^-l^-r^-M
^-^J^^
'^M^
>^^5,
•#^':/^.,:-r5.>
W-^::-^m^
t.^ 'iy^
SMf:-^''-
'^^^z^S^
ARCHIV
FUE
lATUEGE SCHICHTE.
GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN,
FORTGESETZT VON
W. F. ERICHSON, F. H. TROSCHEL
UND E. VON HÄRTENS.
HERAUSGEGEBEN
Prof. Dr. F. HILGENDORP,
GUSTOS DES K. ZOOLOG. MUSEUMS ZU BERLIN.
SECHZIGSTER JAHRGANG.
I. BAND.
Berlin 1894.
NICO LAISGHE VERLAGS-BUCHHANDLUNG
R. STRICKER.
Inhalt des ersten Bandes.
Seite
Dr. B. Bergh. Eiue neue Gattung von Polyceraden (Greüada). Hierzu
Tafel I 1
Georg Duncker. Ueber ein abnormes Exemplar von Aurelia aurita L.
Hierzu Tafel I, Fig. 11, 12 7
M. Traustedt und W. Weltner. Bericht über die von Herrn Dr. Sander
gesammelten Tunikaten. Hierzu Tafel IT 10
Prof. Dr. A. Nehring. Die Verbreitung des Hamsters (Cricetus vulgaris)
in Deutschland. Hierzu Tafel III ... 15
Federico Phüippi. Ein neues Beutelthier Chile's. Hierzu Tafel IV, Fig. 2 33
Dr. B. Ä. Phüippi. Beschreibung einer dritten Beutelmaus. Hierzu
Tafel IV, Fig. 1 3G
Dr. H. von Jhering. Ueber Binnen - Conchylien der Küstenzone von
Rio Grande do Sul 37
Dr. Carl Apstein. Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung.
Hierzu Tafel V 41
H. J. Kolbe. Ein Beitrag zur Kenntniss der faunistischen Verhältnisse
des centralafrikanischen Seengebietes 55
Johannes Emil Schmidt. Die Entwicklungsgeschichte und der anatomische
Bau der Taenia anatina (Krabbe). Hierzu Tafel VI 65
Dr. Arthur Mueller. Helminthologische Beobachtungen an bekannten und
unbekannten Entozoen. Hierzu Tafel VII 113
Dr. Carl Verhoeff. Vergleichende Morphologie des Abdomens der männ-
lichen und weiblichen Lampyriden, Canthariden und Malachiiden.
Hierzu Tafel Vni— XI 129
Dr.B.A. Phüippi. Callirrhabdos , ein neues Genus der gorgonenartigen
Pflauzeuthiere? 211
Dr. B. A. Philippi. Phryniscus Bibron ist nicht Phryniscus Wiegmann. . 214
Lewis Murbach. Beitrage zur Kenntnis der Anatomie und Entwickelung
der Nesselorgane der Hydroiden. Hierzu Tafel XII 217
Otto Augstein. Strongylns filaria R. Hierzu Tafel XHI und XIV . . 255
2^113
Eine neue Gattung von Polyceraden
(Greilada).
Von
Dr. R. Bergh, Kopenhagen.
Hierzu Tafel I.
Farn. Dorididae phauerobrancMatae.
Subfam. D. phanerobp. non suetoriae s. Polyeeradae.
Greilada, Bgh.
Corpus limaciforme, limbus frontalis digitatus ; branchia 6 foliata,
foliis branchialibus simpliciter pinnatis; appendices dorsales (extra-
branchiales) nullae; rhinoplioria vix retractüia, perfoliata.
Lamellae mandibulares fortes, infra (ut supra) coalescentes,
processu superiori aliformi. — Radula rbachide nuda; pleuris denti-
bus liamatis duobus, interno minore, externo majore, et dentibus
externis paucis (2 — 3) instructis.
Prostata magna, discreta.
Diese neue Gattung, die Greiladen^), stehen den ächten Polyceren
(Polycera)") sehr nahe und unterscheiden sich im Aeusseren von
denselben durch das absolute Fehlen von Rücken anhängen neben
der Kieme. Auch im inneren Baue weichen sie von denselben
wenig ab, besonders doch in der Form der Mandibeln, die unten (wie
oben) mit einander durch ein cuticulares Zwischenstück verbunden
sind. Die Radula ist fast ganz wie bei der Polycera. Die Prostata
und die Bewaffnung des unteren Theils des Samenleiters und der
Glans penis auch wie bei der Polycera.
Von der Gattung ist bisher nur die untenstehende Art aus dem
adriatischen Meere bekannt.
^) Greüada, uxor Thoi'finni. Laxdaela-Saga, Hafniae. 1826. p. 9.
2) R. Bergh, Beitr. zu einer Monogr. d. Polyceraden. I. Verh. d. k. k. zool-
bot. Ges. in Wien. XXIX. 1879. p. 5-27 (601-623).
Arch. f Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 1. 1
2 Dr. ß. Bergh.
Gr. elegans, Bgh.
Color generalis citrinus; clavus rhinophoriorum sicut branchia
rosea; margo dorsalis coeruleus; dorsum linea media maculis coeruleis
ornatum; latera corporis maculis coeruleis duabus lineis seriatis
instructa.
Hab. M. adriaticum.
Taf. I. Fig. 1—10.
Von dieser Thierform hat Prof. Dr. Moebius im Adriatischen
Meere bei Rovigno (Istrien) im Frühjahre 1893 mehrere Individuen
gefischt, von welchen mir zwei für Bestimmung und genauere Unter-
suchung geschickt wurden; das eine war aber eingetrocknet gewesen
und, mit Ausnahme des Schlundkopfes, für anatomische Untersuchung
unverwendbar.
Die Länge der lebenden Individuen soll gegen 9 mm betragen
haben. Zwei mitfolgenden, von Meissner nach Originalzeichnungen
von Dr. Val. Hacker copirten, farbigen kleinen (22 mm langen) Skizzen
geben die Grundfarbe als citronengelb an, dunkler am Stiele der
Rhinophorien, ihre Keule sowie die Kieme rosaroth. Am Stirne drei
blaue Flecken, von welchen der mediane längHch; die Rückenränder
auch blau, sich am Grunde des Schwanzes spitzwinkehg'vereinigend ;
median der Rückenlänge noch mehrere blaue Flecken; die Körper-
seiten mit zwei Reihen von ähnlichen Flecken.
Die in Alkohol bewahrten Individuen betrugen an Länge
8 — 8,5 mm bei einer Höhe bis 2 und einer Breite bis 2,2 mm; die
Höhe der Rhinophorien so wie der Kieme 1,2 mm; der Rücken hinter
der Kieme 4 mm lang, von welchen die 2, 2 auf den Schwanz (d. h.
die Strecke hinter der Eingeweidehöhle) kommen; die Breite des
Fusses vorn 1,3 mm, nach hinten verschmälert. — Die Farbe war
milchweis; am Stirne jederseits ein kleiner schwarzer Fleck, und
median, sich zwischen und hinter den Rhinophorien hinziehend, ein
grösserer länglicher, der hinten etwas breiter ist; als Fortsetzung
des (weisslichen) Stirnrandes fängt der schwärzliche Rückenrand
an, welcher sich hinter der Kiemengegend fortsetzt und etwa am
Grunde des Schwanzes sich spitzwinkelig mit dem der anderen Seite
vereint. Median am Rücken mehrere schwarze Flecken, die auch
hinter der Kieme und median am Schwänze vorkommen, hier von
mehr länglicher Form. An den Körperseiten zwei Reihen von
meistens ziemlich grossen und länglichen schwarzen Flecken, die
obere Reihe setzt sich weiter nach hinten, die untere weiter nach
vorne fort, indem sie mit 3 — 4 grösseren Flecken gegen den Stirn-
rand hinauf schwingt. Die Rhinophorien und die Kieme mit
schwach gelblichem Anflug. Der Fussrand fast kalkweiss.
Die Eingeweide schimmerten gelblichweiss hier und da undeut-
lich durch; hinten im Genicke die schwarzen Augenpunkte.
Die Form schlank, länglich, ein wenig zusammengedrückt. Der
Stimrand wenig vortretend, jederseits mit zwei kurzen, kegelförmigen
Eine neue Gattung von Polyceraden (Greilada). 3
Höckern (von denen der innere grösser); dieser Rand setzt sich
längs der Aussenseite der Rhinopliorien als ein schmaler Rückenrand
weiter nach hinten, der Kieme vorbei, fort, wird niedriger, geht
schräge nach innen und verbindet sich mit dem der anderen Seite
etwa am Gmnde des Schwanzes. Der Rücken ist ganz eben, etwas
schmaler als die Körperseiten, von der Gegend der Kieme ab fällt
derselbe etwas nach vorne, mehr nach hinten ab; der Rücken des
Schwanzes kielförmig. Innen am Grunde der Rhinophorien eine
Vertiefung; die Rhinophorien kurzstielig, die Keule kurz-spindel-
förmig, mit etwa 15—20 faltenartigen Blättern und kleiner End-
papille. Die Kieme mit 6 einfach fiederigen Blättern; die Anal-
papille nach hinten im Kiemenkreise, ziemlich niedrig, abgestutzt.
Der Oberrand des Aussenmundes vortretend, besonders jederseits
etwas lappenartig. Die Körperseiten etwas gewölbt, ganz eben ; vorne
an der rechten die Genitalpapille, aus welcher bei dem einen Individuum
der Penis fast 0,25 mm hervorragte. Der Fuss vorne ein wenig
breiter, im Ganzen schmal; der Vorderrand ein wenig ausgekerbt,
mit gerundeten Ecken; die Fussränder sonst wenig vortretend, die
Sohle des Schwanzes ganz schmal.
Das Centralnervensystem ganz wie bei den Polyceren. Die
cerebro-pleuralen Ganglien etwas eiförmig, vorne breiter, die beiden
Abtheilungen deuthch unterscheidbar; die pedalen Ganglien ziemlich
rundlich. Die Commissuren ziemlich kurz. Die proximalen Riech-
knoten abgeplattet-zwiebeiförmig, die distalen rundlich. Die buccalen
Ganglien wie gewöhnlich, gastro-oesophagale schienen zu fehlen.
Die Augen von etwa 0,08 mm Diam., mit grosser gelblicher Linse,
mit nicht sehr reichlichem schwarzem Pigment. Die Ohr blasen
etwa so gross wie die Augen, mit gegen 100 rundUchen und ovalen
Otokonien von einem Durchmesser von 0,009 mm. Die Blätter der
Rhinophorien ohne Spikel. In der Haut nur wenige und sehr
zerstreute Spikel, ebenso in der interstitiellen Bindesubstanz.
Die Mundröhre ziemlich gross und weit. Der Schlundkopf
kurz und gedrungen, von etwa 1,25 mm Länge; die starke Raspel-
scheide noch 0,35 mm vortretend; zu jeder Seite derselben unten ein
starker, von dem Hinterende der unteren Zungenmuskelmassen ge-
bildeter Vorsprung. Die fast vordere Hälfte des Schlundkopfes ist
von den starken, gelblichen, in den dickeren Parthien rothbraunen
Mandibelplattten eingefasst. Während diese bei den Polyceren
geschieden sind, verschmelzen sie gleichsam hier (oben wie)
unten. Sie bestehen aus einem Ringe, von dessen Hinterseite
in mehr als der oberen Hälfte jederseits ein Flügel nach hinten
und oben aufsteigt (Fig. 2). Der Ring ist nach aussen um-
geschlagen, unten viel dünner, oben dicker; der dünnere cuticulare
Theil verlängert sich nach hinten in einen zungenförmigen
kurzen und breiten Fortsatz (Fig. Ic); der dickere Theil besteht
aus zwei in der Mittellinie oben vereinigten Hälften, von deren
innerem Theile ein starker glattrandiger Schneiderand nach innen
1*
4 Dr. R. Bergh.
hervorragt (Fig. 1). Die Flügel sind dünn, oben gerundet (Fig. Ibb,
2 b); an ihrem Grunde ein nicht ganz oberflächlicher Falz (Fig. 2)
(für Muskelinsertion) ; oben sind die Flügel durch ein kurzes und
nicht recht breites Zwischenstück (Fig. ia, 2 a) mit gerundetem
freien Rande vereinigt. Die Aussenseite der Mandibelplatten ist
von einem dünnen Muskellager gedeckt; die Innenseite von einem
dünnen Epithel bekleidet; die Innenseite begrenzt den vorderen
Theil der Mundhöhle. — Die Zunge wie bei den echten Polyceren,
stark, etwas abgeplattet, mit breiter Raspelfurche. In der Raspel
7 Zahnplattenreihen, weiter nach hinten (in der Raspelscheide) deren
7 entwickelte und eine unentwickelte; die Gesammtzahl derselben in
beiden Individuen somit 15. Die Raspel vorne mit einer, nur die
Hälfte derselben an Breite betragenden braungelben, cuticularen
Verdickung endigend. Die erste Reihe incomplet und mit stark ab-
genutzten Zahnplatten. Zu jeder Seite der nicht schmalen, nackten
Rhachis kamen zwei starke Seitenzahnplatten und 2 — 3 Ausseiiplatten
in jeder Reihe vor. Die Zahnplatten der Raspel horngelb, die der
Raspelscheide gelblich. Die Länge der innersten Seitenplatte betrug
etwa 0,20, der äusseren 0,28 mm; die der Aussenplatten 0,14 — 0,08
— 0,06 mm. Die Seitenplatten (Fig. 3) einander ziemlich ähnHch,
aus einem langgestreckten Körper bestehend, der vorne fast recht-
winkelig in den etwas gebogenen, glattrandigen Haken umbiegt;
vom äusseren Rande des Körpers erhebt sich ein starker flügei-
förmiger Fortsatz, etwa so hoch wie der Haken. Die innere, kleinere
Seitenzahnplatte (Fig. 3b, 4—6) mit kleinerem Haken und kleinerem
Flügel, welcher letztere sich an etwa der Mitte der Länge findet.
Die äussere, grössere Seitenzahnplatte (Fig. 3aa) mit stärkerem
Haken und weiter nach dem anderen Ende gestelltem Flügel. An
das Ende dieser letzteren Seitenplatte schliesst sich (Fig. 3) die
kurze Schrägreihe von (2 — )3' Aussenplatten an. Die erste (Fig. 3c) der-
selben ist die längste, etwas breiter vorne als hinten, von der Grund-
platte erhebt sich in der längeren vorderen Strecke ein starker, oben
abgeplatteter und nach aussen abfallender Kamm. Die zweite ist
etwas kürzer, schwächer und mit weniger hohem und starkem Kamme
(Fig. 3d). Eine dünnere und flachere, kammlose dritte Aussenplatte
(Fig. 3e) fehlt oft, besonders in der freien Raspel.
Die Speicheldrüsen weissHch, neben einander weit nach
hinten Hegend; die Ausführungsgänge lang.
Die Speiseröhre ziemlich lang, schmal, über die obere Seite
der vorderen Genitalmasse verlaufend, nach unten absteigend und
ganz unten am Yorderende der hinteren Eingeweidemasse eintretend
und sich in die kleine Magenhöhle öffnend. Der ein wenig links
im vorderen Drittel die hintere Eingeweidemasse durchbrechende
Darm nicht dicker als die Speiseröhre, seinen weiten Bogen über
die vordere Eingeweidemasse hinlegend und nach hinten verlaufend
in die niedrige Analpapille endigend.
Eine neue Gattung von Polyceraden (Greilada). 5
Die hintere Eingeweidemasse (Leber) kurz, kegelförmig, 3 mm
lang bei einer Breite vorne von 1,5 mm, weisslich. Die Gallenblase
links am Pylorus, birnförmig.
Das Pericardium wie bei den Polyceren. Die abgeplattete
Bhitdrüse von eckig-rundlichem Umrisse, in den Rändern etwas
lappig. — Die Niere wie bei der Polycera.
Die Zwitterdrüse gleichsam mit weisslichen Körnern das
hintere Ende und die Seitentheile der Leber überziehend; in den
Läppchen (von einem Durchmesser bis 0,2 mm) grosse Eierzellen.
Der unten neben der Cardia rechts aus dem Vorderende der hinteren
Eingeweidemasse hervortretende, dünne, weissliche Zwitterdrüsengang
eine kleine, auch weissliche Ampulle bildend. — Die vordere Genital-
masse 3 mm lang bei einer Breite bis 2 und einer Dicke bis 1,5 mm
betragend. Der männliche Zweig der Ampulle des Zwitterdrüsen-
ganges, der Samengang, in dicht an einander liegenden Zickzack-
biegungen aufgerollt, die ein gelbliches Knäuel an der inneren Seite
der braungrauen, fast wurstförmigen Prostata bilden; dieselbe
war etwa 1,5 mm lang. Aus dem vorderen Ende der Prostata geht
die Fortsetzung des Samenganges aus, dieselbe hatte eine Länge
von etwa 4 mm, war in der längsten Strecke ein wenig dicker als
am Grunde und ging ohne Grenze in den Penis über. Die letzte
Strecke des Samenganges bis an die Spitze des (Glans-) Penis mit
Hakenreihen (Fig. 8) besetzt; diese letzte Strecke von einer Länge
von beiläufig 0,55 mm bei einem fast durchgehenden Diam. des
Hakenrohres von 0,045 mm. Die Haken von ähnlicher Form wie bei
den Euplocamen^), schwach gelblich, von einer Höhe bis etwa 0,009 mm
(Fig. 9). Bei einem Individuum ragte, wie erwähnt, die hervorge-
streckte Glans (Fig. 7) beiläufig 0,25 mm aus der Genitalöffnung
hervor. Die Vorhaut nicht kurz. Die weisse Spermatotheke kugel-
förmig, von beiläufig 0,8mm Durchmesser (Fig. 10a), leer; der Aus-
führungsgang etwa doppelt so lang wie die Blase, unten weiter
(Vagina) (Fig. 10b). Die Spermatocyste (Fig. 10c) kaum Vs der
Grösse der Spermatotheke betragend; der Ausführungsgang auch
lang. Die Schleimdrüse kaum die Hälfte der ganzen vorderen
Genitalmasse betragend; die kleine Eiweissdrüse auch weisslich; der
Schleimdrüsengang kurz.
1) Vergl. E. Bergh, Beitr. zu einer Monogr. d. Polyceraden. I. Verh. d.
k. k. zool. bot. Ges. in Wien. XXIX. 1879. Taf. XIV, Fig. 1, 2.
6 Dr. R. Bergh.
Tafel -Erklärung.
Greilada elegans, Bgh.
Fig. 1. Mandibelplatten von vorne, mit Cam. lue. gezeichnet (Vergr. 55);
a oberes Zwischenstück, bb die flügeiförmigen Fortsätze, c unteres
Zwischenstück mit seiner zungenförmigen Verlängerung nach hinten.
Mandibelplatten, von der rechten Seite; a, b, c wie in Fig. 1.
Stück der rechten Hälfte der Raspel, mit Cam. gezeichnet (Vergr. 350);
aa (3) äussere Seitenplatten, b innere Seiten platte; c, d, e erste, zweite
und dritte Ausseuplatte.
Innere Seitenplatte, vom Rande (Vergr. 350).
Aehnliche, von oben (Vergr. 350).
Innere Seitenplatte dreier Reihen, in ursprünglicher Lage (Vergr. 350).
Ausgestülpte Glans penis (Vergr. 350).
Ende des Samenganges (glans) (Vergr. 350).
Elemente der Hakenbewaffnung (Vergr. 750).
Samenblasen; a Spermatotheke, b vagina; c Spermatocyste.
Fig.
2.
Fig.
3.
Fig.
4.
Fig.
5.
Fig.
6.
Fig.
7.
Fig.
8.
Fig.
9.
Fig.
10.
lieber ein abnormes Exemplar von
Aurelia aurita L.
Von
Georg Dunckep,
Hamburg.
Hierzu Tafel I, Fig. 11, 12.
Am 16. August vorigen Jahres (1892) fand icli in unmittelbarer
Nähe des Strandes von Kl. Timmendorf an der Neustädter Bucht
(Ost-Holstein) zwischen in der Brandung treibenden Massen kurzer,
brauner Stücke von Zostera marina eine eigenthümliche Abnormität
von Aurelia aurita L. (Fig. 11.) lebend umherschwimmen. Das Thier
fühlte sich fester an, als die gewöhnliche Form, mit der es beim
ersten Anblick fast gar keine Aehnlichkeit bot.
Der Schirm desselben war nämlich über die exumbrellare Seite
hinüber geschlagen und dann derart verändert, dass die ursprüngUche
Randöffnung nur noch als kleines, bewimpertes Loch von ca. 4 mm
Durchmesser erschien. Demnach gUch die Qualle nun einer 8 cm
langen Birne, deren spitzes Ende von der eben erwähnten Oefihung
gebildet wurde und deren stumpfem Pole die vier am Grunde ver-
dickten Arme mit der schräg-kreuzförmigen Mundöffnung zwischen
sich aufsassen. Die Subumbrella war zur Aussen-, die Exumbrella
zur Innenfläche jenes birnförmigen Körpers geworden, dessen dickste
Stelle mit 4,5 cm Durchmesser sich am Ende des ersten Drittels
seiner Länge befand. Der eine Arm war bedeutend länger (7 cm)^
als die übrigen drei (ca. 4 cm) ; sie legten sich bei schnellerer
Schwimmbewegung des äusserst lebhaft und gesund erscheinenden
Thieres dem Schirmteil der Länge nach an.
Leider hatte ich zur Zeit dieses Fundes im Badeort keine
Gelegenheit, am frischen Thier feinere anatomische, sowie histologische
Untersuchungen anzustellen. Ich bewahrte es zunächst in einer mit
Sublimat gesättigten wasserhaltigen Mischung von Glyzerin und
Alkohol % Jahre lang auf, härtete es später gelegentlich eines
längeren Transports in Osmiumsäure und konservierte es in starkem
Alkohol. So kann ich jetzt die 8 Randkörper, die sich damals als
3 Georg Duücker.
rotlie Pünktchen zeigten, nicht mehr auffinden; die Randfäden sind
verschrumpft und zum Theil verloren, die Genitalkrausen und un-
verzweigten Radiärkanäle haben ihre kirschrothe Farbe verloren, das
ganze Thier ist stark geschrumpft, so dass es jetzt fast rundscheiben-
förmig gestaltet ist. Ich zähle 8 unverzweigte und 8 verzweigte
Gefässkanäle in alternierender Stellung ;if. am peripheren Ende der
ersteren befanden sich die Randkörper, ohne dass ein deutlicher
Einschnitt für dieselben erkennbar war. Einen Ringkanal habe ich
nicht wahrgenommen. Die Farbe des Thieres war die einer gewöhnlichen
Aurelia aurita. Geschlechtsprodukte sind trotz der wohl entwickelten
Genitalkrausen nicht mehr auffindbar.
Die Schwimmbewegung, die sieh in einem grösseren Gefäss leicht
beobachten Hess, fand in der Weise statt, dass die Qualle durch
Kontraktion der Längsmuskulatur unter gleichzeitiger Erschlaffung
der Ringmuskeln sich voll Wasser sog, wobei sie natürlich an Länge
ab-, an Dicke zunahm, und dieses durch die entgegengesetzte Muskel-
funktion in kräftigem Stoss aus der Randöffnung am aboralen Pol
ausströmen Hess, so dass sie nach Art der Salpen in der Richtung
des oralen Pol vorwärts schoss. Diese Art der Bewegung ist, so
merkwürdig sie beim ersten Anblick auch erscheint, im Grunde
genommen durchaus normal; bei der rudernden Bewegung regulärer
Individuen bedeutet die Kontraktion der Längs- (Radiär-)muskeln
und die dadurch bedingte Abflachung der Körperscheibe das Aus-
legen, die Kontraktion der Ringmuskeln nebst der durch sie bewirkten
starken Krümmung des Schirms dagegen den treibenden Stoss, so
dass es nur die durch die Körperform gegebene Stossrichtung ist,
durch die sich die Bewegung jenes Individuum von der normaler
Exemplare unterscheidet.
Von wesentlicher Bedeutung scheint mir vielmehr die Art der
Abnormität bei der vorliegenden Qualle zu sein. Ursachen monströser
Bildungen sind gewöhnlich unvoUständige oder übermässige Ent-
wicklung einzelner Organe oder des ganzen Thieres, abnorme
Geschlechtsverhältnisse, Rückschlagserscheinungen, ferner bei bi-
lateralen Thieren Störungen der Symmetrie, bei radiä^ren solche
der normalen Zahlenverhältnisse, wie sie ja auch gerade an AureHa
von Ehrenberg 1) u, A, vielfach beobachtet sind; endlich Verletzungen.
Demnach pflegen derartige Vorgänge meistens in den durch Onto-
und Phylogenie des betr. Organismus vorgezeichneten Bahnen zu ver-
laufen. Hier Hegt jedoch eine Missbildung vor, die sich von keiner
dieser Ursachen direkt ableiten lässt. Die aus der Ontogenie des
Thieres nicht ohne weiteres erklärHche Formveränderung bedingt
eine von der seiner normalen Verwandten total abweichende Lebens-
weise, welche mit denselben Organen, wie denen normaler Thiere
^) Ehrenberg. Ueber die Acalephen des Meeres und den Organismus der
Medusen der Ostsee, p. 199—202: Ueber die Zahlenverhältnisse und Varietäten
der Medusa aurita. In: Abb. Berl. Akad. 1835. — Ferner Romanes in Journ.
Linn. Soc. 1876 u. 1877; Haeckel, System der Medusen.
Ueber ein abnormes Exemplar von A.urelia aurita L. 9
ausgeführt werden muss und auch ausgeführt wird, ein Verhältniss,
das sich nur durch Annahme intensiver Anpassungsvorgänge er-
klären lässt.
Prof. Haeckel, dem das Präparat in Hamburg auf meine Bitte
durch Herrn Dr. M. v. Brunn vorgelegt wurde, erklärte sich, wie
mir Herr v, Brunn freundlichst mittheilte, die Bildung als so ent-
standen, dass die ursprüngHch normale Qualle gelegentlich die in
Fig. 12 dargestellte Ermüdungslage eingenommen hätte, sich nicht
wieder zurückschlagen konnte und nun zu dieser Form ausgewachsen
wäre.
Die Eigenthümlichkeit der Aurelia, zu Zeiten diese Lage ein-
zunehmen, ist altbekannt; auch ich hatte an der Kieler und Neu-
städter Bucht oft Gelegenheit, sie zu beobachten, und zwar besonders
häufig an windstillen sonnigen Tagen, wo die Thiere in grossen
Schwärmen an der Oberfläche umhertreiben. Viele derselben liegen
dann bewegungslos in der oben erwähnten Stellung so, dass ihr
Rand bis an die Luftgrenze reicht. Berührt man sie in diesem
Zustande, so tauchen die meisten rasch unter, wobei sie ihre
gewöhnliche Haltung einnehmen; einzelne aber scheinen bisweilen
ihre Stellung nicht mehr ändern zu können und machen ihre
Schwimmbewegungen in mehr unserer Abnormität entsprechender
Weise.
Hiernach Hesse sich die Entstehung der letzteren auf zweierlei
Art erklären. Entweder hatte das Thier bereits seine jetzige Grösse
annähernd oder vollständig erreicht, als es zur perversen Stellung
gelangte, und der Schirmrand wurde nachträghch durch Resorption
sehr stark verengert. Dagegen spricht der durchaus regelmässige
Randtentakelbesatz der aboralen Oeffiiung und das Fehlen von
Faltungen an der Schirmfläche, die hiermit im nothwendigen
Zusammenhange ständen. Oder das Thier erlitt die dauernde Um-
stülpung in jugendlichem Alter; der Schirm wuchs später normal
aus bis auf den Rand, der sich vielleicht sogar noch unerheblich
verengerte.
Juli 1893. Georg Duncker, Hamburg.
Bericht
über die von Herrn Dr. Sander gesammelten Tnnicaten.
Von
M. Traustedt und W. Weltner.
Hierzu Tafel II.
Die von Herrn Stabsarzt Dr. Sander auf der Reise S. M. S.
Prinz Adalbert 1883 — 85 im Atlantischen, Indischen und südlichen
Stillen Ocean gesammelten Tunicaten sind theils (die Salpen) in
Chromsäure und Osmiumsäure, theils (die Ascidien) in Chromsäure oder
in SubHmat und Osmiumsäure abgetödtet worden. Die Erhaltung
ist eine gute.
Die Bearbeitung des Materials wurde von Herrn M. P. A.
Traustedt ausgeführt; er fand sechs Arten von einfachen Ascidien,
darunter drei neue, und 5 Arten von Salpen. Eine Bestimmung
der zusammengesetzten Ascidien war unthunlich. Die folgende Liste
der Sanderschen Tunicaten hat Weltner im Einverständniss mit
Herrn Traustedt nach dessen Angaben zusammengestellt, die
Diagnosen der 3 neuen Arten sind von Traustedt wörtlich über-
nommen. Die Figuren zu diesen Beschreibungen rühren von
Weltner her.
Ascidiacea.
Cynthia sanderi n. sp. Nagasaki 1. 6. 1884. 1 Exempl. — Nr. 382.
Yokohama 10. 7. 84. 3 Exempl. — Nr. 383.
Styela plicata (Lesueur) Yokohama 10. 7. 84. 12 Exempl. — Nr. 384.
Styela longitubis n. sp. Yokohama 10. 7. 84. 1 Exempl. — Nr. 385.
Corella japonica Herdm. Yokohama 10. 7 84, 12 Exempl. — Nr. 386.
Yokohama 3. 10. 84. 20 Exempl. — Nr. 387.
Sansibar 22. 8. 85. 1 Exempl. — Nr. 388.
Phallusia longitubis Traust. Sansibar 10. 9. 85. 2 Exempl. — Nr. 389.
Phallusia princeps n. sp. Capstadt 22. 10. 85. 6 Exempl. — Nr. 390.
M. Traustedt und W. Weltner. H
Thaliacea.
SaJpa cylindrica Cuv. proles solitaria et gregata.
37« S, 750 51' 0. 31. 3. 84. 10 Exempl. - Nr. 391.
Salpa runcinata-fusiformis Cham.-Cuv. pr. sol. et gr.
370 S, 76« 0. 30. 3. 84. 8 Exempl. — Nr. 392.
Salpa democratica- mucronata Forsk. pr. sol, et gr.
360S, 12^W. 14.2.84. 30 Exempl. — Nr. 393.
Salpa africana-maxima Forsk. pr. sol.
350 23' S, 880 28' W. 31. 12. 84. 1 Exempl. — Nr. 394.
Salpa africana-maxima Forsk. pr. sol. et gr.
370 42' S, 830 28' W. 12. 4. 85. 5 Exempl. — Nr. 395.
Salpa scutigera-confoederata Cuv. pr. gr.
350 23' S, 88» 28' W. 31. 12. 84. 2 Exempl. ^ Nr. 396.
Diagnosen der neuen Arten Yon M. Traustedt.
jjCynthia Sanderii nov. sp.
Der Körper etwas länger als hoch, zusammengedrückt, mit dem
niedrigsten Theile der rechten Seite angewachsen. 83 mm hoch,
90 mm lang; Mund bis Kloakenöffnung 30 mm. Der Mantel ist sehr
dick, besonders an der Basis und dem angewachsenem Theile der
rechten Seite. Die Oberfläche gerunzelt, bräunlich, zum Theil mit
fremden Körperchen inkrustrirt.
Die Muskulatur des Körpers recht kräftig, besonders in der
Umgegend der Siphonen und an denselben.
Die Mund- und Kloakenöffnung sitzen an der Rückenseite, die
Kloakenöffnung ungefähr in der Mitte, die Mundöffnung etwas länger
(d. h. mehr) nach vorne. Die Siphonen sind geräumig, mittellang,
etwas divergirend.
Die Tentakeln, ca. 20 an der Zahl, kurz, verzweigt, von 2 — 3
verschiedenen Grössen.
Das FHmmerorgan ist gross, etwas breiter als lang, die Öffnung
zwischen den tief eingerollten Hörnern ist nach vorne, ein wenig
rechts gekehrt. Zona praebranchialis glatt.
Der Kiemensack hat sechs schwach gekrümmte Falten an jeder
Seite; es finden sich achtzehn bis neunzehn Längsrippen an der
freien Oberfläche jeder Falte. Die grössten Felder sind ungefähr
3 mal so breit wie lang, verhältnissmässig klein ; 6 kurze Spirakel
in jedem Felde.
Die Dorsalleiste ist ziemlich lang und wie gewöhnlich in eine
Reihe Papillen aufgelöst.
Der Darmkanal bildet eine lange Schlinge an der linken Seite;
der Oesophagus und der Magen sind gross und geräumig; der Magen
ist mit sehr gelappten Drüsen versehen. Der Anus ist beinahe frei
und aufwärts gerichtet, mit 3-4 stumpfen Zähnen am Rande.
12 M. Traustedt und W. Weltner.
Die Genitalorgane wie gewöhnlich an beiden Seiten entwickelt
(an dieser Species nur schwach)."
„Styela longitubis nov. sp.
Der Körper ist doppelt so hoch wie lang. Die rechte Seite
stark gewölbt; das Thier ist mit beinahe der ganzen linken Seite
angewachsen gewesen. IT'^nim lang, ca. 30nim hoch. Der Mund-
sipho ca. n^/^mm lang; der Kloakensipho 13mm lang.
Der Mantel ist dünn, zähe, lederartig, völlig undurchsichtig,
beinahe glatt, mit ganz feinen Sandkörnchen inkrustirt. Die Farbe
am Spiritusexemplar hellbräunlich-grau.
Die Muskulatur des Körpers sehr schwach entwickelt, gleich-
massig auf beiden Seiten vertheilt. Die Muskulatur der Siphonen
etwas kräftiger.
Die Mund- und Kloakenöffnung sitzen an sehr langen, ziemlich
dünnen, stark divergirenden Siphonen; die Kloakenöffnung sitzt
etwas niedriger.
Die Tentakeln, ca. 50 an der Zahl, von mehreren verschiedenen
Grössen ; ausserdem finden sich zwischen diesen noch einige ganz kurze.
Das Flimmerorgan ist ziemlich klein, hufeisenförmig, etwas länger
als breit. DieOeffnung zwischen den zwei schwach gekrümmten Hörnern
ist links gekehrt. Zona praebranchialis glatt.
Der Kiemensack hat vier schwach gekrümmte Falten an jeder
Seite. (S dünne Längsrippen an der freien Fläche; die Querrippen sind
flach, von verschiedener Breite; die Felder sind beinahe quadratisch,
jedes mit 4 — 5 ziemlich grossen Spirakeln.
Die Dorsalleiste ist lang, seicht, ganzrandig.
Der Darmkanal bildet eine S förmige Schlinge an dem niedrigsten
Theile der linken Seite, der Oesophagus sehr lang; der Magen wage-
recht liegend, gross und deutlich gegen Oesophagus und Mitteldarm
abgesetzt. Die vordere Krümmimg des Darmes liegt niedriger als
der Anus. Das Rektum steigt senkrecht empor, und der Anus ist
trichterförmig, am Rande unregelmässig gelappt.
Die Genitalorgane rohrförmig, wie gewöhnlich an beiden Seiten
vorhanden,"
„Phallusia princeps nov. sp.
Der Körper ungefähr doppelt so hoch wie lang. Die linke
Seite flach, die rechte stark konvex.
Der Mantel besonders an der Bauchseite sehr dick und knorpel-
artig ; die Oberfläche in der Regel mit fremden Körperchen inkrustirt,
sonst glatt. Mit der Basis und einem Theil der linken Seite an-
gewachsen.
Die Farbe an Spiritusexemplaren heU hornartig, gegen die
Oefihungen hin fleischfarbig.
Bericht über die von Herrn Dr. Sander gesammelten Tunicaten. 13
Die Mund- und Kloakenöffnungen sitzen einander sehr nahe,
ungefähr in der Mitte des Rückens. Die Mundöffnung terminal; die
Kloakenöffnung sitzt etwas niedriger und dreht sich ein wenig der
rechten Seite an. Die Siphonen sind kurz.
Die Muskulatur des Körpers schwach, die der Siphonen dagegen
recht kräftig.
Die Tentakeln, ca. 40 an der Zahl, ziemlich kurz, von zwei ver-
schiedenen Grössen. Zona praebranchialis glatt.
Das Flimmerorgan ungefähr doppelt so breit wie lang, die
Oeffnung zwischen den tief eingerollten Hörnern nach vorne gekehrt.
Der Kiemensack ragt unten etwas über den Magen hinaus und
ist hier zugespitzt. Die Längsrippen kräftig; die Querrippen von
verschiedener Grösse. An den Kreuzungsstellen der Längs- und
Querrippen finden sich kegelförmige, ziemlich grosse Papillen; hier
und da sind auch kleinere intermediäre Papillen von derselben Form
vorhanden. Die Felder des Kiemensackes ungefähr doppelt so breit
wie lang; ca. 10 kleine Spirakel in jedem Felde.
Die Dorsalleiste mit glattem ungezähnelten Rande.
Der Darmkanal bildet ein beinahe geschlossenes S an der
linken Seite. Die vordere Krümmung ist stark nach hinten turnirt.
Der Anus liegt niedriger als die obere Krümmung des Darmes."
Die Falte im Darme ist sehr gross.
Auf den vorliegenden Stücken sind zahlreiche Exemplare und
Schalentheile von Baianus tintinnabulum L. eingewachsen.
14 M. Traustedt und W. Weltner.
Figurenerklärung.
Allgemeine Bezeichnungen,
a After.
6 Eingang in die Speiseröhre,
k Oeffnung der Kloake.
m Magen.
0 Mund.
Fig. 1. Cynthia sanderi n. sp. Ein mittelgrosses Exemplar vom Rücken ge-
sehen. Die Runzeln des Mantels sind nur zum Theil dargestellt. Vi-
Fig. 2. Cynthia sanderi n. sp. Das grösste der vorhandenen Exemplare ohne
den Mantel. Yon der linken Seite. Vi-
Fig. 3. Cynthia sanderi n. sp. Verdauungsorgan eines anderen Exemplars von
der rechten Seite. Auf dem Magen die stark gelappten Drüsen. Vi-
Fig. 4. Styela longituhis n. sp. auf einem Zweige. Von der rechten Seite. Vi-
Fig. 5. Anatomie desselben Thieres, welches von der Bauchseite geöffnet wurde.
Der links liegende Darm jetzt rechts gelegen, t Tentakelkreis, f eine
Falte des Kiemensackes ks, oe Speiseröhre, r Enddarm, g Genitalorgan,
b Bauchrinne, fl Flimmerorgan. Vi
Fig. 6. Phallusia princeps n. sp. Grösstes der vorliegenden Exemplare. Von
der Rückenseite. Vi-
Fig. 7. Dasselbe Thier ohne den Mantel. Von der linken Seite. Die Windungen
des Verdauungskanals treten stark hervor. Vi-
Fig. 8. Verdauungskanal desselben Thieres von links. Etwas chematisch. Vi-
Die
Verbreitung des Hamsters (Cricetus vulgaris)
in Deutschland.
Von
Prof. Dr. A. Nehring"
in Berlin.
Hierzu Tafel III.
Im Zusammenhange mit der Ausarbeitung einer Abhandlung
über pleistocäne flamster-Reste aus Mittel- und Westeuropa, welche
kürzlich von mir in dem Jahrbuche der k. k. geologischen Reichs-
anstalt zu Wien, 1893, Bd. 43, p. 179—198 publiciert worden ist,
habe ich mich bemüht, die heutige Verbreitung des gemeinen Hamsters
(Cricetus vulgaris) in Deutschland genauer festzustellen. Was ich
hierüber in der mir zugänglichen Litteratur fand, schien mir unge-
nügendi) und theilweise sogar irreführend 2) zu sein; namentlich
gilt dieses von den Angaben der ausländischen Litteratur, wonach
es so scheinen muss, als ob der Hamster ein in ganz Deutschland
allgemein oder doch sehr weit verbreitetes Thier sei, was doch
thatsächlich nicht der Fall ist.
Ich bin vor Allem bestrebt gewesen, mir zuverlässige Ori-
ginal-Beobachtungen über die Verbreitung des Hamsters
in Deutschland verschaffen, indem ich zugleich auch die mir zu-
gänghchen Litteratur-Angaben verwerthet habe. Ich bemerke, dass
alle diejenigen Beobachter, deren Notizen ich im Nachfolgenden ver-
wendet habe, den gemeinen Hamster (Cricetus vulgaris) genau
1) Die Angaben, welche F. Gr. Sulz er in seiner sonst sehr ausführlichen
„Naturgeschichte des Hamsters", Göttingen und Gotha 1774, p. 106 ff. über
die Verbreitung des Hamsters geliefert hat, sind zwar zutreffend und sorgsam,
können aber heute nicht mehr genügen.
2) Siehe z. B. Museum of Animated Nature, London, Bd. I, p. 63. —
Verhältmässig reichhaltig, aber zum TheU doch unrichtig sind die Angaben,
welche Fitzinger in seiner wissensch.-popul. Naturgeschichte der Säugethiere,
Bd. n, Wien 1860, p. 156 gemacht hat. Vergl. auch Fitzinger, Versuch
e. natürl. Anordnung d. Nagethiere, Wiener Akad., 1867, p. 42.
IQ Prof. Dr. A. Nehring.
kennen ; man muss in dieser Beziehung bei dem Sammeln von Notizen
sehr vorsichtig sein, weil in manchen Gegenden Deutschlands die
Schermaus oder Reutmaus (Arvicola amphibius) von den Landleuten
auch mit dem Vulgärnamen: „Hamstermaus" oder kurz „Hamster"
bezeichnet wird, wodurch man bei der Einziehung von Erkundigungen
leicht irre geführt werden kann.
Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass meine nachstehenden An-
gaben über die Verbreitung des Hamsters in Deutschland noch
vielfach lückenhaft und ergänzungsbedürftig sind; trotzdem halte
ich sie für werth, pubhciert zu werden, da sie im Vergleich mit den
bisher vorliegenden Angaben immerhin einen wesentlichen Fortschritt
mit sich bringen und zu weiteren Beobachtungen anregen dürften.
Allen denjenigen, welche mich freundlichst durch Mittheilungen
unterstützt haben, sage ich hiermit meinen verbindlichsten Dank!
Leider sind viele meiner Anfragen unbeantwortet geblieben.
Der gemeine Hamster (Cricetus vulgaris Desm. seu frumen-
tarius Fall.) ist die grösste und kräftigste Art der Gattung Cricetus.
Man hat etwa ein Dutzend Hamster-Arten unterschieden, welche
sämmtHch der sog. palaearktischen Region angehören und entweder
in den eigentlichen Steppen, oder doch in waldarmen, steppenähnlichen
Distrikten hausen. (Siehe meine oben genannte Abhandlung im Jahrb.
d. k. k. geolog. Reichsanstalt zu Wien, wo p. 180 — 184 einige
kurze Angaben über die geographische Verbreitung der einzelnen
Cricetus-Species gegeben sind.)
Der gemeine Hamster bildet diejenige Cricetus-Species, welche
heutzutage am weitesten nach Westen vorgeschoben ist, wenngleich
nicht so weit, wie es einst während eines gewissen Abschnittes der
Pleistocän-Periode der Fall war. Der H. führt im Allgemeinen ein
streng sesshaftes Leben; er hängt zäh an dem Wohngebiete,
welches ihm günstig erscheint, und hat wenig Neigung zu Wanderungen.
Obgleich eigentlich zu den Steppen -Nagern gehörig, i) verlangt der
gemeine H. doch nicht unbedingt ein ausgeprägtes Steppenklima,
wofern nur die Vegetations- und Bodenverhältnisse seinen An-
forderungen genügen. Die anderen Hamster- Arten sind in klimatischer
Hinsicht empfindlicher; sie finden sich heutzutage nur oder fast
nur in dem weiten Gebiete Osteuropas und Central-Asiens, welches
unter dem vorwiegenden Einflüsse des Steppenklimas steht.
Der gemeinen, bewohnt in Deutschland mit Vorliebe solche Distrikte
der Ebene und des Hügellandes, welche waldlos oder waldarm sind,
und in denen ein tiefgründiger, lehmig-sandiger oder lössartiger Boden
ihm die Anlage undErhaltung seiner unterirdischen Kammern und Gänge
gestattet. Am liebsten haust er auf grossen Getreidefeldern, welche
ihm annähernd die Lebensbedingungen der freien Steppe bieten. Da
^) Siehe meine Angaben nach Mod. Bogdanow in d. Zeitschr. d. Berl. Gesellsch.
f. Erdk., 1890, Bd. 26, p. 341.
Die Verbreitung des Hamsters in Deutschland. 17
seine Höhlen und Gänge ziemlich tief hinabreichen, wird er durch
den gewöhnlichen Pflug wenig gestört. Seltener als auf oder nahe
bei Getreidefeldern findet man ihn auf sonstigen Feldern oder in
Gärten. Nach Conrad Gessner kam er einst bei Mühlberg an der
Elbe in Weinbergen vor; auch Fitzinger erwähnt sein Vorkommen
in Rebenpflanzungen. ^)
Feuchte, sumpfige oder den Ueberschwemmungen der Flüsse
ausgesetzte Distrikte meidet der H., ebenso Gebirgsgegenden mit
felsigem Boden; auch der reine, unfruchtbare Sandboden ist ihm
zuwider. Die Nähe des Meeres scheint er gänzlich zu fliehen. —
Die Westgrenze des Hamsters in Deutschland fällt ungefähr
mit der politischen Westgrenze des deutschen Reiches, sowie auch
beinahe mit der Westgrenze der heutigen Verbreitung des H. über-
haupt zusammen. Nur in der Gegend von Aachen reicht sein
Wohngebiet ein wenig nach Belgien hinein, also über die Grenze
Deutschlands hinaus. Siehe Tafel HI.
In vielen Werken wird der Rhein als die Westgrenze des H.
angegeben^); aber mit Unrecht. Im Bereiche von Elsass-Lothringen
bilden die Vogesen die Westgrenze seiner heutigen Verbreitung.
In der Umgebung der Stadt Strassburg ist er schon seit langer
Zeit als häufig beobachtet worden, so dass die Franzosen ihm
u. a. auch den Namen: „marmotte de Strassbourg" beigelegt
haben; schon im 16. Jahrhundert wird er als dort vorkommend
erwähnt. 3)
In der bayrischen Pfalz (Rheinbayern) findet sich der Hamster
nach den mir freundlichst übermittelten Angaben des Herrn Stud.
agr. W. Huber, '^) eines meiner Zuhörer, in den Bezirken von Pirmasens,
Zweibrücken, Homburg und Kusel, doch für gewöhnlich nur in geringer
Zahl ; häufiger ist er in der Vorderpfalz, also im östlichen Theile der
Rheinpfalz, z. B. bei Ludwigshafen. — Wahrscheinlich kommt er
auch in dem Theile des Elsass vor, welcher zwischen der Vorderpfalz
und der Gegend von Strassburg sich ausdehnt.
In Rheinhessen ist der Hamster nach den Mittheilungen des
Herrn Stud. Huber stellenweise recht häufig, so z. B. in den Ge-
markungen von Pfeddersheim, Griesheim und Wintersheim. Von der
') Man vergl. auch Sulzer a. a. 0., p. 107, wo es bezweifelt wird, dass der
H. dauernd in Weinbergen hause.
-) Siehe z. B. Schreber, die Säugethiere, 3. Teil, 1826, p. 698. Schreber-
Wagner, die Säugethiere, Supplementband, 3. Abth.. 1843, p. 449. Vergl. auch
A. Wagner, die geogr. Verbreitung d. Säugethiere, p. 75.
3) Ch. Gerard, Faune historique des mammiferes sauvages de TAlsace.
Colmar 1871, p. 191. — Vergl. auch Vogt-Specht, die Säugethiere in Wort und
Bild, München 1883, p. 371.
*) Herr Stud. W. Huber hat sich in anerkennenswerthester Weise bemüht,
mir genaue Notizen über das Vorkommen des Hamsters in Rheinbayern und
Eheinhessen zu verschaffen. — Fitzinger a. a. 0. giebt unrichtigerweise an, dass
der H. in der Pfalz fehle.
Arch. f. Natm-gesch. Jahrg. 1894. Bd.I. H.l. 2
lg Prof. Dr. A. Nehring.
Gemeinde Wintersheim sind in den Jahren 1888—1890 Prämien
für 5097 getödtete Hamster gezahlt worden i).
Was die linksrheinischen Theile der preussischen Rhein-
provinz anbetrifft, so ist er dort, so viel ich weiss, nur sporadisch
beobachtet worden. Nach Stud. Huber kommt er in geringer Zahl
im Kreise Saarbrücken vor. Ferner soll er zuweilen in der Gegend
von Trier beobachtet werden; die mir unterstellte Sammlung besitzt
ein Skelet von dort. Blasius erwähnt, dass Albertus Magnus ihn von
Bonn und Köln gekannt habe. 2) Nach A. Wagner bewohnt er ferner
die Gegend von Aachen. Nach S. Longchamps kommt er in geringer
Zahl auch noch in der belgischen Provinz Lüttich zwischen
Herve und Limburg vor; ebenso soll er bei Venlo am rechten Ufer
der Maas vereinzelt gefunden sein.
Der letztere Fundort erscheint nach einer freundlichen Mittheilung
des Herrn Dr. A. Jentink, Directors des naturhistorischen Reichs-
museums in Leiden, einigermassen zweifelhaft. Jentink schreibt mir
über die Frage, ob der Hamster irgendwo im Königreich Holland
vorkomme, 3) Folgendes: ,,Man hat früher behauptet, dass Cricetus
frumentarius in der Provinz Groningen und bei Venlo in der Prov.
Limburg vorkomme; aber man hat aus Groningen kein Exemplar
zeigen können, und ich denke an eine Verwechselung mit Arvicola
amphibius var. Mit Venlo ist es anders, da die Prov. Limburg
geologisch und faunistisch nicht zu Holland gehört; es ist denkbar,
dass Cricetus frument. dort vorkommt, aber mir ist auch von dort kein
Exemplar bekannt."
Aus dem Regierungsbezirke Düsseldorf habe ich nichtf? über das
etwaige Vorkommen des Hamsters erfahren. In Westfalen ist er
bisher nirgends als einheimisch beobachtet worden. Prof. Landois
in Münster, der sich bekanntlich sehr eingehend mit der Fauna
Westfalens befasst hat, schreibt mir hierüber: „Wir haben bisher
in Westfalen nirgends den Hamster constatiert. Es ist zwar hie
und da, z. B. in Brünninghausen bei Dortmund, sowie auch hier in
der Stadt Münster selbst, ein Hamster gefangen worden; es sind
dieses aber sicher herübergesandte, aus der Gefangenschaft entlaufene
Exemplare."
In Ostfriesland und in Oldenburg kommt der Hamster
nicht vor; auch nicht im Gebiete von Bremen. Dr. 0. Finsch in Delmen-
horst, der bekannte Zoologe, schreibt mir: „Was Ihre Anfrage betrifft,
so ist mir über das Vorkommen des Hamsters im Bremer und Olden-
burger Lande nie etwas bekannt geworden und ich glaube bestimmt,
^) Geuauere Angaben über die von 1840—1890 bei VVintersbeim getödteten
Hamster findet man in d. Beilage für Rheinhessen zur Zeitschr. d. Landw.
Vereine d. Grossherzogtbums Hessen, 1891, Nr. 1.
2) Blasius, Naturg. d. Säugeth. Deutschlands, p. 308.
^) Fitzinger, Versuch e. nat. Anordnung d. Nageth., 1867, giebt ohne
Einschränkung oder Fragezeichen an: „Holland, Venloo."
Die Verbreitung- des Hamsters in Deutschland. 19
dass er hier fehlt." Auch in dem kleinen Werke von Wiepken und
Greve über die Wirbelthiere Oldenburgs wird der Hamster nicht
aufgeführt.
In dem östlichen Theile der Provinz Hannover scheint
der Hamster nur dasjenige Gebiet zu bewohnen, welches westlich
von der Weser und nördlich von der Aller begrenzt wird, ohne dass
er aber diese Grenzen thatsächlich erreicht oder ausfüllt. Mein
geehrter Freund, der Herr Amtsrath Dr. Struckmann in Hannover,
schrieb mir Folgendes: „Soweit ich selbst beobachtet oder aus ganz
zuverlässigen Quellen erfahren habe, findet sich der Hamster (Cricetus
vulgaris) recht häufig in einem Theile des Kreises Goslar und zwar
im früheren Amte Liebenburg, ferner in den Kreisen Hildesheim und
Marienburg, sowie in einem Theile des Kreises Hameln und zwar
im früheren Amte Lauenstein, weiter sehr häufig im südHchen Theile
des Kreises Neustadt und zwar zwischen Wunstorf und Gr. Munzel,
auch in dem angrenzenden westHchen Theile des Kreises Linden
am Nordfusse des Heisters. Aus den Kreisen Goettingen und Nort-
heim ist mir ein Vorkommen des H. nicht bekannt geworden."
Mein Bruder Oskar, welcher seit mehr als 20 Jahren ein
Rittergut in dem früheren Amte Liebenburg verwaltet, schreibt mir:
„Hamster giebt es zwar im alten Amte Liebenburg, aber nicht so
massenhaft, wie bei Halberstadt."
Auch bei Oelheim unweit Peine kommt der H. hie und da vor;
das naturhistorische Museum in Braunschweig hat, wie Herr F.
Grabowsky, Assistent an jenem Museum, mir freundlichst mittheilte,
im vorigen Jahre durch einen Studirenden der technischen Hoch-
schule zu Braunschweig einen Hamster aus Oelheim erhalten.
Im Herzogthum Braunschweig ist der H. stellenweise ziem-
lich häufig; ich kenne ihn aus den Kreisen Braunschweig, Wolfen-
büttel, Helmstedt und Blankenburg auf Grund eigener Beobachtungen,
namentHch aus der Umgebung der Städte Helmstedt^), Wolfenbüttel
und Schöppenstedt, Nach Erwin Schulze soll er in der näheren
Umgebung der Stadt Braunschweig fehlen, doch ist dieses wohl nicht
ganz zutreffend ; wie Herr Grabowsky mir mittheilte, ist Herrn Prof.
W. Blasius vor einigen Jahren ein Hamster gebracht worden, welcher
zwischen dem Wendenthore und dem Schunter-Flüsschen, in der Nähe
des Dove-Sees (also an der Nordseite der Stadt Braunschweig) er-
schlagen war. Herr Prof. W. Blasius erinnert sich ferner mit Be-
stimmtheit, dass der H. vor ca. 25 Jahren bei Sophienthal, etwa
2V2 Stunden nordwesthch von Braunschweig, zahlreich vorkam.
Ob der Hamster nach Norden bis zur AJIer vorgedrungen ist,
darüber kann ich bisher keine bestimmten Angaben machen. Jeden-
^) Nach den Mittheilungen meines Bruders Robert, herzogl. Braunschw.
Oberförsters in Marienthal unweit Helmstedt, scheint der H. in den nördlichen
Theilen des Kreises Helmstedt entweder zu fehlen oder selten zu sein. Ich
habe ihn auf den Feldern südlich und südöstlich von der Stadt Helmstedt während
der fünfziger Jahre häufig beobachtet.
2*
20 Prof- Dr- A. Ne bring.
falls fehlt er nördlich von der Aller, in der Lüneburger Heide. Auch
in dem Haupttheile der Altmark scheint er zu fehlen; einer meiner
Zuhörer, der in der Gegend von Stendal zeitweise als Landwirth
thätig war, hat ihn dort niemals beobachtet, auch nicht von ihm
gehört. —
Dagegen kommt der H. von Neu-Haldensleben ab südHch in
der Provinz Sachsen sehr häufig vor. Die mir unterstellte Samm-
lung enthält zahlreiche Exemplare aus der Umgebung von Alt-
Haldensleben und Hundisburg, welche von Hermann v. Nathusius
und anderen Mitgliedern der Famihe Nathusius gesammelt sind. Ich
selbst habe den H. häufig in der Magdeburger Börde, namenthch in
der Gegend zwischen Hadmersleben und Westeregeln beobachtet.
Ich kenne ihn ferner von Magdeburg, Oschersleben, Halberstadt und
Aschersleben, wo er besonders häufig ist. Erwin Schulze nennt als
Fundorte: Osterwieck, Hornburg, Quedlinburg, Aschersleben, Halle,
die Gegend am südlichen Harzrande etc. Ueberhaupt kann man
den ganzen mittleren und südHchen Theil der Provinz Sachsen, sowie
auch den grösseren Theil des Herzogthums Anhalt als ein bevor-
zugtes Wohngebiet des Hamsters bezeichnen. [Siehe Tafel III]. Vergl.
auch Sulzer a. a. 0., p. 107.
In der Provinz Brandenburg findet sich der H. hauptsächlich
in den Districten, welche den von ihm bewohnten Theilen der Prov.
Sachsen benachbart sind; doch kommt er weiter verbreitet vor, als
man gewöhnhch annimmt. J. H. Schulz erwähnt in seiner „Fauna
Marchica", Berlin 1845, p. 35, Exemplare von Jüterbogk und Treuen-
brietzen, also aus dem Südwesten der Provinz; Friedel nennt in der
2. Ausgabe seiner „Wirbelthiere der Prov. Brandenburg", Berhn 1886,
p. 62, ausserdem noch Luckenwalde, sowie ferner Nauen und die
Priegnitz. Ich selbst konnte im vorigen Jahre auf Grund der
mündlichen Angaben des Herrn Gustav Stimming zu Brandenburg nach-
weisen, dass der H. vor ca. 40 Jahren nahe bei der Stadt Brandenburg
und zwar vor dem Krakauer Thore häufig war; derselbe verschwand
dann plötzlich ohne ersichtlichen Grund. Seit Kurzem haben sich
aber einzelne Paare bei den Dörfern Moser und Grähnert (westlich
von Brandenburg) gezeigt i). Nach einer mündlichen Mittheilung des
Herrn P. Matschie, Assistent am hiesigen Museum f. Naturkunde,
ist der H. schon vor ca. 20 Jahren bei dem Städtchen Ziesar, süd-
westlich von der Stadt Brandenburg, vorgekommen. 2)
Besonders interessant erscheint mir sein Vorkommen bei Nauen,
bei Fehrbellin, in der Priegnitz, sowie bei Templin, Schwedt und
Oderberg. Siehe Tafel III.
Nach Angabe des Herrn Ludwig, Präparators an der zoolog. Ab-
theilung des hiesigen Museums für Naturkunde, findet sich der H. häufig
1) Siehe „Naturwiss. Wochenschrift", 1892, Band VII, p. 355.
-) Ziesar liegt übrigens noch in der Provinz Sachsen, sowie auch die vorher
genannten Dörfer Moser und Grähnert, letztere allerdings dicht an der Grenze
der Prov. Brandenburg.
Die Verbreitung des Hamsters in Deutschland. 21
bei Nauen (westlich von Berlin), und zwar links von der alten Berlin-
Hamburger Chaussee; Ludwig ist aus Nauen gebürtig und hat ihn
hier schon in seiner Jugend (d. h. also vor ca. 40 Jahren) beobachtet.
Derselbe kennt ihn ferner von dem Dorfe Brunne bei Fehrbellin und
hat mir ein von dort stammendes Exemplar überlassen.
Nach einer brieflichen Mittheilung des bekannten Ornithologen
Schalow hierselbst kann ich über das Vorkommen in der Priegnitz
Folgendes mittheilen: „Von Cricetus vulgaris habe ich (schreibt mir
Schalow) lebende Exemplare gesehen und todte in Händen gehabt
in der Umgegend der Dörfer Görcke und Granzow, ca. 2 Stunden
östlich von der Eisenbahnstation Glöwen.^) Bei Granzow ist der
Hamster sehr häufig; zwischen Glöwen und Görcke soll er nach den
Mittheilungen der Einwohner nicht vorkommen."
Aus dem Nordosten des Regierungsbezirks Potsdam kenne ich
nur Templin, Schwedt a. d. Oder, Neuendorf und Lunow (zwischen
Angermünde und Oderberg) als Fundorte des H. Bei Templin wurde
er durch Herrn Dr. Arthur Krause (hier) festgestellt, sein Vorkommen
bei Schwedt ist durch den verstorbenen Prof. Munter (in Greitswald)
bezeugt; dasjenige bei Amt Neuendorf und Lunow kenne ich durch
Herrn Förster Schulz^) in Breitelege bei Oderberg (Mark).
An das Vorkommen bei Templin schliesst sich dasjenige inMecklen-
burg-Strelitz an, über welches Herr Gymnasiallehrer Struck in
Waren ausführHch berichtet hat. 3) Hiernach kommt der H. in der
Gegend von Friedland, also im nordöstlichen Theile des Gross-
herzogthums Mecklenburg-Strelitz, vor und zwar südlich von
Friedland bei den Orten Lübbersdorf, Hohenstein, Golm und "Weitin.
Siehe Tafel HI. Aus den sonstigen Bemerkungen Strucks ergiebt sich,
dass der Hamster auch an einigen Punkten Pommerns, nämlich
auf dem Arnim'schen Gute Züsedow bei Pasewalk sicher festgestellt und,
wie es scheint, sogar bei Demmin beobachtet worden ist.^) Nach einer
mündlichen Mittheilung meines verehrten Collegen, des Herrn Forst-
meisters Westermeyer, welcher in Pommern gut Bescheid weiss,
kommt der H. auch bei Löcknitz, zwischen Pasewalk und Stettin,
vor; Herr Westermeyer besitzt ein ausgestopftes Exemplar aus der
Gegend von Löcknitz.
Hiermit haben wir die nördlichsten Vorposten des H. in Deutsch-
land berührt. Andere Fundorte aus Pommern sind mir nicht bekannt
geworden ; einige bezügliche Anfragen, welche ich nach Stettin gesandt
hatte, sind unbeantwortet geblieben. Nach Angabe des Herrn Stud.
^) Station der Berlin-Hamburger Bahn zwischen Neustadt a. d. Dosse und
Wilsnack.
-) Herr Schulz war so freundlich, mir einen Hamster von Amt Neuendorf
einzusenden.
^) Siehe Arch. d. Ver. d. Freunde d. Naturgesch. in Mecklenburg, 1876,
Neubrandenburg 1876, p, 66 u. 67. und ebenda, 1889, p. 103—106.
*) Das angebliche Vorkommen bei Demmin scheint mir allerdings einer
nochmaligen Prüfung zu bedürfen.
22 Prof. Dr. A. Nehring.
agr. Ludwig, eines meiner Zuhörer, welcher längere Zeit als land-
wirthschaftl. Beamter in Pommern thätig gewesen ist, kommt der H.
weder bei Anclam und Wolgast (Vorpommern), noch auf den Ländereien
des Fürsten Bismarck bei Varzin vor^), wie er denn überhaupt in
dem grössten Theile der Provinz Pommern völlig zu fehlen scheint.
Wenn an manchen Orten dort vom „Hamster" geredet wird, so ver-
steht man darunter die Schermaus (Arvicola amphibius), und man
muss also bei der Verwerthung von solchen Angaben sehr skeptisch
sein! —
Auch im Osten der Provinz Brandenburg scheint der H.
zu fehlen. Nach meinen Erkundigungen kommt er bei Biesenthal
und Eberswalde, also nördlich von Berlin, nicht vor; ebenso wenig
bei Neudamm und Berneuchen in der Neumark. Ueljer die Gegend
von Frankfurt a. d. 0. bin ich leider ohne Nachricht geblieben. In
der Niederlausitz soll er fehlen, sofern meine Erkundigungen zutreffend
sind ^).
In der Provinz Posen ist der H. bisher nirgends beobachtet
worden, soweit meine Kenntniss reicht; auch dem landwirthschaftl.
Provinzialverein in Posen, an den ich mich um Auskunft gewendet
hatte, ist nichts über sein Vorkommen in jener Provinz bekannt
geworden. —
In West- und Ostpreussen fehlt der H. ebenfalls vollständig,
nach dem übereinstimmenden Zeugnisse mehrerer namhafter Autoren^).
Ebenso fehlt er in den russischen Ostsee -Provinzen. Alle die an-
geblichen Fälle seines Vorkommens in diesen Gegenden beruhen
entweder auf Verwechselungen mit der Schermaus (Arv. amphibius),
oder auf sonstigen Irrthümern. Bei Schreber, Die Säugethiere, 3. Theil,
1826, p. 698, liest man in einer Fussnote Folgendes: „Nach Fischer's
Naturgeschichte von Lievland S. 60 soll es auch in Lievland Hamster
geben, von denen aber gesagt wird, dass sie ihre Höhlen gern unter
Baumwurzeln bauen, und gemeiniglich paarweise leben — welches
auf den gemeinen Hamster nicht recht passt." Hier handelt es sich
gewiss nicht um den richtigen Hamster (Cricetus), sondern um die
Schermaus. —
Sehr ausführlich hat Oskar von Löwis, der ausgezeichnete
Kenner der baltischen Säugethiere, die Frage des Hamster-
Vorkommens in den russischen Ostsee-Provinzen behandelt.
Siehe „Zool. Garten," Bd. 21, 1880, p. 261 und „Baltische Monats-
schrift," Bd. 32, 1885, Heft 4, p. 463 f. Derselbe kommt zu einem
völlig negativen Resultate ; ich hebe aus der letztgenannten Zeitschrift
^) Herr Stud. Ludwig war längere Zeit Verwalter beim Fürsten Bismarck
in Varzin (Hinterpommern).
2) Nach Fitzinger, a. a. 0., soll der H. im südöstlichen Theile der Mark
Brandenburg vorkommen.
^) J. G. Bujack, Fauna Prussica, Königsberg 1837, p. 56, lässt es zweifel-
haft, ob der H. in der Provinz Preussen vorkommt ; doch kann man heute sicher
behaupten, dass dies nicht der Fall ist.
Die Verbreituug des Hamsters in Deutschland. 23
folgende Bemerkungen hervor: „Früher wurde der Hamster, Cricetus
frumentarius, in gutem Glauben und in Analogie mit seinem häufigen
Vorkommen in Mitteldeutschland, oder auch weil derselbe weiter
südlich in Polen und südöstlich in einem Theile des witebskischen
Gouvernements schon vorkommen soll, unter den hier (d. h. in den
russ. Ostsee-Provinzen) vorhandenen Nagerformen kritiklos vorgeführt
und seine Beschreibung aus deutschen Lehrbüchern einfach abge-
schrieben, so von J. L. Fischer im vorigen Jahrhundert, von E. W.
Drümpelmann und Friebe etc. und in vielen späteren Verzeich-
nissen i).''^ .... „Der verstorbene Prof. der Zoologie Dr. Zaddach
aus Königsberg sagte mir 1880 auf der Naturforscherversammlung
zu Danzig bei Besprechung dieser fälschlichen Hamster-Aufführungen,
dass, da der Hamster sowohl in West- als Ostpreussen gänzlich fehle
und erst im mittleren Polen gefunden werde, er sicherlich niemals
in den (russischen) Ostsee-Provinzen vorgekommen sein könne. Das
von A. Lehmann der dorpater Universitätssammlung 1836 übergebene
Exemplar ist gewisslich von seinen Reisen aus Südrussland, wo der
Hamster „chomjak," als südöstliche schwarze Spielart auch
„karbysch" genannt wird, mitgenommen gewesen und wurde im Re-
gister durch ein Versehen als livländisches verzeichnet, indem man
liest „Livonia 1836." Ehe also verbürgte baltische Hamster
gefangen und eingesandt wurden, darf derselbe nicht aufgeführt
werden." —
Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, dass sich in der zoolog.
Abtheilung des hiesigen Museums für Naturkunde ein ausgestopfter
Hamster befindet, der angeblich aus Parma in Oberitalien stammen
soll; auch hier liegt sicher ein Irrthum vor! Entweder handelt es
sich um ein lebend nach Parma geschicktes, später aus der Gefangen-
schaft entschlüpftes Exemplar, oder es ist vielleicht in dem Inventar
ein Schreibfehler passirt und statt Parma etwa Pirna oder dergl. zu
lesen. Oberitalien hat zwar während der jüngeren Pleistocänzeit den
gemeinen Hamster beherbergt; aber heutzutage ist er dort nirgends
einheimisch, wie Herr Dr. Forsyth Major (Florenz) mir auf meine
Anfrage ausdrücklich versichert hat.
Kehren vnr nach Deutschland zurück! In der Provinz Schlesien
scheint der H. in vielen Distrikten vorzukommen, und zwar haupt-
sächlich Hnks (westlich) von der Oder. Wie Herr Dr. Peck, der
verdienstvolle Vorsteher des Museums der naturforsch. Gesellschaft
in Görlitz, mir kürzlich bei einem Besuche jenes Museums mittheilte,
findet er sich hie und da in der Oberlausitz ; ein ausgestopftes
Exemplar der genannten Sammlung kann als Belag dafür dienen.
Nach Angabe des Herrn Jacob, Portiers an der Landwirthschaftl.
1) Auch J. Fr. Brandt hat jene Angaben Fischer's und Drümpelmann's als
zuverlässig angesehen oder doch keinen directen Zweifel gegen sie geäussert.
Siehe seine Bemerkungen über die Wirbelth. d. nördl. europ. Russl., Petersburg
1856, p. 40. Auch Bujack und Fitzinger nehmen fälschlich an, das der H. in
Lievland vorkomme.
24 Prof. Dr. A. N eh ring.
Hochscliule zu Berlin, kam der H. ira Anfange der sechziger Jahre
häufig bei dem Dorfe Quaritz unweit Gr. Glogau vor. Herr Gnörich,
Präparator am hiesigen Museum f. Naturkunde, hat ihn früher in
der Gegend von Klettendorf, südwestlich von Breslau, beobachtet.
Meine jetzige Dienstmagd, eine Schlesierin, kennt ihn genau aus der
Gegend von Weissdorf, Kreis Ohlau; sie hat früher oft beim Aus-
graben der Hamster geholfen. Nach Angabe des Herrn Dr. Crampe
(in Breslau, früher in Proskau) soll der H. in die Gegend von
Proskau (südlich von Oppeln) erst in den siebziger Jahren vorgedrungen
sein, während der Ziesel (Spermophilus citillus) dort schon früher oft
beobachtet worden ist. Siehe: ,,Der Landwirth", 1892, S. 508.
Nach einer Mittheilung des Herrn Stud. agr. Grosskurth kommt der
H. in massiger Zahl auf den Feldern bei Ober-Glogau im Neustädter
Kreise vor, zugleich mit dem Ziesel, doch so, dass dieser den leichteren,
jener den schwereren Boden vorzieht. Siehe Tafel IH.
Auf der rechten Seite der Oder scheint der H. in Schlesien
nur eine sehr geringe Verbreitung zu haben. Bisher kenne ich ihn
nur aus der Gegend von Militsch, nahe der Südgrenze der Provinz
Posen, wo ihn Herr Rimane, Diener am hiesigen Museum für Natur-
kunde, fi'üher beobachtet hat. Nach einer gefälligen Mittheilung
des landwirthschaftHchen Vereins des Kreises Lublinitz kommt der
H. dort nicht vor; ebenso fehlt er nach Stud. agr. 0. Wagener in
der Gegend von Tarnowitz.
Der reichsgräfhch Schaffgotsch'sche Präparator in Warmbrunn,
Herr Martini, theilte mir auf Grund langjähriger Erfahrungen mit, dass
der Hamster hie und da in den Kreisen Bunzlau, Liegnitz, Striegau
und Jauer vorkomme. Herr Martini hat aus diesen Kreisen zuweilen
frisch getödtete Hamster zum Ausstopfen erhalten; einer derselben war
an den sog, Rehbergen bei Liegnitz erbeutet worden. Im Hirschberger
Kreise wird der H. nicht gefunden. Stellenweise und zeitweise scheint
übrigens der H. im Kreise Liegnitz ziemlich häufig zu sein; wie
Herr Josephi, Hülfsarbeiter am hiesigen Museum f. Naturk., mir
freundlichst mittheilte, wurden im Herbst 1881 bei Weissen Leipe,
zwischen Maltsch und Striegau, auf einem Gute von 1000 Morgen
86 Hamster gefangen. Ueber das Vorkommen im ,,Fürstenthum
Jauer "^ siehe auch Sulzer, a. a. 0., S. 108.
Was den östlichen Theil des Königreichs Sachsen an-
betrifft, so hat mir Herr Kreissecretär Brugger in Bautzen namens
des dortigen landwirthschaftl. Kreisvereins mitgetheilt, dass der H.
in der ganzen sächsischen Lausitz vorkomme, aber nicht in solcher
Zahl, dass Schädigungen in grösserem Umfange zu melden seien.
Auch auf dem Grundstücke der landwirthschaftl. Lehranstalt in
Bautzen sind schon mehrfach Hamster ausgegraben worden. Neben
ihm findet sich in der sächsischen Lausitz auch der Ziesel (Spermo-
philus citillus), doch in geringer Zahl.
In den ebenen Distrikten der mittleren und westlichen
Theile des Königreichs Sachsen scheint der H, überall vorzu-
kommen. Schon Gessner erwähnt, dass er bei Meissen, Leipzig und
Die Verbreitung- des Hamsters in Deutschland. 25
Pegau häufig sei. i) lieber Osttliüringen kann ich sehr genaue,
auf langjährige Beobachtungen gestützte Angaben meines verehrten
Freundes, des Hofraths Prof. Dr. K. Th. Liebe in Gera, mittheilen.
Derselbe schreibt mir auf meine Anfrage Folgendes: „Der Hamster
ist im Norden von Ostthüringen, bei Zeitz, Meuselwitz, Altenburg etc.,
also im eigentlichen Osterland, eine gemeine Erscheinung. Weiter
südlich, in der Grafschaft Gera, im Neustädter Kreise bis Saalfeld
hin ist er vereinzelter, wird nicht zur Landplage, ist aber garnicht
selten. Im Nordwesttheile (im Buntsandsteingebiet) ist er seltener
als in dem südlich davon gelegenen Neustädter Kreise, wohl nur
deshalb, weil er Sandboden nicht liebt. Auf den südlicher gelegenen
Waldbergen verschv?indet er und fehlt im südlichen Ostthüringen,
wo es ihm auch zu rauh und der Boden zu steinig und flach-
gründig ist."
In der Gegend zwischen dem Thüringer Walde und dem
Harze scheint der H. eine weite Verbreitung zu haben. Allgemein
bekannt aus der Litteratur ist sein massenhaftes Vorkommen bei
Gotha. Von meinen Zuhörern habe ich noch folgende Notizen
erhalten: Herr Stud. agr. Claus hat ihn bei Almenhausen unweit
Sondershausen beobachtet, daselbst auch ein schwarzes Exemplar
gefangen; Herr Stud. agr. Ludwig kennt ihn von Rossleben, Herr
Stud. agr. Wagener aus der Gegend von Weimar. — Nach Erwin
Schulze findet er sich häufig am Südrande des Harzes, z. B. noch
bei Lauterberg a,. H.
Merkwürdig ist es, dass der H. weiter westlich, nämlich im
Hessischen und in der Göttinger Gegend zu fehlen scheint.
Stud. agr. Hubach hat ihn in der Gegend von Witzenhausen und
Cassel nie beobachtet, Stud. agr. Wagener ebenso wenig im Kreise
Marburg 2). Stud. agr. Grosskurth, ein geborener Waldecker, der
längere Zeit bei Warburg und bei Adelebsen praktisch thätig war,
hat den H. . weder in der Gegend zwischen Göttingen und dem
Solling, noch in der fruchtbaren Warburger Böhrde, noch im
Waldeck'schen beobachtet. Auch in Oberhessen soll er fehlen. —
Dagegen kommt er nach Sulzer bei Frankfurt a. M. und in der
Wetterau vor, welches Vorkommen sich an das in Rheinhessen
anschliesst.
Was Bayern anbetrifft, so ist der H. dort nur in einigen
wenigen Distrikten festgestellt 3), wenn wir von Rheinbayern (siehe
oben p. 17.) absehen. Herr Dr. Fleischmann, Assistent am zoolog.
Institute der Univ. Erlangen, theilte mir auf meine Anfrage Folgendes
1) Conr. Gessner, Hist. Animal., Lib. I, Frankfurt 1603, p. 740.
-) Nach einer mir nachträglich zugegangenen Mittheilung meines Assistenten,
des Herrn Dr. Eörig, kommt der H. jedoch thatsächlich bei Fortbach und
Ebsdorf, ca. 2 Stunden südlich von Marburg, vor.
^) Es ist aber unrichtig, wenu Fitzinger a. a. 0. angiebt, dass der H
^,iu Baiern, der Pfalz, Württemberg, den fruchtbaren Rheinländern und im
ostlichen Franken gänzlich fehle."
26 Prof. Dr. A. N ehrin g.
mit: „Mein alter Freund, Dr Hagen in Nürnberg, kennt nur die
Angaben, welche Pfarrer Jäckel im 10. Jahrg. des Correspondenz-
blattes des zoolog.-mineral. Vereins in Regensburg p. 73 macht:
„„Der getreidereiche Grund um Schweinfurt bis zum Ochsenfurter
Gau, übergehend nach Uffenheim, z. Th. auch in der Scheinfeld-
Marktbibarter Gegend. Bei Aschaffenburg in geringer Verbreitung.
Ausser Dillingen noch in der Flur des Dorfes Waat bei Buchloe, wo
ihn die Bauern „Gritschen" (cricetus) nennen."" Das ist Alles, was
ich erfahren konnte."
Diese Notizen werden noch ergänzt durch Schrank, Fauna
Boica, I, p. 77, wonach der Hamster auch in der Gegeud von Würz-
burg vorkommt, und für bayrisch Schwaben durch die Angaben
des Freiherrn Richard König -Warthausen im „Verzeichniss der
Wirbelthiere Oberschwabens", I, Stuttgart 1875, p. 62 f. , wo es
heisst: „Im Jahre 1813 soll der H. bei Lauingen und Dillingen in
Menge gehaust, bald aber fast völlig vertilgt worden sein; 1853 ver-
mehrten sie sich daselbst aber wieder und im Herbst jenes Jahres
erhielt Herr Leu in Augsburg ein junges Thier von Schwenningen;
derselbe schreibt mir, ihm sei der Hamster aus der Gegend von
Lauingen bekannt, von wo er in früheren Jahren einige Exemplare
zum Ausstopfen erhalten habe. Der Kgl. Förster Maul half 1842
bei Schrezheim (a. d. Egge, bei Dillingen) mehrere ausgraben.
Zwischen Offingen und Ulm kam er auch in den letzten Jahren
noch vor; Lehrer Weiner versichert, dass die Hamster zwischen
Offingen und Ulm geradezu häufig gewesen sind; Lehrer Kraus von
Mörslingen grub selbst mehrere aus; ausserdem wurden sie in den
letzten Jahren noch beobachtet bei Nersingen und Strass (beide in
der Nähe von Elchingen), bei Bubesheim a. Günz und bei Stein-
heim unweit Ulm (Wiedemann)."
Sonstige Angaben sind mir aus Bayern nicht bekannt geworden;
der H. scheint hier heutzutage auf den Norden^) und den Südwesten
beschränkt zu sein. Siehe Tafel IIL
In Württemberg ist der H. selten. Abgesehen von der Um-
gegend Uhn's, welche oben schon bei Besprechung der Fundorte
in der bayrischen Provinz Schwaben und Neuburg berührt wurden,
scheint er nur den nordwestlichen und nördlichen Theil Württem-
berg's zu bewohnen; namenthch kommt er in der Gegend von
Heilbronn vor. Siehe R. König-Warthausen, a. a. 0., p. 62. Nach
einer gefälligen Mittheilung des Herrn Dr. J. Vosseier, Assistent
am kgl. Naturalienkabinet in Stuttgart, besitzt die Sammlung des
Vereins f. vaterländische Naturkunde in Stuttgart Exemplare des
H. von Heilbronn, Böckingen, Lauffen a. N. und Mergentheim.
1) Ob er in der sog. fränkischen Schweiz (bayr. Oberfranken), wo ich fossile
Reste des H. in grösserer Zahl ausgegraben habe, noch heute vorkommt, konnte
ich bisher nicht sicher feststellen.
Die Verbreitung des Hamsters in Deutschland 27
Aus Baden habe ich keine genaueren Angaben erhalten; im
nördUchen Theile des Grossherzogthums soll der H. hie und da,
namenthch bei Heidelberg und Mannheim, i) vorkommen, im südlichen
Theile soll er fehlen, so z. B. im Breisgau. Vergl. Schreiber, Freiburg
und seine Umgebungen, p. 161.
Kurze Zusammenfassung der Beobaclitungen, nebst
faunistischen Betrachtungen.
Stellen wir hiernach die oben erwähnten Beobachtungen über
die Verbreitung des Hamsters nochmals kurz zusammen, so ergiebt
sich Folgendes: Der Hamster findet sich im Elsass, Rheinbayern,
Rheinhessen, in einzelnen Districten der preussischen Rheinprovinz,
in gewissen Gegenden des östlichen Theiles der Provinz Hannover, im
grössten Theile des Herzogthums Braunschweig und der Provinz
Sachsen, im Herzogth. Anhalt, an manchen Orten der Prov. Branden-
burg (Reg.-Bez. Potsdam), an einigen Orten des Grossherzogthums
Mecklenburg-Strelitz und des nächstbenachbarten Gebiets der Provinz
Pommern, ferner in Schlesien, im Königreich Sachsen, in Thüringen,
in einigen Bezirken der Königreiche Bayern und Württemberg, sowie
des Grossherzogthums Baden. Siehe Tafel HI.
Der Hamster fehlt in Westfalen, in vielen Theilen der preuss,
Rheinprovinz, ferner in den westlichen und nördlichen Theilen
Hannovers, im Grossherzogthum Oldenburg, in Schleswig-Holstein,
sowie in den Gebieten der freien Städte Bremen, Hamburg und
Lübeck, im Grossherzogthum Mecklenburg-Schwerin, in der Provinz
Pommern (mit Ausnahme einiger Orte im S.W.), im Osten der Prov.
Brandenburg (vielleicht mit Ausnahme einiger Orte im S.O.), in den
Provinzen Posen, West- und Ostpreussen; auch in den westlichen
Gebieten des ehemaligen Fürstenthums Göttingen scheint der H. zu
fehlen, ebenso in den angrenzenden Theilen des Reg.-Bezirks Cassel,
sowie in den meisten Gegenden von Bayern und Württemberg.
Siehe Tafel HL
Die Gründe für diesis eigenthümhche Verbreitung des Hamsters
in Deutschland sind offenbar verschiedene. Manche Gegenden sind
dem H. zu felsig und gebirgig, manche zu feucht und sumpfig,
andere zu dürr und sandig, noch andere wegen zusammenhängender
Bewaldung unbewohnbar. Aber es giebt in Deutschland ofienbar
auch weite Gebiete, welche an und für sich dem Hamster günstig
wären, und in denen er trotzdem fehlt. Hier scheinen mir
historische Gründe vorzuliegen, d. h. das Fehlen des Hamsters
erklärt sich in vielen Fällen daher, dass derselbe im Verlaufe der
faunistischen und floristischen Entwickelung Deutschlands keine
Gelegenheit gefunden hat, in die betr. Gebiete vorzudringen.
1) Siehe „Das Grossherzogthum Baden", I., b. die Thierwelt, bearb. v.
Nüsslin, Karlsruhe 1883, Sep.-Abdr., p. 5.
28 Prof. Dr. A. N eh ring.
Leider sind wir bisher über die Verbreitung des gemeinen
Hamsters während der Diluvialzeit (Pleistocänzeit) nur ungenügend
orientiert. Ich kenne fossile (diluviale) Reste desselben aus Deutsch-
land von Goslar, Westeregeln, Saalfeld in Thüringen, aus bayr.
Oberfranken, aus dem Heppenloch bei Gutenberg an d. Alb (Würtem-
berg), von Würzburg, von Mosbach bei Wiesbaden^) und von Diez im
Lahnthal 2). Besonders interessant erscheint die Thatsache, dass der H.
während eines gewissen Abschnittes der Diluvialzeit weiter als heute
nach Westen und Südwesten in Europa verbreitet gewesen ist. Ich
habe fossile Hamster-Reste bei Schaffhausen nachgewiesen, Forsyth
Major in der Nähe von Pisa, H. v. Meyer bei Verona; man kennt
solche ferner aus der Auvergne^ von Montmorency bei Paris, sowie
aus der Gegend von Dinant sur Meuse in Belgien. (Siehe meine
oben citierte Abhandlung über pleistocäne Hamster-Reste.)
Neben dem gemeinen Hamster existierte während des betr.
Abschnittes der Diluvialperiode in Mitteleuropa und zum Theil auch
in Westeuropa eine charakteristische Steppenfauna, welche haupt-
sächlich durch Spermophilus rufescens und einige andere Ziesel- Arten,
durch Arctomys bobac, Alactaga jaculus, Cricetus phaeus, eine Anzahl
Arvicola-Arten, Lagomys pusillus, Antilope saiga, wilde Equiden,
Canis corsac, repräsentiert wurde. ^) Die Anwesenheit dieser Steppen-
thiere in Mitteleuropa und in gewissen Distrikten Westeuropas deutet
mit Bestimmtheit darauf hin, dass damals die Wirkungssphäre des
osteuropäischen Steppenklimas sich weit nach Westen erstreckte.
Es war dieses die von mir schon oft besprochene diluviale Steppenzeit.
[Co rrectur -Zusatz. Wenn Herr Dr. med. E. H. L. Krause in
einem so eben (Ende Dezember 1893) erschienenen Aufsatze über
„die Steppenfrage" (,, Globus" 1894, Nr. 1) nur die Salzsteppen als
Steppen anerkennt und nur die Saiga-Antilope nebst dem Pferde-
springer (Alactaga jaculus) als charakteristische Steppenthiere des
mitteleuropäischen Löss gelten lässt, so kann ich dem geehrten
Autor hierin, sowie in manchen anderen Punkten, nicht beistimmen.
Hoffentüch wkd es meine Zeit erlauben, bald auf Krause's Erörte-
rungen der „Steppenfrage" zu antworten.]
Der gemeine Hamster war ein Mitglied jener Steppenfauna.
Dass er damals in Mitteleuropa unter sehr günstigen Lebens-
bedingungen hauste, beweist die meistens sehr ansehnliche Grösse
seiner Fossilreste. Als später das Klima milder und feuchter wurde
^) Diese Reste stammen aus dem Löss von Mosbach, nicht aus den sog.
Mosbacher Sauden, welche unter dem Löss liegen.
2) Siehe meine oben citierte Abhandlung über pleistocäne Hamster-Reste
aus Mittel- und Westeuropa, Jahrb. d. geolog. Reichsanstalt in Wien, 1893,
43. Bd., p. 185 ff.
^) Vergl. mein Buch über „Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit",
Berlin 1890, p. 174 ff., wo auch meine einzelnen bezügl. Abhandlungen angeführt
sind. Ferner die zahlreichen Abhandlungen Woldrich's über die diluviale Steppen-
fauna Mitteleuropas, sowie diejenigen von K. Th. Liebe, Maska und Kriz.
Die Verbreitung des Hamsters in Deutschland. 29
und der Wald wieder mehr und mehr die Herrschaft in Mittel- und
Westeuropa gewann, zogen sich die empfindlicheren Arten der
erwähnten Steppenfauna nach Osteuropa zurück. Der gemeine
Hamster, welcher weniger empfindlich gegen kKmatische Aenderungen
war, begnügte sich damit, Ober-Italien und Frankreich zu verlassen,
sowie in Belgien ein wenig ostwärts sich zurückzuziehen. Ausserdem
darf man annehmen, dass seine Verbreitungsdistrikte in Deutschland
während der prähistorischen Waldperiode, als die vielgenannten
Urwälder Germaniens eine grosse Ausdehnung erlangt hatten, stark
eingeengt worden sind.
Dass der Hamster damals nicht vollständig aus Deutschland
verschwunden, sondern in geeigneten, waldfreien Distrikten zurück-
geblieben ist, dafür sprechen die subfossilen Hamsterreste, welche
an manchen Orten gefunden werden. Ich besitze solche Hamster-
reste in grosser Zahl aus den Gypsbrüchen von Westeregeln (zwischen
Magdeburg und Halberstadt); die Fundumstände und der Erhaltungs-
zustand dieser Hamsterreste deuten darauf hin, dass sie einerseits
nicht von diluvialem Alter, andrerseits aber auch nicht recent sein
können.
Die Annahme Hehn's^), dass der Hamster erst „mit der Völker-
wanderung oder mit dem Eindringen von Cultur und Strassen in
den dunklen Osten Europas in den Gesichtskreis der Culturvölker
des Westens getreten sei", ist durchaus unrichtig. Dagegen ist es
unzweifelhaft, dass der Hamster im Laufe der historischen Zeit mit
der Lichtung der Wälder und der Ausbreitung des Getreidebaus in
Deutschland wieder mehr und mehr an Terrain gewonnen hat^);
namentlich dürften seine heutigen Wohnbezirke im Norden der
Provinz Brandenburg (Priegnitz, Fehrbellin, Nauen etc.), in Mecklen-
burg-Strelitz und in den benachbarten Theilen Pommerns als solche
Gebiete zu betrachten sein, welche vom H. erst in historischer Zeit,
vielleicht erst im Laufe des letzten Jahrhunderts, occupiert sind.
Man darf vermuthen, dass er auch in anderen Gegenden gewisse
Erweiterungen seines Verbreitungsgebietes vollführt hat. Diejenigen
Gebiete Deutschlands, in denen er besonders häufig ist, scheinen
im Allgemeinen dieselben zu sein, welche er auch schon während
der diluvialen Steppenzeit bewohnt hat, also namentlich die Mitte
und der Süden der Provinz Sachsen und die angrenzenden Theile
von Thüringen. Hier dürfte er wohl auch während der prähistorischen
resp. frühhistorischen Waldperiode geeignete waldfreie Wohnplätze
gehabt und inne behalten haben.
^) Vict. Hehn, Culturpflanzen und Haustbiere etc., 3. Aufl., Berlin 1877,
p. 409.
2) Grade so, wie es neuerdings in manchen Gegenden Russlands geschehen ist.
Vergl meine Abhandlung über die geograph. Verbreitung der Säugethiere im
AVolga-Gebiete nach Modest Bogdanow in d. Berl. Zeitschr. f. Erdkunde, 1891,
Bd. 26, p. 319.
30 Prof. Dr. A. N eh ring.
Betrachten wir zum Schluss noch die Verbreitung des ge-
meinen Hamsters überhaupt, so finden wir ihn ausser in Deutsch-
land auch in Oesterreich- Ungarn, in Galizien und im südlichen
Polen, im mittleren und südlichen Russland i), in Südwest -Sibirien
bis zum Ob, namentlich in der Kirgisensteppe , sowie auch in Klein-
asien. Deutschland bildet also keineswegs das Hauptwohngebiet des
Hamsters (wie manche ältere Autoren anzunehmen scheinen), sondern
es bildet nur den westlichen Theil der vom Hamster bewohnten Region^).
Sein heutiges Verbreitungscentrum liegt im europäischen Russland, und
zwar im dortigen Steppengebiete. Besonders häufig ist er in den
Steppenlandschaften an der mittleren Wolga, wo er namentlich die Gou-
vernements Kasan, Simbirsk und Saratow bewohnt, soweit dieselben
unbewaldet oder der Wälder beraubt worden sind. (Siehe meine
Angaben nach Mod. Bogdanow in d. Zeitschr. d, Berl. Ges. f. Erdk.,
1891, Bd. 26, p. 319, 330.)
Soweit die bis jetzt vorliegenden Beobachtungen reichen, scheint
der gemeine Hamster eigentliche Wanderungen nicht auszuführen,
sondern nur ganz allmählich, so zu sagen: schrittweise, sein Wohn-
gebiet zu erweitern, falls die Lebensbedingungen sich für ihn günstig
gestalten. Man darf vermuthen, dass ein Vorrücken desselben in
andere Districke, welche bisher noch nicht von ihm bewohnt waren,
hauptsächlich in sog, „Hamster-Jahren" stattfindet, d. h. in solchen
Jahren, in denen die Vermehrung des Hamsters eine besonders starke
ist^). Der Sommer 1879 war u. a. für die Gegend zwischen Had-
mersleben und Westeregeln ausserordenthch reich an Hamstern; als
ich im Juni jenes Jahres von Hadmersleben nach Westeregeln mar-
schierte, um die bei letzterem Orte gelegenen Gypsbrüche zu besuchen,
sah ich auf den Feldern nahe dem Wege Hunderte von jungen
Hamstern umherlaufen; es war offenbar eine Uebervölkerung ein-
getreten, und man konnte sich leicht vorstellen, dass ein Theil der
jungen Hamster gezwungen sein würde, auf benachbarten, weniger
stark bevölkerten Feldern sich ein günstigeres Unterkommen zu
suchen. Solche Situationen mögen oft genug schon vorgekommen
sein. Ausserdem darf man annehmen, dass der Hamster gelegentlich
auch durch Ueberschwemmungen , sowie durch Verfolgungen von
Seiten der Menschen oder gewisser Raubthiere zur Veränderung
seines Wohnorts gezwungen wird.
*) Der H. fehlt also im nördlichen Russland, in Skandinavien, Dänemark,
Gross-Britannien, im eigentlichen Holland, im grössten Theil von Belgien, in
Frankreich, Spanien und Portugal, Italien und der Schweiz. Wie weit er in
der Balkan-Halbinsel vorkommt, ist mir bisher unbekannt geblieben,
2) Vergl. auch E. F. v. Homeyer's Angaben im „Zoolog. Garten," 1876, p. 248
und Blasius, Säugethiere Deutschlands etc., Braunschweig 1859, p. 308.
^) Fitzinger meint, dass feuchte Jahre der Vermehrung des H. besonders
günstig seien; nach meinen Erfahrungen sind es aber gerade im Gegentheü
trockne, sonnige Jahre, in denen der H. sich stark vermehrt.
Die Verbreitung des Hamsters in Deutscliland. 31
Im Allgemeinen ist er jedoch ein sesshaft lebendes Thier, das
an dem ihm günstig erscheinenden Wohnplatze zäh festhält. Die
Veränderungen, welche hinsichtlich der geographischen Verbreitung
dieser Species im Laufe der Zeiten erfolgt sind, scheinen nur sehr
allmählich stattgefunden und lange Zeiträume in Anspruch genommen
zu haben, ganz im Gegensatze zu manchen anderen Species, wie z B.
Mus decumanus, welche in verhältnissmässig kurzer Zeit ihr Ver-
breitungsgebiet bedeutend erweitert haben.
Ob der Hamster während der letzten Jahrzehnte sein Wohn-
gebiet in Deutschland vergrössert oder eingeschränkt hat, darüber
lauten die Ansichten derjenigen Autoren, welche sich über diese
Frage überhaupt äussern, verschieden. Es mag wohl die Antwort
nicht für alle Gegenden Deutschlands die gleiche sein können. Wie
mir scheint, hat der H. in manchen Gegenden sein Wohngebiet er-
weitert; in anderen ist dasselbe durch irgend welche Umstände,
namentlich durch energische Verfolgungen von Seiten des Menschen,
eingeschränkt worden. Es wäre interessant, wenn man in Zukunft
genauere Feststellungen über etwaige Veränderungen in der geogra-
phischen Verbreitung des Hamsters machen könnte. Ich hoffe, dass
meine obigen Angaben, obgleich sie noch in mancher Hinsicht
lückenhaft und ergänzungsbedürftig sind, dennoch für Deutschland
als Grundlage späterer vergleichender Feststellungen hinsichthch der
Ausbreitung oder Verdrängung bezw. Ausrottung jenes merk-
würdigen Nagers dienen können.
32 Prof. Dr. A. Nehring.
Bemerkung zu der Verbreitungskarte auf Taf. IIL
Der Verfasser ist bemüht gewesen, die Verbreitungsgebiete des Hamsters
in Deutschland auf Tafel III möglichst genau zur Anschauung zu bringen; doch
liess es sich nicht vermeiden, bei Anwendung der Farbe einigermaassen schematisch
vorzugehen. Diejenigen Gebiete, in denen der Hamster allgemein oder doch
zahlreich verbreitet ist, sind völlig mit Farbe bedeckt worden; diejenigen, in
welchen der Hamster eine mehr oder weniger sporadische Verbreitung hat,
zeigen nur eine fleckige Anwendung der Farbe. Die äussersten Vorposten im
Norden und Süden sind möglichst genau nach der Lage der Fundorte augedeutet
worden. — Nach Vollendung der Karte sind dem Verfasser noch die Fundorte
Ebsdorf und Fortbach bei Marburg bekannt geworden, welche somit in dem
Gebiete des früheren Kurfüistenthums Hessen nachzutragen wären. Wahr-
scheinlich werden aus dieser Gegend demnächst noch manche andere Fundorte
nachzutragen sein.
Ein neues Beutelthier Chile's.
Von
Pederico Philippi.
Hierzu Tafel IV, Fig. 2.
In der Zoologia de la Historia fisica i politica de Chile por
Claudio Gay part I p. 84 wird ein kleines Thierchen von der Grösse
und Gestalt einer Maus beschrieben, die llaca oder comadreja der
Chilenen, welches Waterhouse Didelphys elegans genannt hat, nach
den ersten Exemplaren, welche durch Darwin nach Europa ge-
langten, und die dieser bei Valparaiso fing, während er als Natur-
forscher mit Cap. Fitzroy auf dem Beagle reiste.
Ich habe auf unserem Gute San Juan, welches bei La Union in der
Provinz Valdivia liegt, mehrmals lebende comadrejas gehabt, habe
dieselben aber immer für Didelphys elegans gehalten, in der Meinung,
es gäbe nur eine Art dieser interessanten Gruppe in Chile. Das
hiesige Museum erhielt im vorigem Jahre einige Bälge der comadreja
aus Valdivia, welche zum Austausch für Europa bestimmt waren,
da aber in der Sammlung kein Exemplar von diesem Fundort vor-
handen war, so wurden zwei ausgestopft. Als dieselben in die
Sammlung eingestellt wurden, sahen wir zu unserer grossen Ueber-
raschung, dass sie von den drei Exemplaren aus dem mittleren
Chile vollkommen verschieden waren, und eine neue Art bilden,
die ich nach ihrem Vorkommen benenne.
Didelphys australls F. Ph.
D. vellere brevi, molli; supra fusco-cinerascens , subtus alba,
fasciis tribus fusco-cinerascentibus a dorso descendentibus , prima
humerali genu attingente, secunda femorali tarsum attingente, tertia
intermedia; auribus mediocribus, oculis nigrocinctis , singulo supra
albo-maculato, maculis supra nasum confluentibus ; cauda capite et
corpore junctis paulo breviore.
Habitat in provinciis Valdivia et Llanquihne, et verosimiliter
etiam in Araucania.
Arch. f. Naturgescli. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 1. 3
34 Federico Philip pi: Ein neues Beutelthier Chile's.
Dieses Thierclien ist mit kurzen weichen Haaren dicht bedeckt,
ist oben braungrau und unten weiss, und vom Rücken gehen drei
Binden von braungrauer Farbe herab, die erste auf den Schultern
reicht bis zum Knie, die zweite auf dem Schenkel reicht bis zum Fuss,
und die dritte, zwischen den anderen gelegene reicht bis zur Mitte
der Rippen. Die Ohren sind von massiger Grösse und überragen
den Kopf nicht. Die Augen sind schwarz eingefasst, und über jedem
ist ein heller Fleck, der über der Nase mit dem gegenüberliegenden
zusammenfliesst. Der Schwanz ist etwas kürzer als der Kopf und
Körper zusammengenommen, am Grunde sehr dick und dann plötzhch
bedeutend dünner, und hat dieselbe Farbe wie der Rücken.
Das Thier ist in der Provinz Valdivia nicht selten, befindet
sich auch in der Provinz Llanquihue und vielleicht auch in Araucania
und wohl auch noch weiter nördhch.
Die Färbung und die verhältnissmässig kleinen Ohren unter-
scheiden diese Art genügend von D. elegans, auf der beigefügten
Abbildung ist der Unterschied der Ohren zu sehen. ^)
Die Maasse sind folgende:
D. australis F. Ph. D. elegans Waterh.
Von der Nase bis zur Schwanzwurzel 0,13 0,113
Länge des Schwanzes 0,11 0,11
Vorderfuss mit dem Nagel 0,01 —
Hinterfuss „ „ „ 0,015 —
Von der Nase zum Ohr 0,025 0,029
Breite des Ohres 0,012 0,009
Länge „ „ 0,009 0,016
Diese Art Didelphys, in Valdivia monito del monte (Waldäffchen)
genannt, lebt im dichten Gebüsch, wo sie mit vieler Behendigkeit
umher läuft und klettert, wobei sie von ihrem Kletters chwanz
unterstützt wird, der sich um die dünneren Zweige schlingt und so
wie eine Hand wirkt. Sie macht ein Nest von dünnen Zweigen,
welches innen mit Moos und anderen zarten Pflanzen ausgekleidet
ist, und dem der Finken oder ähnlicher Vögel gleicht, aber sie
wird wohl auch das Nest eines Vogels nicht verschmähen, wenn sie
es leer und passend angelegt findet. Während des Tages sieht man
das Thier sehr selten, fast blos dann, wenn es in seinem Neste
gestört wird, denn es ist ein nächtliches Thier, wie es ja auch schon
die grossen und kugeligen Augen andeuten. Seine Nahrung besteht
wahrscheinlich aus Insekten, Larven und Würmern ; gefangen nimmt
es Milch und kleine Stückchen Fleisch an. Allein sie ertragen die
Gefangenschaft nicht lange, entweder finden sie bald Gelegenheit zu
entweichen oder sterben. Eingesperrt rühren sie sich tags über
wenig, sobald es aber dunkelt, werden sie lebhaft und durchlaufen
den Käfig in allen Richtungen. Man weiss sehr wenig über die
Lebensweise und Fortpflanzung; Herr von Lossberg in Valdivia,
^) Der Kopf von D. elegans ist aus The Zoology of the voyage of H. M.
Ship Beagle, pars II tab. 31 copirt.
Federico Philippi: Ein neues Benteltbier Chile's. 35
welcher dem Museum die beschriebenen Exemplare verschafft hat,
und der verschiedene Thiere lebend gehabt hat, theilte mir mit,
dass er bis fünf Junge in einem Nest beobachtet hat, was bei der
Kleinheit des Thieres nicht verwundern kann , da kleinere Thiere
meist sehr fruchtbar sind.
Beim Einfangen versuchen diese Thierchen sich zu befreien,
aber die verschiedenen male, dass ich solche in der Hand gehabt
habe, haben sie niemals versucht zu beissen. Eine llaca, welche
ich in einem Kanarienbauer eingesperrt hatte, verschwand nach
wenigen Tagen, worauf ich eine Finkenart darin einschloss, und
als ich nach einigen Tagen die Beutelmaus hinter einem Möbel ent-
deckte und zu dem Finken that, sah ich zu meiner grossen Ueber-
raschung, wie sie dem Vogel an die Kehle sprang, diese aufbiss und
das Blut sog. War diese That durch den wilden Instinkt ■ des
Thierchens hervorgerufen, oder durch den Hunger, der dasselbe arg
mitgenommen und abgemagert hatte?
In Gay findet sich nach der Beschreibung von D. elegans eine
Bemerkung, es gäbe bei Naucagua (in der Nähe von San Fernando
und südlich von Santiago) eine andere Art llaca, welche mit dem
Namen D. crassicaudatus (I) bezeichnet ist, aber da keine Be-
schreibung beigefügt ist, welche es erlaubt, das Thier zu erkennen,
so kann der Name nicht in Betracht kommen.
Von den beiden Exemplaren des D. australis im Museum ist
eines ein Männchen, das andere ein Weibchen, die drei Exemplare
von D. elegans sind alle Männchen. Zwischen Männchen und
Weibchen von D. austraHs besteht kein anderer Unterschied als die
schlankere Schnauze des ersteren; unter den drei Männchen von
D. elegans hat eines einen sehr dicken, am Grunde eingeschnürten
Schwanz, welches Merkmal mit D. crassicaudatus von Gay über-
einstimmen würde, sofern die besagte Anmerkung als Kennzeichen
desselben angiebt: ,,sein Schwanz ist recht dick, spindelförmig, wie
gestielt an seinem Ursprung" (wörtUche Uebersetzung des Spanischen),
allein unser Exemplar hat keinen kahlen Schwanz, wie Gay angiebt,
und unterscheidet sich in allem Uebrigen nicht von den anderen
Exemplaren, von denen das eine eine etwas andere Färbung hat,
welche etwas an die von D. australis erinnert, jedoch hat es die
grossen Ohren von D. elegans. Sollte der dicke Schwanz des er-
wähnten Individuums nicht vielleicht einem krankhaften Zustand zu-
zuschreiben sein?
Santiago de Chile, Juli 1893.
3*
Beschreibung einer dritten Beutelmaus
aus Chile.
Von
Dr. R. A. P h i 1 i p p i.
Hierzu Tafel IV, Fig. 1.
Didelphys soricina Pb.
D. parva, omnino supra nigrescens, subtus albida, auriculis
magnis; caiida corpus aliquantum superante, supra atra subtus Can-
dida, basi vellere longo dorsali vestita, deinde sparsim pilosa, pilis
ante partem subtus nudam copiosioribus longioribusque.
Dimensionen:
Länge von der Scbnauzenspitze bis zum Ursprung des Schwanzes 9,8 cm
„ des Schwanzes 10,3 „
,, der Ohren 1,3 „
„ von der Schnauzenspitze bis zum Auge 1,15,,
)j 57 55 )? 11 11 Ohr 2,5 „
Abstand der Ohren voneinander 1,3 „
Länge der Hand mit den Krallen 1,4 „
„ des Fusses „ „ „ 2,6 „
Diese kleine Beutelmaus habe ich Anfang dieses Jahres aus
Valdivia erhalten. Sie ist sehr leicht von den beiden anderen Arten
durch den einfarbigen, dunkel schiefergrauen Pelz der Oberseite, die
geringere Grösse und den längeren Schwanz zu unterscheiden. Die
Ohren sind im Verhältniss zur Grösse des Kopfes etwas kleiner als
bei Didelphys elegans aber grösser als bei D. australis und ganz
schwarz. Der Schwanz ist an seinem Grunde fast 1 cm weit mit dem-
selben langen Pelz wie der Rücken bekleidet, was sehr auffällt, in seinem
weiteren Verlauf ist er oben tief schwarz, unten rein weiss, mit
dicht anliegenden Haaren bekleidet, die am Anfang des letzten
Fünftels länger werden und abstehen; das letzte Fünftel, welches
zum Greifen dient, ist unten kahl; eine Rinne, wie sie D. elegans
in diesem Theile des Schwanzes zeigt, ist nicht mit Deutlichkeit zu
erkennen. — Der schwarze Streifen, der sich jederseits vom Auge
bis zur Schnauzenspitze hinab zieht und der Ring, der das Auge
umsäumt, welcher bei so vielen Didelphys -Arten gefunden wird,
ist bei unserem Thierchen sehr tief schwarz. Die Schnauzenspitze
ist schwarz, während sie bei D. australis weisslich ist. — Der Kopf
ist schmaler, und die Ohren stehen daher näher bei einander als
bei dieser Art. — Unterseite und Füsse sind weisslich.
Das Geschlecht war bei dem Balg nicht angegeben, bei der
grossen Analogie aber, welche unsere Art mit D. elegans hat, darf man
wohl annehmen, dass die Weibchen einen gespaltenen Beutel haben.
Santiago, September 1893.
Ueber Binnen- Conchylien
der Küstenzone von Rio Grande do Sul.
Von
Dr. H. von Jhering.
Im November 1892 machte ich einen Ausflug an die Küste
von Rio Grande do Sul, um, bevor dort das Treiben der Badesaison
beginnt, etwas sammeln zu können. Die Küste bot, abgesehen
von einigen leider zerbrochenen seltenen Voluten, nichts Neues, da-
gegen bot die Binnenfauna einige interessante Neuheiten. Ich hielt
mich auf der Chacara meines Freundes H. R. Maerck, an der
Bollassa auf, einer Station der zur Küste führenden ca. 20 Kilom.
langen Bahn, welche das Seebad Villa Sequeira mit der Stadt Rio
Grande verbindet.
Diese ganze Gegend ist flach, sandig mit spärlichem Graswuchs,
der in stetem Kampfe mit dem Flugsande liegt. Hie und da er-
hebt sich aus dem Campe ein Sandhügel von durchschnittlich
6 — 10 m Höhe, dessen Seiten meist steil abfallen und dessen Krone
von Dorngebüsch eingenommen ist, unter dem eine Celtisart vor-
wiegt, und welches auch mit anderen niedren Bäumen und Sträuchern
durchsetzt ist. An manchen Stellen stehen mehrere solcher Hügel
zusammen, dann folgen weite Strecken Camp, der hier wohl
kaum mehr als 1, höchstens 2 m über dem Meeresspiegel liegt, bis
plötzlich wieder ein solcher buschgekrönter Hügel auftaucht. Wind
und Regen arbeiten an ihnen , sie ständig verkleinernd und den
Sand über den Camp hin tragend. Wo mehrere solche Hügel zu-
sammenstehen, bilden sie, wie ich sehen konnte, die QueUe für eine
enorme Versandung der Wiesen. Wie sind denn diese Hügel ent-
standen? Man könnte an Dünen denken, allein die bieten kaum
dem spärhehsten Graswuchs eine passende Unterlage, geschweige
denn für Gehölze, in deren Schatten Commelynen, Tradescantien
und andere Kräuter gedeihen.
38 Dl". H. von Jheriug.
Man wird diese Verhältnisse schwerlicli anders aufklären können,
als durch die Annahme, dass einst alle diese jetzt isolirten Hügel zu-
sammenhingen uud damals minder hoch lagen als jetzt. Der ganze
Charakter der Landschaft muss dann ein etwas anderer gewesen
sein, dafür sprechen noch die folgenden Beobachtungen. An einem
der Hügel untersuchte ich eine etwas dunklere Erdschicht, die ca.
3 M. über dem Camp, etwa eben so tief unter der Krone des Hügels
horizontal hinstrich in 10 — 12 cm Mächtigkeit, und welche zahlreiche
kleine Conchylien enthielt. Die gesammelten Arten sind:
Succinea
Conulus semen lini
Pupa
Patula.
Von diesen war mir nur der Conulus bekannt, eine in feuchten
Waldniederungen häufige Species des Staates Rio Grande do Sul.
Lebend konnte ich sie nicht finden, überhaupt nichts als eine Succinea.
Aehnliche Erdschichten traf ich noch in den anderen Hügeln, dann
aber meistens mit zahlreichen Belegstücken der Anwesenheit des
Menschen. Stücke von Urnenscherben, Holzkohle, zahlreiche Knochen
von Säugethieren, Reste von Fischen und zahlreiche Muscheln und
Schnecken des Meeres zeigen hier die Anwesenheit des Menschen
an. Ich habe schon früher über ähnliche Hügel nahe bei der Stadt
Rio Grande do Sul berichtet (cf. H. v. Jhering. Die Lagoa dos patos.
Deutsche Geograph. Blätter. Geograph. Ges. Bremen Bd. VHI 1885
p. 191), Hier wiederholen sich die Verhältnisse. Bei der Zerstörung
dieser Hügel durch Regen, Wind u. s. w. werden alle diese Objekte
frei, fallen herab und umgeben in Masse die Basis des Hügels.
Unter diesen Conchylien traf ich u. A. noch Ampullaria canaliculata
Lam., Bulimus (Borus) oblongus Müll, und Bulimus (Borus) latescens
King. Letzterer Fund ist von besondrem Intresse, da ja diese Art
des La Plata-Gebietes in Rio Grande do Sul bisher noch nicht gefunden
wurde. Vielleicht ist sie jetzt erloschen, jedenfalls aber kam sie bei
Rio Grande noch bis vor Kurzem vor. Sehr gross ist die Menge
der Schalen von Bulimus oblongus, während es mir nicht gelang auch
nur eine einzige frische oder lebende Schale dieser Art in der ganzen
Gegend aufzutreiben.
Diese Beobachtungen beweisen, dass in früherer, vielleicht nur
um wenige Jahrhunderte zurückliegender Zeit die Bedingungen für
das Gedeihen der Landschnecken nahe der Meeresküste günstigere
waren als gegenwärtig. Wir haben uns vorzustellen, dass damals
Buschwaldungen, von Sümpfen durchsetzt, reichlicher diese Gegend
überzogen, günstige Bedingungen bietend für Landschnecken. Ja es
scheint, als ob in Bezug auf letztere eine völlige Umgestalltung ein-
getreten sei. In einer Entfernung von 3 — 4 Kilom. von Bollassa liegen
einige kleine Gehölze in der Nähe von Sümpfen und deren Abfluss-
Ueber ßiuueu-Couchylien der Kiisteuzone von Rio Grande do Sul. 39
wässern, und hier hatte ich gute Ausbeute an Bulimulus papyraceus
Mawe und Buliniuhis interpunctus Mart. Dieselben sassen zumeist
an der Unterseite der Blätter eines mir als Larangeira do mato
bezeichneten Baumes, wie es scheint eines Hex. Dagegen traf ich
in den subfossilen alluvialen und in den prähistorischen Schichten
nie einen Bulimulus, während ich lebend oder doch recent keine
Borus sammelte.
In den Sümpfen bei BoUassa sind Ampullaria canaliculata gemein
sowie Planorbis peregrinus Orb., Planorbis lugubris Wagn. und Ancy-
lus concentricus Orb. An einem aus diesen Sümpfen gezogenen Brette
sassen viele Ancylus und interessante Bryozoen und Schwämme,
welche dem Berliner Zoologischen Museum zur Bearbeitung zugingen.
In grosser Masse traf ich in einem Sumpfe resp. Teiche bei Bollassa
PI. lugubris und zwar flache typische Formen und andere, welche
dem PI. tenagophilus Orb., sehr nahe kommen. Ich muss hier ganz
bestätigen, was zuerst Martens^) über die Variabilität dieser Art
mittheilte, jedoch sind an den hier gesammelten Exemplaren schon
von Jugend an beide Formen gut scheidbar. ■ In der Camaquamgegend
traf ich nur typische Plan, tenagophilus, an der Küste nie, wiewohl
ja die dickere resp. höhere var. des lugubris jenem überaus nahe
kommt. Diesen PL lugubris erhielt ich auch aus der Lagoa dos
passos an der Rio Grandenser Küste, zwischen dem Ocean und der
Lagoa marim gelegen. Im Schilf an der Bollassa fing ich auch jene
sonderbare von mir am Camaquam gefangene Nacktschnecke, welche
Herr Dr. Pelseneer beschreiben will, und von der es mir noch
nicht feststeht, ob sie eine Art von Hyalimax ist oder ein gen.^nov.
der Succinidae , Homalonyx mit ganz innerer Schale ohne Gew nde.
Das Thier ist blass grau und mit schwärzlichen Punkten übersät.
Von Interesse scheinen mir diese Beobachtungen vor Allem wegen
des Lichtes, das sie auf die frühere Geschichte dieser Gegend werfen.
Die Massen von Voluten, Austern und fast allen an der Küste vor-
kommenden Schalthieren sind offenbar als Reste von Mahlzeiten
anzusehen. An der heutigen unwirthlichen Küste aber ist jede
kleine Schiffahrt ein Ding der Unmöglichkeit, so dass selbst an dem
reich ausgestatteten Badeetablissement kein Kahn existirt. Nach
innen von der Barre aber zumal im nahen Sacco da Mangueira lebt
heute keine marine Art mehr, und auch Azara labiata und Solecurtus
platensis sind selten. Wenn letztere in den prähistorischen Schichten
fehlen und dagegen zwischen Knochen, Scherben, Gehörsteinen von
Arius Commersonii, Pogonias chromis, Micropogon undulatus u. a.
Fischen diese Unmassen von Konchylien erscheinen, von denen die
grösseren zerschlagen sind, so folgt meines Erachtens hieraus, dass
selbe als Nahrung dienten, und das war nur möglich, wenn hier
ein grosser aber relativ geschützter Meerbusen lag. Sowohl bei
Rio Grande wie bei Porto Alegre hat man bei Quaibauten Walfisch-
1) Malakolog. Blätter 1868 p. 187 ff.
40 Dl'- H. von Jhering.
knochen gefunden, welche über die einstige weite Ausdehnung des
Meeres in das Innere des Staates keinen Zweifel lassen. Zu jener
Zeit nun, da die Lagoa dos patos noch dem Ocean zugehörte, muss
der Sacco da Mangueira Meerwasser und eine reiche marine Fauna
enthalten haben, zugleich aber muss dieser Busen einigermassen
geschützt gelegen haben, so dass die Indianer ihn mit Canoes be-
fahren und befischen konnten. Die ganze Gegend aber von Rio Grande
bis zur Küste, zum Theil vielleicht in Inseln gegliedert, trug reichlich
niederen Buschwald, der, wie auch die umgebenden Campos, an Rehen,
Stinkthieren , Füchsen u. s. w. ein sehr viel ergiebigeres Jagdfeld
repräsentirte, als es heutigen Tages dieses ganze Gebiet ist. Mit
der 3— 4m betragenden Hebung des Bodens erfolgt der Rückzug des
Meeres, das Verschwinden mariner Weich thiere aus der Lagoa und
dem Sacco da Mangueira und die Ueberhandnahme des Sandes an
dem neu auftauchenden Boden. Welche Veränderungen Hand in Hand
damit die Landschnecken-Fauna erlitt, wurde oben erläutert.
Rio Grande do Sul, 21. Nov. 1892.
Die Salpen der Berliner Zoologischen
Sammlung.
Von
Dr. Carl Apstein,
Kiel. Zoologisches Institut.
Hierzu Tafel V.
Herr Geheimrat Prof. Möbius hatte die Güte, mir auf meine
Bitte das gesammte Material an Salpen zur Untersuchung anzu-
vertrauen. Ich spreche ihm auch an dieser Stelle für die Bereit-
willigkeit, mit welcher derselbe auf meine Bitte einging, meinen
besten Dank aus. Derselbe gebührt auch Herrn Dr. Co Hin, der
die beträchtliche Sammlung zusammenstellte.
Die Sammlung besteht aus 114 Gläsern (dazu kommen noch
7 Gläschen der Schausammlung), welche nach der Bestimmung
126 Nummern lieferten und 852 Individuen von Salpen enthielten,
von denen nur 3 als unbestimmbar sich erwiesen.
War schon die Grösse der Sammlung dazu angethan, das
Interesse zu erwecken, so geschah dieses in noch viel höherem
Maasse dadurch, dass sich in der Sammlung Originale von Chamisso
und Meyen befinden. Ferner ist die ganze Salpenausbeute der
Gazelle-Expedition (25 Gläschen) vorhanden.
Die 849 bestimmten Exemplare verteilen sich auf 12 Arten und
2 Varietäten folgendermaassen:
— —
zahl
der
No.
Cyclosalpa affinis Cham. ........
» pinnata Forsk
Salpa scutigera confoederata Cuv. Forsk. . .
» " forma bicaudata (Q.et Gr.)
democratica mucronata Forsk
» flagellifera (Traust.)
runcinata fusiformis Cham. Cuv. . . .
» var. echinata (Herdm.) nov.
africana masima Forsk
cylindrica Cuv. . . ■
» costata Tilesii Q. et C Fall
cordiformis zonaria Cuv
» hexagona Q,. et G
punctata Vogt, Forsk
Zahl
Davon
der
Indi-
gre-
soli-
viduen.
gate
täre.
21
20
1
33
29
4
94
93
1
55
55
—
345
264
81
14
14
58
51
7
71
68
3
44
39
5
21
12
9
10
5
5
60
51
9
9
8
1
14
14
—
849 709
140 126
42 Dl"- Carl Apstein.
Salpa (Cyclosalpa) affinis Cham.
Die 21 Individuen dieser Salpe sind die Originale von Chamisso
und stammen alle von den Sandwichsinseln.
Etikette: Sandwichs-Inseln No. 259 Chamisso S. prol sol. 1.
No. 260 „ „ „ greg. 20.
Salpa (Cyclosalpa) pinnata Forsk.
Das grösste Exemplar der gregaten Form (No. 309) erreicht die
Länge von 76 mm., ist also noch beträchtlich grösser, als das von
Traustedt (8) angegebene Exemplar von 56 mm. Eine Ringkette
dieser Art besteht aus 7 Individuen.
Etiketten: Canaren No. 261 Chamisso S. 1 greg. 3 sol.
„ No. 262 „ „ 6 „
Atlant. Ocean No. 263 Meyen „ 8 „
? No. 264 v.OlfersO „ 1 „
? No. 301 „ „ 2 „
? No. 303 „ „ 2 „
? ? No. 304 „ „ — „ 1 sol.
? No. 306 „ „ 3 „
? No. 309 „ „ 3 „
? ? No. 314 Beske^) „ 2 „
N. Atlant. Ocean No. 318 Rudolphi^) „1 „
Salpa (Pegea) scutigera confoederata Ciiv. Forsk.
proles gregata
Ich konnte das Original von Salpa ferrvginea Cham, untersuchen
und kann die Angabe Traustedts (8), dass fermginea Cham =
scutigera confoederata greg. ist, bestätigen. Unter dem Material
fand ich einige ganz gewaltige Individuen; das grösste, das 160 mm
lang und an der breitesten Stelle 60 mm mass, stammte aus dem
Süd Pacifischen Ocean. (No. 396).
^) V. Olfers war General - Consul in Rio de Janeiro, ungefähr um 1820.
Er war auch in Neapel. Die Salpen stammen aus dem Mittelmeer oder südl
Atlantischen Ocean. Die Notizen über die Sammler sind mir freundlichst vom
Berliner Museum mitgeteilt, soweit sie dort vorhanden waren.
2) Beske war Naturalienhändler in Rio de Janeiro. Seine Salpen stammen
wohl aus dem südl. Atlant. Ocean.
^) Rudolphi war Direktor des Berliner Anatom. Museums von 1800—25
Er selbst hat wohl nicht marine Tiere gesammelt.
Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. 43
Etiketten: N. Stiller Ocean No. 288 Chamisso S. 1 greo-.
V
, 308 V. Olfers S. 56
Kette.
S. Atlant. Ocean?
, 310 Beske S. 2
•p
, 311 V. Olfers S. 13
S. Atlant. Ocean?
, 313 Beske S. 8
'^
, 316 „ „ 1
oder sol.?
?
, 317 „ „ 1
V
, 305 V. Olfers „ 3
350 25' S. 88« 28' W.
, 396 Dr. Sanderi) 1
Marquesas- Inseln
, 431 Putze S. 8
Kette.
proles solitaria
Syn: S. quadrata Herdman(4). (Seite 84. Taf 9. Fig 1— 8).
Das einzige Exemplar der solitären Form stammt aus Neapel
und ist ein 21,5 mm langer und 11 mm hoher Embryo. Ich erkenne
in ihm sicher die Salpa quadrata Herdm. wieder (Fig. 2. 3); es ist
also Salpa qvadrata nichts weiter als der Embryo der Salpa scnti-
gera confoederuta. In dem Materiale der Plankton Expedition (1)
fand ich diese Form wieder in den verschiedensten Altersstadien,
so dass die Zusammengehörigkeit ganz unzweifelhaft ist. (Siehe 1.
Fig. 16) Herdman, der sie im Materiale der Challenger Expedition
(4) entdeckte, schreibt über sie später (5): „Salpa quadrata Herdm.
appears to be closely related to this species. The single ,, Challenger"
specimen (sol. form) had a remarkable club shaped dorsal lamina;
but that may be an individual abnormity." Traustedt (9) hielt
sie für eine Varietät der scutigera confoederuta. Das vorliegende
Exemplar stimmt recht gut mit der Beschreibung und den Figuren
Herdman's (4) überein, wie der Vergleich meiner Figur 2 und 3
zeigt, es ist älter als das Exemplar Herdman's, aber bedeutend
jünger als das Exemplar, das Traustedt (8 Fig. 26) abbildet. Die
Grösse des Exemplares würde auch nicht gegen einen Embryo oder
junge solitäre Salpe sprechen, denn oben habe ich ein gregates
Individuum von 160 mm Länge namhaft gemacht. Das Exemplar
kann erst seit kürzerer Zeit frei geworden sein, da die Placenta
(Fig. 2)' noch vorhanden war.
Etikette: Neapel No. 268. Zoologische Station 1 sol.
Salpa scutigera confoederata forma bicaudata (Quoy et Gaim) (7).
Syn: Salpa bicaudata Quoy et Gaim 7. p. 585. Taf. 89. Fig. 1 — 5.
,, scutigera confoederata Herdm. 4 Taf. IX. Fig. 9.
Ich glaube, dass diese gregate Salpe nur als eine Form der
gregaten Salpa scutigera confoederata aufzufassen ist. Sie unter-
scheidet sich von der typischen scutigera confoederata nur durch
^) Dr. Sander sammelte auf der Expedition „Prinz Adalbert".
44 Dr- C. Apstein.
zwei Fortsätze, in die das Hinterende ausgezogen ist (Fig. 1 das
Hinterende der forma typica, Fig. 4 forma bicaudata). Der eine
Fortsatz ist stets lang, der andere kurz, so dass letzterer den
Mantel nicht hervorstülpt, wie das der Fall bei dem längeren Fort-
satz ist. Bei einer Kette von 26 Individuen (No. 267 Neapel) ist
diese Bildung am Hinterende stets in gleicher Weise vorhanden.
Bei einem Exemplar aus dem Pacifischen Ocean (No. 435) war
auch der zweite Anhang etwas länger, aber abgerissen. Verglichen
mit der forma typica fallen diese Anhänge, welche Ausstülpungen
der Körperhöhle darstellen, sofort auf. Bisher ist mir nur die
gregate Form bekannt, ob auch die solitäre Form Abweichungen
von der typischen ScrJpa scutigera confoederata zeigt, kann ich nicht
entscheiden, da die Embryonen noch zu klein waren. Die An-
ordnung der Individuen zur Kette ist genau so, wie bei Salpa
scutigera confoederata: Die Kette ist zweizeihg, die Individuen jeder
Zeile sind durch je 2 seitliche Fortsätze (Fig. 4. as) mit einander
verbunden, die Individuen beider Zeilen durch je 4 Fortsätze
(Fig. 4 as') auf der Bauchseite, 2 vorn, 2 hinten.
Die einzelnen Organe zeigen gar keine Abweichungen von den-
jenigen der typischen Form. Das Nervensystem mit dem Auge und
dessen Pigment (Fig. 5) wie es auch Göppert (3) zeichnet, ist bei
beiden Formen vollkommen gleich, dasselbe gilt von allen anderen
Organen, so dass ich forma bicaudata nicht als Varität, noch viel
' weniger als eigene Art, sondern nur als eine „forma" betrachten kann.
Die Lauge der Individuen schwankt von 30 — 94 mm. Hierher
rechne ich auch das Individuum, das Her dm an (4) Tafel 9. Fig. 9
abbildet, ebenso die Exemplare, die Quoy et Gaimard (7) in der
Meerenge von Gibraltar fischten, bei letztem Exemplare sind beide
Anhänge sehr lang.
Etiketten: Neapel No. 267 Zoolog. Station 26 greg. Kette.
„ ? No. 432 „ „ 27 „
S. Stiller Ocean No. 435 Sander S. 1 „
W. S. W. Timor No. 462 Prof. Studer. Gazelle Expedition
9. V. 75. llV2"SBr. 1197/ EL.
1 greg.
Salpa (Thalia) democratica mucronata. Forsk.
ist in zahlreichen typischen Exemplaren vertreten.
Etiketten: Nordsee^) No. 273 Fries S. 0 greg. 1 sol.
*) Eine Reihe Salpen sind von Fries in der „Nordsee" gesammelt. Leider
ist nicht näher angegeben, in welchem Theile. Bisher ist mir nur von Dr. Van-
höffen (Siehe 1) bekannt geworden, dass S. dem. mucr. bis in die Nordsee hinein-
geht, Vermuthlich sind die von Pries gesammelten Exemplare an d. Norwegischen
Küste gefunden.
Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung.
45
Neapel
No.
274
P. Mayer
S.
2 greg. 2 sol.
Nordsee No.
284
Fries S.
1
Vineyard Sound
No.
287
U. St. Fish Commis. 6
Cap Hörn?
No.
312
Meyen S.
13
Sumatra No.
329
Hellwege
S.
—
',' 3 sol.
36" SBr. 120 WL.
No.
393
Sander S.
7
M 20 „
Palermo
No.
420 Dönitz S.
4
>>
No.
420
11 n
12
Neapel
No.
426 A.Dohrn S.
34
l Kette.
Norwegen
No.
430
Sars S.
5
Azoren No.
436
Simroth S
1
))
No.
437
55
1
" 1 sol.
)5
No.
436
J5
58
)i
No.
437
11
19
',' 2 „
?
No.
442 Prof. Studers)
24
» 23 „
Biscaya
Golf. 47030'NBr.
70
WL.
No. 443
Prof.
10
Studer
sol. 5.
?if7f:
350 SBr.
670 EL. 28. III 75 3 ]
ip.
No. 452
Prof.
Studer 6 sol.
22V2"SBr. 670 EL. 22.1175
No. 457
Prof.
Studer
2 greg.
3 sol.
Canal-Biscayabiicht. VII 93
No. 471
Dr. Borgert
10 gTeg.
10 soL
Neapel
No. 360
Zool.
Station sol.
>i
No. 361
Zool.
Statior
i Kette.
Salpa flagelHfera (Traustedt).
Syn. : S. democratica mucronata var. flageUifera Traustedt 8.
pg. 369. Taf. 1. Fig. 12—13.
Traustedt hat diese Art entdeckt, betrachtete dieselbe aber als
eine Varietät von Salpa democratica mucronata, gab aber zugleich
an (8 pg. 6), dass es sich durch Untersuchung eines reicheren
Materials vielleicht herausteilen wird, dass Salpa flageUifera als
eigene Art aufzustellen ist. Im Berliner Material war eine Anzahl
gut erhaltener Exemplare vorhanden, so dass ich Gelegenheit hatte,
diese Salpe genauer untersuchen zu können. Auf Grund derselben
muss ich Salpa flageUifera als selbständige Art betrachten.
In der Form stimmen meine Exemplare genau mit den Ab-
bildungen Traustedt's (Taf. 1. 12 — 13) überein, im einzelnen zeigen
sie jedoch von einander, sowie auch von den Exemplaren Traustedt's
kleine Abweichungen.
So ist von den 6 parallelen Körpermuskeln bei meinen
Exemplaren nur der erste auf dem Rücken zusammenhängend,
während bei allen Exemplaren der 2. — 6. Muskel einen vollkommenen
ä) Die von Studer gesammelten Exemplare stammen alle von der Gazelle
Expedition.
46 D»"- C. Apstein.
Ring bilden; nur bei einem der 9 Exemplare war der 6. Muskel auf
dem Rücken getrennt. Durch diese Anordnung der Muskel erinnert
unsere Salpe sehr an die Cydomyarier, mit denen sie aber ihrer
Bildung der übrigen Organe wegen nicht zusammenzustellen ist
Der Endo styl reicht meist bis zum 5. Muskel, ich fand aber
zwei Exemplare, bei denen er bis zum 4. respective 6. Muskel ging.
Die Flimmergrube (Fig. 6) stimmt genau mit derjenigen von
Salpa democratica mucronata überein, dagegen ist der Nerven-
knoten verschieden gebildet (Fig. 1). Er ist ein ovaler Körper mit
je einem seitlichen nach vorn vorragenden Anhang. Das Pigment
war leider nicht zu erkennen. Die ganze Form weicht aber von
dem Nervenknoten der Salpa democratica mucronata (Fig. 8, 9) voll-
kommen ab. Letzteren mit dem Augenpigment zeichnen schon
Vogt und Yung (11) und Göppert (3. Fig. 10) richtig.
Einmal die ganz abweichende Bildung der Muskeln, dann die
des Nervenknotens veranlassen mich, Salpa ßagellifera als eigene
Art von Salpa democratica mucronata zu trennen. Sie ist aber mit
letzterer nahe verwandt, da die Anhänge, Flimmergrube und die
Bildung und Lage der Kette bei beiden Arten gleich sind.
Ueber die gregate Form vermag ich nichts zu sagen, da die
Individuen am Stolo noch ganz jung waren. Traustedt scheint
ältere Exemplare gesehen zu haben, da er meint (8 S, 35 (369):
„Si ex foetibus prolis solitariae exsectis aestimare licet, nihil a prole
gregata typica Salpae democraticae-mucronatae differre videtur."^
Etiketten: Indischer Ocean. 40« 12' SBr. 66 » 43' EL. No. 325. Dr.
Naumann S. 8 sol. + 5.
Pacifischer „ 27V20SBr. 153« EL. No. 459. Prof.
Studer. 1 sol.
Salpa runcinata fiisiformis Cham. Cuv.
proles gregata.
Neben typischen Exemplaren fand ich solche, welche in ihrer
Gestalt der Salfa africana maxima sehr ähnlich sind (siehe auch 1),
indem der vordere Fortsatz fast ganz fehlt, während am Hinterende
der Fortsatz auf ein seitlich befindliches Zäpfchen reduciert ist.
Die Untersuchung der Muskulatur (Zusammenstossen des 5. und 6.
Muskels an der Seite) lässt aber die Zusammengehörigkeit mit
Salpa runcinata fiisiformis erkennen.
Etiketten: Nordsee No. 275 Fries S. 1 greg.
Messina No. 276 Häckel S. 4 „
Neapel No. 277 Zoolog. Station 3 „
Atl. Ocean ? No. 285 Meyen Sj 3 „
? No. 315 Beske S. 2 „
Sumatra No. 418 Hellwege S. 1 ,,
370 SBr. 760 EL. No. 392 Sander S. 4 „
Die Salpen der Berliner- Zoologischen Sammhing. 47
Norwegen No. 425 Sars S. 4 „
No. 427 „ ., 4 „ Kette.
No. 429 „ „ 4 „
? Neapel No. 433 ■? 4 „
11" SBr. 10» EL. No. 439 Prof. Studer S. 1 „
27V2 0SBr.l53«EL.No. 460 „ „ 14 „
PNBr. I370EL. No. 456 „ „ 2 „(Immgr.)
proles solitaria
war in typischen Exemplaren vorhanden.
Etiketten: Neapel No. 278 Zool. Station 1 sol.
Norwegen No. 425 Sars S. 1 sol.
No. 429 „ „ 2 „
l^NBr. 1370 EL. No. 456 Prof. Studer 2 „
Salpa runciiiata fusiformis var. echinata (Herdm.)
Wie ich an anderer Stelle (1) ausgeführt habe, ist Saljm
echinata als Varietät von Salpa runmiata ftisiformis zu betrachten.
Her dm an kannte nur die soHtäre Form und diese trug bei seinen
Exemplaren keinen Stolo, an dem die Muskulatur der gregaten
Form hätte erkannt werden können. Wenn er sagt (5), dass Salpa
ecJmiata is „closely allied to hexagona", so glaube ich, dass sie mit
hexagona nichts zu thun hat, aber so nahe mit Salpa runcinata
fnsiformis verwandt ist, dass sie nur eine Varietät derselben ist.
Die s elitäre Form unterscheidet sich nur dadurch, dass bei runci-
nata fusiformis der Mantel glatt, bei echinata mit stachligen band-
artigen Streifen besetzt ist, die namentlich auf der Verdickung des
Mantels über dem Nucleus stark hervortreten. Wie ich in der an-
geführten Arbeit gezeigt habe, findet sich bei der solitären Form
kein Unterschied in der Muskulatur, indem der 8. und 9, Muskel
zum Theil weit von einander getrennt ist, zum Theil sich nähert
oder ganz verschmilzt, so dass darin die Uebergänge zwischen Salpa
runchiata fusiformis und echinata da sind. Das einzige unter-
scheidende Merkmal liegt darin, dass Salpa runcinata fusiformis
einen glatten, Salpa echinata einen mit Zacken besetzten Mantel hat.
Ich konnte an Stolonenindividuen der Salpa echinata aus dem
Material der Plankton-Expedition und des Naturhistorischen Museums
zu Hamburg nachweisen, dass sich diese von gleichalterigen Individuen
aus dem Stolo der runcinata fusiformis durch nichts unterscheiden.
Ich fand aber erwachsene Salpa runcinata fusiformis greg. , welche
auf ihrem Mantel auch die eigentümlichen Zacken zeigen, so dass
ich annehme, dass dieses die gregate Form der Salpa echinata ist.
In dem Material des Berliner Museums befinden sich 71 Exemplare,
die ich aus dem genannten Grunde für die gregate Form der Varietät
echinata halte.
48 Dr- C. Apstein.
Ich konnte auch Salpa aspera Cham, untersuchen, es ist die
gregate Form von der Varietät echinata (No. 265).
proles solitaria.
Etiketten. Curilen No. 265. Chamisso S. 1 sol.
470 34,5' SBr. 65° 46' E. No. 445. Prof Stud. S. 2 „
proles gregata. (?)
Curilen No. 265. Chamisso S. 5 greg.
450 SBr. 700 EL. No. 438. Prof. Stud. S. 22 „
47034,5'SBr. 65H6'EL.No. 444. „ „ „ 33 „
160 SBr. 117,50 EL No. 465. „ „ „ 8 „
Sollte sich heraustellen, dass die bestachelte Form dennoch
nicht zu Var. echinata gehört, so sind letztere 4 Nummern zu Salpa
runcinata fusiformis proles gregata zu stellen.
Salpa africana maxima Forsk.
proles gregata.
Von dieser Form liegt mir eine ganze Reihe schön erhaltener
Exemplare vor, welche alle die charakteristische Muskulatur zeigen,
darunter finden sich Individuen von 10 (No.421) und 11 cm (No. 300)
während Traustedt (8) als grösste Länge sogar 15 cm angiebt.
Etiketten: Canaren No. 280 Chamisso S. 1 greg.
Neapel No. 281 Zool. Station 5 „
„ No. 283 „ „ 1 „
? No. 300 V. Olfers S. 2 „
Neapel No. 328 Zool. Station 5 „
370 42' SBr. 820 28' WL. No. 395 Sander S. 1 „
Triest No. 419 Joh. Müller S. 7 „
Palermo No. 421 Dönitz S. 1 „
Triest No. 422 Joh. MüUer S. 6 „
Nizza No. 423 „ „ „ 2 „
Neapel No. 428 A. Dohrn S. 1 „
110 SBr. 100 EL. No. 441 Prof. Studer S. 7 „
proles solitaria.
Syn: Salpa antarctica Meyen (6 pg 416. Taf. 29. Fig. 1). Es
ist nicht ganz sicher, ob das von mir untersuchte Exemplar das
Original von Meyen Salpa antarctica ist, da auf der Etikette Meyen
mit „?" versehen ist. Ich möchte es jedoch glauben und stehe nicht
an, Salpa antarctica als Salpa africana maxima prol sol zu be-
trachten, da das fraghche Exemplar mit antarctica gut überein-
stimmt, soweit die nicht ganz naturgetreue Figur einen Vergleich
erlaubt. In der Figur Meyen's (Tafel 29. 1) ist der Körper vom
Vorderende bis zum letzten Muskel vom Rücken gezeichnet, der
darauf folgende Theil dagegen von der Seite, eine Lage, welche bei
einem so grossen Exemplar leicht eintreten konnte. Die Muskel
Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. 49
hat Meyen nicht ganz sorgfältig gezeichnet, es sind deren 9 (Meyen
zeichnet 7), die sich nur auf der Rückenseite finden. Das sogenannte
„Ovarium" (Meyen Taf. 29. Fig. 1 h) fand ich auch wieder, es ist
ein eigenthümlicher Fortsatz des Mantels in das Innere der Kloake,
der an seinem Ende glatt abgeschnitten ist, aber tief gezackte Ränder
trägt (Fig. 10). Dieses „ovarium"^ (bei der solitären Form!) ist
paarig vorhanden und befindet sich jederseits zwischen Darm und
dem 9. Muskel. Es scheint mir, abgesehen von allem anderen,
genügend für die Identität meiner Salpe mit antarctica zu sprechen.
Alle die genannten Verhältnisse fand ich aber bei der typischen
Salpa africana maxima proles solitaria wieder, so bei einem wunder-
voll conservirten Exemplar aus der Zoologischen Station in Neapel
(No. 282). „Ovarium'' und die Flimmergrube stimmen genau
mit den gleichen Organen von antarctica überein. Den eigenthümlichen
Fortsatz (ovarium Meyen) fand ich bei mehreren Exemplaren wieder,
während er bei einem Exemplar (No. 394) fehlte. Was dieser Fort-
satz für eine Bedeutung haben mag, kann ich nicht angeben, er
findet sich bei keiner anderen Salpenart. Müller, der in Carus
Icones Zootomicae, Salpen Fig. 30, die beste Abbildung unserer Salpe
giebt, zeichnet ebenfalls diesen „klauenförmigen Vorsprung". Ebenso
zeichnet er schon eine eigenthünüiehe Bildung (Fig. 30x) „Stelle wo
der innere Mantel durch den äusseren zur Oberfläche tritt". Ueber
die Bedeutung dieses Fortsatzes zwischen dem 6. und 7. Muskel
jederseits an der Seite des Rückens sagt er nichts, ebensowenig
kann ich eine Erklärung desselben geben.
Etiketten: Staaten Island No. 266 Meyen S? 1 sol.
Neapel No. 282 Zool. Station 1 „
? No. 307 V. Olfers 1 „
Neapel No. 327 Zool. Station 1 „
350 23' SBr. 88^28' WL. No. 394 Sander S. 1 „
Salpa cylindrica Cuv.
?Syn: S. coerulea Quoy et Gaim. (7) Taf. 89. Fig. 20-24. pg. 589.
Diese Salpe war in beiden Formen vertreten, zeigte aber nichts
besonderes, bis auf die Anordnung der Individuen in der Kette, die
bisher noch nicht sicher bekannt war, und die ich daher abbilde
(Fig. 11. 12.) Quoy et Gaimard (7) bilden eine Salpe ab und
auch deren Kette, ich glaube darin Salpa cylindrica zu erkennen.
Die Kette ist zweizeilig, die Individuen beider Zeilen sind um
eine halbe Körperlänge gegen einander verschoben. Ausserdem
stehen die Individuen etwas geneigt gegen die Längsachse der Kette.
Etiketten: 37» SBr. 75° 51' EL. No- 391 Sander S. llgreg. 8 sol.
und Ketten.
370 SBr. 760 EL. No. 469 „ „ 1 sol.
360 SBr. 120 WL. No. 470 „ „ 1 greg.
Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd.l. H.I. 4
50 Dl- C. Apstein.
8alpa punctata. Forsk. Vogt,
proles gregata Forsk.
Traustedt hat diese Form nach Exemplaren, die er in Neapel
(9) untersucht hat, neu beschrieben. Mir lagen auch einige
Exemplare vor, darunter eine Kette. Wie bei vielen anderen Salpen
zeigen auch die Exemplare dieser Art individuelle Schwankungen
in der Bildung der einzelnen Organe. Von den 6 Körpermuskeln
stossen die 4 ersten auf dem Rücken an einander, der 1. und 2.
sind sogar theilweise verschmolzen, ebenso der 5. mit dem 6. Auf-
fällig ist es, dass die Muskulatur unsymmetrisch ist, wie das schon
Traustedt erwähnt (9); auf der linken Seite liegen die Muskel
viel weiter nach hinten als auf der rechten, was namentlich bei der
Betrachtung von der Bauchseite (Fig. 14) deutlich hervortritt. Da
wo auf der linken Seite der erste Muskel den Endostyl trifft, liegt
auf der rechten schon der 4. Muskel. Der 2. Muskel (Fig. 14) geht
von der linken Seite sogar über die Mittellinie des Bauches hinweg,
so dass er auf der rechten Seite zwischen dem 5. und 6. Muskel
zu sehen ist (Fig. 13. 2').
In der Kette scheinen die Muskel so zu liegen, dass die
Individuen einer Zeile unter sich gleich sind, aber zu den Individuen
der anliegenden Zeile spiegelbildlich stehen (Fig. 16). Es werden
also bei der Hälfte der Exemplare in der Kette die Muskel auf
der linken Seite, bei der anderen Hälfte auf der rechten Seite nach
hinten gezogen sein. Die Muskulatur um den Mund ist ziemlich
verwickelt, dagegen um die Kloakenöffnung einfach (Fig. 13).
Der Endostyl geht vom Vorderende bis hinter den 5. Muskel
(auf d. rechten Seite) und krümmt sich dann nach der Leibes-
höhle zu.
Der Nervenknoten ist kugelförmig, das Auge kegelförmig mit
ringförmigem Pigment (Fig. 15),
Die Kette ist 2 zeilig, die Individuen liegen mit dem Bauch
gegeneinander und zwar so, dass die Individuen einer Zeile etwas
gegen diejenigen der anderen nach hinten verschoben sind.
Der Embryo liegt auf der rechten Seite unter dem 5. Muskel.
Etiketten: Neapel No. 286 Zoolog. Station 5 greg. Kette.
? „ No. 434 „ „ 9 „
Salpa (Jasis) costata Tilesii Quoy et Craim. Cuv.
Eines der soHtären Individuen trägt einen Stolo, der jedoch
noch so jung ist, dass ich nicht die Befestigung der einzelnen In-
dividuen in der zukünftigen Kette erkennen kann. Es wäre dieses
von Interesse gewesen, wie ich vor kurzem schon nachwies (1) für
Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung.
51
als die gregate Form von Salpa costata Tilesii. Ich glaube aber,
dass dieses auch sicher ist, ohne diesen directen Beweis.
Etiketten: Südsee No.
„ No.
„ No.
? No.
Atlant. Ocean No.
? No.
Messina No.
Mauritius No.
IPSBr. 100 EL. No.
289 Gedeffroy
290
291
292 Collect. Gerresheim? 1 greg.
293 Simroth S.
302 Olfers S.
323 Häckel S.
324 V. Martens S.
440 Prof. Studer S.
1 sol.
1 greg.
1 „
1 sol.
1
Salpa (Jasis) cordiformis zonaria. Quoy et Gaim.-Pall.
Diese Salpe ist in zahlreichen, gut erhaltenen Exemplaren ver-
treten.
Bei der gregaten Form verlängert sich der hintere, gewöhnlich
kurze Fortsatz zu einem langen, spitzen Anhange. (No. 454.)
Bei der s elitären Form fand ich die Muskelbänder nicht so
breit wie sie Traustedt (8) zeichnet.
Etiketten: Nordsee No. 270
Fries
2 greg.
? No.271
Schröder S.
2 „
? No. 272
Beske S.
3 „
Stiller Ocean No. 279
Oppermann S.
2 „
Azoren No. 294
Chamisso S.
1 „
Nordsee No. 295
Fries S.
2 sol.
Atlant. Acean No. 296
Mechbg S?
1 grg.
190 30' N.Br. 25« 22' W.L. No. 320
Jagor S.
7 „
370 50' N.Br. 170 30' W.L. No. 326
Prof. Studer S.
1 sol.
Island No. 424
?
1 greg.
34V/S.Br. lOPE.N. No. 447
Prof. Studer 1 sol. mit Stolo.
241/2'' S.Br. I52V2' E.L. No. 448
»
1 greg.
360 s Br. 700 E.L. No. 449
1 „
20V4'S.Br. 1140 E.L. No.450
5)
4 sol.
IQo S.Br. 1240 E.L. No. 453
5>
2 grg.
10 N.Br. 1370 E.L. No. 454
5>
4 grg. 1 sol.
91/2*' S.Br. 155 V E.L. No. 458
5>
1 grg.
4 sol.
IIV2' S.Br. 1191/4° E.L. No. 461
„
No. 463
5>
5 grg.
160 S.Br. 117,50 E.L. No. 464
V
3 „
V N.Br. 1380 E.L. No. 466
>5
2 „
VgO N Br. 1440 E.L. No. 467
•n
4 „
00 14IV4'' E.L. No. 468
5)
5 „
52 Dl- C- Apstein.
Salpa (Jasis) hexagona. Quoy et Gaim.
Das eine solitäre Individuum trug einen weit entwickelten
Stolo. Derselbe ist wie bei Salpa scutigera confoederata
gebildet, geht vom Nucleus ein Stück nach vorn, biegt dann nach
hinten um und verläuft auf der linken Seite bis gegen das Hinter-
ende der Salpe. Die Individuen sind in zwei Zeilen senkrecht zur
Längsachse des Stolo gelagert, und zwar so, dass die Individuen der
einen Zeile zwischen denen der andern stehen.
Eigentümlich ist der Nervenknoten mit den Augen. Der-
selbe ist oval, trägt auf seinem hinteren Teile ein schuhsohlenförmiges
Auge, ferner an seinem Vorderende jederseit einen nach dem Rücken
erhabenen Wulst, der ebenfalls pigmentirt ist, also je ein Auge
tragen wird, so dass im Ganzen wohl 3 Augen vorhanden sind, die
von einander getrennt liegen (Fig. 17).
Die gregate Form zeigt keine Besonderheiten.
Etiketten: P N.Br. 137« E.L. No. 446 Prof. Studer l'sol.
No. 455 ,. „ 8 grg.
Mit Hilfe vorstehender Sammlung ist es mir gelungen, nach-
zuweisen, dass
Salpa bicaudata Quoy et Gaim = S. scutigera confoederata forma
bicaudata,
Salpa quadrata Herdm = S. scutigera confoederata prol sol,
Salpa democratica mucronata var flagellifera Traust = Salpa flagellifera
(Traust),
Salpa aspera Cham ■= Salpa runcinata fusiformis var. echinata (Herdm),
Salpa antarctica Meyen = Salpa africana maxima prol, sol,
? Salpa coerulea Quoy et Gaim = Salpa cylindrica Cuv
ist.
Ueber die geographische Verbreitung der Salpen habe ich vor
kurzem (1) berichtet. Zu der Bearbeitung benutzte ich auch das
vorliegende Material, so dass ich an dieser Stelle nicht näher auf
diesen Punkt eingehen brauchte. Erwähnen will ich nur, dass sich
aus dem Material ergeben hat, dass Salpa africana maxima auch
im Pacifischen Ocean (Dr. Sander, Prinz Adalbert Expedition.
No. 394. 395), dass Salpa runcinata fusiformis var. echinata im
Indischen Ocean (Gazelle Expedition) und Salpa flagellifera auch im
Pacifischen Ocean (Gazelle Expedition) vorkommt, dass also alle drei
ebengenannten Arten resp. Varietäten in allen Oceanen vorhanden sind.
Die Salpen der Berliner Zoologischen Sammlung. 53
Litteratur.
1. Ap stein. Geographische Verbreitimg der Salpen nebst
Bemerkungen zur Systematik, in Ergebnisse der Plankton-Expedition.
Bd. II. Ea. (im Druck)
2. Forskähl. Descriptiones animalium etc. quae in itinere
Orientali observavit. Postmortem auctoris edidit C. Niebuhr. Hauniae.
1775.
3. Göppert. Untersuchungen über das Sehorgan der Salpen.
In Morpholog. Jahrbuch. Bd. 19. 1893. pg. 250
4. Herdman, Report on the Tunicata of H. M. S. Challenger.
Bd. 27.
5. — Revised Classification of the Tunicata. In The Journal
of the Linnean Society. London, Zoology, Vol. 23, No. 148, p. 558
bis 652. 1891.
6. Meyen. Beiträge zur Zoologie, gesammelt auf einer Reise
um die Erde. 1. Abth. Ueber die Salpen. In Nova Acta Acad.
caes. Leop. Carol. natur. curios. Tom 16. 1832.
7. Quoy et Gaimard. Zoologie in Dumont d'Urville Voyage
de la corvette l'Astrolabe, execute par l'ordre du roi 4 vol. 1826
bis 1834. Atlas.
8. Traustedt. Bidrag til Kundskab om Salperne in Spolia
atlantica. Vidensk. Selsk. Skr. 6. Raekke nat og math. Afd. IL 8.
Kopenhagen 1885.
9. — Die Thaliacea der Plankton-Expedition. In Ergebnisse
der Plankton-Expedition, Bd. IL Ea. 1 Tafel. 1892
10. Vogt. Recherches sur les animaux inferieurs de la Medi-
terranee, second memoire. Sur les Tuniciers nageants de la mer
de Nice. In Mem. de ITnstitut national genevois. 1894. IL pag, 1
bis 46. Tab. V— IX.
11. Vogt und Yung. Lehrbuch der practischen vergleichenden
Anatomie. Tunicaten. Bd. IL 5. Lief 1890.
54 Dl"- C. Apstein.
Erklärung zu Tafel V.
In allen Figuren bedentet:
a Einströmungsöffnung, kurz Mund genannt,
b Ausströmungs- oder Kloakenöffnung,
as Anheftungsstelle der Kettenindividuen,
e Endostyl.
f Flimmergrube,
fb Flimmerbogen,
g Nervenknoten,
ga Pigment des Auges,
m, Körpermuskel 1 . . .
r Kieme.
s Embryo.
X Nucleus.
Fig. 1. Salpa scutigera confoederata prol. gieg. Hinterende 7i (Plankton-
Expedition, No. 172).
Fig. 2. prol.sol. ganz jung; von der linken Seite. Vi- (Neapel No.268)
Fig. 3. Dasselbe Individuum vom Rücken. Vi-
Fig. 4. forma bicaudata; vom Rücken, -/i- ^^' <^i6 Anheftungsstelle
auf der Bauchseite, hindurchscheinend (Neapel No. 267).
Fig. 5. Nervenknoten und Augenpigment desselben Exemplars.
Fig. 6. flagellifera. Kieme mit Flimmerbogen, Flimmerrinne und
Nervenknoten, ^o/j. (No. 325)
Fig. 7. Nervenknoten. °°/i.
Fig. 8. S democratica mucronata prol. sol. Nervenknoten mit Pigment vom
Rücken, ^o/^ (No. 471).
Fig. 9. Derselbe von der Seite. ^7i-
Fig. 10. S. africana maxima prol. sol. Fortsatz des Mantels (Ovarium Meyen).
Vi. (No. 266)
Fig. 11. S. cylindrica. Kette vom Rücken. Vi (No. 391).
Fig. 12. Dieselbe von der Seite. Vi
Fig. 13. S. punctata prol. greg.; von der rechten Seite. Vi- P Pigmentzellen
(Neapel, No. 286).
Fig. 14. Dieselbe vom Bauche gesehan. Vi-
Fig. 15. Kieme mit Flimmerrinne, Flimmergrube und Nervenknoten mit
Pigment. 27^.
Fig. 16. Kette. Vi-
Fig. 17. S. hexagona prol. sol. Nervenknoten mit Pigment. ^7i (Mus. Hamburg).
Ein Beitrag
zur Kenntniss der faunistischen Verhältnisse
des eentralafrikanischen Seengebietes.
Von
H. J. Kolbe.
Die faunistischen und zoogeographisehen Verhältnisse des nörd-
lichen Theiles des eentralafrikanischen Seengebietes, welche bisher
noch ganz unbekannt waren, sind durch Emin Pascha und Stuhl-
mann so eingehend erforscht, dass wir uns ein genügendes Bild
davon machen können. Das bemerkenswertheste Resultat ist, dass
die Fauna des westafrikanischen Waldgebietes sich bis zu den nördlichen
Seen Centralafrikas ausdehnt und bis an den Victoriasee reicht.
In der folgenden kurzen Skizze erlaube ich mir eine Anzahl Coleopteren-
spezies aus den Sammlungen Stuhlmann's anzuführen, um zu zeigen,
dass Arten aus Ober- und Nieder-Guinea, von Kamerun und dem
Kongobecken bis in das nördhche Seengebiet verbreitet sind.
Einen wesentlichen Beitrag zu dieser westlichen Fauna des
nördhchen Seengebietes liefern die Bockkäfer (Cerambycidae), die,
weil ihre Larven grösstentheils an Holzpflanzen gebunden sind, soweit
nach Osten hin verbreitet sind, als die charakteristische Vegetation
des westafrikanischen Waldgebietes reicht. Das Vorkommen ist im
folgenden bei jeder Art näher angegeben.
Tithoes frontalis Har. Lunda und Baluba im Kongobecken; —
südl. Albert-Edward-See (Migere, Butumbi).
Macrotoma castaneipennis Kolbe im Kongogebiet (Baluba, Lulua) ;
— Massogua, nördlich vom Albert-Edward-See.
Plocederus chloropterus Chevr. Kamerun; Aschanti, — nördl.
Seengebiet (ohne nähere Angabe).
Plocederus hasalis Gahan. Gabun, Njam-Njam; — nördl. Seen-
gebiet (ohne nähere Angabe).
Callichroma cranchi White. Kongobecken; — am Duki-Fluss,
südwestlich vom Albert-See.
56 H. J. Kolbe: Ein Beitrag zur Kemitniss der
Phrystola hecphora Thoms. Westafrika; — Undussuma, südwestl.
vom Albert-See.
Phryneta macularis Har. Lunda-Reich (östlich von Angola),
Kongo; — nördKches Seengebiet (ohne nähere Angabe).
Phryneta aurodncta Guer. Ober-Guinea; — Buessa, südwestl.
vom Albert-See.
Pachystola fuliginosa Chevr. Senegambien, Togo ; — Duki-Fluss,
südwestl. vom Albert-See.
Hecyrida ricfolineata Quedf. Baluba-Land im Kongobecken; —
Itari, südwestl. vom Victoria-See.
Prosopocera ocellata Chevr. Guinea, Kongobecken, Quango; —
Buginda, südl. vom Albert-See.
Monohammus X-fulvum Bat. Kamerun; — West-Lendu, westl.
vom Albert-See.
Acridocepthala histriata Chevr. Guinea; — Albert-See.
Sternotomis imperialisY. Guinea, Togo, Kamerun, im nordöstlichen
Gebiete des Kongobeckens; — West-Lendu, westl. vom Albert-See.
Sternotomis aglaura Kolbe, Yaunde im Hinterlande von Kamerun,
— Buginda, südl. vom Albert-See, Uganda, nördl. vom Victoria-See.
Pinacosterna mechowi Quedf. Kongogebiet (Ibembo), Quango
(östlich von Angola); — Ituri, westHch vom Albert-See.
Ceroplesis fissa Har. Lunda-Reich, Kongo; — Itimba und
Atjangara-Fähre, südlich vom Albert-See; West-Lendu, westl. vom
Albert-See; Kafuro, westl. vom Victoria-See.
Moeclia adusta Har. Kamerun, Kongo, Lunda-Reich, Lulua
(Nebenfluss des Kongo), Baluba, Njam-Njam; — Butalinga, südl.
vom Albert-See.
Synnupjserlia homeyeri Har. Angola, Kongogebiet; — Undussuma,
südwestl. vom Albert-See.
Nur wenige Cerambyciden finden sich in Ost- und Südost-Afrika,
nämlich :
Cymatura miccorea Fairm. im Somali-Lande und Deutsch-Ost-
afrika; — bei Buginda, südlich vom Albert-See, und bei LTndussuma,
südwestlich vom Albert-See.
Ceroplesis irregidaris Har. j\Juansa am Südufer des Victoria-
Sees; — östliches Deutsch-Ostafrika.
Nitocris nigricornis Oliv. Capland, Natal; — Bukoba, am West-
ufer des Victoria-Sees.
Wie die Mehrzahl der bekannten Cerambyciden, so weisen auch
die waldbewohnenden Passaliden, welche unter der Rinde morscher
Bäume leben, auf Westafrika hin, und zwar finden sich
Erionomus plam'ceps Eschz. in Guinea, Kamerun, Njam-Njam;
— im Urwald an der Atjangara-Fähre, südl. vom Albert-See und
am Jturi, westl, von diesem See.
faunistischen Verhältnisse des centralafrikani sehen Seengebietes. 57
Pentalobt(s palinii Perch. in Aschanti und Kamerun, am Gabun
und Quango, auch am oberen Kongo; — in Uganda, nördlich vom
Victoria-See.
Pentalobus harhatvs F., fast überall in Westafrika, z. B. in Ober-
Guinea, Togo, Kamerun, Njam-Njam, Kongo -Gebiet, Quango; —
und auch in Uganda, nördlich vom Victoria- See.
Et/melosomus dupHcatus Har. am Quango, im Lunda-Reich und
im Gebiet des oberen Kongo (Ibembo); — aber auch an der Ituri-
Fähre, westlich vom Albert-See und in Nssangani, nördl. vom Albert-
Edward-See.
Didimvs pvnctipectm Kaup in Guinea, im Lunda-Reich, am
Lubilasch im Gebiet des oberen Kongo; — und im Kibissibili- Walde
am Ituri, westlich vom Albert-See.
Dasselbe gilt von den, grossentheils an Wald gebundenen
Cetoniiden. Plaesiorrhina svhaenea Har. und cincta Oliv., Gna-
thocera trivittata Swed. und afzeli Swartz, Evdicella tetraspüota Har.
und gralli Buq., Dicranorrhma micans Drury und Gametis sungui-
nolenta Burm. finden sich im Seengebiet, gehören aber der west-
afi'icanischen Fauna an. Auch Pseudinca^ Incala und Eccoptocnemis
sind westafricanische Genera.
Anders verhält es sich mit den Mistkäfern (onthophile Lamelli-
cornier) ; diese sind meist nicht an das Waldgebiet gebunden, finden
hingegen z. Th. einen wesentlichen Verbreitungsfactor durch die
Hausthiere, welche die Eingeborenen bei sich halten oder mit
sich führen, z. B. Schafe, Ziegen und auch Rindvieh. Hieraus ist
wohl das Vorkommen nordostafrikanischer, ost- und südafrikanischer
Mistkäferarten im Seengebiet zu erklären. Die dort wohnenden
Völker haben mehr Beziehungen zum Nordosten und Osten des
Erdtheils, als zu dem Westen. Auch die weite Ausdehnung des
Steppengebietes und der Steppencomplexe, die sich bis in die Seen-
region erstrecken, und nordwärts die Steppengebiete des Sudan bis
Senegambien, sowie südwärts die Steppen südlich vom Urwalde des
Kongogebietes, verdienen hinsichtlich der Verbreitung der Mistkäfer
im Gefolge der Steppenthiere (Säugethiere) Berücksichtigung.
Bemerkenswerth ist in dieser Beziehung die Thatsache, dass von
der artenreichen Gattung Onitis, von der 50 Species aus dem
äthiopischen Gebiet bekannt sind, sowohl v. Harold als auch
Du vi vi er in ihren Abhandlungen über die Coleopteren des Kongo-
Gebietes keine Spezies aufführen. Auch Quedenfeldt verzeichnet
vom Quango und aus dem Baluba- Lande im Kongobecken keine
einzige Art, nur von Malange in Angola zwei Spezies. Stuhlmann
hingegen hat aus dem Seengebiet 10 Spezies mitgebracht.
Onitis pecuarius Lansb. findet sich im Capland, Cafirarien,
Mosambik, am Nyassa-See ; — bei Undussuma, südwestl. vom Albert-
See, in Mpororo, südöstl. vom Albert -Edward-See und in Karague,
westhch vom Victoria-See.
58 H. J. Kolbe: Ein Beitrag zur Kenntniss der
Onitis uncinatus Kl. in Abyssinien, Mosambik, Caffrarien; —
in Karague, westlich vom Victoria-See.
Copris orphanus Guer. in Sansibar, Abyssinien; — in Karague,
westlich vom Victoria-See, bei Undussuma, südwestlich vom Albert-
See, und in der Issango-Ebene, nördlich vom Albert-Edward-See.
Oniticellus tiasicornis Reiche in Abyssinien, Mosambik, Natal,
Angola, Senegambien; — in Karague, westlich vom Victoria-See.
Oniticelhis militaris Gast, in Nordost -Afrika , Mosambik, Natal,
Capland; — bei Undussuma, südwestlich vom Albert-See.
Oniticellus planatus Bob. auf dem Kihmandscharo, am Jipe-See
in Deutsch-Ostafrika, in Mosambik, Natal, Capland; — bei Undussuma,
südwesthch vom Albert-See und in Karague, zwischen dem Victoria-
und. Albert-Edward-See.
Orvthophagus picticollis Gerst. auf dem Kilimandscharo; — in
Karague, zwischen dem Victoria- und Albert-Edward-See.
Heliocopris colossus Bat. (Senegambien) findet sich auch bei
Bukoba am Victoria - See , und Diastellopalpus acuminicollis Quedf.
ist in Baluba-Land (Kongo-Gebiet) und in Karague, zwischen dem
Victoria- und Albert-Edward-See gefunden.
Onitis castdnaui Harold, aus Sansibar und Caffrarien bekannt,
liegt vor von Kirima, im Nordwesten vom Albert-Edward-See. Nach
Stücken, welche angeblich vom Stanley-Pool stammen, zu schliessen,
kommt die Art auch am Kongo vor.
Von Tenebrioniden finden sich die für Westafrika, z. B.
Kongo, Kamerun und Ober-Guinea, charakteristischen Arten Chiro-
scelis digitata F. und passaloides Westw. , Prioscelis serrata F. und
fabricii Hope, Pezodontus ohsoletits Thoms. und Eupezus hrevicolUs
Har. im Seengebiet. Prioscelis serrata ist nach einer Notiz von
Stuhlmann im Wabudso- Walde, westlich vom Albert-See (westl.
von Wakangu) sehr gemein.
Aber auch eine ganze Anzahl neuer Formen wurde von Stuhl-
mann im Seengebiet gefunden, die vielleicht jener Gegend theilweise
eigenthümlich sein mögen. Recht bemerkenswerth ist ein fremdartiger
Carabide von verhältnissmässig grossen Körperdimensionen. Es ist
eine neue Gattung, die auf Grund der Gruppenmerkmale zu den
Chläniinen gehört, aber unter diesen sich ganz absonderlich ausnimmt.
Ich nenne das, gleichsam auf eine fremde Welt der Vergangenheit
hinweisende Coleopteron Stuhlmajinium mastodon. Der grosse Kopf
ist nach unten gerichtet, der Hinterkopf ist dick und ohne Hals,
Von Supraorbitalborsten ist nur eine neben jedem Auge vorhanden.
Die Augen sind klein. Die Mandibeln besitzen keine borstentragende
Punkte an der Aussenseite. Der Clypeus ist durch eine deutliche
eingedrückte Linie von der Stirn getrennt und am Vorderrande mit
einem mittleren vorstehenden Zahne versehen. An den Antennen
sind die drei ersten Gheder glänzend und ganz glatt. Die Ligula
ist stark vorgezogen, vorn verbreitert, an der Vorderseite ausgehöhlt;
faunistischen Verhältnisse des centralafrikanischen Seengebietes. 59
der obere Vorderrand ist in der Mitte ausgerandet. Das Mentum
ist sehr tief viereckig ausgerandet, die Seitenloben sind weit vor-
gezogen; in der Mitte der Ausrandung befindet sich ein kurzer
stumpfer, an dem Ende ausgerandeter Zahn. Das Mentum ist von
der Kehle deutlich abgesetzt. Der innere Maxillarlobus ist sichel-
förmig gebogen und zugespitzt. Das letzte Ghed der Maxillarpalpen
ist kürzer als das vorletzte; jenes bildet mit diesem kein Knie,
sondern steht zu diesem in gerader Linie. Das zweite Palpenglied
ist gegen die Spitze hin stark verdickt. Das zweite GHed der
Labialpalpen ist innenseits mit zahlreichen Borsten besetzt.
Der Prothorax ist länger als breit, schmal, oberseits convex,
vor dem Hinterrande abgeflacht, vorn und hinten gleichbreit; die
Seiten vor der Mitte schwach gerundet, hinten gerade.
Die länglich ovalen Flügeldecken sind vorn und hinten ver-
schmälert, der Rücken hoch convex, die Naht erhaben, der vordere
Theil niedergedrückt, die Seiten vorn fast kielförmig gerandet. Die
Ausrandung nebst der Falte am Aussenrande vor der Spitze der
Flügeldecken ist recht deutlich.
Der Hinterleib wird von den Flügeldecken ganz bedeckt.
An den Beinen sind die verdickten Schenkel, hauptsächlich
aber die stark knieförmig gebogenen Mittelschienen bemerkens-
werth. Die Unterseite der Schenkel ist mit einer Doppelreihe von
Zähnchen ausgerüstet; die Doppelreihe geht an den Vorderschenkeln
fast bis zum Grunde, an den Mittelschenkeln bis zur Mitte; an den
Hinterschenkeln ist nur das apicale Drittel mit einer Doppelreihe
von Zähnchen versehen. Die Mittelschenkel sind keulenförmig,
dicker als die übrigen. Die vorderen Schienen sind gerade, die
mittleren stark gekrümmt, die hinteren schwach gebogen.
Die Mittelhüften stehen zapfenförmig vor.
Die Schenkelringe der Hinterbeine sind in einen auffallend
langen Fortsatz ausgezogen, der nach hinten zu sehr verdünnt, nahe
dem Ende hakenförmig umgebogen und zugespitzt ist.
Die Epimeren der Hinterbrust sind deutlich, wie bei den
Chläniern, die Mesosternalepimeren schmal.
Die Vorderschienen sind im apicalen Drittel schwach ausgerandet.
Die Bildung der Ligula, die Zahl der Supraorbitalseten , der
kurze Schaft der Antennen, das Fehlen von Chätoporen an der
Aussenseite der Mandibeln, die Grösse des Labrum, die drei glatten
Grundglieder der Antennen, die schmalen Mesosternalepimeren, die
nicht getrennten Hinterhüften, die Bildung des Aussenrandes der
Flügeldecken; — alle diese Kennzeichen sprechen für die Zugehörig-
keit von Stuhlmannium zu den Chläniinen, denen der Käfer habi-
tuell keineswegs ähnlich ist.
Die neue Gattung weicht von den eigentlichen Chläniinen durch
die Doppelreihe von Zähnchen an der Unterseite der Schenkel ab.
60 H. J. Kolbe: Ein Beitrag zur Kenntniss der
Ausser SUihlmannimn giebt es noch ein eigenthümliches Genus
in Afrika, R/wpalomelus Boh., welches von dem Autor Boheman
zu den Sphodrinen gestellt wurde. Ich finde aber, dass diese
Gattung zu den Chläniinen gehört, auf Grund derselben Charaktere,
welche eben für Stuhlmannüim angegeben sind. Bhopalomelus hat
nur eine entfernte Aehnlichkeit mit den typischen Chläniern; da
aber unter diesen eine Anzahl Arten mit sehr schmalem Prothorax
und längeren Beinen vorkommt, so sind diese wohl am ersten mit
Rhopalomelus zu vergleichen. Stuhlmann hat nun noch einen
zweiten eigenartigen Chläniinen mitgebracht, Parachlaenius n. g.,
der auf den ersten Blick zu den Chläniinen gehört, jedoch noch
etwas eigenartig erscheint, aber in allen Charakteren mit diesen
übereinstimmt. Diese Gattung ist ein Bindeglied zwischen Rhopa-
lomelus und den typischen Chläniinen. RJiopalomelus vermittelt
aber zwischen Stuhlmannium und Parachlaenius. Wir können somit
durch eine kettenförmige Aufeinanderfolge von StMma7inium, Rho-
]>alomelus, Parachlaenius und den echten Chläniinen die nächste
Verwandtschaft jener Gattungen mit dieser Gruppe darthun. Jene
unterscheiden sich von diesen folgendermaassen :
1. Schenkel an der Unterseite doppelreihig gezähnelt oder
crenulirt: Stuldmannium, Rhopalomelus und Parachlaenius.
2. Schenkel an der Unterseite glatt: Chlaeniinae genuinae.
Bei Parachlaenius emini finden wir fast nichts von der ab-
sonderlichen Form und Bildung des Körpers und einzelner Theile
desselben, wie sie uns bei Stuhlmannium auffallen. Jedoch ver-
binden sich mit dem fast normalen Chläniertypus des Parachlaenius
einzelne Merkmale, welche zu Rhopalomelus und Stuhlmannium hin-
überleiten, namentlich die Crenulirung und feine Zähnelung der
Doppelleiste an der Unterseite aller Schenkel, die Krümmung der
Mittelschienen, das vorgezogene, am Ende abgestutzte grosse Labium,
der kurze Scapus der Antennen, die etwas robuste Körperform.
Gegenüber dem lang zugespitzten Lobus der hintersten Trochanteren
von Stuhlmannium und Rhopalomelus erscheint derjenige von Para-
chlaenius nicht länger als bei anderen Chläniinen.
Ueber die Organisation des Parachlaenius emini ist im Einzelnen
noch folgendes mitzutheilen. Die Augen sind von gewöhnlicher
Grösse, demnach verhältnissmässig viel grösser als bei Stuhlmannium.
Die Antennen überragen die Basis der Flügeldecken und sind vom
4. Gliede an braungelb tomentirt. Das Mentum ist tief ausgerandet,
die Seitenloben sind einander parallel, die Mitte der Ausrandung ist
dreieckig vorgezogen, der Vorsprung an der Spitze abgerundet. Das
Labium ist verlängert, am Ende verbreitert, abgestutzt, an der
Vorderseite mit zwei Borsten versehen und an der Aussenseite in
der Mitte der Länge nach gefurcht. An den Lippentastern ist das
2. Glied innenseitig mit mehreren Borsten besetzt. An den Maxillar-
tastern ist das letzte GKed, wie gewöhnlich bei den allermeisten
Carabiden, länger als das vorletzte. Das Labrum ist sehr kurz und
faunistischen Verhältnisse des centralafrikanischen Seengebietes. gl
tief ausgerandet. Auch das von der Stirn durch eine deutliche
Naht getrennte Epistom ist vorn ausgerandet; die Vorderecken des
Epistoms sind rechtwinklig. Der Hinterkopf ist nicht verdickt.
Der Prothorax erscheint beinahe quadratisch, er ist ziemlich
flach, die Scheibe beiderseits der Mittelfurche schwach convex, die
Seiten etwas gerundet, mit der grösseren Breite vor der Mitte. Die
Hinterecken sind rechtwinklig, die Ecken selbst aber rundlich ab-
gestumpft; die Seitenränder sind etwas aufgerichtet. Die länglichen
Flügeldecken erscheinen massig convex; die feinen Punktstreifen sind
eingedrückt, die Zwischenräume schwach convex und etwas grob
stichelig punktirt.
Die an der Unterseite der Schenkel deutlich hervortretenden
beiden Längsleisten sind crenulirt bis schwach gezähnelt; an den
JVIittelschenkeln findet sich ausserdem ein etwas grösseres Zähnchen
unterseits kurz vor der Spitze, an dessen Stelle an den Hinter-
schenkeln sich nur ein kurzer abgerundeter Vorsprung zeigt. Die
Vorderschienen sind gekrümmt, der Ausschnitt an der Innenseite
reicht fast bis zur Mitte; der obere Sporn dieses bei den allermeisten
Carabiden vorhandenen eigenthümlichen Ausschnittes, der als ein
Reinigungsappara.t für die Antennen angesehen wird*), ist massig
umgeknickt und so lang, dass er die Spitze der Schiene etwas über-
ragt. Solchergestalt kann dieser umgeknickte Sporn seinen Zweck,
als Halter an dem Reinigungsapparat zu dienen, anscheinend in
verbesserter Weise erfüllen. Auch die Mittelschienen sind etwas
gekrümmt; bei Stuhlmcmnium ist die Krümmung aber eine viel
stärkere.
Der Fortsatz des Trochanters der Hinterbeine ist ziemlich lang
und gerade, aber nicht in eine Spitze ausgezogen, sondern stumpf-
lich zugespitzt.
Der Körper ist von schwärzlicher Grundfärbung, glänzend, überall
kurz röthlichgelb und nicht dicht behaart; die Seitenränder des
Prothorax, das 1. Fühlerglied und die Schenkel sind braun, die
Flügeldecken dunkelviolett.
Die Länge des Körpers beträgt 27 mm.
Das einzige Exemplar (augenscheinHch ein Weibchen, da die
Vordertarsen ganz schmal sind) ist gleichfalls einer der schönen
Funde des Dr. Stuhlmann. Es wurde am 1. März 1891 bei
Kafuro in der Landschaft Karague, welche sich westhch vom
Victoria -See ausdehnt, gefunden.
Zu Stvhlmannium mastodon ist noch nachzutragen, dass der
ganze Körper kohlschwarz und glänzend ist; die Flügeldecken sind
an den Seiten weniger glänzend. Am Ende der Schienen, z. Th.
auch an deren Innenseite befindet sich ein Besatz von kurzen röth-
*) Vergl. H. J. Kolbe, Einführung in die Kenntniss der Insekten. 1893.
S. 293.
62 H. J. Kolbe: Eiu Beitrag zur Kenntniss der
liehen Borsten. Die Antennen sind vom 4. Gliede an braungelb
tomentirt. Die beiden vorliegenden Exemplare mögen weiblichen
Geschlechts sein, da die Vordertarsen einfach sind. Es giebt aber
unter den grossen Carabiden einige Gattungen, in denen ein Ge-
schlechtsunterschied in der Bildung der Tarsen nicht vorhanden ist.
Das mag auch bei Stuhlmannium der Fall sein. Da nun ein Unter-
schied in der Zahl der Chaetoporen (borstentragende Grübchen) am
letzten freien Abdominalsegmente deutlich ausgeprägt ist, so halte
ich das eine schmächtigere Stück, an welchem vor dem Hinterrande
dieses Segments jederseits 4 bis 5 in einer Reihe stehende Chäto-
poren und eine seitwärts und etwas entfernt stehende Chätopore zu
erkennen sind, für ein männliches Thier, während bei dem zweiten
Stück, welches ich für ein Weibchen halte, jederseits vor dem
Hinterrande des Segments nur zwei Chätoporen und eine Anzahl
unregelmässig stehender kleiner Punkte vorhanden sind.
Dr. Stuhlmann fand diese werthvolle Art, deren Entdeckung
den besten Resultaten seiner Forschungsreise anzureihen ist, gleich-
falls bei Kafuro in Karague, westlich vom Victoria-See, und zwar
das eine Stück ($) am 6., das andere {$) am 28. März 1891. Die
Länge der beiden Exemplare beträgt 43 {S) und 46 ($) mm.
Der nächste Verwandte von Stuhlmannium, nämlich der Rhopa-
lomelus angusticollis Boh. aus Natal, erinnert durch die einfache
Form der Elytren mehr an Parachlaenius\ dieselben sind indess
noch ziemlich convex, aber nicht so wie bei Stuhlmannium. Der
Prothorax des Rhopalomelus ist länglich und schmal, wie bei seinem
grossen Verwandten, aber nur wenig convex, wie bei den meisten
Chläniinen. Das Labrum ist gleichfalls gross, der Scapus ziemlich
kurz. Die Augen sind verhältnissmässig viel grösser als bei Stuhl-
mannium, also wie bei Parachlaenius. Dagegen erinnert der Fort-
satz der hintersten Trochanteren durch die ausgezogene und etwas
gebogene Spitze an die mehr vollendete Ausbildung bei Stuhlmannium.
Auch sind die Mittelschienen gekrümmt, aber schwächer. Dagegen
ist das letzte Glied der Maxillarpalpen länger als das vorletzte;
es sind jedoch die beiden letzten Glieder durch die auffallende
Keulenform ausgezeichnet.
Absonderlichkeiten in seiner äusseren Organisation theilt Stuhl-
mannium mit Hypocephalus armatus Brasiliens. Da solche Ab-
sonderlichkeiten mit zunehmender Körpergrösse sich ausbilden, so
sehen wir in Rhopalomelus eine Vorstufe zu Stuhlmannium.
Bei Stuhlmannium besteht eine Eigenthümhchkeit darin, dass
man auf den ersten BHck nicht sagen kann, zu welcher engeren
Gruppe der Carabiden diese Gattung gehört. Das gilt auch von
Rhopalomelus.
Die eben besprochenen Gattungen Stuhlmannium, Rhopalomelus
und Parachlaenius gehören nun, wie mitgetheilt, zu den Chläniinen,
einer Gruppe der Carabiden, welche von allen Gruppen dieser
faunistischeii Verhältnisse des centralafrikaiiischeu Seengebietes. 63
Familie in dem äthiopischen Gebiet am formenreichsten vertreten
ist. Zugleich sind die Chläniinen in keinem anderen zoogeographischen
Gebiet so reichlich und mannigfaltig vorhanden, wie eben in dem
äthioj)ischen. Es sind jetzt 15 Gattungen und etwa 230 Arten dieser
Gruppe aus diesem Gebiet bekannt, welche über alle Untergebiete
ziemlich gleichmässig verbreitet sind. In dieser Beziehung stehen
die Chläniinen zu anderen Carabidengruppen in Gegensatz. So z. B.
kommen von der artenreichen Gruppe der Anthiinen nur vereinzelte
Arten im westafrikanischen Waldgebiete vor, während die grosse
Masse (über 130 Species) sich über Ost- und Südafrika vertheilt. Von
den echten Panagäinen leben umgekehrt die allermeisten Arten
in Westafrika, während Teflus in Ostafrika sehr überwiegt.
Betrachten wir aber die Carabiden des äthiopischen Gebiets im
Ganzen, so finden wir, dass die grossen Formen, und zwar in
grösserer Zahl, auf Süd- und Ostafrika fallen und namentlich von
den Gattungen Scarites, Ilaplotrachelus, Passalidms^ Macromorphus^
Anthia, Baeocßossa , Polyhirma, Tefflvs u. a. gestellt werden. Nur
vereinzelte grosse Carabiden konmien im westafrikanischen Unter-
gebiet vor, z. B. einzelne Arten von Ochyropiis, Anthia und Scarites.
Da die Nahrungsverhältnisse in den grossen Steppengebieten Ost-
und Südafrikas ganz andere sind, als in den Walddistrikten West-
afrikas, so dürften wir hierin den Grund sehen, aus welchem die
grossen Carabiden, welche alle als räuberische Fleischfresser
anzusehen sind, zumeist in Ost- und Südafrika so reich vertreten
sind.
Die grössten Coleopteren des äthiopischen Gebietes überhaupt sind
jedoch auf Westafrika (vom Kongo-Gebiet bis einschliesslich Ober-
Guinea) beschränkt, sieleben sämmtlich von vegetabilischen Stoffen
und gehören zu den Cerambyciden, Lucaniden, Cetoniiden, Dynastiden.
Unter den von Stuhlmann im nördlichen Seen-Gebiet aufgefundenen
Käfern ist nur ein kleiner Theil der grösseren Formen dieser
Famüien vorhanden; gerade die grössten, nämlich Arten von Oma-
cantha, Batocera, Mesotopns, (roliathus, Mecynorrliina und Augo-
soma fehlen. Wir müssen es weiteren Forschungen überlassen, noch
etwa vorhandene Lücken auszufüllen.
Die
Entwicklungsgeschichte und der anatomische
Bau der Taenia anatina (Krabbe).
Von
Johannes Emil Schmidt.
Hierzu Tafel VI.
Die Entwicklungsgeschichte der cysticerkoiden Tänien war bis
vor kiirzem so gut wie unbekannt. Diese lange Unkenntnis erklärt
sich in der Hauptsache wohl aus den mannigfaltigen Schwierigkeiten,
welche einer Untersuchung dieses Gegenstandes entgegenstehen. Von
dem bei weitem grössten Teile der betreffenden Tänien kennt man
ja bis jetzt weder den Zwischenwirt, noch den zugehörigen Cysticer-
koiden, geschweige denn die Entwicklung des letzteren. Alles, was
wir bis in die neuste Zeit herein von der Entwicklung der Cysticer-
koiden wussten und vermuten konnten, basierte in der Hauptsache
nur auf einem Analogieschluss , auf dem Vergleich mit der durch
Leuckarts Untersuchungen zuerst eingehend bekannt gewordenen
Entwicklungsgeschichte der Cysticerken, höchstens noch auf der
Kenntnis einiger weniger, aber völlig zusammenhangloser Zwischen-
formen, welche der Zufall gerade geboten hatte. Erst neuerdings
haben wir, nachdem Melnikoff und Leuckart in der Hundelaus
den Cysticerkoiden der Taenia elliptica Batsch (= cucumerina
Rudolphi) entdeckt hatten und die Untersuchung für diese Form so-
mit wesentlich erleichtert war, durch Grassi und Rovelli^) näheres
über den Entwickhmgsverlauf eines Cysticerkoiden, eben der Taenia
elliptica, erfahren. Vorliegende Arbeit, die auf den Rat meines
hochverehrten Lehrers Prof. Leuckart in dessen Laboratorium
unternommen wurde, lehrt uns die Entwicklung einer zweiten, von
jener in mehreren Stücken abweichenden Form kennen, die Ent-
wicklung der Taenia anatina Krabbe.
Schon als ich meine ersten Versuche anstellte, die zum Zwecke
hatten, der Entwicklung einer der fünf Tänienformen, welche nach
Krabbe 2) bei unsern Hausenten gefunden werden, mit Hilfe des
1) Ricerche Embrioligiche Sui Cestodi. Memoria del Prof. B. Grassi e del
Dr. G. Rovelli, Catauia 1892.
-) Krabbe, Bidrag til Kundskab ora Fuglenes Baendelorme , Kjobenbavn
1869; Nye Bidrag, 1882.
Aich. f. Natuigesch. Jahrg.1894. Bd.L H.2. 5
66 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
Experiments nachzuspüren, machte mich Herr Geheimrat Leuckart
darauf aufmerksam, dass ihm bei seinen Infectionsversuchen einst
in Cypris ovata die ausgeschlüpften Embryonen einer dieser Tänien
begegnet seien. Obwohl ich nun mit gar verschiedenen Tieren,
welche hier nach Mräzeks^) und Hamanns 2) Funden in Frage
kommen konnten (Cyclops, Gammarus , Asellus) , meine Experimente
anstellte, behielt ich doch ganz besonders die Cypris im Auge, zu-
mal auch die Beobachtungen von Mrazek auf dieses Genus mit
hinwiesen. Mancher Versuch misslang, wie mich meine späteren
Erfahrungen lehrten, wohl deshalb, weil ich nicht die gehörige Menge
von Eiern zur Infection verwendet hatte. Die kleineren Cyprisarten,
welche man häufig bei uns findet, boten wenig- Aussicht. Bei Cyclops
fand ich allerdings einmal den Cysticerkoiden von Taenia gracilis
Zeder, welchen Mräzek vor mir ebenfalls bei Cyclops gefunden und
ausführlich beschrieben hat, aber die zur Infektion benutzten Würmer
lieferten trotzdem ein negatives Resultat Da gelang es mir endhch,
in der oben erwähnten Cypris ovata Jur., den Cysticerkoiden von
Taenia anatina Krabbe zu züchten, eine Form, welche in ihrem aus-
gebildeten Jugendzustande ebenfalls schon von Mräzek 3) beschrieben
worden ist. Auch letzterer fand den Cysticerkoiden bei einer Cypris,
und zwar bei Cypris compressa Baird u. incongruens Ramd., sodass
wir drei Cyprisarten als Finnenträger von Taenia anatina konstatieren
können. Bei Cjpris compressa sind von Mräzek ausserdem noch die
Cysticerkoiden zweier anderer Ententänien, der Taenia coronula Duj.
und T. gracilis Zeder, aufgefunden worden. Bei Cyclops und Gam-
marus habe ich immer vergeblich nach der Finne von T. anatina
gesucht; es scheint sich also der Parasitismus dieser Art ausschliesslich
auf die Gattung Cypris zu beschränken. Bei Cypris ovata gelang
die Infektion aber mit unfehlbarer Sicherheit. Während des Sommers
ist mir in meinen Zuchten nicht ein einziges Exemplar vorgekommen,
das nicht inficiert gewesen wäre — freilich waren es auch immer
ganz gehörige Portionen Eier, welche bei dem Experimente zur Ver-
wendung gelangten.
Die Eier von T. anatina (in Figur 1 abgebildet) sind nach
ihrer äussern Form und Grösse bereits durch das Krabbe'sche
Sammelwerk bekannt und daselbst in ihrem äussern Umrisse richtig
abgebildet^). Der Embryo ist von drei Häuten umgeben. Das ganze
Ei ist 0,125—0,175 mm gross und besonders durch seine charakte-
ristische Form leicht von den Eiern der übrigen Ententänien zu
1) Mräzek, 1) Die Cysticerkoiden iinserer Süsswassercrustaceen in: Sitz.
Ber. Böhm. Ges. Wiss. 1890, 1. Band p. 226—248, in böhm. Sprache. 2) Unter-
suchungen über die Entwicklung einiger Vogeltänien, ibid. 1891, 1. Bd. p. 97 bis
131, böhmisch, Auszug französisch.
'-) Hamann, Jenaische Zeitschrift f. Naturwissensch. Band XXIV u. XXV,
1890 u. 1891.
^) L. c. Nr. 2 (vom Jahre 1891).
*) L c. Tafel VI, Figur 116.
uml der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 67
unterscheiden. In Anpassung an die Gestalt der Proglottiden von
T. anatina, welche sehr kurz sind, also die Gestalt eines sehr niedrigen
Trapezes haben, sind auch die Eier von länglicher Form, länglich-
elliptisch, nicht kugelig oder kreisrund im Durchschnitt, wie sonst
bei den allermeisten Tänien. Die äussere Eihaut ist sehr dünn,
vollständig durchsichtig, spröde und strukturlos, wie bei andern
Tänieneiern. Die mittlere der drei Eihäute aber zeigt auf ihrer
Obertiäche eine äusserst feine Punktierung, welche sich auf dem
optischen Querschnitte durch die Mitte des Eies als eine sehr feine
Strichelung erweist und, nach ihren optischen Eigenschaften zu
schliessen, von feinen Stäbchen herrührt, welche diese mittlere
Membran durchsetzen — ganz analog den Eiern vieler Blasenband-
würmer. Im Innern dieser mittleren Haut sind helle, kugelige Zellen
sichtbar, zwischen denen kleinere und grössere fettartig glänzende
Körnchen und Tröpfchen verstreut liegen. Auch die dritte, innere
Membran, welche den Embryo unmittelbar umgiebt, sowie der Embryo
selbst enthalten diese stark lichtbrechenden Körner und Tröpfchen.
Doch besitzt diese dritte, innere Haut, wie aus der Abbildung Krabbes
schon ersichthch, nicht mehr die elliptische Gestalt der beiden
äussern Eischalen, sondern verengt sich an der Stelle, wo sie den
Embryo überragt, plötzlich nach beiden Seiten. Der Embryo selbst
besitzt wieder die länglich -elliptische Form. Seine Länge beträgt
etwa den dritten Teil von der Länge des ganzen Eies (0,05 — 0,06 mm);
die sechs Embryonalhäkchen sind, Avie auch Krabbe angiebt, 0,010
bis 0,011 mm lang. Manchmal sieht man sie in deutlicher Bewegung.
Der Enibryonalkörper besteht, abgesehen von den schon erwähnten
fettartig glänzenden Einlagerungen, meist aus einer homogenen Masse ;
jedoch kann man bei vielen, wahrscheinlich jüngeren Eiern noch
ziemlich deutlich ihre Zusammensetzung aus kugeligen Zellen er-
kennen. Die Resistenzfähigkeit der Eier ist ziemlich gross. Nach
meinen Beobachtungen können die Eier bis drei Wochen im Wasser
liegen, ohne ihre Entwicklungsfähigkeit einzubüssen.
Cypris ovata Jur., in welcher in unseim Falle die Eier zur
Weiterentwicklung gelangen, ist einer unsrer grössten Muschelkrebse
(2,25 — 2,75 mm gross), von dunkel- bis blaugrüner, selten hellgrüner
Farbe und, wie schon der Name sagt, von ovaler Gestalt. Sein
Aufenthaltsort; schattige Tümpel und Teiche, sowie seine Nahrung,
faulende Tier- und Pflanzenstoffe, machen es begreiflich, dass gerade
er und seine Verwandten die Zwischenträger für die Parasiten der
Enten, und unter ihnen gerade wieder der Ententänien sind. Die
Art und Weise und die verschiedenen Möglichkeiten der Infection
sind bekannt genug. Dass die Umstände, trotz der von vornherein
vielleicht gering erscheinenden Wahrscheinlichkeit, dennoch oft genug
eine Infection auch in der freien Natur herbeiführen, beweist das
relativ häufige Vorkonmien der T. anatina bei den Enten — und
doch werden nicht alle inficierten Cypriden von Enten gefressen 1
Dass übrigens die Verbreitung der Cysticerkoiden in Wirklichkeit
nicht so gering ist, wie man gewöhnlich glaubt, beweist u. a. die
5*
68 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
Thatsache, dass Mrazek in der Umgegend von Piibram unter den
dortigen Cyclopskrebsen sogar förmliche Finnenepidemien beobachtet
hat: 80 Prozent der von ihm eingefangenen und untersuchten Cyklopen
erwiesen sich als inficiert. Meist kommt die T. anatina bei den
Enten auch nicht einzeln vor, sondern fast immer in mehreren Ex-
emplaren, welche dann zumeist auch auf gleicher oder annähernd
gleicher Entwicklungsstufe stehen, was uns wiederum schliessen lässt,
dass vielleicht auch schon der Zwischenträger, die Cypris, mehrere
Finnen beherbergt und gleichzeitig zur Entwicklung bringt. Dies
wird auch durch die Befunde Mräzeks bestätigt, welcher in seinen
aus der freien Natur stammenden Cypriden meist mehrere (bis fünf)
Cysticerkoiden beisammen fand, noch augenfälliger aber durch meine
Experimente. Ich habe fast immer, allerdings nur im Sommer, die
Finnen in bedeutender Anzahl gefunden — nur im Winter in ein-
zelnen oder wenigen Exemplaren — : in extremen Fällen über
dreissig Stück beisammen, gewöhnlich aber zwischen zehn und
zwanzig Stück, was in Anbetracht der geringen Grösse des Muschel-
krebses doch ganz bedeutende Zahlen sind.
Nicht immer befanden sich übrigens die einzelnen Exemplare
der in einem Krebs gefundenen Finnen auf gleicher Entwicklungsstufe.
Die am weitesten entwickelten, event. reifen Individuen waren ge-
wöhnlich freilich in der Mehrzahl, daneben aber fanden sich fast
regelmässig noch weniger weit entwickelte, manchmal sogar ganz
junge Parasiten, Wenn Grassi und Rovelli für ihre Art (T. elliptica)
das Gegentheil behaupten^), so scheint das allerdings gegen meinen
Befund zu sprechen, aber es scheint nur so; denn in Wirklichkeit
sind auch den italienischen Beobachtern — und das stört die Klar-
heit ihrer Abhandlung ungemein — fast bei jedem ihrer „sieben
Stadien" Individuen untergelaufen, welche entweder in das vorige
oder auch in das spätere Stadium hinübergehören, von ihnen aber
über andere Stadien verteilt sind. Mag sich in unserm Falle diese
Verschiedenheit der Entwicklunghöhe teilweise auch durch eine etwas
verschiedene Zeit der Infektion erklären, so reicht doch diese An-
nahme zur Erklärung der beobachteten Thatsachen nicht aus. Auch
der grösste zeitliche Abstand, welchen ich auf Grund meiner Ex-
perimente zwischen der ersten und letzten Infektion hätte annehmen
können, entsprach nicht immer den Abständen, welche sich in der
Entwicklungshöhe der Individuen vorfanden. Vielleicht sind es die
verschieden günstigen Lagen- und dadurch bedingten verschiedenen
Raum- und Ernährungsverhältnisse innerhalb des Wirtsleibes, welche
eine verschiedene Schnelligkeit der Entwicklung bedingen. Ebenso
mag auch für die Zahl der Finnen, welche der Wirt zur Entwicklung
bringt, der Grad seines Wohlbefindens und seiner Wohlgenährtheit
bestimmend sein. Dies geht mit Evidenz schon daraus hervor, dass
während der kälteren Jahreszeit unter sonst gleichen Verhältnissen
durchweg weniger Eier von einem Tiere zur Entwicklung gebracht
1) L. c. p. 23.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 69
wurden. Aehnliche Verhältnisse finden wir ja auch bei den Wirten
der Blasenbandwürmer. Ein Umstand freilich wird bei diesen warm-
blütigen Wirten niemals mit dieser Auffälligkeit zur Beobachtung
kommen können, wie hier bei unserm wechselwarmen Krebse, nämhch
der ganz evidente Einfluss der Jahreszeit, also der Temperatur.
Während sich im Sommer der ganze Wachstumsprocess des Embryos
bis zum reifen Cysticerkoiden in zwei Wochen abspielt, verlangte
dieser selbe Process während des Spätherbstes über fünf Wochen,
also fast das Dreifache der ZeitI Die meisten der inficierten Tiere
gingen auch während dieser Zeit, spätestens nach vier Wochen zu
Grunde; nur ein einziges Tier konnte ich so lange erhalten, bis es
die Finne zur vollständigen Reife entwickelt hatte. Doch hat man
noch kein Recht, hieraus zu schliessen, dass die frühzeitig gestorbenen
Tiere direkt an dem „Finnenleiden" krepiert seien. Im Gegenteil
deuten alle Anzeichen darauf hin, dass die Wirte durch ihre Insassen
nicht alLzu stark afficiert werden. Anscheinend befinden sie sich
leidHch wohl, wofür ausser ihrer Munterkeit auch der Umstand zu
sprechen scheint, dass die Weibchen ihre Eier ganz ungestört zur
Reife bringen, was bei Cyclops, wie Mräzek angiebt und was auch
ich, allerdings nur auf Grund weniger Beobachtungen, bestätigen
kann, nicht der Fall ist. Freilich erklärt sich die Thatsache, dass
inficierte weibHche Cyklopen keine Eier haben, wahrscheinhch dadurch,
dass bei ihnen, die zum Teil ja noch kleiner sind als unsere Cypris,
die Cysticerkoiden gerade an Stelle der Eierstöcke zu liegen kommen.
Im übrigen konstatiert auch Mräzek von seinen Cyklopen und
Cypriden, dass diese sich ganz wohl befanden und sich lange im
Aquarium halten Hessen. Bei unserer Cypris liegen die Finnen meist
direkt über dem Darm, unmittelbar unter der Schale, nur von dieser
und der Epidermis überdeckt. Natürlich jedoch, dass sich die
Cysticerkoiden beim Vorhandensein einer grösseren Anzahl durch die
ganze Leibeshöhle verteilen und überall einzwängen. Niemals aber
sind sie, wie sich auf Schnitten und beim Freipräparieren zeigt, durch
eine vom Wirte aus gebildete Bindegewebshülle umschlossen ; sie liegen
stets vollständig frei im Tiere, und zwar, wie bemerkt, in der Rücken-
gegend, sodass sie beim Trennen der beiden Schalenhälften meist
von selbst herausfallen. Ganz unter den nämHchen äussern Ver-
hältnissen hat auch Mräzek seine Cysticerkoiden gefunden.
Wie die entwicklungsgeschichtliche Untersuchung naturgemäss fast
immer mit der Auffindung und dem Studium des ausgebildeten Tieres
beginnt, so wollen wir auch in unserer Darstellung der Entwicklungs-
geschichte, des allgemeineren Verständnisses wegen, von der Be-
schreibung des reifen Cysticerkoiden ausgehen. Auch historisch
haben sich unsere Kenntnisse wie in anderen Fällen, so auch hier,
in dieser Weise entwickelt. Hat doch, wie erwähnt, bereits Mräzek
den Cysticerkoiden unseres Bandwurms als ausgebildetes Tier gefunden,
beschrieben und abgebildet i). Seine Darstellung werden wir daher
in folgendem vergleichend heranziehen müssen.
0 L. c. Tafel 2.
70 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
Der Cysticerkoid von T. anatina gehört zu jenen geschwänzten
Formen, deren Zahl besonders durch neuere Funde beträchtlich ver-
mehrt ist und deren Aehnlichkeit mit den Cercarien der Trematoden
schon oft hervorgehoben worden ist. So wie wir ihn meistens im
Körper des Wirtes finden und wie ihn auch Mräzek abgebildet hat,
also im vollständig entwickelten Zustande, besteht er aus einem
ovalen oder auch elliptischen, nahezu kugeligen „Körper", welcher
in sich den Scolex, den „Kopf"^ des Bandwurms samt Hakenkranz
und Saugnäpfen, enthält, und aus dem Schwänze, welcher dem Körper
ansitzt wie der Stiel dem Apfel. Gleich diesem ist derselbe in eine
trichterförmige Vertiefung eingesenkt, durch welche er direkt in das
innere Parenchym des Körpers übergeht (Fig. A). Diesem hintern
vertieften Ende gegenüber, am vordem Körperpole, befindet sich eine
zweite ganz ähnliche Einsenkung, der „Blüte" des Apfels vergleichbar
— der Körper sieht unter dem Mikroskop in der That recht apfel-
ähnlich aus — eine Grube, welche jeder einigermassen mit den
Verhältnissen Vertraute sogleich als die ,, Einstülpungsstelle" deuten
wird. Mräzek sagt in seiner ersten Arbeit von dieser Stelle aus-
drücklich, dass sich hier der Körper eingestülpt habe, ,,um den Kopf
zu bilden." Die Breite des Cysticerkoidenkörpers beträgt 0,19 bis
0,20 mm, seine Länge 0,21 — 0,23 mm, sodass man die Tierchen eben
noch mit blossem Auge als feine Körnchen erkennen kann. Der
Schwanz ist 3V2— 4Mal länger als der Körper, also 0,70 -0,80 mm
lang; das ganze Tier misst demnach etwa 1mm. Mräzek, welcher
in den zwei verschiedenen Cyprisarten auch die Finnen von ver-
schiedener Grösse fand, giebt für die kleineren 0,25 mm als Durch-
messer und für die grösseren sogar 0,40 — 0,43 mm als Länge des
Körpers an. Schon diese Abweichungen zeigen deutlich, dass die
Grösse des Cysticerkoiden individuell und ausserordentlich variabel
ist und namentlich — wie dies noch deutUcher bei den Arten her-
vortritt, welche sowohl in den kleinen Cyklopen wie in dem grösseren
Gammarus schmarotzen — durch die Grössenverhältnisse des Wirts
und die Platzverhältnisse in demselben bedingt wird. Ebenso vari-
abel, darum auch nebensächlicher sind einige andere Charaktere,
denen Mräzek allerdings durchweg eine grosse Wichtigkeit beüegt,
die er mit grösster Peinlichkeit und Ausführlichkeit registriert und
denen wir deshalb noch einige Aufmerksamkeit schenken müssen.
Die Farbe des Cysticerkoiden, welche in der Regel, von der wasser-
hellen, völHg durchsichtigen Cuticula des Körpers abgesehen, gelblich
in wechselnden Schattierungen ist, hält er für so wichtig, dass er sie
in dem Resume, welches seiner sonst czechisch geschriebenen Ab-
handlung beigefügt ist, als wesentliches Artenmerkmal ausführlich
beschreibt 1). Es ist klar, dass wir in diesen abweichenden Färbungen
^) L. c. p. 128: La couche peripherique d'ailleui's hyaline (= unsere Cuti-
cula) est dans cette espece dune couleur rouge-jaune, de meme comme l'appen-
dice caudal. Le corps qui reste outre les quatre ventouses, qui sont d'une
couleur brune, est päle-jaunätre.
uiitl der anatomische Bau der Taeiiia anatina (Krabbe). 71
(der rotgelben Farbe der Cuticula und des Schwanzes, welcher sonst
weisslich aussieht) lediglieh eine zufällige Modification, vielleicht
durch die jeweilige Nahrung des Wirtes verursacht, vor uns haben.
Nichtsdestoweniger ist Mräzek geneigt, die Farbe nicht blos als
wesentlichen Artunterschied zu betrachten, sondern ihr sogar eine
,, phylogenetische Bedeutung" beizumessen. Ebenso sieht er die etwas
vieleckige, weniger gerundete Form der Cysticerkoiden von T. coronula
als das siclierste Kennzeichen und Unterscheidungsmerkmal dieser
Art an, was sie aber scliwerlich ist, da ich auch bei den Cysticer-
koiden von T. anatina nicht bloss Formen von verschiedener Rundung
(der grösste Durchmesser bald mehr in der Mitte, bald mehr dem
hintern Ende zu gelegen), sondern auch entschieden „vieleckige" u.
,,buckHge" Individuen beobachtet habe, deren Gestaltänderung durch
Aveiter nichts verursacht war, als durch Konzentrationsänderungen
der umgebenden Flüssigkeit (es wurde meist physiologische Kochsalz-
lösung verwendet), welche die Cysticerkoiden zu Kontraktionen reizten.
Vielleicht sind auch die Formen, denen er als wesentliches Merkmal
die Abplattung zuschreibt (deren Querschnitt nicht einen Kreis,
sondern eine sehr flache Ellipse bildet — T. fasciata Krabbe), nur
als individuelle Abweichungen zu betrachten oder noch wahrscheinlicher
durch den Druck des Deckgläschens oder ähnliche Umstände zu er-
klären. Auch der Lage und den räumlichen Anforderungen des
Kopfes, welcher, wie Mräzek bei andern Cysticerkoiden richtig be-
merkte, den Innenraum manchmal vollständig ausfüllt, manchmal
auch nicht, so dass innerhalb des Körpers ein freier Spaltraum übrig
bleibt, misst unser Autor eine gewisse Bedeutung bei, indem er daran
die Vermutung knüpft, dass diejenigen Tiere, deren Kopf den Innen-
raum vollständig ausfüllt, älter und weiter entwickelt seien als die
andern. Gerade betreffs dieses Punktes werden wir später sehen,
wie nebensächhch und zufällig diese Verschiedenheiten und wie völlig
irrig besonders diese Deutungsversuche sind. Nur die Entwicklungs-
geschichte kann uns zeigen, welche Eigenschaften die wesentlichen
und stabilen, welche die nebensächlichen und variabeln sind. Aber
die Entwicklungsgeschichte blieb Mräzek unbekannt.
Wichtiger für uns, da sie uns Aufschluss über das Wesen des
Cysticerkoidenkörpers versprechen, sind die verschiedenen Schichten,
aus denen diese tierische Kapsel zusammengesetzt erscheint und
welche auch Mräzek ausführhch beschreibt, allerdings ohne sie
richtig zu deuten. Soviel haben wir bereits gesehen, dass wir an
dem Körper zwei Teile unterscheiden müssen: den Scolex im Innern
und die ihn umgebende Cyste. Vier Schichten sind es, welche die
Wand derselben bilden. Die äussere ist die schon erwähnte glashelle,
völlig durchsichtige und darum fast unsichtbare Cuticula. Sie besitzt
eine verhältnismässig ziemlich beträchtliche Dicke (0,007 — 0,008 mm,
Mräzek giebt 0,013 mm an), ist aber ohne Porenkanäle. Sie ist
dieselbe Schicht, welche Mräzek in seinem bereits angezogenen
Resume die ,, peripherische, sonst hyaline" Schicht nennt, welche bei
unserer Species aber rotgelb gefärbt sei. Die Deutung als Cuticula,
72 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
welche sich schon bei von Linstow findet, weist er aber aus-
drücklich zurück. Erst die darauf folgende Schicht (Fig. A, Rm.),
welche, wie auch Mräzek gesehen hat, eine deutliche radiäre
Strichelung zeigt, die sich bei richtiger Einstellung des Tubus über
den ganzen Körper des Cysticerkoiden als feine, ringförmige Strichelung
verfolgen lässt — sie hält er für die Cuticula. Und eben diese
radiäre Strichelung und ringförmige Streifung ist es, auf die er seine
Auffassung stützt: sie sind nach ihm die — Porenkanäle der Cuticula,
welche reihenweise angeordnet seien. Das ist jedoch unzweifelhaft
falsch — Ringmuskelfasern sind es, aus welchen diese zweite Schicht
besteht. Ihre Lichtbrechung, welche das glänzende, schillernde Aus-
sehen bedingt und welche wir später auch bei andern Muskelbildungen
des Cysticerkoiden wiederfinden werden, zeigt das deutlich. Auch
V. Linstow habe, wie Mräzek polemisierend bemerkt, Muskelfasern
in ihnen vermutet, doch hätten derartige Ringmuskelfasern an dieser
Stelle physiologisch gar keinen Sinn. Dass sie aber doch einen Sinn
haben, wird uns späterhin einleuchten. Auf diese Ringmuskelschicht
folgt nun die dritte Schicht: eine Lage dichten, soliden Parenchyms,
aus dicht zusammengedrängten Zellen bestehend, deren Umrisse sich
kaum noch erkennen lassen. Dieselbe ist nicht überall von gleicher
Dicke — am dicksten gewöhnlich am hintern Ende, wo der Schwanz
aus ihr entspringt; nach innen ist sie gewöhnlich von einem dünnen
Faserzuge begrenzt (Fig. A, P). Endlich folgt noch als vierte Schicht
eine wohlcharakterisierte Lage weniger dichten, lockeren Parenchyms
(Fig.A, H), welche besonders dadurch gekennzeichnet ist, dass in ihr
eine ziemlich grosse Menge (30—40) Kalkkörperchen (0,005 — 0,009 mm
im Durchmesser) regellos verstreut liegen. Auch diese Schicht ist
nicht an allen Stellen gleich dick, gewöhnlich wiederum am hintern
Ende am dicksten.
Dort geht sie nach innen zu in den Scolex über, welcher, in
aufrechter, aber meist schräger Haltung, etwas nach links oder rechts
geneigt, den Innenraum ganz oder auch nur teilweise ausfüllt, welcher
geringfügige Unterschied sich uns später von selbst erklären wird.
Er ist also nicht eingestülpt, sondern in normaler, aufrechter Haltung,
wie schon aus dem Umstände hervorgeht, dass er sich von unten
aus in den Cystenhohlraum erhebt — in derselben Haltung, wie wir
sie zuerst von den Cysticerkoiden aus Arion und aus dem Mehlkäfer ^)
kennen gelernt haben. Was uns am Scolex zuerst in die Augen
fällt, ist der mächtige Hakenkranz, bestehend aus zehn in einfacher
Reihe geordneten, wohlgebildeten Haken von verhältnismässig be-
deutender Grösse. Sie sind es vor allem, welche uns — wenn es
nicht schon die Art der verfütterten Eier selbstverständlich machte
— den Cysticerkoiden sofort als zur T. anatina gehörig erkennen
lassen 2). Ihre Spitzen sind nach hinten gerichtet, die hintern, längeren
Wurzelfortsätze einem gemeinschaftlichen Centrum zugeneigt, wodurch
^) Leuckart, Parasiten des Menschen, p. 419 u. 459,
^) Krahbe, 1. c. Fig. 114, 115.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 73
dieser hakentragende Teil des Scolex die Gestalt eines abgestumpften
Kegels erhält. Die Form der Haken ist im Krabbe' sehen Werk
definitiv niedergelegt. Die Grösse fand ich, übereinstimmend mit
Mräzek, 0,065 mm, Krabbe giebt 0,065— 0,072 mm an — möglich,
sogar wahrscheinlich, dass die Haken späterhin, in der Ente, noch
neue Schichten ansetzen, wie dies auch von andern Bandwürmern,
besonders von T. echinococcus ^), bekannt ist. Zu beiden Seiten der
Haken liegen zwei dicke, etwa 0,1 mm lange und halb so breite
längHch runde Wülste von dunklerer Färbung, welche, wie man bei
genauerem Zusehn und richtiger Einstellung erkennt, von einer
dunklen, äusserst feinen und dichten, reihigen Punktierung der Ober-
fläche hervorgerufen ist. Diese Wülste sind selbstverständlich die
Saugnäpfe , natürlich \ier an der Zahl, zwischen denen der haken-
tragende Teil des Scolex mitten inne liegt. Sie sind ebenfalls in
ihrer gewöhnlichen Haltung, nicht eingestülpt, geradeso wie bei dem
Cysticerkoiden aus Arion. Worauf freilich die oben erwähnte feine
Zeichnung der Oberfläche, welche auch Mräzek gesehen, aber höchst
ungenau abgebildet hat, zurückzuführen ist, lässt sich zunächst, so-
lange die Saugnäpfe von den vier beschriebenen, wenn auch ziemlich
durchsichtig'en Schichten überdeckt sind, unmöglich entscheiden und
ist infolgedessen auch von Mräzek nicht erkannt worden. Ein
Gebilde jedoch, welches ebenfalls zum Scolex gehört und sogar einen
sehr wesentlichen Teil desselben ausmacht, hat Mräzek überhaupt
nicht gesehen oder nicht erkannt: den Rostellarsack (Fig. A, R). Es
ist dies um so unbegreiflicher, als Mräzek bei T. fasciata das
nämliche Organ in vollster Deutlichkeit gesehen und gezeichnet hat,
sich auch in seiner Zeichnung unseres Cysticerkoiden unterhalb des
Hakenkranzes insofern eine Andeutung desselben vorfindet, als daselbst
das Gewebe stellenweise durch kleine Ringe und Punkte markiert
und abgegrenzt ist. Freilich findet sich weder im Texte, noch in
der Abbildung selbst ein Hinweis darauf. Eben dieser unterhalb des
Hakenkranzes befindliche, durch eine Membran deutlich abgegrenzte,
oftmals etwas flach gedrückte Sack, welcher in seinem Innern stark
glänzende Tröpfchen und Körnchen (Mräzek s Ringe und Punkte)
und auch Zellen enthält, ist der Rostellarsack. Bei T. fasciata, in
der Mräzek das Rostellum erkannt hat, erklärte derselbe diese fett-
artig glänzenden Körperchen im Innern für eine kleinere Sorte von
Kalkkörperchen ; sie sind aber, schon nach ihrer Lichtbrechung,
welche genau dieselbe ist wie z. B. die der Radiärstreifen in der
Ringmuskelschicht der Cyste, sowie auf Grund verschiedener That-
sachen, welche später noch hinzukommen werden, nichts anderes als
Plasmakörner, wie wir ähnlichen auch schon im Ei begegnet sind.
Auch das Excretionsgefässsystem mit seinen Längskanälen und
seinem Verbindungsring lässt sich, wenn auch nicht bei allen
Individuen gleich deutlich, bei genauerer Betrachtung im Innern
des Scolex erkennen und ist auch von Mräzek abgebildet worden.
1) Leuckart, 1 c. S. 736.
7-4: Johannes Emil Schmidt: Die Entvvicklnngsgeschichte
Der Gefässring liegt in der Höhe des Hakenkranzes und umgiebt
denselben, so dass der hakentragende Teil des Scolex durch den
Gefässring durchgesteckt erscheint (Fig. A, Ex). Natürlich ist infolge-
dessen nur die vordere Hälfte des Ringes deutlich sichtbar, die
hintere durch die Haken verdeckt, ebenso wie meist auch nur die
zwei vordem vom Verbindungsring sich abzweigenden Längsstämme
mit grösserer Deutlichkeit zur Beobachtung kommen. Dieselben
lassen sich bei den verschiedenen Individuen mehr oder weniger
weit verfolgen; sie verlaufen in zwei Windungen nach unten, dem
Schwänze zu, und verheren sich dann in der kalkkörperführenden
Parenchymschicht, aus welcher sich der Scolex erhebt.
Der Schwanz endlich, dessen Länge (0,70—0,80 mm) und
Ursprungstelle, die dritte, dichte Parenchymschicht (Fig. A), wir
schon kennen, ist im grossen und ganzen von cylindrischer Form.
Seine äussern Konturen sind zwar nicht sehr regelmässig, voller
Buckel und Einschnürungen, doch besitzt er in ganzer Länge
wesentlich immer den gleichen Durchmesser von 0,025 — 0,030 mm.
Ausgenommen ist nur die Ursprungsstelle, an der er sich beim
Uebertritt in die Vertiefung des Körpers halsartig verengt, und sein
Ende, welches häufig etwas knotig verdickt erscheint. Besonders
interessant und bedeutungsvoll wird er dem Beschauer dadurch, dass
auf seiner Oberfläche fast immer die sechs Embryonalhäkchen, die
man mit einigen Bemühungen fast immer in ihrer vollen Zahl nach-
weisen kann, sichtbar sind, wie das ja auch von den übrigen ge-
schwänzten Formen allgemein bekannt ist. Ihre Lage ist sehr
variabel: in den meisten Fällen finden sie sich auf dem hintern
Ende des Schwanzes verstreut, gewöhnlich aber noch pa.arweise bei-
sammen, öfters auch über seine ganze Länge verteilt, ein Paar vorn,
der Ursprungsstelle nahe, das andere im mittleren Teile, das dritte
hinten (Fig. B), oder auch zwei Paar hinten, eins vorn u. s. w. ; in
einzelnen Fällen fand sich sogar das eine Paar überhaupt nicht
mehr auf dem Schwänze, sondern auf dem hintern Teile des Körpers,
eine Thatsache, die besonders hervorgehoben werden soll. Fast noch
merkwürdiger und, wie wir später einsehen werden, sogar von ausschlag-
gebender Bedeutung für die Auffassung der Finnenentwicklung im
allgemeinen ist der Umstand, dass das hintere, oft wulstig verdickte
Ende des Schwanzes ganz konstant, ohne Ausnahme, eine kurze
röhrige Einsenkung zeigt, was noch von keinem der Forscher, welche
geschwänzte Cysticerkoiden gesehen und beschrieben haben, bemerkt
worden ist, wiewohl mit grösster Wahrscheinlichkeit, ja mit Sicher-
heit anzunehmen ist, dass sich diese Erscheinung auch bei den
verwandten Cysticerkoiden finden wird. Dass sie bisher übersehen
wurde, ist um so leichter erklärlich, als man meist geneigt sein
wird, über diesen Schwanzanhang, der nach Aussehen und histologischer
Struktur ganz deutlich das Zeichen des Verfalls und der physio-
logischen Bedeutungslosigkeit zur Schau trägt, bei der Untersuchung
etwas rascher wegzugehen, und sein äusserstes Ende vielleicht gerade
am allerwenigsten einer schärferen Untersuchung für wert hält, wie
und der aiiatomisclie Bau der Taenia auatina (Krabbe). 75
solche zum Erkennen der fraglichen Einröhrung allerdings nötig ist.
Auch ich muss bekennen, dass Herr Geheimrat Leuckart es war,
welcher mich zuerst auf das konstante Vorhandensein dieser Ver-
tiefung aufmerksam machte. Dass die histologische Struktur dieses
Schwanzes sehr wenig markant und sehr veränderlich ist, wurde
bereits angedeutet. Das Gewebe, aus welchem er besteht, ist ausser-
ordentlich zart, locker und lose. Schon der geringste Druck macht
die innern hellen, blasigen, teilweise ziemlich grossen Zellen hervor-
treten, in welchem Falle man dann in ihnen mit besonderer
Deutlichkeit einen ziemlich grossen, bläschenartigen Kern erkennen
kann. Auch fettartig glänzende Tropfen kommen zeitweilig in dem
Gewebe vor. Häufig ist der Schwanz auch nicht durchaus solide,
sondern im Innern von einem unregelmässigen, bald engeren, bald
weiteren, längeren oder kürzeren Hohlraum durchsetzt, welcher selbst
wieder stellenweise ein schleimiges Netzwerk oder auch grossblasige
Zellen enthält. Nur die peripherische Schicht ist gewöhnlich, doch
auch sie nicht immer, etwas solider und kompakter; eine bestimmte
histologische Prägung fehlt ihm aber gänzlich, weshalb auch die
älteren Angaben über ihn unbestimmt und schwankend sind. Schon
durch diese histologische Beschaffenheit kennzeichnet er sich als ein
rudimentäres Organ. Auch die Verwendung, welche er bei einigen
andern Cysticerkoiden (so namentlich bei dem ältestbekannten
Cjsticerkoiden aus Tenebrio mohtor und dem von T. sinuosa aus
Gammarus^)) dadurch findet, dass er sich als äusserste Körperhülle
rings um den Körper herum legt und so zum Schutze dient, lässt
sich bei unserer Form nicht konstatieren. Er liegt im Körper seines
Wirtes, wo eben Platz für ihn ist, oft in dessen Eingeweiden ver-
strickt. Seine Beweglichkeit hat er noch nicht vollständig ein-
gebüsst; man sieht ihn unter dem Mikroskop sich krümmen, zusammen-
ziehen und wieder ausstrecken. Weiter lässt sich vorläufig an ihm
sowohl, wie auch sonst an dem übrigen Körper nichts Wesentliches
entdecken. Erst die Verfolgung der Entwicklungsgeschichte wird zu
diesem noch manches hinzufügen, was sich jetzt unserer Auf-
merksamkeit begreiflicher Weise noch entzieht und sich auch früheren
Beobachtern entzogen hat.
Wer dieses sonderbare Ding von einem Tiere zum ersten Male
und bloss in dieser Form sieht, dem dürfte es gewiss schwer werden,
sich eine richtige Vorstellung darüber zu machen. Sthon um ein
gut Teil verständlicher jedoch wird uns Wesen und Bau des Tieres
werden, wenn wir es ausgestreckt, in seiner ganzen Länge be-
trachten; denn dass der „Kopf" unseres Tieres aus der Körper-
wandung heraustreten kann, dass also das Tier in der beschriebenen
Form ein in sich eingestülptes Wesen darstellt, ist ja bekannt und
wurde auch bereits angedeutet, als wir von der sogenannten „Ein-
stülpungsstelle" sprachen. Nicht vielen, welche Cysticerkoiden ge-
funden und beschrieben haben, ist es geglückt, die Tiere auch in
1) Nach Hamann, 1. c. Band 24, Tafel 1.
76 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
dieser Form kennen zu lernen. Auch Mrc4zek fand unsern Cysti-
cerkoiden nur in eingezogenem Zustande, woraus es auch begreiflich
wird, dass er die innere kalkkörperführende Schicht als eigentliche
Cystenwand in Anspruch nehmen konnte.
Schon bei meinem ersten Funde war ich so glücklich, Exemplare
zu finden, deren Scolex aus der Cyste, wie wir die äussere Umhüllung
des Körpers fürder nennen wollen, herausgestreckt war und sich
sogar unter meinen Augen in den Körper zurückzog, event. auch
wieder ausstreckte. Im ausgestreckten Zustande haben wir an Stelle
des früher kugeligen Parasiten ein ausserordentlich schmächtiges,
merkwürdiges Wesen vor uns, das fast die doppelte Länge misst,
also ziemlich 2 mm lang ist (Fig. B). Beim Anblick desselben wird
uns mit einem Male auch klar, wie wir uns das zusammengezogene
Thier zu denken haben. Die uns schon bekannte Cyste, welche
jetzt leer ist, setzt sich, wie das Leuckart auch von dem hervor-
gestreckten Cysticercus arionis zeichnet i), in einen ziemlich (0,18 bis
0,20 mm) langen, cylindrischen Leib fort (0,06 mm im Durchmesser),
welcher die uns wohlbekannten Kalkkörperchen enthält und welchen
wir, besonders in Rücksicht darauf, dass er den ,,Kopf" trägt, ferner-
hin als ,,Hals" bezeichnen wollen. An manchen Individuen kann
man deutlich bemerken, dass sich der innere Hohlraum der Cyste
in Form eines Spaltes mehr oder weniger tief auch in den ,,Hals"
hinein fortsetzt. Weiter nach vorn folgt auf den Hals ein breiterer
Abschnitt, welcher an Breite sogar dem ehemaligen ,, Körper", der
jetzigen „Cyste" gleich kommt und sich infolgedessen scharf von dem
schmäleren, kalkkörperführenden Halse absetzt. Zwei dicke Backen
treten nach den Seiten hervor, an deren Form und charakteristischer
Oberfläche wir sofort die Saugnäpfe wiedererkennen, und wir sehen
jetzt auch, woher die früher bemerkte feine Zeichnung ihrer Ober-
fläche rührt. Dieselbe trägt nämlich einen ausserordentlich dichten
Besatz mikroskopischer Häkchen, deren Bedeutung im Hinblick auf
die Bestimmung der Saugnäpfe ohne weiteres klar ist. Sie sind
Kutikularbildungen, wie sie ähnlich ja nicht selten bei den Tänien
vorkommen und auch in den grossen Haken des Hakenkranzes ihre
Analoga haben. An die Saugnäpfe schliesst sich nun aber nicht un-
mittelbar der Hakenkranz an, sondern es folgt erst, ebenfalls durch
seine gering6*'e Breite scharf von den Saugnäpfen abgesetzt, ein
zweiter, etwas kürzerer halsartiger Abschnitt, der das Rostellum in
sich einschliesst und den wir als Nacken oder Hinterkopf bezeichnen
wollen, und auf diesen endUch der Hakenteil des Scolex, der ,,Kopf"
im engeren Sinne. Wie bei vielen Tänien zeigt derselbe auch hier
an seiner Spitze, zwischen den vorderen Enden der Wurzelfortsätze,
eine flache Vorwölbung, welche sich, wie man oftmals bemerkt, zurück-
ziehen, aber auch noch weiter vorwölben kann, sodass im ersteren
Falle zwischen den Haken eine Eintiefung, im letztern eine knopf-
artige Erhebung bemerkbar wird. Wir bezeichnen diesen vordersten
1) A. a. 0. S. 459.
und der aiiatomiscbe Bau der Taeiiia anatma (Krabbe). 77
Teil des Kopfes mit dem dafür gebräuchlichen Namen als „Scheitel"
(Fig. B, S). Da, wo der vordere halsartige Abschnitt zwischen den
Saugnäpfen hervortritt, also ein beträchliches Stück noch hinter dem
Hakenkranze, liegt der Gefässring des Excretionsapparates, von dem
man jetzt noch deutlicher wie vorher die vier Längskanäle sich ab-
zweigen sieht (Fig. B, Ex). Während wir dieselben früher aber nur
eine kurze Strecke weit verfolgen konnten, sehen wir sie jetzt durch
den ganzen Hals sich hindurchschlängeln und sogar in die Cysten-
wandung übertreten, wo sie sich am hintern Ende einander nähern
und schliesslich verschwinden. Keine Ausmündungsstelle, keine End-
blase, die man doch vermuten sollte, lässt sich hier am hintern Ende
der Cyste erkennen, wiewohl andere, so Grassi und Rovelli^),
solche bei derartigen geschwänzten Formen daselbst gesehen haben
wollen. In Wirklichkeit aber ist keine Spur davon vorhanden, und
es bleibt uns vorläufig unbekannt, wo und wie der Excretionsapparat
unseres Tieres endigt. Auf den Excretionsgefässring folgt weiter
nach vorn im Innern des halsartigen Fortsatzes, dessen Länge
0,12 mm beträgt, der Rostellumsack (Fig. B, Rst.), welcher also
zwischen und unter dem Hakenkranz gelegen ist und hier beim aus-
gestreckten Tiere gewöhnlich auch etwas länger erscheint. Recht
schön kann man manchmal bemerken, wie der kontraktile Bulbus
sich verlängert und verschmälert, verkürzt und verbreitert und wie
dabei sein glänzender Inhalt vor und zurückfliesst. Die äussere Be-
grenzung des Sackes ist noch sehr schwach und völlig strukturlos.
Ringfasern sind auch bei genauestem Zusehn nicht an ihm bemerkbar,
wohl aber im Innern deutHche Längsstränge und, besonders im
Grunde des Sackes, neben den schon genannten stark lichtbrechenden
Körnchen und Tröpfchen, den Kalkkörperchen Mräzeks, Zellen mit
deutlichen Kernen. Um eine richtige Einsicht in den Bau des
Rostellums zu gewinnen, wendet man sich am besten zunächst an
den ausgebildeten Bandwurm. Bei diesem aber unterscheidet man
deutlich zwei Rostellarsäcke, einen vorderen kleineren, welcher inner-
und unmittelbar unterhalb des Hakenkranzes gelegen ist, und einen
hinteren längeren, welcher als Fortsetzung des Hinterkopfes in Form
eines langen muskulösen Schlauches zwischen den Saugnäpfen des
Wurmes in den Hals hineinragt und den vordem in sich einschliesst,
wie dies ähnlich ja auch bei T. undulata der Nachtigall der Fall ist 2).
Der hintere Rostellarsack ist seinem Baue nach, wie wir später noch
genauer sehen werden, nur eine Wiederholung des vordem in ver-
grössertem Massstabe. Beide Rostellarsäcke erscheinen durch regel-
mässig aufeinanderfolgende Einschnürungen ihrer stark muskulösen
Wandung, besonders am hintern Ende, in viele ringartige Segmente
gegliedert. Im Innern kann man bei genauerm Zusehen schon auf
Totalpräparaten (auf Schnitten selbstverständhch in allen Einzelheiten)
1) L. c. p. 18, Tafel 1, Fig. 10, 12.
-) Leuckart, 1. c. p. 498, vergl. auch Nitsche, Zeitschr f. wissensch. Zoologie,
XXm. Band, p. 190.
78 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgescliichte
ziemlich starke Längszü^e, Längsnmskeln erkennen, welche um die
ganze Peripherie regelmässig verteilt sind. Das Vorhandensein eines
äussern Rostellarsackes bei der ausgebildeten Tänie erklärt uns nun
auch in unserm Cysticerkoiden ein Gebilde, dessen Bedeutung ohne
den Vergleich mit der Tänie selbst nicht ohne weiteres verständlich
wäre. Bei etwas näherer Untersuchung des ausgestreckten Cysticer-
koiden fällt uns nämlich im Innern zwischen den Saugnäpfen ein
heller, strukturloser bogenförmiger Strang auf (Fig. B, h. R)^), welcher
sich, nach dem Grunde zu etwas dicker werdend, von der Grenze
zwischen Saugnäpfen und Nacken aus nach hinten ins Innere hinein-
biegt und ganz offenbar nichts anderes ist, als der optiche Durch-
schnitt eben des hintern Rostellarsackes, welcher ins Innere zwischen
die Saugnäpfe hineinhängt. Gelegentlich, besonders in einer Haltung,
die wir gleich genauer kennen lernen werden, nämlich wenn der
Kopf zwischen die Saugnäpfe zurückgezogen ist, kann man auch
sogar innerhalb dieses hinteren, noch ziemlich weiten Rostellumsackes
eine fliessende Auf- und i\.bwärtsbewegung weniger in ihm be-
findlicher Zellen bemerken, welche zugleich mit den Kontraktions-
bewegungen des vordem Rostellums erfolgt. Bedeutung und Wirkungs-
art des Rostellums sind durch Leuckart ja längst klar gestellt
worden^), sodass es überflüssig ist, an dieser Stelle darauf ein-
zugehen.
Sechs Abschnitte also sind es, welche wir an unserm aus-
gestreckten Cysticerkoiden zu unterscheiden haben: Kopf — worunter
wir also bloss den hakentragenden Teil: Haken})olster mit Haken
und Scheitel verstehen wollen — Nacken oder Hinterkopf mit
Rostellum, Saugnäpfe, Hals, Cyste und Sclnvanz. Die vordem vier
Abschnitte, sonst wohl auch im weitern Sinne „Kopf" genannt,
wollen wir, der besseren Unterscheidung und Deutlichkeit wegen, in
ihrer Gesamtheit als Scolex bezeichnen, sodass wir nun die wichtigsten
Termini, scharf begrenzt, beisammen haben.
Es wird nun ein Leichtes sein, beide Formen, das ausgestreckte
und das eingezogene Tier, aufeinander zurückzuführen und dadurch
zugleich ein besseres Verständnis unserer eingekapselten Ausgangs-
form zu gewinnen. Schon während der Betrachtung des ausgestreckten
Tieres zeigte es sich, dass das, was wir an dem Tiere als die vierte,
kalkkörperführende Schicht bezeichnet haben, eigentlich nicht mehr
zur Cystenwand gehört (was ja Mräzek ehedem glaubte), sondern
dass sie in Wirklichkeit, wie das schon von Leuckart für den
Cysticercus limacis richtig erkannt ward, den Hals des Cysticerkoiden
darstellt. Ausser ihr findet sich ja doch kein Körpertheil weiter,
welcher Kalkkörper enthält. Nur zwischen den Saugnäpfen bemerkt
man gelegentlich einige wenige Kalkkörperchen, niemals aber in der
^) Auch bei einzehien eingekapselten Tieren war derselbe sichtbar, siehe
Fig. A, h.R.
-) Leuckart, 1. c. p. 496 ff. und die daselbst sowie auch von Nitsche (1. c.)
citierte Stelle : Leuckart, Blaseubandwürmer, p. 63 Aura.
und der anatomische Bau dei' Taenia anatina (Krabbe). 79
leeren Cyste, obgleich diese sonst die übrigen drei Schichten deutlich
zeigt. Die dritte, also jetzt innerste, welche wir als eine Schicht
festen, kompakten Parenchyms kennen lernten, besteht, wie sich
jetzt zeigt, aus einem lockeren Gewebe, welches den peripherischen
Teil des Cystenhohlraums bildet, während der centrale Teil entweder
von einem grossmaschigen Flechtwerk schleimiger Stränge durchsetzt
oder, was auch nicht selten vorkommt, von einer, glänzende Körnchen
enthaltenden, Schleimmasse erfüllt wird. Das ursprünglich lockere
Cystengevvebe war also durch den Druck des umfänglichen, ein-
gezogenen Scolex zusammengepresst worden. Erscheint es doch
von vornherein überhaupt kaum glaublich, dass der lange Scolex in
der kleinen Kapsel genügend Platz finden könne. Und wir sehen
gleich, dass dies überhaupt nur dadurch möglich wird, dass
sich der Kopf samt Nacken selbst erst wieder, durch den
Gefässring hindurch, zwischen die Saugnäpfe einsenkt. Natürlich
bleibt infolgedessen von dem Nacken beim eingekapselten Tiere
keine Spur mehr sichtbar, das Rostellum ausgenommen, welches,
gewöhnlich etwas verkürzt, direkt über den Hals zu liegen kommt.
Dieser selbst, welcher ja den ganzen Scolex als Hohlkugel umhüllt,
hat sich nach innen eingeschlagen, wodurch natürlich seine frühere
äussere Begrenzung, eine dünne Kutikularschicht, nach innen, die
innere nach aussen zu liegen kommt. Dies aber setzt voraus, dass
der Hals nicht bloss sehr dehnbar, sondern vor allem im Innern hohl
sein muss, welche Vermutung ja auch wirklich durch die bereits
erwähnte Beobachtung bestätigt wird, dass sich der Cystenhohlraum
beim ausgestreckten Tier als Spalt in den Hals hinein fo]-tsetzt.
Jetzt erst können wir uns ein richtiges Bild von der wirklichen
Beschaftenheit der erstbeschriebenen Tierform und den ihr zu Grunde
liegenden tektonischen Verhältnissen machen. Die Kalkkörperschicht
ist die direkte Fortsetzung der parenchymatösen Cystenwand, und
zwar als eine Einbiegung oder Einsackung derselben aufzufassen.
Histologisch ist sie nur durch den Besitz der Kalkkörper unterschieden;
beid'^ bestehen sie ursprünglich aus demselben lockeren, weichen
Parenchym. Die eigentliche parenchymatöse Cystenwand biegt sich
also am Vorderende, an der „Einstülpungsstelle", bis wohin sie noch
von der dicken Kutikula bekleidet ist, nach innen ein und senkt
sich als Kalkkörperschicht, fest sich anpressend, — hieraus erklärt
sich die dünne Faserlage zwischen beiden Schichten — bis zum
Grunde hinab. Am Grunde erhebt sich die Einsackung wieder, die
frühere Innenseite natürlich wieder nach aussen kehrend, und führt
in die Saugnäpfe über, und an diesen wiederholt sich von ihrem
Rande an, welcher gewöhnlich Hppenartig aufgebogen ist und sonach
gewissermassen eine zweite Einstülpungsstelle repräsentirt, derselbe
Prozess von neuem : die auf die Saugnäpfe folgende Körperwandung,
also der Hinterkopf (welcher demnach auch, wie der Hals, hohl,
röhrig sein muss), senkt sich daselbst zwischen die Saugnäpfe und
erhebt sich wieder ganz wie vorhin, indem er dabei in den aufrechten
Kopf übergeht. Und selbst dieser hat, wie mr wissen, an seiner
80 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
Spitze noch eine Einsenkung, beziehentlich Vorwölbung, welche man
den vorgenannten Einsenkungen und Vorwölbungen event. als dritte
an die Seite stellen könnte. So sehen wir, dass sich im Innern des
Cysticerkoidenkörpers ein und derselbe Einsenkungs- und Erhebungs-
prozess zwei, ja dreimal wiederholt. Ein Querschnitt durch die
Mitte dieses Körpers müsste uns also fünf, und wenn der Scheitel
getroffen ist, sogar sechs konzentrische Ringe zeigen, welche sich
auf Schnitten in der That auch vorfinden: von aussen nach innen
folgen auf einander die dreischichtige Cystenwand, der Hals, die
Saugnäpfe — natürlich der dickste aller Ringe — , die Nackenwand,
der Durchschnitt des Hakenkranzes und event. als Centrum eine
kleine Scheibe, der Scheitel I
Wie aber geht dieser, offenbar ziemlich komplizierte, Ein-
ziehungs- und Ausstreckungsprozess vor sich? Er zerfällt
augenscheinlich in zwei Akte, der eine die Zurückziehung des Kopfes
und Nackens zwischen die Saugnäpfe, der andere die Einziehung
des Halses in die Cyste oder beides, beim Ausstrecken, in Um-
kehrung. Je nach der zeitlichen Aufeinanderfolge und der Art und
Weise des einzelnen Vorganges würde es mehrere Möglichkeiten für
den Übergang der einen Form in die andere geben, die wir hier
nicht einzeln aufzuzählen brauchen. Sicherlich hat unter den ver-
schiedenen Möghchkeiten nur diejenige statt, welche für das Tier
die leichteste und bequemste ist und dem Baue des Tieres entspricht.
Noch niemand jedoch hat den Verlauf des Prozesses genau beobachtet;
aus leicht begreiflichen Gründen musste man sich immer damit
begnügen — wie wir das vorläufig ja auch gethan haben — , aus
der Beschaffenheit beider Formen vor und nach dem Prozesse, auf
den Prozess selbst zu schliessen, und so hat man denn diesen
Vorgang, ihn als identisch mit der Einröhrung des Kopfzapfens bei
den Blasenwürmern fassend, gewöhnlich als „Einstülpung", „Inva-
gination", manchmal auch als „Einsackung" oder „Einkrempelung"
bezeichnet, ohne wohl mit diesen Ausdrücken den Hergang in seinen
Einzelheiten bestimmt charakterisieren zu wollen. Wie schon er-
wähnt, ist mir aber dieser Ausstreckungs- und Einziehungsakt, wie
wir jetzt noch allgemein sagen wollen, einige Male deuthch zur
Beobachtung gekommen, die Ausstreckung freilich selten, mehrmals
jedoch die Einziehung, und sie ist es auch, an welcher uns der
komplizierte Vorgang am klarsten werden wird.
Die Einziehung beginnt am vordem Körperende mit der
Zurückziehung des Kopfes zwischen die Saugnäpfe, dann folgt der-
selbe Vorgang weiter hinten am Halse. Der erste Prozess, die
Zurückziehung des Kopfes zwischen die Saugnäpfe, geschieht aber,
genau genommen, selbst wieder in zwei Stufen. Er erfolgt nämlich
in der Weise, dass sich der Vorderkopf erst ein Stück in den Hinter-
kopf zurückschiebt, was dadurch bewirkt wird, dass sich der letztere
unterhalb des ersteren einfaltet. Darauf wiederholt sich dieselbe
Einfaltung in noch umfangreicherer Weise am Grunde des Hinter-
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krahbe). 81
kopfes, infolge deren sich dieser samt dem Scheitel zwischen die
Saugntäpfe einsenkt. Die vordere Einfaltung wird dabei in die zweite,
tiefere mit aufgenommen, gleichsam von ihr verschlungen, sodass
nur die eine bereits beim eingekapselten Tiere bemerkte tiefe Falte
zwischen den Saugnäpfen übrig bleibt. Das Rostellum ist auf diese
Weise vollständig innerhalb der Saugnäpfe zu liegen gekommen und
natürlich auch innerhalb des' hintern, weiten und ersichtlich dehnbaren
Muskelsackes, in welchem man, wie schon bemerkt, gerade bei dieser
Haltung des Tieres das FHessen seines spärlichen Zelleninhalts
deutlich erkennen kann. Und die Nackenwand, zwischen den Saug-
näpfen in doppelter Lage, besitzt jetzt natürlich nur noch etwa
die halbe Länge. Ist dies geschehen, so erfolgt in vollständig
gleicher Weise, ebenfalls etagenweise, die Einziehung der hinteren
Scolexhälfte in die Cyste: zunächst die Zurückschiebung der Saug-
näpfe zwischen die auseinander weichenden elastischen Halswände
und nun deren Einfaltung — welche als solche also immer am
Grunde des einzufaltenden Stückes beginnt — in die Cyste. Die
schon vorher vermuteten zwei Faltungsprozesse zerlegen sich sonach
selbst wieder jeder in zwei Vorgänge, sodass wir eigentlich vier
Einfaltungen aufeinander folgen sehen, welche allerdings in so rascher
Folge und in solcher Glätte verlaufen, dass dieselben, da sie ganz
kontinuierlich in einander übergehen, teilweise sogar gleichzeitig
geschehen, unter Umständen wie ein einziger zusammenhängender
Vorgang erscheinen. Die ganze Einfaltungsbewegung ist dem
Zusammenschieben eines viergliedrigen Fernrohrs in seine Hülse (als
fünftes GHed) ganz ausserordenthch ähnlich. Auch in den Principien
ihres Baues stimmen beide Dinge mit einander sehr überein. Ebenso
wie die Glieder des Fernrohrs von der äussern Hülse bis zum
Ocular ihrem Zwecke entsprechend stets in einem bestimmten Ver-
hältnisse kleiner und enger werden, so nehmen auch die ihnen ent-
sprechenden Abschnitte unseres Cysticerkoiden nach dem Scheitel
zu in einem durch ihren Bau und physiologischen Zweck bedingten
Verhältnisse ab, woraus wir jetzt sogar die Notwendigkeit der früher
angegebenen Längenverhältnisse erkennen können. Es ist evident,
dass die allmähliche, segmentweise erfolgende Einfaltung eine ganz
bedeutende Kraftersparnis für das Tier bedeutet, und dass durch sie
die Kraftleistungen gleichmässiger über die einzelnen Körperabschnitte
verteilt werden. Vorzugsweise sind es wohl die den ganzen Körper
wie die Cyste (nur in schwächerer Ausbildung) umgebenden Ring-
fasern, sowie die subkutikularen, radiär gerichteten Spindelzellen,
welche auf Querschnitten leicht nachweisbar sind und uns später
bei der Entwicklungsgeschichte noch beschäftigen werden, welche
durch ihre segmentweise aufeinander folgenden Kontraktionen die
Einfaltung bewirken. Der ganze Bewegungsvorgang geschieht mit
einer ganz erstaunlichen Leichtigkeit, Ebenmässigkeit und Ruhe.
Er ist aber, wie wir gesehen haben, genau genommen keine
eigentliche Einstülpung (welche sich ja als eine von der äussersten
Spitze ausgehende, immer weiter fortschreitende Eintiefung äussern
Aich. f. Natuigesch. Jahrg. 1894. Bd, I. H, 2. Q
82 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
müsste), sondern muss als eine, in unserm Falle mehrfache, Ein-
faltung aufgefasst werden.
Die Ausstreckung oder Ausfaltung, wie wir jetzt genauer
sagen können, erfolgt natürlich ganz nach demselben Mechanismus,
nur in umgekehrter Aufeinanderfolge. Den Anfang bildet die Aus-
faltung der Halswand, mit welcher zugleich der übrige Scolex aus
der Cyste heraustritt — wie er vorhin zugleich mit der Einfaltung
der Halswand allmähhch ins Innere sank. Dass bei diesem Austritt
die Ringfasern der Cyste durch ihre Kontraktion und den dadurch
erfolgenden Druck wesentliche Dienste zu leisten vermögen, ja bei
der komplizierten Einschachteluug der übrigen Teile wahrscheinlich
ganz unerlässhch sind, ist klar und ihre physiologische Bedeutung
hieraus vollkommen begreifhch (vergl. S. 72) i). Wie nun der Scolex
sich vorhin vor dem Eintritt in die Cyste erst zwischen die Hals-
wand einfaltete, so sehen wir ihn jetzt nach seinem Austritt aus
derselben eine Phase durchlaufen, in welcher er manschettenartig
von dem oberen Stück des Halses umgeben ist, von welcher Stellung
aus alsbald die vollständige Streckung und Ausfaltung beginnt.
Der schon vorher neugierig zwischen den Saugnäpfen vorlugende
„Kopf" erhebt sich und die beiden Falten glätten sich allmählich.
Bei dieser allmählichen Glättung werden, zumal bei halb vollendeter
Streckung, an beiden Seiten des Hinterkopfes längliche, oft drei-
eckige Spalten sichtbar, welche bei weiterer Glättung der Falten
immer enger werden und endlich verschwinden. Offenbar dienen
sie dazu, die Einfaltung des Hinterkopfes, dessen centraler Hohl-
raum ja durch das in ihn hineinhängende Rostellum zum Teil
ganz illusorisch wird, zu erleichtern und auf diese beiden Stellen
zu beschränken.
So haben wir denn jetzt den Prozess der Ein- und Ausfaltung,
sowie das ein- und ausgefaltete Tier in ziemlicher Vollständigkeit
kennen und begreifen gelernt. Nur weniges bleibt dem noch hinzu-
zufügen. Es wird uns dies Wenige jedoch, dessen Untersuchung
hier beim ausgebildeten Tiere vielfach erschwert ist, deuthcher noch
bei Verfolgung des Entwicklungsganges, zu dem wir nun über-
gehen, entgegentreten.
Da wirft sich uns denn, in Verbindung mit den schon bekannten
Thatsachen, sofort die eine grosse Frage auf: Welche von den beiden
uns bekannten reifen Formen ist der Entwicklung nach die frühere,
ursprüngliche? Entwickelt sich der Cysticerkoid eingefaltet, inner-
halb der Cyste oder ausgefaltet, ausserhalb derselben? Auf Grund
der uns bekannten Entwicklung der Blasenwürmer, der bei den
warmblütigen Tieren schmarotzenden Finnen, würden wir unbedingt
das erstere, die Entwicklung innerhalb der Cyste als das vorläufig
Wahrscheinlichste annehmen müssen. Und diese Auffassung hat
auch, vor allem auf Grund der Autorität Leuckarts, welcher eben-
1) Vergl. auch Leuckart, 1. c. p. 448.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 83
falls, natürlich mit vollem Rechte, diesen Entwicklungsmodus für
den wahrscheinlichsten hielt, bis vor kurzem unter den Zoologen
ganz allgemeine Geltung gehabt. Neuerdings jedoch haben zwei
Forscher, die schon erwähnten Italiener Grassi und Rovelli^), ge-
stützt auf ihre Beobachtungen an dem Cysticerkoiden der T. elliptica,
die Behauptung aufgestellt, der Cysticerkoid entwickle sich nicht von
vornherein innerhalb einer (aus dem vergrösserten Embryo ent-
standenen) Cyste, sondern zöge sich erst auf einem späteren Stadium
(= dem sechsten ihrer sieben Stadien) in seinen hintern Abschnitt
zurück, worauf dann innerhalb der Cyste die völlige Ausreifung er-
folge 2). Beide Ansichten glaubt Mräzek in seiner zweiten Arbeit
— in der ersten schloss er sich ja der alten Ansicht an (vergl, S. 70)
— auf Grund seiner eigenen und der gleich zu erwähnenden Be-
obachtungen Hamanns dadurch vereinigen zu können, dass er, im
wesentlichen auf der alten Ansicht beharrend, als wahrscheinlicher
annimmt, dass die Einstülpung des vordem in den hintern Teil noch
nicht „stabil" sei, dass der Wurm also anfangs ganz nach Belieben
„aus- und einkriechen" könne, wie man ähnliche Bewegungen ja
auch beim Kopf des Archigetes Sieboldii Lkt, beobachtet habe.
Mräzek hatte später nämlich selbst Formen in ausgestreckter
Haltung gefunden und darunter sogar solche, welche noch gar nicht
völlig ausgebildet waren 3); niemals freilich, das 'sagt er ausdrücklich,
waren ihm Exemplare vorgekommen, welche unausgebildet und zu-
gleich eingestülpt gewesen wären. Diese jedoch boten ihm Hamanns
Funde und Abbildungen'^). Hamann hat freilich die Entwicklung
der von ihm ziemlich schematisch abgebildeten Formen durchaus
nicht beobachtet, wiewohl er selbst das annimmt; denn die sechs
von ihm (in einem Tiere!) gefundenen Formen repräsentieren ganz
gemss nicht die „ganze Entwicklungsreihe mit Ausnahme des letzten (!)
Stadiums", sondern sind offenbar einander ganz ausserordentKch nahe
stehende Stadien gewesen. Dass vollends die Formen zu T. sinuosa
gehörten, was er ohne weiteres als feststehend annimmt, ist ebenfalls
nicht erwiesen und höchst fraglich. Aus diesen seinen Mitteilungen
Folgerungen über die Entwicklungsgeschichte der Cysticerkoiden zu
ziehen, scheint mir darum sehr gewagt. — Ich habe nun für unsere
T. anatina die Entwicklung von Tag zu Tag in allen ihren Fortschritten,
von Anfang bis zu Ende verfolgt und bin zu einem Resultate gelangt.
^) Vergl. ausser dem bereits citierten Werke noch die in deutscher Sprache
veröffentlichte vorläufige Mitteilung darüber : Centralbl. f. Bacteriol. u. Parasiten-
kunde, V. Band Nr. 11.
2) Eine dritte, von den beiden genannten Modalitäten abweichende Ent-
wicklungsweise hat Mecznikoff an einem echinococcusarti gen Cysticerkoiden
aus dem Eegenwunn konstatiert — vergl. Leuckart, 1. c. S. 465/66.
3) Von T. fasciata u. gracilis, abgebildet in der zweiten der citierten Ab-
handlungen vom Jahre 1891.
*) L. c. Band 24, Tafel 1.
6*
84 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
das mit keiner der angeführten Ansichten völlig übereinstimmt.
Nichtsdestoweniger kann ich wohl auf Grund der erwähnten Beob-
achtungen mit Recht behaupten, dass das Endresultat, welches sich
für unsere Form inbezug auf die vorliegende Frage ergeben hat,
ganz unzweifelhaft feststeht, ja dass es nahezu das einzige völlig
sichere Ergebnis ist, welches wir über die Frage nach dem Modus
der Cysticerkoidenentwicklung bis jetzt besitzen.
Werfen wir zunächst, um uns einen allgemeinen Ueberblick
zu verschaffen, einen orientierenden Blick über das Ganze der Ent-
wicklung! Dieselbe scheidet sich fast von selbst in zwei wohl
charakterisierte Epochen, welche beide auch von fast vollkommen
gleicher Dauer sind^). Das Tier, welches aus dem sechshakigen
Embryo hervorgeht, wächst anfangs nach allen Richtungen hin
gleichmässig, besitzt also zuerst im wesentlichen eine kugelige Ge-
stalt; auch betreffs des Innern Baues besitzt keine Richtung vor
der andern einen Vorzug; es ist anfangs radiär gebaut, wobei wir
freilich von der Lage der Embryonalhäkchen, welche natürlich nicht
radiär verteilt sind, absehen müssen. Durch diese Gestalt und diese
Art des Wachstums ist die erste Entwicklungsepoche unseres Tieres
charakterisiert: gerade die Hälfte der ganzen Entwicklungsdauer —
im Sommer also sechs bis sieben Tage, im Spätherbst dagegen etwa
drei Wochen lang — behält unser Tier diese Kugelform bei. Dann
beginnt es auf einmal rapid nach einer Richtung, hauptsächHch an
einem Körperpole zu wachsen. Mit dieser Veränderung tritt unser
Wurm in seine zweite Entwicklungsperiode, in welcher der frühere
radiäre Bau einem seitlich symmetrischen Platz macht. Zugleich
mit der Streckung beginnt auch die Differenzierung der Organe im
Innern, die während der ersten Epoche kaum angedeutet ist.
Daraus ergiebt sich von selbst, dass die Entwicklung des
Cysticerkoiden während der ersten Periode wesentlich nur in
einem einfachen Wachstum des Embryos besteht. Im Ei hat der-
selbe, wie wir wissen, eine flache, elliptische Form mit einem Längen-
durchmesser von 0,05—0,06 mm. Der Uebertritt des Parasiten in
die Leibeshöhle ist in unserm Falle sehr einfach, wie es bei der
geringen Grösse und dem einfachen Baue unseres Zwischenwirts nicht
anders zu erwarten ist. Schon einen Tag nach der Fütterung fand
ich im Darminhalt des Zwischenwirtes neben Eiern, deren halb-
verdaute äussere Schale einen ruhenden Embryo enthielt, zahlreiche
freie Embryonen, die ihre charakteristischen Bewegungen machten,
wie man solche zuweilen auch schon im Ei wahrnehmen kann. Dieser
Befund lässt darauf schliessen, dass es die lösende Wirkung der
Verdauungssäfte und die aktive Bewegung des Embryos zugleich ist,
welche demselben zur Freiheit verhelfen. Bei der Hakenbewegung
^) Die siehen Stadien, in welchen Grassi u. Rovelli die gesammte Ent-
wicklungsgeschichte darstellen, sind völlig willkürlich gewählt, sie waren ihnen
ledigUch durch ihr Untersuchungsmaterial gegeben.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 85
des Embryos kann man deutlich sehen, dass die zwei seitlichen Paare
der Embryonalhäkchen, welche erst mit ihrem untern Ende, dann
mit dem obern Teil auseinanderweichen, dazu dienen, den Armen des
Schwimmers gleich, den Körpers vorwärts zu drücken, während das
mittlere Paar, das sich bekanntlich in medianer Richtung, aber mit
den äussern beiden Paaren nicht gleichzeitig bewegt, unterdessen den
Körper stützt und vor dem Rückwärtsgleiten sichert. Stets operieren
dabei die Haken, deren untere Enden sich bei jedem Paare an ein-
ander anlegen, während die Spitzen klaflfen, paarweise in völlig
gleichem Sinne und ohne Verrückung ihrer gegenseitigen Lage. Es
ist völlig einleuchtend, dass wir es hier mit einer wirklichen, aktiven
Ortsbewegung zu thun haben, was Grassi und Rovelli, ohne
genügenden Grund, in Abrede stellen i). Ganz besonders kommt dem
wandernden Embryo bei der Fortbewegung (im Leibe des Wirts)
seine ausserordentliche Kontraktilität zu statten: er verlängert und
verschmälert, verkürzt und verbreitert sich während der Haken-
bewegungen — ganz wie der kriechende Wurm. Auch vermag sich
der Embryonalkörper nach allen Richtungen und an allen Stellen
einzuschnüren, ja sogar amöbenartig Fortsätze auszusenden. Seine
Gestalt wechselt infolgedessen fortwährend; am häufigsten aber be-
obachtet man, dass die Einschnürungen senkrecht zur Bewegungs-
richtung, also quer zur Längsachse des Embryos stehen. Der
Zellenbau des Körpers ist, wie auch im Ei, anfangs noch sehr un-
deutlich. Wie schon früher beschrieben, besteht der Embryonalkörper
aus einer feinkörnigen, scheinbar homogenen Protoplasmamasse.
Porenkanäle konnte ich, trotz der Angabe von Grassi u. Rovelli,
dass sie wenigstens bei absterbenden Tieren an einzeln Stellen
sichtbar seien, auch bei grösster Aufmerksamkeit, niemals mit Sicher-
heit erkennen, weder jetzt noch in spätem Stadien. Was man leicht
dafür hätte ansehen können, eine sehr feine Granulierung an der
Innenseite des äusserst dünnen Kutikularüberzugs , rührte wohl von
der körnigen Beschaffenheit des Protoplasmas her. Das Auftreten
der sogenannten „Sarkodebläschen" besonders beim Absterben des
Embryos, welche durch Ausscheidungsprodukte hervorgerufen zu sein
scheinen, berechtigt natürlich nicht, auf das Vorhandensein von
Porenkanälen zu schliessen, da derartige Erscheinungen auch bei
Tieren ohne Porenkanäle, so bei Infusorien, vorkommen.
Nachdem nun der Embryo den Darm durchbrochen und sich
an den schon früher bezeichneten Stellen, die für seine Ernährung
besonders günstig zu sein scheinen, festgesetzt hat, bemerken wir an
ihm zunächst keine weiteren Veränderungen als eine verhältnismässig
ziemhch beträchtliche Grössenzunahme und einen allmählichen Verlust
seiner Beweglichkeit. Seine ursprünglich mehr ovale als kugelige
Gestalt behält er noch kurze Zeit bei. Dabei rücken die Hakenpaare
(infolge des Wachstums) etwas weiter auseinander; ihre Bewegungen,
welche zunächst nach dem Freipräpariren noch zu bemerken sind,
1) L. c. p. 8.
86 Johannes Emil Schmi fit: Die Entwicklungsgeschichte
werden matter und seltener, aber die Fähigkeit des Einschnürens
besitzt er in gleichem Masse wie früher. Diese letztere behält er
überhaupt durch alle Stadien hindurch; ist doch auch die Ein- und
Ausfaltung seines Körpers in letzter Instanz nur die Folge der immer
mehr und mehr lokalisierten Einschnürungsfähigkeit.
Aber schon nach kurzer Zeit lassen sich in der ursprünglich
fast homogenen Grundsubstanz des Körpers die Umrisse von Zellen
deutlicher unterscheiden. Dieselben werden immer schärfer und ver-
ändern dadurch das frühere Aussehen allmählich vollständig. Der
Körper ist sehr durchsichtig geworden und sieht jetzt aus wie eine
Klüftungskugel. Denn inzwischen ist auch seine ursprünglich ovale
Gestalt in die Gestalt einer Kugel übergegangen, und daraus erklärt
es sich auch, dass sein Durchmesser, trotz der Grössenzunahme,
zunächst nicht grösser ist als der längste Durchmesser der älteren
ovalen oder elliptischen, flachen Form (0,05 — 0,06 mm). Das Tier ist
jetzt ein Aggregat von hellen, durchsichtigen Zellen mit verhältnismässig
grossem, glänzendem und bläschenförmigem Kern und Kernkörperchen.
Die Zellen sind von verschiedener Grösse, klein und gross, jedoch
lässt sich zunächst noch keine Spur irgend einer Regelmässigkeit
der Gruppierung oder Verteilung wahrnehmen. Die grössern Zellen
messen etwa 0,01 mm im Durchmesser, der Kern, welcher überaus
deutlich ist, 0,004 — 0,005 mm. Manchmal kann man den Kern
deutlich in Teilung begriffen sehen, verlängert und in der Mitte ein-
geschnürt. Die schon früher erwähnten fettartig glänzenden Mole-
kularkörnchen sind in verschiedener Grösse und Menge in die Inter-
cellularsubstanz eingelagert. Die Haken, jetzt völHg unbeweglich,
liegen noch in der alten Anordnung und am alten Flecke, an dem
einen Pole der Kugel. Bei scharfem Zusehn scheint es manchmal,
als zögen sich von ihnen aus, und zwar von der Stelle aus, wo der
eigentliche Hakenteil, die Kralle, in den Wurzelfortsatz übergeht,
beim mittleren Paare aber vom untern Ende aus, feine Faserzüge
schräg ins Innere, dort in eine der runden Zellen übergehend. Auch
Grassi und Rovelli glauben Aehnliches bemerkt zu haben, allerdings
erst auf einem spätem Stadium. Hierdurch würde dann die Annahme
gerechtfertigt sein, dass die Bewegung der Embryonalhäkchen nicht
passiv, als eine blosse Begleiterscheinung der allgemeinen Kontraktionen
des Embryonalkörpers erfolgt, sondern durch die Kontraktionen be-
sonderer muskulärer Fasern geregelt wird, eine Annahme, welche
auf Grund der Analogie mit den Embryonen der Bothriocephalen,
bei denen Leuckart derartige Muskelzüge sah^), und auf Grund
der Exaktheit und Bestimmtheit, mit der diese Bewegungen erfolgen,
manches für sich hat.
Unmittelbar nachdem die Embryonalkugel ihr zellig- blasiges
Aussehn angenommen hat, tauchen im Innern derselben an ver-
1) A. a. 0. S. 415.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 87
schiedenen Stellen Spalten und Hohlräume auf, welche sich rasch
erweitern, zusammentiiessen und zuletzt einen einzigen Hohlraum
liefern: unsere anfangs massive Keimkugel ist zu einer Hohl-
kugel, zu einer Keimblase geworden. Es ist dies die Form, welche
Grassi und Rovelli mit dem Namen „Primitivbläschen" bezeichnen.
Dieselben Autoren behaupten aber von ihrer Art, dass der Hohlraum
gleich von vornherein eine excentrische Lage habe, dass die Wand
also am einen Pole dünn, am gegenüberliegenden dick sei. Für
unsere Art trifft dies nicht zu und aller Wahrscheinlichkeit nach
wohl auch für die ihrige nicht: entweder hat ihnen an dieser Stelle
der Entwicklungsreihe ein Stadium gefehlt oder sie haben, da das
allmähliche Werden des Tieres von ihnen gar nicht beobachtet wurde,
mehrere verschiedene Stadien in eins zusammengeworfen. Trotzdem
dass die Konturen des Hohlraums unregelmässig, voller Ein- und
Ausbuchtungen sind, dass also auch die Wände der Hohlkugel un-
regelmässig dick sind (Fig. 2), hat doch der Hohlraum im grossen
und ganzen eine centrale, keine excentrische Lage. Daran wird
auch durch die Thatsache nichts geändert, dass sich die Kugelwand
am Hakenpole, direkt unter den Haken, fast regelmässig, jedoch bei
den einzelnen Individuen mit verschiedener Deutlichkeit, aufwulstet
und infolgedessen mehr oder weniger stark in den Hohlraum vor-
springt (Fig. 2), was für den spannenden und der Weiterentwicklung
harrenden Beobachter natürlich auffällig genug ist. Von einer den
Innenraum erfüllenden Flüssigkeit lässt sich bei der grossen Durch-
sichtigkeit desselben zwar direkt nichts bemerken, doch muss man
gerade aus optischen Gründen annehmen, dass der Hohlraum von
einer farblosen, in der Hauptsache wässrigen Flüssigkeit von gleichem
Brechungsexponenten wie das umgebende Medium (physiologische
Kochsalzlösung) erfüllt ist. Die Grösse des Tieres hat während
der Büdung des centralen Hohlraumes ganz bedeutend und
rasch zugenommen; der Durchmesser hat sich verdoppelt und
nach vollständiger Aushöhlung sogar verdreifacht (0,18 — 0,20 mm),
sodass die Hohlkugel an Grösse jetzt schon der Cyste des
ausgebildeten Cysticerkoiden gleichkommt. Diese rapide Grössen-
zunahme gerade während der Entstehung des Hohlraums
deutet darauf hin, dass derselbe im wesentlichen wohl dem
Auseinanderweichen der Kugelwände seine Entstehung, vor allem
seine rasche Erweiterung verdankt. Doch legen die anfangs im
Innern sichtbaren Querwände und Querpfeiler, durch welche die
einzelnen Teilräume, vor ihrem Zusammenfliessen, zuerst noch ge-
schieden werden, die Vermutung nahe, dass dabei, wenigstens anfangs,
auch eine Verflüssigung centraler Zellen im Spiele ist In diesem
Stadium ist es nun auch möglich, die erste Differenzierung des die
Hohlkugel zusammensetzenden Grundgewebes zu konstatieren. Man
bemerkt, dass die peripherischen Zellen im allgemeinen etwas
kleiner sind, während die grösseren, blasenförmigen Zellen mehr
nach innen, der Grenze des Hohlraums zu liegen. Am weitesten
nach aussen, direkt unter der Kutikula, erkennt man bei genauerer
88 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
Untersuchung sogar eine Reihe ganz kleiner Zellen, welche so dicht
aneinander gedrängt sind, dass man ihre Umrisse viel weniger
deutlich als die der übrigen unterscheiden kann (Fig. 2). Nur am
Hakenpole lässt sich von dieser Scheidung zwischen grossen und
kleinen Zellen nichts bemerken. Diese kleinen, peripherischen Zellen
sind es offenbar, von denen ein grosser Teil späterhin die charakte-
ristischen subkutikularen Spindelzellen liefert i). Ob in den tiefern
Schichten, gegen die Grenze des Hohlraums zu, eine Lage lang-
gestreckter, mit ihren spitzen Enden zu einem Ring zusammen-
schliessender Zellen, welche also die subkutikulare Muskelschicht
vorbereiten würden, als regelmässige Erscheinung auftritt, muss ich
dahingestellt sein lassen. Wohl glaubte ich solche in einigen Fällen
in äquatorialer wie in meridionaler Richtung unterscheiden zu
können, aber in andern habe ich, trotz sorgfältiger Untersuchung,
vergeblich darnach gesucht. Die äussere Kutikularschicht , obwohl
noch sehr dünn, ist gegen früher etwas stärker geworden. Von
Zeit zu Zeit treten auch Kontraktionen auf, welche die kugelige
Gestalt mehr oder weniger stark verändern, dieselbe beim Nach-
lassen aber wieder herstellen.
Dieses Hohlkugelstadium ist unter allen den beschriebenen und
noch zu beschreibenden Durchgangsformen von der längsten Dauer.
Immer langsam wachsend, verharrt das Tier geraume Zeit in dieser
Gestalt. Hat es jedoch die früher angegebene Grösse erreicht — und
das geschieht, wie wir wissen, um die Mitte der gesamten
Entwicklungszeit — dann beginnt an dem den Haken gegenüber-
liegenden Pole in der Richtung nach aussen (oder vorn, wie wir
jetzt sagen müssen) auf einmal ein reger Wucherungsprozess. Die
Wand verdickt sich infolgedessen an diesem Pole sehr schnell, und
jetzt erst erhält der Hohlraum eine excentrische Lage — das Tier
ist in die zweite Periode seiner Entwicklung getreten. Der
Hohlraum liegt also nunmehr in der hintern Hälfte des jetzt ge-
streckten Tieres, und der Hakenpol, den wir früher auf Grund der
Bewegungen des Embryos als den vordem anzusehn geneigt gewesen
waren, ist zum hintern geworden, als welcher er sich ja auch beim
reifen Cysticerkoiden deutlich kennzeichnet. Es hat also (wenn
wir die Hohlkugel nicht als ein wirkliches Radiärtier mit
Differenzierung der Pole ansehen woUen) eine Umkehrung von vom
und hinten stattgefunden.
Von jetzt ab folgen die Veränderungen und Bildungen in solcher
Raschheit aufeinander, dass wir, der Klarheit wegen und um unnötige
Wiederholungen zu vermeiden, gut thun werden, alle die all-
gemeineren und für die ganze Weiterentwicklung giltigen Ver-
hältnisse im Aussehen und Bau unseres Tieres vorerst zu betrachten,
^) Vergl, hierzu Leuckart, 1. c. p. 433. Die Darstellung, welche hier von
der histologischen Differenzierung des jungen Finnenkörpers gegehen wird,
bietet auch sonst manche Analogie mit den oben geschilderten Vorgängen.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 89
um dann im speciellen der Entstehung der einzelnen charakteristischen
Organe unsere Aufmerksamkeit zu schenken.
Bei Beginn des Längenwachsthums nimmt das Tier zunächst
eine ovale oder auch elliptische Form an (Fig. 3), wie wir sie ähnlich
auch von dem gleichen Stadium bei den Blasenwürmern (von
T. serrata und saginata^)) kennen. Immer weiter jedoch schreitet
das Längenwachstum und Hand in Hand damit die Streckung des
Tieres vorwärts. Sehr bald wird es überhaupt unmöglich, noch von
einer bestimmten Gestalt des Tieres zu reden. Infolge von Ein-
schnürungen an den verschiedensten Stellen des Körpers oder von
Kontraktions- und Sft-eckungsbewegungen des ganzen Wurmes, be-
sonders aber auch infolge der grossen Veränderlichkeit, welcher die
Absetzung des Schwanzes von dem übrigen Körper unterliegt, ändert
sich dieselbe fast fortwährend und nimmt mitunter sogar ganz ab-
sonderliche Gestalten an. Selbst die gestreckte, längUche Form
verschwindet manchmal vollständig, indem sich das Tier, natürhch
unter beträchtücher Verbreiterung, zu einem Klumpen zusammen-
zieht. Unter Umständen streckt es sich wieder sehr in die Länge
— alles Beweis genug, dass auf diesem Zeitpunkt der Entwicklung
die Grössenangaben mehr oder weniger illusorisch werden und nur
als mittlere Werte Geltung besitzen.
Zu Beginn des Längenwachstums, während dessen die Gestalt-
veränderungen noch weniger häufig und tiefgreifend sind, beträgt
die Länge des Würmchens 0,25—0,30 mm. Natürlich nimmt dieselbe
besonders um die Zeit, zu welcher sich der Schwanz abgliedert,
ganz beträchtlich zu. Aber es ist ganz auffällig, dass gerade diese
Zeit, wie schon angedeutet, bei den einzelnen Individuen eine
ausserordentlich verschiedene sein kann, wie überhaupt das Aus-
wachsen und die Absetzung des Schwanzes in verschiedener Hinsicht
grossen Schwankungen unterworfen ist. So begegnet man Exemplaren,
welche schon auf sehr früher Entwicklungsstufe, eben nachdem das
Längenwachstum begonnen hat, einen nach hinten sich allmähHch
verschmälernden, vom Körper aber noch nicht scharf abgesetzten
schwanzartigen Anhang haben, während andere, schon viel weiter
entwickelte Formen noch kaum eine Andeutung desselben zeigen.
Ebenso haben fast völlig reife Tiere mitunter einen noch ganz
kurzen Schwanz, während andere, jüngere, denselben schon fast in
seiner spätem Länge besitzen. Die oben erwähnte Einsenkung des
hintern Körperendes findet sich jedoch überall, bei jedem Individuum,
mag es einen Schwanz haben oder nicht, schon zu Beginn der
zweiten Entwicklungsepoche. Sie tritt unmittelbar nach Beginn der
Längsstreckung auf, nur dass sie auf diesem Stadium oftmals schwer
erkennbar ist. Das vordere Schwanzende hingegen, welches wir
beim reifen Tiere in eine Vertiefung des Körpers übergehen, also
in den Körper eingezogen sahen, findet sich bei den unreifen
1) Leuckart, 1. c. p.438.
90 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
Tieren niemals in dieser Form. Niemals, aucli wenn der Schwanz
schon recht lang ist, sind Körper und Schwanz scharf abgegrenzt;
beide Teile gehen kontinuierlich in einander über, höchstens dass sich
an ihrer Grenze eine mehr oder weniger starke Einschnürung findet,
welche sie vorübergehend zur schärferen Unterscheidung bringt, auf
die Dauer aber nicht bestehen bleibt. Rechnen wir zu dieser
späten, endgiltigen Abgiiederung und zu der grossen Variabilität
seiner Enstehung nun noch die weitere Thatsache hinzu, dass auch
der Körperteil, der Zellencomplex, welcher durch sein Wachstum
den Schwanz liefert, ganz ausserordentlich variabel ist — wie sich
schon aus der veränderlichen Lage der Embryonalhäkchen, sowie
aus dem Umstände, dass auch der Hohlraum der einstigen Hohl-
kugel sich öfters in den Schwanz hinein fortsetzt, unwiderleglich
ergiebt, — so haben wir Momente genug, um auch hier wieder, wie
früher auf Grund seiner histologischen Struktur, den Schwanz für
ein stark in der Rückbildung begriffenes Organ erklären zu können,
was auch a priori schon als höchst wahrscheinlich anzunehmen war.
Auch der Hohlraum der ursprünglichen Hohlkugel unterliegt
bei der Weiterentwicklung einigen Veränderungen. Früher im
grossen und ganzen kugelig, nimmt derselbe, der allgemeinen Längs-
streckung wenigstens teilweise folgend, allmählich ebenfalls eine
längliche Form an, indem er sich, schmaler und enger werdend, ein
Stück in die vordere Partie des Körpers hineinstreckt und sich dort,
einmal mehr, einmal weniger weit von der Spitze, verliert, was uns
als ein Beweis dafür gelten kann, dass die starke Zellwucherung
am vordem Pole nicht lediglich auf diesen beschränkt bleibt, die
seitlichen Partien des Körpers vielmehr gleichfalls mehr oder
weniger an dem Längenwachstum teilnehmen. Späterhin wechselt
infolge der Abschnürungen und Einschnürungen, der Zusammen-
ziehungen und Ausstreckungen die Gestalt des Hohlraums natürhch
mannigfach; bald erscheint er kurz, flach gedrückt und breit, bald
schmal und lang wie ein grosser Spalt. Manchmal setzt er sich
von seiner ursprünghchen Lage aus nur nach vorn fort, manchmal
reicht er auch weiter nach hinten in den sich abgliedernden Schwanz
hinein, was wiederum auf das Wachstum der hintern Seitenpartien
schhessen lässt. Ganz besonders aber erleidet der Hohlraum später-
hin noch dadurch eine Veränderung, dass einzelne der ihn um-
gebenden grossen Bindegewebszellen, welche, anfangs noch im Ver-
bände mit dem übrigen Gewebe, nach dem Innenraume vorragen,
sich allmähhch lösen und tiefer in den Hohlraum vortreten, woselbst
sie sich fast wie Nervenzellen verästeln, bis sie schliesslich mit
diesen Ausläufern, die wieder mit denen benachbarter Zellen in
Verbindung treten, den ganzen Hohlraum durchsetzen. Im Innern
des Hohlraums entsteht auf diese Weise ein netzartiges, weit-
maschiges Füll- oder Stützgewebe, welches denselben nicht mehr
als eine einzige grosse Höhle, sondern weit mehr als ein Aggregat
von vielen Lücken und Spalträumen erscheinen lässt (Fig. 4), weshalb
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 91
denn auch Grassi und Rovelli, wohl ihrer Theorie zu Liebe ^),
von einem „völligen Verschwinden des Hohlraums" und von einer
Erfüllung desselben mit „weichem Parenchym" reden 2).
Die Durchsichtigkeit des Gewebes ist jetzt, während der zweiten
Entwicklungsepoche, nicht mehr so gross wie während des Hohl-
kugelstadiums ; oft nimmt das ganze Tier schon frühe ein gelbhches
Aussehen an, sodass sich nur bei genauem Zusehen noch Zell-
grenzen erkennen lassen. Sehr bald nach Beginn der zweiten Epoche
nimmt man jedoch längs des ganzen Aussenrandes, unmittelbar unter
der dünnen Kutikula bläulich glänzende Pünktchen wahr, ähnlich
denen, welche wir schon an der Cyste des ausgebildeten Tieres
unter ihrer dicken Kutikularschicht gesehen haben, nur sehr viel
feiner und schwächer. Bei genauer Untersuchung lässt sich sogar
an verschiedenen Stellen von ihnen ausgehend eine analoge, aber
feinere Ringstreifung wahrnehmen, welche natürhch ebenfalls von
feinen Ringmuskelfasern herrührt, die den ganzen Körper umgeben
und an der Cyste später zu stärkerer Ausbildung gelangen. Ob
sie ein Ergebnis der Umwandlung eines Teiles jener bei der
Hohlkugel bemerkten peripherischen kleinen Zellen sind oder von
jenen problematischen langgestreckten und ringförmig zusammen-
schliessenden, tiefern Zellen gebildet sind, lässt sich nicht entscheiden.
Aber auch auf der ganzen übrigen Oberfläche — und besonders
deutlich um den vordem Pol herum — lassen sich, schon auf
ziemlich frühen Stadien, derartige glänzende Pünktchen erkennen.
An Schnittpräparaten gewinnen wir die Ueberzeugung, dass sie die
Ansatzpunkte der radiär nach innen verlaufenden Spindelzellen be-
zeichnen, welche sich wie bei andern Finnen, so auch bei der unsrigen
konstatieren lassen (Fig. a). Dieselben haben ganz die gleiche
Beschaffenheit und Lage, wie wir solche sonst an den für die Cestoden so
charakteristischen Spindelzellen beobachten 3), und sind zwischen
andern, ebenfalls peripherisch gelegenen kleinen Zellen, aus denen
sie offenbar hervorgegangen sind, rings um die ganze Peripherie
verteilt. Auch Grassi u. Rovelli deuten sie in ihren freilich
recht schematischen Zeichnungen an^). Von Längsfasern konnte ich
ebensowenig wie Grassi u. Rovelli eine sichere Spur bemerken.
Wohl sieht man, dass unmittelbar unter der dünnen Kutikula die
äussere Begrenzung des Gewebes eine dichte, festere Beschaffenheit
hat; man glaubt darin auch manchmal wirklich langgestreckte, sehr
schmale, nur in der Mitte ein wenig dickere Fasern zu erkennen,
aber nur selten und nur an einzelnen Stellen gelingt es, diese dichte
Rindenschicht derart aufzulösen, dass man sich mit Sicherheit von dem
Vorhandensein derartiger Längsmuskelfasern überzeugen kann. Dass
1) Centralblatt f. Bakt, u. Paras. 5. Band No. 11, p. 7, 8, 15.
2) L. c. (Ricerche embriologiche — ) p. 17.
3) Vergl. Leuckart, 1. c. p. 366.
*) L. c. Tafel II, Fig. 2, 3, 8.
92 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
unser Tier, wie andere Finnen, auch ohne besondere Muskeln der
verschiedensten Kontraktionen fähig ist, wissen wir ja — möglich
also, dass die Längsfasern und Längsmuskeln erst bei der Tänie
zur vollen Ausbildung kommen, wie wir das von den Längsmuskeln
des Rostellums späterhin sogar mit Sicherheit konstatieren werden.
Wenden wir uns nun der allmählichen Differenzierung und
Hervorbildung der übrigen Organe unseres Wurmes zu, einem
Vorgang, der, wie wir wissen, zugleich mit der Längsstreckung
unseres Tieres beginnt und die zweite Periode wiederum ziemlich scharf
von der ersten absetzt. Dasjenige Organ, welches wir zuerst und
am frühesten, zugleich mit Beginn des Längenwachstums auftreten
sehen, ist das Excretionsgefässsystem. Wenn es anfangs auch
keineswegs so deutlich und augenfällig ist wie bei den vollentwickelten
Tieren, so lässt es sich doch bei genauerer Untersuchung schon an
den jüngsten Streckungsformen, welche, bis auf Spuren der Ringfasern,
keine weitere Differenzierung aufweisen und aus einem völlig' gleich-
artigen Gewebe zu bestehen scheinen, mit völHger Sicherheit nach-
weisen. Wir befinden uns auch hier in vöHiger Uebereinstimmung
mit den bei den verwandten Tieren, bei den Blasenwürmern und
Trematoden, festgestellten Thatsachen^), nicht aber mit Grassi und
Rovelli, welche den Excretionsapparat erst am Ende ihres vierten
Stadiums entstehen lassen und seine Ausbildung noch später, in ihrem
fünften Stadium zum Abschlüsse bringen. Doch es ist kein Zweifel:
schon auf Grassi 's ,, zweitem Stadium" (zum zweiten gehören bei
ihnen sowohl das „Primitivbläschen", als auch die jüngeren gestreckten
und geschwänzten Formen — auf dem dritten legen sich Rostellum
und Saugnäpfe an) sieht man bei unserm Thiere deutliche Längs-
kanäle, welche sich in dem manchmal schmaleren, manchmal auch
breitern Parenchymstreifen zwischen Hohlraum und Kutikula in un-
regelmässigen Windungen hinziehen und sich bei einiger Mühe auch
eine gute Strecke weit verfolgen lassen (Fig. 3). An einzelnen Stellen
erkennt man sogar, wie die Hauptstämme durch quere und schräge
Anastomosen unter sich verbunden sind, sodass die Entscheidung,
Avas als Hauptkanal und was als Verbindungsgang anzusehen sei,
sehr erschwert ist und ganz in Frage gestellt werden müsste, wenn
es nicht an andern Stellen wieder gelänge, den Hauptstamm eine
ziemliche Strecke weit mit Evidenz zu erkennen und zu verfolgen.
Auch den Verbindungsring, welcher bei den jüngeren Tieren weit
vorn, dem vordem Pole nahe gelegen ist und erst später infolge fort-
gesetzten Spitzenwachstums etwas weiter nach hinten verschoben
wird, kann man bei etlichen Tieren mit Sicherheit nachweisen. Bei
manchen freilich lässt sich wohl eine Verbindung der beiderseitigen
Stämme, aber nicht die Ringbildung deutlich erkennen, was jedoch
angesichts der Schwierigkeit solcher Untersuchung das Vorhandensein
desselben nicht ausschHesst. Flimmertrichter mit Flimmerläppchen
konnte ich auf den Jüngern Exemplaren dieser zweiten Epoche leider
1) Leuckart, 1. c. p. 436 ff.
und der anatomische Bau der Taenia anatiua (Krabbe). 93
nicht entdecken, wohl aber beobachtete ich dieselben, ebenso wie die
feine Verästelung der von den Hauptstämmen nach der Aussenfläche
des Körpers abgehenden Seitenzweige recht schön auf etwas älteren,
weiter differenzierten Stadien. Dass dieselben aber auch schon bei
den jüngeren Formen in Verbindung mit den beobachteten Längs-
kanälen vorhanden sind, können wir auf Grund der bekannten Ver-
hältnisse bei ähnlichen Formen mit Sicherheit annehmen. Wie aber
steht es um die Ausmündung der Excretionskanäle? Das ist eine
Frage, die ich bei Betrachtung der reifen Cysticerkoiden offen lassen
musste und mir auch bei meinen embryologischen Untersuchungen
lange Zeit hindurch ein Rätsel geblieben ist. Dass die Excretions-
kanäle den engen Hals zwischen Cyste und Schwanz durchsetzen und
in den Schwanz übergehen könnten, schien mir von vornherein kaum
glaublich. Und dennoch verhält es sich so, wie wir sehen werden.
Es war Herr Geheimrat Leuckart, der mir zur Lösung dieses
Rätsels verhalf, nachdem er mich schon vorher auf das konstante
Vorhandensein der Einstülpung am Schwanzende hingewiesen hatte.
Bei Gelegenheit der Untersuchung eines der Jüngern Stadien der
zweiten Epoche machte er mich darauf aufmerksam, dass am hintern
Ende, direkt vor der hier befindlichen Grube, welche, wie wir wissen,
schon früh entsteht, eine rötlich schimmernde Blase liege, welche
sich in diese Einfaltungshöhle öffne und in welche die Excretions-
kanäle einmündeten. Und wirkUch, es war so (Fig. 3). Sogar die
Ausscheidung selbst glaube ich an dieser Stelle beobachtet zu haben,
da ich nämlich gerade an dieser Stelle, sonst nirgends am Körper,
einige Male tropfenartige Körperchen in der umgebenden Flüssigkeit
bemerkte, welche sich vermehrten und im übrigen ganz wie die früher
erwähnten ,, Sarkodebläschen" der absterbenden Embryonen aussahen.
Allerdings ist das betreffende Gebilde, die längst gesuchte ,, kon-
traktile Endblase", nicht leicht und nur bei scharfem Zusehn zu er-
blicken, aber evident vorhanden, schon auf einer Entwicklungsstufe,
wo das Tier gewöhnlich noch gar keinen Schwanz besitzt. Jetzt
konnte es nicht anders sein: bei den geschwänzten Tieren müssen
die Längskanäle in den Schwanz übertreten und an seinem äussersten
Ende in der „Einröhrung" ausmünden - — und eine Untersuchung
älterer und auch reifer Tiere bestätigte diese Schlussfolgerung (Fig. B,
Ebl.). Es war nur die starke Verengung und Zusammenschnürung
an der Uebergangsstelle des Schwanzes in die Cyste, die uns den
weitern Verlauf der Kanäle früher übersehen liess. Grassi und
Rovelli betonen in ihrer Arbeit ausdrücklich, dass die Längskanäle
nicht in den Schwanz überträten und dass gerade dieser Umstand
wohl ,, der Grund seines späteren Abfallens" sei^). Halten wir jedoch
unsern Befund mit der Thatsache zusammen, dass auch Mräzek und
Hamann bei den von ihnen untersuchten reifen und geschwänzten
Cysticerkoiden eine Endblase, wie Grassi und Rovelli sie beschreibt,
nicht gefunden haben, so wird es zum mindesten sehr wahrscheinlich,
^) L. c. p.
94 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
dass auch bei T. elliptica die Verhältnisse in Wirklichkeit anders
liegen und dass die von den italienischen Forschern gezeichnete (und
vermeintlich auch in ihrer Entwicklung beobachtete) Endblase nichts
anderes als die Vertiefung ist, in welche der (leicht sich abtrennende)
Schwanz eingesenkt ist. Wie die Endblase und die Excretionskanäle
sich entwickeln, habe ich nicht festzustellen vermocht — vielleicht,
dass bei dem schönen Materiale, das ich zur Verfügung hatte,
wenigstens einige Punkte hätten festgestellt werden können, wenn
mir die Beziehung der hintern Einfaltung zu dem Excretionsapparate
früher deutlich geworden wäre.
Nach der Entstehung des Excretionsapparates wird das Bild,
welches uns der Wurm darbietet, ein recht lebensvolles und ab-
wechslungreiches, indem von jetzt an die weiteren Veränderungen
rasch aufeinanderfolgen. Der Sitz dieser raschen Entwicklungs-
vorgänge ist natürlich, wie vorauszusehen, das vordere Körperende
des Tieres. Zunächst sind es Kopf und Saugnäpfe, welche ent-
stehen, beide fast gleichzeitig, letztere in ihrer Anlage nur wenig
nach der des Kopfes.
Sehr bald nach Beginn der Längsstreckung unseres Tieres, im
Sommer schon am zweiten Tage nach derselben — das Tier hat
jetzt im Mittel die Länge von 0,40 — 0,50 mm — , sieht man die
vordere Körperspitze sich einranden, anfangs nur seicht, bald aber
tiefer (Fig. 4). In der ersten Zeit vermag sich diese ,, Einrandung",
welche auf nichts anderm als auf dem uns längst bekannten Ein-
faltungsvermögen beruht und genau wie die übrigen Einfaltungen
von statten geht, wieder zu glätten, event. auch bloss zu verflachen,
um sich dann nach einiger Zeit wieder zu vertiefen. Später jedoch
geschieht diese Auf- und Abwärtsbewegung am vordem Körperpole
auf eine andere Weise. Bei fortschreitendem Wachstum erhebt sich
nämlich der Boden der Einsenkung, also die eigentliche Spitze des
Körpers, zu einer Vorwölbung, welche in den durch die Einfaltung
entstandenen Hohlraum hineinragt, sich anfangs ebenfalls rasch
wieder glätten kann, bald jedoch, nachdem sie ansehnlicher geworden,
als ein bleibender Vorsprung zapfenartig in die Einfaltungshöhle
vorspringt. Manchmal sieht man auch schon vor der Einfaltung
an der vordem Körperspitze einen ebensolchen kleinen Vorsprung
(besonders wenn die Tiere eben erst aus dem Zwischenwirt unters
Microskop gelangt sind), welcher sich gewöhnlich aber rasch wieder
ausgleicht. Diese fortwährenden Auf- und Abwärtsbewegungen sind
es, welche die Aufmerksamkeit des Beobachters in Anspruch nehmen.
Sie geschehen meist langsam, manchmal aber auch in rascherem
Tempo; vollständig ruhig bleibt der Zapfen selten: er tritt nach
aussen vor, manchmal bloss ein Stück, manchmal in ganzer Länge,
sodass die Einfaltung fast verschwindet — oder er zieht sich weiter
zurück und führt seine Oscillationen innerhalb engerer Grenzen aus,
sodass er überhaupt nicht nach aussen vortritt. Vollständig wieder
verschwinden sah ich ihn auf späteren Stadien niemals. Das sind
und der anatomische Bau der Taeuia anatina (Krabbe). 95
wohl dieselben Bewegungen, von denen Mrazek (vergl. S.83) und auch
Grassiu. Rovelli^) sagen, dassman sie beim Archigetes SieboldüLkt.
beobachtet habe, und auf welche Mrazek seine Ansicht über die
ganze Entwicklungsweise der Cysticerkoiden stützt. Die Beziehungen
der eben geschilderten Vorgänge zu der Entwicklung des Kopfes
sind unverkennbar. Die Einrandung bezeichnet den Anfang der
Kopfbildung, ebenso repräsentiert die Einfaltungshöhle die sogenannte
„Kopf höhle" der Finnen. Es ergiebt sich also, dass sich auch bei
unserer Form der Kopf ,, eingestülpt", gleichsam ,, umgekehrt" ent-
wickelt; denn der sich vorwölbende Zapfen ist nichts anderes als
der Scheitel des Kopfes. Während der beschriebenen Vorgänge
treten jedoch noch andere Modifikationen ein. Schon jetzt macht
sich an den äussern Konturen der vordem Zone die späterhin so
wesentliche Segmentierung (in Kopf, Nacken und Saugnäpfe nebst
dem übrigen Leibe) bemerkbar, und zwar durch das Auftreten von
zwei zunächst noch veränderhchen Einschnürungen, die in kurzer
Entfernung aufeinander folgen, sodass die durch sie begrenzten
Abschnitte dicht hintereinander liegen. Ihnen entsprechen im Innern
zwei Paar Spalten, dieselben, welche wir schon früher bei Gelegenheit
der allmählichen Ausfaltung des reifen Tieres bemerkten und nichts
anderes sind als Intercellularräume, die durch Auseinanderrücken
von Zellen schon vor der Einfaltung des Kopfes vorn in dem Gewebe
ihren Ursprung nehmen. Auch die Kopfhöhle modifiziert sich etwas.
Sie behält nicht die anfänglich vollkommen röhrige oder sackartige
Form bei, sondern teilt sich, sobald die Einstülpung etwas tiefer
geworden ist, (aber noch bevor die Vorwölbung des Scheitels konstant
wird), in zwei Abschnitte, einen vordem und einen hintern, und
zwar dadurch, dass sie sich hinter der Mitte, also mehr dem Scheitel
zu, infolge einer ringförmigen Vorwölbung der Wand, etwas einengt.
Durch diese Ringwulst wird natürlich der Scheitel zum grossen Teil
überdeckt (Fig. 4) und schhesslich vollständig überwölbt. Bei den
Ein- und Ausschiebungen des Scheitelzapfens verwischt sich freilich
dieser Ringwulst manchmal mehr oder weniger; er verschwindet
gelegenthch sogar vollständig, aber das Vermögen seiner sofortigen
Wiedererzeugung (durch stellenweise Kontraktion der Ringfasern
und Spindelzellen) ist immer vorhanden.
Während dieser Vorgänge geschieht nun auch die Entwicklung
der Haken, nnd zwar in einer Weise, die im wesentlichen mit dem
übereinstimmt, was wir in dieser Beziehung von den echten Finnen
wissen^). Eben nachdem die Einrandung der Körperspitze begonnen
hat und noch nicht zu grösserer Tiefe vorgeschrittsn ist, da erscheint
auf der vordem Fläche des Cysticerkoidenkörpers im Umkreise der
Grube eine grosse Menge sehr kleiner, schwach gebogener Spitzen,
welche ihre Konkavitäten sämtlich nach aussen wenden, aber, soweit
sich das bei der grossen Menge entscheiden lässt, nicht in Reihen
1) L. c. (Centralbl. f. B. u. P.) p. 8.
2 Vergl. Leuckart, 1. c. p.437ff., 445/46.
96 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
angeordnet sind. Bei der weiter fortschreitenden Einfaltung geraten
diese Spitzen, obzwar anfangs sämtlich aussen auf der Oberfläche
gelegen, zum grossen Teile natürlich in die Kopfhöhle hinein,
und zwar grösstenteils wieder in den vordem Abschnitt derselben,
über den Ring-wulst. Auf dem Scheitel oder, vor dessen Vorwölbung,
auf dem Grunde der Einsenkung, woselbst Grassi u. Rovelli die
Spitzen in derselben Menge und gleicher Ausbildung wie vorn
fanden i), habe ich nur selten, und dann nur sehr wenige überaus feine
Spitzen bemerkt, niemals aber auf dem Ringwulst, wo auch Grassi
u. Rovelli sie vermissten. Wahrscheinlich fallen auch die unter-
halb desselben befindlichen Spitzen, wenn sie zur Ausbildung gelangen,
rascher ab als die übrigen, welche ja bekanntlich ebenfalls nicht
lange nach ihrem Entstehen wieder verloren gehen, bis auf die
wenigen, in diesem Falle zehn, welche zu den grossen Bandwurm-
haken auswachsen. Dieselben hegen, nachdem die übrigen abgefallen
sind, in einfacher Reihe und gleichen Abständen von einander un-
mittelbar über der Ringwulst, je nach der Weite besonders des
untern Teiles der Kopfhöhle, welche je nach der Stellung des Kopf-
zapfens verschiedentlich wechselt, etwas über oder unter der Mitte
(Fig. 4). Ihre Spitzen, welche den eigentlichen Hakenteil, die Kralle
des spätem Hakens repräsentieren, sind nach oben und aussen
gekehrt und schieben sich infolge des raschen Wachstums am Grunde
immer weiter in dieser Richtung vor. Sie sind hohl, tutenförmig,
doch ist eine papillenartige Erhebung oder ein direkter Zusammen-
hang mit den kleinen runden Zellen, welche unmittelbar unter ihrem
Grunde liegen und bis nahe an die Höhlung heranreichen, nicht
nachweisbar. Dass die Haken Kutikularbildungen sind und die
Kutikula auch die Innenfläche der Kopfhöhle auskleidet, braucht
kaum erwähnt zu werden. Ebenso selbstverständlich ist es, dass
beim Vortreten des Scheitels die Haken an die äussere Seitenfläche
des Kegels treten und ihre Spitzen dabei allmählich nach unten
senken, bis schhesslich die endgültige Form des Kopfes resultiert.
Der lange hintere Wurzelfortsatz bildet sich zuletzt. Manchmal,
wenn auch selten, findet man Haken von ganz absonderlicher Form.
Sie sind fast vollkommen ausgebildet, aber ihre Spitze ist in entgegen-
gesetzter Richtung umgebogen. Auch Mräzek hat Tiere mit
derartigen Haken gefunden und die Hakenform abgebildet 2), doch
kann ich dieselben nicht für normale Bildungen halten, wohl aber
als einen Beweis für die grosse Biegsamkeit und anfängliche
Weichheit der Hakensubstanz.
Aber nicht nur an und auf der Aussenfläche des vordem
Körperpols gehen grosse Veränderungen vor sich. Auch im Innern,
in dem der Einfaltungsstelle benachbarten Gewebe schreitet die
Entwicklung rüstig vorwärts. Gleichzeitig mit der Kopfbildung,
sehr bald nach der Entstehung der Kopfhöhle sieht man in den
1) L. c. Tafel I, 11; II, 6, 8.
2) L. c. Nr. 2, Tafel 1.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 97
seitlichen Partien des vordem Körperabschnitts die peripherischen
Zellen sich strecken nnd radiär, also senkrecht zur Kutikula, sich
anordnen. Dicht gedrängt liegen sie pallisadenartig nebeneinander
(Fig. 4), Es ist die Anlage der Saugnäpfe, die wir vor uns haben.
An derselben beteiligen sich somit nicht bloss die schon früher uns
bekannt gewordenen Spindelzellen, sondern auch die zwischen ihnen
gelegenen peripherischen, kleinen Zellen. Diese sowohl, wie auch
die Spindelzellen strecken sich mehr und mehr (Fig. b) — sie liefern
ja späterhin die Radiärmuskeln der Saugnäpfe — und allmählich
so stark, dass sich die betreffenden Stellen buckeiförmig nach aussen
vorwölben. Die Saugnäpfe entstehen mithin nicht wie bei den
Blasenwürmern innerhalb der Kopf höhle, in umgestülpter Lage,
sondern ausserhalb und etwas unterhalb derselben gleich in ihrer
späteren normalen Haltung, ebenso wie Grassi u. Rovelli dies
auch gefunden haben.
Nicht so klar ersichtlich wie die Bildung der Saugnäpfe ist die
Entstehung des Rostellums, ein Vorgang, der — wie schon die
anatomischen Verhältnisse erwarten lassen — vollständig von dem
abweicht, was Grassi u. Rovelli bei der T. elliptica darüber an-
geben i). Der vordere Rostellumsack erscheint zugleich mit dem
Auftreten der zahlreichen Kutikularspitzen auf der vorderen Fläche,
also gleich nach Beginn der vordem Einfaltung. Seiner Entstehung
scheint, wie dies auch aus seiner Beschaffenheit und Lage begreiflich
ist, eine Aushöhlung des ganzen vordem Körperabschnitts vorher-
zugehen. An Exemplaren, welche noch keine Einfaltung des vordem
Körperendes zeigen, aber unmittelbar davor stehen, sieht man
nämlich im Innern oftmals ein deutliches Auf- und Nieder strömen
einer glänzenden Körnermasse, der anscheinend auch Zellen bei-
gemischt sind, derselben Masse, welche wir früher als Inhalt des
Rostellumsackes kennen gelernt haben. Und dieses Strömen ist
keineswegs nur auf kurze Strecken beschränkt, sondern lässt sich
mitunter durch die ganze vordere Partie des Tieres verfolgen, bis
gegen den schon lange bestehenden hintern Hohlraum hin, welchen
wir zum Unterschied von dem vordem jetzt den ,, primären" nennen
wollen. Es muss sich also der ganze vordere Körperabschnitt aus-
gehöhlt haben — was sich auch späterhin völlig bestätigt — und zwar
allem Anschein nach dadurch, dass sich die centralen Zellen lockerten
und teilweise verflüssigten. Für die spätere Einfaltung der Körper-
spitze ist dieser Vorgang von grosser Wichtigkeit, denn ohne ihn
würde dieselbe unmögHch sein. Auf ein solches Hohlwerden deuten
auch die unregelmässigen Hohlräume hin, welche nach der Ein-
stülpung öfters im Innern auftreten und vielmals blasenartig, oft
mehrere nebeneinander, mit einer stark lichtbrechenden, rötlich
schimmernden Flüssigkeit erfüllt sind. Der vordere RosteUarsack
entsteht nun dadurch, dass die unterhalb des Scheitels gelegene
Höhlung von Zellen umwachsen wird und den grössten Teil der
1) L. c. p. 13 ff.
Arch. f. Naturgescli. Jahrg. 1894.
98 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
verflüssigten Bindesubstanz in sich einschliesst. Gleichzeitig mit ihm
legt sich auch die äussere Bekleidung des Rostellums an, doch tritt
die sackartige Beschaffenheit derselben zunächst nicht so auffällig
zu Tage wie beim ausgebildeten Tänienkopfe, da sie ja in dieser
spätem massiven und engen Form ein Zurückziehen des Kopfes
unmöglich machen würde. An lebenden Tieren ist auf den früheren
Entwicklungsstufen das Vorhandensein der äussern Rostellumwandung
überhaupt kaum zu erkennen und nur auf Schnitten mit Sicherheit
zu konstatieren. An solchen ist auch ihre Entstehungsweise deutlich
zu erkennen. Die Bildung geht von einem am Grunde des spätem
Sackes gelegenen, centralen Zellkomplexe aus (Fig. b), dessen äussere
Zellen, sich streckend und aufwärts richtend, mit andern darüber
gelegenen in Zusammenhang treten und mit diesen sich zu einem
weiten und dehnbaren, unten geschlossenen, nach oben offenen Sacke
verbinden, dessen Ränder, wie schon früher bemerkt, an der Grenze
zwischen Nacken und Saugnäpfen in die Körperwand übergehen.
Dass auch die Entstehungsweise des vordem Rostellumsackes sehr
ähnlich ist — nur insofern verschieden, als die Zahl der sich dabei
beteiligenden Zellen viel geringer ist — , Hess sich nach den Schnitten
mit grösster "Wahrscheinhchkeit vermuten, doch nicht mit absoluter
Sicherheit feststellen.
Mit der Bildung des vordem Rostellums gehen aber noch zwei
weitere Differenzierungen Hand in Hand. Zunächst gewinnt das
seitlich von ihm liegende Gewebe allmählich eine ausserordentlich
dichte, fast homogene Beschaffenheit, sodass das Rostellum in seiner
ganzen Länge wie von dicken Muskelbacken begrenzt erscheint.
Man könnte dieselben, wenn man nicht darunter die Saugnäpfe
sähe, fast für diese selbst in Anspruch nehmen. An manchen
Exemplaren bemerkt man aber schon jetzt, dass diese Masse, obwohl
sie sich nur schwer in einzelne Zellenelemente auflösen lässt, in
mehrere, allerdings nicht deutlich zu sondernde ringförmige Gruppen
zu zerfallen scheint. Auf Längsschnitten wird solches noch
deutlicher; man erkennt dann, dass die ganze Masse in drei Paar
von Zellgruppen sich auflöst, die (Fig. b) seitlich zur Kopfhöhle
oder bei vorgestrecktem Scheitel seitlich vom vordem Rostellum
hintereinander liegen, einen etwas schrägen Verlauf einhalten und
die optischen Durchschnitte ebensovieler ringförmiger Zellaggregate
darstellen. Ein vierter schwächerer Zellring ist in der Mitte dicht
unter dem Scheitel, also im Rostellum selbst gelegen. Die innern
Grenzen desselben machen sich am lebenden Tiere durch zwei von
der Scheitelspitze nach innen in schwachem Bogen auf einander zu-
laufende Linien bemerkbar, welche, da sie auch einen Teil der
körnigen Protoplasmamasse des Rostellums einschliessen, fast wie
die Grenzen eines dritten, vordersten und kleinsten Rostellarsackes
aussehen. Diese ringförmigen, hintereinander liegenden Zellaggregate
sind es, welche späterhin in dem Tänienkopfe jene ringförmig
geordneten, stark ausgebildeten Längsmuskeln des Rostellums liefern.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 99
Die zweite Differenzierimg, welche mit der Bildung des Rostellums
Hand in Hand geht, ja sogar mit ihr in direkter Verbindung steht,
ist die Anlage des Nervensystems. Gleich von vornherein will
ich bemerken, dass ich mich betreffs dieses Punktes, bekanntlich
des schwierigsten und „kitzlichsten" in der ganzen Cestodenkunde,
zu einer Annahme gedrängt sehe, welche in mancher Beziehung
ausserhalb des Rahmens der bis jetzt über das Nervensystem der
Tänien bekannten Thatsachen steht. Darin stimmen meine
Beobachtungen mit den übrigen und mit denen von Grassi u.
Rovelli überein, dass das Nervensystem unmittelbar am Grunde
des Rostellumsackes gelegen ist, ja sich mit diesem anscheinend
sogar im Zusammenhang befindet i). Unsere Tänie aber besitzt zwei
Rostellarsäcke — an welchem ist nun das Nervensystem gelegen?
Unter dem vordem Rostellarsack sieht man, besonders bei vor-
gestrecktem Scheitel, an lebenden Tieren sowohl wie an Schnitt-
präparaten kleine runde Zellen mit Kernen, welche ohne eine
bestimmte erkennbare Anordnung bei einander liegen, in einigen Fällen
aber auch in zwei nebeneinander liegende Gruppen getrennt erschienen
(Fig. b). Aber auch am Grunde des hintern Rostellums liegen, wie
Fig. b ebenfalls zeigt, unterhalb der den Sack bildenden gestreckten
Zellen derartige Zellen, Beide Male scheinen dieselben auch im
Zusammenhang mit dem betreffenden Rostellarsack zu stehen, insofern
nämlich, als sie vorn wie hinten die untern Zellen eben jenes Zell-
komplexes bilden, von welchem, wie erwähnt, die Bildung der
Rostellarsäcke ausgeht. Nach den bis jetzt uns bekannten Ver-
hältnissen würde man von vornherein nur die unterhalb des äussern
Rostellarsackes gelegenen Zellen als die Anlage des Nervensystems
annehmen können. Schnitte durch den ausgebildeten Tänienkopf,
welchen ich zum Vergleich und zur Entscheidung dieser Frage
heranzog, sowie Färbungen desselben mit Methylenblau haben mich
jedoch überzeugt, dass ganz entschieden auch die unterhalb des
vordem und — das ist das Auffällige — innerhalb des äussern
Rostellarsackes gelegene Zellengruppe ein Nervencentrum repräsentiert.
Sowohl zu den Seiten des vordem, wie auch am Ende des hintern
Sackes findet man nämhch auf Schnitten innerhalb eines blassen,
granulösen, manchmal maschigen Protoplasmas eine grosse Zahl sehr
dunkel gefärbter Kerne (die Objekte wurden mit Hämatoxylin gefärbt,
in Sublimat konserviert). Beide Stellen sind von dem benachbarten
Gewebe deutlich unterschieden und in ihrem Aussehen unter sich
vollkommen gleich: es bleibt nichts andres übrig — denn auch die
Färbungen mit Methylenblau geben dasselbe und zwar ein sehr
schlagendes Resultat - , als beide Stellen als Sitz eines Nerven-
centrums und beide Zellgruppen als Gruppen von Ganglienzellen
anzuerkennen. Formen mit zwei Rostellarsäcken sind bisher auf diese
Verhältnisse noch nicht untersucht worden. Dahingegen hat
Zschokke bei zwei Arten mit einfachem Rostellum, welche auf-
^) Grassi u. Rovelli, 1. c. p. 19.
100 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
fälligerweise in ihrem sonstigen anatomischen Bau unserer T. anatina
sehr nahe stehen, bei der T. diminuta Rudolphi und T. relicta
Zschokke, innerhalb des Rostellums Ganglienzellen zu bemerken
geglaubt und bei der T. relicta sogar zwei Kommissuren, eine obere
unter der Scheitelspitze und eine untere unterhalb des Rostellums
nachgewiesen 1), sodass schon auf Grund dieser Thatsachen die aus-
gesprochene Auffassung sehr viel von ihrer anfänglichen Unwahr-
scheinlichkeit verliert. Ob man bei dem Cysticerkoiden schon von
einem peripherischen Fasersystem reden kann, scheint mir fraglich.
Allerdings gerät man manchmal in Versuchung, besonders den unter-
halb des vordem Sackes gelegenen Ganglienzellen ein deutliches,
verästeltes Fasernetz zuzuschreit)en, das von ihnen ausgehend sowohl
nach vorn um den Rostellumbulbus, als auch nach hinten in zwei
verzweigte Stränge sich fortsetzt. Doch lässt sich zwischen diesen
Zellen und den genannten Fasern niemals ein direkter Zusammenhang
konstatieren. Ein derartiges fasriges Strangsystem sieht man auf
einem gewissen Stadium, nämlich gleich nach dem Sichtbarwerden
des Rostellums, ausserordentlich häufig und mit ausserordentlicher
Deutlichkeit. Doch ist es immer nur sichtbar, wenn der Scheitel
nach vom gestreckt ist, und es scheint mir darum wahrscheinlicher,
dass dieses in der That ausserordentlich nervenähnliche Netzwerk,
in dem man hin und wieder auch einige wenige Zellen gewahrt
(Fig. b), als eine blosse Ausfüllung der Rüsselhöhle zu betrachten
und jenem Netzwerk an die Seite zu stellen ist, welches wir früher
als Ausfüllung des primären Hohlraums kennen gelernt haben, zumal
auch dieses ganz den nämlichen Typus zur Schau trägt. Im Gegen-
satz zu Grassi u. Rovelli, welche bei dem Cysticerkoiden der
T. elliptica die vollständige Ausbildung und Verzweigung des Nerven-
systems beobachtet nnd abgebildet haben^), können wir deshalb bei
unserm Cysticerkoiden nur von einem sehr rudimentären Nerven-
system reden, das durch zwei Gruppen von Ganglienzellen unterhalb
des vordem und hintern Rostellarsackes repräsentiert ist und auch
bei der späteren Ausreifung unseres Tieres kaum weiter sich aus-
bildet.
So sind wir nun, nachdem wir die einzelnen Organe des reifen
Cysticerkoiden sich haben anlegen sehen, soweit gelangt, die völlige
Ausreifung des Wurmes, deren einzelne Phasen sich schon jetzt
zum grössten Teil voraussehen lassen, verfolgen zu können. So rasch
die Anlage aller dieser Gebilde erfolgt und fortschreitet, so rasch,
für den Beobachter fast verblüffend rasch, erfolgt auch die vollständige
Ausreifung unseres Cysticerkoiden. Dass die Entwicklung bald ein
Ende erreicht hat und der Reife entgegenführt, giebt sich am ersten
und deutlichsten dadurch kund, dass der Cysticerkoid allmählich seine
charakteristische Gestalt anzunehmen beginnt. Natürlich ist es, wie
^) Zschokke, Recherches sur la structure anatomique et histologique des
Cestodes, Geneve 1888: p. 67, 82 u. Fig. 28.
2} L c. p. 25, Tafel H, 13; m, 26, 27.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 101
wir wohl längst schon erkannt haben, die ausgestreckte, ausgefaltete
Form, in die er zunächst übergeht. Und zwar geschieht dieser Ueber-
gang weniger durch ein weiter fortschreitendes Längenwachstum, wie
man vielleicht glauben könnte — dieses hört im Gegenteil schon vor
Ende der Entwicklung fast ganz auf, nur der Schwanz streckt sich
noch in die Länge — als vielmehr dadurch, dass sich das Tier,
welches sich lange Zeit hindurch noch ganz beliebig zusammenzog
und einschnürte, jetzt an ganz bestimmten Stellen kontrahiert und
diese Einschnürungen dann immer konstanter beibehält. Aber eben
mit dieser Beschränkung der Einschnürungen auf bestimmte Partieen
des Körpers und dem Konstantwerden derselben ist stellenweise noch
eine Verschmächtigung, ein Längerwerden — ohne eigentliches Wachs-
tum — verbunden. Dies tritt mit besonderer Deutlichkeit an dem
den Hals liefernden Teile hervor, welcher vorher kaum als ein be-
sonderer Körperabschnitt zu erkennnen war, jetzt aber infolge der
Einschnürungen an seinen Enden sich nicht nur deutlich von den
Saugnäpfen, die sich dann noch stärker hervorwölben, und von der
Cyste abhebt, sondern auch bedeutend länger und schmächtiger wird.
Dadurch dass sich jetzt auch der Schwanz von dem übrigen Körper
schärfer absetzt und zuletzt sogar seine Ansatzstelle ebenfalls ein
Stück eingefaltet wird, hebt sich auch die Cyste mit ihrem Hohl-
raum als scharf gezeichnetes Glied von dem übrigen Körper ab, und
das um so mehr, als Aehnliches auch von dem Hinterkopf gilt. Dass
der Hohlraum der Cyste und ebenso seine spaltartige Fortsetzung
in den Hals hinein dem alten „primären" Hohlraum entspricht, der
schon in der ersten Entwicklungsperiode sich nachweisen liess, braucht
kaum erwähnt zu werden. Fast sieht jetzt der Cysticerkoid wie ein
völlig reifes Tier aus; denn auch der Kopf nimmt von nun an immer
häufiger eine gestreckte Haltung an, sodass er nur noch selten in
zurückgezogenem Zustande gefunden wird. Nur die unfertigen Haken,
denen noch die Wurzelfortsätze fehlen, sowie die geringe Zalil von
Kalkkörperchen, welche jetzt erst, nach der Anlage sämtlicher Organe,
sich zu bilden beginnen, verraten noch die Unreife des Tieres. Auch
die Kutikula der Cyste ist noch nicht in ihrer spätem Dicke vor-
handen, zunächst kaum dicker als an den andern Körperteilen. Die
Kalkkörperchen, welche bei der T. elliptica schon im „zweiten Stadium"
vor Anlage der Organe sich bilden, entstehen bei unserm Wurme
also viel später. Einmal vorhanden, vermehren sie sich aber rasch,
bleiben aber gewöhnlich, wie bekannt, auf den Hals beschränkt. Nur
selten findet man deren zwischen den Saugnäpfen, noch seltener
(von mir nur in einem Falle beobachtet) im Schwänze. Die Saug-
näpfe, welche infolge ihrer fortschreitenden Vorwölbung das zwischen
ihnen liegende Gewebe natürlich stark gedehnt und ausgehöhlt und
dem Hinterkopfe dadurch zugleich die Möghchkeit der Einfaltung
geschaffen haben, sie erhalten jetzt auch binnen kurzer Zeit den
dichten Besatz von Kutikularhäkchen. Ihre gewölbte Form behalten
sie beständig; eine napfartige Einziehung, wie sie Grassi und
Rovelli für ihre Form als „Ruhelage" der Saugnäpfe konstatiereuj
102 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
findet sich bei unserer Finne niemals ; sie würde eine Einfaltung des
Küsseis auch unmöglich machen i). Zugleich mit der Entstehung der
Kalkkörper und des Häkchenbesatzes auf den Saugnäpfen, hat sich
auch der Hakenapparat vollständig ausgebildet. Niemals sieht man
nach dessen Entwicklung den Kopf noch in eingefalteter, umgekehrter
Lage; er behält von jetzt an die normale, aufrechte Haltung mit
den nach hinten gerichteten Hakenspitzen konstant bei, und in dieser
Haltung faltet er sich auch ein: der Cysticerkoid faltet sich ein —
er ist fertig. Die Einfaltung bildet also, das ist unser Endergebnis,
den Schluss des Ganzen. Sie findet während der Entwicklung nicht
willkürlich statt, wie Mräzek meint, sie erfolgt auch nicht, wenigstens
nicht bei unsrer Form, vor der Ausreifung, welche dann erst im
Innern stattfindet, wie Grassi und Rovelli für die T. elliptica an-
geben, sondern sie ist das sicherste Zeichen, dass die Entwicklung
zu Ende, der Cysticerkoid reif ist. Nur die Ausscheidung der dicken
Kutikula findet während und nach der allgemeinen Einfaltung noch
statt, gleichsam als eine weitere, zweite Umhüllung und Einkapselung
— zum Schutze während der langen Ruhezeit, die des Cysticerkoiden
möglicherweise im Leibe des Zwischenwirts harrt.
Zwei grosse Abschnitte oder Perioden waren es, welche wir in
der Entwicklungsgeschichte des Cysticerkoiden unterschieden hatten:
die Epoche des allseitigen Wachstums und die des Längenwachstums.
Ein Ueberblick über dieselben und eine kurze Zusammenfassung
der Ergebnisse zeigt uns, dass wir innerhalb jeder dieser Epochen
wiederum drei Zeitabschnitte und ihnen entsprechend drei Ent-
wicklungsstadien unterscheiden müssen: während der ersten Periode
1. den wandernden Embryo, 2. die massive, 3. die hohle Keimkugel,
während der zweiten Periode 1. das Stadium, in welchem die Anlage
der wichtigsten vegetativen und animalischen Organe geschieht (Ex-
cretionsgefässsystem, Ringmuskeln, Spindelzellen), 2. das Stadium,
in welchem die Ausbildung speciell des vordem Abschnittes und
die Entstehung der spätem Haftorgane erfolgt (Kopf, Saugnäpfe),
3. das Stadium der Ausreifung (Formgebung, Einkapselung). Ausser-
dem ergiebt sich, dass wir in der Entwicklungsgeschichte unseres
Cysticerkoiden zwei Einfaltungsprozesse unterscheiden müssen, die
Einfaltung des vordem Körperendes behufs Bildvmg des Kopfes und
die lediglich dem Schutze dienende allgemeine Einfaltung des vordem
Körperabschnitts in den hintern, zwei Prozesse, welche also eigentlich
gar nichts miteinander zu thun haben, bei den Finnen der Blasen-
bandwürmer jedoch in einen Akt zusammenfallen.
Inbezug auf die erste Anlage des Kopfes gilt also nach dem
gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse für alle Finnen der gleiche
Entwicklungsmodus: bei Cysticerken sowohl wie bei Cysticerkoiden ent-
^) Der Cysticerkoid der T. elliptica verhält sich in dieser Beziehung anders,
da die Einziehung bei ihm auf eine viel einfachere "Weise, nämlich durch fort-
schreitende Vertiefung der Kopfhöhle erfolgt.
iiud der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 103
steht der Kopf in einer Einstülpung „gleichsam umgekehrt". Inbezug
auf die Entwicklung des übrigen Körpers mit Einschluss der Saug-
näpfe und des Halses, weichen jedoch beide Gruppen, soweit wir von
ihnen sichere Kunde haben, von einander ab: bei den einen, den
Cysticerken, entwickeln sich die letzteren wie der Scheitelteil des
Kopfes ebenfalls in eingestülpter Lage innerhalb der ,, Schwanzblase",
bei den andern, den zwei in dieser Beziehung bis jetzt allein be-
kannten Cysticerkoiden, jedoch ausserhalb der „Cyste" in normaler
Haltung. Innerhalb dieser Cysticerkoiden selbst können wir aber
schon jetzt zwei verschiedene Typen unterscheiden, als deren Re-
praesentanten wir eben die T. elliptica und die T. anatina ansehen
müssen: die T. elhptica als Typus für gewisse, wahrscheinlich kurz-
rüsselige cysticerkoide Tänien, deren Saugnäpfe sich schon früh in
die Kopfhöhle einsenken, sodass die Haltung derselben die Ver-
hältnisse der echten Finnen wiederholt — die T. anatina, der Re-
präsentant gewisser langrüsseliger und langhalsiger Formen, deren
Kopf nach der Einfaltung aufrecht und in gewöhnlicher Haltung in
der Cyste gelegen ist. Dies das vorläufige Ergebnis und der vor-
läufige Stand unserer Kenntnisse. Ob es auch noch andere „Typen"
giebt, ob sich der Scolex auch innerhalb der Cyste und sogar in
aufrechter Haltung entwickeln kann, wie dies Grassi und Rovelli
für die T. murina und Hamann für seine noch unbestimmte Form,
allerdings beide nur auf Grund wenig abgerundeter und wenig sicherer
Beobachtungen, behaupten — wer weiss es? Bei der augenscheinlich
ganz ausserordentlichen Mannigfaltigkeit der Formen und bei den
ungeahnten, überraschenden Resultaten, die wir schon jetzt gewonnen
haben, würde es gewagt sein, schon jetzt auf diese Fragen Antwort
zu geben und die gewonnenen Resultate ohne weiteres zu verall-
gemeinern.
Anders in vergleichend - anatomischer Beziehung. Schon jetzt
können wir, auf Grund der Entdeckung der Endblase des Excretions-
gefässsystems in der Schwanzspitze durch Leuckart, wohl mit
Sicherheit behaupten, dass der Schwanz der Cysticerkoiden, welcher
ja aus den verschiedensten Gründen ohnehin schon als in Rückbildung
begriffen angesehen werden muss, bei den Cysticerken in die Bildung
der ,, Schwanzblase" eingeht, dass mithin auch die ,, Cyste" der
Cysticerkoiden der „Schwanz"blase der Cysticerken morphologisch
nicht in jeder Hinsicht gleichwertig ist, was ja auch schon aus der
Kopfbildung hervorgeht. Von einem ,, Verlorengehen" des Schwanzes,
welche Möglichkeit ja früher noch offen stand und auch von Grassi
und Rovelli 1) noch erwogen wird, kann streng genommen (vom
morphologischen Standpunkte aus) keine Rede mehr sein. Noch
helleres Licht über das Wesen der Schwanzblase wie überhaupt des
Finnenleibes verbreitet die Thatsache, dass beide Pole der Schwanz-
blase, unserer hohlen Keimkugel, anfänglich offenbar gleichwertig
und gleich entwicklungsfähig sind: eine Vergleichung der Cysticerken
1) L. c. (Centralblatt f. B. u. Pkde.) p. U.
104 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
und des Cysticerkoiden aus Arion^) mit den bekannten geschwänzten
Cysticerkoiden ergiebt ohne weiteres, dass jeder der beiden Pole die
Produktion des Kopfes übernehmen kann — ein Umstand, der uns
auch das Verständnis der merkwürdigen Coenurus- und Echinococcus-
formen etwas näher rückt. Ob freiHch bei den gewöhnlichen ein-
köpfigen Finnen auch andere, seitliche Stellen der Hohlblase diese
Fähigkeit besitzen (das Vermögen einer derartigen Einfaltung besitzen
sie ja, wie wir aus der Kontraktionsfähigkeit unserer Form gesehen
haben), darüber fehlen sichere Angaben noch, wenn auch einige
Beobachtungen darauf hinzuweisen scheinen^). — Für weitergehende
Kombinationen halte ich die Zeit noch nicht für gekommen — auch
die spekulativen Betrachtungen Grassjs und Rovellis erweisen sich
in mehrfacher Hinsicht als übereilt und ungenügend begründet.
Die Vorgänge nach dem Uebertritt des Cysticerkoiden
in den Darm der Ente sind von mir nicht experimentell verfolgt
worden.
Eine darauf gerichtete Untersuchung würde in ihren Haupt-
ergebnissen doch nur eine Bestätigung dessen bringen, was wir bei
ähnlichen Experimenten schon längst in Erfahrung gebracht haben 3),
und dessen, was wir bereits geeigneten Orts aus dem Vergleich der
Finne mit der Tänie selbst erschliessen konnten (vergl. hierzu
S. 73, 77, 98, 100). Dass aber die Weiterentwicklung unseres
Cysticerkoiden im Darm der Ente zu dem als T. anatina Krabbe
bekannten Bandwurm wirklich erfolgt, darüber ist kaum ein Zweifel
gestattet. Dass übrigens der Scolex, welcher ja allein in die
Bildung des Bandwurmes eingeht, nach seinem Uebertritt in den
Entendarm noch beträchtlich wächst, zeigen mit grösster Deutlichkeit
seine späteren Dimensionen: Breite des Kopfes 0,14 — 0,15 mm, Länge
des vordem Rostellarsackes 0,16 mm, Länge des hintern bei ge-
wöhnlicher Streckung 0,50 mm, grösste Breite zwischen den (im
Tode eingestülpten) Saugnäpfen: 0,55 — 0,60mm. Ganz besonders
ist es demnach das hintere Rostellum, welches wächst und sich
bedeutend verlängert, gleichzeitig aber auch, da es sich der Ein-
faltung des Rüssels nicht mehr anzuquemen braucht, etwas verengt.
Dass die Muskulatur der Rostellen, sowie das Nervensystem erst
in der Ente zur vollen Ausbildung gelangen, wissen wir schon
(s, Seite 98 u. 100). Das Hakenpolster verwächst dabei zu einer
geschlossenen Scheiteldecke.
„Durch Verlängerung und Gliederung des Halsteils" ^) entwickelt
sich schliesslich ein Bandwurm, dessen Länge nach den Exemplaren,
die mir und Krabbe zu Gesicht gekommen sind, bis 20 cm, nach
Exemplaren, die Krabbe in Gurlts Sammlung fand^), sogar bis
1) Vergl. hierzu Leuckart, 1. c. p. 457 Anm., 592 u. 826.
-) Leuckart, 1. c. p. 592.
3) Leuckart, I.e. p. 482 ff.
*) Leuckart, 1. c. p. 485 Anmerkung.
'S) Krabbe, 1. c. m. 43.
und der anatomische Bau der Taeuia anatina (Krabbe). 105
30 cm beträgt und dessen Breite 2 — 3 mm erreicht. Die Zahl seiner
Glieder, welche sich wegen der bedeutenden Kürze derselben in den
vordem Partien nur schätzen lässt, mag nach den ungefähren
Zählungen, die ich an verschiedenen Exemplaren vorgenommen habe,
bei den längsten Tieren wohl 2000 und darüber betragen. Das von
mir auf Schnitten untersuchte Exemplar hatte bei einer Länge von
7 cm etwa 650 Glieder, war also noch ziemlich jung. Vorn ist der
Wurm fadendünn, ganz allmählich aber nimmt er an Breite zu und
erreicht seine grösste Breite, etwa 0,5—1 cm vor dem Ende. Dieselbe
betrug bei dem oben erwähnten jungen Exemplar 1,4 mm, die
mittleren Glieder waren 1 — 1,2 mm breit, aber nur 0,10 — 0,11 mm lang,
also gerade zehnmal breiter als lang. Nur nach hinten nimmt die
Länge der GHeder etwas zu, aber auch dort beträgt sie nur den
fünften bis sechsten Teil ihrer Breite. Die T. anatina gehört also
zu den ausgeprägt kurzgliedrigen Formen. Die Geschlechtsöffnungen
sind einseitig. Die volle Geschlechtsreife oder, was dasselbe heisst,
der Beginn der Begattung trat bei dem untersuchten Tiere um das
490. Glied ein; etwa 70 GHeder später sah man den Uterus sich
füllen. Das Wachstum des Wurms, welcher am häufigsten den
hintern Teil des Dünndarms bewohnt, scheint sehr rasch zu erfolgen
— ganz kleine Exemplare findet man höchst selten und die voll-
ständig „reifen", näinlich trächtigen Tiere, wie früher erwähnt,
verhältnissmässig häufig.
Die folgenden Blätter sollen als Beitrag zu der noch so wenig
bekannten Anatomie der cysticerkoiden Tänien, den anatomischen
Bau der Taenia anatina in knapper Form zur Darstellung bringen,
da dessen Kenntnis im Interesse einer künftigen rationellen
Systematik und als Ergänzung zu vorHegender Entwicklungsgeschichte
immerhin erwünscht sein möchte.
Gliederform und anatomischer Bau stehen in Wechselwirkung
zu einander — wie bei den menschlichen Tänien, so auch hier: die
Kurzgliedrigkeit ist es, welche dem innern Bau der T. anatina das
Gepräge giebt. Dies spricht sich zunächst aus in der Thatsache,
dass die einzelnen Organe der T. anatina nicht, wie bei den lang-
gliedrigen Tänien, der Länge nach von vorn nach hinten auf ein-
ander folgen, sondern in der Hauptsache von oben nach unten ge-
lagert sind, dass ihr längster Durchmesser also nicht longitudinal,
sondern dorsoventral verläuft, sodass die Organe in den einzelnen
Gliedern mehr zu stehen als zu liegen scheinen. In Wechselwirkung
damit steht der weitere Umstand, dass die Glieder verhältnismässig
höher, resp. dicker sind, als sonst bei den Bandwürmern — ihre
Dicke beträgt die Hälfte ihrer Breite! Infolgedessen tritt auch der
bandartige Charakter unseres „Band"wurms viel weniger scharf
hervor, als etwa bei den meisten übrigen Ententänien (T. sinuosa,
gracilis, malleus) mit Ausnahme von T. coronula. Was sich bei den
langgliedrigen Bandwürmern, etwa den bekannteren menschlichen
Tänien, am übersichtlichsten auf horizontalen Längsschnitten (Flächen-
schnitten) beobachten und darstellen lässt, wird bei unserer T. anatina
106 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
somit am besten auf Querschnitten untersucht und veranschaulicht,
wie Fig. C beweist.
Nur was zum genaueren Verständnis und zur Ergänzung dieser
Figur C dient, soll in folgendem hervorgehoben werden. Wie sonst,
sind auch bei unserer Art die weiblichen Keimdrüsen, Ovarium
(Fig. C, Ov.) und Dotterstock (Dst.), dem Prinzipe nach aus Schläuchen
zusammengesetzt, nur dass diese, eben eine Folge der Kurzgliedrigkeit,
vom Bauche nach dem Rücken, dorsoventral verlaufen. Die Drüsen
selbst jedoch folgen in der Längsrichtung aufeinander: der Dotter-
stock, dessen tubuläre Natur weniger scharf hervortritt, liegt hinter
dem Ovarium, dem hintern Gliedrande angenähert, wird aber von
dem ziemUch umfangreichen Ovarium, dessen Schläuche, acht in der
Regel, halbkreisförmig vor ihm liegen und nach dem Bauche zu
konvergierend zusammenstrahlen, an beiden Seiten umfasst, wie
Fig. C zeigt. Natürlich befindet sich, dieser allgemeinen Lagerung
gemäss, auch der Ausführungsgang des Dotterstocks (Dg.) nicht
ganz auf gleichem Querschnitte mit dem des Ovariums (Fig.),
sondern, in gleicher Höhe mit demselben, hinter ihm. Die Ver-
bindung der weiblichen Organe ist dem Principe nach ganz dieselbe,
wie wir sie zuerst durch Leuckart für die Blasenbandwürmer
kennen gelernt haben, nur dass der sogenannte „Befruchtungskanal"
(Bk.), also die Fortsetzung des mächtigen Receptaculum seminis in
unserm Falle eine verhältnismässig ganz ausserordentliche Länge hat,
indem er an der Stelle, wo er in eine schwache Erweiterung seines
Lumens den Eiergang aufnimmt, nach oben umbiegt und erst nach
mehrfachen Schlängelungen in die Schalendrüse (Schdr.) einmündet.
Auch der Ausführungsgang der Schalendrüse (Af.), welcher die be-
fruchteten Eier dem Uterus (Ut.) zuführt, mündet bei unserer Form
erst nach mehrfachen, ja noch bedeutenderen, auf- und absteigenden
Windungen, welche auf der Zeichnung nur angedeutet werden
konnten, nach vorn in den Uterus, welcher sich, ebenfalls in An-
passung an die kurzen, hohen Glieder, als ein in querer Richtung
verlaufender, nach oben und unten ausbiegender weiter Kanal oder
Sack erweist^). Sämtliche Verbindungskanäle sind verhältnismässig
deutlich zu erkennen und scharf umrissen; ihr Querdurchmesser
beträgt durchschnitthch 0,007 mm. Die Schalendrüse, welche auch
hier in anatomischer Hinsicht das Centrum des ganzen komplizierten
Apparates bildet, ist von annähernd kugeliger Gestalt (Durchmesser
0,05 — 0,06 mm) und besteht aus kleinen, sich nur schwach färbenden
Kernzellen, welche dicht um den sehr engen Innenraum gruppiert
sind — alles von den übrigen Tänien her bekannte Verhältnisse.
^) Dass das Ovarium selbst späterhin als Uterus fungiere und der Aus-
führungsgang der Schalendrüse wieder ins Ovarium zurückführe, was neuer-
dings Diamare [Le funzioni dellovario nella Davainea Tetragoua Molin, Nota
di Vincenzo Diamare, Napoli 1893] von einer Hühnertäuie beschreibt und
für viele Vogeltänien als giltig annimmt — findet auf die T. anatina keine
Anwendung.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 107
Die Eier, welche anfangs den Dotterzellen fast gleich sind, später
aber besonders in ihrer Grösse sehr differieren (Eier: 0,006 mm,
Dotterzellen: 0,003 mm), lassen Kern und Kernkörperchen erkennen.
Von den den Uterus füllenden Eiern sind sie bei oberflächlichem
Zusehn kaum zu unterscheiden; doch kann man bei schärferer
Untersuchung in den Uteruseiern deutlich mehrere Kerne mit Kern-
körperchen erkennen — sie sind, trotz ihrer fast gleichbleibenden
Grösse, in reger Teilung begriffen. Auch erwiesen sie sich, ebenso
wie die Schalendrüse und ihr Ausführungsgang, für Färbungsmittel
(Boraxkarmin) schwerer empfänghch.
Bei der Ueberblickung der männlichen Organe ist zunächst
die Dreizahl der Hoden bemerkenswert, ein Merkmal, welche unsere
Tänie bekannthch mit vielen andern Vogeltänien gemein hat^).
Ihre Lage ist auf der Zeichnung ersichtlich; der auf der rechten
Seite gelegene Hoden (H.) befindet sich, da der Geschlechtsporus
ganz regelmässig etwas vor der Mitte des Gliedes gelegen ist, hinter
der männlichen Samenblase. Auffallenderweise persistieren die
Hoden ausserordentlich lange; selbst auf Schnitten, die ich durch
ältere Glieder legte, als das von mir untersuchte Exemplar sie auf-
wies, waren die Hoden noch in voller Grösse vorhanden. Das Vas
deferens (V. d.), welches ohne weitere Schlängelungen direkt nach
der Geschlechtsöffnung zu verläuft, erweitert sich vor seinem Ueber-
tritt in den Cirrusbeutel (Cb.) zu einer ziemlich weiten und etwas
gewundenen Samenblase (Sbl.); Prostatadrüsen sind nicht vorhanden.
Eine besondere Auszeichnung unserer Tänie ist der inwendig mit
sehr feinen Spitzen besetzte, kurze Präputialsack (Ps.), welcher
innerhalb des Cirrusbeutels dicht hinter dem ebenfalls mit solchen
Spitzchen inwendig besetzten Endstück des Samenleiters, dem sogen.
Cirrus (C), gelegen ist und sich wie dieser bei der Begattung nach
aussen vorstülpt — er vermittelt offenbar die Ueberführung des
Cirrus und des Samens nach der Vagina 2). Die Weite des stark
muskelwandigen Cirrus ist ungefähr gleich der ihm sehr ähnlichen
Vagina oder nur wenig geringer (0,003 — 0,004 mm). Dem bleibt
noch hinzuzufügen, dass die sonst bei den Tänien vorhandene, am
hintern Gliedrande gelegene, weite Queranastomose zwischen den
beiden Längskanälen (Lk.) bei unserer Form fehlt, offenbar infolge
der starken Verkürzung der Glieder; nur eine schwache Ausbuchtung
des weiten Längskanals zeigt sich an ihrer Stelle; hingegen ist das
zweite engere Paar der Längskanäle durch die ganze Gliederkette
hindurch vorhanden. Ihre Lage zu einander, ferner auch die Ver-
teilung der starken Längsmuskelbündel ist auf der Zeichnung er-
sichthch (Lm.).
^) Auch noch ein anderer Entenbandwurm, die T. gracilis, gehört zu dieser
Gruppe.
2) Auch bei der bereits erwähnten T. gracüis der Ente ist er vorhanden,
sogar in noch stärkerer Ausbildung.
108 Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
Was über den histologischen Bau der einzelnen Organe zu
sagen wäre, betrifft Verhältnisse, wie solche sich im wesentlichen
auch bei den übrigen, bekannten Formen finden. Und eben aus
dem Umstände, dass sie in der Hauptsache typischer Natur und in-
folgedessen auch bekannter sind, lässt sich wohl das Recht ableiten,
dass sie in vorliegender Darstellung nicht mit gleicher Ausführlich-
keit behandelt und im folgenden nur noch die für die T. anatina im
besonderen charakteristischen und von den übrigen Tänien weniger
bekannten Verhältnisse hervorgehoben werden. Zwei Punkte er-
scheinen in dieser Beziehung besonders interessant und erwähnens-
wert, das Nervensystem und die Muskulatur betreffend. — Wie auf
der Zeichnung zu sehen, finden sich bei der T. anatina etwa auf
der Grenze zwischen Rinden- und Mittelschicht, in unmittelbarer
Nähe der starken Längsmuskelzüge grosse, multipolare Zellen mit
grossem, hellschimmerndem Kern, dunklem Kernkörperchen und fein
granulösem, hüllenlosem Protoplasma. Sie sind nicht regelmässig
verteilt, aber ziemlich zahlreich, und ihre Ausläufer, gewöhnUch
drei, richten sich konstant den Längsmuskeln zu, mit denen sie in
Verbindung treten. Ihr Aussehen V) und diese ihre Beziehung zur
Längsmuskulatur lässt es kaum zweifelhaft erscheinen, dass wir
es hier mit Ganglienzellen (Gz.) zu thun haben, analog denen,
welche im Körperparenchym der Trematoden nachgewiesen worden 2),
bei den Cestoden aber noch nicht beobachtet sind, wenn nicht, was
nach dem Wortlaute der Beschreibung sehr wahrscheinlich ist, jene
multipolaren Zellen auf sie gedeutet werden müssen, welche Schiefer-
decker im Bindegewebe der grossen Tänien auffand und auch
Leuckart (1. c. p. 356) erwähnt. Einen Zusammenhang mit den von
den zwei Hauptstämmen sich abzweigenden Nebennerven konnte ich
freilich nicht erkennen, nach verschiedenen Wahrnehmungen jedoch
als wahrscheinlich vermuten; sicher ist, dass auch in den Längsnerven-
stämmen selbst und in ihrer unmittelbaren Nähe ähnliche Zellen
vorhanden sind, nur, besonders in den Längsstämmen, sehr viel kleiner
als die genannten. —
Betreffs der Muskulatur muss ich die Beobachtung Ferdinand
Schmidts 3) bestätigen, welcher, nach dem Vorgange von Pintner
und Hamann, das Vorhandensein von Myoblasten auch in der
Cestodenmuskulatur behauptet. Auch bei der T. anatina habe ich,
besonders schön in jüngeren GHedern, die Sagittal-(Dorsoventral)-
muskelfasern in der Form von einfachen, sehr lang ausgezogenen,
spindelförmigen Zellen mit Kernen beobachten können. Selbst an
den Quer- und Längsmuskeln konnte ich, wenn auch nur an einzelnen
^) Niemic bildet in seinen „Untersuchungen über das Nervensystem der
Cestoden" aus dem Nervencentrum der Ligula eine Zelle ab, welche denen
unserer T. anatina vollständig gleicht (Tafel II, 2).
-) Leuckart, 1. c , 2. Abteilung (Trematoden) p. 25, 26,
^) Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger
Cestoden, Zeitschr. f. wisssch. Zoologie, ßd. 46, 1888.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). 109
Stellen, das Vorhandensein kernhaltiger Myoblasten in Gestalt von
Ausbuchtungen an der Muskelfaser konstatieren. Ausser den Längs-,
Quer- und Sagittalmuskeln waren bei meiner Tänie in der Rinden-
schicht, zwischen der Subcuticula und der starken Längsmuskulatur,
auch schräg in der Horizontalebene nach rechts und links verlaufende
Faserzüge bemerkbar, welche einander rechtwinklig kreuzten, aber
nur eine dünne, gitterartige Lage bildeten und nicht zu grösseren
Bündeln vereinigt waren. —
Die T. anatina in die Reihe der übrigen bekannten cysticerkoiden
Tänien einzughedern, ist bei dem gegenwärtigen Stande unserer
Kenntnisse noch kaum möglich. — Jeder, der sich mit dem vor-
liegenden Gebiet beschäftigt hat, weiss und fühlt es, wie vieles, vieles
darin noch seiner Bearbeitung und Aufklärung harrt. Gerade an-
gesichts dieser Thatsache aber erachte ich es als eine um so
dringendere Pflicht, hier am Schlüsse Herrn Geheimrat Leuckart,
dem wir ja die Erschliessung und Urbarmachung dieses Gebiets
überhaupt verdanken und der sowohl für die vorliegende Arbeit wie
für alle weiteren Forschungen die Grundlage geschaffen hat, meinen
wärmsten Dank auszusprechen — für die überaus freundliche Unter-
stützung, welche er mir bei Anfertigung dieser Arbeit nach jeder
Beziehung hin zuteil werden Hess, wie auch sonst für die reiche
Anregung, welche ich durch ihn erfahren habe.
ilO Johannes Emil Schmidt: Die Entwicklungsgeschichte
Tafelerklärung.
Fig. A: Cysticerkoid innerhalb der Cyste: Rm. Ringmuskelschicht, P. (dritte)
Parenchymschicht, H. vierte Schicht (=Hals), h. R. hinterer Rostellar-
sack, R. Rostellum, Ex. Excretionsgefässsystem, Cu. Kutikula.
Fig. B: Ausgestreckter Cysticerkoid: S. Scheitel, R. Rostellum, Ex. Excretions-
gefässs., h. R. hinterer Rost., Ebl. Endblase.
Fig. C: Anatomie der Tänie, im Querschnitt dargestellt: H. Hoden, V. d. Vas
deferens, Bk. Befruchtungskanal, Ut. Uterus, Lm. Längsmuskeln,
Sbl. Samenblase (männl). Gz. Ganglienzellen, Ps. Präputialsack,
C. Cirrus, Cb. Cirrusbeutel , Lk. Läugskanäle, R. sem. Recept. semin.,
Ov. Ovarium, Eig. Eiergang, Dst. Dotterstock, Dg. Dottergang,
Schdr. Schalendrüse, Af. Ausführungsg. d. Schalendrüse.
Fig. 1 : Ei von Taenia anatina.
Fig. 2: Hohlkugelstadium.
Fig. 3: Erstes Streckungsstadium: Ebl. Endblase.
Fig. 4: Stadium nach Anlage des Kopfes und der Sauguäpfe: Kh. Kopfhöhle,
Qusp. Querspalte (= Nackenhöhle), Sn. Anlage der Saugnäpfe, S. Vor-
gewölbter Scheitel (mit Rostellumanlage).
Fig. a: Jüngeres Stadium der zweiten Entwicklungsperiode im Querschnitt.
Fig. b: Längsschnitt durch den vordem Abschnitt eines spätem Stadiums der
zweiten Entwicklungsperiode: Ns. Nervensyst.
und der anatomische Bau der Taenia anatina (Krabbe). Hl
Inhaltsübersicht.
Seite
A. Die Entwicklung des Cystieerkoiden.
I. Die äussern Bedingungen u.Umstände d. Entwicklung. 65-69
a. Die Aufsuchung des Zwischenwirtes 65—66
b. Die Eier von T. anatina 66—67
c. Der Zwischenwirt u. seine Infektion 67 — 68
d. Der Einfluss äusserer Bedingungen auf die Eut-
wicklungsdauer u. Zahl d. Finnen 68—69
II. Beschreibung des reifen Cystieerkoiden 69 — 82
a. des eingekapselten Tieres 70 — 75
b. des ausgestreckten Tieres 75—78
c. Vergleichung und Übergang beider Foimen in einander
(Einfaltungsprozess) 78—82
III. Entwicklungsgeschichte 82—104
a. Vorbemerkungen: Bisheriger Stand der Frage . 82—83
Überblick 84
b. Die erste Entwicklungsperiode 84—88
1. Der Embryo 84—85
2. Die massive Keimkugel 85—86
3. Die Hohlkugel 86-88
c. Die zweite Entwicklungsperiode 88—102
1. Die allgemeineren Verhältnisse (Körperform,
Schwanz, Hohlraum, Riugmuskeln, Spindelzellen) 88—91
2. Die Differenzierung der übrigen Organe . . . 91—100
Excretionsgefässsystem 92—94
Kopf mit Rostellum 94-98
Nervensystem 99—100
3. Die Ausreifung des Cystieerkoiden 100—102
d. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . 102—104
112 Johannes Emil Schmidt.
Seite
B. Die Taenie.
1. Die Vorgänge nach dem Übertritt des Cysticerkoideu in
die Ente u. die äussere Form der Taenie 104—105
II. Der anatomische Bau der T. anatina 105 — 109
a. Princip der Anordnung der Organe 105—106
b. Die weiblichen Organe 106—107
c. Die männlichen Organe 107—108
d. Histologisches 108—109
Helmintliologisclie Beobachtungen
an bekannten und unbekannten Entozoen,
Von
Dr. Arthur Mueller
in München.
Hierzu Tafel VII.
1. Filaria gastrophila n. sp.'?
2. Strongyluris brevicaudata n. sp.
3. Trichocephalus affinis Rud.
4. Trichocephalus unguiculatus Rud.
5. Liorhynchus vulpis Duj.
-9. Helminthen von Exocoetus sp. (?).
6. Echinorhynchus pristis Rud.
7. Echinorhynchus annulatus Moliu,
8. Monostoma filum Duj.
9. Monostoma filicoUe Rud.
10. Distoma militare Rud.
11. Distoma segmentatum n. sp.
Erklärung der Abbildungen.
1. Filaria (Spii'Optera) gastrophila noY. sp. (?) (Fig. 1).
Im Februar 1890 kam durch Zufall ein interessantes Präparat,
welches schon mehrere Jahre in Spiritus aufbewahrt worden war,
in meinen Besitz. Es war der Magen einer Katze, welche, da ihr
zuletzt jede Nahrungsaufnahme unmöglich geworden war, an Hunger
zu Grunde gegangen war.
Während die Innen- und Aussenfläche der Magenwandung
nichts Pathologisches erkennen Hessen, zeigte sich an der Cardia
ein dichtes Knäuel ineinander verschlungener Würmer, welche mit
den vorderen Körperenden im untersten Theile des Oesophagus und
der Cardia befestigt waren, während die anderen Enden spiraüg-
geroUt, 2 — 3 Ctm. lang, frei in den Magen hineinragten. Zwischen
den Würmern, etwa in der Mitte des Knäuels, beiand sich noch ein
Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 2. 8
114
Dr. Arthur Mi;eller: Helmintbologische Beobachtungen
kleines Büschel schwarzer Mäusehaare. Der Oesophagus, welcher
etwa 1 Ctm. von der Cardia quer durchschnitten war, zeigte sich auf
seinem Querschnitte völlig ausgefüllt von den Querschnitten der
Wurmleiber, doch war auch hier das Haarbüschel, welches den
Verschluss vervollständigte, zu bemerken. Die Durchlässigkeit für
feste und wahrscheinlich auch für flüssige Nahrung muss durch die
Ansammlung der Würmer aufgehoben worden sein. Bei dem
Versuche, einzelne Würmer vom Magen aus loszulösen, zeigte es
sich, dass sich dieselben mit dem Kopfende durch die Schleimhaut
des Magens und Oesophagus so durchgebohrt hatten, dass sie in
einiger Entfernung vom Mundende durch ein schmales Schleimhaut-
band befestigt waren. Nur wenige hatten ihre Befestigung in der
Magenwand, in geringer Entfernung von der Cardia, die meisten
Würmer erstreckten sich in den Oesophagus hinein. Die Zahl der
Würmer betrug etwa 40 Stück.
Filaria gastrophila nov. sp.(?)
Männchen. Weibchen
Körperlänge 27,0'" 26,0-37,0"
Körperdicke 0,8'" 0,6-0,1
Länge des Oesophagus 8,5'" 6,0—10,0"
Länge der Spicula 0,56'" u. 0,6"
Entfernung der männlichen Genitalöffnung vom
hinteren Leibesende 0,37'"
Entfernung der Vulva vom Kopfende — 12,0—17,0"
Entfernung des weibl. Afters vom Leibesende . . — 0,5—0,6"
Durchmesser der Eier (im Uterus) — 0,05—0,03'
Die Würmer, durch den langen Aufenthalt in Spiritus gebräunt,
sind drehrund, der Körper gleichmässig dick, das Kopfende all-
mählich etwas verdünnt. Das Schwanzende des Männchens ist
etwas verdickt und ventralwärts eingerollt, mit bursaartiger Seiten-
membran versehen. Das Schwanzende des Weibchens endet in eine
stumpfe Spitze.
Die Cuticula ist von massiger Dicke und fein quergeringelt.
Etwa 3'" vom Kopfende, an welcher Stelle dasselbe hakenförmig um-
gebogen ist, befindet sich an der concaven Seite der Krümmung
eine Einschnürung, ähnlich einem Widerhaken, welche die Befestigung
des Wurmes in der Schleimhautöse vermittelt. Der Mund ist von
zwei Lippen und 4 zwischen denselben stehenden Papillen umgeben.
Die Pulpa der Lippen zeigte bei einigen Exemplaren drei feine
papillenartige Fortsätze, von denen der mittlere kürzer und dicker
war, als die seitlichen. Der Oesophagus, aus kurzen polyedrischen
Zellen gebildet, ist von bedeutender Länge, fast ein Drittheil der
Körperlänge einnehmend. An seinem vorderen Ende zeigen sich
Längsfurchen, welche nach hinten allmähhch verschwinden. Das
an bekannten und unbekannten Entozoen. 115
hintere Ende ist ohne Verdickung in den aus kleinen Zellen mit
polyedrischen Oberflächencontour gebildeten. Darm eingesenkt.
Hinter der Mitte, bei jungen Exemplaren fast genau in der Mitte
des Körpers, befindet sich die weibliche Geschlechtsöffnung. Die
Cuticula ist an dieser Stelle verdickt und bildet eine kurze, der
äusseren Leibeswand anliegende, nach dem hinteren Leibesende zu
geöffnete Röhre, in welche sich die einfache Vagina einsenkt.
Letztere ist häufig strotzend mit Eiern gefüllt. Von ihr aus gehen
nach beiden Körperenden zu die Uteri ab, welche ebenfalls mit
Eiern gefüllt sind.
An den elUptischen Eiern lässt sich noch keine Furchung wahr-
nehmen und sind die Umrisse derselben nur in dem der Vagina
benachbarten Theile der Uteri und in der Vagina selbst deutlich
erkennbar. Das hintere Leibesende der Weibchen verschmälert
sieh hinter dem After in eine kurze, stumpfe Spitze.
Das Männchen, welches durch das IV2 — 2 mal spiralig auf-
gerollte hintere Leibesende leicht kenntlich ist, ist kleiner als die
Weibchen. Das hintere Leibesende ist etwas verdickt und endet
hinter der Cloake in eine kurze, gekrümmte Spitze.
Es lassen sich 4 Paar präanale Papillen und 4 postanale
unterscheiden, welche in der bursaartigen Seitenmembran liegen.
Die präanalen und das erste postanale Paar enden mit breiten
Knöpfen, das zweite und dritte postanale Paar liegen dicht neben-
einander, nahe dem Körperende, dicht vor welchem die eine un-
paarige Papille steht. Da die Würmer durch den Alkohol gehärtet
sich nicht aufrollen Hessen und bei jedem Versuche sie zu strecken
zerbrachen, konnte das Leibesende nur in Seitenansicht untersucht
werden.
Die Cloake mündet in einem lippenartig vorspringenden Wulste,
2 mm von der Schwanzspitze entfernt.
Die Spicula sind gebogene Chitinlamellen von ungleicher Breite
und Länge. Das breitere und längere Spiculum trägt gitterförmige
Zeichnung und umschliesst das kürzere, schmälere, welches vor der
Spitze lanzettförmig verbreitert ist, wie eine Halbrinne.
Die 4 präanalen Papillenpaare und die ungleichen Spicula lassen
den Wurm als der Gattung Filaria (Schneider) angehörig erkennen.
In seinem Compendium sowohl, wie im Nachtrage dazu, führt
V. Linst ow unter den Parasiten von Felis catus Schreb. und Felis
domestica Briss. weder eine Filaria, noch eine Spiroptera an. In
Bezug auf den Wohnort würde am nächsten stehen Filaria sangni-
nolenta Rud. aus Knoten in der Schleimhaut des Oesophagus und
des Magens von Canis vulpis, Canis lupus und Canis familiaris.
Schneider (Monog. d. Nemat. p. 100) findet bei F. sanguinolenta
nur 2 postanale Papillenpaare und bildet den Kopf anders ab, als
er bei unserer Art erscheint, auch findet er die Vagina, welche
ähnlich gebildet zu sein scheint, nur 5'" vom Kopfende entfernt.
Duj ardin (Histoire des Helm., p. 88) beschreibt ausser anderen
116 Dr. Arthur Mu eller: Helmin thologische Beobachtungen
Abweichungen die Spiciila, von denen das eine 2'" lang ist, als von
völlig verschiedener Form.
Es scheint also eine noch nicht bekannte Art zu sein.
2. Strongyluris brevicaudata nov. sp. aus Agama colonum (Fig. 2).
In einer an der Westküste Afrikas sehr verbreiteten
Eidechsenart (Agama colonum) sowie einer derselben sehr nahe-
stehenden Form, fand ich einen Wurm, welcher einerseits in
Habitus und Bau des Oesophagus Oxyuris und Leptodera nahesteht,
im Bau der Bursa jedoch an Strongylus erinnert und welcher in
den bekannten Gattungen nicht untergebracht werden zu können
scheint.
Maasse:
Körperlänge ^ bis T", $ bis 12'", Breite bis 0,8'".
Oesophaguslänge 1,8 — 2,0"', Breite 0,057"', vorderer Oesophagus-
abschnitt 0,3'" lang.
Bulbus d. Oesophagus 0,3'" breit, Bulbus d. Darmes 0,5"' breit.
Bursalänge 0,08'", Breite 0,64'", Saugnapf 0,17'" breit, 0,08"' hoch.
Spicula 1,6'" lang, 0,042"' breit. Schwanzspitze des Männchens
0,027'" lang.
Vulva wenig hinter der Mitte, After von Schwanzspitze 0,3"' entfernt.
Eier 0,07'" lang, 0,05'" breit. Schale 0,007"' dick.
Körperform ähnlich Oxyuris, Kopf und Schwanzende ver-
schmälert. Die Cutis ist glatt, spärlich geringelt. Die Mundöffnung
ist sehr klein und scheint von kleinen Lippen umgeben zu sein.
Der Oesophagus besteht aus einem vorderen, kurzen, sehr dünnen
Abschnitt, dem Vestibulum, welches keine Zähne trägt und einem
langen, etwas dickeren hinteren Theile, welcher in einen Bulbus
übergeht, in welchem sich kein deutlicher Zahnapparat befindet.
Der Darmkanal beginnt mit einer bulbusartigen Anschwellung.
Derselbe ist dunkel pigmentirt und geht die polyedrische Begrenzung
der Zellen an der Oberfläche des Darmes vor der Einmündung in
die Cloake in elliptische oder spindelförmige Formen über.
Die sehr kurze Schwanzspitze des Männchens ist nicht in die
Bursa einbezogen und liegt letztere unterhalb der Schwanzspitze.
Die Bursa ist kurz, an der Bauchseite offen und wird getragen
von 6 Paar Papillen oder plumpen Rippen, welche in je zwei kleine
Knöpfchen auslaufen. Diese scheinen die feine Mündung von
Canälen zu tragen, so dass man an Drüsenmündungen denken muss.
Die Papillen selbst sind bisweilen gestreckt, öfter besonders ober-
halb der Basis aufgetrieben, und scheinen daher contractu zu sein.
Dicht unterhalb der Schwanzspitze bemerkt man bei aus-
gebreiteter Bursa eine dorsal- und ventralwärts in zwei Arme ge-
theilte Spange, wie es scheint, einen chitinösen Stützapparat, wie
er auch ähnlich bei Strongyliden vorkommt. Wäre die Bildung
an bekannten und unbekannten Entozoen. 117
ebenfalls eine Rippe, so würde sie der Hinterrippe der Strongyliden
entsprechen und die Aehnlichkeit in der Bursabildung erhöhen.
Ventralwärts von der Cloakenmündung befindet sich ein grosses,
kegelförmiges, napfförmiges Organ. Die Aussenwände desselben
sind von einer dicken Chitinlamelle gebildet, innerhalb welcher
ebenso, wie auf dem Grunde, eine dicke Muskelschicht liegt. In
der Mitte ist eine kreisrunde Einsenkung. Es scheint daher dieses
Organ ein Saugnapf zu sein.
Die gleich langen, dünnen Spicula scheinen bei Flächenansicht
aus einer Mittelrippe und aus von Stäbchen getragenen Seiten-
lamellen zu bestehen. An abgebrochenen Enden kann man jedoch
sehen, dass der Durchschnitt kreisrund ist und dass die Cirrhen
aus einem cylindrischen, granulirten, centralen Markstrang bestehen,
um welchen rosettenartig, keulige, abgerundet endende Stäbchen an-
geordnet sind.
Dementsprechend findet man bei guter Beleuchtung die cylindrische
Oberfläche der Cirrhen mit polyedrischer Zeichnung versehen. Die
Basis der Cirrhen ist leicht kolbig verdickt, die Spitze leicht gebogen.
Die Marksubstanz endet etwas verbreitert vor der Spitze.
Der Hoden ist einfach, feinkörnig und verläuft in seinem
vorderen dünnen Ende vielfach geschlängelt bis fast zum Bulbus
des Darmes.
Das Weibchen ist etwas kräftiger gebaut, als das Männchen.
Die Vulva ragt nicht hervor; in einer Einsenkung der Cutis hegt
ein, wie es scheint, hohler Zapfen, welcher dem Saugnapfe zur An-
heftung zu dienen scheint. An diese Einsenkung schHesst sich ein
kurzer Schlauch von dem zwei den Cirrhen an Länge entsprechende
Vaginae abgehen.
Die zahlreichen Eier sind oval, von dicker, heller Schale um-
geben und enthalten Furchungskugeln oder die erste unentwickelte
Anlage des Embryos, welcher hufförmig gekrümmt ist.
Von den nahestehenden Gattungen Pelodera und Leptodera
unterscheidet sich unser Wurm dadurch, dass bei Pelodera die Vulva
fehlt, der Oesophagus zwei Anschwellungen besitzt und der Darm
aus zwei Reihen sechseckiger Zellen zusammengesetzt ist. Von Lepto-
dera unterscheidet er sich durch die hier ebenso wie bei Pelodera
beschaffene Bildung des Darmes. Ausser diesem Unterschiede wäre
es mögHch, da Schneider hier Thiere vereinigt, welche in der Form
der Bursa, Zahl, Stellung der Papillen, Vorhandensein und Fehlen
eines Vestibulum Oesophagi, und Vorhandensein oder Fehlen des
Zahnapparates im Bulbus Oesophagi, sehr diiferiren und theils in
diesen Organen unserem Wurme ähnhch gebaut sind, theils nicht,
denselben hier einzufügen.
118 Dl'. Arthur Mu eller: Helminthologische Beobachtungen
3. Tricliocephalus afflnis, Rud. (Fig. 3).
Diesing (Syst. Helminth II p. 290) beschreibt das männliche
Geschlechtsorgan: bursa longa cylindrica muricata, apice truncata,
vagina penis tubnlosa antice dilatata.
Dujardin (Hist. nat. p. 39) Spicule pointu long de 6,75'", large
de 0,025'", elargi jusqu'ä 0,038"' par une lame diaphane, gaine
tubuleuse, cylindrique, longue de 1,55'" large de 0,07'" toute heris-
see de petites epines, ou lames triangulaires , couchees en arriere
longues de 0,005'".
Schneider (Monogr. d. Nemat. p. 171, Taf. XIII Fig. 6.) „Stacheln
d. Scheide spitz, an der Geschlechtsöffaung in grösseren Abständen
stehend und grösser, als weiter nach hinten. Die innere Höhle des
Spiculum reicht fast bis zur Spitze. Die Chitinmasse des Rohres
zeigt feine Querstriche." Auf der Abbildung reichen dementsprechend
die Stacheln bis zu dem äussersten Ende der nicht verbreiterten
Scheide.
Bei einem (? Exemplar aus Cervus capreolus fand ich das Spiculum
h'" lang 0,027'" breit, die Scheide 2,4'" lang cylindrisch und, während
dieselbe der Beschreibung Dujardins bis auf ihr hinterstes Ende voll-
ständig entspricht, ist dieses verbreitet und unbestachelt , an der
Basis eingefaltet, so dass die Länge von 0,034'" offenbar nicht der
voUen Länge dieses becherförmigen Endstückes entspricht.
4. Trichocephaliis unguiculatus R. (Fig. 4) aus Lepus timidus.
Schneider [Monographie d. Nematoden pag. 172, Taf. XIII Fig. 8]
sagt über Trichocephalus unguiculatus nur „Scheide glatt, Spiculum
sehr dünn und spitz" und bildet dementsprechend an dem Körper-
ende des Wurmes nur einen dünnen unregehnässig ausgebuchteten
Schlauch ab, in dessen Anfangstheil das dünne spitze Spiculum
hineinragt. Dujardin (Histoire p. 37) giebt d. Spiculum 0,01'" breit,
1,87"' (?)lang an. Die Scheide durchsichtig, sehr schmal 1,55'" lang
0,017'" breit etwas spindelförmig verbreitert zu 0,042'" und gegen
das Ende mit sehr kleinen Punkten bestreut.
Diesing schreibt (Syst. II p. 291): bursa longissima apice dila-
tata truncata parce echinata. Vagina penis tubulosa apice attenuata.
Rudolphi Entoz. Synops. p. 226: Genitale masculum vagina lon-
gissima filiformis apice truncata ex quo styli pars brevissima emergit.
In einem Hasen fand ich ein Exemplar, welches der Beschreibung
Dujardin's am besten entspricht. Das Spiculum ist indessen 7"'
lang, die Scheide ähnlich Schneiders Abbildung, 0,32"' lang und
und 0,03'" breit, also im Vergleiche zu Dujardins Angabe zu kurz
und dick, daher wohl nicht völlig gestreckt. An ihrem Ende trägt
sie einen deutlich abgesetzten hyalinen nach hinten erweiterten
Becher von 0,1'" Länge und 0,05'" Breite an der Mündung, welcher
an bekainiteii und unbekannten Entozoen. 119
mit äusserst feinen punktförmigen Stacheln dicht besetzt ist. In
ihn ragt die Cirrhusscheide ein Stück hinein. Der Cirrhus selbst
ist in die Scheide zurückgezogen.
5. Liorhynchus vulpis Duj.
In einer Abhandlung über ,,Die Nematoden der Säugethierlungen
und die Lungenwurmkrankheit" (Deutsche Zeitsch. f. Thiermed. und
vergi. Path. XV. Bd. p. 261 — 321) habe ich als Lungenparasiten des
Fuchses nur Crenosoma semiarmatum Mol. u. Trichosoma aerophilum
Creplin, als Parasiten der Hundelunge die zweifelhafte Art Strongylus
canis bronchialis Osler und eine ohne Namen von Dr. C. Rabe
beschriebene Art angeführt.
Da V. Linstow in seinem Compendium p. 46 als Synonym für
Crenosoma semiarmatum Mol.den Liorhynchus vulpis Dujardin (Histoire
naturelle des Helminthes p. 283) angiebt und mir dieses Werk damals
nicht zugänglich war, übersah ich, dass der Rabe'sche Wurm offen-
bar mit dem Liorhynchus vulpis Duj. identisch ist.
Die fernrohrartige Beschaffenheit des Kopfabschnittes und die
beiden Organe neben dem Oesophagus, welche Dujardin mit den
Lemnisken der Echinorhynchen vergleicht, lassen den Wurm von
Crenosoma leicht unterscheiden, mit welcher Form er nur ringförmige
Verdickungen oder Falten der Haut gemeinsam hat, welche nach
Duj. in der Zahl 16 — 20 vorhanden sind, während Rabe nicht an-
giebt, wie viele es sind, und wie weit dieselben sich nach hinten er-
strecken. Rabe giebt auch die Beschreibung des Männchens, welches
Dujardin nicht beobachtete.
Es wäre also Liorhynchus vulpis Duj beizubehalteten und Fuchs
und Hund als Wohnthiere zu betrachten.
6—9. Helmintlien von Exocoetus.
Im Juni 1890 bekam ich in der Nähe der canarischen Inseln
eine Anzahl frischer Exemplare von fliegenden Fischen zur Unter-
suchung, welche zwei Arten (sp.V) der Gattung Exocoetus angehörten.
Die Untersuchung auf Helminthen ergab im Darme ein Mono-
stomum und zwei Echinorhynchen, zwischen den Hautplatten der
Flugflossen ein Monostomum. v. Linstow führt in seinem Compendium
p. 235 unter No. 1320, Exocoetus exsiliens Gm. als Parasiten auf:
Monostomum filum Duj. Hepar et cav. oculorum, Scolex Exocoet.
exsil. und Scolex sp. ? Wagener. Es sind demnach ausser dem Mono-
stomum filum die gefundenen Würmer noch nicht als in den FKeg-
fischen vorkommend bekannt.
120 Dr. Arthur Mn eller: Helmhitliologische Beobachtungen
6. Echinorhynchus pristis Rud. (Fig. 5) aus Exocoetus evolans
und exsiliens (?) Darm.
Von ähnlichen Formen, mit bewaffnetem Körper und einer
grossen Zahl 30 — 60 Querreihen von Rüsselhaken kommen in Betracht :
E. pristis, Rud. lateralis Mol. und Nardoi Mol.
E. lateralis und Nardoi haben einen kurzen nackten Hals, E.
pristis hat keinen Hals. E. Nardoi hat einen spindelförmigen, in der
Mitte verbreiterten Rüssel, E. lateralis einen keulig am Ende ver-
dickten und gebogenen Rüssel und zeichnet sich durch 4 Stachel-
reihen vor dem abgestumpften Körperende aus. Pristis hat einen
cyhndrischen, am Ende kaum verdickten Rüssel mit 30 — 40 Haken-
reihen, lieber die Körperstacheln sagt Rudolphi: parte antica tres
lineas longa seriebus aculeorum fortium (crassorum) et sanguine-
orum obliquis, remotis, duodecim armata; apice caudali obtuso.
Die von mir in Exocoetus evolans und exsihens gefundenen
Formen unterscheiden sich etwas von der für pristis gegebenen Be-
schreibung und haben Aehnlichkeit mit dem von Natterer in Cory-
phaena hippuris gefundenen Echinorhynchus, welchen Dujardin^)
wegen geringerer Grösse, und relativ grösserer Länge des Rüssels
3,37'" bei 15'" Körperlänge, für verschieden von pristis hält. Von
den Körperstacheln des Echinorh.sp. Natterer sagt Dujardin: aiguillons
forte diaphanes triangulaires , avec une nervure medine comme des
feuilles de mousse. Die Maasse der in Exocoetus gefundenen Exem-
plare sind folgende:
Körperlänge des Männchens 4,7'" — 5,5'", Breite 0,4"'; Länge
des Weibchens 10,0'"— 11,0'"; Länge des Rüssels bis 1,8"'; Ver-
hältnis der Körperlänge zur Dicke 15 — 25:1; Rüsselhaken schlank
32 Längsreihen 40 — 50 Querreihen; Hakenlänge 0,066'", Dicke nach
der Krümmung 0,006'". Kein Hals. Die Körperstacheln stehen in
bis 18 Querreihen und 10 Längsreihen, sind 0,083'" lang und in der
Mitte 0,033'" breit. Sie erstrecken sich auf etwa 2,5'" Länge. Die
Eier sind 0,023'" lang und 0,017"' breit. Der Körper des Männchens
ist hufeisenförmig gebogen, das Leibesende des Weibchens ist spiralig
aufgerollt.
Die Haut ist, besonders beim Weibchen, im hinteren Theile des
Leibes quergeringelt, wie segmentirt.
Die Stacheln des Körpers sind von dreieckig- flaschenförmiger
Gestalt mit flaschenförmiger Pulpa, welche letztere auf ihrer Ober-
fläche fein gestrichelt, wie behaart erscheint. Die Stacheln stehen in
weiten Abständen von einander in Quincunxstellung und werden
nach dem Schwanzende zu kleiner und seltener. Offenbar sind die-
selben sehr hinfällig und nur die ersten Querreihen pflegen vollzählig
zu sein, während die letzten Reihen oft ganz fehlen. Bis zum Be-
1) Duj. Syst. p. 535.
an bekannten und unbekannten Entozoen. 121
reiche der 5. bis 6. Querreihe lässt sich das vordere Körperende mit
dem Rüssel gemeinsam einstülpen und ersetzt so gleichsam einen Hals.
Die männliche Geschlechtsöffnung ist ein von wulstigen Lippen
umgebener von dem Leibesende nach der Bauchseite verlaufender
Spalt. Von einem glockenförmigen hervorstülpbaren Organ ist nichts
zu finden.
Die Vulva des Weibchens ist bauchständig, und von einem
wulstigen Ringe umgeben, welcher an seiner hinteren Peripherie eine
über die Genitalöffnung gekrümmte fingerförmige Papille trägt, welche
dem Männchen vielleicht zur Fixierung dient. Vor der Geschlechts-
öffhung ist der Körper etwas verbreitert. Die Eier sind stumpf-oval
und besitzen eine einfache dicke Schale von brauner Farbe, sie sind
0,03'" lang uud 0,02'" breit. Erst eine grössere Anzahl von Befunden
und genauere Beschreibung derselben wird feststellen lassen, ob es
sich um mehrere ähnliche Arten, oder nur um Varietäten einer Art
handelt.
7. Echinorhynchus annulatus Molin. (Fig. 6).
Denkschr. der kaiserl. Academie Wien. 29. p. 267 .
Im Darme von Exocoetus evolans (?) fand ich ein Exemplar von
E. annulatus Mol. Der Beschreibung Molin' s habe ich nur hinzu-
zufügen, das die Rüsselhaken zweierlei Form besitzen. Die unteren
Reihen sind schlanker und haben eine kurze, knopfförmige Wurzel,
welche in ein Nussgelenk passt, welch Letzteres durch eine Ver-
dickung einer zwischen den Stacheln dünnen Chitinlamelle ge-
bildet wird.
Die Stacheln, welche der Spitze näher stehen, haben einen
wenig gebogenen Wurzelast, welcher mit dem Haken fast gleiche
Länge hat. Der Rüssel hat 32 Längs- und 15 Querreihen von Haken.
Der erste Stachelring des Körpers wird von in 10 — 12 Querreihen
und 50 Längsreihen geordneten schmalen Schuppenstacheln mit
Mittelrippe gebildet, welche durch breite Zwischenräume getrennt
sind und in Quincunxstellung stehen. Es spricht dies dafür das
dieser Theil des Körpers eingestülpt werden kann. Die 12 Querreihen
und 60 — 70 Längsreihen von Schuppenstacheln auf dem zweiten ver-
dickten Ringe entspringen von fünfseitigen aneinander grenzenden
Chitinfeldern der Cutis und greifen dieselben dachziegelförmig über-
einander. Die Schuppenstacheln sind von ähnlicher Form, aber mit
viel breiterer Basis als die des erstes Ringes.
8. Monostoma fllum, Dujardin (Fig. 7).
Histoire des Helminth. p. 362.
Dujardin beschreibt nach einem schon macerirten Exemplare
aus dem Darme von Scomber scombrus ein Monostoma, welches sich
durch fadenförmige Gestalt mit sehr grossem Saugnapfe auszeichnet:
122 Dr. Arthur Mueller: Helminthologische Beobachtungen
termine en avant pas une large Ouvertüre oii ventouse cupuliforme.
Seitdem wurde dieser Wurm nur von Wagener in Cysten der Orbita
und der Leber von Exocoetus exiliens wiedergefunden. Die Identität
dieses Befundes mit dem Dujardin's bezweifelt schon Diesing^).
Im Darme von Exocoetus exiliens und evolans (?) fand ich zwei
unreife Exemplare und 4 Kopfstücke von zwei reifen Exemplaren
eines Wurmes, welcher mit Dujardin's Monostoma filum identisch
sein dürfte, obgleich die Maasse nicht völlig stimmen. Länge (der
unreifen Exemplare) 10 — 13'". Breite 0,6 — 0,7'", Saugnapf 0,4 — 0,5'",
Länge des Oesophagus 0,4 — 0,5'", Länge des verdickten vorderen
Körperabschnittes 2,3—2,7'", EierO,02 -0,03'" lang und 0,014—0,02'"
breit.
Der Körper ist cylindrisch, der vordere, sowie der hintere Ab-
schnitt dicker und ist der vordere, Abschnitt gegen den mittleren,
halsartigen Abschnitt ziemlich scharf abgesetzt, während dieser Hals
nach hinten allmähHch, entsprechend dem Auftreten der Uterus-
schlingen, anschwillt.
Der grosse Saugnapf liegt am vorderen Körperende schief zur
Längachse des Körpers und scheinen in den Grund seiner dreieckigen
Höhlung nach vorne der Oesophagus, in der Mitte die Genitalgänge
auszumünden, was wohl auch Dujardin mit dem Ausdrucke: „Ouver-
türe ou ventouse cupuliforme" hat bezeichnen woUen. Ein Cirrhus
wurde nicht gefunden.
Der Oesophagus besitzt keinen Bulbus, ist dünn und theilt sich
spitzwinklich in zwei dünne pigmentirte Darmblindsäcke, welche sich
bis nahe an das Körperende verfolgen lassen. Bei den unreifen
Exemplaren beginnen die Schlingen des Eierganges etwa in der
Körpermitte und sind im Beginne an den Seiten am deutlichsten,
was mit Dujardins Angabe: „oviducte formant deux cordons sinueux"
übereinstimmt.
Nach hinten zu werden die Schlingen knäuelförmig gehäuft und
in dem kleineren Exemplare fanden sich vor dem Körperende zwei
grössere und ein kleinerer runder Körper, welcher die Hoden und
das Ovar sein mögen. In den beiden Kopfstücken waren die Eier-
gänge bis zur Mitte der Saugnäpfe mit reifen braunen stumpf ovoiden
Eiern prall gefüllt. Von den „tubercule rond situe en dessous. pres
de l'extremite caudale" Dujardin's konnte ich nichts bemerken, das-
selbe könnte wohl eine hervortretende Uterusschlinge oder ein Hoden,
der die Haut des macerirten Thieres ausbuchtete, gewesen sein.
Dünne verschlungene pigmentirte Gänge im Endabschnitte möchte
ich für Dotterstöcke halten.
^) Nachtrag zur Revision der Myzhelminthen pag 427.
bekaunteii und unbekannten Entozoen. 123
9. Monostoma fllicolle Rud. (?) Fig. 8.
Von ähnlichen Arten kommen in Betracht Monostoma fiUcolle
Rud. und Mon. tenuicoUe Rud. Rud. Synops. p. 85, 346, 347,
No. 18, 17.
Rudolphi giebt als Unterschied des fiUcolle vom tenuicolle an:
porus apicis tenioris obscurus coUum longissimum." Die auf die
Windungen des Uterus basirten Unterschiede dürften nicht wesentlich
sein. In der Abbildung, welche Rudolphi von M. tenuicolle giebt,
erscheint dasselbe relativ viel kürzer und plumper, als unsere Art
und steht in der Form zwischen filum Duj. und filicoUe Rud.
Monostoma filicolle Rud.
Länge 10 — 20'", Dicke des Kopfendes 0,2'", dickste Stelle alter
Exemplare 2,0'", Länge des Saugnapfes 0,05—0,07'", Länge des
Bulbus Oesophagi 0,03—0,037'", Länge des Oesophagus 0,27—0,37'",
Entfernung der GenitalöfPnungen vom Munde 0,067'", respective
0,083'".
Der Körper des jungen Thieres ist fadenförmig, nach hinten
etwas verschmälert, bei den älteren Thieren ist das hinterste Viertel
des Körpers, bisweilen auch ein etwas grösserer Theil durch grosse
Eiermassen stark aufgetrieben und röthchbraun bis schwarzbraun
gefärbt. Das Leibesende nimmt an dieser Auftreibung nur wenig
Theil und setzt sich als kurze Spitze von dem verdickten End-
abschnitte ab. An der Spitze dieses kleinen Kegels liegt der Porus
excretorius. Auf der sonst glatten Haut liegen kleinste kugelige
stark lichtbrechende Gebilde, oft zu vier Stück rosettenartig vereinigt,
welche im Vereine mit den braunen Eiern eine dunkele Färbung
bewirken. Ob dieselben dem Körper des Thieres angehören oder
ob sie krystallinische oder pflanzhche Auflagerungen sind, kann ich
nicht entscheiden.
Der Mundsaugnapf ist sehr klein — Rudolphi sagt „obscurus"
und endständig. An ihn schliesst sich ein glockenförmiger Bulbus
Oesophagi oder Pharynx von gleicher Grösse, und von diesem geht
der sehr dünne Oesophagus aus, welcher sich bald in zwei dickere
Darmsäcke gabelt. Wie weit dieselben sich erstrecken, konnte nicht
verfolgt werden, doch scheinen sie bis weit in den hinteren Abschnitt
zu reichen.
Die Genitalöffnungen liegen dicht hintereinander in der Höhe
des Bulbus Oesophagi. Die Ausführungsgänge der Geschlechtsdrüsen
laufen zunächst neben dem Oesophagus, alsdann neben oder zwischen
den Darmschenkeln. Der Eiergang ist meist kurz geschlängelt und
oft bis an die Mündung mit einzelnen Eiern oder auch grossen
Eiermassen gefüllt. In dem hinteren, dickeren Körperabschnitte
knäuelt sich der Eiergang in dicke Schhngen auf, welche alle
anderen Organe verdecken und nur die äusserste Spitze des Körpers
welche höchstens eine dünnere Schlinge enthält, frei lassen.
124 Dr. Arthur Mueller: Helminthologische Beobachtungen
In dem hinteren Körperabschnitt konnten an den Seiten neben
den Uterusschlingen einzelne kleine Dotterstöcke bemerkt werden.
Hoden konnten in dem Convolute der Uterusschlingen nicht ent-
deckt werden, ebensowenig das Ovarium oder die Schalendrüse.
Bei einigen Exemplaren befanden sich dicht vor der Bifurcation des
Oesophagus je 2 0,026 — 0,036'" dicke, kleine, undeutliche, kugelige
Gebilde jederseits, die bisweilen verschmelzen. Da das Vas deferens
sich an ihnen vorbei verfolgen lässt, können es die Hoden nicht sein.
Die Eier sind 0,028—0,03'" lang und 0,018—0,023'" breit,
dunkelbraun, stumpf-elliptisch. Die Schale ist 0,003'" dick und
besteht aus drei Schichten, einer dunkleren inneren, einer hellen
mittleren und einer glasartigen äusseren Schicht.
Ich fand diesen Wurm, der seit Rudolphi nicht wieder beobachtet
worden zu sein scheint, zahlreich in den Flugflossen von Exocoetus
evolans(?) und exihens(?) längs der Flossenstrahlen aufgeknäuelt zwischen
den beiden Lamellen der Flossen als langgestreckte, gelbliche bis
schwärzliche Verdickungen.
Rudolphi fand den Wurm bei Brama Rayi. Diesing betrachtet
das Monostoma filicolle als identisch mit Distomum Okenii KöUiker,
dem getrenntes Geschlecht beigelegt wird, welche Annahme später
mit Bezug auf von Beneden widerrufen wird. Ich habe einen
Saugnapf, ausser dem winzigen Mundnapfe, welcher die Spitze des
Körpers einnimmt, bei meinen Exemplaren nicht finden können und
halte die dünnen Exemplare, welche von Beneden bei Distom. Okenii
Köll. für Männchen, respective Zwitter mit verkümmerten weiblichen
Organen hält, für unreife Thiere.
Es ist also entweder die Art Monost. fiHcolle Rud. aufrecht zu
erhalten, oder, wenn Rudolphi's Art aus Brama Rayi mit Distomum
Okenii Köll. identisch ist, der vorbeschriebene Wurm eine neue Art.
10. Distoma (Echinostoma) militare Rud. (Fig. 9).
Diesing: Syst. Helminth. L p. 384. v. Linstow: Arch. f. Naturg.
1873, p. 106, Larve. Synonym: uncinatum Crepl.?
Habitaculum nov. Rallus aquaticus.
Länge 6,75—11,25'". Breite 0,56—1,0'". Körper abgeflacht,
linear, hinten stumpf abgerundet oder abgestutzt, die Cutis bis-
weilen in grösseren Abständen leicht eingeschnürt, wie segmentiert.
Der Kopf ist rundlich bis queroval, mit 39 graden Stacheln versehen,
welche in zwei Reihen gestellt und von verschiedener Grösse sind.
Die kleinen Stacheln messen 0,043'", die grösseren 0,055 — 0,066"'.
Fünf jederseits sind von den anderen etwas getrennt in einer Gruppe
angeordnet.
Der Mundnapf elliptisch, 0,13'" breit, am vorderen Ende der
durch die Stachelwulste gebildeten Grube liegend, bisweilen die
vorderste Körperspitze bildend, so dass der Kopf stumpf-herzförmig
an bekannten und unbekannten Entozoen. 125
erscheint. Mit ihm direkt zusammenhängend findet sich der 0,14'"
lange kräftige Bulbus ösophagi. Der Oesophagus selbst ist, dem
kurzen gedrungenen Halse entsprechend, kurz, die Gabelung befindet
sich, wie bei allen Echinostomen vor den Genitalmündungen, zwischen
OS und acetabulum. Der Hals ist kurz, hoch, vorn verschmälert, auf
der Unterseite concav, nach dem grossen Bauchnapfe zu verbreitert.
An den Rändern des Halses stehen wenige Reihen sehr hinfälliger
0,02'" langer, nach hinten gerichteter Stacheln. Der Saugnapf ist
sehr gross, 0,6'" im Durchmesser, nach der Bauchseite hervorragend,
vor ihm befinden sich die Genitalöfi"nungen. Der Cirrhusbeutel
liegt dorsalwärts nach vorn vom Bauchnapfe und ist 0,5'" lang.
Die Dotterstöcke liegen in den Seiten des Körpers, vom
Schwanzende bis zum Bauchnapfe.
Der Dottergang liegt etwa in der Körpermitte, vor ihm das
Ovar und die Schlingen des Uterus, hinter ihm hintereinander die
grossen elliptischen bis abgestumpft -rechteckigen Hoden. Die Eier
sind 0,1 — 0,103'" lang. Das Schwanzende ist abgestutz oder stumpf
abgerundet und trägt in der Mitte die Oefihung des porus secretorius
und eine ovale Blase, sowie die Enden der Darmschenkel.
Die Stacheln des Halses sind oft abgefallen und, weil nur in
wenigen Reihen längs des Randes vorhanden, oft schwer zu sehen.
Distomum uncinatum Cepl. dürfte mit militare identisch sein.
11. Distoma (EcMno Stoma) segmentatum sp. nov.
Habitaculum: Vidua paradisea. Africa. Intest, tenue.
Länge bis 2,25'". Der Körper wird gebildet aus einem vom
Rücken oder Bauche aus gesehen, kurz herzförmigen Kopfe, auf
dessen Bauchseite nach hinten zu sich die wulstigen Ränder jeder-
seits kissenartig verbreiten und fast die Mittellinie erreichen. Der
Aussenrand dieser Wülste ist mit einer Doppelreihe verschieden
grosser gerader Stacheln besetzt. Auf den Kissen steht, von den
Saumreihen getrennt, jederseits eine Gruppe von 5 Stück grosser
Stacheln von 0,6'" Länge und einer kleinen von 0,35'" Länge.
Die grösseren Stacheln der Doppelreihe messen 0,053 — 0,057'"
die kleineren 0,037'" an Länge. Im ganzen finden sich 36 (38?) Stück
Stacheln. Die ersten 4 Stacheln von den Seitengruppen an gezählt,
scheinen jederseits in einfacher Reihe zu stehen und sind gleich
gross. Der Mundnapf liegt auf der Unterseite der Kopfspitze. Die
Mundööhung ist fast kreisrund, nach hinten etwas spitz ausgezogen,
der Mundnapf 0,07'" breit.
An den Kopf schliesst sich ein cylindrischer Hals, welcher sehr
dehnbar ist. Derselbe ist dicht mit schuppenartigen, dreieckigen
Stacheln von 0,013'" Länge bedeckt, welche auf der Seitenfalte,
welche durch die Aushöhlung des Halses auf der Bauchseite gebildet
wird, besonders stark hervorspringen.
126 Dr. Arthur Mueller: Helminthologische Beobachtungen
An den Hals schliesst sicli der grosse Bauchnapf an, welclier
0,3'" im Durchmesser hat und auf der Bauchseite mit runder
Oeffnung mündet. In der Höhe des Bauchnapfes beginnt, zuerst an
der Rückenfläche über demselben, alsdann auch bald an der Bauch-
fläche, eine Segmentirung der Cuticula hervorzutreten und mit der
deutlichen Ausbildung derselben schliesst sich die Gruppirung der
Stacheln den Rändern der Cuticularringe an.
Am eigentlichen Körper, woselbst die Ringe über einauder
greifen, wie die Glieder eines Insektenkörpers, sind dieselben nur
an den Rändern mit feinen Stacheln besetzt. Die Glieder sind an
der breitesten Stelle des Körpers 0,037'" lang. Hinter dem grossen
Bauchnapfe folgt mit einem dünnen sehr dehnbaren Theile beginnend,
der flaschenförmige, gegliederte Körper. Gegen das hintere Körper-
ende zu, setzen sich die Gheder weniger scharf von einander ab
und hört die Bestachelung allmählich kleiner werdend schliesslich
ganz auf. An den gegliederten Körper schliesst sich ein 0;2"' langer
elliptischer Anhang an, welcher an seinem Ende die kreisförmige
Mündung des Excretionsorganes trägt und die Enden der beiden
Blinddarmschenkel enthält.
An den Mundnapf schliesst sich fast direct, nur durch ein
höchstens 0,002'" langes Zwischenstück getrennt, der 0,06'" lange,
schmale Bulbus ösophagi an und auf diesem folgt ein sehr dünner
Oesophagus, dessen Länge mit der Contraction des Halstheiles
wechselt und welcher sich dicht vor dem Bauchnapfe in zwei dünne
Blinddärme gabelt.
Etwa in der Mitte des spindelförmigen Theiles des Körpers
hegt der Vereinigungsgang der Dotterstöcke, welche Letztere die
Seiten des Körpers vom Schwanzanhange bis zur vorderen Ver-
schmälerung des Körpers einnehmen. Hinter dem Dottergange
liegen die beiden grossen Hoden dicht hinter einander.
In gleicher Höhe mit dem ductus vitelligerus liegt ein kleineres,
querovales Organ, welches ich für die vesicula seminalis inferior
halte und vor dieser, deuthch begrenzt, die Schalendrüse mit dem
ersten geformten Ei. Undeutlicher ist ein grosszelhges, leicht ge-
lapptes Organ vor dem Dottergang, das Ovarium. Die dünnschaligen
Eier sind 0,1'" lang und 0,06 — 0,07'" breit, elliptisch. An einem
Pole ist die Eischale etwas verdickt. Ich fand 7 — 12 Eier in einem
Thiere, welche in dem wenig gewundenen Uterus zwischen Schalen-
drüse und Acetabulum Hegen.
Der Cirrhusbeutel und die Vesicula spermatica superior liegen
dorsalwärts und nach vorn von dem Bauchnapfe und mündet die
männhche Genitalöffnung vor der weiblichen, dicht vor dem Bauch-
napfe an der ausgehöhlten Bauchseite des Halses. Ein hervorragender
Cirrhus wurde nicht gefunden.
Zur Benennung schlage ich nicht den auffallenden Schwanz-
anhang vor, sowohl weil der Name caudatum schon durch v. Linstow
vergeben wurde, als auch, weil dieser Anhang offenbar leicht ab-
an bekannten und unbekannten Entozoen. 127
gestossen werden kann und einigen Exemplaren fehlte. Auch bei
dem Distomum caudatum v. Linstow (Arch. für Naturg. 1873 p. 103)
= leptostomum Olsson (K. svenska vetensk. Acad. Handl. Band X. 1.
Stockholm 1875) aus Erinaceus europaeus ist der Anhang offenbar
nur bei lebenden Thieren oder in einem gewissen Alter deutUch
sichtbar. Bei etwa 60 in Alkohol conservirten Exemplaren und
einem lebend beobachteten einzelnen Stücke konnte ich ihn nicht
finden und auch Olsson beobachtete ihn nicht. Dagegen konnte ich
bei mehreren Exemplaren den 0,05'" langen kegelförmigen glatten
Cirrhus, dicht hinter welchem die von einem kurzen, ringartigen
Wulste umgebene Vulva liegt, hervorgestreckt finden. Da der Name
caudatum auf ein nicht immer vorhandenes oder deutliches Organ
basirt ist, würde der indifferentere Name Olsson's: leptostomum
vorzuziehen sein.
128 Dr- Arthur Mueller.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. Filaria gastrophila nov. sp.? A. Kopfende. B. Vereinigungsstelle von
Oesophagus und Darm. C. Mündung des weiblichen Geschlechtskanales.
a. Vulva, b. Vagina, c. Uterus, d. Darm. D. weibliches Hinterleibsende.
a. Anus. E. männliches Hinterleibsende : a. Hoden, b. Darm. c. Spicula.
F. weiblicher "Wurm in natürlicher Grösse. ■
Fig. 2. Strongyluris brevicaudata. nov. sp. A. männliches Leibesende von
der Seite: a. Hoden, b. Darm. c. Spicula. d. Saugnapf. B. dasselbe
von der Bauchseite c. Spicula d. Bauchnapf. C. Spiculum a. Spitze
b. Querschnitt c. Wurzel. D. weibliches Leibesende. E. Weibchen
in natürlicher Grösse.
Fig. 3. Cirrhusende von Trichocephalus affinis Rud.
Fig. 4. Männliches Leibesende von Trichocephalus unguiculatus Rud.
Fig. 5. Echinorhynchus pristis Rud. a. Rüsselhaken b. Schuppenstachel des
Körpers c. männliches Hinterleibsende von der Bauchseite d. von der
Seite e. weibliches Leibesende von der Bauchseite.
Fig. 6. Echinorhynchus annulatus Mol. a. vorderer Rüsselhaken
b. hinterer Rüsselhaken c. Stück aus dem vorderen Stachelringe
d. aus dem hinteren Stachelringe.
Fig. 7. MonoStoma filum Duj.
Fig. 8. MonoStoma filicolle Rud. a. unreifer b. reifer Wurm in natürlicher
Grösse c. Kopfende von der Fläche d. von der Seite.
Fig. 9. Distoma (Echinostoma) militare Rud. Kopf.
Fig. 10. Distoma (Echinostoma) segmentatum nov. sp. A. ganzer Wurm in
natürlicher Haltung von der Seite (nach einer Photographie), a. Mund-
napf b. Bulbus des Ösophagus c. Teilungsstelle des Ösophagus d. Cirr-
husbeutel e. ßauchnapf f. Schalendrüse mit einem Ei g. Eierstock
h. Vesicula seminal. inferior, i. Dottergang k. Hoden 1. Dotterstöcke
m. Blinddarmenden n. Mündung des Excretionssystems. B. Kopf von
der Bauchseite.
Vergleichende Morphologie des
Abdomens der männlichen und weiblichen
Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden,
untersucht auf Grund der
Abdominalsegmente, Copulationsorgane, Legeapparate und
Dorsaldrüsen.
Ein Beitrag zur Kenntniss der Phylogenie der Coleopteren.
Vou
Carl Vephoeff, Dr. phil.
Bonn a. Rh.
Hierzu Tafel VIII— XI.
I. Yorbemerkungen.
In „vergleichenden Untersuchungen über die Abdominalsegmente
und Copulationsorgane der männlichen Coleoptera" und „vergleich.
Untersuch, über d. Abdomin.-Segm. und Legeapparate der vi^eibhchen
Coleoptera" 1) habe ich versucht, an der Hand von 17 besonders
wichtigen Familien eine allgemeine Uebersicht über das Ab-
domen der Coleopteren vorzuführen. — Es waren nun besonders
meine einerseits an Rhynchoten, andererseits an der Coleopteren-
gruppe der Eleutherosiphona m. gewonnenen neuen Gesichts-
punkte und Resultate, welche mich bestimmten, jene Coleopteren-
Familien in einzelnen Arbeiten noch genauer abzuhandeln, um
eine genügende Basis zu schaffen für ein fernes aber trotzdem nicht
unerreichbares Ziel, die Schaffung eines natürlicheren und zwar
mögHchst natürhchen Systemes der Insekten-Klasse Coleoptera,
mit besonderer Berücksichtigung der Ordnungen, Familien und
Unterfamilien. — Die männlichen Elateriden wurden bereits
abgehandelt, 2) die Coccinelliden, Silphiden und Carabiden
habe ich unter Händen. Die Coccinelliden erregten mein Interesse
besonders durch ihren so ganz eigenartigen Copulationsapparat.
(Vergl.auch: Deutsche entomol.Zeitschr. 1894; über den Copulations-
apparat männlicher Coleopteren.).
1) Deutsche entomol. Zeitschr. Berlin 1893. Heft 1 und 2.
-) Zoologischer Anzeiger 1894, No. 443.
Aich. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 2. 9
130 Dl'- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Die Malacodermen nahm ich jetzt mit besonderem Interesse
in Angriff, weil sie mir durch ältere und neuere Untersuchungen als
eine der ursprünglichsten und darum auch für das Verständniss der
ganzen Klasse wichtigsten Coleopteren-Gruppen bekannt waren. — ■
Ob es mir möglich sein wird, das ganze, grosse Heer der Coleo-
pteren in der Weise, wie es mit den hier besprochenen FamiHen
geschieht, durchzuarbeiten, das vermag ich auch bei dem besten
Willen nicht zu sagen. Jedenfalls darf ich mit den Resultaten
dieser Untersuchungen zufrieden sein und mich darum trösten, nicht
umsonst mich bemüht zu haben. Ich hoffe, dass in dieser Bahn
andere Forscher mitschreiten und mitarbeiten werden i).
Ich will gleich bemerken, dass es in meiner Absicht liegt,
später auch die Thorakalsegmente ebenso durchzustudieren, wie nun
die Abdomirialsegmente, um auch daraus Stützen für ein natürliches
System zu gewinnen.
Es sei auch noch auf meinen Aufsatz „Zur vergleichenden
Morphologie des Abdomens weiblicher Coleopteren^)^' hingewiesen,
da derselbe eine wichtige Verbesserung meiner früheren Darlegungen
enthält. Wir werden sehen, dass mit dieser Verbesserung auch
vorliegende Untersuchungen vollkommen harmoniren.
Diese Arbeit dürfte zur Genüge den Unterschied zeigen, welcher
besteht zwischen einer allgemeinen, die Coleopteren im Ganzen be-
handelnden Arbeit über das Abdomen (wie die oben angeführte)
und einer solchen, welche (wie die vorliegende) eine einzelne
Ordnung derselben (oder zwei) zum Gegenstande hat.
Jeder Vorurteilsfreie wird nun nicht verkennen, dass gerade
für die verschiedenen Spezialarbeiten, obwohl sie weniger leicht
einen Detailfehler enthalten werden als eine allgemeine Arbeit, doch
erst durch Vermittelung der allgemeinen Vorarbeit die leitenden
Gesichtspunkte geschaffen werden, welche uns befähigen, eine
Spezialarbeit über das spezielle Gebiet zu erheben und zu einem
Gliede einer ein Ganzes ausmachenden Kette zu gestalten. Die
Vorarbeit musste erst lehren, dass die Malacodermen einfache
Coleopteren seien und dann konnte ich mich an dieselben heran-
begeben und sie genauer durcharbeiten, um noch weitere Aufschlüsse
über ihre niedere Organisation und ihre verwandschaftKchen Be-
ziehungen zu anderen Coleopteren-Gruppen zu erhalten. —
Wie ich schon früher nachgewiesen habe, besteht das Abdomen
der Coleopteren bei sehr vielen Formen in beiden Geschlechtern
noch aus 10 Segmenten. Die 10. und 1. V. fehlen aber in beiden
Geschlechtern bis auf ganz minimale Reste immer. Je mehr sich
nun eine Gattung von dem ursprünglichen Vorkommniss von 10 gut
ausgebildeten D. (1. — 10.) und 8 gut ausgebildeten V. (2. — 9.) ent-
fernt hat, um so jünger ist eine solche Gattung. Diejenigen
^) Etwas hat sich diese Hoffnung auch schon erfüllt.
^) Deutsche entom. Zeitschr. 1894.
d. mämilichen n. weiblichen Lairipyriclen, Cantharitlen u. Malachiideii. 131
Segmentplatten, Avelche besonders häufig in Wegfall kommen können,
sind die 2. V. 9. D. imd 10. D. Aber auch die 8. V. und 9. V.
können einem Schwund anheimfallen.
Dagegen ist es mir bei Coleopteren noch nie vorgekommen,
dass eine der folgenden Platten verschwände: 1. D.^ — 8. D. (incl.j
und 3. V.— 7. V. (incL).
Schon aus meinen früheren Mitteilungen kann man ersehen,
dass verschiedene der den 3 letzten Segmenten angehörigen Platten
entweder sehr eigenartige, von der Plattenform sich oft sehr weit
entfernende Umbildungen erfahren können, oder dass sie an ihrem
Vorderende ins Körperinnere ragende, mehr weniger lange Muskel-
stangen abgehen lassen. Alle diese Bildungon, welche von dem
ursprünglichen, einfachen Bau des Abdomens, in dem es sich nur
um typische Segmentplatten handelt, mehr oder weniger abweichen,
geben uns einen Anhalt, um zu bestimmen, wie weit die betreffenden
einzelnen Gattungen vom Bau des Urkäfers abgewichen sind; kurz
sie sind eine vorzügliche Handhabe zur Bestimmung der phylo-
genetischen Stellung der einzelnen Käfergattungen.
Aber auch die Platten der übrigen Segmente sind in dieser
Hinsicht nicht bedeutungslos, denn die 2. und 3. können am Baue
eines Ventralphragmas gegen die Coxa HI teilnehmen und dabei
kommt die 2. V. häufig mehr weniger in Wegfall. Ferner zeigen
die 3. — 6. V. bei höheren Gruppen das Bestreben mit einander fest
zu verkitten und dadurch ein Ventralbecken zu bilden. Sehr
häufig sind die Fälle von Zweiteiligkeit irgend einer Platte. So
ist z. B. die 9. V. der weiblichen Coleopteren nie anders als zwei-
teilig anzutreffen, besonders häufig auch die 9. D. desselben Ge-
schlechtes, aber keineswegs immer. Die 9. V. der Weibchen tragen,
mit seltenen Ausnahmen, (Dytiscinae) einen Stylus, welcher gelenkig
inserirt ist. Bei der Ordnung der Caraboidea sind die Styli fast
immer in Grab klauen metamorphosiert.
Ovipositoren fehlen den $ Coleopteren, nur bei Dytiscus
und Malthinus konnte ich Beste nachweisen.
Die Parameren, welche die Homologa der Ovipositores
posteriores vorstellen und einem ventralen Gliedmaassenpaar ent-
sprechen, (wie die 4 Paare der Mundteile und die Antennen) fehlen
bei Coleopteren (soweit bekannt) nie, sind aber in vielen Fällen
einer Reduction anheimgefallen, ja man kann sagen, dass bei
mehreren Ordnungen der Coleopteren (z. B. den Caraboidea
und der Fam. der Chrysomeliden) geradezu eine Tendenz zum Auf-
geben der Parameren herrscht. Aber es kommt, wie gesagt, nie
zu deren völligem Schwunde.
Mit der 10. V. fehlen den männlichen sowohl wie weiblichen
Coleopteren Cerci und Terminalschuppe immer.
Stigmen kommen im einfachsten Falle am 1. — 8. Abdominal-
segmente vor und liegen meist in der Pleurenhaut. Ueber Pleuren-
platten und Dorsaldrüsen werde ich im Folgenden nähere Mitteilung
machen.
132 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Die Malacodermata wurden bisher als eine der vielen
Coleopterenfamilien gefasst, die auch heute noch eine lange
unübersichtliche Eeihe darstellen. Es sind bisher nur ganz wenige
Versuche gemacht, diese vielen Familien zu natürlichen Ordnungen
zu gruppiren (Schioedte, Roger, Preller, Imhoff u. a.). Die ungeheure
Formenfülle gestaltet diese Aufgabe zu einer überaus schwierigen.
Mit besonderem Erfolg hat Schioedte^) gearbeitet, indem er die
Larven studirte. Lindemann^) hat seine vortrefflichen Unter-
suchungen am Thorax der Coleopteren leider nicht weiter an be-
sonderen FamiKen durchgeführt und auch 1. c. kommt er in Bezug
auf natürliche Systematik nicht über Andeutungen hinaus. Aber
diese Andeutungen waren vorzügKche und hätten von andern Zoologen
verwertet werden sollen. Leider scheint fast Niemand seine Arbeit
studirt zu haben.
Thatsache ist, dass, [wenn wir von Ganglbauers Caraboidea
etwa absehen] heute eine noch schlimmere Uebersichtslosigkeit im
Reiche der Coleopteren herrscht als ehedem. Man nehme z, B.
den „Catalogus Coleopterorum Europae et Caucasi" oder den
„Redtenbacher" (Fauna Austriaca) in die Hand. Beide Werke
glänzen durch einen „Bandwurm" von Familien. Wie trefflich ist
dagegen Imhoff s „Versuch einer Einführung in das Studium der
Coleopteren"! Ein solches, wirklich gediegenes Buch aber wird
nicht benutzt, ein Umstand, der sich ja schon aus dem Mangel
weiterer Auflagen ergiebt. Freilich ist von phylogenetischen
Gesichtspunkten auch in Imhoffs Werk nichts zu spüren, was
aber in der Zeit (185-6) seine genügende Erklärung findet.
Phylogenetische Gesichtspunkte fehlen ja auch noch in
Ganglbauers Arbeit 3) und doch wird ohne diese ein genügendes
morphologisches und darum auch systematisches Verständniss der
Coleopteren ganz gewisslich niemals erreicht werden. Kolbe*)
benutzt allerdings phjdogenetische Gesichtspunkte, aber ihnen fehlt
jegliche Begründung und darum sind es Gebäude ohne
Fundamente.
Wirklich begründete phylogenetische Darlegungen gab uns
dagegen Roger ^), aber leider sind diese seine vortrefflichen Anfänge
noch wenig weiter ausgebaut worden. — Da ich mich bereits mit
Mundteilen, Flügeln, Thorax und Abdomen der Coleopteren be-
schäftigt habe, so darf ich behaupten, dass alle diese Organgruppen
phylogenetisch verwertbar sind, aber ich muss hinzufügen, das
Abdomen ist in dieser Beziehung die wichtigste Organgruppe,
schon deshalb weil es bei jeder Form auf zweierlei Weise aus-
^) De Eleutheratorum Metamorphosi.
-) Ueber den Bau des Skelettes der Coleopteren. Das Skelett der Brust. 1865,
^) Die Käfer von Mitteleuropa. Bd. I. Caraboidea,
*) Natürliches System der caniivoren Coleoptera. Berlin 1880.
^) Das Flügelgeäder der Käfer. Erlangen 1875.
d. mcännlichen u. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 133
gebildet wurde. Deshalb aber dürfen die andern Körperregionen
nicht vernachlässigt werden, vielmehr ist es sehr geboten, auch
Mundteile (wie überhaupt den ganzen Kopf) Thorax und Extremitäten
im äusseren und inneren Baue zu studiren.
Indem ich in dieser Arbeit meine Untersuchungen am Abdomen
der Malacodermen vorlege, hoffe ich ein Schärflein zur Erkenntniss
der Anatomie und Phylogenie der Coleopteren beizutragen.
Es wird hierdurch meine schon a. a. 0. ausgesprochene Ansicht
bestätigt, dass diese Gruppe in dem bisher gefassten Rahmen nicht
bestehen bleiben kann.
Es wurden Repräsentanten folgender Gattungen studirt:
1. Lygistopterus. 2. Eros.
3. Homalisus. 4. Lampyris (Lamprorhiza).
5. Luciola. 6. Phosphaenus.
7. Drilus. 8. Cantharis.
9. Rhagonycha. 10. Malthodes.
11. Malthinus. 12. Malachius.
13. Axinotarsus. 14. Anthocomus.
15. Ebaeus. 16. Charopus.
17. Dasytes. 18. Danacaea.
19. Dolichosoma. 20. Psilothrix.
Ich lasse mm zunächst meine Beobachtungen über den Bau der
einzelnen angeführten Gattungen folgen:
n. Spezieller Teil.
Lygistopterus.
c^sanguineus: AUe Segmentplatten sind dunkelbraun pigmentirt,
wobei zwischen D. und V. nur ein geringer Unterschied besteht.
Vordere und mittlere V. um Vs breiter als die entsprechenden D.
Am 8. S.i) sind beide Platten fast gleich breit. Am Hinterrande
der 8. V. befindet sich eine bogenförmige Ausbuchtung des mittleren
Drittels. Die 9. D., welche fast so lang ist wie die 8 D., erscheint
2 lappig (nicht 2 teilig), indem sowohl der Vorder- wie Hinterrand
breit ausgeschnitten ist. (Fig. 2.) Im Ausschnitt des Hinterrandes
sitzt die relativ grosse, etwas rundliche 10. D., grösser als jeder
der beiden Lappen der 9. D. Am meisten weicht von den übrigen
Platten die 9. V. ab (Fig. 2.), da sie am Vorderende sich allmähhg
verschmälert und in einen Fortsatz ausläuft, dessen Ränder wulstige
Chitinspangen aufweisen. An letztere heftet sich jederseits eine
andere Spange an, welche von den Vorderecken der 9. D. nach
^) S. = Segment. Betreffs der übrigen Abkürzungen vergl. man die Tafel-
erklärungen.
134 Df- Carl Verhoeff: Vergleichenrle Morphologie des Abdomens
unten und vorne abläuft. Der Fortsatz der 9. V. ist ein Mittel-
ding zwischen einem Spiculum gastrale^) und einem Bogen.
Er ist vorzustellen als ein Bogen, welcher von den Seiten stark
zusammengedrückt worden ist. Das Hinterende der 9. V. schlägt
sich nach vorne um und bildet über der 9. V. eine scharf abgesetzte
Duplicatur-Platte (Fig. 3. Dp), welche hier besonders gut entwickelt
ist. Diese Platte hat eine an einen Anker erinnernde Form, wobei
das abgerundete Ende nach vorn gerichtet ist. Die Anker-Dupli-
catur liegt zwischen den Fortsatz - Spangen der 9. V., sodass die
Punkte ßß (Fig. 3) sich an die Punkte aa (Fig. 2) anheften und
Punkt d' über / lagert. Der Spiess e ist also nach hinten gerichtet.
Die grossen Stigmata des 1. S. lagern neben der 1. D. Vom
2. — 8. S. finden wir die eigentlichen (physiologischen) Abdominal-
stigmen in den Ventralplatten und zwar in dem Seitenrande der
nach oben umgebogenen Seitenstreifen. (Andeutung falscher Pleuren.)
Sie sind, wie fast immer, bedeutend kleiner als das St. des 1. S.
Echte Pleurenplatten fehlen. (Allerdings sind die V. am
Kande nach oben umgebogen, aber ohne Randschärfung.) — Auf-
fallend längere Borsten kommen nur an den hinteren Aussenecken
der 9. D. und am Endrande der 10. D. vor. (An letzterer wurden
sie in der Zeichnung weggelassen.) Dorsaldrüsen und Drüsen-
porenplatten, welche wir im Folgenden noch kennen lernen werden,
fehlen hier.
Ich will nun auf eigenthümhche und oft sehr hübsche Partien
in den Segmentplatten aufmerksam machen, welche ich kurz Mosaik-
felder nenne:
In Fig. 1 (unter Mo.) ist ein solches Feld abgebildet. Man
beobachtet helle, dicht aneinander gedrängte Räume, welche an
Pflanzengewebe erinnern. Durch mehr weniger kräftige, chitinige
Grenzbälkchen sind sie von einander getrennt. Da die Mosaikfeld-
zellen im Innern heUer, in ihren Grenzbälkchen dunkler zu sein
pflegen als das umliegende Feld der Segmentplatten, so treten sie
scharf hervor und man kann sie als Gruppen schon mit der Lupe
wahrnehmen. Bei 200 fach. Vergröss. und genauer Einstellung kann
man sich übrigens überzeugen, dass auch das umliegende Feld der
Platten zellige Struktur zeigt. Nur ist dieselbe, im Vergleich zu den
Mosaikfeldern, sehr schwach. Eine derartige zellige Struktur des
Chitinskelettes ist ja sehr verbreitet und schon lange bekannt 2).
Die zellige Struktur rührt nicht von Zellen selbst her, sondern
stellt Eindrücke der EpidermiszeUen ins Skelett vor. Ueber die
Zellen, welche unter den Mosaikfeldern lagern, hoffe ich in einer
spätereji Arbeit über Drüsen bei Coleopteren mich zu verbreiten. Hier
1) cf. Zoolog. Anzeiger No. 432. 1893. „Giebt es flu die Laminae basales
der Coleopteren Homologa bei Hymenopteren". —
-) cf. z. B. Fr. Leydig, 1855. Archiv für Anatomie und Physiologie,
„Zum feineren Baue der Arthropoden." S. 379 „Polygonal-zellige Struktur" bei
Asellus aquaticus. —
(1. inäuiilichen u, weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malacliiideii. 135
soll auf die Lage, Menge und Verteilung der Mosaikfelder hingewiesen
werden, Sie machen übrigens den gleichen Eindruck, einerlei ob
man sie von oben oder unten betrachtet.
Auf dem meisten D. fand ich 3 Paare von Mosaikfeldern. Eines,
welches jederseits meist 25 — 30 Zellen enthält und seine Längsachse
mit der Körperlängsachse gleichgerichtet hat, wobei in der Breite
2 — 4 (5) Zellen (oft polygonal) lagern (Fig. 1 Mo.) findet man jeder-
seits ungefähr in der Mitte zwischen Mediane und Seitenrand, jedoch
der Mediane etwas näher und auch ungefähr in der Mitte zwischen
Vorder- und Hinterrand, doch dem Vorderrande etwas näher. Ich
nenne es das Paar der inneren Mosaikfelder. Man beobachtet
es auf der 2.-7. D. Es fehlt auf der L, 8., 9. und 10. D. Das
2. Paar von Mosaikfeldern i) lagert ausserhalb der vorigen, ungefähr
in der Mitte zwischen demselben und dem Aussenrande, doch dem
inneren Mos. etwas näher, auch mehr nach dem Vorderrande zu.
Diese äusseren Mos. stehen quer nach aussen und enthalten nur
10 — 20 Zellen. Sie kommen auf der 3., 4., 5., 6. D. vor, fehlen aber
auf den 6 übrigen.
Das 3. Paar endlich, das ich wegen seiner Lage am Vorder-
rande der Platten, das Paar der vorderen Mosaikfelder nenne, ist
das grösste und zieht sich daselbst in langen Querhaufen hin, welche
in der Mitte zwischen sich einen Zwischenraum lassen, noch nicht
gleich der Breite eines jeden von ihnen. Die Tiefe dieser langen
Querhaufen beträgt 3—4 Zellen.
Die vorderen Mos. kommen an der 2. — 8. D. vor, sind an der
8. aber kleiner als an den übrigen Platten.
Also vordere Mosaikfelder an der 2. — 8. D.
innere „ „ „ 2. — 7. D.
äussere „ ,, „ 3. — 6. D.
An den Ventralplatten fehlen die äusseren und inneren
Felder, nur am Vorderrande sind solche bemerkbar. An der 2. V.
ziehen sich Mosaikzellen in langem Bande am Vorderrande hin.
An der 3. — 7. V. liegt jederseits, nicht sehr weit von den Seiten-
ecken eine tiefe, rundliche Grube, deren Grundwandung em Mos.
bildet. Am Vorderrande der 8. V. fehlen die Gruben und es werden
überhaupt nur noch wenige Mosaikzellen wahrgenommen. Der 9. V.
fehlen solche vollständig. Die 1. und 10. V. fehlen.
Die 2. V. ist von typischer Bildung, so lang und so breit als
die übrigen, aber am Vorderrande breit ausgebuchtet. Alle S. sind
frei gegen einander beweglich, daher fehlt ein Ventralbecken,
ebenso fehlt ein Ventralphragma. Die Beborstung der V. ist
reichlicher als die der D. —
Copulationsorgane: An der Ba.^) (Fig. 3) bemerkt man
jederseits ein Hörn, wodurch die Verbindung mit den Pa. hergestellt
wird. In der Mediane liegt eine dunkle Naht. Im Uebrigen ist die Ba.
^) M. oder Mos. = Mosaikfelder.
-) cf. Abkürzungen am Scliluss.
136 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
schön hell chitinbraun. Die Pa. dagegen sind völligschwarz pigmentirt,
mit Ausnahme der Endsäume, welche hell durchscheinen und zahl-
reiche Grübchen, offenbar Sinnesgruben, tragen. In der Mediane
sind die Pa. mit einander verwachsen, sodass sie sich nicht gegen
einander bewegen können. Auch eine Verwachsungsnaht habe ich
nicht beobachtet, nur einen dunkeln Schatten jederseits der Mediane.
Sie sind sehr plump, kurz, gedrungen, zusammen fast quadratisch.
Wegen ihrer Undufch sichtigkeit kann ich die Art der Befestigung
des P. nicht genau angeben. Das wü^d sich aber bei einer Reihe
weiterer Formen schon herausstellen. Der P. ist eigenthümlich da-
durch, dass der d. ej. weit vor der Spitze mündet. Die letzten 2/5
des P. bilden einen vom d. je. nicht mehr durchsetzten, geschlossenen,
fingerartigen Kegel, welcher in situ über die Pa. hinausragt und
von den Poren zahlreicher Hautdrüsen durchbohrt wird. Der P. ist
schön chitinhellbraun und verbreitert sich allmählig gegen seine
Basis. Etwas über der Mitte mündet der d. ej. nach aussen und
man sieht den mit zahlreichen, spitzen und dreieckigen, horngelben
Zähnchen besetzten Präputialsack i) durchschimmern. P.-Schenkel
habe ich nicht beobachtet. Die Ba. liegt natürlich vor den Pa.,
aber ich kann sie weder als ventral noch als dorsal bezeichnen. —
$ sanguineus. Für die 7 ersten S. gilt das beim ^ Gesagte.
Auch die Mosaikfelder treten in derselben Weise auf. Die 8. D.
und V. aber, welche beim ^ 4-eckig erscheinen und doppelt so breit
als lang sind, haben hier beim $ eine fast halbkreisförmige Gestalt,
indem der Diameter den Vorderrand vorstellt. Die 8. V. ist auch
hier am Hinterrande ausgebuchtet, aber sehr viel tiefer als beim <^.
Am Vorderrande setzt sich (Fig. 1) ein die Platte an Länge fast um
das Doppelte übertreffendes Spiculum ventrale an, welches jedoch
keine continuirliche Fortsetzung des Vorderrandes mehr bildet,
sondern sich gegen dieselbe bereits ganz selbständig darstellt.
Es gabelt sich vor der 8. V. mit 2 kleinen Armen, welche in der
durchsichtigen Verbindungshaut endigen. Es ist schwarz pigmentirt
und erscheint nur an beiden Enden aufgehellt. Seine Länge (2,3 mm)
harmonirt mit derjenigen den Legeröhre (3 mm). —
Die 9. und 10. D. fehlen.
Die Legeröhre, welche man in Fig. 1 in vollkommen vor-
gestülptem Zustande sieht, erscheint hier als eine sehr ausgeprägte
Bildung. An derselben haben wir 3 Abschnitte zu unterscheiden:
1. Die Vorderröhre, vom Hinterrande der 8. V. (x) bis R,
2. Die Hinterröhre, von R bis t,
3. Den Plattenabschnitt, von t bis Sty. —
R. ist eine ringförmige Einschnürung, die Ringfalte. Die vor
derselben liegende Vorderröhre kann ihre Wandung einstülpen, wie
der Augenträger einer Pulmonate. Die Hinterröhre, welche hinter
der Ringfalte liegt, bedarf keiner Einstülpung, denn durch die Ein-
^) cf. Deutsche entomolog. Zeitschr. 1894. „Ueber die Copulat.-Org.
männlicher Coleopteren, eine Antwort an die Herren Schwarz und Weise."
d. männlichen u. weiblichen Larapyrideu, Canthariden u. Malacliiiden. 137
stülpung der Vorderröhre wird die Ringfalte nicht nur bis zum
Punkte X gebracht, sondern um ebenso viel vor x, als R. hinter x
liegt. Da nun die Vorderröhre noch etwas länger ist als die Hinter-
röhre, so gelangt bei der Einstülpung der Punkt t noch vor x.
Somit kommt durch Einstülpung und völHge Umstülpung der Lege-
röhre die ganze Legeröhre im Körper zur Bergung. — Im Linern
der Legeröhre treffen wir 2 lange und kräftige Chitinspangen, welche
ich Radii nenne, (jr Fig. 1) und welche den die Rückziehung der
Legeröhre bewirkenden Muskeln zum Ansatz dienen. [Auf die
physiologische Seite des Legeapparates kann ich in dieser Arbeit
näher nicht eingehen.] Die Radii ragen vorne noch ein gutes Stück
aus der Legeröhre hervor und verbreitern sich am Ende merklich.
Auch vor der Gegend der Ringfalte besitzen sie eine kleine Er-
weiterung. Am Hinterende berühren die Radii jederseits einen
Chitinbalken (t), mit dem sie artikuliren, und diese Chitinbalken
hegen am Vorderende des Plattenabschnittes. Sie springen innen
in einen dünneren Zapfen vor.
Die Legeröhre ist nun bemerkenswertherweise in ihrer ganzen
Länge, von x — t, d. h. also, soweit sie beim Ausstülpen mit der
Aussenluft in Berührung kommt, mit einer zierlichen Struktur ver-
sehen, welche eine etwas unregelmässige, schildpattartige Felderung
vorstellt. In Fig. 1 sind nebenan links 3 Partieen aus der Haut
der Legeröhre stark vergrössert dargestellt, a, ß und / sind in
gleicher Höhe mit den Stellen der Legeröhre gezeichnet, denen sie
angehören. Daraus ergiebt sich also, dass in der Vorderröhre die
Skulptur mehr rundlich (/), in der Hinterröhre mehr längHch (a)
sind. Es muss aber hervorgehoben werden, dass zwischen beiden
Skulpturen keine scharfe Grenze besteht; vielmehr sind auch im
vorderen Theile der Hinterröhre noch rundliche Felder vorherrschend
und erst ganz allmählich nehmen nach hinten zu die Felder eine
längUchere Form an. Die Felder selbst erscheinen auffallend scharf
begrenzt, was daher kommt, dass sie selbst eine braune, die
Zwischenräume aber eine hellgraugelbe Farbe haben, auch sind sie
etwas emporgewölbt. Jedes Feld dürfte einer EpidermiszeUe seinen
Ursprung verdanken. Was nun die Felder der Gruppe ß betrifft,
welche Poren enthalten, so sei bemerkt, dass sie auf der Vorder-
röhre gänzlich fehlen. Sie beginnen aber schon am Vorderende
der Hinterröhre in zerstreuter Anordnung. Besonders zahlreiche
Poren tragen die Felder in der Region vor dem Anus (A). Hinter
demselben ist wieder nichts von Poren zu sehen. Diese selbst sind
offenbar Sinnesgniben. Sie haben, wie auch die Basalgruben der
Tastborsten, von denen nur wenige kurze ausserhalb der After-
region stehen, eine doppelte Ringeontour, während Drüsenporen
das nicht zeigen, vielmehr eine einfache Contur, von welcher aus-
gehend in die Tiefe man meist noch ein Stück des Ausführungs-
ganges bemerken kann. Der Plattenabschnitt besitzt jederseits
in einem länglichen, scharf begrenzten Theile eine dunkelbraune
Farbe und ermangelt vollständig der Felderstruktur. Schon da-
138 Dl'- Carl Verhoeff: ■Vergleicheiule Morphologie des Abdomens
durch erkennt man diese paarigen Theile als etwas Besonderes. Da
wir nun aus anderen Untersuchungen wissen, dass die 9. V. paarig,
d. h. zweiteiKg auftritt und die Vaginalmündung flankirt, dass sie
ferner die Styli trägt, so erkennen wir auch hier leicht, dass die
der Felderstruktur entbehrenden Endplatten der Legeröhre die
zweitheilige 9. V. sind, um so mehr, da sie auch am Ende in Gelenk-
gruben Styli trägt und zwischen den Enden die Vagina mündet.
Diese Mündung selbst und die in der Mitte zwischen den Hälften
der 9. V. Hegende Partie der Legeröhrenhaut trägt übrigens auch
noch Felderstruktur. Aber Sinnesporen bemerkte ich dort nicht.
Die 9. V. ist in ihrer vorderen Hälfte mit zerstreuten Sinnesgruben,
in ihrer Endhälfte besonders mit Tastborsten besetzt. Letztere sind
besonders kräftig auf den Styli ausgebildet, an deren Grund aber
sitzen auch einzelne Sinnesgruben.
Aus dem im Vorigen Gesagten gelangen wir zu der Erkenntniss,
dass die ganze Vorder- und Hinterröhre des Legeapparates
als eine sehr differencirte und vor allen Dingen eine ganz
enorm in die Länge vergrösserte Zwischenhaut zwischen
dem 8. und 9. S. anzusehen ist. —
Es muss noch hervorgehoben werden, dass die Radii nirgends
an der Wandung des Legeröhrenschlauches Antheil haben, sondern
ganz im Innern der Legeröhre lagern. Auf ihre vergleich.-morphol.
Bedeutung komme ich hernach zurück. —
Eros.
(? Aurora. Alle Segmentplatten sind schön braun pigmentirt,
wesentlich heller als bei Lygist. Indessen sind D. und V. ziemlich
gleich intensiv gefärbt. Die 8. V. ist am Hinterrande breit und
ziemlich tief ausgebuchtet, die 8. D. erscheint zugerundet. 9. und
10. D. und 9. V. erinnern sehr an diejenigen von Lyg., doch
ist der Bogenfortsatz (Fig. 5) etwas länger als bei jenen (wurde
aber in der Fig. etwas zu kurz gezeichnet). Die 9. D. ist am
Hinterrande weniger tief ausgebuchtet, am Vorderrande fast gar
nicht, daher sie denn auch keinen 2 lappigen Eindruck macht. Fort-
satzspangen sind wie bei Lyg. vorhanden und fügen sich auch in
entsprechender Weise an den Bogenfortsatz an. Die Duplicatur
der 9. V. ist in ihrem stärkeren Plattentheil hinten auch abgerundet,
aber sie entbehrt des Fortsatzes £, wie er bei Lyg. vorkommt. —
Die 1. und 10. V. fehlen. Die 7. V. ist gut ausgebildet wie
bei Lyg.
Dorsaldrüsen und Drüsenporenplatten fehlen auch hier. Die
8 Stigmenpaare liegen ganz in der Pleurenhaut, in welcher
keine Pleurenplatten vorkommen.
Die Seiten der V. schlagen sich nur wenig nach oben um.
Besonders kräftige Borsten stehen am Endrande der 9. V., ebenso
an der 9. und 10. D., doch an letzteren weniger stark als bei Lyg.
(1. mäunlichen u. weiblichen Lanii»yritleii, Cantliariden u. Malachiideii. 139
Die Mosaikfelder kommen auch hier vor, sind aber im Ganzen
undeutlicher als bei Lyg. Sie fehlen wieder vollständig auf der 1,,
9. und 10. D. und 9. V.
Die vorderen Mos. sind an der 2. — 7. D. angeordnet wie bei
Lyg., nur sind die Grenzbälkchen etwas blasser. An der 8. D. ist
nur noch wenig davon bemerkbar. Die inneren M. stehen, auch
ganz wie bei Lyg., auf der 2. — -7. D. und fehlen auf der 8. D.,
doch sind sie in der Längsrichtung hin in 2 — 4 getrennte Häuflein
aufgelöst. An der 7., 6. und 5. D. sieht man am Hinterrande eines
jeden Häufleins einen gebogenen, vorn concaven Wulst von dunkler
Farbe als Grenze. An den vorderen Plattten geht das mehr und
mehr verloren.
Die äusseren M. stimmen mit denen von Lyg. überein, nur
sind sie etwas blasser.
Neu ist gegenüber Lyg., dass auch noch hintere M. vorkommen.
Diese enthalten recht zahlreiche Zellen und liegen in einem unregel-
mässigen Längshaufen hinter den äusseren M. Sie sind von allen
am blassesten und kommen an der 2.-7. D. vor, wobei sie nach
hinten kleiner (aber nicht undeutlicher) werden.
An den V. finden sich die M. auch hier nur in eiaem Paare
vor und zwar am Vorderrande. Sie liegen aber nicht in so tiefen
Gruben wie bei Lyg., doch zieht sich eine kleine Gruppe von Zellen
quer nach aussen und hinten wie ein Ast ab und zwar auf der
3. — 6. V. Die Mos. kommen auch noch an der 7. und 8. V. vor,
aber sie eimangeln des Astes.
Die Copulationsorgane (Fig. 4) stimmen im Wesentlichsten
mit denen von Lyg. überein, nur sind die Pa. nicht fest an einander
gewachsen. Die Ba. ist derjenigen von Lyg. sehr ähnHch, besitzt
auch am Ende 2 Hörner. Die Pa. aber sind viel schlanker als
bei Lyg., endigen nicht wie dort breit und abgestumpft, sondern in
einem kurzen, daumenartigen Fortsatz, der mit Sinnesgrübchen
besetzt ist, wie das P.-Ende mit Drüsenporen. Auch hier liegt die
Mündung des d. ej. weit vor der P. -Spitze. Die Ba. liegt vor
den Pa., aber man kann sie weder als dorsal noch als ventral
bezeichnen.
$ Aurora. Die Platten sind schwarzbraun pigmentirt, wie
bei Lyg. Die 7 ersten S. stimmen sonst mit denen des S überein,
doch sind die abgehenden Aeste an den Mos. der 3. — 6. V. deutlicher
ausgegrägt als beim <S, was offenbar theilweise an der dunklen Pig-
mentirung liegt.
Die Stigmen befinden sich wieder in der Pleurenhaut am
1. — 8. S.
Die 8. D. ist ungefähr dreieckig, mit abgerundetem Endrande.
An der 8. V., welche fast einen Halbkreis vorstellt (imd der Mos.
entbehrt), tritt der gebogene Hinterrand in der Mitte etwas vor
(also das Gegentheil von einer Einbuchtung). Ein Spiculum
ventrale ist vorhanden, aber im Gegensatze zu Lyg. bemerkt man,
dass es
140 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
1. nicht länger ist als die Platte selbst und
2. continuirlich in dieselbe übergeht.
Das Spie. V. ist hier also noch nicht selbständig geworden,
sondern bildet einen langen Stangenfortsatz an der Platte. Es liegt
folglich, gegenüber Lyg., ein ursprünglicheres Verhalten vor.
Jederseits am Vorderrande ist die 8. V, leicht eingebuchtet. —
Es sei nun auf die Länge des Legeapparates (Fig. 6) hin-
gewiesen, welche mit der Spiculum-Länge harmonirt:
Auch dieser zeigt sich als eine Vorstufe des Legeapp.
von Lyg.
a) er stimmt mit ihm überein:
1. in der 9. V. und den Styli,
2. in den queren Stützbalken t,
3. in dem Besitz kräftiger Radii,
4. in der allgemeinen Legeröhrenform.
b) er unterscheidet sich von ihm:
1. durch die geringe Entwickelung des Legeröhrenschlauches,
2. durch den Mangel der Ringfalte,
3. durch den Mangel der Schildpattskulptur. —
Die Styli sind weniger schlank als die von Lyg., aber doch
nicht ganz so kegelig als es die Fig. zeigt.
Auch hier fehlt die 9. und 10. D. —
Homalisus.
^ suturalis. Die Platten zeigen ungefähr dieselbe braune
Pigmentirung wie bei Eros Aurora ^. In den Grössen der Platten
herrschen etwa dieselben Verhältnisse wie bei den 2 vorigen Gatt.
Die 1. und 10. V. fehlen.
Die 2. V. ist deutlich, aber sie ist nur seitlich braun pigmentirt,
in der Mitte sehr hell, durchsichtig. Die 8. D. und V. sind quer
viereckig, mit fast geradem Hinterrande. Die 9. D. schliesst sich
vortreffhch an die der beiden vorigen Gattimgen an. War die von
Eros schon einfacher als die von Lygist., so ist die von Homal.
noch etwas einfacher als die von Eros. Sie hat fast typische
Plattenform (Fig. 23), nur befindet sich am Hinterrande, der mit
kräftigen Borsten geziert ist, in der Mitte eine tiefe Ausbuchtung,
unter welcher die fast borstenlose, nach hinten stark verschmälerte
10. D. vorschaut. Sehr erwähnenswert ist übrigens der Umstand,
dass auch hier die nach unten ablaufenden Spangen (fi), welche
eine Verbindung mit dem Bogen der 9. V. herstellen, vorhanden
sind. Auch die 9. V. (Fig. 23) steht der ursprünglichen Plattenform
noch näher als die entsprechenden Organe bei Eros und Lygist.
Ln Ganzen stellt sie eine recht längliche Ellipse vor, wobei der
Bogen (B. v.) seine typische Gestalt beibehalten hat, also nicht
komprimirt ist, wde bei Eros und Lyg. Der Bogen geht continuirlich
in die eigentliche 9. V. über und ist am Vorderende (e) stark ver-
breitert. Die DupUcatur (Dp) ist fast kreisrund und geht hinten bei
d. männlichen n. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 141
gleichbleibender Kräftigkeit in den Hinterrand der 9. V. über. Da-
selbst steht eine reichliche, lange Beborstung. Die 3. — 8. V. sind
reichlich beborstet, aber die 2.V. und die 1. — 7.D. nicht, denn diese
liegen verdeckt. An den Aussenecken des Hinterrandes der 8. D.
aber sitzen einige kräftige Borsten.
Pleurenplatten fehlen, die Seitenränder der V. sind nur wenig
nach oben eingebogen.
Die 8 Stigmenpaare liegen am 1. — 8. S. in der Pleurenhaut,
wobei das 1. natürlich wieder bedeutend grösser ist als die fol-
genden. Es liegt neben der 1. D., welche deutUch ausgebildet ist,
aber nur halb so lang wie die 2. —
Dorsaldrüsen und Drüsenporenplatten fehlen. —
Vordere und hintere Mosaikfelder fehlen an den D. An
der 1. D. fehlen die Mosaikfelder überhaupt; auch an der 8. D. sind
kaum Spuren zu finden. Die 7. D. zeigt eine Strecke weit von den
Seitenecken jederseits vor dem Yorderrande ein rundhches Mos.
An der 2. — 6. D. ist es mehr weniger unregelmässig, und nach
aussen liegen am Vorderrande noch unregehnässige , kleine und
blasse Zellcomplexe versprengt; auch noch ein solcher weiter nach
innen und hinten zu, ebenfalls blass und quer an der 3. und 4. D.
— Die V. besitzen hier auch nur 1 Paar Mos. am Vorderrande der
2. — 7. V. Sie sind ziemlich deutlich ausgeprägt und Hegen nicht
in Gruben. An der 8. und 9. V. fehlen die M.
An den Copulationsorganen, welche denen der 2 vor.
Gatt, ähneln, sind die Pa. frei gegen einander beweglich. Sie heften
sich nur an ihrer Basis an einer Stelle, welche dorsalwärts gelegen,
gelenkig an einander. Jeder Pa. legt sich ventralwärts mit einer
Kante an einem Basalfortsatz des P. an, den ich auch hier als P.-
Schenkel bezeichne (Fig. 23 f). Die Pa. sind dunkelbraun, der P.
hellbraun. Beide sind unbeborstet.
Die Pa. scheinen am Ende, oberhalb der umgebogenen und
nach aussen gerichteten Hakenspitze, hell durch und tragen dort
viele Sinnesgruben. An der Innenseite sitzen zerstreut Drüsenporen,
wie auch am P. Letzterer ist auch hier auffallend dadurch, dass
die Mündung des d. ej. (welche ich allerdings nicht ganz genau
gesehen habe) jedenfalls weit vor dem P.-Ende sich befindet. Einen
Praep. habe ich nicht beobachtet. Die Ba. ragt jederseits nach
hinten vor, ohne doch deutliche Hörner zu bilden. Am Ende der
Von^agungen heften sich die Pa. an.
Die Ba. (Fig. 24) ist schon etwas ventral gelegen. An den
Seitenrändern besitzt sie je einen Vorsprung (a), an welchen sich
Bewegemuskeln der Pa. anheften. —
Einen $ suturalis besitze ich leider nicht i).
^) Das $ Ex., welches Prof. Bertkau vorlag in: „Beschreibung d. Larve
xmA des Weibchens von Homalisus suturalis", ist im Besitze des Herrn v. fleyden
(Frankfurt).
142 Dl'- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Ahdoinens
Lampyris.
(J splendidula. Die meisten Segmentplatten sind graubraun
pigmentirt. Auch hier besteht noch kein auffälliger Unterschied in
der Pigmentation und Wandungsstärke zwischen V. und D. Von
der 8. — 1. D. nimmt aber die Pigmentation immerhin an Stärke
ab, ist also auf der 8. D. am intensivsten. Unter den V. ist die
2. in der Vorderhälfte jederseits der Mediane in einer rundlichen
Partie pigmentlos, im Uebrigen pigmentirt, wie auch die 3., 4. und
5. V. Die 6. V. besitzt nur im A^ordersten Drittel Pigment, im
Uebrigen ist sie, wie die ganze 7. und 8. V., fast pigmentlos, hell.
Diese Helligkeit ist notwendig, um die leuchtenden Zellen, welche
besonders über der 6. und 7. V. lagern, in ihrem Effekt nicht zu
beeinträchtigen. Man kann die 6. und 7. V. kurz die Fenster -
platten nennen. — Die 1. und 10. V. fehlen, — Die 2. V. ist gut
ausgebildet, vorn flach ausgebuchtet. Die 1. D, erreicht nur Vs
der Länge und nicht ganz die Breite der 2. D.
Die 3. — 7. V. sind Adereckig, quer, mit geraden Hinterrändern,
die Ecken springen nicht vor. Die 8. V. dagegen (Fig. 9) ist am
Vorderrande schwach ausgebuchtet, während das mittlere Drittel
des Hinterrandes stark nach hinten vorragt und selbst Avieder eine
Ausbuchtung besitzt. An der 4. und 5. D. treten die Hinterecken
in dreieckigen Zipfeln nach hinten vor, während der Hinterrand
noch ziemlich gerade bleibt. Er ist aber an der 6. und 7. D. in
der ganzen Breite ausgebuchtet, bei der 7. noch stärker als bei
der 6. Während die 7. D. noch doppelt so breit ist als lang,
kommt bei der 8. D. Länge und Breite einander gleich. Diese Platte
ist fast rund, nur am Hinterrande auch ausgebuchtet.
Während bei den 3 vorigen Gatt, die 9, und 10. D. den vorher-
gehenden an Grösse noch nicht erheblich nachstanden (die 10. ist
natürlich meist kleiner als die 9. und die 9. kleiner als die 8.), ist
hier ein sehr beträchtlicher Grössenunterschied vorhanden. Die
8. D. misst 1,3 mm., die 9. D. nur noch 0,3 — 0,4 mm. Ferner ist
die 10. D. fest an die 9. D. angewachsen (Fig. 8). Auch von
einer Naht ist nur noch seitAvärts etwas zu sehen, doch setzt sich
in der Seitenlinie die 10. D. deutlich gegen die 9. ab. Beide Platten
sind fast borstenlos. Besonders lange Tastborsten sind auch an
keiner andern D. oder V. vorhanden, ziemlich kurze allerdings
zahlreich. Letztere fehlen aber an der 9. und 10, D. auch fast ganz.
Die 9. V., deren eigentlicher hinterer Plattentheil beborstet ist,
geht nach vorne in einen typischen Bogen über (Fig. 7), welcher
eine fast gleichbreit bleibende Spange aufweist, die vorne ein wenig
klafft. Eine eigentliche Duplicatur platte fehlt.
Pleurenplatten sind nicht vorhanden. Allerdings sind kleine
Seitenteile der V, nach oben umgebogen und scharf gegen die V.
abgesetzt, aber sie gehen ohne bemerkbare Grenze in die Pleuren-
haut über.
d. männlichen ii. weibliclien Lampyiiden, Canthariden u. Malachiiden. 143
Die Stigmen kommen wieder in 8 Paaren am 1. — 8. S. vor
und liegen in der Pleurenhaut, hart an ihrer unteren verschwommenen
Grenze.
Mosaikfelder fehlen auf der 1., 9. und 10. D. und 8. und 9. V.
Die Mos. der andern D. sind nicht leicht zu beschreiben. Man
findet 1 Paar am Vorderrande, das einen queren, blassen, aber
grossen Haufen darstellt, welcher meist jederseits in 2 getheilt ist
sodass 2 Mos. Paare am Vorderrande stehen, dicht hinter dem
äusseren dieser Paare liegt auf jeder Körperseite ein rundliches,
stärker ausgeprägtes Mos. (äusseres) und ein queres hinter dem
inneren Paare der vorderen M. (inneres). Hinter dem inneren und
äusseren Paare liegen jederseits in der Mitte der Platte kleine, nur
wenige (2 — 5) Zellen enthaltende Mos. zerstreut, welche man als
zerstreute hintere Mos. bezeichnen kann. Ich sah 9 — 12 solcher
kleinen Feldchen jederseits auf der Platte verteilt. (Sie erscheinen
wie eine Gruppe kleiner Inseln auf einer Karte). Man findet sie
auf der 2. — 7. D. Die inneren Felder sind auf der 7. D. fast er-
loschen, die äusseren noch deuthch. Auf der 8. D. finden sich auch
von der äusseren M. nur noch Andeutungen.
Seitwärts von der Mediane liegen auf der 8. D. V4 ihrer
Länge hinter dem Vorderrande, 2 — 3 helle Fleckchen, Reste der
zerstreuten hinteren Mos. Auf der 2. — 7. V. finden sich M. wieder
nur am Vorderrande und zwar jederseits ein äusseres und ein
inneres Feld.
Die Copulationsorgane von horngelber Farbe erinnern sehr
an diejenigen von Homalisus. Auch hier liegt die Ba. etwas ven-
tral und trägt nach oben vorspringende Kanten (a. Fig. 24).
Der P. ist in der Mitte stark eingeschnürt und verbreitert sich
von dort stark nach vorne, während die Endhälfte zuerst etwas an-
schwillt, dann sich verschmälert und am Ende abgerundet ist, also
eine Daumenform zeigt. Der d. ej. mündet wieder weit vor der
Spitze, ungefähr in der Mitte der Länge des P. Der P. liegt mehr
ventral zu den Pa., trägt Drüsenporen, wie auch die Pa., über die
Endhälfte zerstreut. Die Pa. sind am Ende stark abgerimdet, (nicht
hakig umgebogen) und besitzen daselbst Sinnesporen und auch einige
kurze und lange Tastborsten. Die Femora des P. sind kurz und
verbinden sich mit den Pa. und verschmelzen auch in der Mediane
in einem vorne ausgebuchteten Höcker. Die Pa. verbinden sich
dorsalwärts in einem kurzen, dicken Bogen, welcher vorne um den
Verbindungshöcker der P. -Schenkel herläuft. Sie sind offenbar nm'
geringer Bewegung gegen einander fähig.
$ noctiluca. Während bei den bisher beti'achteten Gattungen
die $? im Baue der 7 ersten Abd.-S. so gut wie ganz mit den (^3
übereinstimmten, treffen wir in denselben bei Lampyris ? er-
hebHche Abweichungen vom <^.
Die Segmentplatten sind graubraun, nur die 6., 7., 8. und 9. V.
hell, fast pigmentlos. An den D. fällt die helle Medianlinie
auf. Durch dieselbe werden die D. vollständig in 2 gleiche Hälften
144 DJ"- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
getheilt. Nur an der 8. D. ist die Theilungslinie nicht vollständig,
indem sie im Enddrittel verschwindet. Viel auffallender aber sind —
und das ist überhaupt das merkwürdigste an den Lampyris-Weibchen
— die grossen Pleurenplatten, welche am 1.— 7. S. vorkommen,
am 8. und 9. aber vollkommen fehlen. Dass die Pleurenplatten
auch am 1. S. vorkommen, ist besonders hervorzuheben. Sie
sind hier schon recht gross, wenn auch kleiner als an den übrigen S.
und an Form dreieckig, während die andern viereckige Gestalt
haben. Diese 6 Paare viereckiger Pleurenplatten sind je V2 — ^^/s so
breit wie die zugehörigen Hälften der D. Letztere sind aber stets
länger als die PL Die 1. D. ist etwas kürzer und schmäler als
die 2. D. Die Hälften der D. sind je noch V2 — ^/s breiter als lang.
Da die V. nur so lang sind als die PL, die D. aber länger, ergiebt
sich, dass die Aufblähung eines trächtigen $ vorwiegend durch
Auseinanderweichen und Emporwölben der D. geschieht. Die 8. D.
ist wesentlich schmäler als die 7., nämlich nur wenig breiter als
lang, der Hinterrand abgerundet. Ebenso ist der Hinterrand der
8. V., welche im Ganzen fast einen Halbkreis ausmacht, abgerundet.
Der Hinterrand zeigt in der Mitte einen kleinen Ausschnitt imd
einen noch kleineren an jeder Seite, Interessant ist die Platte
durch ein kurzes Spie, v., was am Vorderrande vorragt. Die
Platte selbst ist 1,7 mm, das Sp. v. 0,3 mm lang. Innerhalb der
Platte setzt es sich übrigens nach hinten bis in die Nähe des Hinter-
randes fort, auffallend als ein horngelber, nach hinten sich ver-
schmälernder Strang. Mit der Kürze des Sp. v. harmonirt natürlich
die Kürze des Legeapparates. (Fig. 10.)
Die 9. D. des ? ist hier, wie häufig, zweitheilig. Jede Theil-
hälfte ist doppelt so lang als breit, mit ihrem Seitenrande nach
unten weit umgeschlagen, ohne längere Borsten und unten und an
der Seite überhaupt borstenlos, oben aber mit zerstreuten Tast-
borsten besetzt. Vorne und oben läuft sie in einen sie an Länge
fast um das Doppelte übertreffenden Processus aus, auch besitzt sie
zerstreute Hautdrüsenporen. An die äussere Hinterecke jeder Hälfte
der 9. D. setzt sich gelenkig eine Theilhälfte der 9. V. an, welche
fast dreieckig gestaltet, nach ihrem Ende zu sich verschmälert und
daselbst einen gelenkig inserirten Stylus trägt. Die 9. V. ist be-
deckt mit Tastborsten, Sinnesgruben und Drüsenporen, welche
letztere besonders um den Basalring der Tastborsten stehen. Von
der Basis des Processus aus gehen Muskeln, welche die 9. V. zu
bewegen vermögen.
Eine 10. D. fehlt; ebenso die 1. V. und 10. V. — Während
der Legeapparat von Eros eine Vorstufe zu dem von Lygist.
repräsentirt, giebt der Legeapparat von Lampyris eine Vorstufe
für den von Eros ab:
Denken wir uns die Theilhälften der 9. D. aUmählig so ver-
schmälert, dass sie nur noch eine Fortsetzung des Processus bilden,
wobei sie gleichzeitig mit demselben in einem Guss verschmelzen,
so haben wir die Radii von Eros vor uns. Es bedarf dann nur
d. männlichen u. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 145
noch einer Aneinanderdrängung der Hälften der 9. V. und einiger
Verlängerung der Zwischenhaut zwischen 8. und 9. S., so haben
wir den Legeapparat von Eros. — In Bezug auf den Legeapparat
(nicht den ganzen Körperbau) können wir also sagen: Aus
Lampyris entwickelte sich Eros, aus Eros Lygist. —
In schönster Weise harmonirt mit dem Gesagten die Be-
schaffenheit des Spie, ventr., denn dasselbe ist
1. bei Lampyris viel kürzer als die 8. V.
2. bei Eros so lang wie die 8. V.
3. bei Lygist. viel länger als die 8. V. —
Die 2. V. ist durchaus typisch; an Länge, Breite und
Pigmentirung gleicht sie den folgenden V. Sehr interessant ist die
Lagerung der Stigmen. Dieselben finden sich am 1. — 7. S. ganz in
den Pleurenplatten , von der Mitte aus etwas mehr nach oben und
vorn geschoben, auffallend durch' ihre Grösse. Bemerkenswertherweise
liegt derartig auch in der 1. PI. das St. und dieses St. des 1. S.
ist nicht grösser als die St. des 2. — 7. S., ein seltener Fall. —
Wer nun noch irgend einen Zweifel hegt, ob die grossen St. an der
Basis des Hinterleibes der Coleopteren wirklich zum 1. Abd. S. ge-
hören, der präparire sich diese Lampyris-?? und überzeuge
sich, dass die St. hier ganz in den PI. des 1. S. liegen und durch
ihre den übrigen gleiche Grösse dokumentiren , dass sie nicht nur
morphologisch sondern auch physiologisch Abdominalstigmen sind.
Am 8. S., wo wie schon gesagt, die Pleuren fehlen, sind die St.
zwar vorhanden, aber kleiner als alle vorhergehenden und liegen
im Seitenrande der 8. V. Dorsaldrüsen und Drüsenporenplatten
fehlen. ^
Längere Borsten kommen nicht vor, doch sind reichlich fast
allenthalben mittellange Tastborsten zerstreut. Diese mittellangen
Tastborsten stehen auf D., V. und PL allenthalben und in merk-
würdig regelmässigen Abständen zerstreut. Sie stehen ziemlich dicht,
viele Hunderte auf einem Segment.
Ich möchte hier noch auf kleinere Anhänge am Chitinskelett
hinweisen, welche auch bei den vorigen Gatt, zur Genüge beobachtet
werden können, hier aber sich besonders schön präsentiren. Ich
nenne diese Gebilde Häutungshaare, da sie die Aufgabe haben
bei dem Ausschlüpfen der Jmago aus dem Nymphenskelett das
Abstreifen desselben zu erleichtern. (Ich habe schon an anderer
Stelle über Häutungshaare bei Insekten gesprochen i). Hier bei
Lampyris sind solche auf den 8 ersten S. allenthalben zu sehen.
Die Zwischensegmenthäute und die Pleurenhäute, auf denen Tast-
borsten fast immer fehlen, sind reichlich mit zierlichen Häutungs-
haaren bedeckt, welche spitz zulaufen und sich nach unten stark
verbreitern, wodurch man, gleichzeitig mit dem Mangel von unter-
sitzenden Sinnesgruben, leicht erkennt, dass es sich eben um
1) cf. Zoolog. Anzeiger. 1892. No. 401 und 402. „Physiol. Bedeutung des
Stachelapparates, besonders der Hymenopteren-Nymphen."
Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 2. 10
146 Dl"- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
cuticulare Fortsätze handelt. Die Haut.i) auf den Platten sind
kaum länger als die Haare der Zwischenhäute , an der Basis aber
nicht so stark verbreitert. Sinnesgruben sind auch unter ihnen
nicht zu erkennen, sodass sie sich auch als Culticularfortsätze dar-
stellen. Solcher Haut, findet man auf den Platten zwischen einem
Viereck von Tastborsten durchschnittlich er. 20. (Vergleicht man
die Tastborsten mit den Stämmen einer regelmässigen Baumschule,
so würden die Haut, etwa wie die darunter stehenden Gräser er-
scheinen.) Bezüglich der Reichhaltigkeit des Tastborstenbesatzes ist
zwischen D., PL und V. kein Unterschied zu bemerken. — Vorzüglich
geeignet sind die Lampyris-?$ auch zum Beobachten der Mosaik-
felder. Allerdings ist hier zwischen vorderen, hinteren, äusseren
und inneren Mos. nicht mehr gut zu unterscheiden, denn die Zahl
der Mos. ist eine recht bedeutende, wobei fast alle rundlich sind.
Besonders an den D. kann man die Mos. schon mit unbewaffnetem
Auge und bei durchfallendem Lichte erkennen als zerstreute, aber doc
vorwiegend symmetrisch gelagerte Fleckchen.
Auf jeder Hälfte der D. fällt besonders ein rundes Mos. auf,
welches in der Mitte zwischen Mediane und Seitenrand nicht weit
hinter dem Vorderrande liegt, bemerkbar auf der 1. — 7. D. (Im
Gegensatz zu den bisherigen Gatt, ist hier nämlich auch die 1. D.
reichlich mit Mos, bedacht 2), 15 — 20 Mos. liegen ausser dem ge-
nannten, grossen und runden Felde noch auf jeder der 7 ersten D.
Ein queres Mos. liegt auch am Vorderrande jeder Hälfte der
1.^ — 5. D., an der 6. und 7. D. nur noch in Spuren vorhanden. Die
auf den D. zerstreuten Mos. liegen etwas grubig vertieft und in
ihijem Bereich finden sich weder Tastborsten noch Haut. Auch auf der
1. — -4. PI. liegen zerstreut rundliche Mos.; auf der 5. PI. nur noch
wenige; auf den 6. und 7. PI. fehlen sie auch nicht, sind aber sehr
blass und undeutlich. Auf den V. findet sich nur 1 Paar blasser
Mos. am Vorderrande; über die Platten zerstreut giebt es dort keine.
Am Hinterrande der D. des 2. — 7. S. finden sich Drüsenporen nur
vereinzelt, am Hinterrande der PI. schon mehr, am zahlreichsten
aber am Hinterrande der V. und auch hier bevorzugen sie die Basen
der Tastborsten. An der 8. D. fehlen die Mos., aber Drüsenporen
an der Basis der Tastborsten sind, besonders am Hinterrande der
Platte, sehr zahlreich. Dasselbe gilt für die 8 V., wo ebenfalls die
Mos. fehlen.
Auf der 9. D. und V. kommen auch hier keine Mos. vor, auch
Haut, fehlen vollständig. Letztere kommen am 8. S. zwar noch
reichlich vor, sind aber schon viel spärlicher vertreten als am L — 7. S.
Es sind mancherlei Differenzen, welche wir hier, gegenüber
den Weibchen anderer, geflügelter Malacodermen antreffen, und z. T.
dürfen wir sie als Veränderungen betrachten, welche secundär, in
Folge des Verlustes von Elythren und Alae eintraten. So die
^) Haut. = Häutungshaare.
2) Dieselben kommen auch auf den Thorakalsegm. vor.
d.mäimlichen u. weiblichen Lampyi-iden, Canthariden xt. Malachiiden. 147
gleichartige Beborstimg von V. und D., so auch die Vertiefung der
Mos. — Auf die Frage, ob die Ausbildung der PL, welche ja auch
die Larven besitzen, hier beim $ eine primäre oder secundäre Er-
scheinung ist, antworte ich deshalb, es ist eine primäre, weil die
Larve auch im Uebrigen sehr, primäre, einfache Merkmale aufweist,
so z. B. eine typische 1. V.
Pleuren finden sich im Allgemeinen aber überhaupt mehr bei
niederen als höheren Tracheaten-Typen. —
Luciola.
^ lusitanica. Die 3., 4. und 5. V. sind dunkelbraun, die
2. — 6. D. hellbraun pigmentirt, die L D. noch heller. Die 6. und
7. V. und die 7. und 8. D. erscheinen hellgelblich, ebenso die vom
9. und 10. S. erhaltenen Theile. Die 2. V. ist seitlich hellbraun, in
der Mitte glasig, vorne ausgebuchtet, im Uebrigen fast so gross als
die folgenden V., welche ebenso wie die vorderen und mittleren D.
quer, viereckig sind, 2- — 3 mal breiter als lang. Die 7. V. ist am
Hinterrande fast halbkreisförmig abgerundet, (cf. Lampyris) die 7. D.
quer, 4 eckig. Die 8 V. fehlt, ein seltener Fall. (Sie war bei
Lampyris schon zart, aber noch ziemlich gross.) Der Vorderrand
der 8. D. ist breit ausgebuchtet, auch tief, sodass die Vorderecken
fortsatzartig vortreten. Der Hinterrand ist ziemlich gerade, die
Seiten gerundet. Die 9. V. ist in ihrem Plattentheil auch ver-
schwunden, der Bogen aber ist vorhanden (Fig. 20) und legt
sich mit seinen Hinterenden an die Processus ^j der 9. D., ohne
aber mit ihnen zu verschmelzen^). Er ist nur am Vorderrande
etwas verdickt und verbreitert (cf. Homalisus,). Die 9. D., deren
Processus in der Form an diejenigen von Eros erinnern, ist im
Plattentheil sehr zart, hell und seitlich fast borstenlos; in der Mitte
beborstet. Die kleine, aber doch sehr deutliche 10. D. ist nach
hinten verschmälert und abgerundet, reichlich mit Tastborsten be-
setzt; auch einige Drüsenporen kommen vor. Häutungshaare,
welche der 9. und 10. D. fehlen, stehen aber reichUch in der Anus-
gegend. — Die 1. und 10. V. fehlen. —
Pleurenplatten finden sich am 2.-7. S., aber es sind falsche
Pleuren. (Am 8. S. fehlen sie.) Sie werden nur durch den scharfen
Seitenrand gegen die V. abgesetzt, durch Pleurenhaut von den D.
getrennt. Zwischen PI. und V. liegt keine Pleurenhaut. Die PI.
sind 3 — 4 mal so lang als breit und reichlich mit Tastborsten be-
setzt. Am 7. S. sind sie nicht getrennt, sondern vereinigen sich
^ Man denke sich die 9. V. mit ihrem Bogen in Fig. 23, soweit sie hinter
dem Punkt x liegt, weggefallen und die Processus fi selbständig, so hat man
den Sachverhalt bei Luciola.
2) Denkt man sich die Bogeuenden mit den Enden der Processus ver-
schmolzen, so erhält man einen Kreisbogen, wie ich ihn für das 9. S. von
Carabiciden, Cicindeliden und Dytisciden nachwies.
10*
148 Dj"- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
am Hinterrande, aber ohne Naht, sodass sie zusammen einen breit
umgeschlagenen Rand der 7. Y. darstellen, welcher nur am Vorder-
rande fehlt. Die Stigmen des 2. — 7. S. liegen in den PL, am
oberen Rande, ungefähr in der Mitte. Das St. des 1. S. ist grösser
als die folgenden und hegt in der Pleurenhaut. Am 8. S. fehlen
die St. Mosaikfelder sind auf den D. fast verschwunden. Nur an
der 2. und 3. D. finden sich am Vorderrande einige schwache,
blasse Felder. Auf der Bauchseite trifft man nur am Vorderrande
der 3., 4. imd 5. V. 2 Paare blasser Mos.
Die V. sind übrigens zwar reichlich mit mittellangen, ziemhch
dünnen Tastborsten besetzt, entbehren aber vollkommen der Haut.
(Nur an den 2. und 3. PI. treten einige auf.) Anders die D.: Die
1. D. besitzt reichlich Haut, aber auch schon viele Tastborsten,
besonders in der hinteren Hälfte. Auf den weiter folgenden D.
nehmen die Tastborsten zu, die Haut. ab. So stehen letztere noch
reichlich auf der vorderen Hälfte der 3., 4., 5. D. Auf den hinteren
Hälften derselben sind sie fast verschwunden. Auf den übrigen
D. stehen Haut, nur noch ganz vereinzelt, aber auf der 8. D.
wieder reichlicher, Tastborsten stehen auf allen diesen Platten
reichlich. Am Hinterrande der 6. und 7. D. steht ein dichter
Saum von Haut., welche hier aber offenbar auch zum Schutz der
Zwischenhäute dienen, wie man das ja an zahlreichen Gelenken des
Insektenkörpers beobachten kann. Die 6. und 7. V. bilden, wie
auch bei Lampyris, die Fensterplatten.
Sehr hell sind die Copulationsorgane, nur in ihren dickeren
Partieen bernsteingelblich.
Die Ba. besteht aus 2 gebogenen,- schmalen Spangen, deren
eine in Fig. 18 dargestellt. Sie berühren sich in der Mediane, ver-
wachsen daselbst aber nicht. Die mehr dorsal vom P. gelegenen
Pa. sind in der Mediane vorne auf kurzer Strecke verwachsen und
daselbst auch verdickt, scheinen aber doch einer gewissen Aus-
einanderbewegung fähig zu sein. Gegen das Ende verschmälern
sich die Pa. nur wenig und sind dort abgerundet. In ihnen stehen
auf der Unterfläche zerstreute Sinnesgruben, an der Oberfläche zer-
streute Drüsenporen. Unter dem Ende springt nach innen ein
rundlicher, auch nach vorne weit ablaufender und am Innenrande
mit 6^) kräftigen Tastborsten besetzter Lappen vor, über dessen
Fläche zerstreut zahlreiche Sinnesporen liegen. An der Aussenseite
des Grundes , da wo die Ba. sich anheften , sind die Pa. verdickt
und vom Ende dieser Verdickung läuft, in einem spitzen W'^inkel
zu derselben, schräg nach innen und vorne, ein am Ende zugespitzter
Fortsatz ab (h), an welchen sich offenbar Bewegemuskeln der Pa.
anheften. ■ — Der P., (dessen Endhälfte in Fig. 17 zu sehen,) schliesst
sich an den Typus der bisher besprochenen Gatt, an, mdem er
einen fingerartigen, vom d. ej. nicht durchsetzten Endtheil aufweist,
der hinten ziemlich abgerundet ist. Die Mündung des d. ej. liegt also
1) Bei 3 untersuchten ^^ constant.
d. männlichen u. weiblichen Lanipyi'iden, Canthariden u. Malacliiiden. 149
weit vor dem P.-Endo und der P. selbst zu den Pa. mehr ventral.
Die Pa. sind symmetrisch. Dagegen ist der P. unverkennbar etwas
asymmetrisch und das gilt auch für die vorne abgerundeten
P. -Schenkel (f). Von letzteren gehen nach innen zwei kleine, finger-
förmige Fortsätze ab, welche ihre Enden über einander stellen (z).
Im Endteil des P. sieht man zahlreiche Drüsenporen. Ob ein Praep.
existirt, kann ich nicht sicher constatiren, jedenfalls ist von Stachel-
oder Zähnchenarmatur nichts vorhanden. — Das $ besitze ich nicht.
Phosphaenus.
(^ hemipterus. Die Platten der 7 ersten S. sind braun, die
des 8. und 9. S. gelblich, D. und V. gleich stark pigmentirt. Da
bei dieser Form die Flügel und die Decken rudimentär sind und
dabei wieder Andeutungen zu Zweitheilung der D. vorhanden, so
liegt der Gedanke nahe, dass letztere eine Folge der ersteren Ver-
hältnisse sind. Die D. sind aber in der Mediane nicht vollständig
getheilt, sondern es geht nur ein kurzer Einschnitt, am Vorder- und
am Hinterrande in die Platte hinein. So auf der 2. — 8. D., nicht
auf der I.D. Die 2. D. ist 3 mal, die 7. 2 mal breiter als lang,
die 8. D. nur wenig breiter als lang. Die Vorderecken der 2. — 7. D.
erscheinen abgerundet, die Hinterecken etwas zugespitzt. Die 8. D.
ist am Hinterrande flach ausgebuchtet, in der Mitte eingeschnitten.
Die V. haben eine auffallend bedeutendere Breite als die D., sind
dabei aber noch kürzer und daher vielmal breiter als lang, am
Vorderrande concav, am Hinterrande convex. Die 2. V. ist w^ohl-
ausgebildet und den folgenden V. sehr ähnlich. Die 7. V. ist nur
noch 4 mal breiter als lang, die 8. V. 2V2 i^i^l. Diese S.V. hat
am Hinterrande eine breite Ausbuchtung, springt in der Mitte der
Ausbuchtung selbst aber wieder etwas vor. An der 9. V. können
wir einen Plattentheil unterscheiden, der reichlich beborstet, am
Hinterrande abgerimdet und in der Mitte etwas ausgeschnitten ist
und einem zusammengedrängten Bogen, ähnlich dem von
Lygist. Dieser Bogen ist aber recht asymmetrisch, denn seine
Spangen laufen an beiden Seiten verschieden weit in die Platte
hinein und diese selbst ist vorne asymmetrisch. Eine deutliche,
differencirte Duplicaturplatte fehlt. Die 9. D. erinnert sehr an
diejenige von Lampyris (Fig. 8) in Bezug auf Form und den Umstand,
dass sie mit der 10. D. verwachsen ist. Während aber bei Lampyris
die 10. D. noch deutlich gegen die 9. D. abgesetzt w^ar, ist hier von
einer solchen Absetzung kaum noch eine Spur zu sehen. Die beiden
Platten sind (wie auch bei Lampyris), mit nur sehr vereinzelten
Börsten und Drüsenporen besetzt, auch das helle Fenster in der
Mitte der 9. D ist wieder vorhanden, aber noch grösser als bei
Lampyris. Die 10 D. ist also fast zum Schwunde gebracht. Die
1. und 10. V. fehlen.
Pleurenplatten fehlen vollständig, auch sehe ich keine An-
deutungen zu falschen Pleuren.
150 -Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Die Stigmen liegen durchaus in den V. und zwar noch eine
kleine Strecke vom Seitenrande entfernt. Sie sind ziemlich gross
und in genannter Lage am 2. — 8. S. anzutreffen. Die St. des 8. S.
sind etwas kleiner als die übrigen. (Ueber das St. des 1. S. kann
ich aus Mangel an weiterem üntersuchungsmaterial keine sichere
Mittheilung machen.) —
D. und V. des 2. — 8. S. und die 1. D. sind mit Tastborsten
und Häutungshaaren reichlich besetzt. Die Haut, werden nur auf
der Mitte der 7. und 8. D. spärlicher. (Die Haut der Nymphe soll
eben besonders an den vorderen S. gelockert werden.) Von den
dünnen Haut, der Platten unterscheiden sich auffallend die Haut,
der Pleuren- und Zwischenhäute. Diese erweitern sich nämlich an
ihrer Basis sehr stark und erscheinen daher von oben wie runde
Knötchen, wobei man die Haarspitze kaum wahrnimmt. Viele sind
aber auch wirklich sehr stumpf oder ganz abgerundet. — Mosaik-
felder fehlen der 1. D. An dem Vorderrande der 2. — 6. D. stehen
2 Paare querer, blasser Mos., welche an der 7. D. kaum mehr
wahrnehmbar sind und an der 8. D. ganz fehlen. Auf jeder Hälfte
der 2. — 7. D. finden sich ausserdem zahlreiche kleine, aus nur
wenigen Zellen bestehende Feldchen zerstreut, welche auf den
vorderen Platten deutlich, auf der 7. D. verwischt sind. Auf der
8. D. ist fast nichts mehr von ihnen zu sehen. Auf den V. sind
nur sehr schwache Spuren von Mos. zu sehen, am Vorderrande und
auch in der Platte selbst seitlich.
Dorsaldrüsen und Drüsenporenplatten fehlen.
Die Copulationsorgane weichen in einigen Punkten nicht
unerheblich von den bisher betrachteten ab. Da ich jedoch nur
1 Ex. 1) zur Untersuchung besitze, kann ich keine sehr eingehende
Beschreibung liefern. Der P. ist sehr schwach entwickelt, wenig
skelettirt, fast häutig zu nennen. Ein kleiner Praep. ist vorhanden,
aber seine Armatur ist schwach, die Zähnchen kaum als solche zu
bezeichnen, jedenfalls schwächer als Haut. In der häutigen Wand
sind wenige Drüsenporen zu bemerken. Die Pa., deren Gestalt man
aus Fig. 22 ersehen mag, sind an der Basis an einander gewachsen
und wie der ganze Cop.-App. blass horngelblich. Von der Ver-
wachsungsstelle aus entspringen 2 auffallende, am Ende zugespitzte
Fortsätze b, zwischen denen ein Läppchen steht. Ueber der Basis
dieser Teile wölbt sich noch ein ziemlich breiter, wieder in sich
zurücklaufender Bogen, den die Fig. nicht zeigt. Die Ba., deren
Ansatz an die Pa. ich nicht genau kenne, ist viereckig. Die Ecken
sind stark abgerundet. Sie erscheint wie ein in sich abgeschlossenes
Band oder ein Ring. Die Pa. werden durchsetzt von zahlreichen
Drüsenporen, aber auch einigen Sinnesporen. —
Das ? besitze ich nicht. —
^) Gefangen am Rande eines Tümpels der Ippendorfer Höhe bei Bonn,
22. VI. 92, auf dem Wasser schwimmend, bei hellem Tage.
d. männlichen u. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 151
Drilus.
S flavescens. Alle Segmentplatten sind braun pigmentirt,
Die D. etwas heller als die Y. Letztere sind viel breiter als die D.
An der 2., 3., 4. und 5. D. bemerkt man einen schmalen, am Vorder-
rande gelegenen, recht dunkeln Plattenstreifen, welcher von der
jedesmal zugehörigen, dahinterliegenden D. durch einen hellen
Zwischenstreifen getrennt ist. Auch ist an der 2. und 3. D. eine
deutliche Trennungs falte zwischen diesem Streifen und der übrigen
Platte sichtbar und diese Streifen sind auch nach vorne durch eine
Falte gegen die Zwischenhaut abgesetzt. An der 4. D. ist vorne
der Zwischenstreifen nur zu Seiten der Mitte durch eine Naht
markirt, im Uebrigen mit der 4. D. verschmolzen.
An der 5. D. finden sich nur noch Andeutungen einer Trennung
und an der 6. D. sieht man von einem Zwischenstreifen nichts mehr.
Diese Zwischenstreifen dürfen als Reste von Complementär-
segmenten angesehen werden, (cf. Myriopoda.) An den meisten V.
sind nur Andeutungen derselben in den dunkeln, wulstig verdickten
Vorderrändern der 3. — 7. V. sichtbar. Dagegen lagern vor der
gut ausgebildeten, aber 2-theiligen 2. V. zwei durch eine Falte von
ihr getrennte, dunkle Plättchen, welche den Rest der V. des
Complementärsegments des 2. S. vorstellen. Uebrigens kann man
bei durchfallendem Lichte die geschilderten Complementärsegment-
rudimente mit unbewaffnetem Auge schon erkennen. Die 8. V. ist
noch 3 mal breiter als lang, am Hinterrande fast gerade, in der
Mitte eingebuchtet. Die 8. D. ist stark doppelt so breit als lang,
hinten etwas convex, vorne etwas concav. Der 8. steht die 9. D.
an Grösse nicht viel nach. Sie ist ungetheilt, doppelt so breit als
lang, vorn gerade, hinten in der Mitte flach ausgebuchtet. Die
Seiten laufen nach der Bauchseite als 3 eckige, am Ende spitze
Zipfel herab, verlängern sich aber noch nicht in Processus. Nur
ein heller Hautstreifen läuft zur 9. V. Auf der 9. D. stehen zerstreut
wenige Poren und Tastborsten, jederseits eine Anzahl recht langer
Borsten. Die gut ausgebildete 10. D. ist Vs so breit aber noch
etwas länger als die 9. D., verschmälert sich nach hinten allmähig
und ist am Ende abgestutzt. Der Vorderrand hat eine tiefe Aus-
buchtung, sodass die Vorderecken als 3 eckige Zipfel vorspringen,
unter der 9. D. lagernd. Die Oberfläche ist mit Tastborsten besetzt,
alle Ränder sehr reichlich mit ziemlich langen Haut. Unter der
10. D. bemerkte ich noch eine plattenartig gestellte Haut, welche
aber keine Borsten trägt. Von einer wirklichen 10. V. kann nicht
die Rede sein. — Die 9. V. hat einen auffallend einfachen Bau.
Sie ist nämlich fast rund, höchstens Va länger als breit, hinten ab-
gerundet und vorne wenig vorspringend. Die ganze Platte ist als
solche pigmentirt imd chitinisirt. Ein Bogen fehlt, denn die seitlichen
Spangen eines solchen sind noch nicht einmal in Andeutungen vor-
handen. Die Platte ist zerstreut beborstet und springt oben nach
vorne in einer gelblichen, aber nicht besonders abgesetzten Dupli-
catur vor.
152 Dr- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Pleurenplatten fehlen vollständig.
Die Stigmen liegen am 1. — 8. S. in der Pleurenhaut. Das 1.
ist doppelt so gross als die folgenden. Die 2. — 8. (aiicli 9.) V. sind
reichlich mit langen Tastborsten besetzt, entbehren aber völlig
der Haut. Ebenso fehlen sie total den Zwischensegmenthäuten,
auch da wo diese die Pleurenhäute kreuzen, während letztere im
Uebrigen reichlich mit Haut, besetzt sind. Den D. dagegen fehlen
die langen Tastborsten vollständig, (ausgenommen die 9. D.) nur
sehr kurze Tastborsten stehen auf ihnen zerstreut. Haut, sind da-
gegen an der 1. — 8. D. in grosser Dichtigkeit vorhanden und zwar
besonders auf den hinteren Hälften der D. Besonders dicht ist
damit die 8. D. besetzt. — Auf den Resten der Complementärsegm.
stehen weder Haut, noch Borsten. Mos. stehen sowohl auf den D.
wie V. nur in einem recht blassen Paare am Vorderrande, in der
Nähe der Seitenecken. Auf den vorderen D. (excl. 1. D.) stehen
sie auf den Seiten der Complementärsegmentstreifen. Die 1. V.
fehlt. Dorsaldrüsen imd Drüsenporenplatten fehlen.
Die Copul.-Org. (Fig. 21) sind relativ einfach.
Der äussere Umriss der Ba., die ich weder als dorsal noch
ventral bezeichnen kann, erscheint ungefähr als ein Halbkreis, doch
treten die Ecken schwach vor. Innen und nach hinten zu ist die
Ba. fast in rechtem Winkel tief ausgeschnitten, sodass jederseits ein
nach hinten vorspringender Lappen gebildet wird, mit dem sie sich
an die Pa. anheftet. Die Pa. selbst sind kurz, wenig länger als
breit und am Ende zugerundet. Daselbst stehen eine Anzahl zer-
streuter Tastborsten. Die Pa. liegen auch hier mehr dorsal vom
P. und verschmelzen in der Mediane durch eine rundliche An-
schwellung dorsalwärts mit einander. Der P. ist ebenfalls kurz,
ragt aber über die Pa. hinaus. Am Ende ist er abgerundet und mit
Sinnesporen, weiter vorne mit Drüsenporen versehen. Der d. ej.
mündet auch hier vor dem Ende des P. und endet ventralwärts in
einem faltigen Praep., in welchem ich übrigens keine Bezahnung
bemerken kann. Der P. schwillt nach vorne bulbusartig an und heftet
sich mit kurzen, abgerundeten Schenkeln an die Pa. —
Ein $ hat mir nicht vorgelegen. —
Canthar
IS.
(^ rustica. D. und V. sind ziemlich gleich stark chitinisirt,
horngelb. Auf den vorderen S. sind ausgedehnte Strecken braun-
schwarz pigmentirt.
Die 1. und 10. V. fehlen.
Die 2. V. ist gut ausgebildet, so gross wie die folgenden, vorne
flach ausgebuchtet. Die 2. — 6. V. sind 4 mal, die 7. V. 3 mal
breiter als lang.
Die D. kommen den entsprechenden V. an Grösse ziemhch
gleich. Die 1. D. ist ebenso breit und auch fast so lang wie die
2. D. Vor der 2. und 3. D. befindet sich ein deuthcher Comple-
d. männlichen n. weiblichen Lamiiyriden, Canthariden u. Malachiiden. 153
mentärstreifen (ähnlich wie bei DriUis). Vor der 2. V. ist eine An-
deutung davon vorhanden.
Am 2. — 8. S. schieben sich zwischen die D. und V. echte
Pleuren ein, welche also von beiden durch Pleurenhaut gut ab-
gesetzt sind. Am 1. S. fehlen die PI. Sie sind doppelt so lang
als breit, am 7. S. noch länger und am 8. S. sehr schmal.
Die 8. D. ist am bemahe geraden Vorderrande doppelt so breit
als lang, am Hinterrande, welcher auch fast gerade ist, viel schmäler,
sodass sie Trapezform aufweist. Kleiner und auch zarter ist die
8. V., deren Hinterrand breit und tief ausgebuchtet ist. Ihre Seiten
convergiren nach hinten weniger als die der 8. D. Die 9. D., welche
nur die halbe Breite der 8. erreicht, ist IV2 mal breiter als lang.
Die Seiten springe» in der Mitte etwas vor, der Hinterrand ist gerade,
in der Mitte aber etwas ausgeschnitten. Von den Seiten her biegt
sich die Platte etwas nach unten herab, eine Art falscher Pleuren
bildend und entsendet von den Vorderecken Processus, welche so
stark ausgebildet sind, dass sie sich nach einer anfänglichen Aus-
wärtsbiegung schliesslich wieder nähern und mit den Enden fast
berühren. Letztere verbinden sich durch Haut. So ist ein dorsaler
Bogen entstanden. Die mittlere Oberfläche der Ü.D.ist borstenlos, aber
es münden dort zahlreiche Hautdrüsen, deren Poren meist zu 2 — 3
beisammen stehen. Gegen die Ränder, besonders den Hinterrand,
findet man reichliche und z. T. auch lange Beborstung und hier
stehen die Drüsenporen mit VorHebe an der Basis der Tastborsten.
Haut, fehlen der 9. D. Ganz unter ihr versteckt sitzt die 10. D.,
wrelche nur halb so breit ist als sie, aber auch mit Tastborsten und
Drüsenporen besetzt. Schön hell bernsteingelb ist die längliche 9. V.
Ihr Plattentheil ist mehr als doppelt so lang als breit, nach hinten
verschmälert und am Ende ausgebuchtet. In der hinteren Hälfte
stehen viele Tastborsten und Drüsenporen. Eme besondere DupH-
caturplatte ist nicht ausgebildet, dagegen ein deutlicher Bogen vor-
handen, dessen Spangen knapp halb so lang sind als die Platte.
Am Ende verwachsen auch diese Spangen nicht (Fig. 85), sondern
klaffen und verbinden sich häutig. Die Enden der Spangen
dieses ventralen Bogens heften sich durch Bindehaut an
die Enden der Spangen des dorsalen Bogens.
Die Stigmen sind in 8 Paaren vorhanden, am 1. — 8. S. Sie
hegen in den PI. und zwar am oberen Rande derselben, nicht weit
von dem Vorderrande entfernt. Nur am 1. S. Hegen die St. welche
im Durchmesser 5 — 6 mal so gross sind als die übrigen, in der
Pleuren-Haut. —
In derl.— 8.D. bemerkt man innerhalb der Platten eigenthümhche
runde Oeffnungen, welche auf den ersten BHck an Stigmen erinnern,
in paarweiser Anordnung. Sie liegen weit auseinandei-, mehr als
V2 mm vom Seitenrande entfernt, dem Hmterrande näher als dem
Vorderrande. An der 8. D. stehen sie dem Seitenrande noch etwas
näher. Mit der Lupe bei durchfallendem Lichte betrachtet erscheinen
sie meist als ein weisser, von schwarzem Ringe umgebener Fleck.
154 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Unter stärkerer mikr. Vergr. sieht man, dass es sich um einen die
Platte durchsetzenden, kurzen Kanal handelt, dessen Ringwandung
als ein brauner oder gelblichbrauner Kreis erscheint. Im Innern
bemerkt man ein Gewirr von äusserst winzigen Härchen, welche
radiär nach der Mitte verlaufen (Fig. 55).
Da ich die St. bereits nachgewiesen habe und an einem S. nie
mehr als 1 Paar St. vorkommen, da ferner auch keine Tracheen
an diese Oeffnungen herangehen, so ist es klar, dass wir es hier
mit den Mündungen von paarweise angeordneten Drüsen zu thun
haben, welche aber keine einzellige oder zweizeilige Hautdrüsen
sind, sondern vielzellige Complexdrüsen. Dafür spricht evident die
Grösse der Oeffnungen. Es kann sich ja auch nicht um Sinnes-
apparate handeln, denn die Oeffnungen sind nicht verschlossen und
überhaupt für etwas derartiges zu gross. Auch liegen sie für Sinnes-
apparate viel zu sehr versteckt.
Ich habe mich nun aber auch an Alkoholmaterial überzeugt,
dass es sich thatsächlich um Drüsen und Drüsenöffnungen handelt.
Die Drüsen selbst sitzen unter den Platten als rundliche BäUchen,
deren eines unter jedem Porus. Ein solches ist gelblichweiss und
z. B. an der 8. D. ungefähr V2 ^^ an Durchmesser. Die Zahl
der einzelnen Zeilen ist ausserordentlich gross und nicht annähernd
anzugeben. Es scheint, dass die einzelnen Zellen sich zu Schläuchen
vereinigen und die ganze Drüse somit eine ramöse oder verästelte
ist. 1) Merkwürdigerweise sind diese interessanten Drüsen bisher
unbekannt geblieben. Meines Wissens kannte man bisher derartige
Drüsen bei Coleopteren überhaupt nur an Larven, so z. B. von Lina
popuh, nicht aber von Imagines. Es kann keinem Zweifel unter-
liegen, dass diese Drüsen, welche ich ebenfalls als Rücken- oder
Dorsal drüsen bezeichne, den entsprechenden Organen der Hemip-
tera-Gymnocerata homolog sind. Während man dort aber nur noch
paarige Ausführungsgänge antrifft, die Drüsen selbst aber unpaar
sind, haben wir es hier mit paarweisen Drüsen sowohl wie Aus-
führungsgängen zu thun und zwar sind die Drüsen sehr weit
von einander entfernt, wie das bei den Wehrdrüsen der Diplopoden
der Fall ist. Ausserdem kommen diese Drüsen von Cantharis nicht
nur (wie bei Hemipteren) an drei S. vor, sondern an allen Abd. S.
mit Ausnahme der beiden letzten.
Das sind aber 2 sehr wichtige Punkte, durch welche die Dorsal-
drüsen von Cantharis sich als ursprünglichere dokumentiren wie
diejenigen der Hemipteren. — Ich will noch bemerken, dass einige
Muskelbündel in einer Schleife unter jeder Drüsenöffnung herlaufen.
Offenbar bewirken dieselben einen Druck auf die Drüse, wenn sie
sich entleeren soll. — Drüsenporenplatten fehlen. —
^) Genauere Mittheilungen behalte ich mir für eine andere Arbeit vor.
Es genügt hier festzustellen, dass es sich thatsächlich um Drüsen handelt.
(1. männlicben u. weiblichen Lainpyiiden, Cauthariden u. Malachiiden. 155
Mosaikfelder kommen nur als 2 Paare von schwacher Aus-
prägung auf den Complemontärstreifen vor, welche letztere übrigens
auch hier weder Borsten noch Haut, tragen.
Die 2. — 8. V. sind reichlich mit kräftigen, langen Tastborsten
und auch mit Haut, besetzt. Dasselbe gilt für die PL, doch stehen
bei diesen die Borsten mehr in der unteren Region. Die Pleuren-
häute sind sehr reichlich, die Zwischensegmenthäute weniger reichlich
mit Haut, versehen. An letzteren stehen sie besonders auf den
den Platten zugekehrten Säumen, fehlen aber dazwischen. Auf
den D. stehen reichlich Haut, und zwar stehen sehr oft 2 — 4 solcher
feinen Härchen kammartig bei einander, Sie finden sich über die ganze
1. D. Auf der 2. — 5. D. stehen sie nur in der Vorderregion, werden
auf der 6. D. wieder zahlreicher und dehnen sich auf der 7. wieder
über die ganze Platte aus, wobei sie im hinteren Drittel sogar ganz
besonders dicht stehen. Auf allen diesen D. finden sich auch
zerstreute, aber kurze Tastborsten, sowie sehr zahlreiche, zerstreute,
oft in Gruppen geordnete und auch mit Vorhebe an der Basis der
Borsten stehende Hautdrüsenporen. Die 8. D. ist, ähnlich den V.,
besonders an den Rändern, reichlich mit kräftigen und längeren Tast-
borsten besetzt, aber auch Poren und Haut, fehlen nicht.
Die Copulationsorgane sind sehr compHcirt gebaut und
weichen von denen der bisher betrachteten Gatt, erheblich ab.
An der Ba.i) (Fig. 72 und 73) können wir 3 besonders wichtige
Theile unterscheiden:
1. Die seitKchen Platten,
2. Die Querspange,
3. Die Basalhöcker, Processus laminae basaHs. —
Die seitlichen Platten, welche sich mit ihrem Hinterrande ver-
mittelst einer Chitinsehne an die Paramerenkapsel anheften, werden
durch die Querspange mit einander verbunden und liegen mehr
dorsalwärts. Jede der Seitenplatten ist ungefähr doppelt so lang
als breit und chitingelb wie der ganze Cop.-App. Die Ba. zeigt,
wie fast immer, weder Tastborsten noch Haut. Der Basalhöcker
ist ein doppelter Vorsprung am Vorderrande der Querspange und
vermittelt die Anheftung des Cop.-App., denn an diesen Basalhöcker-)
legen sich die vorderen Enden sowohl des dorsalen wie ventralen
Bogens, welche beide Ansatzknochen für die Refraktoren des
Copulationsapp. sind.
Die Pa. bilden zusammen eine Pa.-Kapsel, denn sie befestigen
sich sowohl dorsal- als ventralwärts vom P. mit einander. Denken
wir uns zunächst den P. aus dem Pa. herausgehoben (Fig. 73), so
lassen sich als auffallendste Theile der Pa.-Kapsel zwei kräftige
Arme (Pa, d.) erkennen, welche am Ende nach innen hakenförmig
^) Dieselbe wurde 1. c. vou mii- noch nicht als solche erkannt, aber in
Fig. 43. durch die Linien x bereits aufgezeichnet.
2) Er entspricht den Punkten A meiner Fig. 42 1. c.
156 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
umgebogen sind. Icli nenne sie wegen ihrer zumeist zu beobach-
tenden Form die Pa.-Finger. Sie sind das Hauptstück der Pa.
und der m'sprüngliche Bestand jedes Parameros. —
Von hinten nach vorn zu verbreitern sich die Pa. und bilden
so in ihrem Stammtheil ein Dreieck, dessen verlängerte Spitze eben
der Pa.-Finger ist. Die vordere Aussenecke der Pa. verbindet sich
mit der Ba., und zwar tritt sie als ein Fortsatz etwas vor. Hinter
dieser Ecke erhebt sich dorsalwärts eine von einem Pa. zum andern
laufende Verbindungsbrücke (d. Ve.), dieselbe ist seitlich am
breitesten und verschmälert sich nach der Mediane zu. In der
Mediane selbst findet man eine faltige Einknickung, wodurch die
Verbindungsbrücke in 2 gleiche Hälften geschieden wird. Jede
dieser Hälften stellt ein längliches Dreieck dar, dessen Spitze in
der Mediane liegt und dessen Basis nach aussen gerichtet ist. Die
faltige Einknickung lässt erkennen, dass die genannten Dreiecke
und die Pa. überhaupt, sich um diese Knickung drehen können.
Auf den Dreiecken der dorsalen Verbindungsbrücke finden sich
einige Poren und feine Borsten. Auf dem Stammtheil der Pa. sitzen
übrigens auch Tastborsten und zwar ziemlich kräftige, besonders
an der Aussenseite. Auch zerstreute Drüsenporen sind vorhanden.
Die Pa.-Finger sind mit viel feineren Borsten besetzt, welche in
grossen Sinnesgruben eingelenkt sind. Die inneren Ecken des
grossen Dreieckes der Pa. - Stammtheile schliessen in der Mediane
ventralwärts an einander imd dadurch erst verbinden sich die
Pa. zu einer Kapsel. Diese inneren Ecken (b Fig. 73) spi'ingen
nach vorne vor, verbinden sich durch Haut mit einander und ver-
schmelzen also nicht. Dadurch erklärt es sich von selbst, dass
auch ventralwärts die Möglichkeit gegeben ist, dass die Pa. sich
gegen einander bewegen.
Der P. ist mit den Pa. selbst durch Häute an seinem Vorder-
ende verbunden. An die Ba. aber setzt er sich noch vermittelst
besonderer Schenkel an (f). Diese Schenkel sind rundhche, aber
am Ende umgekrümmte, laterale Plättchen des P. , hinter dessen
Vorderecken gelegen. Am P. selbst müssen wir eine Lamina in-
ferior und superior unterscheiden. Die Lamina superior,
welche dorsalwärts liegt, . ist grösstentheils sehr hell und breiter als
die ventral gelegene, gelbliche Lamina inferior. Die L. s. ist
vorne halbkreisförmig abgerundet, die L. i. mehr gerade, indem
die Ecken etwas vortreten. Die Seiten der L. s. sind fast gerade,
die der L. i. erweitern sich nach hinten bis zu der Stelle, wo beide
Platten in einander übergehen. Die beiden Laminae stehen nämlich
grösstentheils von einander ab, imd ihre Seitenränder verwachsen
nur ganz hinten mit einander. Oberhalb dieser Verwachsungsgegend
ist die L. s. mehr gelblich gefärbt und tritt an jeder Seite nach
hinten in eine braungesäumte, lappenförmige Ausstülpung vor,
welche ich die P.- Hörn er oder kurz Cornua neime. Wir werden
sehen, dass sie bei manchen Formen viel stärker entwickelt sind
als hier. Auf den Cornua münden zahlreiche und stellenweise sehr
d. männlichen n. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 157
dicht stellende Hautdrüsen. Auch finden sich Sinnesporen und ver-
einzelte Tastborsten. Im Uebrigen tragen die P.- Platten nichts
dergleichen.
Die Copul.-Org. von Cantharis sind vorzüglich geeignet, uns
über das morphologische Wesen des Praeputialsackes Aufklärung
zu geben. [Ich sprach über denselben im Allgemeinen schon an
anderer Stelle^).] Hinter den Cornua der L. s. nämlich geht diese
Platte allmählig in die Wandung einer Blase über, welche man als
eine Fortsetzung des d. ej. erkennen kann, wenn man den P.
mit Sorgfalt aufpräparirt. Die Chitinhaut der Blase ist fast überall
glashell und mit Zähnchen besetzt, welche je nach der Gegend der
Blase stumpf oder spitz sind. Hat man vom P. eine der Platten,
z. B. die L. i. wegpraep., so kann man die Blase oder besser be-
zeichnet, den Praeputialsack, zurückschlagen und ausstrecken (Fig. 74)
und erkennt dabei, dass einerseits hinten thatsächlich die Wandung
des P. in die Wandung des Praep. übergeht, andererseits vorne der
d. ej. die Fortsetzung desselben bildet. Der Praep. ist mehrmals
länger als breit und verschmälert sich vorne trichterförmig, wobei
der D. ej. das Rohr des Trichters bildet. Die Wand des Praep.
ist allenthalben mit zierlicher Skulptur geschmückt. Dieselbe hört
erst in der Gegend a auf, da nämlich, wo der eigentliche d. ej.
endet. Vor dieser Region besitzt der Praep. einen Blindsack b,
dessen Wandung besonders reichlich bezahnt ist und zwar mit
kammartigen Zähnen, wie sie die Gruppe ß vorführt. Diese Kamm-
zähne erstrecken sich in dichtester Aneinanderstellung nach vorne
bis zur Linie y. Hinter dem Blindsack sind sie auch noch vor-
handen, gehen aber dann allmählig in die einfachen Zähne (Gruppe /)
über, welche die ganze hintere Hälfte der Praep. -Wandimg besetzen.
Eine besondere 3. Skulptnrart von grosser Feinheit findet sich niu"
auf der Strecke a — y, sie ist in der Gruppe a stark vergrössert
wiedergegeben. Es handelt sich um Faltenkämme, welche durch
wellige Einschnitte in äusserst feine Spitzchen abgesetzt werden. —
Der ganze Praep. kann nun nach aussen vorgestülpt werden,
was — ebenso wie bei den noch zu erörternden Pleuralsäckchen —
durch Blutdruck geschieht. In Fig. 73 sehen wir einen solchen
Praep. zur Hälfte, in Fig. 7G ganz vorgestülpt. — Ich will hier
auch darauf hinweisen, wie das feste Aneinanderhaften vieler
Coleopteren bei der Copula durch das Gesagte leicht die Erklärung
findet: Nachdem nämlich der P. in die weibliche Vagina eingedrungen'
ist, wird der Praep. ausgepresst. Die mannigfachen Zähnchen-
bildungen desselben fassen in die Wandung der Vagina ein und
es können, solange das Männchen den Blutdruck unterhält, die in
Copula begriffenen Thiere nicht ohne Gewalt von einander entfernt
werden. Die Zähnchen des Praep. bewirken somit eine Verankerung
des ^ an den weibl. Geschlechts weg. — Der d. ej. ist glashell und
entbehrt der Skulpturen vollständig. Alle die mannigfaltigen Zahn-
^) Deutsche entomologische Zeitschrift 1894.
158 Dr. Carl Verhoeff: Vergleicliende Morphologie des Abdoraens
bildimgen des Praep. siiid übrigens keine Zuthaten zn Sinnesapparaten,
sondern Fortsätze des Hautskelettes wie die Haut. — Die
Armaturen des Praep. können als differencirte und vergrösserte
Haut, aufgefasst werden. — Die untere P.-Platte reicht nach hinten
hin weiter als die L. s. Sie bildet dort eine unter den Praep.
greifende und ihn von unten stützende Subpraeputialplatte,
welche durch einen mittleren Einschnitt in zwei Hälften zertheilt
ist. Poren oder Borsten sind in derselben nicht vorhanden.
(^ livida. Die verschiedenen Cantharis- Arten zeigen so
interessante Differenzen im Bau der Cop.-Org., dass ich noch auf
andere Arten eingehen will: Bezüglich der Segmentplatten herrscht
bei livida Uebereinstimmung mit rustica, nur ist die 9. V. am
Hinterende gerade gerandet, entbehrt also der Ausbuchtung (Fig. 85).
Während die Pa. bei rustica sowohl dorsal- als ventralwärts
so aneinandergefügt waren, dass sie sich gegen einander etwas be-
wegen konnten, ist hier bei livida die Möglichkeit einer Gegen-
einanderbewegung der Pa. nicht mehr gegeben. Diejenigen Theile
nämlich, welche ich bei rustica als dorsale Verbindungsbrücke be-
zeichnete und welche in der Mitte durch eine Emknickung sich
gegen einander absetzten, sind hier nicht nur mit einander ver-
schmolzen, sondern haben sich auch ganz kolossal vergrössert,
indem sie eine dorsalwärts sich über die anderen Theile des Cop.-App.
erstreckende und nach hinten noch über sie hinausragende Wand
abgeben, welche ich als Dorsalwand bezeichne (so Fig. 75 und 82).
Sie lässt in der Mediane von einer Naht nichts mehr erkennen. Der
Endrand, an und vor welchem viele Tastborsten und Drüsenporen
liegen, ist jederseits tief eingebuchtet, tritt aber in der Mitte auf
breiter Strecke vor, und diese Strecke zeigt auch wieder eine seichte
Einbuchtung. Von den Seiten der Dorsal wand schlagen sich nach
unten Wülste herab, an denen ebenfalls Tastborsten und Drüsen-
poren aufgefunden werden. Weiter nach vorne trifft man auf den
schon bei rustica geschilderten, dreieckigen Stammtheil der Pa.,
welcher nach innen und unten vorspringt und sich nach hinten in
die Pa.-Finger fortsetzt. Dieselben (Fig. 84) lassen deutlich erkennen,
wie sich ihre Wandung nach dem Ende zu mehr und mehr ver-
dünnt. Auffallend ist, dass man hier von Sinnesgruben und Borsten,
welche bei rustica so zahlreich vorkommen, nichts antrifft. Da-
. gegen sind Drüsenporen reichlich vorhanden und diese findet man
auch über das Stammstück zerstreut. Am Vorderende laufen die
Stammstücke nach innen und vorne in einen spangenartigen Fort-
satz aus (b), der ja in ähnlicher Weise auch bei rustica vorkommt.
Es ist also bei Hvida eine Pa.-Kapsel im vollsten Sinne zu Stande
gekommen, während rustica erst eine Vorstufe dazu vorstellt, denn
es gehört zum vollen Begriff einer Pa.-Kapsel, dass die Pa. sich so
mit einander vereinigt haben, dass eine Bewegung gegen einander
aufhört. — Die Ba. stimmt in ihren verschiedenen Theüen mit der-
jenigen von rustica ziemlich überein. —
d. niännlicheu n. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiideii. 159
Nicht so der P. Er besitzt am Hinterende seiner L. s. mächtige
Fortsätze (besetzt mit Tastborsten und einigen Drüsenporen), welche
dem Namen Cornua gewisslich entsprechen. (Fig. 76.) Während
dieselben bei rustica hinter der Subpraeputialplatte weit zurück-
bleiben, reichen sie hier fast so weit nach hinten wie die Enden
der Subpraeputialplatte. Letztere ist hier vollkommen zweitheilig
und kann sich gegen den übrigen P. vermittelst eines Gelenkes
(Fig. 78 g) bewegen, während die L. i. sich jederseits mit einem
nach aussen umgebogenen Fortsatz an die Wandung der L. s. da
ansetzt, wo die Cornua entspringen.
Bemerkenswerthen Abweichungen begegnet man auch am Praep.
(Fig. 76). Die Stacheln kommen vorwiegend in der Form der
Gruppe a (Fig. 77) vor, stehen aber auf 2 dunkeln, auifälligen
Wülsten, welche eine concave Innenseite zeigen, in spitzeren
Elementen (Gruppe /?). Einen Blindsack habe ich nicht beobachtet. —
Betrachten wir noch als eine 3. Art:
S violacea. Die Segmentplatten stimmen mit denen der
Vorigen überein, nur ist die 9. D. am Hinterrande tief ausgebuchtet,
die 9. V. ebendaselbst leicht ausgeschnitten. In Hinsicht auf die
Pa. nimmt diese Art eine Mittelstufe ein zwischen rustica und
livida, denn mit ersterer stimmt sie darin überein, dass die dorsalen
HäKten der Verbindungsbrücke noch nicht mit einander in der
Mediane verschmolzen, mit letzterer in dem weiten Vorragen dieser
dorsalen Stücke der Pa. nach hinten zu, wodurch eine Dorsalwand
gebildet wird. Hier ist dieselbe aber eine getheilte (w Fig. 79),
indem die Hälften getrennt bleiben und jede HäKte einen fast vier-
eckigen Lappen darstellt, dessen Endrand abgerundet und an der
Innenecke etwas eingekrümmt und dessen innerer Rand etwas
eingebuchtet ist. An den Seiten finden sich Tastborsten, auf
der übrigen Fläche zerstreute Drüsenporen. Die Pa. -Finger sind
gegen das Ende keulenförmig verdickt und ihre Wandung wii'd
am Ende von zahlreichen Sinnesgruben geziert, weiter vorne
von zerstreuten Drüsenporen durchsetzt. Nur ganz vereinzelte kleine
Tastborsten kommen vor. Die Ba. ist der der Vorigen wieder
höchst ähnlich, nur sind die Hörner des Basalhöckers stark nach
aussen gekrümmt. — Auch der P. nimmt in sofern eine Mittel-
stellung zwischen den P. der beiden vorigen Arten ein, als die
Cornua (Fig. 80) kräftiger sind als bei rustica aber kürzer als bei
livida. Sie haben einen fast geraden Innenrand, aber einen ge-
bogenen End- und Aussenrand und tragen innen eine Gruppe von
Borsten. Innerhalb ihres Grundes stehen ebenfalls Tastborsten,
aber auch viele Drüsenporen. Von den Cornua abgesehen ist der
P. nur so lang als breit, ein Fall den ich sonst von keinem Käfer
kenne. Die L. i. und L. s. sind annähernd gleichgross. Zwischen
den gekrümmten P. -Schenkel und den Cornua ungefähr in der Mitte
befindet sich jederseits ein am Ende abgerundeter Lobus, der sich
durch eine Sehne mit den Pa. verbindet. Diese Verbindung ge-
schieht hinter der Stelle, wo die Pa. sich an die Ba. anheften und
160 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
ist aucL. bei den 2 vorliergehenden Arten zu bemerken (cf. Fig. 72
und 75), ohne dass ich jedoch einen so distinkten Lobus gesehen
hätte. Der Praep, ist auch wieder recht abweichend von dem der
beiden vor. Arten gebaut, ich will nur hervorheben, dass er einen
unpaaren, dunkeln Stachel wulst besitzt. — ■
? violacea und rustica. An den 7 ersten Abd. S. lassen
sich keine nennenswerthen Unterschiede von den Männchen auf-
finden. Dagegen weichen sie von ihnen sehr auffallend im 8., 9.
und 10. S. ab. Die beiden Arten sind aber unter sich im 2 Geschl.
so ähnlich, dass ich mich des Genaueren an violacea halten will.
Man vermisst am 8. S. die bei den 3 S angetroffenen PI. Die
St. des 8. S. liegen in dem umgeschlagenen Seitenrande der 8. D.
(Fig. 53). Auf der 8. D. findet man, ebenso wie auf der V. zahl-
reiche Tastborsten, Haut, und Hautdrüsenporen, letztere an den
Basen der Borsten. Die 8. D. welche doppelt so breit als lang ist,
hat geraden Vorderrand und gebuchtete Seitenränder. Sie ver-
schmälert sich nach hinten und wird dadurch trapezförmig. Der
Hinterrand ist schwach ausgebuchtet. Die 8. V. ist P/2 mal breiter
als lang, vorne gerade und verschmälert sich allmählig nach hinten,
bei gerundeten Seiten, Am Hinterrande findet sich jederseits eine
Ausbuchtung.
Innerhalb dieser Ausbuchtungen springt die Platte stark nach
hinten vor und besitzt im Vorsprunge eine tiefe Einbuchtung (Fig. 53).
Vom Rande des ausgebuchteten Vorsprunges zieht sich nach vorne
und dem Körperinnern eine Duplicatur (Dp.), welche ich früher
irrthümlich für eine besondere V. hielt. ^) Ich habe aber bereits an
anderer Stelle diesen Fehler berichtigt. 2) Im hinteren Theile der
Duplicatur stehen noch einige Tastborsten und Drüsenporen. — Die
9. D. hat einen ursprünglichen Charakter bewahrt (Fig. 51), in
sofern sie nicht zweitheilig ist. Allerdings ist sie in der Längs-
richtung in zwei sehr verschiedene Bezirke abgesetzt.
Der vordere Bezirk (b) ist 2-theihg und nur aussen mit besonders
feinen Haut, besetzt. Der hintere Bezirk, die eigentliche Platte, ist
einheitlich, ventral durch eine Falte gegen den vorderen, der Fort-
sätze ins Körperinnere vorstellt, abgesetzt und mit einem höchst
dichten Walde von langen Tastborsten bedeckt, welcher die Drüsen-
poren an der Basis der Borsten nur schwer erkennen lässt. Der
hintere Bezirk ist 2V2 ^al so breit als lang, am Hinterrande in
der Mitte ausgeschnitten. Die Seiten sind gerade und convergiren
etwas nach hinten zu. Am Vorderende jeder Hälfte des gelblichen
Vorderabschnittes der 9. D. ist dieser von einer gebogenen, braun-
gelben Chitinspange (t) begrenzt, welche sich nach aussen ver-
^) Vergl. Untersuch, üb. d. Abd. S. und Legeapparate der § Coleopt. Fig. 24.
Was ich dort als 10. D. bezeichnet habe, gehört mit zur 9. D. Die 10. D. habe
ich damals noch nicht gesehen.
Deutsche entomol. Zeitschr. 1893. Heft II.
-) Zur vergleich. Morphologie des Abdomens $ Col. Daselbst 1894, Heft 11.
d. mänulicbeu u. weiblichen Lampyi'iden, Canthariden u. Malacliiiden. 1 Gl
schmälert, nach innen verbreitert und am inneren Ende etwas aus-
gebiichtet ist. Aussen reicht der Balken t weiter nach vorne als
innen und bildet dort die vordere Grenze des Fortsatzes, als welcher
jeder der beiden Vorderabschnitte der 9. D. nach vorne ragt. An
das innere Ende jeder der Spangen t legt sich eine andere, ebenfalls
braungelbe, in der Längsrichtung verlaufende Spange s, welche in
der Mitte am dicksten, nach den beiden Enden verschmälert und
gebogen ist, wobei die concave Seite nach innen gerichtet. An
das hintere Ende jeder dieser Spangen endlich schliesst sich die,
wie immer so auch hier, 2-theilige 9. V. an. Sie ist in jeder Hälfte
langgestreckt, 4-mal länger als breit und mit sehr kräftigen Tast-
borsten reichlich besetzt. Auch einige Drüsenporen münden in ihr.
Auf dem Ende jeder Hälfte der 9. V. sitzt in einer Gelenkgrube
der Stylus, welcher doppelt so lang als breit und gleichfalls mit
starken Tastborsten besetzt ist.
Ueber diesen Gebilden und unter der 9. D. ganz versteckt Hegt
die kleine 10. D., welche in der Mitte des Hinterrandes eckig vor-
tritt und auch noch viele Tastborsten und Drüsenporen aufweist.
Vor jeder Hälfte des Vorderabschnittes der 9. D. liegt noch ein
länglicher, vorn abgerundeter Lappen von heller, grauweisslicher
Farbe. Das Mikroskop lehrt uns, dass er überall äusserst dicht mit
feinen runden Ringen besetzt ist, welche sehr an die so viel erwähnten
Hautdrüsenporen erinnern, nur mit dem Unterschiede, dass sie eben
hier so dicht stehen, dass an vielen Stellen kaum noch Zwischen-
räume übrig bleiben. Viele Tausende dieser Poren sitzen dicht an
einander gedrängt. Bei entsprechender Einstellung des Tubus gewahrt
man in der Mitte jedes Porus ein winziges schwarzes Pünktchen,
das sich aber bei noch stärkerer Vergröss. als ein kleiner, runder
Kreis ausweist, die Mündung einer Hautdrüse. Die bei 200 f. Vergr.
erscheinenden Kreislein sind somit nur Papillen der Cutikula,
während die eigentlichen Drüsenporen erst bei 500 f. V. recht deutlich
als runde Poren erkennbar werden, (cf. Fig. 51. Li den Lappen
links sind einige Papillen eingezeichnet.) Dass es sich nun that-
sächlich um Drüsenporen handelt, davon habe ich mich durch
Untersuchung der Drüsen selbst überzeugt. Unter jenen Lappen,
welche ich darum die Drüsenporenplatten nenne, sitzen an
winzigen Stielchen (den chitinigen Ausführungsgängen) Tausende
von einzelligen Hautdrüsen welche sehr an diejenigen erinnern
welche F. Stein') und Ph. Bertkau-) bekannt gemacht haben. 3)
An der Aussenflanke jeder Drüsenporenplatte findet sich ein
bräunlicher Randwulst (n Fig. 54), an dessen Vorderende sich das
Ende der Spange t anlegt, u, t und s sind Hebel zur Bewegung
^) Die weiblichen Geschlechtsorgane der Käfer. Berlin. 1847. Tafel. XI.,
Fig. 12.
2) Ueber den Stinkapparat von Lacon murin us. Archiv für Naturgesch.
1882. S. 371 und Tafel XVIII., Fig. 28.
^) Eine genauere Mittheilung auch über diese Drüsen behalte ich mir vor. —
Aich. f. Naturgescli. Jahrg. 1894. Bd.I. H.2. 11
162 Dr. Carl Verhoeff: Vergleiclieiide Morphologie des Abdomens
der palpenartigen Hälften der 9. V., d. h. sie erlauben deren Vor-
und Rückbewegimg. Die Lage dieser Theile zu einander ver-
anschaulicht Fig. 54.
Ich hebe ausdrücklich noch hervor, dass die beiden Drüsen-
porenplatten mit den unterliegenden Drüsenfeldern nur den
weiblichen Cantharis zukommen, mithin eine sexuelle Bedeutung
haben müssen. —
In Fig. 88 sieht man die Seitenansicht eines Hinterleibes von
C. violacea ^. Am Hinterrande der PI. des 2. — 7. S. findet sich
jederseits eine blasenartige Vorstülpung Bl. , welche den Aus-
stülpungen von Malachius analog sind, aber kleiner und nicht
mehrzipfelig. Die Andeutung einer solchen Ausstülpung findet sich
auch in der Pleurenhaut des 1. S. [Vergl. auch den „Allgemein.
Theil".] —
Rhagonycha.
Der Hinterleib ist demjenigen von Cantharis so ähnlich gebaut,
dass ich mich darauf beschränken kann, auf einige Differenzen
hinzuweisen.
Die Pleurenplatten sind unechte, indem sie von den V. nur
durch Knickung, nicht durch Pleurenhaut abgesetzt sind. Die
Stigmen liegen in der Pleurenhaut.
Die Copulat.-Org. haben denselben Grundtypus wie diejenigen
von Cantharis, obwohl interessante und eines besonderen Studiums
werthe Abweichungen vorkommen. Ich kann mich in dieser Arbeit
nicht näher auf dieselben einlassen, erwähne aber, dass der Praep.
von fulva und pallida (Fig. 89 und 90) durch wellige Struktur
und mehrere Gruppen dolchförmiger, dicht an einander gedrängter
Stacheln ausgezeichnet ist.
Die Dorsaldrüsen kommen in derselben Weise vor wie bei
Cantharis, nämlich an der 1. — 8. D. ebenso am 9. S. des 3 der
dorsale und ventrale Bogen.
Malthodes.
^ marginatus. Die Segmentplatten, welche graubraun pig-
mentirt sind, besitzen auf D. und V. in ziemlich gleicher Anzahl
zerstreute Tastborsten. Auf den V. stehen Haut, nur am Vorder-
rande, auf dem D. auch über die Mitte zerstreut, nur spärlich
auf der 3. — 7., reichlicher auf der 1. und 2., sehr reichlich auf der
8. D. An dieser ist auch der Hinterrand mit einem dichten Walde
und zwar von längeren Haut, besetzt. Die Pleurenhäute tragen
sehr reichlich winzige Haut., welche zu kleinen Gruppen beisammen
stehen. Die Zwischensegmenthäute sind nur an der dem Vorder-
rande der Platten zugekehrten Seite mit Haut, besetzt und zwar
stehen meist 2—3 kammartig zusammen, sonst sind sie nackt.
Die 2. V. ist gut ausgebildet, nur blasser als die folgenden.
Die 1. und 10. V. fehlen.
d. männlichen iv weiblichen Lampyriden, Canthariden n. Malachiiden. 163
Die vorderen D. sind 3 — 2V2 mal, die 6., 7,, 8. doppelt so
breit als lang. Die V. haben etwa dieselbe Breite. Die 8. V. ist
am Hinterrande leicht ausgebuchtet, die 8. D. daselbst gerade,
übrigens trapezförmig, indem sie sich nach hinten verschmälert.
Pleurenplatten fehlen vollständig.
Die 8 Stigmenpaare liegen in der Pleurenhaut vom 1. — 8. S.
— Dorsaldrüsen finden sich auch hier an der 1. — 8. D., sie liegen
den Hinterrändern der Platten näher als den Vorderrändern. An
der 1. — 7. D. sind aber die Drüsenporen rudimentär, d. h. ge-
schlossen und nur noch durch einen dunkeln Fleck angezeigt,
in welchem ein kleiner bogenförmiger, schwarzer Strich steht,
welcher hinten concav ist. An der 7. D. ist dieser dunkle Bogen
am deutlichsten, auf der 8. D. aber ist er zu einem Kreis ge-
schlossen, sodass es scheint, dass hier noch ein wirklicher Porus
besteht. Jedenfalls sind am 1. — 7. S. die Dorsaldrüsen selbst obli-
terirt (cf. Hemiptera-Gymnocerata), vielleicht aber auch schon am
8. S. — Die 9. D. (Fig. 25) besteht aus einem Stück und ist mehr
als doppelt so breit als lang. Die Seiten sind leicht gebogen, der
Hinterrand fast gerade. Der Vorderrand springt jederseits in Form
eines dreieckigen Zipfels vor und jeder Zipfel setzt sich in eine
Spange fort, welche beide anfangs divergiren, hernach convergiren,
ohne jedoch zu verschmelzen. So wird auch hier wieder ein dor-
saler Bogen gebildet. — Auf der 9. D. stehen reichlich Haut., an
den Seiten einige Tastborsten. Auffallend gross ist die 10. D.
Doppelt so breit als lang und ^/g so breit wie die 9. D. , ragt sie
weit unter derselben vor, hat gerade Seitenränder und Hinterrand
und breit ausgebuchteten Vorderrand, sodass die Vorderecken spitz
vortreten. Starke und schwache Tastborsten sind vorhanden, ebenso
nicht wenige Hautdrüsenporen. An der 9. V. fällt die sehr tiefe
dreieckige Einbuchtung des Hinterrandes auf. Dadurch wird die
Platte in 3 Lappen abgesetzt, deren 2 schräg nach hinten, deren
einer gerade nach vorn gerichtet ist. An dem vorderen setzt sich
ein kurzer ventraler Bogen an, welcher vorne aber nicht klafft,
sondern verschmolzen und sogar besonders verdickt ist. Diese
Verdickung ist aussen jederseits etwas eingebuchtet, und in diese
Buchten greifen die Enden der Hälften des dorsalen Bogens. Auf
den hinteren beiden Lappen der 9. V. finden sich zerstreute Tast-
borsten und Drüsenporen, aber keine Häutungshaare.
Die Copul.-Org. (Fig. 26) weichen von denen der beiden vor.
Gatt, beträchtlich ab, geben sich aber als eine Weiterbildung der-
selben zu erkennen. Die Ba. (Fig. 70) ist von derjenigen der vor.
Gattungen ausserordentlich verschieden. Während sie dort noch durch-
aus eine Vorderlage inne hatte, ist sie hier als entschieden dorsal
zu bezeichnen. Sie liegt dorsalwärts über der Pa.-Kapsel und be-
steht aus einer einzigen unpaaren, hinten tief ausgebuchteten Platte,
welche 1 V2 nial so lang als breit ist und in der Mitte des Vorder-
randes ebenfalls leicht ausgebuchtet und aus einem Stiel, der die
11*
164 Dr- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Länge der Platte niclit ganz erreicht. Der Stiel ist als Homologon
des Basalhöckers der Ba. der Cantharini aufzufassen.
Die Pa. stellen zusammen eine Kapsel dar, deren abgerundeter,
vorderer Theil fast einen Halbkreis bildet. Von diesem wird ein
Abschnitt durch eine Falte (ps) abgesetzt und so eine Pseudobasal-
platte gebildet, denn sie ist thatsächlich von der übrigen Pa.-Kapsel
nicht getrennt und die wahre Ba. wurde schon beschrieben. Während
im vorderen Theile der Pa.-Kapsel die Zweitheiligkeit nicht mehr
angedeutet ist, hat sie sich im hinteren Theile vollständig erhalten.
Wir unterscheiden dort zunächst die Stammlappen der Pa.-Kapsel
(y Fig. 71). Von diesen aus gehen nach aussen lange Arme ab,
die Pa.-Finger (Pa. d.), welche sich gegen das Ende keulenartig
verdicken und daselbst mit vielen langen Tastborsten geschmückt
sind. Hinter der Basis der Pa.-Finger läuft der Rand der Kapsel
noch eine Strecke schräg nach innen und hinten und biegt dann
in stumpfem Winkel ganz nach innen ab. An der Kante stehen
einige Tastborsten. Innen bildet jeder Stammtheil der Kapsel vor
den mit Borsten besetzten Hinterecken eine tiefe Einbuchtung.
Unter jenen Hinterecken ragt jederseits ein auffallendes, fast
viereckiges und mit Papillen sehr dicht besetztes Polster vor (p).
Tastborsten stehen nicht auf demselben. Es setzt sich aber nach
vorne in einen dreieckigen, spitzen, nach aussen gerichteten Zahn
fort, mit dem es anscheinend gelenkig bewegt werden kann. Zwischen
den Polstern liegt der P. , an welchem sich eine L. s. und L. i.
unterscheiden lassen. Die L. i. hat einen knollenartigen Vorder-
theil und verschmälert sich nach hinten, wo sie in einen Fortsatz
ausläuft, in welchem der d. ej. hinzieht und am Ende mündet.
An das Vorderende schliesst sich noch ein ringförmiges Stück an,
welches auch mit der L. s. in Verbindung steht. Die L. s. selbst
ist so zu sagen ganz in 2 Cornua gespalten, welche in der Mitte
sich etwas verdicken und am Ende etwas nach aussen vortreten.
Auf der hinteren Hälfte der Cornua finden sich zerstreute Drüsen-
poren und Tastborsten. (Ich gewann den Eindruck, dass die L. s.
mit ihrem Vorderende auch an den mittleren Teil des oberen
Hinterrandes der Pa.-Kapsel angewachsen ist.) — Ein Praep. fehlt.
$ marginatus. Die Dorsaldrüsenporen sind hier noch mehr
erloschen als beim c^, indem sie auf der 8. D. vollständig fehlen,
auf der 1. — 7. D. finden sich Andeutungen in Form runder Fleckchen
mit rundlichem Kern. — 1 Paar blasser, bräimlicher Mos., welche
quer stehen, finde ich am Vorderrande der 2. — 6. D. Das 8. S.
ist braun, die vorhergehenden Platten grau. Die 8. D. ist 2^/2 mal
breiter als lang, trapezförmig, nach hinten verschmälert. Die 8. V.,
welche doppelt so breit ist als lang, hat am Hinterrande eine tiefe
runde und jederseits noch eine seichte Ausbuchtung. Die 9. D.
(Fig. 68) ist nicht zweiteilig, sondern ganz geblieben, dreimal
so breit als lang, nach hinten verschmälert, mit geradem Hinterrande.
Sie trägt ziemlich reichlich Tastborsten und auch einigeDrüsen-
ä. männlichen u. weiblichen Lampyriden, Cauthariden n. Malachiiden. 1G5
poren. Die 10. D. ist nur halb so breit imd halb so lang wie die
9. D., ebenfalls am Rande beborstet. Sie ragt unter der 9. D. vor.
Vorne setzt sich an die 9. D. jederseits eine helle Drüsenporenplatte
an, welche aber nicht länglich ist, wie bei Cantharis, sondern mehr
rundlich. Sie enthält Hunderte von Drüsenporen in Papillen liegend.
Die Hälften der 9. V. sind kaum länger als breit, nach hinten ver-
schmälern sie sich etwas und tragen nur wenige Borsten. Die
Styli sitzen nicht in Gelenkgruben, sondern sind an die 9. V. fest-
gewachsen. Von rundlich- viereckiger Gestalt, sind sie sehr reichlich
mit langen Tastborsten besetzt. Zwischen den eng an einander
gedrängten Hälften der 9. V. mündet die Vagina.
Ovipositoren fehlen. —
Die Drüsenporenplatten sind übrigens von der 9. D. nicht etwa
durch eine Naht abgesetzt, sondern sie bilden deren unmittelbare
Fortsetzung. Nur ist an der Stelle, wo die Poren beginnen, keine
dunkle Pigmentirung mehr vorhanden, sondern die Platte ist hell,
durchsichtig. —
Bei M. dispar $ finde ich deutliche Dorsaldrüsenporen an
der 1. — 8. D. und zwar sind auch noch Oeffnungen im braunen
Ringe erkennbar. —
Die Styli sind viel kleiner als bei voriger Art. —
Malthinus.
S punctatus. Alle Platten sind sehr hell, grau bis weissgrau.
8 Paare von Dorsaldrüsenporen sind auf der 1. — 8. D. deutlich er-
kennbar, aber es ist auch hier fraglich, ob diese Poren wirklich
geöffnet und die unterhegenden Drüsen noch funktionsfähig sind.
Pleurenplatten fehlen.
Die 8 Stigmenpaare liegen in der Pleurenhaut des 1. — 8. S.
Die V. sind reichlich mit Tastborsten besetzt, die D. nur spärlich.
Nur am 8. S. ist die D. fast ebenso reich beborstet wie die 8. V.
Haut, fehlen auf den V., auf den D. stehen sie auch nur spärlich
an den Rändern. Ein dichter Wald von Haut, steht aber auch
hier wieder am Hinterrande der 7. und 8. D. Drüsenporen finden
sich auf D. und V. sehr spärHch, nur am 8. S. an D. und V. reich-
licher. Die Zwischensegment- und Pleurenhäute tragen Haut.,
welche auf den ersteren äusserst winzig, auf den letzteren deutlich
sind. — Die 1. und 10. V. fehlen, — Die 2. V. ist gut ausgebildet.
Blasse, braungelbe Mos. finden sich am Vorderrande der 3. V.
in 1 Paare, an der 4. — 7. in 2 Paaren von querer Lagerung. Sie
fehlen an der 2. und 8. V. An der 1. und 2. D. ebenfalls. An der
3. D. ziehen sie in blassem Bande am Vorderrande hin, ein kleiner
Längshaufen auch jederseits dahinter. Ebenso, aber schwächer
verhalten sie sich an der 4. D., an der 5. fehlen die Mos. An der
6. stehen sie wieder wie an der 3., an der 7. fehlen sie fast und
an der 8. D. ganz. Die 2. V. ist vorne schwach ausgebuchtet, die
8. V. hinten sehr tief. Die 8. D, , welche 2V2 mal breiter ist als
166 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
lang, verschmälert sich nach hinten nur wenig und besitzt geraden
Vorder- und Hinterrand.
Die Form der 9. D. möge man aus Fig. 63 ersehen. Sie be-
sitzt vorne jederseits einen langen Processus, welcher sich allmählig
verschmälert. Beide convergiren nur wenig. Hinter der Basis der
Processus ist die Platte abgerundet, und vom Innenrande einer Ab-
rundung zieht sich eine, an den Seiten nach vorne, in der Mitte
nach hinten gebuchtete Spange quer nach dem Innenrande der
andern Abrundung herüber. Auf der dahinter liegenden eigentlichen
9. D. finden sich viele Tastborsten und Drüsenporen. Die 10. D.
sitzt unter der 9., ist recht klein, besitzt aber auch noch Tastborsten.
Die 9. V. (Fig. 64) hat geraden Hinterrand, in dessen Mitte eine
kleine Einbuchtung liegt. Sie ist in der hinteren Hälfte reichlich
mit Tastborsten, aber auch mit Drüsenporen versehen, besitzt keine
besondere Duplicaturplatte, wohl aber einen gut ausgebildeten
Bogen. —
An den Copulationsorganen ist die Ba. am auffälligsten
(Fig. 66). Die Pa. sind vollkommen mit einander verwachsen (Fig. 65).
Beide Teile haben sich so verschoben, dass sie im Ganzen 2 über
einander lagernde Platten darstellen, deren dorsale die Ba., deren
ventrale die Pa. -Kapsel ist. Es handelt sich also um einen sehr
extremen FaU von Ba.-Bildung, um so mehr, als die Ba. überhaupt
von sehr auffallender Form und sogar an den Hinterecken mit
vielen Tastborsten bewehrt ist, ein Fall, für den mir bisher kein
2. Beispiel bekannt wurde.
Diese Ba. stimmt mit derjenigen von Malthodes im Besitz eines
Processus überein. Relativ ist derselbe viel kürzer. Die ganze Ba.
ist aber viel grösser als diejenige von Malthodes, denn sie kommt
an Grösse der Pa. -Kapsel gleich. — Der Processus, soweit er vor-
ragt, hat kaum Vs der Länge der übrigen Ba. Deren Inneres ist
mit einer Haut überzogen. Der Processus setzt sich mitten hindurch
fort (n) bis zum Hinterrande, wobei er aber viel dünner geworden
ist. Am Vorderrande laufen gebogene Spangen nach der Seite,
welche an den Vorderecken in beinahe rechtem Winkel abbiegen
und nach hinten und etwas nach innen verlaufen. Sie gehen
schliesslich auch in die kräftige, chitinisirte Hinterpartie über, welche
ein Band darstellt, das viermal breiter ist als lang. In der Mitte
springt am Hinterrande ein grosser, abgerundeter Wulst vor.
Jederseits befinden sich 2 gerundete Vorragungen, von denen die
inneren («) mit dem Mittelwulst in einer Flucht liegen, die äusseren
iß) etwas mehr dorsalwärts. Diese äusseren Vorragungen sind
reichlich beborstet, die andern Wülste weniger und nur dorsal-
wärts. Auch finden sich einige Drüsenporen. Die Pa. -Kapsel
(Fig. 65) ist ein 4-eckiger Ring. Vom Hinterrande dieses Ringes
erheben sich 3 grosse Fortsatz- Ausstülpungen, deren seitliche wir
nach ihrer Lage, Form und Bewehrung als Pa. -Finger erkennen.
Sie sind kaum doppelt so lang als am Grunde breit und Ende ab-
gerundet. Der mittlere Fortsatz, das Homologen der Polster von
d. mämilicheii u. weiblichen Lampyriden, Cauthariden u. Malachiideii. 167
Malthodes, ist wesentlich grösser als die seitlichen, etwas länger
und fast dreimal so breit. Er entbehrt der Tastborsten, besitzt aber
zahlreiche Drüsenporen, an die man deutlich die Kanäle herangehen
sieht. Man muss sich vorstellen, dass die Polster von Malthodes
in der Mediane nathlos mit einander verschmolzen, so hat man im
Wesentlichen den mittleren Fortsatz der Pa.-Kapsel von Malthinus.
Er besitzt aber keine Papillen.
Der P. ist schwer zu beschreiben. Ich verweise auf Fig 67.
Man bemerkt eine dorsalwärts etwas convexe P. -Röhre, an deren
Ende der d. ej. mit einem kleinen, mit einigen Zähnchen bewehrten
Praep. mündet. Ventralwärts erheben sich von der Basis 2 etwas
gebogene und am Ende abgerundete Cornua, zwischen denen am
Grunde ein Blättchen steht. Nach vorne läuft der P. in 2 ab-
gerundete, helle und lappenartige Schenkel aus, zwischen denen der
d. ej. hinzieht. —
$ punctatus. Die 8. D. ist trapezförmig, indem sie sich
nach hinten allmählig verschmälert. Der Hinterrand ist breit und
seicht ausgebuchtet, die Seitenränder fast gerade. Sie ist 2V2 mal
breiter als lang. Die 8. V. ebenso, aber ihre Seitenränder sind
etwas gebogen, der Hinterrand in der Mitte tief 3-eckig ausge-
schnitten, jederseits etwas vorgebogen. Im Uebrigen gleicht
dieses 8. S. und die vorhergehenden denen des c^. —
Die 9. D. (Fig. 61) ist vollkommen zweitheilig. Jede Hälfte
von ovaler Form trägt zahlreiche Tastborsten und Drüsenporen, ist
hinten abgerundet und verschmälert sich etwas nach vorne. Eine
Drüsenporenplatte fehlt. —
Die 10. D. ist deutlich ausgebildet (Fig. 62) und an Gestalt
fast halbkreisförmig, ebenfalls mit Tastborsten und Drüsenporen
besetzt; auch fehlen ihr die Haut, nicht. Jede Hälfte der 2-teiligen
9. V. (Fig. 61 und 59) stellt einen ungefähr dreieckigen, fast borsten-
losen und zarten Lappen vor. Der Sty. ist mit demselben auch
hier verwachsen, von beinahe kegelförmiger Gestalt und reichlich
mit Drüsenporen und langen Tastborsten besetzt. Zwischen den
Hälften der 9. V. mündet die Vagina, aber diese Mündung ist von
ganz absonderlichen Gebilden umgeben (Fig. 60), welche horngelb,
z. T. stark chitinisirt und völhg borsten- und drüsenlos sind. Das
Gebilde ist paarig aber asymmetrisch, indem von der Mediane an
der einen Hälfte eine starke, an der andern eine schwache Falte
nach vorne zieht; die erstere verbreitert sich nach vorne. An der
Hälfte mit schwacher Innenfalte läuft eine Chitinspange nach vorne,
welche schliesslich nach hinen abbiegt und sich dort an eine andere
Verdickung anschliesst. Weiter nach vorne folgen 2 längliche zarte
Blättchen von gelblicher Farbe (x), welche die Vagina flankiren.
Das ganze Gebilde zeigt einen gebogenen und in der Mitte (wo die
Hälften sich an einander legen) eingekerbten Hinterrand. —
Welche vergleich.-morphol. Bedeutung kommt diesem Gebilde
zu? — Es liegt im Bereiche des 9. S. — ■ Da ich aber die Elemente
des 9. S. bereits nachgewiesen habe, kann es keine Platte desselben
168 Dr. Carl Verhoeff; Vergieiclieucle Morphologie des Abdomens
sein. Auch die Elemente des 8. S. sind alle vorhanden. Es hat
überhaupt nicht die Form einer Segmentplatte, und seine Lage um
die Vaginalmündung, verbunden mit dem paarigen Bau weist uns
nothwendig auf die bei vielen anderen Insektenklassen vorkommenden
Ovipositoren hin. Solche sind mir sonst von Coleopteren (aus-
genommen die Dytiscinae) nicht bekannt. Da sie indessen den
meisten andern Insekten und zvt^ar besonders auch den niederen
Klassen zukommen und schon bei einem Theil der Thysanuren
angetroffen werden, so liegt es auf der Hand, dass die Vorläufer
der Coleopteren auch Ovipositoren besassen, dass dieselben aber
allmählig verloren gingen und sich heute nur noch bei wenigen
Formen in Resten erhielten, wie im vorliegenden Falle. — Die
obigen Gebilde erkläre ich somit als rudimentäre Ovipositoren. —
Malachius.
Wir treten hiermit in eine Gruppe ein, welche von den vorigen
Gattungen sehr abweicht.
S bipustulatus. Nachdem man mit einem Sagittalschnitt,
entweder durch die D. oder die V. oder eine der Pleurenhäute, die
S. aufgetrennt und sie übersichtlich in eine Ebene ausgebreitet hat,
constatirt man leicht das Vorkommen von nur 7 Stigmenpaaren,
deren erstes den mehr als doppelten Durchmesser der folgenden
hat. Die St. liegen alle in der Pleurenhaut, da PL fehlen und
zwar ungefähr in der Mitte zwischen den zugehörigen D. und V.
und deren Vorderrändern mehr als den Hinterrändern genähert. Es
fällt auf, dass an den durch die St. leicht markirten 7 ersten Abd.
S. vor der 7. V. nur noch vier V. liegen, während an der
Dorsalseite die D. von hinten nach vorne allmählig an Grösse ab-
nehmen. Wir erkennen aus dem Gesagten, dass die 2. V. voll-
ständig fehlt, im Gegensatze zu allen vorher besprochenen Gatt. —
Das gilt aber ebenso für alle noch folgenden Gatt. Reste der 2. V.
sind auch nicht vorhanden.
Der Vorderrand der 3. V. ist stark ausgebuchtet, sodass die
Vorderecken etwas vortreten. Die 3. V. ist 5 mal breiter als lang,
die 4. und 5. V. sogar 6 mal, die 6. V. 5 mal, die 7. V. fast 4 mal.
Ganz anders gestaltet ist die 8. V. (Fig. 30). Der Vorderrand hat
eine tiefe Bucht, wodurch die Ecken in spitze Zipfel vortreten, in
der Mitte des Hinterrandes findet sich ein sehr tiefer, winkhger
Ausschnitt, wodurch die Platte fast in 2 Theile getheilt wird. Die
Hinterecken neben dem Einschnitt springen nach oben in ein
Zäpfchen (a) vor. Die Seiten sind gerundet, die ganze Platte ist
wenig breiter als lang. Die 8. D. ist etwas länger als breit, sie
verschmälert sich allmähhg nach hinten zu und zeigt eine kleine
Einbuchtung an dem sonst fast geraden Hinterrande (Fig. 32 und 33).
Von den Seitenecken des leicht eingebuchteten Vorder randes ent-
springen kräftige Fortsätze, welche die halbe Länge der Platte
erreichen. Sie legen sich an die Zipfel der 8. V. und ermöglichen,
dass sich beide Platten gelenkig gegen einander bewegen. Die
(1. inämiliclien u. weiblichen Lampyriden, Cantharideii u Malachiiden. 169
3. — 7. V. sind braun, nach der Mitte zu etwas heller, die 8. D,
und Y. braunschwarz, letztere in der Mitte viel heller. Die 7. und
6. D. sind dunkelbraun pigmentirt, ziemlich rechteckig, die 7. D.
3 mal, die 6. D. 4 mal breiter als lang. Die 5., braune D. ist noch
so breit wie die 6., aber die Seitenbegrenzungen schon etwas
unregelmässig. Etwas schmaler, heller und an den Seiten noch
mehr unterdrückt ist die 4. D. Die 3. und 2. D. sind rudimentär,
die 1. ist sogar in Wegfall gekommen. Die 3. D. ist noch als ein
rundlicher Fleck erhalten, von dem vorne nach jeder Seite ein
unregelmässiger Wisch abgeht.
Auch von der 2. D. ist noch ein rundlicher, medianer Fleck
erhalten, aber kleiner als der der 3. D. und getrennt davon, etwas
weiter nach vorne stehen aussen jederseits 2 dunkle Querstreif chen.
An Stelle der 1. D. findet sich eine ihren Raum einnehmende, breite,
glashelle uud strukturlose Haut, in welcher aber, als letzte An-
deutung einer dagewesenen Platte, noch jederseits 2 Tastborsten
symmetrisch angeordnet sind. Auch die Haut, welche den übrigen
Raum, in welchem die 2. und 3. D. entwickelt sein müsste, einnimmt,
ist strukturlos. Nur auf den geschilderten Rudimenten stehen einige
zerstreute, feine Tastborsten. Auf den Pleurenhäuten stehen zahl-
reiche Haut., auf den Zwischenhäuten sind sie nur zwischen der
7. und 6. und 6. und 5. D. vorhanden, sonst äusserst winzig, oder
sie fehlen auch.
Die Platten besitzen eine feine, runzelig -zelHge Skulptur. An
den meisten D. finden sich nur w^enige Tastborsten. Sie werden
an der 6. D. reichhcher und stehen auf der 7. D. sehr dicht. Dazu
kommen noch sehr lange schwarze Borsten an der 8. D. Solche
besonders lange Borsten finden sich auch an den Seiten der V.,
wobei sie jedoch auf den vorderen Platten immer schwächer an-
getroffen werden. Im Uebrigen sind die 3. — 8. V. sehr reichlich
mit Tastborsten versehen, und kurze und lange stehen durcheinander
gemengt. Haut, finden sich weder auf D. noch V., auch nicht am
Hinterrande der 7. und 8. D.
Mos. kommen vor, aber die Zellen sind nicht, w^ie ich das
von Lj'gistopterus und anderen schilderte, durch dunkle Bälkchen
von einander getrennt, sie erscheinen auch nie polygonal, sondern
zwischen den einzelnen runden Zellen von schwarzer, brauner, röt-
licher oder gelblicher Farbe finden sich erhebliche Zwischenräume.
Es würde mich zu weit führen, ganz genau auf die Vertheilung der
Mos. einzugehen, es sei nur erwähnt, dass sie am Vorderrande
mehrerer V. und als rundliche Häufchen an verschiedenen D. vor-
kommen. In den Rudimenten der 2. D. fehlen sie, sind aber an
der 3. D. noch bemerkbar. — Dorsaldrüsen fehlen. —
Sehr eigenthümlich ist die Gestaltung des 9. S. (Fig. 31). Eine
eigentliche 9. D. fehlt, ebenso eine typische 9. V. Dagegen findet
sich ein Gebilde, das ich Trapez nenne und das wir als eine Ver-
schmelzung der 9. D. und V. anzusehen haben. Es ist eine zarte,
graue bis braune Platte, welche schräg liegt und von unten vorne
170 Dl'- Cai-1 Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
nach oben und hinten läuft. Der vordere Theil ist ungefähr vier-
eckig , aber von den Hinterecken des Vierecks ragen nach hinten
convergirende Fortsätze, welche dunkler gefärbt sind als das übrige
Trapez, in der Mitte sich verschmälern und nach hinten wieder
verbreitern.
Borsten, Haut, und Poren fehlen dem Trapez; nur am Ende
der Fortsätze stehen 2 kleine Poren dicht bei einander. Von der
Basis der Fortsätze zieht sich in den Plattentheil jederseits eine sehr
feine Naht, w^elche wahrscheinlich den Rest einer Verwachsungs-
falte zwischen der 9. V. und D. vorstellen. Jedenfalls repräsen-
tiren die Fortsätze die Reste einer zweitheiligen 9. D., der Platten-
theil des Trapezes hauptsächlich die 9. V., in deren Mediane auch
noch eine feine Naht hinzieht, welche den Vorderrand nicht erreicht,
sondern vor demselben seithch zu den Nebenlinien abbiegt. Ueber
dem Trapez lagern: Die Copul.-Org. (Fig. 33). Die Pa. sind von
einfachem Bau, aber mit einander verwachsen (Fig. 28). Auch
ihnen fehlen Borsten und Drüsenporen vollständig. Sie sind braun
pigmentirt. Wir müssen an ihnen die Arme und den Ring unter-
scheiden. Durch den Ring läuft der P. hindurch. An ihn
setzen sich die Arme als Fortsätze nach hinten in einem Gusse an.
Die Arme sind ungefähr so breit wie der Ring, convergiren nach
hinten zu und verschmelzen an ihrem Ende mit einander. Die
Pa.-Arme liegen durchaus dorsal vom P. —
Der P. hat die Gestalt einer unten etw^as concaven Röhre
(Fig. 29) und krümmt sich vorne ein wenig herab. Der d. ej. tritt
von unten, etwas hinter dem Vorderende in den P. ein und mündet
dicht vor der von Drüsenporen durchsetzten Spitze. Lmerhalb des
P. erweitert er sich zu einem mit spitzen Stacheln reichlich besetzten
Praep. —
? viridis. Die 7 ersten S. sind denen von bipust. <$ äusserst
ähnlich. Die 4. D. ist aber noch kleiner, bildet ein braunes Drei-
eckchen vor der 5. D. und von der 3. und 2. D. sind nur einige
rötlichgelbe Mos. erhalten, sonst findet sich eine strukturlose Haut.
Ebenso an der Stelle der fehlenden I.D., auf deren früheres
Vorhandensein aber auch hier noch 2 Borstenpaare hinweisen.
Die 7. D. ist stark doppelt so breit als lang, trapezförmig. — •
Dorsaldrüsen fehlen. — Die Gestalt der 8. D. ist der des S ähnlich,
der Vorderrand ist breit winkelig ausgeschnitten und die Fortsätze
sind nur halb so lang als beim d, artikuliren aber auch hier mit
entsprechenden Fortsätzen am Vorderrande der 8. V. (Fig. 34). Die
8. V. bildet etwa ein Dreieck mit abgestutzter Spitze und tief und
breit ausgebuchteter Basis. Die Seiten sind ziemlich gerade. Vor
der 8. V. findet sich ein sie an Länge um das Doppelte über-
treffendes Spie, ventr. Dieses ist von der Platte durch einen
häutigen Streifen ganz getrennt. —
d. männlichen u. weiblichen Lanipyriden, Cantharirten u. Mulachiiden. 171
Die 9. und 10. D. fehlen als solche. Zwischen den gelenkig
auf- und zuklappenden Platten des 8. S. kann der Legeapparat
vorgestülpt werden. Derselbe stimmt mit demjenigen von Lygi-
stopterus in sofern überein, als wir an ihm auch:
1. Vorderröhre, 2. Hinterröhre, 3. einen Plattenabschnitt
unterscheiden können, auch ferner darin, dass am Plattenabschnitt
die Hälften der 9. V. mit ihren Styli sitzen und Vorderröhre plus
Hinterröhre die kolossal verlängerte Zwischensegmenthaut zwischen
dem 8. und 9. S. vorstellen. Dass der Legeröhrenschlauch in seiner
feineren Struktur von dem der Lygist. differirt, kommt bei Be-
urteilung der Homologie nicht in Betracht. Es ist dagegen sehr
wichtig, dass in der Legeröhre von Malachius und Verwandten
nicht 2, sondern 4 (6) Stütz stäbe vorhanden sind, von denen die
2 ventralen aus je 2 Stücken bestehen und dass alle 4 Stäbe oder
Radii nach vorne (hier sowohl wie bei allen folgenden Gatt.)
nie über die Ringfalte hinausragen, während die 2 Radii
bei Lygistopterus sogar noch aus der Vorderröhre Vor-
schauen.
Wir können daher den Legeapparat von Malachius und Ver-
wandten, in Bezug auf die übereinstimmenden Teile, wohl als dem
von Lygist. homodynam, nicht aber in toto als homolog bezeichnen.
(Beide Legeapparate entstanden unabhängig von einander.) Die
Schlauchwandung der Vorderröhre zeigt (ebenso wenig wie die
Hinterröhre) jene bei Lygist. zu beobachtende Schildpattfelderung,
vielmehr ist sie bis zur Gegend der Ringfalte allenthalben mit feinen
Querringen versehen (Fig. 37/9), hier besonders markirt dadurch,
dass sich sehr feine schwarze Pigmentkörner zu Gürteln an ein-
ander gelagert haben. Diese sind aber nicht immer vorhanden
(wenigstens nicht bei einem $ aus Dalmatien), und dann erkennt man
die Ringelung doch ganz deutlich als feine dunkle Gürtellinien, Rinnen,
zwischen erhabeneren Nebenstreifen gelegen. Am Vorderende der
Vorderröhre liegt noch ein kleines, halbkreisförmiges Plättchen «,
an dessen Endrande eine Gruppe kräftiger Tastborsten steht. Dies
ist keine besondere Platte, sondern ein von der nach unten und
vorne vortretenden Duplicatur der 8. D, abgelöstes Stück. —
Hinter der Ringfalte hört die Ringelung vollständig auf, und es
befindet sich auf der Hinterröhre eine dichte Anordnung von läng-
hchen, längs gerichteten, sehr kleinen Erhebungen, in welche auch
hier sehr feine Pigmentkörnchen eingelagert sein können (Fig. 35
links).
Im ganzen Legeröhrenschlauche finden sich weder an der
Vorder- noch an der Hinterröhre Tastborsten oder Sinnes- oder
Drüsengruben. Am Hinterende findet man die Hälften der 9. V.,
welche etwa doppelt so lang als breit sind, stumpfe Kegel vor-
stellen und gegen die Hinterröhre durch eine Querfurche abgesetzt
sind. Sie schhessen so dicht an einander, dass sie am Grunde nicht
einmal vollkommen von einander getrennt sind und damit ist auch
gesagt, dass vom Legeröhrenschlauche sich nichts zwischen die
172 Dl". Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Hälften der 9. V. erstreckt. Auch in ilinen ist kein Pigment ab-
gelagert, ausser den feinen, zerstreuten, schwarzen Körnchen, welche
sich auch in der Schlauchwandung finden. Dem abgerundeten
Ende jeder Hälfte sitzt ein gelblicher Stylus auf, welcher sich gegen
das Ende hin etwas keulig verdickt und dort einige kräftige Tast-
borsten trägt. Eine grössere Anzahl solcher stehen auf dem Hinter-
rande jeder Hälfte der 9. V. Wie schon gesagt befinden sich im
Innern der Legeröhre vier Radii. Wir müssen ein dorsales und
ein ventrales Paar unterscheiden. Die Vorderenden beider PtJare
sind an die Wandung des Legeröhrenschlauches befestigt und zwar
dicht hinter der Ringfalte, wo sie unverbreitert enden. Im
Ganzen behalten die bernsteingelben Radii ihre Stärke bei, sie ver-
dicken sich nur wenig nach hinten zu. Die dorsalen Radii ver-
laufen gerade, die ventralen sind an einer Stelle etwas gebogen.
Vom Vorderende jeder Hälfte der 9. V. entspringt eine Spange,
welche gekrümmt ist, eine kurze Strecke in die Hinterröhre hinein-
ragt und in ihrer vorderen Partie dicker ist als die Radii. Ich
nenne sie die Hinterspangen. An das vordere, etwas ausgetiefte
Ende derselben setzen sich die ventralen Radii gelenkig an (Fig. 35g).
Die dorsalen Radii reichen nicht soweit nach hinten, sie enden
nämlich noch eine Strecke weit v o r der SteUe , wo die dorsalen
Radii an die Hinterspangen stossen und heften sich an die dorsale
Wand des Legeröhrenschlauches. Die dorsalwärts von der 9. V.
gelegene Vaginalmündung wird oben von einer häutigen Klappe
bedeckt. ■ — (Im Rectum finde ich immer Pollenkörnerschalen, wie
auch bei den meisten andern Malacodermen.) —
Axinotarsus.
Stimmt im Abdomen im Wesentlichen mit Malachius überein.
^ pulicarius. Die 4. und 5. V. welche im Uebrigen braun sind,
haben im mittleren Drittel ihr Pigment fast ganz verloren, sind
aber doch nicht eigenthch zweitheilig, da der Vorder- und Hinter-
rand auch in der Mitte gut abgegrenzt ist und das mittlere Drittel
ziemlich reichhch Tastborsten aufweist. Die 1., 2. und 3. D.
haben auch hier ihr Pigment verloren und sind in strukturlose
Häute reducirt, welche aber (wie auch bei Malachius) deutlich durch
Falten von einander abgetrennt geblieben sind. Die 1. D. ist völlig
verschwunden, von der 2. und 3. D. sind nur jederseits 2 — 3 Mosaik-
feldchen erhalten gebheben, Tastborsten fehlen. — Die 8. D. und V.
(cf. Fig. 39) sind denjenigen von Malachius sehr ähnlich. Dasselbe
gilt für das Trapez (an dem die Fortsätze etwas länger sind) und
den Copul.-Appar., in welchem der P. keinen nennenswerthen
Unterschied von Mal. zeigt. Die Pa. fallen dadurch auf (Fig. 27),
dass die Arme viel breiter sind als das Band des Ringes. —
Anthocomus.
Diese Gatt, steht den beiden vorigen sehr nahe und kann ich
mich begnügen die wichtigeren Differenzen hervorzuheben.
d. männlichen u. weiblichen Lampyriden, Cantharideu n. Malachiiden. 173
3 fasciatiis. Zeigt sich dadurch niedriger und ursprünghcher,
dass die 3 ersten D. zwar auch kleiner sind als die nachfolgenden,
aber doch noch als deutliche, braune, mit feiner, runzelig-zelliger
Struktur sowie zerstreuten Drüsenporen und einigen Tastborsten
versehene Platten vorhanden sind. Das 8. S. schliesst sich eng
an das der Malachien an. Der Einschnitt an der 8. V. ist sehr
tief und eng, die Höcker an den Ecken neben dem Einschnitt sind
gerundet lappenförmig. Das Trapez (Fig. 44) hat dünne und
relativ kurze Fortsätze und ist am Vorder- und Hinterrand aus-
gebuchtet. Im Uebrigen erscheint es, wie auch sonst, graubraun
und strukturlos. Der P. (Fig. 43) steht dem der vorigen beiden
Gatt, sehr nahe. In der Wandung zieht eine schwarze, stabförmige
Verdickung. Die Zähne des Praep. sind recht gross und spitz
(Fig. 45), die Pa.-Anne (Fig. 42) haben mit dem Ringbande ungefähr
gleiche Breite. Am Hinterrande, wo sie verschmolzen, sind sie
schräg abgestutzt. Skulpturen fehlen ihnen auch hier; an Farbe
sind sie ebenfalls braun. —
Ebaeus.
Stimmt im Wesentlichen mit Anthocomus überein.
$ thoracicus. Die Fortsätze an der 8. D. (Fig. 40) sind fast
so lang als diese. Die 8. V. ist fast halbkreisförmig, aber breiter
als lang (Fig. 38). Das Spie, ventr. ist etwa 3 mal so lang als
die Platte, mit dem Vorderrande derselben nicht verschmolzen,
sondern durch Haut etwas von ihr getrennt, aber in einer Aus-
buchtung des Vorderrandes sitzend. Die Legeröhre ist der der vorigen
Gatt, höchst ähnlich. Am Vorderrande der gut ausgebildeten 2., 3.
und 4. D. findet sich jederseits ein bräunlicher Streifen mit emem
Mos., den ich nicht mehr als Rest eines Complementärsegmentes be-
zeichnen kann, da er durch keine Falte von den betreffenden
Platten getrennt ist. —
Charopus.
Steht den Gatt. Anthocomus und Ebaeus sehr nahe.
(^ flavipes. Die 1. — 4. D. sind gut ausgeprägt und stehen
auch an Grösse den folgenden wenig nach, sodass wir Charopus
in dieser Beziehung in der Malachien-Reihe als Anfangsform be-
trachten müssen. Sowohl D. als V. zeichnen sich durch zierliche
und sehj- deutliche, zellige Struktur aus. Haut, finden sich in
zierlicher Anordnung an den Häuten zwischen den D., nicht zwischen
den V. — Die 8. V. erinnert sehr an diejenige von Malachius,
ebenso die 8. D., doch erreichen die Fortsätze an den Vorderecken
nur Vs der Plattenlänge. Das Trapez ist ebenfalls dem von Malachius
sehr ähnlich. Am Ende jedes Fortsatzes finden sich 3 Drüsenporen.
Der P. ist dem von Anthocomus bis fast zur Uebereinstimmung
ähnlich. Der Praep. zeigt eine deuthche Bewehrung von Zähnchen.
Die Pa. (Fig. 41) haben ganz den Typus der vorigen Gattungen.
174 Dl'- Carl Verlioeff: Vergleicliende Morphologie des Abdomens
Am Ende sind sie gerundet und in einander vorschmolzen, die
Arme kaum breiter als das Ringband. Auch hier sind sie struktur-
und borstenlos, graubraun. —
Dasytes.
3 plumbeus. Die V. sind dunkelbraun, die D, hellgraubraun
pigmentirt, erstere wesentlich kräftiger als die letzteren. Die 1. und
10. V. fehlen. Die 2. V. fehlt ebenfalls. Die 3. V. ist aber recht
gross , doppelt so breit als lang und 1 V2 mal länger als die nach-
folgende 4. V. An der 3. V. ist ein vorderes, zweilappiges Stück,
welches viel kleiner ist als die übrige Platte, durch eine Kante
gegen diese abgesetzt. Dieses 2-lappige Stück stellt ein Ventral-
phragma dar. Es steht schräg nach oben und bildet jederseits
eine Grube und eine Hinterwand für die Hinterhüften. Die 4. und
5. V. sind 3 mal, die 6. V. 2V4mal, Die 7. V. 2V2 mal breiter als
lang. Die D. sind so lang, aber schmäler als die V. Die 2. und
3. D. sind zusammen so lang als die 3. V.
Die braunschwarze 8. D. von halbkreisförmiger Gestalt besitzt
auch hier an den Vorderecken kräftige Fortsätze, welche aber nur
^/4 ihrer Länge erreichen.
An der braunen 8. V. (Fig. 48), welche die Gestalt einer Mond-
sichel aufweist, ist der Vorderrand ausgebuchtet, tritt an den
Vorderecken spitz vor — (und vermittelst dieser Spitzen, welche
sich an die Fortsätze der 8. D. anschliessen, artikuliren beide Platten
gegen einander) — und in der Mitte in ein Spie, ventr., welches mit
der Platte in einem Guss verschmolzen ist, braunschwarz gefärbt
und so lang wie die Platte selbst. Diese ist in der Mitte des
Hinterrandes eingebuchtet und die Bucht erscheint dadurch noch
grösser, dass vor ihr in einem kleinen Bezirk die Pigmentirung fehlt
nnd diese Stelle häutig geworden ist. Die 8. V. ist reichlich be-
borstet und am Hinterrand stehen jederseits mehrere sehr starke
und lange, schwarze Borsten. Letztere sind an der 8. D. noch
zahlreicher und diese ist im Uebrigen auch mit kürzeren Borsten
reichlich besetzt.
Eine ähnliche, aber nicht so tiefe Ausbuchtung wie am Hinter-
rande der 8. V. findet sich auch in der Mitte des Hinterrandes der
7. V. Die übrigen V. sind auch reichlich beborstet und es stehen
im hinteren Bezirk, besonders an den Hinterecken der 5., 6. und 7, V.
ebenfalls grosse, schwarze, gebogene Tastborsten. Auf der 1. — 7. D.
fehlen die Borsten, nur wenige, winzige finden sich an der 6.
und 7. An diesen beiden Platten steht auch jederseits vor dem
Hinterrande ein heller, pigmentloser Fleck. Auf den D. finden
sich auch sehr zerstreute, feine Drüsenporen. Haut, fehlen den V.
vollständig. Auf den D. bilden sie am Hinterrande der 6. und 7. D.
einen dichten Besatz. Sonst finden sie sich noch über die ganze
7. D. zerstreut, im Hinterdrittel und in der Mediane der 6. und in
der Mediane der 5. D. Besonders dicht und auffallend stehen
sie auf den hellen Flecken der 6. und 7. D. Den Zwischen-
d. mämiliclieu u, weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 175
häuten der V. und D. fehlen die Haut., dagegen finden sie sich auf
den Pleurenhäuten , welche hellbraun pigmentirt sind und daher
wenig gegen die D. abstechen. Man kann aber von PI. nicht reden. —
Die Stigmen liegen in 7 Paaren am 1. — 7. S., auf der Grenze von
D. und Pleurenhaut. Am 8. S. fehlen die St. Am 7. S. liegen
sie hart am Rande der D. —
Auf den V. findet man eine zierliche Querfelderung. Auf den
D. ist dieselbe ^del schwächer ausgebildet. In den D. lagern ausser
der diffusen, bräunlichen Pigmenth-ung noch sehr winzige, schwarze
Körnchen. Mos. finden sich auf den V. nur an der 3. V. in einem
Paare als Querhaufen, hinter der Kante gelegen, welche das Ventral-
phragma absetzt. Auf den D. smd sie zahlreicher, wenigstens auf
den mittleren Platten, am Vorderrande als quere und in der Platte
als rundliche Gruppen vertheilt. Die einzelnen Zellen sind auch
hier bräunliche Flecke von rundlicher Form. — Die 9. und 10. D.
fehlen. —
Die 9. V. (Fig. 49) zeigt keine Plattenform mehr, sie ist zu
einer Ringspange umgewandelt, welche sich von vorne nach hinten
allmählig verdünnt, hinten klafft und vorne in ein Spie, gastrale
ausläuft, das etwas länger ist als der Ring und grösstentheils sich
als aus 2 Spangen (den Fortsetzungen des Ringes) verschmolzen
zu erkennen giebt. — Die Copul.-Org. weichen von denen der
vorhergehenden Gatt, erheblich ab, stehen aber denen der nach-
folgenden Gatt, äusserst nahe.
Besonders bemerkenswerth ist die Aehnlichkeit der Pa. mit
denen der Cerambo-Chrysomeloidea^) und dieselbe harmonirt mit
der Aehnlichkeit in der 9. V. ■ — Ich charakterisirte diesen Pa.-Typus
1. c. S. 141 als: „Verwachsen, dorsal, mit Ringbogen oder Schenkel-
bogen". — An den Pa. von Dasytes (Fig. 50), welche im Ganzen
eine gestreckte Ellipse vorstellen, lassen sich unterscheiden:
1. Die Schenkelplatte, 2. die Oberplatte, 3. die Oeffnung,
welche beide trennt.
Durch diese Oeffnung läuft der P. hindurch, sodass die Pa.
also dorsal und ventral desselben mit einander verwachsen sind
und um ihn einen ovalen Ring bilden. Die Schenkelplatte hegt
ventral, die Oberplatte dorsal vom P. Beide werden verbunden
durch die Schenkelspangen, welche am ganzen äusseren Rande
der verwachsenen Pa. von oben bis unten entlang laufen, als die
verdickten Ränder. Die Schenkelplatte, welche ganz strukturlos
ist, tritt nach unten in einen 3-eckigen Zipfel vor. An der Ober-
platte spricht sich die Entstehung aus paarigen Organen noch
darin aus, dass sie nach oben in 2 abgerundete Vorsprünge vortritt.
Auf jedem derselben stehen 5 — 6 kräftige, bernsteingelbe, in
weiten Sinnesgruben inserirte Tastborsten und unter denselben
mehrere Drüsenporen.
1) cf. Vergleich. Uutemich. über ^ Coleopt. Fig. 93, 98, 110, 120.
176 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Der P. (Fig. 11) ist ein bernsteingelbes Rohr, dessen hintere
Hälfte gegen die vordere fast um einen rechten Winkel geknickt
ist. Das Ende verbreitert sich wenig und läuft in eine 3-eckige
Spitze aus. Auf der Oberseite befindet sich eine nach hinten tiefer
werdende Rinne und an deren Ende mündet der grosse Praep. des
d. ej., dessen Wandung weiter vorn so kolossale, gebogene und
schwärzliche Zähne trägt, wie sie mir sonst von keinem Käfer
bekannt sind. Solcher Zähne finde ich 28 — 30. Sie haben die
Form von Rosendornen und sind im Innern hohl. Von unten be-
trachtet erscheint die Basis oval bis langgestreckt-oval. Vor den
grossen Zähnen finden sich noch einige kleinere. Nach hinten zu
ist der Praep. strukturlos. —
$ plumbeus. Die 7 ersten S. stimmen mit denen des <$ über-
ein, ebenso die 8. D. Die 8. V. (Fig. 46) gleicht auch der des (^
ausserordentlich. Die Einbuchtung am Hinterrande ist aber schärfer
und die Beborstung noch reichlicher. Sehr verschieden ist das
Spiculum ventrale. Es hängt mit der Platte nicht mehr eng zu-
sammen, sondern ist nur noch häutig mit ihr verbunden. Seine
Länge ist eine bedeutende, sie übertrifft die der Platte um das
Vierfache. —
Der Legeapparat, (dessen Ende zur Hälfte in Fig. 47 dar-
gestellt ist) schliesst sich sehr eng an den der Malachien an. Als
Unterschiedliches kann ich nur erwähnen, dass die Hinterspangen
länger sind, dünner, gleichbreit bleiben und stärker gebogen sind.
Die Radii reichen auch hier bis zur Ringfalte, aber die dorsalen
erstrecken sich viel weiter nach hinten, nämHch fast bis ans
Ende der Legeröhre. Die Skulptur des Legeröhrenschlauches ist
eine deutlichere, die Ringelung der Vorderröhre eine sehr aus-
geprägte. Auf der Hinterröhre findet sich eine höchst zierliche,
bienenwabenartige, regelmässige Felderung durch polygonale Zellen-
struktur.
Die 9. V. trägt zerstreute Tastborsten und Drüsenporen. —
Danacaea.
Steht der vorigen Gatt, recht nahe.
^ pallipes. Die Felderstruktur der D. ist sehr deutlich und
zierlich, die Beborstung der V. sehr dicht. Ein höcht dichter
Saum von Haut, steht auch hier am Hinterrande der 6. und 7. D.,
weniger dicht auch an der 5. D. Besonders auffällig ist es, dass
auch hier vor dem Hinterrande der 6. und 7. D. jederseits ein
heller Fleck steht und gerade auf diesem wieder dichtgedrängt die
Haut., welche aber im Uebrigen diesen Platten vollständig fehlen. - —
Die braune 8. D. ist fast doppelt so breit als lang und vorne
in Fortsätze verlängert, welche ^/g ihrer eigenen Länge erreichen.
Die braune 8. V. ist sehr kurz, sichelförmig (Fig. 14), in der Mitte
des Hinterrandes leicht ausgebuchtet, sonst reich beborstet. Das
Spie, ventrale ist 2^/2 mal so lang als die damit verwachsene 8. V.
Ueber ihr liegt die 3 armige 9. V., welche derjenigen von Dasytes
d. rfiäiinliclien ii. weiblichen Lampyriden, Cantharideu u. Malachiiden. 177
im Bogen und dem davon abgehenden Spie, gastrale sehr ähnlich
ist, besitzt jedoch als Besonderheit am Hinterrande noch einen
bandartigen Rest des eigentlichen Plattentheiles, welcher den Bogen
hinten zu einem Kreise schliesst und mit Tastborsten besetzt ist.
(Fig. U.)
Die 9. und 10. D. fehlen ebenso wie die 1., 2. und 10. V.
Die Pa. (Fig. 13) sind nach demselben Typus gebaut wie die von
Dasytes. Die Oberplatte ist jedoch nicht in 2 Lappen vorgezogen,
sondern einfach abgerundet und auf dem oberen Rande stehen in
symmetrischer Anordnung 4 starke Tastborsten. Die Oeffnung
ist nicht rund sondern länglich und macht unten eine Einbuchtung
in die Schenkelplatte. Oben ragt in sie ein Lappen von der Ober-
platte hinein. —
Der P. (Fig. 12) ist (wie bei Dasytes) gekrümmt, am Vorder-
ende angeschwollen. Am Hinterende läuft er in 2 laterale, lang
dreieckige Spitzen aus, zwischen denen der Praep. mündet. Letzterer
entbehrt- der Riesenzähne. Er besitzt nur vorne ventralwärts eine
Gruppe kleiner, blasser aber spitzer Zähnchen und dahinter in
grösserer Ausdehnung einen Besatz von stumpfen Papillen. —
Drüsenporen fehlen am Cop.-App. ganz. —
Dolichosoma.
S lineare. Die Segmentplatten erinnern sehr an diejenigen
von Dasytes, sind aber im Ganzen schmäler, wie ja diese Thiere
überhaupt schmal gebaut sind. Die 3. V., welche so lang ist wie
die 2. und 3. D. zusammen, ist wenig breiter als lang. Ihre vordere
Partie bildet wieder ein Ventralphragma. Die 4. — 7. V. sind
2V4 — 2V.inial breiter als lang. Die entsprechenden D. haben gleiche
Länge aber geringere Breite. Die D. sind auch hier zarter und
heller als die V., letztere aber noch immer sehr deutlich durch
Zwischenhäute von einander getrennt, sodass es nicht zur Bildung
eines Ventralbeckens kommt. Die dunkelbraune 8. D. ist lV2nial
breiter als lang, sehr stark beborstet, auch mit schwarzen Gross-
borsten versehen. An den Vorderecken fehlen die Fortsätze nicht,
sie sind nur halb so lang als die Platte und haben eine lappen-
artige, starke Verbreiterung erfahren, sodass sie wie gestielte Läppchen
erscheinen. Die 8. V. stimmt, abgesehen von der etwas schwächeren
Beborstung, mit der von Dasytes überein, nur ist das Spie, ventrale
kürzer als die Platte. Die 9. V. stimmt ebenfalls mit der von
Dasytes überein, nm- sind die einzelnen Spangen dicker. Die
7 Stigmenpaare liegen in der hellen Pleurenhaut vom 1.— 7. S.
Am 8. S. fehlen auch hier die St. Die V. sind stark beborstet,
die D. unbeborstet. Ausserdem stehen zahlreiche, schwarze Gross-
borsten auf den V., mit Ausnahme der 3. Man findet eine Gruppe
derselben in der Mitte des Hinterrandes der 4., 5. und 6. V. An
der 6. V. ist die stärkste Gruppe. Hier erreichen einige Borsten
eine solche Mächtigkeit, dass man sie dolchförmig nennen kann.
Es findet sich übrigens eine kleine Ausbuchtung am Hinterrande
Aich. f. Naturgesch. Jalirg. 1894. Bd. I. U. 2. 12
178 Dl". Carl Vei'hoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
der 6. V., um welche die Stacheln in 2 Gruppen stehen, eine eben-
solche Ausbuchtung an der 7. V., aber dort stehen nur wenige
Grossborsten. Haut, fehlen auf den V. und allen Zwischenhäuten,
auf den Pleurenhäuten sind sie reichhch vorhanden. üeber die
zellenartige Platten skulptur gilt das bei Dasytes Gesagte. Mos. sind
in wenigen Resten bemerkbar. — Interessant ist, dass Haut, wieder
nur am Hinterrande der 7. D. vorkommen und davor jederseits ein
heller Fleck steht, der dicht mit Haut, besetzt ist. Auf der 6. D.
fehlt dergleichen. Sonst fehlen den D. überhaupt die Haut. Auf
der 7. D. stehen vereinzelt sehr kurze Tastbörstchen, —
Die Pa. stimmen mit denen von Dasytes fast ganz überein,
doch stehen auf jeder Yorwölbung der Oberplatte nur 4 starke,
gelbe Tastborsten, darunter auch hier einige Drüsenporen. — Die
Oeffnung ist mehr oblong. Der P. hat dieselbe Gesammtfigur
wie bei Dasytes, nur die Endigung ist etwas anders geformt. In
der Endhälfte finden sich einige zerstreute Drüsenporen. Am Praep.
kommen auch hier die schwarzen Riesenzähne vor, aber sie sind
bedeutend zahlreicher und zwischen ihnen stehen zerstreut noch
ganz winzige Zähnchen. Nach hinten zu nehmen die Riesenzähne
an Grösse ab und werden aUmählig mehr braun. —
? lineare. Die V. sind denen des 3 sehr ähnlich, doch fehlen
die Ausbuchtungen an der 6. und 7. V. Ebenso fehlen die Stachel-
borsten und nur wenige gekrümmte Grossborsten sind vorhanden.
Die D. sind viel kleiner als beim 3, aber die Pleurenheute sehr
breit. Die 2. — 6. D. bilden ungefähr gleichseitige Dreiecke, deren
abgerundete Spitze vorne liegt. Die 7, D. ist die grosseste, sie ist
l^/omal breiter als lang, trapezförmig, indem die Seiten allmählig
nach vorne convergiren. Auf der 1.^ — 6. D. stehen nur wenige zer-
streute Drüsenporen und ganz vereinzelte, kleine Börstchen. Grössere
Tastborsten fehlen, doch kommen sie an jeder Hinterecke der 7. D.
in einer Gruppe vor und sonst zerstreut auf dieser Platte. Haut,
fehlen den V. Auf den D. aber sind sie wieder in einem Saume
am Hinterrande der 7. D. und jederseits vor derselben in einem
hellen Gebiet dicht zusammengedrängt. Vor der 2. D. findet sich
ein durch eine feine Falte von ihr abgesetzter, brauner und schmaler,
strukturloser Complementärstreifen. Mos. finden sich neben und
vor der 3.-6. D. — Den Zwischenhäuten fehlen Haut, fast ganz.
Auf den Pleurenhäuten sind sie auch nur schwach vertreten. Man
findet in der mittleren Region derselben braune Gebiete (als erste
Anfänge zu PL), auf denen statt der Haut, warzige Höckerchen stehen.
Die Stigmen lagern in der Pleurenhaut, am 1. — 7. S, Die
St. des 1. S. sind nur wenig grösser als die übrigen.
Die dunkelbraune 8. D. ist IVgmal breiter als lang, fast halb-
kreisförmig, mit geradem Vorderrande. Die Vorderecken springen
in kurze, lappenartige Fortsätze vor. Die 8. D. ist sehr reichlich
mit gelben, etwas keulenförmigen aber am Ende doch zugespitzten
Tastborsten besetzt und am Hinterrande steht eine Gruppe schwarzer
Langborsten. Im Innern der gelben Borsten bemerke ich in der
d. männlichen u. weiblichen Larapyriden, Canthariden u. Malachiiden. 179
Achse äusserst winzige, schwarze Körnchen. Die 8. V, ist ebenso
mit zweierlei Borsten besetzt, wenigen längeren schwarzen und
zahlreichen gelben, welche kürzer sind. Sie ist auch fast halbkreis-
förmig gerundet, aber kürzer als die 8. D., doppelt so breit als
lang. Der Vorderrand ist leicht zweimal gebuchtet. Am Vorder-
rande setzt sich ein Spie, ventrale an, welches durch Bindehaut
ein wenig von der 8. V. getrennt ist. Es erreicht 1 V2 der Länge
der Platte. Ausser der 1., 2. und 10. V. fehlen auch die 9. und 10. D.
Der Legeapparat (Fig. 15) ist relativ kurz, gedrungen. Im
Uebrigen schliesst er sich aufs Engste an denjenigen der vorher-
gehenden Gatt. an. Die Radii dorsales reichen bis gegen den Endrand
der die Vulva von oben bedeckenden, häutigen Klappe und ver-
breitern sich etwas am Ende. Alle 4 Radii heften sich mit ihrem
Vorderende wieder hinter der Ringfalte an. Die Hinterspangen
sind gekrümmt und verbreitern sich ebenfalls am Ende, mit dem
sie innerhalb der 9. V. liegen. Letztere besitzt auf der Mitte jeder
Hälfte eine kräftigere, sonst viele kurze Tastborsten, ausserdem
einige Sinnesgruben. Die dunkelbraunen Styli sind bulbusförmig
gestaltet, sitzen in einer Gelenkgrube und tragen einige kurze aber
dicke Tastborsten. Es finden sich übrigens auch zu Seiten der
Hinterröhre einige Sinnesgruben mit sehr feinen Tastbörstchen. Die
Hinterröhre ist dicht mit längHchen, feinen Wülsten bedeckt, die
Vorderröhre besitzt die geschilderte Rmgelung.
Psilothrix.
(^ nobilisi). Steht den vorigen Gattungen sehr nahe. Die
V. sind ziemlich reichlich mit gelblichen, mittellangen und schwarzen,
sehr langen und gekrümmten Tastborsten besetzt. Letztere stehen
besonders an den Seitenrändern. Die 7. V. hat eine tiefe Bucht
am Hinterrande und jederseits derselben springt sie in einen ab-
gerundet-dreieckigen Höcker vor. Auf derselben stehen viele schwarze
Borsten. Haut, finden sich auch hier wieder am Hinterrande der
7., aber auch der 6. D. (ganz wenige auch am Hinterrande der 5.)
und im Bereiche der 2 hellen Fleckenpaare vor dem Hinterrande
dieser Platten. Mos. fehlen bis auf verschwindend kleine Spuren.
Die Zwischenhäute entbehren der Haut., auf der Ventralseite tragen
sie nur winzige dunkle Pigmentkörnchen. Die Pleurenhäute sind
aber reichlich mit spitzen, kräftigen Haut, besetzt. Die St. liegen
in 7 Paaren in der Pleurenhaut, am 1. — 7, S., am 8. fehlen sie.
Die dunkle 8. D. ist so lang als breit, fast halbkreisförmig,
stark beborstet. In der Mitte des Hinterrandes besitzt sie eine
kleine aber ziemlich tiefe, gerundete Einbuchtung. Die Vorderecken
treten in kurze, dicke, nach dem Ende zu sich verschmälernde Fort-
sätze vor. An der ebenfalls dunkeln und stark beborsteten 8. V.
findet sich eine tiefe und breite, ovale Bucht, sodass die Hinter-
ecken als 3-eckige, abgerundete und etwas convergirende Lappen
^) Zur Untersuch, dienten Ex. von den friesisch, Inseln.
12*
180 Dr- Carl Verhoeff; Vergleichende Morphologie des Abdomens
vortreten. Die ganze 8. V. erhält dadurch, dass auch der Vorder-
rand breit, aber weniger tief, ausgebuchtet ist und die Vorderecken
als spitze Zipfel vortreten, eine Gestalt wie 2 mit den Rücken an
einander gelegte Beile. Vom Vorderrande läuft ein mit der Platte
verschmolzenes Spie, ventrale ab, das die doppelte Länge des
mittleren Theiles der 8. V. hat. Die 9. V. ist ein Stiel, von welchem
hinten, gabelig, zwei gerade, divergirende Zweige ablaufen, deren
jeder etwa so lang ist wie der Stiel. Letzterer besitzt in der Mitte
hinten eine Rinne. Die einzelnen Spangen dieser mithin dreizinkigen
9. V, sind kräftig ausgebildet. Die Pa. erinnern wieder sehr an
diejenigen von Dasytes. Die Oberplatte besitzt 2 Endlappen und
auf jedem sitzen in grossen Sinnesgruben G — 7 sejir grosse, braune
und eine kleinere Tastborste. Weiter unten finden sich mehrere
Drüsenporen. Die Oeffnuug ist regelmässig, eiförmig.
Der P. ist weniger gekrümmt als bei den vorigen Formen,
aber noch immer ventralwärts stark concav. Er bleibt ziemlich
gleichdick und endet hinten mit dreieckiger Zurundung. Li der
hinteren Hälfte trägt er zahlreiche feine Drüsenporen. Der Praep.
ist ausserordentlich lang. Seine Zähne sind nicht so gross wie bei
Dasytes, aber sehr zahh-eich, dreieckig-zugespitzt, braun, im Innern
hohl. Ihre Grössen differenzen sind gering. —
$ nobilis. Die Vorsprünge am Hinterrande der 7. V. fehlen.
Der Saum von Haut, am Hinterrande der 6. und 7. D. ist auch
hier vorhanden, auch die mit Haut, besetzten Flecke daselbst fehlen
nicht, sind aber etwas kleiner und dunkler. Die 8. D. stimmt mit
der des 3 ziemlich überein, auch in Bezug auf Ausschnitt und
Fortsätze. Die 8. V. hat aber wesentlich andere Form. Der Hinter-
rand ist zugerundet, besitzt keine Ausbuchtung. Die Platte ist
2V2Daal breiter als lang, trapezförmig, mit geraden, nach hinten
stark convergirenden Seiten. Das Spie, ventrale ist durch Binde-
haut von der Platte getrennt, doppelt so lang als dieselbe.
Der Legeapparat (Fig. 16) steht dem von Dasytes äusserst
nahe. Die Skulptur des Schlauches stimmt mit der von Dolichosoma
überein, doch sind die Felder der Hinterröhre breiter, mehr bienen-
wabenartig. Die schlanken Radii dorsales reichen bis ans Hinter-
ende, ohne sich aber dort zu verbreitern. Die R. ventr. erreichen
die Ringfalte nicht ganz. In der Mitte ihrer Länge besitzen sie
einen hakenartigen Anhang. Die Hinterspangen sind stark ge-
krümmt, verbreitern sich am Ende aber auch nicht. —
Meine Untersuchungen über die Clerlden, an der Hand der
Gattungen T rieh ödes, Opilo, Clerus und Tillus, will ich später
in einer besonderen Arbeit genauer erörtern, jetzt aber doch schon
darauf hinweisen, dass dieselben die nächsten natürlichen Ver-
wandten der Malachiiden sind. — Die bisher bekannten Merkmale,
durch welche dieselben von den Malacodermen getrennt wurden,
genügen durchaus nicht zur Begründung dieser Familie. Erst durch
Untersuchung der Abdominalsegmente, Legeapparate und
(1. mäuiilicheii \\. weiblichen Lampyridcn, Canthariden u. Malachiiden. 181
Copulationsorgane habe ich den Beweis erbringen können, dass
die Cleriden mit den Malachiiden (nicht Malacodermen) in
nächster Verwandtschaft stehen. Als besonders wichtige Merkmale
der Cleriden hebe ich folgende hervor:
1. Die 2. V. fehlt vollständig.
2. Die übrigen V. sind frei gegen einander beweglich.
3. Der Legeapparat besteht aus durch Ringfalte gegen
einander abgesetzter Vorder- und Hinterröhre, trägt am Ende die
2 Hälften der 9. V. mit ihren Styli , besitzt 2 Radii ventrales und
2 R. dorsales, sowie 2 Hinter spangen, und die 4 Radii enden vorne
an der Ringfalte. (Also wie bei Malachiiden.)
4. Die 8. D. der $? hat an den Vorderecken Fortsätze, die
8. V. trägt am Vorderrande eine [für die Cleriden charakteristische]
Querspange und gegen diese artikulirt das Spiculum ventrale.
5. Die 9. und 10. D. und die 10. V. der $ $ fehlen.
6. Die 8. D. der So hat an den Vorderecken lange Fortsätze
(an der 8. V. daselbst bisweilen kurze).
7. Die 9. und 10. D. und 10. V. der SS fehlen.
8. Die 9. V. der SS ist eine zweizinkige, nach hinten geöffnete
Gabel, welche sich nach vorne in einem kürzeren oder längeren
Stiel (Spie, gastrale) auszieht.
9. Die Parameren^), welche dorsal liegen und die Seiten
des Penis umfassen, aber in der Mediane ventralwärts klaffen,
sind in der dorsalen Mediane vollkommen mit einander verschmolzen.
Sie enden nach hinten in 2 Vorsprünge. Vorne besitzen sie
2 Schenkelspangen , welche am Vorderende zu einem Stiele ver-
schmelzen und in der Mediane nach hinten eine Mittellamelle
entsenden, die sich allmählig verliert. Der Stiel pflegt sich vorne
zu verbreitern. Eine Basalplatte fehlt.
10. Pleuren fehlen. Die Stigmen hegen in der Pleurenhaut
am 1.— 7. S., am 8. S. fehlen sie. —
III. Allgemeiner Theil.
A. Systematisch-phylof/enetische Resultate.
Die im vorigen Abschnitt niedergelegten Beobachtungen führen zu
der Erkenntniss, dass die Malacodermen im bisher gebräuchlichen
Sinne nicht aufrecht zu erhalten sind, dieselben bilden eine un-
natürliche Mischgruppe.
Um aus derselben eine natürliche Gruppe herzustellen, müssen
diejenigen Formen, welche einer 2. V. entbehren und welche ich
als Malachiiden zusammenfasse, ausgeschieden werden. Die
^) Die Angaben von Escherich, Monographie von Trichodes. 1893. Ver-
handl. d. zoolog.-botanisch. Gesellsch. Wien (S. 156), sind unvollständig und
fehlerhaft. — cf. auch C. Verhoeff: Entoinol. Nachricht, 1894, N. 10, S. 155—157
,,Zur Kenntniss des Hinterleibes der Cleriden." —
182 Dr. Carl Verhoeff: Vergleicheude Morphologie des Abdomens
Ordnung Malacodermata
definiere ich, abgesehen von ganz bekannten, leicht in die Augen
fallenden Merkmalen, folgendermassen : Die 2. V. ist stets vor-
handen und in typischer Weise ausgebildet. Alle Bauch-
platten sind frei gegen einander beweglich, sodass es also
nicht zur Bildung eines Ventralbeckens kommt.
Am 8, Segment bilden die D. und die V. keine gegen
einander bewegliche Klappen, besitzen dem entsprechend
auch keine Fortsätze an den Vorderecken. Stigmen finden
sich am 1.^ — ^8. S., also in 8 Paaren (nur bei Luciola-c^ in
7 Paaren). Die St. des 1. S. sind grösser als die folgenden, (bei
Lampyris-? ihnen gleich gross). Pleurenplatten fehlen oder sind
vorhanden. Die 8. V. des $ besitzt häufig ein Spiculum ventrale,
von geringerer oder bedeutenderer Länge, welches bald selbständig
ist, bald mit der Platte verschmolzen, häufig aber fehlt jegliche
Spur eines Spie, ventrale.
Die 9. D. des ? kann vorhanden sein oder fehlen. Im ersteren
Falle kann sie ganz sein oder zweitheiHg. Die 10. D. fehlt bei
den $ $ der einen Gruppe, bei denen der andern ist sie vorhanden,
mehr oder weniger deutlich. Die 9. V. der ?$ ist immer vorhanden,
immer 2-teilig und stets mit beborsteten, länglichen Styli ver-
sehen. Ein Legeapparat kann fehlen oder vorhanden sein. Im
letzteren Falle enthält er nie mehr als 2 Radii. Drüsenporen-
platten kommen nur bei $$ einer Gruppe vor, bei den andern
fehlen sie beiden Geschlechtern. Dorsaldrüsen fehlen oder sind
vorhanden.
Im letzteren Falle sind sie stets paarig und weit aus einander
gerückt, dann in der Regel in der 1. — 8. D. gelegen. —
Die 8. V. der S(^ besitzt nie ein Spiculum ventrale, bei
Luciola fehlt sie sogar.
Die 9. V. der SS^ ist (ausser bei Luciola) stets mit einem
Plattentheil versehen. Ein (ventraler) Bogen ist immer vor-
handen (auch bei Luciola), wird aber häufig seitlich zusammen-
gedrängt, einem Spie, gastrale ähnlich werdend. Die 9. D. der (^ S
ist stets ganz, aber bisweilen durch Einschnürung zweilappig.
An ihren Vorderecken fehlen Processus (Lampyris, Phosphaenus)
oder sie sind vorhanden, was meistens der Fall. Nicht selten sind
die Processus so stark ausgebildet, dass ein (dorsaler) Bogen zu
Stande kommt und dann legt sich derselbe mit seinen Vorderenden
an den ventralen Bogen an oder verschmilzt sogar mit ihm
(Homalisus).
Die 10. D. der <S<S ist immer vorhanden, bisweilen recht
gross, bisweüen sehr klein und mit der 9. D. verwachsen (Lampyris,
Phosphaenus). —
An den Copulationsorganen ist stets eine Basalplatte
vorhanden. Dieselbe hat meist eine Vorderlage, bisweilen
rückt sie jedoch dorsalwärts. Sie ist nie rudimentär und nie mit
den Pa. verschmolzen. Die Parameren selbst sind nie voUkommen
(1. mämilichen u. weiblichen Lampyriden, Oauthariden u. Malachiideu. 183
von einander getrennt. Häufig heften sie sich nur am Grunde auf
sehr kurzer Strecke an einander und sind dann gelenkig gegen
einander bewegbar, häufig aber verwachsen sie in der Mediane
auf längerer Strecke unbeweglich. In letzterem Falle kann es
alsdann zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Kapselbildung
kommen. Gewisse Anzeichen der ursprünglichen Zweiheit der Pa.
sind immer noch vorhanden.
Der Penis ist von den Pa. immer gut abgesetzt, nie mit den-
selben verschmolzen, an seinem Grunde jedoch gelenkig oder fest
angeheftet. Er ist entweder röhrenförmig gestaltet oder besteht
aus einer Lamina superior und inferior. Im ersteren Ealle ist er
am Ende abgerundet und der Ductus ejaculatorius mündet eine
Strecke weit vor dem Ende, im letzteren Falle mündet der D. ej.
am Ende des P, selbst. —
Innerhalb der Malacodermen selbst müssen wir wieder zwei
in vielen Punkten von einander abweichende Familien unterscheiden:
1. Familie Lampyridae.
Die ?? besitzen an oder vor der 8. V. ein Spiculum ventrale
von geringerer oder bedeutenderer Länge. Ein Legeapparat ist
vorhanden und zwar in verschiedenen Stufen der Ausbildung. An
ihm kommen 2 Radii vor, wenn die 9. D. fehlt, ist letztere
vorhanden, so ist sie zweitheilig und jede Hälfte trägt vorne einen
Fortsatz, die Vorbildungen zu echten Radii (Lampyris), — Die
10. D. der ?$ fehlt. Wenn die 9. D. der ?$ vorkommt, ist sie
zweiteilig. An den Copulationsorganen ist die Basalplatte am
Vorderrande nie mit einem Höcker oder Fortsatz ver-
sehen. Sie ist nie durch eine Querspange in 2 Lappen zertheilt,
besteht vielmehr immer aus einem Stück (ausgenommen Luciola),
an dessen Hinterpartie sich häufig Hörner befinden oder auch nur
eine tiefe und breite Einbuchtung. Die Ba. hat stets eine Vorderlage.
Die symmetrischen Par am er en sind fast immer gegen ein-
ander beweglich, also nur am Grunde an einander geheftet, wenn
nicht, wenn also eine Verwachsung in der Mediane auf längerer
Strecke vorkommt (Lygistopterus), findet doch keine auffällige Ab-
weichung von der typischen Gestalt der Pa. statt.
Dieselben liegen gegen den Penis mehr dorsal. Letzterer lässt
nie eine Lamina superior und inferior erkennen, ist vielmehr röhren-
artig, gegen die Basis angeschwollen und am Ende abgerundet.
Der Duct. ejacul. mündet weit vor dem Ende des P.
Dorsaldrüsen fehlen.
Drüsenporenplatten am 9. S. kommen bei den $? nicht vor^).
^) In Unterfamilien kann ich die Lampyriden vorläufig noch nicht
gruppiren, weil mir die $ $ mehrerer Gatt, noch fehlen. Ich behalte mir deren
Untersuchung vor und verweise jetzt nur auf die eigenartigen Charaktere von
Luciola und Phosphaenus.
184 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
2. Familie Cantharidae.
Die $$ besitzen an der 8. V. keine Spur eines Sp. ventr. Im
Zusammenhang damit fehlt ein ausgeprägter Legeapparat.
Die 9. D. der ?? ist meist ganz, bisweilen zweitheilig. Processus
(analog denen von Lampyris) kommen an derselben nicht vor. An
ihren Vorderrand aber schliessen sich 2 mit Drüsenporen dicht be-
säete Felder, die Drüsenporenplatten, (nur bei Malthinus fehlen
solche.) Die 10. D. der $? ist zwar ziemlich klein aber immer
deutlich vorhanden.
Dorsaldrüsen finden sich bei beiden Geschlechtern an und
unter der 1. — 8. D., indem die Ausfuhrwege diese Platten durch-
setzen und sie hegen an jeder in 1 Paare. Die Drüsen jedes
Paares stehen weit von einander ab. Häufig veröden die Drüsen,
doch sind stets noch Spuren der Mündungspori aufzufinden. —
Die Parameren bilden eine mehr oder weniger deutliche
Kapsel, welche den Penis immer ganz umgreift. Sie sind
fast immer unbeweglich mit einander verbunden und lassen immer
eine Verbindungsbrücke und Parameren-Finger erkennen.
Die Basalplatte ist entweder durch eine Querspange in
2 Lappen getheilt, wobei sie am Vorderrande der Querspange einen
doppelten Höcker besitzt und mehr eine Vorderlage einnimmt oder
sie ist nicht in Lappen zerlegt, besitzt keine Querspange, wobei sie
am Vorderrande in einen Fortsatz vortritt und entschieden dorsal
liegt.
Der Penis ist stets mit mehr oder weniger langen Cornua
bewehrt und an ihm lässt sich immer eine Lamina superior und
inferior mehr oder weniger deutlich unterscheiden. —
Die Canthariden lassen sich in 2 natürhche Unterfamilien
eintheilen :
a) Unterfamihe Cantharini.
[hierher Cantharis, Rhagonycha.]
Die Hälften der 9. V. der $$ sind gestreckt und bewegen sich
mit Hülfe einiger hebelartig gegen einander gestellter Spangen. Die
Styli sind gelenkig inserirt. Die Dorsaldrüsenporen sind gut aus-
gebildet.
Die Basalplatten, welche mehr eine Vorderlage haben,
bestehen aus einer Querspange und 2 Seitenlappen. An der
Querspange ragt vorne ein Doppelhöcker vor. Beide Parameren
zusammen bewegen sich drehend gegen die Ba., indem sie sich
mit der vorderen Aussenecke, vermittelst einer Sehne, an die Hinter-
ecken der Ba. anheften.
Im Penis mündet der D. ej. mit einem kolossalen Praeputial-
sack, welcher überaus reich mit Zähnen oder Riefen besetzt ist,
auch kommen an ihm häufig Stachelgruppen vor.
d. mänulichen u. weiblichen Lampyrideii, Caiithariden u. Malachiiden. 185
b) Unterfamilie Malthinini
[hierher Malthiniis und Malthodes.]
Die Hälften der 9. V. der $? sind rundlich oder dreieckig, nicht
auffallend gestreckt und werden nicht durch hebelartige Spangen
bewegt. Die Styli sind fest an sie angeheftet.
Die Dorsal drüsen veröden, es sind aber mindestens immer
noch die Spuren von Pori zu sehen.
Die Basalplatten der S6 liegen durchaus dorsal, bestehen
aus einer ungetheilten Platte und einem mehr weniger langen
Processus am Vorderrande und sind nicht durch Sehnen an die
Pa. befestigt, sodass sie sich gegen dieselben auch nicht drehend
bewegen können.
Am Ende des Penis mündet der D. ej., aber er besitzt ent-
weder gar keinen Praeputialsack oder einen recht kleinen, an
welchen nur winzige Zähnchen bemerkt werden. —
Für die von den früheren Malacodermen ausgeschiedenen
Formen gilt folgende Charakteristik;
Familie Malachiidae.
Die 2. V. fehlt bei beiden Geschlechtern.
Alle Bauchplatten sind frei gegen einander beweglich.
Am 8. Segment bewegt sich in beiden Geschlechtern
die D. klappenartig gegen die V. und im Zusammenhang damit
besitzt die 8. D. an den Vorderecken mehr weniger kräftige Fort-
sätze. Auch die 8. V. tritt daselbst in spitze Ecken vor, welche
sich gelenkig an die Fortsätze der 8. D. anlegen und so eine
Drehung der Platten lun den Anheftungspunkt der Fortsätze
bewirken.
Die Stigmen finden sich in 7 Paaren am 1. — 7. S. am 8. S.
fehlen sie. Am 1. S. sind die St. grösser als an den folgenden.
Pleurenplatten fehlen.
Die S.V. der $? besitzt immer ein langes Spiculum
ventrale, welches durch Haut von der Platte stets ein wenig ab-
gesetzt ist.
Die 9. und 10. D. der ?? fehlen.
Der Legeapparat ist höchst charakteristisch und findet sich
immer in derselben ausgebildeten Weise, bestehend aus Vor der-
und Hinterröhre, Hälften der 9. V. und ihren beborsteten
Styli. Im Innern findet man constant vier Radii, 2 dorsale
und 2 ventrale und ausserdem 2 Hinterspangen, welche
sich an die Radii ventrales anlegen. Die 4 Radii reichen
nach vorne zu nie über die Ringfalte hinaus.
Dorsaldrüsen und Drüsenporenplatten fehlen. —
Die 8. V. der <^<^ besitzt bei einer Gruppe am Hinterrande
einen tiefen und engen Einschnitt und daneben kleine erhobene
Vorsprünge, während ein Spie, ventr. vollständig fehlt, bei der
andern Gruppe fehlt der Einschnitt, aber ein Spie, ventrale ist
186 Dl"- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
vorhanden. Letzteres ist dann stets kürzer als bei den $? und mit
der Platte verschmolzen.
Die 10. D. der $S fehlt. Die 9. D. fehlt entweder auch oder
sie ist zweitheilig, die Theile klein und mit der 9. V. zum Trapez
verschmolzen.
Die 9. V. ist entweder 3-zinkig, indem von einem vorderen
Stiel (Spie, gastrale) nach hinten 2 Arme abgehen, welche einen
hinten meist offenen Bogen vorstellen (und von der eigentlichen
Platte ist dann meist nichts mehr vorhanden) oder sie bildet mit den
Resten der 9. D. das strukturlose Trapez. Den Copulations-
organen fehlt stets die Basalplatte. Sie sind überhaupt von
recht einfachem Baue und dabei zeigen sich die Parameren stets
so mit einander verwachsen, dass der Penis zwischen
ihnen hindurchläuft. Dorsalwärts sowohl wie ventral-
wärts vom P. sind die Pa. verschmolzen und zwar bestehen
sie dann entweder aus Ring und Armen und sind dabei struktur-
und borstenlos oder aus Oberplatte und Schenkelplatte,
wobei erstere mit einer Anzahl starker Tastborsten bewehrt ist.
Der Penis ist immer röhrenförmig und dann fast gerade oder
ventralwärts mehr weniger stark gekrümmt. Das Ende des Duct.
ejac. erweitert sich regelmässig zu einem Praeputialsack, dessen
Zähne bald sehr klein sind, bald von kolossaler Grösse. —
Den so definirten Malachiiden stehen nun die Cleriden viel
näher als die Malacodermata mihi. Um sich davon zu überzeugen,
lese man die Charaktere des Abdomens der Cleriden nach , welche
ich am Schlüsse des 2. Abschnittes in 10 Sätzen aufführte.
Die hervorstechendsten Uebereinstimmungen der Malachiiden
und Cleriden bestehen:
1. in der vollständigen Homologie des Legeapparates,
2. in dem Besitz eines Spiculum ventrale bei den $$,
3. in dem Fehlen der 9. und 10. D. der ??,
4. in dem Fehlen der [9. und] 10. D. der S$,
5. in dem Mangel jeghcher Bogen an dem 9. S. der $S^
6. in dem Fehlen der Basalplatte,
7. in der Verwachsung der Parameren, welche entweder
in der ganzen Länge geschah, wobei sie fast ganz dorsal vom P.
liegen, oder ventral- und zugleich dorsalwärts vom Penis, welcher
dann in der Mitte durchläuft;
8. in dem Fehlen der 2. V. bei beiden Geschlechtern,
9. in der freien Beweglichkeit aller Bauchplatten, eben-
falls bei beiden Geschlechtern;
10. in der klappenartigen Beweglichkeit der mit zwei
Fortsätzen versehenen S.D. gegen die 8. V;
11. dem Mangel von Stigmen am 8. Segment;
(1. mäuuliclien u. weiblicben Lainpyiiden, Cantliaiiden ii. Malachiiden 187
12. dem Mangel echter Pleuren und auch im Mangel von
Dorsaldrüsen'). —
Es giebt noch verschiedene andere Merkmale, in denen die
Cleriden mit den Danacaeini übereinkommen, worüber später be-
richtet werden mag. — ■ Aus dem Gesagten ei'giebt sich aber als
die Hauptsache, dass die Cleriden mit den Malachiiden zu einer
verwandtschaftlichen Kategorie höheren Ranges, nämlich als
Ordnung Malachioidea
zu vereinigen sind. —
Schon jetzt kann ich daraufhinweisen, dass die Lymexyliden,
deren Untersuchung ich grösstentheils erledigte, diesen Malachioidea
äusserst nahe stehen. Da sie noch eine wohlausgebildete 2. V.
besitzen, im Uebrigen aber mit den Malachioidea in sehr
wichtigen Punkten überstimmen, so können sie als modificirte Vor-
läufer derselben angesehen werden. Ich will die Lymexyliden
in einer späteren Arbeit behandeln und dann wird sich voraussichtlich
eine entsprechend erweiterte Definition der Malachioidea geben
lassen. —
Die Malachiiden theile ich in folgende zwei Unterfamilien ein:
a) Unterfamilie Danacaeini.
[liierher Dasytes, Danacaea, Dolichosoma, Psilothrix.]
Die S.V. der ^(^ besitzt ein mit der Platte verschmolzenes
Spiculum ventrale.
Die 9.D. der <^3 fehlt vollständig.
Die 9. V. der SS ist 3-zinkig, indem von einem vorderen Stiele
(Spie, gastrale) nach hinten zwei Arme abgehen, welche einen hinten
meist offenen Bogen vorstellen.
Die verwachsenen Parameren bestehen aus Oberplatte und
Schenkelplatte und lassen zwischen sich und den beide verbindenden
Spangen eine Oeffnung, durch welche der P. hindurchläuft. Die
Oberplatte ist mit einer Anzahl starker Tastborsten bewehrt. Der
Penis ist ventralwärts concav, mehr weniger stark gekrümmt. Bei
beiden Geschlechtern findet sich vor dem Hinterrand der 7. und
meist auch der 6. D. jederseits ein heller Fleck, welcher äusserst
dicht mit Häutungshaaren besetzt ist und dadurch von der Umgebung
deuthch absticht.
b) UnterfamiKe Malachiini,
[hierher Malachius, Axinotarsus, Ebaeus, Anthocomus,
Charopus.)
Die 8. V. der SS entbehrt des Spie, ventrale, besitzt aber
am Hinterrande einen tiefen und engen Einschnitt und daneben
kleine, aufragende Vorsprünge.
^) Die keulenförmigen Antennen der Cleriden sind ein Merkmal
das mehr praktisch-systematischen als pbylogenetisch-systematischen Werth be-
anspruchen kann.
188 ßi"- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Die 9. D. der ^^ ist in ihren Resthälften mit der 0. V. zum
Trapez verschmolzen. Dasselbe ist strukturlos.
Die verwachsenen Parameren bestehen aus Ring und Armen
und sind struktur- und borstenlos. Die Arme liegen durchaus
dorsal.
Der röhrenförmige Penis ist fast gerade.
Auf der 6. und 7. D. fehlen die Fleckenpaare mit den Häutungs-
haaren. —
jB. Vergleichend- morpholof/ische Ert/ehnisse.
Auf die Definition des Segmentbegriifes will ich mich hier nicht
einlassen, dagegen sei die Frage aufgeworfen : Was versteht man
unter einer Segmentplatte?
Jedes Tracheat besitzt an seiner Körperoberfläche einen
continuirlichen Cutikularschlauch, welcher alle Organe umhüllt und
von demselben aus gehen zahlreiche grosse oder kleine Ein-
stülpungen zu grossen und kleinen Organen ab, so zum Darm,
zum Tracheensystem und zu den verschiedensten vielzelligen oder
einzelligen Drüsen. Ausstülpungen aus dem Hautschlauch stellen
die in 1. Linie gestaltbildenden Hüllen für die mannigfachen An-
hänge dar.
Dieser Hautschlauch ist nun aber bei Tracheaten keineswegs
nur ein solcher geblieben. So himmelweit das laufende oder fliegende
Insekt über dem kriechenden Ringelwurm steht, so himmelweit ist
auch seine Cutikularbekleidung von dem dünnen Chitinschlauch des
letzteren entfernt.
Der Unterschied scheint uns ein sehr einfacher, wenn wir sagen,
die Cutikularbekleidung des Insektes ist nur durch eine stellenweise
Verdickung von derjenigen eines Ringelwurmes verschieden. Und
allerdings ist das der wesentlichste und allgemeinste Unterschied.
Wenn man aber glauben sollte, deswegen, weil dieser Unterschied
so einfach klingt, sei man eines näheren Studiimis der Cutikular-
bedeckung der Tracheaten überhoben, dann gäbe man sich doch
einer sehr grossen Selbsttäuschung hin. Man würde nämlich die
ganz gewaltige Bedeutung, welche für die Tracheaten aus der
stellenweise sich vollziehenden Verdickung der Cutikularbekleidung
entsteht, total verkennen.
Diese Bedeutung der Verdickung liegt in erster Linie darin, dass
aus der Cutikularhaut allmählig ein Cutikularskelett ward,
ein Hautskelett. Damit ist gleichzeitig ein viel wirksameres Schutz-
organ gegeben, als es der dünne Cutikularschlauch ist. Es knüpfen
sich an die Ausbildung des Hautskelettes aber weitere, sehr wichtige
Folgen. Es können nämlich die Muskeln, in Verein mit den
einzelnen Stücken des Hautskelettes, indem letztere als Hebel dienen,
zur Gliederbildung Veranlassung geben. Ueberhaupt aber wird
durch Vermehrung fester Ansatzstellen den Muskeln Gelegenheit
zur Differencirung geboten.
(1. mänulichen u. weiblichen Lanipyrideu, Cautbarideu u. Malachiiclen 189
Die Cutikula ist bei den Tracheaten nun Haut und Skelett
zugleich und darum auch das Studium des Tracheaten-Skelettes
noch viel wichtiger als das des Wirbelthier-Skelettes. Bei höheren
Tracheaten -Klassen, wie z. B, bei Coleopteren, gehen vom Haut-
skelett mehr und mehr Stützen ins Innere des Körpers ab und so
bildet sich auch ein Endoskelett aus, welches aber stets mit dem
Exoskelett zusammenhängt. — Die Skolettbildung konnte nicht
gleichmässig an der ganzen Cutikula stattfinden, es mussten viel-
mehr weiche Zwischenräume bleiben, welche es ermöglichen,
dass die Muskeln die verschiedenen Skelettstücke gegen einander
bewegen können. Diese weichen Zwischenräume haben stets die
Gestalt von Streifen, welche im ursprünglichen Falle stets entweder
senkrecht zur Körperlängsachse stehen oder derselben annähernd
parallel laufen. Am Abdomen der Insekten finden wir meist 2 solcher
der Körperlängsachse parallel gerichteten weichen Streifen, es sind
die Pleurenhäute, da sie in den Seiten des Abdomens liegen.
Die quer zur Körperlängsachse gerichteten, weichen Häute, die
Zwischensegmenthäute, gehören mit zu denjenigen Organen,
welche eben die einzelnen Ringel des Körpers als solche markiren,
sie bezeichnen die Grenzen der einzelnen Segmente im Bereiche der
Haut und ihre Zahl ist gleich der Zahl der deutlich durch Zwischen-
segmenthäute abgesetzten Segmente, weniger eins.
Die Zwischenhäute müssen natürlich die Pleurenhäute kreuzen.
Da jedes hintere Segment mit seinem Vorderrande unter den Hinter-
rand des vorhergehenden Segmentes sich einzuschieben bestrebt
ist, so müssen die Zwischensegmenthäute weich und biegsam sein
und jedes derselben pflegt sich um so schärfer durch eine Knickungs-
falte gegen das vorhergehende und das nachfolgende Segment ab-
zusetzen, je mehr sie abwechselnd vor und zurückgezogen wird bei
der Zusammenziehimg und Ausdehnung der Segmente.
Es ist klar, dass durch die Knickungsfalten der Zwischen-
segmenthäute und durch die Pleurenhäute an jedem Segmente eine
dorsale und eine ventrale Skelettplatte abgegrenzt wird.
Diese Erörterung hat mich somit auf die obige Frage zurück-
geführt :
Unter einer Segmentplatte ist ein mehr oder weniger stark
skelettirter, rings durch weichere Chitinhaut begrenzter Bezirk
der Körperhülle und des Körperstammes zu verstehen, welcher
ferner ausgezeichnet sein kann durch:
1. Tastborsten, 2. Haare,
3. Häutungshaare, 4. Drüsenporen,
5. Sinnesporen, 6. zellige Struktur,
7. Mosaikfelder, 8. feine Pigmentkörnchen,
9. diffuse Pigmentirung. —
Häutungshaare findet man bei den in dieser Arbeit behandelten
Coleopteren -Gruppen sowohl auf den Platten, wie auf Zwischen-
häuten und Pleurenhäuten, aber die Haut, der Häute pflegen eine
etwas andere Gestalt zu haben als die der Platten. Dass in der
190 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Vertheikmg derselben zwischen verschiedenen Gattungen beträchtliche
Differenzen bestehen, ersieht man aus dem 2. Abschnitt, aber gleich-
zeitig auch, dass im Ganzen die Pleurenhäute reichhcher und häufiger
mit Haut, versehen sind als die Zwischenhäute.
Alle die oben angeführten Merkmale für eine Segmentplatte
finden sich nun keineswegs immer auf einer solchen. Mehr oder
weniger Merkmale können fehlen, ja es können Fälle eintreten und
solche habe ich im 2. Abschnitte mehrere angeführt, wo es zweifel-
haft ist, ob man noch von einer Segmentplatte reden soll oder nicht
(cf. Malachius), da muss allemal vergleichend -anorphologisch die
Entscheidung getroffen werden. Es geht mit den Segmentplatten
eben nicht anders wie mit allen andern thierischen Organen. Man
mag eine von uns Menschen aufgestellte Definition für 1000 Fälle
gültig finden, im 1001. Falle passt sie vielleicht nicht mehr. Das
darf uns nicht abhalten, Begriffe zu bilden; wir kommen nie ohne
solche aus. Niemand wird die Begriffe Vögel und Reptilien deshalb
aufgeben, weil es Mitteldinge zwischen beiden giebt oder gegeben hat.
Es liegt nun mit denjenigen Gebilden, über deren Plattennatur
man zweifelhaft sein könnte, am Abdomen der Coleopteren so, dass
dieselben, soweit es D. und V. sind, niemals einen primären sondern
immer einen secundären Zustand repräsentiren, es lässt sich da-
her durch Vergleich mit einfacheren Coleopteren immer entscheiden,
ob irgend ein Rudiment wirklich ein Plattenrudiment ist. Bei den
niedersten Coleopteren-Familien sind die Platten welche vorkommen
als solche unzw^eifelhaft zu erkennen. — Die 1. D von Malachius
lehrt uns, dass eine Platte mit allen obigen Charakteristiken ver-
loren gehen kann, aber doch der Raum, den sie am Hautschlauch
eingenommen, nicht verloren gehen muss, denn eine Haut von der
sonstigen Grösse einer 1. D. ist dort vorhanden und stellt so den
dorsalen Abschnitt des 1. Segm. noch deutHch dar, aber so zart,
wie an der Haut eines Ringelwurmes. Das ist aber kein ursprünglicher
Zustand sondern eine secundäre Materialersparniss , ermöglicht
durch die geschützte Lage der 1. D. tief unter den Flügeln. (Der
Fall wiederholt sich in andern hier nicht erörterten Familien.)
Es können aber auch Platten mit einander verwachsen oder
sogar verschmelzen, Avas sich durch Näthe und Vergleich mit
andern Formen herausstellt (Lampyris). Häufiger noch sind Zwei-
theilungen der Platten und dann pflegen die Hälften einander
symmetrisch gegenüber zu liegen.
Unter den obigen Charakteren für die Segmentplatten
der Coleopteren muss ich als besonders charakteristisch bezeichnen:
1. Die diffuse Pigmentation,
2. den Besitz von Tastborsten,
3. von Haaren,
4. von Drüsenporen,
5. von zelliger Struktur.
d. mämilicheri u. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden 191
Die diffuse Pigmentation kommt zwar (selten) auch an den
Hautstreifen vor, dann ist sie auf den Platten aber immer viel
intensiver und die 4 andern Merkmale habe ich bei den hier be-
handelten Familien auf typischen Pleuren- oder Zwischenhäuten
niemals beobachtet. —
Nunmehr will ich die einzelnen Abdomin altheile der Malaco-
dermen und Malachiiden noch einer Besprechung unterziehen, so-
weit es nothwendig ist.
1. Die 1. — 7. D. zeigen keine weitgehenden Abweichungen von
der typischen Plattenform. Sie sind häufig an Stärke und
und Pigmentation den V. gleich, aber häufiger noch zeigen sie
sich heller und vor allen Dingen dünner als die V. Die 1., 2. und
selten auch 3. D. können als solche verloren gehen (Malachiini), an
ihrer Stelle bleibt dann aber die dünne Haut in der Breite erhalten,
welche die Platten sonst zu haben pflegen. Meist ist die 1. D. etwas
kürzer als die 2. Ganz verloren geht ein dorsaler Bezirk am
1. — 7. S. niemals.
2. Von den V. des 1. — 7. S. fehlt die 1. V. immer, die 2. V. ist
bei den Malachiiden ebenfalls in Wegfall gekommen, bei den
Malacodermen aber immer erhalten und zwar in guter Ausprägung.
Die Danacaeini lassen an der 3. V. ein mehr weniger deutliches
Ventralphragma für die Coxae HI erkennen. Es kommt niemals zur
Bildung eines Ventralbeckens, vielmehr sind die 2. — 7. oder 3. — 7. V.
stets frei gegen einander beweglich.
3. Während die 1. — 7. D. von den Flügeln und Decken ver-
hüllt werden, ragt die 8. D. theilweise oder ganz frei vor. Darum
treffen wir eben die vorderen D. so oft in zarter Ausbildung an,
während am 8. S. die D. und V. an Stärke und Pigmentation sich
meist ziemlich gleich kommen. (Bei Luciola aber fehlt die 8. V.)
Der Hinterrand dieser Platten pflegt dann gerade zu sein, wenn
noch eine 9. D. und V. nachfolgen, gebogen dagegen, wenn die
9. D. erloschen oder schwach ist und die 9. V. eine starke Um-
wandlung erfahren. Die 8. D. trägt bei den Malachiiden an den
Vorderecken in beiden Geschlechtern Processus, die 8. V. bei jenen
und einem Theil der ? Lampyriden (ob allen?) ein Spiculum ventrale.
Letzteres kommt unter den Malachiiden einem Geschlecht zu bei
den Malachiini, beiden Geschlechtern bei den Danacaeini. Das
Spie, ventrale der Männchen ist alsdann kürzer und mit der Platte
verschmolzen, bei den Weibchen durch Haut von der Platte ab-
gesetzt.
Während also bei den 7 ersten S. sexuelle Differenzen fehlen i),
finden sie sich in sehr ausgeprägter Weise am 8. S., dem auch der
Name Prägenitalsegment beigegeben werden kann. Ich verweise
auf die mannigfachen Verschiedenheiten in Bezug auf Ausbuchtungen
^) Bei Dolichosoma kommen solche vor, sind aber von geringer morphol.
Bedeutung.
192 Dr. Carl Verhoeff: Vergleicheiule Morphologie des Abdomens
und Randvorsprünge, welche im 2. Abschnitt beschrieben wurden.
Grösser sind noch die Differenzen am 9. und 10. S. Somit unter-
liegen das 8., 9. und 10. Segment mehr oder weniger be-
deutenden sexuellen Differenzen, während das 1. — 7. S.
derselben in der Regel ganz entbehren.
4. Gut ausgebildete, echte Pleurenplatten wnirden von
Lampyris -Weibchen und Cantharis (<? und ?) nachgewiesen.
Bei ersteren kommen sie am 1. — 7. S., bei letzteren am 2. — 8. (S)
oder 2. — 7. S. (?) vor und enthalten dann die Stigmen in der Mitte
oder am Rande.
Bei mehreren Gatt, wies ich unechte Pleuren nach. Meistens
aber fehlen Pleurenbildungen vollständig. Es kann der Satz gelten:
Pleurenplatten kommen bei Coleopteren nur am 1. — 8., nie
am 9. und 10. Segment vor.
5. Tastborsten finden sich an D. und V. in gleicher Menge
und Stärke nur bei den flügellosen Formen (Lampyris-?, Phosphaenus),
bei den Geflügelten sind sie am Rücken mehr entbehrlich geworden
und werden thatsächlich auf den V. viel reichlicher angetroffen
als auf den D.
6. Drüsenporen können alle Segmentplatten durchbohren,
aber ihre Vertheilung ist eine ausserordentlich verschiedenartige
und daher im 2. Abschnitt nachzulesen. Sehr häufig (Cantharis)
lagern sie um die Basis der Tastborsten. —
7. Häutungshaare können sich an allen Regionen des
Abdomens befinden, aber sie sind, im Gegensatze zu den Tastborsten,
an den D. viel reichlicher vertreten als an den V. Ferner
finden sie sich sowohl auf Pleuren- wie Zwischenhäuten, aber auf
den Pleurenhäuten stehen sie durchschnittlich viel häufiger
und reichlicher. Ihrer Form nach sind sie bald Borsten, bald
Dornen, bisweilen stehen sie zu mehreren kammartig nebeneinander.
8. Die Mosaikfelder sind bei den einen Gattungen sehr zahl-
reich (Lampyris, Lygistopterus), bei andern fast ganz verschwunden
(Psilothrix). Immer finden sie sich auf den D. reichlicher
als auf den V. und auf letzteren fast immer nur am Vorder rande.
9. Dorsaldrüsen kommen bei Canthariden an der 1. — 8. D.
vor, niemals aber an der 9. und 10.
10. Die 9. D. der ?? kommt noch in ungetheilter Form vor^)
(Cantharini und Malthodes), nicht selten ist sie zweitheilig (Malthinus
und Lampyris), in der Mehrzahl der Fälle aber fehlt sie voll-
ständig.
11. Die 10. D. der $? ist noch mehrfach erhalten, so bei allen
Canthariden, fehlt aber den Lampyriden und Malachiiden.
12. Die 9. V. der $$ ist immer vorhanden und immer zwei-
theihg. Auf jeder Hälfte sitzt ein stets mit Tastborsten versehener
Stylus. Zur Bewegung der 9. V. dienen bei den Cantharini mehrere
^) 1893 habe ich 1. c. noch keine nngetheilte 9. D. bei $? gekannt, daher
ist der Passus auf S. 219 zu berichtigen.
d. männlichen u. weiblichen Lampyi iden, Canthariden n. Malachiiden. 193
kurze Spangen, welche bei den Malthinini fehlen. Zu einer starken
Entwickelung der Zwischensegmenthaut zwischen 8. und 9. S.
kommt es bei beiden nicht. Letzteres ist auch bei Lampyris noch
nicht der Fall, macht sich aber bei Eros schon sehr bemerkbar
und erreicht bei Lygistopterus jenen hohen Grad der Ausbildung,
welcher bei den Malachioidea ganz allgemein vorkommt. Eigentliche
Legeapparate finden wir also bei einem Theil der Lampyriden
und bei allen Malachioidea.
Bei Lampyris sahen wir, dass die 9. V. Processus besassen. In
dem Masse, wie diese Hälften der 9. V. reducirt werden, nehmen die
Processus an Länge zu und werden schliesslich die Radii des aus-
gesprochenen Legeapparates der Erosini.
Die Radii der Erosini sind sonach nicht Reste der
Plattentheile der 9. D., sondern Weiterbildungen der von
der 9. D. aus aufgetretenen Processus derselben.
Die Processus an der 9. D. von Lampyris sind daher den Radii
der Erosini als homolog zu erachten.
Ich habe im 2. Abschnitt mitgetheilt, dass hinter dem Hinter-
ende der Radii von Eros und Lygistopterus sich kleine Querspangen
befinden (t Fig. 1 und 6). Diese erinnern auffallend an die aller-
dings gestaltlich anders beschaffenen Hinterspangen der
Malachioidea. Sie dürfen als denselben homodynam angesehen
werden. Sie gingen, offenbar unabhängig von den Hinterspangen,
am gleichen Orte aus ähnlichen Anlagen und ähnlichem physiologischen
Bedürfniss hervor. Jedenfalls dienen die 3 Entwickelungsstufen,
welche wir vom Legeapparat der Lampyriden kennen lernten und
welche die Gattungen Lampyris, Eros und Lygistopterus repräsentiren,
dazu uns auch den Legeapparat der Malachioidea, für welchen
Vorstufen eben imbekannt sind, verständlicher zu machen. Die
Radii und die kleinen Trabes am Legeapparat der Erosini können
wir sonach mit den Radii ventrales und den Hinterspangen
am Legeapparat der Malachioidea vergleichen. Es sind homodyname,
nicht aber homologe Gebilde.
Der Legeapparat der Malachioidea muss schon in sehr ent-
legenen Zeiten zur Entstehung gekommen sein, da er jetzt bei
dieser Gruppe so allgemein verbreitet ist. Er ist für dieselben so-
mit ein Erblichkeitscharakter. Die Radii dorsales sehe ich als
Bildungen eigener Art an.
13. Im Vorigen ist eine Differencirung einer Zwischensegment-
haut schon erwähnt. Eine andere betrifft die ?? der Canthariden
(excl. Malthinus). Es ist bemerkenswertherweise wieder die Haut
zwischen dem 8. und 9. S., diese hat sich hier ebenfalls stark
vergrössert und an der Dorsalseite ist jederseits ein Bezirk zu einer
Drüsenpo renplatte differencirt, worüber man das Nähere im
2. Abschn. findet.
14. Die 9. D. der ^SS ist viel häufiger ungetheilt als die
der ??. So kommt sie bei allen Malacodermen in ganzer Form
Arch. f. Natuigesch. Jahrg. 1894. Bd.I. H,2. 13
194 Dl"- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
vor. Unter den Malachiiden fehlt sie entweder oder sie ist zwei-
theilig und dann in ihren Rudimenten mit der 9. V. verwachsen.
Bei den Malacodermen zeigen die Vorderecken der 9. D. das
Bestreben sich mit der 9. V. zu verbinden, was durch Entsendung
von Spangen nach vorne und nach der Ventralseite geschehen kann.
Bei Drilus undLampyris findet dergleichen noch nicht statt. Bei
Malthinus sind Processus vorhanden, aber diese bilden noch keinen
Bogen. Erst bei Malthodes kommt ein vollständiger, dorsaler
Bogen zu Stande. Unter den Cantharini findet sich ein solcher
dorsaler Bogen allgemein, während bei Lampyriden die meisten
Gattungen nur Processus aufweisen, deren Anheftung an die 9. V.
bald eine engere, bald eine losere ist. (Eine scharfe Grenze zwischen
Processus und dorsalem Bogen lässt sich natürlich nicht ziehen.)
In Bezug auf Ausrüstung mit Tastborsten, Haaren und Drüsen-
poren bietet die 9. D. die grössten Differenzen.
15. Die 10. D. der S3 fehlt bei den Malachiiden, bei den
Malacodermen ist sie vorhanden, nur bei Lampyris und besonders
Phosphaenus durch Verwachsen mit der 9. fast in Wegfall ge-
kommen. Klein und unter der 9. versteckt ist die 10. D, der
Cantharini und von Malthinus, besonders gross diejenige von
Malthodes, Drilus, Homalisus, Eros und Lygistopterus. —
16. Die 9. V. der S^ ist wesentlich mannigfaltiger als die
der ??. Styli trägt sie allerdings niemals. Bei den Danacaeini
ist sie als eigenthche Platte (ausser bei Danacaea, wo noch etwas
von ihr erhalten geblieben, Fig. 14) erloschen, aber es findet sich
stets das von ihr ins Körperinnere ausgegangene, dreizinkige
Spiculumgastrale. Bei den Malachiini ist sie stets mit den Resten
der 9. D. zu einem strukturlosen Trapez verwachsen.
Die 9. V. der c^ Malacodermen ist ganz allgemein von länglicher
Form und vorne mit einem ventralen Bogen ausgerüstet. Nur
bei Luciola (Fig. 20) fehlt die Platte als solche, während der
Bogen gut ausgebildet ist (extremster Fall). Bei Drilus dagegen
ist die Platte selbst sehr gut ausgebildet, während ein Bogen noch
nicht zu deuthcher Ausbildung kam (primitivster Fall).
Eine Duplicatur der 9. V. entsteht dadurch, dass die Platte
sich vom Hinterrande nach oben und vorne umbiegt. Diese Um-
biegung setzt sich weit nach vorne hin über der eigentlichen Platte
fort und kann dann durch partielle stärkere Pigmentirung und
Chitinisirung selbst bisweilen den Charakter einer eigenen Platte
annehmen (Lygistopterus Fig. 2 und 3). Zu dieser Bildung giebt
es allerlei Uebergänge. In der Regel ist die Duplicatur hinten
ähnlich beborstet wie die übrige Platte. Der Bogen hat in der
Regel die typische Form wie in Fig. 7 und 64, — er kann also
vorne klaffen oder geschlossen sein — nicht selten aber wird er
seitlich zusammengedrängt und kann dann als falsches Spiculum
gastrale bezeichnet werden (Eros, Lygistopterus). —
d. männliclien u. weiblichen Lampyviden, Caiithariden u. Malachiiden. 195
Der Bogen entstellt also durch auswachsende Spangen von
den Hinterecken, das Spie, gastrale von der Mitte des Vorder-
randes der 9. V, —
17. Cerci und 10. V. fehlen sowohl den S^ als den ??. —
18. Eine ßasalplatte fehlt den Malachioidea vollständig,
während sie beiden Malacodermata immer vorhanden ist. Zwei-
theilig kommt sie fast niemals vor (so nur bei Luciola), nicht
selten aber zweilappig. So ist sie bei den Cantharini in 2 Lappen
auseinander geMnchen, welche durch eine Querspange zusammen-
hängen. Die Ba. der Malthinini ist ganz und am Vorderrande
in einen Stiel verlängert. Am Hinterrande tritt sie bei Lygistopterus
und Eros in Hörner vor (und besitzt bei Lyg. eine Mittelnaht), bei
Homalisus, Lampyris und Drilus ist sie breit eingebuchtet, so-
dass seitlich dreieckige Vorsprünge entstehen. Die Ba. von
Phosphaenus stellt einen viereckigen Ring mit abgerundeten Ecken vor.
Tastborsten finden sich nur an der Ba. von Malthinus. Bei den
Malthinini Hegt die Ba. entschieden dorsal, bei den übrigen
Malacodermen nimmt sie eine Vorderlage ein, ohne sich aus-
geprägt dorsal- oder ventralwärts zu w^enden.
19. Die Parameren sind nie vollkommen von einander ge-
trennt. Häufig findet eine Anheftung an einander nur an der
Basis statt, so bei Drilus, Homalisus, Lampyris, Luciola, Phosphaenus.
Die Grundgestalt ist dabei die eines Kegels von rundlicher oder
abgeplatteter Form. Verwachsen mit einander sind die Pa. von
Lygistopterus, doch haben sie die typische Gestaltung wie bei den
vorigen Gatt, noch beibehalten. Bei den übrigen Formen ver-
schmelzen die Pa. mehr oder weniger innig mit einander.
So kommt es bei den Canthariden zu einer Kapselbildung.
Der Begriff der Kapsel') ist mehr ein descriptiver als ein vergleich.-
morphologischer, indem sich für ihn einerseits keine genaue und all-
gemeine Definition geben lässt, andererseits bald hier bald dort in einer
Familie oder Ordnimg eine Kapsel um den Penis zur Ausbildung ge-
langen kann aus verschiedenen Elementen. Doch mag soviel bestimmt
sein, dass von einer Kapselbildung der Pa. dann die Rede ist, wenn
dieselben dorsal sowohl wie ventral vom Penis mit einander sich
verbinden und zwar so, dass sie ihn mehr weniger umhüllen und
sich gegen einander nicht mehr bewegen können.
Demgemäss kann bei fast allen Canthariden von einer Kapsel
die Rede sein, nur bei Cantharis rustica traf diese Bezeichnung
noch nicht vollkommen zu, da die Pa. noch einer, wenn auch
geringen Bewegung gegen einander fähig sind. Entsprechend der
extremeren Ba, der Malthinini sind auch deren Pa. noch mehr
verschmolzen als bei den Cantharini, haben sich also von dem ur-
sprünglichen Zustande, in dem es sich um zwei getrennte Organe
handelte, noch mehr entfernt.
^) Der erste Ausdruck, den man von den Parameren der Coleopteren
gebraucht hat.
13*
196 Dr. Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Die basalplattenlosen Pa. der Malacliiiden sind aucli im Uebrigen
sehr einfach, stets sowohl dorsal als ventral vom Penis mit ein-
ander verwachsen. Man kann aber nicht von einer Kapsel reden,
weil die Pa. den P. nicht einhüllen. Sie sind bei den Malachiini
struktiirlos, bestehen aus Ring und Armen und liegen mit letzteren
dorsal vom P., bei den Danacaeini bestehen sie aus Schenkel-
platte und Oberplatte und letztere tnägt Tastborsten. — An den
Pa. der Malacodermen können sowohl Tastborsten, als Drüsenporen,
als Sinnesgruben vorkommen. Dagegen fehlen die Häutungshaare.
— Während die Ba., wie schon ihr Name sagt, eine mehr
weniger gebogene Platten form aufweist (nur bei Malthinus bildet
die Hinterpartie eine Duplikatur), sind die Parameren in ihrer
Grundform als Kegel oder blindgeschlossene Schläuche
vorzustellen, entsprechend ihrer Bedeutung als ventrale Anhänge.
Zu einer solchen Grundform giebt es nun, wie ich gezeigt habe,
die mannigfachsten Modifikationen und Abweichungen, veranlasst
durch Ausstülpungen, Biegungen, Verwachsungen etc. —
Sind die Pa. nur am Grunde an einander geheftet, so können
sie sich gegen einander bewegen. Das hört aber natürlich auf,
sobald eine Verwachsung oder eine Kapselbildung eintritt. Trotz-
dem finden wir bei den Canthariden, wie gesagt, eine Ba., von der
ich für die Elateriden^) bereits angab, dass sie die Ansatzfläche
bilde für die Bewegemuskeln der Pa. — Das gilt nun für alle
Formen, welche eine Ba. besitzen.
Wir müssen aber wohl unterscheiden:
a) die Bewegung der Parameren gegen einander,
b) die Bewegung beider Parameren zusammen gegen die Ba-
salplatte.
Wo erstere Bewegung aufgehört hat, bleibt doch noch meist
letztere bestehen, wie bei den Canthariden, und die Ba. ist in
diesem Falle keineswegs ein überflüssiges Organ geworden.
Bei den Malachioidea fehlt eine Basalplatte ganz allgemein und
auch von etwaigen Rudimenten einer solchen habe ich durchaus
nichts gefunden.
Ich kann nun aber darauf hinweisen, dass jene Plättchen bei
Carabiciden, über welche ich 1. c. 1893 noch im Unklaren war
[cf. g, Fig. 55, 57 und 63], ganz unzweifelhaft rudimentäre Ba-
salplatten sind, von denen ich allerdings noch nicht sagen kann,
ob sie noch eine Funktion erfüllen oder nicht. —
20. Der Penis zeigt meistens die Form einer Röhre oder
eines länglichen Kegels. Bisweilen differencirt er sich in eine La-
mina superior und inferior (Canthariden). Dabei tritt nur sehr
selten der FaU ein, dass die Länge von der Breite erreicht wird
(Cantharis violacea), meistens ist die Länge viel beträchtlicher als
die Breite. Cornua finden sich nur an denjenigen P., welche jene
Difi'erencirung in 2 Platten erfahren und zwar sitzen sie dann als
^) Zoologischer Anzeiger 1894.
d. männlichen u. weiblichen Lampyriden, Cantharideu u Malachiiden. 197
Ausstülpungen an der Lamina superior. Femora stellen die mehr
weniger ausgeprägten Verbindungsfortsätze oder Plättchen mit den
Pa. oder mit der Ba. vor.
Der einfach röhrenförmige F. ist für die Malachiiden cha-
rakteristisch. Beinahe häutig ist der von Phosphaenus.
Drüsenporen finden sich in der Penis- Wandung fast immer
und zwar stehen sie vorwiegend in der hinteren Hälfte desselben.
Häutungshaare fehlen immer, Tastborsten fehlen meistens, sie
finden sich nur an den Cornua der Mehrzahl der Canthariden. —
21. Der Ductus ejaculatorius zieht durch die Achse des P. und
geht an seinem Ende in die Wand des P. über. Er mündet bei
Malachiiden und Canthariden an dessen Ende, bei Lampyriden da-
gegen ist das Ende des P. abgerundet und der D. ej. mündet eine
Strecke weit vor dem Ende, sodass das letzte Stück nicht mehr
von ihm durchzogen wird.
Ein Praeputialsack, die terminale, blasenartige Er-
weiterung des D. ej., fehlt bei Malthodes vollständig, sonst aber
finden sich alle Uebergänge vom kleinen und engen bis zum grossen
und weiten Praep. Die grössten Praep. weisen auch die ent-
wickeltste Stachelarmatur auf. Von den kleinsten Spitzchen, die
noch winziger sind als Haut., bis zu den dornenartigen Riesenzähnen
von Dasytes finden sich alle Uebergangsstufen. Nicht selten trifft
man an demselben Praep. 2 oder gar 3 ganz verschiedene Be-
stachelungsarten, wofür besonders auf die Gatt. Cantharis verwiesen
sei. In physiologischer Beziehung dient die Stachelarmatur des
ausstülpbaren Praeputialsackes zur Befestigung des S an den $
Geschlechtsweg. Die Befestigimg wird durch Blutdruck unterhalten.
Der Praeputialsack Hesse sich auffassen als eine Verschmelzung
von zwei Ventralsäckchen des 9. S., nachdem dieselben in ihren
Ostien mit der Mündung des D. ej. zu einem gemeinsamen Atrium
vereinigt wären. Ich halte es für sehr wahrscheinUch, dass sich
ein derartiger Vorgang phylogenetisch abgespielt hat, obwohl uns,
zur Zeit wenigstens, ursprünglichere Vorkommnisse nach dieser
Richtung hin unbekannt sind.
[Auch möchte ich auf Fig. 16 in E. Haases Arbeit hin-
weisen! ^)]
22. Stigmen finden sich stets in je 1 Paare am 1. —7. Segment.
Am 8. S. fehlen sie bei den Malachiiden und Luciola c^, während
allen übrigen Malacodermen 8 Stigmenpaare zukommen. Die Stigmen
des 1. S. sind (ausser bei Lampyris $) stets grösser als die der
folgenden S., bisweilen wenig, bisweilen ganz bedeutend viel grösser
(Cantharis). In den meisten Fällen (aber keineswegs immer) geht
das Verschwinden des 8. Stigmenpaares Hand in Hand mit dem
Verschwinden der 9. und 10. D. — Am 9. und 10. S. giebt es
niemals Stigmen.
^) Die iLhdominalanhänge der Insekten, mit Berücksichtigung der My-
riopoden. Morphol. Jahrbücher Bd. 15, 1889.
198 Dl'- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
Meistenteils befinden sich die St. in der Pleurenhaut.
Sind Pleuren vorhanden, so liegen sie in diesen. Bei Phosphaenus
lagern aber die St. in den V. und zwar noch etwas vom Seiten-
rande entfernt. —
Einen Tracheen- Verschlussapparat habe ich bei allen hier be-
handelten Formen beobachtet und gehe vielleicht in einer späteren
Arbeit auf denselben ein (cf. Fig. 56).
Abdominale Endoskelettbildungen finden sich, wie aus
diesen und früheren Mittheilungen hervorgeht, wenn wir vom Ventral-
phragma absehen, nur am 8. und 9. Segment. Sie fehlen am
1. — 7. S. und an der 10. D. Am 8. und 9. S. aber können sie von
der 8. und 9. D. sowohl wie von der 8. und 9. V. ausgehen. Ich
habe es schon gesagt und wiederhole es, dass alle abdominalen
Endoskelettbildungen von ganz bestimmten Abdominal-
segmentplatten ausgehen und denselben zuzurechnen sind.
Ich habe auch schon viele Fälle mitgetheilt, in denen eine
Platte als solche erloschen war, während ein von ihr ausgegangenes
Endoskelettstück gut ausgebildet ist und weite Verbreitung hat.
Der dorsale Bogen ist das Endoskelettstück zur 9. D., der ven-
trale Bogen oder das einfache oder das dreizinkige Spiculum
gastrale sind Endoskelettstücke zur 9. V. Das Spiculum ven-
trale ist ein solches zur 8. V. Endoskelettbildungen zur 8. D.
finden wir bei allen Malachiiden. —
Paarige Endoskelettspangen sind bis jetzt von der 8. und 9. D.
sowohl wie 8. und 9. V. bekannt, unpaarige nur von der 8.
und 9. V.
Wenn über das Vorhandensein oder Fehlen einer Platte zu
berichten ist, muss fortan genau angegeben werden, ob es sich um
eigentliche Platten oder Endoskelettbildungen oder um beides
handelt, ein Umstand, den ich in meinen allgemeinen Vorarbeiten
noch theilweise vernachlässigt habe. Für alle endoskelettalen
Bildungen ist das vollständige Fehlen von Tastborsten, Haaren,
Häutungshaaren, Drüsenporen und zelliger Struktur charakteristisch,
was ja auf der Hand liegt. Das Vorkommen mehrerer Endoskelett-
stücke ist natürlich ein Zeichen, dass es sich um eine höherstehende
Form handelt, welche vom Urkäfer, der der abdominalen Endoskelett-
bildungen entbehrt, weiter entfernt ist. —
IV. Allgemeine und kritische Anmerkungen.
Aus meinen Untersuchungen ergeben sich für die natürliche
Systematik folgende Sätze:
1. Das Fehlen oder Vorhandensein einer Basalplatte kann
für eine ganze Ordnung charakteristisch sein.
2. Ebenso kann für eine ganze Ordnung ein Legeapparat
von bestimmtem Bau charakteristisch sein.
d. männlichen u. weiblichen L.auipyriden, Canthariden u. Malachiiden. 199
3. Das Vorhandensein oder Fehlen und die Form gewisser
Segmentplatten kann für ganze Familien gelten.
4. Andere Vorkommnisse oder Gestaltungen von Segment-
platten sind für Unterfamilien typisch.
5. Das Fehlen oder Vorhandensein der Stigmen des 8. Segm.
kann für Ordnungen charakteristisch sein.
6. Ganze Familien können einen Penis von bestimmtem Typus
aufweisen.
7. Die Verwachsung der Parameren mit einander und ihre
Form kann in wesentlich übereinstimmender Weise bei den An-
gehörigen von Familien und Unterfamilien vorkommen.
8. Bei den Formen einer Unterfamilie kann sich ein besonderer
Typus des Praeputialsackes finden.
9. Bestimmte Endoskelettbildungen können für Ordnungen, für
Familien oder für Unterfamilien gelten.
10. Eine bestimmte Differencirung oder Form einer Basalp latte
kann für Unterfamilien typisch sein.
Für alle diese Sätze finden sich Beispiele. — Mit Absicht wählte
ich stets den Ausdruck: es „kann" sein, weil das, was für eine
oder mehrere Gruppen gilt, noch lange nicht für alle gilt oder zu
gelten braucht.
Auf die Sätze 6. und 7. sei deshalb besonders hingewiesen,
weil sie der Ansicht Escherichs i) und Weises^) diametral entgegen-
stehen. Diese Autoren glauben nämhch fälschlich, wie auch manche,
der vergleich. Morphol. unkundige Coleopterologen, dass die Copula-
tionsorgane in der Systematik nur zur Unterscheidung der Arten
verwendbar seien. Sie übersehen dabei gänzlich, dass diese Organe
nicht nur von Form zu Form Differenzen aufweisen (meist!),
sondern auch Uebereinstimmungen und zwar sind diese Ueber-
einstimmungen viel grössere als die Verschiedenheiten. Aber selbst
angenommen es handele sich um grosse Verschiedenheiten, so giebt
es doch noch immer Uebereinstimmungen, welche hochwichtig sind
und durch Abstrahirung der Differenzen herausgeschält und als
Gruppencharaktere ausfindig gemacht werden müssen. Allerdings
ist das schwieriger als Beschreibungen der Einzelformen. —
Es sei nun kurz die Inaugural-Dissertation von H. Liegel
besprochen, betitelt: „Ueber den Ausstülpungs-Apparat von Mala-
chius und verwandten Formen", Göttingen 1872.
L. hat bereits die „Säcke an den Seiten des Abdomens" von
Cantharis richtig gefunden. Er irrt sich aber, wenn er meint, dass
sie „das Phänomen der Ein- und Ausstülpung niemals zeigen",
denn ich habe an Alkoholmaterial sowohl eingestülpte als aus-
gestülpte Säcke gesehen.
^) Vergl. Coleopterengatt. Trichodes. Wien, Verh. d. zool.-botan. Ges.
1893, S. 155.
2) Deutsche entomol. Zeitschr., 1894, Heft 1; polemischer Artikel gegen
meine „Vergleich., Untersuch, etc."
200 Dl'- Carl Verhoeff : Vergleichende Morphologie des Abdomens
Ferner bemerke ich mehrere Bündel von Rückziehmuskeln,
welche sich in jedem Pleuralsäckchen an die terminale Wand an-
setzen und sicherhch nicht zum Luxus da sind. Ueberdies finde
ich in der Haut der Säckchen zerstreut die feinen, in besonderen
Papillen gelegenen Mündungen von Hautdrüsen. Letztere er-
wähnt L. nicht. Dagegen sind ihm die Muskeln wohlbekannt, wes-
halb es um so unverständlicher ist, wie er zu jener Aeusserung
kommt. Die Pleurenplatten hat er auch aufgefunden. Ihm diente
zur Untersuchung Canth. fusca, von der er sagt, dass sie nur
2 Paare von „kugelförmigen Auftreibungen" in den Seiten besitze.
Darnach schiene sich diese Art ja durch die Zahl der Pleural-
säckchen von violacea, bei welcher ich 6 deutliche Paare nach-
wies, zu unterscheiden. Jedenfalls bezweifle ich es sehr, dass
eines dieser beiden Paare von fusca zwischen Metathorakal- und
1. Abdominalsegment liegen soll, wie er sagt. Er begeht ferner
darin, dass er den Thorax von Cantharis für stigmenlos erklärt
(S. 23), einen schweren Fehler, denn der Thorax besitzt thatsächlich
2 Stigmenpaare, wie bei den meisten Coleopteren. Sein Fehler
wird aber dadurch ein doppelter, dass er auch die riesigen
Stigmen des 1. Abd.-S. übersehen hat, denn er sagt, dass „die
an den beiden vorderen Segmenten gelegenen Stigmata etwas
grösser sind". Damit charakterisirt er aber die St. des 2. und
3. S. Ueber die Zahl der St. giebt er nichts an. Die Dorsal-
drüsen hat er (wie auch Leydig) nicht gefunden. — Irrig ist es,
wenn er meint, dass „bei Malachius" „die Einstülpungen nach dem
Tode eingezogen" werden. Ich besitze ein Ex. in Alkohol, welches
die Säcke sehr schön praU ausgestülpt hat. Ob die Thiere die
Säcke im Spiritus beim Todeskrampfe ein- oder ausstülpen hängt
vielleicht nur von der Conzentration des Alkohol ab.
Betreffs seiner Auseinandersetzungen über Malachius, zu denen
zwei etwas sehr schematische Figuren geliefert werden, sei noch
Folgendes bemerkt: Die „Abdominalsäcke", deren „Bezeichnung"
er für „nicht ganz zutreffend" hält, da das hintere Paar sowohl
dem Thorax als auch dem Abdomen zugerechnet werden kann",
können durchaus als solche bezeichnet werden, denn Liegel
hat, wie schon so mancher Entomotom, das 1. Segment, hier also
die 1. D. verkannt, indem er die wahre 2. D. für die erste hält.
Darum hält er auch das grosse Stigmenpaar des 1. Abdominal-
segmentes fälschlich für das Metathorakalsegment-Stigmenpaar und
glaubt dementsprechend, dass die Abdominalsäcke an der Grenze
von Methatorax und 1. S. des Abdomens lägen, während sie sich
faktisch auf der Grenze zwischen 1. und 2. Abd.-S. befinden. In
den Fig. sind die nach vorne mehr und mehr kleiner werdenden
D. viel zu gross gezeichnet. Richtig bemerkt hat L. bereits, dass
die Haut der Säcke „keinerlei Häkchen" besitzt, aber sich „viel-
fach in Falten zusammengelegt zeigt" (S. 12). Ebenso fand er
richtig, „dass die Schienen (er meint die Segmentplatten)
von zahlreichen Porenkanälen durchzogen sind, während die weich
d. rDcännlichen n. weiblichen Lauipyi'iden, Caiithariden u. Malachiideu. 201
gebliebenen Verbindungstheile (er meint die Pleurenhäuto) mit kleinen
Häkchen (Häutungshaaron) — mittlere Länge 00,2 mm, Breite
0,007 mm — , mit gekrümmter Spitze und breiter Basis, mit der sie von
der Haut abgeben, besetzt sind und der Porenkanäle gänzlich ent-
behren". — Eine sehr merkwürdige und total falsche Hypothese
trägt er in Kap. V vor: „Physiologische Bedeutung der Aus-
stülpungen". Er meint nämlich, „dass die Ausstülpungen für die
Aufnahme der Luft in die Tracheen von Bedeutung sind". (!)
Für diese Ansicht kann er nur wenig Belegendes beibringen.
Einmal soll die Lage der Pleurasäcke an den „grossen Thorakal-
stigmata" von Bedeutung sem, wobei jedoch übersehen wird, dass
am 2. Paare der Thorakalstigmen überhaupt keine Pleuralsäcke
liegen. Sodann sollen diese Pleuralsäcke „bei der Athmung in der
Weise von Bedeutung sein, dass sie der Luft den Eintritt in
diejenigen Stigmata erleichtern, welche die grösste Bedeutung für
die Aufnahme der Luft haben." Er meint: „In dem Zustande, wo
die Blasen nicht ausgestülpt sind, werden die Stigmata durch die
Faltungen und Uebereinanderlagerungen der weichen Chitinhaut
überdeckt; werden durch die Ausstülpung der Blasen diese Falten
nun geglättet, so treten die Stigmata frei zu Tage" (S. 28). Ich
habe mich nun einerseits nicht davon überzeugen können, dass die
zusammengefaltenen Pleuralsäcke die Stigmen wirklich „verdecken"
können, andererseits wird auch durch die kräftigen, gegen die
Basis stark verbreiterten Häutungshaare der Pleurenhäute, selbst
dann, wenn wirklich eine Ueberdeckung durch die Pleuralsäcke
stattfände, eine so nahe Anlegung, dass dadurch die Aus- und Ein-
strömung der Luft in die Stigmen beinträchtigt werden könnte, ganz
unmöglich gemacht. Es ist aber ferner a priori ganz widersinnig,
dass die Natur ein Organ soll zur Entstehung gelangen lassen, das
nur den Vortheil bringt, den Nachtheil, den dieses Organ für
gewisse Stigmen hat, wieder aufzuheben. Da giebt doch
(+ 1) + ( — 1) Null, das Organ wäre also im Grunde ein nutzloses.
— Erich Haase hat uns nun den Beweis geliefert i), dass die
Ventralsäckchen bei Thysanuren allerdings zur Athmung dienen,
freilich in gänzlich anderer Weise als es Liegel bei Malachius
meint. Er sagt auf S. 430 in seiner gediegenen Arbeit:
„Die Beziehungen der Ausbildung des Tracheensystems zu der
der Ventralsäckchen ergeben, dass letztere eine respiratorische
Funktion haben und als Blutkiemen anzusehen sind." „Bei
Poduren Hess sich unter dem Mikroskop eine bedeutende und schnelle
Durchströmung des ausgestreckten Ventraltubus durch Blutflüssigkeit,
in der Richtung nach dem Vorderende des Körpers zu, verfolgen."
Es stimmen nun in physiologischer Beziehung die Pleural-
säckchen von Malachius und auch Cantharis mit den Ventral-
säckchen von Ma Chilis u. A. überein, indem auch bei diesen Cole-
^) Die Abdoininalanbänge der Insekten, mit Berücksichtigung der My-
riopoden. 1889.
202 Dr- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Abdomens
opteren Blut ein- und ausgepresst wird. Durch die sehr zarte
Wandung der Säckchen hindurch gehen die von innen an ihr her-
streichenden Zeilen der Leibesflüssigkeit mit der umgebenden Luft
einen Gasaustausch ein. Das ist die phys. Bedeutung der Pleural-
säckchen.
Die Anwesenheit von Hautdrüsen deutet aber noch auf eine
zweite Funktion derselben hin. Sie besteht jedenfalls in einem
„ Vertheidigungs mittel durch einen Übeln Geruch," eine Ansicht,
Avelche schon Westwood und Laboulbene vertraten. Diese Autoren
wiesen aber keine Drüsen nach und sprachen darum nur eine Ver-
muthung aus. Nun behauptet Liegel fälschlich, „Drüsen" könnten
„nicht aufgefunden werden" und weist daher jene Ansicht zurück.
Sie war aber trotzdem richtig. Es sind Drüsen vorhanden,
welche St. Klemensiewicz^) für Malachius nachgewiesen hat,
ich selbst fand sie bei Cantharis. Ob wir mit unseren mensch-
lichen Riecherkern im Stande sind Gerüche dieser Hautdrüsen wahr-
zunehmen oder nicht, ist für jene Coleopteren ja ganz gleichgültig,
quod licet Malachio, non licet homini. Ich erinnere daran, dass
auch die Gerüche gewisser Lepidopteren- Weibchen, denen die
Männchen eben nur dieser wegen nachspüren konnten, für den
Menschen nicht wahrnehmbar sind. —
Liegel spricht den Pleuren von Cantharis die Aufgabe zu,
die Verdeckung der Stigmen durch Pleurenhäute zu verhindern.
Eine solche Erklärung der Pleuren muss ich aber entschieden zurück-
weisen, einmal, weil es Formen giebt (die meisten Hemiptera-Gymno-
cerata), bei welchen die PL vorkommen, die St. aber durchaus nicht
in diesen und auch nicht in der Pleurenhaut liegen, sondern in den
Ventralplatten, sodann weil manche Formen, z.B. Malachius und
Dolichosoma, theilweise sehr weite Pleurenhäute haben und darin die
St. liegen, aber keine PL, und diese Formen ersticken deshalb
durchaus nicht. Endhch wäre es auch ganz überflüssig, dass die
Pleuren so kolossale Grösse erreichen, wie z. B. bei Lampyris $,
wenn sie nur jene Funktion hätten. Bestände überhaupt jemals
die Gefahr einer Verdeckung der St. durch Pleurenhäute, so brauchten
die St nur an den Rand der festen D. oder V. zu rücken. Aber
ein solcher Fall kann überhaupt niemals eintreten. Die ganze Idee
beruht auf einer unüberlegten Vorstellungsweise Liegeis.
Das grösste Curiosum aber hören wir bei der ,,Cantharisform
aus Cordova"^). Damit diese gmndlich in die Theorie Liegeis
passt, werden „die Blasen" als „rudimentäre Organe"(! !) aufgefasst
und doch heisst es auf S. 25 ,,dass sie an Grösse die Ausstülpungen
^) Zur Kenntniss der Hautdrüsen bei den Raupen und bei Malachius.
Mit 2 Taf.
Wien. Verhandl. d. zool.-botan. Ges. 1882.
Zu Malachius gehört Taf. XXII Fig. 9 und 10.
^) Wahrscheinlich überhaupt gar keine Cantharis! Ich zweifle sogar, ob
es eine Cantharide ist!
(1. männlichen u. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 203
unserer Cantharis um das Fünffache (!) übertrafen". Nun sind schon
„die Ausstülpimgen unserer Cantharis" nicht rudimentäre Organe,
wieviel weniger Dinge, welche fünfmal so gross sind! — Ich ver-
stehe nicht, wie man dergleichen an einer Universität drucken lassen
kann. —
Der Schlusssatz Liegeis ist ein total überflüssiger. Was der
Fortsatz A in der Fig. 1 bedeuten soll, weiss ich nicht. Es ist ein
Phantasiegebilde !
Ich muss endlich noch das Werk Erichsons berühren, Natur-
geschichte der Insekten Deutschlands, Coleoptera, Bd. IV. Berlin 1863,
bearbeitet von H. v. Kiesenwetter.
Dieser Forscher trennt nämlich bereits die Malachiiden m.
unter dem Namen Melyriden von den Malacodermen ab, und
theilt letztere selbst wieder in 4 Unterfamilien, nämlich Lyciden,
Lampyriden, Telephoriden und Druiden. Die letzten enthalten
nur die Gatt. Dri lus. — Doch hören wir, was er auf S. 429 selbst sagt:
Malacodermata: „Die Famüie umfasst, wie sie von Latreille
aufgestellt worden ist, eine grosse Zahl von Formen, welche L.
selbst und cHe späteren Systematiker wieder daraus entfernt haben,
um sie als Typen besonderer Familien aufzustellen. Und aller-
dings hat die systematische Umgrenzung und Anordnung hier be-
sondere Schwierigkeiten, da einestheils zahlreiche Uebergangsformen
zu andern Familien hinüberleiten, z. B. Drilus zu den Melyriden,
Homalisus zu den Elateriden u. s. w., anderntheils aber die zur
Familie selbst gehörenden Coleopteren sich nach ziemlich bestimmt
ausgeprägten Typen in verschiedene Abtheilungen gruppiren, die
man als ebenso viele besondere Familien auffassen kann und bereits
aufgefasst hat.
So unterscheidet Erich so n (Agassiz Nomenclater zoolog. und
Wiegmanns Archiv 1847p. 79ff.) vier Familien : Lampyriden, Lyciden,
Telephoriden und Melyriden; Redtenbacher stellt Melyriden (muss
natürlich heissen Lampyriden!) Lyciden und Telephoriden in eine
Famihe, für die er den Namen Malacodermi beibehält und bildet
aus den Melyriden eine zweite; Le Conte (Proced. Acad. Phil.
Ser. IL 1. 73) betrachtet die Lyciden und Melyriden als besondere
Familien und verschmilzt Lampyriden und Telephoriden zu einer
dritten; Lacordaire vereinigt die vier Erichson'schen Familien zu
einer, unter dem Namen Malacodermes; Thomson (Scandinaviens
Coleoptera. Lund 1859) nimmt seine „Stirps Malacodermi" wieder
in dem weiten Sinne, wie sie Latreille aufgestellt hat und unter-
scheidet darin Cyphonidae, Dasytidae, Lampyridae (mit den Tribus
LycLQa und Lampyrina), Telephoridae (mit den Tribus Telephorina
und Malachüna), Cleridae, Corynetidae und Hylotrogi. —
Lässt man sich aber durch einzelne abnorme (!) Formen, welche,
wie z. B. Homalisus, als Uebergangsgattungen heterogene Charaktere
darbieten, nicht beirren, so lassen sich nicht nur recht gut Dascilliden
auf der einen und Cleriden auf der andern Seite abtrennen, sondern
es scheiden sich auch aus der noch übrigen Masse der Malacodermen
204 Dl'- Carl Verhoeff: Vergleichende Morphologie des Ahdomens
im Sinne Lacordaires durcli die geringere Zahl der Baiichsegmente,
durch ein deutiich abgesetztes Kopfschild, durch eine abweichende
Insertion der Fühler, durch einen verschiedenen Bau der Mandibeln
und endlich durch ein durchaus anderes Geäder der Flügel die
Melyriden aus, welche auch im äusseren Habitus eine fremdartige
Bildung zeigen."
So schliesst sich v. Kiesenwetter also an Redtenbacher an.
In der 3. Auflage seiner Fauna Austriaca aber hat Redt, die
Melyriden wieder in die Malacodermata als „5. Gruppe" eingezogen
und führt ganz davon getrennt als eigene Familie die Cleriden auf.
Dasselbe findet sich im „Catalogus Coleopteratorum Europae et
Caucasi" 3. Ed. Berlin 1883 von L. v. Heyden, E. Reitter und
J. Weise, die Malacodermen unter dem Namen Cantharidae.
Die V. Kiesenwettersche Gruppirung ist diejenige, welche
der von mir aufgedeckten noch am nächsten kommt. Weil sie aber
nicht genügend begründet war konnte sie wieder durch andere
Fassungen dieser fluktuirenden Malacodermen verdrängt werden.
Die Begründung ist aber die Hauptsache. Ich wiederhole
das, was ich schon früher einmal erklärte: Es ist ganz werthlos,
dass jemand etwas Richtiges äussert, wenn es nicht durch zwingende
Thatsachen oder Beweise oderlogischeErwägungenbegründet ist. Wenn
verschiedene Autoren verschiedene Ansichten über eine Sache haben,
so wird naturgemäss leicht einer das Richtige treffen. Wenn das aber
nicht durch Ergründung der Wahrheit geschah, sondern nach
mehr weniger unbestimmten Eindrücken, so ist es ein Errathen.
Das oben Angeführte zeigt aber zur Genüge, dass man sich
statt mit ernstem Forschen mit „Glauben" und „Meinen" begnügt
hat. Daher das fortgesetzte Schwanken. — -
Meine Untersuchungen haben nun noch nichts davon aufdecken
können, wieso „Drilus zu den Melyriden" „hinüberleitet", das ist
ein vollständiger Irrthum v. Kiesenwetters. Ebenso wenig habe
ich eine Spur von einer näheren Beziehung zwischen „Homalisus
und den Elateriden" finden können. (Diese Ansicht hat v. Fricken
in seiner „Naturgeschichte d. Käfer Deutschlands" S. 285. 4. Aufl.
1885, auch wieder hingesetzt.)
Auf die andern beträchtlichen Abweichungen meines Systems
von demjenigen v. Kiesenwetters brauche ich hier nicht weiter ein-
zugehen. — Den Namen Malachiiden wählte ich, weil einmal
diese Gruppe ganz neu begründet wurde, sodann auch Malachius
die bekannteste Gattung in derselden ist. —
Die lateinischen Diagnosen, welche v. Kiesenwetter seinen
Malacodermen und Melyriden beigiebt, sind gar nicht einmal voll-
kommen contradiktorisch abgefasst. So spricht er bei den Mel. von
„Clypeus, Labrum" und „Mesosternum" bei den Mal. nicht. Bei
den Mal. spricht er von den Tarsen und bei den Mel. nicht.
Die Erklärungen „Abdomen segmentis Septem, rarissime sex
compositum" (Mal.) und „Abdomen segmentis sex vel quinque
compositum" (Mel.) sind heute als werthlos zu betrachten. —
d. männlichen u. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 205
Im Interesse anderer Autoren setze ich hier die Titel meiner
PubKkationen über das Abdomen der Insekten hin:
1. Vergleich, Untersuch, über die Abdominalsegmente und
Copulations Organe der männlichen Coleoptera. 4 Taf. Deutsche
entomol. Zeitschr. Berlin 1893. 1. Heft.
2. Vergleich. Untersuch, üb. d. Abdominalsegmente, insbesondere
die Legeapparate der weiblichen Coleoptera. 2 Taf. Daselbst 1893.
2. Heft.
3. a) Bemerkungen zu C. Escherich „Die biologische Bedeutung
der Genitalanhänge der Insekten". Entomolog. Nachricht. 1893. Nr, 3.
b) Erwiderung auf C. Escherichs Bemerkungen in Nr. 9 der
Entom. Nachr. Daselbst Nr. 18.
c) Kurze Bemerkung über die Bedeutung der Genitalanhänge in
der Phylogenie. Das. Nr. 18.
d) Zur vergleichenden Morphologie der „Abdominalanhänge" der
Coleopteren. Das. 1894. Nr. 6,
4. a) Finden sich für die Laminae basales der männlichen Cole-
opteren Homologa bei Hymenopteren?
Zoologischer Anzeiger 1893. Nr. 432 mit 6 Fig.
b) Ueber das Abdomen männlicher Elateriden. Daselbst 1894.
No. 443 mit 7 Fig.
5. Vergleich. Untersuch, über die Abdominalsegmente der
weiblichen Hemiptera-Heteroptera und -Homoptera. Bonn 1893.
Dissertation und in Verh. d. naturhist. V. f. Rheinl. u. Westfalen.
1893. Heft 2,
6. Zur Kenntniss der vergleich. Morphologie des Abdomens
weiblicher Coleopteren.
Deutsche entomol. Zeitschrift 1894. 2. Heft. 1 Fig.
7. Ueber Copulationsorgane der Coleopteren: Eine Antwort an
die Herren J. Schwarz imd F. Weise, daselbst mit 3 Fig.
206 Dr. Carl Verhoeff: Vergleicbende Morphologie des Abdomens
Erklärung der Abbildungen.
Folgende Abkürzungen, welche
Figuren :
V. = Ventralplatte,
D. = Dorsalplatte.
PI. = Pleurenplatte.
Dp. = Duplicatur an der 9. V. des ^.
s. g. = Spiculum gastrale (9. V. (^).
s. V. = Spiculum ventrale (8. V. ^ $).
B. V. = ventraler Bogen (9. V.).
B. d. = dorsaler Bogen (9. D.).
r. = Radii.
r. V. = Radii ventrales.
r. d. = Radii dorsales.
Sty. = Stylus.
St. = Stigma.
dr. = Dorsaldrüsenporus.
Dr. = Drüsenporenplatte.
Pa. = Parameren.
vpiederholt vorkommen, gelten für alle
Ba. = Basalplatte.
p. b. = Processus laminae basalis.
P. = Penis.
f. = Femora Penis.
1. i. = Lamina inferior desselben.
1. s. = „ superior „
Co. = Cornua Penis.
Pa. d. t= Parameren-Finger.
I =: Verbindungsstelle von Ba. und Pa.
Pr. = Praeputialsack.
d. e. = ductus ejaculatorius.
M. = Mündung desselben.
Seh. = Legeröhrenschlauch.
E,. = Eingfalte der Legeröhre.
Va. = Vagina.
R. = Rectum.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 8.
Fig. 1—3. Lygistopterus sanguineus.
Der Legeapparat des § ausgestreckt, von oben gesehen. Er setzt
sich mit dem Ende des Legeröhrenschlauches an die 8. V., welche
vorne ein Spiculum ventrale trägt.
Die 9. und 10. D. von unten und die 9. V. von oben gesehen. An
den Schmalbogen der 9. V. setzt sich die Spange fi jederseits an.
(Nur eine Seite wm^de gezeichnet).
Copulationsorgane und Dp. der 9. V. von oben gesehen.
Fig. 4 — 6. Eros Aurora.
Copulationsorgane von der Seite gesehen.
9. V. von oben.
Legeapparat, t = Stützbalken der Radii.
Fig. 7 — 9. Lampyris splendidula ^.
Die 9. und 10. D. an einander gewachsen.
Fig. 10. Lampyris noctiluca $.
„Legeplatten" der linken Körperseite von oben.
Fig. 11. Dasytes plumbeus ^.
P. von der Seite. Das Ende ist etwas quer gedrückt, sodass man die
Rinne sieht, in welcher der Pr. mündet. Letzterer ist ganz zurück-
gestülpt. Von seinen Riesenzähnen wurden nur 2 eingezeichnet.
d. mämilichen u. weiblichen Laini/yiiden, Caiithariden ii. Malachiiden. 207
Fig. 12- 14. Danacaea pallipes ,^.
Fig. 12. P. von der Seite. Der Pr. schimmert durch.
Fig. 14. Die 8. und 9. V. mit ihren Spicula von unten gesehen.
Fig. 15. Dolichosoma lineare $.
Ansicht des Legeapparates von oben.
Fig. 16. Psilothrix nobilis $. Ebenso.
Fig. 17—20. Luciola lusitanica (J.
Fig. 17. Endhälfte des Penis von der Seite.
Fig. 18. Hälfte der Basalplatte.
Fig. 19. Copulatiousorgane von oben. (Linker Parameros z. T. weggelassen.)
Fig. 20. 9. und 10. D. von unten ges.
Fig 21. Drilus flavesceus (^.
Copulationsorgane von unten.
Fig. 22. Phosphaenus hemipterus (J.
An der Basis der am Grunde verwachsenen Pa. sitzen spiessartige
Fortsätze auf (b).
Fig. 23 und 24. Homalisus suturalis $.
Fig. 23. Copulationsorgane und die 2 letzten Abdom.-Segm. von oben.
Fig. 24. Ba. von oben, mit seitlichen Vorsprüngen (a).
Fig. 25 und 26. Malthodes marginatus (^.
Fig. 25. Die 2 letzten D. von unten. Die tief ausgebuchtete 9. V. ist zurück-
geklappt.
Fig. 26. Copulationsorgane von unten gesehen. Die dorsalwärts gelegene Ba.
ist etwas zur Seite geschoben, p = mit Warzen bedeckte Polster,
ps = Linie, welche eine Pseudobasalplatte abgrenzt.
Fig. 27, Axinotarsus pulicarius q.
Pa von der Seite.
Fig. 28— 33. Malachius bipustulatus ^.
Fig. 28. Pa. von der Seite.
Fig. 29. P. ebenso.
Fig. 30. 8. V. von oben. Sie trägt am Hinterrande einen tiefen Einschnitt.
An dem Hinterrande ragt ein Zapfen « vor.
Fig. 31. 9. Segment.
Fig. 33. Copulationsorgane und benachbarte Segmentplatten von unten und der
Seite ges.
Fig. 34-37. Malachius viridis ?.
Fig. 34. 8. V. und das etwas davon abgerückte Spie. (s. v.).
Fig. 35. Links die Cuticularstructur des Legeröhrenschlauches in der Region
y — g.~
Rechts das Gelenk, welches die Enden der Vorder- und der Hinter-
spange der r. v. mit einander bilden.
Fig. 36. St. des 3. Segmentes von aussen.
Fig. 37. Legeröhre An dem Vorderende mehr von oben , am Hinterende
mehr von unten gesehen. Bei ß schimmern die Schalen zahlreicher
verdauter Polleukörner durch. Vorne treten zwei kräftige Tracheen-
stämme ein.
208 Dl*- Carl Verhoeff: Vergleiclieiule Morphologie des Abdomens
Fig. 38—40. Ebaeus thoracicus §.
Fig. 38. Die 8. V. mit kräftigem Ventralsi^iculum.
Fig. 39. Theile der 8. V. und D. , welche mittelst ihrer Seitenfortsätze bei g
ein Gelenk bilden.
Fig. 40. 8. D. von oben, mit langen Seiteufortsätzen am Vorderrande.
Fig. 41. Charopus flavipes ^.
Pa. von unten und der Seite. Der untere Bogen des Ringes b ist
an einer Seite abgerissen und emporgehoben.
Fig. 42— 45. Anthocomus fasciatus ^.
Fig. 42. Pa. von unten und der Seite.
Fig. 43. P. von der Seite. Der Praeputialsack, dessen Zähne in 45 stark ver-
grössert dargestellt sind, schimmert durch.
Fig. 44. 9. Segm. (eine Seite z. T. fortgelassen).
Fig. 46 und 47. Dasytes plumbeus $.
Fig. 47. Das Ende einer Hälfte der 9. V. mit ihrem Stylus. (Der übrige Lege-
apparat ist fortgelassen.)
Fig. 48—50. Dasytes plumbeus ^.
Fig. 51—54. Cantharis violacea. $.
Fig. 51. Die 2 Endsegmente, von der Bauchseite ges., s und t sind Stützbalken
der armartig verschmälerten Hälften der 9. V. Auf den Drüsenporen-
platten -wurden die Mündungen der Hautdrüsen nur auf einer kleinen
Stelle angegeben. Nebenan, rechts oben sieht man ein Stück bei
starker Vergröss.
Fig. 52 zeigt einen Stylus, vrelcher auf dem Ende der 9. V. in einer Grube
gelenkig inserirt ist.
Fig. 53. Ansicht der 8. V. von oben. Die 8. D. ist zur Seite geschlagen und
wurde nur theilweise gezeichnet. Ganz in ihrem umgeschlagenen Rande
mündet das Stigma.
Fig. 54. Seitenansicht des Genitalsegmentes, s, t, u die Hebel zur Bewegung
der 9. V. mit ihren Styli.
Fig. 55—57. Cantharis rustica ,^.
Fig. 56. Tracheenverschluss vom 2. Segmente. Das Peritrema durch eine
punktirte Elipse angegeben.
Fig. 57. Die 2 ersten Abdominalsegmente ausgebreitet. Es vmrde nur die Be-
borstung der Pleurenplatte gezeichnet. 1. Stigma sehr gross.
Fig. 58. Axinotarsus pulicarius rj.
Furcula posterior (F. p.) mit zwei Hörnern (-c) und medianem, nach
vorn gerichtetem Kiel (me.), welcher in der Fig. zur Seite gedrängt
erscheint.
Fig. 59— 62. Malthinus punctatus $.
Fig. 59. Zarte 9. V. mit kräftigem Stylus.
Fig. 60. Reste von Ovipositoren (Ov.), welche zwei asymmetrische, sich bei «
etwas überdeckende Skelettstücke vorstellen.
Bei X schliessen 2 zarte Blätter die Vaginalmündung ein.
Fig. 61. Rechte Hälfte der 9. V. nach aussen gebogen mit der sich anlegenden
Hälfte der 9. D.
d. männliclien n. weiblichen Lampyriden, Canthariden u. Malachiiden. 209
Fig. 63— 67. Malthinus punctatus ^.
Fig. 63. Die 9. und 10. D. von unten.
Fig. 65. Paramerenkapsel mit stark vorragender Endplatte E.
Fig. 66. ßasalplatte mit Mittelgrat n, Endkuppe e und Seitenwülsten et und ß.
Fig. 67. Penis schräg von unten gesehen.
Fig. 68. Malthodes marginatus §.
Die 2 Endsegmente von unten gesehen. Daneben ein Stück der
Drüsenporenplatte sehr stark vergr.
Fig. 69. Malthodes marginatus (^.
Theil des 8. Segmentes, ausgebreitet.
Fig. 70 und 71 derselbe.
Fig. 71. Ansicht der Paramerenkapsel von oben, p das papillöse Polster.
Fig. 72—74. Cantharis rustica ^.
Fig. 72. Cop.-Org. von oben ges., der Praeputialsack ist vorgestülpt aber bei
Pr. abgeschnitten, spr. = Subpraeputialplatte. (Der P. wurde etwas
zu breit gezeichnet.)
Fig. 73. Dasselbe. Der Pr. ist vollkommen sichtbar und grösstentheils vor-
gestülpt. Der P. wurde aus der Paramerenkapsel herausgehoben.
(Von letzterer ist die linke Seite fortgelassen.)
Fig. 74. Das Ende des aufgeschnittenen P., die Verwachsung desselben mit
dem Endabschnitt des Praeputialsackes zeigend, welcher nach oben
zurückgelegt ist. b = kurzer Blindsack desselben. Nebenan rechts stehen
bei «, ß und y stark vergröss. Partien der Wandung des Pr.
Fig. 75-78. Cantharis livida (^.
Fig. 75. Ansicht der Paramerenkapsel von unten, nachdem der Penis entfernt
worden ist. w = dorsale, stark ausgebildete Wand, b = Vereinigungs-
stelle der Schenkel der Paramereniinger.
P. von oben. Der Pr. ist vollkommen vorgestülpt. Er trägt ein Paar
von Stachelwülsten W, welche man bei
ß z. T. stark vergröss. sieht. Fig. 77« ist eine Partie der übrigen
Praeputialsackwand.
Stelle, wo die Subpraeputialplatte (spr.) sich an einen der hinteren
Ausläufer der Lamina inferior (1. i.) gelenkig ansetzt (g).
Fig. 79 und 80. Cantharis violacea ^.
Hälfte der Paramerenkapsel.
Penis, nachdem der ausgestülpte Praeputialsack bei Pr. abgeschnitten.
Zwischen den Femora und Cornua kommt hier noch ein Paar Lobi
(lo.) zur Ausbildung.
Fig. 81. Cantharis rustica (^.
Furcula posterior von hinten ges. mit nach vorn gerichtetem Median-
kiel (me.). Die Seitenhörner (c) sind kurz und plump, cf. Fig. 58.
Fig. 82-87. Cantharis livida ^.
Fig. 82. Copulationsorgane von unten ges. Pr, vorgestülpt. Der P. ist in
natürlicher Lage gelassen.
Arcli. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 2. 14
Fig.
76.
Fig.
77
Fig.
78.
Fig.
Fig.
79.
80.
210 ' I>r. Carl Verhoeff.
Fig. 83. Die 8. V. mit einer Pleure PI. und dem Stigma.
Fig. 84. Ein Paramerenfinger stärker vergröss.
Fig. 86. Die 4 letzten Abdominalsegm. und die Cop.-Org. von oben. Letztere
sind vorgestossen.
Fig. 87. Die 9. und 10. D. von unten ges.
Fig. 88. Cantharis violacea (J.
Seitenansicht des Abdomens, x = rudimentäres Bläschen. Bl. = 6 deut-
liche blasenartige Ausstülpungen.
Fig. 89 und 90. Rhagonycha pallida ^.
Fig. 89. Ende der Paramerenkapsel und ausgestülpter Pr.
Fig. 90«. Wellige Struktur des Pr.
Fig. 90 ß. Einige Stacheln aus den Stachelgi-uppen des Pr.
Callirrhabdos,
ein neues Genus der gorgonenartigen Pflanzenthiere?
Von
Dr. R. A. Philipp! (Santiago).
Von Herrn Doktor Karl Martin in Puerto Montt, dem unser
Museum schon so manche werthvolle Bereicherung verdankt, habe
ich kürzhch ein sehr interessantes neues Geschlecht der Pflanzenthiere
erhalten, welches an der Ostküste des südhchen Theiles der Insel
Chiloe gefischt worden war.
Auf einem schwarzen Rollstein, der in nicht sehr bedeutender
Meerestiefe gelegen hat, sitzen zwei ruthenförmige 80 cm lange,
wenig über 2 mm dicke, biegsame Gebilde auf, die genau wie eine
Schnur milchweisser, cannelirter Perlen aussehn; eine dritte war auf
dem Transport abgebrochen, was die Struktur der Gebilde deuthch
zu erkennen erlaubte. Sie sind mit einer dünnen, weissen, kalkigen,
10 mm im Durchmesser habenden Basis fest aufgewachsen, und haben,
genau wie die Gorgonien, im Innern eine hornartige, biegsame Achse;
die Perlen, deren Höhe im unteren Theil etwas weniger beträgt als
ihre Dicke, während sie im oberen Theil, wo weniger Cannelirungen
sind, die Dicke übertrifft, bestehen aus kohlensaurem Kalk, der in
einem thierischen Gewebe reichhch abgelagert ist, aber doch wenig
Festigkeit besitzt. Sie stehen dicht an einander, und zeigen im
unteren Theil 9 bis 11 Cannehrungen, im oberen weniger; man sieht
hier an mehreren Perlen, wie sich neue Cannelirungen von unten
her einschieben. Siehe Fig. 1 e der beigefügten Abbildungen. Jede
Cannehrung ist wahrscheinlich die Wohnung eines Thieres, das man
nach der Aehnhchkeit des Gebildes für einen achtarmigen Polypen
halten möchte. Diese Wohnungen sind wie man im Querschnitt
oder richtiger im Querbruch deutlich erkennen kann, seitlich voll-
ständig mit einander verschmolzen, denn man kann keine Trennungs-
linie erkennen, nur ihr oberster Theil, der rundlich vorspringt, ist
frei. Sie lösen sich leicht von der hornigen Achse ab, lassen sich
aber, wie schon bemerkt, nicht ohne zu zerbrechen von ihren Nach-
barzellen trennen. Die Höhlung ist ziemlich geräumig, die Oeffnung,
aus welcher das Thier heraustritt, ist aber nicht zu erkennen. Noch
ist zu bemerken, dass die Oberfläche der Zellen oder Cannehrungen
ganz glatt und glänzend ist.
Das beschädigte Exemplar gibt uns Auskunft über das Wachs-
thum des ganzen. Wir sehen, dass die Achse am Ende haarförmig
wird, und dass sie dort nur von wenigen, sechs oder vier Zellen,
umgeben ist, die unten in einen dünnen, hier nicht canneKrten Ring
verschmolzen sind, in dem Maass also, als durch Einschiebung neuer
Zellen die off'enbar aus dem gemeinsamen Ring entspringen, die
Dicke des Gesammtkörpers wächst, wächst auch die Dicke der
homartigen Achse. Das Einschieben neuer Polypenzellen erreicht
14*
212
Dr. R. A. Philippi.
frt
aber rasch seine Grenze; denn die untersten Perlen der Ruthe sind
nicht dicker als die übrigen.
Suchen wir nun, welche Stellung im System der Callirrhabdos
zukommt, so scheint auf den ersten Anblick kein Zweifel zu bleiben,
dass sie zu den Gorgonien gebracht werden muss, aber in dieser
Famile eine sehr eigenthümliche Stellung einnimmt, da sie in sehr
wesentlichen Merkmalen mit dem freien, nicht festgewachsenen, und
deshalb zu der Abtheilung der Seefedern oder Pennatuliden ge-
rechneten Genus Virgularia, wenigstens mit V. juncea übereinkommt.
Unter der Abtheilung Gor-
gonellaceae finden wir in M.
Edwards Histoire naturelle des
Coralliaires tom. I p. 183 und
212 das Genus Juncella auf-
geführt, das sich von den übrigen
Gattungen durch „tiges droites,
, en baguettes, simples ou ä peine
divisees" auszeichnet, und so
könnte man versucht sein, un-
sere Callirrhabdos für eine Art
Juncella zu halten. Allein die
Gorgonellaceen sollen eine
„axis sclerobasique sublithoide,
contenant beaucoup de carbo-
nate de chaux, de fagon ä faire
effervescensce avecl'acide chlor-
hydrique" haben, und unsere
Art hat eine durchaus horn-
artige Achse, die mit Salz-
säure betupft nicht die aller-
geringste Spur von Brausen
zeigt, und unter den ächten
Gorgoniaceen mit hornartig er
1. CallirrhaMos chUensis. ^^^«^ ^'^\ f i^^^".' ^'^ ^^^*
« Die Spitze der Ruthe, b ein Stück des f^^^ verästelt waren (eme
unteren Theiles natürlicher Grösse, c ein J unceüa kann sie auch deshalb
Stück des unteren Theiles, d ein einzelner nicht sein, weil bei diesem Ge-
Ring im oberen Theüe; man sieht eine schlecht die Wohnungen der
Zelle, die sich zwischen den anderen ein- piriyplnpri PolvrtPTi Hip «jao-
schiebt, e Querschnitt der Ruthe, c, d einzelnen ^olypen die sog.
und e vergrössert. Kelcne zerstreut sitzen).
2. Tirgularia juncea nach ßlainville; beide Nun betrachte man die
Figuren sind vergrössert. p^g^ren 2, getreue Copien aus
dem Atlas zu Blainvüle's „Manuel d'Actionologie" Tafel LXXXX fig.3.
6 u. c, welche Stücke von Virgularia jnncoides vorstellen. Wir sehen
hier, dass die Polypenzellen genau wie bei Callirrhabdos zusammen
gestellt sind, und auch dieselbe cylindrische, der Achse genau vor-
liegende Gestalt haben, aber die Ringe, bestehend aus einer grösseren
Anzahl von Zellen, sind nicht geschlossen, sondern hinten durch
Callirrhabdos, ein neues Genus der gorgonenartigen Pflanzenthiere? 213
ein freies, schlangenförmiges Band getrennt. Was Blainville im
Text S. 514 sagt, hat nicht die geringste Beziehung auf die Ab-
bildung, von der jede Erklärung fehlt, auch was im oben erwähnten
Werk von Milne Edwards p. 213 über V. juncea gesagt wird, ist
höchst dürftig; er beschränkt sich nämlich auf folgende Worte:
„pinnules tres courtes et ne constituant sur les echantillons desseches
que des bourrelets transversaux." (Er citirt den Text von Blainville,
aber nicht die Figur). Ich glaube kaum, dass jemand, der die
Blainville'sche Abbildung betrachtet, darin angetrocknete Fiedern
finden wird, die Abbildung müsste dann ganz und gar missrathen
sein. Eine etwas ausführhchere Nachricht lesen wir in der zweiten,
von Deshayes und Milne Edwards besorgten Ausgabe von Lamarck's
Histoire naturelle des animaux sans vertebres tome II p. 648: „la
Virgulaire joncoide . . . cette tige est garnie dans les trois quarts
de sa longueur de rides transversees , tres nombreuses, en demi-
anneaux, serres contre le rachis, et qui paraissent disposees sur
deux rangees longitudinales. [Die Abbildung zeigt entschieden nur
eine Reihe und Ringe, die drei Viertel eines Kreises bilden]. Ces rides
noduleuses en leur bord [in der Abbildung sind sie der ganzen
Länge nach gefaltet] sont des pinnules polypiferes, tres petites et
embrassantes." Bei Lamarck ist als Vaterland l'Ocean europeen
etc. angegeben, ]\ülne Edwards, der mit Cuvier annimmt, die Penna-
tula juncea Esper oder Virgularia juncea Lamarck sei identisch
mit Lamarcks Pennatula australis, citirt unter andern Rumph
herb. Amboin. VI p. 256, wo blos gesagt wird, die „sagitta marina"
(d. h. die Virgularia juncea) als Produkt von Würmern, gehöre nicht
in das Buch. Was soll ein solches Citatü Etwas ausführlicher
handelt Rumph davon in der Amboin-Raritätkamer, aber man er-
fährt doch auch gar nichts von der Struktur. Wie dem auch sei,
so kann unsere Art nicht mit einer Virgularia zusammengestellt
werden, da dieses Geschlecht nicht festgewachsen, sondern frei ist,
und eine fast steinige Achse hat. Nun entsteht aber eine grosse
Schwierigkeit. Ich kann keine Oeffnung an den Zellen ent-
decken, und eine solche müssten sie doch haben, wenn sie einem
Thier zur Wohnung gedient hätten.
Nachschrift. Einem Briefe des Herrn Dr. K. Martin vom
April 1894 entnehme ich noch Folgendes: „Dr. Mathias Juraszek,
jetzt Stadtarzt in Castro (Insel Chiloe), augenblicklich hier auf Ur-
laub, besitzt das andere Gorgoniden-Exemplar. Auf einem Steine
haben sich gegen 40 solcher Fäden festgesetzt. Er will es dem
Museum schicken und erzählte mir, es existire noch ein drittes
Exemplar, das ein Geistlicher an sich genommen habe. Die 3 Expl.
seien zwischen der Nordspitze der Insel Cancahua und der Nord-
küste der grossen Insel Chiloe aus 60 Faden Tiefe mit der Angel (?)
hervorgeholt worden."
Zusatz des Herausgebers. Im Habitus besitzt die oben be-
schriebene Form grosse Aehnlichkeit mit der Primnoella magel-
haensica Studer. F. Hf.
PhryniscuS Bibron
ist nicht Phryniscus Wiegmann.
Vou
Dr. R. A. Philippi.
Herr Philibert Germain, welcher jetzt dem Museum von
Santiago aggregirt ist, ist vor wenigen Tagen von der „hacienda
S. Ignacio de Sanehue" zurückgekehrt, wo er über zwei Monate ge-
sammelt hat. Diese hacienda liegt mitten im Araukanerland , und
erstreckt sich viele Meilen lang am Ufer des Flusses Renaico ent-
lang bis zu dessen Quelle in der hohen Cordilliere. Seine Ausbeute
ist sehr beträchtlich, namentlich an Käfern, und enthält viel neue
Arten, wie nicht anders zu erwarten war. Er fand auch drei un-
beschriebene Batrachier, einen wunderschönen Bufo, kohlschwarz
mit brennend rothen Zeichnungen auf dem Rücken, einen Cystignathus
mit einer weissen Längslinie auf dem Rücken, und einen Phryniscus.
Bei Untersuchung dieses letzteren Thieres habe ich mich nicht be-
gnügt die Histoire naturelle des Reptiles von Dumeril u. Bibron
nachzusehn, sondern ich bin auf die Quelle, auf Wiegmann, zurück-
gegangen, da ich schon oft gefunden habe, dass die Quelle das
reinste Wasser liefert, und das von ihr abgeleitete Wasser oft recht
trübe ist. Dies ist auch bei Phryniscus der Fall.
Wiegmann, der dieses Geschlecht aufgestellt hat (Nov. Acta
Leopold. 1834 tom. 17 I p. 264 1)) sagt: „die gesammte Körperform
ganz wie bei Bufo^); wie bei diesem die Kiefer zahnlos und die
Zunge eiförmig, nur mit ihrer vorderen Spitze festgewachsen, übrigens
völKg frei. Auch Ohrdrüsen sind vorhanden, aber nur klein.
Vorder- und Hinterfüsse fünfzehig [dass die Vordenfüsse fünfzehig
sind, ist wohl ein Irrthimi und ein sehr sonderbarer]; die Zehen der
Hinterfüsse durch kurze Bindehäute geheftet. — Die Gattung steht
^) In Meyers Beiträgen zur Zoologie aus den Verhandlungen der Kais.
Leopold. Caroliniscben Akad. Band XVI Theil 1 besonders abgedruckt, steht die
Beschreibung des Genus Phryniscus S. 514. Sollte die Angabe tom. 17 nicht
ein Irrthum sein?
-) In der dritten Auflage von Leunis Naturgesch. heisst es I p. 618:
Gesammtaussehen froschartig.
Dr. R. A. Philippi. 215
hierdurch dem Bombinator nahe, allein dieser hat Zähne im Ober-
kiefer, und eine völlig festgewachsene Zunge."
Andere generische Kennzeichen sind nicht angegeben, in der
Artbeschreibung aber heisst es: „von einem Paukenfelle findet sich
dagegen natürlich keine Spur." Er kommt wieder auf die Ohrdrüsen
zurück. „Die Ohrdrüsen sind, wie bei Bufo, vorhanden, aber klein
i-undlich. Die einzige Art stammt von den „Hochebenen des süd-
lichen Peru."
Im Werk von Dumeril und Bibron heisst es dagegen tome VIII
S. 722 „Pas de parotides", und weiterhin: „Rien ne distingue le
genre Phrynisque de celui des Crapauds, que les deux caracteres
negatifs suivants: absence complete des parotides et non ap-
parence de la membrane tympanale au travers de la peau." Als
Vaterland der von Wiegmann beschriebenen Art, Phr. nigricans,
wird nicht die Hochebene Perus, sondern Montevideo angegeben,
wo das Thierchen nach Bell (Zoologie of the Voyage of the Beagle
Part V Reptiles S. 50) alle Tage unter einer brennenden Sonne über
den glühenden und losen Sand kriechend gesehn werden kann.
Die Fundorte des Phryniscus nigricans Wiegm. und Phr. nigri-
cans Bell und Bibron sind so weit von einander entfernt, und das
Klima so wie die physische Beschaffenheit des Bodens sind so ver-
schieden, dass man von vorn herein erwarten darf, es sind zwei
verschiedene Thiere. Vergleicht man nun die Beschreibung beider,
so wird das zur Gewissheit. Wiegmann sagt: „Die Farbe des
Rückens ist ein schwärzliches Olivengrün; die der Bauchseite
schwärzlich; die Aftergegend ist hell fleischfarbig, welche Farbe sich
streifenartig am Oberschenkel zum Knie, am Unterschenkel zum
Hackengelenk, am Oberarm zum Ellenbogengelenke hinzieht, und
besonders an den genannten Gelenken, so wie an den Zehen und
Sohlenballen ins Auge fällt." Es ist klar, dass diese fleischfarbige
Zeichnung sich auf die Unterseite des Körpers bezieht. Bell dagegen:
„Die Farbe ist tintenschwarz, mit Ausnahme der Hand- und Fuss-
teller, einer breiten Querbinde über den hinteren Theil des Bauches,
zwei kleinere nahe der Mitte, und bei einigen Individuen ein paar
kleine zerstreute Flecke, die vom intensivsten Zinnoberroth sind." —
Wiegmann fährt fort: „die Haut des ganzen Körpers ist mit kleinen
rundlichen Kömern übersät; ausserdem finden sich rundliche, eben-
falls gekörnte Warzen auf der Rückenseite eingestreut, in deren
Mitte eine glatte, convex rundliche, rosenrothe Pustel liegt." BeU
spricht garnicht von der Beschaffenheit der Rückenhaut, ausser, dass
er in der latein sehen Diagnose sagt: „corpore granuloso, scabriusculo",
hier hilft uns aber Bibron, der ja dasselbe Thier von Montevideo in
von Darwin gesammelten Exemplaren beschrieben hat. Er sagt
S. 724 „La peau de toutes les parties superieures, sans exception,
est finement granuleuse et semee de petites verrues coniques, sur-
montees chacune d'une petite epine; ces epines sont plus fortes sur
les cuisses et sous les tarses que partout aiUeurs." Ich brauche
216 Dr. R. A. Philippi.
wohl niclit besonders darauf aufmerksam zu machen, dass diese
Beschreibung; der Oberfläche der Haut sehr verschieden von der
Wiegmannschen ist. (Wenn Bibron die Bauchseite weisslich, blanc
carne, gefleckt nennt, so kommt dies unstreitig daher, dass seine
Exemplare viel später untersucht sind, als die von Bell, und durch
ein längeres Liegen in Spiritus die brennend zinnoberrothe Farbe
abgeblasst war).
Ich glaube den Beweis geliefert zu haben, dass BeU und Bibron
für Phryniscus nigricans Wiegmann eine ganz andere Kröte genommen
haben, und dass diese Bewohnerin der Küste von Montevideo identisch
mit Chaunus formosus Tschudi ist, siehe Bibron p. 723 und Bell
p. 50. Es muss ihr also der Name Phr. formosus bleiben, wenn
anders eine Ohrdrüse vorhanden ist, die nach Wiegmann dem Genus
Phryniscus zukommen muss.
Santiago 25. März 1894.
Zusatz des Herausgebers. Auch in Boulenger's Cat. Batr,
sah, 2. Ed. 1882 p. 150, werden Phr. nigr. Wiegmann u. Phr. nigr.
Dum. et Bibr. als synonym aufgeführt. F. Hf.
Beiträge zur Kenntnis der
Anatomie und Entwickelung der Nesselorgane
der Hydroiden.
Von
LeTA^ls Murbaeh.
Hierzu Tafel XII.
Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 1892 im Labo-
ratorium des Herrn Geh. -Rat Prof. Leuckart angefangen. Sie
wurde dadurch angeregt, dass mir bei Gelegenheit anderer Unter-
suchungen mehrere bis jetzt unbekannte Entwickelungsstadien der
Nesselorgane aufstiessen, über die ich in einer vorläufigen Mit-
teilung i) berichtete. Meine Aufmerksamkeit war zwar im Anfang
nur auf die Entwickelung der Nesselorgane gerichtet; allein da sich
mir bei diesen Untersuchungen auch betreffs der Anatomie einige
neue Gesichtspunkte darboten , halte ich es nicht für unzweckmässig,
der Darstellung meiner Beobachtungen über die Entwickelung einige
Angaben über die Anatomie derselben vorausgehen zu lassen.
Betreffs der Methoden der Untersuchung habe ich nichts be-
sonderes zu bemerken. Neben dem Studium von Paraffinschnitten,
teilweise auch von Celloidinschnitten an konserviert vorliegenden
Objekten wurden besonders Zupf- und Klopfpräparate hergestellt.
Frisches Material stand mir nur von Hydra 2) zur Verfügung.
Das Spiritusmaterial bestand aus Hydroiden, Medusen und Sipho-
nophoren. ^
Ein Teil der letzteren war mir von Herrn Prof. Dr. Chun
gütigst zur Verfügung gestellt worden, wofür ich nicht unterlassen
will, demselben an dieser Stelle meinen besten Dank auszusprechen.
Vor allem aber möchte ich meinem hochverehrten Lehrer Herrn
Geh.-Rat Prof. Leuckart für die grosse Freundlichkeit und die er-
1) Zool. Anz. No. 419, 1893.
-) Im Texte sind die Speciesnamen weggelassen, da die liier beschriebenen
Verhältnisse bei den verschiedenen Species nicht abweichen. Die benutzten
Species sind aber in der Tafelerklärung augegeben.
Arch. f. Natm-gesch. Jahrg. 1894. Bd.I. H.3. 14 a
218 Lewis Murbacli: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
munternde Teilnahme, mit der er jederzeit meine Studien unter-
stützte, meinen aufrichtigen Dank entgegenbringen.
Was die Anordnung des Stoffes in der folgenden Darstellung
anlangt, so hielt ich es für zweckdienlich, sowohl bei der Be-
sprechung der Anatomie der Nesselorgane, wie auch bei den An-
gaben über die Entwickelung der in Frage stehenden Organe
zuerst eine kurze Zusammenstellung des bereits Bekannten zu geben
und daran das von mir neu Beobachtete anzuschliessen.
Die Litteratur über die Nesselorgane der Coelenteraten, welche
seit ihrer Entdeckung das wissenschaftliche Interesse vielfach in
Anspruch genommen haben, ist alhnälig zu einer solchen Höhe an-
gewachsen, dass es fast unmöglich ist, dieselbe lückenlos heran-
zuziehen. Ich begnüge mich deshalb damit, nur die mir wichtig
erscheinenden Arbeiten namhaft zu machen. Sollte auch von diesen
noch die eine oder andere unberücksichtigt geblieben sein, so möge
das in der Reichhaltigkeit der Auswahl eine Entschuldigung finden,
oder auch darin, dass die betreffenden Arbeiten mir nicht zugänglich
Anatomie.
1. Litteratur.
Den Abbildungen und dem Texte nach zu urteilen, hat schon
Trembley (42), der Entdecker der Süsswasserpolypen, die Nessel-
kapseln an der Oberfläsche der Fangarme von Hydra gesehen.
Er bemerkt in seinen Memoires pour l'histoire des polypes:
La superfice d'un bras qui, lors qu'il est contracte, parait tres
chagrinee par-tout, tres garnie de petits grains, change conti-
nueUement, ä mesure qu'il s'etend, et plus sensiblement pres de
l'extremite du bras qu'ä son origine . . . Quand le bras est parvenu
a un certain degre d'extension, sa superficie n'est plus que par-
semee de boutons, qui, continuant a s'eloigner les uns des autres
au moyen de l'extension du bras, se trouvent enfin ranges ä la file,
et separes par un fil transparent.
„Ces boutons se forment par la reunion de plusieurs
grains."
Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass Trembley bereits die
Cnidocile oder haarförmigen Fortsätze bei Hydra wahrgenommen
hat, denn er sagt weiter unten in seinem Werke: „Les especes
de poils, dessines dans les Fig. 3 et 4 de la PL V. se remarquent
dans un bras de Polype etendu, lorsqu'on l'expose ä une forte
lentille du microscope. Ils paraissent transparents."
und Entwickelung der Nesselorgaue der Hydroiden. 219
Als selbständige Gebilde wurden die Nesselorgane zuerst wohl
von R. Wagner*) erkannt, obwohl Agassiz (1) diese Entdeckung
Clark zuschreibt. Wagner, der die Nesselorgane (bei Actinien)
bereits im Jahre 1836 aufgefunden hatte, hielt sie anfangs für Sper-
matozoen; drei Jahre später aber überzeugte er sich von ihrer
nesselnden Wirkung und erkannte damit ihre wahre Natur. Einer
eingehenden Untersuchung wurden sie kurz darauf von Er dl (17)
unterworfen. Derselbe beschreibt sie (bei Actinien) als häutige mit
einer wasserklaren Flüssigkeit gefüllte und daher prall gespannte
Cylinder, die schon bei leisem Irritieren, bei Compression u. a. einen
Faden nach aussen hervortreten lassen. Seine weiteren Angaben,
dass die ausgetretenen Fäden eine schlängelnde Bewegung zeigten,
dürften auf deren oft wellenförmige Krümmungen zurückzuführen sein.
Endlich konstatierte derselbe Autor das Kleben und nesselnde
Brennen der betreffenden Organe. Ueber die pfeilspitzartig zu-
sammengelegten Widerhaken in den Nesselorganen hatte Er dl
jedoch die irrtümliche Ansicht, dass dieselben nach dem Heraus-
stülpen wieder zurückgezogen werden könnten. Diesen beiden
Autoren schloss sich der Zeit nach an Chorda (6), der die Nessel-
organe für Tastorgane hielt.
V. Siebold fasst in seinem Lehrbuch der vgl. Anatomie unsere
Organe als Nessel-, Angel- oder Giftorgane zusammen und
spricht von ihrem glashellen Aussehen und ihrer häutigen Natur. Er
erwähnt auch, dass der Faden zunächst im Innern aufgeknäuelt sei.
Auch dass derselbe hohl ist, also eine Röhre oder ein Schlauch, hat
er erkannt; ferner spricht er von der Ausstülpung wenigstens eines
Teils dieses Fadens. Endlich war er der erste, welcher erkannte,
dass die in Frage stehenden Organe nur einmal benutzt werden
können.
Gegenbaur (18) beschreibt die Nesselorgane der Siphono-
phoren als cylindrische Körper, die aus einer „äusseren Zellmembran"
bestehen, „deren Form von einem dicht anliegenden blassen Bläschen
wiederholt wird." In diesem eingekapselten Bläschen liegt nach
ihm der Nesselfaden. In einer Anmerkung fügt er jedoch hinzu:
„Da man bei der geschlossenen Nesselzelle den Faden deutlich
innerhalb des eingesclilossenen Bläschens liegen sieht, so entsteht
mit den Verhältnissen, wie sie nach der Explosion der Zellen sich
kundgeben, ein Widerspruch, der nur durch die Annahme, dass
das innere Bläschen vom zusammengewickelten Faden ein-
gestülpt werde, gelöst werden kann. Auf diese Art würde dann
der Faden doch ausserhalb des Bläschens liegen". Man sieht
hieraus, dass Gegenbaur mit seinen Beobachtungen selbst nicht
recht in's Reine kommen konnte.
Grundlegend für die Anatomie und Physiologie der Nessel-
kapsehi wurde die Arbeit von Möbius (33). Es möge mir ge-
1) Archiv für Naturgeschichte 1841. T. 1, S. 42 (über mutmassliche Nessel-
organe).
14a*
220 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
stattet sein, auf die Hauptresiütate der Untersuchungen dieses
Gelehrten (über den Bau, Mechanismus und die Entwickelung
der Nesselkapseln) etwas genauer einzugehen und daran zugleich
die Resultate späterer Forscher, die sich mit denselben Organen
beschäftigten, anzuschliessen.
Moebius beschreibt die Nesselkapseln als walzenförmige, eirunde
oder kugelrunde Bläschen in der Haut der Polypen und Quallen,
besonders reichlich vorhanden an ihren Fangarmen. Die walzen-
förmigen sind am proximalen Ende verjüngt, aber distal wärts hals-
artig ausgezogen.
Die verschiedene Brechungsfähigkeit der die Kapsel ein-
schliessenden, sowie der von ihr eingeschlossenen Masse lassen nach
Mob ins die Kapselwand einschichtig erscheinen.
Im Gegensatz zu diesen Angaben von Mob ins ist von den
späteren Autoren Jickeli (26) der erste, der die Existenz einer
doppelten Wand andeutete. Schneider (37) schildert dann später
bei Hydra eine äussere und eine innere Kapselwand.
Bei dieser Gelegenheit soll auch erwähnt werden , dass
Leuckart, Chun, Claus u. a. in ihren Arbeiten über die Sipho-
nophoren einen Deckel als Bestandteil der Kapselwand erwähnen.
Nach diesen Autoren sitzen die grossen Nesselkapseln der Nessel-
bänder dieser Tiere mit ihrer Mündung auf einem Deckel, der eben
so gross wie der Entladungspol der Kapsel ist und auf seiner freien
Seite kegelförmig sich zuspitzt. Derselbe springt mittelst eines Ge-
lenkes auf der convexen Seite der etwas gebogenen Kapsel auf.
Vermittelst der Kegelspitze des Deckels inseriert sich der ganze
Apparat auf dem Rande der Nesselbänder. Ehe der Faden entladen
werden kann, muss sich aber die Kapsel von dem Deckel abheben.
Die innere Masse der Kapsel ist nach der Ansicht von Möbius
eine wasserhelle Flüssigkeit, in der die schlauchförmigen Gebilde
schweben. Dieser Ansicht haben sich auch alle späteren Autoren
angeschlossen.
Was die Natur dieser Kapseln betrifft, so giebt Möbius an,
dass sie gegen Süsswasser, sowie gegen verschiedene Säuren sehr
widerstandsfähig seien. Während er sie mit einer Sekretzelle ver-
gleicht, lassen Chun (11) Bedot (3) und Schneider (37) dieselben
aus einer Sekretmasse entstehen, und Leuckart (29) und Chun (11)
äussern sich dahin, dass die Kapseln chitiniger Natur seien oder
wenigstens dieser sehr nahe stehen. Alle Autoren mit Möbius
sind aber darin einig, dass die Kapsel elastisch ist. Neuerdings
jedoch schreibt ihr Schneider (38) bei den Siphonophoren selb-
ständige Contractilität zu.
Der Schlauch besteht nach Möbius' Darstellung seiner Haupt-
sache nach aus:
a) einer weiten geraden Röhre (dem Achsenkörper) ; diese geht
über in
b) eine schmale lange Röhre, die sich in der Kapsel um
erstere herum lagert.
und Entwickelung der Nesselorgaue der Hydroideu. 221
Um dem Druck der Kapsel, die elastisch ist, das Gleichgewicht
zu halten, lässt Möbius auch das Lumen des eingestülpten Schlauches
von Flüssigkeit erfüllt sein. Dieser Punkt ist, so weit ich sehen
kann, später nie wieder hervorgehoben werden.
Der weite gerade Abschnitt (Achsenkörper) ist nach Möbius
ungefähr IV2 mal so lang und V3 — V2 mal so breit als die Kapsel.
Während die erste kurze Strecke dieses Achsenkörpers völlig glatt
und unbehaart erscheint, ist die übrige Strecke, wie unser Autor
hervorhebt, mit drei spiralig verlaufenden Reihen starker, recht-
winkhg abstehender Haare besetzt. Bei Hydra sah Möbius an dem
mittleren Teile des Achsenkörpers drei Dornen (Widerhaken). Diese
wurden auch von Er dl, Siebold u. a. beobachtet. Aehnlich haben
die späteren Autoren diese Verhältnisse geschildert.
Möbius fand ferner, dass der Achsenkörper vor der Entladung
zweimal so in sich eingestülpt ist, dass er drei in einander liegende
Röhren darstellt; von diesen nimmt die äusserste etwa Vs der
Strecke von dem Hals der Kapsel bis zur Basis derselben ein,
während die innerste Röhre von hier aus in die schmale eng ge-
wundene Röhre übergeht. Diese ist ebenfalls mit 3 losen Spii'alen
feiner Härchen besetzt. Diese Haarreihen fanden in der Litteratur
ihre erste Erwähnung durch Gegenbaur. F. E. Schulze, um
das hier zu erwähnen, beschreibt keine auf dem Endfaden des
Nesselschlauches von Cordylophora.
Möbius hebt auch besonders noch hervor, dass der Schlauch
keine stechende Spitze besitzt, also zum Eindringen in andere Körper
nicht befähigt ist. Schneider (37) nimmt dagegen an, dass der
Schlauch an der Spitze offen sei. — Möbius beschreibt diesen
dünnen Abschnitt des Schlauches als 14 mal so lang als die Kapsel
selbst, in welcher er entweder zu einem unentwirrbaren Knäuel zu-
sammengelegt sei oder auch in engen Windungen oder lockerer Spirale
um den weiten Teil des Achsenkörpers herumgewunden. Für Hydra
bestätigen die Ansichten von Möbius über die Nesselschläuche im all-
gemeinen Jickeli (25), Nussbaum (34) imd Schneider (37), für
die Siphonophoren Claus (12), Bedot (3) und Chun (8). Jedoch
findet man über die 3 in einander gestülpten Röhren, welche Möbius
eingehend beschreibt, bei allen diesen Autoren nichts erwähnt.
Dass die Nesselkapsel in einer Zelle eingeschlossen ist, hat
zuerst Leydig (32) erkannt. Seine Beobachtungen wurden von
Claus (12), Möbius (33), F. E. Schulze (39), AHman (2), Kleinen-
berg, sowie den späteren Autoren bestätigt. Die einfachste Art
dieser Zellen ist stiellos, wie verschiedene Autoren hervorheben.
Diese Art findet sich nach ihnen besonders häufig in den Nessel-
bändern und Körperflächen der Siphonophoren. Das Protoplasma
mit dem zugehörigen Kern wurde bei den Kapseln in Nesselbändern
zuerst von Chun (11) nachgewiesen.
Möbius und Kleinenberg (29) haben Ausläufer der Nessel-
zellen gezeichnet, ja Möbius beobachtete sogar, „dass die Zell-
222 Lewis Murbach: Beiträge zui- Kenntnis der Anatomie
masse amöbenartig ihre Form veränderte, während er sie
zeichnete." Kleinenberg hielt diese Gebilde für Fetzen der heraus-
gerissenen Nesselzelle. Wirkliche Fortsätze der Nesselzelle wurden
zuerst erkannt vor F. E. Schulze. Dieser fand sie in Gestalt von
Ausläufern an der Basis der Nesselzelle, nach unten hin sich ver-
jüngend, um dann am anderen Ende wieder ein wenig anzuschwellen.
Eine bestimmte Ansicht über die Natur dieser Gebilde äusserten
jedoch erst die Gebrüder Hertwig (24). Sie hielten sie bei den
Medusen für Nervenausläufer. Bewogen durch die Insertion dieser
Ausläufer auf der subepithelen Stützlamelle hielten Claus (13)
und dann Hamann (23) die fraglichen Gebilde für stielartige Stütz-
fasern. Später erklärte sie Claus dann für muskulös. Andere
Autoren haben wieder hervorgehoben, dass diese Stiele mit den sub-
epithelen Muskelorganen zusammenhängen. Vielleicht wurden sie
hierzu dadurch veranlasst, dass bei verschiedenen Gruppen von Tieren
diese Gebilde sich verschieden tief inserieren.
Die oben erwähnten Ansichten über die Natur unserer Gebilde
wurden jedoch allmählich durch eine andere verdrängt. Claus
hatte schon, wie oben erwähnt, die Stiele für muskulös erklärt.
Auch Chun (7) hielt sie für homolog mit den Ausläufern der
Klebzellen der Ctenophoren, die er als Spiralmuskeln nachgewiesen
hatte. In dieser Ansicht wurde er noch bestärkt, als er an
den Stielen (Fortsätzen) und Kapselumhüllungen der grossen und
kleinen Nesselzellen bei Physalia derbe Querstreifungen auffand,
welche er auf quergestreifte Muskeln zurückführen zu müssen glaubte.
Diese Ansicht fand allgemeinen Beifall. Jickeli (26) wies dann
auch noch bei Hydroiden verkürzte Nesselzellenausläufer nach und
ausserdem noch wellenförmig zusammengezogene. Eine weitere
Bestätigung von Chun 's Entdeckung von Querstreifen fand endlich
Bedot (4) in den Stielen der NesselzeUen von Velella. Korotneff
(27), der die Nesselzelle als eine Muskelzelle in Anspruch nahm,
bezweifelte jedoch die Chun 'sehen Auffassungen eines quergestreiften
Muskels, da nach seiner Ansicht die Ausläufer einer Muskelzelle
nie quergestreift seien.
Was den Kern der Nesselzellen betrifft, so lassen sich unsere
Autoren durchweg nur darauf ein, über seine Lage in der Zelle
und sein Aussehen zu berichten. Man findet ihn gewöhnlich unter
der Basis oder an der Seite der Nesselkapsel.
Ein anderer wichtiger Bestandteil der Nesselzelle, die haar-
oder stiftförmigen Erhebungen sind schon von Trembley (42),
Ehrenberg (15), Leydig (33) u. a. gesehen worden, doch war es
das Verdienst F. E. Schulze's (39) die Zugehörigkeit dieser
Gebilde zu der Nesselzelle zu erkennen. Nach ihm ragen die-
selben vom Plasma der Nesselzelle etwas seitlich von dem Ent-
ladungspol der Kapsel hervor, durchbohren die darüber liegende
Epithelzelle und gelangen so nach aussen. Eine mehr komplizierte
Form, bei der das Cnidocil selbst in einem röhrigen Fortsatz des
Zellplasma enthalten ist, fand Jickeli (25) später bei einer ein-
und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroiden. 223
gehenden Untersuchung von Hydra. Durch diese Röhre gelangt
das basale Ende des Cnidocils bis beinahe auf die Kapselwand.
Besonders lange hakenförmige Cnidocile fand Chun bei manchen
Monophyiden. Nach seinen Angaben fehlen die Cnidocile aber alle-
mal, wenn die Nesselzellen stiellos sind.
Bevor man die Natur der Nesselzelle kannte, suchte man die
Ursache der Ausstülpung des Schlauches in dem besser bekannten
Teile des Nesselapparates, der Nesselkapsel selbst. Mehrere Autoren
nahmen zur Entladung der Nesselkapseln inneren Druck an, indem
sie eine physikalische Veränderung der in der Kapsel enthaltenen
Flüssigkeit nachzuweisen suchten. Andere schrieben die Entladung
einem Drucke der die Kapsel umgebenden Gewebe zu.
Möbius (31), F. E. Schulze (39) und später Nussbaum (34)
sahen die Elasticität der im Wachstum gespannt gewordenen Kapsel
als die Hauptursache der Entladung an. Zufälliges Entladen, glaubte
Möbius, werde durch die Härchen auf dem Schlauche verhindert.
Er vergass aber wohl dabei, dass nicht alle Schläuche mit diesen
Haaren versehen sind. Die drei zuletzt genannten Autoren waren
aber von der Notwendigkeit irgend eines Anstosses oder Druckes
überzeugt. Diesen Anstoss glaubte Möbius in der Kontraktion der
umgebenden Zellen gefunden zu haben. Schulze lässt ihn von
aussen durch das Cnidocil übermitteln, während Nussbaum ihn
durch die muskulöse Kapselumhüllung auf die Kapsel selbst über-
tragen lässt.
Bei den Nesselkapseln der Nesselbänder von Siphonophoren,
wo Schneider (38) keine Plasmaumhüllung nachweisen konnte,
obgleich schon vor ihm Chun eine solche für Monophyiden (11)
nachgewiesen, nahm er dann an, dass die Kapsel selbst kontraktil
sein müsse.
Bis zu der Zeit, wo Schulze den Nachweis der Zugehörigkeit
des Cnidocils zu den Nesselzellen lieferte, wurde allgemein eine
Massenentladung der Nesselkapseln angenommen. Schulze (39)
überzeugte sich jedoch, dass die Entladung immer eine locale sei
und gründete darauf die Ansicht, dass der erste Anstoss von einem
Druck auf das Härchen (Cnidocil) ausgehen müsse (mechanische
Erklärung). Im Gegensatz zu Schulze stimmen viele der späteren
Autoren mit Jickeli (28), Chun (8), Nussbaum (34), Schneider
(37) überein, und schreiben dem Cnidocil die Uebertragung des
Reizes auf das kontraktile Plasma der Kapselumhüllung zu (physio-
logische Erklärung). Neben dieser Funktion glaubte Chun (11) den
von ihm bei Monophyiden gefundenen, stark krummen Cnidocilen
noch eine ankernde Funktion zum Festhalten der Beute beilegen
zu sollen.
Sobald die muskulöse Natur der Stiele und Kapselumhüllung
einigermassen sicher gestellt war, nahm man bald allgemein
an, dass die Nesselzellen bei der Entladung das Haupt-
moment abgeben. Die Hauptvertreter dieser Ansicht waren Claus,
224 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
Jickeli, Bedot, Schneider (dieser jedoch nahm die Kapseln der
Nesselbänder hiervon aus) und Chun. Als Beispiel, wie man sich
die Entladung dachte, lasse ich hier Chun 's Auffassung folgen. In
erster Linie kommen hierbei die kontraktilen Fasern der Kapsel-
umhüllung in Betracht mit ihrem Druck auf die Kapsel. Dann
ziehen die Stiele durch ihre Kontraktion die Nesselkapseln gegen die
unterliegenden Gewebe und vergrössern so den Druck auf die Kapsel.
Chun (7) beobachtete bei Physalia subepitheliale Ganglien und
glaubte, sie ständen in Beziehung zu einer Massenentladung der
Nesselkapseln. Später haben namentlich Jickeli (25) und Schneider
(37) und noch später wieder Chun (11) es, wenn nicht sicher gestellt,
so doch wenigstens sehr wahrscheinlich gemacht, dass ein coor-
dinierendes Nervensystem von Ganglien und Fasern zu einer effekt-
vollen Massenentladung der Kapseln bei Hydi'oiden in Beziehung stehe.
Darüber, wie der Nesselapparat (Kapsel und Faden) funktioniert,
haben wir ziemhch verschiedene Meinungen. Nach der Angabe bei
Mob ins glaubten emige Autoren an eine Einbohrung des Fadens
(Schlauches), welche Ansicht aber von anderen widerlegt wurde.
Erdl (17), V. Siebold (Vergl. Anatomie 1848), Möbius (33)
und neuerdings Nussbaum (34), Schneider (37), Chun (9) lassen
den Schlauch dem Beuteobjekt durch Kleben sich anheften. Dies
wird, nach Möbius, noch begünstigt durch die grosse Reibungsfläche,
welche durch die Härchen gebildet wird. Jickeli (25) lässt das
Beutetier bespickt erscheinen, und mit Nussbaum (34) und Chun
(9) lässt er das Sekret der Kapsel durch Zerreissen der Spitze des
Fadens nach aussen treten, während es bei Schneider (37) durch
eine Oeffnung am Ende des Schlauches sich ergiesst.
Was die Verwendung der Kapseln in dem Haushalte dieser
Tiere betrifft, so stimmen alle Autoren, so weit ich ihre Arbeiten
einsehen konnte, darin überein, dass dieselben zum Beuteerwerb und
zur Verteidigung dienen. Möbius und einige andere wollen noch,
dass diese Kapseln in ihrer Funktion als Kleb- und Haftorgane den
Polypen als Lokomotionsmittel dienen. Bei der Fortbewegung dieser
Tiere werden dann die Kapseln durch den klebenden Schlauch
herausgezogen.
Derselbe Autor berichtet, dass die Actinien aus den ver-
brauchten Nesselkapseln sich eine Körperumhüllung bilden. Früher
war auch die Ansicht verbreitet, dass die zahllosen mit der Beute
verschluckten Nesselkapseln die Verdauung beförderten.
2. Eigene Beobachtungen.
Nachdem ich in dem vorhergehenden Kapitel versucht habe,
einen historischen Ueberblick über die Arbeiten zu geben, welche
die Nesselorgane zum Gegenstand hatten, sowie über die Resultate
der Untersuchungen der verschiedenen Autoren auf diesem Gebiete,
schliesse ich minmehr meine eigenen Beobachtungen über die in
und Entwickelung- der Nesselorgaue der Hydroiden. 225
Frage stehenden Organe an. Dieselben beziehen sich in der Haupt-
sache auf die grösseren Formen der Nesselorgane. Abgesehen
davon, dass bei diesen die Verhältnisse des Baues leichter zu er-
kennen sind, scheinen die kleineren Formen auch nicht wesentlich
von ihnen verschieden zu sein, so dass sie ohne Schaden unbe-
rücksichtigt bleiben und von der Betrachtung ausgeschlossen werden
dürfen.
Um zunächst in meiner Schilderung mit der Kapsel anzu-
fangen, so kann ich die Behauptungen Gegenbaur's, Jickeli's
und Schneider's von einer doppelwandigen Kapsel nur be-
stätigen. Es lässt sich bei allen von mir untersuchten Kapseln ein
inneres zartes Bläschen konstatieren, welches sich beinahe untrennbar
dem äusseren dickeren anlegt. Das letztere besitzt an einem Pol,
dem Entladimgspol , eine Oeffnung oder Mündung. Der Schlauch
setzt sich an das innere Bläschen gerade unter der Mündung des
äusseren so an, dass es sich von dem letzteren ein wenig abhebt
und damit eine günstige Stelle bietet, einen Teil des inneren
Bläschens zu Gesicht zu bekommen.
Eine weit kräftigere Bestätigung dafür, dass wirklich zwei
Bläschen vorhanden sind, dürfte aus dem verschiedenen Ursprung
derselben, wie später bei Gelegenheit der Entwickelungsgeschichte
gezeigt werden wird, abzuleiten sein.
Der Form nach unterschied schon Möbius, a) walzenförmige
(cylindrische), b) eirunde und c) kugelrunde Kapseln. Unter
eine von diesen drei Kategorieen konnte auch ich alle von mir
beobachteten Nesselkapseln bringen. Doch scheint mir das Charak-
teristische nicht so sehr in der Form der Kapsel, als in dem
Bau des Schlauches zu liegen.
Es laufen nämlich ganz allgemein den erwähnten 3 Kapsel-
formen auch 3 verschiedene Nesselschlaucharten parallel. Die ein-
fachste Form dieser Schläuche findet sich in den kugelrunden
Kapseln (Fig. 5. A, B, C.); sie kommt aber auch in den kleinen
cylindrischen Kapseln der Nesselknöpfe der Siphonophoren vor.
Der Schlauch setzt sich hier (als Beispiel dient der Nesselschlauch
von Physalia, Fig, 5. A, B, C.), direkt an das innere Bläschen an
und ist von hier aus bis ans Ende allmählig verjüngt. Unter starker
Vergrösserimg sieht man, dass sein gewundenes Aussehen sich auf
3 spiralig verlaufende Erhebungen, die mit feinen Härchen besetzt
sind, zurückführen lässt. Nur in der letzten kurzen Strecke un-
mittelbar vor der Kapsel ist der Schlauch um etwa Härchenlänge
frei von Haaren.
Die etwas komplizierte zweite Art der Schläuche kommt vor
bei den ovalen Kapseln von (Fig. 3, 4, 6) Hydra, Velella und
manchen Siphonophoren^). Der Schlauch besteht hier aus 3 Ab-
^) Sogar in den ovalen Nesselkapseln von Microstomura sp. ? habe ich diese
Schläuche beobachtet. Von ihrer Grösse abgesehen, konnte man sie von denen
der Hydra nicht unterscheiden.
Aich. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 3. 15
226 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
schnitten, a) einem Basalabschnitt (Fig. 7b.) mit weitem Lumen,
b) einem konischen Zwischenstück (co) und c) einem geisseiförmigen
Endabschnitt (S).
Der Basalabschnitt ist etwa ^/^ so lang wie die Kapsel und an
seiner Basis etwas dünner als die Mündung der äusseren Kapsel-
wand, aus der er hervorragt. Von hier aus verjüngt er sich bis
auf das konische Zwischenstück. Da , wo Basalabschnitt und
Zwischenstück zusammenkommen, stehen 3 kräftige Widerhaken
(Fig. 7w.) von beinahe derselben Länge wie der Basalabschnitt.
Das Zwischenstück ist immer mit kleinen Spitzen oder Dornen be-
setzt, welche nach dem Endabschnitt zu an Grösse abnehmen.
Der geisseiförmige Endabschnitt dürfte dem Schlauch ein-
fachster Art (a) entsprechen. Er ist jedoch zarter und nicht immer
von den spiralig verlaufenden Erhebungen besetzt.
Ebensowenig wie es Schulze bei Chordylophora, ist es mir
bei Hydra gelungen, dieselben nachzuweisen.
Die dritte, komplizierteste Art des Nesselschlauches findet sich
besonders gut bei den Siphonophoren ausgebildet. Die zugehörige
Kapsel ist lang cylindrisch (Fig. L A, B. u. IL) oder spindeKörmig.
Man kann auch hier wieder die drei Schlauchabschnitte w^ie bei
der zweiten Art deutlich unterscheiden. Der Basalabschnitt aber ist
hier verhältnissmässig schlanker, nimmt aber auch hier etwa "Vi tler
Länge der Kapsel ein.
Die halbe Länge dieses Abschnitts ist kahl (Fig. 2, B.) , der
übrige Teil bis an das Zwischenstück dagegen dicht mit langen
Dornen besetzt. Im Gegensatz zu Möbius finde ich aber, dass
diese Dornen rechtwinklig oder schräg nach hinten (d. h. der Kapsel)
zu von der Röhre abstehen (Fig. 2. W). Die Dornen sind nie
länger als die kahle Strecke des Basalabschnittes. Das konische
Zwischenstück ist auch oft mit Härchen besetzt. Es ist im Wesent-
lichen von dem der oben beschriebenen zweiten Art der Nessel-
schläuche wenig verschieden. Der dünne Endabschnitt weicht eben-
falls nicht in seiner Form von dem der zweiten Art ab, abgesehen
davon, dass er nicht ganz so dünn und immer mit den spiralig ver-
laufenden Erhebungen besetzt ist, die allerdings nach der Spitze zu
sehr schwer zu sehen sind. Im Gegensatz zu Schneider muss
ich noch betonen, dass ich in keinem Falle an der Spitze des
Schlauches eine Öffnung nachweisen konnte. Ich finde den Schlauch
vollkommen abgeschlossen.
Was nun die Verhältnisse des Schlauches im eingestülpten
Zustande (wie er normal in der Kapsel liegt) betrifft, so konnte ich
die Schilderungen von Möbius hierüber mit meinen Beobachtungen
nicht in Einklang bringen i). Es ist jedoch möglich, dass diese
^) Abgesehen davon, dass (wie später gezeigt wird) der Endabschnitt des
Schlauches in dem Zwischenstück liegt und dieses wiederum in dem unteren
Ende des Basalabschnittes steckt.
und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroiden. 227
Verhältnisse bei den Actinien andere sind. Da, wo der Basal-
absclinitt (Achsenkörper) länger ist als die Kapsel, mag seine An-
sicht immerhin Geltung haben.
Eine dreifach in einander liegende Röhre finde ich nur, wenn
der Schlauch schon teilweise ausgestülpt ist (Fig. 4 a), also dann,
wenn das konische Zwischenstück schon gegen die Mündung der
Kapsel hinaufrückte, und den geisseiförmigen Endabschnitt nach
sich gezogen hat. Im normalen Zustande aber ist der Basal-
abschnitt seiner ganzen Länge nach in die Kapsel zurückgestülpt.
(Fig. 1 u. 3). Im andern Falle müssten ja auch die Dornen oder
Widerhaken schon zur Kapsel herausragen. Diese ragen aber
überall von der bedornten Hälfte resp. von der Basis des konischen
Zwischenstückes ab nach oben in das Lumen des eingestülpten
Basalabschnittes hinein und legen sich zu einer Spitze (Dolch bei
Nussbaum) zusammen (Fig. 1. A. B).
Dass diese Spitze (Dolch) bei dfen unentladenen Nesselkapseln
der grossen Siphonophoren die Länge der ganzen Kapseln hat,
rührt nicht etwa daher, dass die Dornen hier dieselbe Länge wie
die Kapsel haben, denn sie sind in Wirklichkeit nur etwa halb
so lang, sondern daher, dass sie sich zu einer grösseren Spitze zu-
sammen gelegt haben, wie man sich leicht bei der künstlichen
Ausstülpung überzeugen kann. Unter dieser Spitze (Dolch) oder
den zusammengelegten Dornen sitzt nun das konische Zwischen-
stück (Fig. 1. A. B. 3. ev.) in dem unteren Teile der Kapsel, mit
seiner Spitze nach dem Entladungspol gerichtet, genau wie nach
der Ausstülpung. Das konische Zwischenstück ist nicht eingestülpt.
In dasselbe ist nun aber der dünne Endabschnitt des Schlauches
nach unten in das Innere der Kapsel eingestülpt, wo er sich in
LängsscMingen und in Querwindungen um den Basalteil herumlegt
(Fig. I. A. B), bei ovalen und runden Kapseln hauptsächhch in
Querwindungen (Fig. 5).
Bei den kugeligen Kapseln, wo kein weiterer Basalabschnitt
vorhanden ist, ist der ganze Schlauch in die Kapsel eingestülpt;
er geht direkt von der Mündung oben in Spiraltouren an den
Seiten der Kapsel entlang nach dem Boden zu. Das abweichende
Verhalten des Schlauches bei der Einstülpung lässt sich wohl
auf das Fehlen des Basalabschnittes und Zwischenstückes zurück-
führen.
Ich werde jedoch auf diese Verhältnisse später bei der Ent-
wickelungsgeschichte zurückkommen und wende mich jetzt zur Be-
sprechung der Nesselzelle. Zu dem, was darüber in dem histo-
rischen lieber blick bereits gesagt wurde und als gesichert erschien,
habe ich im allgemeinen wenig hinzuzufügen.
Den Zellkern konnte ich immer in einer mehr oder weniger
reduzierten Masse von Protoplasma nachweisen. Stiellose, ein-
fache Nesselzellen habe ich bei Velella und namentlich auch in
den Nesselbändern der Siphonophoren beobachtet. Alles, was
15*
228 Lewis Murbach: Beiträge zur Kemituis der Anatomie
darüber von früheren Autoren angeführt wurde, kann ich be-
stätigen.
Nur betreffs der gestielten Nesselzellen habe ich einige er-
gänzende Bemerkungen zu machen. Seit Chun's Arbeit über die
Nesselorgane hat man wohl allgemein angenommen, dass die Quer-
streifungen an den Stielen bei Physalia auf quergestreifte
Muskeln zurückzuführen seien. Dem glaube ich widersprechen zu
müssen. Ich fand nämlich bei den kleinen Stielen von Physalia
bei genauem Einstellen auf diese sogenannten Querstreifungen, dass
dieselben unter dem Mikroskop sich scheinbar hin und her be-
wegten, genau so, wie man es bei Einstellung auf verschiedene
Ebenen einer horizontal liegenden Spirale sehen würde. In den
aus maceriertem Material von mir hergestellten Klopfpräparaten be-
merkte ich mm, dass dort, wo die Hülle der Stiele etwas zersetzt
war, kurze Strecken einer feinen Spirale sich zeigten. Fig. 5 A
stellt diese Spirale dar nach *einem Macerationspräparat. Sie er-
scheint hier etwas lockerer als im normalen Zustande, wo sie eng
und fest gewunden ist.
Bei den grossen Nesselorganen von Physalia ist das Ver-
hältnis insofern ein anderes, als der kurze dicke Stiel eher eine
granulöse Masse Protoplasma darstellt, in der ähnliche spiralige
Gebilde vorkommen, die aber verhältnismässig sehr klein sind
und den Nachweis erschweren. Sie sind blos auf der Peripherie
des Stieles zu sehen und scheinen sich um das untere runde Basal-
ende desselben herum zu legen. Bei hoher Einstellung geben dann
die vielen parallel laufenden Spiralgebilde auf der Oberfläche des
Stieles den Anschein eines grossen quergestreiften Muskels. Stellt
man aber auf die Mitte des Stieles ein, so sieht man blos noch an
den Rändern diese Erscheinung. Hier ist auch die Kapsel von
dicht gedrängten, meridional verlaufenden Fasern umstrickt (Fig. 5D),
die nach unten in die Spiralfasern der Stiele überzugehen scheinen
(Fig. 5. B). Diese Fasern sind eigentümlich geknickt (Fig. 5)
oder wellig gebogen, lassen aber Nichts von einer wirklichen
Querstreifung erkennen.
Aehnliche spiralförmige Gebilde fand ich auch in den Nessel-
zellen bei Velella (Fig. 3. A. B.), wo seiner Zeit Bedot ebenfalls
quergestreifte Muskeln gefunden zu haben glaubte.
Die Gebilde befinden sich hier in der Anhäufung des Proto-
plasma, das die Kapselumhüllung bildet; in einigen Fällen ragten
sie auch eine kurze Strecke in den Stiel hinein.
Eine Verbindung dieser spiraligen Gebilde mit dem von Bedot
im unteren Teile der Stiele gefundenen Faden konnte ich jedoch
nicht nachweisen. Sie erschienen mir als feine Stäbchen (Fig. 3. B.),
die eine enge Zickzackreihe bilden, so dass sie sich fast zu be-
rühren scheinen. Bei Einstellung auf diese Reihen glaubt man zu
beobachten, dass sie sich hin und her bewegen, ganz wie das bei
PhysaHa beschrieben wurde. Diese Erscheinung lässt sich aber
und Entwickeliuig der Nesselorgane der Hydroiden. 229
auch hier wieder auf eine feine Spirale zurückführen (Fig. 7.
A. B. C). Meine Beobachtungen wurden an Klopfpräparaten ge-
macht. Fig. 7. A. B. C. stellen Präparate dar, bei denen der
Stiel so zerriss, dass die darunter liegende Spirale bloss gelegt
wurde i).
Diese Spiralen sind aber so fein, und der Stiel an der be-
treffenden Stelle so dick, dass ich, gestützt auf Einzelfälle, in denen
ich neben einander liegende Querstreifungen beobachtete, auch hier
das Vorhandensein von mehreren Spiralen, ähnlich wie in den
grossen Stielen der Physalia, vermute.
Ich halte hiernach den Schluss für gerechtfertigt,
dass die Querstreifungen in den Stielen der Nesselorgane
von Physalia und Velella nicht auf einer Querstreifung von
Fasern beruhen, sondern auf Spiralgebilde zurückzuführen
sind.
Wenn nun übrigens einige Autoren daraus, dass sie die Stiele
(Ausläufer, Fortsätze) der Nesselkapseln bis auf die Stützlamelle
hinziehen, ja sogar an diese sich inserieren lassen, den Schluss ziehen,
dass denselben eine muskulöse Natur nicht zukomme, so liegt
dazu nach meiner Ansicht kein genügender Grund vor. Ebensowenig
ändert der Nachweis von der spiraligen Natur der vermeintlichen
Querstreifungen, den ich beigebracht zu haben glaube, etwas an
der Auffassung der muskulösen Natur des betreffenden Gebildes
die auch ich aufrecht halte. Nach meinem Dafürhalten wird diese
aber jetzt auf eine rationellere Basis gestellt.
Denn wenn es auch nicht befremdet, in den Hauptteilen des
Körpers der Cnidarier quergestreifte Muskeln zu finden, so möchte
man doch W'ohl eher geneigt sein, in den einzelligen Nessel-
organen statt der quergestreiften Muskeln glatte kontraktile Fasern,
wenn auch vielleicht hoch differenzierte oder gar spiralig zusammen-
gelegte, anzunehmen.
Gestützt wird diese Ansicht auch noch durch die spiraligen
Ausläufer der Klebzellen bei den Ctenophoren, die von Chun (7)
als Muskeln nachgewiesen sind und mit den als muskulös auf-
gefassten Ausläufern der Cnidarier in eine Reihe gestellt werden.
Für diese Homologie wäre der Nachweis einer spiraligen Bildung
statt einer Querstreifung erst recht bedeutend. Jickeli hat ebenfalls
wellenförmige Verkürzungen nachgewiesen, die er mit den zusammen-
gezogenen Stielen der Vorticellen vergHch.
Schhesslich hat Leuckart^) schon im Jahre 1853 zickzack-
artige Kontraktionen der glatten Fasern in den Stämmen mancher
Siphonophoren gesehen. Wahrscheinlich liegt hier eine ähnliche
Kontraktion vor, wie wir sie schon seit lange in den Stielen der
Vorticellen kennen.
) Die Figui-en sind mit der Camera gezeichnet ohne nachherige Ver-
ang.
2) Litt. 31.
230 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
Wo die Fasern sich Zickzack förmig zusammenziehen, wird
die VorsteUung insofern anders, als man wohl annehmen miiss,
dass die kontraktile Substanz in kurzen Abschnitten mit nicht
kontraktilen Stützpunkten oder Anhaltspunkten abwechselt. Eine
noch höhere Differenzierung würden dann auch die Fasern der
Kapselumhüllung von Physalia zeigen.
In beiden Fällen handelt es sich nicht so sehr um eine vor-
teilhaftere Kontraktion, als vielmehr darum, nachzuweisen, dass
die spiraligen Muskeln, als den ursprünglicheren, der Vorzug
gebührt vor den quergestreiften.
Betreffs der Entladung der Nesselkapseln schliesse ich mich
der von Chun u. a. vertretenen Ansicht über Entladung durch
Muskel druck an, wie dieses für die höheren Nesseltiere nach-
wiesen ist.
Über die Wirkungsweise des Schlauches herrschten bis dahin
zwei Ansichten. Einmal nahm man an, dass der Schlauch sich in
fremde Objekte einbohre, das andere Mal, dass er sich infolge seiner
klebrigen Natur denselben bloss anhefte. In beiden Fällen setzte
man voraus, dass das giftig wirkende Sekret ausschliesslich in der
Kapsel enthalten sei und aus derselben entweder durch eine natürliche
Öffnung oder durch eine künstliche nach aussen gelange. Mir scheint
es nun wahrscheinlicher anzunehmen, dass das in dem eingestülpten
Schlauchlumen enthaltene Sekret, welches beim Ausstülpen nach
aussen kommt, sowohl klebrige wie auch giftige Eigenschaften hat,
das in der Kapsel enthaltene Sekret dagegen weder giftig noch
klebrig ist, sondern nur dazu dient, hydrostatisch zu wirken. Für
diese Auffassung dürfte auch der Umstand sprechen, dass erstens
keine Einrichtung zur Ergiessung des Sekrets an der Spitze des
Schlauches zu konstatieren ist, und zweitens ganz entladene Schläuche
noch sehr oft ein völlig intaktes Aussehen besitzen.
Nach dem, was ich im Vorstehenden zu schildern suchte, können
wir uns nunmehr von den Nesselorganen der Polypen etwa folgendes
Bild machen.
Sie sind einzellige Organe mit offensiver und defensiver Funktion.
Jedes Organ besteht aus drei Teilen
a) einem Gebilde, das die Aktion eines giftigwirkenden Sekrets
befördert ;
b) einem Muskel, der diese Waffe in Thätigkeit setzt, und
c) einem den Muskel übertragenden (vielleicht auch selbst
Druck ausübenden) Sinneshärchen, zu welchem sich tiefer
in den Geweben vielleicht noch koordinierende (nervöse)
Elemente
imd Entwickelung dei- Nesaelorgaue der Hydroiden. 231
Entwickeliing.
1. Geschichtlicher Ueberblick.
Leuckart (31) war wohl der erste, der in der Entwickelung
begriffene Nesselkapseln beobachtete. Er sagt: „Die Bildung der
Angelorgane geschieht bereits sehr früh. Die ersten Rudimente
derselben . . . sind helle aber gleich anfangs ziemlich scharf be-
grenzte Körner (die kloinen?) oder Stäbchen, die durch fortdauerndes
Wachstum allmählich ihre spätere Grösse und Bildung annehmen".
Etwas später hat Leydig (32) und dann Schulze (39) ihre Ent-
stehung in Zellen behauptet. Auch Pagen Stecher (35) schildert
kurz die Entwickelung der Kapseln in gewissen Mutterzellen, sagt
aber nichts von der Entwickelung des Schlauches.
Bis auf Moebius' Schrift, die im Jahre 1866 erschien, beziehen
sich die Angaben über Entwickelung der Nesselorgane hauptsächlich
auf die Entstehung der Kapseln im Innern von Zellen, aber das
Aussehen der sich entwickelnden Kapseln selbst giebt nur Leuckart
genauer an.
Die Beobachtungen von Moebius (33) die im übrigen auch recht
kurz gefasst sind, wurden fast 20 Jahre hindurch nicht wesentlich
ergänzt Moebius bemerkt: „Was über die Entwickelung der Nessel-
kapseln geschrieben ist, bezieht sich hauptsächhch auf spätere Ent-
wickelungsstadien derselben." Er selbst lässt die Kapseln aus Sub-
epithelzellen „von Kugel- oder Eiform" entstehen, „welche aus einer
körnigen Flüssigkeit bestehen, in der einer oder mehrere Körner
durch bedeutendere Grösse hervorstechen". Weiter unten erwähnt
Möbius auch amöbenartige Gestaltveränderungen dieser Zellen.
Den Kern hat er nicht speziell erwähnt.
Dass auch Allman (2) denKern nicht mit der Kapselentwickelung
in Beziehung brachte, ja vielleicht gar nicht erkannte, geht aus seiner
Zeichnung und Beschreibung hervor. Er sagt: „A portion of certain
ectodermal generating cells becomes differentiated as a spherical or
oval mass which may be seen to occupy a vacuole . . . and in
which one or more nuclei are usually apparent. This little mass
is to become developed into the thread cell".
F. E. Schulze (40) hat dann später im Gegensatz zu Eimer (16)
besonders hervorgehoben, dass die Nesselkapsel sich nicht aus dem
Kern ihrer Zelle, sondern neben diesem im Protoplasma bildet,
weil noch nach der Entwickelung ein Kern vorhanden sei.
Nach dem Vorgang von Kleinenberg (29) nennt man nun
ganz allgemein bei Hydroiden die Subepithelzellen , die unter dem
Ectoderm liegen, Interstitiellzellen. Auch Hamann (23) hebt diese
als Bildnerinnen der Nesselkapseln hervor und schliesst aus der
Anwesenheit des Kernes neben der Kapsel, dass sich die Kapsel
bloss aus dem Plasma gebildet habe.
Dass die Interstitiellzellen auf den Tentakeln von Hydra fehlen
und daher auch Entwickelungsstadien der Nesselkapseln dort nicht
232 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
vorhanden sind, hat Nussbaum (34) besonders betont. Es entsteht
nach demselben in jeder Nesselzelle nur einmal eine Kapsel. Auch
die späteren Autoren lassen sämmtlich die Nesselapparate in Inter-
stitiellzellen oder aus diesen gleichwertigen Zellen entstehen.
Ueber die Teilung dieser Zellen haben namentlich Nussbaum
(34) und Schneider (37) Beobachtungen gemacht. Beide halten die
am gewöhnlichsten vorkommende Teilung für eine mitotische, jedoch
beziehen sich Nussbaum's Zeichnungen dieser Mitose auf dasOvarium.
Er vermutet aber auch das Vorkommen von amitotischer Teilung.
Die ersten definitiven Angaben über die Entstehung
der Kapsel in einer Zelle hat Möbius gemacht. Er sagt: „Die
ersten Spuren der Nesselkapsel sind Verdichtungen in Form einer
Krümmung, welche der äusseren Grenze der Zelle parallel läuft."
. . . „Diese wird die konkave Seite der Nesselkapsel. Während
ihrer Entwickelung liegt die Kapsel gebogen mit ihren beiden Enden
einander genähert, streckt sich aber mit Abschluss ihrer Entwickelung
in ihrer nachgiebigen Zellenmasse." Möbius beobachtete ferner
amöbenartige Gestaltsveränderungen der Zelle.
Die Entwickelung des Schlauches verlegte Möbius in das Innere
der Kapsel. Den Achsenkörper konnte er zuerst sehen, dann den
gewundenen Abschnitt. Obgleich diese Beobachtungen über die Ent-
wickelung an einer Actinie gemacht wurden, fand Möbius dieselben
für Hydra bestätigt, abgesehen davon, dass bei dieser die Kapseln
von Anfang an oval waren.
Allman (2) lässt die Kapsel aus einer Masse (Plasma), die in
einer Vacuole in der Nesselzelle liegt, entstehen. Von einem Kern
sagt er nichts.
Eimer (16) hat spindelförmige Nesselbildungszellen mit kon-
zentrischen Streifungen im Innern eines Schwammes gesehen, die er
als schiffförmig beschreibt. Ich erwähne dieses hier, obgleich wir
später sehen Averden, dass seine Beobachtung sich auf Schlauchent-
wickelung bezog, was er aber nicht erkannte.
Die Gebrüder Hertwig (24) beobachteten im Nesselwulst von
Carmarina hastata Nesselbildungszellen, die eigentümhch in Lamellen
geschichtet waren. Auch diese Erscheinung lässt sich auf den sich
entwickelnden Schlauch zurückführen, was jedoch von den genannten
Autoren nicht richtig erkannt wurde.
Alle, die bis dahin über Entwickelung von Kapsel imd Schlauch
sich ausgesprochen haben, betonten eine intrakapsulare Entwickelung
des Schlauches. Jickeli (25) dagegen machte völlig abweichende
Beobachtungen. Ueber die Entwickelung der Kapsel bringt er nichts
Neues, für den Schlauch aber konnte er eine wenigstens teilweise
Entwickelung ausserhalb der Kapsel nachweisen. NatürHch
musste er nun eine nachträgliche Einstülpung annehmen, wie er
solche denn auch beobachten, aber nicht erklären konnte. Diese
Befunde stellte er dann den Beobachtungen Bütschli's (5) über die
Schläuche der Polkörperchen (Nesselkapseln) von Psorospermien an
die Seite.
und Entwickelung- der Nes.selorgane der Hydroiden. 233
Eine Bestätigung fanden die Beobachtungen Jickeli's über
extrakapsuläre Schlauclientwickelung durch Nussbaum (34), der in
einer eingehenden Arbeit über Hydra die Resultate seiner Unter-
suchungen niederlegte. Die Kapsel lässt auch er aus einem Bläschen
(in der Zelle ?) entstehen. Seine Ansichten über Entwickelung von
Kapsel und Schlauch fasst er zusammen in den Worten: „Es (das
Bläschen) streckt sich, spitzt sich vorn zu und verlängert sich an
diesem Pol zu einer Röhre, die in vielen Windungen um die übrigen
Teile des Bläschens herum geschlungen oder nach vorn zu einem
Convolut zusammengedroht daliegt." Er bemerkt, dass allgemein der
m der Entwickelung begriffene Schlauch gegen die Stützlamelle ge-
richtet ist, und will die Einstülpung des Schlauches in die Kapsel
so bewerkstelHgt wissen, dass diese von den darüber liegenden
Geweben gegen die Stützlamelle gedrückt wird.
Unser Autor ist auch der erste, welcher bemerkt, dass die
Kapsel nach abgeschlossener Entwickelung sich in der Zelle um
1800 drehe.
Der nächste Autor, der spezielle Angaben über die Entwickelung
unserer Organe macht, ist Bedot (4).
Derselbe lässt einen Protoplasmazapfen (Nematoblast) an
behebiger Stelle in eine Vacuole in der Nesselbildungszelle hinein
wachsen. Der Raum zwischen dem Zapfen und der Vacuole wird
von einer hellen Masse erfüllt, die später der Kapsel den
Ursprung giebt. Durch Ein Wucherung eines Kanals durch den
Hals hindurch in den Plasmazapfen entsteht der Schlauch, also
wieder im Innern der Kapsel,
Die Entstehung der Widerhaken des Schlauches glaubte Bedot
aus kugeligen Gebilden in der Kapsel beobachtet zu haben.
Zoja (44) schliesst sich betreffs der extrakapsulären Entwickelung
des Schlauches an Jickeli und Nussbaum an.
Dagegen behauptet Chun (11) in seiner neuen Monographie
über die Siphonophoren immer noch eine Entwickelung des Schlauches
innerhalb der Kapsel. Trotzdem aber stimmt er nicht etwa mit
Bedot oderSchneider überein, die nur denSchlauch aus demPlasma-
zapfen in der Vacuole entstehen lassen, sondern er glaubt, beide,
Kapsel und Schlauch, aus diesem Cnidoblasten, wie er auch genannt
worden ist, entstehen lassen zu müssen.
Chun bildet auch im Text ovale Zellen mit konzentrischen
Streifungen, wie sie früher schon gesehen wurden, ab und hält diese
für konzentrische Verdickungsstreifen in der Wandung der Nessel-
zelle. Die Entladungsöffnung der Kapsel verlegt er in das Ende
des Cnidoblasten gegenüber seiner Verbindungsstelle mit dem Plasma
der Zelle, wahrscheinlich, weil er die Umdrehung der Kapsel in der
Zelle nicht beobachtet hatte. Die mannigfaltigen Formen der Nessel-
bildungszellen in den basalen Nesselpolstern der Fresspolypen der
Siphonophoren sind nach seiner Ansicht in der Entwickelung stehen
gebliebene NesselzeUen und somit ungünstige Untersuchungsobjekte.
234 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
Während Schneider (37) über die Entstehung des Schlauches
früher entgegengesetzter Ansicht war, hat er sich jetzt (38) in seiner
neuesten Arbeit auf die Seite Jickeli 's und Nussbaum's gestellt,
nimmt also nunmehr auch eine Entwickelung des Schlauches
ausserhalb der Kapsel an.
Nach ihm entsteht die Kapsel als eine Vacuole von einer
Membran umgrenzt; diese ist mit Sekret erfüllt. Der Schlauch
entsteht auf der Kap sei Oberfläche (der Membran). Die Wider-
haken nehmen in dem (eingestülpten?) Schlauchlumen ihren Ursprung,
lieber die Bildung der Widerhaken sowie die der Kapsel weiss er
jedoch Bestimmtes nicht anzugeben.
Gelegentlich beobachtete Schneider auch ein Verdrängen des
Sekrets im Schlauche, einen Vorgang, von dem er vermuthet, dass
er mit dem Einstülpen des Schlauches in Causalnexus stehe.
Der Schlauch wird von der Spitze aus eingestülpt.
Angaben über die Entwickelung der muskulösen Aus-
läufer (Stiele) habe ich nur bei Jickeli (25) gefunden. Derselbe
zeichnet Fig. 19, Taf. XVII, Anhänge, die er für die ersten Anlagen
der Muskelstiele hält. Es sind stumpfe kurze Fortsätze an der Basis
der Nesselzelle, lieber die Entwickelung des Cnidocils weiss
er nichts zu berichten.
Nach Nussbaum (34) u. Chun (11) entsteht das Cnidocil erst,
wenn das Nesselorgan die Oberfläche erreicht hat. Bei den übrigen
Autoren fehlen die Angaben hierüber gänzlich.
Alle Autoren lassen die Nesselbildungszellen bei den Hydroiden
aus InterstitiellzeUen oder ihresgleichen im Ectoderm entstehen.
Nach Angaben von Jickeli, Schulze und Nussbaum sollen
sich aber Nesselkapseln bei Hydren auch im Entoderm finden, obwohl
Entwickelungsstadien daselbst nicht beobachtet wurden. Hierzu noch
die Bemerkung, dass diese Nesselkapseln bei Velella trotz ihrer
subentodermalen Lage nach Häckel (22) undBedot (3) ectodermalen
Ursprunges sind. Neuerdings will Davenport (14) bei Schnecken
(Aeolis) die Entwickelungsstadien der Nesselkapseln auch im Ento-
derm beobachtet haben. Die Beobachtungen von Schneider freilich
(über Hydra) , die dabei angezogen werden , sind von ihrem Autor
selbst inzwischen wieder zurückgenommen.
Schon die älteren Autoren, Leuckart, Gegenbaur, Claus
haben beobachtet, dass die verbrauchten Nesselknöpfe auf dem
Fangfaden der Siphonophoren von der AnsatzsteUe der Fangfäden aus
durch Vorschub ersetzt werden. Ebenso werden mehrfach auch
die Nesselpolster oder Nesselwülste bei anderen Coelenteraten als die
Bildungs- und Vorratstellen von Nesselorganen in Anspruch ge-
nommen. So z. B. von den Gebrüdern Hertwig bei Carmarina (24).
Bei den Hydroidpolypen beschreibt Jickeli förmliche Magazine von
Nesselkapseln. Sie finden sich stets an proximalen Körperteilen,
während die Nesselkapseln selbst distalwärts verbraucht werden.
Aus seinen Bemerkungen ist zu erschhessen, dass Jickeli für letztere
und Eutwickelung der Nesselorgaiie der Hydroiden. 235
eine Art Wanderung annimmt. Noch bestimmter lauten die Angaben
von Bedot (3) in Betreff der Velella, die überall in den Lücken
der Stützlamelle Nesselzellen aufweist, welche einem grossen Nessel-
polster entstammten, das unter der sogenannten Leber und dem
Ectoderm auf der Oralfläche aufliegt. Diese Masse von Nesselzellen
beschreibt er als „le heu de formation des nematocystes et comme
un reservoir charge de fournir de cellules urticantes les parties ex-
ternes de l'animal."
Ebenso schloss Nussbaum (34) in Anbetracht des Umstandes,
dass es auf den Armen von Hydra keine Entwickelungsstadien von
Nesselzellen giebt, auf eine Art Vorschub von dem Magenabschnitt
her, wo die betreffenden Gebilde in grosser Zahl vorkommen. Dabei
wird die Vermutung ausgesprochen, dass die spiralige Drehung der
Arme diese Wanderung unterstütze.
Auch Schneider sieht sich in seiner neuesten Veröffentlichung
(38) durch die topologischen Beziehungen zwischen der Verbrauchs-
stätte und dem Bildungsherde der Nesselkapseln bei den Siphono-
phoren veranlasst, eine derartige Wanderung anzunehmen, obwohl er
sie durch directe Beobachtung nachzuweisen ausser Stande war
(auch die oben citirten Angaben Bedot 's nicht). Andererseits darf
übrigens nicht unerwähnt bleiben, dass Chun neuerdings (11) ein
Ueberwandern fertiger Nesselzellen von gewissen Bildungsherden auf
ihre Verbrauchsstätten in keinem Falle mit Sicherheit nachzuweisen
vermochte.
Wenn wir in Kürze hiernach zusammen fassen, was die
voranstehende historische Uebersicht uns lehrt, so ist vor Allem
die Thatsache zu constatieren , dass der Nesselapparat nach
sämthchen Autoren ectodermalen Ursprungs ist. Nachdem einmal
festgestellt war (Leydig), dass die Kapseln je ihren Ursprmig
in einer Zelle nahmen, entstand dann die Frage nach den Be-
ziehungen derselben zum Kerne. Sie wurde dadurch entschieden,
dass man (Schulze) den Kern noch in der ausgebildeten Nesselzelle
vorfand. Dafür aber glaubte man die Eutwickelung der Nesselkapsel
lange Zeit mit dem Plasma der Zelle in Zusammenhang bringen
zu müssen. Man nahm ein sekreterfülltes Bläschen oder eine Vacuole
als erste Anlage der Nesselkapsel, und liess in diese dann eine
Protoplasmamasse (Zapfen) hineinwachsen. Aus diesem sollte nun
nach den Einen blos der Schlauch entstehen, während die Kapsel
ihren Ursprimg in dem die Protoplasmamasse umgebenden Sekret
nehme, während Andere (Chun) dagegen sowohl Kapsel wie
Schlauch daraus hervorgehen Hessen. Während von beiden Seiten
der Ursprung des Schlauches in das Lmere der Kapsel verlegt
wurde , behaupten endlich Jickeli, Nussbaum, Zoja und
Schneider, dass letzterer ausserhalb der Kapsel, auf der Kapsel-
wand sich entwickele. Letztere Auffassung macht natürlich eine
nachträgliche Einstülpung des Schlauches notwendig. Eine genügende
Erklärung der Einstülpung fehlt bei sämthchen Autoren. Schliesslich
wird von mancher Seite noch eine Wanderung der Nesselorgane
236 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenutiiis der Anatomie
von ihrem Bildungsorte an den Ort der Verwendung statuiert, ein
Verhalten, was aber nur durch eine Beobachtung (Bedot) ge-
stützt ist.
2, Eigene Beobachtungen.
Wie schon früher kurz angedeutet, stiess ich bei Gelegenheit
einer anderen Untersuchung in den interstitiellen Zellen der Hydra
wiederholt auf kleine glänzende Stäbchen, die in der Zelle dicht
neben dem Kern lagen und an einem Ende das Aussehen eines
Schraubengewindes darboten (Fig. 15 b).
Da ich über diese Einlagerungen in der Litteratur keinen be-
friedigenden Aufschluss bekommen konnte und dieselben nach ge-
nauer Untersuchung auf Entwickelungsstadien der Nesselorgane
zurückführen zu müssen glaubte, nahm ich mir vor, die Ent-
wickelung der Nesselorgane überhaupt einer eingehenden Unter-
suchung zu unterziehen, einer Untersuchung, deren Resultate ich
nun im Folgenden mitteile. Zugleich hoffte ich, auf diese Weise
vielleicht neue Beiträge zur Frage über die Entwickelung des
Schlauches an diesen Organen liefern zu können, worüber die
Meinungen ja immer noch stark aus einander gehen.
Die Nesselorgane entstehen in Zellen, welche von den inter-
stitiellen Zellen, die auch den Geschlechtszellen den Ursprung geben,
nicht zu unterscheiden sind. Sie sind bei allen Cnidariern zu finden
und bilden manchmal eine lokal begrenzte, subepitheliale Lage (d. h.
sie bilden eine eigentliche Gewebelage).
Ein sehr grosser Kern wird von einer verhältnissmässig geringen
Masse (körnigen) Protoplasma umschlossen (Fig. 10). In dem
sehr hellen Kern markieren sich jedoch durch ihr stärkeres Licht-
brechungsvermögen ein oder zwei Kernkörperchen, von denen
das eine grösser ist als das andere. In der letzten Teilung be-
griffene Kerne weisen jedoch deren oft blos eines auf. Ferner zeigt
das Protoplasma des Kernes eine fein granulierte Stniktur. Das
umgebende Plasma sieht dann mehr homogen aus, kann aber auch
gröbere Körnchen (Nährstoff?) enthalten. In manchen Fällen (Hydra)
bildete das Plasma einen so dünnen Belag, dass ich es nur schwer
nachweisen konnte.
Die interstitiellen Zellen sind zu allen Jahreszeiten in stetem
Wuchern begriffen. Hin und wieder beobachtete ich auch in den
Nesselbildungszellen (Physalia) eine Umlagerung und Umgestaltung
des Chromatins des Kernes in Knäuelform und in Schleifen, die die
eintretende mitotische Teilung ankündigten i) (Fig. 8 a. b). Die
grobkörnigen Teile verschwinden mit dem Auftreten des Faden-
knäuels. Dabei wird auch das Kernkörperchen in Mitleidenschaft
gezogen, jedoch nicht immer sofort. Entschieden mitotische Teilungs-
stadien konnte ich übrigens auch an anderen Stellen beobachten
^) Die betr. Zellen stammten hier aus einer Gruppe Nesselbildungszellen,
von denen einige bereits die ersten Anlagen der Kapsel aufwiesen.
und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroiden. 237
(Fig. 9), vornehmlich da, wo sich dem Anscheine nach später das
Ei anlegte.
Diese Wucherungen müssen dazu bestimmt sein, einen grossen
Verbrauch zu ersetzen. Sie geschehen wie bei der Erzeugung der
Geschlechtszellen, so auch bei der Knospung ^) und ferner bei der
Regeneration der äusseren Gewebelage, wenn Teile davon verloren
gehen oder verbraucht werden. Hauptsächlich aber dienen sie
wohl zur Bildung von Nesselorganen. Denn der Verbrauch für
Regeneration im engeren Sinne ist beim normalen Tier nicht so
gross, und die Bildung von Geschlechtszellen geht nicht zu allen
Jahreszeiten vor sich.
Sehr oft liegen diese Nesselbildungszellen in Gruppen zusammen
(Fig. 10. 11), in denen die späteren Umwandlungsprodukte dann auch
so ziemlich die gleiche Entwickelungsstufe einhalten. Dieser Umstand
hat zu der Vermutung Anlass gegeben, dass die Zellen einer solchen
Gruppe einer gemeinschaftlichen Mutterzelle ^) entstammten. Man
findet aber auch in ein und derselben Gruppe Beispiele von ver-
schieden weit entwickelten Nesselorganen.
In solch einer Gruppe eben sich teilender Zellen, die deutlich
Nesselorgane bilden werden, konnte ich nie Mitose nachweisen,
wohl aber fand ich diese nicht selten in mehr vereinzelten Zellen.
Obschon die Befunde anderer Forscher dem widersprechen ■ — blos
Nussbaum entscheidet sich mit einiger Wahrscheinlichkeit für Ami-
tose — konnte ich meinerseits, wie gesagt, in den betreffenden
Zellgruppen immer nur eine direkte Teilung konstatieren.
Da ich diese häufig auch in anderen Zellen fand, dürfte eine
Beschreibung des Teilungsvorganges hier am Platze sein. Zuvor
aber sei beiläufig erwähnt, dass diese Teilung, da sie die letzte
ist, welche die betreffenden Zellen durchlaufen, den Resultaten
der neuesten Forschung über Kernteilung^) durchaus nicht wider-
spricht. Im Muskelepithel habe ich dieselbe nicht nachweisen
können, wohl aber ist sie im Entoderm mir öfter begegnet.
Nach meinen Beobachtungen dürfte die amitotische Teilung
folgendermassen vor sich gehen.
Das Chromatin verbindet sich mit den Kernkörperchen zu
einem Ganzen oder es sondert sich in dem Kern in ziemlich gleich-
massig grosse Granula.
•) Hiermit soll nicht gesagt sein, dass die Knospen aus einzelneu Inter-
stitiellzellen ihren Ursprung nehmen und das Entoderm dabei gar nicht beteiligt
ist, wie es neuerdings Albert Laug (lieber die Knospung bei Hydra etc.
Zeitschr. für Wiss. Zool. Bd. 54. Heft 1. 2, 1892) behauptet hat. Meine vorläufigen
Beobachtungen lassen mir immer noch die bisherige Ansicht (mit einigen Mo-
difikationen) als richtig erscheinen.
'2) Schon früher beobachtet von Nussbaum.
■') vide Litteratur 36, 43, 45.
238 Lewis Miirbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
Im ersten Falle zielit das Körperchen sicli in die Länge und
schnürt sich in der Mitte hanteiförmig ein. Im andern Falle, wo
aus dem Chromatin mehrere Granula sich gebildet haben, ordnen
diese sich in der Mitte des Kernes in zwei Gruppen, die sich ein-
ander gegenüber stellen. Von nun an sind die Veränderungen beide
Male die gleichen. Die beiden Massen der Hantel sowie die beiden
Gruppen der Granula trennen sich in zwei Hälften, die beinahe
gleich sind.
Der Kern fangt an sich zu strecken, sobald die Hantelform
sichtbar wird oder die Granula sich gruppieren, schnürt darauf sich
ein bildet durch Trennung und Abrundung zwei neue (Tochter-)
Kerne, von denen jeder durch die Teilung ungefähr die Hälfte des
Chromatins erhalten hat.
Mit der Teilung des Kernes Hand in Hand geht auch die
Teilung des Plasmas.
Hanteiförmige oder eben sich abschnürende Kernkörperchen
finden sich nicht gerade sehr häufig. Viel öfter begegnet man dem
etwas länglich ausgezogenen Kernkörperchen oder den schon abge-
schnürten beiden Hälften, die noch die Spitzen einander zukehren.
Dieses Stadium darf aber nicht mit solchen verwechselt werden,
in denen der Kern zwar auch zwei Nucleolen enthält, aber Nucleolen
von ungleicher Grösse, die sonst aber noch keinerlei Anzeichen einer
Teilung zeigen.
Das spärliche Vorkommen der zuerst beschriebenen Stadien
(Hantelform) kann übrigens ebensowenig befremden, wie der Mangel
anderer, die sonst bei der Mitose auftreten. In unsern Fällen handelt
es sich um schnell verlaufende Vorgänge, denen gegenüber solche,
die von längerer Dauer sind, weit häufiger zur Beobachtung kommen.
Ich habe diese Teilung als eine direkte oder amitotische be-
zeichnet. Wenn man allerdings unter mitotischer Teilung nur
diejenige versteht, bei der die Kernsubstanz (Chromatin) in zwei
gleiche Hälften sich sondert, so könnte auch die eben be-
schriebene Teilung als eine Art Mitose gelten. Sieht man aber den
Fadenknäuel, die Schleifen, die Spindel als wichtige Kriterien
der Mitose an, dann haben wir in unserem Falle nichts als eine
amitotische Kernteilung.
Die erste Anlage der Nesselkapsel (Kapselkeim, K. k. in
allen Figuren) beobachtete ich als ein kleines längliches (manchmal
auch beinahe kugeliges) hellglänzendes Körperchen im Innern nicht
des Zellenplasma, sondern des Kernes, beinahe unmittelbar neben
dem Kernkörperchen, von demselben durch seine mehr homogene
(nicht granulöse) Beschaffenheit unterschieden i) (Fig. 10a).
In einigen Fällen schien dieser kleine Kapselkeim sich eben
erst in Form eines Stäbchens von dem Kernkörperchen abgehoben
zu haben (Fig. 10b, e, h und Fig. IIa), aber noch neben demselben
^) Die Kapselkeime zeichnen sich im allgemeinen auch durch stärkere
Tinktionsfähigkeit vor den Kernkörperchen aus.
und Entwickeluiig der Nesselorgane der Hydroiden. 239
zu liegen. Wo sich von anfang an mehrere Kernkörperchen gebildet
hatten (Fig. 10c, d) fand ich später blos ein Kernkörperchen und
daneben das längliche Stäbchen.
Allmählich kommt nun der Kapselkeim aus der Tiefe des
Kernes an die Peripherie zu liegen (Fig. 10a, d u. IIb u. 17b),
ohne dass zunächst an ihm eine auffallende Grössenveränderung
zu beobachten wäre. Einmal freilich habe ich ihn schon jetzt von
einer beträchtlichen Grösse, ähnlich der seiner definitiven Form, vor-
gefunden (Fig. 10g, a). Auf der Peripherie angelangt, ist die Masse
bereits unverkennbar die junge Kapsel. Man ist somit zu dem
Schlüsse berechtigt, dass die erste Anlage der Nesselkapsel
aus dem Kern stammt und durch eine Art Teilung ensteht, bei
der aber nur ein verhältnissmässig kleiner Teil der Kernsubstanz
Verwendung findet.
Sobald der Kapselkeim an die Oberfläche des Kernes aufgerückt
ist, bildet sich um denselben ein heller Hof entweder bloS an der
inneren Seite (Fig. 10g, e, lld) oder fast im ganzen Umfange.
Oft jedoch verweilt er längere Zeit im Plasma der Zelle, ehe sich
der helle Hof um ihn bildet.
Immer aber steht der Kapselkeim da, wo er sich von dem
Kern abgehoben hat, mit dem Plasma der Zelle in direkter Ver-
bindung.
Diesen hellen Hof oder Sekretraum, wie er von den älteren
Autoren auch genannt worden ist, nahm man bis dahin für die erste
Anlage der Kapsel an. Verleitet wurde man zu dieser Annahme
jedenfalls durch die Häufigkeit der Fälle, in denen der kleine Kapsel-
keim beinahe ganz von dem hellen Hofe umgeben war. Ich meiner-
seits aber habe nie einen Sekretraum ohne Kapselkeim auf-
finden können, wohl aber junge Kapselkeime, die noch
nicht von einem hellen Hofe umgeben waren (Fig. 10, IIb,
12 a, 13).
Dieses helle Aussehen des Hofes ist jedenfalls darauf zurück
zu führen, dass das Protoplasma durch das Wachstum der
jungen Kapsel dünnflüssiger geworden ist, denn mit dem Grösser-
werden des Hofes wird das ursprünglich dickflüssige Protoplasma
allmähhch auf eine sehr dünne Hülle (Plasmabelag) reduciert. Der
dünne Plasmamantel ist an der Stelle, wo er den Kern birgt, be-
deutend dicker als sonst, ja sogar dicker als nötig scheint, um blos
den Kern zu beherbergen (Fig. IG u. 18e).
Es ist dies die Stelle, wo der Hals der jungen Kapsel dem
Protoplasma anliegt, und von wo aus sich auch der Schlauch des
Nesselapparates ausbildet (Fig. 11, e, d u. 12).
Der Hals der Kapsel wird allmählig etwas länger, bis man
schliesslich in ihm den Basalteil des Schlauches erkennt. Und endlich
sieht man, wie eine fadenförmige Fortsetzung des Halses, durch
stärkere Lichtbrechungsfähigkeit auffallend, in den Plasmabelag
hineinwächst und eine Windung nach der anderen um den Kern
herum legt: es ist der Schlauch der Kapsel, den man darin vor sich
240 Lewis Muibach: Beiträge zur Kenutnis der Anatomie
hat. Der Basalteil desselben liegt in der äussersten Spirale, während
das innerste, wachsende Ende den Kern umfasst.
Wir können also in der Bildung des Schlauches mehrere Stadien
unterscheiden, deren Dauer wesentlich von einander abweicht.
Das früheste Stadium, in dem die ersten Anlagen des Schlauches
sichtbar werden, kann im Ganzen nur selten beobachtet werden; die
Bildung geht anscheinend sehr schnell vor sich und entzieht sich so
in den meisten FäUen der Beobachtung. Die darauf zunächst
folgenden Stadien der Entwickelung , in denen sich der Schlauch
bereits in 3 oder mehr (bis 6) Windungen um den Kern herum gelegt
hat, können sehr häufig beobachtet werden (Fig. 16). Dann
aber wird es schwieriger , die weitere Entwickelung , das Wachsen
des Schlauches, genauer zu verfolgen, da letzterer in den meisten
Fällen bereits eingestülpt in der Kapsel liegt (Fig. 20). Die
Schläuche sind dann nicht blos viel länger und dünner, sondern
auch fester als in dem Stadium vor der Einstülpung.
Es entsteht nun die Frage ob a) etwa der vor der Einstülpung
an seinem äussersten Ende noch ziemlich dick aussehende Schlauch
sich bei der weiteren Ausbildung in die Länge streckt, oder ob b) die
feinsten jüngsten Spiraltouren sich so wenig vom Plasma abheben,
dass sie unsichtbar bleiben, oder ob c) diese weiteren, letzten Stadien
so schnell vor sich gehen, dass es schwer hält, dieselben zur Be-
obachtung zu bekommen. Ich möchte ein Zusammenwirken von b
und c für das Wahrscheinlichere halten.
Da der Schlauch vor seiner Einstülpimg bis in das letzte Stadium,
das ich beobachten konnte, noch eine gewisse embrj^onale Unfertig-
keit aufweist, indem weder die Spiralerhebungen (Härchen) des End-
abschnittes, noch deutliche Widerhaken nachzuweisen sind, so darf
man wohl annehmen, dass er von einer Art Ueberzug oder Bildungs-
matrix umhüllt ist. Diese würde sich dann nach seiner Einstülpung
ablösen, so dass der Schlauch dann in seiner definitiven Form er-
scheint.
Kapselkeim und Schlauch sind jetzt vollkommen ausgebildet.
Der Kapselkeim wird zur dünnen Innenwand der doppelwandigen
Kapsel und der Schlauch ist eingestülpt, während die Masse, die
den hellen Hof um die innere Kapselwand (Kapselkeim) bildete, sehr
rasch kleiner wird, sich verdichtet und schhesslich die dickere äussere
Wand der Kapsel darstellt.
Der kontraktile Plasmabelag der Zelle folgt der Kapsel und
schhesst sich eng an diese an.
Wenn wir seiner Zeit in dem anatomischen Teil drei Arten der
Nesselapparate unterschieden, so geschah dieses zunächst mit Rück-
sicht auf ihre Beschaffenheit. Es findet diese Einteilung aber auch
in der Entwickelung eine Stütze. Die allgemeinen Züge der Ent-
wickelung sind freilich für alle Formen die gleichen. Aber daneben
finden sich gewisse Eigenthümlichkeiten, die eine jede derselben
auszeichnet. Ich beginne bei der Darstellung derselben, wie in dem
und Entwickelung der Nesselorgane der Hydi'oiden. 241
anatomischen Teile, mit dem einfachsten Nesselapparat, wie wir ihn
bei Physalia und anderen finden.
Der längliche Kapselkeim wächst hier anfänglich verhältnis-
mässig langsam (Fig. 11), nimmt aber mit zunehmender Grösse
eine immer mehr rundliche Form an. Sobald der verlängerte
Schlauch und der sehr früh gross gewordene helle Hof es erlauben,
finden wir die junge Kapsel etwas entfernt vom Zellkern (Fig. 16 a, b).
Der Kern liegt aber immer in der dickeren Masse des Proto-
plasmabelages, wo er von dem wachsenden Ende des Schlauches
eng umfasst ist, und weist stets ein Kernkörperchen auf.
Vor der Einstülpung des Schlauches konnte ich nie mehr als
6 Spiraltouren beobachten, während ich in der ausgebildeten Kapsel
deren wenigstens zweünal so viele vorfand. Spiraltouren und Kapsel-
keim liegen nicht in derselben Ebene, doch liegen die Windungen
des Schlauches gewöhnlich seitlich neben der ovalen Nesselzelle. Ein
Bild für die noch nicht ganz abgeschlossene Einstülpung des Schlauches
bildet Fig. 5B. Ich konnte diesen Fall mehrfach beobachten.
Beobachtungen an Hydra, marinen Hydrozoen und Velella, bei
denen durchweg komplizierte Schläuche mit Widerhaken in den
ovalen Kapseln vorkommen, lehren, dass der Entwicklungsgang bei
ihnen allen derselbe ist (Fig. 10, 12, 14, 15).
Der Kapselkeim ist hier mehr länglich und nicht so grobkörnig,
wie bei Physalia. Der helle Hof ist stets verhältnismässig klein.
Der Basalteil des werdenden Schlauches ist von Anfang an weit, und
die Widerhaken entwickeln sich spät als nach hinten gerichtete
Fortsätze. Die Zahl der Spiraltouren ist IV2 oder zwei. Dieselben
liegen in einer Ebene mit dem Kapselkeim und dem Zellkern; die
Ebene durchschneidet die Mitte der Zelle. Besonders in den späteren
Stadien liegt der Kern dem Basalteile des Schlauches sehr nahe.
Ohne dass man inzwischen mehr Spiraltouren beobachten kann,
ist der Schlauch in späteren Stadien teilweise schon eingestülpt
(Fig. 14, 20)
Bei der Entwickelung der dritten mehr komplizierten Nessel-
apparate aus Nesselbändern von Physophora und Agalma weist der
Kapselkeim gewöhnlich schon früh eine längliche und etwas ge-
bogene Form auf (Fig. 17, 18c). Er ist hier wieder sehr grob-
körnig und Hegt in einem mittelmässig grossen hellen Hofe. Der
Schlauch zeigt nie viele Windungen (1 — 4). Der Kern nimmt
anfangs die konkave Seite des Kapselkeimes ein, scheint aber später
mehr an dem Basalteil des Schlauches zu liegen. In der Einstülpung
begriffene Schläuche habe ich nicht beobachten können.
Bei der zuerst beschriebenen Art der Nesselapparate war kein
Basalabschnitt des Schlauches vorhanden, bei der zweiten und dritten
Art kamen Basalabschnitte mit Widerhaken und Dornen vor.
Ganz abgesehen von der verschiedenen Form des Nesselkapsel-
keimes, liegt der Hauptunterschied der drei Arten in der Form des
Schlauches und in seinen primitiven Lagebeziehungen zu dem Zell-
Aicli. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 3. 16
242 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
kern. Aus dem letzteren Umstand glaube ich noch einen wichtigeren
allgemeinen Schluss ableiten zu können.
In den zuletzt beschriebenen Fällen konstatierten wir die pro-
ximale Lage des Kernes zu dem Basalabschnitt des Schlauches,
bei allen 3 Arten aber die unmittelbare Gegenwart des Kernes an
dem wachsenden Schlauchende. Hierin liegt nach meiner Ansicht
eine Bestätigung der schon von anderen Autoren ^) behaupteten That-
sache, dass die Bildungsthätigkeit der Zelle von der Lage
des Kernes in derselben abhängt.
Die Angaben früherer Autoren über Einstülpung des
Schlauches beziehen sich nie auf die erste Ursache dieser Er-
scheinung. Sie beschränken sich durchweg auf die die Einstülpung
unterstützenden Momente. Zu diesem ganz eigenartigen Vorgang
möchte ich mir nun erlauben, folgende Bemerkungen als Versuch
einer Erklärung zu machen.
Ich nehme an, dass mit dem Abschluss der Bildung der inneren
Kapselwand und des Schlauches eine chemische Veränderung im
Plasma der Nesselzelle vor sich geht.
Es wird der „hellen Masse" (d.h. jener, die die innere Kapsel
umgiebt, also den früher besprochenen hellen Hof bildet) Wasser
entzogen und die Folge davon ist, dass diese sich verdichtet. Das
Wasser, welches auf diese Weise der äusseren Kapselwand entzogen
wurde, wird nun aus dem Inhalte der inneren Kapsel ersetzt. Durch
diesen Wasserverlust im Innern der Kapsel muss der Druck auf das
Aeussere der Kapsel zunehmen. Die Kapsel, nunmehr aus doppelter
Hülle bestehend, wird so fest, dass sie dem Drucke von aussen
gar nicht oder sehr wenig nachgiebt, wie man auch aus ihrer Form
erschliessen kann 2). Der Schlauch dagegen stellt eine dünnere nach-
giebigere Stelle dar und zwar ist die Spitze des Schlauches am
dünnsten. An dieser Stelle wird nun dem Drucke nachgegeben, und
eine rasche Einstülpung vom Ende des Schlauches aus ist davon
die natürliche Folge. Von der Spitze an wird der Schlauch durch
den „negativen Druck" förmlich eingesogen (Fig. 14b, 20).
Diese Einstülpung (Einkrempelung) erfolgt sehr rasch bis an die
Widerhaken, wo solche vorhanden. Durch die Einkrempelung ver-
anlasst, legen diese ihre Spitzen nach oben zusammen (Fig. 14b)
und senken sich so herunter in die Röhre. Da die Uebergangsstelle
des Zwischenstückes in den Basalabschnitt gewöhnhch am dünnsten
ist, so krempelt sich der Basalteil des Schlauches so ein, dass die
zusammengelegten Widerhaken mit der Spitze nach aussen in sein
Inneres eingezogen werden. Man kann sich diesen Vorgang dadurch
veranschaulichen, dass man sich eine feine Dolchspitze auf der
Fingerspitze eines Handschuhes befestigt denkt. Krempelt man nun
den Finger des Handschuhes ein, so kommt die Dolchspitze in das
1) cf. Litt 21 u. 28.
') Nur Kapseln mit bereits eingestülptem Faden wurden zuweilen mit zu-
sammengefallener und gerunzelter Wand gefunden.
und Eutwickeluüg der Nesselorgane der Hydroiden. 243
Innere des eingekrempelten Fingers zu liegen, der eingekrempelte
Finger selbst liegt aber im Innern (der Hand) des Handschuhes,
welches dann etwa der Kapsel entsprechen würde.
Wenn die Widerhaken bis gegen die Basis der Kapsel hinunter
reichen, dann folgt aus der anatomischen Sachlage, dass normaler
Weise blos ein kurzer Abschnitt der dünnen Röhre in dem Hohl-
raum unter den zusammengelegten Widerhaken liegt (Fig. 1, 2)
Von der Spitze dieses kurzen Abschnittes geht der dünne Schlauch-
abschnitt nach der Basis der Kapsel zurück, um von da aus in
vielen Windungen sich aufzurollen. Da der Schlauch sich in einer
spiraligen Lage entwickelte, eine derartige Anordnung im Kapsel-
raum aber auch für das spätere Hervorschnellen von Nutzen ist,
wird man sich die spiralige Anlage im Innern der Kapsel leicht er-
klären können.
Bei der Ausstülpung würde dieser ganze Vorgang sich dann
gerade in umgekehrter Reihenfolge abwickeln. In der That hatte
ich bei einer durch Druck sich langsam entladenden Kapsel Gelegen-
heit das letztere zu beobachten (Fig. 2, 5).
Als für alle Fälle geltend ist noch hinzufügen, dass der ein-
stülpende Druck von aussen das sich einkrempelnde Lumen des
Schlauches stets mit der umgebenden Masse gefüllt erhält.
Um die Hauptzüge der Einstülpung sich zu veranschaulichen,
denke man sich etwa folgenden Apparat.
Eine ziemlich resistente Kapsel aus einem Material, das hohe
osmotische Fähigkeit besitzt, trägt an dem Halse eine dünne Röhre
(Schlauch), deren Wand allmählich nach der Spitze zu dünner wird
und sich verjüngt. Das Ganze aber ist mit Wasser gefüllt.
Kapsel und Röhre werden nun in einer starken Eiweisslösung oder
sonst einer osmotischen Druck produzirenden Flüssigkeit unterge-
taucht. Sobald die Exosmose vor sich geht, wird der äussere Druck
auf die Kapsel und den Schlauch gesteigert, und da die Kapselwand
nicht nachgeben kann, so wird die sehr zarte Röhre, von ihrer
dünnsten Stelle aus anfangend, eingestülpt werden. Da der Druck
blos mittelst der umgebenden Flüssigkeit wirken kann, so wird selbst-
verständlich das sich einstülpende Lumen der Röhre von der um-
gebenden Flüssigkeit erfüllt sein. Gerade dieser letztere Umstand,
der seit Möbius' Arbeit nicht wieder hervorgehoben worden ist,
scheint mir sehr wichtig. Während nun aber Möbius diese Flüssig-
keit blos zur Erhöhung der Adhäsion des ausgestülpten Schlauches
verwendet haben will, glaube ich, dass diese Flüssigkeit das giftig
wirkende Sekret ist, während der Kapselinhalt nur dazu bestimmt
ist, hydrostatisch zu wirken (cf. anatomischer Teil).
Bis nach der Einstülpung hegt nun die Kapsel mit dem Ein-
stülpungs- oder Entladungspol dem Kern der grösseren Protoplasma-
masse der Zelle zugewendet, im entladungsfähigen Zustande aber
ist der Entladungspol von dem Kern abgewendet (Fig. 5B. 20).
16*
244 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
Dieser dickere Teil des Plasmabelags mit Kern wird zum Basal-
teil der Nesselzelle und ist gewöhnlich der Stützlamelle zugewendet
(Fig. 5e u. 14).
Folglich muss die Kapsel nach ihrer Ausbildung eine Rotation
von 180 Grad durchmachen, um in die richtige Stellung zu kommen.
In manchen Fällen ist aber der Kern schon an der Seite der Kapsel,
dann genügt eine Drehung von 90 Grad. Nur bei Hydra hat Nuss-
baum diese Umdrehung beobachtet; ich konnte sie nicht nur hier,
sondern auch bei Physalia feststellen.
Was ist nun der Zweck und die Bedeutung einer solchen
Drehung? Das Natürlichste ist wohl, dass die Kapsel sich auf diese
Weise in die richtige Lage für die Entladung setzt. Denn der
Schlauch konnte ja nicht gut durch den dicken Teil des Plasma-
belages, wo der Kern sitzt, entladen werden. Ob dann auch der
Kern aufs Neue an eine Stelle tritt, wo seine Thätigkeit verlangt
wird, und ob dieser Vorgang mit der Bildung der später zu be-
sprechenden Fortsätze (Stiele) in Beziehung steht, kann erst nach
weiteren Beobachtungen festgestellt werden, zu denen ich später
Gelegenheit zu finden hoffe.
Ueber die Entwickelung der Muskelstiele ist wenig zu sagen.
An den soeben zur Ausbildung gelangten Nesselapparaten kann
man noch nicht von einem Ausläufer oder Stiel sprechen; man er-
kennt hier nur eine massenhafte Anhäufung von Plasma, die den
Kern birgt. Der übrige Teil des Kapselbehälters ist gewöhnlich auf
eine dünnere Membran reduziert, die später bei der Entladung des
Schlauches durchbohrt ist (Fig. 5 D).
Meine Untersuchungen über die Entwickelung der Stiele sind im
Ganzen ebenso resultatlos verlaufen, wie seiner Zeit die Untersuchungen
Jickeli's. Einen kleinen Plasmafortsatz (Fig. 21), der in der Richtung
des späteren Stieles hinzieht, kann man als erste Andeutung desselben
ansehen. Bei VeleUa (Fig. 22 a) habe ich auch weiter vorgerückte
Stadien gefunden, in denen der Fortsatz eine bedeutendere Länge er-
reicht hatte und unzweifelhaft schon den späteren Stiel repräsentierte,
auch manchmal ein stark tingirbares Granulum in sich einschloss.
Stadien, wie ich sie in Fig. 22b, e abgebildet habe, würden dann
direkt auf die ausgebildeten Stiele führen.
Von diesen halte ich e für das jüngere Stadium, weil dort noch
kein Cnidocil vorhanden ist, und b für das ältere; auch hier sieht
man an dem unteren Ende die hellglänzende Masse. Es ist möglich,
dass das stark sich fingierende Körperchen Beziehung zu den An-
schwellungen hat, die man im Basalteil der Stiele von Velella vorfindet.
Noch eine Beobachtung will ich hier erwähnen, die, obgleich
ich sie nicht verwerten kann, von Interesse sein dürfte. Es ist dies
eine sich entwickelnde Nesselkapsel mit Schlauch (bei Velella) in
einer Nesselzelle, deren Stiel schon die langgestreckte schlanke
Form und die derbe Beschaffenheit des spätem Apparates besitzt
(Fig. 27.). Anfangs glaubte ich einen Fall vor mir zu haben, wo
nach Verlust der ersten Nesselkapsel eine zweite sich bildete. In
und Eutwickelung der Nesselorgaue der Hydroideii. 245
Ermangelung weiterer Beobaclitungen muss ich es aber dahingestellt
sein lassen, ob diese Annahme die richtige war.
Nachdem wir hiermit die Entwickelung der Nesselorgaue bis
zimi Abschluss geschildert haben, bleibt noch übrig, die Frage zu
erörtern, auf welche Weise diese Organe von dem Entwickelungs-
ort an die Stätte ihres Verbrauches gelangen, an einen Ort, der in
vielen Fällen eine nicht unbeträchtliche Strecke von ersterem ent-
fernt ist. Die Frage ist zwar schon viel angeregt worden, aber eine
befriedigende Beantwortung hat sie bis dahin nicht gefunden. Zwei
Antworten liegen auf der Hand. Entweder werden die Nesselorgane
auf natürliche Weise durch das Wachstum der Gewebe vorgeschoben,
oder sie werden durch ein aktives Wandern an ihre Verbrauchsstätte
befördert.
Bei den Polypen findet im allgemeinen ein grösserer Verbrauch
von Nesselorganen auf den Tentakeln statt als irgendwo anders.
Nun bilden sich diese Organe aber nicht etwa auf letzteren, sondern
im Ectoderm des Körpers, vorzüghch in der Nähe der Tentakelzone,
wo ansehnliche Massen von Nesselbildungszellen liegen und förm-
liche Vorrathskammem darstellen. Da es mir zunächst sehr unwahr-
scheinlich schien, dass so hoch differenzierte Zellen, wie die Nessel-
organe es sind, aktive Wanderungen durchmachen könnten, suchte
ich nach Merkmalen eines Vorschubs durch Wachstum der Gewebe,
wie es ja auch schon die älteren Autoren^) bei den Fangfäden der
Siphonophoren beobachtet hatten. Allein ich konnte bei Hydra
dafür keine Stütze finden.
Hie und da bemerkte ich aber in den Tentakeln bei Hydra
Nesselorgane parallel zur Oberfläche, und dieses schien auf eine active
Wanderung hinzudeuten. Später fand ich auch in der früheren
Litteratur Zeichnungen, die bei nahe verwandten Formen ganz
deutlich das gleiche Verhalten zeigten. So kann man u. a. in den
sehr sorgfältig ausgeführten Zeichnungen Schulz e's (40) die Richtung
der Nesselzellenwanderung beobachten, wenngleich im Texte selbst
darüber Nichts bemerkt ist. Auch in den Zeichnungen der Gebrüder
Hertwig (24) Taf. V. sieht man Nesselzellen, die auf der Wanderung
vom Nesselwulst auf die Tentakel begriffen sind (Fig. 26 bei Carma-
rina hastata).
Eine weitere auffallende Beobachtung benahm mir den letzten
dweffel an einer Wanderung dieser Organe; sie brachte mich über
Ziese Erscheinung völlig in's Klare.
Bei Velella^) fand ich nämlich nicht blos ein grosses Nessel-
lager unter der sogenannten Leber, sondern auch überall zwischen
deren röhrigen Fortsetzungen Nesselorgane in den verschiedensten
Entwickelungszuständen. In der Velellascheibe haben wir, von unten
nach oben gedacht, zuerst Ectoderm (Ec), dann eine dicke faserige
1) cf. Litt. 31 u. 38.
2) Fig. 26, Taf. II.
246 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
Stützlamelle m, eine Lage Entoderm und endlicli das oben erwähnte
mächtige Nessellager (n. p.).
Wie eine solche Masse von Nesselorganen zur Verwertung ge-
langen sollte, da sie, ganz abgesehen von Ectoderm und Entoderm,
durch eine dicke Stützlamelle begrenzt war, schien so lange un-
begreiflich, bis meine Aufmerksamkeit auf letztere selbst (Fig. 23. 24m)
gerichtet wurde. Jetzt aber fand ich in derselben hie und da
kanalartige Lücken (Fig. 26 e), die alsbald näheren Aufschluss gaben.
Auf Serienschnitten konnte ich nun nachweisen, dass diese
Kanäle schräg durch die Stützlamelle hindurch aus der Tiefe bis in
das Ectoderm der unteren Fläche der Velellascheibe führten. Ge-
legentlich traf ich dabei den schrägen Kanal in seiner ganzen Länge
(Fig. 23 u. 24 e), und da stiess ich nun auf die überzeugendsten
Zeichen einer Wanderung ; denn der Kanal enthielt mehrfach Nessel-
organe (Fig. 23, 24), die auf dem Wege von dem Magazin nach
dem Ectoderm waren. ^) Ich konnte sogar noch mehr beobachten,
denn die betreffenden Gebilde waren nicht etwa regellos angeordnet,
sondern immer mit dem Basalteil (Plasma und Kern) in der
Richtung ihrer Wanderung gestellt (Fig.23,24). Auf all den vielen
Schnitten, die ich untersuchte, konnte ich immer die Einhaltung dieser
Lage feststellen. Da aber Nesselorgane im Ectoderm der unteren
Seite der Velellascheibe im allgemeinen nicht sehr häufig vorkommen,
konnte ich hoffen, in der Nähe der Verbrauchsstätten (der Geschlechts-
polypen u. Tentakeln) dieselben noch häufiger anzutreffen. Und
auch dieses bestätigte sich vollständig. An der Basis der Polypen
waren sowohl die Kanäle häufiger, als anderswo (Fig. 25, 26), wie
auch die Nesselorgane in grosser Menge vorhanden. Sogar in den
Lücken konnte ich sie schaarenweise (Fig. 25 e. no) auffinden,
im Begriff an den Polypen herabzusteigen. Die Zellkörper selbst
scheinen sie dabei nicht zu durchsetzen, wohl aber zwischen den Ecto-
dermzellen dahin zu kriechen. Ihre Bewegung w^ird wahrscheinlich
durch Kontraktionen in den nächstliegenden Zellen befördert. Wo
die Durchbruchstelle in geringer Entfernung von dem Polypen ist, da
sieht man die Nesselorgane longitudinal unter dem Ectoderm hin-
ziehen. Beiläufig mag dabei übrigens erwähnt sein, dass diese
Nesselorgane oft das Cnidocil schon aufweisen, bevor sie an die
Oberfläche gekommen sind (Fig. 23. no.).
Bei den nesselbandtragenden Siphonophoren sind die Ver-
hältnisse insofern andere, als die Kapseln sich in dem Nesselband
entwickeln und nach Abschluss der Entwickelung des Nesselknopfes
unmöglich von anderer Stelle einwandern können.
Hier hätten wir also doch einen Fall, wo für die verbrauchten
Nesselkapseln durch einen Nachschub Ersatz geleistet wird, welcher
^) Erst nachdem meine Beobachtungen soweit gediehen waren, kam mir
Bedot's (3) Schrift zu Gesicht, und hier fand ich, dass diese Beobachtung
schon vor mir gemacht war. Bedot giebt jedoch nicht an, wie die Nessel-
organe nach dem Ectoderm bewegt werden.
und Entwickeluiig der Nesselorgaiie der Hydroiden. 247
auf dem natürlichen Wachstum der Gewebe beruht. Allerdings finden
sich zahlreiche Entwickelungsstadien aller Art auch auf dem Basal-
abschnitt des Polypen, aber die Fangfäden oder Tentakeln sind ja
nichts als Ausstülpungen dieses Basalteils der Polypen.
Bei den Hydroiden darf man wohl mit Recht annehmen,
dass die Nesselorgane sich in mehr proximal gelegenen
Regionen des Körpers bilden, aber durch aktive Wanderung
oder auch durch Vorschub infolge Wachstums nach mehr
distalen Teilen des Körpers gebracht werden, um dort ihre
Funktion zu erfüllen und dabei verbraucht zu werden.
Dass ziemlich einfache Zellen — Eier — der Hydroiden im Ecto-
derm und im Entoderm hin und her wandern, ja sogar durch die
Stützlamelle hindurchpassieren, ist zwar längst durch andere Arbeiten ')
bekannt, bei so hoch differencierten Zellen aber, wie unsere Nessel-
organe es sind, spricht eine derartige Wanderung für eine Selb-
ständigkeit, die ein hohes Interesse beanspruchen dürfte.
Um meine Befunde zum Schluss noch einmal kurz zusammen zu
fassen, so besteht die Nesselkapsel zunächst aus einem sehr zarten
Bläschen, das von einer sehr festen äusseren Wand umschlossen
ist. Während das Bläschen von dem Kern aus seinen Ursprung
nimmt, rührt die äussere Wand von der Masse her, die während
der Entwickelung des Bläschens um dasselbe herum ausgeschieden
wurde.
Der Schlauch büdet sich als Fortsetzung des Bläschens aus
dem Protoplasma der Zelle um den Kern herum. Diese Entstehungs-
weise bedingt seine spiralige Aufrollung in der Kapsel.
Die Wasserentziehung aus der das Bläschen umgebenden Masse
erzeugt osmotischen Druck nach dem Innern des Bläschens und ist
als die Ursache der Einstülpung des Schlauches anzusehen.
Die wichtigsten Teile des Nesselapparates der Hydro-
iden, Bläschen und Schlauch, sind Gebilde, die durch
Wachstum in der Zelle entstanden, und nicht etwa Aus-
scheidungsprodukte derselben.
Nachtrag.
Während eines kurzen Aufenthaltes an der Zoologischen Station
zu Neapel benutzte ich einen Teil meiner Zeit, die im vorigen Jahre
an konserviertem Materiale gewonnenen Resultate an lebenden
Objekten zu kontrolieren.
Als Tinctionsmittel wurde Methylenblau mit gutem Erfolg
benutzt.
^) Weismann, Die Entstehung der Sexualzellen bei Hydromedusen.
248 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
An Siphonoplioren und Medusen (Carmarina) liess sich die oben
geschilderte Entwickelung der Nesselorgane vollständig bestätigen.
Da ich früher keine Gelegenheit hatte, Actinien zu berück-
sichtigen, so nahm ich zuerst diese vor. — An Gewebeteilen, die
dem äusseren Rande des Körpers unterhalb der Tentakel einer
Anemone sulcata entnommen wurden, konnte ich Nesselorgane,
in verschiedenen Entwickelungsstadien begriffen, auffinden. Die
frühesten Stadien, die bei dieser vorläufigen Beobachtung festgestellt
werden konnten, betrafen junge Kapseln, die hufeisenförmig zu-
sammengekrümmt in der Nesselzelle lagen und den Kern gewöhnlich
im Bogen einschlössen.
In älteren Stadien war die Kapsel mehr gestreckt und man
konnte den Schlauch als Fortsetzung der Kapsel, um den Kern
herum 1) in vielen Windungen verfolgen. Die Windungen sind
locker und liegen nicht in einer Ebene.
Es scheint somit auch hier derselbe Entwickelungsgang
der Nesselorgane, wie solcher für die Hydroiden be-
schrieben wurde, stattzufinden.
Betreffs der Wanderung der Nesselorgane wurden (bis jetzt)
an lebendem Material drei Beobachtungen gemacht. Bei der ersten
wurde ein Hydranth von Pennaria Cavohnii unter dem Deckglas durch
Klopfen so weit zertrümmert, dass die Zellen ziemlich isoliert waren.
Sehr viele von den Nesselzellen waren verletzt. In einer, die noch
intakt schien, konnte ich Formveränderungen des Plasma feststellen.
Sie waren träge und nicht umfangreich. Vorwärtsbewegung konnte
nicht beobachtet werden. Eine Täuschung durch passive Lagen-
veränderung war durch gleichzeitige Beobachtung eines fixen Punktes
(der Widerhaken) in der Nesselkapsel ausgeschlossen.
Die zweiten und dritten Beobachtungen geschahen ebenfalls an
Pennaria C. Die eine gab ein kleines, jedoch sicheres Resultat (Vergl.
Holzschnitt). Ein Nesselorgan, das lokale Wanderungen zu machen
schien, wurde während 26 Minuten beobachtet und zu Intervallen von
4 — 9 Minuten mit der Camera lucida skizziert, wobei die gleichfalls ge-
zeichneten Kuppen der EctodermzeUen als Anhaltspunkte dienen. Es
ergab sich dabei, dass die Nesselzelle unter fortwährenden Form-
veränderungen anderthalb Zellen, eine Strecke, die ungefähr ihrem
Längsdurchmesser gleichkam, durchsetzte. Die Bewegung war mit dem
Basalteil der Zelle voran auf einen Tentakel hin gerichtet. Bei einer
Skizze (b) konnte ich die Umrisse der ZeUe nicht deutlich genug
sehen, sie zu zeichnen. In zwei anderen (a u. f) war der Kern
nicht sichtbar.
An einem anderen Tage wurden verschiedene Nesselzellen, die
parallel zur Oberfläche lagen, an einem frisch abgeschnittenen
Hydranthen beobachtet. Einige schienen sich gar nicht zu bewegen,
während andere dies sehr langsam thaten. Eine, deren Bewegung
sofort in's Auge fiel, wurde längere Zeit verfolgt (ihre Lage war
1) Aber nicht um die Kapsel wie Schneider (vide lit.) meint.
uiui Entwickeluug der Nesselorgaue der Hydroiden.
249
ungünstig zum Zeiclmen). Sie lag parallel zur Oberfläche und in
einer Entfernung, die ihren Längsdurchmesser ungefähr drei Mal
übertraf, hinter einem geknöpften Tentakel, der direkt unter dem Rüssel
stand. Die Bewegung geschah in der Richtung des Tentakels, die
9 min.
7 min.
Widerhaken waren dabei nach hinten gerichtet. In ca. 15 Minuten
hatte sie die Tentakelbasis erreicht — und dabei sich 2 Mal beinahe
aufrecht gestellt. Der Hydranth selbst war inzwischen nahezu ab-
gestorben. Nach einer langsamen Umdrehung (180*') ging die Zelle
250 Lewis Miirbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
in beinahe entgegengesetzter Richtung durch eine Strecke, die un-
gefähr 1 V2 Mal die ihres Längsdurchmessers war, und stockte dann
völlig. Die Bewegung von der Basis des Tentakels bis dahin nahm
wiederum 15 Minuten in Anspruch.
Es sind das Thatsachen, die meine früheren Schlüsse voll-
kommen zu bestätigen geeignet sein dürften.
Napoli, den 31. Mai 1894.
Litteratur- Verzeichnis.
1. Agassiz, L. Contributions to the Natural History of the U.
S. A. Vol. III. 1860.
2. AUman, Geo. A Monograph of Gymnoblastic Hydroids. 1871.
3. Bedot, M. Recherches sur l'organ central et le Systeme vas-
culair des Velelles. Recueil zool. suisse. Tom. I. 1884.
4. — Recherches sur les cellules urticantes. Ibid. Tom. 4. 1888.
5. Bütschli, 0. Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien.
Zschr. f. Wiss. Zool. Bd. 35. 1881.
6. Chorda, Nova Acta Physico-Medica. T. XVIII. 1839 (nach
Erdl).
7. Chun, Carl. Die Greifzellen der Rippenquallen. Zool. Anz. I"
1878.
8. — Die Natur- und Wirkungsweise der Nesselzellen bei Coe-
lenteraten, Zool. Anz. 4. 1881.
9. — Die mikroskopischen Waffen der Coelenteraten. Zschr.
Humboldt. Bd. I.
10. — Die Canarischen Siphonophoren
1. Stephanophyes superba, in Abhdlg. der Senkenber-
gischen Nat. Ges. 1891.
11. — 2. Monophyiden, ebenda 1893.
12. Claus, C. Physophora hydrostatica. Zschr. f. wiss. Zool.
Bd. 10. 1860.
13. — Haiistemma tergestinum. Arb. a. d. Zool. Inst, zu Wien.
1878.
14. Davenport. On the development of Cerata in Aeolis. Bull.
of the Mus. of Comp. Zool. Harvard Coli. Cambridge. Vol. 24.
No. 6. 1893.
15. Ehrenberg. Abh. der Berliner Akademie aus d. Jahre 1835
bis 36 (nach v. Siebold).
und Entwickeluiig der Nesselorgane der Hydroiden. 251
16. Eimer, Th. Nesselzellen und Samen bei Seeschwämmen.
Archiv für Mikr. Anat. Bd. 8. 1892.
17. Erdl, P. Ueber Organisation der Fangarme der Polypen.
Muellers Arch. 1841.
18. Gegenbaur, C. Beiträge zur näheren Kenntnis der Siphono-
phoren. Zschr. f. w.'^Zool. Bd. 5. 1854.
19. Gosse, British Sea Anemones (nach Möbius).
20. Greef , Rieh. Protohydra Leuckartii. Zschr. f. Zool. Bd. XX.
1870.
21. Haberlandt. Ueber Beziehungen zwischen Lage und P\inktion
des Zellkernes bei den Pflanzen. 1887.
22. Haeckel, E. Report Challenger, Siphonophora. 1888.
23. Hamann , 0. Der Organismus der Hydroid- Polypen I. Jen.
Zschr. f. Nat. Bd. XV. N. F. VIII. 1882 und IL ebenda.
24. Hertwig, 0. u. R. Das Nervensystem und die Sinnesorgane
der Medusen. 1878.
25. Jickeli, C. Ueber den histol. Bau von Eudendrium racemosum
und Hydra. Morph. Jahrb. Bd. 8. 1882.
26. — II. Bau der Hydroid-Polypen.
27. Korotneff , A. Zur Histologie der Siphonophora. Mitteil. a. d.
Zool. Stat. Neapel Bd. 9. 1886.
28. Korscheit, E. Beiträge zur Morph, u. Physiol. des Zellkernes.
Zool. Jahrb. Bd. 4. 1889.
29. Kleinenberg, U. Hydra, eine anatomisch - entwickelungs-
geschichtliche Untersuchung. 1872.
30. Lendenfeld, R. v. Ueber Wehrpolypen und Nesselzellen.
Zsch. f. Zool. Bd. 38.
31. Leuckart, R. Zool. Untersuchungen I. Die Siphonophoren.
1853.
32. Leydig, F. Bemerkungen über den Bau der Hydra. Mueller's
Archiv. 1854.
33. Möbius, C. Ueber den Bau, Mechanismus und die Entwicklung
der Nesselkapseln. Abh. d. naturwiss. Vereins zu Hamburg.
1866.
34. Nussbaum, M. Ueber die Teilbarkeit d. leb. Materie. H.
Archiv f. microsp. Anat. Bd. 27. 1887.
35. Pagenstecher, A. Zur näheren Kenntnis der Vellelliden-Form
Rataria. Zschr. f. w. Zool. Bd. XII. 1862.
36 von Rath, 0. Ueber die Bedeutung der amitotischen Kern-
teilung im Hoden. Zool. Anz. Bd. 14. 1891.
252 Lewis Murbach: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie
37. Schneider, C. K. Histologie von Hydra fiisca mit besonderer
Rücksicht auf das Nervensystem der Hydroidpolypen. Archiv
f.Mic.Anat. Bd. 35. 1890.
38. — Einige histologische Befunde an Coelenteraten. Jen. Zschr.
f. Nat. Bd. 27. N. F. 20. 1892.
39. Schulze, F. E. lieber den Bau und die Entwickelung von
Cordylophora lacustris. 1871.
40. — Ueber den Bau und die Entwickelung von Syncoryne Sarsii.
1873.
41. — Spongicola fistularis. Archiv f. Mic. u. Anat. Bd. XHI. 1877.
42. Trembley, A. Memoire pour servir a l'histoire d'un genre de
polypes d'eau douce. 1744.
43. Ziegler, H. E. Die biologische Bedeutung der amitot. Kern-
teilung im Tierreich. Biol. Centralblatt. Bd. H. 1891.
44. Zoja, Raff. Alcune ricerche morfologiche e fisiologiche suU'
Hydra. BoUet. Scientif. Anno XII. 1890.
45. — Amitosis or Direct Nuclear Division. Jour. Roy. Micr. Soc.
Pt. 1. Febr. 1892.
(Benutzte Lehrbücher und allgemeine Werke über
Cnidarier sind nicht besonders verzeichnet.)
und Entwickelung der Nesselorgane der Hydroideu.
253
Erklärung der Abbildungen.
Allgemeine Bezeichnungen.
Cn = Cuidocil.
Co = Zwischenstück des Schlauches.
Dk = Deckel.
Ec = Ectoderm.
En = Entoderm.
H = Hof (heller) um den Kapselkeim
K = Kapsel.
Kk = Kapselkeim.
m = Stützlamelle.
n = Nucleus.
No = Nesselorgan.
P = Centralpolyp.
p = Geschlechtspolyp.
S = Schlauch.
Sp = Spiralmuskel d. Nesselkapselstiele.
St = Stiele der Nesselorgane.
W = Widerhaken.
w = kleine Widerhaken.
Fig. 1. Physophora hydrostastica. A. Nesselkapsel. B. Nesselorgan aus
der Tasterspitze, -^^o/i- C. Querschnitt von B.
Fig. 2. Eine ehen durch Druck auf das Deckglas entladene Nesselkapsel aus
dem Nesselband. Dk =; der aufgesprungene Deckel, welcher noch an
der Kapsel hängt.
Fig. 3. Velella spirans. A u. B = zwei Formender grossen Nesselkapsel-
stiele mit Spirale (Sp) versehen. C u. D = Seiten- und Queransicht
derselben (kleineren) Kapsel.
Fig. 4. a := eine grössere, b = eine kleinere Kapsel im Ausstülpen begriffen.
Fig. 5. Physalia utriculus. A. Kleines Nesselorgan mit durch Reagentien
etwas ausgedehnter Spirale (Sp) sowie teilweise abgehobenem Plasma-
behälter. B. grosses Nesselorgan, noch in der Entwickelung begriffen.
Faden nicht vollkommen eingestülpt und die Kapsel noch nicht
richtig gedreht. C. Querschnitt von Fangfäden kleiner und grosser
Kapseln im Gewebe darstellend. D. Kapselbehälter von oben gesehen.
Fig. 6. Velella spirans. Grössere u. kleinere Nesselorgane.
Fig. 7. Nesselkapsel schematisiert von Velella und Hydra zur Anschauung des
ausgestülpten Schlauches mit äusserer Kapselwaud.
A. B. C. Herauspräparirte Spirale der Muskelstile, genau mit der Ca-
mera gezeichnet und ohne nachherige Verbesserung mit Ausnahme der
einen der zwei Linien der Spirale.
Fig. 8. Physalia utriculus. Interstiellzellen mit angehender Mitose.
Fig. 9. Hydra fusca. Institiellzellen mit angehender Mitose.
Fig. 10. Interstitiellzellen und Kapselkeime in verschiedenen Stufen der Ent-
wickelung.
Fig. 11. Physalia utriculus. Kajiselkeime in verschiedenen Stufen der
Entwickelung. a = eine eben erkennbare Nesselbildungszelle.
Fig. 12. Velella spirans. Ein frühes und ein ziemlich spätes Entwickelungs-
stadium der Nesselorgane, a = noch kein Hof vorhanden, b = ein
bedeutender Hof sichtbar.
Fig. 13. Agalma Sarsii. Junger Kapselkeim ohne Hof.
254 Lewis Murbach.
Fig. 14. Hydra grisea. Kapselkeime, a = Schlauchbildung, b = ein bis
auf die Widerhaken eingestülpter Schlauch. Kapsel noch nicht um-
gedreht.
Fig. 15. Hydra grisea. a) ein vorgerücktes Stadium der Schlauchbildung,
b) eigentümlich quergerunzelte Erscheinung (Einstülpungsstadien?) der
kleinen Kapseln.
Fig. 16. Physalia utriculus. a und b = Modifikationen der Schlauchbildung,
welche aber nicht bedeutende Abweichungen sind.
Fig. 17. Agalma Sarsii. Drei Stadien der Entwickelung in zusammen-
hängenden Zellen, a) einfache Zelle, b) Kapselkeira auf der Peripherie
des Kernes, c) vorgerückteres Stadium mit Anlage des Schlauches.
Fig. 18. Physophora hydrostatica. Drei Entwickelungsstadien der Nessel-
kapselu. a, b, c vom Fangfaden; d vom Taster.
Fig. 19. Velella Spirans. Aeltere Entwickelungsstadien.
Fig. 20. Hydra fusca. Ein eben sich ausbildender Schlauch und ein schon
teilweise eingestülpter Schlauch.
Fig. 21. Velella spirans. Muskelfortsatz oder Stielbildiang, sehr frühes
Stadium.
Fig. 22. Reihenfolge a, c, b. Muskelfortsatz oder Stielbildung.
Fig. 24 u. 23. Velella spirans. Schnitt durch einen Teil der Scheibe (26)
des Tieres, Nesselorgane auf der Wanderschaft durch die Stützlamelle
aufweisend.
Fig. 25. Velella spirans. Schnitt durch Scheibe und Geschlechtspolyp, die
Anhäufung der Nesselkapseln an der Basis des Polypen zeigend, sowie
die brüchige, lockerfaserige Stützlamelle.
Fig. 26. Schnitt durch die Scheibe und den Centralpolypen , um den Nessel-
vorrat zu zeigen und zur Orientierung.
Fig. 27. Gestielte Nesselzelle mit sich entwickelndem Nesselapparat.
Anmerk. Sämtliche Figuren sind — nach einem Seibert' sehen Instrumente
(Apochromat) — mit der Camera lucida vorgezeichnet.
Strongylus fllaria R.
Von
Otto Aug-stein.
Königl. Preuss. Kreisthierarzt zu Labiau.
Hierzu Tafel XIII und XIV.
Seitdem durch die bahnbrechenden Untersuchungen von
Schneider (18, 19 u.23) und Leuckart ("24) der allgemeine Character
des anatomischen Baues und der Entwickelungsgeschichte der
Nematoden in so ausgezeichneter und bis auf den heutigen Tag
mustergültiger Weise klargelegt wurde, hat es nicht an zahl-
reichen Forschern gefehlt, die es sich zur Aufgabe stellten,
den einen oder anderen Vertreter dieser Würmerklasse ein-
gehender zu Studiren, um seine specielle histologische Einrichtung
sowohl, als auch die Art und die Bedingungen seiner Entwickelung
bis ins kleinste Detail zu ergründen. Wenn dabei auch, zufolge
der für eine derartige Untersuchung durchaus ungünstigen Ver-
hältnisse, in entwich elungsgeschichtlicher Beziehung nur wenig
Neues und im Grossen und Ganzen relativ Unvollständiges gebracht
werden konnte, so haben doch die histologischen Untersuchungen
so nennenswerthe Resultate gezeitigt, dass sie zu immer neuen
Forschungen anregten, und so besitzen wir denn in der heutigen
Litteratur schon eine recht ansehnliche Summe von Monographieen,
die uns nicht nur einen immer tieferen Einblick in die Histologie
und Ontogenie dieser interessanten Thiere gewähren, sondern die
auch immer wieder zeigen, wie scharf schon die oben erwähnten
ersten Untersucher beobachtet, und wie richtig sie, trotz der damals
noch verhältnissmässig unvollständigen technischen Hülfsmittel, ihre
mikroskopischen Bilder beurtheilt haben.
Wenn ich hier erwähne, dass neben anderen: Trichina spiralis
(20), Pseudalius ovis pulmonalis (30), Allantonema mirabile (34),
Ascaris megalocephala (31, 40, 45 u. 46), Ascaris lumbricoides
(31 u. 40), Strongylus paradoxus (36 u. 47), Strongylus micrurus
(41), Strongylus convolutus (48) und Bradynema rigidum (49) einer
eingehenden Bearbeitung gewürdigt wurden, so geschieht es deshalb,
um hen^orzuheben , dass es, wie ja naturgemäss zu erwarten war,
256 Otto Augstein:
vorzugsweise solche Vertreter der Nematoden waren, welche dank
ihres häufigen Vorkommens ihren Forschern ein reichliches Unter-
suchungsmaterial zur Verfügung stellten.
Unter solchen Umständen erscheint es etwas überraschend, dass
gerade einer der häufigsten Strongyliden , der in Schaflungen
schmarotzende Strongylus filaria, welcher noch obenein wegen seiner
ansehnlichen Grösse ein nicht gerade unbequemes Forschungsobject
darstellt, bisher etwas stiefmütterlich behandelt wurde, und ich
entschloss mich daher, auf diese Thatsache von meinem hoch-
verehrten Lehrer, Herrn Geheimrath Dr. Leuckart aufmerksam
gemacht, um so lieber diesem Parasiten meine besondere Auf-
merksamkeit zuzuwenden, weil er gerade in thierärztHchen Kreisen
wegen der oft recht bedeutenden Schädigungen, die er in Schaf-
haltungen anzurichten im Stande ist, von jeher ein lebhaftes Interesse
erweckte.
In der mir zugänglich gewesenen Litteratur — ich benutzte die
Bibliothek der Universität Leipzig und diejenige der Berliner Thier-
ärztlichen Hochschule und wurde in liebenswürdigster Weise durch
die Herren Geheimrath Dr. Leuckart und Hofrath Dr. Zürn, welche
mir einschlägige Werke aus ihrer eigenen Büchersammlung
freundlichst überliessen, unterstützt — fand ich den Strongylus
filaria zum ersten Male von Daubenton (1 p. 269) erwähnt. Derselbe
beobachtete im Jahre 1768 in der ßourgogne eine „mörderische
Schafseuche", bei welcher er fadendicke, drei bis vier Zoll lange
Würmer in den Luftröhren bezw. in deren Aesten fand.
Dass dieser Fund thatsächlich Strongylus filaria betraf, ist von
Rudolphi (2, vol. IL p. 220) bestätigt worden. Letztgenannter
grosser Entozoenkenner hat die gleichen Würmer des öfteren im
Berliner zootomischen Theater bei Professor Sick gesehen, und er
erzählt (2, vol. I p. 454), dass ihm auch der Londoner Professor
Flormann übereinstimmende, den Bronchien des Schafes entnommene
Strongyliden unter dem Namen „zusammengerollte — contortiplicati — "
übersandt habe. In seiner Enumeratio Specierum (2, vol IL p. 219)
stellt er die fraglichen Thiere unter die „Strongyliden mit nacktem
Munde" und giebt von ihnen folgende Beschreibung:
„Vermes unum ad tres cum dimidio pollices longi, filiformes,
flavescentes. Caput obtusum, subtruncatum , continuum. Corpus
utrinque, praesertim antice, parum tamen attenuatum. Bursa maris
Integra, compressa, in apicem obliquum excurrens; extus convexa,
radiata, patellam referens; filium genitale longum emittens. Cauda
feminae acuta, fere subulata, vulva ab ejusdem apice haud longe
distante. Ova elHptica satis magna, minora tamen quam in specie
praecedente, an immatura? Strongyli bronchiales prolem vivam
fovent."
Rudolphi war es auch, welcher unseren Wurm mit dem
Namen „Strongylus filaria" belegte, imd zwar will er diesen Namen
Strongylus filaria R. 257
deshalb gewählt haben, weil die Weibchen eine grosse Aehnlichkeit
mit den Filarien hätten.
Die Einzelheiten der Rudolphi'schen Beschreibung werden 1817
von Veith (3, p. 430) bestätigt; im Uebrigen lässt derselbe unser
Thier, wie überhaupt alle Eingeweidewürmer, in Uebereinstimmung
mit der damals herrschenden Ansicht nicht von aussen in seinen
Wirth gelangen, sondern sich in diesem „im Konflicte besonderer
Umstände von selbst" erzeugen.
Auch bei Waldinger (4, p, 50), von Am-Pach (5, p. 215) und
Peterka (9, p. 43) finden wir dieselbe irrthümliche Ansicht ver-
treten, und sagt Letzterer z. B. wörtlich:
,y.Die Lungenwurmkrankheit der Schafe besteht in einer
langsam fortschreitenden Entzündung des Bronchialsystems mit
starker Schaumsecretion und Ausschwitzung von eiterähnlichem,
die innere Fläche der Lungenröhrenzweige bekleidendem, sehr
zähem und cohärentem Schleim, wodurch eine Menge Ento-
zoen regelmässig gebildet wird."
Im Uebrigen beschäftigen sich diese Autoren, ebenso wie Tausch
(11, p. 373), welcher im Jahre 1837 in der Gegend von Halle eine
an „wurmiger Lungenseuche" leidende Lämmerheerde mit Erfolg
behandelte, vorzugsweise mit den Krankheitserscheinungen der
Wurmpneumonie und mit dem gegen dieselbe einzuschlagenden Heil-
verfahren, ohne über den Bau der Würmer selbst etwas Neues zu
bringen.
Ueberhaupt entwickelt sich die Kenntniss vom anatomischen
Baue des Strongylus filaria nur sehr langsam. Die im Jahre 1824
erschienenen Abbildungen von Bremser (8, Tab. HI, Fig. 26 — 31)
enthalten keinen weiteren Fortschritt, als dass sie die Rudolphi'schen
Angaben sehr schön veranschaulichen. 1831 erkannte Mehlis
(10, pag. 84), dass das Spiculum der Männchen — ■ er nannte es
noch Penis — doppelt sei, und 1851 machte Diesing (13, p. 315),
welcher übrigens die männliche Bursa mit 10, theils zwei- theils
dreigeth eilten Stäbchen ausgestattet sein liess, zum ersten Male auf
den Grössenunterschied zwischen Männchen und Weibchen auf-
merksam.
Nach diesen Forschern scheint es erst wieder 1866 Schneider
(23, p. 146) gewesen zu sein, welcher auf Grund selbstständiger
Untersuchungen im Stande war, in der Beschreibung unseres Wurms
über die Angaben Rudolphi's hinauszugehen. Er sah schon die
Längskanten der ■ Haut imd erkannte sehr richtig, dass die von
Rudolphi als Vulva beschriebene Oeffnung der After sei, dass die
Geschlechtsöffnung dagegen weiter nach vorn — 30 mm vom Schwanz-
ende entfernt — U^gSj ^^nd dass die Eierstöcke symmetrisch nach
hinten und vorne verlaufen. Er fand die Spicula dick, kurz und
dimkelbraun und zerlegte die Rudolphi'schen Bursalstäbchen in
drei mit Einkerbungen versehene Hinterrippen, zwei Mittelrippen
und vier Vorderrippen.
Arch.f.Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 3. 17
258 Otto Augstein:
In Leuckarts: „Menschliche Parasiten 1866 — 1876" ist, der
Bestimmung dieses Werkes entsprechend, unseres ausschliesslich
auf Thieren schmarotzenden Wurmes nur vorübergehend Erwähnung
gethan, trotzdem erweitert dasselbe (dessen erste Lieferung übrigens
gleichzeitig mit Schneiders Monographie erschien,) die früheren
Angaben über Strongjdus filaria durch die Abbildung der reifen
Samenelemente (24, p. 38) und durch die bildliche Wiedergabe und
Beschreibung der Embryonen (24, p. 106), welche, 0,54 mm lang,
ein stumpfes Schwanzende und einen knopfartig vorspringenden
Mundzapfen besitzen sollen, an dessen Basis die Chitinhaut ein
Paar kleiner Verdickungen erkennen lässt.
Die Spicula sind 1881 von Nörner (27, No. 1) einer eingehenden
Untersuchung unterworfen worden, und werden von demselben als
0,432 nam lange, aus gefächertem Gewebe gebildete, röhrenförmige
Organe angesprochen, welche an Stelle der bei anderen Strongyliden
vorhandenen W^iderhaken eine bedeutende Anschwellung kurz vor
der vorn abgerundeten Spitze besitzen, und die an ihrem oberen
Ende 0,072 mm, in der Mitte 0,065 mm, an der Anschwellung
0,102 mm und an der Spitze 0,025 mm dick sind.
Etwas befremdend ist seine Behauptung, dass die Spicula des
in den Rehlungen schmarotzenden Strongylus filaria zwar ebenfalls
aus gefächertem Gewebe beständen, aber sich von denjenigen ihres
in Schaflungen lebenden Verwandten nicht nur durch geringere
Grösse, sondern auch durch das Fehlen einer Anschwellung aus-
zeichneten.
Die Schilderung unseres Wurmes durch Perron cito (28, p. 371)
ist nicht allein sehr unvollständig, sondern sie enthält auch die falsche
Behauptung, dass sich vor der männlichen Bursa eine starke An-
schwellung des Körpers befinde, in deren Mitte der After gelegen
sei, dagegen bringt die in demselben Jahre erschienene Characteristik
von Zürn (29, p. 254) eine vervollständigte Beschreibung der Bursa —
von ihm Schwanzbeutel genannt — und ihrer Rippen: „Von letzteren
seien im Prinzip 14 vorhanden, nämlich zwei Hinterrippen, deren
jede am Ende drei Spitzen trägt, so dass man von jederseits be-
findlichen drei Hinterrippen sprechen könnte, ferner auf jeder Seite
zwei, einem gemeinschaftlichen Stamme aufsitzende Mittelrippen
und endlich jederseits zwei getrennte Vorderrippen."
Sehr eingehend hat sich dann 1883 Koch (30, p. 22) mit dem
Strongylus filaria beschäftigt. Er spricht von einer muskulösen
Haut, von einem 1 ,5 mm langen Oesophagus, den er allerdings,
wie auch alle späteren Autoren, fälschlich, aber, wie ich später
zeigen werde, mit einer gewissen, seiner Untersuchungsw^eise ent-
sprechenden Berechtigung, mit einem glockenförmigen, 0,1 mm langen
Ansätze in den Darmanfang hineinragen lässt, — von einem einfachen,
den ganzen Leib durchlaufenden Darm und von vorgetriebenen
lippenartigen Wülsten, welche die Vulva bilden. Die ovalen, Jappen-
förmigen Anhänge der Spicula (Nörner's Anschwellungen) lässt er
Strongylus fiJaria R. 259
dadurch entstanden sein, dass die sonst gleich einem Blatte ein-
gerollten Gebilde an diesen Stellen nicht eingebogen seien. In den
0,1 mm langen und 0,06 mm breiten, ovalen Eiern sah er die aus-
gebildeten Embryonen lebhafte, schlangenartige Bewegungen aus-
führen, so dass er zu der Uel)erzeugung kam, die jungen Thiere
müssten, um frei zu werden, mit grosser Gewalt die durchsichtigen
Eihüllen sprengen. In der Beschreibung der Embryonen selbst
wiederholt Koch im Grossen und Ganzen Leuckart's Angaben.
Railliet (Elements de Zoologie 1886, p. 334) hebt hervor, dass
der Geschlechtsapparat beim Männchen aus einer einfachen, hinter
dem Darmanfange beginnenden Hodenröhre bestehe, welche sich,
ohne bemerkenswerthe Ausbuchtimgen zu bilden, bis zum hintersten
Körperende erstrecke, und dass die weiblichen Geschlechtsorgane
von zwei symmetrischen Eiröhren repräsentirt würden, die je vorn
und hinten eine Schlinge bildeten, hinter derselben zu langen,
taschenartigen Fruchthältern sich erweiterten und sich dann wieder
verengerten, um gemeinschaftlich eine kurze, zweihörnige Vagina dar-
zustellen. Seine Zeichnungen sind zu schematisch gehalten, als dass
sie den natürlichen Verhältnissen in jeder Beziehung hinreichende
Rechnung trügen.
Diese anatomische Schilderung erweiterte 1889 Müller (38, p. 40)
dahin, dass der Darm aus polyedrischen Zellen mit verschieden
grossen Kernen bestehe, dass derselbe beim Männchen kurz vor
der Schwanzspitze das Vas deferens aufnehme und in einer Aus-
buchtung seiner Wandung die Spicula enthalte.
Die besten und vollständigsten, immerhin aber auch nur nach
Uebersichtspräparaten angefertigten Abbildungen fand ich endlich
bei Cooper Curtice (39, p. 201). Sie geben fast alle durch die
früheren Forscher eruirten Thatsachen wieder und bringen als Neues
zwei einzellige Halsdrüsen, eine Einschnürung an den Uebergangs-
stellen der Vagina in die resp. Uteri und die Verbindung des
hinteren Eileiters mit dem zugehörigen Uterus kurz nach seiner
am Schwänze belegenen Umschlagstelle.
Bezüglich des Wohnsitzes geht aus der mir bekannten Litteratur
hervor, dass sich der Strongylus filaria als Lieblingswirth das Haus-
schaf (Ovis aries) aussucht, und in diesem ist er auch von den ersten
Beobachtern (Daubenton, Sick, Flormann und Rudolphi) gefunden
worden.
Rudolphi wusste aber schon, dass unser Wurm auch bei Ovis
animon — dem ArgaU der Mongolen — schmarotzt (6, p. 33). Auch
bei der Antilope hat er ihn bereits gesehen, hielt ihn hier aber für
eine besondere Species, die er Strongylus Dorcadis (G, p. 37) nannte,
ein Irrthum aufweichen erst 1851 Diesing (13, p. 37) aufmerksam
machte.
Als weitere Wohnthiere unserer Schmarotzer werden noch
in Anspruch genommen; von Davaine (21) das Kameel, das Dromedar
und die Ziege, von Leuckart (24, p. 106) das Reh und das Damm-
17*
260 Otto Augstein:
wild, von Bonnet (38, p. 29) die Gemse und von Kitt (42, p. 475)
der Edelhirsch.
Von den Organen des Wirths sind es fast nur die Luftröhre
und die Lungen, in den fragl. Nematode sich aufhält, und nur die
Angabe von Parsons (15, p. 685), dass er bei seinen Sectionen oft
nicht nur die Bronchien der mit Blutungen durchsetzten Lungen
mit Strongylus filaria vollgepfropft fand, sondern dieselben Würmer
auch im Kehlkopfe, in den Nasenhöhlen, im Schlundkopfe und selbst
im Darme antraf, und diejenige von Crisp (22, p. 53), dass er in
an Lungenwurmseuche eingegangenen Lämmern unser Thier bezw.
dessen Eier sowohl in den Bronchialverzweigungen, als auch im
Darme constatiren konnte: lassen — vorausgesetzt, dass genannte
Forscher sich nicht durch andere zufällig anwesende Schmarotzer
täuschen Hessen — darauf schliessen, dass ausnahmsweise und
unter besonderen Bedingungen die durch den Exspirationsstrom bis
zum Rachen heraufbeförderten Parasiten durch einen Schluckact
dem Darmtractus übermittelt werden können.
In den Lungen sind es wieder hauptsächlich die Bronchien,
welche als Aufenthaltsort benutzt werden, doch äussert sich schon
1887 Bewly (35, p. 374), welcher des öfteren in Knötchen, die er
als aus drei concentrisch angeordneten Schichten von characteristischer
histologischer Einrichtung bestehend beschreibt, abgestorbene 15
bis 17 mm lange Exemplare von Strongylus filaria fand, dahin, dass
zwar unser Wurm gewöhnhch in der Luftröhre bezw. in deren
Verzweigungen lebe und hier zur vollen Reife sich entwickele, dass
er aber auch ausnahmsweise, und zwar dann in der Jugendform,
sich in das Lungengewebe hinein verirre und dort innerhalb eines
durch seinen Reiz sich bildenden Knötchens absterbe. Damit im
Einklänge steht auch die ältere Notiz Leuckart's (24, p. 108), dass
in einer Schaf lunge eine Anzahl tuberkelartiger Knötchen je einen
12 mm langen Rundwurm enthalten hätten, „der allem Anscheine
nach Strongylus filaria gewesen sei", und auch ich konnte in mehreren
Schaf lungen vereinzelte, kaum erbsengrosse, meist schon verkalkte
Knötchen nachweisen, in deren bröckeligem Centrum ich Wurm-
fragmente fand, deren Form- und Grössenverhältnisse mich lebhaft
an junge Exemplare meines Parasiten erinnerten.
Die durch Strongylus filaria bedingten Gesundheitsstörungen
imd pathologischen Veränderungen nehmen in der Litteratur einen
so breiten Raum ein, dass es zu weit führen würde, wenn sie hier
eingefügt werden sollten; ich möchte daher nm- auf die in dieser
Hinsicht das Beste bringenden Arbeiten von Cooper Curtice
(39, p. 203) und Friedberger - Fröhner (43, p. 239) hinweisen
und kurz hervorheben, dass, wenn ich auch bei den Hunderten der
von mir durchforschten faden wurmkranken Lungen jene pathologisch-
anatomischen Angaben im Uebrigen bestätigt fand, es mir doch
unmöglich bHeb, Bronchiectasieen nachzuweisen, die fast jeder
Schriftsteller als characteristisches Folgeleiden der Lungenwurm-
krankheit hingestellt hat.
Strongylus filaria R. 261
Die wichtige Frage, ob die von ihren Wirthen ausgehusteten
Embryonen ein freilebendes Stadium durchlaufen, oder ob sie sich
eines Zwischenwirthes bedienen, um in jenen Zustand zu gelangen,
der sie befähigt, wieder in die Schafslungen gebracht, sich zur vollen
Geschlechtsreife zu entwickeln, konnte ich um so weniger zur Ent-
scheidung bringen, als meine Untersuchungen im Winter statthatten,
zu einer Zeit also, wo die als Zwischen wirthe in Frage kommenden
Thiere (Insecten, Regenwürmer, Schnecken) im Winterschlafe lagen.
Immerhin glaube ich aber, mich für die letztere Annahme entscheiden
zu dürfen, schon weil gegen das freie Leben die Leuckart'schen
Untersuchungen (24, p. 107) streiten. Dieser Forscher, welcher
ausser mit anderen Strongyliden auch mit Strongylus filaria ent-
wickekmgsgeschichthch experimentirte, konnte zwar die Embryonen
in feuchter Erde wochenlang am Leben erhalten, und er beobachtete
sogar — meist in der zweiten Woche — eine Häutung, die das
frühere Mundknötchen reduciren und den Schwanz eine spitzere
Form gewinnen liess, aber seine Thiere starben fast immer während
der Häutung oder doch bald nach derselben, und der Versuch mit
solchen in der Häutung begriffenen W^ürmchen Lämmer zu inficiren,
misslang ebenso, wie die Uebertragung des mit Embryonen reichlich
durchsetzten Bronchialschleimes, obgleich solche Infectionsversuche
zu den verschiedensten Jahreszeiten angestellt wurden. Für die
Annahme eines zur Entwickelung unseres Wurmes nothwendigen
Zwischen wirthes aber, für die sich übrigens auch Leuckart auf
Gnmd seiner negativen Untersuchungsresultate entschieden hat,
sind leider positive Beweise bisher nicht erbracht worden (cfr. Railliet
p. 336 u. A.), und auch die im Jahre 1875 von Cobbold aufgestellte
Behauptung, dass die Brut von Strongylus micrurus passiv in den
Darm von Regenwürmern übertragen würde, um hier ihre für die
vollständige Ausbildung in den Rinderlungen nothwendigen Ent-
wickelungsphasen zu durchlaufen — eine Behauptung, die, wenn sie
richtig wäre, bei der Uebereinstimmung des anatomischen Baues,
der Lebensweise und der pathogenen Wirkung des Strong. micrm-us
mit unserem Nematoden (cfr. 41) auch für die Benutzung eines
Zwischenwirthes seitens des Strong. filar. sprechen würde — kann
nicht als entscheidend gelten, weil die im Jahre 1879 (26, p. 336)
bekannt gegebenen Experimente Cobbold's von späteren Beobachtern
(z. B. Ströse 41) hinsichtlich ihrer Beweiskraft wohl mit Recht
in Zweifel gezogen worden sind.
Was nun endlich die Häufigkeit des Vorkommens von
Strongylus filaria betrifft, so dürfte uns aus wirthschaftlichen
Gründen hier vorzüglich sein Schmarotz erthum bei Schafen interessiren,
leider aber stammen die diesbezüglichen litterarischen Veröffent-
lichungen fast ausschliesslich aus Gegenden, in denen unser Parasit
zu Heerdekrankheiten Veranlassung gegeben hatte und müssen daher
auch von diesem Standpunkte aus beurtheilt werden. So berichtet
z. B. Parsons (15, p. 685), dass 1855 in einer lungenwurmkranken
Heerde (die Stückzahl ist nicht angegeben) im Juni und Juli an
262 Otto Angstein:
jedem Morgen 8 — 10 Lämmer todt und mehrere sterbend gefunden
wurden; Carnet (25) giebt an, dass an der marokkanischen Grenze
die Hälfte aller vorhandenen Schafe der Lungenwurmseuche zum
Opfer fiel, und Wernicke (37) erzählt, dass in Buenos Ayres
während der Jahre 1883 — 1886 sogar mehr als ^4 des gesammten
Schafbestandes — viele Millionen — derselben Krankheit erlag.
Eine etwas tiefere Einsicht in die wirthschaftliche Bedeutung des
Strongylus filaria liefert uns die Angabe Ger lach 's (14, p. 293),
da sie als Facit aus einer vieljährigen Beobachtung gezogen ist.
Nach ihr gingen in einem Gute, wo die Lungenwürmer alljährlich
vorkamen, durch dieselben in den günstigen Jahren V« — ^/bi in den
ungünstigen V2 — Vs sämmtHcher Lämmer verloren.
Den besten, leider aber auch den einzigen Anhalt für die Be-
urtheilung des procentualen Vorkommens von Strongylus filaria unter
normalen Verhältnissen, boten mir die Berliner Schlachthausberichte.
Nach ihnen sind in Berlin in den Jahren 1883 — 1888 insgesammt
1675 Schafe lungenwurmkrank befunden worden, und wenn man
berücksichtigt, dass die hier zur Schlachtung kommenden Thiere von
den Metzgern ohne Wahl aus den verschiedensten Gegenden Deutsch-
lands zusammengekauft werden, so darf man wohl aus der Thatsache,
dass z. B. im Geschäftsjahre 1887/88 von 275 049 geschlachteten
Schafen 788 mit Lungenstrongyhden behaftet waren, nicht ohne
Berechtigung den Schluss ziehen, dass etwa 3 pro mille des deutschen
Schafbestandes an Strongylus filaria leidet.
Bevor ich die Besprechung meiner Litteraturstudien beende,
sei es mir noch gestattet darauf hinzuweisen, dass der Name
unseres Parasiten wiederholt irrthümlich für andere Würmer
in Anspruch genommen wurde. So beschreibt z. B. Bojanus
(7, p. 177 u. Tab. III, Fig. 28—33) den Strongylus micrurus unter
der Bezeichnung Strongylus filaria. Ranke (17, p. 456) behandelt
unter gleichem Namen einen Wurm, der, wie Text nnd Abbildungen
zweifellos erkennen lassen, der Pseudalius ovis pulmonalis Koch
(Pseudalius capillaris Müller) ist, und auch die von demselben Autor
auf Strongylus filaria bezogene Arbeit von Padley und Sandie
(12, p. 102) beschäftigt sich ausschliesslich mit Pseudalius ovis s.
capillaris.
Vorstehender Litteraturzusammenstellung gemäss war also bis
zum Beginne meiner Arbeit nicht allein der innere Bau des Strongylus
filaria noch vollständig unbekannt, sondern es Hess auch die äussere
Beschreibung — schon meine ersten Uebersichtspräparate über-
zeugten mich davon — noch Manches zu wünschen übrig, und ich
war daher Herrn Geheimrath Dr. Leuckart für seinen Hinweis auf
diesen Wurm um so dankbarer, als mir solcherweise von vorne-
herein interessante Untersuchungsresultate gesichert waren.
, Die für meine Studien nothwendigen Strongyliden sammelte ich
in den Monaten August, September und Oktober v. J. am BerKner
Strongylns filaria R. 263
Schlachthofe, imd war es nicht sowohl der hier ständig grosse Auf-
trieb von Schafen, und der am dortigen Schlachthause geübte muster-
gültige Untersuchungsmodns, als besonders die liebenswürdige Hülfe
der dort beschäftigten Thierärzte, wodurch ich in den Stand gesetzt
wurde, in jener kurzen Zeit ein ansehnliches und ausreichendes
Untersuchungsmaterial zusammen zu bringen. Diesen Herren fühle
ich mich daher zu besonderem Danke verpflichtet.
Meine Arbeit selbst begann ich Mitte Oktober 1803 im zoolo-
gischen Laboratorium der Universität Leipzig, und nur die mir jeder-
zeit bewiesene freundliche Antheilnahme und die stets bereitwilligst
und in uneigennützigster Weise ertheilten Rathschläge meines hoch-
verehrten Lehrers, des Herrn Geheimrath Prof. Dr. Leuckart,
ermöglichten es mir, dieselbe der Hauptsache nach in einem Semester
zum Abschluss zu bringen; es ist mir daher Bedürfniss dem genannten
Herrn auch an dieser Stelle meinen ehrerbietigsten Dank darzubringen.
Das für die Schnittserien bestimmte Material hatte ich theils
in gesättigter schw^ach-alkoholischer Sublimatlösung, theils in
Mayer'scher Pikrinsalpetersäure (100 cbcm kaltgesättigte wässerige
Pikrinlösung -f- 2 cbcm officinelle Salpetersäure) und theils in
Perenyi'scher Chromsalpetersäure (4 cbcm 10 7o Salpetersäure -^
3 cbcm Alkohol + 3 cbcm 0,5 7o Chromsäure) fixirt, wonach ich
es durch je 24 stündigen Aufenthalt in 50 «/o, 60 %, 70 % und 80 %
Alkohol erhärtete, um es bis zum Gebrauche in 90 % Alkohol auf-
zuheben. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich die in
Pikrinsalpetersäure fixirten Strongyliden am besten halten; noch
heute, also nach reichlich 7 Monaten sind sie rund und prall, wie
wenn sie soeben den Bronchien entnommen wären, während die
nach den beiden anderen Methoden fixirten Thiere im Laufe der
Zeit ihr schönes Aussehen mehr oder weniger verloren haben.
Eine ansehnliche Summe von Würmern brachte ich aber auch
aus den Bronchien direct in eine Mischung von 2 Theilen Glycerin
und 3Theilen 70% Alkohol, welcher einige Tropfen Essigsäure zugesetzt
waren. Hierdurch gelang es mir ein schön aufgehelltes und die
frischen Thiere fast vollständig ersetzendes Material an der Hand
zu haben, das mir jederzeit gestattete, die durch Quer- oder Längs-
schnitte gewonnenen Bilder mit Uebersichtspräparaten in Vergleich
zu stellen.
Gefärbt habe ich sowohl stück- als auch schnittweise.
Während zur Gewinnung einer allgemeinen Uebersicht die erstere
Methode, für die ich bei mit Sublimat oder Pikrinsalpetersäure fixirten
Thieren Hämatoxilin oder Boraxkarmin, bei mit Chromsalpetersäure
fixirten aber nur Hämatoxilin anzuwenden empfehle, ausreicht, ist
für die Beurtheilung des feineren histologischen Baues, insbesondere
für die Untersuchung der Epithel- sowie der Ei- und Samenzellen
die Schnittfärbung um so weniger zu umgehen, als unser Nematode
wegen seines immerhin kleinen Querschnittes oft 1000 fache Ver-
grösserung erheischt, ein Umstand, der es bisweilen wünschenswerth
macht, dass bestimmte Gewebe besonders, oder wenigstens Vorzugs-
264 Otto Augstein:
weise tingirt werden. Im Allgemeinen erhielt ich recht gute und
schön differenzirte Farbenwirkungen, wenn ich die Schnitte der mit
Boraxkarmin durchgefärbten Würmer für 6 — 8 Minuten in eine sehr
schwache wässerige Hämatoxilinlösung brachte — diese Methode
lieferte bei der Untersuchung der Samenbildung vorzügliche Kern-
theilungsfiguren — , oder wenn die Schnitte der mit Hämatoxilin
durchgefärbten Würmer 24 Stunden lang in wässeriger Eosinlösung
weilten.
•Um beim Einbetten in Paraffin Schrumpfungen zu vermeiden,
die ja, wie schon frühere Beobachter hervorgehoben haben, ge-
wöhnlich bei der Ueberführung aus dem absoluten Alkohol in die
mit Paraffin mischbare Flüssigkeit stattfinden, kommt es nicht so-
wohl darauf an, letztere — ich benutzte meist Benzol — dem absoluten
Alkohol tropfenweise zuzusetzen, bis dieser fast ganz verdrängt ist,
sondern es ist vor Allem unbedingt nothwendig, die Würmer vorher
in ganz kurze, höchstens 74 c^^i lange Stücke zu schneiden. Die
Cuticula unserer Thiere ist eben den mit dem Reagenswechsel ver-
bundenen Dilfusionsströmungen so hinderlich, dass diese fast nur
an den Schnittstellen statthaben; sind nun die Wurmstücke lang,
so legen sich, wahrscheinlich weil der Alkohol schneller entweicht,
als das Benzol eindringen kann, an den von den Schnittstellen weit
ab gelegenen Parthien die Körperdecken derart auf die gleichfalls
zusammenfallenden Eingeweide, dass bei Querschnitten ein Körper-
lumen nicht mehr zu erkennen ist. Erst seitdem ich sehr kurze
Stückchen einbettete, gelang es mir durchweg kreisrunde, un-
geschrumpfte Querschnitte zu erhalten. Bei diesem Modus muss
man aber bei der Orientirung sehr vorsichtig sein, weil wegen der
äusserlich gleichmässigen Körperform leicht das vordere Ende eines
Wurmstückchens mit dem hinteren verwechselt werden kann; ich
legte, um solche Verwechselung zu vermeiden, meine Objecte in mit
Rillen versehene Glasblöcke, an denen für das vordere Ende Marken
angebracht waren und führte nun statt der einzelnen Wurmstückchen
die Glasblöcke durch die ganze Reagentienstufenleiter bis ins flüssige
Paraffin.
Die Schnitte, Längsschnitte sowohl wie Querschnitte wurden
10, 7V2 u. 5 II dick gemacht; dünnere Schnitte anzufertigen empfiehlt
sich nicht, da sie undeutliche Bilder liefern. Dass von jedem
Geschlechtsvertreter mehrere vollständige Serien angefertigt werden
mussten, liegt auf der Hand, da ja durch das zum Einbetten noth-
wendige Zerschneiden der Würmer in jeder Serie Lücken nicht zu
vermeiden waren.
Indem ich mich nun dem Resultate meiner eigenen Unter-
suchungen zuwende, muss ich vorausschicken, dass, wo ich in
meinen Ausführungen positive Längenangaben gemacht habe, diese
zwar durch jedesmalige gewissenhafte Messungen eruirt wurden,
aber tür die allgemeine Beurtheilung unserer Thiere in vielen Fällen
Strongylus filaria R. 265
deshalb nur einen bedingten Werth besitzen, weil ja, wie wir später
sehen werden, nicht nur Männchen und Weibchen in ihren Grössen-
verhältnissen sehr von einander abweichen, sondern auch beide
Geschlechter für sich in ihren ausgewachsenen Vortretern Exemplare
von sehr verschiedener Länge besitzen. Trotzdem glaubte ich die
Längenmaasse einfügen zu müssen, weil sie mir als Corrigens für
die Verzerrung der räumlichen Verhältnisse — welche ja bei
schematischen Abbildungen, deren auch ich mich zur Erläuterung
meines Textes bedienen musste, nicht zu vermeiden ist, — unbedingt
nothwendig erschienen. Im Uebrigen dürften sie auch deshalb im
Allgemeinen den natürlichen Verhältnissen entsprechen, weil sie sich
in ihrer Hauptsache auf das vordere und hintere Körperende be-
ziehen, und diese Leibesabschnitte wohl mit dem Eintritt der
Geschlechtsreife als ausgewachsen zu betrachten sind, denn ich
habe mich durch vergleichende Messungen überzeugen können, dass,
wo bei geschlechtsreifen Thieren derselben Geschlechtsgattung das
eine grösser war, als das andere, diese Grössenzunahme fast aus-
schiesslich auf den die Geschlechtsorgane beherbergenden mittleren
Körpertheil anzurechnen war, wie das übrigens auch für andere
Nematoden schon längst bekannt ist.
I. Allgemeines.
Die geschlechtliche Form des Strongylus filaria hält sich mit
Vorliebe in den mittelgrossen und kleinen Bronchien auf, wird aber
auch an jeder anderen Stelle der Luftwege, vom Kehlkopfe herab
bis zu den kleinsten Bronchiolen, angetroffen. Hier erregt sie, je
nach der Menge ihres Vorkommens und der Dauer ihres Aufent-
haltes, eine Schwellung, sowie hämorrhagische und eitrige Ent-
zündung der Bronchialschleimhaut — verminöse Bronchitis — , die
ihrerseits zur Atelectase oder Hepatisation verschieden grosser, um-
schriebener Lungenabschnitte führen kann — verminöse Pneumonie — ,
und sie ist im Stande, sowohl durch Verlegung grösserer Bronchial-
äste unter den Erscheinungen der Erstickung, als auch durch Lungen-
phthise, und dann unter dem Bilde einer schleichenden Anämie,
zum Tode ihres Wirths Veranlassung zu geben. In den von ihr
heimgesuchten Schaflungen findet man die Würmer am besten, wenn
man etwa in der Mitte ihres oberen, abgerundeten Randes vorsichtig
bis auf den hier fast parallel zum Lungenrande verlaufenden Haupt-
bronchialzug einschneidet und event. letzteren ein wenig nach vorn
und hinten hin verfolgt.
Der Strongylus filaria ist ein schlanker Wurm von zart weisser
bis röthlich gelber Farbe, dessen männliche und weibliche Geschlechts-
organe nach Nematodenart auf verschiedene Individuen vertheüt
sind. Dabei sind, dem allgemeinen Nematodencharacter entsprechend,
die Männchen im Grossen und Ganzer kleiner, schlanker und agiler
als die Weibchen. Für die Geschlechtsbestimmung aber sind diese
266 Otto Augstein:
Grössenverhältnisse um so schwieriger zu verwerthen, als sie, je
nach dem Alter und vielleicht auch nach den Nahrungsbedingungen,
ausserordentlich schwanken, denn während ich die unter günstigen
Bedingungen bis zu 89 mm Körperlänge heranwachsenden Weibchen
schon bei einer Länge von 50 mm ausgesprochen geschlechtsreif
fand, traf ich unter den Männchen Exemplare an, die die erstaunliche
Grösse von 64 mm besassen, eine Grösse, die das von früheren
Beobachtern angegebene Durchschnittsmaass — 25 bis 30 mm — um
mehr als das Doppelte überragte.
Dafür ist aber die äussere Körper form bei beiden
Geschlechtern so ausserordenthch verschieden, dass es keine
Schwierigkeit macht, diese schon mit unbewaffnetem Auge
auseinander zu halten. Nur die vorderen Leibesenden zeigen
nämlich äusserlich eine übereinstimmende Beschaffenheit, und zwar
dadurch, dass die drehrunden und in der Hauptmasse cylinder-
förmigen Körper sich etwa zwischen dem ersten und zweiten Viertel
ganz allmählich zu verschmächtigen beginnen und zu einer schlanken,
an ihrem abgestumpften Ende die Mundöffnung tragenden Spitze
ausziehen. Die hinteren Leibesenden dagegen sind bei beiden
Geschlechtern durchaus verschieden gebaut. Beim Männchen
präsentirt sich die hier sitzende, den verwandten Nematoden eigen-
thümhche Bursa mit den gedrungenen, durch das hinterste Leibes-
ende hindurchschimmernden und als dunkelbrauner Fleck in die
Erscheinung tretenden Spicula dem blossen Auge als ein etwas
plumper Körperabschluss, wohingegen beim Weibchen auch das
hintere Leibesende in eine zierhche Spitze ausläuft, eine Spitze,
welche wegen ihrer Schärfe und ihrer kurzen, konischen Form es
ermöglicht, sie von dem schlankeren, weniger spitzigen Kopfende
leicht zu unterscheiden. Da ausserdem auch die Vulva des
Weibchens schon dem unbewaffneten Auge als eine etwas hinter
der Körpermitte belegene kleine Hervorragung entgegentritt, so
gehngt es dem aufmerksamen Untersucher stets, auf den ersten Blick
das Geschlecht seiner Exemplare zu bestimmen.
Beide Geschlechter entbehren nicht nur der Segmentirung ihres
Körpers, sondern auch jeghcher Haftwerkzeuge — es sei denn, dass
man die später zu beschreibenden Längskanten als solche in Anspruch
nehmen wollte — , ihr langgesreckter Leib findet eben vermöge seiner
Biegsamkeit und Elastizität an den Bronchialwänden eine hin-
reichende Bemhrungsfläche, um dem verhältnissmässig geringen
Andränge der ein- und ausströmenden Athmungsluft genügenden
Widerstand bieten zu können.
Die Bewegungen werden schlängelnd und, besonders beim
Weibchen, mit geringer Energie ausgeführt. Dabei liegen die
Thiere gewöhnlich auf einer Seite und biegen den Körper
hauptsächlich von der Bauch- nach der Eückenfläche, eine
Erscheinung, die nach den Bemerkungen Leuckarts (24, p. 13)
dadurch erklärt wird, dass die den Hautmuskelschlauch unter-
brechenden Seitenfelder ein Seitwärtskrümmen erschweren.
Stroiigylus filaria R. 267
Die äussere Hülle des Strongylus filaria wird von einer derben,
elastischen und farblosen Cuticula gebildet, die sich an den
natürlichen Körperöffnungen in die hier mündenden Organe um-
schlägt und diese eine unter Umständen recht ansehnliche Strecke
weit auskleidet.
Unter der Cuticula, und mit dieser durch die Subcuticula ver-
bunden, liegt der Hautmuskel schlauch, welcher, durch die
ansehnlichen Seitenlinien und durch die nur sehr schwach in
die Erscheinung tretenden Medianlinien unterbrochen, in Gestalt
von 4 breiten, aber wenig dicken Bandstreifen in der ganzen Länge
des Thieres hinzieht.
Der somit aus zwei Schichten — nämlich aussen die Cuticula
und innen die Muskulatur mit den Längslinien — bestehende Körper-
schlauch umschliesst nun eine geräumige Leibeshöhle, w^elche nicht
nur sämmtliche Eingeweide in sich aufnimmt, sondern auch das
Blut imserer Thiere enthält. Es ist dies eine farblose Flüssigkeit,
in welcher reichlich körperliche Elemente suspendirt sind. Die
Blutkörperchen präsentiren sich als scharf conturirte, stark licht-
brechende, homogene Körnchen mit einem Durchmesser von 1,5 bis
8 //, die sich meist traubenartig aneinanderlagern. Der Zusammen-
halt solcher Trauben ist aber nur ein sehr lockerer, denn der
leiseste äussere Druck — also auch schon die einfache Contraction
des Hautmuskelschlauches — lässt sie zerschellen, worauf sich ihre
Bestandtheile an anderen Körperstellen wieder zu traubigen
Conglomeraten zusammenballen.
Da solcher Weise den Blutkörperchen Gelegenheit gegeben
ist, bald die äussere Darmfläche zu berühren, bald an jedes
andere Organ, sowie an jede Stelle der inneren Leibeswandfläche
sich anzulegen, so muss ihnen eine hervorragende Mitwirkung an
den Stoffwechselvorgängen vindicirt werden. Nicht unwahrscheinKch
ist es, dass ihnen dabei, ebenso wie bei den höheren Thieren,
hauptsächlich die Vermittelung des Gasaustausches obliegt, denn
der vorzugsweise Aufenthalt im freien Räume der luftführenden
Bronchien, und das frühzeitige Absterben der in das Lungengewebe
hinein verirrten Exemplare sprechen zur Genüge für ein ausser-
ordentliches Sauerstoffbedürfniss unserer Parasiten*).
*) Bunge kommt auf Grund seiner schönen Versuche über das Sauerstoif-
bedürfniss der Darmparasiten (Zeitschr. f. physiol. Chemie v. Hoppe-Seyler,
Bd. VIII 1883/84 p. 48-59), durch welche er nachwies, dass z. B. der im
Katzendünndarm schmarotzende Ascaris mystax, selbst wenn man ihm mit allen
Hülfsmitteln der modernen Chemie imd Physik möglichst sämratlichen Sauerstoff
entzieht, noch 5 mal 24 Stunden leben kann, zu der Ueberzeugung , dass die
Quelle der Muskelkraft hauptsächlich in der lebendigen Kraft zu suchen sei,
welche bei den Spaltungsprozessen der aufgenommenen Nahrung frei werde,
und dass der von aussen aufgenommene Sauerstoff bei den betr. Würmern vor-
herrschend nur zur Erhaltung der Körperwärme benutzt werde.
268 Otto Augstein:
Von den Eingeweiden durchzieht der Verdauungstractiis
als ein mehr oder minder plattgedrücktes und kaum von der Geraden
abweichendes, schlauchförmiges Gebilde die ganze Länge des Thieres.
Er beginnt am Kopfende mit einer kurzen — beim ? 21,5 (i^ beim
c^ 19,5 // langen — trichterförmigen Mundhöhle, die in den — beim
$ 1,5 mm, beim S 1,1 mm langen — mit einer Radiärmuskulatur aus-
gestatteten Oesophagus führt, der seinerseits etwa auf der Grenze
zwischen dem ersten und zweiten Dritttheil seiner Länge — beim
$ 525 (i^ beim (J 414 // vom Kopfende entfernt — von Schhmdringe
umfasst wird und sich gegen den Chylusdarm scharf absetzt. Dieser
Letztere stellt eine aus vollsaftigen, mit ausserordentlich grossen
Kernen ausgestatteten Epithelzellen gebildete Röhre dar, die dem
Drucke des mächtig entwickelten Geschlechtsapparates nachgebend,
die verschiedensten Querschnitte besitzt und am hinteren Ende in
die trompetenartige Erweiterung einer röhrenförmigen Einstülpung
der äusseren Cuticula einmündet. Das eb ener wähnte , chintinöse
Gebilde, welches man mit seiner Umhüllung bei anderen Nematoden
nicht ohne Grund als Mastdarm bezeichnet hat, ist in dorsoventraler
Richtung abgeplattet. Beim Weibchen 160 ^m lang, mündet es, ca.
475 fi vor der Schwanzspitze, an der Bauchfläche nach aussen,
nachdem das hinterste Ende seiner dorsalen Wand einem fächer-
förmigen Muskel Ansatz gewährt hat, welcher zur Oeifnung des Afters
dienen dürfte. Beim Männchen nimmt die anale Cuticulareinstülpung
mit ihrer trompeten artigen Erweiterung noch den Ausführungsgang
der Geschlechtsröhre auf. Dann läuft sie als ebenfalls von der
Bauch- nach der Rückenfläche abgeplattete, röhrenförmige Kloake
162 // weit nach hinten und schHesst hier in einer dorsalen Aus-
buchtung die Spicula ein. Sie mündet endlich mit einem 80 //
langen Endstücke, das weit genug ist, um den an ihren breitesten
Stellen je 95 n dicken Spicula einen bequemen Durchgang zu ge-
statten, im Grunde der Bursa an jener Stelle des Körpers, wo
dieser sich fingerartig in die Bursalrippen auflöst.
Der Geschlechtsapparat im engeren Sinne präsentirt sich beün
Männchen, wie bei den Nematoden gewöhnlich, als ein einfacher
Schlauch, welcher, etwa 4,3 mm hinter dem vorderen Körperende
blind beginnend, in ziemlich gerader Richtung und höchstens
2 — 3 mal um den Darm sich windend, nach der trompetenartigen
Kloakenerweiterung hinzieht und je nach der Beschaffenheit seiner
Wand und vorzüglich seines Inhaltes in Hoden, Samenleiter,
Samentasche und Ductus ejaculatorius geschieden werden muss.
Demgemäss muss unser Strongylns filaria, da er dauernd durch die immer-
hin etwas kühle Inspirationshift einem Wärmeverluste ausgesetzt ist, für die
Erhaltung seiner Eigenwärme mehr Sauerstoff verwenden, als solche Parasiten,
welche (wie z. B. Ascaris mystax) wegen ihres Aufenthaltes in dem stets
gleichmässig hoch temperirten Innenraurae warmblütiger Thiere eigentlich keine
Körperwärme zu entwickeln brauchen.
Strongylus filaria R. 269
Beim Weibchen sind die Geschlechtsorgane derart angeordnet, dass
zwei diirchschnitthch 80 — 95 (i dicke Röhren mit ihren 24 (i Durch-
messerbesitzenden blinden Enden etwas vor der Vulva um ein Geringes
über einandergreifen und, nach vorn und hinten divergirend, in der
Längsrichtung des Thieres als Eierstöcke hinlaufen, um 4,()75 mm
hinter dem Uebergange des Oesophagus in den Darm, bezw. 1,085 mm
vor der Afteröffnung, durch Gewinnung eines eigenthümlichen,
mächtigen Epithelbelages je einen Abschnitt zu bilden, der als
Schalen drüse functioniren dürfte. Dieser Röhrentheil zieht zu-
nächst vorn sowohl wie hinten noch etwa 338 (i weit in der Ver-
längerung seines Eierstockes nach dem zugehörigen Körperende
hin, schlägt sich dann hufeisenförmig um und bildet, nachdem
er etwa 825 (i weit nach der Körpermitte zurückgelaufen ist, je
eine blindsackartige Ausbuchtung, das Receptaculum seminis.
Aus diesen Samenbehältern gehen die weiten, bis 255 (i Durch-
messer gewinnenden Uteri hervor, welche in gerader Richtung
nach der Körpermitte hinziehen und gegen die Enden der hier
belegenen unpaaren, schlauchförmigen, 850 // langen Vagina durch
muttermundartige Verschlussvorrichtungen abgesetzt sind. Die
Vagina endlich mündet durch einen von zwei wulstigen Lippen
begrenzten, zur Längsaxe des Körpers quer gestellten Spalt,
die Vulva, nach aussen und zwar an einer Stelle der Bauch-
fläche, die gewöhnlich im fünften Achtel der Körperlänge be-
legen ist, hier aber keine ganz bestimmte Stellung innehält, denn
einmal fand ich bei einem 60 mm langen Weibchen die Geschechts-
öffnung 37 mm hinter der Mundöffnung, während sie ein anderes
Mal bei einem 62 mm langen weiblichen Thiere nur 35 mm vom
Kopfende entfernt lag. Durch Muskelfasern, die von der ventralen
Vaginal wand ausgehen und fächerartig in die wulstigen Lippen ein-
strahlen, kann die Vulva willkürlich geöffnet werden, während ihr
Verschluss, ebenso wie derjenige des weiblichen Afters, durch die
Elastizität der sich hier 100 (.i weit in das Scheideninnere hinein-
ziehenden Chitinauskleidung erzeugt wird.
Ausser diesen Organen finden sich, wie bei andern Strongyliden,
in weiblichen sowohl wie in männlichen Würmern an dem Kopf-
ende ein Paar ansehnlich entwickelter Hals drüsen, deren spindel-
förmige, dunkele, mit einem hellen, bläschenförmigen Kerne ver-
sehene Körper beim $ 850 // lang und 136 // breit, beim ^ 630 [i
lang und 100 ii breit sind, etwa 1,5 mm hinter dem Uebergange
des Oesophagus in den Darm liegen und mit ihren durchschnittlich
50 ^ breiten Ausführungsgängen bis zu dem beim $ 730 ^w, beim
$ 600 [i hinter dem Kopfende befindlichen Excretionsporus
hinlaufen.
Der Strongylus filaria ist ovipar. Ueber diesen Punkt haben
nach der früheren Litteratur bisher meist falsche Vorstellungen
geherrscht. Während Rudolphi, Schneider, Zürn, Koch und Bewly
unseren Wurm als vivipar hinstellen, erklärt ihn Perroncito und
Cooper Curtice für ovovivipar und Müller sagt sehr vorsichtig, er sei
270 Otto Augstein:
mcht durchaus vivipar (38, p. 41). Nm- Lenckart (24, p. 106)
äusserst sich sehr richtig, dass die Jungen zwar bereits vollkommen
entwickelt, aber immer noch mit der Eischale geboren werden.
Jene vorerwähnten irrthümhchen , oder doch wenigstens unklaren
Ansichten dürften wohl zum grössten Theile darauf zurückzuführen
sein, dass die darauf gerichteten Untersuchungen nur sehr selten
an den noch lebenswarmen Thieren gemacht wurden, sondern erst
dann stattfanden, wenn entweder die Würmer für sich, oder diese
mit den sie beherbergenden Limgen schon mehrere Tage aus ihrem
Träger (Schaf) entfernt waren. In solchen Fällen, in denen ich
die exenterirten fadenwurmkranken Lungen 4 — 5 Tage lang an einem
kühlen Orte aufbewahrt hatte, fand auch ich in den zwar noch
lebenden, aber bereits sehr schwachen, dem Tode nahen, weiblichen
Exemplaren die hinteren Enden der Uteri, und vor AUem die
Vagina, mit sehr agilen, schalenlosen Embryonen bevölkert, aber
ich möchte diese Erscheinung darauf zurückführen, dass die längere
Abkühlung der an Körperwärme gewöhnten Würmer und die
schädliche Einwirkung der bekanntlich bald nach der Exenteration
der Lungen beginnenden Fäulniss unsere Nematodenmütter derart
schwächen, dass sie nicht mehr im Stande sind, willkürlich die
Vulva zu öffnen und den für die Geburt reifen Inhalt heraus-
zupressen, denn nie konnte ich bei den vielen Hunderten von
trächtigen Exemplaren, die ich entweder unmittelbar nach der
Schlachtung ihrer Wirthe untersuchte, oder zu dieser Zeit durch
Einlegen in eine Fixation sflüssigkeit abtötete, freie Embryonen im
mütterlichen Körper nachweisen, obschon der diesen umhüllende
Bronchialschleim zahlreiche, den Eihüllen entschüpfte Würmchen
enthielt.
Was endlich die Nahrung des Strongylus filaria betrifft, so
glaube ich, dass unser Thier ausschliesslich von den dmxh seinen
Reiz desquamirten Bronchialepithelien lebt, denn ich fand nicht nur
seinen Darm mit zahlreichen, den Bronchialepithelkernen gleichenden
Körnchen angefüllt, sondern ich konnte auch in den vorderen Ab-
schnitten desselben stets einen diese Körnchen umgebenden, proto-
plasmatischen Hof nachweisen und traf auch im Darmanfange
wiederholt noch vollständig unveränderte Epithelzellen an.
II. Specielles.
a. CuHcula.
Als ein glasheller und überall durchsichtiger, elastischer Schlauch
überzieht die Cuticula die ganze äussere Leibesfläche unserer Würmer
und schlägt sich, wie bereits erwähnt, in die Mundhöhle, den Porus
excretorius, die Vulva, den weiblichen After und die männhche
Kloake hinein, nicht nur, um die an diesen Stellen mündenden
Organe eine Strecke weit mit einer, äusseren Einwirkungen besser
Strongylns filaria R. 271
Stand haltenden, derben Auskleidimg zu versehen, sondern auch,
um geeignetenfalls — so in besonders auffäUiger Weise im Oesophagus,
an der Vulva und am weiblichen After — vermöge ihrer elastischen
Spannung einen natürlichen Verschluss der betreffenden Aus-
mündungen zu bewirken.
Im Allgemeinen besitzt die Cuticula eine gleichmässige, durch-
schnittlich 1,5 — 2 // betragende Dicke; nur gegen das hintere Leibes-
ende der Weibchen erreicht sie die ansehnliche Wandstärke von
11 jM (Fig. 16 u. 17, C). Auf Querschnitten lässt sie in ihren dickeren
Parthien drei concentrisch angeordnete Schichten erkennen (Fig. 18, C),
die aber wenig scharf von einander abgesetzt sind. Die innerste,
nur eine dünne Lamelle darstellende Schicht zeigt durch ihre sich
stark tingirende, dunkelkörnige Beschaffenheit eine auffallende Ueber-
einstünmung mit der später zu beschreibenden Subcuticula, hebt
sich aber von dieser beim Abreissen der Cuticula (Fig. 18, a) mit
so grosser Regelmässigkeit ab, dass sie der letzteren zugerechnet
werden muss. Ihr liegt eine, sie an Stärke um das drei- bis vier-
fache übertreffende, ebenfalls gekörnte, aber viel hellere Schicht
auf, die sich in nicht ganz regelmässigen Abständen buckelartig
erhebt, und so jene Längskanten bildet, welche, auf der Körpermitte
etwa 15 — 20 // von einander entfernt liegend, in der ganzen Länge
des Strongylns filaria parallel hinziehen und nur an den zugespitzten
Körperenden convergiren. Diese mittlere Cuticularzone wird endlich
peripherisch von einer wieder nur flachen Schicht bedeckt, welche
sich durch ihr ausserordentlich helles, fast glänzendes Aussehen
auszeichnet, und in sofern an der Bildung der Längskanten Antheil
nimmt, als sie die Thäler sowohl als die leistenförmigen Vors]3rünge
der mittleren Zone mit einem überall gleich dicken Ueberzuge
versieht.
h u. c. Subcuticula und Längslinien.
Die Subcuticula (Fig. 28, Sc) zieht als eine nur schwach ent-
wickelte, kaum Vs (^ dicke Körnerlage unter der Cuticula hin und
darf, schon wegen ihrer Uebereinstimmung mit der tiefsten Cuticular-
schicht, als deren Matrix angesprochen werden. In ihrem lockeren,
körnigen Gefüge sucht man, wenigstens dort, wo sie die Cuticula
mit der Muskulatur verbindet, vergebens nach Kernen, wie über-
haupt eine ihr eigenthümliche Strukturirung nicht ermittelt werden
kann. Am vorderen Leibesende, wo, wie wir später sehen werden,
die Körper-Muskulatur an das obere Schlundende tritt, erlangt die
Subcuticula eine mächtige Entwickelung (Fig. 3 u. 4, Sc). Indem
sie dabei an ihrer Aussenfläche sechs in die Längsrichtung des
Körpers gestellte, rillenartige Einsenkungen gewinnt (Fig. 3), greift
sie, von der ihr eng anliegenden Cuticula bedeckt, in Gestalt von
sechs hakenförmig gekrümmten Wülsten über die Mundhöhle
(Fig. 1 u. 2, Lw), dieser einen ovalen Zugang freilassend (Fig. 2, Mo).
Ob die bei Querschnitten in den Lippenwülsten kurz vor der
Mundöffnung sichtbaren dunklen, nicht scharf umschriebenen Flecke
272 Otto Augstein:
(Fig. 2) nervöse Tastapparate darstellen, oder ob sie als kernartige
Bildungen aufzufassen sind, ist mir nicht klar geworden.
Mit Bestimmtlieit möchte ich aber zwei am Schwanzende des
Weibchens angebrachte, eigenthümliche Subcuticularbildungen als
Tastorgane in Anspruch nehmen. Es sind dieses nämlich zwei
etwa 0,2 mm vor der Schwanzspitze einander nicht genau gegen-
überstehende, kegelförmige Gebilde (Fig. 17, Pp), die sich von den
hier mächtig entwickelten Seitenfeldern mit einer 14 // breiten Basis
erheben, etwa 7 — 8 ^ weit in die Cuticula hineinragen, also die
Oberfläche der letzteren, die hier ja 11 (i dick ist, nicht ganz er-
reichen und besonders in ihrem Centrum eine eigenthümliche
Streifung, sowie eine leichte Einkerbung ihrer Kuppe besitzen. Sie
sind als von der lebenden Subcuticularmasse ausgehende Wucherungen
zu betrachten, welche der freien Körperoberfläche zustreben, und
müssen, wenn es mir auch nicht gelang eine sie versorgende Nerven-
faser aufzufinden, jenen Papülen an die Seite gestellt werden, welche
des öfteren bei grösseren Nematoden (z. B. von Rohde [45, p. 42]
bei Ascaris) beschrieben wurden. Ob diese beiden seitlichen Schwanz-
papillen die einzigen bei Strongylus filaria vorkommenden sind,
bleibt noch zu ergründen; bisweilen glaubte ich bei Uebersichtsbildern
noch jederseits 2 bis 3 ähnliche, aber viel kleinere Bildungen zu
erkennen, diese entzogen sich jedoch wegen ihrer Kleinheit einer
ControUe durch Querschnittuntersuchung.
Nach Nematodenart bildet auch bei unserem Thiere die
Subcuticula vier in das Körperlumen hineinragende Längswülste,
die, wenn man die der- Länge nach aufgeschlitzte und flächenhaft
ausgebreitete Körperdecke von der inneren Seite betrachtet, ebenso
viele hohlrinnenartige, breite Streifen begrenzen, in denen die
Körpermuskulatur gelegen ist.
Von diesen Wülsten, die althergebrachter Weise als Längs-
linien bezeichnet werden, besitzen immer die einander diametral
gegenüberliegenden je einen in Form und Grössenverhältnissen über-
einstimmenden Querschnitt.
Die in der Medianebene des Körpers gelegenen zwei Wülste,
die Bauch- und die Rückenlinie (Fig. 18, Ml), sind nur sehr schmal,
höchstens 9 ^ breit, während die zwei anderen, welche die Seiten-
flächen unseres Wurmes einnehmen — die sogen. Seitenfelder
(Fig. 18, Sf) — , gewöhnlich das 10 fache dieser Breite besitzen.
Ihre Tiefe schwankt, je nachdem ihr Dickenwachsthum durch
die Ausbildung der Eingeweide beeinflusst ist und beträgt z. B.
beim Weibchen in der Körpermitte, wo neben dem Darm die prall
mit Geschlechtsproducten gefüllten Geschlechts röhren das Körper-
lumen vollständig in Anspruch nehmen, nur etwa 2 //, während sie
weiter nach vorn und hinten, wo der Geschlechtsapparat weniger
Platz erfordert, bis 10 // erreicht. Im vordersten Leibesabschnitt,
wo noch keine Geschlechtsorgane vorhanden sind, werden die
Längslinien sogar bis 20 [i dick. Beim Männchen, das übrigens im
Strongylus iilaria R. 273
Allgemeinen mehr Platz in seiner Leibeshöhle besitzt, als das
Weibchen, sind sie verhältnissmässig dicker, durchschnittlich 21,6 //.
Die Medianlinien lassen wegen der Kleinheit unseres Objectes
keine andere Eigenthümlichkeit erkennen, als dass die körnige
Struktur der Subcuticula, aus der sie hervorgegangen sind, in ihnen
eine mehr faserige Beschaffenheit angenommen hat.
Die Seitenfelder dagegen zeigen auf Querschnitten einen sehr
characteristischen Bau. Gegen den freien Raum der Leibeshöhle
von einer ausserordentlich dünnen, keine besondere Struktur be-
sitzenden Membran überzogen, die wohl als — vielleicht chitinöse
— Ausscheidung der von ihr eingeschlossenen Körnermasse auf-
gefasst werden darf, besitzt jedes Seitenfeld folgende Einrichtung:
Peripherisch liegt eine, wegen ihrer grösseren und dichter ge-
lagerten Kömer ausserordentlich dunkel erscheinende Zone, die in der
Mitte ein 8 [j, weites, scharf abgesetztes, ovales Lumen in sich ein-
schliesst (Fig. 18, SG). Es ist Letzteres das Seitengefäss, das stets
in seinem Inneren eine geronnene Excretionsflüssigkeit erkennen
lässt. Jederseits neben diesem Seitengefässe und centralwärts von
der stark tingirten Zone, treten von Zeit zu Zeit hellere Flecke auf,
in deren Centrum je ein 8 — 10 ,w grosser, ovaler Kern mit ein bis
zwei grossen Kernkörperchen liegt (Fig. 18, K). In der centralen,
mit einer etwas feineren Körnung ausgestatteten Parthie des Seiten-
feldes endhch, und von dieser wiederum durch einen scharfen, ge-
wöhnlich kreisnmden Contur abgesetzt, liegt auf gleichem Radius
mit dem Seitengefässe ein 9 // dicker Strang, den ich deshalb als
Nervenbahn ansprechen möchte, weil er in der mannigfachsten
Weise verflochtene Längsfasern enthält, so dass sein Querschnitt
eine bald marmorirte, bald auch unregelmässig gestreifte oder
regelmässig kreuzförmige Zeichnung aufweist (Fig. 18, N Str). Er
tritt erst etwas hinter dem später zu erwähnenden Seitenganghon
deutlich in die Erscheinung — ein Umstand, der noch besonders
dafür spricht, dass er sich aus der Zusammenlagerung von dem
Letzteren entstammenden Nervenfasern gebildet hat, — und lässt sich
in ziemlich gleichmässiger Stärke bis gegen das Schwanzende hin
verfolgen.
Das in der peripherischen Zone verlaufende Excretionsgefäss
zieht zwar etwas weiter nach hinten, als der Nervenstrang,
erreicht aber auch seinerseits nicht das hinterste Köi'perende unserer
Thiere. Beim Weibchen, dessen Schnittserie man von hinten nach
vorne untersucht, tritt es, vielleicht weil es vorher zu klein und
unauffällig war, erst dort deutlich hervor, wo etwa die hufeisen-
förmige Knickung der hinteren Schalendrüse sich befindet. Hier
liegt es noch in der centralen Zone seines Seitenfeldes (Fig. 14, SG),
sehr bald aber rückt es gegen die Aussenfläche desselben vor und
läuft dann, immer diese peripherische Lage einhaltend, nach vorne,
bis es etwa auf der Grenze des zweiten und letzten Oesophagus-
dritttheils in stumpfem Winkel aus dem Seitenfelde heraus und in
die Leibeshöhle hinein abbiegt und hier, zwischen Oesophagus und
Arch. f. Natuigesch. Jahrg. 1894. Bd. I. H. 3. 18
274 Otto Augstein:
Körpermnsknlatur hindurcli, der Bauclilinie zustrebt, um in letzterer,
zusammen mit dem Excretionsgefässe der anderen Seite, 700 (i hinter
dem Kopfende derart nach aussen zu münden, dass die Richtung des
Mündungsrolires mit der Bauchlinie einen nach hinten offenen
Winkel von etwa SO*' bildet (Fig. 1, Pe). Der ca. 70 [i lange ge-
meinschaftliche Ausführungsgang beider Seitengefässe ist, ebenso
wie der weibliche Mastdarm und die männhche Kloake, von der
Bauch- nach der Rückenfiäche des Wurmkörpers zusammengedrückt,
so dass die Porusmündung eine ovale Oeffnung darstellt, deren
kürzester, 2—3 // betragender Durchmesser in die Längsaxe, ihr
längster, 14 (i grosser Durchmesser aber quer zur Längsrichtung
des Körpers gestellt ist (Fig. 7, Pe).
Auch beim Männchen, dessen Porus excretorius ca. 550 // hinter
dem Kopfende liegt, reicht das Seitengefäss nicht bis zum hinteren
Leibesende, sondern verschwindet zusammen mit dem Seitenfelde
ungefähr 0,75 mm vor der Kloakenmündung.
In die stumpfwinkelige Abbiegung, in welcher der longitudinale
Verlauf des hinteren Seitengefässes in seine diagonale, dem Porus
zustrebende Richtung übergeht, mündet aber bei beiden Geschlechtern
noch ein anderes, vom Kopfende herkommendes Gefäss, das, den
vorderen Enden der Seitenfelder angehörig, sich bis über den
Nervenring hinaus deutlich verfolgen lässt (Fig. 1, SG). Demnach
wird also das ganze Excretionsgefässsystem aus vier in den Seiten-
feldern belegenen Gefässen gebildet, von denen jederseits ein kleineres,
dem Kopfende angehöriges und ein grösseres, vom Schwanzende
kommendes sich — beim $ 500 ^, beim S 400 ,w vor dem hinteren
Pharyngealen de — vereinigen, wonach sie mit dem gemeinschaftlichen
Stamme in diagonaler Richtung zur Bauchlinie hinlaufen, um zu-
sammen mit dem Stamme der anderen Seite durch den Porus
excretorius auszumünden.
Die Seitenfelder selbst erstrecken sich nach Abgabe der diagonal
gestellten' Gefässstämme, immer spitzer werdend, nach vorn, schliessen,
wie wir später sehen werden, 525 // vor dem weibhchen und 414 //'
vor dem männlichen Kopfende, eigenthümliche, dem Centralnerven-
system zugehörige Elemente in sich ein, und verschmelzen schliesslich,
ebenso wie die vorderen Enden der Medianlinien, mit den ebenfalls
der Subcuticula entstammenden sechs Lippenwülsten (Fig. 3 u. 4, Sc).
Auffallend ist bei unseren Thieren, und zwar besonders bei den
Weibchen, die Bildung der hinteren Seitenfeldenden, die ich um so
mehr hier betonen muss, als ich eine ähnliche Einrichtung noch bei
keinem anderen Nematoden beschrieben gefunden habe.
Da wo bereits die Anfänge der Excretionsgefässe erkennbar
sind, also etwa beim Beginne der hinteren Schalendrüse, treten
nämlich in jedem Felde neben dem Gefässe noch andere scharf um-
schriebene Lücken in der körnigen Substanz auf. Erst sind es ge-
wöhnlich zwei, die seitlich von dem Gefässe eine ziemlich symmetrische
Lage haben (Fig. 14, L). Später wächst ihre Anzahl; sie gewinnen
dabei auch eine so unregelmässige Form und Anordnung, dass das
Strongylus filaria ß. 275
sich nimmehr immer tiefei' in die Leibeshöhle hineinwölbende
Seitenfeld wie von einem ganzen Lückensysteme aufgetrieben er-
scheint (Fig. 15, L). Zugleich geht die körnige Struktur des Seiten-
feldes in ein immer deutlicher werdendes Faserwerk über, welches
für jenes Lückensystem als Stützgerüst dient und die nunmehr in
durchaus unregelmässiger Anordnung auftretenden grossen Kerne
(Fig. 15, K) in ihrer Lage erhält.
In solcher Weise sind die Seitenfelder bereits in der Höhe des
Afters zu zwei stattlichen ■ — hier bis 32,5 ji tiefen — schwamm-
artigen Wülsten herangewachsen. Sie füllen hinter genannter
Oeffnung fast das ganze Lumen des sich hier schnell zuspitzenden
Leibes, lassen jedoch noch einen eben genügenden Raum für die
hinter der Mastdarmmündung der Bauchlinie aufliegende Analdrüse
übrig (Fig. 16 u. 17).
Ob dieses merkwürdige Lückensystem als Zuleitungsorgan für
die dann doch wohl als secretorisch zu bezeichnenden Seitenfelder
angesprochen werden darf, oder ob ihm selbst eine di'üsige Funktion
zuerkannt werden muss, wage ich nicht zu entscheiden, will hier
jedoch einfügen, dass Leuckart (24, p. 20) kanalartige Bildungen,
die er neben dem Seitengefässe in den vorderen Abschnitten der
Seitenfelder von Sklerostomum hypostomum und Dochmius fand,
als Drüsenschläuche in Anspruch genommen hat. Zwar scheinen
auch die beiden etwas vor der Analdrüsenmitte in je einer scharf
begrenzten Lücke ihres Seitenfeldes sitzenden grossen Zellen, welche
mit ihren kugeligen, leicht granulirten, 16 /^ grossen Zellenleibern
je einen 7,5 // grossen, bläschenförmigen, mit zwei Kernkörperchen
ausgestatteten, hellen Kern umschliessen und eine auffallende
Aehnlichkeit mit den später zu beschreibenden, allerdüigs etwas
grösseren Endzellen der Geschlechtsröhren zeigen (Fig 16, Z), die
Annahme einer drüsigen Verrichtung zu rechtfertigen, doch würde
es solcher Annahme nicht entgegenstehen, wenn man die oben-
erwähnten Seitenfeldlücken auch als Zuleitungsorgan für diese Drüsen-
zellen in Anspruch nehmen wollte.
Ein Analogon für das in Frage stehende Lückensystem konnte
ich auch beim Männchen von Strongylus filaria nachweisen, hier ist
es jedoch nur verhältnissmässig kümmerlich ausgebildet. Etwa
0,35 mm vor dem hinteren Ende des Seitenfeldes nämlich, etwa
dort, wo sich die Retractoren der Spicula an letzteres anheften,
weichen auch hier die Körnermassen, unregelmässige Lückenräume
zwischen sich lassend, auseinander. Sie nehmen dabei eine deutlich
faserige Anordnung an und dringen da, wo das Lückensystem am
stärksten entwickelt ist, 29 (j tief in das Körperlumen hinein, indem
sie einen wappenformähnlichen Querschnitt aufweisen. Es sind also,
wenn man so sagen darf, die hinteren Enden der männlichen Seiten-
felder zu kolbigen, ein schwamm artiges Gefüge besitzenden An-
schwellungen aufgebläht.
18*
276 Otto Augstein:
(l, Körper niuskulafur.
Auf der Subcuticula flach ausgebreitet und seitlich durch die
wulstartigen Seiten- bezw. Medianlinien begrenzt, zieht die Muskulatur
in Gestalt von vier nebeneinander herablaufenden, langgestreckten
Muskelfeldern vom Kopfe bis zum Schwanzende hin. In der Leibes-
mitte erreichen diese Muskelfelder je eine Breite von etwa 245 ,w
und sind, da hier die Seitenhnien etwa 68 fj breit sind, die Median-
linien aber nur 8 (z messen, derart gelagert, dass zwei von ihnen
der Bauchfläche, und die beiden anderen der Rückenfläche zuge-
hören. Es entspricht diese Anordnung des Muskelapparates der
ausserordentlich einfachen Locomotion des Strongylus filaria, die
ja, wie wir gesehen haben, hauptsächlich durch ein Krümmen des
Leibes von der Bauch- nach der Rückenfläche bewerkstelHgt wird.
Abgrenzungen von einzelnen Muskelzellen, in die jedes Muskel-
feld zerfiele, können weder auf Querschnitten, noch an der flächen-
haft ausgebreiteten Leibeswand nachgewiesen werden, trotzdem aber
muss aus den zahlreich vorhandenen Muskelkernen auf einen zelligen
Aufbau der bandartigen Felder geschlossen werden, wenn anders
die Angaben Schneider's (23, p. 202) und Leuckart's (24, p. 35),
dass jeder Kern einer Muskelzelle entspräche, Geltung behalten
sollen.
Die Bildungszellen sind dann aber im vorliegenden Falle der-
art mit einander verschmolzen, dass ihre gegenseitigen Abgrenzungen
nicht mehr nachweisbar sind. Unter dieser Voraussetzung besteht
jedes Muskelfeld unseres Parasiten, wie das auch bei den verwandten
Formen der Fall ist, aus zwei in der Längsrichtung des Körpers
neben einander herlaufenden Zellenreihen, denn die ausserordentlich
grossen, bis 22 // Durchmesser erreichenden und ein bis zwei etwa
5 fi grosse Kernkörperchen enthaltenden Muskelkerne sind für jedes
Feld zu einer Doppelreihe angeordnet.
In histologischer Beziehung ist die Muskulatur, wiederum wie
bei vielen anderen Strongyliden , nach dem platymyaren Typus
(19, p. 227) gebaut, d. h. sie lässt eine die contractilen Elemente
enthaltende Rindenschicht, die in ihrer ganzen Ausdehnung der
inneren Fläche der Leibes wand (Subcuticula) aufliegt, und eine dieser
polsterartig aufsitzende, in die Leibeshöhle hinein vorquellende
Marksubstanz unterscheiden. Die Rindenparthie muss wieder in zwei
verschiedene Substanzen zerlegt werden, nämlich einerseits in die
eigentlich contractilen Elemente, welche als radiär gestellte, bis 13 ,</
hohe und 3 /x dicke Bänder in der Längsrichtung unserer Thiere
hinziehen und in ihrem Verlaufe mehrfach anastomosiren , und
andererseits in eine zwischen diese Bänder sich einschiebende
Interfibrärmasse, die als Fortsetzung der centralen Marksubstanz
aufzufassen ist. Diese Letztere besteht aus einem homogenen
Hyaloplasma und aus einem von regellos verflochtenen Fäserchen
gebildeten Spongioplasma und liefert den Sitz für die Muskelkerne.
Merkwürdiger Weise haben Roh de (45, p. 2) und mit ihm
Apathy bei den allerdings cölomyar gebauten Ascaris lumbricoides
Strongylus filaria R. 277
und megalocephala nicht, wie Schneider, Leuckart und alle früheren
Forscher, die in der Rindenparthie belegenen, bei den gewöhnlichen
Behau dlungs weisen begierig Farbstoffe aufnehmenden Leisten als
contractile Elemente in Anspruch genommen, sondern sie behaupten,
diese seien die Fortsetzung der centralen Marksubstanz, die
Interfibi-ärmasse , und verlegen das eigentlich Contractile der
Muskulatur in die sich nur schwer färbenden Zwischenräume jener
Leisten, welche sie mit dem Namen der „Muskelsäulchen" belegen.
Soll diese Ansicht richtig sein, so müssten, da ja das Pricip der
Muskeleinrichtung bei allen Nematoden ein gleiches ist, bei Strongylus
filaria die von mir als radiär gestellte und in der Längsrichtung
des Thieres mehrfach anastomosirende Bänder beschriebenen Elemente
(Fig. 18, cR.) eine Fortsetzung der Marksubstanz (Fig. 18, M) sein,
während die zwischen ihnen sich einschiebenden und von mir als
Interfibrärmasse bezeichneten Elemente (Fig. 18, Jf), die gewöhnlich
nur schwach oder gar nicht gefärbt bleiben, das eigentlich Contractile
der Muskelzellen repräsentiren würden.
Dagegen streitet aber nicht nur der Umstand, dass meine
Interfibrärmasse einen sehr deutlichen directen Uebergang aus der
Marksubstanz erkennen lässt und mit dieser ein durchaus gleiches
faseriges Aussehen und ein übereinstimmendes Färbevermögen be-
sitzt, sondern ich konnte auch an den mit der Längsrichtung ihres
Querschnittes radiär gestellten, leicht tingirbaren Bändern eine zur
Körperoberfläche parallel laufende Schichtung nachweisen, die eine
jede meiner Längsmuskelleisten in mehrere (bis zu 10) übereinander-
liegende Fasern zerlegt (Fig. 18, cR). Da eine jede dieser Fasern
auf dem Querschnitte regelmässig eine dunkle Peripherie und ein
etwas helleres Centrum besitzt, so möchte ich sie als die Muskel-
primitivbündel (Fibrillen) in Anspruch nehmen und das Zustande-
kommen ihrer eigenthümlichen Anordnung so erklären, dass die
Beweglichkeit unserer Thiere mehr contractile Elemente (Fibrillen) er-
forderte, als sich in einfacher Schicht an die Subcuticula anlegen
konnten, und dieser Ueberschuss musste sich daher, damit der
platymyare Typus bewahrt blieb, in der Rindenschicht derart an-
ordnen, dass er sich von Zeit zu Zeit halskrausenartig in der
Richtung des Querschnittsradius hervorwölbte (Fig. 18, cR).
Ohne Zweifel besitzen der von Rzewuski (36) beschriebene
Strongylus paradoxus und der von Ströse (41) bearbeitete Strongylus
micrurus eine mit Strongylus filaria übereinstimmende Muskulatur,
denn die Behauptung Ströse's (41, p. 14), dass Strongylus micrurus
ein Cölomyarier sei, widerlegt er selber dadurch, dass er in seinen
Abbildungen für jedes Muskelfeld 14 bis 23 Längsfibrillengruppen
wiedergiebt, während er andererseits (p. 14) behauptet, jedes Muskel-
feld enthielte nur 2 nebeneinander herlaufende Kernreihen. Ent-
sprächen seine Fibrillengruppen dem cölomyaren Typus, so müssten,
da jede Zelle ihren Kern besitzt, in jedem Muskelfelde 14 bis 23
nebeneinander herlaufende Kernreihen vorhanden sein.
278 Otto Augstein:
Am Kopfende werden die streifenartigen Miiskelfelder des
Strongylus filaria naturgemäss durch die sich zu den dicken Lippen-
wülsten entwickelnde Subcuticula immer mehr von der Cuticula ab-
und dem Oesophagus zugedrängt. Indem sie dabei durch das Vor-
dringen der Subcuticula erst eine Längsriefung an ihrer Aussen-
fläche gewinnen (Fig. 4, Mr), lösen sich schliesslich ihre vordersten
Enden in strahlenartige Fortsätze auf, die das vordere Oesophagus-
ende manschettenartig umgreifen und sich in der Höhe der trichter-
förmigen Mundöffnung an dessen äusserer, hier noch sehr dicker,
cuticularer Umkleidung anheften (Fig 3, Mr). In solcher Weise ist
unserem Thiere Gelegenheit gegeben, durch eine Contraction der
vorderen Leibesmuskulatur die Mundöffnung zu erweitern, während
der Verschluss derselben auch hier an die Federkraft der eigen-
thümlich gebogenen Cuticulareinstülpung gebunden ist (Fig. 1, Mr).
Nach hinten verliert sich die Körpermuskulatur der Weibchen
ganz allmähüg, und zwar verschwinden die ventralen Muskelfelder
etwa in der Gegend des Afters, während die dorsalen sich noch
eine geringe Strecke weiter nach hinten verfolgen lassen (Fig. 15, Mr).
Beim Männchen hingegen umschliesst die Muskulatur das ganze
hintere Ende der Leibeshöhle und betheiligt sich sogar noch in
hervorragender Weise an der Bildung des den männlichen Strongyliden
eigenthümlichen Schwanzanhanges, der sogenannten Bursa.
Da, wie wir gesehen haben, die Seitenfelder der Männchen
schon 0,75 mm vor der Kloakenöffnung ihren hinteren Abschluss
finden, die Medianlinien aber wegen ihrer Kleinheit keinen wesentlich
trennenden Einfluss auf die Längsmuskelstreifen ausüben können,
so ist bereits das ganze hintere Ende der Leibeshöhle von einem
continuirlichen Muskelschlauche umgeben. An diesem tritt nun, je
weiter nach hinten um so mehr, der fibrilläre Theil gegen die sich
immer stärker entwickelnde Marksubstanz zuilick. Aber auch
die Letztere ändert ihre Beschaffenheit in sofern, als ihr netzförmiges
Spongioplasma immer engmaschiger wird und am äussersten Leibes-
ende eine in Längsstreifen angeordnete, feinkörnige Struktur gewinnt.
Dieses Gewebe, in welchem die bekannten Muskelkerne regellos
zerstreut liegen, zieht sich nun ohne Abgrenzung und unter voll-
ständiger Beibehaltung seiner histologischen Einrichtung in 6 Paare
von fingerförmigen Fortsätzen aus, die von der hier mächtig ent-
wickelten und fächerähnlich ausgebreiteten Cuticula etwa in der
Art zusammengehalten werden, wie die einzelnen Schirmstäbe durch
den Schirmüberzug. Die fingerförmigen Fortsätze, die wir nach
dem Vorgange Schneid er's (23, p. 130) „Bursalrippen" nennen
müssen, bestehen also, ebenso wie das hinterste Leibesende, aus
Muskelelementen, in denen im Gegensatze zu der übrigen Körper-
muskulatur noch keine Difi'erenzirung in contractile- und Marksubstanz
stattgefunden hat, die vielmehr diese beiden Bestandtheile in
regelloser Mischung enthalten. Dementsprechend finden sich auch
in der Substanz der Bursalrippen die Muskelkerne ebenso unregel-
Strong-yhis filaria R. 279
massig vertheilt vor, wie wir es in dem Gewebe des hintersten,
noch ungetheilten Körperendes constatiren konnten (Fig. 31, Mk).
Von den Rippen besitzen immer die im Verhältnisse zur Median-
ebene des Körpers symmetrisch stehenden eine übereinstimmende
Büdung.
Die beiden Mittleren — Costae posteriores Schneider — bilden
zunächst einen gemeinschaftlichen, SQfi langen und 70 // dicken Stamm
und repräsentiren so gewissermassen die hinterste Leibesspitze, die
demnach durch das spätere Auseinander weichen der Hinterrippen in
zwei Zipfel ausgezogen erscheint. Nach der Trennung verläuft jede
Hinterrippe in flachem, nach der Medianebene concavem Bogen ca.
225 // weit nach hinten und bildet an ihrer Spitze drei knopfförmig
hervorspringende und an ganz kurzen Stielen sitzende Knötchen,
die auf Querschnitten ein auffallend dunkelkörniges Centrum besitzen
und mit ihrer streifigen Struktur lebhaft an die seitlichen Schwanz-
papillen der Weibchen erinnern. Leider gelang es mir auch bei
ihnen nicht, sie durch Auffinden einer sie versorgenden Nervenfaser
einwandsfrei als Tastorgane zu characterisiren.
Rechts und links von diesen Hinterrippen befindet sich eigentlich
ein Doppelrippenpaar, d. h. jederseits theilt sich ein 54 fi dicker
Stamm nach einem 47 // langen Verlaufe in eine mediane und in
eine laterale Rippe. Von diesen so entstandenen vier Rippen tragen
die beiden medianen — Costae posteriores externae Schneider
(Fig. 27, Cpe) — • an ihren Enden nur je eine knopfförmige An-
schwellung, erreichen auch nicht den freien Rand der Bursa, sondern
biegen sich etwa 65 (j vor demselben mit ihren kolbenförmigen
Spitzen gegen den Rücken des Thieres um, so dass ihre Kuppen
ca. 3 (/ hoch aus dem Niveau der äusseren, convexen ßursafläche
heraustreten. Die lateralen dagegen — Costae mediae Schneider
(Fig. 27, Cm) — , deren Enden mit je zwei Knöpfen ausgestattet sind,
ziehen sich wieder, wie die Hinterrippen, bis zum freien Bursal-
rande hin.
Seitlich hiervon entspringt mit einfacher Wurzel jederseits eine
Rippe, an deren Ende ich keine knopfförmige Verdickung ermitteln
konnte. Diese Rippen — Schneider's Costae anteriores externae —
erreichen ebenso wenig, wie die Costae posteriores externae den
freien Rand der Bursa und ragen wie diese mit ihren einfachen
Enden ca. 3 fi hoch aus dem Niveau der äusseren convexen Bursa-
fläche hervor (Fig. 27, Cae).
Jederseits neben dem After endlich, also am weitesten nach
vorne, springen zwei Vorderrippen bauchwärts vor, die wegen ihrer
54 f/ langen und fast rechtwinkelig zur Körperaxe gestellten gemein-
schafthchen Stämme wiederum ein Doppelpaar bilden. Nach ihrer
Separation verlaufen diese vier Rippenäste in einem gegen das
Kopfende concaven Bogen nach vorne, um das über ihre einfachen
abgerundeten Enden hinwegziehende, cuticulare Schirmdach seitlich
bis vor die Kloakenöffnung auszuspannen (Fig. 31, Ca).
280 Otto Augstein:
Da nun all diese Rippen je nach ihrer Stellung auch die Form
des Bursamantels — der übrigens an dem Ursprünge der Mittel-
rippen die ansehnliche Dicke von 108 pi besitzt (Fig. 27, C), eine
Stärke, die nach dem freien Rande bis auf 7 n zurückgeht — be-
stimmen, sich aber unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht nur wie
gespreizte Finger mit ihren Spitzen von einander entfernen, sondern
auch eine nach aussen schwach convexe Bogenform und eine nach
unten geneigte, mit der Längsaxe des Körpers mehr oder minder
stmnpfe Winkel bildende Stellung besitzen, so repräsentirt sich der
ganze Bursalapparat als ein nach der Bauchseite offenes, oben,
hinten und seitlich convexes, baldachinartiges Gebilde, zwischen
dessen vorderen, durch die Vorderrippen getragenen Lappen die
männhche Kloake ausmündet (Fig. 31, B).
Neben diesem merkwürdigen Schwanzanhange, von dem es ja
bekannt ist, dass er bei der Begattung zum Anklammern an die
weibliche Geschlechtsöffnung benutzt wird, besitzen die Männchen
noch einen zweiten Muskelapparat, der ihnen durchaus eigen-
thümlich ist, und von dem die Weibchen auch nicht einmal eine
Andeutung erkennen lassen.
Schon bei Uebersichtspräparaten erkennt man nämlich an dem
hinteren Leibesende der Männchen, wenn man dieses in die Rücken-
lage gebracht hat, zwei Systeme schräg gestellter Streifen, die von
den Seitenrändern des Wurmkörpers herkommend, convergirend
nach hinten laufen und in der Mittellinie des Bauches fast rech-
winkelig auf einander stossen. Querschnitte lehren uns dann, dass
wir es mit Muskelzügen zu thun haben, die der Körpermuskulatur
nach innen unmittelbar aufliegen und deren eines Ende an den
unteren Rand der Seitenfelder, bezw. im hintersten Leibesabschnitt
an die Seitenfeldgegend , das andere an die Bauchlinie angeheftet
ist. Histologisch weichen sie in Nichts von der übrigen Körper-
muskulatur ab. Ihre diagonalgestellten contractilen Fasern liegen
unmittelbar auf der Marksubstanz der Letzteren (Fig. 25, Qu), während
ihre eigene Marksubstanz (Fig. 25, M^) sich wieder polsterartig in die
Leibeshöhle hinein vorwölbt und den Sitz für die Muskelkerne abgiebt.
Die Quermuskulatur bildet also nur eine in bandartige Streifen
zerlegte, zweite Schicht der Körpermuskulatur und ist vermöge ihrer
eigenthümlichen Anordnung zur Längs muskulatur vorzüglich ge-
eignet, auf Form- und Weitenverhältnisse des Hinterleibes einen
Einfluss auszuüben. Wie sie einerseits das mannigfachste Krümmen
und Verbiegen dieses Körperabschnittes ermöglicht und somit das
für die Begattung nothwendige Anheften desselben an die Vulva
des Weibchens wesentlich erleichtert, so ist sie andererseits auch
im Stande, durch Druck auf die Eingeweide deren Inhalt zu ver-
schieben; sie kann sich also auch in hervorragender Weise an der
Ejaculation betheiligen.
Wo bei unseren Thieren noch andere, die inneren Organe be-
einflussende Muskeln vorkommen, werden dieselben bei der Be-
sprechung der betreffenden Organe berücksichtigt werden.
Strongylns filaria R. 281
e. Verdaunngstractus.
Durch die von den sechs Lippenwülsten freigelassene, IS// breite
lind 25 ^i lange, ovale Mundöffnung (Fig. 2, Mo) schlägt sich die
äussere Cuticula in die trichterförmige Mundhöhle um, diese mit
einer 1,7 (i dicken Chintinauskleidung versehend.
Etwa in der Mitte der Mundhöhle, dort, wo die erst fast parallelen
Wände derselben convergirend zu der eigentlichen Trichterform
abbiegen, sendet diese Chitinauskleidung eine zweite, parallel zur
Körperoberfläche hinziehende Chitinplatte ab, die etwa 16 // weit
ebenfalls 1,7 /< dick bleibt, dann aber, nachdem sie den vordersten
Ausläufern der Körpermuskulatur Ansatz gewährt hat, sich in eine
dünne Lamelle auszieht, welche den muskulösen Pharynx in seiner
ganzen Ausdehnung mantelartig umkleidet. Die Verlängerung der
trichterförmigen Chitinplatte bildet dagegen die innere Auskleidung
des Pharynx. Sie bleibt bis in den Darmanfang hinein über 1 //
dick und umschiesst das Pharyngeallumen, welches, der Regel ent-
sprechend, auch bei unserem Nematoden einen dreikantigen, oder
besser gesagt, dreischenkligen Querschnitt besitzt. Die drei Flächen
der inneren Chitinauskleidung sind nähmlich nicht eben, sondern
gegen das Centrum des Pharyngeallumens vorgewölbt, sodass sie
fast überall zur Berührung kommen und die eigentliche Höhlung
des Schlundes auf einen engen, dreischenliligen Spaltraum be-
schränken. Wie gewöhnlich, ist die eine Kante dieses Spaltraumes
gegen die Bauchlinie gerichtet, während die beiden anderen Kanten
schräg nach oben und aussen gekehrt sind.
Vorerwähnte centripetale Hervorwölbung der Chitinflächen hat
nach Leuckart (■24, p. 47) den Zweck, dass der Pharynx, dessen
Hohlraum vermöge später zu beschreibender Radiärmuskeln er-
weitert werden kann, sich durch eigene Federkraft zu schliessen
im Stande ist.
Etwa im sechsten Siebentel seiner Länge ist der den Pharynx
durchsetzende Kanal etwas weiter, als vor und hinter dieser Parthie,
und diese Erweiterung setzt sich besonders gegen den hintersten
Pharyngealabschnitt ziemlich scharf ab. Diese Erscheinung darf
wohl um so mehr als eine, wenn auch nur schwache Andeutung
des Pharyngealbulbus anderer Nematoden angesehen werden, als
auch der Querschnitt des gesammten Oesophagus in dieser Gegend
seinen grössten Durchmesser erreicht (Fig 1, Oe).
Zwischen den beiden Chitinschläuchen nun, die sich, wie er-
wähnt, etwa in der Mitte der Mundhöhle von einander trennen,
und von denen der äussere den mantelartigen Ueberzug, der innere
dagegen die centrale Auskleidung des Pharynx liefert, ist die eigen-
thümliche Schlundmuskulatur ausgespannt. Diese besteht aus radiär
gestellten Fibrillen, welche von der äusseren Umkleidung ausgehend,
zum Theil in ziemlich parallelem Verlaufe nach der Concavität der
inneren Chitinbögen hinziehen, zum Theil aber, fächerförmig
convergirend, an die drei Kanten des Pharyngeallumens sich an-
heften, wo die innere Chintinauskleidung für ihre Insertion besondere,
282 Otto Augstein:
auf Querschnitten spitzen- oder knopfförmig erscheinende Ver-
dickungen besitzt (Fig. 4 — 7, Oe).
Während hiernach die letztgenannten Fibrillenzüge berufen er-
scheinen, das innere Chitinrohr in seiner Lage zu erhalten, dienen
wohl die ersteren, an die Concavität der Chitinbögen tretenden,
dazu, die letzteren abzuflachen und dadurch den in der Ruhe drei-
schenkligen •Spaltraum zu einem ansehnlichen dreieckigen Kanäle
zu erweitern.
Die vorbeschriebene Anordnung der Pharynxmuskulatur lässt
uns den Vorgang der Nahrungsaufnahme bei unseren Parasiten klar
übersehen: Die von der Mundhöhle aufgefangene Speise wird durch
die Contraktion der vordersten parallelen Schlundmuskelfasern in den
dadurch erweiterten Schlundanfang hineingesogen und gelangt nun
dadurch in den Darm, dass einerseits durch peristaltische Contraktion
der folgenden Pharynxfasern jenes Ansaugen continuirlich bis zum
Ende des Schlundes statthat, während andrerseits das einmal auf-
genommene Material durch die Federkraft des inneren Chitinrohres —
die ja, entsprechend dem gleichfalls peristaltischen Erschlaffen der
contrahirt gewesenen Pharynxmuskeln , allmähhch von vorn nach
hinten frei wird — immer weiter fortgeschoben wird.
Doch nicht die ganze zwischen den Chitinschläuchen belegene
Pharynxwand besteht aus Muskelfibrillen. Zwischen diesen, und
zwar bei den parallel verlaufenden regelmässig in der Mitte, bei
den fächerartig convergirenden dagegen unregelmässig angeordnet,
Hegen ansehnliche Spalträume. Dieselbe sind von einer grobkörnigen
Substanz erfüllt, in welcher von Zeit zu Zeit scharf begrenzte,
14 — 15 n grosse und mit einem tief dunkel tingirten, 7 [i messenden
Kemkörperchen versehene Kerne auftreten.
Durch dieses Verhalten wird auch bei unserm Thiere die
Ansicht Leuckart's (24, p. 46) bestätigt, dass sich die Pharynx-
muskulatur der Nematoden aus einer ganzen Anzahl von Zellen
entwickelt, die gleich den Körpermuskelzellen nur einen Theil ihres
Inhaltes in fibrilläre Substanz verwandelt haben, während ihre
körnigen Ueberreste, ebenso wie dort die Marksubstanz, noch die
Zellkerne enthalten (Fig. 4, K).
Gegen den Darm hin setzt sich der Oesophagus scharf ab und
zwar nicht nur durch das plötzKche Aufhören seiner eigenthümlichen
Radiärmuskulatur , sondern auch dadurch, dass sich sein äusseres,
mantelartiges Chitinrohr wieder mit der inneren Chitinauskleidung
vereinigt (Fig. 1).
Wenn trotzdem alle früheren Forscher den Oesophagus mit
einer glockenförmigen Einstülpung in den Darm hineinragen lassen,
so findet diese irrthümliche Anschauimg in Folgendem ihre Er-
klärung :
Während die äussere, ebenfalls chitinöse Umkleidung der Darm-
wand schon von vorneherein zarter und von schwächeren Licht-
brechungsvermögen ist, als der Pharynxmantel, erstreckt sich die
dicke innere Auskleidung des Oesophagus nach ihrer Vereinigung
Strougylus filaria R. 283
mit dem eben erwähnten Chitinmantel unter vollständiger Beibehaltung
ihrer derben , cuticularen Beschaffenheit noch ca. 64 // tief in den
Darmanfang hinein, überzieht hier die Innenfläche der ersten Darm-
epithelzellen imd schlägt sich dort, wo dieselbe durch Zurücktreten
ilirer Protoplasmamasse einen napfförmigen, nach dem Kopfende
hin concaven Spaltraum freilassen, erst nach aussen und dann
kopfwärts um. Erst an der tiefsten Stelle dieses Epithelspaltes
verliert sie plötzlich ihr stark glänzendes, cuticulares Aussehen und
nimmt eine matte, weichere Beschaffenheit an, um in dieser
Eigenschaft das ganze Darmlumen bis zum Beginne des Mast-
darmes auszukleiden (Fig. 1, D). Bei einer Dicke von etwa 3 //
zeigt sie jetzt bei sehr starker Vergrösserung eine radiärgestellte
Streifung, die wohl mit Leuckart (24, p. 56) dahin erklärt werden
kann, dass zahlreiche Porenkanäle einen leichten Verkehr zwischen
Speisebrei imd Darmzellen vermitteln.
Die Darmzellen, welche ausser der sie umschliessenden, dünnen,
strukturlosen Membrana propria den einzigen Bestandtheil der Darm-
wand repräsentiren , sind vollsaftige Epithelzellen mit feinkörnigem
Protoplama, die so dicht an einander liegen, dass man bei jedem
Querschnitte 4 bis 10 ihrer ovalen, bis 24 ^ langen und 8 [i breiten,
mit ca. 2 (.i grossen Kernkörperchen ausgestatteten Kerne antrifft
(Fig. 8, Dk). Eine Abgrenzung der einzelnen Epithelzellen konnte
ich trotz der verschiedensten Färbeversuche nicht nachweisen, doch
lässt die Anordnung ihrer Kerne darauf schliessen, dass sie eine
polyedrische Form besitzen und nur in einfacher Lage neben ein-
ander stehen. Hiemach kann man auch ihre Dicke, die demgemäss
mit der Dicke der Darmwand übereinstimmen muss, auf durch-
schnitthch 32 ^i feststellen.
Der Mastdarm, dessen einfaches, chitinöses Rohr eine Wand-
stärke von 1,5 (1 besitzt, wurde schon früher (cfr. Allgemeines)
deshalb als cuticulare Einstülpung bezeichnet, weil er, als directe
Fortsetzung der Körpercuticula, mit dieser in jeder Beziehung voll-
ständig übereinstimmt.
Beim Weibchen strahlen von dem hintersten Ende der dorsalen
Mastdarmwand, und zwar von der Medianlinie derselben, fächer-
förmig nach hinten und vorn divergirend , Faserzüge gegen die
Rückenfläche des Wurmes, welche derart nebeneinander liegen, dass
sie zwei Platten bilden, deren etwas convexe Aussenflächen an den
schwammartigen Seitenfeldem vorbeistreifen, während ihre der
Medianebene des Körpers zugewendeten, leicht concaven inneren
Flächen eine theils faserige, theils feinkörnige Masse umschiessen,
in welcher 2 oder 3 ansehnliche Kerne sich beobachten lassen
(Fig. 15, Da). Da sich diese Faserzüge an die zwischen den Seiten-
feldern belegene Rückenwand unseres Parasiten befestigten, möchte
ich das ganze Gebilde als einen Muskelapparat bezeichnen, welcher
ungefähr die Gestalt eines Ballons besitzt, dessen peripherische
Theile in contractile Substanz umgewandelt sind, während seine
284 Otto Augstein:
centrale Masse als übrig gebliebene Marksubstanz die Kerne ent-
hält. Eine Contraction der vorbeschriebenen Fasern muss natürKch
die dorsale Fläche des Mastdarmes gegen die Rückenwand des
Wurmes emporheben, sie öffnet also den Mastdarm, und dieser
schliesst sich wieder durch die Federkraft seines Chitinrohres, so-
bald jene Contraction in eine Erschlaffung zurückgeht.
Auf Grund dieser Beobachtung glaube ich mich berechtigt,
den fraglichen Muskelapparat mit dem Namen Dilatator ani zu be-
legen und möchte hier darauf aufmerksam machen, dass auch
Ströse (41, pag. 21 u. Tab. III, Fig. 9) für Strongylus micrurus,
Stadelmann (48, p. 167 u. Fig. 1) für Strongylus convolutus und
Cobb (Beitr. z. Anat. u. Ontog. d. Nemat. Inaug. Diss. 88 p. 25)
für Strong. arcticus ein ähnliches Gebilde angedeutet haben.
/. Geschlechtsorgane.
Wie bei allen Nematoden, findet auch bei Strongylus filaria
die Fortpflanzung auf geschlechtlichem Wege statt, und zwar werden
in besonderen Organen des weiblichen Körpers Eier gebildet, aus
denen sich die jungen Thiere — Embryonen — entwickeln, wenn
sie vorher der Einwirkung des männlichen Samens, der seinerseits
wieder in einem besonderen Organe des männlichen Individuums
zur Ausbildung gelangt, ausgesetzt waren.
Betrachten wir zunächst die Art der Entwickelung und die Be-
schaffenheit des Sperma:
Wie bereits erwähnt, beginnt etwa 4,3 mm hinter dem Kopf-
ende des Männchens ein schlauchförmiges Gebilde, welches nach
ziemHch geradem Verlaufe gemeinschaftlich mit dem Chylusdarme
in die Kloake mündet. Dieser Schlauch ist an seinem vorderen
Ende durch eine auffallend grosse, ca. 20 ii Durchmesser besitzende
Zelle geschlossen und besteht in seiner ganzen Ausdehnung aus
einer zarten Tunica propria, welcher nach innen eine mehr oder
minder ausgebildete Epithellage aufsitzt.
In dem vorderen, der Endzelle benachbarten Abschnitte der
Geschlechtsröhre ist dieses Epithel noch schwach entwickelt und
lässt sich nur in den von Zeit zu Zeit der Tunica propria nach
innen anliegenden Kernen erkennen. Der Inhalt dieses vorderen
Abschnittes besteht aus einer gleichmässigen und durchsichtigen
Protoplasmamasse, in der 6,5 [i grosse Kerne unregelmässig zerstreut
liegen. Allmählich aber ordnen sich die Kerne derart an, dass
auf Querschnitten etwa 12 eine ringartige Gruppe bilden, welche
einen im Centrmn der Röhre gelegenen, dunklen Punkt lungiebt.
Wenn in diesem Stadium auch noch keine Abgrenzung einzelner
Zellterritorien erkennbar ist, so lässt jene Anordnung doch schon
darauf schliessen, dass von dem Urbildungsplasma bereits jedem
Kerne eine bestimmte Menge zuertheilt wurde, und dass diese
ihren Kern umschhessende Protoplasmamasse — die Ursamenzeile
— einer fadenförmigen Rhachis aufsitzt.
Strongyhis filaria R. 285
abläuft, dass einerseits schon nacli ganz kurzer Zeit die Zahl
der auf einem Querschnitte erkennbaren Ursamenzellen bis zu
30 und mehr herangewachsen ist, während andrerseits in Folge
dieser Vermehrung der Ursamenzellen der erst 32 (i betragende
Durchmesser der Geschlechtsröhre sich sehr rasch bis über 60 (i
ausdehnt. Da es nun dem Producte dieser lebhaften Theilung
schwer sein dürfte, an der fadenförmigen Rhachis eine hinreichende
Befestigungsfläche zu finden, so muss auch die letztere natürlich
an Plächenhaftigkeit gewinnen, und in der That sehen wir auch,
dass die Rhachis sich in einer Ebene immer mehr auszieht, bis sie
die Gestalt eines breiten Bandes erlangt. In solcher Weise halten
Zellvermehrung und Flächenwachsthum der Rhachis gleichen Schritt.
Die lebhafteste Kerntheilung finden wir etwa an jener Stelle, wo die
Geschlechtsröhre 160// Durchmesser besitzt und das leichtgekrümmte
Rhachisband einen 90 // langen und 21 // breiten Querschnitt er-
reicht hat (Fig. 20, H u. Rh). Hier lassen sich auf einem Körper-
querschnitt weit über hundert bläschenförmige Kerne erkennen,
deren chromatische Elemente eine eigenthümlich faden- oder keulen-
artige Anordnung besitzen, wie ich es in Fig. 29 a^^^h wiederzugeben
versucht habe.
Endlich erreichen die Theilungsprozesse ihren Abschluss:
die Keimzone des Hodens geht in die Wachsthumszone über.
An der Grenze dieser beiden Zonen finden wir also eine Zell-
generation, welche aus der Wucherung der Ursamenzellen hervor-
gegangen ist, und welche Hertwig (40, p. 18) mit dem Namen der
„Samenmutterzellen" belegt hat. Diese Zellen sind bei Strongylus
filaria ziemlich gleich gross, besitzen eine durchschnittliche Höhe
von 25 ,M, eine Breite von 13 ,« und enthalten einen längHchen,
bläschenförmigen, 17,5 ji langen Kern. Sie sind scharf conturirt
und sitzen, in einfacher Schicht nebeneinanderliegend, des Rhachis
auf, deren grösster Querschnittsdurchmesser hier die Länge von
180 //. erreicht hat.
Eine Zellvermehrung findet nun zunächst nicht mehr statt,
dagegen erleiden die einzelnen Samenmutterzellen eine wesent-
liche Aenderung in Grösse und Beschaffenheit ihres Zellkörpers.
Das Protoplama verliert sein homogenes, helles Aussehn, in-
dem sich kleine Dotterkörn clien in ihm ablagern. Der Zellleib
nimmt wesentlich an Umfang zu, doch wachsen die einzehien Zellen
weit mehr in die Breite, als in die Höhe. Später nimmt, entsprechend
der Breitenzunahme, die Höhe sogar ein Wenig ab, sodass auch
die Zellkerne — - in denen sich übrigens die Chromatinkörner sichtbar
vermehren — eine rundliche Form gewinnen können (Fig. 21, Smz).
Die Flächenvergrösserung der Rhachis hält mit diesem Zellen-
wachsthum naturgemäss immer gleichen Schritt. Von der Samen-
röhrenwand eingedämmt, krümmt sie sich dabei zunächst hufeisen-
förmig, bis sie sich später nach Art einer Pergamentrolle einwickelt
(Fig. 21, Rh).
286 Otto Augstein:
So lange sich die Vergrösserung der Rhachisfläche nur durch
einfaches Aufrollen erkenntlich macht, findet man auf jedem Quer-
schnitte der Wachsthumszone ungefähr die gleiche Anzahl von
Samenmutterzellen (60 — 75) — ein klarer Beweis, dass nur der
Umfang, nicht aber die Zahl derselben zugenommen hat.
In den letzten Abschnitten der Wachsthumszone liegen aber die
Verhältnisse etwas anders. Die Rhachis wird hier allmählich so
breit, dass ihr Querschnitt nicht mehr dem Querschnitte der
Geschlechtsröhre entspricht, sie wird vielmehr in eine für sie zu
enge Röhre hineingezwängt und so genöthigt, sich in der mannig-
faltigsten Weise zu krümmen und zu schlängeln. Da dieses Schlängeln
jedoch — wie man besonders schön an Längsschnitten (Fig. 28)
beobachten kann — eine gewisse Regelmässigkeit erkennen lässt,
so bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Rhachis nicht
nur in die Querrichtung des Samenrohres wächst, sondern auch
ein Längenwachsthum erfährt. Dieses Längenwachsthum hat aber
an den freien Rändern der Rhachis schneller statt, als in ihrer
Mitte, und dadurch werden die freien Ränder genöthigt, sich nach
Art einer Halskrjmse zu fälteln.
Haben nun die Samenmutterzellen eine Grösse von 25 (i längstem
und 21 (i kürzestem Durchmesser erreicht, so sind sie ausgewachsen,
lösen sich allmählich von der Rhachis los und treten in den Anfangs-
theil des Samenleiters. Hier erst finden bei unserem Parasiten
jene Theilungsvorgänge statt, welche nach Hertwig (40, p. 23) bei
Ascaris megalocephala noch in dem letzten Ende des Hodens — -
der sogenannten Reife- oder Theilzone des letzteren — vor sich
gehen.
Diese Theilungsvorgänge documentiren sich nun in Folgendem:
Die von der Rhachis losgelösten Samenmutterzellen erfüllen dicht
gedrängt das Geschlechtsrohr und gewinnen durch gegenseitigen
Druck einen regelmässig sechseckigen Contur, so dass hier der
Durchschnitt des Samenleiters lebhaft an eine Bienenwabe erinnert.
Später werden die Samenmutterzellen fast kreisrund; sie besitzen
dann einen Durchmesser von ca. 22 ^ und lassen nun in ihrem
durchschnittlich 8 // grossen Kerne die schönsten Kerntheilungs-
figuren erkennen (Fig. 22, Sml). Dabei besitzt die Aequatorial-
platte stets drei chromatische Elemente, die sich entweder als drei
mehr oder minder bogenförmige Striche, oder als sechs, den Durch-
schnitten dieser Bögen entsprechende Punkte repräsentiren. Leider
lässt sich wegen der Kleinheit unseres Objectes nicht deutlich ver-
folgen, wie sich diese drei Aequatorialschleifen aus dem Ruhe-
zustande des Kernes hervorbilden, ich kann nur vermuthen, dass die
Kerntheilung auch hier, wenn auch ausserordentlich rasch, in
gleicher Weise eingeleitet wird, wie ich es in der Keimzone be-
obachten konnte, wo sich zunächst ein einziger, in die verschiedensten
Windungen gelegter Faden entwickelte, der sich durch eine an
Knospung erinnernde Verästelung in zwei und drei getrennte Elemente
Stroiigylus filaria R. 287
zerlegte (Fig. 29, a^ — h). Auch die aus der Aequatorialplatte hervor-
gehenden Phasen der Kerntheikmg näher zu analysiren, musste ich
wegen der Kleinheit meines Objectes und vorzügHch wegen der
Raschheit des Kerntheilungsvorganges verzichten, denn schon auf
den ersten Schnitten der Kerntheilimgszone fand ich fast sämmtliche
Kerntheilungsfiguren vertreten; ich muss es deshalb dahingestellt
sein lassen, ob ich in meinen, nach lOOOfacher Vergrösserung an-
gefertigten Abbildungen (Fig. 30, a — h) die richtige Reihenfolge
innegehalten habe.
Solche Kerntheilung findet nun im Anfange des Samenleiters
zweimal in gleicher Weise und zwar in zwei ziemlich dicht hinter-
einanderliegenden Stadien statt, so dass aus jeder ursprünglichen
Samenmutterzelle 4 Tochterzellen werden.
Die nach der ersten Theilung gebildeten Zellen — die Tochter-
zellen erster Ordnung — sind zunächst kleiner als ihre Mütter,
ca. 15 — 18 (i im Durchmesser, erreichen aber bis zum Augenblicke
ihrer zweiten Theilung wieder die Grösse von 21 — 22 [i. Die aus
ihnen entstehenden Tochterzellen zweiter Ordnung haben dann
wieder nur 15 ,w Durchmesser, bleiben aber so klein und wandeln
sich nun direct in die eigentlichen Samenelemente um. Sie besitzen
zunächst keinen deutlichen Kern, sondern enthalten das ihnen bei
der Theilung zugefallene Chromatin über ihren ganzen kugelrunden
Leib unregelmässig zerstreut. Später sammeln sich diese Chromatin-
körner auf einen Haufen und bilden schliesslich einen mehr oder
minder stäbchenförmigen Kern, der sich in den nunmehr wurst-
förmig weidenden Zellen an das eine Ende derselben stellt. Hier-
nach verschmächtigt sich das den Kern enthaltende Zellenende noch
um ein Geringes, während das entgegensetzte Ende bauchig an-
schwillt, so dass die ausgebildeten Samenelemente von Strongylus filaria
eine Birnform besitzen, die, bei einem Längendurchmesser von 18 //,
an dem bauchigen Ende 9 — 10 ^m, an dem schmalen, den 3 [i langen
und 1,5 |M dicken, strich- oder stäbchenförmigen Kern tragenden
Ende 3 ^ dick sind (Fig. 31, Sp).
Wenn ich jenen Theil der männlichen Geschlechtsröhre, in
welchen die von der Rhachis losgelösten Samenmutterzellen hinein-
treten, mit dem Namen „Samenleiter" belegte, so bestimmte mich
dazu lediglich das Bestreben, eine mit anderen Nematoden über-
einstimmende Bezeichnung anzuwenden, denn nach Hertwig (40,
p. 47 bezw. 48) gebraucht man obigen Namen für denjenigen Theil
des männlichen Geschlechtsorgans, in welchem eine Rhachis nicht
mehr vorhanden ist. Die Wand des Rohres zeigt hier aber noch
keine Abweichung von derjenigen des sogenannten Hodens, und erst
viel später, dort wo die Samenelemente bereits ihre definitive Form
erlangt hab en, tritt eine merkliche Dickenzunahme des Epithelbelages
ein. Diese Dickenzunahme erfolgt dann aber so rasch, dass wir
schon nach kurzer Zeit die Epithelzellen als mächtige, durchschnittlich
120 ^t hohe und 55 (i dicke, gegen ihre Nachbarn ziemlich deutlich
abgesetzte, polyedrische Protoplasmamassen finden, die je einen 18 (i
288 Otto Augstein:
grossen, mit einem 8 n messenden Kernkörperchen versehenen
Kern besitzen, und die das 195 ^a weite Lumen der Geschlechtsröhre
auf einen nur noch sehr engen Kanal beschränken (Fig. 23, Epz).
Die Epithelzellen liegen in einfacher Schicht nebeneinander, und
zwar so, dass auf einem Querschnitte bis 12 ihrer Kerne gezählt
werden. Ihr Leib, der aus einem schwammartigen Spongioplasma
und einem homogenen Hyaloplasma besteht, scheint eine Masse zu
secerniren, welche den Samenelementen als Vehikel beigemengt
wird, denn man findet von hier ab die Samenkörperchen in ein
homogenes Bindemittel eingelagert (Fig. 23, Sp).
In dem letzten Abschnitte des Geschlechtsrohres wird das Lumen
durch ein Abflachen des Epithelbelages zunächst wieder erheblich
weiter, so dass wir diese Röhrenparthie mit der Samenblase anderer
Nematoden in Vergleich stellen dürfen.
Nur das äusserste Ende des männlichen Geschlechtsapparates
besitzt wieder einen dickeren Zellbelag und darf wohl deshalb als
Ductus ejaculatorius bezeichnet werden, weil an seinem Epithel eine
Abgrenzung einzelner Zellen nicht mehr erkennbar ist, dieses viel-
mehr den Character einer cirkulär angeordneten Faserung besitzt,
in welcher hin und wieder das Auftreten von Kernen beobachtet
werden kann. Vielleicht, dass diese ringförmige Faserung mit dem
Herauspressen des Sperma — welche Verrichtung, wie wir gesehen,
ja zum Theil auch durch die Quermuskulatur des hinteren Körper-
endes bewirkt werden kann — in Verbindung zu bringen ist
(Fig. 24, De).
An der Mündung der männlichen Geschlechtsröhre in die
chitinöse Kloake wird ihr Lumen noch einmal ausserordentlich eng,
und hier will ich nachholen, dass auch die letzten 80 jx des männ-
lichen Chylusdarmes eine auffallende Verengerung ihres Innenraumes
erleiden. Diese Erscheinung wird durch folgende Einrichtung
hervorgerufen :
Es verbinden sich nämlich weder die Epithelzellen der
Geschlechtsröhre, noch diejenigen des Chylusdarmes direct mit der
Kloake, sondern die Mündungen jener Organe senken sich in
vier mächtige Zellen ein, welche zusammen eine Art Trichter dar-
stellen, der dann erst seinerseits in das trompetenartig erweiterte
Anfangsstück der Kloake hineinführt. Diese vier Zellen sind
auf dem Querschnitte oval (Fig. 25, TrZ), von ungefähr 76 ^ längstem
und 58 |M. kürzestem Durchmesser und der Form nach kurzen, dicken
Birnen vergleichbar (Fig. 31, TrZ). Ihr Zellleib ist in dem gegen
das Körperlumen gerichteten Grunde gleichmässig grob gekörnt
und mit je einem Kerne von 12// Grösse ausgestattet. Nach der
Spitze hin wird die Körnung etwas feiner; es ordnen sich dabei
auch ihre Protoplasmamoleküle in Reihen an, welche zuletzt so
deutlich hervortreten, dass die frei in den Kloakentrichter hinein-
ragenden Spitzen ein vollständig zerschlitztes Aussehen gewinnen
(Fig. 25 u. 31, Tr Z). Ob diese eigenthümliche Einrichtung vielleicht
ein mechanisches Hinderniss abgiebt, das man mit einem Reusen-
Strongylus filaria R. 289
apparate vergleichen könnte und die Aufgabe hätte, den einmal in
die Kloake hinausgetretenen Stoffen — Sperma bezw. Koth — ein
eventuelles Zurücktreten zu versagen, ist mir nicht klar geworden,
denn so sehr auch der erste Eindruck für diese Annahme spricht,
scheint gegen dieselbe doch der Umstand zu streiten, dass die ver-
hältnissmässig weichen Fasern der zerschlitzten Zellspitzen für ge-
nannten Zweck nicht resistent genug sein dürften. Viel lieber
möchte ich vorerwähnte Erscheinung dahin erklären, dass die vier
Zellen ein Sekret liefern, welches in Gestalt jener Fasern abgeschieden
wird. Weshalb ich dann dieses Sekret als Kitt und die vier qu.
Zellen demgemäss als Kittdrüsen in Anspruch nehmen möchte,
werde ich noch später zu begründen Gelegenheit haben.
Die weiblichen Geschlechtsorgane sind im Verhältniss zu vor-
beschriebenem männlichem Apparate wesentlich complicirter gebaut.
Gestattet schon der verhältnissmässig grössere weibhche Körper eine
mächtigere Entwickelung der eibildenden Organe, so wird deren
Flächenhaftigkeit noch ganz besonders durch ihre doppelte Zahl
vergrössert. Beide Geschlechtsröhren, über deren symmetrischen
Verlauf ich bereits zu berichten in der Lage war, stimmen nun in
der Beschaffenheit sowohl ihrer Wand, wie ihres Inhaltes durchaus
überein, so dass es genügt, hier nur die eine derselben zu berück-
sichtigen.
Wie der männliche Geschlechtsapparat, besteht auch sie aus
einer zarten Tunica propria mit einer Epithellage, die in den ver-
schiedenen Abschnitten verschieden stark entwickelt ist. Sie beginnt
auch, wie Ersterer, mit einer 20 (i grossen, blassen Zelle, die wie
eine Kappe dem äussersten blinden Ende aufsitzt, und in deren 11 ,a
grossem, bläschenförmigem Kerne das Chromatin gewöhnlich an zwei
Stellen angesammelt gefunden wird (Fig. 13 u. 19, Tz). Es ist diese
der Rest der Schneider'schen Terminalzelle (21, p. 264), welche,
in fortgesetzter Theilung begriffen, die Geschlechtsproducte liefert.
Letztere zeigen, ebenso wie beim Männchen, ziemlich scharf
abgesetzte Entwickelungsphasen und rechtfertigen nach dem Grade
ihrer Ausbildung eine Eintheilung der sie umhüllenden Röhre in
Eierstock, Eileiter und Gebärmutter.
Der Inhalt des Eierstockes besitzt eine grosse Aehnlichkeit
mit demjenigen des Hodens und lässt gleichfalls eine Keimzone
und eine Wachsthumszone unterscheiden.
In Ersterer tritt uns wieder eine homogene und durchsichtige
Protoplasmamasse entgegen, in welcher wandständig 5 — 6 n grosse
Kerne unregelmässig suspendirt sind. Schneller aber, und deutlicher
gegeneinander abgesetzt, werden hier jedem Kerne die entsprechenden
Protoplasmamengen zuertheilt, so dass wir sehr bald einen Mantel
radiärgestellter , kernhaltiger Zellen die centrale, fadenförmige
Rhachis umschhessen sehen (Fig. 12 u. 13, Est). In diesen Keim-
zellen, die nach Hertwig (40, p. 52) mit der Bezeichnung „Ureier"
belegt werden dürfen , hat nun eine lebhafte Vermehrung statt, doch
Aich. f. Naturgesch. Jahrg. 1894. Bd.I. H.3. 19
290 Otto Augstein:
wächst hier nicht, wie im Hoden, dieser Vermehrung entsprechend,
die Rhachisfläche, sondern diese bewahrt ihren kreisrunden Quer-
schnitt, während die Theilungsproducte der Ureier, in mehrfacher
Schicht übereinander liegend, sich mit je einem fadenförmigen Fort-
satze an dieselbe anheften.
Das Endproduct dieser Ureiervermehrung — Hertwig's „Ei-
mutterzellen" oder „Unreife Eier" — erleidet nun in der Wachs-
thumszone keine Theilung mehr, dafür aber erfährt dasselbe eine
Grössenzunahme , die mit der entsprechenden Veränderung der
Samenmutterzellen in keinem Verhältnisse steht. Durch reichliche
Aufnahme von Dottermaterial wachsend, ♦rdnen sich die Eimutter-
zellen sehr rasch zu einer wieder einfachen Lage und bilden dort,
wo die in ihrem Anfange 24 [i dicke Geschlechtsröhre einen Durch-
messer von 90 [i erreicht hat, gewöhnlich 7 — 8 kegelförmige Zellen,
die wie riesige Cylinderepithehen der inneren Eiröhrenfläche an-
liegen und mit ihren zugespitzten Enden an die centrale Rhachis
sich anheften. Ihre 15 |M grossen, bläschenförmigen Kerne ent-
halten ausser zerstreut liegenden Chromatinkörnchen je ein deutliches
Kernkörperchen. Da die Dotteraufnahme von jetzt an immer
reichlicher stattfindet, so wächst natürlich auch die Dicke unserer
unreifen Eier, und zwar so beträchtlich, dass in der etwa 100 n
dicken Geschlechtsröhre nur noch drei oder höchstens vier Eier auf
gleichem Querschnitte Platz finden (Fig. 10, Est).
Nunmehr lockert sich der Zusammenhang zwischen den bis
dahin fest aneinander haftenden Eiern, bis sie sich von der Rhachis
loslösen und in jenen Theil der Geschlechtsröhre eintreten, den wir
wegen des Fehlens einer Rhachis mit dem Namen „Eileiter" belegen
müssen (Fig. 11, El). Hier liegen die Geschlechtsproducte als mem-
branlose Dotterklimipen unregelmässig nebeneinander und nehmen
durch gegenseitigen Druck die verschiedensten Formen an. Wegen
ihrer durch die aufgespeicherten Dotterkörnchen trüben und
undurchsichtigen Beschaffenheit vermag man nicht mehr zu erkennen,
welche Bewegungsvorgänge in ihrem Inneren statthaben; nur ein
schöner, bläschenförmiger, 9 — 10 [i grosser Kern, in dessen zier-
lichem Gerüst ausser einer grösseren Chromatinanhäufung ein
3 (i grosser Nucleolus hervortritt, kann durch Querschnitte festgestellt
werden (Fig. 11, K).
Gegen die Umschlagstellen der Geschlechtsröhre hin reihen sich
die Eimutterzellen in einfacher Schicht hintereinander, wobei sie sich
mit ihren flachen, zur Längsaxe des Eileiters etwas schräg ge-
stellten Endflächen wie die Stücke einer Geldrolle ' zusammen legen
(Fig. 1, E). In solcher Weise wird es erreicht, dass jedes Ei einzeln
die mit einem eigenthümlichen Epithelbelage ausgestattete und
früher bereits als „Schalendrüse" angesprochene, hufeisenförmige
Umschlagstelle des weiblichen Geschlechtsapparates passirt.
Es muss hier nachgeholt werden, dass die Wand der Geschlechts-
röhre im Bereiche des Eierstockes und des Eileiters nur aus einer
Stroiig-ylus ülaria R. 291
einfachen und dünnen Membrana propria zu bestehen scheint und
dass ein event. Epithelbelag lediglich aus den von Zeit zu Zeit
auftretenden , dieser Membran eng anliegenden Kernen vermuthet
werden kann.
Etwa 0,9 mm vor der Umschlagstelle jedoch ändert sich
das frühere Verhalten. Immer deuthcher tritt eine einfache
Lage polyedrischer , kernhaltiger Belagzellen hervor, und bereits
325 |M vor der Umschlagstelle hat diese Epithellage die ansehnliche
Dicke von 21 // erlangt, so dass sie eine nicht unbedeutende Quer-
schnittsverminderung des Röhrenlumens bedingt (Fig. 14, Sdr). Dabei
ist jede der vollsaftigen Epithelzellen ziemlich scharf gegen ihre
Nachbarin abgesetzt. Sie besitzt ein feinkörniges, in der Umgebung
des 7 // langen und 4 fi breiten, ovalen Kernes etwas dunkler ge-
kröntes Protoplasma. Ganz besonders entwickelt sind diejenigen
Zellen, welche etwa 750 ^ hinter der Knickung den absteigenden
Schenkel der Umschlagstelle in einer ungefähren Ausdehnung von
100 fi tapezieren. Diese Epithelzellen sind scharf von einander ge-
trennt; sie verbinden sich gegenseitig nur mit ihren 22 // breiten
basalen Endstücken und hängen mit ihren schlanken, protoplasma-
reichen Zellleibern zottenförmig bis 54 (i weit in das Röhrenlumen
hinein, wobei ihre freien Spitzen leicht gegen die Körpermitte ge-
neigt sind (Fig. 1, Epz). Ihr scharf conturirter, bläschenförmiger
Kern ist gewöhnlich mehr der Basis als der Spitze angenähert und
von einem besonders dunklen Hofe umgeben.
Ungefähr 0,8 — 0,9 mm hinter der Umschlagstelle bildet sich
der Epithelbelag sehr schnell wieder zurück, so dass die hier be-
findhche, bhndsackartige Ausbuchtung der Geschlechtsröhre wieder
eine gieichmässige , durchschnittlich 10^ dicke, kernhaltige Aus-
kleidung zeigt (Fig. 10, Rs).
Ohne Zweifel dient die vorbeschriebene epitheliale Einrichtung
dazu, die hier passirenden Eier mit dem zur Schalenbildung noth-
wendigen Material zu versehen, denn schon im Anfange des Uterus,
der an die erwähnte blindsackartige Ausbuchtung sich anschliesst,
finden wir die Geschlechtsproducte je mit einer scharf ausgeprägten
Umhüllungsmembran ausgestattet. Trotzdem muss übrigens ange-
nommen werden, dass, wenn auch das Bildungsmaterial in der
Schalendrüse geHefert wird, die eigenthche Entwickelung der Schale
erst im Anfange des Uterus statthat, denn die Befeuchtung, d. i.
die Einwirkung des männlichen Samens auf das Ei, findet, wie wir
sogleich sehen werden, zwischen der Schalendrüse und dem Uterus,
in der wiederholt angeführten blindsackartigen Ausbuchtung der
Geschlechtsröhre statt, und ein Eindringen der Samenelemente in das
Ei wäre schlechterdings unmögKch , wenn die Schale schon vorher
fertig gebildet wäre.
In dem Bhndsacke (Fig. 10 u. 1, R s) besitzen die Eier, die hier
gewöhnlich nur einzeln angetrofi'en werden, eine ovale Form, auch
ist ihre Begrenzung schärfer und glatter, als wir es im Eileiter
constatiren konnten (Fig. 10 u. 1, E). An dieser Stelle tritt uns
19*
292 Otto Augstein:
auch die Thatsache entgegen, dass die Eier nicht den einzigen
Inhalt des weiblichen Geschlechtsapparates ausmachen. Zahllose
Samenelemente bilden einen ständigen Inhalt des Blindsackes
(Fig. 10, Sp) und finden sich hier auch dann vor, wenn zufällig
kein Ei vorhanden ist. Es ist demnach gerechtfertigt, diese eigen-
thümliche Ausbuchtung als Receptaculum seminis in Anspruch zu
nehmen. Weiter aber liefert dieser Umstand auch den Beweis,
dass die Samenkörperchen mit einer eigenen Bewegung ausgestattet
sind, denn von der Vulva bis zum Receptaculum ist ein weiter
Weg, und Nichts spricht dafür, dass die kleinen Körperchen durch
fremde Kräfte in das Receptaculum gelangten. Eine selbstständige
Bewegungsfähigkeit der Samenelemente muss übrigens um so mehr
angenommen werden, als ihre Wanderung gegen die Richtung der
Eibewegung stattfindet. Dass dabei das Ziel dieser Wanderung stets
das Receptaculum seminis bleibt, darf wohl ohne Zwang dadurch
erklärt werden, dass die zottenförmigen Epithelien der Schalendrüsen-
mündung entweder durch ihre der Samenwanderung entgegengesetzte
Neigung, oder durch eine besondere Affinität ihres Inhaltes zu den
Samenelementen, ein weiteres Vordringen verhindern. Hin und
wieder freilich werden zwischen den letzten Epithelzotten einzelne
verirrte Samenkörperchen angetroffen, allein im Innern der Schalen-
drüse selbst wii'd man stets vergebHch darnach suchen.
Durch einen kleinen Engpass gelangen nun die Eier aus dem
Receptaculum seminis in den weitaus geräumigsten Theil der
Geschlechtsröhre, in den Uterus (Fig.l,llu.l9,U), in dem sie so weit
ausgebildet werden, dass sie beim Uebertritt in die Vagina unter-
halb ihrer zarten, dünnwandigen Schale bereits einen fertigen, mit
eigener Bewegung ausgestatteten Embryo enthalten (Fig. 19, E).
Das Epithel des Receptaculum zieht sich nur eine ganz kurze
Strecke weit deutlich erkennbar in die Gebärmutter hinein. Später
flacht es sich ab, und zwar in solchem Masse, dass es, wie im
Eierstock und Eileiter, nur durch die hin und wieder der inneren
Tunica propria-fläche anliegenden Kerne ihre Anwesenheit kund-
giebt. Ueberhaupt ist der grösste Theil der Uteruswand so dünn,
dass auf Querschnitten an ihr trotz lOOOfacher Vergrösserung nur
eine einfache Lage zu beobachten möglich ist (Fig. 11, U). Wenn
demnach bei unserem Parasiten der Uterus, wie bei anderen
Strongyhden, mit einer Muskellage überzogen sein sollte, so kann
diese nur ausserordentlich schwach entwickelt und wenig wirkungs-
kräftig sein. Das Vorwärtsschieben der Eier muss unter solchen
Umständen theils durch die vis a tergo, theils und hauptsächlich
aber durch die Thätigkeit der Körpermuskulatur vermittelt werden.
In der Nähe der Uebergangsstelle zur Vagina tritt die epitheliale
Auskleidung des Uterus wieder deutlicher hervor. Immer mächtiger
werdend, dringt sie zapfenartig in das Lumen hinein (Fig. 19, U), bis sie
am Ende von vier mächtigen, scharf conturirten Epithelzellen gebildet
wird. Diese Epitheilzellen sind auf Querschnitten 38 — 45 (i lang, 25
Strongylus filaria R. 293
bis 29 // breit und je mit einem ovalen, 12 // langen und 9 (i
breiten Kern versehen, der ein bis zwei Kernkörperchen einschliesst.
Aussen werden sie sehr bald von einer etwa 7 n breiten Ringfaserschicht
umlagert (Fig. 12 u. 19, Rm), welche sie buckelartig in das Röhren-
lumen hineinschiebt, so dass der Durchschnitt desselben auf einen
engen, vierzipfeligen Spaltraum beschränkt wird (Fig. 12, Epz). Die
Ringmuskelschicht wird ihrerseits noch von einer sie um das Drei-
fache an Dicke überragenden, körnigen Substanzlage umgeben,
welche in ihren centralen Parthieen eine radiär angeordnete Textur
besitzt und wegen der in ihrem peripherischen Theile belegenen,
bläschenförmigen Kerne als die zur Ringmuskulatur gehörige Mark-
substanz angesehen werden darf (Fig. 12, M-**). In solcher Weise
wird an dieser Stelle ein kräftiger Sphincter erzeugt, welcher nach
Art eines Muttermundes den Uterus gegen die Vagina abzuschliessen
im Stande ist.
Hinter diesem Orificium bildet sich die Muskelschicht, imd vor
Allem die Marksubstanz derselben, wieder sehr zurück, so dass die
Vagina, welche übrigens mit einer kräftigen Epithellage ausgestattet
bleibt (Fig. 13 u. 19, V), nur noch von einer verhältnissmässig
dünnen Ringmuskulatur umgeben ist (Fig. 13, Rm). Nur an der
ventralen Wand der Scheide treten die Muskelfasern zu kräftigen
Bündeln zusammen, die zuletzt einen longitudinalen Verlauf ein-
schlagen und fächerartig in die wulstigen Vulvahppen einstrahlen
(Fig. 19, Va M), um dadurch eine Einrichtung herzustellen, die vor-
züglich geeignet ist, bei dem Geburtsact den durch die elastische
Chitineinstülpimg verschlossen gehaltenen Vulvaspalt in genügender
Weise zu öffnen.
{/. BegattungsapparaU
Beim Männchen lernten wir schon in der Bursa ein Gebilde
kennen, welches dem Hinterleibe die Möglichkeit bietet, sich über
die weibliche Geschlechtsöffnung zu stülpen und sich für die Dauer
des Begattungsactes an den Körper des Weibes anzuklanamern.
Nicht minder wichtig für die Begattung sind aber auch die
Spicula, zwei derbe Chitinbildungen, welche durch die Vulva in die
Scheide eingestossen werden, um deren Eingang für den Uebertritt
des männlichen Geschlechtsproductes klaffend zu erhalten.
Ueber die äussere Form der Spicula habe ich den ausführlichen
Beschreibungen von Nörner (27, No.l) und Koch (30, p.22) Nichts
weiter hinzuzufügen, als dass ihre hinteren Enden für die Anheftung
von Muskeln in rauhe Zacken und Vorsprünge zerklüftet sind. Der
weitere Bau derselben ist jedoch bisher stets falsch beurtheilt
worden, wahrscheinlich weil die spröde Beschaffenheit ihres Materials
das Anfertigen von Querschnitten ausserordentlich schwierig macht.
Nörner's Behauptung, „die Spicula seien röhrige Organe" ist
nämlich nur bedingt zutreffend, denn nur sein „gefächertes Gewebe"
repräsentirt eine Röhrenwand, die Höhlung der letzteren ist jedoch
294 Otto Augstein:
vollständig nocli von einer homogenen, schwach tingirbaren Masse
ausgefüllt, die der noch nicht differenzirten Bursalrippenmuskulatur
gleicht und zweifelsohne als chitinogene Matrix der harten Spikula-
theile fungirt (Fig. 25, Mx). Das sogenannte „gefächerte Gewebe" —
eine ausserordentlich derbe, dunkelbraune Chitinmasse, die dadurch
ein sehr zierliches, netzähnliches Maschenwerk repräsentirt, dass sie
sich in der mannigfaltigsten Weise verästelt und die Aeste wieder
verschmelzen lässt, um stets wieder neue Aeste auszusenden, — ist
ebenfalls nicht einfach blattartig aufgerollt (cfr. Koch, 30, p. 25),
sondern es bildet zwei in einander steckende Lagen, von denen die
äussere durch bestimmte Faltenbildungen einen entscheidenden
Einfluss auf die Form der Spicula ausübt. An der Spitze der
Letzteren, sowie vor den von Nörner beschriebenen Anschwellungen,
erscheinen nämlich auf Querschnitten beide Lagen als zwei eng
aneinander haftende, concentrische Ringe, auf der Höhe der eben-
erwähnten Anschwellungen aber hat sich die äussere Lage derart
von der inneren abgehoben, dass sie zwei Falten bildet, die unter
leichter Neigung gegen die Medianebene bauchwärts sowohl wie
rückenwärts bis 18 ,w weit vorspringen und an ihrer äussersten
Kante einen spitzen (ca. 15 — 20° grossen) Winkel bilden (Fig. 26, Spc).
Ein Stück hinter den vorerwähnten Falten verliert sich die innere
Chitinlage ganz allmählich (Fig. 25, G G), während gleichzeitig das
hintere, jetzt fast nur aus der äusseren Chitinplatte bestehende Spicula-
ende sich nicht mehr zu einer vollständigen Röhre schliesst, sondern
«^' gegen die Seitenfläche des Wurmes hohlrinnenartig öffnet. Dabei
erkennt man zugleich, dass durch diesen Spalt dieMarksubstanz der
später zu beschreibenden Retractores spiculorum in die Spicalamatrix
übergeht (Fig. 24, Mx). Natürlich werden auch die bereits erwähnten,
der Muskelanheftung dienenden, hinteren Zacken und Vorsprünge
der Spicula lediglich durch die äussere Chitinlage gebildet.
Durch diese Muskelanheftung und durch den Uebergang der
Retractorenmarksubstanz in die Matrix der Spicula sind also die
hinteren Enden der letzteren festgelegt, während ihre ganze übrige
Masse frei beweglich in einer als Ausstülpung der dorsalen Kloaken-
wand entstandenen, chitinösen Scheide liegt. Diese Scheide ist, der
Zweizahl der Spicula entsprechend, in ihrem distalen Abschnitte
doppelt vorhanden (Fig. 25, Seh); nach der Kloake hin verliert sich
jedoch der ventrale Theil ihrer gemeinschaftlichen Scheidewand, so
dass bei eingezogenen Spicula die „Anschwellungen" derselben be-
reits in einer zwar noch zweitheiligen, aber schon an der Bauch-
seite communicirenden und daher gemeinschaftlichen Röhre liegen
(Fig. 26, Seh). Der übrig gebliebene, von der dorsalen Wand der
Spiculascheide herabhängende Theil der Scheidewand wird dort, wo
die Spiculatasche in die Kloake einbiegt, besonders dick und schliesst
hier ein hornartiges Skelettstückchen in sich ein (Fig. 26, Seh W),
welches ohne Zweifel dazu bestimmt ist, die Wand hier besonders
widerstandskräftig zu machen und die Spicula, wenn sie h.ervor-
geschoben werden, nebeneinander herauszuleiten.
Strongylus filaria R. 295
Von den zum Begattungsapparate gehörigen Muskeln hob ich
bereits hervor, dass je einer sich an das hinterste Spiculaende be-
festigt. Ein Theil seiner Fasern strahlt aber auch in die Aussen-
fläche des Scheidengrundes ein, und dieser Insertion sowohl, wie
der übrigen Anordnung seiner histologischen Elemente entsprechend,
muss er als Retractor spicuh angesehen werden. Seine zwei
Wurzeln kommen nämlich von dem hintersten, kolbigen Ende des
gleichseitigen Seitenfeldes her, an dem sie dorsal und ventral ent-
springen. Sie lassen sehr bald eine Differenzirung in peripherisch
gelegene contractile- und central befindliche, kernhaltige Mark-
substanz erkennen, und bilden nach ihrer Vereinigung einen Hohl-
muskel, dessen peripherisch gelagerte Fasern einen von vorn und
aussen nach hinten und innen gerichteten Verlauf nehmen und
durch ihre Verkürzung den Scheidengrund und mit demselben das
entsprechende Spiculum gegen das Kopfende zurückziehen können.
Dass die central gelegene Marksubstanz dieses Hohlmuskels sich
continuirlich in den Innenraum seines Spiculum hineinzieht, um hier
die Spiculamatrix zu bilden, habe ich bereits hervorgehoben.
Gleichsam als Verlängerung dieser Retractoren laufen dann auf der
Aussenfläche der ganzen Scheide Längsfasern hin, deren Marksubstanz
nach aussen hervorgequollen ist (Fig. 24 u, 25, M-), und die durch
ihre Verkürzung im Stande sein dürften, die Scheide selbst harmonika-
artig zusammenzufälteln und dadurch die Spicula erheblich gegen
die Kloakenöffnung vorzutreiben. Diese Wirkung wird noch in
hervorragender Weise dadurch unterstützt, dass die betreffenden
Längsfasern etwas vor der Scheidenmündung in die Kloake zu drei
Muskelbündeln sich vereinigen, die sich von der dorsalen Scheiden-
wand abheben und den freien Raum der Leibeshöhle der Art
durchqueren, dass der mittelste unpaare Zug schräg nach hinten
und oben (Fig. 31, Pr Spc), die beiden anderen aber schräg nach
hinten und unten hinlaufen (Fig. 31), um schliesslich mit, der hintersten
Leibesmuskulatur zu verschmelzen. Es sind also wie ich hier
hervorheben möchte, auch die Protractores spiculorum nicht, wie
man früher annahm, direct an die flügeiförmigen Fortsätze (Nörner's
Anschwellungen) der Spicula angeheftet, sondern sie sind nur im
Stande einen Einfluss auf die Verschiebung bezw. Fältelung der
Spicu lasch eide auszuüben. Die Spicula werden also lediglich
durch eine Verkürzung ihrer Scheide hervorgeschoben.
Ueber die histologische Beschaffenheit des weiblichen Begattungs-
apparates, welchem wir nur die Vulva und vielleicht noch einen
Theil der Vagina zurechnen dürfen, ist mir Nichts mehr zu er-
wähnen übrig geblieben, doch sei es mir gestattet, noch eine auf-
fallende Beobachtung hier einzufügen.
Bei vielen den Bronchien entnommenen Weibchen Hess sich bei
ihrer Reinigung vom Bronchialschleim ein kleines, ihrer Vulva an-
haftendes Klümpchen nicht entfernen. Querschnitte solcher Thiere
zeigten mir, dass diese Weibchen soeben begattet waren, denn nur
296 Otto Augsteiii:
die Vagina und wohl auch der benachbarte Theil des Uterus war
mit Samenelementen angefüllt. Aus Längenschnitten ergab sich dann
die interessante Thatsache, dass die äussere Vulvaöffnung mit
einem ansehnlichen Pfropf aus bröckeliger Masse verschlossen war.
Samenelemente wurden in diesem Pfropfe nur ausnahmsweise ge-
funden. Von dem im Samenleiter befindlichen und den Samen-
körperchen als Bindemittel beigemischten Sekrete unterschied sich
die Masse durch eine stärkere Tingirbarkeit und durch die aus-
gesprochen klümperige Zusammengruppierung ihrer molekularen
Bestandtheile.
Da nun bei höheren Thieren gelegentlich ebenfalls ein solcher
im Anschluss an die Begattung seitens des Männchens gelieferter
Verschluss des Cervixkanals beobachtet worden ist, ein Pfropf, welchen
zuerst Leuckart beim Meerschweinchen gesehen und auf das Sekret
der Samenblasen zurückgeführt hat und welchem die Aufgabe zu-
fallen soll den Rückfluss des Samens zu verhindern, da besonders
aber auch bei den Echinorhynchen einem solchen Pfropfe sowohl
die innigere Verbindung beider Geschlechter während der Begattung,
als auch die Rückflussverhinderung des einmal übertragenen Samens
nach stattgehabter Trennung beider Geschlechter vindicirt worden
ist, so möchte ich auch unseren Pfropf für eine gleiche Leistung
in Anspruch nehmen. Hat er nun aber wirklich diese Bestimmung,
so muss er von vorneherein auch ein ausserordenthch rasches
Gerinnungsvermögen besitzen ; seine Masse muss z. ß. viel schneller
eintrocken, als das von dem Samenleiter gelieferte Spermavehikel,
woraus sich wieder ergiebt, dass er auch an anderer Stelle ge-
bildet wird als letzgenanntes Sekret. Diese Betrachtung führte
mich dazu, jene vier birnförmigen Zellen, welche am Uebergange
des Vas deferens bezw. des Darmes in die männliche Kloake einen
Trichter bilden, für die Erzeugung der qu. kittähnlichen Verschluss-
masse in Anspruch zu nehmen, und zwar durfte ich dieses um so
mehr, als ja auch bei den Echinorhynchen in einem hier allerdings
mächtig entwickelten Drüsenanhange des männlichen Ausführungs-
ganges die Bildungsstätte des in Rede stehenden Kittpfropfes ge-
sucht wird.i)
h. Drüsen.
Etwa in der Mitte der Entfernung vom hinteren Oesophagus-
ende bis zur Umschlagstelle der vorderen Schalendrüse liegen im
freien Räume der Leibeshöhle, zwischen Darm und Körperdecke
eingeschoben, die, wie bei anderen Strong3^1iden, so auch bei unserem
^) Meine Ansicht, dass solche Zellen als spezifische drüsige Organe aiifgefasst
werden dürfen, finde ich in der mir erst nach Fertigstellung meiner Arbeit be-
kannt gewordenen Abhandlungen von Jägerskiöld (Zoolog. Jahrb. VII Bd.,
p. 488) bestätigt, in der Verfasser bei Ascaris clavata an der Uebergangsstelle
des Chylusdarmes in den Mastdarm drei birnförmige Zellen von feinkörnig-
streifiger Structur beschreibt, die er als Analdrüsen in Anspruch nimmt.
Strongylus filaria R. 297
Strongylus filaria vorhandenen, spindelförmigen Halsdrüsen. Die
eine ist gewöhnlich um ein Geringes weiter nach hinten gerückt,
als die andere, so dass ihr centralgelegener, 40 // grosser, ausser-
ordentlich heller Kern sich etwa auf gleichem Querschnitt mit der
abgestumpften hinteren Spitze der Nachbarin befindet (Fig. 1 u. 9,
Hdr^ u. Hdr^). Jede Drüse, die auf der Höhe ihres Kernes einen
fast ovalen Querschnitt von 160 ^i u. resp. 100 [i Durchmesser auf-
weist, ist ebenso, wie ihr Ausführungsgang (Fig. 1 u. 8, Afg) von
einer kräftigen Umhüllungsmembran umgeben, und von einem
spongiösen Gerüst gebildet, welches oft mit ansehnlichen Lücken
auseinanderweicht und eine das Lückensystem ausfüllende homogene
Substanz in sich einschliesst. Da diese Differenzii'ung ohne Ab-
grenzung auch auf die Ausführungsgänge übergeht und in denselben
bis zu dem am Porus excretorius belegenen Ende nur mit der
Modification beibehalten wird, dass das Spongioplasma eine
peripherische Lage einnimmt (Fig. 8, Spl), während es durch das
Auseinanderweichen seiner Bälkchen einen mit Hyaloplasma erfüllten,
central belegenen, canalähnlichen Gang frei lässt (Fig. 8, Hpl), so
liegt es auf der Hand, dass das Hyaloplasma, als Product der Hals-
drüsensekretion, gemeinschaftlich mit der Excretionsflüssigkeit im
Porus excretorius nach Aussen befördert wird. Ist somit schon
ohne Weiteres eine drüsige Funktion der betreffenden Organe fest-
gestellt, so liegt um so weniger eine Veranlassung vor, sie, wie
Ströse (41, p. 12) es bei der Beschreibung von Strongylus micrurus
gethan hat, als Subcuticularanhänge anzusehen und sie mit Hamann
(Zoolog. Anz. No. 333; 1890) den Lemnisken der Echinorhynchen
an die Seite zu stellen, als sie durchaus keine Fortsetzungen der
Haut sind, sondern voU und ganz als Gebilde eigener Art angesprochen
werden müssen. Zwar liegen die Ausführungsgänge gerne dicht
an der Körperdecke, und zwar ausserordenthch häufig an der
unteren Kante der Seitenfelder, aber sie sind gegen letztere stets
durch ihre scharfe UmhüUungsmembran geschieden (Fig. 8, Afg).
Wenn man sich vor einem Ausfall in der Querschnittserie hütet,
oder besser noch geeignete Längsschnitte anfertigt, dann hält es
auch nicht schwer nachzuweisen, dass die Drüsenausführungsgänge
sich etwa in gleicher Höhe mit den Excretionsgefässen von den
Seitenfeldern loslösen und dem Porus excretorius zustreben.
Der Kern unserer Halsdrüsen besteht aus einer derben Kern-
membran, die ein zartes Kerngerüst, sowie einen meist etwas
excentrisch sitzenden, tief dunklen und 21 n grossen Nucleolus
umschliesst (Fig. 9, Hdr^j.
Neben diesen Halsdrüsen tritt beim Weibchen noch ein anderes
drüsenähnliches Gebilde auf, welches rückwärts vom After dicht an
der Bauchlinie liegt und deshalb als eine Analdrüse bezeichnet
werden darf, weil sein vorderes Ende an der Mastdarmmündung
verschwindet und dadurch den Anschein erweckt, als würde hier
das Drüsensekret entleert. Der Körper dieser Drüse ist gedrungen
298 Otto Augstein;
spindelförmig, springt an seiner stärksten Stelle 29 (i weit in die
Leibesliölile hinein vor und besteht aus einem peripherisch an-
geordneten, grossmaschigen Spongioplasma und einer feinkörnigen
hellen Markmasse, die einen scheinbar soliden, leicht tingirbaren,
8 n grossen Kern in sich einschliesst (Fig. 16, Adr) i).
i. Nervensystetn.
Die Centralstelle des Nervensystems, der Nervenring, welcher
am unverletzten Thiere schon bei etwa 50 facher Vergrösserung
etwas vor dem Excretionsporus im Umkreis des Oesophagus ge-
funden wird, weicht iii Nichts von dem bei anderen kleinen Nematoden
beschriebenen gleichen Gebilde ab. Er setzt sich in seiner Haupt-
masse aus einem im Allgemeinen cirkulär angeordneten Faserwerk
zusammen, in welchem die Ganglienzellen eingelagert sind. Diese
Letzteren werden zwar spärlich an jeder Stelle des Nervenringes
vorgefunden, an vier Stellen jedoch, nämhch jedesmal da, wo der
Nervenring eine Längslinie berührt, bezw. in deren Aufwulstung
übergeht, liegen sie in grösserer Anzahl zusammen gedrängt, so
dass sie hier vier in die Augen springende Zellenhaufen bilden, die,
ihrer Lage entsprechend, als Rücken- bezw. Seiten- und Bauch-
ganglien bezeichnet werden.
Die Seitenganglien (Fig. 1 u. 5 — 7, SGn) sind am stärksten ent-
wickelt und mögen wohl je 40 — 50 Ganglienzellen in sich einschliessen,
denn ich konnte bis 14 derselben auf einem Längsschnitte, bis 8
auf gleichem Querschnitte nebeneinander liegend feststellen.
Im Bauchganglion (Fig. 1 u. 7, BGn) hegen die Zellen schon
weniger dicht, doch haben wir auch in ihm immer noch mit einer
stattlichen Anzahl zu rechnen, zumal dasselbe zwar weniger breit,
aber viel länger gestreckt ist, als die Seitenganghen , da es sich,
etwa in der Höhe des hinteren Seitenganglionendes beginnend, bis
hinter die Porusmündung hinzieht.
Am spärhchsten endlich sind die Ganglienzellen im Rücken-
ganglion (Flg. 1 u. 6, RGn) vertreten, hier habe ich bei Längs- wie
bei Querschnitten niemals mehr als vier in einem Präparate angetroffen.
Da nun dieses Rückenganghon, von den Seitenganglien aus
gerechnet, um ebensoviel kopfwärts vorgeschoben ist, als das Bauch-
ganglion hinter letzteren zurückliegt, so bildet der die vier Zellen-
haufen verbindende Faserring auch keinen eigentlichen Querreif.
^) IMit den von Jägerskiöld (cfr. o.) beschriebeneu Analdrüseu der Ascaris
clavata hat vorgenanntes Gebilde keine Beziehung. Eine Andeutung der
Jägerskiöld'schen Drüsen macht sich wohl auch bei Strongylus filaria dicht vor
dem trompetenartig erweiterten Anfange des Mastdarmes bemerkbar, doch habe
ich geglaubt, diese in meinem Falle nicht sehr scharf ausgeprägten Bildungen
nicht als spezifische Drüsen ansprechen zu dürfen, sondern nur angenommen,
dass die letzten Chylusdarmepithelzellen besonders kräftig entwickelt seien.
Stroiigyhis filaria R. 299
Er ist vielmehr in seinem Rückentheile gegen das Kopfende, in
seinem Bauchtheile gegen das Schwanzende abgebogen, sodass er
von der Seite betrachtet — und so repräsentirt er sich bei Ueber-
sichtspräparaten gewöhnlich — an die Figur eines Fragezeichens
erinnert. Aus demselben Grunde findet man auch den Nervenring
von Strongylus filaria auf Querschnitten nie von einer so regel-
mässigen Form, wie er von anderen Nematoden abgebildet ist,
sondern seine Fasern verlieren sich, je nach ihrer Abbiegung,
entweder in der Rücken- oder in der Bauchgegend (Fig. 5, Nr).
Die Ganglienzellen sind scheinbar von sehr verschiedener Grösse,
wie das auch in fast allen bisher erschienenen Nematodenmonographien
hervorgehoben wird. Doch vielleicht, dass diese Erscheinung da-
durch hervorgerufen wird, dass die zweifelsohne mehr oder weniger
spindelförmigen Zellen einmal genau in der Mitte, ein anderes Mal mehr
nach dem Rande zu durchschnitten wurden? Jedenfalls ist der
Grössenunterschied ein so beträchtlicher — ich fand neben 25 [i
grossen und 8 ^i Kerndicke besitzenden Zellen solche, die nur 5 //
Durchmesser und einen 3,5 // dicken Kern besassen — dass er um
so mehr auffallen muss, als wir bei unserem Parasiten gewohnt
sind, die gleichartigen Gewebe aus wenigstens annähernd gleich
grossen Zellen aufgebaut zu finden.
Die äussere Form der Ganglienzellen gewinnt dadurch ein
characteristisches Gepräge, dass sich der eine Pol, oder auch beide,
zu scharf conturirten Fortsätzen ausziehen, deren leicht geschlängeltes,
fadenförmiges Ende hin und wieder eine pinselartige Auflösung in
ausserordentHch feine Fäserchen beobachten lässt. Merkwürdiger
Weise sind diese Fortsätze stets parallel zur Längsaxe des Thier-
körpers gestellt, so dass die characteristische Form der Nerven-
zellen nur bei Längsschnitten (Fig. 1, Nr) beobachtet werden kann,
während Querschnitte (Fig. 5 — 7) sie immer als rundliche, einen
bläschenförmigen Kern umschliessende Gebilde zeigen. Nur die
vereinzelt im Nervenringe selbst liegenden Zellen lassen ihre eigen-
thümhch spindel- oder keulenförmige Gestalt auch in Querschnitts-
bildern erkennen. Hieraus geht natürlich hervor, dass die Haupt-
masse der dem Schlundringe entstammenden Nervenfasern in die
vier Längslinien übertritt; auf diese also müssen wir, wäll man das
Verhalten des peripherischen Nervensystems eingehender ergründen,
unser Augenmerk richten. Hierbei aber sah ich mich in der Er-
wartimg, einen der wohlentwickelten Muskulatur ensprechenden,
ausgeprägten Faserapparat vorzufinden, bald getäuscht, denn — sei
es, dass mein Object solchen Untersuchungen wegen seiner Kleinheit
hindernd entgegenstand, sei es, dass meine Untersuchimgsmethoden,
die mehr auf die Erforschung des allgemeinen Aufbaues, als auf
die Ermittelung bestimmter GewebseigenthümHchkeiten gerichtet
waren, für das Studium des nervösen Apparates nicht ausreichten —
es gelang mir nur, die von den Seitenganglien ausgehenden Zellen-
fortsätze eine geringe Strecke weit zu verfolgen. Und auch diese
300 Otto Augstein:
Beobachtung behielt einen nur untergeordneten Werth, denn die
längsten Ausläufer sah ich höchstens 50 — 60 (i weit in das ent-
sprechende Seitenfeld hineinziehen, worauf sie gewöhnlich in feine
Fäserchen zerfielen, die ich in ihrer körnigen Umgebung sehr bald
aus dem Gesichte verlor. Es muss daher auch die oben ausgesprochene
Annahme (pag. 273), dass das im centralen Theile des Seitenfeldes
in Form eines drehrunden, 9 (i dicken Faserstranges gelegene
Gebilde aus der Zusammenlagerung von Nervenfasern hervorgegangen
sei, so lange als Vermuthung gelten, bis es gelungen sein wird,
sein vorderstes Ende mit den feinfaserigen Fortsätzen der Ganglien-
zellen in Verbindung zu bringen. Da ich auch in den ohnehin
schon mangelhaft entwickelten Medianlinien vergebens nach Faser-
zügen suchte, die ich mit Sicherheit als Nervenbahnen zu deuten
in der Lage gewesen wäre, so muss ich es leider dahingestellt sein
lassen, ob überhaupt bei Strongylus filaria das peripherische Nerven-
system dem Bilde entspricht, das besonders 0. Bütschli (50, p. 488)
für die Nematoden als typisch aufgestellt hat.
Strongylus filaria E. 301
Litteratur.
1. Daubenton: Instruction pour les Bergers et pour les Propri-
etaires de troupeaux. 1802.
2. Rudolphi: Entozoorum sive Vermium intestinalium Historia
naturaHs. Vol. I. 1808 u. vol. II. 1809.
3. Veith: Handbuch der Veterinärkunde. I. Bd. 1817.
4. Waldinger: Abhandlung über die Würmer in den Lungen
und der Leber, und das Klauenweh der Schafe. 1818.
5. Am-Pach: Practische Lehre von den Heerdekrankheiten der
Haussäugethiere. 1819.
G. Rudolphi: Entozoorum Synopsis. 1819.
7. Bojanus: in „Isis" von Oken. 1821.
8. Bremser: Icones Helminthum. 1824.
9. Peterka: Versuch einer systematischen Darstellung der Dreh-
Horn- und Lungen wurmkrankheit der Schafe. 1826.
10. Mehlis: in „Isis" von Oken. 1831.
11. Tausch: in „Magazin für die gesammte Thierheilkunde". 1837.
12. Padley u. Sandie: in „Anals and Magazine of natural History.
VoLIX. 1849.
13. Die sing: Systema Helminthum. 1851.
14. Gerlach: in „Magazin für die gesammte Thierheilkunde. 1854.
15. Parsons: in „Veterinarian". 1855.
16. Crisp: in „Proceedings of the zoological Society of London.
Pt. XXIV. 1856.
17. Ranke: in „Transactions of the pathological Society of London".
Vol. IV. 1858.
18. Schneider: in „Archiv für Anatomie u. Physiologie". 1858.
19. — in „Archiv für Anatomie u. Physiologie. 1860.
20. Leuckart: Untersuchungen über Trichina spiralis. 1860 bezw.
1866.
21. Davaine: Traite des Entozoaires et des Maladies vermineuses
de l'Homme et des Animeaux domestiques. 1860.
22. Crisp: in „Edinburgh. Veterinary Revue". 1863.
23. Schneider: Monographie der Nematoden. 1866.
24. Leuckart: Die menschlichen Parasiten. IL Bd. 1866 — 1876.
25. Gamet: in „Archives veterinaires. 1878.
26. Cobbold: Parasites. 1879.
27. Nörner: in „Oesterreichische Monatsschrift für Thierheilkunde"
1881.
28. Perroncito: I Parassiti dell' uomo e degli animali utili. 1882.
29. Zürn: Die thierischen Parasiten auf und in dem Körper unserer
Haussäugethiere. 1882.
30. Koch: Die Nematoden der Schaflungen, Sep. Abdr. aus
„Oesterreichische Monatsschrift für Thierheilkunde". 1883.
302 Otto Augstein:
31. Rhode: Beiträge zur Kenntniss der Anatomie der Nemotoden.
Inaug. Diss. 1883.
32. Schmidt-Mühlheiin: Handbuch der Fleischkunde. 1884.
33. Railliet: Elements de Zoologie. 1886.
34. Leuckart: Neue Beiträge zur Kenntniss des Baues und der
Lebensgeschichte der Nematoden. Sep. Abdr. aus „Ab-
handlungen der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften". Xin. Bd. 1887.
35. Bewly: in „Journal of Anatomy and Physiology. 1887.
36. Rzewuski: lieber den anatomischen Bau von Strongylus
paradoxus Mehl. Inaug. Diss. 1887.
37. Wernicke: in „Deutsche Zeitschrift für Thiermedizin und ver-
gleichende Pathologie. 1887.
38. Müller: Die Nematoden der Säugethierlungen, und die Lungen-
wurmkrankheit. Inaug. Diss. 1889.
39. Cooper Curtice: The animal Parasites of Sheep. 1890.
40. Hertwig: Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden
1890.
41 Ströse: Ueber den feineren Bau von Strongylus micrurus.
Ing. Diss. 1891.
42. Kitt: in „Berliner Thierärztliche Wochenschrift". 1892.
43. Friedberger u. Fröhner: Lehrbuch der speciellen Pathologie
und Therapie der Hausthiere. IL Bd. 1892.
44. Ostertag: Handbuch der Fleischschau. 1892.
45. Rohde: Muskel und Nerv bei Nematoden. Sep. Abdr. aus
„Sitzungsberichte der preussischen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin". 1892.
46. Hesse: Ueber das Nervensystem von Ascaris megalocephala.
Inaug. Diss. 1892.
47. Wandolleck: Zur Embryonalentwickelung des Strongylus
paradoxus. Inaug. Diss. 1892.
48. Stadelmann: Ueber den anatomischen Bau des Strongylus
convolutus Ostertag. Inaug. Diss. 1892.
49. Zur Strassen: Bradynema rigidum v. Sieb. Inaug. Diss. 1892.
50. Bütschli, 0.: in „Morpholog. Jahrb. von Gegenbauer, Bd. X".
Stroiigylus filaria R. 303
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I. Weibchen von Strongylus filaria.
Fig. 1. Längsschnitt durch das vordere Körpereude.
Fig. 2. Querschnitt durch die Mundöffnung.
Fig. 3. Querschnitt durch die Mundhöhle.
Fig. 4. Querschnitt durch das vorderste Oesophagusende.
Fig. 5. Querschnitt durch den ^Nervenring.
Fig. 6. Querschnitt durch die Seitenganglien.
Fig. 7. Querschnitt in der Höhe der Porusmündung.
Fig. 8. Querschnitt durch die Ausführungsgänge der Halsdrüsen.
Fig. 9. Querschnitt in der Höhe der Halsdrüsen. (Die eine derselben, Hdr\
in der Mitte, die andere, Hdr-, in ihrem hintersten Abschnitte getroffen.)
Fig. 10. Querschnitt durch das vordere Receptaculum seminis.
Fig. 11. Querschnitt durch den Anfangstheil des vorderen Uterus.
Fig. 12. Querschnitt durch den vorderen Muttermund.
Fig. 13. Querschnitt durch die Vagina.
Fig. 14. Querschnitt durch die hintere Schalendrüse.
Fig. 15. Querschnitt kurz vor der Mastdarmmündung.
Fig. 16. Querschnitt in der Höhe der Analdrüse.
Fig. 17. Querschnitt durch eine seitliche Schwanzpapille.
Fig. 18. Detail der Körperdecke. (Cuticula C bei a abgerissen.)
Fig. 19. Längsschnitt durch die Vagina.
Tafein. Männchen von Strongylus filaria.
Fig. 20. Querschnitt durch die Keimzone des Hodens.
Fig. 21. Querschnitt durch die Wachsthumszone des Hodens.
Fig. 22. Querschnitt durch die Kerntheilungszone des Samenleiters.
Fig. 23. Querschnitt durch den drüsigen Theil des Samenleiters.
Fig. 24. Querschnitt durch den Ductus ejaculatorius.
Fig. 25. Querschnitt in der Höhe der Trichterzellen.
Fig. 26. Querschnitt aus der Uebergangsgegend der Spicula scheide in die Kloake.
Fig. 27. Querschnitt durch die Bursa.
Fig. 28. Längsschnitt durch den hintersten Theil der Wachsthumszone des Hodens.
Fig. 29. Kerntheilungsfiguren aus der Keimzone des Hodens.
Fig. 30. Kernfigureu aus der Theilzone der Samenmutterzellen.
Fig. 31. Längschnitt durch das hintere Körperende. (Die Einmündung der
Geschlechtsröhre bezw. des Darms in die Kloake ist etwas schematisirt.)
Zeichenerklärung. ^
a = Stelle an der die Cuticula von der
Subcuticula abgerissen ist.
Adr = Analdrüse.
Afg = Ausführungsgang der Halsdrüse.
B = Stück von der Bursa.
BGn = Bauchganglion.
C = Cuticula.
Ca = Costae anteriores.
Cae = Costae anteriores externae.
Cm = Costae mediae.
Cp = Gemeinschaftlicher Stamm der
Costae posteriores.
304
Otto Augstein.
Cpe := Costae posteriores externae.
cR = Contractile Rindensubstanz.
D = Darm.
Da = Diktator ani.
De = Ductus ejaculatorius
Di = Darminhalt.
Dk = Darmkeme.
B = Eier.
El = Eileiter.
Epz = Epithelzellen.
Est = Eierstock.
GGr = Gefächertes Gewebe des Spiculum.
GZ = Ganglienzellen.
H = Hoden.
Hdr = Halsdrüse.
Hpl = Hyaloplasma.
If = Interfibrärmasse.
K = Kern.
Kl = Kloake.
L = Lücken im Seitenfeld.
Lw = Lippenwülste.
M = Marksubstanz d. Körpermuskulatur.
Ml
M2 =
M3
Md = Mastdarm.
Mh = Mundhöhle.
Mk = Muskelkern.
Ml =■ Medianlinie.
Mm = Muttermund.
Mo = Mundöifnung.
Mr = Körpermuskulatur.
Mx = Matrix des Spiculum
der männlichen Quer-
muskulatur.
der Spicula-Scheiden-
muskulatur.
der Muttermund-
muskulatur,
des Dilatator ani.
Nr = Nervenring.
NStr = Nervenstrang.
Oe = Oesophagus.
Pe = Perus excretorius.
Pp = Seitliche Schwanzpapille.
Pr Spc = Protractores spiculorum,
Qu = Quermuskulatur.
RGn = Rückenganglion.
Rh = Rhachis.
Rl = Rückenlinie.
Rm = Ringmuskulatur.
Rs = Receptaculum seminis.
RSpc = Retractor spiculi.
Seh = Spiculascheide.
Seh Mr = Spiculascheideumuskulatur.
SchW = Scheidewand in der Spicula-
scheide.
Sc = Subcuticula.
Sdr = Schalendrüse.
Sf = Seitenfeld.
SG = Seitengefäss.
SGn = Seitenganglion.
Sml = Samenleiter.
Smz = Samenmutterzellen.
Sp = Sperma.
Spc = Spiculum.
Spl = Spongioplasma.
St = Samentasche.
TrZ = Trichterzelle.
TZ = Schneider'sche Terminalzelle.
U = Uterus.
V = Vagina.
Va = Vulva.
VaM = Fächerförmiger Erweiterungs-
rauskel der Vulva.
Z = Zelle im hintersten Ende des Seiten-
feldes.
Bei der Redaktion des „Archiv f. Naturgeschichte" eingegangen:
I. Periodische Schriften.
Zeitschrift für wissensch. Zoologie, Bd. 521, 4^ 53 (nebst SuppL),
54—57, 581,2.
Virchow und Wattenbach, Samml. gemeinverst. wissensch.
Vorträge. No. 124 (Töpfer, Naturkräfte im Dienste d. Menschen),
126 (List, Westfäl. Kohlenformation), 133 (H. v. Meyer, Thier.
Eigenwärme), 139 (Tamazzer, Falb u. Erdbeben), 140 (Kräpelin,
Brutpflege), 151 (Esser, Bekämpf, parasit. Pflanzenkrankh.), 152
(Buchheister, Bergsteigen), 159 (K. Neumann, Liebe, Ehe, Eheleben
der Vogelwelt). Hamburg.
Mittheilungen des naturw. Vereins für Steiermark, Jahrg. 1890
bis 1892 (= Heft 27—29), Graz 1891—93. 8«.
Verhandl. der zool.-bot. Ges. in Wien, Bd. 41 (1891) 3,4, 42 (92),
43 (93), 44(94)1,2.
Bibhotheca zoologica, Heft 10: Leichmann, Beitr. z. Naturg. d.
Isopoden. Cassel 1891. 4^.
Zeitschr. f. Naturwiss., Bd. 64 (Heft 4, 5), Bd. 6ß (Heft 3—6).
Leipzig, Pfeffer.
Ornithol. Monatsberichte (A. Reichenow) Jahrg. I, 1.
Ornithol, Jahrbuch, Organ für das paläarkt. Faunengebiet
(v. Tschusi) 115, Hallein 1891.
Wiener entomol. Zeitung, XI 1 (1892), Wien, Ed. Hölzel.
Clessin, Malakozool. Blätter, N. F., XI. Cassel 1891.
G. Jäger's Monatsblatt X (91 Schluss), XI2-12, XH 1-3, 5-12,
XHI 1,3-8.
K. svenska Vetensk. Ak., Öfversigt Förhandl., Bd. 48 (1891)
7-10, 491-10, 501-10, 51 (1894)2,5. _ Handhngar Abth. IV,
Bihang, Bd. 14—18, 1889—92. 8°.
Videnskabelige Meddelelser fra den naturh. Forening i
Kjoebenhavn, for 1891, 1892, 1893 (=(5) III, IV, V).
Fr. Meinert, Entomologiske Meddelelser III 3-6, IVl-5,
1892—94.
Zoological Society of London', Zoological Record Vol. 27 — 29
(for 1890—92).
Annais and Mag. Nat. Hist. (6) Vol. VIIINo. 46-48, IX — XHI,
XIV 79, 80. Okt. 1891— Aug. 1894.
Linnean Soc. of London, Journal Vol. 24, No. 149 — 157,
Proceed. Nov. 1890— Juni 1892; Transactions V8-11, VI1,2.
Science-Gossip (2 Ser.) 11,2. London 1894.
Bolletino Mus. Zool. ed Anat. comp. Torino, Vol. VI No. 104-111,
VII, VIH, 1X166-178.
A. Nobre, Annales de sciencias naturales, Porto; I No. 2 (April
1889). 80.
U. S. National Museum, Bulletin, S». No. 39 (A— G), 40—42,
44_46. — Special Bulletin No. 1, 1892, 4° (Bendire, Life bist.
N. Am. birds).
U. S. Nat. Mus., Proceedings. Sep.-Abdr. aus Vol. XIV, XV,
XVI, XVII (No. 976—989, 991—7, 999, 1006) u. Vol. XIV (1891).
Smitbsonian Report for 89 (II), for 90 (I, II), 91 (I, II), 92 (II)
und Sep.-Abdr, aus 92.
Proc. Acad. Nat. Sc. Philadelphia, 18912,3, 921-3, 931,2.
National Acad, of Sciences, Mem., Vol. V No. 4.
Boston Soc. of Nat. History, Proc. XXV (1891), XXVH;
Memoirs IV, No. 10, 11; Occasional Papers IV fGeol. of Boston
Basin 1 1).
Jobns Hopkins Univers., Circulars XII (No. 106); Studies Biol.
Lab. V, No. 3, 4.
U.S.Department of Agriculture, Div. of Ornitb. and Mammalogy:
N. Am. Fauna No. 5, 7 ; Bull. No. 3 (Merriam u. Fisber, Hawks and
Owls of U. S.), No. 4 (Bailey, Spermopbiles of Miss. Valley).
U. S. Geological Survey; Powell, 11. Ann. Rep. 89/90. I. IL
Geol. Survey of Pennsylvania: Atlas, N. Antbrac. Fields
Part. VI, S. Antbr., F. IV, IV (B, AA), V (AA), West Middle A.
F. III; Rep. of Progress F3.
Minnesota Acad. of Nat. Sciences, Bull. III, No. 2.
New Jersey Nat. Hist. Soc , Journal 112 (Jan. 91), Trenton, 8".
University of State of New York (Albany); N. Y. State Mus.
44. Ann. Rep. (for 90), 1892, 8«.
Actes de la soc. seien tif. du Cbili, Tome II, III, IV 1. Santiago
1892—3, 4».
K. natuurk. Vereen. in Nederl. Indien. Natk. Tijdscbrift voor
Ned.-Ind., Deel 51 (=8.Ser.XII) 1892; Deel 52, 1893; Deel 53, 1893.
CoUege of Science, Imp. Univ. Japan, Journal V, Part 1, VI
Part 4, Tokyo, 1892—94, 4».
Linnean Soc. New Soutb Wales, Proc. (2 Ser.) VI, VII, VIII.
80. Tbe Macleay Memorial Volume, Sept. 1893, 4». — Abstract of
Proceed, (bis Juni 94).
Tbe Queensland Museum, Annais No. 2, 1892, 8*> und App. V
zum 2. ann. report (= Tryon, Coleopt. u. Rbopaloc. New Guinea).
II. Niehtperiodisehe Schriften.
0. Tascbenberg, Repetitorium der medicinischen Hülfswiss.,
rV. Zoologie. Breslau, Preuss & Jürgen.
K. Lumboltz, Unter Menschenfressern. Eine vierjährige Reise
in Austraben. Deutsche Uebers. 107 Abb. 8^. Hamburg, Verlags-
buchh. u. Druck., A.-G. 1892.
J, C, Vogt, Die Menschwerdung. Die Entwicklung des
Menschen aus der Hauptreihe der Primaten. 1892. 8". Leipzig.
Ernst Wiest.
Otto Kunze, Revisio generum plantarum vascul. omnium.
1891. 8«. (Einleitung.)
J. Loeb, Unters, zur phys. Morphol. d. Thiere. IL Organ-
bildung u. Wachsthum. Würzburg, G. Hertz. 1892. 8".
Hesse, Hypogaea, Lief. 4 — 6 (=L Schluss). Halle a. S.
L. Hofstetter.
0. Vonhof, Bienenmass oder: Die Descendenzlehre ist ein
falscher Schluss. Bremen 1891. 8^. M. Nössler.
0. Zacharias, Katechismus des Darwinismus. Leipzig, J. J.
Weber. 1892. 8«.
G. Duncker, Der Eibbutt, Sep.-Abdr. aus Sehr. Natw. V.
Schlesw.-Holst. 1X2.
Josef Müller, Ueber Gamophagie. Stuttgart, 1892, 8^.
Ferd. Enke.
Peter, Botanische Wandtafeln. Lfg. 1. Th. Fischer, Cassel.
Trouessart, Geogr. Verbreit, der Thiere. Uebers. v. Marshall.
Leipzig, W. Weber.
Fr. Ludwig, Lehrb. der niederen Kryptogamen, 1892. 8°.
13 Fig. Stuttgart, Ferd. Enke.
S. Brusina, Fauna fossile terz. di Markusevec in Croazia.
Sep.-Abdr.
G. Pizzighelli, Die Anwendung der Photographie dargestellt
für Amateure und Touristen (= Handb. d. Phot. III). 1892. S^.
HaUe a. S., W. Knapp.
K. Ströse, Leitf. f. d. Unterr. in der Naturbeschr. an höh.
Lehranstalten. IL Botanik. Heft 2, Oberstufe. Desgl. Zoologie,
Ausg. B für Gymn. 1894; desgl. Botanik. 1893. Dessau, P. Baumann.
R. Arndt, Biol. Studien. 1. Das biologische Grundgesetz,
1892, 8*^. 2. Bern, über Kraft u. auslösende Kraft im Besonderen.
1892. Greifswald, J. Abel.
F. Klockmann, Lehrb. der Mineralogie für Studirende und
zum Selbstunterricht. 1892. 8°. Stuttgart, Ferd. Enke.
H. Haas, Aus der Sturm- und Drangperiode der Erde. I,
Berlin 1893. 8». Fr. Pfeilstücker.
H. Schurz, Katechismus der Völkerkunde. 1893. 8^. Leipzig,
W. Weber.
Carl Neumann, Beitr. zu einzelnen Theilen der math. Physik.
1893. 8°. 314 S., Xyl. Leipzig, G. Teubner.
Braem, Ein Wort an Kraepelin und s. neuesten Beitr. zur
Bryozoenkunde. Cassel 1893. 4".
Boas, Fluelarve, der snylter in Oldenborre larver (S.-Abdr.),
vom Vf.
H, Gadeau de Kerville, Leuchtende Thiere und Pflanzen.
Uebers. v. Marshall (= Webers Natw. Bibl., No. 7). Leipzig, S«.
A. Höfler und E. Maiss, Naturlebre für die unt. Klassen der
Mittelschulen. Wien, Carl Gerold. 1893. 8«. (geb. 2,60)
Brauns, Mineralogie (Samml. Göschen), Stuttgart, 1893. 16*^.
G. Cl. Vogel, Der Vermehrungsprocess im Thierreiche, gemein-
fassHch dargestellt. Dresden, W. Reuter. 8*^.
Hayek, Handbuch der Zoologie, IV. 2 (Schluss), 1893. 8«.
0. Jaekel, Die eocaenen Selachier vom Monte Bolca. Ein
Beitr. zur Morphogenie der Wirbelthiere. BerKn, J. Springer 1894
(ersch. Nov. 93), 8«. 176 S., 8 Tal, 39 Textfig.
W. Haake, Die Schöpfung der Thierwelt. Leipzig und Wien,
Bibl Inst., 1893, 8". 557 S., 1 Karte, 20 Taf. (z.Th.col.), 469 Textfig.
R. S. Bergh, Vorlesungen über die einfachen Gewebe des
Thierkörpers. Mit einem Anhang: Techn. Anleitung zu eiuf. bist.
Unters. W. Kreidel, Wiesbaden 1894. 8«. 262 S., 138 Xyl. (7 Mk.)
Udo Dammer, Anleitung für Pflanzensammler. Stuttgart,
Fr. Enke. 83 S., 21 Xyl. 8^ (2 Mk.)
Rob. Behla, Die Abstammungslehre und die Errichtung eines
Instituts für Transformismus. Kiel u. Leipzig, Lipsius u. Fischer. 8".
Mojsisovics, 3 Sep.-Abdr. (Geweihconcurrenz, Ber.Zool.Mus.)
Berlin NW., Claudiusstr. 19.
September 1894. Der Herausgeber
Dr. F. Hilgendorf.
Bemerkung: Btichersendungen für das „Archiv für Naturgeschichte"
können an die Nicolaische Verlags-Buchhandlung, Berlin C, Brüderstr. 13,
geschickt werden.
Ai-chiv r. X'cifurgesch. 1Ö9+.
Tal'. 1.
IirA.A/ef-?iüa.
1 lü.R.Bergh.Greilada. 11 42,G.Dunrl<pr, abnorme Aiirelia..
Archiv f. Nalurgesch.. 1894.
Tal', n.
. J
mw^
k"'-g
ß
'Wu, Marg ,.^^a- "^
■:f'
■'^A.M^m. iLüi.
Trausledtu. Weltner, Sanders Tunicateii.
Archiv f^aturgesch 1894
A.Nehring, Die Verbreitung desHanisters inDeufschlimd.
,\rcluv.r.XaLiiri](\scli.l89+
Tiil'.V.
WA.Mcynldk
Apstein, Salpen d.Berl.Sauiluaq.
Archiv r. Naturgosrh.1894.
A.
f^i!^
i(«tr?-^:
J
~\
1
WA.Meyn, Ivüv.
1 Schinidl.Taenia aiialina.
rJ_X ^^^< I-
( ^ \
0,
fT)
\
[^1 .
\
( ^
1
(1
1
„,
^
/
1
4.
Arlhiii-Mm-Ilpi
: llel
,ninth„l<.3i.s.
■•he Bi-
obachLui
igoR.
kV
N
^
Archiv f. Xiihirncsch. 1894.
il'VIll.
f^^ff-. \jl
I 7.
f-/} '^^^
V,.i2 /
■}
.' t'
^ -.vi«»: / ■ ■ '■'
W4.Menn.Litr
C.VorhoetT, Abdonifii dei- J.anipyrideii, CanUiai-iden u Malachüden,
Archiv l'\iilu!-t|(\sch I.S!)4.
^?\ 23-
-n
Tat: IX
n.;>
■■Sj
i Ba.
Ic. I
Au/.:: iVA-Me^^n Lit/imsz BerüuiS.
C.\'cr]ioeff.v\bd()inpii dei- Lampyriden, Caiilharirlen u.Malachiiden.
.\iclnv i;X;iluf(i(>s(h.l8yi
Taf. X.
AA
^y . -'- " n.r , /•■:li
J^
ijO. °
■© .^
wa ^
^ ^^ ^^::' .^.-*
'V-/
1/ A^ /<'/'
4 ^^ \\| ^' «
/•■■'>,
-s. /
Im
-1
/> ,^' Mei^rv.LithJnst BerUr^i.
CVerhocIT, Abdomen der Larapyriden, CanÜiaxiden u.Malachiiden
Archiv r. \'iilnr(i<>si'li.iaJ)4.
Turxi.
^
I
1
pM
#r^^*-^^/-)a
'' St.
iL.. 77.
SU
d. flu
/
„ M Mofn.. Lahmst. BerlmS.
CAerhoeff, Abdomen der Lampyridert. Caiitliariden u.Ma] achiiden.
NaUirqfSch.IKM.
f.l
e:®
^'fe^
-^%z
¥".^..
"CS, hvX^
oo
'^ . -
^.
Murliüil.,.\,.,ss<.|ui'.THiic ,kM- Hvdr-oii
ArcliivrN'ulMrijcsih.lim
t-uf.S. i
ft>j
Aiu|sli'in .Sli-uiu)\
i: (,
■Slroii.jylus ril.n-iil H
MHI \i IKM I IHHAKY
IlllllllilÜlilll
UH lööF D
Wm^^^
>^%.
"^yr:
.^-.::j^-;^
^<:m