  immer  diese  peripherische  Lage  einhaltend,  nach  vorne, 
bis  es  etwa  auf  der  Grenze  des  zweiten  und  letzten  Oesophagus- 
dritttheils  in  stumpfem  Winkel  aus  dem  Seitenfelde  heraus  und  in 
die  Leibeshöhle  hinein  abbiegt  und  hier,  zwischen  Oesophagus  und 

Arch.  f.  Natuigesch.  Jahrg.  1894.  Bd.  I.  H.  3.  18 


274  Otto  Augstein: 

Körpermnsknlatur  hindurcli,  der  Bauclilinie  zustrebt,  um  in  letzterer, 
zusammen  mit  dem  Excretionsgefässe  der  anderen  Seite,  700  (i  hinter 
dem  Kopfende  derart  nach  aussen  zu  münden,  dass  die  Richtung  des 
Mündungsrolires  mit  der  Bauchlinie  einen  nach  hinten  offenen 
Winkel  von  etwa  SO*'  bildet  (Fig.  1,  Pe).  Der  ca.  70  [i  lange  ge- 
meinschaftliche Ausführungsgang  beider  Seitengefässe  ist,  ebenso 
wie  der  weibliche  Mastdarm  und  die  männhche  Kloake,  von  der 
Bauch-  nach  der  Rückenfiäche  des  Wurmkörpers  zusammengedrückt, 
so  dass  die  Porusmündung  eine  ovale  Oeffnung  darstellt,  deren 
kürzester,  2—3  //  betragender  Durchmesser  in  die  Längsaxe,  ihr 
längster,  14  (i  grosser  Durchmesser  aber  quer  zur  Längsrichtung 
des  Körpers  gestellt  ist  (Fig.  7,  Pe). 

Auch  beim  Männchen,  dessen  Porus  excretorius  ca.  550  //  hinter 
dem  Kopfende  liegt,  reicht  das  Seitengefäss  nicht  bis  zum  hinteren 
Leibesende,  sondern  verschwindet  zusammen  mit  dem  Seitenfelde 
ungefähr  0,75  mm  vor  der  Kloakenmündung. 

In  die  stumpfwinkelige  Abbiegung,  in  welcher  der  longitudinale 
Verlauf  des  hinteren  Seitengefässes  in  seine  diagonale,  dem  Porus 
zustrebende  Richtung  übergeht,  mündet  aber  bei  beiden  Geschlechtern 
noch  ein  anderes,  vom  Kopfende  herkommendes  Gefäss,  das,  den 
vorderen  Enden  der  Seitenfelder  angehörig,  sich  bis  über  den 
Nervenring  hinaus  deutlich  verfolgen  lässt  (Fig.  1,  SG).  Demnach 
wird  also  das  ganze  Excretionsgefässsystem  aus  vier  in  den  Seiten- 
feldern belegenen  Gefässen  gebildet,  von  denen  jederseits  ein  kleineres, 
dem  Kopfende  angehöriges  und  ein  grösseres,  vom  Schwanzende 
kommendes  sich  —  beim  $  500  ^,  beim  S  400  ,w  vor  dem  hinteren 
Pharyngealen  de  —  vereinigen,  wonach  sie  mit  dem  gemeinschaftlichen 
Stamme  in  diagonaler  Richtung  zur  Bauchlinie  hinlaufen,  um  zu- 
sammen mit  dem  Stamme  der  anderen  Seite  durch  den  Porus 
excretorius  auszumünden. 

Die  Seitenfelder  selbst  erstrecken  sich  nach  Abgabe  der  diagonal 
gestellten' Gefässstämme,  immer  spitzer  werdend,  nach  vorn,  schliessen, 
wie  wir  später  sehen  werden,  525  //  vor  dem  weibhchen  und  414  //' 
vor  dem  männlichen  Kopfende,  eigenthümliche,  dem  Centralnerven- 
system  zugehörige  Elemente  in  sich  ein,  und  verschmelzen  schliesslich, 
ebenso  wie  die  vorderen  Enden  der  Medianlinien,  mit  den  ebenfalls 
der  Subcuticula  entstammenden  sechs  Lippenwülsten  (Fig.  3  u.  4,  Sc). 

Auffallend  ist  bei  unseren  Thieren,  und  zwar  besonders  bei  den 
Weibchen,  die  Bildung  der  hinteren  Seitenfeldenden,  die  ich  um  so 
mehr  hier  betonen  muss,  als  ich  eine  ähnliche  Einrichtung  noch  bei 
keinem  anderen  Nematoden  beschrieben  gefunden  habe. 

Da  wo  bereits  die  Anfänge  der  Excretionsgefässe  erkennbar 
sind,  also  etwa  beim  Beginne  der  hinteren  Schalendrüse,  treten 
nämlich  in  jedem  Felde  neben  dem  Gefässe  noch  andere  scharf  um- 
schriebene Lücken  in  der  körnigen  Substanz  auf.  Erst  sind  es  ge- 
wöhnlich zwei,  die  seitlich  von  dem  Gefässe  eine  ziemlich  symmetrische 
Lage  haben  (Fig.  14,  L).  Später  wächst  ihre  Anzahl;  sie  gewinnen 
dabei  auch  eine  so  unregelmässige  Form  und  Anordnung,  dass  das 


Strongylus  filaria  ß.  275 

sich  nimmehr  immer  tiefei'  in  die  Leibeshöhle  hineinwölbende 
Seitenfeld  wie  von  einem  ganzen  Lückensysteme  aufgetrieben  er- 
scheint (Fig.  15,  L).  Zugleich  geht  die  körnige  Struktur  des  Seiten- 
feldes in  ein  immer  deutlicher  werdendes  Faserwerk  über,  welches 
für  jenes  Lückensystem  als  Stützgerüst  dient  und  die  nunmehr  in 
durchaus  unregelmässiger  Anordnung  auftretenden  grossen  Kerne 
(Fig.  15,  K)  in  ihrer  Lage  erhält. 

In  solcher  Weise  sind  die  Seitenfelder  bereits  in  der  Höhe  des 
Afters  zu  zwei  stattlichen  ■ —  hier  bis  32,5  ji  tiefen  —  schwamm- 
artigen Wülsten  herangewachsen.  Sie  füllen  hinter  genannter 
Oeffnung  fast  das  ganze  Lumen  des  sich  hier  schnell  zuspitzenden 
Leibes,  lassen  jedoch  noch  einen  eben  genügenden  Raum  für  die 
hinter  der  Mastdarmmündung  der  Bauchlinie  aufliegende  Analdrüse 
übrig  (Fig.  16  u.  17). 

Ob  dieses  merkwürdige  Lückensystem  als  Zuleitungsorgan  für 
die  dann  doch  wohl  als  secretorisch  zu  bezeichnenden  Seitenfelder 
angesprochen  werden  darf,  oder  ob  ihm  selbst  eine  di'üsige  Funktion 
zuerkannt  werden  muss,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  will  hier 
jedoch  einfügen,  dass  Leuckart  (24,  p.  20)  kanalartige  Bildungen, 
die  er  neben  dem  Seitengefässe  in  den  vorderen  Abschnitten  der 
Seitenfelder  von  Sklerostomum  hypostomum  und  Dochmius  fand, 
als  Drüsenschläuche  in  Anspruch  genommen  hat.  Zwar  scheinen 
auch  die  beiden  etwas  vor  der  Analdrüsenmitte  in  je  einer  scharf 
begrenzten  Lücke  ihres  Seitenfeldes  sitzenden  grossen  Zellen,  welche 
mit  ihren  kugeligen,  leicht  granulirten,  16  /^  grossen  Zellenleibern 
je  einen  7,5  //  grossen,  bläschenförmigen,  mit  zwei  Kernkörperchen 
ausgestatteten,  hellen  Kern  umschliessen  und  eine  auffallende 
Aehnlichkeit  mit  den  später  zu  beschreibenden,  allerdüigs  etwas 
grösseren  Endzellen  der  Geschlechtsröhren  zeigen  (Fig  16,  Z),  die 
Annahme  einer  drüsigen  Verrichtung  zu  rechtfertigen,  doch  würde 
es  solcher  Annahme  nicht  entgegenstehen,  wenn  man  die  oben- 
erwähnten Seitenfeldlücken  auch  als  Zuleitungsorgan  für  diese  Drüsen- 
zellen in  Anspruch  nehmen  wollte. 

Ein  Analogon  für  das  in  Frage  stehende  Lückensystem  konnte 
ich  auch  beim  Männchen  von  Strongylus  filaria  nachweisen,  hier  ist 
es  jedoch  nur  verhältnissmässig  kümmerlich  ausgebildet.  Etwa 
0,35  mm  vor  dem  hinteren  Ende  des  Seitenfeldes  nämlich,  etwa 
dort,  wo  sich  die  Retractoren  der  Spicula  an  letzteres  anheften, 
weichen  auch  hier  die  Körnermassen,  unregelmässige  Lückenräume 
zwischen  sich  lassend,  auseinander.  Sie  nehmen  dabei  eine  deutlich 
faserige  Anordnung  an  und  dringen  da,  wo  das  Lückensystem  am 
stärksten  entwickelt  ist,  29  (j  tief  in  das  Körperlumen  hinein,  indem 
sie  einen  wappenformähnlichen  Querschnitt  aufweisen.  Es  sind  also, 
wenn  man  so  sagen  darf,  die  hinteren  Enden  der  männlichen  Seiten- 
felder zu  kolbigen,  ein  schwamm  artiges  Gefüge  besitzenden  An- 
schwellungen aufgebläht. 

18* 


276  Otto  Augstein: 

(l,   Körper niuskulafur. 

Auf  der  Subcuticula  flach  ausgebreitet  und  seitlich  durch  die 
wulstartigen  Seiten-  bezw.  Medianlinien  begrenzt,  zieht  die  Muskulatur 
in  Gestalt  von  vier  nebeneinander  herablaufenden,  langgestreckten 
Muskelfeldern  vom  Kopfe  bis  zum  Schwanzende  hin.  In  der  Leibes- 
mitte erreichen  diese  Muskelfelder  je  eine  Breite  von  etwa  245  ,w 
und  sind,  da  hier  die  Seitenhnien  etwa  68  fj  breit  sind,  die  Median- 
linien aber  nur  8  (z  messen,  derart  gelagert,  dass  zwei  von  ihnen 
der  Bauchfläche,  und  die  beiden  anderen  der  Rückenfläche  zuge- 
hören. Es  entspricht  diese  Anordnung  des  Muskelapparates  der 
ausserordentlich  einfachen  Locomotion  des  Strongylus  filaria,  die 
ja,  wie  wir  gesehen  haben,  hauptsächlich  durch  ein  Krümmen  des 
Leibes  von  der  Bauch-  nach  der  Rückenfläche  bewerkstelHgt  wird. 

Abgrenzungen  von  einzelnen  Muskelzellen,  in  die  jedes  Muskel- 
feld zerfiele,  können  weder  auf  Querschnitten,  noch  an  der  flächen- 
haft  ausgebreiteten  Leibeswand  nachgewiesen  werden,  trotzdem  aber 
muss  aus  den  zahlreich  vorhandenen  Muskelkernen  auf  einen  zelligen 
Aufbau  der  bandartigen  Felder  geschlossen  werden,  wenn  anders 
die  Angaben  Schneider's  (23,  p.  202)  und  Leuckart's  (24,  p.  35), 
dass  jeder  Kern  einer  Muskelzelle  entspräche,  Geltung  behalten 
sollen. 

Die  Bildungszellen  sind  dann  aber  im  vorliegenden  Falle  der- 
art mit  einander  verschmolzen,  dass  ihre  gegenseitigen  Abgrenzungen 
nicht  mehr  nachweisbar  sind.  Unter  dieser  Voraussetzung  besteht 
jedes  Muskelfeld  unseres  Parasiten,  wie  das  auch  bei  den  verwandten 
Formen  der  Fall  ist,  aus  zwei  in  der  Längsrichtung  des  Körpers 
neben  einander  herlaufenden  Zellenreihen,  denn  die  ausserordentlich 
grossen,  bis  22  //  Durchmesser  erreichenden  und  ein  bis  zwei  etwa 
5  fi  grosse  Kernkörperchen  enthaltenden  Muskelkerne  sind  für  jedes 
Feld  zu  einer  Doppelreihe  angeordnet. 

In  histologischer  Beziehung  ist  die  Muskulatur,  wiederum  wie 
bei  vielen  anderen  Strongyliden ,  nach  dem  platymyaren  Typus 
(19,  p.  227)  gebaut,  d.  h.  sie  lässt  eine  die  contractilen  Elemente 
enthaltende  Rindenschicht,  die  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  der 
inneren  Fläche  der  Leibes  wand  (Subcuticula)  aufliegt,  und  eine  dieser 
polsterartig  aufsitzende,  in  die  Leibeshöhle  hinein  vorquellende 
Marksubstanz  unterscheiden.  Die  Rindenparthie  muss  wieder  in  zwei 
verschiedene  Substanzen  zerlegt  werden,  nämlich  einerseits  in  die 
eigentlich  contractilen  Elemente,  welche  als  radiär  gestellte,  bis  13  ,</ 
hohe  und  3  /x  dicke  Bänder  in  der  Längsrichtung  unserer  Thiere 
hinziehen  und  in  ihrem  Verlaufe  mehrfach  anastomosiren ,  und 
andererseits  in  eine  zwischen  diese  Bänder  sich  einschiebende 
Interfibrärmasse,  die  als  Fortsetzung  der  centralen  Marksubstanz 
aufzufassen  ist.  Diese  Letztere  besteht  aus  einem  homogenen 
Hyaloplasma  und  aus  einem  von  regellos  verflochtenen  Fäserchen 
gebildeten  Spongioplasma  und  liefert  den  Sitz  für  die  Muskelkerne. 

Merkwürdiger  Weise  haben  Roh  de  (45,  p.  2)  und  mit  ihm 
Apathy  bei  den  allerdings  cölomyar  gebauten  Ascaris  lumbricoides 


Strongylus  filaria  R.  277 

und  megalocephala  nicht,  wie  Schneider,  Leuckart  und  alle  früheren 
Forscher,  die  in  der  Rindenparthie  belegenen,  bei  den  gewöhnlichen 
Behau dlungs weisen  begierig  Farbstoffe  aufnehmenden  Leisten  als 
contractile  Elemente  in  Anspruch  genommen,  sondern  sie  behaupten, 
diese  seien  die  Fortsetzung  der  centralen  Marksubstanz,  die 
Interfibi-ärmasse ,  und  verlegen  das  eigentlich  Contractile  der 
Muskulatur  in  die  sich  nur  schwer  färbenden  Zwischenräume  jener 
Leisten,  welche  sie  mit  dem  Namen  der  „Muskelsäulchen"  belegen. 
Soll  diese  Ansicht  richtig  sein,  so  müssten,  da  ja  das  Pricip  der 
Muskeleinrichtung  bei  allen  Nematoden  ein  gleiches  ist,  bei  Strongylus 
filaria  die  von  mir  als  radiär  gestellte  und  in  der  Längsrichtung 
des  Thieres  mehrfach  anastomosirende  Bänder  beschriebenen  Elemente 
(Fig.  18,  cR.)  eine  Fortsetzung  der  Marksubstanz  (Fig.  18,  M)  sein, 
während  die  zwischen  ihnen  sich  einschiebenden  und  von  mir  als 
Interfibrärmasse  bezeichneten  Elemente  (Fig.  18,  Jf),  die  gewöhnlich 
nur  schwach  oder  gar  nicht  gefärbt  bleiben,  das  eigentlich  Contractile 
der  Muskelzellen  repräsentiren  würden. 

Dagegen  streitet  aber  nicht  nur  der  Umstand,  dass  meine 
Interfibrärmasse  einen  sehr  deutlichen  directen  Uebergang  aus  der 
Marksubstanz  erkennen  lässt  und  mit  dieser  ein  durchaus  gleiches 
faseriges  Aussehen  und  ein  übereinstimmendes  Färbevermögen  be- 
sitzt, sondern  ich  konnte  auch  an  den  mit  der  Längsrichtung  ihres 
Querschnittes  radiär  gestellten,  leicht  tingirbaren  Bändern  eine  zur 
Körperoberfläche  parallel  laufende  Schichtung  nachweisen,  die  eine 
jede  meiner  Längsmuskelleisten  in  mehrere  (bis  zu  10)  übereinander- 
liegende Fasern  zerlegt  (Fig.  18,  cR).  Da  eine  jede  dieser  Fasern 
auf  dem  Querschnitte  regelmässig  eine  dunkle  Peripherie  und  ein 
etwas  helleres  Centrum  besitzt,  so  möchte  ich  sie  als  die  Muskel- 
primitivbündel (Fibrillen)  in  Anspruch  nehmen  und  das  Zustande- 
kommen ihrer  eigenthümlichen  Anordnung  so  erklären,  dass  die 
Beweglichkeit  unserer  Thiere  mehr  contractile  Elemente  (Fibrillen)  er- 
forderte, als  sich  in  einfacher  Schicht  an  die  Subcuticula  anlegen 
konnten,  und  dieser  Ueberschuss  musste  sich  daher,  damit  der 
platymyare  Typus  bewahrt  blieb,  in  der  Rindenschicht  derart  an- 
ordnen, dass  er  sich  von  Zeit  zu  Zeit  halskrausenartig  in  der 
Richtung  des   Querschnittsradius  hervorwölbte   (Fig.  18,  cR). 

Ohne  Zweifel  besitzen  der  von  Rzewuski  (36)  beschriebene 
Strongylus  paradoxus  und  der  von  Ströse  (41)  bearbeitete  Strongylus 
micrurus  eine  mit  Strongylus  filaria  übereinstimmende  Muskulatur, 
denn  die  Behauptung  Ströse's  (41,  p.  14),  dass  Strongylus  micrurus 
ein  Cölomyarier  sei,  widerlegt  er  selber  dadurch,  dass  er  in  seinen 
Abbildungen  für  jedes  Muskelfeld  14  bis  23  Längsfibrillengruppen 
wiedergiebt,  während  er  andererseits  (p.  14)  behauptet,  jedes  Muskel- 
feld enthielte  nur  2  nebeneinander  herlaufende  Kernreihen.  Ent- 
sprächen seine  Fibrillengruppen  dem  cölomyaren  Typus,  so  müssten, 
da  jede  Zelle  ihren  Kern  besitzt,  in  jedem  Muskelfelde  14  bis  23 
nebeneinander  herlaufende  Kernreihen  vorhanden  sein. 


278  Otto  Augstein: 

Am  Kopfende  werden  die  streifenartigen  Miiskelfelder  des 
Strongylus  filaria  naturgemäss  durch  die  sich  zu  den  dicken  Lippen- 
wülsten entwickelnde  Subcuticula  immer  mehr  von  der  Cuticula  ab- 
und  dem  Oesophagus  zugedrängt.  Indem  sie  dabei  durch  das  Vor- 
dringen der  Subcuticula  erst  eine  Längsriefung  an  ihrer  Aussen- 
fläche  gewinnen  (Fig.  4,  Mr),  lösen  sich  schliesslich  ihre  vordersten 
Enden  in  strahlenartige  Fortsätze  auf,  die  das  vordere  Oesophagus- 
ende  manschettenartig  umgreifen  und  sich  in  der  Höhe  der  trichter- 
förmigen Mundöffnung  an  dessen  äusserer,  hier  noch  sehr  dicker, 
cuticularer  Umkleidung  anheften  (Fig  3,  Mr).  In  solcher  Weise  ist 
unserem  Thiere  Gelegenheit  gegeben,  durch  eine  Contraction  der 
vorderen  Leibesmuskulatur  die  Mundöffnung  zu  erweitern,  während 
der  Verschluss  derselben  auch  hier  an  die  Federkraft  der  eigen- 
thümlich  gebogenen  Cuticulareinstülpung  gebunden  ist  (Fig.  1,  Mr). 

Nach  hinten  verliert  sich  die  Körpermuskulatur  der  Weibchen 
ganz  allmähüg,  und  zwar  verschwinden  die  ventralen  Muskelfelder 
etwa  in  der  Gegend  des  Afters,  während  die  dorsalen  sich  noch 
eine  geringe  Strecke  weiter  nach  hinten  verfolgen  lassen  (Fig.  15,  Mr). 

Beim  Männchen  hingegen  umschliesst  die  Muskulatur  das  ganze 
hintere  Ende  der  Leibeshöhle  und  betheiligt  sich  sogar  noch  in 
hervorragender  Weise  an  der  Bildung  des  den  männlichen  Strongyliden 
eigenthümlichen  Schwanzanhanges,  der  sogenannten  Bursa. 

Da,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Seitenfelder  der  Männchen 
schon  0,75  mm  vor  der  Kloakenöffnung  ihren  hinteren  Abschluss 
finden,  die  Medianlinien  aber  wegen  ihrer  Kleinheit  keinen  wesentlich 
trennenden  Einfluss  auf  die  Längsmuskelstreifen  ausüben  können, 
so  ist  bereits  das  ganze  hintere  Ende  der  Leibeshöhle  von  einem 
continuirlichen  Muskelschlauche  umgeben.  An  diesem  tritt  nun,  je 
weiter  nach  hinten  um  so  mehr,  der  fibrilläre  Theil  gegen  die  sich 
immer  stärker  entwickelnde  Marksubstanz  zuilick.  Aber  auch 
die  Letztere  ändert  ihre  Beschaffenheit  in  sofern,  als  ihr  netzförmiges 
Spongioplasma  immer  engmaschiger  wird  und  am  äussersten  Leibes- 
ende eine  in  Längsstreifen  angeordnete,  feinkörnige  Struktur  gewinnt. 
Dieses  Gewebe,  in  welchem  die  bekannten  Muskelkerne  regellos 
zerstreut  liegen,  zieht  sich  nun  ohne  Abgrenzung  und  unter  voll- 
ständiger Beibehaltung  seiner  histologischen  Einrichtung  in  6  Paare 
von  fingerförmigen  Fortsätzen  aus,  die  von  der  hier  mächtig  ent- 
wickelten und  fächerähnlich  ausgebreiteten  Cuticula  etwa  in  der 
Art  zusammengehalten  werden,  wie  die  einzelnen  Schirmstäbe  durch 
den  Schirmüberzug.  Die  fingerförmigen  Fortsätze,  die  wir  nach 
dem  Vorgange  Schneid er's  (23,  p.  130)  „Bursalrippen"  nennen 
müssen,  bestehen  also,  ebenso  wie  das  hinterste  Leibesende,  aus 
Muskelelementen,  in  denen  im  Gegensatze  zu  der  übrigen  Körper- 
muskulatur noch  keine  Difi'erenzirung  in  contractile-  und  Marksubstanz 
stattgefunden  hat,  die  vielmehr  diese  beiden  Bestandtheile  in 
regelloser  Mischung  enthalten.  Dementsprechend  finden  sich  auch 
in  der  Substanz  der  Bursalrippen  die  Muskelkerne  ebenso  unregel- 


Strong-yhis  filaria  R.  279 

massig  vertheilt  vor,  wie  wir  es  in  dem  Gewebe  des  hintersten, 
noch  ungetheilten  Körperendes   constatiren   konnten   (Fig.  31,   Mk). 

Von  den  Rippen  besitzen  immer  die  im  Verhältnisse  zur  Median- 
ebene des  Körpers  symmetrisch  stehenden  eine  übereinstimmende 
Büdung. 

Die  beiden  Mittleren  —  Costae  posteriores  Schneider  —  bilden 
zunächst  einen  gemeinschaftlichen,  SQfi  langen  und  70  //  dicken  Stamm 
und  repräsentiren  so  gewissermassen  die  hinterste  Leibesspitze,  die 
demnach  durch  das  spätere  Auseinander  weichen  der  Hinterrippen  in 
zwei  Zipfel  ausgezogen  erscheint.  Nach  der  Trennung  verläuft  jede 
Hinterrippe  in  flachem,  nach  der  Medianebene  concavem  Bogen  ca. 
225  //  weit  nach  hinten  und  bildet  an  ihrer  Spitze  drei  knopfförmig 
hervorspringende  und  an  ganz  kurzen  Stielen  sitzende  Knötchen, 
die  auf  Querschnitten  ein  auffallend  dunkelkörniges  Centrum  besitzen 
und  mit  ihrer  streifigen  Struktur  lebhaft  an  die  seitlichen  Schwanz- 
papillen  der  Weibchen  erinnern.  Leider  gelang  es  mir  auch  bei 
ihnen  nicht,  sie  durch  Auffinden  einer  sie  versorgenden  Nervenfaser 
einwandsfrei  als  Tastorgane  zu  characterisiren. 

Rechts  und  links  von  diesen  Hinterrippen  befindet  sich  eigentlich 
ein  Doppelrippenpaar,  d.  h.  jederseits  theilt  sich  ein  54  fi  dicker 
Stamm  nach  einem  47  //  langen  Verlaufe  in  eine  mediane  und  in 
eine  laterale  Rippe.  Von  diesen  so  entstandenen  vier  Rippen  tragen 
die  beiden  medianen  —  Costae  posteriores  externae  Schneider 
(Fig.  27,  Cpe)  — •  an  ihren  Enden  nur  je  eine  knopfförmige  An- 
schwellung, erreichen  auch  nicht  den  freien  Rand  der  Bursa,  sondern 
biegen  sich  etwa  65  (j  vor  demselben  mit  ihren  kolbenförmigen 
Spitzen  gegen  den  Rücken  des  Thieres  um,  so  dass  ihre  Kuppen 
ca.  3  (/  hoch  aus  dem  Niveau  der  äusseren,  convexen  ßursafläche 
heraustreten.  Die  lateralen  dagegen  —  Costae  mediae  Schneider 
(Fig.  27,  Cm)  — ,  deren  Enden  mit  je  zwei  Knöpfen  ausgestattet  sind, 
ziehen  sich  wieder,  wie  die  Hinterrippen,  bis  zum  freien  Bursal- 
rande  hin. 

Seitlich  hiervon  entspringt  mit  einfacher  Wurzel  jederseits  eine 
Rippe,  an  deren  Ende  ich  keine  knopfförmige  Verdickung  ermitteln 
konnte.  Diese  Rippen  —  Schneider's  Costae  anteriores  externae  — 
erreichen  ebenso  wenig,  wie  die  Costae  posteriores  externae  den 
freien  Rand  der  Bursa  und  ragen  wie  diese  mit  ihren  einfachen 
Enden  ca.  3  fi  hoch  aus  dem  Niveau  der  äusseren  convexen  Bursa- 
fläche hervor  (Fig.  27,  Cae). 

Jederseits  neben  dem  After  endlich,  also  am  weitesten  nach 
vorne,  springen  zwei  Vorderrippen  bauchwärts  vor,  die  wegen  ihrer 
54  f/  langen  und  fast  rechtwinkelig  zur  Körperaxe  gestellten  gemein- 
schafthchen  Stämme  wiederum  ein  Doppelpaar  bilden.  Nach  ihrer 
Separation  verlaufen  diese  vier  Rippenäste  in  einem  gegen  das 
Kopfende  concaven  Bogen  nach  vorne,  um  das  über  ihre  einfachen 
abgerundeten  Enden  hinwegziehende,  cuticulare  Schirmdach  seitlich 
bis  vor  die  Kloakenöffnung  auszuspannen  (Fig.  31,  Ca). 


280  Otto  Augstein: 

Da  nun  all  diese  Rippen  je  nach  ihrer  Stellung  auch  die  Form 
des  Bursamantels  —  der  übrigens  an  dem  Ursprünge  der  Mittel- 
rippen die  ansehnliche  Dicke  von  108  pi  besitzt  (Fig.  27,  C),  eine 
Stärke,  die  nach  dem  freien  Rande  bis  auf  7  n  zurückgeht  —  be- 
stimmen, sich  aber  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  nicht  nur  wie 
gespreizte  Finger  mit  ihren  Spitzen  von  einander  entfernen,  sondern 
auch  eine  nach  aussen  schwach  convexe  Bogenform  und  eine  nach 
unten  geneigte,  mit  der  Längsaxe  des  Körpers  mehr  oder  minder 
stmnpfe  Winkel  bildende  Stellung  besitzen,  so  repräsentirt  sich  der 
ganze  Bursalapparat  als  ein  nach  der  Bauchseite  offenes,  oben, 
hinten  und  seitlich  convexes,  baldachinartiges  Gebilde,  zwischen 
dessen  vorderen,  durch  die  Vorderrippen  getragenen  Lappen  die 
männhche  Kloake  ausmündet  (Fig.  31,  B). 

Neben  diesem  merkwürdigen  Schwanzanhange,  von  dem  es  ja 
bekannt  ist,  dass  er  bei  der  Begattung  zum  Anklammern  an  die 
weibliche  Geschlechtsöffnung  benutzt  wird,  besitzen  die  Männchen 
noch  einen  zweiten  Muskelapparat,  der  ihnen  durchaus  eigen- 
thümlich  ist,  und  von  dem  die  Weibchen  auch  nicht  einmal  eine 
Andeutung  erkennen  lassen. 

Schon  bei  Uebersichtspräparaten  erkennt  man  nämlich  an  dem 
hinteren  Leibesende  der  Männchen,  wenn  man  dieses  in  die  Rücken- 
lage gebracht  hat,  zwei  Systeme  schräg  gestellter  Streifen,  die  von 
den  Seitenrändern  des  Wurmkörpers  herkommend,  convergirend 
nach  hinten  laufen  und  in  der  Mittellinie  des  Bauches  fast  rech- 
winkelig auf  einander  stossen.  Querschnitte  lehren  uns  dann,  dass 
wir  es  mit  Muskelzügen  zu  thun  haben,  die  der  Körpermuskulatur 
nach  innen  unmittelbar  aufliegen  und  deren  eines  Ende  an  den 
unteren  Rand  der  Seitenfelder,  bezw.  im  hintersten  Leibesabschnitt 
an  die  Seitenfeldgegend ,  das  andere  an  die  Bauchlinie  angeheftet 
ist.  Histologisch  weichen  sie  in  Nichts  von  der  übrigen  Körper- 
muskulatur ab.  Ihre  diagonalgestellten  contractilen  Fasern  liegen 
unmittelbar  auf  der  Marksubstanz  der  Letzteren  (Fig.  25,  Qu),  während 
ihre  eigene  Marksubstanz  (Fig.  25,  M^)  sich  wieder  polsterartig  in  die 
Leibeshöhle  hinein  vorwölbt  und  den  Sitz  für  die  Muskelkerne  abgiebt. 

Die  Quermuskulatur  bildet  also  nur  eine  in  bandartige  Streifen 
zerlegte,  zweite  Schicht  der  Körpermuskulatur  und  ist  vermöge  ihrer 
eigenthümlichen  Anordnung  zur  Längs muskulatur  vorzüglich  ge- 
eignet, auf  Form-  und  Weitenverhältnisse  des  Hinterleibes  einen 
Einfluss  auszuüben.  Wie  sie  einerseits  das  mannigfachste  Krümmen 
und  Verbiegen  dieses  Körperabschnittes  ermöglicht  und  somit  das 
für  die  Begattung  nothwendige  Anheften  desselben  an  die  Vulva 
des  Weibchens  wesentlich  erleichtert,  so  ist  sie  andererseits  auch 
im  Stande,  durch  Druck  auf  die  Eingeweide  deren  Inhalt  zu  ver- 
schieben; sie  kann  sich  also  auch  in  hervorragender  Weise  an  der 
Ejaculation  betheiligen. 

Wo  bei  unseren  Thieren  noch  andere,  die  inneren  Organe  be- 
einflussende Muskeln  vorkommen,  werden  dieselben  bei  der  Be- 
sprechung der  betreffenden  Organe  berücksichtigt  werden. 


Strongylns  filaria  R.  281 

e.   Verdaunngstractus. 

Durch  die  von  den  sechs  Lippenwülsten  freigelassene,  IS//  breite 
lind  25  ^i  lange,  ovale  Mundöffnung  (Fig.  2,  Mo)  schlägt  sich  die 
äussere  Cuticula  in  die  trichterförmige  Mundhöhle  um,  diese  mit 
einer  1,7  (i  dicken  Chintinauskleidung  versehend. 

Etwa  in  der  Mitte  der  Mundhöhle,  dort,  wo  die  erst  fast  parallelen 
Wände  derselben  convergirend  zu  der  eigentlichen  Trichterform 
abbiegen,  sendet  diese  Chitinauskleidung  eine  zweite,  parallel  zur 
Körperoberfläche  hinziehende  Chitinplatte  ab,  die  etwa  16  //  weit 
ebenfalls  1,7  /<  dick  bleibt,  dann  aber,  nachdem  sie  den  vordersten 
Ausläufern  der  Körpermuskulatur  Ansatz  gewährt  hat,  sich  in  eine 
dünne  Lamelle  auszieht,  welche  den  muskulösen  Pharynx  in  seiner 
ganzen  Ausdehnung  mantelartig  umkleidet.  Die  Verlängerung  der 
trichterförmigen  Chitinplatte  bildet  dagegen  die  innere  Auskleidung 
des  Pharynx.  Sie  bleibt  bis  in  den  Darmanfang  hinein  über  1  // 
dick  und  umschiesst  das  Pharyngeallumen,  welches,  der  Regel  ent- 
sprechend, auch  bei  unserem  Nematoden  einen  dreikantigen,  oder 
besser  gesagt,  dreischenkligen  Querschnitt  besitzt.  Die  drei  Flächen 
der  inneren  Chitinauskleidung  sind  nähmlich  nicht  eben,  sondern 
gegen  das  Centrum  des  Pharyngeallumens  vorgewölbt,  sodass  sie 
fast  überall  zur  Berührung  kommen  und  die  eigentliche  Höhlung 
des  Schlundes  auf  einen  engen,  dreischenliligen  Spaltraum  be- 
schränken. Wie  gewöhnlich,  ist  die  eine  Kante  dieses  Spaltraumes 
gegen  die  Bauchlinie  gerichtet,  während  die  beiden  anderen  Kanten 
schräg  nach  oben  und  aussen  gekehrt  sind. 

Vorerwähnte  centripetale  Hervorwölbung  der  Chitinflächen  hat 
nach  Leuckart  (■24,  p.  47)  den  Zweck,  dass  der  Pharynx,  dessen 
Hohlraum  vermöge  später  zu  beschreibender  Radiärmuskeln  er- 
weitert werden  kann,  sich  durch  eigene  Federkraft  zu  schliessen 
im  Stande  ist. 

Etwa  im  sechsten  Siebentel  seiner  Länge  ist  der  den  Pharynx 
durchsetzende  Kanal  etwas  weiter,  als  vor  und  hinter  dieser  Parthie, 
und  diese  Erweiterung  setzt  sich  besonders  gegen  den  hintersten 
Pharyngealabschnitt  ziemlich  scharf  ab.  Diese  Erscheinung  darf 
wohl  um  so  mehr  als  eine,  wenn  auch  nur  schwache  Andeutung 
des  Pharyngealbulbus  anderer  Nematoden  angesehen  werden,  als 
auch  der  Querschnitt  des  gesammten  Oesophagus  in  dieser  Gegend 
seinen  grössten  Durchmesser  erreicht  (Fig  1,  Oe). 

Zwischen  den  beiden  Chitinschläuchen  nun,  die  sich,  wie  er- 
wähnt, etwa  in  der  Mitte  der  Mundhöhle  von  einander  trennen, 
und  von  denen  der  äussere  den  mantelartigen  Ueberzug,  der  innere 
dagegen  die  centrale  Auskleidung  des  Pharynx  liefert,  ist  die  eigen- 
thümliche  Schlundmuskulatur  ausgespannt.  Diese  besteht  aus  radiär 
gestellten  Fibrillen,  welche  von  der  äusseren  Umkleidung  ausgehend, 
zum  Theil  in  ziemlich  parallelem  Verlaufe  nach  der  Concavität  der 
inneren  Chitinbögen  hinziehen,  zum  Theil  aber,  fächerförmig 
convergirend,  an  die  drei  Kanten  des  Pharyngeallumens  sich  an- 
heften, wo  die  innere  Chintinauskleidung  für  ihre  Insertion  besondere, 


282  Otto  Augstein: 

auf  Querschnitten  spitzen-  oder  knopfförmig  erscheinende  Ver- 
dickungen besitzt  (Fig.  4 — 7,  Oe). 

Während  hiernach  die  letztgenannten  Fibrillenzüge  berufen  er- 
scheinen, das  innere  Chitinrohr  in  seiner  Lage  zu  erhalten,  dienen 
wohl  die  ersteren,  an  die  Concavität  der  Chitinbögen  tretenden, 
dazu,  die  letzteren  abzuflachen  und  dadurch  den  in  der  Ruhe  drei- 
schenkligen  •Spaltraum  zu  einem  ansehnlichen  dreieckigen  Kanäle 
zu  erweitern. 

Die  vorbeschriebene  Anordnung  der  Pharynxmuskulatur  lässt 
uns  den  Vorgang  der  Nahrungsaufnahme  bei  unseren  Parasiten  klar 
übersehen:  Die  von  der  Mundhöhle  aufgefangene  Speise  wird  durch 
die  Contraktion  der  vordersten  parallelen  Schlundmuskelfasern  in  den 
dadurch  erweiterten  Schlundanfang  hineingesogen  und  gelangt  nun 
dadurch  in  den  Darm,  dass  einerseits  durch  peristaltische  Contraktion 
der  folgenden  Pharynxfasern  jenes  Ansaugen  continuirlich  bis  zum 
Ende  des  Schlundes  statthat,  während  andrerseits  das  einmal  auf- 
genommene Material  durch  die  Federkraft  des  inneren  Chitinrohres  — 
die  ja,  entsprechend  dem  gleichfalls  peristaltischen  Erschlaffen  der 
contrahirt  gewesenen  Pharynxmuskeln ,  allmähhch  von  vorn  nach 
hinten  frei  wird  —  immer  weiter  fortgeschoben  wird. 

Doch  nicht  die  ganze  zwischen  den  Chitinschläuchen  belegene 
Pharynxwand  besteht  aus  Muskelfibrillen.  Zwischen  diesen,  und 
zwar  bei  den  parallel  verlaufenden  regelmässig  in  der  Mitte,  bei 
den  fächerartig  convergirenden  dagegen  unregelmässig  angeordnet, 
Hegen  ansehnliche  Spalträume.  Dieselbe  sind  von  einer  grobkörnigen 
Substanz  erfüllt,  in  welcher  von  Zeit  zu  Zeit  scharf  begrenzte, 
14 — 15  n  grosse  und  mit  einem  tief  dunkel  tingirten,  7  [i  messenden 
Kemkörperchen  versehene  Kerne  auftreten. 

Durch  dieses  Verhalten  wird  auch  bei  unserm  Thiere  die 
Ansicht  Leuckart's  (24,  p.  46)  bestätigt,  dass  sich  die  Pharynx- 
muskulatur der  Nematoden  aus  einer  ganzen  Anzahl  von  Zellen 
entwickelt,  die  gleich  den  Körpermuskelzellen  nur  einen  Theil  ihres 
Inhaltes  in  fibrilläre  Substanz  verwandelt  haben,  während  ihre 
körnigen  Ueberreste,  ebenso  wie  dort  die  Marksubstanz,  noch  die 
Zellkerne  enthalten  (Fig.  4,  K). 

Gegen  den  Darm  hin  setzt  sich  der  Oesophagus  scharf  ab  und 
zwar  nicht  nur  durch  das  plötzKche  Aufhören  seiner  eigenthümlichen 
Radiärmuskulatur ,  sondern  auch  dadurch,  dass  sich  sein  äusseres, 
mantelartiges  Chitinrohr  wieder  mit  der  inneren  Chitinauskleidung 
vereinigt  (Fig.  1). 

Wenn  trotzdem  alle  früheren  Forscher  den  Oesophagus  mit 
einer  glockenförmigen  Einstülpung  in  den  Darm  hineinragen  lassen, 
so  findet  diese  irrthümliche  Anschauimg  in  Folgendem  ihre  Er- 
klärung : 

Während  die  äussere,  ebenfalls  chitinöse  Umkleidung  der  Darm- 
wand schon  von  vorneherein  zarter  und  von  schwächeren  Licht- 
brechungsvermögen ist,  als  der  Pharynxmantel,  erstreckt  sich  die 
dicke  innere  Auskleidung   des   Oesophagus  nach  ihrer  Vereinigung 


Strougylus  filaria  R.  283 

mit  dem  eben  erwähnten  Chitinmantel  unter  vollständiger  Beibehaltung 
ihrer  derben ,  cuticularen  Beschaffenheit  noch  ca.  64  //  tief  in  den 
Darmanfang  hinein,  überzieht  hier  die  Innenfläche  der  ersten  Darm- 
epithelzellen imd  schlägt  sich  dort,  wo  dieselbe  durch  Zurücktreten 
ilirer  Protoplasmamasse  einen  napfförmigen,  nach  dem  Kopfende 
hin  concaven  Spaltraum  freilassen,  erst  nach  aussen  und  dann 
kopfwärts  um.  Erst  an  der  tiefsten  Stelle  dieses  Epithelspaltes 
verliert  sie  plötzlich  ihr  stark  glänzendes,  cuticulares  Aussehen  und 
nimmt  eine  matte,  weichere  Beschaffenheit  an,  um  in  dieser 
Eigenschaft  das  ganze  Darmlumen  bis  zum  Beginne  des  Mast- 
darmes auszukleiden  (Fig.  1,  D).  Bei  einer  Dicke  von  etwa  3  // 
zeigt  sie  jetzt  bei  sehr  starker  Vergrösserung  eine  radiärgestellte 
Streifung,  die  wohl  mit  Leuckart  (24,  p.  56)  dahin  erklärt  werden 
kann,  dass  zahlreiche  Porenkanäle  einen  leichten  Verkehr  zwischen 
Speisebrei  imd  Darmzellen  vermitteln. 

Die  Darmzellen,  welche  ausser  der  sie  umschliessenden,  dünnen, 
strukturlosen  Membrana  propria  den  einzigen  Bestandtheil  der  Darm- 
wand repräsentiren ,  sind  vollsaftige  Epithelzellen  mit  feinkörnigem 
Protoplama,  die  so  dicht  an  einander  liegen,  dass  man  bei  jedem 
Querschnitte  4  bis  10  ihrer  ovalen,  bis  24  ^  langen  und  8  [i  breiten, 
mit  ca.  2  (.i  grossen  Kernkörperchen  ausgestatteten  Kerne  antrifft 
(Fig.  8,  Dk).  Eine  Abgrenzung  der  einzelnen  Epithelzellen  konnte 
ich  trotz  der  verschiedensten  Färbeversuche  nicht  nachweisen,  doch 
lässt  die  Anordnung  ihrer  Kerne  darauf  schliessen,  dass  sie  eine 
polyedrische  Form  besitzen  und  nur  in  einfacher  Lage  neben  ein- 
ander stehen.  Hiemach  kann  man  auch  ihre  Dicke,  die  demgemäss 
mit  der  Dicke  der  Darmwand  übereinstimmen  muss,  auf  durch- 
schnitthch  32  ^i  feststellen. 

Der  Mastdarm,  dessen  einfaches,  chitinöses  Rohr  eine  Wand- 
stärke von  1,5  (1  besitzt,  wurde  schon  früher  (cfr.  Allgemeines) 
deshalb  als  cuticulare  Einstülpung  bezeichnet,  weil  er,  als  directe 
Fortsetzung  der  Körpercuticula,  mit  dieser  in  jeder  Beziehung  voll- 
ständig übereinstimmt. 

Beim  Weibchen  strahlen  von  dem  hintersten  Ende  der  dorsalen 
Mastdarmwand,  und  zwar  von  der  Medianlinie  derselben,  fächer- 
förmig nach  hinten  und  vorn  divergirend ,  Faserzüge  gegen  die 
Rückenfläche  des  Wurmes,  welche  derart  nebeneinander  liegen,  dass 
sie  zwei  Platten  bilden,  deren  etwas  convexe  Aussenflächen  an  den 
schwammartigen  Seitenfeldem  vorbeistreifen,  während  ihre  der 
Medianebene  des  Körpers  zugewendeten,  leicht  concaven  inneren 
Flächen  eine  theils  faserige,  theils  feinkörnige  Masse  umschiessen, 
in  welcher  2  oder  3  ansehnliche  Kerne  sich  beobachten  lassen 
(Fig.  15,  Da).  Da  sich  diese  Faserzüge  an  die  zwischen  den  Seiten- 
feldern belegene  Rückenwand  unseres  Parasiten  befestigten,  möchte 
ich  das  ganze  Gebilde  als  einen  Muskelapparat  bezeichnen,  welcher 
ungefähr  die  Gestalt  eines  Ballons  besitzt,  dessen  peripherische 
Theile    in  contractile    Substanz  umgewandelt  sind,    während  seine 


284  Otto  Augstein: 

centrale  Masse  als  übrig  gebliebene  Marksubstanz  die  Kerne  ent- 
hält. Eine  Contraction  der  vorbeschriebenen  Fasern  muss  natürKch 
die  dorsale  Fläche  des  Mastdarmes  gegen  die  Rückenwand  des 
Wurmes  emporheben,  sie  öffnet  also  den  Mastdarm,  und  dieser 
schliesst  sich  wieder  durch  die  Federkraft  seines  Chitinrohres,  so- 
bald jene  Contraction  in  eine  Erschlaffung  zurückgeht. 

Auf  Grund  dieser  Beobachtung  glaube  ich  mich  berechtigt, 
den  fraglichen  Muskelapparat  mit  dem  Namen  Dilatator  ani  zu  be- 
legen und  möchte  hier  darauf  aufmerksam  machen,  dass  auch 
Ströse  (41,  pag.  21  u.  Tab.  III,  Fig.  9)  für  Strongylus  micrurus, 
Stadelmann  (48,  p.  167  u.  Fig.  1)  für  Strongylus  convolutus  und 
Cobb  (Beitr.  z.  Anat.  u.  Ontog.  d.  Nemat.  Inaug.  Diss.  88  p.  25) 
für  Strong.  arcticus  ein  ähnliches  Gebilde  angedeutet  haben. 

/.    Geschlechtsorgane. 

Wie  bei  allen  Nematoden,  findet  auch  bei  Strongylus  filaria 
die  Fortpflanzung  auf  geschlechtlichem  Wege  statt,  und  zwar  werden 
in  besonderen  Organen  des  weiblichen  Körpers  Eier  gebildet,  aus 
denen  sich  die  jungen  Thiere  —  Embryonen  —  entwickeln,  wenn 
sie  vorher  der  Einwirkung  des  männlichen  Samens,  der  seinerseits 
wieder  in  einem  besonderen  Organe  des  männlichen  Individuums 
zur  Ausbildung  gelangt,  ausgesetzt  waren. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Art  der  Entwickelung  und  die  Be- 
schaffenheit des  Sperma: 

Wie  bereits  erwähnt,  beginnt  etwa  4,3  mm  hinter  dem  Kopf- 
ende des  Männchens  ein  schlauchförmiges  Gebilde,  welches  nach 
ziemHch  geradem  Verlaufe  gemeinschaftlich  mit  dem  Chylusdarme 
in  die  Kloake  mündet.  Dieser  Schlauch  ist  an  seinem  vorderen 
Ende  durch  eine  auffallend  grosse,  ca.  20  ii  Durchmesser  besitzende 
Zelle  geschlossen  und  besteht  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  aus 
einer  zarten  Tunica  propria,  welcher  nach  innen  eine  mehr  oder 
minder  ausgebildete  Epithellage  aufsitzt. 

In  dem  vorderen,  der  Endzelle  benachbarten  Abschnitte  der 
Geschlechtsröhre  ist  dieses  Epithel  noch  schwach  entwickelt  und 
lässt  sich  nur  in  den  von  Zeit  zu  Zeit  der  Tunica  propria  nach 
innen  anliegenden  Kernen  erkennen.  Der  Inhalt  dieses  vorderen 
Abschnittes  besteht  aus  einer  gleichmässigen  und  durchsichtigen 
Protoplasmamasse,  in  der  6,5  [i  grosse  Kerne  unregelmässig  zerstreut 
liegen.  Allmählich  aber  ordnen  sich  die  Kerne  derart  an,  dass 
auf  Querschnitten  etwa  12  eine  ringartige  Gruppe  bilden,  welche 
einen  im  Centrmn  der  Röhre  gelegenen,  dunklen  Punkt  lungiebt. 
Wenn  in  diesem  Stadium  auch  noch  keine  Abgrenzung  einzelner 
Zellterritorien  erkennbar  ist,  so  lässt  jene  Anordnung  doch  schon 
darauf  schliessen,  dass  von  dem  Urbildungsplasma  bereits  jedem 
Kerne  eine  bestimmte  Menge  zuertheilt  wurde,  und  dass  diese 
ihren  Kern  umschhessende  Protoplasmamasse  —  die  Ursamenzeile 
—  einer  fadenförmigen  Rhachis  aufsitzt. 


Strongyhis  filaria  R.  285 


abläuft,  dass  einerseits  schon  nacli  ganz  kurzer  Zeit  die  Zahl 
der  auf  einem  Querschnitte  erkennbaren  Ursamenzellen  bis  zu 
30  und  mehr  herangewachsen  ist,  während  andrerseits  in  Folge 
dieser  Vermehrung  der  Ursamenzellen  der  erst  32  (i  betragende 
Durchmesser  der  Geschlechtsröhre  sich  sehr  rasch  bis  über  60  (i 
ausdehnt.  Da  es  nun  dem  Producte  dieser  lebhaften  Theilung 
schwer  sein  dürfte,  an  der  fadenförmigen  Rhachis  eine  hinreichende 
Befestigungsfläche  zu  finden,  so  muss  auch  die  letztere  natürlich 
an  Plächenhaftigkeit  gewinnen,  und  in  der  That  sehen  wir  auch, 
dass  die  Rhachis  sich  in  einer  Ebene  immer  mehr  auszieht,  bis  sie 
die  Gestalt  eines  breiten  Bandes  erlangt.  In  solcher  Weise  halten 
Zellvermehrung  und  Flächenwachsthum  der  Rhachis  gleichen  Schritt. 
Die  lebhafteste  Kerntheilung  finden  wir  etwa  an  jener  Stelle,  wo  die 
Geschlechtsröhre  160//  Durchmesser  besitzt  und  das  leichtgekrümmte 
Rhachisband  einen  90  //  langen  und  21  //  breiten  Querschnitt  er- 
reicht hat  (Fig.  20,  H  u.  Rh).  Hier  lassen  sich  auf  einem  Körper- 
querschnitt weit  über  hundert  bläschenförmige  Kerne  erkennen, 
deren  chromatische  Elemente  eine  eigenthümlich  faden-  oder  keulen- 
artige Anordnung  besitzen,  wie  ich  es  in  Fig.  29  a^^^h  wiederzugeben 
versucht  habe. 

Endlich  erreichen  die  Theilungsprozesse  ihren  Abschluss: 
die  Keimzone  des  Hodens  geht  in  die  Wachsthumszone  über. 
An  der  Grenze  dieser  beiden  Zonen  finden  wir  also  eine  Zell- 
generation, welche  aus  der  Wucherung  der  Ursamenzellen  hervor- 
gegangen ist,  und  welche  Hertwig  (40,  p.  18)  mit  dem  Namen  der 
„Samenmutterzellen"  belegt  hat.  Diese  Zellen  sind  bei  Strongylus 
filaria  ziemlich  gleich  gross,  besitzen  eine  durchschnittliche  Höhe 
von  25  ,M,  eine  Breite  von  13  ,«  und  enthalten  einen  längHchen, 
bläschenförmigen,  17,5  ji  langen  Kern.  Sie  sind  scharf  conturirt 
und  sitzen,  in  einfacher  Schicht  nebeneinanderliegend,  des  Rhachis 
auf,  deren  grösster  Querschnittsdurchmesser  hier  die  Länge  von 
180  //.  erreicht  hat. 

Eine  Zellvermehrung  findet  nun  zunächst  nicht  mehr  statt, 
dagegen  erleiden  die  einzelnen  Samenmutterzellen  eine  wesent- 
liche Aenderung  in  Grösse  und  Beschaffenheit  ihres  Zellkörpers. 
Das  Protoplama  verliert  sein  homogenes,  helles  Aussehn,  in- 
dem sich  kleine  Dotterkörn clien  in  ihm  ablagern.  Der  Zellleib 
nimmt  wesentlich  an  Umfang  zu,  doch  wachsen  die  einzehien  Zellen 
weit  mehr  in  die  Breite,  als  in  die  Höhe.  Später  nimmt,  entsprechend 
der  Breitenzunahme,  die  Höhe  sogar  ein  Wenig  ab,  sodass  auch 
die  Zellkerne  — -  in  denen  sich  übrigens  die  Chromatinkörner  sichtbar 
vermehren  —  eine  rundliche  Form  gewinnen  können  (Fig.  21,  Smz). 
Die  Flächenvergrösserung  der  Rhachis  hält  mit  diesem  Zellen- 
wachsthum  naturgemäss  immer  gleichen  Schritt.  Von  der  Samen- 
röhrenwand eingedämmt,  krümmt  sie  sich  dabei  zunächst  hufeisen- 
förmig, bis  sie  sich  später  nach  Art  einer  Pergamentrolle  einwickelt 
(Fig.  21,  Rh). 


286  Otto  Augstein: 

So  lange  sich  die  Vergrösserung  der  Rhachisfläche  nur  durch 
einfaches  Aufrollen  erkenntlich  macht,  findet  man  auf  jedem  Quer- 
schnitte der  Wachsthumszone  ungefähr  die  gleiche  Anzahl  von 
Samenmutterzellen  (60 — 75)  —  ein  klarer  Beweis,  dass  nur  der 
Umfang,  nicht  aber  die  Zahl  derselben  zugenommen  hat. 

In  den  letzten  Abschnitten  der  Wachsthumszone  liegen  aber  die 
Verhältnisse  etwas  anders.  Die  Rhachis  wird  hier  allmählich  so 
breit,  dass  ihr  Querschnitt  nicht  mehr  dem  Querschnitte  der 
Geschlechtsröhre  entspricht,  sie  wird  vielmehr  in  eine  für  sie  zu 
enge  Röhre  hineingezwängt  und  so  genöthigt,  sich  in  der  mannig- 
faltigsten Weise  zu  krümmen  und  zu  schlängeln.  Da  dieses  Schlängeln 
jedoch  —  wie  man  besonders  schön  an  Längsschnitten  (Fig.  28) 
beobachten  kann  —  eine  gewisse  Regelmässigkeit  erkennen  lässt, 
so  bin  ich  zu  der  Ueberzeugung  gelangt,  dass  die  Rhachis  nicht 
nur  in  die  Querrichtung  des  Samenrohres  wächst,  sondern  auch 
ein  Längenwachsthum  erfährt.  Dieses  Längenwachsthum  hat  aber 
an  den  freien  Rändern  der  Rhachis  schneller  statt,  als  in  ihrer 
Mitte,  und  dadurch  werden  die  freien  Ränder  genöthigt,  sich  nach 
Art  einer  Halskrjmse  zu  fälteln. 

Haben  nun  die  Samenmutterzellen  eine  Grösse  von  25  (i  längstem 
und  21  (i  kürzestem  Durchmesser  erreicht,  so  sind  sie  ausgewachsen, 
lösen  sich  allmählich  von  der  Rhachis  los  und  treten  in  den  Anfangs- 
theil  des  Samenleiters.  Hier  erst  finden  bei  unserem  Parasiten 
jene  Theilungsvorgänge  statt,  welche  nach  Hertwig  (40,  p.  23)  bei 
Ascaris  megalocephala  noch  in  dem  letzten  Ende  des  Hodens  — - 
der  sogenannten  Reife-  oder  Theilzone  des  letzteren  —  vor  sich 
gehen. 

Diese  Theilungsvorgänge  documentiren  sich  nun  in  Folgendem: 
Die  von  der  Rhachis  losgelösten  Samenmutterzellen  erfüllen  dicht 
gedrängt  das  Geschlechtsrohr  und  gewinnen  durch  gegenseitigen 
Druck  einen  regelmässig  sechseckigen  Contur,  so  dass  hier  der 
Durchschnitt  des  Samenleiters  lebhaft  an  eine  Bienenwabe  erinnert. 
Später  werden  die  Samenmutterzellen  fast  kreisrund;  sie  besitzen 
dann  einen  Durchmesser  von  ca.  22  ^  und  lassen  nun  in  ihrem 
durchschnittlich  8  //  grossen  Kerne  die  schönsten  Kerntheilungs- 
figuren  erkennen  (Fig.  22,  Sml).  Dabei  besitzt  die  Aequatorial- 
platte  stets  drei  chromatische  Elemente,  die  sich  entweder  als  drei 
mehr  oder  minder  bogenförmige  Striche,  oder  als  sechs,  den  Durch- 
schnitten dieser  Bögen  entsprechende  Punkte  repräsentiren.  Leider 
lässt  sich  wegen  der  Kleinheit  unseres  Objectes  nicht  deutlich  ver- 
folgen, wie  sich  diese  drei  Aequatorialschleifen  aus  dem  Ruhe- 
zustande des  Kernes  hervorbilden,  ich  kann  nur  vermuthen,  dass  die 
Kerntheilung  auch  hier,  wenn  auch  ausserordentlich  rasch,  in 
gleicher  Weise  eingeleitet  wird,  wie  ich  es  in  der  Keimzone  be- 
obachten konnte,  wo  sich  zunächst  ein  einziger,  in  die  verschiedensten 
Windungen  gelegter  Faden  entwickelte,  der  sich  durch  eine  an 
Knospung  erinnernde  Verästelung  in  zwei  und  drei  getrennte  Elemente 


Stroiigylus  filaria  R.  287 

zerlegte  (Fig.  29,  a^ — h).  Auch  die  aus  der  Aequatorialplatte  hervor- 
gehenden Phasen  der  Kerntheikmg  näher  zu  analysiren,  musste  ich 
wegen  der  Kleinheit  meines  Objectes  und  vorzügHch  wegen  der 
Raschheit  des  Kerntheilungsvorganges  verzichten,  denn  schon  auf 
den  ersten  Schnitten  der  Kerntheilimgszone  fand  ich  fast  sämmtliche 
Kerntheilungsfiguren  vertreten;  ich  muss  es  deshalb  dahingestellt 
sein  lassen,  ob  ich  in  meinen,  nach  lOOOfacher  Vergrösserung  an- 
gefertigten Abbildungen  (Fig.  30,  a — h)  die  richtige  Reihenfolge 
innegehalten  habe. 

Solche  Kerntheilung  findet  nun  im  Anfange  des  Samenleiters 
zweimal  in  gleicher  Weise  und  zwar  in  zwei  ziemlich  dicht  hinter- 
einanderliegenden  Stadien  statt,  so  dass  aus  jeder  ursprünglichen 
Samenmutterzelle  4  Tochterzellen  werden. 

Die  nach  der  ersten  Theilung  gebildeten  Zellen  —  die  Tochter- 
zellen erster  Ordnung  —  sind  zunächst  kleiner  als  ihre  Mütter, 
ca.  15 — 18  (i  im  Durchmesser,  erreichen  aber  bis  zum  Augenblicke 
ihrer  zweiten  Theilung  wieder  die  Grösse  von  21 — 22  [i.  Die  aus 
ihnen  entstehenden  Tochterzellen  zweiter  Ordnung  haben  dann 
wieder  nur  15  ,w  Durchmesser,  bleiben  aber  so  klein  und  wandeln 
sich  nun  direct  in  die  eigentlichen  Samenelemente  um.  Sie  besitzen 
zunächst  keinen  deutlichen  Kern,  sondern  enthalten  das  ihnen  bei 
der  Theilung  zugefallene  Chromatin  über  ihren  ganzen  kugelrunden 
Leib  unregelmässig  zerstreut.  Später  sammeln  sich  diese  Chromatin- 
körner  auf  einen  Haufen  und  bilden  schliesslich  einen  mehr  oder 
minder  stäbchenförmigen  Kern,  der  sich  in  den  nunmehr  wurst- 
förmig  weidenden  Zellen  an  das  eine  Ende  derselben  stellt.  Hier- 
nach verschmächtigt  sich  das  den  Kern  enthaltende  Zellenende  noch 
um  ein  Geringes,  während  das  entgegensetzte  Ende  bauchig  an- 
schwillt, so  dass  die  ausgebildeten  Samenelemente  von  Strongylus  filaria 
eine  Birnform  besitzen,  die,  bei  einem  Längendurchmesser  von  18  //, 
an  dem  bauchigen  Ende  9 — 10  ^m,  an  dem  schmalen,  den  3  [i  langen 
und  1,5  |M  dicken,  strich-  oder  stäbchenförmigen  Kern  tragenden 
Ende  3  ^  dick  sind  (Fig.  31,  Sp). 

Wenn  ich  jenen  Theil  der  männlichen  Geschlechtsröhre,  in 
welchen  die  von  der  Rhachis  losgelösten  Samenmutterzellen  hinein- 
treten, mit  dem  Namen  „Samenleiter"  belegte,  so  bestimmte  mich 
dazu  lediglich  das  Bestreben,  eine  mit  anderen  Nematoden  über- 
einstimmende Bezeichnung  anzuwenden,  denn  nach  Hertwig  (40, 
p.  47  bezw.  48)  gebraucht  man  obigen  Namen  für  denjenigen  Theil 
des  männlichen  Geschlechtsorgans,  in  welchem  eine  Rhachis  nicht 
mehr  vorhanden  ist.  Die  Wand  des  Rohres  zeigt  hier  aber  noch 
keine  Abweichung  von  derjenigen  des  sogenannten  Hodens,  und  erst 
viel  später,  dort  wo  die  Samenelemente  bereits  ihre  definitive  Form 
erlangt  hab  en,  tritt  eine  merkliche  Dickenzunahme  des  Epithelbelages 
ein.  Diese  Dickenzunahme  erfolgt  dann  aber  so  rasch,  dass  wir 
schon  nach  kurzer  Zeit  die  Epithelzellen  als  mächtige,  durchschnittlich 
120  ^t  hohe  und  55  (i  dicke,  gegen  ihre  Nachbarn  ziemlich  deutlich 
abgesetzte,  polyedrische  Protoplasmamassen  finden,  die  je  einen  18  (i 


288  Otto  Augstein: 

grossen,  mit  einem  8  n  messenden  Kernkörperchen  versehenen 
Kern  besitzen,  und  die  das  195  ^a  weite  Lumen  der  Geschlechtsröhre 
auf  einen  nur  noch  sehr  engen  Kanal  beschränken  (Fig.  23,  Epz). 
Die  Epithelzellen  liegen  in  einfacher  Schicht  nebeneinander,  und 
zwar  so,  dass  auf  einem  Querschnitte  bis  12  ihrer  Kerne  gezählt 
werden.  Ihr  Leib,  der  aus  einem  schwammartigen  Spongioplasma 
und  einem  homogenen  Hyaloplasma  besteht,  scheint  eine  Masse  zu 
secerniren,  welche  den  Samenelementen  als  Vehikel  beigemengt 
wird,  denn  man  findet  von  hier  ab  die  Samenkörperchen  in  ein 
homogenes  Bindemittel  eingelagert  (Fig.  23,  Sp). 

In  dem  letzten  Abschnitte  des  Geschlechtsrohres  wird  das  Lumen 
durch  ein  Abflachen  des  Epithelbelages  zunächst  wieder  erheblich 
weiter,  so  dass  wir  diese  Röhrenparthie  mit  der  Samenblase  anderer 
Nematoden  in  Vergleich  stellen  dürfen. 

Nur  das  äusserste  Ende  des  männlichen  Geschlechtsapparates 
besitzt  wieder  einen  dickeren  Zellbelag  und  darf  wohl  deshalb  als 
Ductus  ejaculatorius  bezeichnet  werden,  weil  an  seinem  Epithel  eine 
Abgrenzung  einzelner  Zellen  nicht  mehr  erkennbar  ist,  dieses  viel- 
mehr den  Character  einer  cirkulär  angeordneten  Faserung  besitzt, 
in  welcher  hin  und  wieder  das  Auftreten  von  Kernen  beobachtet 
werden  kann.  Vielleicht,  dass  diese  ringförmige  Faserung  mit  dem 
Herauspressen  des  Sperma  —  welche  Verrichtung,  wie  wir  gesehen, 
ja  zum  Theil  auch  durch  die  Quermuskulatur  des  hinteren  Körper- 
endes bewirkt  werden  kann  —  in  Verbindung  zu  bringen  ist 
(Fig.  24,  De). 

An  der  Mündung  der  männlichen  Geschlechtsröhre  in  die 
chitinöse  Kloake  wird  ihr  Lumen  noch  einmal  ausserordentlich  eng, 
und  hier  will  ich  nachholen,  dass  auch  die  letzten  80  jx  des  männ- 
lichen Chylusdarmes  eine  auffallende  Verengerung  ihres  Innenraumes 
erleiden.  Diese  Erscheinung  wird  durch  folgende  Einrichtung 
hervorgerufen : 

Es  verbinden  sich  nämlich  weder  die  Epithelzellen  der 
Geschlechtsröhre,  noch  diejenigen  des  Chylusdarmes  direct  mit  der 
Kloake,  sondern  die  Mündungen  jener  Organe  senken  sich  in 
vier  mächtige  Zellen  ein,  welche  zusammen  eine  Art  Trichter  dar- 
stellen, der  dann  erst  seinerseits  in  das  trompetenartig  erweiterte 
Anfangsstück  der  Kloake  hineinführt.  Diese  vier  Zellen  sind 
auf  dem  Querschnitte  oval  (Fig.  25,  TrZ),  von  ungefähr  76  ^  längstem 
und  58  |M.  kürzestem  Durchmesser  und  der  Form  nach  kurzen,  dicken 
Birnen  vergleichbar  (Fig.  31,  TrZ).  Ihr  Zellleib  ist  in  dem  gegen 
das  Körperlumen  gerichteten  Grunde  gleichmässig  grob  gekörnt 
und  mit  je  einem  Kerne  von  12//  Grösse  ausgestattet.  Nach  der 
Spitze  hin  wird  die  Körnung  etwas  feiner;  es  ordnen  sich  dabei 
auch  ihre  Protoplasmamoleküle  in  Reihen  an,  welche  zuletzt  so 
deutlich  hervortreten,  dass  die  frei  in  den  Kloakentrichter  hinein- 
ragenden Spitzen  ein  vollständig  zerschlitztes  Aussehen  gewinnen 
(Fig.  25  u.  31,  Tr  Z).  Ob  diese  eigenthümliche  Einrichtung  vielleicht 
ein  mechanisches   Hinderniss   abgiebt,   das  man  mit  einem  Reusen- 


Strongylus  filaria  R.  289 

apparate  vergleichen  könnte  und  die  Aufgabe  hätte,  den  einmal  in 
die  Kloake  hinausgetretenen  Stoffen  —  Sperma  bezw.  Koth  —  ein 
eventuelles  Zurücktreten  zu  versagen,  ist  mir  nicht  klar  geworden, 
denn  so  sehr  auch  der  erste  Eindruck  für  diese  Annahme  spricht, 
scheint  gegen  dieselbe  doch  der  Umstand  zu  streiten,  dass  die  ver- 
hältnissmässig  weichen  Fasern  der  zerschlitzten  Zellspitzen  für  ge- 
nannten Zweck  nicht  resistent  genug  sein  dürften.  Viel  lieber 
möchte  ich  vorerwähnte  Erscheinung  dahin  erklären,  dass  die  vier 
Zellen  ein  Sekret  liefern,  welches  in  Gestalt  jener  Fasern  abgeschieden 
wird.  Weshalb  ich  dann  dieses  Sekret  als  Kitt  und  die  vier  qu. 
Zellen  demgemäss  als  Kittdrüsen  in  Anspruch  nehmen  möchte, 
werde  ich  noch  später  zu  begründen  Gelegenheit  haben. 

Die  weiblichen  Geschlechtsorgane  sind  im  Verhältniss  zu  vor- 
beschriebenem männlichem  Apparate  wesentlich  complicirter  gebaut. 
Gestattet  schon  der  verhältnissmässig  grössere  weibhche  Körper  eine 
mächtigere  Entwickelung  der  eibildenden  Organe,  so  wird  deren 
Flächenhaftigkeit  noch  ganz  besonders  durch  ihre  doppelte  Zahl 
vergrössert.  Beide  Geschlechtsröhren,  über  deren  symmetrischen 
Verlauf  ich  bereits  zu  berichten  in  der  Lage  war,  stimmen  nun  in 
der  Beschaffenheit  sowohl  ihrer  Wand,  wie  ihres  Inhaltes  durchaus 
überein,  so  dass  es  genügt,  hier  nur  die  eine  derselben  zu  berück- 
sichtigen. 

Wie  der  männliche  Geschlechtsapparat,  besteht  auch  sie  aus 
einer  zarten  Tunica  propria  mit  einer  Epithellage,  die  in  den  ver- 
schiedenen Abschnitten  verschieden  stark  entwickelt  ist.  Sie  beginnt 
auch,  wie  Ersterer,  mit  einer  20  (i  grossen,  blassen  Zelle,  die  wie 
eine  Kappe  dem  äussersten  blinden  Ende  aufsitzt,  und  in  deren  11  ,a 
grossem,  bläschenförmigem  Kerne  das  Chromatin  gewöhnlich  an  zwei 
Stellen  angesammelt  gefunden  wird  (Fig.  13  u.  19,  Tz).  Es  ist  diese 
der  Rest  der  Schneider'schen  Terminalzelle  (21,  p.  264),  welche, 
in  fortgesetzter  Theilung  begriffen,  die  Geschlechtsproducte  liefert. 

Letztere  zeigen,  ebenso  wie  beim  Männchen,  ziemlich  scharf 
abgesetzte  Entwickelungsphasen  und  rechtfertigen  nach  dem  Grade 
ihrer  Ausbildung  eine  Eintheilung  der  sie  umhüllenden  Röhre  in 
Eierstock,  Eileiter  und  Gebärmutter. 

Der  Inhalt  des  Eierstockes  besitzt  eine  grosse  Aehnlichkeit 
mit  demjenigen  des  Hodens  und  lässt  gleichfalls  eine  Keimzone 
und  eine  Wachsthumszone  unterscheiden. 

In  Ersterer  tritt  uns  wieder  eine  homogene  und  durchsichtige 
Protoplasmamasse  entgegen,  in  welcher  wandständig  5 — 6  n  grosse 
Kerne  unregelmässig  suspendirt  sind.  Schneller  aber,  und  deutlicher 
gegeneinander  abgesetzt,  werden  hier  jedem  Kerne  die  entsprechenden 
Protoplasmamengen  zuertheilt,  so  dass  wir  sehr  bald  einen  Mantel 
radiärgestellter ,  kernhaltiger  Zellen  die  centrale,  fadenförmige 
Rhachis  umschhessen  sehen  (Fig.  12  u.  13,  Est).  In  diesen  Keim- 
zellen, die  nach  Hertwig  (40,  p.  52)  mit  der  Bezeichnung  „Ureier" 
belegt  werden  dürfen ,  hat  nun  eine  lebhafte  Vermehrung  statt,  doch 

Aich.  f.  Naturgesch.  Jahrg.  1894.  Bd.I.  H.3.  19 


290  Otto  Augstein: 

wächst  hier  nicht,  wie  im  Hoden,  dieser  Vermehrung  entsprechend, 
die  Rhachisfläche,  sondern  diese  bewahrt  ihren  kreisrunden  Quer- 
schnitt, während  die  Theilungsproducte  der  Ureier,  in  mehrfacher 
Schicht  übereinander  liegend,  sich  mit  je  einem  fadenförmigen  Fort- 
satze an  dieselbe  anheften. 

Das  Endproduct  dieser  Ureiervermehrung  —  Hertwig's  „Ei- 
mutterzellen"  oder  „Unreife  Eier"  —  erleidet  nun  in  der  Wachs- 
thumszone  keine  Theilung  mehr,  dafür  aber  erfährt  dasselbe  eine 
Grössenzunahme ,  die  mit  der  entsprechenden  Veränderung  der 
Samenmutterzellen  in  keinem  Verhältnisse  steht.  Durch  reichliche 
Aufnahme  von  Dottermaterial  wachsend,  ♦rdnen  sich  die  Eimutter- 
zellen  sehr  rasch  zu  einer  wieder  einfachen  Lage  und  bilden  dort, 
wo  die  in  ihrem  Anfange  24  [i  dicke  Geschlechtsröhre  einen  Durch- 
messer von  90  [i  erreicht  hat,  gewöhnlich  7 — 8  kegelförmige  Zellen, 
die  wie  riesige  Cylinderepithehen  der  inneren  Eiröhrenfläche  an- 
liegen und  mit  ihren  zugespitzten  Enden  an  die  centrale  Rhachis 
sich  anheften.  Ihre  15  |M  grossen,  bläschenförmigen  Kerne  ent- 
halten ausser  zerstreut  liegenden  Chromatinkörnchen  je  ein  deutliches 
Kernkörperchen.  Da  die  Dotteraufnahme  von  jetzt  an  immer 
reichlicher  stattfindet,  so  wächst  natürlich  auch  die  Dicke  unserer 
unreifen  Eier,  und  zwar  so  beträchtlich,  dass  in  der  etwa  100  n 
dicken  Geschlechtsröhre  nur  noch  drei  oder  höchstens  vier  Eier  auf 
gleichem  Querschnitte  Platz  finden  (Fig.  10,  Est). 

Nunmehr  lockert  sich  der  Zusammenhang  zwischen  den  bis 
dahin  fest  aneinander  haftenden  Eiern,  bis  sie  sich  von  der  Rhachis 
loslösen  und  in  jenen  Theil  der  Geschlechtsröhre  eintreten,  den  wir 
wegen  des  Fehlens  einer  Rhachis  mit  dem  Namen  „Eileiter"  belegen 
müssen  (Fig.  11,  El).  Hier  liegen  die  Geschlechtsproducte  als  mem- 
branlose Dotterklimipen  unregelmässig  nebeneinander  und  nehmen 
durch  gegenseitigen  Druck  die  verschiedensten  Formen  an.  Wegen 
ihrer  durch  die  aufgespeicherten  Dotterkörnchen  trüben  und 
undurchsichtigen  Beschaffenheit  vermag  man  nicht  mehr  zu  erkennen, 
welche  Bewegungsvorgänge  in  ihrem  Inneren  statthaben;  nur  ein 
schöner,  bläschenförmiger,  9 — 10  [i  grosser  Kern,  in  dessen  zier- 
lichem Gerüst  ausser  einer  grösseren  Chromatinanhäufung  ein 
3  (i  grosser  Nucleolus  hervortritt,  kann  durch  Querschnitte  festgestellt 
werden  (Fig.  11,  K). 

Gegen  die  Umschlagstellen  der  Geschlechtsröhre  hin  reihen  sich 
die  Eimutterzellen  in  einfacher  Schicht  hintereinander,  wobei  sie  sich 
mit  ihren  flachen,  zur  Längsaxe  des  Eileiters  etwas  schräg  ge- 
stellten Endflächen  wie  die  Stücke  einer  Geldrolle  '  zusammen  legen 
(Fig.  1,  E).  In  solcher  Weise  wird  es  erreicht,  dass  jedes  Ei  einzeln 
die  mit  einem  eigenthümlichen  Epithelbelage  ausgestattete  und 
früher  bereits  als  „Schalendrüse"  angesprochene,  hufeisenförmige 
Umschlagstelle  des  weiblichen  Geschlechtsapparates  passirt. 

Es  muss  hier  nachgeholt  werden,  dass  die  Wand  der  Geschlechts- 
röhre im  Bereiche  des  Eierstockes  und  des  Eileiters  nur  aus  einer 


Stroiig-ylus  ülaria  R.  291 

einfachen  und  dünnen  Membrana  propria  zu  bestehen  scheint  und 
dass  ein  event.  Epithelbelag  lediglich  aus  den  von  Zeit  zu  Zeit 
auftretenden ,  dieser  Membran  eng  anliegenden  Kernen  vermuthet 
werden  kann. 

Etwa  0,9  mm  vor  der  Umschlagstelle  jedoch  ändert  sich 
das  frühere  Verhalten.  Immer  deuthcher  tritt  eine  einfache 
Lage  polyedrischer ,  kernhaltiger  Belagzellen  hervor,  und  bereits 
325  |M  vor  der  Umschlagstelle  hat  diese  Epithellage  die  ansehnliche 
Dicke  von  21  //  erlangt,  so  dass  sie  eine  nicht  unbedeutende  Quer- 
schnittsverminderung des  Röhrenlumens  bedingt  (Fig.  14,  Sdr).  Dabei 
ist  jede  der  vollsaftigen  Epithelzellen  ziemlich  scharf  gegen  ihre 
Nachbarin  abgesetzt.  Sie  besitzt  ein  feinkörniges,  in  der  Umgebung 
des  7  //  langen  und  4  fi  breiten,  ovalen  Kernes  etwas  dunkler  ge- 
kröntes Protoplasma.  Ganz  besonders  entwickelt  sind  diejenigen 
Zellen,  welche  etwa  750  ^  hinter  der  Knickung  den  absteigenden 
Schenkel  der  Umschlagstelle  in  einer  ungefähren  Ausdehnung  von 
100  fi  tapezieren.  Diese  Epithelzellen  sind  scharf  von  einander  ge- 
trennt; sie  verbinden  sich  gegenseitig  nur  mit  ihren  22  //  breiten 
basalen  Endstücken  und  hängen  mit  ihren  schlanken,  protoplasma- 
reichen Zellleibern  zottenförmig  bis  54  (i  weit  in  das  Röhrenlumen 
hinein,  wobei  ihre  freien  Spitzen  leicht  gegen  die  Körpermitte  ge- 
neigt sind  (Fig.  1,  Epz).  Ihr  scharf  conturirter,  bläschenförmiger 
Kern  ist  gewöhnlich  mehr  der  Basis  als  der  Spitze  angenähert  und 
von  einem  besonders  dunklen  Hofe  umgeben. 

Ungefähr  0,8 — 0,9  mm  hinter  der  Umschlagstelle  bildet  sich 
der  Epithelbelag  sehr  schnell  wieder  zurück,  so  dass  die  hier  be- 
findhche,  bhndsackartige  Ausbuchtung  der  Geschlechtsröhre  wieder 
eine  gieichmässige ,  durchschnittlich  10^  dicke,  kernhaltige  Aus- 
kleidung zeigt  (Fig.  10,  Rs). 

Ohne  Zweifel  dient  die  vorbeschriebene  epitheliale  Einrichtung 
dazu,  die  hier  passirenden  Eier  mit  dem  zur  Schalenbildung  noth- 
wendigen  Material  zu  versehen,  denn  schon  im  Anfange  des  Uterus, 
der  an  die  erwähnte  blindsackartige  Ausbuchtung  sich  anschliesst, 
finden  wir  die  Geschlechtsproducte  je  mit  einer  scharf  ausgeprägten 
Umhüllungsmembran  ausgestattet.  Trotzdem  muss  übrigens  ange- 
nommen werden,  dass,  wenn  auch  das  Bildungsmaterial  in  der 
Schalendrüse  geHefert  wird,  die  eigenthche  Entwickelung  der  Schale 
erst  im  Anfange  des  Uterus  statthat,  denn  die  Befeuchtung,  d.  i. 
die  Einwirkung  des  männlichen  Samens  auf  das  Ei,  findet,  wie  wir 
sogleich  sehen  werden,  zwischen  der  Schalendrüse  und  dem  Uterus, 
in  der  wiederholt  angeführten  blindsackartigen  Ausbuchtung  der 
Geschlechtsröhre  statt,  und  ein  Eindringen  der  Samenelemente  in  das 
Ei  wäre  schlechterdings  unmögKch ,  wenn  die  Schale  schon  vorher 
fertig  gebildet  wäre. 

In  dem  Bhndsacke  (Fig.  10  u.  1,  R  s)  besitzen  die  Eier,  die  hier 
gewöhnlich  nur  einzeln  angetrofi'en  werden,  eine  ovale  Form,  auch 
ist  ihre  Begrenzung  schärfer  und  glatter,  als  wir  es  im  Eileiter 
constatiren    konnten  (Fig.  10  u.  1,  E).    An    dieser    Stelle    tritt    uns 

19* 


292  Otto  Augstein: 

auch  die  Thatsache  entgegen,  dass  die  Eier  nicht  den  einzigen 
Inhalt  des  weiblichen  Geschlechtsapparates  ausmachen.  Zahllose 
Samenelemente  bilden  einen  ständigen  Inhalt  des  Blindsackes 
(Fig.  10,  Sp)  und  finden  sich  hier  auch  dann  vor,  wenn  zufällig 
kein  Ei  vorhanden  ist.  Es  ist  demnach  gerechtfertigt,  diese  eigen- 
thümliche  Ausbuchtung  als  Receptaculum  seminis  in  Anspruch  zu 
nehmen.  Weiter  aber  liefert  dieser  Umstand  auch  den  Beweis, 
dass  die  Samenkörperchen  mit  einer  eigenen  Bewegung  ausgestattet 
sind,  denn  von  der  Vulva  bis  zum  Receptaculum  ist  ein  weiter 
Weg,  und  Nichts  spricht  dafür,  dass  die  kleinen  Körperchen  durch 
fremde  Kräfte  in  das  Receptaculum  gelangten.  Eine  selbstständige 
Bewegungsfähigkeit  der  Samenelemente  muss  übrigens  um  so  mehr 
angenommen  werden,  als  ihre  Wanderung  gegen  die  Richtung  der 
Eibewegung  stattfindet.  Dass  dabei  das  Ziel  dieser  Wanderung  stets 
das  Receptaculum  seminis  bleibt,  darf  wohl  ohne  Zwang  dadurch 
erklärt  werden,  dass  die  zottenförmigen  Epithelien  der  Schalendrüsen- 
mündung  entweder  durch  ihre  der  Samenwanderung  entgegengesetzte 
Neigung,  oder  durch  eine  besondere  Affinität  ihres  Inhaltes  zu  den 
Samenelementen,  ein  weiteres  Vordringen  verhindern.  Hin  und 
wieder  freilich  werden  zwischen  den  letzten  Epithelzotten  einzelne 
verirrte  Samenkörperchen  angetroffen,  allein  im  Innern  der  Schalen- 
drüse selbst  wii'd  man  stets  vergebHch  darnach  suchen. 

Durch  einen  kleinen  Engpass  gelangen  nun  die  Eier  aus  dem 
Receptaculum  seminis  in  den  weitaus  geräumigsten  Theil  der 
Geschlechtsröhre,  in  den  Uterus  (Fig.l,llu.l9,U),  in  dem  sie  so  weit 
ausgebildet  werden,  dass  sie  beim  Uebertritt  in  die  Vagina  unter- 
halb ihrer  zarten,  dünnwandigen  Schale  bereits  einen  fertigen,  mit 
eigener  Bewegung  ausgestatteten  Embryo  enthalten  (Fig.  19,  E). 

Das  Epithel  des  Receptaculum  zieht  sich  nur  eine  ganz  kurze 
Strecke  weit  deutlich  erkennbar  in  die  Gebärmutter  hinein.  Später 
flacht  es  sich  ab,  und  zwar  in  solchem  Masse,  dass  es,  wie  im 
Eierstock  und  Eileiter,  nur  durch  die  hin  und  wieder  der  inneren 
Tunica  propria-fläche  anliegenden  Kerne  ihre  Anwesenheit  kund- 
giebt.  Ueberhaupt  ist  der  grösste  Theil  der  Uteruswand  so  dünn, 
dass  auf  Querschnitten  an  ihr  trotz  lOOOfacher  Vergrösserung  nur 
eine  einfache  Lage  zu  beobachten  möglich  ist  (Fig.  11,  U).  Wenn 
demnach  bei  unserem  Parasiten  der  Uterus,  wie  bei  anderen 
Strongyhden,  mit  einer  Muskellage  überzogen  sein  sollte,  so  kann 
diese  nur  ausserordentlich  schwach  entwickelt  und  wenig  wirkungs- 
kräftig sein.  Das  Vorwärtsschieben  der  Eier  muss  unter  solchen 
Umständen  theils  durch  die  vis  a  tergo,  theils  und  hauptsächlich 
aber  durch  die  Thätigkeit  der  Körpermuskulatur  vermittelt  werden. 

In  der  Nähe  der  Uebergangsstelle  zur  Vagina  tritt  die  epitheliale 
Auskleidung  des  Uterus  wieder  deutlicher  hervor.  Immer  mächtiger 
werdend,  dringt  sie  zapfenartig  in  das  Lumen  hinein  (Fig.  19,  U),  bis  sie 
am  Ende  von  vier  mächtigen,  scharf  conturirten  Epithelzellen  gebildet 
wird.    Diese  Epitheilzellen  sind  auf  Querschnitten  38 — 45  (i  lang,  25 


Strongylus  filaria  R.  293 

bis  29  //  breit  und  je  mit  einem  ovalen,  12  //  langen  und  9  (i 
breiten  Kern  versehen,  der  ein  bis  zwei  Kernkörperchen  einschliesst. 
Aussen  werden  sie  sehr  bald  von  einer  etwa  7  n  breiten  Ringfaserschicht 
umlagert  (Fig.  12  u.  19,  Rm),  welche  sie  buckelartig  in  das  Röhren- 
lumen hineinschiebt,  so  dass  der  Durchschnitt  desselben  auf  einen 
engen,  vierzipfeligen  Spaltraum  beschränkt  wird  (Fig.  12,  Epz).  Die 
Ringmuskelschicht  wird  ihrerseits  noch  von  einer  sie  um  das  Drei- 
fache an  Dicke  überragenden,  körnigen  Substanzlage  umgeben, 
welche  in  ihren  centralen  Parthieen  eine  radiär  angeordnete  Textur 
besitzt  und  wegen  der  in  ihrem  peripherischen  Theile  belegenen, 
bläschenförmigen  Kerne  als  die  zur  Ringmuskulatur  gehörige  Mark- 
substanz angesehen  werden  darf  (Fig.  12,  M-**).  In  solcher  Weise 
wird  an  dieser  Stelle  ein  kräftiger  Sphincter  erzeugt,  welcher  nach 
Art  eines  Muttermundes  den  Uterus  gegen  die  Vagina  abzuschliessen 
im  Stande  ist. 

Hinter  diesem  Orificium  bildet  sich  die  Muskelschicht,  imd  vor 
Allem  die  Marksubstanz  derselben,  wieder  sehr  zurück,  so  dass  die 
Vagina,  welche  übrigens  mit  einer  kräftigen  Epithellage  ausgestattet 
bleibt  (Fig.  13  u.  19,  V),  nur  noch  von  einer  verhältnissmässig 
dünnen  Ringmuskulatur  umgeben  ist  (Fig.  13,  Rm).  Nur  an  der 
ventralen  Wand  der  Scheide  treten  die  Muskelfasern  zu  kräftigen 
Bündeln  zusammen,  die  zuletzt  einen  longitudinalen  Verlauf  ein- 
schlagen und  fächerartig  in  die  wulstigen  Vulvahppen  einstrahlen 
(Fig.  19,  Va  M),  um  dadurch  eine  Einrichtung  herzustellen,  die  vor- 
züglich geeignet  ist,  bei  dem  Geburtsact  den  durch  die  elastische 
Chitineinstülpimg  verschlossen  gehaltenen  Vulvaspalt  in  genügender 
Weise  zu  öffnen. 

{/.    BegattungsapparaU 

Beim  Männchen  lernten  wir  schon  in  der  Bursa  ein  Gebilde 
kennen,  welches  dem  Hinterleibe  die  Möglichkeit  bietet,  sich  über 
die  weibliche  Geschlechtsöffnung  zu  stülpen  und  sich  für  die  Dauer 
des  Begattungsactes  an  den  Körper  des  Weibes  anzuklanamern. 

Nicht  minder  wichtig  für  die  Begattung  sind  aber  auch  die 
Spicula,  zwei  derbe  Chitinbildungen,  welche  durch  die  Vulva  in  die 
Scheide  eingestossen  werden,  um  deren  Eingang  für  den  Uebertritt 
des  männlichen  Geschlechtsproductes   klaffend  zu  erhalten. 

Ueber  die  äussere  Form  der  Spicula  habe  ich  den  ausführlichen 
Beschreibungen  von  Nörner  (27,  No.l)  und  Koch  (30,  p.22)  Nichts 
weiter  hinzuzufügen,  als  dass  ihre  hinteren  Enden  für  die  Anheftung 
von  Muskeln  in  rauhe  Zacken  und  Vorsprünge  zerklüftet  sind.  Der 
weitere  Bau  derselben  ist  jedoch  bisher  stets  falsch  beurtheilt 
worden,  wahrscheinlich  weil  die  spröde  Beschaffenheit  ihres  Materials 
das  Anfertigen  von  Querschnitten  ausserordentlich  schwierig  macht. 
Nörner's  Behauptung,  „die  Spicula  seien  röhrige  Organe"  ist 
nämlich  nur  bedingt  zutreffend,  denn  nur  sein  „gefächertes  Gewebe" 
repräsentirt  eine  Röhrenwand,  die  Höhlung  der  letzteren  ist  jedoch 


294  Otto  Augstein: 

vollständig  nocli  von  einer  homogenen,  schwach  tingirbaren  Masse 
ausgefüllt,  die  der  noch  nicht  differenzirten  Bursalrippenmuskulatur 
gleicht  und  zweifelsohne  als  chitinogene  Matrix  der  harten  Spikula- 
theile  fungirt  (Fig.  25,  Mx).  Das  sogenannte  „gefächerte  Gewebe"  — 
eine  ausserordentlich  derbe,  dunkelbraune  Chitinmasse,  die  dadurch 
ein  sehr  zierliches,  netzähnliches  Maschenwerk  repräsentirt,  dass  sie 
sich  in  der  mannigfaltigsten  Weise  verästelt  und  die  Aeste  wieder 
verschmelzen  lässt,  um  stets  wieder  neue  Aeste  auszusenden,  —  ist 
ebenfalls  nicht  einfach  blattartig  aufgerollt  (cfr.  Koch,  30,  p.  25), 
sondern  es  bildet  zwei  in  einander  steckende  Lagen,  von  denen  die 
äussere  durch  bestimmte  Faltenbildungen  einen  entscheidenden 
Einfluss  auf  die  Form  der  Spicula  ausübt.  An  der  Spitze  der 
Letzteren,  sowie  vor  den  von  Nörner  beschriebenen  Anschwellungen, 
erscheinen  nämlich  auf  Querschnitten  beide  Lagen  als  zwei  eng 
aneinander  haftende,  concentrische  Ringe,  auf  der  Höhe  der  eben- 
erwähnten Anschwellungen  aber  hat  sich  die  äussere  Lage  derart 
von  der  inneren  abgehoben,  dass  sie  zwei  Falten  bildet,  die  unter 
leichter  Neigung  gegen  die  Medianebene  bauchwärts  sowohl  wie 
rückenwärts  bis  18  ,w  weit  vorspringen  und  an  ihrer  äussersten 
Kante  einen  spitzen  (ca.  15 — 20°  grossen)  Winkel  bilden  (Fig.  26,  Spc). 
Ein  Stück  hinter  den  vorerwähnten  Falten  verliert  sich  die  innere 
Chitinlage  ganz  allmählich  (Fig.  25,  G  G),  während  gleichzeitig  das 
hintere,  jetzt  fast  nur  aus  der  äusseren  Chitinplatte  bestehende  Spicula- 
ende  sich  nicht  mehr  zu  einer  vollständigen  Röhre  schliesst,  sondern 
«^'  gegen  die  Seitenfläche  des  Wurmes  hohlrinnenartig  öffnet.  Dabei 
erkennt  man  zugleich,  dass  durch  diesen  Spalt  dieMarksubstanz  der 
später  zu  beschreibenden  Retractores  spiculorum  in  die  Spicalamatrix 
übergeht  (Fig.  24,  Mx).  Natürlich  werden  auch  die  bereits  erwähnten, 
der  Muskelanheftung  dienenden,  hinteren  Zacken  und  Vorsprünge 
der  Spicula  lediglich  durch  die  äussere  Chitinlage  gebildet. 

Durch  diese  Muskelanheftung  und  durch  den  Uebergang  der 
Retractorenmarksubstanz  in  die  Matrix  der  Spicula  sind  also  die 
hinteren  Enden  der  letzteren  festgelegt,  während  ihre  ganze  übrige 
Masse  frei  beweglich  in  einer  als  Ausstülpung  der  dorsalen  Kloaken- 
wand entstandenen,  chitinösen  Scheide  liegt.  Diese  Scheide  ist,  der 
Zweizahl  der  Spicula  entsprechend,  in  ihrem  distalen  Abschnitte 
doppelt  vorhanden  (Fig.  25,  Seh);  nach  der  Kloake  hin  verliert  sich 
jedoch  der  ventrale  Theil  ihrer  gemeinschaftlichen  Scheidewand,  so 
dass  bei  eingezogenen  Spicula  die  „Anschwellungen"  derselben  be- 
reits in  einer  zwar  noch  zweitheiligen,  aber  schon  an  der  Bauch- 
seite communicirenden  und  daher  gemeinschaftlichen  Röhre  liegen 
(Fig.  26,  Seh).  Der  übrig  gebliebene,  von  der  dorsalen  Wand  der 
Spiculascheide  herabhängende  Theil  der  Scheidewand  wird  dort,  wo 
die  Spiculatasche  in  die  Kloake  einbiegt,  besonders  dick  und  schliesst 
hier  ein  hornartiges  Skelettstückchen  in  sich  ein  (Fig.  26,  Seh  W), 
welches  ohne  Zweifel  dazu  bestimmt  ist,  die  Wand  hier  besonders 
widerstandskräftig  zu  machen  und  die  Spicula,  wenn  sie  h.ervor- 
geschoben  werden,  nebeneinander  herauszuleiten. 


Strongylus  filaria  R.  295 

Von  den  zum  Begattungsapparate  gehörigen  Muskeln  hob  ich 
bereits  hervor,  dass  je  einer  sich  an  das  hinterste  Spiculaende  be- 
festigt. Ein  Theil  seiner  Fasern  strahlt  aber  auch  in  die  Aussen- 
fläche  des  Scheidengrundes  ein,  und  dieser  Insertion  sowohl,  wie 
der  übrigen  Anordnung  seiner  histologischen  Elemente  entsprechend, 
muss  er  als  Retractor  spicuh  angesehen  werden.  Seine  zwei 
Wurzeln  kommen  nämlich  von  dem  hintersten,  kolbigen  Ende  des 
gleichseitigen  Seitenfeldes  her,  an  dem  sie  dorsal  und  ventral  ent- 
springen. Sie  lassen  sehr  bald  eine  Differenzirung  in  peripherisch 
gelegene  contractile-  und  central  befindliche,  kernhaltige  Mark- 
substanz erkennen,  und  bilden  nach  ihrer  Vereinigung  einen  Hohl- 
muskel, dessen  peripherisch  gelagerte  Fasern  einen  von  vorn  und 
aussen  nach  hinten  und  innen  gerichteten  Verlauf  nehmen  und 
durch  ihre  Verkürzung  den  Scheidengrund  und  mit  demselben  das 
entsprechende  Spiculum  gegen  das  Kopfende  zurückziehen  können. 
Dass  die  central  gelegene  Marksubstanz  dieses  Hohlmuskels  sich 
continuirlich  in  den  Innenraum  seines  Spiculum  hineinzieht,  um  hier 
die    Spiculamatrix    zu    bilden,     habe    ich    bereits    hervorgehoben. 

Gleichsam  als  Verlängerung  dieser  Retractoren  laufen  dann  auf  der 
Aussenfläche  der  ganzen  Scheide  Längsfasern  hin,  deren  Marksubstanz 
nach  aussen  hervorgequollen  ist  (Fig.  24  u,  25,  M-),  und  die  durch 
ihre  Verkürzung  im  Stande  sein  dürften,  die  Scheide  selbst  harmonika- 
artig zusammenzufälteln  und  dadurch  die  Spicula  erheblich  gegen 
die  Kloakenöffnung  vorzutreiben.  Diese  Wirkung  wird  noch  in 
hervorragender  Weise  dadurch  unterstützt,  dass  die  betreffenden 
Längsfasern  etwas  vor  der  Scheidenmündung  in  die  Kloake  zu  drei 
Muskelbündeln  sich  vereinigen,  die  sich  von  der  dorsalen  Scheiden- 
wand abheben  und  den  freien  Raum  der  Leibeshöhle  der  Art 
durchqueren,  dass  der  mittelste  unpaare  Zug  schräg  nach  hinten 
und  oben  (Fig.  31,  Pr  Spc),  die  beiden  anderen  aber  schräg  nach 
hinten  und  unten  hinlaufen  (Fig.  31),  um  schliesslich  mit,  der  hintersten 
Leibesmuskulatur  zu  verschmelzen.  Es  sind  also  wie  ich  hier 
hervorheben  möchte,  auch  die  Protractores  spiculorum  nicht,  wie 
man  früher  annahm,  direct  an  die  flügeiförmigen  Fortsätze  (Nörner's 
Anschwellungen)  der  Spicula  angeheftet,  sondern  sie  sind  nur  im 
Stande  einen  Einfluss  auf  die  Verschiebung  bezw.  Fältelung  der 
Spicu lasch eide  auszuüben.  Die  Spicula  werden  also  lediglich 
durch  eine  Verkürzung  ihrer  Scheide  hervorgeschoben. 

Ueber  die  histologische  Beschaffenheit  des  weiblichen  Begattungs- 
apparates, welchem  wir  nur  die  Vulva  und  vielleicht  noch  einen 
Theil  der  Vagina  zurechnen  dürfen,  ist  mir  Nichts  mehr  zu  er- 
wähnen übrig  geblieben,  doch  sei  es  mir  gestattet,  noch  eine  auf- 
fallende Beobachtung  hier  einzufügen. 

Bei  vielen  den  Bronchien  entnommenen  Weibchen  Hess  sich  bei 
ihrer  Reinigung  vom  Bronchialschleim  ein  kleines,  ihrer  Vulva  an- 
haftendes Klümpchen  nicht  entfernen.  Querschnitte  solcher  Thiere 
zeigten  mir,  dass  diese  Weibchen  soeben  begattet  waren,  denn  nur 


296  Otto  Augsteiii: 

die  Vagina  und  wohl  auch  der  benachbarte  Theil  des  Uterus  war 
mit  Samenelementen  angefüllt.  Aus  Längenschnitten  ergab  sich  dann 
die  interessante  Thatsache,  dass  die  äussere  Vulvaöffnung  mit 
einem  ansehnlichen  Pfropf  aus  bröckeliger  Masse  verschlossen  war. 
Samenelemente  wurden  in  diesem  Pfropfe  nur  ausnahmsweise  ge- 
funden. Von  dem  im  Samenleiter  befindlichen  und  den  Samen- 
körperchen  als  Bindemittel  beigemischten  Sekrete  unterschied  sich 
die  Masse  durch  eine  stärkere  Tingirbarkeit  und  durch  die  aus- 
gesprochen klümperige  Zusammengruppierung  ihrer  molekularen 
Bestandtheile. 

Da  nun  bei  höheren  Thieren  gelegentlich  ebenfalls  ein  solcher 
im  Anschluss  an  die  Begattung  seitens  des  Männchens  gelieferter 
Verschluss  des  Cervixkanals  beobachtet  worden  ist,  ein  Pfropf,  welchen 
zuerst  Leuckart  beim  Meerschweinchen  gesehen  und  auf  das  Sekret 
der  Samenblasen  zurückgeführt  hat  und  welchem  die  Aufgabe  zu- 
fallen soll  den  Rückfluss  des  Samens  zu  verhindern,  da  besonders 
aber  auch  bei  den  Echinorhynchen  einem  solchen  Pfropfe  sowohl 
die  innigere  Verbindung  beider  Geschlechter  während  der  Begattung, 
als  auch  die  Rückflussverhinderung  des  einmal  übertragenen  Samens 
nach  stattgehabter  Trennung  beider  Geschlechter  vindicirt  worden 
ist,  so  möchte  ich  auch  unseren  Pfropf  für  eine  gleiche  Leistung 
in  Anspruch  nehmen.  Hat  er  nun  aber  wirklich  diese  Bestimmung, 
so  muss  er  von  vorneherein  auch  ein  ausserordenthch  rasches 
Gerinnungsvermögen  besitzen ;  seine  Masse  muss  z.  ß.  viel  schneller 
eintrocken,  als  das  von  dem  Samenleiter  gelieferte  Spermavehikel, 
woraus  sich  wieder  ergiebt,  dass  er  auch  an  anderer  Stelle  ge- 
bildet wird  als  letzgenanntes  Sekret.  Diese  Betrachtung  führte 
mich  dazu,  jene  vier  birnförmigen  Zellen,  welche  am  Uebergange 
des  Vas  deferens  bezw.  des  Darmes  in  die  männliche  Kloake  einen 
Trichter  bilden,  für  die  Erzeugung  der  qu.  kittähnlichen  Verschluss- 
masse in  Anspruch  zu  nehmen,  und  zwar  durfte  ich  dieses  um  so 
mehr,  als  ja  auch  bei  den  Echinorhynchen  in  einem  hier  allerdings 
mächtig  entwickelten  Drüsenanhange  des  männlichen  Ausführungs- 
ganges die  Bildungsstätte  des  in  Rede  stehenden  Kittpfropfes  ge- 
sucht wird.i) 

h.    Drüsen. 

Etwa  in  der  Mitte  der  Entfernung  vom  hinteren  Oesophagus- 
ende  bis  zur  Umschlagstelle  der  vorderen  Schalendrüse  liegen  im 
freien  Räume  der  Leibeshöhle,  zwischen  Darm  und  Körperdecke 
eingeschoben,  die,  wie  bei  anderen  Strong3^1iden,  so  auch  bei  unserem 


^)  Meine  Ansicht,  dass  solche  Zellen  als  spezifische  drüsige  Organe  aiifgefasst 
werden  dürfen,  finde  ich  in  der  mir  erst  nach  Fertigstellung  meiner  Arbeit  be- 
kannt gewordenen  Abhandlungen  von  Jägerskiöld  (Zoolog.  Jahrb.  VII  Bd., 
p.  488)  bestätigt,  in  der  Verfasser  bei  Ascaris  clavata  an  der  Uebergangsstelle 
des  Chylusdarmes  in  den  Mastdarm  drei  birnförmige  Zellen  von  feinkörnig- 
streifiger Structur  beschreibt,  die  er  als  Analdrüsen  in  Anspruch  nimmt. 


Strongylus  filaria  R.  297 

Strongylus  filaria  vorhandenen,  spindelförmigen  Halsdrüsen.  Die 
eine  ist  gewöhnlich  um  ein  Geringes  weiter  nach  hinten  gerückt, 
als  die  andere,  so  dass  ihr  centralgelegener,  40  //  grosser,  ausser- 
ordentlich heller  Kern  sich  etwa  auf  gleichem  Querschnitt  mit  der 
abgestumpften  hinteren  Spitze  der  Nachbarin  befindet  (Fig.  1  u.  9, 
Hdr^  u.  Hdr^).  Jede  Drüse,  die  auf  der  Höhe  ihres  Kernes  einen 
fast  ovalen  Querschnitt  von  160  ^i  u.  resp.  100  [i  Durchmesser  auf- 
weist, ist  ebenso,  wie  ihr  Ausführungsgang  (Fig.  1  u.  8,  Afg)  von 
einer  kräftigen  Umhüllungsmembran  umgeben,  und  von  einem 
spongiösen  Gerüst  gebildet,  welches  oft  mit  ansehnlichen  Lücken 
auseinanderweicht  und  eine  das  Lückensystem  ausfüllende  homogene 
Substanz  in  sich  einschliesst.  Da  diese  Differenzii'ung  ohne  Ab- 
grenzung auch  auf  die  Ausführungsgänge  übergeht  und  in  denselben 
bis  zu  dem  am  Porus  excretorius  belegenen  Ende  nur  mit  der 
Modification  beibehalten  wird,  dass  das  Spongioplasma  eine 
peripherische  Lage  einnimmt  (Fig.  8,  Spl),  während  es  durch  das 
Auseinanderweichen  seiner  Bälkchen  einen  mit  Hyaloplasma  erfüllten, 
central  belegenen,  canalähnlichen  Gang  frei  lässt  (Fig.  8,  Hpl),  so 
liegt  es  auf  der  Hand,  dass  das  Hyaloplasma,  als  Product  der  Hals- 
drüsensekretion, gemeinschaftlich  mit  der  Excretionsflüssigkeit  im 
Porus  excretorius  nach  Aussen  befördert  wird.  Ist  somit  schon 
ohne  Weiteres  eine  drüsige  Funktion  der  betreffenden  Organe  fest- 
gestellt, so  liegt  um  so  weniger  eine  Veranlassung  vor,  sie,  wie 
Ströse  (41,  p.  12)  es  bei  der  Beschreibung  von  Strongylus  micrurus 
gethan  hat,  als  Subcuticularanhänge  anzusehen  und  sie  mit  Hamann 
(Zoolog.  Anz.  No.  333;  1890)  den  Lemnisken  der  Echinorhynchen 
an  die  Seite  zu  stellen,  als  sie  durchaus  keine  Fortsetzungen  der 
Haut  sind,  sondern  voU  und  ganz  als  Gebilde  eigener  Art  angesprochen 
werden  müssen.  Zwar  liegen  die  Ausführungsgänge  gerne  dicht 
an  der  Körperdecke,  und  zwar  ausserordenthch  häufig  an  der 
unteren  Kante  der  Seitenfelder,  aber  sie  sind  gegen  letztere  stets 
durch  ihre  scharfe  UmhüUungsmembran  geschieden  (Fig.  8,  Afg). 
Wenn  man  sich  vor  einem  Ausfall  in  der  Querschnittserie  hütet, 
oder  besser  noch  geeignete  Längsschnitte  anfertigt,  dann  hält  es 
auch  nicht  schwer  nachzuweisen,  dass  die  Drüsenausführungsgänge 
sich  etwa  in  gleicher  Höhe  mit  den  Excretionsgefässen  von  den 
Seitenfeldern  loslösen  und   dem  Porus  excretorius  zustreben. 

Der  Kern  unserer  Halsdrüsen  besteht  aus  einer  derben  Kern- 
membran, die  ein  zartes  Kerngerüst,  sowie  einen  meist  etwas 
excentrisch  sitzenden,  tief  dunklen  und  21  n  grossen  Nucleolus 
umschliesst  (Fig.  9,  Hdr^j. 

Neben  diesen  Halsdrüsen  tritt  beim  Weibchen  noch  ein  anderes 
drüsenähnliches  Gebilde  auf,  welches  rückwärts  vom  After  dicht  an 
der  Bauchlinie  liegt  und  deshalb  als  eine  Analdrüse  bezeichnet 
werden  darf,  weil  sein  vorderes  Ende  an  der  Mastdarmmündung 
verschwindet  und  dadurch  den  Anschein  erweckt,  als  würde  hier 
das  Drüsensekret  entleert.    Der  Körper  dieser  Drüse  ist  gedrungen 


298  Otto  Augstein; 

spindelförmig,  springt  an  seiner  stärksten  Stelle  29  (i  weit  in  die 
Leibesliölile  hinein  vor  und  besteht  aus  einem  peripherisch  an- 
geordneten, grossmaschigen  Spongioplasma  und  einer  feinkörnigen 
hellen  Markmasse,  die  einen  scheinbar  soliden,  leicht  tingirbaren, 
8  n  grossen  Kern  in  sich  einschliesst  (Fig.  16,  Adr)  i). 


i.   Nervensystetn. 

Die  Centralstelle  des  Nervensystems,  der  Nervenring,  welcher 
am  unverletzten  Thiere  schon  bei  etwa  50  facher  Vergrösserung 
etwas  vor  dem  Excretionsporus  im  Umkreis  des  Oesophagus  ge- 
funden wird,  weicht  iii  Nichts  von  dem  bei  anderen  kleinen  Nematoden 
beschriebenen  gleichen  Gebilde  ab.  Er  setzt  sich  in  seiner  Haupt- 
masse aus  einem  im  Allgemeinen  cirkulär  angeordneten  Faserwerk 
zusammen,  in  welchem  die  Ganglienzellen  eingelagert  sind.  Diese 
Letzteren  werden  zwar  spärlich  an  jeder  Stelle  des  Nervenringes 
vorgefunden,  an  vier  Stellen  jedoch,  nämhch  jedesmal  da,  wo  der 
Nervenring  eine  Längslinie  berührt,  bezw.  in  deren  Aufwulstung 
übergeht,  liegen  sie  in  grösserer  Anzahl  zusammen  gedrängt,  so 
dass  sie  hier  vier  in  die  Augen  springende  Zellenhaufen  bilden,  die, 
ihrer  Lage  entsprechend,  als  Rücken-  bezw.  Seiten-  und  Bauch- 
ganglien bezeichnet  werden. 

Die  Seitenganglien  (Fig.  1  u.  5 — 7,  SGn)  sind  am  stärksten  ent- 
wickelt und  mögen  wohl  je  40  —  50  Ganglienzellen  in  sich  einschliessen, 
denn  ich  konnte  bis  14  derselben  auf  einem  Längsschnitte,  bis  8 
auf  gleichem  Querschnitte  nebeneinander  liegend  feststellen. 

Im  Bauchganglion  (Fig.  1  u.  7,  BGn)  hegen  die  Zellen  schon 
weniger  dicht,  doch  haben  wir  auch  in  ihm  immer  noch  mit  einer 
stattlichen  Anzahl  zu  rechnen,  zumal  dasselbe  zwar  weniger  breit, 
aber  viel  länger  gestreckt  ist,  als  die  Seitenganghen ,  da  es  sich, 
etwa  in  der  Höhe  des  hinteren  Seitenganglionendes  beginnend,  bis 
hinter  die  Porusmündung  hinzieht. 

Am  spärhchsten  endlich  sind  die  Ganglienzellen  im  Rücken- 
ganglion (Flg.  1  u.  6,  RGn)  vertreten,  hier  habe  ich  bei  Längs-  wie 
bei  Querschnitten  niemals  mehr  als  vier  in  einem  Präparate  angetroffen. 

Da  nun  dieses  Rückenganghon,  von  den  Seitenganglien  aus 
gerechnet,  um  ebensoviel  kopfwärts  vorgeschoben  ist,  als  das  Bauch- 
ganglion hinter  letzteren  zurückliegt,  so  bildet  der  die  vier  Zellen- 
haufen   verbindende    Faserring  auch    keinen   eigentlichen    Querreif. 


^)  IMit  den  von  Jägerskiöld  (cfr.  o.)  beschriebeneu  Analdrüseu  der  Ascaris 
clavata  hat  vorgenanntes  Gebilde  keine  Beziehung.  Eine  Andeutung  der 
Jägerskiöld'schen  Drüsen  macht  sich  wohl  auch  bei  Strongylus  filaria  dicht  vor 
dem  trompetenartig  erweiterten  Anfange  des  Mastdarmes  bemerkbar,  doch  habe 
ich  geglaubt,  diese  in  meinem  Falle  nicht  sehr  scharf  ausgeprägten  Bildungen 
nicht  als  spezifische  Drüsen  ansprechen  zu  dürfen,  sondern  nur  angenommen, 
dass  die  letzten  Chylusdarmepithelzellen  besonders  kräftig  entwickelt  seien. 


Stroiigyhis  filaria  R.  299 

Er  ist  vielmehr  in  seinem  Rückentheile  gegen  das  Kopfende,  in 
seinem  Bauchtheile  gegen  das  Schwanzende  abgebogen,  sodass  er 
von  der  Seite  betrachtet  —  und  so  repräsentirt  er  sich  bei  Ueber- 
sichtspräparaten  gewöhnlich  —  an  die  Figur  eines  Fragezeichens 
erinnert.  Aus  demselben  Grunde  findet  man  auch  den  Nervenring 
von  Strongylus  filaria  auf  Querschnitten  nie  von  einer  so  regel- 
mässigen Form,  wie  er  von  anderen  Nematoden  abgebildet  ist, 
sondern  seine  Fasern  verlieren  sich,  je  nach  ihrer  Abbiegung, 
entweder  in  der  Rücken-  oder  in  der  Bauchgegend  (Fig.  5,  Nr). 

Die  Ganglienzellen  sind  scheinbar  von  sehr  verschiedener  Grösse, 
wie  das  auch  in  fast  allen  bisher  erschienenen  Nematodenmonographien 
hervorgehoben  wird.  Doch  vielleicht,  dass  diese  Erscheinung  da- 
durch hervorgerufen  wird,  dass  die  zweifelsohne  mehr  oder  weniger 
spindelförmigen  Zellen  einmal  genau  in  der  Mitte,  ein  anderes  Mal  mehr 
nach  dem  Rande  zu  durchschnitten  wurden?  Jedenfalls  ist  der 
Grössenunterschied  ein  so  beträchtlicher  —  ich  fand  neben  25  [i 
grossen  und  8  ^i  Kerndicke  besitzenden  Zellen  solche,  die  nur  5  // 
Durchmesser  und  einen  3,5  //  dicken  Kern  besassen  —  dass  er  um 
so  mehr  auffallen  muss,  als  wir  bei  unserem  Parasiten  gewohnt 
sind,  die  gleichartigen  Gewebe  aus  wenigstens  annähernd  gleich 
grossen  Zellen  aufgebaut  zu  finden. 

Die  äussere  Form  der  Ganglienzellen  gewinnt  dadurch  ein 
characteristisches  Gepräge,  dass  sich  der  eine  Pol,  oder  auch  beide, 
zu  scharf  conturirten  Fortsätzen  ausziehen,  deren  leicht  geschlängeltes, 
fadenförmiges  Ende  hin  und  wieder  eine  pinselartige  Auflösung  in 
ausserordentHch  feine  Fäserchen  beobachten  lässt.  Merkwürdiger 
Weise  sind  diese  Fortsätze  stets  parallel  zur  Längsaxe  des  Thier- 
körpers  gestellt,  so  dass  die  characteristische  Form  der  Nerven- 
zellen nur  bei  Längsschnitten  (Fig.  1,  Nr)  beobachtet  werden  kann, 
während  Querschnitte  (Fig.  5 — 7)  sie  immer  als  rundliche,  einen 
bläschenförmigen  Kern  umschliessende  Gebilde  zeigen.  Nur  die 
vereinzelt  im  Nervenringe  selbst  liegenden  Zellen  lassen  ihre  eigen- 
thümhch  spindel-  oder  keulenförmige  Gestalt  auch  in  Querschnitts- 
bildern erkennen.  Hieraus  geht  natürlich  hervor,  dass  die  Haupt- 
masse der  dem  Schlundringe  entstammenden  Nervenfasern  in  die 
vier  Längslinien  übertritt;  auf  diese  also  müssen  wir,  wäll  man  das 
Verhalten  des  peripherischen  Nervensystems  eingehender  ergründen, 
unser  Augenmerk  richten.  Hierbei  aber  sah  ich  mich  in  der  Er- 
wartimg, einen  der  wohlentwickelten  Muskulatur  ensprechenden, 
ausgeprägten  Faserapparat  vorzufinden,  bald  getäuscht,  denn  —  sei 
es,  dass  mein  Object  solchen  Untersuchungen  wegen  seiner  Kleinheit 
hindernd  entgegenstand,  sei  es,  dass  meine  Untersuchimgsmethoden, 
die  mehr  auf  die  Erforschung  des  allgemeinen  Aufbaues,  als  auf 
die  Ermittelung  bestimmter  GewebseigenthümHchkeiten  gerichtet 
waren,  für  das  Studium  des  nervösen  Apparates  nicht  ausreichten  — 
es  gelang  mir  nur,  die  von  den  Seitenganglien  ausgehenden  Zellen- 
fortsätze eine  geringe  Strecke  weit  zu  verfolgen.     Und  auch  diese 


300  Otto  Augstein: 

Beobachtung  behielt  einen  nur  untergeordneten  Werth,  denn  die 
längsten  Ausläufer  sah  ich  höchstens  50 — 60  (i  weit  in  das  ent- 
sprechende Seitenfeld  hineinziehen,  worauf  sie  gewöhnlich  in  feine 
Fäserchen  zerfielen,  die  ich  in  ihrer  körnigen  Umgebung  sehr  bald 
aus  dem  Gesichte  verlor.  Es  muss  daher  auch  die  oben  ausgesprochene 
Annahme  (pag.  273),  dass  das  im  centralen  Theile  des  Seitenfeldes 
in  Form  eines  drehrunden,  9  (i  dicken  Faserstranges  gelegene 
Gebilde  aus  der  Zusammenlagerung  von  Nervenfasern  hervorgegangen 
sei,  so  lange  als  Vermuthung  gelten,  bis  es  gelungen  sein  wird, 
sein  vorderstes  Ende  mit  den  feinfaserigen  Fortsätzen  der  Ganglien- 
zellen in  Verbindung  zu  bringen.  Da  ich  auch  in  den  ohnehin 
schon  mangelhaft  entwickelten  Medianlinien  vergebens  nach  Faser- 
zügen suchte,  die  ich  mit  Sicherheit  als  Nervenbahnen  zu  deuten 
in  der  Lage  gewesen  wäre,  so  muss  ich  es  leider  dahingestellt  sein 
lassen,  ob  überhaupt  bei  Strongylus  filaria  das  peripherische  Nerven- 
system dem  Bilde  entspricht,  das  besonders  0.  Bütschli  (50,  p.  488) 
für  die  Nematoden  als  typisch  aufgestellt  hat. 


Strongylus  filaria  E.  301 


Litteratur. 


1.  Daubenton:    Instruction  pour  les  Bergers  et  pour  les  Propri- 

etaires  de  troupeaux.     1802. 

2.  Rudolphi:    Entozoorum  sive    Vermium    intestinalium   Historia 

naturaHs.     Vol.  I.  1808  u.  vol.  II.  1809. 

3.  Veith:    Handbuch   der  Veterinärkunde.     I.  Bd.    1817. 

4.  Waldinger:    Abhandlung  über  die    Würmer  in  den  Lungen 

und  der  Leber,  und  das  Klauenweh  der  Schafe.     1818. 

5.  Am-Pach:    Practische  Lehre  von  den  Heerdekrankheiten  der 

Haussäugethiere.  1819. 
G.    Rudolphi:    Entozoorum  Synopsis.  1819. 

7.  Bojanus:    in  „Isis"  von  Oken.     1821. 

8.  Bremser:    Icones  Helminthum.     1824. 

9.  Peterka:    Versuch  einer  systematischen  Darstellung  der  Dreh- 

Horn-  und  Lungen wurmkrankheit  der  Schafe.     1826. 

10.  Mehlis:    in  „Isis"  von  Oken.     1831. 

11.  Tausch:    in  „Magazin  für  die  gesammte  Thierheilkunde".    1837. 

12.  Padley  u.  Sandie:  in  „Anals  and  Magazine  of  natural  History. 

VoLIX.    1849. 

13.  Die  sing:    Systema  Helminthum.     1851. 

14.  Gerlach:    in  „Magazin  für  die  gesammte  Thierheilkunde.    1854. 

15.  Parsons:    in  „Veterinarian".    1855. 

16.  Crisp:    in  „Proceedings   of  the  zoological  Society   of  London. 

Pt.  XXIV.    1856. 

17.  Ranke:   in  „Transactions  of  the  pathological  Society  of  London". 

Vol.  IV.    1858. 

18.  Schneider:    in   „Archiv  für  Anatomie  u.  Physiologie".     1858. 

19.  —  in  „Archiv  für  Anatomie  u.  Physiologie.  1860. 

20.  Leuckart:    Untersuchungen  über  Trichina  spiralis.    1860  bezw. 

1866. 

21.  Davaine:    Traite  des  Entozoaires  et  des  Maladies  vermineuses 

de  l'Homme  et  des  Animeaux  domestiques.     1860. 

22.  Crisp:    in  „Edinburgh.  Veterinary  Revue".    1863. 

23.  Schneider:    Monographie  der  Nematoden.    1866. 

24.  Leuckart:    Die  menschlichen  Parasiten.    IL  Bd.    1866 — 1876. 

25.  Gamet:    in  „Archives  veterinaires.    1878. 

26.  Cobbold:    Parasites.     1879. 

27.  Nörner:  in  „Oesterreichische  Monatsschrift  für  Thierheilkunde" 

1881. 

28.  Perroncito:    I  Parassiti  dell'  uomo  e  degli  animali  utili.    1882. 

29.  Zürn:    Die  thierischen  Parasiten  auf  und  in  dem  Körper  unserer 

Haussäugethiere.     1882. 

30.  Koch:     Die    Nematoden    der    Schaflungen,    Sep.    Abdr.    aus 

„Oesterreichische  Monatsschrift  für  Thierheilkunde".     1883. 


302  Otto  Augstein: 

31.  Rhode:    Beiträge  zur  Kenntniss  der  Anatomie  der  Nemotoden. 

Inaug.  Diss.  1883. 

32.  Schmidt-Mühlheiin:    Handbuch  der  Fleischkunde.     1884. 

33.  Railliet:    Elements  de  Zoologie.    1886. 

34.  Leuckart:    Neue  Beiträge  zur  Kenntniss   des  Baues  und  der 

Lebensgeschichte  der  Nematoden.  Sep.  Abdr.  aus  „Ab- 
handlungen der  Königl.  Sächsischen  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften".   Xin.  Bd.    1887. 

35.  Bewly:    in  „Journal  of  Anatomy  and  Physiology.     1887. 

36.  Rzewuski:     lieber    den    anatomischen    Bau    von    Strongylus 

paradoxus  Mehl.     Inaug.  Diss.  1887. 

37.  Wernicke:    in  „Deutsche  Zeitschrift  für  Thiermedizin  und  ver- 

gleichende Pathologie.     1887. 

38.  Müller:    Die  Nematoden  der  Säugethierlungen,  und  die  Lungen- 

wurmkrankheit.    Inaug.  Diss.  1889. 

39.  Cooper  Curtice:    The  animal  Parasites  of  Sheep.     1890. 

40.  Hertwig:    Vergleich  der  Ei-  und  Samenbildung  bei  Nematoden 

1890. 
41    Ströse:     Ueber    den    feineren    Bau  von    Strongylus    micrurus. 
Ing.  Diss.  1891. 

42.  Kitt:    in  „Berliner  Thierärztliche  Wochenschrift".     1892. 

43.  Friedberger  u.  Fröhner:    Lehrbuch  der  speciellen  Pathologie 

und  Therapie  der  Hausthiere.     IL  Bd.    1892. 

44.  Ostertag:    Handbuch  der  Fleischschau.     1892. 

45.  Rohde:    Muskel  und    Nerv  bei    Nematoden.     Sep.   Abdr.   aus 

„Sitzungsberichte  der  preussischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  Berlin".    1892. 

46.  Hesse:    Ueber  das  Nervensystem  von  Ascaris  megalocephala. 

Inaug.  Diss.    1892. 

47.  Wandolleck:     Zur    Embryonalentwickelung    des     Strongylus 

paradoxus.     Inaug.  Diss.   1892. 

48.  Stadelmann:    Ueber  den  anatomischen    Bau  des    Strongylus 

convolutus  Ostertag.     Inaug.  Diss.  1892. 

49.  Zur  Strassen:  Bradynema  rigidum  v.  Sieb.    Inaug.  Diss.  1892. 

50.  Bütschli,  0.:    in  „Morpholog.  Jahrb.  von  Gegenbauer,  Bd.  X". 


Stroiigylus  filaria  R.  303 

Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel  I.    Weibchen  von  Strongylus  filaria. 

Fig.     1.  Längsschnitt  durch  das  vordere  Körpereude. 

Fig.    2.  Querschnitt  durch  die  Mundöffnung. 
Fig.    3.     Querschnitt  durch  die  Mundhöhle. 

Fig.     4.  Querschnitt  durch  das  vorderste  Oesophagusende. 

Fig.    5.  Querschnitt  durch  den  ^Nervenring. 

Fig.     6.  Querschnitt  durch  die  Seitenganglien. 

Fig.     7.  Querschnitt  in  der  Höhe  der  Porusmündung. 

Fig.    8.  Querschnitt  durch  die  Ausführungsgänge  der  Halsdrüsen. 

Fig.    9.  Querschnitt  in  der  Höhe  der  Halsdrüsen.    (Die  eine  derselben,  Hdr\ 

in  der  Mitte,  die  andere,  Hdr-,  in  ihrem  hintersten  Abschnitte  getroffen.) 

Fig.  10.  Querschnitt  durch  das  vordere  Receptaculum  seminis. 

Fig.  11.  Querschnitt  durch  den  Anfangstheil  des  vorderen  Uterus. 

Fig.  12.  Querschnitt  durch  den  vorderen  Muttermund. 

Fig.  13.  Querschnitt  durch  die  Vagina. 

Fig.  14.  Querschnitt  durch  die  hintere  Schalendrüse. 

Fig.  15.  Querschnitt  kurz  vor  der  Mastdarmmündung. 

Fig.  16.  Querschnitt  in  der  Höhe  der  Analdrüse. 

Fig.  17.  Querschnitt  durch  eine  seitliche  Schwanzpapille. 

Fig.  18.  Detail  der  Körperdecke.    (Cuticula  C  bei  a  abgerissen.) 

Fig.  19.  Längsschnitt  durch  die  Vagina. 

Tafein.    Männchen  von  Strongylus  filaria. 

Fig.  20.  Querschnitt  durch  die  Keimzone  des  Hodens. 

Fig.  21.  Querschnitt  durch  die  Wachsthumszone  des  Hodens. 

Fig.  22.  Querschnitt  durch  die  Kerntheilungszone  des  Samenleiters. 

Fig.  23.  Querschnitt  durch  den  drüsigen  Theil  des  Samenleiters. 

Fig.  24.  Querschnitt  durch  den  Ductus  ejaculatorius. 

Fig.  25.  Querschnitt  in  der  Höhe  der  Trichterzellen. 

Fig.  26.  Querschnitt  aus  der  Uebergangsgegend  der  Spicula scheide  in  die  Kloake. 

Fig.  27.  Querschnitt  durch  die  Bursa. 

Fig.  28.  Längsschnitt  durch  den  hintersten  Theil  der  Wachsthumszone  des  Hodens. 

Fig.  29.  Kerntheilungsfiguren  aus  der  Keimzone  des  Hodens. 

Fig.  30.  Kernfigureu  aus  der  Theilzone  der  Samenmutterzellen. 

Fig.  31.  Längschnitt   durch    das    hintere   Körperende.     (Die    Einmündung   der 

Geschlechtsröhre  bezw.  des  Darms  in  die  Kloake  ist  etwas  schematisirt.) 
Zeichenerklärung.  ^ 


a  =  Stelle  an  der  die  Cuticula  von  der 

Subcuticula  abgerissen  ist. 
Adr  =  Analdrüse. 

Afg  =  Ausführungsgang  der  Halsdrüse. 
B  =  Stück  von  der  Bursa. 
BGn  =  Bauchganglion. 


C  =  Cuticula. 
Ca  =  Costae  anteriores. 
Cae  =  Costae  anteriores  externae. 
Cm  =  Costae  mediae. 
Cp  =  Gemeinschaftlicher   Stamm   der 
Costae  posteriores. 


304 


Otto  Augstein. 


Cpe  :=  Costae  posteriores  externae. 

cR  =  Contractile  Rindensubstanz. 

D  =  Darm. 

Da  =  Diktator  ani. 

De  =  Ductus  ejaculatorius 

Di  =  Darminhalt. 

Dk  =  Darmkeme. 

B  =  Eier. 

El  =  Eileiter. 

Epz  =  Epithelzellen. 

Est  =  Eierstock. 

GGr  =  Gefächertes  Gewebe  des  Spiculum. 

GZ  =  Ganglienzellen. 

H  =  Hoden. 

Hdr  =  Halsdrüse. 

Hpl  =  Hyaloplasma. 

If  =  Interfibrärmasse. 

K  =  Kern. 

Kl  =  Kloake. 

L  =  Lücken  im  Seitenfeld. 

Lw  =  Lippenwülste. 

M  =  Marksubstanz  d.  Körpermuskulatur. 


Ml 


M2  = 


M3 


Md  =  Mastdarm. 

Mh  =  Mundhöhle. 

Mk  =  Muskelkern. 

Ml  =■  Medianlinie. 

Mm  =  Muttermund. 

Mo  =  Mundöifnung. 

Mr  =  Körpermuskulatur. 

Mx  =  Matrix  des  Spiculum 


der  männlichen  Quer- 
muskulatur. 
der  Spicula-Scheiden- 
muskulatur. 
der    Muttermund- 
muskulatur, 
des  Dilatator  ani. 


Nr  =  Nervenring. 

NStr  =  Nervenstrang. 

Oe  =  Oesophagus. 

Pe  =  Perus  excretorius. 

Pp  =  Seitliche  Schwanzpapille. 

Pr  Spc  =  Protractores  spiculorum, 

Qu  =  Quermuskulatur. 

RGn  =  Rückenganglion. 

Rh  =  Rhachis. 

Rl  =  Rückenlinie. 

Rm  =  Ringmuskulatur. 

Rs  =  Receptaculum  seminis. 

RSpc  =  Retractor  spiculi. 

Seh  =  Spiculascheide. 

Seh  Mr  =  Spiculascheideumuskulatur. 

SchW  =  Scheidewand  in  der  Spicula- 
scheide. 

Sc  =  Subcuticula. 

Sdr  =  Schalendrüse. 

Sf  =  Seitenfeld. 

SG  =  Seitengefäss. 

SGn  =  Seitenganglion. 

Sml  =  Samenleiter. 

Smz  =  Samenmutterzellen. 

Sp  =  Sperma. 

Spc  =  Spiculum. 

Spl  =  Spongioplasma. 

St  =  Samentasche. 

TrZ  =  Trichterzelle. 

TZ  =  Schneider'sche  Terminalzelle. 

U  =  Uterus. 

V  =  Vagina. 

Va  =  Vulva. 

VaM  =  Fächerförmiger  Erweiterungs- 
rauskel  der  Vulva. 

Z  =  Zelle  im  hintersten  Ende  des  Seiten- 
feldes. 


Bei  der  Redaktion  des  „Archiv  f.  Naturgeschichte"  eingegangen: 
I.  Periodische  Schriften. 

Zeitschrift  für  wissensch.  Zoologie,  Bd.  521, 4^  53  (nebst  SuppL), 
54—57,  581,2. 

Virchow  und  Wattenbach,  Samml.  gemeinverst.  wissensch. 
Vorträge.  No.  124  (Töpfer,  Naturkräfte  im  Dienste  d.  Menschen), 
126  (List,  Westfäl.  Kohlenformation),  133  (H.  v.  Meyer,  Thier. 
Eigenwärme),  139  (Tamazzer,  Falb  u.  Erdbeben),  140  (Kräpelin, 
Brutpflege),  151  (Esser,  Bekämpf,  parasit.  Pflanzenkrankh.),  152 
(Buchheister,  Bergsteigen),  159  (K.  Neumann,  Liebe,  Ehe,  Eheleben 
der  Vogelwelt).     Hamburg. 

Mittheilungen  des  naturw.  Vereins  für  Steiermark,  Jahrg.  1890 
bis  1892  (=  Heft  27—29),  Graz  1891—93.  8«. 

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43  (93),  44(94)1,2. 

Bibhotheca  zoologica,  Heft  10:  Leichmann,  Beitr.  z.  Naturg.  d. 
Isopoden.     Cassel  1891.  4^. 

Zeitschr.  f.  Naturwiss.,  Bd.  64  (Heft  4,  5),  Bd.  6ß  (Heft  3—6). 
Leipzig,  Pfeffer. 

Ornithol.  Monatsberichte  (A.  Reichenow)  Jahrg.  I,  1. 

Ornithol,  Jahrbuch,  Organ  für  das  paläarkt.  Faunengebiet 
(v.  Tschusi)  115,  Hallein  1891. 

Wiener  entomol.  Zeitung,  XI 1  (1892),  Wien,  Ed.  Hölzel. 

Clessin,  Malakozool.  Blätter,  N.  F.,  XI.     Cassel  1891. 

G.  Jäger's  Monatsblatt  X  (91  Schluss),  XI2-12,  XH 1-3, 5-12, 
XHI  1,3-8. 

K.  svenska  Vetensk.  Ak.,  Öfversigt  Förhandl.,  Bd.  48  (1891) 
7-10,  491-10,  501-10,  51  (1894)2,5.  _  Handhngar  Abth.  IV, 
Bihang,  Bd.  14—18,  1889—92.  8°. 

Videnskabelige  Meddelelser  fra  den  naturh.  Forening  i 
Kjoebenhavn,  for  1891,  1892,  1893  (=(5)  III,  IV,  V). 

Fr.  Meinert,  Entomologiske  Meddelelser  III 3-6,  IVl-5, 
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XIV  79, 80.     Okt.  1891— Aug.  1894. 

Linnean  Soc.  of  London,  Journal  Vol.  24,  No.  149  —  157, 
Proceed.  Nov.  1890— Juni  1892;  Transactions  V8-11,  VI1,2. 

Science-Gossip  (2  Ser.)  11,2.     London  1894. 

Bolletino  Mus.  Zool.  ed  Anat.  comp.  Torino,  Vol.  VI  No.  104-111, 
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N.  Am.  birds). 

U.  S.  Nat.  Mus.,  Proceedings.  Sep.-Abdr.  aus  Vol.  XIV,  XV, 
XVI,  XVII  (No.  976—989,  991—7,  999,  1006)  u.  Vol.  XIV  (1891). 

Smitbsonian  Report  for  89  (II),  for  90  (I,  II),  91  (I,  II),  92  (II) 
und  Sep.-Abdr,  aus  92. 

Proc.  Acad.  Nat.  Sc.  Philadelphia,  18912,3,  921-3,  931,2. 

National  Acad,  of  Sciences,  Mem.,  Vol.  V  No.  4. 

Boston  Soc.  of  Nat.  History,  Proc.  XXV  (1891),  XXVH; 
Memoirs  IV,  No.  10,  11;  Occasional  Papers  IV  fGeol.  of  Boston 
Basin  1 1). 

Jobns  Hopkins  Univers.,  Circulars  XII  (No.  106);  Studies  Biol. 
Lab.  V,  No.  3,  4. 

U.S.Department  of  Agriculture,  Div.  of  Ornitb.  and  Mammalogy: 
N.  Am.  Fauna  No.  5,  7 ;  Bull.  No.  3  (Merriam  u.  Fisber,  Hawks  and 
Owls  of  U.  S.),  No.  4  (Bailey,  Spermopbiles  of  Miss.  Valley). 

U.  S.  Geological  Survey;    Powell,  11.  Ann.  Rep.  89/90.    I.  IL 

Geol.  Survey  of  Pennsylvania:  Atlas,  N.  Antbrac.  Fields 
Part.  VI,  S.  Antbr.,  F.  IV,  IV  (B,  AA),  V  (AA),  West  Middle  A. 
F.  III;  Rep.  of  Progress  F3. 

Minnesota  Acad.  of  Nat.  Sciences,  Bull.  III,  No.  2. 

New  Jersey  Nat.  Hist.  Soc  ,  Journal  112  (Jan.  91),  Trenton,  8". 

University  of  State  of  New  York  (Albany);  N.  Y.  State  Mus. 
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80.  Tbe  Macleay  Memorial  Volume,  Sept.  1893,  4».  —  Abstract  of 
Proceed,  (bis  Juni  94). 

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zum  2.  ann.  report  (=  Tryon,  Coleopt.  u.  Rbopaloc.  New  Guinea). 


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in  Austraben.  Deutsche  Uebers.  107  Abb.  8^.  Hamburg,  Verlags- 
buchh.  u.  Druck.,  A.-G.     1892. 


J,  C,  Vogt,  Die  Menschwerdung.  Die  Entwicklung  des 
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Ernst  Wiest. 

Otto    Kunze,    Revisio    generum    plantarum    vascul.    omnium. 

1891.  8«.     (Einleitung.) 

J.  Loeb,  Unters,  zur  phys.  Morphol.  d.  Thiere.  IL  Organ- 
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Hesse,  Hypogaea,  Lief.  4  —  6  (=L  Schluss).  Halle  a.  S. 
L.  Hofstetter. 

0.  Vonhof,  Bienenmass  oder:  Die  Descendenzlehre  ist  ein 
falscher  Schluss.     Bremen  1891.  8^.  M.  Nössler. 

0.  Zacharias,  Katechismus  des  Darwinismus.  Leipzig,  J.  J. 
Weber.     1892.  8«. 

G.  Duncker,  Der  Eibbutt,  Sep.-Abdr.  aus  Sehr.  Natw.  V. 
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Peter,  Botanische  Wandtafeln.    Lfg.  1.    Th.  Fischer,  Cassel. 

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K.  Ströse,  Leitf.  f.  d.  Unterr.  in  der  Naturbeschr.  an  höh. 
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1892,  8*^.     2.  Bern,  über  Kraft  u.  auslösende  Kraft  im  Besonderen. 

1892.  Greifswald,  J.  Abel. 

F.  Klockmann,  Lehrb.  der  Mineralogie  für  Studirende  und 
zum  Selbstunterricht.     1892.  8°.     Stuttgart,  Ferd.  Enke. 

H.  Haas,  Aus  der  Sturm-  und  Drangperiode  der  Erde.  I, 
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H.  Schurz,  Katechismus  der  Völkerkunde.  1893.  8^.  Leipzig, 
W.  Weber. 

Carl  Neumann,  Beitr.  zu  einzelnen  Theilen  der  math.  Physik. 

1893.  8°.  314  S.,  Xyl.     Leipzig,  G.  Teubner. 

Braem,  Ein  Wort  an  Kraepelin  und  s.  neuesten  Beitr.  zur 
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vom  Vf. 

H,  Gadeau  de  Kerville,  Leuchtende  Thiere  und  Pflanzen. 
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G.  Cl.  Vogel,  Der  Vermehrungsprocess  im  Thierreiche,  gemein- 
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Hayek,  Handbuch  der  Zoologie,  IV.  2  (Schluss),  1893.  8«. 

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Beitr.  zur  Morphogenie  der  Wirbelthiere.  BerKn,  J.  Springer  1894 
(ersch.  Nov.  93),  8«.  176  S.,  8  Tal,  39  Textfig. 

W.  Haake,  Die  Schöpfung  der  Thierwelt.  Leipzig  und  Wien, 
Bibl  Inst.,  1893,  8".  557  S.,  1  Karte,  20  Taf.  (z.Th.col.),  469  Textfig. 

R.  S.  Bergh,  Vorlesungen  über  die  einfachen  Gewebe  des 
Thierkörpers.  Mit  einem  Anhang:  Techn.  Anleitung  zu  eiuf.  bist. 
Unters.     W.  Kreidel,  Wiesbaden  1894.  8«.  262  S.,  138  Xyl.  (7  Mk.) 

Udo  Dammer,  Anleitung  für  Pflanzensammler.  Stuttgart, 
Fr.  Enke.     83  S.,  21  Xyl.  8^  (2  Mk.) 

Rob.  Behla,  Die  Abstammungslehre  und  die  Errichtung  eines 
Instituts  für  Transformismus.    Kiel  u.  Leipzig,  Lipsius  u.  Fischer.  8". 

Mojsisovics,  3  Sep.-Abdr.  (Geweihconcurrenz,  Ber.Zool.Mus.) 

Berlin  NW.,  Claudiusstr.  19. 
September  1894.  Der  Herausgeber 

Dr.  F.  Hilgendorf. 


Bemerkung:  Btichersendungen  für  das  „Archiv  für  Naturgeschichte" 
können  an  die  Nicolaische  Verlags-Buchhandlung,  Berlin  C,  Brüderstr.  13, 
geschickt  werden. 


Ai-chiv  r. X'cifurgesch.  1Ö9+. 


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1  lü.R.Bergh.Greilada.  11 42,G.Dunrl<pr,  abnorme  Aiirelia.. 


Archiv  f. Nalurgesch..  1894. 


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Trausledtu. Weltner,  Sanders  Tunicateii. 


Archiv  f^aturgesch  1894 


A.Nehring,  Die  Verbreitung  desHanisters  inDeufschlimd. 


,\rcluv.r.XaLiiri](\scli.l89+ 


Tiil'.V. 


WA.Mcynldk 


Apstein,  Salpen  d.Berl.Sauiluaq. 


Archiv  r. Naturgosrh.1894. 
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C.VorhoetT, Abdonifii  dei-  J.anipyrideii,  CanUiai-iden  u  Malachüden, 


Archiv  l'\iilu!-t|(\sch  I.S!)4. 


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CVerhocIT, Abdomen  der  Larapyriden,  CanÜiaxiden  u.Malachiiden 


Archiv  r.  \'iilnr(i<>si'li.iaJ)4. 


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CAerhoeff, Abdomen  der Lampyridert. Caiitliariden  u.Ma] achiiden. 


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