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Full text of "Archiv für Ohrenheilkunde"

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ARCHIV 

FÜR 

OHRENHEILKUNDE 

BEGBÜNDET 1864 

VON 

De. A. V. TRÖLTSCH Dr. ADAM POLITZER 

WXXLASD PbOF. IK WÜBZBÜBG. IN WlXV 

UHD 

Dr. HEßMANN SCHWAETZE 

IN Halle a. S. 

IM VEREIN MIT 

Pbof. G. hasse in Breslau, Pbof. V. HENSEN in Kiel. Pbof. A. LüCAE in Berli n, 
S. B. Dr. A. MAGNUS in KOnigsbero üPr., Prof. E. ZAÜFAL in Praq, Prof. J. KESSEL 
IN Jena, Prof. V. UBBANTSGHITSCH in Wien, Prof. F. BEZOLD in München, 
Prof. K. BÜBENEB in GOrriNaEN, Dr. E. MOBPÜRGO in Triebt, S. B. Dr. L. BLAU in 
Berlin, Prof. J. BOEE in Budapest, Q. S. R. Dr H. DENNERT in Berlin, Prof. G. 
GRADENIGO in Txtrin, Prof. J. ORNE GREEN in Boston, Prof. J. HABERMANN in Grar, 
Privatdocbnt und Professor Dr. H. HESSLER in Halle. Privatdocent und Professoz 
Dr. L. JACOBSON in Berlin, Prof. G. J. WAGENHlUSER in Tübingen, Prof. H. WALB 
IN Bonn, Privatdocent und Professor Dr. C. GRUNERT in Halle, Privatdocent Dr. A. 
JANSEN IN Beblin. Privatdocent und Prof. Dr. L. KATZ in Berlin, Prof. P. OSTMANN 
IN Marbubg, Db. L. STACKE, Pbof. in Ebfubt, Db. 0. WOLF in Fbankfubt a. m., 
Pbof. A. BARTH in Leipzig, Prof. V. COZZOLINO in Neapel, Prof. L. HAUG in 
München, Dr. F. KRETSCHMANN in Magdeburg, Prof. E. LEUTERT in Giessen, 
Privatdocent Dr. V. HAMMERSCHLAG in Wien, S. R Dr. F. LUDEWIG in Hambubo . 
Uvi. F. MATTE IN Köln, Db. HOLGEB MTGIND, Pbof. in Kopenhagen, Db. W. ZERONI 
IN Kablsbuhe, Pbivatdocent Db. G. ALEXANDER in Wien, Pbof. E. BEBTHOLD in Königs- 
berg i. Pb., Db. 0. BRIEGER in Bbeslau, Pbof. A. DENKER in Eblangen, Db. R. ESCH- 
WEILER, Pbivatdozent in Bonn, Db. A. db FORESTIER in LibauRussl., Db. H. FREY 
IN WiBN, DB.H.HAIEE IN Berlin, Db.RUDOXJ? PANSE in Dbssden, Pbof.K. A.PASSOW 
IN Beblin, Db. 0. PIFFL, Pbivatdozent in Pbag, Dr. K. REINHARD in Duisbubg, 

Db. WALTHER SCHULZE in hainz. 

hebausgegeben von 

Prof. ADAM POLITZER und Prof. H. SCHWARTZE 

IN WIEN IN HALLE A. S. 

Unter veranxwobtlicheb Redaktion 

VON H. SCHWARTZE seit i878. 



EINUNDSECHZIGSTER BAND. 

Mit 21 Abbildungen im Text und 1 1 Tafeln. 




LEIPZIG, 
VERLAG VON F.C.W. VOGÄ^ 

1904. 




CATALOGUED 



MAY 9 1908 



E. H. B. 



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# 



Inhalt des einubdsechzigsten Bandes. 



Erstes und zweites (Doppel-) Heft 

(alisgegeben am 14. Jahnar>1904). 

* ' Seite 

I. Aas der Egl Universitäts- Ohreol^linlk zvi Halle a. S. (Geh. 
Med.-Rat Prof. Dr. H. Schwartze). Zar Kasuistik der dia- 
gnostischen Irrtümer in der Ötochirargie. Von Dr. Walther 
Schnlze, Assistenzarzt der Klinik 1 

II. Ans dem Laboratoriam der kgl. Univ.-Ohrenklinik zu Leipzig. 
Über Markscheidendarstellang und den Nachweis von Mark- 
htQlen der Ganglienzellen im Akustikas. Von Dr. K. Witt- 
maack (Leipzig). (Mit 2 Abbiidangen) 18 

III. Zur Ätiologie der periförmigen Epitheliaibildungen am Trommel- 
fell. Von Dr. Ernst ürbantschitsch in Wien .... 24 

lY. Aus der kgl. Üniversitäts-Ohrenklinik zu Berlin (Direktor: Geh. 
Med.-Rat Prof. Dr. A. Lucae). Ober Sinusphlebitis tuber- 
culosa. Von Dr. F. Großmann, Assistenzarzt. (Mit 2 Tafeln) 30 

V. Sitzungsbericht der Abteilung Ohrenhtßilkunde der 75. Versamm- 
lung deutscher Naturforschet und Ärzte in Kassel vom 20. bis 
26. September 1903. Erstattet von Privatdozent Dr. G.Ale- 
xander, Assistent der Üniversitäts-Ohrenklinik in Wien . . 44 

»f - ■ - 

VI. Schwierigkeiten der Begutachtung von Verletzungen bei miß- 
glückter Fremdkörperextraktion ^ aus dem äußeren Gehörgang. 
Von Dr. Ernst L entert, a. ö. Profes.aor; Gießen .... 63 

VII. Ans der Basano waschen Klinik für Ohren-, Nasen- und Hals- 
krankheiten an der kaiserl. Universität in Moskau. Über 
einige topographische Veränderungen des Schläfenbeins in Ab- 
hängigkeit von der .Schädelform. Von Alexander Iwanoff, 
Assistenzarzt 76 

VIII. Über einen Fall von mittelst Wasserstoffsuperoxyd aus dem Ohre 
herausgetriebenen Fremdkörper. Von Ur. HeinrichHaläsz, 
Spitalsordinarius in Miskolcz (Ungarn) 102 

IX. Über den Einfluß der Verengerung des Ansatzrohres auf die 
Höhe des gesungenen Tones. Von Dr. M. Bukofzer, Königs- 
berg i. Pr. (Mit 1 Abbildung) 104 

X. Klinische Studien zur Analyse der Hörstörungen. Von Pro- 
fessor Ost mann, Marburg a. Lahn. (Mit 10 Abbildungen) . 116 

XI. Bemerkung zu der Arbeit des Herrn Dr. Schulze: Über die 
Gefahren der Jugularisunterbindung und des Sinusverschlusses 
bei der otogenen Sinusthrombose (s. dieses Archiv. Bd. LIX. 
S. 216). Von Dr. med. Richard Hoffmann, Dresden . . 140 

XII. Besprechungen. 

1. Preysing, Otitis media der Säuglinge (Grunert) . . . 142 



lY Inhalt des einundsechzigsten Bandes. 

Xni. WiBsenschaftliche Rundschau. 

1. Siebenmann, Beiträge zur Kenntnis der Labyrinthano- 
malien bei angeborener Taubstummheit. 147. — 2. Derselbe, 
Demonstration eines weiteren Falles von Kollaps des häutigen 
Ductus cochlearis. 148. — 3. Körner, Über Herpes soster 
oticus (Herpes an der Ohrmuschel mit Lähmung des Nervus 
acusticus und des Nervus facialid). 148. — 4. P armen tier, 
Diagnostic diffärentiel des complications intracraniennes des 
otites purulentes. 149. — 5. M. A. Gold stein (St. Louis), The 
use and abuse of the Eustachian Bougie ; The Laryngoscope. 
149. — 6. Streit, Geheilter Fall von schwerer otitischer Si- 
nusthrombose mit meningitischen Erscheinungen. 149. . — 
7. Jerosch, Fall von doppelseitigem Othämatom spontanen 
Ursprungs. 150. — 8. Eschweiler, Zur Entwicklung des 
schallleitenden Apparates mit besonderer Berücksichtigung des 
Musculus tensor ^mpani. 150. — 9. Kretschmann, Ana- 
tomischer und klinischer Beitrag zum Kapitel der Deviationen 
des vorderen Abschnittes der Nasenscheidewand. 150. — lu. 
Heine, Amnestische Aphasie und Hemlopie infolge Abszesses 
des rechten Schläfen- und Hinterhauptlappens. 151.— ll.Katz, 
Ein modifiziertes Ringmesser („knieförmiges Adenotom") mit 
einigen Bemerkungen. 152. — 12. Voss, Mittelohreiterungen 
(chronische). 152. — 13. Treitel, Die Beurteilung der Ohr- 
eiterungen bei Aufnahme in eine Lebensversicherung. 152. — 
14. Bezold, Die Hörprüfung mit Stimmgabeln bei einseitiger 
Taubheit und die Schlüsse, welche sich daraus für die „Knochen- 
leitung** und für die Funktion des Schallleitungsapparates 
ziehen lassen. 152. — 15. Gerber, Fremdkörper der Nase, 
der einen malignen Tumor vorgetäuscht hatte. 153. — 16. 
Derselbe, Ein großer Sequester des Warzenfortsatzes von 
einem dreijährigen Kinde. 153. — 17. Derselbe, Fall von 
Nekrose des gesamten Labyrinths bei einem zwölfjährigen 
Mädchen nach Scharlachotitis. 153. — 18. Streit, Ausgeheilter 
Fall von primärer Thrombose des Bulbus venae jugularis und 
Yorhofeiterung. 153. — 19. Heget seh weil er (Zürich), Die 
Tuberkulose des Ohres mit Ausgang in Heilung. 154. — 20. 
Denker (Erlangen), Zur operativen Behandlung der intra- 
kranieUen Komplikationen nach akuten und chronischen Mittel- 
ohreiterungen. 155. — 21. Eulenstein (Frankfurt a.M.), Über 
Blutungen infolge von Arrosion der Hirnblutleiter bei Eite- 
rungen im Schläfenbein. 156. — 22. Scheibe (München), Zur 
Ätiologie und Prophylaxe der Nekrose des Knochens im Ver- 
laufe der chronischen Mittelohreiterung. 158. — 23. Wanner 
(München), Funktionsprüfungen bei akuten Mittelorentzün- 
dungen. 158. — 24. Schmidt (Chur), Zur Anatomie und Ent- 
wicklung der Gelenkverbindungen der Gehörknöchelchen beim 
Menschen. 159. — 25. Hölzel (München), Histologischer Bei- 
trag zur Taubstummheit. (Ein Fall von erworbener Taub- 
stummheit mit Obliteration der Paukenhöhle, des Aditus und 
Antrum.) 160. — 26. Oppikofer (Basel), Drei Taubstummen- 
labyrinthe. 161. — 27. Siebenmann (Basel), Ein Fall von 
Lungentuberkulose mit retrolabyrinthärer Neuritis interstitialis 
beider Schneckennerven (und mit Persistenz von Resten em- 
bryonalen Bindegewebes in der Scala tympani). 162. — 28. 
Nager (Luzern), Die Taubstummen der Luzerner Anstalt 
Hohenrain. 163. — 29. Leimer (München), Operative Eröff- 
nung des Warzenteiles bei Otitis media purulenta acuta mit 
Ausbreitung des Prozesses unter dem Warzenfortsatze. 164. — 
30. Bloch (Freiburg i. Br), Der hohe Gaumen. 164. — 31. 
M anasse (Straßburg), Zur pathologischen Anatomie des 
inneren Ohres und des Hörnerven. 165. — 82. Meyer zum 



Inhalt des einundsechzigsten Bandes. V 

Seite 
Gottesberge, Histologische Beiträge zur Wirkung der 
Trichioressigsänre und Chromsfture. 167. — 33. Stella, Gon- 
tribution k T^tude des ceilulites mastoidiennes aberrantes. 
167. — 34. Jürgens, Otite compliqu^e de mastoidite et de 
iymphangite p^riauriculaire. tö8. — ;i5. Derselbe, Trois cas 
d*atr^le congänitale du conduit auditif externe, avec microtie. 
16H. — 36. Labarre, Gontribution ä T^tude des compli- 
cations endo-cr&niennes de Totite. 168. -- 37. Schiffers, 
Faits cliniqnes de complications osseuses de Totite moyenne 
purulente cbronique. 168. 

Personal- und Fachnachrichten 168 



Drittes und viertes (Doppel-) Heft 

(ausgegeben am 2. Mai 1904). 

XIV. Osteomyelitis der äußeren Gehörknöchelchen bei chron. trockenen 
Paukenhöhlenproseß (Lues hereditaria tarda). Von Dr. 
Walt her Stein, Ohrenarzt in Königsberg 1. Pr. (Mit 1 Ab- 
bildung) 169 

XV. Zur Diagnostik der Sinusthrombose. Von Dr. W. Sachs in 
Mttlhausen i. E., ehemal. 1. Assistent der chir. üniv.-KUnik 
in Bern. (Hierzu 2 Abbildungen im Text) 176 

XVI. Aus dem pathologisch-anatomischen Institut (Vorstand: Hofrat 
Professor Weichselbaum) in Wien. Zur Pathologie und 
pathologischen Anatomie der kongenitalen Taubheit. Von 
Privatdozent Dr. G-. Alexander, Assistent der Uniyersitäts- 
Ohrenklinik (Vorstand Hofrat Professor Politzer) in Wien. 
(Mit 2 Abb. im Text und Taf. III— Vill) 183 

XVII. Experimentelle Studien aber die Veränderungen im Gehör- 
organ nach Vergiftung mit salizylsaurem Natrium. Von Dr. 
Albert blau, Ohrenazt in Görlitz. (Mit Tafel IX) . . . 220 



XVIII. Aus der k. k. Universitätsklinik für Ohrenkranke in Wien 
(Vorstand: Hofrat Professor Dr. Adam Politzer). Die 
Ankylose des Hammer- Amboß-Gelenkes. Von Dr. Hugo 
Frey, em. Assistenten der Klinik. (Mit Tafel X. XI) . . 234 

XIX. Maligner Tumor des Nasenrachenraums. Eitrige Mastoiditis. 

Von Privatdozent Dr. Stenger in Königsberg i. Pr. ... 247 

XX. Klinische und pathologische Mitteilungen. IV. Ein Gliom des 
Akustikus. Von Dr. Rudolf Panse, Dresden-Neustadt. 
(Mit 4 Abbildungen nach Zeichnungen des Verfassers) . .251 

XXI. Aus der Königl. Üniversitäts-Ohrenklinik in Halle a. S. (Geh. 
Med.-Rat Prof. Dr. Schwartze). Eine seltene Form von 
otogenem Senkungsabszeß. Von Dr. Walther Schulze, 
frtlherem Assistenzarzt der Klinik, jetzt Ohrenarzt in Mainz 256 

XXII. Bericht über die Verhandlungen der Berliner otologischen Ge- 

seUschaft. Von Dr. Haike 270 

XXIII. Aus der kgl. Üniversitäts-Ohrenpoliklinik zu München (Prof. 

Dr. Hang). AnthraxpusteJn im Gehörgang. Von Prof. Dr. 
flaug 275 

XXIV. Jahresbericht der kgl. Üniversitäts-Ohrenpoliklinik zu München 

(Prof. Dr. Haug) für das Jahr iyu3. Von Prof. Or. Hang 
und Dr. Thanisch, I.Assistent 277 



VI Inhalt des einondsechzigsten Bandes. 

XXV. Besprechungen. Seite 

2. Bönninghaus, Das Ohr des Zahnwales, zugleich ein 

Beitrag zur Theorie der Schallleitung. Eine biologische 
Studie (Grunert) 281 

3. Beckmann, Das Eindringen der Tuberkulose und ihre 

rationelle Bekämpfung Nebst kritischen Bemerkungen 

zu E.V.Behrings Tuberkulosebekämpfung (Grunert) . 287 

4. Stenger, Die otitische Hirnsinusthrombose nach den in 

der Ohrenklinik der Charit^ in den Jahren 1899 bis 
1901 gesammelten Beobachtungen (Grunert) . . . . 289 

5. Riemann, Schwerhörige, Ertaubte und Taubstumme. 

Praktischer und pädagogischer Ratgeber ftlr Ohren- 
leidende und deren Angehörige (Grunert) 290 

6. Neue Theorie über Schallempfindung, Schallleitung. Ewald, 

Zur Physiologie des Labyrinths. Die Erzeugung von 
bchallbildern in der Camera acustica. ßönninghaus, 
Das Ohr und die' Schallleitung (Tr eitel) 290 

XXYI. Wissenschaftliche Rundschau. 

38. Le Double (Tours), Deux points d*anatomo-pathologie 
du conduit auditif osseux. 296. — 39. Heimann fils (War- 
schau), Note relative aux tympans artificiels. 296. — 40. 
Richard H. Johnston, A large Dermoid turaor of the 
Mastoid. 297. — 41. Depierris, le bain nasal. 297. — 
42. Zaalberg (Amsterdam), Les Operations sur le laby- 
rinthe. 297. — 43. Heim an (Warschau), De la paracenttee 
du tympan. dans les otites moyennes aiguSs. 298. — 44. Hei- 
man jr. (Warschau), Sur les rapports de Toreille avec la zone 
naso-sexuelle de la femme. 298. — 45. Mercler-Bellevue 
(Poitiers), Un cas de Chirurgie cerebrale pour complication 
d'otite movenne aiguß. 298. — 46. P. Jacques (Nancy), Deux 
cas d*abces c^r^belleux otique. 298. — 47. Luc, Deux abcds 
extra-duraux p^risinusiens d'origine otique. L'un accompagn^ 
de thrombose fibrineuse non septique du sinus lateral. Guä- 
rison. L'autre compliqu^ d'abc^s latent de la presque tota- 
lit^ du lobe sph6no-temporal. Mort. Räflexions. 299. — 48. 
Lannois und Gorneloup, Abc^s sous dure-m^rien aigu 
ouvert spontan^bient au niveau de Foccipital. 300. — 49. Mo- 
linie (Marseille), Labyrinthite suppur6e et abc^s c^räbelleux. 
300. — 50. Collet (Lyon), De la salpingoscopie. 300. — 51. 
D eis aux (Brüssel), La Räsection de la paroi post^rieure du 
conduit auditif membraneux et le pansement sans tamponne- 
ment apr^s les Operations curatives de Potorrh^e chronique. 
300. — 52. Maljean, M^ningite c^rebro-spinale aigue con- 
s^cutive ä une otite moyenne grippale ; gu Krisen complete par 
les ponctions lombaires. 300. — 53. Grimmer, Beitrag zur 
Pathologie und Diagnose der tuberkulösen Mittelohrentzün- 
dung. 30L — 54. Suckstorff und Henrici, Beiträge zur 
Kenntnis der otitischen Erkrankungen des Hirns, der Hirn- 
häute und der Blutleiter. 301. — 55. Voss (Riga), Zwei 
Schläfenlappenabszesse. 303. — 56. Sato, Richtung und 
Benennung der Bogengänge des menschlichen Labyrinths. 304. 

— 57. Röpke (Solingen), Kasuistische Beiträge zur Pathologie 
und Therapie der Erkrankungen der Nasennebenhöhlen. 304. 

— 58. Rudolphy (Lübeck), Ohroperationen bei Hysterischen. 
305. — 59. Zolki, Über ein kongenitales Fibrolipom der 
Gaumentonsille. 305. — 60. Tollens, Angina und Pharyngitis 
phlegmonosa mit eitriger Thrombose des Sinus cavernosus und 
eitriger Meningitis basilaris. 306. 

Personal- und Fachnachrichten 306 




I. 

Aus der Eönigl. Universitäts-Ohrenklinik in Halle a. S. (Geh. 

Med.-Eat Prof. Dr. Schwartze). 

Zur Kasnistik 
der diagnostischen Irrtümer in der Otochinirgie. 

Von 

Dr. Walther Sehnlze, Assistenzarzt der Klinik. 

Mit Recht bezeichnet Oppenheim i) nicht die ünvoU- 
« kommenheit der Technik, nicht die durch den operativen Eingriff 
an und fllr sich bedingten Gefahren, sondern die Unsicherheit der 
Diagnose intrakranieller Erkrankungen als die wesentlichste 
Ursache der trotz weit vorgeschrittener Kenntnisse über die 
Lokalisation im Gehirn immer noch in so reichem Maße zu ver- 
zeichnenden Mißerfolge der Hirnchirurgie, daß die Freude über 
jedes Heilresultat durch eine Summe von Enttäuschungen getrübt 
wird. Oppenheim hatte dabei in der Hauptsache solche 
Fälle im Auge, in welchen es sich um ein Nichterkennen 
einer tatsächlich vorhandenen, der Operation zugänglichen 
Erkrankung resp. um Irrtümer in der Artdiagnose des zere- 
bralen Leidens handelte. Abgesehen von diesen Mißgriffen, welche 
dadurch bedingt sind, daß bei operablen Erkrankungen der 
operative Eingi*iff ganz unterlassen oder in falscher Richtung 
ausgeführt wurde, scheitert der Erfolg unseres Handelns auch 
an solchen Fehldiagnosen, welche auf der irrtümlichen Annahme 
tatsächlich nicht vorhandener intrakranieller Erkrankungen be- 
beruhen, wobei dann die folgerichtig zur Ausführung gelangten 
operativen Eingriffe im günstigsten Falle unschädlich verlaufen, 
manchmal aber bei einer sonst nicht absolut letalen Prognose der 
Erkrankung auch als direkte Todesursache angesehen werden 
müssen. Derartige in ihren Folgen verhängnisvolle diagnosti- 
sche Irrtümer haben wir in relativ kurzer Zeit in zwei Fällen 
erlebt, über welche im folgenden berichtet werden soll. 

1) Berl. klin. Wochenschrift, 1897, S. 1066ff. 

ArehiT f. Ohxenheillrande. LXI. Bd. 1 



2 I. SCHULZE 

1. Emma Grob, 58 Jahre alt, Lohnkellnersfrau aus Merseburg. Auf- 
genommen am 12. Juni 1903. Gestorben am 18. Juni 1903. 

Anamnese. Linksseitige Ohreiterung soll seit vielen Jahren bestehen . 
Seit 8 Tagen Schmerzen im linken Ohr, heftige Kopfschmerzen in der 
Stirn-, Scheitel- und Hinterkopfgegend, nach dem Genick zu ausstrahlend. 
Seitdem auch mehrmals Erbrechen. Schwindelanfälle schon seit l&ngerer 
Zeit, neuerdings in zunehmender Stärke, so daß Patientin in die Klinik ge- 
tragen werden mußte. 

Status praesens. Ziemlich kräftig gebaute Frau von sehr bleicher 
Gesichtsfarbe. Leicht soporös. Antwortet auf Befragen richtig, aber lang- 
sam und unwillig. Pupillen ziemlich eng, beiderseits gleich, reagieren träge, 
Papillen blaß, scharf begrenzt, Venen stark gefüllt. Perkussionsempfindlich- 
keit des ganzen Kopfes, besonders der linken Seite. Beweglichkeit des 
Kopfes nicht eingeschränkt. Druckempfindlichkeit der oberen Halswirbel. 
Nackenmuskulatur nicht kontrahiert. Bronchitis. Herz gesund. Tempe- 
ratur 38,7^, Puls 100, regelmäßig, kräftig. Drin zuckerfrei, enthält aber 
Eiweiß. Reflexe und Motilität normal. Sensibilität der Haut erhöht. 

Umgebung des Ohres. Druckempfindlichkelt des linken Warzen- 
fortsatzes. Hautüberzug normal. 

Gehörgang und Trommelfellbefund: Links fötide Eiterung. Ge- 
hörgang weit. Totaldefekt des Trommelfells. Hinten oben großer Krater und 
Defekt der lateralen Attikwand. Rechts: Große, trockene Perforation im 
hinteren unteren Quadranten. 

Flüstersprache rechts handbreit, links direkt unsicher. 

Stimmgabelprüfung. Gi vom Scheitel nicht lateralisiert. Fis4 
beiderseits, besonders links herabgesetzt. 

Verlauf. Lumbalpunktion: Liquor nicht unter erhöhtem Druck. 
Leicht getrübt Leukozytengehalt nicht sehr hochgradig, aber doch zweifel- 
los vermehrt (in manchem Gesichtsfeld f;ar keine, in anderen wieder 3—10 
Leukozyten sichtbar). Weder im Ausstnchpräparat, noch auf Kulturen Bak* 
terien* nachweisbar. 

Am Abend Kopfschmerzen geringer, Temperatur 39,3. 

13. Juni. Patientin hat während der Nacht ziemlich ruhig geschlafen. 
Klagt heute über stärkere Schmerzen im Genick und im Kreuz. Sprach- 
störung: Aussprache der Konsonanten erschwert. 

Temperatur 38,6— 3S.9<^, Puls 116-120, regelmäßig und kräftig. 

14. Juni. Unruhige Kacht. Phantasieren und Flockenlesen. Sprach- 
störung besteht noch, wenn auch nicht so deutlich wie gestern. Patientin 
spricht sehr langsam und wenig und nur dann, wenn sie wiederholt gefragt 
wird. Fixiert schlecht. Nahrungsaufnahme gering. Hartnäckige Verstopfung. 
Urinmeage gering, Eiweißgehalt desselben deutlich, aber nicht sehr hoch- 
gradig. Temperatur 38,2 -38,7^, Puls 112—118. 

15. Juni. Zunehmender soporöser Zustand. Patientin ist über sich 
und ihre Umgebung nicht orientiert. Fibrilläre Zuckungen in der Musku- 
latur beider oberen Extremitäten. Temperatur 38,0 -38,5 S Puls 116—120. 
Respiration 32. Rasselgeräusche über der ganzen Lunge. 

16. Juni. Patientin reagiert auf Anrufen durch Aufschlagen der Augen, 
spricht aber gar nicht mehr. Sie scheint ihren zum Besuch bei ihr weilenden 
Mann zu erkennen, spricht aber nicht mit demselben. Lähmung des rechten 
Armes. Temperatur 3 8,5», Puls 124, Respiration 48. Leichte Dämpfung über 
beiden Unterlappen. 

17. Juni. Temperatur am Morgen 37,3 ^ Puls 120. Patientin scheint 
etwas klarer zu sein als gestern. Am Nachmittag zunehmende Somnolenz. 
Ist am Abend ganz unklar. Temperatur 38,1^. 

18. Juni. Koma, Temperatur 38,1 ^ Puls und Respiration beschleunigt, 
136 bezw. 48, aber regelmäßig. Läßt Kot und Urin unter sich. 

Lumbalpunktion. Liquor weniger getrübt als bei der ersten Punktion , 
aber auch heute nicht normal klar. Leukozytengehalt vielleicht etwas 
geringer. 

Totalaufmeißelung. Weichteile und Corticalis normal. Choleste- 
atombildung im Mittelohr und Warzenfortsatz. Ossicula fehlen. Keine Weg- 



Zur Kasuistik der diagnostischen Irrtümer in der Otochirnrgie. 3 

leitnng in die Sch&delhöhle. Trepanation auf den linken Sehl&fenlappen 
und das linke Kleinhirn. Dura des Kleinhirns auffallend hyper&misch. n!eln 
Eiter gefunden. 

Während der Operation Kollaps. Äther und Elampferinjektionen. Palg 
eine Stunde lang kaum fühlbar. Kochsalzinfusion. Danach bessert sich der 
Zustand. Puls wieder fühlbar. Patient! a reagiert auf Anrufen, erwacht 
aber nicht aus dem soporOsen Znstand, trinkt mehrere Tassen Milch. Gogen 
Abend Tracheairasseln. 

Abends TVa Uhr Tod im Koma. 

Auszug aus dem Sektionsprotokoll. 

Dura gespannt. Blutgehalt erhöht. Im Sinns longitudinalis reichliche 
Mengen Kruor- und Speckj<erinnsel. Innenfl&che der Dura rechts glatt und 

flänzend, links in der Temporalffegend blutige Auflagerungen, in 6 cm 
<&n^e, die sich mit dem Messer leicht abstreifen lassen. Pialgefäße stark 
injiziert. Subarachnoidealüüssigkeit nicht vermehrt. Weiche Häute nicht 
getrübt. Gefäße der Basis atheromatös verändert. Rechte Fossa Sylvii frei, 
in der linken Blutkoagula. Ventrikelflüssigkeit nicht vermehrt. Ependym 
glatt und glänzend. Blutgehalt der weifien Substanz vermehrt Konsistent 
des Gehirns gut. Großhirnganglien ohne Besonderes. 

Herz der Größe entsprechend. Linker Ventrikel mäßig kontrahiert. 
Ostien durchgängig. Klappen schiußfähig. Tricaspidalis an den Bändern 
leicht verdeckt, Pulmonalklappen zart. Mitralis am Rande verdickt, Sehnen- 
iäden zart' Noduli der Aortenklappe verdickt. Im- Anfangsteil der Aorta 
kleine Kalkeinlagernngen. Muskulatur von guter Konsistenz, blaßroter Farbe. 

Linke Lunge. Volumen und Gewicht nicht verändert. Oberlappen 
am Rande etwas gebläht. Aus dem Bronchus quillt schaumig* eitrige Flüs- 
sigkeit, Schleimhaut lebhaft injiziert. Pulmonalis frei. Pleura enthält 
zahlreiche stecknadelkopfgroße Verdickungen, sonst glatt und glänzend. 
Schnittfläche des Oberlappens von graurot^ Farbe, zeigt in ganzer Aus- 
dehnung ziemlich stark prominierende kleine weißliche Knötchen. Saftgehalt 
des Ober- und Unterlappens ziemlich stark vermehrt. Luftgehalt vorhanden. 
Blutgehalt des Unterlappens etwas vermehrt. 

Rechte Lunge. Volumen und Gewicht etwas erhöht Bronchus, 
Pulmonalis und Pleura wie links. Schnittfläche des Ober- und Mittellappens 
von grauroter Farbe. Saftgehalt stark vermehrt. Luftgehalt überall vor- 
handen. Schnittfläche mit denselben Knötchen wie links durchsetzt. Blut- 
gehalt des Unterlappens etwas vermehrt. 

Milz 14:772:3. Oberfläche glatt. Parenchym sehr reich. Zeichnung 
undeutlich. 

Linke Niere. Von entsprechender Größe, Kapsel löst sich etwas 
schlecht. Oberfläche leicht granuliert. Rinde und Mark deutlich geschieden. 
Parenchym etwas reduziert Rinde verbreitert. Becken erweitert, Schleim- 
haut blaß. 

Rechte Niere. Kapsel löst sich mit Substanzverlust Sonst wie 
links. Leber, Magen und Darmkanal ohne Besonderes. 

Diagnosis post mortem: Hyperämie des Gehirns und seiner 
Häute. Bronchitis catarrhalis. ödem beider Lungen. Ver- 
dickungen der Pleura. Knötchenbildung beider Lungen. Ver- 
dickung der Mitralis und Tricuspidalis. Arteriosklerose der 
Aorta. Granularatrophie beider Nieren. 

Hier konnteii wir bei der poliklinischen Untersuchang eine 
'Reihe von Symptomen konstatieren, welehe [für eine schwere 
intrakranielle Erkrankung sprachen. Zugleich litt aber die 
Kranke an einer seit Jahren schon bestehenden Ohreiterung, 
so daß es nahe lag, in den Gehirnerscheinungen den Ausdruck 
einer intrakraniellen Komplikation der Ohreiterung zu erblicken« 
Abgesehen von den Symptomen mehr allgemeiner Natur, wie 



4 I. SCHDLZ£ 

Kopfsohmerzen, Erbrechen, Schwindelanf&Ile, fanden sieh hier 
einige besondere Momente, welche die Aufmerksamkeit auf das 
Vorhandensein eines Hirnabszesses lenken mußten, nämlich 
der eigentümlich soporose Zustand, die geistige Trägheit von 
dem Charakter der Slowzerebration und die Perkussionsempfind- 
lichkeit der linken Kopfseite. Lag ein Hirnabszeß wirklich vor 
und war derselbe unkompliziert, so konnten die in der Höhe 
von 39 ^ und darüber beobachteten Temperatursteigerungen nach 
unseren Erfahrungen nicht wohl von diesem ausgehen. Eine 
Eiterretention in den Mittelohrräumen als Ursache des Fiebers 
anzunehmen war wenig wahrscheinlich, da die Abflußverhältnisse 
(Totaldefekt des Trommelfells) die denkbar günstigsten waren. 
Anzeichen für eine Beteiligung des Sinus wurden weder durch 
die Anamnese noch durch den objektiven Befund gegeben. Wohl 
aber konnte fElr die Erklärung des Fiebers eine eitrige Menin- 
gitis in Frage kommen, deren Existenz schon in Anbetracht der 
durch den Ausfall der Hörprüfung wahrscheinlich gemachten Laby- 
rintherkrankung sowie mit Eücksicht auf die Störungen des Sen- 
soriums, die Druckempfindlichkeit der oberen Halswirbel, die Hy- 
perästhesie der Haut usw. in ernstliche Erwägung gezogen werden 
mußte. Dieselbe konnte neben einem Hirnabszeß bestehen, sie 
konnte aber auch ohne daß außerdem noch ein Hirnabszeß vorhanden 
war, ganz allein das Krankheitsbild auslösen. Die zur Entscheidung 
der Frage, ob eine eitrige Meningitis bestand, auch hier herangezo- 
gene Lumbalpunktion lieferte uns einen Liquor cerebrospinalis, 
der zwar nach unseren neueren Erfahrungen nicht als absolut be- 
weisend angesehen werden konnte für das Bestehen einer eitrigen 
Meningitis, der uns aber trotzdem zunächst zur Ablehnung eines 
operativen Eingriffs bestimmte in der Annahme, daß es sich zwar um 
keine diffuse, wohl aber wahrscheinlich um eine zirkumskripte oder 
noch im Beginn der Entwicklung befindliche Erkrankung der 
weichen Hirnhäute handeln dürfte. Die nach der Lumbalpunktion 
zunächst bemerkbare Besserung im Befinden war nur eine vorüber- 
gehende. Bald machten sich um so deutlichere meningitische Er- 
scheinungen kenntlich. Daneben entwickelten sich in den nächsten 
Tagen Symptome, welche den Verdacht eines Hirnabszesses wieder 
mehr bestärkten, die Aphasie und die Lähmung des rechten Armes. 
Das Herabgehen der Temperatur konnte allein nicht als Be- 
weis gegen eine eitrige Meningitis gelten, berechtigte aber immer- 
Jiin zu einer gewissen Hoffnung. Auch bei der nun zum zweiten 
Male vorgenommenen Lumbalpunktion war der Liquor nicht von 



Zar Kaauistik der diagnoBti sehen Irrtümer in der Otochiruiigie. 5 

normaler Beschaffenheit, enthielt aber weniger Leukozyten nnd 
zeigte anoh makroskopisch eine geringere Trfibnng als bei der 
ersten Punktion. Die Beschaffenheit des Liquors, welcher jetzt 
sowohl nach Aussehen als auch nach dem Leukozytengehalt viel- 
leicht eben auf der Grenze zwischen Normalem und Patholo- 
gischem stand, das Fehlen von Bakterien in demselben sowie 
der deutliche Unterschied gegenüber der ersten Lumbalpunktion 
machten die Annahme einer im Fortschreiten begriffenen und 
f&r die zunehmenden zerebralen Erscheinungen verantwortlichen 
eitrigen Meningitis unwahrscheinlich. Für das Fieber glaubten 
wir überdies in der partiellen Infiltration des Lungenparenchyms, 
welche sich inzwischen durch physikalische Zeichen nachweisbar 
machte, eine hinreichende Erklärung zu besitzen. 

So schien uns die Annahme eines Hirnabszesses näher zu 
liegen. Bezüglich der Lokalisation des vermuteten Hirnab- 
szesses glaubten wir in den aphasischen Störungen sowie in der 
Lähmung des r e c h t^ n Armes einen genügenden Hinweis auf den 
li nken Schlaf enlappen zu besitzen, und so wurde auch auf diese 
Stelle trepaniert, obwohl sich bei der Ohroperation keine dement- 
sprechende Wegleitung hatte feststellen lassen. Nachdem die Tre- 
panation an dieser Stelle weder einen Hirnabszeß, noch eine extra- 
durale Eiteransammlung zutage gefordert hatte, kam in zweiter 
Linie die hintere Schädelgrube, speziell das Kleinhirn, als Sitz des 
supponierten Eiterherdes in Frage, eine Vermutung, welche durch 
den hochgradigen Schwindel und durch die Funktionsstörung des 
Labyrinths eine wesentliche Stütze erhielt. 

Nach diesen vergeblichen Operationsversuchen brachten wir 
begreiflicherweise der Sektion ein besonderes Interesse entgegen. 
Unsere Erwartungen wurden aber arg enttäuscht, anstatt der ver- 
muteten Eiteransammlungen ergab sich — wenn wir von der Hyper- 
ämie absehen — ein im ganzen negativer Befund im Gehirn. Als 
Ausgangspunkt fllr die Gehirnerscheinungen konnten nach dem 
Sektionsergebnis weder die Erkrankung des Schläfenbeins selbst 
noch die Lungenerkrankung in Betracht kommen« Die einzige 
Organ Veränderung , welche fUr (die Erklärung des Symptomen - 
komplexes herangezogen werden konnte, war die chronische 
Nephritis. Wir hatten eine Urämie vor uns gehabt, 
nnd diese hatte das Bild einer entzündlichen Er- 
krankung des Gehirns resp. der Gehirnhäute hervor- 
gerufen. Auf diese Weise finden Kopfschmerzen, Erbrechen usw. 
eine ungezwungene Erklärung, in den Störungen des Sensoriums 



6 I. SCHULZE 

haben wir em nrämisehes Koma zn erblioken, in der Lfthmung 
des Armes eine yon den selten beobachteten urämischen Hemi- 
plegien, in der Sprachstörnng eine urämische Aphasie. 

Wie war es möglich, daß wir uns in dem Erankheitsbilde der- 
artig täuschen und zur Annahme einer organischen, der operativen 
Behandlung zugänglichen intrakraniellen Eiterung verleiten lassen 
konnten? Wenn wir die von Traube gegebene Begel, daß die 
Diagnose nicht nach den fehlenden , sondern nach den vorhan- 
denen Symptomen zu formulieren sei, auf unseren Fall anwenden, 
so müssen wir gestehen, daß hier an Hirnabszeßsymptomen kein 
Mangel vorhanden gewesen war, Symptomen, welche nicht allein 
f)lr das bloße Vorhandensein, sondern auch fQr die Lokalisation 
eines Abszesses fllr gewöhnlich eine brauchbare und hinreichende 
Handhabe zu geben pflegen. DieYereinigung einer Anzahl ftlrHim- 
abszesse sprechender Zeichen war hier eine so eklatante, daß wir 
UQS glttcklich schätzen würden, wenn sich alle Fälle otogener Qirn- 
abszesse durch einen solch ausgeprägten« Symptomenkomplex 
zu erkennen geben würden. Selbst wenn die vorhandenen posi- 
tiven Symptome ftlr die Diagnose nicht ausgereicht hätten, so 
würde überdies in unserem Falle bei dem von uns verfolgten 
Gedankengange unter Zugrundelegung eines otogenen Hirn- 
abszesses das zunehmende Koma ein längeres Warten auf noch 
prägnantere Zeichen nicht zugelassen haben. 

Die Ursache und den Ausgangspunkt für unsere irrtümliche 
Auffassung des Erankheitsbildes bildete das gleichzeitige Vor- 
handensein einer chronischen Ohreiterung. Bei intaktem Gehör- 
organ würde sich die Natur der zu Gehirnerscheinungen führen- 
den Allgemeinerkrankung eher haben ergründen lassen, als hier, 
wo das Ohr eine Erkrankungsform zeigte, wie dieselbe erfahrungs- 
gemäß der Mehrzahl der Fälle von otogenen intrakraniellen 
Komplikationen zugrunde liegt. Außer dem Nebeneinanderher- 
gehen von Gehirnerscheinungen und Ohrerkrankung schien ferner 
noch das zeitliche — wie wir jetzt annehmen müssen, wahr- 
scheinlich rein zufällige — Zusammentreffen des Beginns der 
Gehirnsymptome mit einer Verschlimmerung des Ohrenleidens, 
welche sich durch deutlich wahrnehmbare entzündliche Er- 
scheinungen in der Umgebung des Ohres zu erkennen gab, für 
ein Abhängigkeitsverhältnis beider Erkrankungen zu sprechen 
und war sonach ein Hauptmoment, welches unsere diagnostischen 
Erwägungen auf falsche Fährte lenkte. Aber nicht nur das 
gleichzeitige Einsetzen der Ohrsymptome und der als Ausdruck 



Zar Kasuistik der diagnostischea Irrtümer in der Otocbirurgie. 7 

einer intrakraniellen Komplikation angesehenen Gehirnersobeinnn- 
gen, sondern auch die Gleichseitigkeit der Erkrankungen l&ßt 
die f&lschliohe Annahme eines inneren Zusammenhanges erklärlich 
erscheinen. Dieser letztere Umstand, welcher auch schon bei 
gleichzeitigem Bestehen von Tumoren und Ohreiterung wieder- 
holt zu diagnostischen Schwierigkeiten geffthrt hat, trat hier 
besonders scharf hervor: neben der linksseitigen Ohreiterung 
bestanden linksseitige Kopfschmerzen sowie eine Perkussions- 
empfindlichkeit der linken Kop&eite, ferner Aphasie und eine 
rechtsseitige Lähmung, alles Symptome, welche auf eine Be- 
teiligung der dem kranken Ohr entsprechenden linken Gehirn- 
hemisphäre hinwiesen. So wurde durch eine Verkettung un- 
günstiger Umstände eine Trennung der Ohrsymptome von den 
Gehirnerscheinungen wesentlich erschwert, und es dürfte hier 
vielleicht überhaupt unmöglich gewesen sein auf Grund einer ver- 
gleichenden Symptomatologie der Ohr- und Gehimerscheinungen 
zu einer richtigen Diagnose zu gelangen. 

Wäre nun in diesem Falle die wahre Natur der Erkrankung 
nicht dennoch zu erkennen gewesen ? Für die Entscheidung dieser 
Frage kam hauptsächlich das Verhalten des Urins in Be- 
tracht. Die Urinsekretion war eine geringe, blieb aber nicht ge- 
rade auffallend hinter der normalen Menge zurück, so daß hieraus 
kein Schluß auf eine bei der Urämie doch immer stattfindende 
Betention von Harnbestandteilen gezogen werden konnte. Der 
Urin selbst enthielt geringe Mengen Eiweiß; auch daraus allein 
konnte die Annahme einer Urämie noch nicht abgeleitet werden. 
Wir erklärten uns den Eiweißgehalt in der Weise, daß wir den- 
selben zwar auch in gewisse Beziehung zur intrakraniellen Er- 
krankung brachten, nur sahen wir in dem Eiweißgehalt nicht die 
Ursache für die Gehirnerscheinungen, sondern einen Folgezu- 
stand zerebraler Erkrankung. Auf diese Weise ftlhrte der Eiweiß- 
gehalt des Urins dazu, den Verdacht einer eitrigen Meningitis, 
bei welcher das Auftreten von Eiweiß im Urin nicht selten be- 
obachtet wird, zu unterstützen. 

Eine mikroskopische Untersuchung des Urins hatte 
nicht stattgefunden ; eine solche hätte uns darüber Ausschluß geben 
können, daß es sich im vorliegenden Falle nicht um eine akute, 
eventuell auf eine eitrige Meningitis zurückzufahrende Nephritis, 
sondern um ein chronisches Nierenleiden handelte. Wegen 



1) Vgl. Schulze, OhreiteruDg u. Hirntaberkel. D.A. Bd.LIX. S. 99ff. 



8 I. SCHULZE 

der oben angeftlhrten Schwierigkeiten erscheint es ja fraglich, ob 
gerade in diesem Falle eine Imikroskopische Untersuchung des 
Urins die Diagnose wesentlich gefordert oder sogar in die rich- 
tigen Bahnen geleitet haben würde, immerhin dürfte es sich 
aber empfehlen, in ähnlichen Fällen auf diesen Punkt zu achten. 
Denn bei Feststellung einer chronischen Nephritis wird der Ei- 
weißgehalt des Urins niemals als ein Symptom einer akut ein- 
setzenden intrakraniellen Komplikation der Ohreiterung aufge- 
faßt werden können, wohl aber ist dann eventuell die Nieren- 
erkrankung als ursächliches Moment für die Gehirnerscheinungen 
in Erwägung zu ziehen. 

Was die Verwertbarkeit der Lumbalpunktion anbetrifft, 
so haben wir im vorliegenden Falle wieder einen neuen Beweis 
dafür, daß Trübung und Vermehrung der Leukozyten allein nicht 
die Berechtigung geben, eine eitrige Meningitis anzunehmen, wie 
ich bereits in meinen „Beiträgen zur Lehre von der otogenen Me- 
ningitis^ (s. dieses Archiv. Bd. LVIIl) betont habe. Anderseiben 
Stelle habe ich auch schon einige Fälle atifgefELhrt, in welchen 
eine sonst schwer zu erklärende Trübung des Liquor cerebro- 
spinalis möglicherweise mit der dabei vorhandenen Labyrinth- 
eiterung zusammenhing. Eine solche Annahme eines inneren Zu- 
sammenhangs zwischenLabyrintheiterung undLiquor- 
tr Übung drängt sich hier gleichfalls auf, wenn wir nicht die 
Urämie selbst für die Veränderung der Zerebrospinalflüssigkeit 
verantwortlich machen wollen. 

2. Wilhelm Schlüter, 9 Jahre alt, Bergmannskind aus Gerbstedt. 
Aufgenommen am 14. Dezember 1902. Gestorben am 14. Dezember 1902. 

Anamnese Das Kind soll früher wiederholt an „Ohrenzwang'' ge- 
litten haben. Obreiterung aus dem linken Ohr soll seit zwei Jahren be- 
stehen. Ursache derselben unbekannt. Sonst soll der Knabe angeblich 
niemals krank gewesen sein. Eiterung von Anfang an fötid. Vor 3 Tagen 
plötzlich heftige Schmerzen im linken Ohr. Seitdem mehrmals Frost mit 
darauf folgendem Schweißausbruch (nach der Beschreibung des Vaters 
Schüttelfröste). Seit dem 13 d. M. mehrfach Erbrechen. 

Statuspraesens. Kräftig entwickelter Knabe von gutem Ernährungs - 
zustand. Patient kann nicht gehen, er wird getragen. Im Bett nimmt derselbe 
die Rückenlage ein. Kopf stark nach hinten gezogen. Nackenmuskulatur 
kontrahiert. Wirbelsäule ganz steif und stark lordotisch gekrümmt. Patient 
kann nicht aufsitzen. Kontrakturstellung beider Unterarme im Handgelenk 
und EUenbogengelenk. Gesicht zyanotisch. Zunge belegt. Pupillen sehr 
weit, gleich, reagieren träge. Augenhintergrund ohne Veränderung. Unter- 
suchung sehr erschwert, da Patient schlecht fixiert. Hyperästhesie der 
ganzen Kopfhaut. Hautsensibilität am rechten Arm stark herabgesetzt. 
Rechter Arm und rechtes Bein paretisch. Patellarreflexe fehlen. Ab und 
zu Zuckungen in beiden oberen Extremitäten, Spasmen im Gesicht, besonders 
im Facialisgebiet beiderseits und eigentümliche Dreh- und Nickbewegungen 
des Kopfes. Sensorium zeitweise ganz klar, der Junge gibt dann über sein 
Alter usw. richtige Auskunft. Das Sprechen fällt ihm schwer, doch hat er 



Zur Kasuistik der diagnostischen Irrtibner in der Otochimrgie. 9 

keine eigentliche SprachstOrong. Manchmal ist ^ wieder YoUst&ndig be- 
nommen, hat leichte Delirien, Flockenlesen, ist schwer zu fixieren, kennt 
seine Umgebung nicht, glaubt, seine Mutter sei bei ihm, h&lt ein Markstück 
ffir einen Groschen usw. Herztöne rein. Untersuchung der Lungen ergibt 
normalen Befund. Respiration nicht beschleunigt, regelm&ßig. Temperatur 
39,0®, Puls 150, sehr klein, unregelmäßig. Retentio urinae, in dem per Ka- 
theter entleerten Urin weder Eiweiß noch Zucker. 

Umgebung des Ohres. Hinter dem linken Ohr eine ausgedehnte, 
sich teigig anfühlende Anschwellung ohne deutliche Fluktuation. Das ödem 
reicht nach hinten und oben fast bis zur Mittellinie. Auffallend starke In- 
filtration unter der Spitze und an der Grenze nach dem Occinut. Dieselbe 
setzt sich an der seitlichen Halsgegend l&ngs des Stemocleidomastoideus 
ungefähr bis zur Höhe des Ringlmorpels nach unten fort. Beweglichkeit 
des Kopfes beschränkt. 

Gehörgang und Trommelfellbefund. Links: Gehörgang schlitz- 
förmig verengt, enthält wenig, aber sehr fötiden Eiter. In der Tiefe viel 
Epidermisschmiere und Granulationen, vom Trommelfell nichts zu sehen. 
Krater hinten oben. Rechts: Zerumen. 

Flüstersprache. Links direkt. 

Stimm|gabelprüfung: Ci vom Scheitel im ganzen Kopf. Fis4 links 
bei starkem Fingeranschlag. Rechts normal. 

Lumbalpunktion. Liquor klar. 

Spaltung eines retr oaurikulären Abszesses. Totalaufmeißelung. In den 
Mittelohrräumen zerfallenes Cholesteatom. Hammer und Amboß rudimentär. 
In der Spitze dicker fauliger Eiter. Sinus sigmoideus weit vorgelagert, 
wird in Markstückgröße freigelegt. Die Wand teilweise grünlich verfärbt, 
teilweise mit fibröser Auflagerung. Trepanation auf den linken Schläfen- 
lappen ohne Eiter zu finden. Breite Spaltung des freigelegten Sinns, großer 
Blutschwall. 

Während der Operation mehrmals Sedes involuntariae (Durchfälle). Im 
Laufe der Operation wiederholt Unregelmäßigkeit und Aussetzen der Herz- 
tätigkeit. Ge^en Ende Pupillen maximal weit. Puls fadenförmig. Noch 
bevor der Patient ins Bett kommt, setzt., der Puls ganz aus, Infusion von 
1 Liter physiologischer Kochsalzlösung. Äther subkutan. Zyanose des Ge- 
sichts. Frottieren der Haut. Patient öffnet die Auffen, schluckt und beant- 
wortet die Fragen teilweise richtig. Atmung sehr oberflächlich und unregel- 
mäßig. Trotz aller Bemühungen wird der Puls nicht wieder fühlbar. 1 Uhr 
mittles Tracheairasseln. Klonisch-tonische Krämpfe in der Muskulatur des 
Oberkörpers und des linken Armes, während der rechte schlaff herabhängt. 
iVa Uhr Tod. 

Auszug aus dem Sektionsprotokoll. 

Gehirn. Dura in ganzer Ausdehnung gespannt. Innenfläche der 
Dura glatt und glänzend. Oberfläche etwas matt. Gefäße stark gefüllt. 
Sabarachnoidealflüssigkeit nicht vermehrt. Ventrikel nicht erweitert. Epen- 
dym etwas matt. Blutgehalt der weißen Substanz vermehrt. 

LinkeLunge. Pleura glatt und glänzend. Auf Druck entleert sich aus 
dem Bronchus schaumige Flüssigkeit. Schleimhaut leicht injiziert. Pulmonalis 
frei. Schnittfläche des Oberlappens von blaßroter Farbe, Blutgebalt des Unter- 
lappens erhöht. Saftgehalt ebenfalls erhöht. Luftgehalt überall vorhanden. 

Rechte Lunge. Aus dem Bronchus entleert sich ebenfalls schau- 
mige Flüssigkeit. Bronchus rosarot injiziert. Pulmonalis frei. Luft-, Blut- 
und Saftgehalt wie des Unterlappens der linken Lunge. 

Sonst sind die inneren Organe normal. 

In der linken seitlichen Halsgegend ist die Muskulatur schmutzig-gelb 
verfibrbt; auf dem Durchschnitt entleert sich reichlich gelber Eiter. 

Diagnosis p. m.: Lungenödem beider Lungen. Hyperämie 
der rechten Lunge und des linken Unterlappens. Hyperämie 
des Gehirns. Halsphlegmone. 

Schon die in der Anamnese verzeiehneten Fröste wiesen hierauf 
eine yon der Ohreiterung ausgegangene pyämisehe Erkrankung 



10 I. SCHULZE 

und damit auf eine Beteiligung des Sinns hin. Dazu stimmten 
auch die änßerlieh in der Umgebung des Ohres wahrnehm- 
baren Veränderungen. Ferner zeigte sieh bei der Totalauf- 
meißelung auch die Sinus wand selbst in großer Ausdehnung und 
in solchem Grade erkrankt, daß dadurch unsere Annahme einer 
Sinusthrombose eine wesentliche Stütze zu erhalten schien. Im 
übrigen bot aber der Knabe objektiv ein Erankheitsbild, welehes 
mit dem der eitrigen Meningitis viele Symptome gemeinsam 
hatte. Im Widerspruch damit lieferte uns die zur Sicherung der 
der Diagnose in Anwendung gezogene Lumbalpunktion ein Er- 
gebnis, welches uns nötigte eine eitrige Meningitis auszuschließen. 
Nun bestand aber noch die Schwierigkeit, eine Erklärung für 
die kontralaterale Lähmung zu geben, welche zugleich mit der 
eigentümlichen Veränderung der Sprache auf eine Beteiligung 
des linken Schläfenlappens hinwies. Eine vielleicht gerade an 
dieser Stelle besonders stark ausgeprägte eitrige Meningitis, au 
die wir im ersten Augenblick dachten, konnte nicht die Ursache 
dieser Erscheinungen sein, das erschien ja durch die Lumbal- 
punktion ausgeschlossen, und so mußte das Vorhandensein 
eines Abszesses im Schläfenlappen oder eines extraduralen 
Abszesses in dieser Gegend in Erwägung gezogen werden. 
Die in dieser Richtung unternommenen Eingriffe waren jedoch 
ergebnislos. Es hätte nun folgerichtig noch eine probatorische 
Trepanation auf das Kleinhirn in Frage kommen können. 
Allein die mangelhafte Herztätigkeit machte dies unmöglich 
und erlaubte nur noch in Eile die Eröffnung des kranken Sinus. 
Der inzwischen eingetretene Kollaps nötigte zur schleunigen Be- 
endigung der Operation und zur Vermeidung jedes weiteren Blut- 
verlustes, weshalb eine genaue Absuchung des Sinus nach einem 
Thrombus nicht möglich war. So hatte uns der operative Eingriff 
keine befriedigende Erklärung für die Gehirnerscheinungen ge- 
geben. Trotzdem konnten wir auch nach der Operation die An- 
nahme einer intrakraniellen Herderkrankung nicht aufgeben, be- 
sonders da auch bei den später wieder aufgetretenen Krampf- 
zuständen undKeizerscheinungen eineNichtbeteiligung der rechten 
Seite, eine schlaffe Lähmung des rechten Armes bemerkbar war. 
Der Sektionsbefund entsprach unseren Erwartungen nicht im 
geringsten. Die genaueste Untersuchung des Sinus, auch des 
Bulbus, ließ nichts von einem Thrombus erkennen, die Innen- 
fläche der Gefäßwand war überall von normalem Aussehen und 
zeigte nirgends eine verdächtige Stelle, an welcher vielleicht eia 



Zar Kasuistik der diagnostischen Irrtflmer in der Otochirorgie. 11 

wandatändiger Thrombus gesessen haben konnte. Ein nooh ttber- 
rasehenderes Besnltat als die Eröffnung des Sinus ergab die 
Sektion des Gehirns; keine Spur von einem Hirnabszeß oder 
von einer extraduralen Eiterung. So war die Intaktheit der 
weichen Hirnhäute der einzige Punkt im Sektionsbefunde, weleher 
mit unserer Annahme während des Lebens voll und ganz tiber- 
einstimmte; in dem Fehlen einer eitrigen Meningitis — trotz der 
meningitisehen Erseheinungen — hatten wir uns nicht geirrt* 

Als anatomisches Substrat fbr die intra vitam beobachteten 
zerebralen Erseheinungen konnten sonach nur die entzflndlichen 
Veränderungen der Sinuswand und die Hyperämie des Gehirns in 
Betracht kommen. Doch erscheint es sehr fraglich, ob der Ge- 
hirnhyperämie hier überhaupt eine wesentliche Bedeutung bei- 
zulegen ist, vielleicht war dieselbe lediglich eine Folge des arte- 
fiziellen Sinusversohlusses, und so für das Zustandekommen des 
sehen vorher bestandenen Krankheitsbildes nicht verantwortlich zu 
machen. Wir haben also wahrscheinlich in der Sinuserkrankung 
bezw. in der dadurch hervorgerufenen pyämisohen Allgemeininfek- 
tion die alleinige Ursache der Gehirnerscheinungen zu erblicken. 

Eulenstein hat es ftlr zweckmäßig gehalten, von den 
durch eine Thrombose der Hirnsinus oder der Jugularvene bedingten 
Fällen otogener Pyämie, mochten dieselben unter dem Bilde der 
reinen Pyämie oder unter dem der Septikopyämie verlaufen, 
diejenigen Fälle abzutrennen, in welchen die septikämischen Er- 
Bobeinungen nicht durch Vermittelung einer ausgedehnten Sinus- 
oder Jugulariserkrankung mit jauchig zerfallenen Thromben auf- 
traten, und hat den durch einen besonderen klinischen Verlauf 
sich auszeichnenden Fällen dieser Art einen besonderen Namen, 
den der „Toxinämie^ beigelegt. Diesen Erkrankungsformen 
glaubte man schon deshalb eine Sonderstellung einräumen zu 
mfissen, weil sich bei denselben nicht immer eine ausgeprägte 
Sinusthrombose, jedenfalls niemals ein obturierender Thrombus 
fand, weshalb sieh auch Eulenstein dahin entschied, daß 
die von ihm sogenannte „Toxinämie^ sowohl durch Aufnahme 
der Eiterkokken durch die erkrankte Sinuswand als auch ohne 
Vermittelung des Sinus und insbesondere ohne thrombo-phlebi- 
tische Erkrankungen in den Hirnsinus und der Jugularis sich 
entwickeln könnte. 

Auch in unserem Falle könnte man wegen des besonderen 



1) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. LX. S. 41. 



12 I. SCHULZß 

Erankheitsbildes , wegen des Fehlens einer Thrombose im Ge- 
fäßrohr und schließlieh wegen der außergewöhnlichen Weich- 
teilschwellung in der Umgebung des Obres auf den Gedanken 
kommen, daß hier ein besonderer Infektionsweg stattgefunden 
habe, etwa eine Resorption von Giftstoffen durch Vermittelung der 
Lymphdrüsen, welche hier allerdings in das Bereich der Ent- 
zflndung mit einbegriffen waren. Doch erseheint es zum mindesten 
fraglich, ob dieser Lymphadenitis und Halsphlegmone eine ur- 
sächliche Bedeutung ftir das Zustandekommen dieses eigen- 
artigen Krankheitsbildes beizumessen ist; die Tatsache, daß der- 
artige Veränderungen gerade bei einem solchen Erankheitsver- 
lauf wiederholt beobachtet worden sind, ist ftir diese Frage 
nicht beweisend. So sieht z. B. auch Körner, welcher diese 
sulzige Schwellung ebenfalls gesehen hat und das Auftreten der- 
selben in Fällen otogener Pyämie als ein Signum mali ominis 
bezeichnet, in derselben nicht etwa die anatomische Grundlage 
für eine besondere £rkrankungsform. 

An der durch L entert nachgewiesenen Bedeutung der 
Himsinus ftlr das Zustandekommen pyämischer Allgemeininfektion 
nach Obreiterungen müssen wir unbedingt festhalten. Daß es sich 
dabei nicht immer um eine weitverbreitete Thrombenbildung, ja 
nicht einmal um ausgedehnte Veränderungen an der Gefäßwand 
zu handeln braucht, ist ebenfalls von L entert festgestellt und 
seitdem durch eine reiche Erfahrung bestätigt worden. Hier 
lag nun in der Tat eine Erkrankung der Sinuswand vor, so daß 
wir auch hier in erster Linie die Sinuserkrankung für das Krank- 
heitsbild verantwortlich machen müssen, ohne Kücksicht darauf, 
ob etwa den daneben bestehenden Lymphdrüsen- und Weichteil- 
verändeimngen außerdem noch eine besondere Bedeutung bei- 
gelegt werden muß. 

Anatomisch handelte es sich hier genau um denselben Vor- 
gang, welchen wir auch sonst bei der otogenen Pyämie finden, 
nur mit dem Unterschiede, daß sich hier die lokale Erkrankung 
am Sinus in einem relativ frischen Stadium der Entwicklung 
befand, in einem Stadium, von welchem wir wissen, daß die 
Erkrankung schon nach Ausräumung der kranken Knoehenherde 
in der Umgebung einer Rückbildung, ja einer Heilung fähig ist. 
Kommt es nicht zu einer Entfernung des primären Krankheits- 
herdes, und findet auf diese Weise ein fortdauernder Kontakt der 
Sinuswand mit dem Eiterherde und eine fortdauerde Resorption 
von Infektionskeimen statt, so kann dies im weiteren Verlaufe zu 



Znr Kasuistik der diagnostischen Irrtümer in der Otochirnrgie. 13 

einem Fortsehreiten der Erkrankung nnd zur Thrombose des Ge- 
f&ßrohrs fähren. Schon das Stadium der Phlebitis und desperisi- 
nuösen Abszesses, also das Yorstadium der Sinusthrombose, kann 
sieh dureh pjämische Erseheinungen zu erkennen geben, ohne daß 
es sich bereits um eine Thrombenbildung zu handeln braucht. Wenn 
wir nun in solchen Fällen selbst bei der Sektion keine Thromben- 
bildung im Gefäß entdecken können, so liegt dies nicht etwa 
daran, daß wir, wie von anderer Seite angenommen zu werden 
scheint, hier eine auch anatomisch besonders charakterisierte 
Erankheitsform vor uns haben, sondern wahrscheinlich allein 
an dem überaus schnell zum Tode fahrenden Verlauf der Er- 
krankung, wobei ftlr das Zustandekommen einer Thrombose gar 
keine Zeit mehr übrig bleibt. Die durch die Gefäßwand hin- 
dureb — ohne das Zwischenglied der Grefäßthrombose — statt- 
findende Besorption von Infektionskeimen genügt hier zur Her- 
beiführung des Todes. Wahrscheinlich spielen hierbei die Art 
und Beschaffenheit (Virulenz) der Infektionserreger sowie die 
Gift wirkung der von diesen gelieferten Toxine eine wesentliche 
Bolle, keineswegs dürften aber der Infektionsweg und über- 
haupt die anatomischen Grundlagen der Erkrankung von 
den sonst bei der otogenen Pyämie beobachteten Vorgängen prinzi- 
piell verschieden sein. 

Wenn es gestattet ist, den Vergleich mit einer Vergiftung 
hier weiter auszuführen — ob die von Eulenstein in Vorschlag 
gebrachte Bezeichnung Toxinämie eine glückliche ist, bleibe da- 
hingestellt; eine gewisse Schwängerung des Blutes mit Toxinen 
ist doch in jedem Falle von Blutvergiftung vorhanden, und um 
eine solche handelt es sich hier ebenso gut wie in jedem anderen 
Falle von otogener Pyämie resp. Septikopyämie — , so ist es klar, 
daß die Prognose einer solchen, abgesehen von der Widerstands- 
fähigkeit des Organismus und von der Möglichkeit einer Aus- 
scheidung des Giftes, abhängig ist von der Menge und der Wirk- 
samkeit des in den Kreislauf aufgenommenen Giftes, und zweitens 
von der Möglichkeit eine weitere Zufuhr und Neuaufnahme des 
Giftes zu verhüten. Der letzteren Forderung entspricht hier die Ent- 
fernung des primären Krankheitsherdes, und dieser läßt sich in 
jedem Falle gerecht werden. Anders verhält es sich dagegen mit 
den anderen Faktoren — und darin liegt auch zugleich die 
Erklärung, weshalb in allen derartigen Fällen, wie ans der Zu- 
sammenstellung von Eulenstein hervorgeht, der Tod ein- 
getreten ist, obwohl in einem Teil der Fälle entweder die Frei- 



14 I. SCHULZE 

legnng des Sinus oder selbst die Sinusoperation stattgefaaden 
hatte. Die Eliminierang des bereits resorbierten Giftes l&ßt sich 
eben schwer ermöglichen. So scheint z. B. die Anwendung spe- 
zifisch wirkender Antidote bisher noch von zu wenig Erfolg ge- 
wesen zu sein. Eine Inzision des Sinus könnte, sofern dieselbe 
nicht etwa lediglich dem Zwecke eines Aderlasses dient, doch 
nur dann Aussicht auf Erfolg versprechen, wenn es sich dabei 
um die Entfernung an Ort und Stelle angesammelter Infektions- 
keime, etwa wie bei einer Thrombose des Gefäßes handelt. So- 
nach ist die Bekämpfung des bereits in der Blutbahn kreisenden 
Giftes vornehmlich Sache des Organismus, welchem wir dabei 
allerdings durch therapeutische Maßnahmen untersttttzend zur 
Seite stehen können. Aus diesem Kampfe muß naturgemäß der 
stärkere von beiden Gegnern als Sieger hervorgehen, und dieser 
ist in den tödlich verlaufenden Fällen eben das Gift, mögen wir 
dasselbe nun als Bakterien oder als deren Produkte, als Toxin, 
bezeichnen. Gelangt der Kampf nicht so schnell zur Entschei- 
dung, so ist damit Zeit gegeben zur Entwicklung weiterer patho- 
logischer Veränderungen an der Gefäßwand und im Geftßlumen 
selbst, welche dann eine weitere Infektion des Organismus unter- 
halten (durch Zerfall der Thromben) und sehließlich den tödlichen 
Ausgang herbeiführen können, in deren Verlauf aber auch — in 
günstigen Fällen — selbst bei schon vorhandener Thrombose durch 
Apposition gesunder Gerinnung ein Abschluß der Infektionskeime 
und auf diese Weise eine Ausheilung des Prozesses stattfinden kann. 
So werden wir in den einzelnen Fällen otogener Allgemein- 
infektion (um es ganz allgemein auszudrücken), sei es bei der 
Sektion, sei es bei operativen Eingriffen, je nach dem Stadium 
der Erkrankung verschiedenartige anatomische Veränderungen 
vorfinden. Es handelt sich dabei aber nicht um prinzipielle, son- 
dern einzig und allein um graduelle Unterschiede in den 
anatomischen Veränderungen, um verschiedene Stadien und 
eines und desselben Prozesses, welchen nicht etwa ein ver- 
schiedenartiges Verhalten der Gewebe, sondern lediglich die in den 
einzelnen Fällen verschiedene Giftwirkung des infektiösen 
Materials zugrunde liegt. Nicht deshalb erscheinen die schnell zu 
Tode fahrenden Fälle ohne Sinusthrombose als die gefährlichen, 
weil bei denselben ein außergewöhnlicher Infektionsmodus statt- 
findet, nein es kommt gar nicht erst zu gröberen Veränderungen 
(Thrombosen) an der Infektionsstelle selbst, weil eben das in den 
Körper aufgenommene Gift, sei es wegen zu großer Dosis, sei es 



Zur Kasuistik der diagnostischen Irrtümer in der Otochirurgie. 15 

wegen der eminenten Giftigkeit, in kurzer Zeit einen töd- 
lichen Ausgang herbeiführt 

Sonach erscheint es nicht gerechtfertigt^ derartige Erkran- 
kungsformen wegen ihres anatomischen Verhaltens prinzipiell 
von der otogenen Pyämie, resp. Sepsis loszutrennen ; dieselben be- 
anspruchen nach ihrer anatomischen Grundlage keine Sonder- 
stellung. Doch dürfte es immerbin zweckmäßig sein, diesen 
Fällen vom klinischen Standpunkt aus eine besondere Gruppierung 
angedeihen zu lassen und dieselben als eine besondere Art der 
Erkrankung, als welche sie sich nach Symptomatologie und Ver- 
lauf charakterisieren, zu betrachten. Denn hier haben wir, wie 
Eulenstein sehr richtig sagt, „ein Erankheitsbild, bei dem die 
charakteristischen klinischen Zeichen der Pyämie fehlen, während 
die Erscheinungen einer akuten, rapide zum Tode fahrenden Ver- 
giftung die Szene vollständig beherrschen^. 

Die enorme Giftwirkung machte sich in unserem Falle Yor- 
nehmlich durch ihre deletären Folgen auf das Zentralnerven- 
system bemerkbar, wodurch einerseits an eine eitrige Meningitis 
erinnernde Aufregungszustände , andererseits aber auch Läh- 
mungen als Ausdruck der Vergiftung hervorgerufen wurden. Die 
richtige Diagnose scheiterte hier ebenso wie im vorhergehenden 
Falle weniger daran, daß die ungewöhnlich stark ausgeprägten 
meningitischen Beizerscheinungen uns auf eine falsche Fährte 
führten, davor schlitzte uns die Lumbalpunktion, vielmehr waren 
es auch hier die Lähmungserscheinungen, welche uns in Gemein- 
schaft mit den übrigen zerebralen Symptomen auf eine intrakra- 
nielle Herderkrankung hinwiesen. Lenkte schon der teilweise 
Ausfall der motorischen Funktion der rechten Eörperseite unsere 
Aufmerksamkeit auf eine Beteiligung der linken Gehirnhemi- 
sphäre, so kam uns in dieser Vermutung auch die Alteration der 
Sj^ache noch mit zu Hilfe ; wenn auch keine eigentliche Aphasie 
vorlag, so bestand doch eine gewisse Schwerfälligkeit, jedenfalls 
eine auf Lähmungsvorgänge hindeutende Störung der Sprache, 
deren Ursache wir erklärlicherweise, um nicht zu sagen not- 
wendigerweise, ebenfalls in einer Affektion des linken Schläfen- 
lappens suchten. Auch hier wurde der Irrtum im wesentlichen 
dadurch unterhalten, daß der vermutete intrakranielle Herd nach 
der Beschaffenheit der Ausfallserscheinungen auf der ohr- 
kranken Seite gesucht werden mußte, wodurch ein otogener 
Himabszeß vorgetäuscht wurde. 

Da gröbere organische Veränderungen in den betreffenden 



16 1. SCHULZE 

Gehirnabschnitten nieht vorhanden waren, so bleibt uns keine 
andere Erklärung übrig, als die Oebirnerscheinungen als Synir 
ptom einer dureh die im Blute kreisenden toxisehen Substanzen 
hervorgerufenen Vergiftung aufzufassen, in deren Verlauf feinere; 
für das unbewaffnete Auge nieht erkennbare Veränderungen -- 
vielleicht auch solche chemischer Natur — an den Ganglienzellen 
stattfanden. 

Weshalb diese Vorgänge gerade vorwiegend die linke Hemi- 
sphäre betrafen — wir müssen doch wohl mit Wahrscheinlich- 
keit eine zentrale und nicht eine periphere Erkrankung an- 
nehmen — ist schwer zu entscheiden. Wenn wir diese Lokali- 
sation nicht etwa als ein Spiel des Zufalls betrachten wollen, so 
dürfte die am nächsten liegende Erklärung vielleicht in der Weise 
zu geben sein, daß die linke Gehirnhemisphäre als die der In- 
fektionspforte am nächsten gelegene Gehirnpartie am 
frühesten und am meisten unter der Giftwirkung zu leiden hatte. 

Der miserable Puls und die große Schwäche des Kranken 
ließen es fraglich erscheinen, ob wir denselben überhaupt 
einer Narkose und dem mit einem größeren Eingriff doch 
immer verbundenen Blutverlust aussetzen konnten. Wenn man 
sich aber in einem solchen Falle zu einer Operation entschließt, 
so dürfte es sich unter allen Umständen empfehlen, in erster 
Linie auf diejenigen Veränderungen loszugehen, auf welche mit 
größerer Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, und das ist jedenfalls 
die Sinuserkrankung, während die Lähmungserscheinungen, wie 
wir gesehen haben, zu Irrtümern in der Diagnose und infolge- 
dessen auch zu ftllschlichen Eingriffen verleiten können. Selbst 
wenn es sich als Regel bestätigen sollte, daß man bei derartigen 
Erkrankungformen Thrombenbildung oder auch nur Verände- 
rungen an der Gefäßwand nicht in größerer Ausdehnung vor- 
findet, so ist dabei doch in derselben Weise wie in jedem an- 
deren Falle otogener Pyämie vorzugehen, ja gerade die Schwere 
der Erkrankung fordert vielleicht zu einem noch energischeren 
Vorgehen auf. Wie wir bei einer von einer anderen Körperstelle, 
sagen wir z. B. von einem Finger, ausgegangenen Blutvergiftung 
die Stelle der Infektion nicht vernachlässigen werden, selbst 
wenn daselbst die Veränderungen geringftlgiger Natur sind, son- 
dern, um das Leben zu retten, eventuell vor der Amputation der 
Extremität nicht zurückschrecken werden, so sollten wir bei einer 
so ausnahmsweise schweren otogenen Blutvergiftung, sofern sonst 
der Entschluß zur Operation feststeht, ebenfalls zu einem mög~ 



Zur Kasuistik der diagnostischen Irrtümer in der Otochirurgie. 17 

liehst radikalen Vorgehen greifen, und da wir ein der Amputation 
gleichwertiges Verfahren in dieser Region nicht znr Anwendung 
bringen können, wenigstens soviel von Knochen und Weichteilen 
entfernen, als dem Auge krankhaft erscheint und fUr Messer und 
Meißel erreichbar ist. 

Es ist nicht leicht zu entscheiden, wie man sich in ähnlichen 
Fällen vor Irrtümern hüten soll. Wo eine derartige Verquickung 
eines schweren Ohrenleidens mit auf bestimmte Gehirngebiete 
hinweisenden Gehirnerscheinnngen vorliegt, und noch dazu die 
vermutlieh erkrankte Gebirnpartie der Seite des Ohrenleidens 
entspricht, wenn ferner wie hier, die Reiz- und Ausfallserschei- 
nungen Teile des Gehirns betreffen, welche erfahrungsgemäß mit 
Vorliebe der Sitz otogener Eiterungen sind, so dürfte sich eine 
EntscheiduDg, ob die zugrunde liegende Gehirnerkrankung über- 
haupt otogener Natur ist, und wenn dies der Fall, ob dieselbe 
der Operation zugänglich ist oder nicht, ebenso schwer treffen 
lassen wie in jenen Fällen, in welchen sich unter ähnliehen un- 
günstigen Verhältnissen zu dem Ohrenleiden eine mit letzterem 
nicht in Zusammenhang stehende Erkrankung allgemeiner Natur, 
wie wir dies oben bei der Urämie gesehen haben, hinzugesellt. 

Vom rein menschlichen Standpunkte läßt es sich wohl nach- 
empfinden und bis [zu einem gewissen Grade auch entschuldigen, 
wenn der Operateur bestrebt ist, solche betrübende Folgen eines 
fehlerhaften Handelns, selbst wenn dasselbe nicht auf Fahrlässigkeit 
oder mangelhafter Beobachtung beruht, sondern, wie in unseren 
Fällen, nach bestem Wissen und Gewissen geschehen ist, selbst 
den engeren Fachgenossen vorzuenthalten und lieber mit dem 
Mantel der Vergessenheit zu umhüllen. Für ^die Wissenschaft 
aber wäre es wünschenswert, daß die ungünstigen Ausgänge, die 
Mißerfolge, die Fehldiagnosen ebensowenig im Verborgenen blei- 
ben wie die Heilresultate, „damit wir klar erkennen und über- 
schauen, was unsere Kunst vermag und was noch außer dem 
Bereiche ihrer Herrschaft liegt" ^^(Oppen heim). Denn es ist 
keine Frage, daß Irrtümer und ungünstige Ausgänge, sobald die- 
selben in ihrem Zusammenhange durch die Sektion aufgeklärt 
werden, oft für den einzelnen lehrreicher und für die Wissen- 
schaft befruchtender sind, als blendende Glanzerfolge, bei welchen 
oft schwer zu entscheiden ist, ob in der Tat dem Operateur ein 
größeres Verdienst an dem günstigen Ausgange zuzusprechen 
ist als der Vis medicatrix naturae. 



Archiv f. Ohrenheilkunde. LXI. Bd. 



IL 

Aus dem Laboratorium der kgh Univ.-Ohrenklinik zu Leipzig. 

Ober Harkscheidendarstellnng nnd den Nachweis voh 
Harkhnllen der Ganglienzellen im Aknstikns ^). 

Von 

Dr. K. Wittmaaek (Leipzig). 
(Mit 2 AbbUdungen ) 

Außer der vor reichlich 30 Jahren mitgeteilten Beobachtung 
Max Schultzes habe ich in der mir zur Verfügung stehenden 
Literatur keine weiteren Angaben ttber das Vorhandensein von 
MarkbüUen oder Nervenzellen im Ganglion spirale ausfindig 
machen können. Max Schnitze (1)0 gibt eine Abbildungeines 
mikroskopischen Präparates aus dem Akustikusganglion des 
Hechtes wieder, aus der hervorgeht, daß sich hier die Mark- 
scheide der Nervenfaser kontinuierlich auf die Nervenzelle fort- 
setzt und diese ebenso einfaßt wie den zu ihr gehörigen Achsen- 
Zylinder. Indessen entspricht diese Abbildung nicht mehr den 
Anforderungen, die wir heute an die Wiedergabe mikroskopischer 
Präparate stellen. Daher ist es erklärlich, daß diese Beobach- 
tung Schultzes, die sich ja auch nur auf das Akustikusganglion 
des Hechtes erstrekt, bisher mehr als Unikum betrachtet wurde 
und daß ihr daher vielfach nicht die ihr gebührende Beachtung 
zuteil wurde. Ich hoffe indessen im Folgenden den Beweis 
dafür erbringen zu können, daß an der Existenz von MarkhttUen 
der Ganglienzellen im Ganglion spirale auch bei den Säugern 
— meine Untersuchungen erstrecken sich allerdings zunächst 
nur aufs Meerschweinchen — kaum mehr Zweifel bestehen können. 

Der Grund dafür, daß diese interessante anatomische Eigen- 

1) Nach einem fQr die 75. Naturforscher Versammlung geplanten Vortrag. 

2) Diese Zi£fern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis am Schlüsse 
dieser Arbeit. 



Markscheidendarstellnng and Markhüllen der Ganglienzellen. 19 

tümlichkeit des Ganglion spirale den Forsohern bisher verborgen 
geblieben ist, dürfte wohl, wie so oft bei histologischen Unter- 
such angen, in der Technik bezw. der Methodik der Untersnchnng 
zu Sachen sein. Ich maß daher mit einigen Worten anf die 
von mir angewandte Darstellnngsmethode der Markscheiden im 
Äkastikns nnd seinem Ganglion eingehen: 

Die Methode der Osmiumfixierang oder anch die der sekun- 
dären Osmierung nach Fixierung in einer der allgemein gebräuch- 
lichen Fixierungflüssigkeiten hat mich zur elektiven Darstellung 
der Markscheiden im Akustikus ebensowenig befriedigt, wie die 
Weigert sehe Methode oder die zahlreichen anderen ihr ver- 
wandten Färbungsmethoden; teils deshalb, weil das Knochenge- 
webe hierbei zu stark das Osmium bezw. den Farbstoff mit- 
annimmt und hierdurch die Konturen der einzelnen Nervenfasern 
undeutlicher hervortreten, teils auch weil das Myelin der Mark- 
scheide selbst den Farbstoff nicht intensiv genug aufnimmt, — 
es geht ja bei den üblichen Fixierungs- und Einbettungsmethoden 
zum größten Teil durch Auflösung verloren — und weil dann 
die Markscheide nur noch das Neurokeratingertist geftlrbt er- 
kennen läßt. Ich bin deshalb im Laufe meiner Untersuchungen 
hierüber zu einer Methode der Markscheidendarstellung gelangt, 
die zwar ebenfalls die sekundäre Osmierung benutzt, die sich 
aber durch die Vorbehandlung der Präparate von den allge- 
mein üblichen Methoden unterscheidet. Hierin — in der Vor- 
behandlung — erblicke ich das Wesentliche und, wie ich 
glaube, Neue dieser Darstellungsmethode. Die Fixierungsflüssig- 
keit, derer ich mich hierbei bediene, besteht aus einer frisch be- 
reiteten Müll ersehen Lösung mit Zusatz von 10 Proz. Formol 
und 3 — 5 Proz. Eisessig. In dieser Flüssigkeit müssen die 
Schläfenbeine (nach vorheriger Eröffnung der Bulla) i n e i n e m 
fest verschlossenen Gefäße solange verweilen, bis 
sie eine dunkelgrüne Farbe angenommen haben, was 
in der Begel nach 6 — 8 Wochen der Fall ist. Die Flüssig- 
keit selbst färbt sieh hierbei ganz dunkelbraungrün. Auf den 
sich hierbei abspielenden chemischen Umsetzungsprozeß kann 
ich noch nicht näher eingehen, da hierüber die Untersuchungen 
noch nicht abgeschlossen sind. Sind die Schläfenbeine dunkelgrün 
gefärbt, so präpariert man sich nun in der gleichen Weise, wie 
ich dies bereits zur Darstellung der chromatischen Substanz im 
Protoplasma der Ganglienzelle angegeben habe (2), die Schnecken- 
spindel mit dem Akustikusstamm heraus, um diese nun isoliert 



20 



II. WITTMAACK 



weiter zu verarbeiten. Diese Stückohen kommen nun auf 
einige Tage in eine 2 — 3proz. SalpetersänreformoUösung, werden 
dann gut ausgewaschen und nun im Celloidin oder auch Paraffin 
in der bekannten Weise eingebettet. 

In derartig vorbehandelten Schnitten, aber auch nur bei 
dieser Vorbehandlung, gelingt es, die Markscheiden im Akustikus 
in außerordentlich elektiver Weise sowohl bei Celloidin als auch 
bei Paraffineinbettung, bei ersterer allerdings etwas schöner, 
mittelst sekundärer Osmierung zur Darstellung zu bringen, wie 
aus der beigegebenen Abbildung hervorgeht (Fig. 1). 




Fig. 1. Erwachsenes Meersoh weinchen. Celloidinsohnitt. Sekundäre Osmierang 

nach im Text beschriebener Vorbehandlung. Vergr.: Y12 homogene Immersion. 

Okular III (Mikroskop Seibert). Bipolare Zelle aus dem Ganglion spirale mit 

sieb Yon der Neryenfaser auf die Zelle fortsetzender MarkhttUe. 



Es ist hierzu nur erforderlich, die Schnitte für einige Stunden 
in eine 2prozentige Osmiumlösnng und hierauf, nach kurzem Ab- 
spülen in Wasser, in eine 5prozent]ge Pyrogallussäurelösung zu 
übertragen. Nach der Schwärzung erfolgt Abspülen in Wasser 
und Einlegen in Eanadabalsam in der bekannten Weise (Alko- 
hol, Karbolxylol, Balsam). Einer weitern nachträglichen DiflFeren- 
zierung bedarf es nicht. Eine leichte Gegenfärbung mit SaflFranin 
oder einem ähnlichen Farbstoff kann zuweilen zweckmäßig sein. 

Man sieht nun an den nach dieser Methode angefertigten 
Präparaten an den Zellen, an denen der Übergang der Nerven- 
faser in die Nervenzelle zu erkennen ist, sowohl am zentripetalen 
als auch am zentrifugalen Fortsatz der Zelle außerordentlich 
deutlich, daß sich derselbe dunkelblauschwarze, ge- 
färbte Saum, welcher den Achsenzylinder der Nerven- 



Markscheidendarstellung und Markhütlea der Ganglienzellen. gl 

faser umgibt, ohne eine Unterbrechung zu erleiden, 
auf die Nervenzelle fortsetzt und diese in völlig 
analoger Weise einsohlieSt. Die vom Sohnitt nicht ge* 
troffenen Zellen, bei denen also die Hülle nicht eröffnet wurde, 
erscheinen von der Fläche gesehen wie in einen zarten homo- 
genen Sohleier gehüllt, so daß ihre Konturen etwas verwaschen 
hervortreten. Natürlich zeigen auch die übrigen Zellen alle den> 
selben dunkelblauschwarzen Saum; nur sind gerade die Zellen, bei 
denen der Übergang der Nervenfaser zur Zelle zu erkennen ist, 
besonders instruktiv. Da der schwarze Saum der Nervenfaser 
wohl zweifelsohne seine Sehwarzfärbung dem Myelin der Mark- 
scheide verdankt, scheint wohl der Schluß auf das Vorhanden- 
sein einer analogen Myelinhülle der Nervenzelle durchaus be- 
rechtigt zu sein. Ebenso setzt sich die Schwamsehe Scheide 
der Nervenfaser, die im Akustikus des Meerschweinchens außer- 
ordentlich zart ist, auf die ebenfalls sehr zarte Endothelhülle, 
die die Nervenzelle umfaßt, fort. 

Protoplasmatisohe Fortsätze der Zellen, wie sie Cannieu 
(3) beschreibt, habe ich niemals auffinden können. 

Nachträglich ist es mir noch gelungen, einen weiteren Be- 
weis ftar das Vorhandensein dieser Hüllen mit Hilfe der Wei- 
gert sehen Methode der Markscheidenfärbung zu erbringen. Die 
in gleicher Weise vorbehandelten Celloidinschnitte wurden für 
mehrere Tage in die Weigert sehe Ghromalaunlösung über- 
tragen und dann in der bekannten Weise nach der von Pal 
angegebenen Modifikation der Methode gefärbt. Allerdings tritt 
an diesen Präparaten der sich von der Nervenfaser direkt auf 
die Zelle fortsetzende Saum bei weitem nicht so deutlich her- 
vor, da sich die Hülle vorwiegend in Form des Neurokeratin- 
gerüstes zu erkennen gibt, wie dies ja häufig auch an den zarten 
Endansläufern der markhaltigen Nervenfasern bei Behandlung 
nach der W ei g er t sehen Methode der Fall ist. Man sieht, nach- 
dem man sich zuvor mit der Mikrometerschraube die Nervenzelle 
scharf eingestellt hat, an durch ihre Lage hierzu geeigneten 
Zellen, beim Heben des Tubus deutlich ein netzförmig an- 
geordnetes, zartes Balkenwerk hervortreten, das die 
Zelle an ihren Bändern umschlingt; und zwar erscheinen 
die Maschen dieses Netzes etwas weiter als bei der zugehörigen 
Nervenfaser. Indessen läßt sich auch hier deutlich der direkte 
Übergang des Netzes von der Nervenfaser auf die Zelle fest- 
stellen (vgl. Fig. 2). 



22 n. WITTMÄACK 

Anhangsweise Eaöehte ich noch erwälmen, daß sich die obea 
beBflhriebene Aletliode der MarkBCheidendarstellung im Aknsti- 
kns nnd Beinern Ganglion mir l>ereit8 anoli zum Naebweis patho- 
logiflcher Verandenuigen an diesen Teilen recht gut bewahrt 
hat (4). Sie hat den großen Vorzog, daß die nach dieser Methode 
Torbehandelten Sttloke auch bei ParafFineinbettnng nur außer- 
ordentlich wenig Bohmmpfeii, bo daß die einzelnen Zellen ihrer 
Btllle ToUst&ndig anliegen, und ferner, daß die Vorbehandlnn^ 
eine FSrbung mit den in der Histologie verbreitetsten FfirbnngB- 
metboden (Alannkarmin, Hämalozylin-Eosin, vanGieson, NisBl- 
Uethode und ihren Modifikationen, den veracbiedenen Methoden 




Fig. 2. Enrachaenes Heeiscbireiiiah«!!. Celloidiniohnitt. Färbung Dach Weigeit- 
Pal, nach im Text bfsoh rieben«- Vorbeb aDdlnng. Vergr.: '/u homogene lui- 
menion. Okular III {Uikrüskop Seibert). Mehrere Zellen teiU mit beiden Fort- 
•atzen aui dem Ganglion spirale, bei denen Bieh die Msrkscbeide der NerTentaset 
in Form des NeutokeratingeiaBteE auf die Zelle fortaetit. 



der Aehsenzylinderiärbung u. dergl.) in keiner Weise beeinflußt 
Man kann auoh die zunäehst in Celloidin eingebetteten GewebB- 
stOcke, nachdem man bic znr H&lfte in Schnitte zerlegt bat, nach 
Lösnng nnd Entfernung des Celloidins in der bekannten Weise 
in Paraffin umbetten und nnn die zweite Hälfte des StOekea in 
FaraffinBchnitten untersnohen. 

Ob nnd inwieweit diese Darstellungsmethode znr Darstel- 
lung der Marksoheiden und zum Nachweis patbologiseber Ver- 
ändernngen an ihnen auch in den anderen Gebieten des peri- 



Markscheidendarstellang und Markhfillen der Ganglienzellen. 23 

pheren und zentralen Nervensystems geeignet ist, speziell ob 
auch hier derartige HfiUen an den Nervenzellen nachzuweisen, 
darüber möchte ich mir weitere Untersuchungen vorbehalten. 

Herrn Professor Barth spreche ich fiir die Überlassung 
eines Arbeitsplatzes im Laboratorium der Universitäts-Ohrenklinik 
meinen verbindlichsten Dank aus. Desgleichen bin ich Herrn 
Professor Held f&r die Durchsicht der Präparate, die Bestätigung 
des Befundes und einige mir* erteilte Ratschläge zu großem 
Danke verpflichtet. Schließlich möchte ich es nicht versäumen, 
auch meinem Chef Herrn Professor Efimmel für das auch dieser 
Arbeit entgegengebrachte Interesse meinen herzlichsten Dank 
auszusprechen. 



Literatur. 

1. Max Schultz e, Strickers Handbach der Lehre von den Geweben des 

Menschen und der Tiere. 1871. Bd. I. S. 126, Fig. 26. 

2. Wittmaack, Beiträge zur Kenntnis der Wirkung des Chinins auf das 

Gehörorgan. II. Teil. S. 237. Fflügers Archiy für die gesamte Physio« 
logie. 1903. Bd. 95. 

3. A. Cannieu, Note sar les ceUules des ganglions deToreiUe etc. Beyae 

hebdomadaire de Laryngologie, d*Otologie et de Bhinologie. 1899. 
Nr. 4. S. 97ff. 

4. Wittmaack, Die Nenritis acnstica and die Mitbeteiligang der za- 

gehörigen Ganglien* Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XLYI. 



lU. 

Zur Ätiologie der perlfSrmigeii Epithelialbildüngeii 

am Trommelfell. 

Von 

Dr. Ernst Urlmiitseliitseh in Wien. 

Im Jahre 1876 beobachtete und beschrieb mein Vater, Pro- 
fessor yiktorUrbantsohitsoh,als erster eigentümliche, kleine, 
einzeln oder mehrfach anftretende, glänzendweiße Geschwülste 
des Trommelfelles von widerstandsfähiger UmhttUnngsmembran, 
die eine gelblich-breiige, ans zertrümmertem Pflasterepithel nnd 
körnigem Detritns bestehende Masse einschließt. 

Da bisher über die Entstehnngsweise dieser Trommelfell- 
perlen nichts bekannt ist, dürfte der folgende, von mir beob- 
achtete Fall einiges Licht in das Dnnkel der Entwicklnngs- 
geschichte dieser kleinen Gebilde werfen. 

Es handelt sich um ein Kind, £. Z., das, als es am 10. April 1902 
das erstemal in meine Ordination fi^ebracht wurde, das erste Lebensjahr 
noch nicht überschritten hatte. Zu Weihnachten 1901 war der kleine Patient 
an einer LungenentzOndung erkrankt; am Tag der Krise soll am linken 
Ohr Spontanperforation mit folgendem heftigen £iterausfluß aufgetreten sein ; 
seither sei keine Besserung der Otorrhöe erfolgt, allerdings wurde das Ohr 
auch nie einer spezialistischen Behandlung zugeführt. Am 16. AprU nun 
klagte das Kind sehr, aß und schlief wenig und griff h&ufig gegen sein 
rechtes Ohr. Ich fand eine ausgesprochene Tympanitis purulenta acuta 
mit starker Rötung und Yorwölbung des Trommelfeiles im hinteren oberen 
Quadranten. Ich parazentesierte an letzterer Stelle. Die Schmerzen ließen 
nach, das Kind schlief die Nacht ruhig und zeigte den n&chsten Tag viel 
mehr Appetit. Aus der Paukenhöhle war nach der Operation Eiter geflossen 
und diese Eiterung setzte sich 11 Tage fort; die Behandlung bestand in 
Einträufelungen Ton Wasserstoffsuperoxyd. Vom 12. Tag an war das Ohr 
vollständig trocken. Am 16. August 1902 wurde mir der Kleine wieder mit 
den gleichen Erscheinungen vom 16. April gebracht; nur war diesmal das 
Trommelfell nicht so dunkelrot wie damals, dafür war seine Yorwölbung 
(im hinteren unteren Quadranten) bedeutend stärker, wie am Höhepunkt 
einer Exsudation. Ich parazentesierte wieder, diesmal im hinteren unteren 
Quadranten. Es floß jedoch kein Eiter ab : es bandelte sich nämlich bloß 
um einen Luftsack. Durch irgendein Moment war das Trommelfell in einem 
Keizzustand und daher gerötet; das hatte mich im Verein mit der intensiven 
Vorwölbung und den Allgemeinerscheinungen zu der Fehldiagnose verleitet. 
Trotzdem waren die Folgen günstige; sein Zustand soll sich von diesem 



Zur Ätiologie der perlfi^rmigen Epithelialbildangea am Trommelfell. 25 

Zeitponkt an erheblich gebessert haben. Eiterung ist auch in der Folge 
nicht eingetreten, die Perforationsöffiiang schloß sich binnen acht Tagen 
▼oUst&ndig. In den folgenden Monaten bestand der Laftsack wieder wie 
zur Zeit der zweiten Parazentese, nur war diesmal das Trommelfell nicht ge- 
rötet, das Gehör war gut; die Ausbauchung lie^ sich mit dem Sondenkopf 
leicht eindrucken, und zwar ohne die geringste Schmerzempfiodung. Im 
Februar 19U3 bemerkte ich zum erstenmal eine Verminderung der Aus- 
bauchung des Trommelfelles, zugleich beobachtete ich ein weißgl&nzendes 
Kömchen von der Größe eines kleinen Stecknadelkopfes im hinteren unteren 
Quadranten; am 5. M&rz erkannte ich eine Größenzunahme dieser Ejjlthed- 
perle bei zunehmender Abflachung des Trommelfelles. Am 20. Juni 1903 
fand ich im normal gewölbten Trommelfell drei solche Gebilde: zwei im 
hinteren unteren, eines im hinteren oberen Quadranten. Die erstgenannten 
befanden sich unmittel l)ar nebeneinander, und zwar höher oben ein großes, 
fast Yon der Größe eines Hirsekornes, und gleich darunter ein kleinsteck- 
nadelkopfgroßes; die dritte Perle, tlber und etwas hinter ihnen liegend, 
war ungefähr so groß wie die kleinere der beiden tieferen Perlen. Die Lage 
dieser drei Perlen entsprach dem Orte der Parazentesen. 

Nach meiner Ansicht besteht zwischen der Durchtrennung 
des Trommelfelles und der Bildung dieser Epithelperlen ein inniger 
Zusammenhang. Ich stelle mir den Vorgang so vor, daß bei 
der Durchsohneidung der Membran von ihrer Oberfläche ent- 
weder losgelöste oder wahrscheinlicher umgestfilpte Epithelzellen 
in die Substantia propria gebracht wurden, die hier — sei es 
infolge einer eigentflmlichen Disposition des Individuums, sei es 
durch andere zufällige, reizende Ursachen — gewuchert sind, 
die dann aus der Bindesubstanz der mittleren Trommelfellschicht 
mit einer Hülle umkleidet wurden und in dieser sich später zum 
Teil in Detritus umwandelten. Jedenfalls ist es zu auffallend, 
daß an beiden Schnittstellen diese Perlen aufgetreten sind, um 
nicht an einen kausalen Zusammenhang zu denken ; und gerade 
der Umstand, daß die Bildung an beiden Stellen stattgefunden 
hat, läßt mir die Wahrscheinlichkeit, daß dispositionelle Umstände 
mit eine Rolle spielen, in den Vordergrund rücken. 

Es handelt sich also um eine Versprengung epithelialer Ele- 
mente, die, wie in diesem Fall, künstlich herbeigeführt, gewiß 
auch in vielen anderen Fällen traumatischen Ursprungs sein 
dürfte. Andererseits wäre es wohl denkbar, daß auch eine fötale 
Versprengung solcher Epithelkeime stattfinden könnte und daß 
sich dann auf dieselbe Weise — nur aus einer anderen Veran- 
lassung — solche Epithelperlen bilden. 

Auffallend an der ganzen Sache wäre dann noch das Wan- 
dern dieser Gebilde, wie es in einem Falle beschrieben wurde. 
Jedoch halte ich dieses für keinen Grund, der gegen meine 
Anschauung ihrer Entstehungsweise spräche; denn die Verände- 
rungen des Ortes bleiben, wie auch die Perlen entstanden sein 



26 III. ÜRBANTSCHITSCH 

mögen, merkwürdig. Bei dem Versuche, diese Wanderung zu 
erklären, müßte man sieh vor allem darüber Rechenschaft geben ^ 
ob tatsächlich eine Ortsveränderung stattfindet, ober ob es sieh 
nicht bloß um ein Verschwinden bereits bestehender (etwa durch 
Resorption) und eine Bildung anderer, neuer Perlen handelt. 
Daß zystische Gebilde, wofür die Trommelfellperlen zu gelten 
haben, keine unveränderlichen Gebilde sind, zeigt Fehleisen 
an einem Fall aus der Praxis von Professor Bergmann, in dem 
eine Dermoidzyste auf ein Drittel ihrer ursprünglichen Größe 
zurückging; nach Fehleisen durch Resorption des flüssigen 
Inhaltes (s. Zeitschrift für Chirurgie XIV, 1881, S. 14). Freilich 
ist mit diesem Erklärungsversuch nicht viel gewonnen, da wir 
dann wieder vor der Erklärung dieser letzteren Erscheinung 
stünden. Übrigens steht die Beobachtung einer Wanderung am 
Trommelfell nicht vereinzelt da: so wurde die Verschiebung 
von Blutextravasaten schon wiederholt beobachtet (zuerst von 
Tröltsch; s. sein Lehrbuch der Ohrenheilkunde, 5. Auflage, 
S. 131). Es handelt sich dabei nicht etwa bloß um Senkungen 
nach dem Gesetze der Schwere, das hieße also im gegebenen 
Fall gegen die untere Trommelfellperipherie, sondern auch nach 
oben und seitwärts. Wendt führt diese Tatsache auf Ver- 
schiebungen des Epithels zurück (s. Schmidts Jahrbücher 1873, 
CLX, 295). Daß solche Epithelverschiebungen wirklich vor- 
kommen, bewies Blacke dadurch, daß er an das Trommelfell 
kleine Papierscheibchen anklebte und deren Verschiebung beob- 
achtete (s. Amer. Jar. of OtoL IV.). Übrigens können auch 
Scheinwanderungen durch Veränderungen der Wölbung vor- 
kommen. 

Bei der beobachteten Perlenwanderung dürfte es sich wohl 
um eine Perle gehandelt haben, die nicht in der Substantia pro- 
pria gelegen ist, sondern zwischen dieser und der äußeren 
(Epithel-) Schichte; dann könnte mit der Verschiebung des Epi- 
thels wohl auch eine solche der Perlen stattfinden. Daß es auch 
ganz oberflächlich gelegene Trommelfellperlen geben kann, ist 
einzusehen. 

Hingegen möchte ich entschieden die Möglichkeit in Abrede 
stellen, daß eine im Bindegewebe des Trommelfelles eingebettete 
Perle ihren Ort verändern kann, ohne daß man einen makro- 
skopischen Nachweis für die Ursache dieser Dislokation hätte; 
auftretendes Granulationsgewebe, das bei seiner narbigen Schrum- 
pfung einen Zug auf die Geschwulst ausübte und diese so ver^ 



Zur Ätiologie der perlfönnigen Epithelialbildangen am Trommelfell. 27 

schöbe, wfirde am Trommelfell dem aufmerksam beobachtenden 
Auge gewiß nicht entgehen. 

Was die Stellung dieser kleinen Neubildung zu den anderen 
Neoplasmen anlangt, so ist sie nachweislich als zystische Ge- 
sehwulst anzusehen und hat als solche ihrem Äußern nach so 
viel Ähnlichkeit mit dem Atherom der Haut, daß man sie ge- 
radezu als Miniaturatherora ansprechen könnte: so die weißlich 
glänzende, verhältnismäßig derbe UmhüUungsmembran, dann 
der breiige Inhalt, reich an Detritus, zerfallenden Pflasterepithel- 
schollen, Cholestearin. Die Kleinheit sowie die sonstigen Ver- 
schiedenheiten sind in den gegebenen Verhältnissen gelegen» 

Hinsichtlich ihrer Entstehungsweise stehen sie jedoch den 
Winiwarterschen Dermoidzysten am nächsten. Alexander 
von Winiwarter beobachtete nämlich eine Reihe von er- 
worbenen Dermoidzysten an Händen und Fingern, wobei er den 
traumatischen Ursprung nachweisen konnte. Damit steht auch 
die später erwiesene Tatsache in Einklang, daß diese Dermoide 
fast ausschließlich an der Volarfläche vorkommen und außerdem 
in der bei weitem ttberwiegenden Mehrzahl beim männlichen 
Geschlecht. Winiwarter schreibt über diese Geschwülste (in 
der „Allgemeinen chirurgischen Pathologie und Therapie in 
einundfünfzig Vorlesungen*' von Dr. Theodor Billroth und 
Dr. Alexander von Winiwarter, 15. Auflage, 1893, S. 912): 
„Erworbene Dermoidzysten, die aber niemals Haare enthalten, 
kommen gelegentlieh an der Hand und an den Fingern vor und 
zwar infolge von Verletzungen, besonders von Quetschwunden, 
wobei kleine Fragmente des Rete in die Tiefe der Cutis dis- 
loziert wurden und daselbst eingeheilt sind. Die weitere Ent^ 
Wicklung zu Zysten gestaltet sich dann geradeso wie bei den 
anscheinend während des Fötallebens abgeschnürten Epithel- 
keimen.*' In seinem Werk „Die chirurgischen Krankheiten der 
Haut und des Zellgewebes^ (1892, S. 643) schreibt Winiwarter: 
^Außer den angeborenen Dermoidzysten gibt es erworbene Ge- 
schwfilste mit epidermidalem Inhalt, deren Entwicklung fast aus- 
gchließiich in eine spätere Periode des extrauterinen Lebens 
fällt und die höchstwahrscheinlich immer auf ein Trauma zurück- 
zufahren sind.'^ 

Der Ursprung dieser Zysten wäre also der von mir ange- 
nommenen Entstehungsweise der „Trommelfellperlen'' in meinem 
Fall vollkommen analog ; nur daß es sich hier nicht um Quetsch-, 
sondern um Stichwunden handelte. 



28 111. URBANTSCHITSCH 

Daß ttbrigens solohe traumatische Zysten unzweifelhaften 
Ursprungs sich entwickeln können, ist durch Experimente er- 
wiesen. Sehweninger (s. Zentralblatt für die medizinischen 
Wissenschaften Nr. 10) und Masse (s. Gaz. hcbd. 1885 Nr. 13) 
haben nämlich experimentell konstatiert, daß abgetrennte Haut- 
teilchen in das subkutane Bindegewebe und in die Bauchhöhle 
lebender Tiere implantiert werden können, woselbst sie imstande 
sind, sich im Vollbesitz ihrer physiologischen Funktion der Epi- 
dermisproduktion zu erhalten. In dieser Weise kommt es dann 
zu einer Anhäufung von Epidermisbrei, der zusammen mit dem 
Balg, von dem er eingekapselt wird, eine Art künstlich erzeugte 
Dermoidzyste repräsentiert. Schon Wini wart er sprach die An- 
sicht aus, daß es keine Schwierigkeit hätte, die extrauterine 
Entwicklung solcher Dermoidzysten beim Menschen durch einen 
ähnlichen Vorgang zu erklären, wie es eben bei Tieren durch 
die erwähnten Experimente nachgewiesen worden ist. Deshalb 
ist Winiwarter auch der Ansicht, daß gelegentlich einmal 
auch an anderen Eörperstellen sich derartige Zysten entwickeln 
können (siehe „Die chirurgischen Krankheiten der Haut und 
des Zellgewebes*' von Alexander von Winiwarter, 1892, 
S. 644). 

Die Frage, warum traumatische Dermoidzysten verhältnis- 
mäßig so selten zur Beobachtung gelangen, nachdem trauma- 
tische Verletzungen allerorts doch häufig genug stattfinden, be- 
antworten Groß und Reverdin mit der Behauptung, daß sieh 
dislozierte Epidermisfragmente nur dann zur Zyste ausbilden 
können, wenn sich die Wunde darüber vorerst per primam 
schließt. Da es jedoch meist zur Eiterung kommt, kommt es 
damit auch in der Hegel zur Abstoßung des Epidermisfragmente 
(s. Bevnes medicinales de la Suisse rom. 1887, 3 und 4). 

Mit dieser Behauptung scheint die Erklärung der Ent- 
stehungsweise der einen, höher gelegenen Trommelfellperle 
einigermaßen in Widerspruch zu stehen. Denn im Anschluß an 
die erste Parazentese, die ich angelegt hatte, trat durch 1 1 Tage 
Eiterung ein ; doch ist in diesem Fall zu bedenken, daß es nicht 
zur Eiterung des durchtrennten Gewebes kam, sondern daß der 
bereits vorhandene Eiter bloß durch die geschaffene Öffnung 
austreten konnte und daß auch in der Folge nur der Eiter 
durchtrat, der anderorts, das wäre hier also im Mittelohr, pro- 
duziert wurde. Die Heilung der Verletzung selbst war per pri- 
mam erfolgt. 



Zar Ätiologie der perl förmigen Epitbelialbildungen am Trommelfell. 29 

Übrigens wäre es denkbar, daß die Eitemng im Mittelolir 
insoweit bei der Entstehung der Trommelfellperle von Einfluß 
war, als dadurch nur ein sehr kleines disloziertes Epidermis- 
fragment im Trommelfellgewebe gelassen wurde, da nach dieser 
Parazentese eine einzige und noch dazu besonders kleine Perle 
entstand, während nach dem zweiten Schnitt, bei dem die 
Schnittränder mit keinem Eiter in Berührung gekommen waren, 
zwei solcher Perlen sich entwickelt hatten, von denen die eine 
mindestens das vierfache Volumen der erster\|;ähnten aufwies. 



Literatur über ^^Trommelfellperlen*'. 

Viktor UrbantBcbitsch, dieses Archiv. X. 7. Mitteilungen des Wiener 
mediziniscben Doktorenkollegiums. 1876. IL 13. 

Politzer, Lehrbuch der Ohrenheilkunde. I. 241. Schwartzes Hand- 
buch. L 257. 

Grunert, dieses Archiv. XXXVI. 305. 

Habermann*), Zeitscbr. f. Heilkunde. XH. 383. 



1) Habermann spricht die Möglichkeit aus, daß die Ferlbildung durch 
Auswachsen von Retezapfen, die verhornen, entstehen. 



IV. 

Aus der kgl. ÜÄiversitäts-Ohrenklinik zu Berlin (Direktor: 
Geh. Med.-Eat Prof. Dr. A. Lncae). 

Ober SinüspUebitis tüberculosa. 

Von 

Dr. F. Grossmann, Assistenzarst 
(Mit 2 Tafeln.) 

Am 7. Febraar 1903 wurde in unsere Klinik ein ä^s j&hriges M&dchen 
mit folgender Anamnese eingeliefert: Vor einem Jahre habe das Kind, im 
Anschloß an Scharlach, Drüsenschwellungen und rechtsseitiges Ohrenlaufen 
bekommen. Bald darauf h&tte auch das linke Ohr geeitert, ohne daß Je 
Schmerzen bestanden. Vor 6 Wochen wäre eine Anschwellung hinter dem 
rechten Ohre aufgetreten, die von einem praktischen Arzt inzidiert worden 
sei. Vor 14 Tagen, als die Inzision fast vernarbt war, h&tte das Kind, das 
ab und zu etwas hustete , aber aus völlig lungengesunder Familie stamme, 
plötzlich Fieber bekommen, täglich mehrmals erbrochen und sei von Tag 
zu Tag elender geworden. — Vor 10 Tagen sei deshalb die Wunde hinter 
dem rechten Ohr nochmals geöffnet worden, doch ginge es dem Kmde immer 
schlechter, weshalb ein zweiter Arzt die Überführung in die Klinik anordnete. 
Über Kopfschmerz sei nicht geklagt worden, ein Schüttelfrost nicht aufge- 
treten. 

Das sehr abgemagerte, blasse Kind — es hat in den letzten Tagen 
jede Nahrung erbrochen — ist völlig teilnahmslos, somnolent. Fragen werden 
nicht beantwortet; es besteht leichte Nackensteifigkeit. 

Hinter dem rechten Ohr findet sich eine 2 cm lange ^anulierende 
Inzisionswunde mit ekzematösen Rändern. Gehörgang mäßig weit. Trommel- 
fell gerötet, geschwollen; vom unten eine hiüblinsengroße Perforation. 
Hammer nicht sichtbar. Ziemlich reichliche Sekretion leicht fötiden, dünn- 
fftlssigen Eiters. 

Links findet sich am Warzenfortsatz keine Veränderung. Gehörgang 
weit, ekzematös. Untere Trommelfellhälfte fehlt. In den herzförmigen Defelrt 
ragt von oben ein Hammerstummel hinein, der stark retrahiert ist. Mäßige 
Sekretion sehr fötiden Eiters. 

Temperatur 39,2». Puls 92. 

Gehörprüfung ist unmöglich. 

Augenhintergrund: Temporalrand der linken Papille etwas ver- 
waschen. — Die Pupillen sind weit; reagieren nur minimal auf Konvergenz 
und Lichteinfall. Kein Nystagmus. Keine Flexionskontraktur, keine Paresen I 

Über den Lungen vereinzelte bronchitische Geräusche. 

Sofortige Operation (Dr. Heine) (in Äthernarkose): Bei dem Ab- 
schaben der Granulationen von der alten Inzisionsstelle kommt man sofort 
auf eine weiche Partie, die sich als der sehr oberflächlich liegende Sinus 
sigmoideus erweist. Derselbe ist jedenfalls von dem ersten Operateur (lys cm 
weit) freigelegt worden. Es wird zunächst das Antrum eröffiiet, das mit 



über Sinasphlebitis tabercnlosa. 31 

Grannlationen uod eigentümlich gelbweißem Enocheagries gefallt ist. Am 
Tegmen antri liefen mehrere kleine Sequester, ebenso an der medialen An- 
tramwand. Da im Aditas auffällig weibliche Grannlationen sichtbar sind, 
wird die Radikaloperation gemacht. In der Pauke finden sich jedoch nur 
Grannlationen, der Bogengang und die Knöchelchen sind intakt. Nun wird 
die Spitze des Warzenfortsaties ausgelöffelt, und dabei neben Knochengries 
eine schmierige, weißgelbe, den Sinus umgebende Substanz entfernt. Der 
Sinus erweist sich bei genauerer Untersuchung offen, und zwar führt eine fast 
erbsengroße Öffnung nach unten, bulbuswftrts. Dieser ganze Sinusabschnitt, 
von der Fistel (1 cm oberhalb des unteren Knies) bis zum Bulbus, ist mit 
derselben schmierigen, k&sigen Masse gefüllt, die den Sinns umgab; eine 
Blutung erfolgt nicht. Nach oben liegt die äußere der inneren Sinuswand 
an, also scheint an dieser Stelle eine Obliteration zu bestehen. Darüber 
ist der Sinus prall gefüllt, seine Wand grau, fibrös verdickt. — Von der 
Gehörgangsplastik wird abgesehen. Tamponade, Verband. Nach dem Er- 
wachen aus der Narkose beantwortet das Kind einige Fragen, jedoch nur 
nach wiederholtem lauten Anrufen. Es trinkt gut. 

8. Februar: Morgentemperatur 38,5®. Die Nacht war ziemlich ruhig. 
Patientin hat ab und zvl leichte Konvulsionen, besonders in den linken Ex- 
tremitäten. Pupillen weit, minimal reagierend. Patientin spricht nicht, 
nimmt aber Nahrung an. — Abendtemperatur: 39,5®, Puls 88. Das Kind 
ist bewußtios. Die Nackensteifigkeit hat zugenommen. 

9. Februar: Patientin hat die ganze Nacht bewußtlos dagelegen. Die 
Konvulsionen sind nicht stärker geworden; ab und zu etwas Husten. Über 
den Lungen findet sich rechts hinten unten eine mäßige Dämpfung, mit 
etwas abgeschwächtem Atmungsgeräusch und einigen bronchitischen Rhonchis. 
Morgentemperatur: 38,8®, Puls 96. Abendtemperatnr : 39,0®. 

10. Februar: Kind andauernd bewußtlos. Zeitweise klonische Zuckungen 
in den Extremitäten. 

Lumbalpunktion: Unter starkem Druck fließt klarer Liquor ab. 
£s werden 60 ccm abgelassen. 

Verbandwechsel: Die Wunde ist auffallend trocken. Vom Bulbus 
her kommt kein Eiter oder käsige Masse nach. Morgentemperatur: 36,8®, 
Puls 84, Abendtemperatur 38,8®. 

11. Februar: Die Atmung ist oberflächlich, stark beschleunigt, unregel- 
mäßig. Im gestern abgelassenen Liquor cerebrospinalis hat sich ein wie 
Spinngewebe aussehender Faden abgesetzt, der im gefärbten Präparat zahl- 
reiche Eiterkörperchen und vereinzelte TuberkelbaziUen aufweist. Die 
Diagnose : Tuberkulöse Meningitis ist damit gesichert. Über beiden Lungen 
diffuse bronchitische Geräusche; die Dämpfung hat nicht zugenommen. Im 
Urin Albumen. 

Morgentemperatur: 37,3®, Puls 84, voll; Abendtemperatur: 38,0®. 

12. Februar : Puls heute unregelmäßig, klein. Gesicht leicht zyanotisch. 
Pupillen weit, völlig reaktionslos. Temporalrand beider Papillen verwaschen, 
Venen stark gefüllt und geschlängelt. Keine Tuberkel am Augenhintergrund. 
Morgentemp^ratur: 38,9®, Puls 168, Abendtemperatur: 39,9®. Gegen V2I2 
abends erfolgt unter den Erscheinungen des Lungenödems der Exitus. 

Sektionsprotokoll: Schädeldach ohne Besonderheiten. Dura leicht 
abziehbar, zart. Im hinteren Abschnitt des Sinus longitudinalis findet sich 
frischer Gruor. — Pia der Konvexität stellenweise stark ödematös, besonders 
beiderseits in den Syl vischen Furchen. Daselbst auch längs der Venen 
vereinzelte Konglomerate submiliarer Tuberkel. Ein solches Konglomerat 
findet sich auch in der Mitte des Pens an der V. basilaris. Die Hirnrinde 
ist blaß, die Seitenventrikel sind dilatiert, besonders der linke, mit reich- 
licher seröser, leicht getrübter Flüssigkeit gefüllt. Die Plexus chorioidei 
enthalten zahlreiche submiliare Tuberkel. Inmitten der rechten Hälfte des 
Pons findet sich ein halblinsengroßer Solitärtuberkel. Der rechte Sinus 
sigmoideus ist vom unteren Knie bis zum Bulbus mit Jodoformgaze gefüllt, 
neben der an den Sinus Wandungen vereinzelte Fibringerlnnsel sitzen. Der 
obere Abschnitt des Sinus zeigt zunächst die bei der Operation erwähnte 
Wandverklebung, die sich jedoch nicht als Obliteration erweist, sondern 



32 lY. GROSSMANN 

ziemlich leicht lösen läßt. Weiterhin ist das Sinuslumen, sowie das Emis- 
sarium mastoideum, mit hellgelber, trockener, k&siger Masse gefallt, die im 
Zentrum weicher ist als an der Peripherie, wo sie sich von der Gefäßwand 
nicht trennen läßt. Die gleiche , eigentümliche käsige Masse erfallt auch 
den Querblutleiter und zwar bis nahe zum Torcular, wo sie mit ziemlich 
scharfer Grenze in einen dunkelroten, der Sinuswand nicht sehr fest adhä- 
renten Thrombus übergeht, der direkt am Konfluens endet und zirka iV^cm 
lauff ist. Die käsigen Massen schimmern schon von außen gelb durch die 
Gefäßwand hindurch und erfüllen den Sinus so prall, daß derselbe wurst- 
artig vorspringt und förmliche Einschnürungen zwischen locker und fest 
gestopften Abschnitten aufweist (vgl. Abbildung I). 

Die übrigen Sinus sind mit dunklem, flüssigen Blut gefüllt. Die rechte 
Vena jugularis ist leer, während im Bulbus sich an den Wänden vereinzelte 
Fibringerinnsel und Reste käsiger Masse finden. 

Herz: Frei im Herzbeutel, von der Größe der Faust Klappen zart, 
intakt. Nirgends Tuberkel. 

Lungen. Die linke Lunge ist. an der Spitze adhärent. Letztere ist 
narbig eingezogen und enthält mehrere erbsengroße, mit Kalk gefüllte Hohl- 
räume. Die Pleura costalis zeigt beiderseits vereinzelte submiliare Tuberkel. 
Die Unterlappen sind beiderseits sehr blutreich. Auf Durchschnitten zeigen 
beide Lungen zahlreiche submiliare Tuberkel. Der Lungenhilus weist beider- 
seits geschwollene, jedoch nicht verkäste Lymphdrüsen auf. 

Milz: Derb, nicht vergrößert , zeigt vereinzelte submiliare Tuberkel, 
an der Oberfläche wie auf dem Querschnitt. 

Nieren: Die linke Niere weist spärliche, die rechte zahlreiche 
Tuberkel in der Rinde auf. 

Leber : Am vorderen Leberrand findet sich ein haselnußgroßer, käsiger 
ELUoten. 

Diagnose: Otitis media purulenta chronica duplex; Arachnitis tuber- 
culosa; Thrombophlebitis caseosa sinus transversi deztri ; Tub. sollt, pontis ; 
Tuberculosis miliaris pulmonum, lienis, renum; Tuberculosis caseosa hepatis. 

Die mikroskopische Untersnchung des thrombosierten 
Sinns ergibt nun folgenden interessanten Befand: Schon bei 
Betrachtnng der gefärbten Schnitte mit bloßem Auge zeigt sich 
nämlich, daß das Sinnslumen aus 3 Abteilungen besteht, einer 
großen und zwei kleineren (vgl. Abbildung IIA). Bei mittlerer 
und starker Vergrößerung sieht man, daß diese Abteilungen durch 
zwei Septen bedingt sind, deren kleineres nur von Granulations- 
gewebe gebildet wird, während das größere, wenigstens in beiden 
peripheren Dritteln, eine zentral liegende Bindegewebsschicht 
aufweist, die sich von dem mittleren Abschnitt der Sinuswand 
her hineinerstreckt. 

Betrachten wir letztere selbst, so zeigen sich die beiden 
äußeren Drittel, die bei einer Venenwand der Adventitia und 
Media entsprechen würden, von ziemlich normalem AussehcD. 
Während die äußere Schicht aus sich vielfach kreuzenden Binde- 
gewebsfasern besteht und viele Gefäße enthält, ist die mittlere 
gefäßarm und zeigt mehr parallel verlaufende Bindegewebsfasern, 
vermischt mit zahlreichen elastischen Fasern. Von der Norm 
abweichend ist nur ein etwas größerer Kernreichtum, der be- 
sonders stark nach der obenerwähnten Mittelzone des größeren 



über Sinusphlebitis tubdrculosa. 33 

Septum hin wird. (Vgl. Abbildung IIB.) Gftnzlioh in Grann- 
lationsgewebe umgewandelt ist nun die der Venenintima ent- 
spreobende innere Schicht der Sinuswand. Von irgendwelcher 
Fasemng, sei es bindegewebige, sei es elastische, ist hier nichts 
mehr zn schauen. Man sieht nur eine breite Zone kleinzelliger 
Infiltration bezw. Proliferation, die jedoch nicht gleichmäßig stark 
ist. Vielmehr zeigen sich hin und wieder besonders dichte Herde 
mit epithelioiden Zellen, Langhansschen Riesenzellen, und 
zentralem Eernschwund als Zeichen beginnender Verkäsung, also 
typische kleinste Tuberkel. Doch sieht man Kiesenzellen und 
epithelioide Zellen auch ohne bestimmte Gruppierung. 

Das Granulationsgewebe der Intima geht nun in die den 
Hauptteil des Schnittes darstellende, wie schon erwähnt in drei 
Abteilungen geschiedene Käsemasse über und zwar stellenweise 
ganz unvermittelt, an anderen Stellen dagegen erst nach Bildung 
ziemlich umfangreicher, mehrfach geteilter Erhebungen, die sich 
ganz allmählich in der immer strukturloser werdenden Masse 
des Zentrum verlieren. Fast sieht es aus, als wären noch 
mehrere Septen in Entstehung begriffen gewesen, denn mehrfach 
liegen sich die beschriebenen Erhebungen so gegenfiber , daß sie 
sieh bei einem weiteren Wachstum, ohne Einbeziehung in die 
Nekrobiose, erreicht haben würden, und dann war ja die Scheide- 
wand fertig! 

Die käsigen Massen sind am Kande von scholligem Gefüge, 
stellenweise auch zu bizarren Balken angeordnet, während das 
Zentrum eine mehr feinkörnige, hier und da mit Eerndetritus 
durchsetzte Substanz bildet! — Tuberkelbazillen finden sich 
äußerst spärlich und zwar nur ganz vereinzelt in den Lang- 
hansschen Biesenzellen. 

Wie ist nun der Prozeß am Sinus aufzufassen? Vergegen- 
wärtigen wir uns den Sektionsbefund, der an der linken Lungen- 
spitze ausgeheilte tuberkulöse Herde aufdeckte, so ist es höchst 
wahrscheinlich, daß die ursprüngliche, durch Scharlach bedingte 
Mittelohreiterung auf dem Wege der Blut- oder Lymphbahn 
bezw. von der Tube her tuberkulös infiziert wurde. Gerade 
am Warzenfortsatz sind nun weiterhin die Bedingungen ftlr einen 
Einbruch der tuberkulösen Herde in die Gefäße, wie sie Benda^ 
formuliert, in besonders klassischer Weise gegeben, denn der 



1) C. Ben da, Über akute Miliartuberkulose. Yerhandl. der Berliner 
med. Gesellschaft. 1899. S. 259. 

AichiT f. OhrenheUknnde. LXI. Bd. 3 



34 IV. GROSSMANN 

Blutdruck im Sinus ist ein geringer, der außerhalb des G-efäßes 
belegene Granulations- oder Eäseherd ist durch eine feste Kapsel 
umschlossen, und parietale Thrombosen, ohne die es beim Durch- 
brach zu einer Blutung kommen würde, sind erfahrungsgemäß 
gerade am Sinus nicht selten. 

In unserem Falle lag, wie erinnerlich, die bei der Operation 
aufgedeckte Durchbrachsstelle 1 cm oberhalb des unteren Knies 
und war fast erbsengroß! An ihrem oberen Rand war äußere 
und innere Sinuswand verklebt, während bulbuswärts sich zer- 
fallene käsige Massen fanden. Peripherw&*ts war der Sinus 
prall gefällt Und doch fanden wir 5 Tage darauf, bei der 
Sektion, bis fast zum Torkular käsigen Thrombus, die Jugularis 
dagegen leer! — 

Als Ursache der fortschreitenden Thrombose hat ans das 
Mikroskop eine Erkrankung der Sinuswand gezeigt, die sich 
jedoch nur auf die Innenschioht der letzteren erstreckte, während 
an der Durehbruchsstelle doch sicher eine von außen nach innen 
vordringende Entzündung der ganzen Sinuswand bestanden 
haben muß. Da es sich nicht um eine eitrige Entzündung, 
sondern um einen tuberkulösen Prozeß handelte, lag auch kein 
Anlaß zur puriformen Schmelzung des Thrombus vor; es trat 
vielmehr die für Tuberkulose charakteristische regressive Meta- 
morphose, die Yerkäsung, ein, die dem ganzen Befund sohon 
makroskopisch sein charakteristisches Aussehen gab. 

Der Thrombus wurde von den tuberkulösen Granulationen 
den Produkten der Endophlebitis tuberculosa proliferans, die ja 
erst den Grund zur Blutgerinnung gebildet hatten, durehwaehsen, 
in mehrere Abschnitte geteilt, also förmlich „tuberkulös organi- 
siert*', bis schließlich das gleiche Schicksal beide Thrombus- 
komponenten ereilte, die Verkäsung, welche freilich die be- 
schriebenen Septen, zum Teil wenigstens, noch verschont hat. 
— Da die Jugularis frei war, stand einer Verschleppung der 
zerfallenden Käsemassen in die allgemeine Zirkulation, der 
Entwicklung einer Miliartuberkulose, nichts im Wege, doch muß 
man es angesichts des spärlichen Bazillenbefundes dahingestellt 
sein lassen, ob wirklich der Einbruch in den Sinus die alleinige 
Ursache zur Allgemeininfektion war; die Lungenvenen waren 
zwar intakt, doch ist der Ductus thoracicus nicht untersucht 
worden. — Gleichwohl ist unser Fall für die Frage der Ent- 
stehung der Gefaßtuberkulose, mithin auch der Miliartuberkulose, 
von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit, war es doch hier 



über Sinasphlebitis tubercalosa. 35 

zum erstenmal möglich, einen intra ritam durch Operation er- 
haltenen Befund, nach klinischer Beobachtung durch die Sektion 
zu kontrollieren! 

Zunächst haben wir ganz unzweifelhaft festgestellt, daß ein 
tuberkulöser Prozeß von außen nach innen, nicht umgekehrt, 
in ein großes Geftß eingedrungen ist, daß eine Einbruchsstelle 
durch Arrosion des Gef&ßes seitens eines extravaskulären Herdes, 
^anz im Sinne Weigerts^) und Huguenins^) entstanden ist, 
«ine Form, die Benda (1* oO Ar ziemlich selten hält, da er sie 
in 19 Fällen von Miliartuberkulose nie gesehen hat. Selbst über- 
zeugte Anhänger der Ben da sehen Theorie werden, so glaube 
ich wenigstens, unseren Fall nicht als eine Infektion der Sinus- 
intima auf dem Blutwege, als solitäre Metastase mit Durohbrnch 
nach außen, auffassen; das hieße doch den Tatsachen zu sehr 
Oewalt antun! 

Wir haben weiterhin gesehen, wie schnell sich der Prozeß 
in der Venenwand peripherwärts ausgebreitet hat, denn die 
Durchbruchsstelle entspricht doch sicher dem ältesten Teil der 
Wanderkrankung. Während nach der Ausräumung des Bulbus 
die Jugularis frei blieb, kroch die tuberkulöse Entzflndung von 
der Stelle der Verklebung aus in der Sinuswand weiter, zu immer 
ausgedehnterer Thrombose Anlaß gebend. Aber nicht die ganze 
Wand des Blutleiters erkrankte, vielmehr war es nur seine 
innerste Schicht, die affiziert wurde ; es bestand eine Endangitis 
tuberculosa (proliferans), die gerade von Benda als StQtze seiner 
Anschauung betrachtet wird. Wenn aber dieser Autor annimmt, 
daß der Durchbruch einer käsigen Entzündung von außen ohne 
spezifische Miterkrankung der Oefäßintima erfolgt, und es nur 
als „möglich^' bezeichnet, daß, entsprechend der Anschauung 
Weigerts, unter Umständen auch die Ein Wucherung eines 
extravasculären Herdes statt eines unmittelbaren Durchbruchs in 
den Blutstrom zunächst nur eine Endangitis tuberculosa erzeugen 
könnte, so sieht er diese Möglichkeit durch unsere Beobachtung 
realisiert. Die ausschließliche Erkrankung der innersten Sinus- 
wand spricht also nicht für ein Fortschreiten des Prozesses von 
innen nach außen! Wir machen ja bei den eitrigen otitischen 
Sinusthrombosen leider oft ganz analoge Beobachtungen. Wie 

1) Weigert, Vircbows Archiv. 77. S. 277 u. 88. S. 307: Über Venen- 
tuberkel und ihre Beziehungen zur tuberkulösen Blatinfektion. 

2) Huguenin, Ober die Yerbreitungs weise des Miliartuberkels im 
Körper. Eorresp. -Blatt für Schweizer Ärzte. 1876. S. 362. 



86 IV. GROSSMANN 

häufig schreitet nieht die Thrombose, naeh ansoheinender Ent- 
fernmig alles Kranken, weiter vor und zwar infolge Fortkriechens 
der Entzündung in der Sinuswand; auch hier mit Vorliebe in 
deren innerster Schicht and dem Blutstrom entgegengesetzt! 

Man braucht also gar nicht, wie Weigert, anzunehmen, daß 
es statt eines unmittelbaren Durchbruchs zunächst zur Ent- 
wicklung einer Endangitis kommt, sondern kann sagen: Trotz 
eines Durchbruchs in den Blntstrom kann es noch (gleichzeitig 
oder weiterhin) zu einer Endangitis kommen! 

Die tuberkulöse Erkrankung des Sinus tranversus ist bisher 
sehr selten beobachtet worden. Zwar hatte schon y. Tröltsoh 
(Virchows Archiv, Bd. XVII, S. 79, 1859 und Lehrbuch, 3. Auf- 
lage, S. 337, 1867) die noch in demselben Jahre von Buhl (Wien, 
med. Wochenschr. 1859, S. 195) positiv beantwortete Frage auf- 
geworfen, ob nicht manche Formen von rasch beginnender und 
rapid verlaufender Tuberkulose auf eine Infektion des Blutes, 
von irgendeinem Eiterherde ausgehend, zurflckgeführt werden 
könnten, und gerade das Mittelohr fftr besonders geeignet er- 
klärt, als Infektionsherd zu dienen, doch sind bisher nur 5 Fälle 
von Sinusphlebitis tuberculosa in der Literatur niedergelegt, 
während die Arrosion der Carotis interna weit häufiger be- 
schrieben ist. 

In der otiatrischen Literatur sind sogar nur 4 Fälle ver- 
zeichnet, und zwar je einer von Habermann, Eossei, Piffl und 
Barnick, während ein f&nfter. Hart mann zugeschriebener (vgl. 
Jacobson und Blau, Lehrbuch, 3. Auflage, 1902, S. 488 : Durch- 
bruch eines tuberkelbazillenhaltigen Cholesteatoms in den Sinus 
transversus) , mit dem von Kossei identisch ist, wie mir Herr 
Prof. Hart mann auf eine schriftliche Anfrage bestätigte. — 
Dagegen ist es mir gelungen, einen in unseren Lehrbtlohern 
noch nicht erwähnten Fall von Hauser, der freilich in bezug 
auf die Beteiligung des Mittelohres nicht ganz klar ist, zu eruieren, 
so daß die Gesamtkasuistik jetzt 6 Beobachtungen umfaßt. Bei 
der Seltenheit des Befundes sei es mir gestattet, das Wichtigste 
der tlberdies an nicht jedem zugänglicher Stelle erschienenen, 
früheren Befunde zu referieren. 

Fall 1. J. Habermann: Neue Beiträge zur pathologischen 
Anatomie der Tuberkulose des Gehörorgans. Ztsohr. für Heil- 
kunde. IX. S. 131. 1888. Fall 8: 28jähriger Bildhauer, dessen 
Sektion folgendes ergab : Tuberculosis chronica pulmonum, glan- 
dularum lymphaticarum, colli et peribronehialium, hepatis, renum 



Ober Sinasphlebitis taberculosa. 37 

et intestini ilei. Caries taberoalosa ossis petrosi dextri. — ^Die 
vordere Wand des Sinus sigmoidens ist verdickt, and sind in 
ihm braunrote Blatgerinnsel zu sehen, die an der vorderen Wand 
fester anhaften. Ebenso sind die Wände der Carotis in ihrem 
Verlauf durch das Schläfenbein verdickt, und das Lumen der 
Carotis dadurch stark verengt. Mikroskopisch fanden sieh ein- 
zelne miliare Tuberkel in der Adventitia der Carotis, zahlreiche 
in der Wand des Sinus sigmoideus, in dem die Tuberculose 
schon bis zur Intima vorgedrungen war. Tuberkelbazillen fanden 
sich meist nur in spärlicher Anzahl überall in den erkrankten 
Geweben. 

Fall 2. H. Eossei: Über disseminierte Tuberkulose. 
Charitö-Annalen. Bd. XVII. S. 835. 1892. In das Institut Air 
Infektionskrankheiten wird am 3. Dezember 1891 ein 28jähriger 
Schmiedegeselle mit Phthisis pulmonum aufgenommen. Am 

4. Januar 1892 wird eitriger Ausfluß aus dem rechten Ohr be- 
merkt, doch finden sich keine Tnberkelbazillen in ersterem. Am 

5. Febr. Exitus. Sektion am selben Tage: ^Beim Aufschneiden 
des rechten Sinus transversns zeigt sich ein frischer roter Throm- 
bus, welcher der Wand adhäriert, ohne jedoch das Lumefi voll- 
ständig auszufüllen. Im weiteren Verlauf des Sinus transversus 
durch die Fossa sigmoidea besteht der Thrombus aus gelben, 
bröckligen Massen, die sich bis in die Vena jngularis fortsetzen. 
Die Oberfläche der Enochenrinne, in welcher der Sinus durch 
die Fossa sigmoidea verläuft, ist rauh, die Wand des Sinus ist 
von käsigem Detritus umgeben. Ungefähr in der Mitte der Fossa 
sigmoidea liegt der Sinus einer mit käsigen Massen gefüllten, 
kleinhaselnußgroßen Höhle mit kariösen Wandungen auf. — 
Das Mittelohr ist mit übelriechendem Eiter gefüllt, seine Wan- 
dungen sind rauh, das Trommelfell ist zerstört. Das Mittelohr 
kommuniziert mit dem kariösen Herd im Felsenbein. — Der 
Sinusthrombus erwies sich bei der mikroskopischen Untersuchung 
als aus käsigem Detritus bestehend. Er enthält zahlreiche Tu- 
berkelbazillen, besonders an der Stelle, wo der Thrombus der 
kariösen Stelle im Knochen aufliegt, außerdem auch zahlreiche 
Kokken (Staphylokokken) und Stäbchen. Auch im Thrombus 
der Vena jugularis finden sich zahlreiche Tuberkelbazillen. Im 
Mittelohreiter sind spärlich Tuberkelbazillen vorhanden, aber 
massenhaft . kleine Stäbchen, die sich in Plattenkulturen als 
Bacillus pyooyaneus erweisen.*' 

Lungen, Leber, Milz, Nieren enthalten zahlreiche Tuberkel. 



38 IV. GROSSMANN 

Es handelt sieh also, so sehließt Eossei, in dem vor- 
liegenden Fall um eine alte Lungentuberkulose, welohe mit 
einer tuberkulösen Erkrankung des Mittelohrs kompliziert war. 
Die letztere hat allmählioh die Wandungen des Mittelohres zer- 
stört und zur Bildung eines kariösen Herdes in der unmittel- 
baren Nähe eines Hirnsinus gef&hrt. Von diesem Herd hat der 
tuberkulöse Prozeß auf die Wand des Sinus übergegriffen und 
zur Thrombenbildung Veranlassung gegeben. Nach Zerstörung 
der Sinuswand sind die Tuberkelbazillen und die übrigen Bak- 
terien in den Thrombus hineingewuehert und sind von dem 
Yorüberfließenden Blutstrom durch den ganzen Körper ge- 
schwemmt worden. Duroh Apposition immer neuer Massen hat 
sieh dann der Thrombus zu der beschriebenen Ausdehnung ver- 
größert und den Bazillen seheinbar als guter Nährboden ge- 
dient. Bemerkenswert ist, daß es nicht zur Entwicklung einer 
tödlich verlaufenden Septikämie gekommen ist, obwohl auch 
pyogene Bakterien in den Blutkreislauf gelangt sein müssen. 

Fall 3. 0. Piffl, Otitis tubereulosa mit tumorartiger Pro- 
tuberanz in die Sehädelhöhle. Ztschr. f. Heilkunde. XX. S. 471. 
1899. — 55jähriger Sattler. Betrachtete man die Schläfenbein- 
pyramide von oben und hinten, so daß man die obere und die 
hintere Fläche derselben zugleich übersehen konnte, so machte 
es den Eindruck, als ob die „Tumormasse*^ durch die ganze 
Basis der Pyramide hindurchgewuchert wäre, und daß dieselbe 
nur durch den Ansatz des Tentorium cerebelli in zwei Teile 
geteilt worden sei, deren einer auf der oberen^ deren zweiter 
auf der hinteren Fläche der Pyramide lag. In toto schien der 
„Tumor^ nahezu Hühnereigröße zu besitzen. — Der Sinus sig- 
moideus war in dem gewucherten Gewebe nur an der Über- 
gangsstelle desselben in den Sinus transversus mit Sicherheit zu 
erkennen. — Man sah daselbst auf dem Durchschnitte deutlieh 
die Venenwand, das Lumen jedoch vollständig obliteriert durch 
derbes, mit den Wänden verwachsenes Gewebe. In seinem Ver- 
laufe nach abwärts war der Sinus in der Gewebswucherung 
nicht mehr zu isolieren, der Bulbus venae jugularis war eben- 
falls total obliteriert, aber als solcher noch kenntlich. In der 
Carotis interna, deren Lumen infolge Verdickung der Wand ver- 
engt zu sein schien, lag ein frisches Blutgerinnsel. 

Mikroskopische Untersuchung: Eingeschlossen in das 
Granulationsgewebe fanden sieh in großer Anzahl miliare Tu- 
berkel, vielfach zu großen Komplexen konfluiert. Das Zentrum 



über SlnuBphlebitis tubercolosa. 89 

solcher Herde erschien durch vorgeschrittene Verkäsang oft 
nahezu strukturlos. Riesenzellen waren überall in großer An- 
zahl vorhanden, ebenso fanden sich bei entsprechender Färbung 
vielfach Tuberkelbazillen. Die Tuberkel hatten sämtlich epi- 
thelioide Struktur. Am Bulbus venae jngularis war die GefSElß- 
wand entzündet und verdickt, das Gefäß selbst thrombosiert. 
Die Carotis interna bot bei ihrem Eintritt in den Carotiskanal 
bis auf Entzfindungserscheinungen in ihrer Umgebung mikro- 
skopisch normales Verhalten dar; an der Austrittsstelle aus dem 
Kanal traten miliare Tuberkel bis an die Gefäßwand heran, 
auch war die Arterienwand selbst zellig infiltriert. 

Fall 4. 0. Barnick, Die tuberkulösen Erkrankungen des 
Gehörorgans. Haugs klinische Vorträge. Bd. III. Heft 4. 1899. 
S. 146. Leni P., 44jährige Wärterin. Links chronische tuber- 
kulöse Mittelohreiterung mit Facialislähmung. Am 23. Juni 1898 
Badikaloperation : An einer umschriebenen Stelle ist der Sinus 
sigmoideus freiliegend, seine häutige Wand mit Granulationen 
bedeckt. Am 20. September 1898 Exitus: Meningitis, Epen- 
dymitis purulenta. Abscessus lobi temporal, sinistri. Garies ossis 
petros. sin. tubero. Tbc. miliaris pulmonum. Der linke Sinus 
sigmoideus ist in seiner ganzen Länge durch einen fest anhaf- 
tenden Thrombus verschlossen, im rechten dunkle Blutgerinnsel. 

Histologische Untersuchung: In den Wandungen der 
Carotis konnten keine miliaren Knötchen nachgewiesen werden, 
wohl aber in der häutigen Wand des thrombosierten Sinus 
sigmoideus. 

Fall 5. G.Haus er. Über einen Fall von perforierender 
Tuberkulose der platten Schädelknochen. Areh. f. kliq» Med. 
Bd. 40, S. 267, 1887. Die Sektion einer 51jährigen Tabak- 
arbeiterin, deren Krankengeschichte von den Ohren nichts aus- 
sagt, ergab folgenden Befund: Zahlreiche tuberkulöse Knochen- 
abszesse und Granulationsherde des Schädels mit mehrfacher 
Perforation des Schädeldaches. Zahlreiche tuberkulöse Granu- 
lationsherde der Dura mater mit Übergreifen auf die weichen 
Häute und das Gehirn, und Durchhruch in den rechten Quer- 
sinus. Leichte chronisch-hämorrhagisohe Pachymeningitis. Em- 
bolische Miliartuberkulose beider Lungen, pneumonische In- 
filtrationen beider Unterlappen. Verwachsung der rechten 
Langenspitze. Embolische Miliartuberkulose der Leber und 
der beiden Nieren. Käsiges Knötchen an der Serosa des Magens. 

Auszug aus dem Sektionsprotokoll. Oberhalb des 



40 IV. 6R0S3MANK 

reehten Ohres und über dem linken Soheitelbein die Eopfhant 
ebenfalls sehr deutlieh in ziemlieh großem Umfange gesehwnlst- 
formig emporgehoben und diese Stellen etwas fluktnierend sieh 
anfühlend. — Die Dura der Sehädelbasis fleckig injiziert ; gerade 
über dem Toroular Herophili eine etwa pfennigstüokgroße 
Stelle mit weichen, granrötliehen , käsigen Enötehen ein- 
schließenden, geschwulstfärmig erhabenen Granulationen bedeckt, 
welche jedoch die Wand des Torcular nicht durchbrechen, auch 
nirgends mit einem Enochenabszeß in Verbindung stehen. Ganz 
ähnliche, ebenfalls mit dem Enochen nicht im Zusammenhang 
stehende Granttlationsmassen befinden sich über dem vorderen 
Teil des rechten Quersinus, welche aber die Sinuswand durch- 
setzen und in der Form eines wandständigen, etwa 1 cm langen 
Thrombus den oberen Teil der Innenfläche des Quersinus aus- 
kleiden und dessen Lumen fast völlig ausfüllen. Sonst ist die 
Innenfläche des rechten Quersinus normal, und enthält derselbe 
im hinteren Teil ziemlich reichlich flüssiges ßlut, vor der dnroh 
die Granulationen verengten Stelle spärliches Cruor- und Fibrin- 
gerinnsel. Linker Quersinus mäßig mit flüssigem Blut gefüllt, 
ganz normal. 

Mikroskopische Untersuchung: Das Granulations- 
gewebe, welches sich vom Enochen kontinuierlich auf die Dura 
mater fortsetzt, ist ungemein reich an Bundzellen und von zahl- 
reichen kleinen, oft zu größeren Enötehen konfluierenden 
Herden durchsetzt, welche in ihrem Innern meist spärliche, in 
ihrer nächsten Umgebung dagegen oft sehr zahlreiche Tuberkel > 
bazillen enthalten. Da, wo diese Granulationsmassen auf die 
Dura übergreifen und dieselbe durchsetzen, ist die Struktur der 
letzteren völlig verwischt. Man sieht fast überall ein sehr kern- 
reiches Bindegewebe, welches allenthalben sehr reichlich klein- 
zellig infiltriert ist und oft auf größere Strecken hin samt dem 
zelligen Infiltrate keine Eernfärbung mehr annimmt. Sehr 
häufig findet man, zwischen die Faserzüge des Bindegewebes 
gelagert, und diese förmlich auseinander drängend, rundliche, 
ovale, oder auch unregelmäßiger gestaltete kleiue Zellennester, 
welche aus etwas größeren, vielgestaltigen, oft epithelioiden 
Zellen bestehen; die größeren derselben enthalten nicht selten 
mehrere, 3 — 4, Eerne, ohne daß es aber zur Bildung eigentlicher 
Biesenzellen käme. Häufig sind diese Zellnester ebenfalls be- 
reits der käsigen Metamorphose verfallen; dann sieht man in 
solchen Stellen kernlose Schollen und körnige Detritusmassen, 



Archiv f. Ohrenheilkunde Bd.LXI. 



Fiy.l 




käsigen 



Vertag von ITCWVogel in Leipzig 



Ijlh^mt vZ ATunlteTip ig 



ArdiivEOhrenheakunde Bd. UCL 




Archiv f. OhrenheiDamde 



ii 




*>>j^ 



über Sinasphlebitis tubercnlosa. 41 

welche nicht selten von einer Zone noch lebender Zellen oder 
von stärker zellig infiltriertem Gewebe umgeben sind. 

Die in das Lumen des rechten Quersinus hereingewucherten 
Oranulationsmassen zeigen durchaus das oben geschilderte Ver- 
halten; auch hier ist die Dura, d. h. die Wand des Sinus, völlig 
in dem tuberkulösen Granulationsgewebe untergegangen, so daß 
letzteres unmittelbar von dem im Quersinus noch strömenden 
Blute bespült werden mußte. Beichliohe Tuberkelbazillen, teils 
zwischen, teils in den Zellen. 

Pathogenese: Am Schädeldaohe haben die tuberkulösen 
Granulationen von der Diplo^* ihren Ausgangspunkt genommen 
und haben unter stetiger Zunahme von hier aus das Schädeldach 
nach außen oder nach innen, oder nach beiden Seiten hin durch- 
brochen. Durch Perforation der inneren Tafel griff der tuber- 
kulöse Prozeß durch Eontiguität auf die Dura über und von 
hier aus wieder auf die weichen Häute, ja selbst bis auf die 
Hirnrinde. Dadurch aber war gleichzeitig eine Verschleppung 
der Bazillen im Subduralranm ermöglicht, welche die vom 
Knochen unabhängigen Erkrankungsherde an der Dura zur 
Folge hatten, deren einer eben in den rechten Quersinus durch- 
gebrochen ist und somit die allgemeine tuberkulöse Infektion 
veranlaßte. 

Nach Haus er wäre also diese Sinusphlebitis tubercnlosa 
nicht otitischen üi-sprungs; doch ist hervorzuheben, daß die 
Ohren gar nicht untersucht zu sein scheinen. Es ist doch auf- 
fällig, daß oberhalb des rechten Ohres ein subperiostaler Abszeß 
bestand und gerade der rechte Querblutleiter erkrankt war. 
Der makroskopisch intakte Knochen des Sulcus bietet doch, wie 
unsere sonstigen Erfahrungen lehren, keinen Beweis gegen die 
Annahme einer Ohreiterung als Ursache der Sinuserkrankung. 
Wie off; fahrt nicht makroskopisch ganz gesund aussehender 
Knochen zu pathologisch veränderter Dura oder Sinuswand, zu 
extraduralen und extrasinuösen Abszessen! 

Zum Schluß der Kasuistik muß ich noch hinzufügen, daß 
schon im Handbuch der Kinderkrankheiten von E. Barthez und 
P. ßilliet (1856, Bd. III, S. 713. Übersetzt von E. B. Hagen) 
folgender Passus vorkommt: „Die tuberkulöse Entzündung des 
Felsenbeines kann sich zuweilen auf die Wände der Sinus aus- 
breiten. Wir selbst haben keine derartigen Fälle beobachtet, 
allein vielleicht untersuchten wir die Veränderungen der Gefäß- 
kanäle, welche zum kranken Felsenbein gingen, nicht genau 



42 IV. GROSSMANN 

genug. James Bruce hat mehrere Beispiele dieser Koinzidens» 
yeröffentlieht (Recherches sur la phlöbite des sinus veieux de la 
dnre-möre k la snite de Fotorrh^e. London medio. Gaz. Jan. 1840 
u. Archives, Mai 1841 p. 67)*'. 

Leider war mir die Arbeit von Brnce nicht zugänglich^ 
während der wahrscheinlich überhaupt erste Fall von Sinus- 
phlebitis tuberoulosa, den Tonnelä (Archives gänerales de me- 
decine, T. 19 de la 1' S^rie 1829, p. 610) als spontane Entzün- 
dung des Sinus anflihrt, so ungenau beobachtet ist, daß er nicht 
verwertet werden kann. 



Vergleichen wir nun die sechs beschriebenen Fälle mitein- 
ander, so ähnelt die Beobachtung Eosseis unserer eigenen am 
meisten. Nur fand sich hier die ausgedehnte Erkrankung der 
Intima, ohne daß bereits letztere durchbrochen war; die aus- 
gedehnte Thrombose konnte also nur eine Folge der Wanderkran- 
kung sein, eine weitere glänzende Bestätigung ftlr die Richtig- 
keit der Ansicht Weigerts gegenüber Ben da. Nur wenn 
Eossei sagt: ,,Durch Apposition immer neuer Massen hat sich 
dann der Thrombus zu der beschriebenen Ausdehnung ver- 
größert**, kann ich ihm nicht ganz beipflichten. Richtiger wäre 
wohl: ,,Durch die fortschreitende Erkrankung der Sinusintima 
vergrößerte sich der Thrombus zu der beschriebenen Ausdehnung; 
durch Apposition wurde dann die Thrombose zu einer obturieren- 
den.'^ Freilich sehen wir in dem Falle Habermanns schon 
ein rotes adhärentes Gerinnsel entstanden, ala die Erkrankung 
erst bis zur Intima vorgedrungen war, doch tritt eine völlige 
Verstopfung des Sinus und eine Verkäsung des Inhalts erst ein, 
wenn die Intima selbst, zu tuberkulösen Granulationen umge- 
wandelt, das Sinuslumen vereugt, in mehrere Abschnitte teilt 
(wie bei unserer Beobachtung), und schließlich samt Gruor und 
Fibrinauflagerungen der regressiven Metamorphose, der Ver- 
käsung, verfällt. Die Thrombosierung und Verkäsung reicht so 
weit, wie die Erkrankung der Intima, nicht umgekehrt. Nur die 
fortschreitende Wanderkrankung bewirkt eine Propagation der 
Thrombose, und gelänge es gleich zu Anfang des Prozesses, die 
erkrankte Sinuswand zu exzidieren, so würde auch die Throm- 
bose zum Stillstand kommen. 

Der Ausgang der Thrombophlebitis tuberkulosa scheint je- 
doch nicht immer VerkäsuDg zu sein, wie der Fall Piff Is zeigt, 
wo das Sinuslumen durch derbes^ mit den Wänden verwachsenes 



über Sinasphlebitis tabercolosa. 43 

Gewebe vollstftndig obliteriert war. Es war hier also der tuber- 
kalöse Prozeß mehr iu den Hintergrund getreten, and ein End- 
ergebnis vorhanden, das Yöllig der bindegewebigen Organisation 
eines blanden Thrombus entsprach. Die Septenbildung in un- 
serem Fall wäre einem Beginn dieser Organisation zu ver- 
gleichen. — Freilich ist es auch möglich, daß bei Fiffl nur der 
Bulbus venae jugularis tuberkulös erkrankt war, im Sinus da- 
gegen eine organisierte Eompressionsthrombose vorlag. • 

Tuberkelbazillen fanden sich in 3 Fällen reichlich, in Hab er- 
mann s und unserem eigenen nur spärlich. — Miliartuberkulose 
fand sich viermal, also in ^/3 der Beobachtungen, ein Prozent- 
satz, der ja eigentlich nicht anders zu erwarten war. 

Nach Strümpell ist in ca. der Hälfte derf'äUe die Miliar- 
tuberkulose kompliziert mit Meningitis tuberculosa. Bei unseren 
vier Allgemeininfektionen fand sie sich nur einmal, und zwar 
bei unserer Patientin. Wo eine Meningitis vorhanden ist, ver- 
deckt sie in der Regel die übrigen Symptome. Fehlt sie, so 
wh-d die Diagnose der Miliartuberkulose meist zu stellen sein, 
und dann muß man auch stets an eine eventuelle Erkrankung 
des Sinus als Ursache der Allgemeininfektion denken. Helfen 
wnd man freilich kaum noch können , doch ist immerhin der 
Fall möglich, daß^ wie bei Pyämie, ein nicht zu sehr geschwäch- 
ter Organismus, nach Ausschaltung des Herdes am Sinus, der 
tuberkulösen Infektion noch Herr wird. 

Zum Schluß sei noch auf den Befund Kossels hingewiesen, 
der neben Tuberkelbazillen auch Staphylokokken und Pyocyaneus 
im Thrombus fand und als bemerkenswert hervorhebt, daß es 
nicht zur Entwicklung einer tödlich verlaufenden Septikämie ge- 
kommen ist. 

So gut nun das Zustandekommen einer Mischinfektion denk- 
bar wäre, die sich klinisch, neben den Symptomen der Miliar- 
tuberkulose, wohl durch Schüttelfröste markieren würde, so gut 
kann natürlich als dritte Möglichkeit eine gewöhnliche eitrige 
Sinnsthrombose bei einem Tuberkulösen entstehen, wie dies in 
der Tat schon vonBrieger (Verhandlungen der deutschen oto- 
logisehen Gesellschaft, Breslau 1901) beobachtet worden ist. 



V. 

Sitzungsbericht der Abteilung Ohrenheilkunde der 75. Ver- 
sammlnng deutscher Naturforscher und Ärzte in Kassel 

vom 20.— 26. September 1903. 

Erstattet von 

Priyatdozent Dr. €r« Alexander, 

Assistent der UntTersitftts-Ohronlclinik in Wien. 

Einftlhreiide : Dr. ErnstHauptmann (Kassel), 

Dr. Wilhelm Westrum (Kassel). 

Schriftführer: Dr. Julius Frankenstein (Kassel), 

Dr. Karl Zulauf (Kassel). 

Anwesenheitsliste. 

1. Alexander, Wien. 2. Barth, Frankfurt a.O. 3. Blau, Görlitz. 
4. Bresgen, Wiesbaden. 5. Flatau, Berlin. 6. Frese, HaUe a. S. 
7. Frankenstein, Kassel. 8. Gradenigo, Turin. 9. Grunert, Halle aS. 
10. Hanim, Braunschweig. 11. Hauptmann, Kassel. 12. Kleyen- 
steuber, Kassel. 13. Konietzko, Halle a. S. 14. Kugler, Schweidnitz. 
15. Legien, Lyck O.-Pr. 16. L entert, Gießen. 17. Löwe, Berlin. 
18. Mende, Kiel. 19. Mollison, Würzburg. 20. Ostmann, Marburg. 
21. Quix, Utrecht. 22. Schmidt, Odessa. 23. Warnecke, Berlin. 
24. Watsuji, Kioto. 25. Westram, Kassel. 26. Witzel, Bonn. 27. Zu- 
lauf, Kassel. 

I. Sitzung 
vom Montag, 21. September, Nachmittags 3 Uhr. 

Vorsitzender: Prof. Dr. Grunert (Halle a. S.). 

1. Ansprache des ersten Einführenden, Dr. Ernst Haupt- 
mann (Kassel). 

2. Grunert (Halle a. S.) : Einige Ergebnisse der pathologisch- 
anatomischen Forschung im Gebiete des Mittelohres während des 
letzten Jahrzehntes mit Eückblicken auf die Praxis. 

3. Konietzko (Halle a. S.): Ein Fall von Otitis media 
diphtheritica. 

4. Alexander (Wien): Zur Chirurgie der Vena jugularis 
interna. 



75. Yersammlong deutscher Naturforscher und Ärzte in Kassel. 45 

n. Sitzung 
vom Dienstag, 22. September, Vormittags 9 Uhr. 
Vorsitzender: Prof. Dr. Gradenigo (Turin). 

5. Alexander (Wien) f&r Hofrat Politzer: Zur Technik 
der Epidermis-Transplantation naeh Totalaufmeißelung. 

6. Alexander (Wien): Demonstration neuer otologisoher 
Instrumente. 

7. L entert (Gießen): Schwierigkeiten der Begutachtung 
von Verletzungen bei mißglückter instrumenteller Fremdkörper- 
Extraktion aus dem Gehörgang. 

8. Loewe (Berlin): Zur Chirurgie der Nase. 

III. Sitzung 

vom Dienstag, 22. September, Nachmittags 3 Uhr. 
Vorsitzender: Prof. Dr. L entert (Gießen). 

9. Alexander (Wien): Zur Pathologie und pathologischen 
Histologie der Ohrerkrankungen bei Leukämie, mit Demon- 
stration von Präparaten. 

10. Warnecke (Hannover): Demonstration otologischer In- 
strumente und Apparate. 

11. Blau (Görlitz): Über den Angriffspunkt der Salizylsäure 
im Gehörorgan. 

IV. Sitzung 

vom Mittwoch, 23. September, Nachmittags 3 Uhr. 
Vorsitzender: Prof. Dr. Ostmann (Marburg). 

12. Ostmann (Marburg) : Die praktische Anwendung meines 
objektiven Hörmaßes. 

13. Alexander (Wien): Entwicklung und Bau des inneren 
Gehörorgans von Echidna aculeata mit Demonstration von Platten- 
modellen und histologischen Präparaten. 

14. Watsuji (Kioto): Über die Verteilung der elastischen 
Fasern im Gehörorgan. 

1. Der Einftthrende begrüßt die Versammlung, wirft einen 
Kflckblick auf die, vor 25 Jahren gleichfalls in Kassel abgehal- 
tene 50. Naturforscherversammlung und konstatiert mit Be- 
friedigung die derzeit wesentlich reichere Beteiligung der Fach- 
kollegen. Bezold (München), Bürkner (Göttingen), Hart- 
mann (Berlin), Lucae (Berlin), Wittmaack (Leipzig) haben 
ihr Fembleiben schriftlich entschuldigt. 

2. Grunert bespricht zuerst die Ergebnisse der bakteriolo- 



46 V. ALEXANDER 

gisohen Forschung mit ihrer praktischen Nutzbarmachung für 
Prophylaxe, Therapie und Prognose der Otitiden. Im Anschluß 
an die Ergebnisse der anatomischen Forschung über die Säug- 
lingsotitis betont er die therapeutische Sonderstellung dieser 
Otitisformen. Was die Beziehungen zwischen Mittelohr und All- 
gemeinmedizin anbetrifft, so betont er vor allem die Beziehungen 
zwischen Ohr und Diabetes, sowie ihre praktischen Schlußfolge- 
rungen. Von der Bezeichnung „Cholesteatom^ will er die so- 
genannten GehörgangS'Gbolesteatome, die Cholesteatome in Ohr- 
polypen und die Epithelperlen des Trommelfells ausgeschlossen 
haben. Er hält die jetzt herrschende Einteilung der Ohrcholeste- 
atome nicht f&r richtig und schlägt folgende Einteilung vor: 
a) die intrauterin angelegten Cholesteatome, entstanden durch 
Absprengung von Plattenepithel in der embryonalen Entwick- 
lungsperiode (primäre Cholesteatome); b) die extrauterincD, 
durch Ohreiterung erworbenen. Hierzu gehören: 1. die Haber- 
mann sehen Cholesteatome: Einwanderung von Epidermis des 
Gehörgangs oder der Umgebung des Ohres in das eiternde Mittel- 
ohr auf dem Wege von Perforationen, resp. Fisteln; 2. die 
L entert sehen Cholesteatome, die eine Mittelstellung einnehmen 
zwischen Tumoren und den Hab er mann sehen Cholesteatomen, 
insofern als sie echte Retentionszysten sind, entstanden auf dem 
Boden von Plattenepithel, welches in das Mittelohr hinein- 
gewachsen ist. — Zum Schluß wird eingehend das anatomische 
Gesamtbild besprochen, welches sich auf Grund der Forschungs- 
ergebnisse des letzten Jahrzehnts zurzeit von der Otosklerose 
zeichnen läßt. Grunert betont, daß ein grundsätzlicher Wandel 
unserer theoretischen Anschauung durch die Arbeit dieses Zeit- 
abschnittes gerade auf diesem Gebiete angebahnt ist und zeigt, 
daß die Therapie hinter den Fortschritten unserer theoretischen 
Erkenntnis zurückgeblieben ist (Autoreferat). 

Diskussion: 

Alexander: die Unklarheit in der Begrenzung des klinischen 
Begriffes der Otosklerose ist hauptsächlich dadurch herbeigeführt 
worden, daß man verschiedene Ausgangsformen katarrhalischer 
und eitriger Mittelohrerkrankungen, die nichts anderes als Ad- 
häsivprozesse darstellen, noch unter die Otosklerose gefaßt hat. 

Grunert hält den Politzerschen Ausdruck „Capsulitis^ 
für zu eng gefaßt, weil die charakteristischen, von Politzer 
zuerst beschriebenen und in ihrer Bedeutung gewürdigten 



75. Versammlung deutscher^ Naturforscher und Ärzte in Kassel. 47 

Enoehenveränderungen auoh außerhalb des Bereiches der 
Labyrinthkapsel yorkommen. 

Lentert: Die von dem Vorredner vertretene Auffassung, daß 
die sogenannte Mittelohrsklerose yielleicfat auf syphilitischer Basis 
entstehe, halte ich für unhaltbar. Es würde alsdann nicht zu ver- 
stehen sein, warum diese Erkrankung das weibliche Geschlecht 
häufiger befällt als das männliche. Weiterhin müßte die Sklerose 
in denjenigen Ländern am häufigsten sein, in welchen die Lues 
häufiger und schwerer auftritt. Davon ist jedoch nichts bekannt. 
In Hessen ist die Syphilis nach gesprächsweiser Mitteilung von 
Kollegen eine relativ seltene Erkrankung, die Sklerose ist jedoch 
in der Gießener Poliklinik mindenstens ebenso häufig wie in Halle 
und Königsberg. 

In letzterer Stadt machte ich eine Beobachtung, welche ich 
seither wiederholt, wenn auch natürlich nicht konstant, machen 
konnte 9 und welche vielleicht eine kurze Erwähnung verdient. 

Bei einer Patientin war von einem Kollegen einige Jahre 
vor meiner Niederlassung in K. die Hammer- Amboßextraktion 
wegen Sklerose auf dem schlechter hörenden Ohre vorgenommen 
worden. Es bestand seit dieser Zeit eine Eiterung auf diesem 
Ohr, während das andere keine entzündlichen Veränderungen 
aufwies. Die Patientin war nunmehr auf dem früheren besseren 
Ohre sprachtaub, hörte aber laute Umgangssprache auf dem 
eiternden Ohr. Durch Massage mit dem Sieg leschen Trichter 
(der Steigbügel lag frei) ließ sich das Hörvermögen noch etwas 
bessern, so daß die gewöhnliche Umgangssprache ziemlich gut 
verstanden wurde. Seither sah ich, wie gesagt, mehrere Fälle, 
wo bei vorhandener beiderseitiger Sklerose dasjenige Ohr das 
bessere geblieben war, welches Eiter absonderte. Vielleicht hat 
der durch die Entzündung bedingte vermehrte Blutzufluß zum Ohr 
Einfluß auf diese auffallende Erscheinung gehabt. (Autoreferat.) 

Alexander bemerkt gegenüber Grunert, daß Politzer 
den Ausdruck Capsulitis nie gebraucht hat und auch derzeit 
nicht verwendet. Die pathologisch-anatomischen Veränderungen 
bei der Otosklerose bestehen in einer Knochenneubildung in der 
Labyrinthkapsel, durch welche der alte Knochen verdrängt wird. 
In Ausnahmsfällen können derartige Veränderungen auch an 
anderen Stellen als in der Labyrinthkapsel beobachtet werden; 
doch müssen in diesen Fällen außerdem auch stets Veränderungen 
m der Labyrinthkapsel selbst vorhanden sein. Über die Natur 
der ersten Veränderungen ist nicht volle Klarheit vorhanden, 



48 V. ALEXANDER 

doch igt sohon nach dem klinisehen Verlauf im Beginn der Er- 
krankung für manche Fälle ein entzündlich-exsudativer Prozeß 
nicht auszuschließen. 

Zur Mitteilung Leuterts bemerkt Alexander, daß Besse- 
rungen des Hörvermögens bei Otosklerose bei Eintreten eitriger 
Mittelohrentzflndung nicht selten beobachtet werden, stets jedoch 
nur vorübergehend sind, und sieh nach abgelaufener Eiterung 
bald wieder das alte Hörvermögen einstellt. Diese Tatsachen 
sind speziell zu betonen, da ja bedauerlicherweise bereits von 
verschiedenen Autoren angeregt worden ist, bei Otosklerose zu 
therapeutischen Zwecken künstlich Mittelohreiterung zu erzeugen, 
wovon ja in Anbetracht der Gefährlichkeit einer derartigen 
„Therapie^ nur dringend abgeraten werden kann. 

3. Eonietzko: 

Bei einem 18 Jahre alten Mädchen, welches einige Tage 
an Ohrensausen gelitten hatte, stellte sieh plötzlich, ohne daß 
Schmerzempfindung vorher aufgetreten wäre, eitriger Ausfluß aus 
dem rechten Ohre ein. Bei der Untersuchung wurde noch leichte 
Mandelentzündung mit punktförmigem Belage und geringe Tem- 
peraturerhöhung festgestellt. Diagnose: rechts akuter eitriger 
Katarrh, links akute Entzündung, außerdem Tonsillitis follicularis» 
unter Temperatursteigerung und heftigen Schmerzen trat dann, 
zuerst rechstseitige, dann auch linksseitige Facialislähmung auf. 
Bei der Lufteinblasnng durch den Katheter wurde rechts dnrch 
die Ferforationsöffnung im Trommelfell eine gelbliche Membran 
herausgepreßt, eine ebensolche einige Tage später durch die 
Schnittöffnung im Trommelfell des linken Ohres , woselbst die 
Parazentese gemacht werden mußte. Die bakteriologische Unter- 
suchung kleiner Fartikelchen dieser letzteren Membran und des 
Eiters ergab, nach dem Bericht aus dem hygienischen Institut, 
das Vorhandensein von Staphylokokken, Streptokokken und 
L ö f f 1 e r sehe Diphtheriebazillen ; die mikroskopische Untersuchung 
eines Membranstüekehens: Fibrinnetz mit eingestreuten weißen 
und roten Blutkörperchen, Fibrinschollen, Granulationsgewebe^ 
Detritus, dabei zahlreiche Staphylokokken und Streptokokken. 
Nach Injektion von Behrings Diphtherieserum Nr. II trat auf- 
fallende Besserung des Allgemeinbefindens und Fieberlosigkeit 
auf. Die Membran lockerte sich allmählich, während der Ausfluß 
profuser wurde. Links, woselbst die Parazentese gemacht worden 
war, erfolgte nach einigen Wochen Yernarbung der Schnittöffnung» 
Die Therapie bestand anfangs in Einträuf lung von Kalkwasser 



75. VersammloDg deutscher Naturforscher und Ärzte in Kassel. 49 

und EatbeterisatioQ , später Dnrchspülung mit steriler physio- 
logiseher Eocbsalzlösnng, ferner in elektrischer Behandlung der 
Facialisparese. 

Obgleich der punktförmige Belag auf den Mandeln bei der 
Feststellung der Membranen im Mittelohr bereits geschwunden 
war, somit eine bakteriologische Untersuchung desselben nicht 
ansgeflihrt werden konnte, ist anzunehmen, daß die anfangs 
für Tonsill. foUicul. gehaltene Mandelentzündung diphtherischer 
Natur war, und daß zugleich beim Auftreten oder im Inkubations- 
stadium derselben, die anfangs wohl nur einfache, nicht spezi- 
fische, akzidentelle Mittelohrerkrankung später durch Invasion 
von Diphtheriebazillen auf dem Wege der Tube zur spezifischen 
diphtheritischen Erkrankung der Mittelohrsebleimhaut mit Bildung 
von Pseudomembranen wurde, (Autoreferat,) 

Betreffs der bakteriologischen Befunde hebt Eonietzko 
noch hervor, daß die akzidentellen Mikroorganismen den L5f fle r- 
sehen Diphtheriebacillus bald flberwuchert haben, und daß des- 
halb die spezifischen Diphtheriebazillen nur im ersten Stadium 
der Erkrankung nachgewiesen seien, ebenso wie die durch Ein- 
wirkung derselben auf die Schleimhaut sich bildenden spezifisch- 
diphtheritischen Pseudomembranen, 

Diskussion: 

Leutert vermißt die Angabe^ ob von der Kultur auch eine 
Uberimpfung auf Tiere stattgefunden hat, und lehnt, falls dies 
nicht geschehen wäre, den Fall als Fall von Diphtherie der 
Paukenhöhle ab, da eine ganze Beihe von, den Diphtherie- 
bazillen ähnlichen Mikroorganismen existiert und nur der Aus- 
fall des Tierexperimentes die ersteren genau unterscheiden läßt. 

Alexander schließt sich vollkommen der Ansicht Leuterts 
an und verlangt, daß die Diagnose Diphtheriebazillen in dem be- 
treffenden Falle auf der Grundlage des Tierexperimentes gestellt 
worden sei. 

Grunert bemerkt, daß die bakteriologische Untersuchung 
in dem von Eonietzko berichteten Falle am hygienischen In- 
stitute zu Halle ausgeführt worden ist, das Institut die Diagnose 
Diphtheriebazillen gestellt hat und die Verantwortung, auf welchem 
Wege das Institut zur Diagnose gelangte, selbstverständlich dem- 
selben überlassen werden muß. 

4. Alexander betont die Wichtigkeit der Drainage des 
peripheren Jugularisendes in Fällen von Sinus- oder Jugularis- 

AichiT f. Ohrenlieilkusde LXI. Bd. 4 



60 V. ALEXANDER 

thrombose und schlägt als typisohe Versorgang des peripheren 
Endes das Einnähen des offen gehaltenen Gefäßrohres in den 
oberen Winkel des Hautsehnittes am Halse, d. h. die Anlegung 
einer Jugnlaris-Hantfistel vor. In denjenigen Fällen, in welchen 
in der Jngnlaris bei der Freilegung und Eröffnung am Halse 
kein strömendes Blut gefunden wird, könne die Fistel sofort an- 
gelegt werden, sonst 2 — 4 Tage nach der ersten Operation. (Die 
Arbeit erscheint ausf&hrlich in diesem Arohiv.) 

Diskussion: 

Leutert fragt an, ob Alexander diesen Vorschlag, den 
er für sehr bemerkenswert hält, theoretisch meint oder ihn schon 
genügend praktisch erprobt hat, besonders rüoksichtlich der Zu- 
verlässigkeit der Draina^p^;:^ >^ MfiT^N^ 

G-runertist der Mc^^|i>ig9j^4lf^^^ Jugularis wieder 
zu eröffnen, eine alte/ifipL Neu von Alexafl^u- ist t. die prinzi- 
pielle Anlegung diesfer Ju|illetfiAr4iMie ift jedem Falle und 
2. die Technik der iCTsftlhruni^^r DraiMJjfe (Vernähen des 
Jugularislumens in dieNSij^^.]^ Grunzt protestiert gegen die 
Meinung, nun mit der Anfegrmg^dCT OTgtel alles Menschenmög- 
liche getan zu haben. Bei den anderen Methoden der Drainage 
(Drain, lockerer Streifen) versagt die Drainage zuweilen dadurch, 
daß das Venenlumen sich wieder schließt, in anderen Fällen 
wieder verbietet die Schwere der Infektion sich mit diesen 
Dingen aufzuhalten und nötigt, direkt den Bulbus operativ an- 
zugreifen. Alexander ist den Beweis schuldig, daß seine 
Methode mehr leistet, als die alten, d. h. daß sie ein Wieder- 
verlegen des Venenlumens verhindert und daß sie weitere ope- 
rative Eingriffe am Bulbus fiberflüssigmacht. Solange Alexan- 
der diesen Beweis nicht erbracht, hältOrunert das Alexan- 
der sehe Verfahren — trotz der neuen guten Idee, die es enthält — 
f&r überflüssig. Für nicht unbedenklich hält er es, weil es dazu 
verleiten kann, nun weiterhin die Hände in den Schoß zu legen 
(Autoreferat). 

Auf die Anfrage des Herrn Leutert erwidert Alexander, 
daß die von ihm vorgeschlagene Versorgung des oberen Jugularis- 
endes an der Wiener Ohrenklinik bisher in etwa 15 Fällen ge- 
übt worden ist und daß sie stets das, was man von ihr er- 
wartete, d. h. die Drainage des peripheren Jugularisstückes 
erfällt hat. Er verweist im übrigen auf die demnächst er- 
seheinende ausführliche Publikation, welche auch die Kranken- 



75. Venammlung deutscher Natorfoncher and Ärzte in Kassel. 51 

gesehiohte der Fälle enthält. Selbstvergtändlieh könne die er- 
zielte Heilung, die ja gerade bei den otogenen Pjämlen vou so 
vielen Umständen abhängt, nieht als Gradmesser Ar die Verwert- 
barkeit einer Operationsmethode angesehen werden, ja es lieB 
sieh gerade in den letal verlaufenden Fällen bei der Sektion 
der Kachweis führen, daß durch die £innähung des peripheren 
Jugalarisstttekes, wie Alexander sie angegeben hat, voll- 
kommene Drainage erfolgt war. 

Gegenüber Grüne rt verweist Alexander auf seinen 
Vortrag, in welchem er die Momente, durch welche die von 
ihm angegebene Methode von der sekundären Schlitzung des 
Gef&ßrohres und von der alten Methode der Durchspülung der 
Jugalaris unterschieden wird, genügend hervorgehoben hat. 
Alexander liegt selbstverständlich die Meinung ferne, daB mit 
der Anlegung seinet jugularishautfistel „alles^ getan sei. Er 
hat im Gegenteil in seinem Vortrags klar selbst darauf hin- 
gewiesen, wie wichtig es ist, bei otogener Pyämie die Operation 
auf den Erkranküngsherd in ganzeni- Umfang auszudehnen. 
Andererseits ist gewiß zu: erwarten, daß bei der guten Drainage 
des Bulbus durch die von Alexander angegebene Jugularis- 
hautfistel in einzelnen Fällen eine Bulbusfreilegung erspart 
werden kann. — Von einem „die Hände in den Schoß legen^ 
war von selten Alexanders nirgends die Rede. Die Meinung 
Grnnerts, die Anlegung der Fistel sei nicht unbedenklich, 
entbehrt vollkommen der Begründung, da ja tatsächlich diese 
Versorgung des peripheren Jngnlarisendes nur Vorteile und 
keinerlei Nachteile bringen kann, und ist daher abzulehnen. 
Die Drainage erscheint dadurch gesichert, daß das offene Lumen 
durch Nähte oberflächlich fixiert ist. Der Einwand, die 
Schwere der Infektion könne in manchen Fällen die Vernähung 
aus Zeitmangel verbieten, ist wohl sehr gesucht, da doch, ge- 
nttgende technische Sicherheit vorausgesetzt, der ganze Eingriff 
in 1 — 3 Minuten besorgt ist. 

5. Alexander demonstriert für Hofrat Politzer die von 
letzterem vor kurzer Zeit angegebenen Glasröhrchen zur Haut- 
transplantation nach Badikaloperation. Zur Transplantation,' die 
jeweilig 6 — 20 Tage nach der Totalaufmeißelung ausgeflihrt 
wurde, eignen sich nur Fälle mit total angeheiltem Körner- 
Plastiklappen und geschlossener retroaurikulärer Wunde. Die 
Operationshöhle soll nur wenig sezernieren und vollkommen von 
Granulationen gedeckt sein. Einige Stunden vor der Trans- 

4* 



52 V. ALEXANDER 

plantation wird die Radikaloperationshöhle mit sterilem Wasser 
gespült und mit 6proz. Hydrogeninm hyperoxydatnm gereinigt^ 
sodann mit steriler Gaze gefüllt Die T hier seh- Lappen werden 
mit nach der Glaswand gekehrter Epidermisflftehe auf die Glas- 
kugel aufgelegt und sodann an die za deckende Wundfläohe an- 
geblasen. Die Böhrohen laufen zu diesem Behufs an ihrem Ende 
in einen von einer Anzahl von Lückelcben durchbohrten Kolben aus. 
Das Anblasen wird mittelst eines angesetzten Schlauches und 
Gummiballons besorgt. Der Lappen wird durch kleine sterile 
Wattebausch eben in seiner Lage erhalten. In gelungenen Fällen 
erscheint der Lappen mit seiner Unterlage nach 4 Tagen voll- 
kommen verklebt, nach welcher Zeit der erste Verbandwechsel 
vorgenommen wird. Die Böhrchen werden in verschiedener 
Große von der Firma Wojtasek in Wien, IX, Frankgasse 2, er- 
zeugt und können von dort bezogen werden. 

Diskussion: 

Leutert meint, daß die Plastik mit zungenförmigem Lappen 
Körner mit Unrecht zugeschrieben wird, nachdem Körner darin 
lediglich eine Modifikation der Fanseschen Plastik angegeben hat. 

Alexander bemerkt, daß an der Wiener Klinik die Plastik 
mit zungenförmigem Lappen als Körn er sehe Plastik angesehen 
wird, und hält diese Bezeichnung nach der vorliegenden Lite- 
ratur für berechtigt. Als P an sesche Plastik ist die Plastik mit 
zwei Lappen nach Türfiügelschnitt zu bezeichnen. 

6. Alexander demonstriert ferner 1. ein von ihm angegebenes 
Besteck zur Lumbalpunktion, 2. eine aseptische Ohrspritze, bei 
welcher sämtliche Gewinde durch Flächenkontakte mit Bajonett- 
verschluß ersetzt sind, 3. Kassetten aus Stabilit zur Sterilisation 
und Aufbewahrung gebrauchsfertiger Wattetupfer (die demon- 
strierten Instrumente sind von der Firma Beiner in Wien zu be- 
ziehen). 

7. Leutert (Gießen): Schwierigkeiten bei der Be- 
gutachtung von Verletzungen bei mißglückten Fremd- 
körperextraktionsversuchen. Erseheint ausführlich in 
diesem Arohiv. 

Diskussion: 

Alexander: In der von dem betreffenden Arzte angewen- 
deten „Methode*' ist wohl gleich der volle Beweis des Kunst- 
fehlers, der mangelnden Kenntnis der pPremdkörperextraktion 
gelegen, da jemandem, der auch nur ein einziges Mal eine Ohren- 



75. Yersammlang deutscher Natarforscher und Ärzte in Kassel. &3 

klinik besacht hat, es nioht beifallen kann, einen Fremdkörper 
ohne Seflektor mit einer Haarnadel entfernen zn wollen. Die 
Anleitungen, die Politzer hinsichtlich des Vorganges bei der 
Fremdkörperextraktion gegeben hat, sind vollkommen klar und 
lassen fKr irgendeinen Fall, selbst fQr einen Fernerstehenden, 
keinen Zweifel in der Technik aufkommen. Zuerst ist, von 
wenigen Ausnahmefällen abgesehen, stets der Versuch zu machen, 
den Fremdkörper durch Ausspritzen zu entfernen, doch kann 
man, besonders wenn schon früher mißglückte Extraktionsver- 
suche gemacht worden sind, der Entfernung mit Instrumenten, 
besonders mit stumpfen und spitzen Häkchen, kleinen Löffeln, 
Sondea usw. nicht entraten. Auch besteht ja h&ufig genug die 
Indikation, den Fremdkörper in der ersten Sitzung zu entfernen. 
Den von L entert berichteten, sehr interessanten Fall anlangend, 
spricht sich Alexander dahin aus, daß es sich wohl um ein 
Rezidiv einer abgelaufenen Eiterung gehandelt habe, da nur von 
einer wenige Tage dauernden Otorrhöe berichtet wird, eine 
persistente Perforation aber nur von einer foudroyant verlaufenden 
akuten Otitis abgeleitet werden könnte. Auch das Abfließen des 
Wassers durch die Tube spricht für einen chronischen Prozeß. 

Loewe spricht sich für die Verwendung von Häkchen bei 
Fremdkörperextraktionen aus. 

Schmidt empfiehlt die Hartmannschen Instrumente zur 
Extraktion der Fremdkörper und gibt an, fast stets ohne Nar- 
kose auszukommen. 

Gradenigo hält die in diesem Falle beschriebene Trommel- 
fellperforation höchstwahrscheinlich für eine traumatische. Die 
Toleranz des Kindes, als Leutert dasselbe zum ersten Male 
untersuchte, spricht nicht gegen eine grobe Verletzung des 
Trommelfells seitens des ersten Arztes. Es gibt eben, wie be- 
kannt, Kinder, welche ganz gut schmerzhafte Eingriffe vertragen, 
und solche, welche nicht einmal eine einfache Inspektion des 
Ohres ohne Widerstand zulassen. Gerade die geringe Intensität 
der Eiterung, das Abfließen der Spülflüssigkeit durch die Nase, 
spricht nach Gradenigo für eine traumatische Trommelfell- 
läsion. In solchen Fällen ist es auch wichtig, den Status des 
anderen Ohres und des Nasenrachenraumes zu konstatieren. 
Was das Verhalten des Arztes in derartigen Fällen von Fremd- 
körperextraktionen betrifft, so nimmt Gradenigo zwischen 
Leutert und Alexander einen vermittelnden Standpunkt ein 
und glaubt, wenn man nicht mit der Spritze den Fremdkörper 



54 Y. ALEXANDER 

bekommt, daß man ihn sehr leicht mit Instramenteo, besonders 
in Narkose, heransbefordern kann, am besten mit einfachen 
stampfen Haken« Bei Kindern h&lt er hierbei unbedingt die 
Narkose fllr notwendig. 

B res gen hält in dem Leatertschen Falle eine voraus- 
gegangene Eiterung für wahrscheinlich und stützt sich auf einen ; 
Fall eigener Beobachtung, in welchem ein 14 jähriger Junge nach 
einer erhaltenen Ohrfeige gleichfalls füb&c eingetretene Ohreite- 
rang klagte, dieselbe anfangs als traumatisch anerkannt wurde, 
bis die genaue Anamnese und Untersachung eine jahrelang be- 
stehende Otitis media nach Skarlatina nachwies. 

Leutert spricht sich gegen die Ansicht Gradenigos aus 
und meint, daß eine Otitis doch wohl auch bei ganz normalem 
Ohre ohne Vorhandensein von Adenoiden bestehen könne. Er 
bemerkt nachträglich, daß in seinem Falle eine Hörweite von 
10 cm für Flüstersprache auf dem erkrankten Ohre bestand. 

8. Loewe berichtet über seine, schon von früheren Kon- 
gressen bekannten Methoden der Exenteration der Nase vom 
Munde ans durch Abschlagen des harten Gaumens und über ein- 
schlägige, während des letzten Jahres erfolgte „Verbesserungen^ 
dieser Methoden. 

9. Der Vortragende bespricht zunächst eingehend die Lite- 
ratur der leukämischen Ohrerkrankungen, die hierher gehörigen 
grundlegenden Befunde von Politzer und geht sodann auf 
die Besprechung seines eigenen Materials über, welches 15 kli- 
nisch untersuchte und 12 klinisch und anatomisch untersuchte 
Fälle von Leukämie umftißt. Das anatomische Material des 
Vortragenden ist weitaus größer als das irgendeines Autors, 
welches bisher für die interessante Frage der leukämischen 
Ohrerkrankungen beigebracht worden ist, und nicht viel kleiner 
als das ganze in der Literatur derzeit vorhandene Material. Die 
anatomische Untersuchung erstreckt sich in fast allen Fällen 
auf die makroskopische und histologische Untersuchung beider 
Ijchörorgane, des Hörnerven und des Hirnstammes, die alle in 
Serien (zum Teil in lückenloser Serie) geschnitten wurden. 
Weiters wurden Organteile und Knochen von jedem einzelnen 
der Fälle von Alexander selbst untersucht oder er hatte Ge- 
legenheit, die letzteren an im pathologisch-anatomischen Institute 
in Wien angefertigten Präparaten zu studieren. 

Bezüglich der Technik sei erwähnt, daß zur Vermeidung 
präparativer Verlagerungen im Bereiche des häutigen Labyrinths 



75. Yenammlang deutscher Naturfoncher und Arzte in Kassel. 55 

der Vortragende nach dem Vorschlag von Sohaffer in letzter 
Zeit derart vorgegangen ist, daß er das frisch fixierte Präparat 
in der gewöhnliehen Weise in Zeiloidin eingebettet nnd erst dann 
in die Entkalknngsflttssigkeit gebraeht hat. Die letztere dringt 
recht gut selbst dnrch einen relativ dicken Zelloidinmantel hin- 
durch, nnd das Verfahren hat erstens den Vorteil, daß künstliche 
Verlageningen der hantigen W&nde, wie sie sich besonders in- 
folge der, der Entkalknng folgenden Auswaschung des Präpa- 
rates und der schließlichen Nachh&rtnng ergeben, nahezu aus- 
schlössen sind und daß andererseits höherprozentige Sfture«^ 
lösnngen (bis zu 12 Proz« Salpetersäure) ohne Schaden fbr das 
Präparat bei der Entkalkung verwendet werden können, wodurch 
sieh die Zeitdauer der Entkalkung erheblich verktlrzt. 

Alexander unterscheidet folgende 3 Gruppen von Ver- 
änderungen: 1. Histologische Veränderungen, welche durch 
den mechanischen Einfluß der leukämischen Ohrerkrankung auf 
das Gehörorgan bedingt sind. 2. Entzündliche Erscheinungen, 
die entweder von vornherein leukämischer Natur sind, oder 
wenigstens mit der leukämischen Ohrerkrankung in unmittel- 
baren Zusammenhang gebracht werden können. 3. Sekundäre 
Erkrankungen im Gehörorgan, die sich sowohl infolge der unter 
1 und 2 genannten Erkrankungsformen als auch daraus ent- 
wickeln, daß durch die leukämische Erkrankung des inneren 
Ohres der anatomische (jchörapparat zum Teil oder vollständig 
seine physiologische Funktion eingebüßt hat. 

In die erste Gruppe gehören vor allem die Folgeerscheinungen 
der inneren Ohrblutungen, soweit die letzteren Zerreißungen der 
zarten, membranösen Wände nach sich ziehen können. Dabei 
können die zerrissenen Teile entweder in relativ gutem Situs 
sein oder sie finden sich hochgradig verlagert. Im letzten Falle 
können einzelne Abschnitte vollständig zugrunde gehen und der 
Resorption anheimfallen. Auch durch leukämische Infiltrate 
können bedeutende gestaltliche Veränderungen der häutigen 
Teile verursacht werden. So weist der Vortragende besonders 
aaf einen Fall hin, in welchem durch leukämische Ansehwel- 
lang des Ligamentum spirale das ganze endolymphatische Lumen 
aufgehoben erscheint. 

Kollaps endolymphatischer Räume wurde auch mehrmals 
bei ausgedehnten perilymphatischen Hämorrhagien beobachtet. In 
solehen Fällen kommt es zu einer völligen Aneinanderlagerung der 
bäutigen Wände, und die hier und da übrigbleibenden spaltartigen. 



56 y. ALEXANDER 

endolymphatisohen Räume werden histologiseh von einem krüme- 
ligen Exsndat erfUlIt gefunden. Die mechanischen Folgeerschei- 
nungen der leukämischen Labyrintbhämorrhagien scheinen von 
der Topographie der Blutung abzuhängen. Erfolgt die Blutung 
lediglich in die perilymphatischen Räume, so kommt es zu einer 
Kompression des häutigen Labyrinths, fast nie aber zu einer 
Kontinuitätstrennung. Ergießt sich Blut in die peri- und endo- 
lymphatischen Räume, so kommt es zur Zerreißung der mem- 
branösen Wände. An vereinzelten derartigen Stellen aber wird er- 
staunlicherweise das häutige Labyrinth in Kontinuität und Lage 
vollständig normal getroffen. Anatomische Veränderungen, die im 
wesentlichen in Verdrängung (Kompression), Zerklüftung oder 
Zerreißung bestehen, finden sich auch im Nervus VIII und seinen 
peripheren und zentralen G-anglien. Die weitgehendsten Ver- 
änderungen wurden hier bei Blutungen im inneren Gehörgang 
an den peripheren Asten des Nervus VIII gefunden. 

Die entzündlichen Erscheinungen prägen sich größtenteils in 
der leukämischen Infiltration des Weichteillabyrinths, der Nerven 
und Ganglien aus. Nur selten kommt es zur Einschmelzung des 
Gewebes und zur Bildung kleinster Verflüssigungsherde. Diese 
werden zumeist am Ligamentum spirale und in dem massiven 
Bindegewebspolster, welches die Pars inferior bekleidet, ange- 
troffen. 

Die groben sekundären Erscheinungen bestehen, wie be- 
kannt, in Bindegewebs- und Knochenneubildung im Bereiche 
des inneren Ohres und Ablagerung von Blutpigment. Für 
dieses letztere müssen aber die Charaktere des Blntpigments 
(schollige, große Elementarteile von gelb- bis rotbrauner Farbe, 
in frischen Fällen positive Eisenreaktion) als Nachweis gefordert 
werden, da selbst eine bedeutende Vermehrung des schon nor- 
malerweise im Labyrinth vorkommenden, kleinen, körnigen, 
dunkelbraunen Pigments, wie Alexander durch eigene Unter- 
suchung festgestellt hat, noch nicht als pathologisch angesehen 
werden kann. Neu sind die Befunde degenerativer Veränderungen, 
die der Vortragende an den Nervenendstellen des Labyrinths, 
den bindegewebigen Labyrinthabschnitten, den Ganglien und dem 
Nervus VIII hat nachweisen können. Alle diese Degenerationen 
wurden in Fällen, in welchen die Blutung, als auch in solchen, 
in welchen die entzündlichen Veränderungen im Vordergrunde 
stehen, gefunden und sind ätiologisch vornehmlich auf die einge- 
tretene Funktionsstörung zurückzuführen. Im peripheren Labyrinth 



75. Yersammlang deutscher Natarfoncher und Ärzte in Kassel. , 57 

bandelt es sich hierbei vor allem um Schwund der Sinneszellen, 
in Fftllen hochgradiger Degeneration um den Untergang der 
Stfltzzellen und des Wandepithels, wobei sodann jedesmal ein 
höheres Epithel durch ein niedriges ersetzt erscheint. So kann 
es auf ausgedehnte Strecken hin zum Ersatz des Zylinderepithels 
durch Plattenepithel kommen, und in dieser Region werden stellen- 
weise degenerierte Zylinderepithelzellen angetroffen. Es ist aller- 
dings vorderhand nicht zu beweisen, daß die Umformung der 
Epithelzellen auch aus mechanischen Ursachen, etwa aus der Ein- 
wirkung des Druckes des Coagulums folgend, aufgefaßt werden 
kann. Im C ortischen Organ können die Pfeiler bei zugrunde ge- 
gangenen Haarzellen noch vorhanden sein. Bei weitergehender 
Degeneration (Atrophie) fehlen aber auch die Pfeiler, und es 
kann zur Abflachung der Papilla basilaris, endlich zum voll- 
ständigen Schwund derselben kommen. Die Crista spiralis 
wird außerordentlich niedrig oder verflacht gänzlich. Das Innere 
des Ligamentum spirale wird zum Teil oder ganz verflüssigt, 
die Stria vascularis atrophiert. Die Veränderungen im Nerven- 
ganglienapparat kombinieren sich aus der Degeneration und Atro- 
phie der Fasern und Zellen. Anscheinend rein atrophische Ver- 
änderungen sind selten zu beobachten, am ehesten im Ganglion 
Spirale und in den regionären Nervenästen, wo nach dem histo- 
logischen Bilde durch den Druck der umgebenden oder im 
Nervenganglienteile selbst vorhandenen Coagula die Atrophie der 
nervösen Elemente sich einzustellen scheint. Viel häufiger sind 
die degenerativen Veränderungen, die zumeist mit leukämischer 
Infiltration der degenerierten Partie verbunden sind. Bezüglich 
dieser konnte Alexander in mehreren Fällen frische Degenera- 
tionen im peripheren und zentralen Octavus nach der Marchi- 
sohen Methode nachweisen. Es handelt sich dabei unter anderem 
am Veränderungen, die mit Marehi vollkommen deutlich, da- 
gegen bei Markscheidenfärbung nicht kenntlich sind. 

Bringt man hinsichtlich der degenerativen Erkrankung die 
einzelnen histologischen Abschnitte des peripheren Labyrinths 
nnd Nervenganglienapparates in eine Reihe nach ihrer Verletz- 
barkeit , so stehen die peripheren Sinneszellen (Haarzellen) in 
den Nervenendstellen des Labyrinths obenan, die schon auf geringe 
Beize der Umgebung mit degenerativem Schwund zu antworten 
fleheinen. Diesen Zellen folgen die Nervenzellen. Minder leicht 
verletzbar bieten sich die sonstigen Teile des membranösen 
Labyrinths, sowie die Nervenfasern. Resistent erscheinen die 



58 y. ALEXANDER 

organisehen Anbangsgebilde aa den Nervenendstellen, die Oto- 
lithenmembran , die Capnlae und die Cor tische Membran^ 
welche selbst bei totaler Atrophie der zagehörigen Nervenend- 
stelle vollständig oder verhilltnismäßig gut erhalten angetroffen 
werden. 

Diskussion: 

Leutert weist auf die Schwierigkeit hin, sich ohne Vor- 
lage normaler Präparate an den demonstrierten Objekten zurecht- 
zufinden und regt an, da man eigentlich so selten histologische 
Präparate des inneren Ohres zu sehen bekomme, Alexander 
solle auch einschlägige normale Präparate demonstrieren. 

Alexander sagt dies für eine nächste Gelegenheit zu. 

tO. Warnecke demonstriert 1 . eine Modifikation des L n c a e - 
sehen Watteträgers für das Ohr, 2. dreikantige Attikussonden 
für Wattearmierung, 3. ein Sichelmesser zur Durchtrennung von 
Verwachsungen in der Trommelhöhle, 4. einen Evakuations- 
apparat zur Behandlung von chronischen Mittelohrkatarrhen mit 
Adhäsivprozessen , bezw. Sklerose, zur Anwendung vom Gehör- 
gang; der Apparat wird elektrisch betrieben, 5. einen Apparat 
zum Eatheterismus mit Kohlensäure und Sauerstoff, 6. ein Unter- 
brechungsventil zur Unterbrechung des in die Tube eintretenden 
Luftstromes beim Eatheterismus. 

11. Auf Anregung des Dozenten Herrn Dr. Alexander, Wien^ 
habe ich in Ergänzung der Untersuchungen W.Wittmaacks über 
den Angriffspunkt des Chinins am Gehörorgan Versuche ge- 
macht, um die Wirkung der Salizylsäure festzustellen. Witt- 
maaek hatte bewiesen, daß die Veränderung durch das Chinin 
nicht, wie Kirchner durch seine Arbeit festzustellen versucht 
hat, auf Blutungen in Pauke und Labyrinth beruhen, sondern auf 
Veränderungen der Ganglienzellen (Gangl. spirale), die uns durch 
die Nißlsche Färbungsmethode kenntlich werden. — Grunert 
und Alexander haben ferner klargestellt, daß die Blutungen, 
wie sie Kirchner fand, durch Traumen hervorgerufen werden 
können und auf Snffokationserscheinungen zurüekzuf&hren sind. 

Von mir wurden eine Beihe von Kaninchen und Meerschwein- 
chen mit Natr. salicyl. vergiftet und nach dem nach V2 Stande 
bis 8 Tagen erfolgten Tod in Serienschnitten untersucht und hier- 
selbst Blutungen konstatiert, welche dagegen in einer nach Witt- 
maacks Vorgang vergifteten größeren Anzahl von Kaninchen, 
Meerschweinchen, weißen Mäusen und Tanzmäusen, die kurz ante 



75. Versammlung deutseher Naiorforscber und Ärzte in Kassel. 59 

exitnm dnreh Entbintiing bezw. Entblntung mit nachfolgender 
Durohspttlnng des Gefäßsystems getötet wurden, fiberall ab- 
solut fehlen. Es ist damit auch für die Salizylsäure der 
Beweis erbracht, daß die durch dieselbe verursachten Ver- 
änderungen nicht in Blutungen bestehen können. 

Die Untersuchung der Ganglienzellen konnte erst mit einigen 
Schnitten ausgeführt werden, welche ein Zusammengeballtsein 
der Nißlkörperchen zeigten. Ausführliches folgt demnächst 
(Autoreferat). 

12. P. Ostmann, Marburg a. L., fährte nach einigen ein- 
leitenden Worten seine Hörprüfungsmethode an einem schwer- 
hörigen Knaben vor und erläuterte die Art und Weise, wie sein 
objektives Hörmaß von einem schwerhörigen Arzte zu ver- 
wenden ist. (Autoreferat.) 

Diskussion: Quix (Utrecht) bezweifelt die grundsätzliche 
Kiehtigkeit des Hörmaßes von Ost mann. Das Ostmannsche 
Hörmaß hat die Voraussetzung, daß die Intensität des Schalles 
dem Quadrate der Amplitude direkt proportional ist. Wie 
aber Untersuchungen im physiologischen Institut zu Utrecht 
ergeben haben, geht es nicht an, die pathologische Hörschärfe 
auszudrücken durch die Amplitude, bezw. die Amplituden- 
differenz, sondern der Maßstab f&r die Hörsohärfe muß stets 
in der Intensität des Schalles, die allein den maßgebenden Beiz 
fftr das Ohr darstellt, gefunden werden. Quix drückt die patho- 
logische Hörschärfe in dem Mehrfachen der normalen Schallinten- 
sität aus, das notwendig ist, um bei dem Betreffenden noch eine 
Erregung des Gehörorgans auszulösen. Bei seinen eigenen Unter- 
suchungen hat Quix die nach Graden igo armierten Stimm- 
gabeln verwendet, die er bestens empfehlen kann. 

13. Der Vortragende berichtet einleitend über Material und 
Methode seiner an dem Semon sehen Echidnamaterial durch- 
gefiihrten Untersuchung, welche alle vorhandenen Stadien von 
Embryonen und Beuteljungen sowie auch die erwachsene 
Eehidna umfaßt Das Material besteht aus insgesamt 38 voll- 
ständigen Schnittserien von 17 verschiedenen Altersstufen. Ab- 
gesehen von dem Interesse, welches in deskriptiver Hin- 
sicht dem bisher nicht beschriebenen membranöseu Gehörorgan 
jler Eehidna zukommt, gibt es eine Reihe von Fragen in der 
Phylogenese des inneren Ohres, die völlige Entscheidung erst 
au der Eehidna erfahren können. Hierher gehört die Mor- 
phologie der Lagena, das Auftreten einer Nervenendstellenanlage 



60 y. ALEXANDER 

im Ductus reunienS) das Yorkommen einer Macula neglecta, der 
Bau der Pars basilaris mit Rücksicht auf die in ihr enthaltenen 
Nervenendstellen, die Verzweigungsweise des Nervus octavus 
und Anordnung seiner Ganglien, das Vorkommen atypisch ge- 
bauter Regionen in dem Labyrinthepithel und das Verhalten des 
Labyrinthpigments. 

Der Vortragende erörtert kurz alle diese Fragen und bespricht 
eingehend die Formenentwicklung des Labyrinthes, die Entwick- 
lung der Lagena bei Echidna und die Entwicklung des Sinus utri- 
enlaris inferior mit der in ihm enthaltenen Macula neglecta, 
die damit zum erstenmal an einem Sängetier nach- 
gewiesenerscheint. Von Interesse ist auch die Verfolgung der 
Entwicklung der Labyrinthkapsel, die von einer, an der lateralen 
Fläche des häutigen Labyrinths gelegenen Enorpelschale aus- 
geht. Beide Labyrinthfenster entstehen aus einer einzigen Lücke 
in dem eben erwähnten Enorpelstücke, die durch eine -Binde- 
gewebsplatte geschlossen ist. An den oberen Teil dieser Platte 
legt sich der embryonale Stapes an, wodurch die Bindegewebs- 
lage daselbst ein wenig gegen das Vestibulum konvex vorgedrängt 
wird. Im unteren Teil erfahrt die Bindegewebsplatte eine be- 
deutende Verdickung. Später wird diese Lücke durch Vor- 
wachsen zweier Enorpelleisten, die schließlich miteinander zur 
Vereinigung kommen, geteilt, und es resultiert eine hinten oben 
gelegene Lücke, in welche der Stapes eingepflanzt ist (Fenestra 
vestibuli) und das vorne unten gelegene Basilarfenster. Die 
Membrana tympani secundaria, welche dieses letztere schließt, 
geht aus der Dickenznnahme des unteren Abschnittes der ur- 
sprünglichen Bindegewebslage hervor. 

In der Formentwicklung, welche durch 12 Wachsplatten- 
modelle des Echidnalabyrinths der verschiedenen Altersstufen 
illustriert wird, entspricht das Echidnalabyrinth in manchen Ab- 
schnitten im Bereiche der Pars superior dem höheren Säuger- 
labyrinth. In der Pars inferior zeigt es sich dagegen von diesem 
sehr verschieden y vor allem durch ausbleibende Entwicklung 
des gewundenen Schneckenrohres, welches durch die schwach 
nach aufwärts gekrümmte Pars basilaris ersetzt erscheint. An 
die Pars basilaris ist als selbständiger Abschnitt die Lagena an- 
geschlossen, die blind endet und eine besondere Nervenendstelle, 
Macula lagenae, trägt. Entlang der ganzen Pars basilaris er- 
streckt sich ein ausgedehntes Bindegewebslager, sowohl an der 
peripheren als an der axialen Seite des häutigen Kanals. Das 



57. Versammlang deutscher Natarforscher und Ärzte in Kassel. 61 

axiale Bindegewebe tritt hierbei für die Lamina spiralis ossea 
ein, welche aneh an der erwachsenen Echidna vollständig 
fehlt. 

Das innere Gehörorgan der erwachsenen Echidna umfaßt 
8 isolierte Nervenendstellen: 3 Gristae ampnllares, Macula utriculi, 
sacculi, lagenae, neglecta und Papilla basilaris, somit um zwei 
Nervenendstellen (Macula lagenae und neglecta) mehr als die 
höheren Säugetiere. 

Der Vortragende erörtert weiters unter eingehender Wür- 
digung der Literatur, daß, nachdem ursprünglich für die an 
einigen Wirbeltierklassen gefundenen, zwischen Utriculus, Saccu- 
las und unterer Ampulle gelegenen akzessorischen Nervenend- 
stellen Setz ins den Namen Macula neglecta eingeführt hat, 
derzeit bereits eine weitere Angabe nötig ist, da es sich, wenn 
man die ganze Tierreihe untersucht, ergibt, daß nicht alle der- 
artig gelegenen Nervenendstellen einander homolog sind. 
Alezander schlägt diesbezüglich für die an der Echidna acu- 
leata gefundene akzessorische Nervenendstelle den Namen Macula 
neglecta ampuUaris vor, welcher Namen der Nervenendstelle so- 
wohl nach ihrer Genese als auch nach ihrer topographischen 
Lage im erwachsenen Echidnalabyrinth gebührt. 

(Folgt Demonstration der Plattenmodelle und histologischen 
Präparate.) 

14. Der Vortragende hat die Gehörorgane verschiedener 
Sänger, Vögel und älterer Kinder auf elastische Fasern nach 
Weigert untersucht. Im Trommelfell finden sich elastische Fasern 
unter der Schleimhaut- und Eoriumschicht und in der Substantia 
propria derart, daß jedes Propriabündel eine Gruppe elastischer 
Fasern enthält und von elastischen Faserzügen umgeben wird. 
In der Membrana tympani secundaria finden sich, besonders bei 
Vögeln, reichliche elastische Fasern. Besonders an der vestibulären 
Seite der Membrana propria des sekundären Trommelfells finden 
sich schön entwickelte elastische Fasernetze, die manchmal um- 
fangreicher erscheinen als die elastischen Gewebe im eigentlichen 
Trommelfell. Weiters findet Watsuji elastische Fasern in der 
Membrana Incida der Bogengänge, an der Baphe, ausgedehnte 
Netze an den Skalen, am Ligamentum spirale, besonders in 
der Nähe des Knochens. In der knorpeligen Tube hat er ein 
zirkulär um das Tubenlumen angeordnetes Fasernetz ange- 
troffen. 



62 V. ALEXANDER, 75. Yenamml. deuttcber Natorfoncher a. Ante. 

Diskussion: 

Alexander möchte dem Vortragenden in der weitgehen- 
den physiologischen Verwertung seiner histologischen Befunde 
nicht folgen, nachdem sich wiederholt gezeigt hat, daß selbst 
sehr genaue histologische Bilder tfXr die Erklärung physiologischer 
Tatsachen nur unvollkommen verwendbar sind und man hierbei 
leicht Irrtümern unterliegt. Alexander fragt an, ob Watsuji 
an seinen Präparaten eine besondere reaktive Färbung unter 
dem Epithel des Sulcus spiralis externus gefunden hat, wobei 
an die von den Zylinderzellen des genannten Sulcus ausgehen- 
den, dendritisch verzweigten Zellfortsätze zu denken wäre, die 
Retzius an jungen Tieren mit Silberimprägnation, Alexander 
an jungen und erwachsenen Tieren wiederholt bei einfacher 
Färbung mit Hämatoxylin hat nachweisen können. 

Watsuji hat diese Fasern gesehen, kann aber ttber ihre 
eventuelle elastische Natur nichts Sicheres anasagen. 



VI. 

Schwierigkeiten der Begutachtung von Verletzungen 
bei missglückter Fremdkörpereztraktion ans dem änsseren 

Gehörgang 0. 

Von 

Dr. Ernst Leutert, a. o. ProfeB9or, Gießen. 

Schon Yalsalya war die außerordentliche Regenerations- 
fähigkeit des zerrissenen Trommelfelles bekannt. Die in neuerer 
Zeit häufig zu therapeutischen Zwecken vorgenommene Ent- 
fernung der beiden äußeren Gehörknöchelchen sowie auch des 
Steigbügels bei intaktem Trommelfelle, wobei letzteres in großer 
Ausdehnung verletzt werden muß, hat ergeben, daß nach diesem 
Eingriff fast stets eine vollkommene Regeneration des Trommel- 
felles eintritt. 

Wir haben uns infolge dieser Erfahrungen, wie mir scheint, 
daran gewöhnt, wenigstens eine große persistente Trommelfell- 
perforation als Folgezustand einer früher überstandenen chroni- 
fiehen Mittelohreiterung zu betrachten. Es ist mir nicht bekannt, 
daß die Frage, ob diese Auffassung berechtigt ist oder nicht, 
biBher erörtert worden ist, und doch ist ihre Beantwortung im 
positiven oder negativen Sinne bedeutungsvoll bei der Beurtei- 
lung von Herabsetzung des Hörvermögens nach einem Unfall. 

Von aktuellem Interesse kann die Beantwortung dieser Frage 
event bei der Begutachtung mißglückter Fremdkörperextraktionen 
ans dem äußeren Gehörgange werden. Der nachfolgende Fall 
möge dieses illustrieren. 

Gegen Ende des Jahres 1902 brachte mir ein Vater seinen 
4jährigen Knaben mit der Angabe, dieser habe sich vor einigen 
Tagen eine Erbse ins linke Ohr gesteckt. Der zugezogene Arzt 
habe versucht, den Fremdkörper mit einer Haarnadel zu ent- 
fernen, wobei das Ohr geblutet und das Kind Schmerzen gehabt 

1) Vortrag, gebalten auf der Naturforscherversammlung zu Kagsel 1908. 



64 VI. LEÜTERT 

habe. Nachdem die Entfemnng der Erbse nieht gelungen sei^ 
schicke der Arzt den Knaben za mir. 

Das rechte Trommelfell nnd das Hörvermögen waren nor- 
mal. Keine adenoide Vegetationen. 

Der linke Gehörgang war sta!^ versohwollen, am Eingang 
lag etwas Blut und eine Spur eitriger Flüssigkeit. Ich spülte den 
Gehörgang einmal mit steriler Kochsalzlösung unter geringem 
Drucke aus ; trotzdem floß die Spülflfissigkeit in kontinuierlichem 
Strahl durch das linke Nasenloch ab. Der Knabe ließ sich willig 
behandeln. Da er keinerlei Beschwerden hatte, so legte ich 
einen festen Verband an und bedeutete dem Vater, nach zirka 
8 Tagen wiederzukommen, falls der Knabe schmerz- und fieber- 
frei bleiben sollte, anderenfalls möge er ihn sofort wiederbringen. 
Nach diesen 8 Tagen war der Gehörgang teilweise abgeschwol- 
len, man konnte den Hammergriff, welcher an seiner Vorder- 
fl&che vom Trommelfell entblößt war, erkennen, nicht aber die 
Anwesenheit eines Fremdkörpers feststellen. Es bestand eine 
sehr geringe Eiterung; der Knabe hatte weder Schmerzen noch 
Fieber gehabt. Ich wartete abermals eine Woche ab, nach 
welcher Zeit der Gehörgang völlig abgeschwollen war. Es ließ 
sich nunmehr feststellen, daß ein runder Fremdkörper am Boden 
der Pauke lag. Die untere Trommelfellhälfte schien ganz zu 
fehlen, der yordere obere Trommelfellteil war vom Hammer ab- 
gelöst, de« hintere obere Quadrant stand anscheinend noch in 
Verbindung mit dem Hammer, dessen Lage nicht verändert er- 
schien. Die Paukenschleimhaut war leicht gerötet, kaum ge* 
schwollen. 

Der Versuch, den Fremdkörper mit der Spritze zu entfernen, 
wurde sofort aufgegeben, da die Kochsalzlösung wiederum im 
Strahl durch das linke Nasenloch abfloß. Der Fremdkörper 
wurde nunmehr in Narkose nach Ablösung der Ohrmuschel und 
der hinteren häutigen Gehörgangswand leicht mit einer zu einem 
Häkchen umgebogenen Sonde aus dünnem weichen Silberdraht 
entfernt. Es war eine Erbse, die beiden Hälften mußten einzeln 
herausbefördert werden. 

Die geringe Eiterung bestand noch ca. 14 Tage. Der vor- 
dere obere Trommelfellteil verwuchs wieder regelrecht mit dem 
Hammergriff. Weiter regenerierte das Trommelfell jedoch nicht ; 
es blieb eine große zentrale, fast nierenformige, jedoch etwas 
höher in den hinteren oberen Trommelfellquadranten hinein- 
reichende Perforation zurück. 3 Wochen nach der Operation 



Begutachtung Ton Verletzungen bei mißglückter Fremdkörperextraktion. 65 

wurde der Knabe geheilt entlassen, nachdem er im ganzen 8 mal 
bei mir gewesen war. Er hörte leise Flüstersprache direkt bis 
10 em; das Perzeptionsvermögen fßr Fis4 war mäßig, das für Gt 
stark herabgesetzt. Nach einem Vierteljahr war das Hörrermögen 
und der Trommelfellbefund unverändert. 

Der Vater klagt nun gegea den Arzt anf Schadenersatz, 
und ich bin aufgefordert, ein Gutachten darüber abzageben, ob 
der Beklagte durch eine gegen die „Eunstregeln verstoßende 
Behandlungsweise die Verletzung des Ohres des X. verursacht 
habe". 

Von Seiten des Klägers wird gerügt, daß der Beklagte den 
Fremdkörper ohne Spiegel und mittelst eines ungeeigneten In- 
strumentes (Haarnadel) zu entfernen versuchte. 

Die Nichtanwendung des Spiegels, besonders bei gleich- 
zeitiger Anwendung eines Instrumentes, entspricht sicherlich nicht 
der Auffassung, welche wir Otologen über Untersuchung und 
Behandlung eines Ohres haben. Aber es gibt zweifellos Fälle, 
in welchen ein im äußeren Teile des Gehörganges liegender 
Fremdkörper ohne Spiegel festgestellt und auch instrumenteil 
entfernt werden kann. Es soll sogar Kollegen geben, welche 
sich dessen als einer Kunst rühmen, daß sie Fremdkörper auch 
ohne Spiegel Instrumenten aus dem Gehörgange entfernen 
können. ,-. 

So sehr ich nun persönlich geneigt bin, die Anwendim j^ eines 
Instrumentes ohne Beflektor im vorliegenden Falle als einen 
Kunstfehler zu bezeichnen, so glaube ich doch, daß mir bei der 
Abgabe eines gerichtlichen Gutachtens die Berechtigung hierzu 
mangelt, denn ich darf diesem nicht allein meine Auffassung zu- 
grunde legen, sondern muß prüfen, ob der beklagte Arzt nicht 
etwa auf Grund andersartiger Auffassung von Fachgenossen zu 
seiner Behandlungsweise berechtigt war, oder sich wenigstens flir 
berechtigt halten durfte. 

Das letztere muß — ich kann nur sagen leider — bejaht 
werden. So fehlt z.B. in dem Lehrbuche Urbantschitschs 
Überhaupt der Hinweis auf die Anwendung des Beflektors bei 
Fremdkörperextraktionen aus dem Gehörgang. Auch die Worte 
Kflmmels in der Enzyklopädie der Ohrenheilkunde, daß alle in- 
stmmentellen Maßnahmen (bei Fremdkörperextraktionen) nur 
unter vollkommener Überwachung durch das Auge ausgeführt 
werden dürfen, sind nicht bestimmt genug, als daß ein Arzt daraus 
anf die Notwendigkeit der Anwendung des Spiegels schließen 

AiGhiy f. Ohrenheilkunde. LXI. Bd. 5 



66 VI. LEÜTERT 

mflßte* Erst in dem im vorigen Jahr ersehienenen Handbnoh der 
praktischen Chirurgie fordert Ettmmel bei der Besprechung der 
instrnmentellen Fremdkörperentfernnng, daß „der Fremdkörper 
unter Spiegelbeleuchtung dem Auge gut zugänglich gemacht 
werden kann^. Vielleicht haben diese Autoren die Anwendung 
des Spiegels ftir selbstyerst&ndlich gehalten, wiewohl auch 
Hartmann, welcher in dem betreJBTenden Kapitel seines Lehr- 
buches unter „Behandlung^ ebenfalls unterläßt, die Spiegel- 
beleuchtung als notwendig zu fordern, während er einleitend her- 
vorhebt, daß die Fremdkörper am gefährlichsten werden, wenn 
Extraktionsversttche ohne Beleuchtung vorgenommen werden. 

Dieser Mangel des Hinweises auf die Notwendigkeit der 
Anwendung des Reflektors bei Fällen vorliegender Art in den 
Schriften bekannter Ohrenärzte muß den Beklagten entlasten. 
Als ein Eunstfehler könnte die Behandlungsweise des Kollegen 
nunmehr nur dann bezeichnet werden, wenn feststünde, daß der 
Fremdkörper ohne Spiegel nicht, oder in ftlr die eventuelle Ent- 
fernung unzureichender Weise sichtbar gewesen ist. Letzteres 
entzieht sich aber meiner Beurteilung. 

Der zweite Punkt, welcher dem Kläger als Kunstfehler er- 
schienen ist, ist die Anwendung der Haarnadel. 

Hier muß zunächst noch einmal gesondert festgestellt werden, 
ob die instrumenteile Entfernung eines Fremdkörpers aus dem 
Gehörgange an sich gestattet ist, was nach den in den Lehr- 
büchern niedergelegten Anschauungen bejaht werden muß. 

Weiterhin muß untersucht werden, ob dieser Eingriff ohne 
Narkose vorgenommen werden darf. 

Im Kolleg warne ich meine Zuhörer bei Besprechung dieses 
Kapitels zwar ausdrücklich und eindringlich vor der instrumen- 
tellen Extraktion ohne Narkos6 und ohne Ablösung der Ohr- 
muschel, da ich der Meinung bin, daß ein Fremdkörper, welcher 
sich bei intaktem Trommelfelle nicht durch Spritzen entfernen 
läßt, ohne Narkose nicht entfernbar ist ; und daß man dann nur 
ausnahmsweise ohne Ablösung der Ohrmuschel auskommt. Die 
meisten Lehrbücher hingegen verwerfen die Extraktion ohne 
Narkose an sich nicht. 

Einige, wie Jacobson, warnen den praktischen Arzt 
energisch vor der instrumenteilen Entfernung ohne Narkose, die 
meisten fordern die Narkose wenigstens für die Kinder, anderen 
hingegen erscheint die Anwendung von Instrumenten ohne Nar- 
kose nicht gerade bedenklich. 



Begatachtang yon Verletzangen bei mlO^ftckter FremdkOrpereztraktion. 67 

So erwähnt Urbantsehitseh die Anwendang der Nar- 
kose bei instramenteller Extraktion Überhaupt nieht, nndKießel- 
baeh (Sbhwa.rtzes Handbneh) seheint sie nur bei besonders 
86hw0ren FftUen f&r notwendig zu halten, da er die Narkose 
erst bei Bespreohung dieses kurz erwähnt. Auch Ettmmel 
fordert sie nur fllr schwierigere Extraktionen (Handbuch der 
praktischen Chirurgie). 

Der praktische Arzt findet also in unseren Lehrbüchern 
Anweisungen betreffs Entfernung yon Fremdkörpern aus dem 
Gehörgang, nach denen die Anwendung von Instrumenten ohne 
Narkose durchaus gerechtfertigt ist 

Es ist hier weiterhin die Frage zu beantworten, ob die in- 
strumentelle Fremdkörperextraktion vorgenommen werden darf, 
bevor ausreichende Versuche mit der Spritze gemacht worden sind. 

Urbantsehitseh und Jacobson verlangen fftr alle 
Fälle, daß zunächst die Spritze angewandt wird. Hartmann, 
Eießelbaeh und Politzer erklären das Ausspritzen fftr die 
souveräne Methode, welche fast ausnahmslos zum Ziele führt. 
Doeh fährt Hartmann dann fort: „Es gibt eine Anzahl von 
Fällen, Fremdkörper, die aufquellen, oder solche mit unregel- 
mäßiger Oberfläche, welche zwischen die Gehörgangswände ein- 
geklemmt sind, und bei denen der Wasserstrahl nicht ausreicht, 
sie aus ihrer Lage zu bringen. In solchen Fällen muß zu den 
Extraktionsinstrnmenten gegriffen werden.^ Kirchner hingegen 
bespricht unter ^Behandlung^ zunächst die instrumentelle Ent- 
fernung, mit der es bei guter Beleuchtung und richtiger Haltung 
des Patienten nicht schwer gelänge, einen nicht eingekeilten 
Fremdkörper herauszubefördern; erst auf der nächsten Seite sagt 
er dann, daß es am zweckmäßigsten sei, zuerst die einfachste 
Methode, \, welche auch meistens sich sehr wirksam erweist^, 
das Ausspritzen anzuwenden. Bei weichen Samenkörnern, Jo- 
hannisbrotkemen , Erbsen^ die bereits so stark gequollen sind, 
daß sie sich ganz fest an die Gehörgangswände anschmiegen, 
dürften die forcierten Wasserinjektionen nicht lange fortgesetzt 
werden, da dadurch der Fremdkörper statt nach außen, sogar 
noch tiefer nach innen getrieben würde. Kümmel (Enzyklo- 
pädie der Ohrenheilkunde) schreibt: „Die Extraktion der Fremd- 
körper ist bei unzweckmäßiger Handhabung eine sehr gefährliche 
Maßnahme^. Da sagt natürlich der Belehrung suchende Arzt, ich 
handhabe mein Instrument nicht unzweckmäßig, also ist die 
Extraktion bei mir nicht gefährlich. Kümmel fahrt dann fort: 



68 VI. LEUTERT 

^Uabedenkliob ist nur das Ausspülen, jedoch können Fremdkörper 
von ann&hernd kngeliger Gestalt, wenn sie ihre Basis nach außen 
kehren, dadurch in die Tiefe geschoben werden. In der großen 
Mehrzahl aller übrigen Fälle kommt man mit dem Ausspritzen 
allein zu Bande . • • / Da nun aber die meisten Fremdkörper 
im Gehörgang „ann&hernd kugelige'' Gestalt haben, so muß 
der Praktiker aus diesen Sätzen entnehmen, daß das Ausspritzen 
nicht nur eine unsichere Methode ist, sondern daß es die Situation 
sogar verschlimmern kann^). Jedenfalls teilen die letztgenannten 
Autoren nicht den Standpunkt der erstgenannten, da sie beide 
Behandlungsmethoden als berechtigt nebeneinander stellen. Der 
beklagte Arzt, welcher zum Instrument griff, ohne zuvor die 
Spritze versucht zu haben, kann sich daher betreffs der Berech- 
tigung seiner Behandlungsweise in dieser Beziehung auf die 
letztgenannten Autoren berufen. 

Das Hauptgewicht scheint die Anklage auf die Verwendung 
der Haarnadel als Instrument zu legen. Aber Hartmann und 
Urbantschitsch, haben wie früher Deleau, die Haarnadel als 
Instrument für Fremdkörperexiraktionen aus dem Ohr ausdrück- 
lich empfohlen, womit der beklagte Arzt auch in dieser Beziehung 
vor' jedem Vorwurf gesichert erscheint 2). 

Es ist nunmehr die Frage zu beantworten, ob der Arzt durch 
die Art und Weise, wie er den Extraktionsversuch vorgenommen, 
bezw. wie er das Instrument gehandhabt hat, gegen dieEunst- 



1) Der beklagte Arzt scheint tatsächlich dieser Meinung gewesen zu 
sein, denn in der Gerich tsyerhandlnng erhl&rte die Schwester des Knaben 
als Zeugin, der Arzt habe bei Beginn der Behandlung erklärt, die Spritze 
sei hier nicht am Platze. 

2) In der GerichtsTerhandlung wurde seitens der Schwester des Ejiaben 
als Zeugin besonders betont, daß die vom Arzt angewandte Haarnadel oben 
nicht abgebogen gewesen sei, wie es Hartmann verlange (der Verteidiger 
legte dieses Lehrbuch Tor). Der beklagte Arzt bestritt dieses und bot zwei 
Zeugen dafür an, daß er die Haarnadel Torher abgebogen habe. Als Sach- 
verständiger erklärte ich, ich nähme nicht an, daß die beiden Autoren, 
welche die abgebogene Haarnadel empfohlen haben, einen derartigen Wert 
auf das Wort „abgebogen'* gelegt wissen wollten, daß sie die nicht ab- 
gebogene als Instrument direkt verwerfen würden; denn es gebe sicherlich 
Fälle, wo ein nicht zu tief liegender Fremdkörper auch mittelst einer ge- 
raden Haarnadel entfembar ist. Das Umbiegen sei den Autoren wohl nur 
selbstverständlich erschienen, um hinter den Fremdkörper gelangen zu können. 
Um die Gefahr der Verletzung des Gehörgangs nach Möglichkeit zu Yer- 
ringern, genfige es, eine oben möglichst stumpfe Haarnadel zu wählen, wenn 
es einmal gestattet ist, diese als Instrument zu benutzen. 



Begntacbtong von Verletzungen bei mißglackter Fremdkörperextraktion. 69 

regeln verstoßen hat Das Urteil hierüber basiert auf dem Be- 
fand, welchen der Knabe znr Zeit meiner Untersnehnngen darbot. 

Die leichte Blutung und die Schwellung des Gehörganges 
jsind zweifellos auf Rechnung von Verletzungen zu setzen, welche 
bei dem Extraktionsrersuch stattgefunden haben; es kann jedoch 
nicht gesagt werden, ob der Arzt die Schuld an diesen Ver-. 
letzungen tr&gt Das Kind hat rielleicht Abwehrbewegungen 
gemacht, welche von dem Arzt unmöglich vorher in Rechnung 
gezogen werden konnten. Es kann daher ein Urteil hierüber 
nicht abgegeben werden. Im übrigen sind die G-ehörgangsver- 
letzungen so geringfügig gewesen — sie sind alsbald vollkommen 
verheilt — , daß sie bei Beurteilung des Falles wohl außer Be- 
tracht gelassen werden können. Anders steht es mit der Ver- 
letzung des Trommelfelles. Daß eine solche stattgefunden hat, 
geht unzweifelhaft daraus hervor, daß der vordere obere Teil 
des Trommelfelles vom Hammergri£f losgelöst war, so daß letzterer 
als weiße Linie als vordere Begrenzung des hinteren oberen 
Trommelfellteiles erschien. Ist der Arzt für diese Verletzung 
verantwortlich zu machen, oder kann wiederum zu seinen Gunsten 
angenommen werden, daß ein vorher unberechenbarer Faktor 
die Verletzung herbeigeführt hat? 

Vor Beantwortung dieser Frage muß man sich vergegen- 
wärtigen, daß jedem Arzt bekannt sein muß, daß eine Anzahl 
Todesfälle nach mißglückter, meist ohne genügende Beleuchtung 
vorgenommener Fremdkörperextraktionen publiziert worden sind. 

Kießelbach stellt in Schwartzes Handbuch 13 Fälle 
zusammen, Kümmel spricht von mindestens 15 Fällen, die Zahl 
der. in Wirklichkeit auf diese Art zugrunde gegangenen Kinder 
ist natürlich viel höher. Wenn der beklagte Arzt daher trotz* 
dem ohne Reflektor und Narkose zur Extraktion schritt, so mußte 
er sieh bewußt sein, daß er die äußerste Vorsicht anzuwenden 
hatte. Wie bereits erwähnt, durfte er unter keinen Umständen 
weiter arbeiten, wenn er das Instrument und den Fremdkörper 
nicht im Auge behalten konnte. Es ist nun als sicher anzu- 
nehmen, daß er beim Eintritt der Trommelfellverletzung weder 
den Fremdkörper noch das andere Ende des Instrumentes sah, 
dahingegen kann nicht mit der für ein Gutachten nötigen Sicher* 
heit behauptet werden, daß dieses seine Schuld war. Es ist 
nicht völlig ausgeschlossen, daß eine besonders heftige, stoßweise 
Bewegung des Knaben das Trommelfell heftig gegen den Fremd- 
körper und das Instrument so plötzlich gestoßen hat, daß es dem 



70 VI. LEÜTERT 

Arzt trotz größter Yorsioht nicht möglieb war, das Instrument, 
welches den Fremdkörper yielleicht gerade gut gefaßt hatte, 
schnell genng wieder aus dem Gehörgang herauszuziehen. 
Ich nehme an, daß der Arzt, nachdem diese Verletzung ein- 
getreten war, von weiteren Versuchen Abstand genommen hat, 
was wohl auch daraus hervorgeht, daß er es war, welcher den 
Knaben der Gießener Ohrenklinik fiberwies. Es erscheint dem- 
nach eine Schuld des Beklagten auch in dieser Beziehung nicht 
mit Sicherheit nachweisbar. 

Es muß nun aber zum Schluß noch eine andere Frage er- 
örtert werden, welche eigentlich zuerst hätte beantwortet werden 
mflssen : Ist denn Überhaupt eine Sch&digung des Börveimögens 
des Knaben durch den Extraktionsversuch hervorgerufen worden? 
Der Kl&ger nimmt dieses als selbstverständlich an, denn das 
Trommelfell ist verletzt worden, und in Laienkreisen ist die irrige 
Annahme gebräuchlich, daß eine Verletzung des Trommelfells 
an und fttr sich Schwerhörigkeit zur Folge haben muß« Weiter- 
hin behauptet der Kläger, daß sein Sohn nie an einer Ohren- 
krankheit gelitten habe oder schwerhörig gewesen sei* Daß 
letzteres ganz und* gar kein Beweis dagegen ist, daß der Knabe 
früher eine Ohreiterung durchgemacht hat, welche Schwerhörig- 
keit zurttckließy brauche ich in diesem Kreise nicht zu erörtern, 
nachdem feststeht, daß selbst schwere und langdauernde Eiterungen 
häufig von den Eltern flbersehen werden. 

Hat also nicht vielleicht bereits vorher eine Trommelfell- 
perföration und Schwerhörigkeit bestanden? Da die Ohren des 
Knaben früher nie ärztlich untersucht zu sein scheinen, so ist 
dieses a priori nicht auszuschließen. Es fragt sich nun aber 
weiter, ob man aus dem Umstand, daß eine große Perforation 
zurückgeblieben ist, eventuell aus deren Form, einen Rückschluß 
auf das frühere Intaktsein oder Nichtintaktsein des Trommelfells 
ziehen kann ; mit anderen Worten kann eine große, annähernd nieren- 
formige Perforation, wie sie in diesem Falle zurückgeblieben ist, 
überhaupt nach einer Trommelfellzerreißung zurückbleiben, an 
welche sich keine irgendwie erhebliche Eiterung angeschlossen 
hatte? Diese Frage scheint, wie ich eingangs erwähnte, bisher 
noch nicht erörtert worden zu sein, und ich bitte die Herrn 
Kollegen, mir ihre Ansichten hierüber mitteilen zu wollen. Nach 
unseren in der Einleitung hervorgehobenen Erfahrungen über die 
erstaunliche Begenerationsfilhigkeit des Trommelfells muß es 
jedenfalls auffällig erscheinen, daß in diesem Falle^ in welchem 



Begutachtung yon Verletzungen bei mißglückter Fremdkörperextraktion. 7 1 

eine Laxation der Gehörknöehelchen anseheiaend nicht statt- 
gefunden hat, auch die Randpartien, von welchen aus sich das 
Trommelfell regeneriert, nicht zerstört worden sind, die völlige 
Regeneration des Trommelfells ausgeblieben ist. Da ich mir eine 
Erklärung hierfür nicht geben kann, so bin ich vorläufig zu der 
Annahme geneigt, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen 
der jetzt bestehenden Trommelfellperforation und der Verletzung 
nicht vorliegt, jedenfalls es für wahrscheinlicher zu halten, daß be- 
reits vor dem Extraktionsversuch, eine Perforation von annähernd 
gleicher Form wie jetzt bestanden hat. f>er Fall würde dann 
folgendermaßen zu beurteilen sein: 

Erstens kann nicht gesagt werden, ob die tatsächlich er- 
folgte Zerreißung des Trommelfelles ftberhaupt einen schädigen- 
den Einfluß auf das noch vorhanden gewesene Hörvermögen 
des Knaben gehabt hat, denn es wäre nur die Ablösung des 
vorderen oberen Trommelfellteiles auf Sechnung des Extraktions^ 
Versuches zu setzen; diese ist nachgewiesenermaßen verheilt und 
damit der frfthere Zustand wiederhergestellt. Zweitens liegt die 
Möglichkeit vor, daß der Einriß überhaupt nicht erfolgt wäre, 
wenn die Perforation nicht bereits bestanden hätte. Ein* intaktes 
Trommelfell hätte vielleicht dem Drucke der Erbse — das In- 
strument hat das Trommelfell vielleicht gar nicht berührt — 
standgehalten, das weit perforierte riß jedoch in seinem oberen 
Teile ein, da die Erbse zum Teil in die Perforation eintreten 
und damit das Trommelfell übermäßig anspannen konnte. 

Diese Möglichkeit muß zugunsten des Arztes hervorgehoben 
werden, obgleich letzterer schon dadurch entlastet erscheint, daß 
der Gutachter die Frage, ob eine Schädigung des Hörvermögens 
stattgefunden hat oder nicht, überhaupt nicht beantworten kann, 
da der Beweis, daß das verletzte Ohr früher intakt gewesen ist^ 
nicht erbracht werden kann. 

Für die Auffassung, daß die vorhandene Trommelfellperfo- 
ration bereits früher bestanden hat, könnten noch folgende, aller- 
dings unsichere Beweisgründe angeführt werden. Erstens hat 
der Enabe bei der Trommelfellverletznng anscheinend wenig 
Schmerz gehabt, er ließ sich später ohne Scheu untersuchen; 
dieses spricht mehr dafür, daß nur ein Einriß an der Vorderseite 
des Hammers stattgefunden hat, nicht aber für eine ausgedehnte 
Zerreißung. Zweitens ist die reaktive Entzündung nach der Ver- 
letzung eine sehr geringe gewesen; die Eiterung war minimal, 
es bestanden weder Schmerzen noch Temperatursteigerung, die 



72 VI. LEüTERT 

Sehleimhaut war nicht geschwollen (die Spttlflttssigkeit floß frei 
durch die Tuba ab). Drittens war das Exsudat von yornherein 
eitrig, als wenn eine frühere chronische Eiterung durch die 
Reize wieder aufgeflackert wäre. 

Ich komme daher zu folgenden Schltlssen: 

1. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, daß dureh 
die Verletzung des Trommelfelles eine Schädigung des Hörver- 
mögens stattgefunden hat, da nicht feststeht, daß das Trommel- 
fell des Knaben früher intakt und das Hörrermögen des Enabeu 
normal, bezw. besser war als jetzt. 

2. Die Behandlungsweise des beklagten Arztes ist sicher die 
schlechteste, welche angewandt werden konnte, doch kann sie 
nicht als eine gegen die Eunstregeln verstoßende bezeichnet 
werden, so lange anerkannte Lehrer der Ohrenheilkunde die 
Extraktion von Fremdkörpern mittelst Instrumenten empfehlen, 
ohne hierbei mit Bestimmtheit die Anwendung des Reflektors 
und die Narkose, wenigstens bei Kindern, zu fordern. 

Dieser letzte Satz sagt mit anderen Worten: Es ist dem 
Kläger zuzugeben, daß die angewandte Methode eine schlechte 
ist ; die Verantwortung f&r die Gefahren, welchen derartige Pa- 
tienten ausgesetzt sind, trifft jedoch nicht den beklagten Arzt, 
sondern die in diesem Punkte mangelnde Einheitlichkeit und 
Bestimmtheit in der Darstellung der Therapie in mehreren un- 
serer Lehrbücher bezw. Schriften. In welcher Form könnte nun 
wohl diese Einigkeit erzielt werden? 

Ich glaube, daß heute kaum in einem Fache der Medizin 
eine Operationsmethode empfohlen wird, deren Gefährlichkeit 
hinreichend bekannt ist, und an deren Stelle eine andere un- 
gefährliehe, fast stets zum Ziele führende, zur Verßlgung steht. 
Sollten wir die Methode der instrumenteilen Extraktion nieht 
gänzlich entbehren können und sie daher wegen ihrer Gefähr- 
lichkeit verwerfen und lediglich mit der Spritze und nur in 
seltenen Ausnahmefällen mit der Extraktion in Narkose ans- 
kommen? 

Jacobson sucht die Operation dadurch ihrer großen Gre- 
fährlichkeit zu entkleiden , daß er sie für den Ohrenarzt reser- 
viert wissen will. Ich glaube zwar, daß sie auch dann noch 
gefährlich bleibt, wäre aber geneigt, mich Jacobson anzu- 
schließen und auf dieser Basis eine Einigkeit zu erstreben; doch 
halte ich diesen Vorschlag für praktisch undurchführbar. In der 
Medizin kann nicht nach dem Satze quod licet jovi etc. ver- 



B^rutachtung von Verletzungen bei mißglückter Fremdkörperextraktion. 73 

fahren werden, jeder Arzt ist berechtigt, dieselbe Methode att- 
zawenden, welche dem ^Spezialisten^ anwendbar erscheint. 

Ich glaube nun aber in der Tat, daß der Arzt, Spezialist 
oder nicht, in so gut wie allen Fällen, deren Behandlung noch 
nicht durch vorausgegangene Extraktionsyersuche erschwert ist, 
mit der Spritze auskommt; daß jedenfalls bei denjenigei\ Fällen, 
in welchen die ordnungsgemäß und wiederholt, d. h. eyentuell 
in mehreren Sitzungen, angewandte Spritze nicht zum Ziele f&hrt, 
auch die instrumentelle Extraktion ohne Narkose nicht gelingt. 
Ausgenommen sind die Fälle, bei welchen bereits eine Trommel- 
fellperforation vorliegt, und die Tuba so weit ist, daß die Spül- 
flflssigkeit durch diese abfließt, so daß ein kräftiger rückläufiger 
Strom nicht zustande kommen kann. 

Ich möchte daher zunächst dafttr plädieren, daß die in- 
strumentelle Extraktion ohne Narkose, abgesehen von ganz be- 
stimmten Fällen, überhaupt in Acht und Bann erklärt wird, 
behalte mir jedoch definitive Vorschläge für mein Schlußwort 
in der Diskussion vor. 

Schlußwort zur Diskussion. Herrn Alexander er- 
widere ich, daß es meines Erachtens nicht angängig ist, im vor- 
liegenden Falle einen Eunstfehler als erwiesen anzunehmen, 
weil die Behandlungsweise des beklagten Arztes den Anleitungen 
eines einzelnen Otologen widerspricht. Im vorliegenden Falle 
handelt es sich zudem um ein Lehrbuch, dessen Kenntnis von 
einem reichsdeutschen Arzt überhaupt nicht ohne weiteres ver- 
langt werden kann, da genügend Lehrbücher reichsdeutscher 
Lehrer der Otologie vorliegen. 

Nachdem die Diskussion ergeben hat, daß eine Einigung 
betreffs gänzlicher Verwerfung der instrumentellen Extraktion 
ohne Narkose nicht zu erzielen ist, erlaube ich mir vorschlags- 
weise folgende Grundsätze für die Behandlung der Fremdkörper 
im äußeren Gehörgange aufzustellen, deren nicht speziell moti- 
vierte Nichtbefolgung nach erzielter Einigkeit unter den Oto- 
logen künftig ausdrücklich als ein Eunstfehler bezeichnet und 
begutachtet werden müßte. 

1. Die Entfernung von Fremdkörpern darf in allen frischen 
Fällen zunächst nur mittelst der Spritze vorgenommen werden, 
und soll man sich nicht mit einer einmaligen Sitzung begnügen, 
sondern die Ausspritzungen in gewissen Zeitabständen wieder- 
holen, falls nicht ernste Symptome die sofortige Entfernung des 
Fremdkörpers erfordern. Abweichungen von dieser Vorschrift 



74 VI. LEÜTERT 

sind nur gestattet, wenn bereits eine Perforation des Trommel- 
felles vorliegt und die Tnbe weit ist, so daß ein kräftiger, rück- 
läufiger Strom nicht erzielt werden kann, oder wenn der Fremd- 
körper so weich ist, daß er bequem und sicher mit einer 
Hakenpinzette zu fassen ist (z. B* Speekstüeke und Watte, nicht 
aber Leguminosen I). 

2. Führt die in wiederholten Sitzungen sachgemäß an- 
gewandte Spritze nicht zum Ziele, so darf der Arzt, jedoch nur 
unter Anwendung des Reflektors und bei guter Beleuchtung bei 
Erwachsenen, zu dem ihm passend scheinenden Instrument 
greifen; bei Kindern jedoch nur dann, wenn sich letzteres so 
in ein eventuelles Lumen des Fremdkörpers oder hinter diesem 
einflihren läßt, daß hierbei eine Berührung der Gehörgangs-' 
wände sicher vermieden werden kann. In allen anderen Fällen 
und sowie die geringste Blutung erfolgt ist, muß bei Kindern 
die Narkose angewandt werden. Führen die Extraktionsver- 
suche alsdann nicht bald zum Ziel, so soll zuvor die Ohrmuschel 
und die hintere häutige Gehörgangswand abgelöst werden» 

3. Sind bereits Extraktionsversuche mit Verletzung des 
äußeren Gehörgangs vorangegangen, so ist abzuwarten, bis die 
Verletzungen wieder verheilt sind. Alsdann ist zunächst wieder 
so zu verfahren, als wenn der Fall unberührt wäre. Drängen 
ernsthafte Symptome zu sofortiger Entfernung, so darf diese nur 
in Narkose geschehen. 

Nachtrag. 

Anfang Oktober dieses Jahres, zirka 14 Tage vor der Ge- 
richtsverhandlung, untersuchte ich den Knaben nochmals. Die 
Perforation hatte sich erheblich vergrößert, ohne daß Eiterung 
bemerkt worden, oder das Überstehen einer solchen erkennbar 
gewesen wäre. Es stand ringsum nur noch ein ganz schmaler 
Trommelfellsaum ; der Hammer war völlig retrahiert, lag fast 
horizontal und nach hinten, der Steigbügel war sichtbar, doch 
konnte nicht festgestellt werden, ob das Amboß-Steigbügelgelenk 
intakt war. Das Hörvermögen war dasselbe. Für diese Ver- 
größerung der Perforation ohne gleichzeitig bestehenden entzünd- 
lichen Prozeß kann eine Erklärung nicht mit Sicherheit gegeben 
werden. Vielleicht ist der Trommelfellschwund die Folge einer 
Thrombose der am Hammergrifi^ herunterziehenden kleinen arte- 
riellen Gefäße (in dieser Sichtung verlief der Riß !), welche erst 
allmählich komplett geworden ist. Wenn diese Annahme richtig 



Begutachtung Yon Verletzungen bei mißglflckter Fremdkörpereztraktion. 75 

wäre, dann könnte die Thrombose wohl als eine Folge des 
Traumas betrachtet werden, und dann könnte weiterhin ange- 
nommen werden^ daß der ganze Trommelfelldefekt und die 
Herabsetzung des Hörvermögens Folge der Verletzung sei. 

leb gab mein Gutachten in diesem Punkte dahin ab, daß 
ich vor der letzten Untersuchung der Ansicht zuneigte, der vor- 
handene Trommel/elldefekt sei Folge einer früher überstandenen 
Eiterung, daß ich es jetzt aber ttix wahrscheinlicher hielte, daß 
er Folge der Verletzung sei. Doch seien dieses mehr wissen- 
schaftliche Erwägungen und ich sei weit entfernt davon, ein 
bestimmtes urteil abgeben zu wollen. Nur wenn der Kläger 
ein ärztliches Attest vorweisen könnte , daß Trommelfell und 
Gehör des betreffenden Ohres bis zu einem halben Jahr vor 
dem Extraktionsversuch normal gewesen seien, würde ich mich 
bestimmt in letztgenanntem Sinne äußern können. 

Durch die Zeugenaussage der erwachsenen Schwester des 
Knaben wurde festgestellt, daß der Arzt, entgegen meiner früheren 
Annahme, die Extraktionsversuche fortgesetzt habe, nachdem 
etwas Blut aus dem Ohr „getropft'^ sei. Auf diese Aussage hin 
erklärte ich, daß ich trotzdem die Behandlungsweise des Arztes 
nur dann als eine gegen die Eunstregeln verstoßende bezeichnen 
konnte, wenn nachgewiesen würde, daß dieser wegen des Blutes 
den Fremdkörper nicht sehen konnte, resp. nicht kontrollieren 
konnte, wo er sein Instrument ansetzte. 

Die Verhandlung wurde vertagt. 



VII. 

Ans der Basano waschen Klinik für Ohren-, Nasen- und Hals- 
krankheiten an der kaiserl. Universität in Moskau. 

Über einige topographische Ver&ndenmgen des Schläfen- 
beins in Abhängigkeit von der Schädelform. 

Von 

Alexander Iwanofl^ Asgisteniarzt. 

Der Einfloß der Sehftdelform auf die topographischen Ver- 
hältnisse der versohiedenen Teile des Schläfenbeins ist von 
manchen Forschern aus rein chirurgischem Interesse zum Gegen- 
stand eifrigen Studiums gemacht worden; man hoffte, aus der 
Schädelform wenigstens ungefähre Schlüsse ziehen zu können 
darüber, was man bei der Aufmeißelung des Warzenfortsatzes 
und der Mittelohrhöhlen vorfinden wird: wird der Warzenfortsatz 
porös oder kompakt sein, wird der Sinus vorliegen, wie hoch 
der Boden der mittleren Schädelgrube steht usw. In dieser 
Sichtung hat sich besonders Körner (1)0 hervorgetan. 

In neuerer Zeit hat Danziger jedoch die Meinung aus- 
gesprochen, daß in den Schläfenbeinen in Abhängigkeit von der 
Schädelform solche Veränderungen in bezug auf Lage und Form 
der einzelnen Teile beobachtet werden, die die Funktion des 
Gehörapparats selbst in sehr ernster Weise zu beeinflussen ver- 
mögen. 

Indem er den Schädelbau bei Taubstummen untersuchte, 
fand Danziger, daß bei Taubstummen nur die Schädelbasis 
eine Veränderung erfährt, welche sich dadurch kundgibt, daß 
sich die Länge der Basis im Verhältnis zu der Breite verringert, 
so daß die Lage der Pyramiden der Schläfenbeine eine mehr 
transversale wird; zugleich steigen die mit dem Glivus des 

1) Diese Ziffern beziehen sich auf das Literatunrerzeichnis am Schlosse 
dieser Arbeit. 



über einige topographische Yer&ndeningeii des Schl&fenbeins. 77 

Hinterhauptbeins verbundenen Spitzen der Pyramiden in die 
Höhe und machen eine Drehung naeh hinten. Am normalen 
Schädel macht die Pyramide des Schläfenbeins am ihre Längs- 
achse eine spirale Drehung, wobei der periphere Teil derselben 
eine Bewegung von vom und unten nach hinten und oben voll- 
zieht; bei Taubstummen ist der periphere Teil der Pyramide mehr 
naeh oben als nach unten gezogen ; die Spitzen der Pyramiden sind 
gleichfalls nach oben gezogen und nach hinten abgelenkt. Diese 
abnorme Drehung der Pyramiden um ihre Achse, wie sie bei Taub- 
stummen wahrgenommen wird, führt zur Verkleinerung, zur Kom- 
pression der Höhlen, die in der Pyramide eingeschlossen sind. 

Das Trommelfell ist bei den Taubstummen stark zur horizon- 
talen Ebene geneigt, da bei höherer Lage der zentralen Teile der 
Pyramide der obere Band des Gehörganges sich naeh vorn und 
nach der Seite neigt, während der untere Rand einen Zug nach 
hinten erfährt« Infolge ihrer horizontalen Lage nähert sieh da» 
Trommelfell der vorderen Wand der Trommelhöhle, der ßaum^ 
in dem sieh die Gehörknöchelchen befinden, verkleinert sich, die 
Gehörknöchelchen selbst erfahren eine stärkere Kompression und 
eine Einschränkung ihrer Beweglichkeit, der Steigbügel wird tiefer 
in das ovale Fenster hineingedrückt, und dadurch wird der Druck 
der Labyrinthflüssigkeit erhöht. Ferner führt die abnorme Drehung 
der Pyr&midc um ihre Achse dahin, daß der obere Ganalis semi- 
eireularis eine Torsion erfährt und bisweilen ganz obliteriert wird ; 
das runde Fenster wird sehr klein und verschwindet bisweilen so- 
gar ganz. 

Alle diese anatomischen Veränderungen der Pyramiden der 
Schläfenbeine werden von Dan zig er als die Grund- und Haupt- 
ursache der angeborenen Taubheit angesehen. 

Trotz ihres scheinbar wohldurchdachten Aufbaues ist die 
Theorie Danzigers im Grund genommen doch äußerst hypo- 
thetisch; von der einmal angenommenen abnormen Umdrehung 
der Pyramide um ihre Achse ausgehend, konstruiert Danzig er 
auf dem Wege der reinen Logik fernere Veränderungen der 
anatomischen Verhältnisse der Pyramiden ; in seiner Monographie 
berichtet Danziger nicht über eine einzige Messung de& 
Schädels oder des Schläfenbeins; desgleichen gibt er nicht an, 
wie häufig und in welchem Grade die Verkürzung der Länge 
des Schädelgrundes Veränderungen in der Lage der Schläfen- 
beine hervorruft. Nichtsdestoweniger verdient der von diesem 
Antor hervorgehobene neue Faktor in der Pathologie des Schläfen- 



78 VIL IWANOFF 

being in Form einer veränderten Drehung der Pyramide am ihre 
Aehse besondere Beaehtang und bietet hohes Interesse dar. 

Bei meinen Untersnchangen snehte ieh zu ergründen, inwie- 
fern die Sohädelform die relative Lage der Sehlftfenbeiae im 
Sohädel, sowie den Grad der Drehung der Pyramiden beeinflußt ; 
zweitens snehte ich, indem ioh das mir zar YerfUgung stehende 
Material verwertete, nebenbei noeh die Frage zu beantworten, 
ob die Form des Schädels und die äußere Gestalt des Schläfen- 
beins erkennen lassen können, wie tief in dem betreffenden 
Schläfenbein der Sinus transversus liegt. Um auf die Frage des 
Einflusses der Schläfenform auf die Lage der Schläfenbeine eine 
genaue Antwort geben zu können, müßte man eine möglichst 
große Anzahl von Schädeln messen; da aber fUr diese Unter- 
suchung nur entweder in der Horizontalebene oder in der verti- 
kalen Medianebene durchgesägte Schädel geeignet sind, so maßten 
die Messungen auf 55 Schädel, welche in anatomischen und 
anthropologischen Museen gefunden wurden, beschränkt bleiben. 
Der quantitative Mangel an Schädeln wird bis zu einem ge- 
wissen Grade durch den Umstand kompensiert, daß unter den 
untersuchten Schädeln ziemlich viele äußerste Formen, d. h. stark 
ausgesprochene dolichozephallsche und brachyzephalische Sohädel 
vorhanden waren: Bekanntlich vermag das Studium weniger 
äußerster Formen wertvollere Besultate fQr die Lösung der auf- 
geworfenen Frage zu liefern, als die Untersuchung einer größeren 
Anzahl von mittleren Formen (von mesozephalischen Schädeln). 

Bei der Untersuchung der Schädel wurden folgende Ent- 
fernungen gemessen: 

1. Die größte Länge und Breite des Schädels. Daraus wurde 

nach der bekannten Formel = — ^^ der Schädelindex be- 
Länge 

rechnet. 

2. Die Länge des Schädelgrundes, welche von der Mitte des 
vorderen Bandes des Foramen occipitale bis zur Mitte der Sutura 
naso-frontalis gemessen wurde. 

3. Die Breite des Sohädelgrundes , welche durch die Ent- 
fernung zwischen den Spitzen der Warzenfortsätze gemessen wurde. 

4. Der Winkel, der von den oberen Bändern der Pyramiden 
gebildet wird. 

5. Die Länge des oberen Bandes der Pyramiden der Schläfen- 
beine, welche zwischen 2 Punkten gemessen wurde: zwischen 
dem vorderen, wo sieh der obere Band der Spitze der Pyramide 



über einige topographigche Ver&nderangen des Schl&fenbeins. 79 

mit dem Clivus des Hinterhauptbeins vereinigt, und dem hinteren^ 
wo der obere Band der Pyramide die Sutnra squamosa krenzt. 

6. Die Entfernung zwisehen den Öffnungen der Meatus audi- 
torii interni (die Schenkel des Zirkels wurden stets auf die 
hinteren Bänder dieser Offnungen gestellt. 

7. Die Breite des Clivus des Hinterhauptbeins in der Höhe 
der oberen Bänder der Pyramiden. 

8. Der Winkel zwischen der oberen Oberfläche der Pyra- 
miden an der Stelle, wo sieh die Grube zur Aufnahme des 
Ganglion Gasseri befindet, und der hinteren Oberfläche in der 
Partie, welche der oben erwähnten Grube entspricht. Ich habe 
dieses Plateau zur Messung aus dem Grunde gewählt, weil hier 
die Enochenoberfläche fast stets glatt, eben und zur Auflegung der 
kleinen Bleipatte, mit der die Messungen ausgeführt wurden, ge- 
eignet ist. 

9. Die Dicke der äußeren Wand des Sinus transversus an der 
dünnsten Stelle desselben in der Gegend des Warzenfortsatzes. 

10. Die kleinste Entfernung zwischen Spina supra meatum 
und der Wand des Sinus transversus (Fossa sigmoidea). 

11. Der Winkel, der vom Planum mastoideum und von der 
hinteren Wand des Meatus auditorius externus gebildet wird. 

12. Der lange und kurze Durchmesser der Öffnung des 
Meatus auditorius externus. 

Außerdem wurde noch auf das Vorhandensein von Offnungen 
im Tegmen tympani, auf die Größe und die Bichtung der Spina 
supra meatum und auf die Tiefe der Fossa mastoidea geachtet. 

Alle oben angeführten Offnungen wurden mittelst eines 
gleitenden Zirkels gemessen; der Winkel zwischen den Pyra- 
miden wurde mittelst einfachen Zirkels gemessen, dessen Sehenkel 
auf die oberen Bänder der Pyramiden angelegt wurden. Der 
Winkel zwischen den oberen und unteren Oberflächen der 
Pyramiden (8) wurde mittelst eines Bleiplättchens gemessen, 
welches gegen die bezeichneten Oberflächen festgedrtlckt wurde; 
nach dem Bleiplättchen wurde der Winkel auf Papier gezeichnet 
und dann in üblicher Weise mit dem Winkelgradmesser gemessen. 

Sämtliche gewonnenen zahlenmäßigen Befunde sind in einer 
Tabelle zusammengestellt, in der die Schädel je nach der Steigung 
des Schädelindex angeordnet sind, d. h. es kommen zunächst 
die äußersten dolichozephalisehen, dann die dolichozephalischen, 
mesobraohyzephalischen und schließlich die äußersten brachy- 
zephalisohen Schädel. 



über einige topographische Veränderungen des Schläfenbeins. 81 

Nnn möchte ieh zur Betrachtung der erhobenen zahlenmäßigen 
Befunde übergehen. 

I. Weohselbeziehnng zwischen dem Schädelgrund 

und der Schädelform. 

Zur Lösung der Frage, in welcher Weise die Schädelform 
die relative Lage der Schläfenbeine in demselben beeinflußt^ 
muß man zunächst die mehr allgemeine Frage einer Betrachtung 
unterziehen, in welchem Abhängigkeitsverhältnis die Schädelform 
und der Schädelgrund zueinander stehen, da die Schläfenbeine 
einen Bestandteil des Schädelgrundes bilden. 

In der mir zugänglichen Literatur fand ich nur eine einzige 
Arbeit von T sc hugunow (Memoiren der anthropologischen Ge- 
sellschaft der Universität Kasan, Bd. XI), in der das Verhältnis 
der Schädellänge zum Schädelgrund besprochen wird, wobei 
nur die Länge des Schädelgrundes in Betracht gezogen wird, 
während von dessen Breite nicht die Rede ist. Das Verhältnis 
der Schädellänge zum Schädelgrund berechnet Tschugunow 
auf Grund von 696 Beobachtungen, mit 56,2, und behauptet, daß 
dieses Verhältnis bei den verschiedenen Rassen konstant ist. 

Die Charakteristik des Schädelgrundes wird durch dessen 
Länge und Breite bestimmt; während die Länge des Schädel- 
grundes, welche zwischen dem mittleren Punkte des vorderen 
Randes des Foramen occipitale und der Mitte der Sutura naso- 
frontalis gemessen wird, eine vollständig genau bestimmte Größe 
darstellt, ist die Bestimmung der Breite des Schädelgrundes un- 
genau. Die Breite des Schädelgrundes wird in zweierlei Weise 
gemessen: 1. es wird die Entfernung zwischen den Spitzen der 
Warzenfortsätze und 2. die größte Entfernung zwischen den 
lateralen Oberflächen der Warzenfortsätze gemessen. Aber weder 
die eine noch die andere Methode vermögen genaue Zahlen zu 
liefern. Bekanntlich sind, die Spitzen der Warzenfortsätze nie- 
mals so zugespitzt, daß sie einen bestimmten Punkt darstellten; 
sie sind stets' abgerundet, so daß der Schenkel des Zirkels in 
verschiedenen Punkten aufgestellt werden, zugleich aber im 
Bayon der Spitze des Warzenfortsatzes bleiben kann. Die größte 
Entfernung zwischen den lateralen Oberflächen der Warzenfort- 
sätze hängt von der Form dieser Fortsätze, von deren Größe, von 
dem Grade der Konvexität der lateralen Oberfläche derselben ab. 
Meiner Meinung nach dürfte als die genaueste Bestimmung 
der Breite des Schädelgrundes die Messung der Entfernung 

AxchiTf Ohranheilknndo. LXLBd. 6 



8S Vif. IWANOFF 

Kwiseben den Fontmina stylo-mastoidea dienen. Diese Foramina 
stellen jedes für sieh einen vollständig bestimmten Punkt dar; 
indem sie hinter der Basis des Proeessns styloideus, zwischen 
demselben and dem vorderen Ende der Ineisura mastoidea 
liegen, haben sie eine selbständige, genan bestimmte Lage, 
welche von der Form der in der Nachbarsohaft liegenden 
Knochen unabhängig ist, und könnten infolgdessen als sehr ge- 
naue Punkte zur Messung der Breite des Schädelgrundes dieneo. 

Bei meinen Untersuchungen mußte ich aber den Vorschriften 
folgen, welche durch die Frankfurter kraniometrische Ver- 
ständigung gegeben sind, da die von mir in Vorschlag ge- 
brachten Punkte nattLrlich noch nicht als allgemein akzeptierte 
angesehen werden können; die Breite des Scbädelgrundes maß 
ich, indem ich die Zirkelschenkel mögliebst im Zentrum der 
Spitzen der Warzenfortsätze aufstellte. 

Wenn man die Länge und Breite des Schädelgrundes für 
sämtliche von mir gemessenen Schädel gegenüberstellt, so ist 
es schwer, zwischen den betreffenden Größen irgendeinen 
Parallelismus wahrzunehmen. Der Schädelgrund stellt den wider- 
standsfähigsten Teil des Schädels, der den geringsten Schwan- 
kungen ausgesetzt ist, dar; während die Breite an dem von 
mir untersuchten Schädeln zwischen 112 und 155, die Länge 
zwischen 460 und 193 mm sich bewegte, bewegte sich die Breite 
des Schädelgrundes zwischen 90 und 115, die Länge desselben 
zwischen 90 und 106 mm. 

Wenn man die Schädel einzeln betrachtet, so kann maa 
solche finden, an denen beispielsweise die geringste, 99 mm be- 
tragende Breite des Scbädelgrundes in einem Schädel von 123 mm 
Breite (Nr. 4) und in einem solchen von 140 mm Breite (Nr. 15) an- 
getroffen wird. Eine 100 mm betragende Länge des Scbädel- 
grundes wird an Schädeln, die eine Länge von 170 (Nr. 49) und 
von 185 (Nr. 12) haben, angetroffen. Die berechneten Mittel- 
größen f&r die Breite und Länge des Scbädelgrundes für ver- 
schiedene Scbädelgruppen sind: 

Breite Länge 

Dolichozephalische Schädel . . 102,00 99,00 
Mesozephalische Schädel . . . 101,12 98,75 
Brachyzephalische Schädel . • 105,63 98,40 

Ans diesen Zahlen ersieht man, wie gering die Differenz 
ist, welche die Schädelbasis bei verschiedenen Schädelformen 
aufweist 



über einige topographische Veränderangen des Schl&fenbeins. 88 

Um die Weohaelbeziehnng zwisobea Sehftdelform a&d Schädel* 
grond besser zn ergründen, habe ich f&r den Sehädelgrnnd 
einen Index berechnet, und zwar in der Weise, in der die 
Sehädelindex überhaupt berechnet werden: die Breite wird mit 
der Länge dividiert und dann mit 100 multipliziert. 

_ Länge der Schädelbasis X 100 
Länge des Schädelgmndes 

Den von mir berechneten Index möchte ich als den Basal- 
index bezeichnen; er schwankt für die von mir untersuchten 
Schädel zwischen 90, 91 und 119, 19 mm; die mittlere Größe 
für dolichozephalische Schädel beträgt 102,97, flir mesozephalische 
103,06 und flir brachyzephalische 107,04 mm. (Die Mittelgrößen 
wurden bei sämtlichen Berechnungen aus den absoluten Zahlen 
gezogen.) 

Vergleicht man den Sehädelindex mit dem Basalindex bei 
den untersuchten Schädeln, so ergibt sich, daß es zwischen den- 
selben eine strenge, regelmäßige Wechselbeziehung nicht gibt, 
wenn auch im allgemeinen mit der Steigerung des Schädelindex 
natürlich auch der Basalindex eine Steigerung erfährt. 

Der Schädelgrund stellt somit den widerstandsfähigsten Teil 
des Schädels dar und hängt von der Form des Schädels fast 
gar nicht ab. 

Um das Bild der Wechselbeziehungen zwischen Schädelform 
nnd Schädelgrund zu yervollständigen, erachte ich es fbr not- 
wendig, an dieser Stelle die Schlüsse mitzuteilen, zu denen 
Virchow (3) bei seinen Untersuchungen über die Entwicklung 
des Schädelgrundes im gesunden und kranken Zustande und 
über den Einfluß derselben auf Schädelform, Gesichtsbildung 
und Gehirnbahn gelangt ist. 

1. Alle ursprünglichen Hemmungen des Schädelgrundes 
führen auch eine Mangelhaftigkeit des Schädeldaches mit sich 
und es entspricht ihnen auf der einen Seite eine Störung in der 
Gehirnentwicklung, auf der anderen eine Abweichung in dej: 
Ausbildung und Stellung der Gesichtsknochen, welche ihrerseits 
wiederum zum Teil von der mangelhaften Hirnbildung, zum 
großen Teil jedoch von der mechanischen Wirkung des Schädel- 
grondknochens abhängig ist. 

2. Alle ursprünglichen Hemmungen des Schädeldaches, ins- 
besondere aber derjenige Teil von ihnen, welcher den Vorder- 

nnd Mittelkopf in etwas größerer Ausdehnung trifft, stören außer 

6* 



84 VII. IWANOFF 

der Gehirnentwicklung aueh das Waohstum des Sohädelgrnndes 
und können auf die Stellung der Gesiehtsknoohen Einfluß haben. 

3. Die ursprttngliohen Hemmungen der Gehimbildung haben 
f&r die Ausbildung der Basilarknochen einen geringen, für die 
Entwicklung des Schädeldaches einen sehr großen Wert und be- 
stimmten (abgesehen von der Asymmetrie) die Gestaltung des Ge- 
sichtes nur in einzelnen, mehr teratologischen Fällen wesentlich. 

4. Alle größeren typischen Verschiedenheiten im Gesichts- 
bau beruhen zunächst auf* Verschiedenheiten in der Bildung des 
Schädelgrundes. 

IL Die Lage der Schläfenbeine im Schädelgrunde. 

Die Schläfenbeine liegen zwischen dem Os occipitale, Os 
basilare und den Ossa parietalia; sie bilden mit ihrem größten 
Teile einen Bestandteil des Schädelgrundes (Pars petrosa et 
mastoidea) und beteiligen sich auch zum Teil an der Bildung 
des Schädeldaches (Pars squamosa). 

Die Pyramiden (Partes petrosae) der Schläfenbeine bilden 
mit ihrem oberen Rande die Grenze zwischen der hinteren und 
mittleren Schädelgrube; die hintere Oberfläche der Pyramide, 
welche einen Bestandteil der hinteren Schädelgrube bildet, bildet 
mit der oberen Oberfläche, die ihrerseits einen Bestandteil der 
mittleren Schädelgrube darstellt, einen Winkel, dessen Größe 
nach meinen Beobachtungen zwischen 42 und 90^ schwankt; die 
mittlere Größe des Winkels beträgt für dolichozephalische Schädel 
66,25 0, fttr mesozephalische 70,00 o för brachyzephalische 73,52 o. 

Der obere Rand der Pyramide, welcher den Sulcus petrosus 
superior trägt, stellt bisweilen eine ziemlich gerade, bisweilen eine 
leicht spiralenformig gebogene Linie dar; im letzteren Falle macht 
die ganze Pyramide mit ihrer oberen und hinteren Oberfläche den 
Eindruck, als ob sie eine Drehung um ihre Achse vollzogen 
hätte, und zwar so, daß der hintere peripherische Teil der- 
selben eine Bewegung von hinten und unten nach vorn und 
oben gemacht hätte, während die Spitzen der Pyramiden von 
vorn nach hinten gedreht und außerdem nach oben gezogen und 
nach hinten abgelenkt wären. 

Je stärker die Drehung der Pyramide um ihre Achse aus- 
gesprochen ist, desto spitzer ist der Winkel zwischen ihrer 
unteren und oberen Oberfläche. 

Danziger mißt dieser Drehung eine große Bedeutung bei 
und bringt dieselbe mit Taubstummheit in Zusammenhang; 



über einige topographische Yerftnderangen des Schläfenbeins. 85' 

indem er Schädel von Taubstummen untersuchte, fand er eine 
starke Drehung der Pyramiden, welche sich von normaler 
Drehung einigermaßen dadurch unterschied, daß der peripherische 
Teil der Pyramiden mehr nach oben als nach unten gezogen 
war. Eine solche Drehung der Pyramiden erklärt er dadurch, 
daß die Länge des Schädelgrundes bei Taubstummen im Ver- 
hältnis zu der Breite kleiner ist als bei normalen Schädeln. 

Bei meinen Untersuchungen konnte ich jedoch keinen Zu- 
sammenhang zwischen der relativen Verkleinerung der Länge. 
des Schädelgrundes und der Drehung der Pyramiden der Schläfen- 
beine feststellen. 

Nimmt man einen Schädel, an dem die Länge des Schädel^ 
grandes im Verhältnis zu der Breite am geringsten ist, beispiels- 
weise den Schädel Nr. 16 (Länge 100, Breite 110 mm), so findet 
man hier überhaupt keine Drehung der Pyramide (der Winkel 
zwischen der hinteren und oberen Fläche beträgt 90 o) ; dagegen 
ist am Schädel Nr. 10 die Länge des Schädelgrundes, welche 
98 mm beträgt, größer als die Breite (96 mm), während die 
Drehung der Pyramide außerordentlich stark ausgesprochen ist 
(der Winkel zwischen den beiden* Oberflächen beträgt 42 ö). 

Bei meinen Untersuchungen ist es mir gelungen, einen Zu- 
sammenhang zwischen der Drehung der Pyramiden der Schläfen- 
beine mit einer anderen Eigentümlichkeit im Schädelbau wahr- 
zunehmen, und zwar je tiefer der Sinus transversus in die Pars 
mastoidea des Schläfenbeins eindringt, je mehr er nach vorn 
nnd außen hervorragt , desto stärker ist die Drehung der Pyra- 
mide ausgesprochen; der Sinus verdrängt, indem er in das 
Sehläfenbein eindringt, den hinteren Teil der Pyramide gleichsam 
nach vorn und oben. (Näheres darüber bei der Erörterung der 
Frage des Vorliegens des Sinus.) 

Die Pyramiden der Schläfenbeine liegen im Schädelgrund 
unter einem gewissen Winkel zueinander, wobei zwischen den 
Spitzen sich der sogenannte Glivus des Hinterhauptbeins be- 
findet. Die Größe des Winkels, unter dem die Pyramiden zu- 
sammenlaufen, schwankt nach meinen Untersuchungen zwischen 
90 und 1200. Die mittlere Größe des Winkels beträgt für 
Dolichozephalen 105 und für Braohyzephalen 106^. 

Wenn auch die mittleren Größen, welche die Messung des 
Winkels zwischen den Pyramiden an sämtlichen Schädeln ergab, 
einander sehr nahe sind (102, 103, 106 mm), so sind die indi- 
viduellen Schwankungen in Wirklichkeit doch sehr groß, und 



86 VII. IWANOFF 

wenn dieser Winkel bei Braebyzepbalen im allgemeinen größer 
ist als bei Doliobozepbalen , so wird in speziellen Fällen ancb 
bei Braebysepfaalen bei einem Sebädelindex von 85,29 mm ein 
Minimal Winkel von 90® (Sehädel Nr. 49) oder bei einem Index 
vott 84,37 mm ein Winkel von 92 • (Sehädel Nr. 47) beobachtet- 
Andererseits werden aueb bei Doliebozephalen ziemlieh große 
Winkel zwisehen den Pyramiden, beispielsweise solche von 111 
(Schädel Nr. 12) bezw. von 109 mm (Schädel Nr. 9) usw. an- 
getroffen. 

Nimmt man nun das Verhältnis der Breite desSchädelgrandes 
zu der Länge derselben und multipliziert dasselbe mit der Größe 
des Winkels, so erhält man eine Zahl, welehe den Sohädelgrund 
vollständig charakterisiert; ich mochte die Zahl als den Tem- 
pore -Basalindex bezeichnen. 

Breite des Schädelgrundes x Winkel zwischen den Pyramiden 

Länge des Schädelgrundes 
«= TemporO'Basalindex. 

Diesen Temporo-Basalindex kann man einfacher auf andere 
Weise berechnen, indem man den Basalindex mit der Große des 
Winkels zwischen den Pyramiden multipliziert und das Resultat 
der Multiplikation mit 100 dividiert. 

Basalindex x Winkel zwischen den Pyramiden 

100 
= Temporo-Basalindex. 

Der Temporo-Basalindex beträgt nach meinen Untersuchungen 
im Durchschnitt ftlr dolichozephalisehe Schädel 105,31, f&r meso- 
zephalische Schädel 104,10 und fbr brachyzephalische Schädel 
106,83. Diese aus einer kleinen Reihe von Beobachtungen ge- 
wonnenen Zahlen sind natürlich als ungef&hr zu nehmen; sie 
vermögen aber doch schon darzutun, wie wenig der Schädel- 
grund von der Schädelform abhängt. 

Meiner Meinung nach wäre es nicht uninteressant, zu ver- 
folgen, wie sich der Temporo-Basalindex an Schädeln verschie- 
dener Rassen verändert. Vielleicht konnte man dabei irgend 
welche Rasseneigentümliehkeiten der Schädel wahrnehmen ; das 
bleibt aber natürlich den Untersuchungen der Zukunft vorbe- 
halten. 

Was die Pars squaroosa des Schläfenbeins betrifft, so hat 
auch sie, indem sie einen Bestandteil der lateralen Wand des 
Schädeldaches bildet, an brachyzephalischen und dolichozepba- 
lischen Schädeln eine verschiedene Lage. An den letzteren 



über einige topographische Veränderungen des Schläfenbeins. 87 

stehen die lateralen Wände des Sebädeldaefaes und folglioh aaeh 
die Partes sqaamosae der Schläfenbeine fast perpendikulär zam 
Schädelgrand und sind infolgedessen annähernd parallel zuein- 
ander; die Entfernung zwischen den Warzenfortsätzen ist an 
diesen Schädeln fast die gleiche wie die Entfernung zwischen 
den Tnbera parietalia. Bei Brachyzephalen ist die Entfernung 
zwischen den Warzenfortsätzen im Gegenteil weit kleiner als 
diejenige zwischen den Tubera parietalia; die Seitenwände des 
Schädels nähern sich einander in der Richtung von oben nach 
unten. 

III. Einfluß der Schädelform auf die Lage der 

mittleren Schädelgrube. 

Der Winkel, den die obere Oberfläche der Pyramide mit der 
Pars squamosa und folglich auch mit der Seitenwand des Schädels 
bildet, ist sowohl bei Brachyzephalen, wie auch bei Dolicho- 
zephalen ein fast gerader ; daraus erklärt es sich, daß die obere 
Oberfläche der Pyramide des Schläfenbeins bei Dolichozephalen 
ungefähr horizontal liegt, während sie bei Brachyzephalen sich 
stark nach außen neigt. Der Boden der mittleren Schädelgrube, 
der teilweise von der oberen Oberfläche der Pyramide gebildet 
wird, wird somit bei Dolichozephalen in allen seinen Teilen in 
gleicher Höhe liegen, während er bei Brachyzephalen von außen 
niedriger (tiefer) liegen wird als von innen. Außerdem liegt 
der Boden der mittleren Schädelgrube bei Brachyzephalen und 
Dolichozephalen nicht in gleicher Höhe oberhalb des Meatus 
anditorius externus und oberhalb der Spina supra meatum. Nach 
den Untersuchungen von Körner liegt der Boden der mittleren 
Schädelgrube bei Brachyzephalen und Dolichozephalen oberhalb 
des Meatus anditorius externus höher (die Entfernung zwischen 
Boden und oberer Wand des Meatus beträgt rechts 6,76, links 
7,19) als bei Brachyzephalen (die Entfernung zwischen dem 
Boden und der oberen Wand des Meatus beträgt rechts 5,01, 
links 5,63). Links ist die obere Wand des Meatus anditorius 
externus dicker als rechts. 

Die Entfernung zwischen den Spitzen der Pyramiden wird 
durch die Breite des Clivus des Hinterhauptbeins, mit welchem 
ersteren sie artikulieren, bestimmt. Die Breite des Clivus schwankt 
in engen Grenzen, zwischen 20 und 29 mm, und hängt von der 
Sohädelform nicht ab. 

Die Länge des oberen Randes der Pyramide des Schläfen- 



88 VII. IWANOFF 

beioB bewe^ sieh zwüehen 55 und 68 mm. Die Mittelgroße 
für Doliehozepbalen betrftgt 59, ftlr Mesozephalen 62,6. 

Die Breite des Clivns, die Länge des oberen Bandes der 
Pyramide, sowie die Entfernung zwiseben den Meati auditorii 
extemi wurden gemessen, um mittelst der gewonnenen Zahlen 
sowobl die relative Lage der Pyramide,- wie aueb den Grad 
der Drebnng derselben um ihre Äebse genau zu bestimmen. 

IV. Einfluß der Scbädelform auf die Lage des Sintis 

transversus. 

Der Sinus transversus liegt in der Fossa transversa der 
Eminentia cruciata des Hinterhauptbeins; der Sinus verläuft in 
horizontaler Sichtung und wendet sieh an der Stelle, wo das 
Hinterhaupt-, Sobeitel- und Schläfenbein zusammenkommen, steil, 
fast unter geradem Winkel nach unten und vorn in der Rieh- 
tnng zur Mittellinie, geht dann hinter der Basis der Pyramide 
des Schläfenbeins, kreuzt die Sutura zwischen dem Schläfenbein 
und dem Hinterhauptbein und mtlndet in das Foramen jugulare, 
nachdem er eine steile Wendung nach vorn gemacht hat. In 
den Grenzen des Schläfenbeins liegt der Sinus in der Fossa 
sigmoidea und dringt an verschiedenen Schädeln verschieden 
tief in die Masse des Schläfenbeins hinein. Bisweilen geht er 
sot weit (tief) nach vorn und außen , daB zwischen dem Boden 
der Fossa sigmoidea und der äußeren Wand der Regio mastoidea 
nur ein dünnes knöchernes Plättchen bleibt (Yorlagerung des 
Sinus). Diese Yorlagerung des Sinus ist von großer praktischer 
Bedeutung bei der operativen Eröffnung des Processus mastoidens 
und der Mittelohrhöhle; aus diesem Grunde hat man schon längst 
darauf besondere Aufmerksamkeit gerichtet und versucht, sowohl 
einen Zusammenhang zwischen der Form des Schädels und der 
Tiefe der Lage des Sinus, wie auch irgendwelche sichtbaren 
EigentOmlichkeiten in der Form oder in den Konturen der ver- 
schiedenen Teile des Schläfenbeins, welche den Grad des Vor- 
liegens des Sinus geben könnten, festzustellen. 

ZunächsthatBezold ^), dannhabenHartmann, v.Meyer ^), 
Rtidinger^), Körner die Tatsache konstatiert, daß das Ein-, 
dringen des Sinus in die Basis der Pyramide des Schläfenbeins, 
ebenso wie das tiefe Stehen des Grundes der mittleren Schädel- 
grube hauptsächlich bei Brachyzephalen angetroffen werden; 
die zweite feststehende Tatsache ist die, daß unabhängig von 



über einige topographische Veränderungen des Schläfenbeins. 89 



der Form des Schädels der Sinns rechts in die Basis der Pyra- 
mide tiefer eindringt als links. 

Um den Grad der Vorlagernng des Sinus am Schädel zu 
bestimmen, wird erstens die Dicke der Enochenwand der Fossa 
sigmoidea an der dünnsten Stelle in der Regio mastoidea und 
zweitens die kürzeste Entfernung zwischen der Fossa sigmoidea 
und dem Meatus auditorius gemessen. Die zweite Messung kann 
man nur in horizontalen Sägeschnitten vornehmen, welche den 
Meatus auditorius externus getroffen haben und an aus dem 
Sehädel herausgenommenen Schläfenbeinen, wie es Körner 
machte, ausgeführt worden sind; da mir nur ganze, nicht aus 
dem Schädel herausgenommene Schläfenbeine zur Verfügung 
standen, machte ich die zweite Messung in der Weise, daß ich 
die kürzeste Entfernung zwischen der Fossa sigmoidea und der 
Spina supra meatum bestimmte. 

Die Resultate meiner Messungen sind : 



Wieyiel solcher Schädel? 


12 Dolicho- 
zephale 


16 Meso- 
zepbale 


27 Brachy- 
zephale 


Die Dicke der äußeren Wand der 
Fossa sigmoidea an der dünnsten 
Stelle im Durchschnitt rechts . . . 

links . . . 

Die kürzeste Entfernung zwischen 
der Fossa sigmoidea und der Spina 
supra meatam im Durchschnitt 

rechts . . . 
links . . . 


6,17 
9,5 

9,16 
10,83 


6,25 
7,81 

11,13 
12,25 


5,41 
7,49 

11,22 
13,29 



Wie aus der vorstehenden Tabelle zu ersehen ist, ist die 
Wand der Fossa sigmoidea an ihrer dünnsten Stelle bei Brachy- 
zepfaalen dünner als bei Meso- und Dolichozephalen ; zu dem- 
selben Schlüsse ist auch Körner gelangt, der bei seinen Unter- 
saofaungen fQr Dolichozephalen die Sinuswand 8,54, für Brachy- 
zepbalen 6,53 mm dick fand. Was die kürzeste Entfernung 
zwischen der Fossa sigmoidea und der Spina supra meatum be- 
trifft, so ist sie nach meinen Beobachtungen bei Brachyzephalen 
etwas größer als bei Dolichozephalen, während Körner fand, 
daß sie für sämtliche Schädel fast gleich ist (bei Brachyzephalen 
0,29 mm kleiner als bei Dolichozephalen). 

Die Messungen ergeben somit, daß der Sinus bei Brachy- 
zephalen nur mehr nach außen, jedoch nicht mehr nach vorn 
liegt als bei Dolichozephalen. 



90 VII. IWANOFF 

Abgesehen dsFon, daß die Fossa sigmoidea recbts tiefer in 
die Basis der Pyramide eindringt, ist sie auch noch breiter als 
links ; dementsprecbend ist auch die Fossa jngnlaris reobts größer 
und tiefer als links, und dieser letztere Umstand bedingt, daß 
die Knoebenzellen am Boden der Trommelhöhle nach den Be- 
obachtangen von Körner rechts zahlreicher sind als links. 

Wodurch ist nun die verschiedene Lage der Sinus trans* 
versi auf der rechten und linken Seite des Schädels zu erklären? 
Bezold und Rfldinger geben folgende Erklärung ab: Sie 
nehmen an, daß das tiefere Eindringen in den Knochen des 
rechten Sinus durch die bedeutendere Quantität des durch den- 
selben zirkulierenden Blutes bedingt wird. Der Sinus longitndi- 
nalis der Dura mater teilt sich an der Protnberantia occipitalis 
gewöhnlich nicht in einen rechten und linken Sinus transversns, 
sondern setzt sich als rechter Sinus transversus fort, während 
der linke als Fortsetzung der Vena magna Galeni dient, welche 
eine geringere Quantität Blut trägt, als der Sinus longitudinalis. 
Sobald der rechte Sinus eine größere Quantität Blut trägt, so ist 
auch der Druck auf den Knochen, namentlich an den Windungen, 
des Sinus, rechts ein bedeutenderer als links. Dort, wo der 
Knochen einen bedeutenderen Druck erleidet, sammeln sich in 
größerer Quantität die sogenannten Myeloplaxen, welche eine 
Resorption, eine Vernichtung des Knochens herbeiftihren. Mit 
Hilfe dieser Myeloplaxen dringt beispielsweise die A. meningea 
media tief in die Scbädelknochen hinein; rasch wachsende 6e- 
hirngeschwttlste verdünnen und usurieren sogar den Schädel- 
knochen an den entsprechenden Stellen. 

Meyer gibt eine andere Erklärung für die in Rede stehende 
Tatsache ab. Die rechtsseitige Vena anonymakann als unmittelbare 
Fortsetzung der Vena jugularis betrachtet werden, während die 
linke Vena anonyma als Fortsetzung der Vena subclavia angesehen 
werden muß. Ferner ist die Vena cava superior die unmittelbare 
Fortsetzung der Vena anonyma dextra, während die Vena anonyma 
sinistra in die Vena cava superior von der Seite einmündet. 

Der rechtsseitige venöse Weg von der Schädelbasis bis zum 
Herzen ist infolgedessen kürzer und gerader, während der links- 
seitige länger ist, einen Winkel bildet, und außerdem stößt das 
aus demselben sich ergießende Blut, welches sich unter einem 
gewissen Winkel in die Vena cava superior ergießt, auf ein ge- 
wisses Hindernis von Seiten des zirkulierenden Blutes. Alle 
diese Verhältnisse bewirken, daß der venöse Abfluß rechts leichter 



Über einige topographische Veränderungen des Schl&fenbeins. 91 

von statten geht, so daß der Sinns longitudinälis den größten 
Teil seines Blutes naeh dem rechten Sinus transversus schickt, und 
infolgedessen ist dieser letztere stärker entwickelt und ragt stärker 
nach vorn und außen hervor, als der linke Sinus transversus. 

Trautmann gibt folgende Erklärung: Er sagt, daß jeder 
Schädel asymmetrisch ist, und daß in der größten Mehrzahl der 
Fälle die rechte Hälfte des Schädels etwas kleiner ist als die 
linke; an der kleineren Seite ist der Sinus mehr gebogen, mehr 
konvex als an der größeren; da die rechte Seite des Schädels 
kleiner ist, so ist auch der Sinus rechts stärker entwickelt. 

Die Tatsache, daß bei Brachyzephalen weit häufiger tiefes 
Eindringen des Sinus in die Basis der Pyramide des Schläfen- 
beins als bei Dolichozephalen angetroffen wird, wird folgender- 
maßen erklärt : Die hintere Schädelgrube ist bei Brachyzephalen 
kttrzer und breiter als bei Dolichozephalen, und infolgedessen 
muß der an der hinteren Wand der Schädelgrube verlaufende 
Sinus bei Brachyzephalen eine größere Krümmung machen, 
als bei der langen schmalen Fossa cerebralis der Dolicho- 
zephalen; bei stärkerer Krümmung des Sinus ist der Druck des 
Blntstromes auf die anliegende Knochenwand größer, und das 
bewirkt auch ein größeres Eindringen des Sinus in die Basis 
der Pyramide, 

Welche praktische Bedeutung hat der Einfluß der Schädel- 
form auf den Grad der Vorlagerung des Sinus? Vor allem ist 
dieser Umstand bei der operativen Eröffnung der Mittelohrhöhlen 
von Seiten des Warzenfortsatzes von großer Bedeutung, da die 
Vorlagerung des Sinus, von der Eventualität einer Verletzung 
desselben bei der Operation abgesehen, noch das Bahnen eines 
Weges zum Mittelohr erschwert. Da ferner der Boden der 
mittleren Schädelgrube bei Brachyzephalen tiefer und folglich 
näher zur l(ittelohrhöhle liegt als bei Dolichozephalen, und da 
bei Brachyzephalen der Sinus mehr nach vorn hinausragt, d. h. 
sieh dem Mittelohre nähert, so führen sämtliche eitrige Ent- 
zündungen des Mittelohrs, sowie kariöse Affektionen des -Schläfen- 
beins bei Brachyzephalen überhaupt, namentlich aber an der 
rechten Seite, eher zu intrakrani eilen zerebralen, sowie auch zu 
pyämischen Komplikationen, als bei Dolichozephalen. 

V. Symptome des vorgelagerten Sinus. 

In den ersten Jahren nach dem Vorschlage Schwartzes, 
den Processus mastoidens und die Mittelohrhöhle operativ zu 



92 VII. IWANOFF 

eröffnen, fürchteten die Chirurgen, weil sie geringe Erfahrung: 
und eine unvollkommene Technik besaßen, bei der Trepanation 
des Warzenfortsatzes dem Sinus transversns zu begegnen, sie 
fttrchteten, denselben zu verletzen, von der Annahme ausgehend, 
daß bei der stattgehabten Verletzung des Sinus eine schwer 
stillbare Blutung, Lufteintritt in die Venen und Luftembolie, 
oder aber das Eindringen einer Infektion in den Organismas 
stattfinden könne« Diese Befürchtung veranlaßte viele Oto- 
chirurgen und Anatomen (Hartmann, Bezold, Körner, 
Bandall (7), Schülzke (8), nach irgendwelchen äußeren Merk- 
malen suchen, nach denen man noch vor der Operation erkennen 
könnte, ob in dem betreffenden Falle eine Vorlagerung des 
Sinus vorhanden sein wird oder nicht« 

Diese Autoren haben nur die (bereits erwähnte) Tatsache 
feststellen können, daß bei Brachyzephalen das Vorliegen des 
Sinus häufiger angetroffen wird als bei Dolichozephalen, und 
daß an jedem Schädel der Sinus rechts tiefer im Knochen liegt 
als links. 

Politzer behauptet außerdem, daß im Warzenfortsatz, wenn 
er mangelhaft entwickelt und von derber kompakter Straktor 
ist, die Vorlagerung des Sinus häufiger angetroffen werden kann 
als bei gut entwickeltem Warzenfortsatz, der größere pneu- 
matische Zellen besitzt. Jedoch vermögen diese allgemeinen 
Begeln, auf den einzelnen gegebenen Fall angewendet, die Frage 
nicht zu lösen, und lassen den Chirurgen in vollständiger Un- 
kenntnis hinsichtlich der Lage des Sinus. 

Bandall empfiehlt infolgedessen, stets so zu operieren, als 
ob eine Vorlagerung des Sinus tatsächlich vorhanden wäre. 

Andererseits ergab die sich mehrende chirurgische Erfahrung, 
daß die Bloßlegung des Sinus während der Operation keine 
schädlichen Folgen für den Operierten nach sich zieht, und daß 
selbst eine Verletzung des Sinus keine ernste Gefahr bedeutet, 
da die Blutung hier durch einfache Tamponade weit leichter 
gestillt werden kann, als bei der Durchschneidung der Arterie, 
während Eintritt von Luft und von Infektionskeimen überhaupt 
nicht stattfindet. Alle diese Momente haben es schließlich be- 
wirkt, daß man eine Zeitlang der Vorlagerung des Sinus kein 
Interesse mehr entgegenbrachte, bezw. keine praktische Be- 
deutung beimaß. Im Jahre 1898 hat aber Traut mann (9) in 
seiner „Chirurgischen Anatomie des Schläfenbeins^^ eine ganze 
Beihe von Symptomen genannt, welche, wie er behauptet, die 



über einige topographische Yeränderangen des Schläfenbeins. 93 

Möglichkeit gewähren, ziemlieh genau festzustellen, ob in dem 
betreffenden Falle eine Vorlagerung des Sinus vorhanden ist 
oder nicht. 

Diese Merkmale sind folgende: 

1. Bei Vorlagernng des Sinus steht der Recessus jugularis 
höher als auf derjenigen Seite, wo die Verlagerung des Sinus 
nicht vorhanden ist; infolgedessen steht der Grund der Trommel- 
höhle bei Vorlagerung des Sinus sehr hoch, bisweilen sogar in 
einer Höhe mit der unteren Wand des Meatns auditorius externus. 
Bei Destruktion des Trommelfells läßt sich durch Sondierung 
die Lage des Bodens der Trommelhöhle bestimmen. Dort, wo 
wo die Vorlagerung des Sinus vorhanden ist, sind die Venen 
der entsprechenden Hälfte des Halses und des Gesichts bedeutend 
stärker entwickelt, 

2. Trautmann behauptet, daß bei Asymmetrie des Schädels 
genau solche Eigentümlichkeiten beobachtet werden, wie auch 
bei Vorlagerung des Sinus, und zwar: die Nasenscheidewand ist 
nach der entgegengesetzten Seite deviiert, und infolgedessen er- 
seheint die Nasenscheidewand von der entgegengesetzten Seite 
konvex oder mit einer Spina septi versehen, oder es besteht 
sowohl das eine wie das andere; die Nasenöffnung ist kleiner 
und tiefer, die Nasenspitze ist nach der Seite deviiert, wo der 
Sinus vorliegt; das Auge steht auf der vorliegenden Seite höher; 
dasselbe kann man auch in bezug auf den harten Gaumen 
sagen. Der longitudinale Durchmesser des Meatus auditorius 
externus ist auf der vorliegenden Seite vergrößert; der Recessus 
epitympanicus steht höher und etwas nach vorn, und infolge- 
dessen steht der Hammer weiter nach der vorderen Peripherie. 

3. Die unter der Linea temporalis liegende äußere Oberfläche 
des Processus mastoideus, das sogenannte Planum mastoideum, 
bildet mit der hinteren Wand des knöchernen Gehörgangs einen 
Winkel, der bei normaler Lage des Sinus sich einem geraden 
Winkel nähert; je größer die Vorlagerung des Sinus ausge- 
sprochen ist, desto größer und stumpfer ist dieser Winkel. 

4. Im Winkel, welcher vom unteren Blatt der oberen Wand 
des Gehörgangs und seiner hinteren Wand gebildet wird, be- 
findet sieh eine kleine knöcherne Eminenz, die sogenannte Spina 
supra meatum ; die Richtung dieser Eminenz ist größtenteils der 
hinteren Wand des Gehörgangs parallel, bisweilen steht sie aber 
fast perpendikulär zu derselben. Je mehr die Richtung der Spina 
supra meatum sich in bezug auf die hintere Wand des Gehör- 



94 VII. IWANOFF 

gangg der perpendikulären Linie nfthert, desto grö&er ist die 
Yorlagening des Sinns ausgesprochen. 

Indem er alle diese Symptome des vorgelagerten Sinns be* 
schreibt, sagt Trau tm ann jedoch nichts darüber, inwiefern diese 
Merkmale konstant sind. Er fuhrt keine durch systematische 
Untersuchung der Schläfenbeine in dieser Bichtung erhobenen 
Befunde an und sagt nicht, ob die von ihm geschilderten Sym- 
ptome unbedingt in allen F&Uen mit vorgelagerten Sinus be- 
obachtet worden oder auch Ausnahmen vorgekommen sind. 

Unter diesen Umständen steckte ich mir zum Ziel, an dem 
mir zur Verfügung stehenden Material zu prüfen, inwiefern die 
Trautmannschen Symptome konstant sind, und untersuchte 
in dieser Richtung außer 55 Schädeln noch 50 einzelne Schläfen* 
beine; die Resultate meiner Untersuchungen werde ich bei der 
kritischen Erörterung eines jeden der Trautmannschen Sym- 
ptome auseinandersetzen. 

1. Die geringe Tiefe der Trommelhöhle oder mit anderen 
Worten der hohe Stand des Bodens dieser Höhle, der die direkte 
Folge des hohen Standes des Recessus jugularis ist, ist ein sehr 
sicheres und konstantes Merkmal für die Yorlagerung des Sinus. 
An allen von mir untersuchten Schläfenbeinen stand der Boden 
der Trommelhöhle überall, wo der Sinus vorlag, hoch. Leider 
ist eine genaue Messung der Tiefe der Trommelhöhle aus dem 
Grunde nicht ausführbar, weil der Boden dieser Höhle ans einem 
Netz von knöchernen Balken, aus zahlreichen Enochenzellen 
besteht, welche keine bestimmte Ebene bilden, die man bei den 
verschiedenen Messungen als Stützpunkt ohne weiteres ver- 
wenden könnte. 

Dieses anatomisch sichere Symptom für die Vorlagerung des 
Sinns hat aber weder praktische noch klinische Bedeutung; die 
Tiefe der Trommelfellhöhle beim Kranken zu messen, ist selbst 
dann unmöglich, wenn das Trommelfell fehlt, da diese Höhle in 
pathologischen Fällen mit einer infiltrierten, geschwollenen Schleim- 
haut ausgekleidet oder häufig mit Granulationen ausgefüllt ist 

Ebenso ist es in der Praxis unmöglich, die stärkere Ent- 
wicklung der Gesichts- und Halsvenen zu bestimmen, welche an 
der Seite, an der der Sinus vorliegt, gewöhnlich besteht. 

2. Die Merkmale des vorgelagerten Sinus, die sich aus der 
Asymmetrie des Schädels ergeben, zu prüfen, war ich nicht im- 
stande, weil eine genügende Anzahl von Schädeln mit deutlieh 
ausgesprochener Asymmetrie mir nicht zur Verfügung stand. 



über einige topographiBCbe Veränderungen des Schläfenbeins. 96 

Unter den von mir untersuchten Schädeln des anthropolo- 
gischen Museums fand ich nur einen deutlich asymmetrischen 
Sob&dely und an diesem letzteren war eine Vorlagerung des 
Sinus nicht vorhanden. St. v. Stein operierte einen 17jährigen 
Knaben wegen otogener Pyämie mit hochgradiger Asymmetrie des 
Gesichts und Schädels; auch in diesem Falle war die Yorlage- 
ruDg des Sinus auf dßr operierten Seite nicht vorhanden, trotz- 
dem man auf Grund der Trautmannschen Symptome eine 
solche erwarten dürfte. 

3. Die wichtigste praktische Bedeutung kommt demjenigen 
Symptom des vorgelagerten Sinus zu, welches im stumpfen 
Winkel zwischen dem Planum mastoideum und der hinteren 
Wand des knöchernen Gehörgangs gegeben i^t, da dieser Winkel 
bei der Operation nach Anlegung der Hautinzision und nach Ab- 
präparierung des knorpeligen Gehörgangs bestimmt werden kann. 

Die Messungen, welche ich in bezug auf diesen Winkel an 
105 Schläfenbeinen ausgeführt habe, haben ergeben, daß es 
zwischen seiner Größe und der Vorlagerung des Sinus eine 
strenge konstante Wechselbeziehung nicht gibt. Von 16 Schläfen- 
beinen, an denen ich deutlich ausgesprochene Verlagerung des 
Sinus fand, hatten 7 einen Winkel, der einem geraden sehr 
Q«he stand (95^, 96<), 92 o). Andererseits hatten diejenigen 
Schläfenbeine, an denen eine Vorlagerung des Sinus nicht vor- 
handen war, nicht selten einen sehr stumpfen Winkel. So be- 
trug beispielsweise im Schädel Nr. 37 bei einem Winkel von 140^ 
die Dicke der äußeren Wand an der dünnsten Stelle derselben 
12 mm, die Entfernung zwischen der Spina snpra meatum 14 mm. 

Auch dieses von Trautmann aufgestellte Symptom ent- 
behrt somit der absoluten Bedeutung und läßt so zahlreiche 
Ausnahmen zu, daß seine praktische Bedeutung vollständig ver- 
loren geht. 

Bei meinen Untersuchungen ist es mir gelungen, einen Zn- 
sammenhang zwischen der Verlagerung des Sinus und der Drehung 
der Pyramide des Schläfenbeins um ihre Achse wahrzunehmen; 
je deutlicher die Vorlagerung ausgesprochen ist, desto ausge- 
sprochener ist die Drehung der Pyramide; der Sinus verdrängt, 
indem er in die Basis der Pyramide eindringt, die erstere gleich- 
sam nach vorn und oben. 

4. Was das letzte Merkmal des vorgelagerten Sinus, näm- 
lich die Richtung der Achse der Spina supra meatum betrifft, so 
ist dasselbe die Folge, eine spezielle Manifestation des vorher- 



96 VII. IWANOFF 

gehenden Symptoms. Die Spina supra meatum liegt an der Über- 
gangBBtelle der oberen hinteren Wand des Gehörgangs in das 
Plannm mastoideum; wenn die hintere Wand und das Planum 
mastoideum ungefähr einen geraden Winkel bilden, so kongruiert 
die Spina snpra meatnm mit der Achse des Gehörgangs; je 
größer dieser Winkel wird, desto mehr weicht die Achse der 
Spina von derjenigen des Gehörgangs ab. 

Dieses Symptom der Vorlagernng des Sinns an Schädeln zn 
kontrollieren, ist sehr schwer. Die Spina snpra meatum stellt 
in der Mehrzahl der Fälle eine kleine, unregelmäßige Eminenz 
dar, von der es sieh schwer sagen läßt, welche Richtung sie 
hat: ob sie der Achse des Gehörgangs parallel oder nnter einem 
Winkel zu derselben verläuft. 

Außerdem ist diese Eminenz an mazerierten Knochen nicht 
selten abgebrochen. 

Wir haben somit kein einziges absolut sicheres, konstantes 
Merkmal für die Vorlagernng des Sinus. Nur wenn man die 
Gesamtheit sämtlicher Symptome in Betracht zieht, kann man 
relativ mit großer Wahrscheinlichkeit die Verlagerung des Sinus 
voraussetzen; so kann man diese Erscheinung am ehesten bei 
Brachyzephalen an der rechten Seite finden, wenn der Processus 
mastoideus schwach entwickelt ist und das Plannm mastoideum 
unter stumpfem Winkel znr hinteren Wand des Meatns auditorius 
externns steht. Am praktischsten ist es jedoch, stets der Regel 
Randalls eingedenk zn sein, nämlich daß man überall so ope- 
rieren müsse, als ob der Sinus tatsächlich vorgelegen hätte. 

VI. Über die Spuren der Fissura mastoideo-squamosa. 

Manche Schläfenbeine haben auf ihrer äußeren Oberfläche 
einen Snlcus oder eine Vertiefung, welche ungefähr in der Rich- 
tung zu der Incisura parietalis verläuft. Diese Vertiefung ist 
der Überrest derjenigen Fissura mastoideo-squamosa, welche noch 
an Schläfenbeinen von Kinderschädeln zu sehen ist. 

Der Überrest dieser Naht hat entweder die Form eines mehr 
oder minder deutlich ausgesprochenen Sulcus oder diejenige 
einer Vertiefung, oder aber die Form einer Reihe von kleinen 
Löchern. 

Adermann (10), der 2554 Schädel untersucht hat, fand 
Spuren der Fissura mastoidea-squamosa in 38 Proz. der Gesamt- 
zahl der Schädel; bei Negern werden Spuren dieser Naht jedoch 
äußerst selten angetroffen: an 79 Schädeln sind solche nur ein- 



über einige topographische Ver&ndernBgen des Schläfenbeins. 97 

mal gefunden worden. Die Angaben Adermanns fanden Be- 
stätigung durch die neuesten Untersuchungen von Sato (11), der 
Spuren der Fissura mastoideo-squamosa an 37 Proz. der 1373 
ausmachenden Gesamtzahl von untersuchten Schädeln fand ; auch 
dieser Autor gibt an, daß diese Spuren bei Negern, und zwar 
nicht nur bei den afrikanischen, sondern auch bei den austra- 
lischen, äußerst selten angetroffen werden. An männlichen Schä- 
deln sind die Spuren deutlicher ausgesprochen, als an weib- 
lichen. Was den Einfluß des Alters betrifft, so sind die Spuren 
der Fissura mastoideo-squajnosa, wie man es auch erwarten 
dürfte, bei Greisen und Erwachsenen schwächer ausgesprochen 
und seltener anzutreffen, als bei Kindern. 

Der Fissura mastoideo-squamosa kommt eine wichtige prak- 
tische Bedeutung zu, da die entzündlichen Prozesse, welche sich 
im Mittelohr abspielen, durch dieselbe auf das Periost des Pro- 
cessus mastoideus, sowie auf die umgebenden Weichteile über- 
gehen und zu Eitersenkungen, sowie zu Bildung von Abszessen 
f&hren können. 

YII. Über den Einfluß der Schädelform auf die 
Struktur des Processus mastoideus. 

Die Untersuchungen von Körner haben gezeigt, daß die 
Warzenfortsätze bei Dolicbozephalen vornehmlich die sogenannte 
pneumatische Struktur haben, d. h. große Knochenzellen besitzen; 
75Proz. der Schläfenbeine von Dolicbozephalen hatten ausschließ- 
lich pneumatische Warzenfortsätze; in 25 Proz. war die pneuma- 
tische Struktur weniger deutlich ausgesprochen, aber es fand 
sich kein einziger dolichozephalischer Schädel vor, der einen 
derben kompakten Warzenfortsatz hätte. Überhaupt werden nach 
den Untersuchungen von Zuckerkandl an brachy- und meso- 
zephalischen Schädeln pneumatische Warzenfortsätze nur in 
36,8 Proz. der Fälle beobachtet. 

VIII. Spalten im Tegmen tympani, 

Bürkner(12) und zugleich auch Jaenicke haben die 
Wahrnehmung gemacht, daß im Tegmen tympani nicht selten 
Bogenannte Dehiszenzen — Löch^ oder Spalten — beobachtet 
werden, welche in die Höhle des Attikus führen. 

Diese Spalten sind für die Pathologie des Ohres von großer 
Bedeutung, da durch dieselben bei eitrigen Prozessen im Mittel- 
ohre der Eiter leicht in die Schädelhöhle eindringen und Korn- 

Arehir f. Ohrenheilknnde. LXI. Bd. 7 



98 VlI. IWANOFF 

plikationen von selten der Hirnhäute und sogar des Gehirns 
selbst hervorrufen kann. 

Bfirkner ist auf Grund seiner an 120 Schädeln ausgefbhrteii 
Untersuchungen zu dem Schlüsse gelangt, daß die Spalten im 
Tegmen tympani ihre Entstehung dem Druck von selten des Ge- 
hirns verdanken; Jae nicke glaubte darin eine Erscheinung der 
senilen Knoohenatrophie sehen zu sollen. 

Hyrtl hat die Vermutung ausgesprochen, daß die Spalten 
durch den Druck von selten von verdickten Granulationen er- 
zeugt werden. 

Flesch (13) ist auf Grund seiner an mazerierten und nicht 
mazerierten Schädeln ausgeführten Untersuchungen zu folgenden 
Schlüssen gelangt: 

1 • Die Spalten sind die Folge einer stattfindenden Enoehen- 
resorption; nur in Ausnahmefällen können sie als angeborene 
Anomalie angesehen werden. 

2. In der weitaus größten Mehrzahl der Fälle ruft eine Dmck- 
steigerung in der Schädelhöhle Resorption des Knochens hervor. 

3. Bedeutende Entwicklung der pneumatischen Höhlen in 
den Schläfenbeinen und relative Erweiterung der Trommelfell- 
höhle bewirken eine Verdünnung und Durchlöcherung des Tegmen 
tympani. 

Später äußerte sich Flesch dahin, daß die Spalten im Teg- 
men tympani ein künstliches Produkt seien, daß die in Knochen 
bisweilen bestehenden dünnen Stellen bei der Mazeration des 
Schädels und bei der nachfolgenden Bearbeitung desselben (Ab- 
präparierung der Weiohteile, Entfettung) herausfallen und auf 
diese Weise Spalten entstehen lassen. 

Körner brachte das Vorhandensein von Spalten im Tegmen 
tympani mit der Schädelform in Zusammenhang; dieselben werden 
hauptsächlich bei Brachyzephalen, bei Dolichozephalen dagegen 
äußerst selten angetroffen. So fand Körner unter 72 dolioho- 
zephalischen Schädeln nur einen (1,4 Proz.), unter 136 braehy- 
zephalischen 17 (14,16 Proz.) Schädel mit Spalten im Tegmen 
tympani. 

In einer späteren Arbeit hat Körner (14) auf die Notwendig- 
keit hingewiesen, diejenigen Spalten im Tegmen tympani, welche 
unmittelbar in den Recessus epitympanicus führen, von denjenigen 
zu unterscheiden, welche in das Antrum mastoideum führen. 

In praktischer Beziehung sind die ersteren unvergleichlich 
wichtiger, weil sie eher zerebrale Komplikationen nach sich ziehen. 



über eiaige topograpMsclie Ver&aderuiigea des SchUfeabems. 99 

Unter 39 Doliehozephalen fand Körner nioht einen einzigen 
Schädel mit in den Reeessus epitympanicus fährenden Spalten, 
nnter 92 brachyzephalischen Sohftdeln fanden sieh 9 mit Bolohen 
Spalten vor. 

Meine eigenen Beobachtungen stimmen mit den Sohlässen 
Körners vollständig überein: Nioht bei einem einzigen der 12 
dolichozephalisohen Sohädel, die ich nntersnoht hatte, habe ich 
in das Tegmen tympani fahrende Spalten gefanden; unter 43 
meso- und brachyzephalischen Schädeln wiesen 5 (11,63 Proz.) 
solche Spalten auf. 

IX. Über die Abhängigkeit der Form des Meatus 
auditorius externus von der Form des Schädels. 

Ostmann (15) suchte zu erforschen, wie häufig Exostosen 
des äußeren Gehörgangs angetroffen werden und untersuchte 
in dieser Richtung 2302 Rassensohädel; er machte dabei die 
Wahrnehmung, daß die Schädel der afrikanischen Neger, 
der Australier und Eskimo vornehmlich eine abgerundete Form 
des Meatus auditorius externus aufweisen, der longitudinale 
Durchmesser dieser Öffnung ist fast vertikal gelegen und nur um 
einige Millimeter größer als der Qaerdurchmesser. Die Schädel 
dieser Völker zeigen größtenteils den dolichozephalischen Typus. 

Bei den asiatischen Völkern — Chinesen, Japaner, Mongolen — 
hat die Öffnung des äußeren Gehörgangs meistenteils eine läng- 
lich-ovale Form, wobei der lange Durchmesser bisweilen zweimal 
so groß ist als der kurze; die Schädel dieser Völkerschaften 
haben vornehmlich den mesobrachyzephalischen Typus. 

Ost mann zieht daraus den Schluß, daß die dolichozepha- 
lischen Schädel eine mehr runde Form des äußeren Gehörgangs, 
während die brachyzephalischen eine länglich-ovale Form des- 
selben aufweisen. 

Da Ost mann keine genauen Messungen des Gehörgangs 
ftir jeden einzelnen Schädel ausgefährt und seinen Schluß nur 
auf Grund der Massenuntersuchung der Rassensohädel aufgestellt 
hat, habe ich es unternommen, die Größe des äußeren Gehör- 
gangs an den von mir untersuchten Schädeln zu messen und auf 
diese Weise den Gesamtschluß Ostmanns, wenn auch an einem 
sehr geringen Material, zahlenmäßig zu prüfen. 

Ich maß den langen und kurzen Durchmesser der Öffnung 
des äußeren Gehörgangs ftir das rechte und ftir das linke Ohr 
gesondert. 



100 



Vn, IWAKOFF 



Die Besaltate der Messongen sind: 



BaÜcboBephalen 



M Mozepkalen , 



BraehTaepfaalen 



Keehtes Ohr 



Linkes Ohr 



Langer i Kurzer . djäu-^«. Langer ; Kniier 
Dnrehm. | Dnrehm. | ""'^ Dnrehm. j Dnrehm. 



8,17 
max. 10 
min. , 7 

8,68 



7^3 
max. 8 
min. 7 



7,12 
[. 11 I max. 9 
min. 7 i min. 5 



9,33 
max. 12 
6 



6,30 
max. 8 
min. 5 



0,84 



1,26 



3,03 



IMffereak 



9,41 
max. 11 


7,81 
max. 9 


min. 7 


min. 7 


9,26 
max. 11 


8,06 
max. 10 


min. 6 


min. 5 


9,61 
max. 12 
min. 8 


7,00 
max. 9 
min. 5 



1,6 



1.2 



2,52 



Ans dieser Tabelle geht hervor, daß die Differenz zwischen 
dem langen nnd kurzen Dnrehmeflser der Öffnung des änfieren 
Grehörgangs bei Mesozephalen nnd besonders bei Braehyzephalen 
größer ist als bei Dolichozeijhalen ; bei letzteren beträgt sie dnrch- 
sehnittlich 0,8, so daß die Öffnung des äußeren Gehörgangs eine 
fast runde Form hat ; bei Braehyzephalen beträgt diese Differenz 
3,03, und infolgedessen hat die gleiche Öffnung eine länglich- 
ovale Form. Meine Messungen bestätigen somit die Angaben 
Ostmanns. 

Außerdem haben meine Messungen ergeben, daß die Öffnung 
des knöchernen Gehörgangs rechts etwas kleiner ist als links. 

Die Angabe Trautmanns, daß der Querdurchmesser des 
äußeren Gehörgangs bei vorgelagertem Sinus transversus ver- 
größert ist, hat durch meine Messungen eine Bestätigung nicht 
gefunden. So beträgt beispielsweise im Schädel Nr. 21 mit stark 
ausgesprochener Vorlagerung des Sinns transversus der Durch- 
messer des Gehörgangs 6 mm, d. h. sogar etwas weniger als die 
durchschnittliche Größe ausmacht. 

Diese Abhängigkeit der Form des Gehörgangs von der 
Schädelform findet nach Ostmann ihre Erklärung darin, daß 
Hand in Hand mit dem fortschreitenden Wachstum des gesamten 
Schädels in die Länge sich auch der Querdurchmesser der Öff- 
nung des Gehörgangs vergrößert und diese sich der runden 
Form nähert. 



Literatur. 

1. Körner, Über die Möglichkeit, einige topographisch wichtige Yerhält- 
nisse am Schläfenbein aus der Form des Schädels zu erkennen. 
Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XVI. S. 212. — Nene UntersuchHDgra 



über einige topographische Yeränderangen des Schl&fenbeins. 101 

über den Einfluß der Sch&delfonn auf einige topographisch wichtige 
Verhältnisse am Schläfenbein. Ebenda. Bd. XiX. 8. 322. — Unter- 
suchungen über einige topographische Verhältnisse am Schläfenbein. 
Ebenda. Bd. XXII. S. 182. — Randalls Untersuchungen über den 
Einfluß der Schädelform auf topographisch wichtige Verhältnisse am 
Schädel. Ebenda. Bd. XXIV. S. 173. 

2. Danziger, Die Entstehung und Ursache der Taubstummheit. Frank- 

furt a. M. 1900. 

3. Virchow, Untersuchungen über die Entwicklung des Schädelgrundes 

im gesunden und kranken Zustande und über den Einfluß derselben 
auf Schädelform, Gesichtsbildnng und Gehimbau. Berlin 1857. 

4. Bezold, Über die Perforation des Warzenfortsatzes. Monatsschr. f. 

Ohrenheilk. Bd. VII. Nr. 11. Bd. Vm. Nr. 1—2. 

5. Y.Meyer, Archiv f. Anatomie a. Phjsiol., Anat Teil 1877. 8. 271. 

6. Rüdinger, Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1875. Nr. l. 

7. Rand an, Transactions of the American Otologicid Soeietr. Yol. V, P. II. 

8. Schülzke, Dieses Archiv. Bd. XXIX. S. 201. Bd. XXX. S. 136. 

9. Trautmann, Chirurgische Anatomie des Schläfenbeins. Berlin 1898. 

10. Adermann, Zeitschr. f. OhfeoheUk. 1901. Bd. XXXIX. 

11. Sato, Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XLI. 8. 295. 

12. Bürkner, dieses Archiv. Bd. XIII. 8.163. Bd. XIV. S. 136. 

13. Flesch, dieses Archiv. Bd. XIV. 15. Bd. XVIII. 

14. Körner, dieses Archiv. Bd. XXVIII. 8. 169. 

15. Oitmann, Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1893. Nr. 1. 



VIIK 

Ober einea Fall vob mittelst Wasserstoffsuperoxyd ais 
dem Ohre heraisgetriebenen Fremdkörper. 

Von 

Dr. Heinrieh Hfiläsz, 

Spitalsordiiiaiins in Miskolcz (Ungarn). 

Ftlr die EntferDUDg ins Ohr geratener Fremdkörper sind 
verschiedene Verfahren in Anwendung. Als mildestes Verfahren 
in erster Beihe die Anespritznng mit Wasser, nur wenn dieses 
im Stiche ließe, greifen wir zur instrumentellen Entfernung, in 
oder ohne Narkose, je nachdem wir es mit einem geduldigen oder 
sehr empfindlichen Patienten zu tun hahen. In dem weiter unten 
mitzuteilenden Falle , wo ich trotz mehrere Tage hinduroh ver- 
suchter Ausspritzungsversuche nicht zum Besultat gelangte, 
war schon alles fdr die Narkose vorbereitet, um die Bohne auf 
instrumentellem Wege zu entfernen, da das ungeherdige, em- 
pfindliche und durch schon außerhalb des Spitals vorgenommene 
Extraktionsversuche gequälte und erschreckte Kind niemanden 
mehr in die Nähe des Ohres zuließ, — als ich am Morgen des 
Operationstages den Fremdkörper an dem in die Öffnung des 
Gehörganges eingelegten Wattetampon haftend fand. Der Fall 
war folgender : 

B. B., 4 Jahre alter Knabe, bat sich 1—2 Wochen vor der Spitals- 
aofnahme eine Bohne ins Ohr gesteckt. Der Vater erfahr es jedoch erst 
vor zwei Tagen. Der dortige Arzt hat mehrfache erfolglose Extraktions- 
versuche unternommen. Die Inspektion ergab Eiterausfluß aus dem linken 
Ohre. Verschlaf des Gehörganges darch Granulationen bis auf einen Spalt 
von 1 — 2 mm, ein Einblick selbst nach erfolgter Ausspritzung unmöglich. 
Der kleine Patient war fieberfrei, klagte über keine Schmerzen, so daß ein 
Zuwarten statthaft erschien, ich verordnete Eisbeutel aufs Ohr und gegen 
die Eiterung Instillationen von (lOproz.) Eydrogenhyperoxyd in den Ge- 
hörgang. Drei Tage hintereinander versuchte ich Jeden Morgen unter gleich- 
zeitiger Kauterisation der Granulationen (mit Trichloressigsäure) die an- 
geblich hereingeratene Bohne mittelst 4 — 5 Wassereinspritzungen zu ent- 
fernen. Doch vergebens. Am Morgen des 4. Tages waren die Granulationen 
bereits in dem Maße verkleinert, daß durch den eingeführten kleinkaUbrigen 
Ohrenspiegel ein gelblichweißer, rundlicher Körper in der Tiefe zwischen 



Mittelst Wasserstoffsuperoxyd a. d. Obr herausgetrieben en Fremdkörper. 103 

die Gefaörgangswände eingekeilt, sichtbar wurde. Da das reizbare Kind 
keinen instrumentellen Eingriff gestattete, griff ich abermals zur Spritze, 
ohne jedoch den Fremdkörper von der Stelle bringen zu können. Ich wieder- 
holte meine bisherigen Anordnungen, mit dem Vorsätze, falls die Einspritz- 
ungen auch am nächsten Morgen rcsultatlos wären, die Extraktion in der 
Narkose vorzunehmen. Wie überrascht war ich, als ich am Morgen des 
5. Tages die weißlicbgelbe, an einem Pole einen kleinen Defekt aufweisende 
Bohne an dem in die Ohröffnung eingelegten Wattetampon klebend, fand. 
Die Rotekreuzwärterin gab an, daß der Fremdkörper vor ihren Augen durch 
die nach der am selben Morgen erfolgten Eingießung des Wasserst offiBuper- 
oxyds aufgetretenen Blasenbildung durch die vordringenden Blasen heraus- 
geschleudert wurde. Um nun den Fremdkörper bis zu meiner Ankunft an 
Ort und Stelle zu fixieren, gab sie den Wattetampon in die äußere Öffnung 
des Ohres. 

Der Meohanismus der Heransbeforderung der Bohne läßt sich 
nur ans Verdrängung derselben dnreh die Blasenbildung erklären« 
Die Erweiterung des Gehörganges beziehungsweise der äußeren 
Ohröffnung zufolge Verkleinerung der Granulationen kommt als 
wesentliches Hilfsmoment in Betracht. 

Wer je Gelegenheit hatte, zu sehen, welche Eiterbröckeln 
durch die nach Wasserstoffsuperoxydeingießungen auftretende 
Blasenbildung aus der Tiefe des Gehörgangs, der Trommelhöhle 
an die Oberfläche befördert werden, der wird keinen Moment 
an einer analogen Wirkung, wie sie in unserem Falle vorlag, 
zweifeln. 

Auf Grund dieser Erfahrung halte ieh es am Platze, bei 
Fremdkörpern eine 5 — lOproz. Wasserstoffsuperoxydlösung in 
den Gehörgang zu gießen, besonders in jenen Fällen, wo die 
Spritzungen zu keinem Resultat geführt haben und der Arzt nicht 
genügende Übung f&r die Vornahme eines instrumenteilen Ein- 
griffes besitzt. 

Im Jahre 1897 habe ich das Wasserstoffsuperoxyd wegen 
seiner blutstillenden und sekretionsbesehränkenden Wirkung be- 
währtes Mittel in der Nasen- und Ohrenheilkunde aufs wärmste 
empfohlen ; der Zufall führte mich darauf, eine neue Eigenschaft 
des Mittels zu entdecken, welche eine weitere ausgedehntere 
Verwendung desselben empfehlenswert erscheinen läßt. 



IX. 

tJber den Einflnss der Verengernng des Ansatzrohres anf 

die Hohe des gesungenen Tones. 

Von 

Dr. M. BnkoflBer, Kfoigsberg i. Pr. 
(Mit 1 Abbildung.) 

Als Spieß im Febrnar 1902 (Internat. Zentralbl. f. Larjngol.) 
auf den Umstand aufmerkaam machte, daß ein bei gesohlosseaem 
Mande geanmmter Ton sich in dem Augenblicke v^iefe, in 
welchem man eine Nasenhälfte verechlieBt nnd die andere ver- 
engt, Würde von Gutzmann (Internat Zentralbl. £. Laryngol. 
1902, März) eine Erklärung ftlr diese Erscheinung abgegeben, 
welcher ich mich (Internat. Zentralbl. f. Laryngol. 1902, Juni) an- 
schloß; außerdem aber mußte ich, wie es Jörgen Möller 
(Internat. Zentralbl. f. Laryngol. 1902^ April) inzwischen ebenfaUfi 
getan hatte, die Bichtigkeit der Spießschen Beobachtung berror- 
heben, weil A. Barth (Internat. ZentralbL f. LaryngoL 1902, März) 
seine Meinung dahin geäußert hatte, eine Vertiefung des Tones 
finde gar nicht statt, sondern nur eine Veränderung der Klang- 
farbe; man solle sich vor einer Verwechslung von Tonhöhe mit 
Elsng£&rbe hüten. 

In einem Vortrage auf der Naturforscherversammlung in 
Karlsbad (1902), der in diesem Arohiv Bd. LVII ersehira, legte 
A. Barth dann seine Ansieht ausf&hrlicfa dar und suchte sie 
mit Hilfe graphisch fixierter Versuche zu erhärten. — Neuer- 
dings kam dann Jörgen Möller (dieses Archiv. 1903 XVL Bd.) 
auf diese Arbeit zurück und erklärte, daß seine Überzeugung 
von der tatsächlichen Veränderung der Tonhöhe beim Spieß sehen 
Versuche durch neue persönliche Wahrnehmungen nur bestärkt 
worden sei. — Dadurch habe ich willkommene Gelegenheit ge- 
funden, auf die inzwischen nicht berührte Frage noch einmal 
und zwar ausführlicher einzugehen. 



über den Einfluß der Verengerung des Ansatzrohres usw. 106 

Zunächst möchte ich die Versuche bekannt geben, welche 
ieh zur objektiven Feststellung der Tonhöhe beim Spie fischen 
Versuche gemacht habe. Herrn Geh. Med.-Sat Prof. Dr. L. Her- 
mann sage ich fbr seine Liebenswürdigkeit, welche es mir er- 
möglichte, die Versuche im Egl. phvsiolog. Universitäts-Institnte 
anzustellen, meinen verbindlichsten Dank. 

Da es sich bei dem Spieß sehen Versuche nur um eine Ver- 
engerung der Mündung des Ansatzrohres handelt, so konnte naeh 
dem Vorgange von Barth das Experiment unbeschadet seiner 
Deutlichkeit vom Naseneingange nach der für Versuche be- 
qoemeren Mundöffnung verlegt werden, vorausgesetzt daß ein 




Abschluß der Mundhöhle vom Na«enrachen durch das Gaumen- 
segel oder ein Verschluß beider Nasenöffnungen stattfand. Durch 
Sehlauch und Mundstück wurde ein T- förmiges Glasrohr mit 
der Mundhöhle verbunden, indem sich die Lippen fest um das 
Hnndstflck legten. Das T-Rohr hatte einen weiten und einen 
flehr engen Schenkel. Das Lumen des weiten Schenkels war 
dem Lumen des Fnßstttckes gleich. Wurde nun mit Vox nasalis 
clausa oder mit zugedrückten Nasenöffhungen ein Ton hinein- 
gesuDgen, so erschien er in demjenigen Augenblicke um ca. V« 
bis 3/4 Ton dem Ohre tiefer, in welchem man das Lumen des 
weiten Schenkels verschloß, so daß die Luft durch den sehr engen 
Schenkel entweichen mußte. Der Spieß sehe Versuch war also 
mit Erfolg nach der Mundöffnung transloziert. — 

Es kam nun darauf an, die Schwingungszahlen der beiden 



106 IX. BUKOFZER 

wahrgenommenen Töne festzustellen. Zn diesem Zwecke wurde 
der enge Schenkel des T-Bohres durch einen Schlauch mit einer 
Phonographen- Aufnahmekapsel, an welcher ein Schreibehehel 
befestigt war, luftdicht verbunden, während der weite Schenkel 
mit Hilfe eines Schlauches zu dem Fuße eines zweiten Y-Rohres 
gleicher Beschaffenheit gef&hrt wurde« Wurde nun durch das 
Mundstück wie vorher ein Ton in dieses Röhrensystem hinein- 
gesungen, so mußten die Schallwellen durch die Mündungen 
des zweiten T-Rohres entweichen, indem sie auf dem Wege dort- 
hin Gelegenheit fanden, auch die Luft im ersten engen Y-Schenkel 
und somit den Schreibehebel in die gleiche Schwingung zu ver- 
setzen. Wurde aber der zweite weite Y-Schenkel verschlosseo, 
so mußte bei im übrigen gleichen Verhältnissen die Luft ans 
dem zweiten engen Y-Schenkel allein entweichen. Auch bei dieser 
Anordnung gelang der Versuch zunächst f&r das Ohr. 

Es wurde nun eine Mareysche Trommel so angebracht, 
daß die Spitze ihres Schreibehebels in dem Augenblicke eine 
Marke neben der Zeichnung des Schreibehebels der Phonographen- 
membran auf einem vorbeigef&hrten berußten Papierstreifen in 
gleicher Höhe zeichnete, in welchem auf ihren luftdicht ver- 
schlossenen Schlauch gedrückt wurde. Geschah dieses nun im 
Momente des Abschlusses des zweiten weiten Y-Schenkels, so 
war auch der Moment des Eintritts der vom Ohre wahrgenommenen 
Tonvertiefung graphisch fixiert. — Daneben zeichnete der Schreibe- 
hebel einer durch einen Akkumulator getriebenen sekundären 
Stimmgabel von 150 Schwingungen deren Kurve. — 

Nun sang jemand (die graphisch dargestellten Versuche 
wurden an vier Personen vorgenommen) bei beiderseits ge- 
schlossener Nase und fest um das Mundstück gelegten Lippen 
in dieses einen Ton laut hinein, während der berußte Papier- 
streifen auf einer Walze an den Schreibehebeln vorbeigeftihrt 
wurde. Inmitten des Tones wurde plötzlich, und zwar um jede 
willkürliche Veränderung des Tones im Momente der Verengerung 
auszuschließen von einer a n d e r en Person undohneVorwissen 
des Singenden der weite Schenkel des zweiten Y-Rohres ge- 
schlossen und a tempo ein Druck auf den Schlauch der 
Marey sehen Trommel ausgeübt. — Ebenso wurde der Versuch 
in umgekehrter Reihenfolge (erst enges, dann weites Lumen) 
ausgeführt. 

Die auf diese Weise erhaltenen Kurven ergaben eine deut- 
liche und erhebliche Vertiefung des Tones bei engem Lumen. 



über den Einflaß der Verengerung des Ansatzrohres usw. 107 

— um aber die Objektivität der Beobachtung noch weiter zu 
steigern, die Möglichkeit willkürlicher Veränderung der Tonhöhe 
geradezu fär das Resultat auszuschließen, wurde zur Schluß- 
berechnung nur die Differenz der Sohwingungszahlen in der 
letzten Drittelsekunde vor und in der ersten Drittelsekunde 
nach dem Momente der Veränderung des Lumens (also während 
je 50 Stimmgabelschwingungen diesseits und jenseits derselben) 
benutzt. Die beigefügte Tabelle gibt die Verhältnisse wieder. 
Die auf die angegebene Weise erhaltene Differenz betrug auf 
das Intervall eines Halbtones berechnet (das Verhältnis des 
böheren zum tieferen Halbtone = 16 : 15 als Grundlage ge- 
nommen) 0,435 bis 1,702 Halbton; nämlich in dreizehn Ver- 
suchen: 0,435—0,452 — 0,470 — 0,600—0,626—0,750—0,842— 
0,848—1,007—1,221—1,463-1,518—1,702 Halbton, d.h. durch- 
schnittlich 0,917 Halbton, also fast einen Halbton. — Die 
Schwingungszahlen der beobachteten Töne waren 147 — 240 in 
der Sekunde. 

Derselbe Versuch an einer membranösen Zungenpfeife 
gemacht, bei welcher das Lumen viel weniger eng genommen 
werden konnte, weil sie sonst nicht angab, zeigte dennoch ein 
Herabgehen der Schwingungszahl bei Verengerung des Lumens 
von 255 auf 229 Schwingungen in der Sekunde oder (das Ver- 
hältnis des höheren zum tieferen Ganztone = 9 : 8 als Grundlage 
genommen) um etwas weniger als einen Ganzton. 

Nach diesen Ergebnissen scheint mir ein Zweifel an der 
Tatsache, daß beim Spießschen Versuche der Ton sich be- 
zQglioh seiner Schwingungszahl und nicht nur bezüglich seiner 
Obertöne ändert, nicht mehr angänglicb. 

Wichtig allerdings ist es, daß der Versuch auch wirklich 
den Angaben von Spieß entsprechend ausgeftihrt wird. Spieß 
sagt ausdrücklich: „Ist dagegen eine Nasenseite bis zu einem 
gewissen Grade verengt, so wird die Tonhöhe des gesummten 
Tones oft um einen halben Ton und noch mehr herabgehen, so- 
bald man die nicht verengte Nasenseite schließt.^ — Es handelt 
sieh eben darum, das DrnckgeMle der Exspirationsluft wesent- 
lieh zu beeinträchtigen. In den Barthschen graphischen Ver- 
snoben ist dieser wichtigen Forderung nicht Rechnung getragen; 
wenigstens ist bei ihnen nur vom Verschluß einer Nasenöffhung, 
nicht aber von einer Verengerung der anderen die Rede. Der 
Verschluß einer Nasenöffnung mag wohl in manchen Fällen je 
nach der Konfiguration des Ansatzrohres genügen, auch dabei 



108 



IX. BUKOFZER 



Sehwingszahl der Stiol 





Lumen 


Sohwingungszahl 
während der ganzen 
Dauer des Versuchs: 


Schwingungseahl der 
Stimme in der Sekunde 


Differeni j 
Sohwinguiu 

sahlen dt 

Stimme t^ 

und nach ?( 

änderangl 

Liinieni ii 
der Sehnd 




der Stimm- 
gabel 


der 
Stimme 


Yersooh 1. 


eog 


169 


207 


207 
-j^. 150 -=183,600 


7,650 


weit 


100 


127,5 


ig^. 130 «191,250 


y ersuch 2. 


weit 


205 


211,5 


-^.150-154,800 


5,550 


eng 


124,5 


124 


mV ''"'"''''''' 


Yenitoh 3. 


eng 


188 


236 


-?|i. 150 = 188,250 


11,100 


weit 


194 


258 


-^ . 150 — 199,350 


Versuch 4. 


eng 


194 


247 


~ . 150 - 190,979 


1 1,550 


weit 


220 


297 


297 
^jjj-. 150-202,500 


Versuch 5. 


weit 


220 


297 


297 
-22JJ-. 150 «202,500 


9,750 


eng 


207 


267 


267 
-2ÖY- -100-192,750 


Vertueh 6. 


weit 


198 


271,5 


—^.150-205,681 


12,131 


eng 


117 


152 


152 
-^.150—193,550 


Versuch 7. 


weit 


118 


155 


155 
jjy . 150 — 196,950 


19,350 


eng 


228 


270 


270 
^^.150-177,600 


Versuch 8. 


eng 


228 


270 


270 
-^j^. 150 -177,600 


13,400 


weit 


150 


191 


— .150 — 191,000 


Versuch 9. 


weit 


162 


171 


-J^. 150- 158,250 


7 800 


eng 


161 


161,5 


-^^.150 — 150,450 


( jO"" 



über den Einfluß der Yerengerang des Ansatzrohres usw. 109 



el = 1 50 in der Sekunke. 



iwm^ngB- 
i d. Stimme 
der an- 
BDzeDden 
ittelsek. : 



Jec'\ nach 
Kg. 'Yorand. 
des 
Lumens 

(=N) 



tens 

M) 



2 I 

Sa 

a ' 

s 

■'S 



rs 



O) 



v 









t — 



64 



1 - 



49 



\2 — 



68,5 



13,5 — 



66,0 



J6,5l — 



63,0 



f0,5 — 



63,0 



>5,5 , — 



61,5 



»9,5 I — 



63,5 



)2,5 



51,0 



3,0 



2,0 



6,5 



3,5 



3,5 



7,5 



4,0 



1,5 






-^ 's 

I 



a> so 
Q 



CO 



Sohwingungszahl des 
Däohsttieferen Halbtons ') 
(ausgeh. y. höheren der 
beiden an d. Moment d. 
Yerind. d. Lumens an- 
grenz. TOne [3 M resp. 

3 N]) in der Sekunde 
(-0) 

1) DasYerhältn. ein. Ton. z. 
nachsttiel Halbton ist 16 : 16. 



Differeni zwischen 
3 M resp. 3 N v. d. 
naohsttieferen Halb- 
tone (3 M — resp. 
3N— 0) 



9,0 



6,0 



19,5 



10,5 



10,5 



22,5 



5,0 15,0 



12,0 



4,5 



3.64.15 
16 



»180,000 



3.51.15 
16 



— 143,437 



192 (. 
180 (: 



3N) 
0) 



12 



3 . 68.5 . 15 
16 



=» 192,656 



3.66.15 
16 



»185,625 



3.66,5. 15 
16 



— 187,031 



3.70,5.15 
16 



198,281 



3 . 65,5 . 15 
16 



134,218 



3.63,5.15 
16 



= 178,593 



3.52,5. 15 
16 



«147,656 



153,000 (- 
— 143,437 (- 


'3M) 
'0) 


9,5ti3 




205,500 (« 
— 192,656 (- 


:3N) 

.0) 


12,844 




198,000 (= 
— 185,625 (- 


*3N) 
.0) 


12,375 




199,500 (- 

- 187,031 (= 


'3M) 
.0) 


12,469 




211,500 (= 
— 198,281 (- 


:3M) 

:0) 


13,219 




196,500 (= 
184,218 (= 


:3M) 

.0) 


12,282 




190,500 (= 
178,593 (« 


= 3N) 
= 0) 


11,907 




157,500 («= 
147,656 (- 


:3M) 
.0) 



unterschied 

iwisch. 3 M u. 

3N auf das 

InterTall eines 

Halbtones 

berechnet 



9 



12 



— 0,750 



6,0 
9,563 



0,626 



19,5 



12,844 



=-1,518 



10,5 
12,375 



> 0,848 



^-0,842 



12,469 



22,5 
13,219 



1,702 



15,0 
12,282 



1,221 



12,0 
11,907 



— 1,007 



9,944 



4,5 

9,944 



»=0,452 



110 



IX. BUKOFZER 



Lumen 



Yersuoh 10. 



Versuch 11. 



Yerattoh 12. 



Versuch 13, 



Schwingungszahl 
während der ganzen 
Dauer des Versuchs : 



der Stinim- 
gahel 



der 
Stimme 



eng 


161 


161,5 


weit 


114 


120 


eng 


179 


251 


weit 


138,5 


200 


eng 


352 


533 


weit 


289 


470 


weit 


289 


470 


eng 


150 


229 



Schwingangszahl der 
Stimme in der Sekunde 



161,5 
161 



.150=» 150,450 



120 

114 



.150 = 157,800 



251 
179 



. 150 »210,300 



200 
138,5 



.150^216,600 



M3 
352 



. 150 »227,100 



470 
289 



. 150 -»243,900 



470 
289 



.150» 243,900 



229 
150 



.150 «220,000 



Differenz d 

Schwingau 

zahlen dei 

Stimme t<{ 

und nach Y{ 

änderung I 

liUmenB ii 

der Sekuiu 



7,350 



6,300 



16,800 



14,900 



schon ein Herabgehen des gesummten Tones zu konstatieren; ein 
deutliches, unanzweifelbares Resultat ist jedoch nur zu erzielen, 
wenn man den Spießsehen Versuch genau nach dessen Vor- 
schrift macht. 

Wer von Jugend auf sich daran gewöhnt hat, die Klang- 
farben eines Orchesters zu analysieren , wer in jedem Momente 
weiß, welche Instrumente gerade gespielt werden, dürfte sieh 
beim Spieß sehen Versuche durch eine Elangfarbenverändening 
über die Tonhohe schwerlich täuschen lassen. — Es wäre auch 
höchst unwahrscheinlich, daß dieselbe Person, die beim Spieß- 
sehen Versuche dieser vermeintlichen Täuschung anheimgefallen 
ist, bei der Wiederholung derselben sich plötzlich nicht mehr 
täuschen ließe; es handelt sich hier eben um eine Korrektur des 
Fehlers bei der Wiederholung, welche der Sänger willkürlich 
vornimmt — immerhin bei den veränderten Druckverhältnissen 
ein Vorgang von wunderbarer Präzision. 

Singt man bei verschlossener Nase durch das oben be- 



über den Einfluß der Verengerung des Ansatzrohres osw. 111 



ihwingUDg»- 
fld. Stimme 
I der an- 

leoienden 
irittelsek. : 



Ter-' nach 
tag. IVerlnd. 

Jei I des 
DflDs Lomens 
=M) I (=N) 



1 I 

•- ^ ^ 

-TS CS ^ 



N O» 



« «** OD 

d » S 
2*2 *" 



Q> CO I— rf 

° € 9* 

2 5*" 



a 



CO 



Schwingungszahl des 
nächsttieferen Halbtons ') 
(ausgeh. y. höheren der 
beiden an d. Moment d 
Veränd. d. Lumens an- 
grenz. Töne [3 M resp. 

3 KJ) in der Sekunde 
(«0) 

1) DasYerhaitn. ein. Ton. z. 
nftchsttief. Halbton ist 16 : 15. 



,9,5 










1,5 


— 


51,0 




I!,5 










2,0 




73,5 




r6,o 





7,5 






— 


83,5 




K),0 


1 


3,0 



- ' 77,0 



4,5 



6,0 



22,5 



9,0 



3.51. 
16 


15 


— 143,437 


3 . 73,5 . 
16 


15 


— 206,718 


«5 • ou,u • 

16 


15 


»234,843 


3.80. 

4 A 


15 


»225,000 



Differenz swischen 
3 M resp. 3 N u. d. 
nächsttieferen Halb- 
tone (3 M — resp. 
3N— 0) 



153,000 (»3N) 
1 43,437 (— 0) 



9,563 



220,500 (> 
206,718 

13,782 



3N) 
0) 



250,500 (— 3 N) 
234,843 ( «rO) 

15,656 



240,000 
225,000 ( « 

15,000 



3M) 
0) 



Unterschied 

z wisch. 3 M u. 

3 N auf das 

Interyall eines 

Halbtones 

berechnet 



4,5 



9,563 



»0,470 



6,0 



13,782 



0,435 



22,5 
15,657 



— 1,436 



9,0 
15,0 



— 0,600 



schriebene Y-Rohr (mit einem weiten und einem sehr engen 
Sehenkel) einen Ton in das Klavier bei aufgehobenem Pedale 
laut hinein und läßt dann unvermutet durch einen Andern den 
weiten Schenkel plötzlich schließen, so bort man nicht nur den 
angegebenen Ton, sondern auch den tieferen Halbton mit- 
klingen; und zwar hebt er sich deutlich aus dem allgemeinen 
Summen der andern Saiten heraus. Auch dies ist ein Beweis ftlr 
die Sichtigkeit der Spießschen Beobachtung. 

Es läßt sich übrigens eine Modifikation des Spießschen Ver- 
suches leicht bilden, bei der eine Klangfarbenveränderung gar 
nicht stattfindet. Singt man nämlich bei völlig geschlossener 
Nase und bei völlig geschlossenem Munde einen Ton solange es 
irgend angeht, so erscheint alsbald ein Moment, in welchem 
der supralaryngeale Druck infolge der Hemmung am peripheren 
Ende des Ansatzrohres dem infralaryngealen Druck annähernd 
gleichkommt^ um bald darauf ihm völlig gleich zu werden. In 
diesem letzten Augenblicke muß der Ton erlöschen. Schon Wolf- 



112 IX. fiUKOFZER 

gang von Kempelen^ schildert in seinem 1791 in Wien er- 
schienenen Bnche über den ^Mechanismus der menschlichen 
Stimme*' S. 242 — 243 diesen Versuch sehr anschaulich und be- 
gründet das Resultat. Oenau wie beim Spieß sehen Versuche 
wird hierbei das Druckgefälle des Exspirationsstromes beein- 
trächtigt, verlangsamt, und genau wie bei ihm sinkt der Ton und 
zwar in der letzten Phase seiner Existenz mit der Verlangsamung 
des Exspirationsstromes. Aber eine Veränderung der Klangfarbe, 
durch die man sich etwa über die Tonhöhe täuschen lassen 
konnte, findet dabei naturgemäß nicht statt. 

Es liegt kein Grund vor, im vorliegenden Falle fftr die 
Zungen des Kehlkopfes ein anderes physikalisches Gesetz auf- 
zustellen, als das ftlr membranöse Zungen allgemein gültige — 
ich komme auf diesen Punkt bezüglich harter Zungen noch 
zurück — , nach welchem sie, wie bekannt und wie von mir 
durch den am Modell ausgeführten und oben erwähnten Versuch 
aufs neue und graphisch bestätigt, bei Verminderung des An- 
blasestromes langsamer schwingen. 

Es ist eine ganz bekannte Tatsache, daß beim Crescendo- 
singen, d. h. bei Beschleunigung des Exspirationsstromes, die 
Tonhöhe steigt und der Sänger es lernen muß, diesen Fehler 
auszugleichen. Th. Hauptner (Die Ausbildung der Stimme, 
S. 6) sagt z. B. darüber: „Bei gleichbleibender Spannung der 
Stimmbänder geht der Ton mit der wachsenden Kraft des Luft- 
stromes in die Höhe und sinkt mit Abnahme derselben. Bei 
sukzessivem Anschwellen des Tones muß also mit der wachsenden 
Kraft des Anblasens die Spannung der Stimmbänder etwas nach- 
gelassen werden, wenn der Ton auf gleicher Tonhöhe bleiben 

1) „Man kann aach bei geschlossenem Mund und Nase seine Stimme 
hören lassen, jedoch nur ganz kurze Zeit und nicht sehr laut. Dieses ge- 
schieht auf folgende Art: Der innere Raum des Mundes ist mit Luft gefüllt, 
die nicht zusammengedrückt, sondern in ihrem natürlichen Zustande ist. 
Das Stimmhäutchen schneidet ihr alle Gemeinschaft mit der in der Lunge 
enthaltenen gleichsam wie ein Ventil ab. Wenn nun die Stimme ansprechen 
soll, so wird die in der Lunge enthaltene Luft zusammengedrückt, das 
Stimmhäutchen öffnet sich ein wenig und gestattet ihr einen nur ganz engen 
Durchgang. In der in dem Munde vorrätigen, viel weniger zusammen- 
gedrückten Luft findet sie noch so viel Raum, daß sie in dieselbe mit einem 
Laut hineinströmen kann, indem sie diese immer mehr und mehr zusammen- 
drückt. Sobald die Luft in dem Munde ebenso sehr zusammengedrückt ist als 
in der Lunge, so ist zwischen beiden das Gleichgewicht hergesteUt, der Strom 
der Luft hört auf und mit ihm die Stimme. Und dieses ist die Ursache, warum 
die Stimme nur eine kleine Weile, etwa eine Sekunde lang, anhalten kann**. 



über den Einfloß der Verengemiig des Ansatzrohres usw. 118 

soll und umgekehrt bei sukzessiver Abnahme der Tonstärke^. 
Johannes Müller besehreibt (Handb. d. Physiol. Koblenz 1840. 
II. S. 152) folgenden Versueh: ^Zwei elastische Membranen sind 
Aber daj9 Ende eines ganz kurzen Rohres so ausgespannt, daS 
jede einen Teil der Öffnung verdeckt und zwischen ihnen eine 
Spalte ttbrig bleibt . . . Der Ton war beim Blasen durch das 
Bohr um einen halben bis ganzen Ton höher, als wenn auf der 
Membran selbst ein Ton hervorgebracht wurde durch Antreiben 
eines feinen Luftstromes gegen den Sand. Der beim Blasen an- 
gegebene Ton ließ sich in allen Fällen durch stärkeres Anblasen 
auf zwei halbe Töne höher treiben, aber nicht weiter^. Grützner 
(„Physiologie der Stimme^ in: Hermanns Handb. d. Physich 
Leipzig 1879. S. 82) sagt: „Von höchster Bedeutung ist die Stärke 
des Anblasens, der Luftdruck, vermittelst dessen die Bänder zum 
Tönen gebracht werden; . . . man ist imstande, im Kehlkopf durch 
Erhöhung des Luftdrucks die Tonhöhe der schwingenden Bänder 
um etwa eine Quinte zu steigern^. Diese letzte Angabe bezieht 
sich offenbar auf ein Experiment am ausgeschnittenen Kehlkopf, 
wie es schon — was wenig bekannt sein dürfte — von Perrein 
nm 1740 ausgefiihrt wurde. Da dieser ausgezeichnete Forscher, 
dem wir die Kenntnis verdanken, daß die Weite der Glottis 
keinen Einfluß auf die Tonhöhe hat, in seiner interessanten Arbeit 
eine Erklärung fllr diese Erscheinung abgibt, welche noch heute 
gelehrt wird, ohne daß man ihren Schöpfer nennt, da auch ich 
mich in der Brief kastennotiz vom Juni 1902 (Internat. Zentrabi. 
f. Larynyologie) dieser Lehre angeschlossen habe, ohne die 
Ferreinsche Arbeit damals zu kennen, so muß ich eine wichtige 
Stelle aus ihr anführen, obgleich ich aus einem später zu 
nennenden Grunde jetzt diese Erklärung nicht mehr für anst- 
reichend halten kann. Ferro in berichtet (Histoire et mömoires 
de FAcadämie, Paris 1744) über eine Steigerung der Tonhöhe um 
V2 bis 1 Ton bei dem gleichen Spannungsgrade und gesteigertem 
Anblasedruck. Er vergleicht den Vorgang damit, daß der Ton 
einer gestrichenen Saite mit der Intensität des Bogenstriches 
steigt. Sein Gewährsmann dafür ist Mons. Mondonville, „un 
des plus grands mattres que nous ayons en rousique^^ „II a 
trouvö — heißt es da — que cette difförence pouvoit aller k un 
demiton lorsqu'on tient le cordes fort läches, quoique la gradation 
qn'on observe en renflant et en adoucissant le son, rende ordinaire- 
ment cette difference insensible ä Toreille". Für die bei seinen 
Versuchen an Kehlköpfen wahrgenommene Steigerung der Ton^ 

ArehiT 1 Ohienheilknnde. LXI. Bd. b 



114 IX. BDKOFZEK 

höhe infolge Steigerung des Anblasedraekes gibt er dann fo}- 
^nde ErU&rnng: ^Uair g€nö dans gon passage, pressant les 
l^yres de la glotte dn dedans en dehors, les for^oit de s'ötendre, de 
se conrber et de s'öcarter Tnn de Fantre et je vis le son plus ou 
moins sensiblement, sniyant la distension 6toit elle-mSme plag on 
moiDS oonsidörable^. 

Die Erklärung, welche 6ad in der Eulenburgschen Real- 
enzyklopädie (3. Aufl. 1900. Bd. Xm. S. 402 ff.) gibt, lautet nicht 
viel anders. Er sagt: ,,Die Tonhöhe membranöser Zungenpfeifen 
ist in nicht unerheblichem Maße von der Stärke des Anblasens 
abhängig. Schwillt der exspiratorische Druck im crescendo an, 
BO werden durch den Luftdruck an sich die Stimmbänder schon 
stärker gespannt, und es wird behufs Festhaltung der Tonhöhe 
eine kompensatorische Entspannung des Mnskelzuges erforder- 
lich.^ Ich hatte in der erwähnten Briefkastennotiz das Wort 
„Ausgleichsmechanismus^ bierf&r gebraucht. 

Mittlerweile habe ich mich davon überzeugt, daß auch harte 
Zungen — auch Grützner (1. c.) erwähnt diese Eigenschaft „ge- 
wisser metallener Zungen^ — in bezug auf die Tonhöhe der 
Intensität des Anblasestroms bis zu einem nicht unerheblichen 
Grade folgen; außerdem aber läßt sich auch an ihnen, ebenso 
wie bei membranösen Zungen, durch Verengerung der Mündung 
des Ansatzrohres der Ton wesentlich vertiefen. Auch diesen 
letzteren Versuch habe ich graphisch fixiert und ein Herabgehen 
des Tones von 240 auf 228 Schwingungen in der Sekunde, d. h. 
um 0,8 Halbton, gefunden. — Daß die harte Zunge nun etwa 
durch den Anblasestrom, als sie den höheren Ton angab, ge- 
dehnt worden wäre, ist schlechterdings undenkbar, so plausibel 
dies für membranöse Zungen erscheinen mag. Die Erklärung, 
nach welcher das Ansteigen des Tones im crescendo auf eine 
Dehnung der Stimmlippen durch den beschleunigten Exspirations- 
strom zurückgeführt wird und welche auch ich zur Begründang 
des Spieß sehen Phänomens herangezogen habe, ist sonach nicht 
ausreichend, wenngleich sie nicht gerade falsch sein muß. Es 
spielen eben sicher noch andere Faktoren beim Zustandekommen 
des Phänomens mit, welche zu bestimmen eine schwierige Auf- 
gabe sein dürfte; sie zu lösen ist Sache des Physikers. 

Ich glaube nunmehr nachgewiesen zu haben, daß beim 
Spieß sehen Versuche die Tonhöhe bei wesentlich verengtem 
Lumen des Ansatzrohres sinkt, wie es infolge der dadurch be- 
dingten Verlangsamung des Exspirationsstromes nicht anders zu 



über den Einfloß der Verengerang des Ansatzrohres usw. 115 

erwarten ist; denn die Intensität des Anblasestromes hat beson- 
ders bei membranösen Zangen (aber auch bei harten) einen ge- 
wissen Einfluß auf die Tonhöhe. — Die Wahrnehmung dieser 
Tonveränderung beruht keineswegs, wie A. Barth meint, auf 
einer Gehörstänschung, durch welche die Tonhöhe mit einer 
Klangfarbe verwechselt wird. — Die Tondifferenz sehwankt nach 
meinen Versuchen — und nach Spieß — um einen halben Ton 
herum, beträgt zuweilen auch fast einen ganzen Ton. Sehr 
wesentlich höhere subjektive Angaben scheinen in der Tat Folge 
einer Gehörstäusohung oder des Unvermögens, Intervalle abzu- 
schätzen, zu sein. — Das Spieß sehe Phänomen kann nicht aus- 
schließlich auf den umstand zurückgeführt werden, daß etwa 
eine normaliter bei der Tongebung erfolgende Dehnung der 
Stimmlippen durch den Exspirationsstrom , welche einen Einfluß 
auf die Tonhöhe haben soll, beim Spießschen Versuche erheb- 
lich verringert oder aufgehoben wird; denn dei* Versuch gelingt 
mit harten Zungen ebenfalls. — Daß der geübte Sänger den Ton 
beim Crescendo nicht in die Höhe treibt wie der ungeübte, setzt 
einen Ausgleichsmechanismus voraus. Derselbe kann sehr wohl 
in einer proportionalen Entspannung der Stimmbänder während 
des Crescendo bestehen, ebenso gut aber auch in anderen Vor- 
gängen, die sieh z. B. etwa im Ansatzrohr abspielen könnten« 



8* 



X. 
Klinische Stndien znr Analyse der Hörstörnngen. 

Von 

Professor Ostmann, Marburg a. Lahn. 
(Ifit 10 Abbfldungen.) 

IL Teil: Zur Analyse der Hörstörung beim Thrombus 
sebaoeus. (I. Teil: Zur Analyse der Hörstörung bei der akuten 
perforatiyen Mittelohrentzündung. Zeitsehr. für Ohrenheilkunde. 

Bd.XLn. S. 217— 257.) 

Zwischen dem L und IL Teil meiner klinischen Studien 
zur Analyse der Hörstörungen liegt eine weite Strecke Weges; 
nicht zeitlich; aber inhaltlich. 

Die fiörstörungen bei der akuten perforatiyen Mittelohr- 
entzündung waren nach von Gontaschem Prinzip gemessen 
und nach Hartmannsohem Vorgänge graphisch dargestellt. 

An die Stelle dieser als unrichtig erkannten Messungs- und 
Darstellungsmethode tritt die Messung der Hörstörungen mit 
meinem objektiven Hörmaß. 

Wenn man dieses objektive Hörmaß praktisch prüfen will, 
so erfordert ein logisches und methodisches Vorgehen zunächst 
Fälle zur Messung auszuwählen , welche möglichst einfache 
Formen der Hörstörung erwarten lassen. Unter diesen soll als 
erste die Hörstörung beim Thrombus sebaceus zur Analyse aus- 
gewählt werden. 

Die bisherigen Mitteilungen über die Hörstörungsform beim 
Thrombus sebaceus sind sehr spärlich, wenn auch vielleicht 
manche, in anderem Zusammenhange gemachte Bemerkung mir 
entgangen sein mag. 

Zunächst einige frühere Mitteilungen über die Hörstrecke. 

Nach Burckhar dt-Merian'^) (1885) „schwächt die An- 

1) Dieses Archiv. Bd. XXII. S. 1S2. 



Klinische Studien zur Analyse der Hörstörungen. 117 

Sammlung von Ceramen die Hörfähigkeit für die Klangfarbe and 
die Galtonpfeife nicht ab, dooh kommt auch der umgekehrte Fall 
nioht selten vor, sodaß bei bestehender Ansammlang von Ce- 
rnmen, kombiniert mit Taubheit für hohe Töne, der 
Sehlaß auf eine daneben nooh bestehende anderweitige Erkran- 
kung des Gehörapparates nieht erlaubt ist.^ 

Brunn er ^) beobachtete bei Obtnration durch Geramen „eine 
nioht ganz unbeträchtliche Herabsetzung der oberen Grenze, die 
sieh unmittelbar nach dem Ausspritzen verlor^ und die er nioht 
ohne weiteres auf Veränderungen im Labyrinth schieben möchte. 

Er prüfte diese Frage experimentell, indem er vor und nach 
Anfllllnng des Meatus auditorius externns mit Wasser die Hör- 
fähigkeit für die höchsten Töne der Galtonpfeife prüfte. Galton 
sank von 0,4 auf 0,7 der Skala. Aus diesen Beobachtungen geht 
für Branner hervor, „daß Änderungen in der Spannung des 
Mittelohrapparates — und damit ofl auch des Labyrinths? — 
imstande sind, die obere Tongrenze zu beeinflussen.^ „Einer 
weiteren Beobachtung bleibt es vorbehalten ^ fährt er fort, „hier- 
über mehr Klarheit zu schaffen und wo möglich die Grenzen fest- 
zastellen, innerhalb welcher sich solche mehr mechanische Stö- 
rungen bewegen; so viel ich — Brunner — bis jetzt — 1895 
— gesehen habe, beträgt der Ausfall in solchen Fällen selten 
mehr als 1,0 bis 1,2 der Galtonskala, meist nur 0,2 — 0,6.^ 
Brunn er wirft schließlich die Frage auf, wie viel der Defekt am 
oberen Ende der Skala betragen muß, „um daraus mit Sicherheit 
auf einen Perzeptionsfehler schließen zu dürfen?'' 

Zwaardemaker^) stellte in ähnlicher Weise wie Brunner 
experimentell fest, daß wir durch Yerschließnng der beiden Ge- 
hörgänge einige der höchsten Töne der Galtonpfeife verlieren 
und die übrigen schwächer hören. „Auch dann zeigte sich 
dieses, wenn durch den absperrenden Finger keine 
Drucksteigerung im Ohr entsteht.^ 

Die Einengung der oberen Tongrenze durch Anhäufung von 
Ohrenschmalz ist somit eine bereits mehrfach beobachtete Tat- 
sache, deren Ursache und diagnostische Bedeutung indes noch 
aufzuklären blieb. 

Die Mitteilungen über das Hörrelief beim Thrombus sebaceus 

1) Zur diagnostischen Verwertung der oberen und unteren Tongrenze 
OBw. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XXVII. 1895. S. 258. 

2) 0er Einfloß der Schallintensität auf die Lage der oberen Tongrenze. 
Ebenda. Bd. XXIV. 1893. S. 311/12. • 



118 X. 08TMANN 

sind, wie es soheint, äußerst spftrlioh. Mir ist zur Zeit nur eine 
Angabe yon Hartmann^) bekannt, naob der gleiehmftßige 
Sehwerbörigkeit fttr versehiedene Töne ,,yorwiegend bei den 
mit Perforation nnd Sekretion verbundenen Mittelobrentzfin- 
dnngen* nnd ebenso bei ,, einigen Fällen von Thrombus sebaceus'' 
gefunden wird. 

Hat sieh die erste dieser Behauptungen durch meinen ersten 
Beitrag zur Analyse der Hörstörungen als nieht stiohhaltig er- 
wiesen, so wird aueh die zweite durch die nachfolgenden Aus- 
fflhrungen widerlegt. 

Meine analytischen Untersuchungen Ober die Horstörungs- 
form beim Thrombus sebacens haben mehrere Jahre vor der Auf- 
findung des objektiven Hörmaßes begonnen. Alle diese Unter- 
suchungen sind an sich wertlosgeworden; nur insoweit besitzen 
sie aueh jetzt noch Wert und Interesse, als sie, mit derselben 
Stimmgabelreihe und von demselben Untersucher vorgenommen^ 
sehr wertvolle Yergleichsobjekte bieten. 

Es soll demnach den 8 Analysen mit dem objektiven Hör- 
maß eine gleiche Zahl älterer Messungen gegenübergestellt 
werden. 

Für alle untersuchten Fälle gilt, daß die Hörschärfe mittelst 
Stimmgabeln und Flttstersprache nach der Entfernung des Throm- 
bus sebacens nochmals auf das Genauste geprüft wurde, nnd 
nur solche Fälle hier mitgeteilt werden, bei denen sich dann 
ein durchaus normales Hörvermögen ergab. Es ist selbstverständ- 
lich, daß diese Vorbedingung erfüllt sein muß, wenn man die 
durch den Thrombus sebacens bedingte Hörstörungsform rein 
erfassen will; nur bleibt zu bedauern, daß diese notwendige 
Sonderung viel umsonst geleistete Zeit und Arbeit kostet 

Betrachten wir zunächst die Hörstreoke, dann das Hörrelief 
und die Gestaltung desselben zum Ausfall der spraohliohen Prü- 
fung mittelst Flüstersprache. Der Binnesche und Webersche 
Versuch wird keiner besonderen Besprechung unterzogen werden, 
weil sich hinsichtlich dieser Versuche aus dieser Untersuchongs- 
reihe keine neuen Gesichtspunkte ergeben haben. 

L Die Hörstreoke. 

Für die Untersuchung der Hörstrecke können wir alle Fälle 
heranziehen; zur Erklärung ihrer Besonderheiten indes 

1) Graphische Darstellung der Resultate der Hörprafung mit Stimm- 
gabeln. Zsftschr. f. Ohrenheilk. Bd. XVII. S. 75, 76. 18BT. 



Klinische Studien zur Analyse der Hörstörangen 119 

nor die mit objektivem Maß gemeBsenen , weil das Hörrelief 
dieser uns die Erklärung bieten wird f&r das Verhalten der 
Horstrecke. 

Zur Prfifdng der Horstreeke dienten für die untere Grenze 
die tiefsten, belasteten Gabeln der Edelmann sehen Beihe, ftlr 
die obere Grenze das neueste Modell der Galtonpfeife, gleiobfall» 
von Edelmann bezogen. 

Von den 16 Fällen, die der Analyse zagrunde gelegt werden 
BoUen, lag die obere Grenze 

fOr bei 

7 gs d. h. sie hatte keine Einengung erfahren; 

1 f^ 

3 e' 

2 d? 

1 e'' 

2 h« 

Somit war bei 56 Proz. der Fälle die obere Grenze eingeengt. 

Die untere Grenze lag 

fikr bei 

5 C2 d. h. sie hatte keine Einengung erfahren ; 

4 ...... E2 

1 G2 

1 A2 

1 H2 

2 Dl 

1 El 

1 Ai 

Somit war bei 68,7 Proz. der Fälle die untere normale 
Hörgrenze hinaufgerückt. 

Wodurch erklärt sich dieses Verhalten der Horstreeke und 
insbesondere: Ist die Einengung der oberen Hörgrenze als La- 
byrinthsymptom aufzufassen oder nicht? 

Wir können zar Erklärung des eigenartigen Verhaltens der 
Hörstrecke nur die 8 Fälle Nr. 9 — 16 heranziehen, deren Hör- 
relief mit objektivem Maß aufgenommen wurde. Betrachten wir 
zunächst die untere Hörgrenze. 

Es ist eine zwar nicht unbestrittene, aber doch sehr wahr- 
soheinliche Annahme, daß zur Überleitung der tiefen und tiefsten 
Töne der Schallleitungsapparat von wesentlichster Bedeutung ist, 
dagegen die Enoehenleitung als solche nur wenig oder gar nicht 
in Betracht kommt. 



120 



X. OSTMANN 



Es ist weiter eine dareh die Höryersuehe von Wien^) am 
Telephon und durch die Untersuehungen von anderen festge- 
stellte Tatsache, die durch eigene noch zu veröffentliehende 
Versnehsergebnisse bestätigt wird, daß die Empfindlichkeit unseres 
Ohres yon den tiefsten Tönen bis zur 4 und 5 gestrichenen 
Oktave ansteigt, um dann relativ schnell gegen die noch höheren 
Oktaven abzusinken. 

Halten wir diese Tatsachen fest, so erklärt sieh, daß ein 
SohalUeitungshindernis, je st&rker es ist, ein um so umfang- 
reicheres Auslösehen der tiefsten Töne herbeifElhren muß. 

Die Empfindlichkeit unseres Ohres • wird gegen das untere 
Ende der Skala immer geringer; die Empfindlichkeit braucht 
demnach durch ein Hemmnis der Schallleitung nur um ein relativ 
geringes Maß herabgesetzt zu werden, um zun&chst die tiefsten^ 
sehallschwächsten Töne unhörbar zu machen. 

Ist dem so, so muß sich, wenn wir nun das Hörrelief auf- 
nehmen, eine gewisse Übereinstimmung zwischen der Einengung 
der physiologischen Hörstrecke und der Einbuße an Hörfäbigkeit, 
welche die tiefsten, noch eben gehörten Töne der pathologisch 
eingeengten Hörstrecke erfahren haben, ergeben. 

Der tiefste Ton, dessen Hörfähigkeit wir mit meinem ob- 
jektiven Hörmaß messen können, ist G der großen Oktave; des- 
halb müssen wir, sofern dieser Ton noch in die pathologisch 
eingeengte Hörstrecke hineinfallt, unsere weiteren Betrachtungen 
auf diesen, als den der unteren Hörgrenze nächstgelegenen, 
tiefsten Ton beziehen. 

Betrachten wir daraufhin die Fälle 9 — 16, die mit objektivem 
Haß gemessen sind« 

Es fand sich: 

die untere HOrgrenze, 



in Fall 9 bei 

^ * 15 :: 

^ ^ 14 - 

:: '^ 13 :: 

^ ^ 12 :: 

^ ^ 11 5 

= 5 16 ' 

5 :: 10 ^ 



C2 
C2 
02 
E2 
E2 
H2 

Dl 

El 



die Hörf&higkeit für C sa 

\ der normalen 

i ^ 



1) Physikalische Zeitschrift. Nr. Ib. 10. Okt. 1902. Über die Empfind- 
lichkeit des menschlichen Ohres für Töne verschiedener Hohe. 



Klinische Stadien zur Analyse der Hörstörungen. 



121 



Mögen in dieser Reihe immerhin kleine Beobaohtnngsfehler 
enthalten sein, die das Verhältnis zwischen Hörstreoke und 
Hörrelief noch nicht völlig rein znm Ansdrnok kommen lassen, 
80 geht doch mit Sicherheit hervor, daß, je weiter die untere 
Grenze der Hörstrecke hinanfgerttekt ist, wir eine 
om so stärkere Herabsetzung der tiefsten, noch eben 
hörbaren Töne der pathologisch eingeengten Strecke 
finden. 

Auch bei der alten Messung der Hörsehärfe nach von 
Oontasohem Prinzip muß sieh das dargelegte Verhältnis zwischen 
Hörstrecke und Hörrelief annähernd ergeben, weil die Hörstrecke 
in gleicher Weise festgestellt ist, und die Fehler der alten Messung 
flieh bei der tiefsten Gabel C relativ am wenigsten bemerkbar 
machen. 

Verfolgen wir auch ftr diese 8 Fälle Nr. 1—8 das Ver- 
hältnis zwischen Hörrelief und Hörstrecke. 

Es wurde gefunden: 

die untere Hörgrenze, die HOrfähigkeit für C zu 

100 Proz. der normalen; 

96 ^ = ^ 

65 5 5 s 

OZi 5 5 ' 

52 5 5 5 

25 5 5 5 

28 :: ^ 5 

Diese zweite Reihe läßt in ähnlicher, wenn auch nicht in 
00 übereinstimmender Weise wie" die erste, die Abhängigkeit der 
Lage des unteren ßrenztons von der Herabsetzung der Hörfähig- 
keit für die tieferen Töne deutlich erkennen; aber welch' ein 
Unterschied zwischen dem Aupmaß der Herabsetzung! Bei der 
stärkeren Einengung der unteren Hörgrenze bis Ai finden wir 
nach altem Maß die Hörfähigkeit für G zu mehr als V^ der 
normalen; die objektive Messung dagegen ergibt bei der geringeren 
Einengung bis Ei für C^iv der normalen Hörschärfe. Da nun 
aber gegen die höheren Töne die Empfindlichkeit unseres Ohres 
sehr beträchtlich ansteigt, so ist das Mißverhältnis zwischen der 
alten und neuen Messung zuungunsten der ersteren noch viel 
größer als es erscheint. 

Wir können nach den vorstehenden Ausführungen sagen: 
Die Überleitung der tiefen Töne durch den SchalUeitungs- 



in Fall 8 bei 


. . C2 


5^7:: 


. . Cj 


5 5 5 :5 


. . E2 


1 


. . E2 


s s 2 s 


. . G2 


5 5 6 S 


. . k'l 


5 5 4 S 


. . Dl 


s s 3 * 


. . Ai 



122 



X. OSTMANN 



apparat und die gegen die ontere Hörgrenze stetig absinkende 
Empfindlichkeit unseres Ohres sind für die Lage der unteren 
Hörgrenze bei Sohallleitnngshindemissen von der wesentlichsten 
Bedeutung. Bei gleichem Prüfungsmittel — Stimmgabel — ist 
die Lage des unteren Grenztones abhängig von der Größe des 
Scballleitungshindernisses. 

Die Lage der unteren Grenze der pathologischen Hörstreoke 
und die Herabsetzung der Hörf&higkeit f&r die in ihr enthaltenen 
tiefsten Töne scheinen bei reinen SchalUeitungshinderniBsen in 
einem festen Verhältnis zu stehen. 

Betrachten wir nunmehr die obere Hörgrenze und zwar 
zunächst wiederum ihr Verhalten bei den 8 mit objektivem Ma& 
gemessenen Fällen. 

Es wurde gefunden: 





die obere HOrgrense, die Hörfähigkeit ftlr c^ zu 


in 


Fall 15 bei . . . g8 . . 


, . . \ 


der normalen; 


^ 

^ 


* 16 s . . . gs . . 


. . . ti 


c- 


? 


^ 
^ 


s 19 * . . . g8 . 


. . . A 


c 


c 


^ 
^ 


s 14 s . . . g8 . . 


. . :A 


i 


i> 


^ 

•* 


= 12 = . . . g8 . 


tJb 


c 


5 


«* 

^ 


- \\ ' . . . g8 . , 


5^6 


s 


^ 
^ 




- 13 = (38 Jahr) d' . . 


. . . BÖ^l 


^ 
«* 


5 


^ 
^ 


= 10 = (63 Jahr) c^ . 


. . • I4I6I 


c 


^ 

^ 



Wenn wir mit unseren Vorstellungen, die wir aus der Be- 
nutzung des alten falschen Maßes gewonnen haben, an die Be- 
trachtung der vorstehenden Reihe herangehen, so erscheint uns 
eine Herabsetzung der Hörsohärfe für c^ auf ttHt der normalen 
ganz außerordentlich groß, während sie der noch ausmeßbaren 
Größe der möglichen Herabsetzung gegenüber tatsächlich nicht 
als eine solche anzusprechen ist ^). 

Gestattet doch mein objektives Maß durch die Hörprflfungs- 
tabelle för c* ein Ausmaß bis auf TnrAnfüa^ der normalen Hör- 
schärfe; und selbst wenn die Hörschärfe bis auf diesen nicht 
mehr vorstellbaren Bruchteil der normalen herabgesetzt ist, 



1) £in6 einheitliche Yergleichnng fflr die Herabsetzung, welche die Töne 
von der groOen bis zur 4 gestrichenen Oktave erfahren haben, gewinnen wir 
bei Anwendung des objektiven Uörmaßes erst, wenn wir das HOrrelief, d. h. die 
Empfindlichkeitskunre des schwerhörigen Ohres in Beziehung setzen zur £m- 
pfindlichkeitskurve des normalen Ohres. Ich werde die hiermit in Zusammen- 
hang stehenden Fragen in einer demnächst erscheinenden Arbeit abhandeln* 






5 


0,070 


Cl 


5 


0,0713 


e2 


s 


0,0745 


03 


^ 
^ 


0,0747 



Klinische Studien sar Analyse der Hörstörungen- 123 

werden doch noch die stärksten Töne, welche man durch kräftigen 
Anschlag der Gabel c^ entlocken kann, sehr wohl gehört. 

Unsere Vorstellungen ttber die Empfindlichkeit unseres Ge- 
hörs und das Ausmaß der Hörstörungen müssen eben einen völligen 
Wandel erfahren. 

Wir erkennen dies recht, wenn wir uns vergegenwärtigen, 
welchen Bruchteil an Hörschärfe ein schwerhöriges Ohr besitzen 
würde, wenn in der großen bis zur 4 gestrichenen Oktave ein 
und dieselbe Amplitude, z. B. in der Größe von ungefähr 0,071 1 mm, 
den Beizschwellenwert darstellen würde. Wir würden dann 
haben ftlr: 

C Amplitude 0,0711 mm *= normale Hörschärfe 

:; SB 3^ der normalen Hörschärfe 

5 — Tvhj 5 5 s 

- «« TiTrf-nnrr s s s 

für c* erhielten wir einen noch außerordentlich viel kleineren 
Wert, da die größte ausgemessene Amplitude fast 10 mal kleiner 
als 0,0711mm, nämlich 0,009 mm ist, und diese Amplitude, 
sofern sie den Reizschwellenwert des schwerhörigen Ohres dar- 
stellt, eine Herabsetzung der Hörschärfe bereits auf vrimVsüs? der 
normalen anzeigen würde. 

Keine Spur von diesen Anschauungen, die wir in ähnlicher 
Form auch aus den Arbeiten von Wien und Schmiegelow 
gewinnen müssen, hat uns das alte Hörmaß gewinnen lassen, 
doch hat es bereits nicht an solchen gefehlt (Lucae), die auf 
den großen Unterschied aufmerksam gemacht haben, der 
zwischen dem Verlust einer gleichen Anzahl von Sekunden Hör- 
dauer fiir C und c^ besteht. 

Auch die Unrichtigkeit der Bezoldsehen Aufstellungen, aus 
einer einheitlichen Kurve die Hörscbärfe nach richtigen Pro- 
portionen bestimmen zu wollen, kann nicht drastischer als durch 
die vorstehenden Ausführungen dargelegt werden. 

Es bleibt nun vor allem die diagnostisch und wissenschaft- 
lich wichtige Frage, die bereits von Burckhardt-Merian, 
Brunner nndZ waardemaker gestreift ist, zu erörtern, ob wir 
in dem bei einzelnen Fällen von Thrombus sebaceus 
nachweisbaren Ausfall der höchsten Töne ein Laby- 
rinthsymptom zu sehen haben oder nicht. 

Es ist bekannt, daß wir beim Thrombus sebaceus ab und zu 



124 X. OSTMANN 

neben dem Ausfall der höehsten Töne Symptome auftreten sehen, 
die als Labyrinthsymptome gedeutet werden konnten, z. B. 
Sehwindelanfälle. Diese Sehwindelanfälle sind bei Personen mit 
normal erregbarem Nervensystem im allgemeinen sehr unbe- 
deutend. Trifft jedoch der vom Thrombus sebaeeus ausgehende 
Reiz auf ein Nervensystem; welches von Geburt an krankhaft 
disponiert oder erst später lädiert ist, so können wir mit oder 
ohne Sehwindel eine FttUe zum Teil schwerster Reflexersohei- 
nungen auftreten sehen. Die Zahl derartiger, in der Literatur 
veröffentlichten Fälle ist groß. (KoeppeO Hecke 2), Herzogt), 
Sehurig^), Roosa und Ely*), ürbantschitsoh«) und viele 
andere). Tritt der Schwindel als Teilerseheinung eines Sym- 
ptomenkomplexes auf, den wir unbedingt als Reflexerscheinung 
auffassen müssen, so wird es am nächsten liegen, eben auch den 
Schwindel als Reflexerscheiaung und nicht als Labyrinthsymptom 
anzusprechen. 

Und auch in den anderen Fällen, wo uns weitere Reflex- 
erscheinungen die Erklärung der ursächlichen Entstehung des 
Schwindels nicht erleichtern, werden wir meines Erachtens der 
Wahrheit näher kommen, wenn wir den Sehwindelanfall als Re- 
flex und nicht als Labyrinthsymptom auffassen. Wie ich in 
meiner Arbeit ttber Druck und Drucksteigerung im Labyrinth 
dargelegt habe'^j, habe ich mir früher und kann mir auch jetzt 
noch keine Vorstellung machen, wie es in einem gesunden 
Labyrinth mit seinen vielfachen Vorrichtungen zur Ausgleichung 
des Druckes durch Gemmen zu einer dauernden Drucksteigerung 
kommen soll, die ihrerseits Veranlassung zur Entstehung von 
Schwindel gäbe. 

Ich fasse demnach die Schwindelersoheinungen, wie sie uns 



1) Reflexpsycbosen nach Ohrenkrankbeiten. D. Arch. Bd. IX. S. 220— 227. 

2) Bericht über die in meiner Poliklinik beobachteten Krankheitsfälle. 
Dieses Archiv. Bd. XXX. S. 67. 

3) Ein Beitrag zur Lehre über Ohrreflexe. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 
1889. Nr. 5. S. 97. 

4) Zwei Fälle von Refiexepllepsie infolge von Erkrankung des Gehör- 
organs. Jahresbericht der Dresdener Gesellschaft für Natar- und Heilkunde. 
1876/77. Sitzung v. Okt. 1876. Referat in diesem Arch. Bd. XIY. 8. 148. 

5) Klinische Beiträge zur Ohrenheilkunde. Zeitschr. f. Ohrenheilk. 
Bd. IX. S. 339. 

6) Schwartzes Handbuch der Ohrenheilkunde. Bd. I. S. 412. 

7) Druck- u. Drucksteigerung im Labyrinth. D. Arch. Bd. XXXIY. S. 35. 



KliniBche Stadien zur Analyse der Hörstörnngen. 125 

ab und zu von Patienten mit Thrombus sebacens geklagt werden, 
als Reflexerseheinnngen anf. . 

Wie steht es nnn mit dem Ausfall der höohsten Töne? 

In den Jahren 1892/1893 hat zwischen BezoldO und 
Zwaardemaker^) eine Kontroverse stattgefunden, wie weit 
Mittelohrprozesse einen Einfluß auf die Gestaltung der oberen 
Tongrenze haben. 

Bezold vertrat die Ansicht, daß „der Einfluß der Mittel- 
ohrprozesse auch auf die obere Tongrenze durchaus kein so ge- 
ringer ist, daß er fElr die Beurteilung der Hördefekte im höheren 
Alter vernachlässigt werden kann^, während Zwaardemaker 
seine Erfahrungen dahin zusammenfaßte, daß bei den reinen 
Mittelohrafi^ektionen ^^die obere Grenze sich immer erhalten findet, 
es mag denn sein, daß 0,1 oder 0,2 der Galtonskala, d. h. un- 
gefähr V^ ToU; dann und wann eingebüßt ist^. 

Ich muß mich nach meinen durch Jahre hindurch fort- 
gesetzten Untersuchungen auf die Seite von Zwaardemaker 
stellen; denn ich habe unter allen Mittelohrprozessen, die ich 
bisher analysiert habe, nur bei einem einzigen Fall eine ganz 
geringe Herabsetzung der oberen Tongrenze unter g^ gefunden. 
Es unterliegt für mich, ebenfalls in Übereinstimmung mit der 
Auffassung von Zwaardemaker, nicht dem geringsten Zweifel, 
daß der stets vorhandene, mit dem Fortschreiten der Erkrankung 
an Umfang zunehmende Ausfall der höchsten Töne bei der Skle- 
rose auf gleichzeitige Labyrintherkrankung zurückzuführen ist, 
und weiter habe ich es durch meine Analysen der Hörstörungen 
bei der akuten perforativen Mittelohrentzündung in hohem Maße 
wahrscheinlich gemacht, daß der in gewissen Stadien dieser Er- 
krankung zumeist nachweisbare Defekt am oberen Ende der 
Skala gleichfalls einer sekundären Affektion des Labyrinths 
seine Entstehung verdankt. Auch habe ich für diese Erkrankung 
nachgewiesen, daß es nicht der Exsudatdruck auf das ovale und 
rnnde Fenster sein kann, der die Einengung der oberen Grenze 
hervorruft. Wir werden also alle Ursache haben, mit der Deu- 
tung vorsichtig zu sein, daß eventuell bei anderen SchalUeitungs. 



1) Weitere Mitteilangen über die kontinuierliche Tonreihe, insbeson- 
dere Ober die physiologische obere und untere Tongrenze. Zeitschr. f. 
Ohrenbeilk. Bd. XXIII. S. 254. 1892. 

2) Der Einfluß der Schallintensität auf die Lage der oberen HOrgrenze. 
Ebenda. Bd. XXIY. S. 303. 1S93. 



126 X OSTMANN 

Störungen durch Druckwirkung auf das Labyrinth Ausfall der 
höchsten Töne hervorgerufen wird. 

In älteren Krankenberichten wird von wunderbaren Druck- 
wirkungen der Ceruminalpfröpfe erzählt, und auch ein neueres 
Lehrbuch der Ohrenheilkunde lehrt noch befremdlicherweise, 
daß, sofern der Thrombus dem Trommelfell anliegt, „dasselbe 
durch Atrophie oder durch Entzündung zerstört und dadurch ge- 
fährliche Mittelohrentzündung veranlaßt werden kann^. 

Wir wollen diesen Fragen hier nicht näher nachgehen, son- 
dern solchen Beobachtungen und Behauptungen gegenüber nur 
unseren ablehnenden Standpunkt feststellen, wie dies auch Po- 
litzer^) in der neuesten Auflage seines Lehrbuches tut. 

Es würde eine ebenso unerwiesene, wie an sich wenig wahr- 
scheinliche Anschauung sein, wenn man annehmen wollte, daß 
ein dem Trommelfell anliegender Ceruminalpfropf auf das Laby- 
rinth einen dauernden Druck in der Weise ausüben sollte, daß 
ein völliges Verlöschen der höchsten Töne einträte. Würde selbst 
vom Trommelfell aus durch Vermittlung der Gehörknöchelchen- 
kette ein durch Wochen und Monate allmählich entstehender 
und sich steigernder Druck auf das Labyrinth ausgeübt, so besitzt 
das gesunde Labyrinth doch hinreichende Schutzvorrichtungen, 
um diesen Druck auszugleichen; etwas anderes ist es, wenn ein 
Ceruminalpfropf plötzlich nach innen gegen das Trommelfell ge- 
stoßen wird; dann werden wir eventuell auftretende Schwindel- 
erscheinungen und Ohrgeräusche sehr wohl als Labyrinth- 
symptome auffassen dürfen, welche durch die plötzliche Dmck- 
schwankuug im Labyrinth hervorgerufen wurden. 

Wir entbehren demnach jeder sicheren Unterlage, um den 
Ausfall der höchsten Töne bei einer gewissen Zahl von Fällen 
mit Thrombus sebaceus als Labyrinthsymptom aufzufassen. 

Wie aber erklärt sich dann dieser Ausfall? 

Wir nehmen an, daß die Überleitung der höchsten Töne auf 
das Labyrinth, wenn nicht ganz ausschließlich, so doch vor- 
wiegend durch die Enochenleitung geschieht, und weiter ist es 
eine durch die Untersuchungen von Wien^) höchst wahrschein- 
lich gemachte und durch die Folgerungen aus meinen eigenen 
Untersuchungen über das objektive Hörmaß weiter erhärtete 

1) Hartmann, Die Krankheiten des Ohres und deren Behandlung. 
5. Aufl. 1892. S. 91. 

2) Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 4. Aufl. Stuttgart 190t. S. 144. 

3) Physikalische Zeitschrift. Oktober 1902. 



EliniBcbe Stadien zur Analjse der HArstörangen. 127 

Tatsache, daß die Empfiadlichkeit unseres Ohres bis in die Nähe 
der 5. Oktave ansteigt, um dann gegen die obere Grenze unserem 
Hörens sehr schnell abzunehmen. Von dieser schnellen Abnahme 
der Empfindlichkeit in der Nähe des Grenztons berichtet übrigens 
bereits Zwaardemaker 1893^), welche zur Folge habe, daß 
nur sehr bedeutende Herabsetzung der Reizeropfindlichkeit eine 
Verkürzung der Skala hervorrufen kann. 

Wenn nun nachgewiesen ist, daß durch Versch ließung der 
beiden Gehörgänge mit dem Finger (Z w aa r de m a k e r 2)), durch 
Ausfüllung derselben mit Wasser (Brunne r^)), durch Ausfüllung 
mit Cerumen (Burckhardt-Merian^), Brunner, ich) die 
höchsten Töne zum Verschwinden gebracht werden können, 
andererseits aber ebenso die Tatsache festgehalten werden muß, 
daß reine Schallleitungsstörungen, die im Mittel ohr ihren 
Sitz haben, einen derartigen Einflnß auf die obere Grenze nicht 
aasüben, so müssen die vorgenannten im äußeren Gehör- 
gang gelegenen Schallleitungsstörungen eine Besonderheit an 
sich tragen, welche die Perzeption der höchsten Töne ungünstig 
beeinflußt. 

Es könnte dies die Stärke der Scballleitungsstörung sein; 
dies ist aber deshalb unwahrscheinlich, weil bei Schallleitungs- 
störungen im Mittelobr, die eine annähernde Beeinträchtigung 
der Hörfähigkeit für Flüstersprache herbeigeftlhrt haben , von 
mir bisher kein Verlust der höchsten Töne beobachtet wurde. 
Diese Frage bedarf jedoch der weiteren Klärung, und werde ich 
auf dieselbe zurückkommen, sobald mir eine entsprechende An- 
zahl von mit objektivem Maß gemessenen Höranalysen beim 
chronischen Mittelohrkatarrh vorliegt. 

Wir müssen^ wenn ich nicht irre, den Grund in anderen 
Verhältnissen suchen. 

Helmholtz^) hat darauf hingewiesen, daß gewisse Töne 
der 4. Oktave im Ohr stark resonnieren, d. h. erheblich verstärkt 
werden — für seine Gehörorgane c^ und f^ — ; eine von anderen 
(Hensen^)^ Schapringer^)) bestätigte Tatsache. Bei Aus- 

l) Zeitschr. f. Obrenheilk. Bd. XXIV. & 313. 2) Ebenda. S. 311. 

3) Ebenda. Bd. XXVII. 1895. S. 258. 

4) Dieses Archiv. Bd. XXII. S. 182. 

5) Lehre von den Tonempfindungen. S. 14. Braunschweig 1870. 

6) PhyBiologie des Gehörs im Handbuch der Physiologie von Herr- 
mann. Leipzig 1880. S. 26, Anm. 

7) Über die Kontraktion des Tronunelfellspanners. Sitzungsberichte 
der 'Wiener Akademie. 1870. 



128 X. OSTMANN 

fttllnng des Gehorgangs mit Cerumen wird die Ver- 
st&rkang der hohen Töne durch Resonanz naturgemäß 
fortfallen, was neben dem Sehallleitungshindemis 
als solchem ihre Perzeption, sei es durch Luft-, sei 
es durch Enochenleitnng, wesentlich schwächen muß. 
Dieses Moment der Abschwächung fttr die hohen 
Töne fällt bei gleichstarker Sehallleitungsstörnng 
im Mittelohr fort, so daß wir bei Schallleitungshinder- 
nissen im äußeren Gehörgang von vornherein eine 
relativ sehr viel stärkere Herabsetzung der Hörfähig- 
keit für die hohen Töne erwarten mttssen. 

Bei der schnellen Abnahme der Empfindlichkeit unseres 
Ohres gegen die Grenztöne wird aber diese Herabsetzung sehr 
bedeutend sein müssen, wenn eine nennenswerte Verkürzung der 
Hörstrecke an ihrem oberen Ende die Folge sein soll. 

Sehen wir uns daraufhin die Zusammenstellung auf Seite 122 
näher an, so ergibt sich, daß noch bei einer Herabsetzung der 
Hörfähigkeit für c^ auf zh der normalen die obere Hörgrenze 
bei g®, dagegen bei hat der normalen Hörschärfe fdr c* bei d*^, 
und schließlich bei tjAtjt der normalen Hörschärfe noch tiefer bei 
c^ gefunden wurde. Wir haben demnach in dem zeitweise 
beobachteten Ausfall der höchsten Töne beim Cern- 
menpfropf kein Labyrinthsymptom zusehen, sondern 
neben der Stärke des Schallleitungshindernisses ist 
die durch Aufhebung der Resonanz bedingte Ver- 
minderung der Schallintensität fttr diesen Ausfall 
von bestimmender Bedeutung. 

^ Wir brauchen nun nicht darnach zu suchen, wie Brunn er 
es andeutet, in dem Umfang der Einengung der oberen Hörgrenze 
eventuell ein differentielldiagnostisches Merkmal zwischen |den 
Erkrankungen des schallleitenden und schallempfindenden Appa- 
rates ausfindig zu machen, weil nach allen bisherigen Erfah- 
rungen reine Mittelohrerkrankungen den oberen Grenzton Über- 
haupt nicht verschieben, und der Ausfall der höchsten Töne bei 
Schallleitungsstörungen im äußeren Gehörgang nicht als Laby- 
rinthsymptom aufzufassen ist. 

Die Hörreliefs. 
Da diese Arbeit die erste ist, in der das objektive Hörmaß 
zur Ausmessung von Hörstörungen praktische Anwendung findet, 
so sei es mir an dieser Stelle gestattet, auf die Entstehung der 
Hörreliefs etwas näher einzugehen. 



Klinische Studien zur Analyse der Eörstörungen. 129 

In diesem Arefaiv^ habe ich die Anwendung meines ob- 
jektiven Hörmaßes in eingehenderer Weise als dies in meiner 
Monographie: ^Ein objektives Hörmaß nnd seine Anwendung^ ^) 
geschehen war, dargelegt. Deshalb brauche ich an dieser Stelle 
nnr mit wenigen Worten darauf zurückzukommen. 

Man schlägt die Gabel beliebig, am besten stark an, so 
daß der Ton von dem Patienten mit Sicherheit gehört wird, und 
läßt den Ton, nachdem man die bei den tieferen Gabeln mit 
erklingenden Obertöne durch leichtes Streichen der Zinken vom 
Knotenpunkt aufwärts beseitigt hat, einen Augenblick kräftig 
vor dem Ohre des Schwerhörigen erklingen. Es hat dieses Vor- 
gehen den Wert, daß der Patient die Eigenart des Prttfungstones 
zunächst sicher erfaßt. Dann dämpft man durch werteres leichtes 
Streichen der Gabel vom Knotenpunkt aus die Intensität des 
Tones sehr schnell ab, bis man in die Nähe der Reizschwelle des 
kranken Ohres kommt, worauf diese durch langsame Annäherung 
und Entfernung der Gabel, bei unsicherem Ergebnis durch mehr- 
fach wiederholte Prüfung, festgestellt wird. Einigermaßen in- 
telligente und interessierte Personen machen sehr präzise An- 
gaben, so daß, wenn die nötige Übung beim Untersucher hinzu- 
kommt, man den Zeitpunkt, zu welchem der Ton verschwindet, 
mit einer Sicherheit feststellen kann, die überraschend groß ist. 
Man erkennt dies daran, daß es nicht selten gelingt, bei ver- 
schiedenen . Untersuchungen bis auf die Sekunde genau die 
Differenzzeit festzustellen. Allerdings gehört völlige Ruhe der 
Umgebung, Interesse und Übung auf beiden Seiten dazu, um der- 
artige sichere Resultate [zu gewinnen. 

Wenn diese Bedingungen erflillt sind, so wird sich Alexan- 
der 3) überzeugen, daß man eine Exaktheit der Messung erhält, 
die allen Ansprüchen genügt. In dem Augenblick, in dem das 
Sinken der Hand des Untersuchten das endgültige Verklingen 
des Tones für sein Ohr anzeigt, setzen wir die in der Hand ge- 
baltene Sekundenuhr in Bewegung und messen am eigenen Ohr 
die Differenzzeit aus. Um beide Gehörorgane — des Untersuchten 
und des Untersuchers — möglichst gleichstark zu ermüden, und 
so auch den durch ungleichmäßige Ermüdung möglicherweise auf- 
tretenden Fehler möglichst auszuschalten, empfiehlt es sich, daß 

l)Bd. LIX. S. 137. Zur quantitativen Hörmessung mit dem obj. Hörmaß. 

2) J. F. ßergmann, Wiesbaden 1902. 

3) Besprechung meines objektiven Hörmaßes in der Monatsschrift für 
Ohrenheilkunde. 1903. 

ArchiT f. Ohrenheaknnde. LXI. Bd. 9 



130 X. OSTMANN. 

schon während der Prüfung des Untersuohten die klingende Gabel 
einige Male dem Ohr des Prüfenden genähert wird. 

In dem Moment, wo die Stimmgabel ftlr das Ohr des Arztes 
verklingt, wird die Sekundenuhr angehalten und von ihr die DiflFe- 
renzzeit abgelesen. 

Ich habe fllr mein völlig normales Gehörorgan als physio- 
logische Breite der variierenden Verklingungszeit 2 — 5 Sekunden 
nachgewiesen; je tiefer der abklingende Stimmgabelton ist, 
desto schwerer wird es , bei verschiedenen Versuchen auf die 
Sekunde genau den Zeitpunkt des Yerklingens zu treffen. Dieser 
Umstand hat das Gute, daß die Fehlergrenzen erheblich kleiner sind 
als es bei umgekehrtem Verhältnis der Fall sein wftrde; denn wäh- 
rend die äußerste Fehlergrenze von 5 Sekunden f&r die Gabel C nur 
wenig bedeutet, würde eben dieser Fehler für c^eine nicht unbeträcht- 
liche Differenz in dem Ausmaß der Hörstörung bedeuten. Mit dieser 
Fehlerquelle müssen wir rechnen, und wer sie möglichst klein ge- 
staltenwill, nehme aus wenigstens 3 genauen Messungen das Mittel. 
Bei schwerhörigen Ärzten wird die physiologische Breite 
der variierenden Verklingungszeit größer sein; sie werden also 
möglichst mit Mittelwerten zu rechnen haben, wie ich dies be- 
reits an anderer Stelle empfohlen habe. 

Die Differenzzeit läßt uns an der Hand der Hörprüfungs- 
tabellen zunächst die Größe der Amplituden finden, bei der der 
Ton für das normale und schwerhörige Ohr verklangt). 

Dies wird aber nur der Fall sein können, wenn die in 
meiner Hand abschwingende Gabel tatsächlich dieselbe Ab- 
schwingungskurve besitzt, wie die von mir ausgemessene, ein- 
gespannte Gabel. Wie aus meiner Monographie hervorgeht, 
habe ich durch wochenlange Voruntersuchungen für jede Gabel 
diejenige Einklemmungsmethode ausfindig gemacht, welche die 
Abschwingung der Gabel gerade so wie das Festhalten in 
meiner Hand beeinträchtigte. Es handelt sich bei den einzelnen 
Gabeln um wenige Sekunden Differenz, die sich schon durch 
die physiologische Breite der variierenden Verklingungszeit er- 
klärt. Oder deutet etwa die ungemein lange Schwingungsdauer 
meiner eingespannten Gabeln auf eine nennenswerte Beein- 
trächtigung ihrer normalen Abschwingungskurve hin? Ich sollte 
meinen ganz im Gegenteil. 

1) Auf die besonderen Verh&ftnisse, welche für den schwerhörigen Arzt 
obwalten, gehe ich an dieser Stelle nicht näher ein ; ich verweise hinsichtlich 
dieses Punktes auf meine Mitteilung in diesem Archiv, £d. LIX, S. 137. 1903. 



Klinische Studien zur Analyse der Hörstörangen. 131 

Nur fbr meine Gabel e^ wollte es mir aas unbekannten 
Gründen znn&ohst trotz aller Bemühungen nioht gelingen, gleiche 
Verklingungszeiten f&r die in der Hand gehaltene und ein- 
gespannte Gabel zu erhalten; ich habe der Mitteilung der zweiten 
Hörpriifungstabelle für e^ eine dementspreehende Bemerkung 
vorausgeschiekt. Sohon daraus konnte man klipp und klar ent- 
nehmen, wie sorgsam ich auf die Vermeidung derartiger Fehler 
geachtet hatte i). 

Nun ist von Q u i x *^) der weitere Einwurf gemacht worden, 
daß die von mir gefundene Normalamplitnde deshalb keinen 
reellen Wert habe, weil von mehreren Stimmgabeln derselben 
Tonhöhe, aber von verschiedenem Bau und Maße jede 
ihre eigene Normalamplitude hat. Es wäre dieser Einwand nur be- 
rechtigt, wenn ich die Behauptung aufgestellt h&tte, daß man mit 
jeder C- oder G*Gabel meine Hörprttfungstabellen benutzen könne. 

Zuerst habe ich in diesem Archiv 3), dann an mehreren 
anderen Stellen, durch Fettdruck besonders betont: „ Diese 
Amplitudentabellen können naturgemäß nur Geltung 
haben für Gabeln, welche dieselbe Abschwingungs- 
kurve haben wie diejenigen, für welche die Ab- 
schwingungskurve experimentell gemessen oder durch 
Beohnung aus der Exponentialkurve bestimmt ist 
Deshalb setzt die Anwendung des objektiven Hör- 
fflaßes den Besitz von Edelmannsehen Gabeln voraus 
und zwar von solchen, welche den zuletzt von dieser Firma ge- 
lieferten entsprechen. 

Ich gehe aber nach den seit der Niederschrift dieser Zeilen 
gesammelten Erfahrungen noch weiter, indem ich ausdrücklich 
betone, meine Hörprüfungstabellen lassen sich nur auf 
solche unbelastete Gabelreihen anwenden, welche 
in Zukunft ausdrücklich als nach meinen Gabeln ge- 
wicht werden bezeichnet werden, d. h. welche dieselbe 
Dämpfung haben. Sollte sich ein solches Vorgehen, wie es fast 
scheint, als unmöglich herausstellen, so werden die Tabellen der 
Dämpfung jeder einzelnen Gabel entsprechend umgerechnet 
werden. 



1) Yergl. Schäfer, Besprechang meiner Monographie in der Zeit- 
schrift fOr Ohrenheilkunde. 1903. 

2) In der Diskussion zu meinem auf der 73. Natarforscherversammlung 
2a Kassel gehaltenen Vortrage. 

3) Bd. LIX. S. 137. 

9* 



132 X. OSTMANN 

loh habe nämlioh beim Vergleich mehrerer mir von der Firma 
Edelmann behufs Aichnng jüngst übersandten Gabeln die Ent- 
deckung gemacht, daß die Gabeln gleicher Tonhöhe weder hin- 
sichtlich des Banes, der Maße noch des Materials völlig über- 
einstimmen, so daß ich nicht mehr sagen kann, der Besitz neuster 
Edelmannseher Gabeln gestatte an sich die Anwendung meiner 
Hörprüfnngstabellen. Da sich unter meinen Gabeln einige — 
C, c^ — mit ganz ausnahmsweise langer Schwingungsdauer be- 
finden, deren Erreichung bei Gabeln gleicher Tonhöhe nur selten 
garantiert werden kann, so wird die Frage in anderer Weise 
eine befriedigende Lösung finden, worüber ich demnächst be- 
richte. Es ist die beste Aussicht vorhanden, daß ich in nicht 
allzulanger Zeit jedem werde die Möglichkeit bieten können, 
sich in den Besitz von Gabeln zu setzen , auf die meine , oder 
gem&ß der Schwingungsdauer seiner Gabeln entsprechend korri- 
gierte Hörprüfungstabellen anwendbar sind. 

Wir finden also durch die gemessene Differenzzeit die Größe 
der Amplituden, bei der der Ton fElr das normale und das schwer- 
hörige Ohr verklingt, und können aus ihnen das Verhältnis der 
Hörschärfe zueinander berechnen und zwar in besonders ein- 
facher Weise dadurch, daß ich fElr jede Amplitude, die größer 
als die Normalamplitude ist, in den Tabellen angegeben habe, 
um wievielmal die erstere größer ist als die letztere. 

Qu ix (I.e.) meint nun, ein Ausmaß der Hörschärfe nach der 
Größe der Amplituden sei unnatürlich und nicht physiologisch; 
denn die Amplitude sei doch nicht der Beiz flir das Ohr. 

Eine solche Behauptung habe ich auch niemals aufgestellt; 
die Anlplitude ist allerdings nicht der Reiz an sich, 
wohl aber dieGrundlage für das Ausmaß des Reizes, 
der das Ohr trifft. Ein solches Vorgehen ist völlig ein- 
wandsfrei, wie sich Quix bei Riecke^) und Max Wien^), 
der die Unrichtigkeit der von Zwaardemaker und Quix über 
die relative Empfindlichkeit des Ohres gelieferten Arbeiten jüngst 
nachgewiesen hat (1. c), überzeugen kann. Gerade darauf be- 
ruht, wie Wien nachweist, der grundlegende Fehler in den Ar- 
beiten von Zwaardemaker und Quix, daß sie das physika- 
lische Grundgesetz, daß bei derselben Stimmgabel die Toninten- 



1) Lehrbuch der Physik. Leipzig 1902. 

2) Über die Empfindlichkeit des menschlichen Ohres fta Töne Ter- 
schiedener Höhe. Archiv fflr die gesamte Physiologie, Bd. 97, 1903. 



Klinigche Stadien zur Analyse der HOrstOrnngen. 133 

sitftt proportional dem Qaadrat der Amplitude (a) wächst, als 
unriehtig ansehen und die an die Luft abgegebene Tonenergie 
proportional a^'^ setzen. 

Wie weit ieh davon entfernt gewesen bin, die Amplitude an 
sieh als Beiz aufzufassen und an ihr unmittelbar die Hörsohärfe zu 
messen, hätte Quiz wiederum aus meiner Monographie ersehen 
können. Auf Seite 28 derselben steht geschrieben: 

„Wir können die Hörsohärfe versohiedenerGehör- 
Organe für denselben Ton nur an derjenigen gering- 
sten Stärke desselben messen, welche unter sonst 
gleichen Bedingungen von den untersuchten Ohren 
eben noch gehört wird. Die Hörschärfe ist der Ton- 
stärke umgekehrt proportional; diese letztere ist 
aber abhängig von der Schwingungsamplitude der 
Gabel und wird jetzt wohl allgemein und unbestritten 
dem Quadrat der Amplitude proportional gesetzt.^ 

„Wenn wir also die Hörschärfe zweier Ohren für 
einen Ton an der verschiedenen Intensität desselben 
fflessen wollen, welche eben noch von den betreffen- 
den Ohren wahrgenommen wird, so müssen wir die 
Hörschärfe umgekehrt proportional dem Quadrat der 
Amplituden setzen/ 

Durch diese Sätze dürfte völlig klargestellt sein, welche 
Bedeutung ich der Bestimmung der Größe der Amplituden bei 
der Ausmessung der Hörschärfe zugewiesen wissen will, und daJS 
Qu ix, abgesehen davon, daß seine Einwände sachlich unberech- 
tigt waren, nicht einmal ein formales Hecht zu denselben hatte. 

Wenn wir nun an der Hand der Differenzzeit und der fbr 
die Gabel gültigen Hörprüfungstabelle die Größe der Amplitude 
gefunden haben, und die Größe der Normalamplitude »-^ 1 setzen, 
so finden wir das Verhältnis der Hörschärfen zueinander, wenn 
wir die Zahl der Normalamplituden, welche in der Beizschwellen- 
amplitude des schwerhörigen Ohres enthalten ist, mit sich selbst 
multiplizieren und als Nenner eines Bruches schreiben, dessen 
Zähler 1 ist. 

So ist das Ausmaß der Hörstörungen in den nachstehenden 
Hörreliefs erfolgt. 

Ich bringe zum Vergleich zunächst 8 Hörreliefs beim Throm- 
bus sebaceus, welche nach von Gontaschem Prinzip gemessen 
und nach Hartmannschem Vorgange aufgestellt sind (siehe 
Fig. 1—8 auf folgender Seite). 



X. OSTMANN 



HöistdrODg beim Tbrombtis eebaeene, naeh t. Contaaehem 

Prinzip ansgemeBBeti. 

BtoreHef tta die Oktafen C— c' — in Prozenten der normalen HOncUrfe- 




Fig. 5. 



Man kann noter diesen Reliefs zwei Typen nnterscbeiden- 
(Vergl. Hörrelieftafel.) 

Der eine Typna wird dnreh die vier eratea Reliefs repri- 
sentiert. Wir sehen eine Höretörnngsform, welehe unserer bis- 
herigen AnBohaunng von der Art der BeeintrfLcbtignng der Hör- 
schärfe durch Sohalleitungsstörnngen entspricht. Die tieferen 
Töne sind stärker herabgesetzt als die höheren ; ee ist eine gegen 
die letzteren aufsteigende Kurve. 

Der 2. Typus zeigt eine mehr gleichmäßige Herabsetzung 
der verschieden hohen Töne, wie dies auch von Hartmano 
angegeben wird. 

loh rerzeiohne nunmehr zunächst die Hörmessungsresnltate 
der 8 mit objektivem Maß gemeesenen Fälle und zwar in der- 
selben Form der Aufzeichnung, wie ich sie in meiner Arbeit: 
„Zar quantitativen HörmessDng mit dem objektiven Hörmaß" ') 
gegeben habe. 

1) Dieses Archiv. Bd. LIX. S. 137. 1903. 



Klinische Stndien zur Analyse der Hörstörungen. 



135 



Fall 9. Mink, 36 Jahre; Cerumen obtnrans, r. Sausen, Schwerhörigkeit. 



OktaTO 


C 


c 


c» 


C2 


C3 


c* 


Differenzzeit in Minuten n. Sekunden 

GrOPe der Amplitude, bei der der Ton 
verklang, in Normalamplitnden . 

Bruchteil der normten Hörschärfe 


0« 
1,0 

Vi 


015 1^ 

1,52 

72 


030 

t,62 

V3 


QSO 

5,8 

V34 


'.QU 

4,2 

Vi 8 


0* 
3,8 

Vl4 



Zu dieser and allen nachfolgenden Tabellen sei zum besseren 
Verständnis bemerkt: 

Will ich z. B. aus der Größe der gefundenen Amplitude 
1,52 — ausgedrückt in Normalamplituden — die Hörschärfe be- 
rechnen, so muß ich schreiben: (7:^2)^ = äiäT^ ^^^ normalen Hör- 
sehärfe: ich schreibe statt 5737^ i und schlage vor, der Über- 
sichtlichkeit halber, die Dezimalstellen fortzulassen und zwar 
ohne Erniedrigung von k auf i , sofern die erste Dezimalstelle 
kleiner ist als 5, dagegen die Erniedrigung eintreten zu lassen, 
sobald die erste Dezimalstelle 5 ist oder größer ist als 5. 



Fall 10. Flied ..., 63 Jahre; Cerumen r. Sausen; Schwerhörigkeit. 



Oktave 



C 



Differenzzeit in Minuten n. Sekunden 

Grö^ der Amplitnde, bei der der Ton 

verklang, in Normalamplitnden . 

Bruchteil der normalen HOrschärfe 



15,7 

V246 



2*5 

146,4 

V21433 



3" 
125,0 

Vi 5625 



40 



269 

V72361 



1° 

1230 

Vi 5! 900 







18 



119 

Vi 41 61 



Fall 11. Schlapp, 19 Jahre; Cerumen 1. Schwerhörigkeit; kein Sausen. 



Oktave 



C 



Differenzzeit in Minuten u. Sekunden 
Große der Amplitude, bei der der Ton 

verklang, in Normalamplituden 
Bruchteil der normalen HOrschärfe 



35 



4,4 

Vi 9 



36,8 

Vi 354 



235 

41 

Vi 681 



C2 


c« 


C^ 


115 


035 


012 


60 


68 


24 


V6400 


V4624 


V576 



Fall 12. Schlapp, 19 Jahre; Cerumen r. Schwerhörigkeit; kein Sausen. 



Oktave 



C 



c^ 



Differenzzeit in Minuten u. Sekunden 

GiOße der Amplitude, bei der der Ton 

verklang, in Normalamplituden . 

Bruchteil der normalen HOnobärfe 



20 



4,1 

Vi 7 



l 



45 



20,4 

V416 



210 
23 

V52J 



56 

V3136 







30 



37 

Vi 369 







10 



14 

Vi 96 



1) 0*^ bedeutet: Minuten 15 Sekunden; dieser Ausdrucksweise sind 
alle andern Bezeichnungen analog. 



136 



X. OSTMANN 



Fall 13. Br., 38 Jahre; Ceramen r. Brausen; Schwerhörigkeit. 



Oktave 



Differenzseit in Minuten u. Sekunden 

OrOße der Amplitude, bei der der Ton 

verklang, in Normalamplituden . 

Brnohteil der normalen Hörscharfe 



Li 

3,8 



e 


0» 


C« 


c3 


~~o* 


jSS 


210 


1 3ö 


043 


0" 


15,2 

Vl31 


23 

V5S9 


213 

V4SS69 


177 

V31329 


91 

7898 



Fall 14. Schönst, 30 Jahre; Ceramen 1. Sammen; Schwerhörigkeit. 

c 



Oktave 



C 



Differeazzcit in Minuten u. Sekunden 

Größe der Amplitude, bei der der Ton 

verklang, in Normalamplituden . 

Bruchteil der normalen Hörschftrfe 



l 



50 



2.5 







65 



4,8 

V«3 



19,6 

7384 



\ 40 

269 

771361 



c» 


c* 


OSO 
11 

7iti 


0' 
8,3 

769 



Fall 15. Henkel, 20 Jahre; Ceramen r. Zeitweise Braasen; Schwer- 
hörigkeit nicht bemerkt; Drackgefahl. 



Oktave 


C 





0» 


c* 


C3 


C* 


Diffcrenizeit in Minuten u Sekunden 

Größe der Amplitude, bei der der Ton 

verklang, in Normalamplituden . 

Bruchteil der normalen Hörioh&rfe 


0« 

1,0 

7« («ba) 


0* 
1,14 

7» ("W 


026 

1,49 

7*(«fao) 


010 
1,80 

73 0°»^ 


0» 

1,4 

V2(»;30) 


0» 
1,0 

Vi 



Fall 16. Lor..., 19 Jahre; Ceromen 1. Jansen, Schwerhörigkeit. 



Oktave 



Differenzzeit in Minuten u. Sekunden 

Größe der Amplitude, bei der der Ton 

verklang, in Normalamplituden . 

Bruchteil der normalen Hörsobärfe 



235 

5,0 

V« 



15 



50,4 

72540 



85,0 
77225 



1 



45 



338 

7l 14244 







35 



6S 

74624 



0^ 
3,8 

7u 



Vergleichen wir diese 8 mit objektivem Maß aufgenommenen 
Hörreliefs miteinander, sowie mit den 8 nach altem Maß ge- 
zeichneten, so fällt sofort die sehr wichtige Tatsache ins Auge, 
daß wir es mit einer ganz einheitlichen Horstörnngs- 
form zu tun haben, die je nach der Intensität des Verschlusses 
nur graduelle Unterschiede aufweist. Die Hörstorungsform tritt 
besonders plastisch hervor, wenn wir versuchen, sie graphisch 
darzustellen. Dies ist bei der außerordentlichen Verschieden- 
heit der Herabsetzung der Hörschärfe in den verschiedenen Ok- 
taven nur möglich, wenn wir an Stelle der Zahlen die Loga- 
rithmen als Ordinaten auftragen. Eine solche Darstellung hat 
nach dem Weber -Fechnerschen Gesetz auch eine innere 
Berechtigung. 

Um die Kurven nicht unklar zu machen, begnüge ich mich 
mit der Wiedergabe von 5 Kurven. 

Diese Kurven bilden die Grundlage für die Berechnung der 



EllDlicIie Stadieo zur An&l;ae der HarsUrnngAD. 



A 


^B 






^H 


1^1" 


■g 








jjjH 


iiü)' 


^S 








^9 


d'nt' 


^H 








IIB 


(W 


^1 








^H 


W 


^^ 








31 


(AI' 


^^ 






JH 


lAl- 


^B 






I^B 



Fig. 9. 
(Die neben die Knrven geachrlebenea Zahlen bedeuten die Nnmmem der Falle.) 



Empfindlichkeitukarve dea achwerbörigea OhreB. Erst wenn wir 
diese der EmpfindliobkeitBknrTe des normiileii Obres gegenttber- 
Btetlen, tritt die eigentlicbe Form der Hörstßrung bervor. Die 
Fortentwioklang dieser Arbeit in der angedeuteten Eiobtang 
soll aber einer besonderen Abbandlnng vorbebalten bleiben. 

Die Herabsetzung der böheren Töne scheint an eich aebr 
bedeutend; ihren tiefsten Punkt erreichen die Kurven in der 2 
und 3 gestrichenen Oktave; selbst in der 4 gestrioheneu Oktave 
finden wir den Braehteil der normalen Hörsobarfe in einem Falle 
unter (t!i)*, also anter lehts. Wenn man nun aber andererseits 
bedenkt, daß die Empfindlicbkoit unseres Obres — ich verweise 
auf die von Wien gezeichnete Empfindlichkeitskurve — bis zur 
4 gestrichenen Oktave enorm wächst — , so erscheint der prozen- 
tuarisohe Verlust der hohen Töne gegea&ber dem der tieferen 
keineswegs mehr so bedeutend. 

An dieser Stelle sei zum Sehlaß nur das Resultat der sprach- 
lichen Frflfnng dem der objektiven Hürmessung gegentlbergestellt. 

Wie ich in meinem Vortrage auf der Katurforscherversamm- 
Inng zu Kassel 1903 ') ausgeführt habe, ist die FlQsteraprache das 

1} Wiener medizinische WocbenBcbrift - HiUt&ruzt — 1903. 



138 X. OSTMANN 

souveräne Mittel, um den Grad der Hörstömng für die Sprache 
festzustellen. 

Nun dürfte aber fast jeder Untersueher seine eigne 
Flttsterspraohe sprechen, ob man den Bezoldschen KunstgrifiT 
dabei anwendet oder nicht, und jeder Untersueher untersucht in 
einem andern Raum und unter andern örtlichen Bedingungen — 
Geräusch. Deshalb läßt der Ausfall der sprachlichen Prüfung 
verschiedener Untersucher kaum eine strenge Vergleichung zu^ 
während sie fllr den Einzelnen sehr schätzenswerte Anhaltungs- 
punkte für die Beurteilung des Grades der Hörstörung und in 
ganz engbegrenztem Umfange selbst ftlr die differentielle Dia- 
gnose bietet. 

Aber auch derselbe Untersucher wird, wenn er kritisch 
verfährt, nicht ganz selten zu seinem Verdruß bei demselben 
Schwerhörigen selbst bei unmittelbar aufeinander folgenden 
Untersuchungen in gewissen Grenzen verschiedene Hörprüfnngs- 
resultate erhalten; bei der ersten Prüfung gewöhnlich ein etwas 
schlechteres Resultat als bei Wiederholungen. Daraus folgt, daß 
man bei kleinen Differenzen sehr vorsichtig mit dem Urteil einer 
tatsächlichen Besserung der Hörschärfe sein muß, die der Patient 
in solchen Fällen gewöhnlich dann auch nicht zu konstatieren 
vermag. 

Will man die Frage prüfen, wie weit die Resultate der 
sprachlichen Prüfung mit dem Ausfall der Stimmgabelprüfnog 
zusammenfallen, so muß man die erstere so einfach wie mog- 
lieh einrichten; denn sonst ist ein leidliches Übersehen der in 
Betracht kommenden Bedingungen gar nicht mehr möglich. leb 
habe nar auf die Zahlen : 8, 3 und 7 geprüft, selbstverständlich 
diese Zahlen stets zwischen eine große Zahl anderer Prüfnngs- 
zahlen hineingestellt, um das Erraten möglichst zu erschweren. 

Ich habe für die Prüfungsergebnisse eine ähnliche Kurven- 
tafel wie fQr die Stimmgabelprüfungen aufgestellt. 

Wenn man die Eurventafel II mit der Eurventafel I vergleicht, 
so fällt sofort die überraschende Übereinstimmung der Hör- 
prüfungsresultate ins Auge, wobei man bedenken muß, daß die 
Kurven natürlich in umgekehrter Reihenfolge erscheinen und 
eine entgegengesetzte Form haben müssen. Nur die Kurve 1^ 
sollte statt der Kurve 11 an erster Stelle stehen. Setzt man 
„8^ als Repräsentant der tieferen, „3^ als solchen der mittleren 
und „7** als den der höheren Oktaven, so sehen wir, daß der 
tiefsten Depression in den mittleren Oktaven bei der Stimm- 



Elinische Studien znr Analjae der HOrstürungen. 

, 12, IB für die FlÖaterMhlen 8 



HSrOliiKkeit der FUle 9, 1' 
EnthiüMOg 








BH 


IH 






gjg 


^3 




HB 


■ 


100 m ~' 10000— 10* 




m 






IH 


^9 






^1 


^1 



Fig. 12. 
(Die neben die Knrren geschriebeaen Zahlen bedeuten die Nunmetn der FftUe.) 

gabalprUfting die geringste HöriUhigkeit fttr „3" bei der sprach- 
lieben Frttfnüg entspricht, daß dagegen „8" und „7" in 3 Fällen 
(15, 9, 12) gleich oder annähernd gleich weit, in 2 F&ltea (10 
Dnd tl) „7" sobleobter als ,8" gehört werden. Ein Blick anf 
die Enrrentafel I läßt erkennen, daß auch nach dieser Rieh* 
tnng die spraohliobe FrQfnng mit der objektiven Hörmeasnng 
sehr gnt flbcreinslinimt, nnr mnß man das mit in Betracht ziehen, 
was ich an froherer Stelle Aber die Empfindlichkeit unseres 
Ohres nnd die sich daraus ergebenden Folgerungen fHr die 
prozentnarische Einbuße an Hörßlbigkeit in den verBohiedenen 
Oktaven gesagt habe. Eine Fülle sehr eebwieriger Fragen liegt 
hier zur Bearbeitung ror. 

Die weitere Fortftihning dieser Arbeit wird nun den letzten 
— physiologischen — in dem alten Haß enthaltenen Fehler be- 
seitigen, indem die Empfindliobkeitskurve des schwerhörigen 
Ohres in Beziehung gesetzt wird zur Empüadliehkeitskurre des 
normalen Ohres. 



XL 

Bemerkung zu der Arbeit des Herrn Dr. Schulze: Ober 

die Gefahren der Jagnlarisanterbindang and des Sinns- 

verschlnsses bei der otogenen Sinnsthrombose 

(8. dieses Archiv. Bd. LIX. S. 216). 

Von 
Dr. med. Richard Hoftaiaiiii, Dresden. 

In obiger Arbeit ans der Hallenser Ohrenklinik schreibt Herr 
Dr. Schulze Seite 223: 

„Nach diesen theoretischen Erwftgnngen (betrifft die Abflaß- 
verhältnisse des Blutes nach Unterbindung der Vena jugularis) 
kann kein Zweifel bestehen darüber, daß eine ausgedehnte Sinus- 
thrombose die gleichen, ja unter Umständen noch hochgradigere 
Zirkulationsstörungen als eine bloße Jugularisunterbindung zur 
Folge haben kann. Und doch sind bisher keine Fälle bekannt, 
in welchen bedrohliche Erscheinungen oder sogar Todesfälle bei 
obturierender Sinusthrombose lediglich auf diese Zirkulations* 
Störungen zurückgeführt werden mußten. Die Erklärung haben 
wir zunächst darin zu suchen, daß bisher auf einen derartigen 
Zusammenhang wohl meistens nicht geachtet worden ist^. 

Ich verweise hierzu auf meinen in der Zeitschrift für Ohren- 
lieilkunde (Bd. XXX. Heft 1. S. 17. 1896) publizierten Fall, in 
dem sieh allerdings nach einer Verletzung des Sinus eine ob- 
turierende Thrombose des Sinus sigmoideus, der Vena jugularis 
der kranken Seite und beider Sinus cavernosi entwickelte mit 
konsekutiven zerebralen Erscheinungen: Kopfschmerzen, Schwin- 
del, Erbrechen, Somnolenz, Delirien, Verminderung der Puls- 
frequenz, mit Neuritis optica (auf der kranken Seite durch Blu- 
tungen in die Netzhaut kompliziert) und mit totaler Faoialis- 
lähmung der gegenüberliegenden Seite. 

Letztere hatte veranlaßt, daran zu denken, daß neben der 



J 



Bemerkung zu der Arbeit des Herrn Dr. Scbulze. 141 

diagnostizierten Sinusthrombose möglieherweise noch ein Hirn- 
abszeß vorhanden sei. 

Bei der Trepanation erwies sich die letztere Annahme als 
irrig, bei den Einstichen ins Hirn entleerte sich aber reichlich 
Zerebrospinalflüssigkeit, der Sinns erwies sich als thrombosiert. 
Nach der Entlastung des Gehirns durch die ausgedehnte Trepa- 
nation gingen sämtliche Erscheinungen mehr oder weniger schnell 
znrflok. 

Alle Symptome wurden darnach auf die obturierende Sinus- 
thrombose und die dadurch bedingten Zirkulationsstörungen be- 
zogen, die Facialislähmung als durch eine Blutung infolge des 
letzteren bedingt angesehen. 

Da zudem der Fall vollständig fieberlos verlief, so handelt 
es sich bei diesen Symptomen allein um die Folgen der Aus- 
schaltung eines ausgedehnten Bezirks des Sinussystems. 



XII. 
Besprechugen. 



Preysittg, Otitis media der Säuglinge. Mit 40 Tafeln. 

Bei J. F. Bergmann, Wiesbaden 1904. 

Besprochen Ton 

Prof. K. Orunert, Halle a. 8. 

Die Zahl der Bfioher auf otologiscbem Gebiete ist nicht groß, 
deren Lektüre einen solchen Qennß bereiten durch die wissen- 
schaftliche Exaktheit, die klare Darstellungsweise, die Reich- 
haltigkeit der wissenschaftlichen Ausbeute und die dem reichen 
Inhalt entsprechende vornehme äußere Ausstattung, wie die des 
vorliegenden Werkes. 

So umfangreich die Literatur über den einschlägigen Gegen- 
stand gerade im letzten Jahrzehnt geworden ist, so viele Lücken 
in unserem Wissen gab es noch, die bisher nur durch Hypothesen 
ausgefüllt waren. Dem Verfasser der vorliegenden Monographie 
blieb es vorbehalten, viele dieser Lücken durch exakte Forschungs- 
ergebnisse auszufüllen. 

Wir bedauern es aufrichtig, daß Verfasser seine Unter- 
suchungsergebnisse nicht durch Publikation in einer größeren 
otologischen Zeitschrift einem größeren Leserkreise zugänglich 
gemacht hat, da ein Beferat dies in dem ihm zukommenden 
Rahmen nur in unvollständiger Weise tun kann. 

Die bakteriologischen und anatomischen Untersuchungen hat 
Verfasser ausgeftihrt an 197 Schläfenbeinen, welche von 100 an 
den verschiedensten Erkrankungen verstorbenen Kindern im Alter 
von 1 Tage bis zu 3 Jahren stammten. 

Aus den bakteriologischen Untersuchungsergebnissen ist her- 
vorzuheben, daß es eine durch den Bacillus pyocyaneus hervor- 
gerufene Otitis media, besonders der Säuglinge, nicht gibt. Die 



XU. Besprechungen. 143 

gegenteiligen Behauptnagen unterzieht Verfasser einer überzeu- 
genden abweisenden Kritik; weiterhin, daß die Otitis media der 
Säuglinge, wie aus der Häufigkeit des Pneumokokkenbefundes 
(92 V2 Proz.) im otitisohen Sekret hervorgeht, vorwiegend oder 
kurzer Hand schlechthin als Pneumokokkenotitis aufzufassen und 
mit der Pneumonie in Parallele zu stellen ist. „Das bringt uns 
einen Schritt weiter in dem Verständnis des Zusammenhanges 
zwischen Otitis media und Allgemeinerkrankung der Säuglinge; 
denn es führt uns zu der Erkenntnis, daß wenigstens ein Teil 
der Allgemeinerscheinungen, die pneumonischen Erkrankungen, 
mit der Otitis media auf eine Infektionsquelle zurückzu- 
fahren ist," 

Seine anatomischen Untersuchungen haben wichtige Ergeb* 
nisse normal histologischer Natur gezeitigt für das Schläfenbein 
des jungen Kindes. 

Bezüglich des Paukenhöhlenepithels hat Verfasser stets die 
ganze Paukenhöhle mit Flimmerepithel ausgekleidet gefunden, 
mit Ausnahme von solchen Stellen, an denen die Unterlage des 
Epithels steten Bewegungen ausgesetzt ist — die ganze Innen- 
fläche des Trommelfells und die Mukosa der Gehörknöchelchen, 
inklusive Steigbügelplatte — ; hier findet sich stets flach ausge- 
zogenes Plattenepithel. 

Die Bückbildung des Gallertgewebes im Mittelohr ist nicht 
abhängig von mechanischen Einflüssen — wie Eindringen der 
Luft in die Paukenhöhle usw. — , es handelt sich dabei auch 
nicht um einen Gewebszerfall, sondern dieser physiologische Vor- 
gang ist ein sekundärer, ein passiver, der erst durch den Einfluß 
der Epithelverbreitung induziert wird und verhältnismäßig lange 
dauert. In aktiver Weise wachsen die Epithelausläufer vor- 
wärts, nach Art des Wachstums junger Gefäßsprossen und bringen 
das Gallertgewebe, da wo sie mit ihm in Berührung treten, zum 
Schwund. 

Das Vorkommen von Drüsen in der Paukenhöhlenschleim- 
haut negiert Verfasser auf Grund seiner Untersuchungen und 
zeigt, welche Bewandtnis es mit den als Drüsen beschriebenen 
früheren Befunden habe. 

Faeialiskanaldehiszenzen hat Verfasser so häufig über dem 
Steigbügel gefunden, daß er sie bei Kindern für nahezu konstant 
erklären muß. Er bestätigt hierdurch die vielfach bestrittene 
Angabe Henles, daß eine ovale Lücke im Canalis Fallopiae 
fast konstant sei. 



144 XII. Besprechungen. 

Die sogenannten Bogengangszotten (Politzer, Rttdinger) 
hat Verfasser in seinenPräparaten niemals nachweisen können, und 
glaubt daher, daß dieselben artefizielleSchrumpfangsproduktesind. 

Was seine pathologisch -anatomischen Untersuchungsergeb- 
nisse anbetrifft, so fand Verfasser unter 154 eiter- oder schleim- 
gefbllten Paukenhöhlen nur 9 mal Perforation des Trommelfells. 
Als Ursache dieser Erscheinung nimmt er nicht, wie dies bisher 
allgemein geschieht, die größere Resistenz des kindlichen Trom- 
melfells sowie den durch die relative Weite der kindlichen Tube 
begflnstigten Sekretabfluß aus der Paukenhöhle an, sondern glaubt, 
daß der schlechte Ernährungszustand der gerade das Sektions- 
material ausmachenden Säuglinge es nur zu einer mehr torpiden, 
nicht zur Trommelfellperforation führenden Entzündung des Mittel- 
ohrs habe kommen lassen. Bei gut genährten Säuglingen der 
Privatpraxis käme es ebenso häufig wie bei Erwachsenen zu 
foudrojanteren, zur Perforationsbildung f&hrenden Otitiden» Sehr 
plausibel erscheint uns der Einwand des Verfassers gegen die 
Abflußtheorie durch die Tube, daß die Säuglinge meistens auf 
dem Bflcken liegen, und schon dadurch nicht recht auf einen 
Sekretabfluß auf dem genannten Wege zu rechnen sei. 

Weiterhin führt uns Verfasser die einzelnen Stadien der 
Mittelohrsehleimhautentzündung vor, alles, was er sagt, durch 
treffliche mikrophotographische Tafeln illustrierend. 

Sehr zurfickhaltend ist er dabei mit seinen Schlußfolge- 
rungen aus den häufigen Befunden von Thrombose in den Ge- 
fäßen der entzündeten Paukenhöhle und des entzündeten Antmm 
nach der klinischen Seite hin. 

Von den pathologischen Befunden am Trommelfell ist nicht 
nur der Nachweis interessant , daß das Trommelfell sich immer 
in demselben Stadium der Krankheitsentwicklung wie die ganze 
Paukenhöhlenauskleidung befindet, sondern auch die durch aus- 
gezeichnete Mikrophotographien illustrierte Tatsache, daß die so 
widerstandsfähige Substantia propria von allen Trommelfell- 
schichten dem durchbrechenden [Eiter am längsten standhält. 
Erst wenn die keine eigenen Blutgefäße führende mittlere Schicht 
durch die Erkrankung der Schleimhaut- und der Eutisschioht 
nicht mehr ernährt wird, dann berstet auch sie. Ein klassisches 
anatomisches Beispiel der durch die Entlastung der Schleimhaut 
so wohltuenden Parazentese des Trommelfells hat Verfasser uns 
gebracht in einem Falle, in welchem einen Tag nach der Para- 
zentese der Tod erfolgte. 



XII. Besprechungen. 145 

Eingehend bat Verfasser die Resorptionsvorgänge des Mittel- 
ohrempjems beschrieben, und die Bedeutung der hierbei in der 
Schleimhaut (auch dem Schleimhantüberzng des Trommelfells) 
auftretenden kleinen Qranulationsknospen ^ Resorptionsgranu- 
lome**, welche bereits v. Tröltsch beschrieben, ohne Aber ihre 
Bedeutung Klarheit gewonnen zu haben, klargelegt. 

Was die Tuberkulose des Mittelohres der Säuglinge anbetrifFt, 
so konnte Verfasser unter 19 an Tuberkulose (meist miliarer) 
verstorbenen Kindern nur zweimal eine unzweifelhafte tuber- 
kulöse Erkrankung der Paukenhöhlenschleimhaut nachweisen. Es 
befanden sich in der periostealen Schicht und dem submukösen 
Gewebe ganz vereinzelt ein paar Tuberkelknötchen mit zentraler 
Verkäsung und typischen Riesenzellen. In dem gleichzeitig vor- 
handenen Paukenhöhlenempyem fanden sich aber keine Tuberkel- 
bazillen, sondern Pneumokokken. „In beiden Fällen war die 
Herkunft der Tuberkel in der Schleimhaut ziemlich klar ; es han- 
delte sich um typische miliare Tuberkulose ^ das Knochenmark 
der Pyramide und der Schläfenbeinspongiosa war reichlich durch- 
setzt von kleinsten Tuberkeln, während, wie schon hervorgehoben, 
diese Herde in den tieferen Schichten der Paukenhöhlenschleim- 
haut nur ganz spärlich vorkamen. Daraus darf wohl der Schluß 
gezogen werden, daß die Tuberkel in der Schleimhaut ihr Dasein 
der weiteren Ausbreitung einer tuberkulösen Osteomyelitis - des 
Schläfenbeins verdankten. Die eitrige Otitis media war entweder 
ganz unabhängig von der Tuberkulose entstanden, oder, wenn 
ein Zusammenhang zwischen beiden Erkrankungen bestand, so 
hatten die hämatogen entstandenen Tuberkel höchstens den Reiz 
abgegeben für das Einsetzen einer selbständigen eitrigen Mittel- 
ohrentzündung durch Pneumokokkeninfektion. "^ 

Schwere Erkrankung der knöchernen Mittelohrwandungen 
induziert durch die Otitis media, konnte Verfasser, abgesehen 
von den beiden Tuberkulosefällen, niemals nachweisen. „Höch- 
stens periostale Schwellung und Andeutung von Lakunenbildung 
zeigte sich auf dem geschilderten Höhepunkt der Schleimhaut- 
erkrankung.*' 

Entzündliche Veränderungen des inneren Ohres konnte Ver- 
fasser nur zweimal nachweisen. In dem einen Falle fand sich 
auf der Innenseite der stark infiltrierten Membran des runden 
Fensters eine Schicht kleinzelligen Exsudates, und in dem zwei- 
ten hat mit großer Wahrscheinlichkeit eine eitrige Otitis der einen 
Seite zu einer diffusen eitrigen Meningitis geftlhrt, und diese 

Archiv f. Ohrenheillninde. LXI. Bd. 10 



146 Xn. BoBprechungen. 

wieder ku einer eitrigen Erkrankung des inneren Ohres auf der 
anderen ursprttnglieh gesunden Seite. 

Zum Schluß vertritt Verfasser die Ansicht, daß wenn auch 
Pädatrophie und Otitis media der Sftuglinge in einem weohsel* 
seitigen Abh&ngigkeitsverhältnisse zueinander stehen können, in 
der Regel doeh die Otitis media unter den vielfachen Symptomen 
der Pädatrophie zu den Symptomen seitens der Atemwege zu 
zfthlen ist, wenn man die pAdatrophischen Symptome in die 
beiden Hauptgruppen, die Symptome seitens der Atemwege und 
seitens des Darmtraktus einteilt. Die Bronchopneumonien wie- 
derum sind bei pAdatrophischen Kindern nicht etwa die Folge 
der Otitis media^ sondern beide^ Otitis media und bronchopnea- 
monische Herde entwickeln sich nebeneinander im Anschluß an 
eine primäre Infektion der Nase, bezw. des NasenrachenraumB. 

Die Durchfälle andererseits und die Ernährungsstörungen 
hält Verfasser fllr Erscheinungen von Toxis, entstanden dnroh 
die Resorption von septischen Stoffen aus dem Mittelohrempyem. 
^Wir müssen uns dabei wieder erinnern, daß die Pneumokokken, 
welche wir als fast ausschließliche Erreger der Otitis media 
fanden, zur Klasse der Streptokokken gehören, also zu den 
Sepsiserregern.^ Verfasser fand dementsprechend auch auffallend 
häufig bei seinem Kindermaterial andere Anzeichen einer sep- 
tischen Erkrankung, die Ekchymosen der Pleura, des Epikards 
und seltener des Peritoneums. 

Am Ende seiner Arbeit hat Verfasser die klinischen und ana- 
tomischen Versuchsergebnisse seiner 100 Fälle in gedrängter Kürze 
tabellarisch zusammengestellt. 



XIIL 
Wissenschaftliche Rundschau. 



1. 

Siebenmann, Beiträge zur Kenntnis der Labyrinthanomalien bei 
angeborenerTaubstummheit. Y erhandlangen der Naturforschenden 
Gesellschaft in Basel. Bd. XV. 

Ausgehend Ton der Tatsache, daß mit dem klinischen Ausbau der 
Taubstummenfrage die anatomische Forschung nicht gleichen Schritt ge- 
halten habe, besonders bezüglich der angeborenen Labyrinthyerftnderun^n, 
gibt UD8 der um die Kenntnis des Labyrinthbanes so verdiente Verfasser nicht 
nur einen Überblick über den gegenwärtigen Stand dieser auch für die Deu- 
tung der funktionellen Bedeutung des LabyrinthTorhofs so wichtigen ein- 
Bchl&gigen Frage, sondern bereichert auch unsere diesbezüglichen anatomi* 
sehen Kenntnisse durch neue eigene Beobachtungsbefunde. 

Die neuen wichtigen Befunde sind die folgenden: 

1 . Bei einer Frau, welche nur solche Geräusche wahrgenommen hatte, 
welche nachweisbar auch gefühlt werden (lautes Donnern usw.)» welche also ganz 
taub gewesen war, aber ohne Gleichgewichtsstörungen, ergab die histologische 
Untersuchung, dai^ der Stamm des Schneckennenrs wenig oder gar nicht, der 
im Labyrinth verlaufende Teil desselben aber samt dem Schneckenganglion 
hochgradig hypoplastisch war, und dal^ das Gortische Organ teilweise oder 
ganz fehlte und nirgends seine vollkommene Ausbildung erreicht hatte. Das 
ganze übrige Ohr war normid, der Bogengangsapparat mit den Utriculns, 
der SacculuB mit seinem Fleck, sowie die zugehörigen Nerven. „Somit 
kommt weder den beiden Vorhofss&cken, noch den Bogengängen 
irgendwelche akustische Bedeutung zu, und es muß die Per- 
zeptionsstelle für die Geräusche wie für die Töne in die 
Schnecke — speziell ins Gortische Organ — verlegt werden. 

2. Verfasser teilt histologisehe Befunde mit, welche ein recht inter- 
essantes Licht werfen auf eine gewisse, offenbar recht häufige Art der intra- 
uterinen Genese der Schwerhörigkeit, resp. Taubheit und Taubstummheit. 
Die Ursache ist nach den Befunden des Verfassers ein Kollaps der membra- 
nösen Wände des endolymphatischen Schneckenraumes, welche nicht im nor- 
malen Spannungsverhältnisse sich befinden, teilweise auch aneinander liegen, 
ja selbst verwachsen können Das Sinnesepithel wird dadurch gewissermai^en 
erstickt, es findet sich hochgradig degeneriert. £r hat diese Verhältnisse 
nicht nur bei der äußeren, sondern auch unteren (Basilarmembran) und 
oberen inneren (Reißner sehe Membran) Schneckenwandung gefunden. Als 
Ursache dieser Erscheinung hat er eine zu gro^ embryonale Anlage dieser 
häutigen Gebilde nachgewiesen, welche zur Folge hat, daß diese Wandungen 
bei ihrer abnormen Größe in dem vom normalen Knocbengehäuse vorgezeich- 
neten festen Rahmen nicht genügend Platz gefunden und sich daher gefaltet 
haben. Grunert. 



10 



148 XIII. WisBenschaftlicbe Bundschaa. 

2. 

Derselbe, Demonstration eines weiteren Falles von Kollaps des 
hftntigen Ductus cochlearis. Yerhandl. der deutschen otolog. Ge- 
sellschaft auf der 12. Versammlung in Wiesbaden am 29. u. 30. Mai 1903. 

Verfasser beschreibt einen Fall — Vorgeschichte vorläufig unbekannt — 
▼on doppelseitiger Hyperplasie von Stapes und langem Amboßschenkel, yon 
fester nbröser Fixation des Stapes- Ambo^elenkes an den hinteren oberen 
umfang der PeWis ovalis, vonObturation der runden Fensternische durch 
ein kleines Lipom bei einem älteren, sehr schwerhörigem Manne. „Im Ductus 
cochlearis membranaceus betrifft die Verbildung alle drei Wände, welche zu 

Soi^ angelegt und offenbar nachträglich durch die normal groß gebildete 
löcheme Labyrinthkapsel gefaltet worden sind, und zwar auf Kosten des 
Lumens des endolymphatischen Raumes. Das Ligamentum spirale ist be- 
deutend verdannt. Obwohl das Gortische Organ nirgends normal und in der 
Schneckenspitze sogar ganz degeneriert ist, sind die Oanglienzellen und der 
gemeinsame Stamm des Akustikus quantitativ und qualitativ auffallend wenig 
verändert — Saccnlus, Utriculus und Bogengänge sind normal." 

Grunert. 

3- 

K&iifier, Über Herpes zoster oticus (Herpes an der Ohrmuschel 
mit Lähmung des Nervus acusticus und des Nervus facialis). 
Münchener med. Wochenschr. Nr. 1. 19U4. 

Ausgehend von einer Schilderung der Miterkrankungen rein motorischer, 
gemischter und Sinnesnerven bei Herpes zoster, in deren Verbreitungsgebiet 
sich der Herpes zoster entwickelt, schildert Verfasser einen bisher nicht be- 
schriebenen Sym])tomenkomplex — Herpes an der Ohrmuschel mit Lähmung 
des Nervus acusticus und facialis — , welchen er nach Analogie des bekann- 
ten Herpes zoster ophthalmicus als Herpes zoster oticus bezeichnet. Die 
Wichtigkeit des von ihm beobachteten Falles berechtigt zu einer ausführ- 
licheren Wiedergabe desselben. «Die 55jährige Kranke war vor 6 Monaten 
am Brustkrebs operiert worden. Seitdem litt sie an häufigen Schmerzen bald 
in den Armen oder Beinen, bald in der Brust oder im Rücken. Die Schmerzen 
wurden von dem Hausarzte teils auf Rheumatismus, teils auf Neuralgien zu- 
rückgeführt, und mit Bädern, Pheiiacetin und zuletzt Solutio Fowleri mit 
wechselndem Erfolge bekämpft. Die Kranke war nicht zu bewegen, das 
Zimmer zu verlassen, und entwöhnte sich gänzlich des Aufenthaltes in freier 
Luft. Dabei wurde sie appetitlos und blaß. Die jetzige Erkrankung begann 
ndt Eruption von Herpesbläschen an der rechten Kopf- und Halsseite. 
Schmerzen in dem befallenen Gebiete waren vorhanden, jedoch nur in 
mäßigem Grade. Etwa 8 Tage nach dem Auftreten des Herpes ver- 
schwand das Gehör auf dem rechten Ohre innerhalb weniger 
Tage, und gleichzeitig entwickelte sich eine Lähmung im Ge- 
biete des rechten Nervus facialis.** Etwa 8 Tagenach dem Auftreten 
der Taubheit und der Facialislähmung wurde die Kranke vom Verfasser 
untersucht. „Ich fand sie blaß und hinfällig. Von dem Herpes waren noch 
die, meist in Gruppen angeordneten Schorfe vorhanden. Dieselben saßen alle 
auf der rechten Seite, und zwar in der Höhlung der Ohrmuschel am Rande 
des Gehörganges, an der behaarten Kopfhaut fingerbreit über der Ohrmuschel 
und im Nacken, auf der Gesichtshaut vor dem Ohre unterhalb des Joch- 
bogens, ferner, aber nicht in Gruppen, sondern versprengt, an der Seite des 
Halses. Von dem rechten Nervus facialis waren die die Stirn- und Augen- 
gegend versorgenden Aste völlig, die Mundäste leicht gelähmt. Eine Gaumen- 
segellähmung, die ich, wie viele neuere Autoren, niemals bei Facialislähmung 
gesehen habe, fehlte auch hier. Die rechte Chorda tympani war, wie die 
Geschmacksprüfung zeigte, gelähmt. Die Untersuchung des rechten Ohres 
zeigte ein normales Trommelfell und schloß ein Exsudat in der Paukenhöhle 
aus. Die Taschenuhr wurde selbst bei festem Andrücken an das Ohr nicht 
gehört, Flüsterworte nur in t — 2 Meter Entfernung verstanden und die Schall- 



XIII. Wissenschaftliche Randschaa. 149 

ieitang durch die Kopfknochen zam rechten Ohre war yöllig aufgehoben. 
Anf dem linken Ohre war das Gehör normal.*" Verfasser stellte auf Qrnnd 
dieses Befundes die Diagnose: L&hmang des Nervus acusticus und facialis 
bei Herpes zoster an der Ohrmuschel und in ihrer Nachbarschaft. Nach 
17 Tagen berichtete der Hausarzt, daß beim Weitergebrauche der Sointio 
Fowleri und Faradisieren des Facialis die Facialislähmung nahezu völlig ver- 
schwunden sei und auch das Gehör sich bedeutend gebessert habe — Taschen- 
uhr in ca. 30 cm Entfernung vom Ohr gehört und Wiederherstellung der 
Knochenleitung fär den Schall zum rechten Ohre- — Es waren aber dabei 
von neuem heftige Schmerzen in der Beckengegend und den Oberschenkeln 
aufgetreten. 

Verfasser erklärt den inneren Zusammenhang des von ihm geschilderten 
Symptomenkomplexes folgendermaßen: daß die Neuritis im Zervikalnerven- 
und Trigeminusgebiete, welche mit dem Herpes zoster in ätiologischem Zu- 
sammenhang stand, durch Anastomosen auf den Facialis Übergegangen wäre 
und weiterhin auch den dem Facialisstamm im Perus acusticus internus dicht 
angelagerten Nervus acusticus ergriffen hätte. Grunert. 



4. 

Parmentier, Diagnostic diff^rentiel des complications intra- 
cräniennes des otites purulentes.' Le progräs M^dical Beige. 
No. 20. 15. Oktober 1903. 

Abgekürzte Darstellung der Symptome der intrakraniellen, otogenen 
Erkrankungen, welche für unseren Leserkreis nichts Neues bietet. 

Grunert. 

5. 

M. A. Goldstern {^tljQmÄ)^ The use and abuse of the Eustachian 
Bougie; The Laryngoscope. St. Louis, July 1903. 

Aus der kurzen Arbeit des Verfassers, welche im allgemeinen nichts 
Neues bringt, interessiert uns nur sein Urteil über die neuerdings aus Ame- 
rika mehrfach empfohlene Verbindung der Elektrolyse mit dem Bougieren 
der Eustachischen Röhre. Er hat dazu Goldbougies benutzt und einen gal- 
vanischen Strom von 3 — 4 Milliampäresstärke. Wenn er auch meint (wohl mehr 
auf Grund theoretischer Erwägungen I d. Referent), daß der elektrische Strom 
einen wohltätigen Einfluß ausübt auf die Muskeln und Nerven der Tube, so 
hat er sich doch von einer zuverlässigen Wirkung dieser Methode auf Tuben- 
strikturen nicht überzeugen können; ja, er hat es sogar erlebt, daß, wenn 
eine Heilung der Striktur nicht erfolgt ist, hinterher sich eine deutliche Ver- 
schlimmerung derselben bemerkbar machte. Grunert. 



6. 

Streit, Geheilter Fall von schwerer otitischer Sinusthrombose 
mit meningitischen Erscheinungen. Sitzungsber. des Vereins für 
wissenschaftl. Heilkunde in Königsberg i. Pr. vom 8. Dez. 1902. Deutsche 
med. Wochenschr. 1903. Nr. 6. 

„Rezidivierende Otitis media, Eröffnung des Warzenfortsatzes, starke 
venöse Blutung, augenscheinlich aus einer sehr großen Mastoidealvene kom- 
mend. In der Folge meningi tische Erscheinungen, pjrämische Temperaturen. 
Acht Tage nach der ersten Operation Lumbalpunktion (negativ), Jugularis- 
unterbindung, Sinuseröffnung. Sinus sigmoideus blutleer, peripher und zen- 
tral durch einen Thrombus abgeschlossen. Entsprechend der Einmündung 
kreisrundes Loch im Sinus. Fortdauern der pyämischen Temperaturen. Sechs 
Tage später Eröffnung des Bulbus venae nach Grunert. Darauf sofort ein- 
setzende, drei Tage lang anhaltende Entfieberung, sodann akute pyämische 
Attacken, dann Rekonvideszenz. Facialis anfangs leicht paretisch, dann nor- 
mal fungierend. *" 



150 XIII. Wissenscbaftliche Randfc)iaa. 

WeDD nngllBsti^e anatomlscbe Verhältnisse Yorliegen, bei denen sich 
nach Streit nicht ininier FacialiBl&bmungen Yenneiden lassen, dann sei es 
nicbt nötig, sieb auf Wegnahme der letzten, die laterale Umgrenzung des 
Foramen jugulare bildenden Enocbenspange au versteifen, da auch bei Stehen- 
bleiben einer V> cm breiten Spange der Bulbus zur Genüge übersichtlich sei, 

Gruneri 

7. 

Jerosch, Fall von doppelseitigem OthAmatom spontanen Ur- 
sprungs. Ebenda. 

In der Diskussion hebt Hoppe, der wenigstens 30 — 40 Fälle Yon 
Oth&matom gesehen bat, benror, daß diese Geschwulst vorzugsweise in 
Irrenanstalten bei progressiver Paralyse, aber auch bei seniler Geistesstörung 
und bei schweren akuten Geistesstörungen vorkommt, wo auch sonst tro- 
pbische Störungen häufig sind. „Ein Trauma Ist zur Entwicklung desselben 
wohl stets notwendig, nur daß es keine grobe Gtewaltein Wirkung zu sein 
braucht; es genügt in vielen Fällen bei dem Vorhandensein trophischer 
Störungen schon eine geringe Verletzung, wie sie sich besonders unruhige 
Kranke leicht zuziehen, welche bei gesunden Geweben nicht die geringsten 
Folgen haben würden. "^ Grunert. 

8. 

Etchweiter, Zur Entwicklung des schallleitenden Apparates mit 
besonderer Berücksichtigung des Musculus tensor tympani. 
Arch. f. mikroskop. Anatomie u. Entwicklungsgeschichte. 1903. Bd. 63. 

Auf Grund der histologischen Untersuchung von Schnittserien durch 
die Köpfe von Schweineembryonen schildert Verfasser in übersichtlicher 
Weise die Entwicklungsgeschichte des Musculus tensor tympani vor seiner 
definitiven Ausbildung. Ein näheres Eingehen auf den Inhalt der sehr inter- 
essanten Arbeit schließt nicht etwa der rein entwicklungsgeschichtliche Cha- 
rakter derselben aus, wohl aber der Umstand, daß eine kurze referierende 
Wiedergabe der komplizierten Auf bau Verhältnisse des Musculus tensor tym- 
pani nur auf Kosten des Verständnisses dieser Materie erfolgen könnte. 

Grunert 

9. 

Kreischmann, Anatomischer und klinischer Beitrag zum Kapitel 
der Deviationen des vorderen Abschnittes der Nasen- 
scheidewand. Archiv f. Laryngol. Bd. XIV. 3. Heft. 

Verfasser kommt zu folgenden Schlußfolgerungen: 

1. Den Nasenflügelknorpeln kommt die Wirkung eines federnden Bügels 
zu. Der empor- und abgezogene Nasenflügel wird durch die Knorpelfederung 
nach Aufhören der Muskelwirkung wieder in die Ruhelage zurückgeführt 

2. Die für den vordersten Abschnitt der Nasenscbeidewand gebrauchten 
Namen, „Septnm mobile und Septom cutaneum" sind unbestimmt und un- 
genau. Sachlicher erscheint die Einteilung in „Septum anticnnn s. triangu- 
läre, Septum medium s. quadrangulare, Septum posticum s. osseum. 

3. Abweichung des vor der vertikalen Achse gelegenen Teiles der Car- 
tilago quadrangulans ans der Medianebene führt zu einer Luxation des 
Knorpeirandes aus dem Sulcns incisivus. Diese Abweichung kann die ein- 
rige Deviation bilden — isolierte oder reine Luxation — , es handelt sich 
also um eine Abbie^ung, oder es hat eine Drehung der Cartilago quadrsn- 
galaris um die vertikale Diagonale stattgefunden; dann zeigt sich auf der 
entgegengesetzten Seite noch eine Crista-Deviatio rotatoria. 

4. Die Luxation der Cartilago quadrangularis hat Veränderungen in der 
Stellung der Nasenspitze und des Nasensteges im Gefolge. 

ö. Eine einmal eingetretene Luxation kann durch den Zug des In- 
spirationsstromes verschlimmert werden. 



Xllh Wifltenscbaitliche Randschau. 151 

6. Nicbt fixierte Loxationen können reponiert and in der korrigierten 
Lage durch eingelegte Gummirohre erhalten werden. Bei konsequenter Durch- 
fahrang des Verfahrens erfolgt Heilung. 

7. Für das korrigierende Verfahren eignen sich besonders Kinder und 
jugendliche Indiyiduen. fiei Erwachsenen scheitert die Anwendung meist an 
dem Mangel von Toleranz und an der Unmöglichkeit der Reposition.*' 

Qrunert. 



10. 

Heine, Amnestische Aphasie und Hemiopie infolge Abszesses 
des rechten Schl&fen- und Hinterhauptlappens. Verhandl. der 
deutschen otolog. Gesellschaft ^auf der 12. Versammlung in Wiesbaden 
am 29. und 30. Mai 1903. 

Das Einzigartige dieses Falles von operativ geheiltem Himabszeß bei 
einem 32j&hrigen Manne war das Bestehen eines Symptomenkomplezes 
(amnestische Aphasie, Paraphasie und Ataxie) bei der Lokaiisatton des 
Abszesses im rechten Sehl&feolappen — bei bestehender RechtshAndigkeit — , 
während wir diese Symptome nur kennen bei Abszessen des linken Schl&fen- 
lappens, dem Sitz des sensoriscben Sprachzentrums. 

Aber auch in anderer Hinsicht gehört der Fall des Verfassers (Lucae- 
sche Klinik) zu den interessantesten. 

20 Taae nach Beginn von heftigen rechtsseitigen, über den ganzen Kopf 
ansatrahlenaen Obrschmerzen, ai\d 5 Tage nach dem Eintreten eines Schüttel- 
frostes (Temperatar damals nicht gemessen) war Patient in die Berliner 
Ohrenklinik autgenommen. Es warde am Tage nach der Aufnahme (rechts- 
seitige heftige Kopfschmerzen, Schmerzen im Nacken, die bei Beugung des 
Kopfes nach 7orn zunahmen) total aufgemeißelt. Dabei Granulationen und 
Cholesteatommassen im Antram, in der Gegend der hinteren und oberen 
Antrnmwand ein bohnengroßer Sequester, der mit zottigen derben Auflage- 
rungen bedeckten Dura anliegend. 3 Tage später wegen des Hinzntritfs des 
oben beschriebenen Symptomenkomplexes auf den rechten SchJ&fenlappen 
eingegangen, und dabei ein mit stinkendem Eiter erfüllter Abszeß entleert. 
Entschiedene Besserung der Sprachstörung in der nächsten Zeit, aber hin 
und wieder Kopfschmerzen, Schläfrigkeit. 1 1 Tage nach der ersten Operation 
wieder heftige Kopfschmerzen, häufiges Erbrechen, fortwährende Übelkeit, sehr 
Terfallenes Aussehen, wieder ausgesprochene amnestische Aphasie und deut» 
Hche, bis dahin nicht vorhanden gewesene Hemiopie bei normalem Augen- 
Mntergrunde, Erweiterung der Hirnwunde mit der Komzange, wobei wieder 
3 — 4 EJBlöffel fßtiden, mit Gasblasen Tormischten Eiters abflössen. Nach 
TorOber gehen der Besserung und nach erfolgtem Verschluß der Hirnwnnde 
wieder zunehmende Himsymptome. Deshalb am 15. Tage nach der zweiten 
Operation ein dritter operatiyer Eingriff, bei welchem im Occipitallappen 
eine große, aber keinem Eiter mehr enthaltende Abzeßhöhle freigelegt wurde. 
£2in 10 Tage später wegen erneuter Zunahme der Himsymptome ausgeführ- 
ter operativer Eingriff förderte keinen freien Eiter mehr zutage. Schließ- 
licher Ausgang : Heilung der Gehirn- und Obroperationswunde. In diesem 
Zustande wivde Patient etwa 4Va Monate nach seiner Aufoahme entlassen. 

Auf folgendes sei noch hingewiesen: Die beobachtete zunehmende 
Schwerhörigkeit des linken Obres konnte um so mehr als eine zentrale ge- 
deutet werden, als auch vorübergehende Gehörshalluzinationen für eine 
Reizung der rechten Hörsphäre zu sprechen schienen. Bezüglich der Hemi- 
opie sagt Verfasser folgendes: „Hemiopie stellte sich erst vor der zweiten 
Operation am Schläfenlappen ein. Bei der dritten fand sich im Hinterhaupt- 
lappen eine große, aber leere Höhle. Es ist also der Eiter dieses Abszesses 
bei der zweiten Operation mit abgeflossen. Jedenfalls war dieser Abszeß im 
Hinterhauptlappen selbst, und nicht bloß eine Schädigung der optischen 
Leitungsbahn durch den tiefgelegenen Schläfenlappenabszeß die Ursache der 
Sehstörung. ** Grunert. 



152 ;xm. Wissenschaftliche Rondschaa. 

11. 

Kttiz, Ein modifiziertes Ringmesser („knieförmiges Adenotom") 
mit einigen Bemerkungen. Therapeutische Monatshefte, Juli 1903. 

Weil man mit dem Gottstein-Beckmannschen Ringmesser infolge 
der gestreckten Form des Stieles und des Griffes des Instrumentes bei hohem 
Nasenrachenraum (größere Kinder) oft nicht bis an die Basis der Rachen- 
mandel heraufkommt, hat Verfasser durch eine entsprechende ErOmmung 
und Verl&nfferung jenes Instrument modifiziert, so daß der Winkel im un- 
teren Drittel des Stieles 145 ^ der des Ringes zum Stiele ca. 85^ beträgt und 
die Schneide fast senkrecht zum Stiele gestellt ist. Das modifizierte Instru- 
ment ist bei H. Windler-Berlin, Friedrichstraße 133a in zwei Größen resp. 
Krümmungen vorrätig. Grunert 

12. 

Voss^ Mittelohreiterungen (chronische). Enzyklopädische Jahr- 
bücher der gesamten Heilkunde. Neue Folge, 2. Bd. Herausgeber: Prof 
Dr. Alb. Euienburg in Berlin. Verlag: Urban und Schwarzenberg in 
Wien und Berlin. 

Verfasser hat die Materie in einer den Bedürfnissen des Leserkreises, 
für welchen der Artikel bestimmt ist, entsprechenden Weise behandelt. Die 
präzise übersichtliche Schreibweise macht die Lektüre auch für den Spezial- 
Kollegen zu einer angenehmen. In unverhältnismäßig breiter Weise wird die 
Plastik im Anschluß an die Totalauf meißelung abgehandelt Grunert. 



13. 

Treitelj Die Beurteilung der Ohreiterungen bei Aufnahme in 
eine Lebensversicherung. Deutsche Medizinalzeitung, 2t. Dez. 1903. 

Verfasser empfiehlt bei chronischen Eiterungen eine Aufnahme in die 
Versicherung bei höherer Prämienzahlung, wenn die Schleimhaut blaß und 
das Sekret ein mehr schleimig-eitriges ist. Unbedingten Ausschluß will er 
bei fötider Eiterung, bei Cholesteatom oder Granulationen am oberen oder 
am oberen hinteren Trommelfellrande. Mit Recht weist er auf das größere 
Risiko hin, welches die Versicherungen eingehen, wenn sie Leute mit aus- 
geheilter Ohreiterune, aber hochgradiger Funktionsstörung und Schwindel 
aufnehmen (Gefahr des Überfahreawerdens usw.). Der Forderung des Ver- 
fassers, daß bei der Unzuverlässigkeit der Anamnese in otoiogicis das Oiir 
eines jeden zur Aufnahme in die Lebensyersicherung sich Meldenden zu 
untersuchen ist, können wir nur zustimmen, wenn er dabei eine fachmän- 
nische Untersuchung im Auge hat. Grunert. 



14. 
Bezoldy Die Hörprüfung mit Stimmgabeln bei einseitiger Taub- 
heit und die Schlüsse, welche sich daraus für die »Knochen- 
leitung'' und für die Funktion des Schallleitungsapparates 
ziehen lassen. Zeitschr. f Obrenbeilk. Bd. XLV. Heft 3. 

Entgegen den Anschauungen jüngerer. .Forsch er, welche für die Schall- 
leitung den Schwerpunkt auf die direkte Übertragung der Schallwellen auf 
das Labyrinth entweder durch das runde Fenster oder den Promontorial- 
knochen legen, glaubt der in der Physiologie des Ohres so eiArig tätige 
Verfasser den positiven Beweis zu erbringen, daß dem Schallleitungsapparate 
keineswegs nur die untergeordnete Rolle einer den Labyrinthdruck regulie- 
renden Nebenvorrichtung zuzuerkennen sei, sondern daß ohne diesen Apparat 
ein Hören per Luftieitung bis zur eingestrichenen Oktave herauf überhaupt 
unmöglich sei. „Um sich von dem verwirrenden und unsere wertvollsten Er- 
rungenschaften verdunkelnden Einfluß dieser modernen ^Spekulationen zu be- 
freien, welche verhältnismäßig so viele Anhänger gefunden haben, ja von 
einem Referenten der Zeitschrift für Ohrenheilkunde sogar als »sinnreich 



XIII. WisBenschaftliche Bnndschaa. 153 

and außerordentlich klar" bezeichnet worden, kann ich nichts Besseres raten, 
als ein Bad zu nehmen in dem frischen Born der Erkenntnis, welchen be- 
reits Joh. Müller ans in seinem Handbnche erschlossen hat, denn hinter 
diese Zeit sind wir durch die Sacht nach immer neuen Theorien ohne Be- 
rücksichtigung unserer bereits errungenen Schütze wieder zurückgeworfen. ** 
Der Bezold sehen Anschauung muß Referent entgegenhalten, daß von 
einem doppelseitig totalaufgemeißelten Patienten unserer Klinik, bei welchem 
beiderseits Hammer und Amboß, auf der einen Seite auch der Stapes, entfernt 
waren, auf beiden Ohren G ('256 Schwingungen) zweifellos gehört und nach- 
gesungen wurde. Nach landläufigem Sprachgebrauch konnte er nicht für 
, schwerhörig'* für die Sprache gelten. Grunert. 



15. 

Gerher, Fremdkörper der Nase, der einen malignen Tumor vor- 
getäuscht hatte. Sitzungsber. des Vereins für wissensch. Heilkunde 
in Königsberg i. Pr. vom 16. Febr. 1903. Deutsche med. Wochenschr. 
1903. Nr. 27. 

Der Fremdkörper war ein 9 cm langes fingerdickes, von Granulationen 
nmwuchertes Gummidrain, dessen vorderes Knde die nasale Kieferhöhlenwand 
arrodiert und eine Eiterung in der linken Kieferhöhle hervorgerufen hatte. 
Durch diese Eiterung wiederum war eine Auftreibung der vorderen Kiefer- 
höhle bedingt. Grunert. 

16. 
derselbe^ Ein großer Sequester des Warzenfortsatzes von einem 
dreijährigen Kinde. Ebenda. 

Nichts von Bedeutung. Grunert. 



17. 

Derselbe, Fall von Nekrose des gesamten Labyrinths bei einem 
zwölfjährigen Mädchen nach Scharlachotitis. Ebenda. 

«In zwei Operationen wurden entfernt: ein ganzes Stück des Facialis- 
kanales, der horizontale Bogengangwulst, das Promontorium, verschiedene 
Teile der Schnecke und Bogengangspartikel u. a.** Grunert. 



18. 

Streit, Ausgeheilter Fall von primärer Thrombose des Bulbus 
venae jugularis und Vorhofeiterung. Ebenda. 

„Chronische Mittelohreiterung, zeitweise Schmerzen im erkrankten Ohr 
und in derselben Seite des Kopfes. Erbrechen, Durchfälle, Fieber. Kein 
Schwindel, kein Nystagmus. Gehörgang mit Granulationen gefüllt, ödem 
und Druckschmerz über Planum und Spitze. Schmerzen beim öffnen des 
Mundes in der Umgebung des rechten Kiefergelenkes. Gehörprüfung gibt un- 
sichere Resultate. 

Bei der Operation fand sich ein großes Cholesteatom. Der Sinus wurde 
tinterhalb des oberen Knies freigelegt. Im horizontalen Bogengang, nahe 
dem vorderen Schenkel, ein roter Punkt, beim Sondieren desselben gleitet 
die Sonde in den Vorhof, aus dem Eiter nachquillt Der Paukenboden fehlt 
zum größten Teile, an seiner Stelle Granulationen; beim Abtasten derselben 
dringt die dicke Sonde in einen haselnußgroßen Hohlraum, dessen ziemlich 
glatte Wände sich nach der Seite zu überall mit Sicherheit abtasten lassen. 
Nur in der Richtung nach unten dringt die Sonde etwa 1 7^ cm weit, ohne 
Widerstand zu finden, vorwärts. Aus diesem Hohlräume quillt Eiter hervor. 

Jugularisunterbindung. Spaltung des Blut enthaltenden, normal aus- 
sehenden Sinus. Drainage desselben, Eröffnung des Vorhofs vom hinteren 
Schenkel des horizontalen Bogenganges aus. Facialis zuckt nicht. 

Verlauf: Nur an vier Tagen post operationem überschritt die Tempe- 
ratur 3S®. Allgemeinbefinden sehr gut. Facialis intakt. Am siebenten Tage 



164 XIII. WisBenschaftliebe Randschan. 

Sott operationem kommt man beim Sondieren Yom oberen Wandwinkel der 
ngiilariB aus in der Riebtang nach dem Foramen jan^iilajre za, 3 cm n&ch 
der Scb&delbasiB zu, aufwärts. AagenBcbeinlich handelt es sich um Senkong 
einer schon ante operationfm yorhanden gewesenen peribnlbären Eiterung.* 
Die Bedentang dieses Falles liegt darin, daß er für eine direkte Ober- 
leitung der Eitemng Yom Paakenhöblenboden auf den Baibns spricht. 

Wenn Verfasser sagt, „er wttrde die Grnnertsehe Eröffnung des Bulbus 
fwae jttgularis nur als sekundären Eingriff yomehmen, selbst dann nicht 
primär, wenn direkter Eiterabflu^ ans dem Bulbus beobachtet ist^, so er- 
weckt das den Anschein, als hätte ich ein gegensätzliches Vorgeben em« 
pfohlen. Ich habe mich indes in den einschlägigen Arbeitmi ganz klar dar- 
über ausgesprochen, daß auch fQr mich ein direkter Eiterabfluß aus dem 
Bulbus noch keine Veranlassung abgibt, primär gegen den Bulbus operativ 
vorzugehen. G r n n er t. 

19. 

EegelschrveUer (Zürich), Dio Tuberkulose des Ohres mit Ausgang 
in Heilung. Zeitschr. f. Ohrenheilkunde. XLIII. S^ l. 

Verfasser berichtet über 3 Fälle von geheilter Ohrtuberkulose. In dem 
ersten war die Mittelohrentzündung unter starken Schmerzen auf|;etreten, 
172 Monate später hatte sich eine 6 Tage dauernde Bewußtlosigkeit einge- 
stellt, die erst mit dem Erscheinen von Otorrhöe wieder verschwand. Das 
Hörvermögen ging total verloren Die Mastoidoperation — zuerst die typische 
Aufmeißelung des Antrum, dann die TotalaufmeiMung — ergab Defekt des 
Trommelfells, Hammers und Amboß, das Antrum in eine walnußgroße Höhle 
umgewandelt, Freiliegen der verdickten und mit mißfarbigem Eiter bellen 
Dura über dem hintersten Antrumwinkel in Ausdehnung von 2 qcm. Lappen- 
bildung nach Stacke. Die Heilung erfolgte glatt, mit Ausnahme der Stelle, 
an welcher die harte Hirnhaut bloßlag; doch sistierte die Eiterung auch hier 
schließlich (nach etwa 372 Monaten), nachdem regelmäßige Verbände mit 
Airolgaze, später mit lOproz. Kreosotsalt>e angewandt und innerlich Kreosot^ 
pillen verabreicht worden waren. Zur Erklärung der sechstägigen Bewut^t- 
losigkeit wird angenommen, daf^ die eitrige Entaündnng sich an der er- 
wähnten Stelle nicht auf die Außenschicht der Dura beschränkt, sondern auf 
deren Innenfläche übergegriffen und zugleich die Pia in einen Reizzustand 
versetzt hatte. Der Eiter des Warzenfortsatzes enthielt Tuberkelbazillen. 
In der zweiten Beobachtung waren tuberkulöse Geschwüre in Nase und 
Rachen vorbanden, es wurde über Schwere und Sausen im Ohre geklagt und 
bei der Untersuchung dieses zuerst eine Injektion des Hammergriffs, dann 
ein opakes miliares Knötchen im hinteren unteren Quadranten, umgeben von 
diffuser Rötung des Trommelf eUs, gefunden. Durch seinen Zerfall entstand 
eine anfangs trockene Perforation. Letztere heilte — neben Behandlung der 
Rachengesehwüre mit Milchsäure — durch einen längeren Aufenthalt in 
Daves, das Gehör stieg wieder von 30 cm auf 1 m für Flüstersprache. Der 
dritte Fall war dadurch ausgezeichnet, daii spärliche Paukenhöbleneiterung, 
zentrale Trommelfellperforation und außerdem starke, von der Warzengegend 
in die Schläfe und den Unterkiefer ausstrahlende Schmerzen bestanden. Die 
Spitze des Proc. mastoideus war druckempfindlich, die Gegend zwischen ihr 
und dem aufsteigenden Ast des Unterkiefers mäßig empfindlich and ge- 
schwollen < Kieferklemme). Bei der Aufineißelung zeigte sich der Knochen 
stark sklerotisch, das Antrum normal, dagegen wurde ungefähr in der Mitte 
der Spitze eine etwa 1,5 cm lange und 8 mm breite grauweii^liche Membran 
au%edeckt, ohne sichtbare reaktive Entzündung in der Umgebungt ^'^ ^^ 
mit dem scharfen Löffel ohne große Mühe entfernen ließ. Sie wird als ein 
für Tuberkulose charakteristisches ^fibrinoides'' Exsudationsprodakt be- 
trachtet Ein vierter Fall von Obrtuberkulose ist nicht vollständig zur Hei- 
lung gekommen. Es bestand schmerzlos au&etretene Obreiternng, große 
nierenförmige Trommelfeliperforation, polypöse Verdickung der Paukenhöhlen- 
schleimhaut, femer eine größere Granulation im äußeren Gehörgang. Letztere 
wurde entfernt, ebenso der an seinem Griff um die Hälfte verkürzte Hammer, 



XIII, Wissenscfaaftlicbe Rundschan. 155 

worauf die Eiternng bedeutend nachließ, aber nicht Yollständig sistierte. 
Später bildete sich noch am Promontorium eine graue festbaftende (fibrinoide) 
Membran, die sich nach mehreren Wochen abgestoßen hatte. Die £iterang 
blieb unverflndert In der Epikrise wird auf die Wichtigkeit einer geeigneten 
Allgemeinbehandlung (Hocbgebirgsklima usw.) hingewiesen, da der Allgemein- 
zustand des Patienten iür die Besserung oder Verschlechterung seines Ohren- 
leidens von größter Bedeutung ist. Lokal werden gegen die Paukenhöhlen« 
eitening, wenn sich nicht operative Eingriffe als notwendig erweisen, Ein- 
blarangen von Jodoformpulver empfohlen. Blau. 



20. 

Denker (Erlangen), Zur operativen Behandlung der intrakra- 
niellen Komplikationen nach akuten und chronischenMitteN 
Ohreiterungen. Ebenda. S. 13. 

Die mitgeteilten F&lle sind folgende: 

1. £xtradaraler, perisinuöser Abszeß rechte, am 18. Tage einer aknten 
Mittelohreitemng bei der Aufmeißelnng gefunden, mit dem Warzenfortsatz- 
empyem durch einen kleinen Knochendeiekt des Snlcus tranaversas kommu- 
nizierend. Auf den Abszef^ hindeutende Symptome waren nicht vorhanden 
gewesen, mit Ausnahme höchstens einer Druckempfindlichkeit in der hinteren 
Gegend des Proc. mastoideus. Gebeilt. 

2. Extraduralabszeü der mittleren Scbädelgrube rechts nach chroni- 
scher Mittelohreiterung mit Cholesteatom/ ohne Symptome, bei der Totalauf- 
meißelnng durch Erweiterung einer Fistel im Tegmen antri entleert. Außer- 
dem stecknadelkopfgroßer trockener Defekt an der äußeren Wand des hori- 
zontalen Bogenganges, bei dessen Sondierung regelmäßig eine Drehung des 
Kopfes nach links eintrat. Häutiges Labyrinth normal. Schwindel hatte nie 
bestanden. Ausgang in Heilung. 

3. Abszeß des linken Schlaf enlappens nach chronischer Otitis media 

Sorolenta mit Cholesteatom. Als Zeichen einer intrakraniellen drucksteigern- 
en Komplikation waren vorhanden : schweres Krankheitsgefühl, Kopfschmer- 
zen, Übelkeit, Erbrechen, starke Perkussionsempfindlichkeit der linken 
Scbläfengegend, Schwindel, relativ langsamer Puls (70) bei einer Temperatur 
von 38,5 ^ Herdsymptome fehlten, bei der Totalaufmeißelung wurde eine 
kleine kariöse Stelle am Tegmen antri gefunden, die darüber gelegene Dura 
war mit Granulationen bedeckt, die Punktion an dieser Stelle führte zur 
Entleerung eines taubeneigroikn , abgekapselten Abszesses. Heilung ohne 
jeden Zwischenfall. 

4. Schläfenlappenabszeß rechts nach chronischer Mittelohreiterung, 
kompliziert mit einem Extraduralabszeß der mittleren Schädelgrabe und 
einem snbperiostalen Abszeß in der Schläfengegend. Starke Kopfschmerzen, 
Erbrechen, schwankender Gang, verminderte Pulsfrequenz bei normaler 
Temperatur, herabgesetzte geistige Regsamkeit, dann maximale Erweiterung 
und Keaktionslosigkeit der rechten Pupille, Neuritis optica rechts (links nor- 
mal), Somnolenz, unwillkürliche Urinentleerung. Bei der Totalaufmeißelung 
zeigte sich keine Kommunikation zwischen Mittelohr und Endokranium, das 
Tegmen war anscheinend gesund. Eröffnung der mittleren Schädelgrube 
durch Fortnabme eines Stückes vom vertikalen Teil der Schuppe, sowie des 
Tegmen. Extradaraler Abszeß, Dura mater schmutzig verfärbt, mit Granu- 
lationen bedeckt, drängte sich unter lebhafter Pulsation stark vor. Die 
Punktion hiersei bst entleerte 70 — 80ccm stinkenden, mit Blut gemischten 
graubräonlichen Eiter. Abszel^höhle mehr als hühnereigroß, mit einer Mem- 
bran aasgekleidet. Heilang des Abszesses in 8 Wochen. 

5. Multipler Klein hirnabszeß Unks nach akuter Mittel ohreiterung. Apa- 
thie, Erbrechen, sabnormale Temperatur bei 80—60 Pulsschlägen, etwas träge 
Pnpillenreaktion , diffase Kopfschmerzen. Totalaufmeißelang l Monat nach 
Beginn der Erknmkang, keine direkte Kommunikation der Operationsfaöhle 
nüt dem Endokranium. Punktion des Schläfenlappena resultatlos, bei der- 
jenige des Kleinhirns Eröfinang eines taubeneigroßen, nicht abgekapselten 
Abszesses. Vorübergehende Besserung, dann vom 3. Tage an wiederholtes 



156 XIII. WissenBchaftUche Ruadschaa. 

Erbrechen, Prolapsns cerebelli, beiderseitige Nearitts optica, links in Stauungs- 
papille übergehend und hier mit einer Herabsetzung der Sehschärfe bis zu 
78 verbunden, koigugierte Deviation der Auj^en nach rechts, Parese der linken 
oberen und unteren £xtreinit&t (in der Epikrise ist von gekreuzten Paresen 
die Rede. Ref.), leichte Kopfschmerzen. Es wurde (4 Wochen später) der 
walnußgroße Vorfall abgetragen und eine Inzision in das Kleinhirn gemacht, 
durch die ans einem neuen Abszeß 1 V« Ei^löfifel serös-eitrigen Exsudats ent- 
leert wurden. Sofortige Besserung der Sehschärfe, aber von neuem Erbre- 
chen, Puls 62, sehr langsame Atmung, Kopfschmerzen, schlechtes Allgemein- 
befinden. Nochmalige Abszeßentleerung beim Sondieren. Dann meningitische 
Symptome und Tod. Die Sektion ergab noch zwei weitere Abszesse, einen 
größeren und einen kleineren, im linken Kleinhirn, von denen der erstere in 
den Arachnoidealraum perforiert war. Außerdem Phlebitis des Sinus caver- 
nosus. 

6. Otitische Pyämie nach akuter Mittelohreiterung rechts. Einmaliger 
halbstündiger Seh Qttelfrost, Temperatursteigerung bis zu 40,1^. Bei der Auf- 
meißelung wurde der größte Teil des Warzenfortsatzes kariös zerstört und mit 
stark blutenden Granulationen erfüllt gefunden. Der dem Sinus anlagernde 
Knochen zum Teil miterkrankt, Sinuswand verfärbt, ohne Granulationen, bei 
der Punktion reines Blut. Tamponade mit Jodoformgaze. Am Abend des 
Operationstages Temperatur 39,4^, am folgenden Tage noch eine Steigernng 
auf 39,3 ^ dann fieberloser Verlauf und Ausgang in Heilung. Die Beseitigung 
des primären Infektionsherdes im Ohre, ohne jeden Eingriff am Sinus, hatte 
also hier genügt, um die Pyämie zum Verschwinden zu bringen. Blau. 



21. 

Eulenstein (Frankfurt a. M.), Über Blutungen infolge von Arrosion 
der Hirnblutleiter bei Eiterungen im Schläfenbein. Ebenda. 
S. 29. 

Blutungen aus den arrodierten Hirnsinus bei Schläfenbeineiterungen 
sind selten, weil in der Regel, bevor es zu einer vollständigen Erweichung 
oder Zerstörung der Sinuswand durch die Eiterung kommt, eine den Blat- 
leiter abschließende Thrombose eingetreten ist. Die Stärke der Blutung, wo 
eine solche einmal ausnahmsweise zustande kommt, hängt ab von dem mehr 
oder weniger vollständigen Abschluß des Sinus durch Thrombose, dem even- 
tuellen FreiUegen des Sinus nach außen infolge operativer Entfernung seiner 
knöchernen Unterlage, dem Vorhandensein oder Fehlen reichlicher Granu- 
lationen im Knochen und in den Mittelohrräumen, die gegebenenfalls dem 
Blute den Weg nach außen erschweren, endlich von der Größe des Risses 
oder Defektes in der Sinuswand. Die Blutung kann eine äußere sein, ans 
dem Ohre, der Operationswunde, in den Nasenrachenraum, oder das Blut 
ergießt sich nach innen in die hintere oder mittlere Schädelgrube. Als Ge- 
legenheitsursache kann ein Husten, Nießen usw., die operative Entfernung 
der knöchernen Unterlage der Sinuswand durch Verminderung des Außen- 
druckes, möglicherweise auch die Unterbindung der Ven. jugularis int dienen. 
In dem vom Verfasser mitgeteilten Falle handelte es sich um ein 5jähriges 
Mädchen mit akuter Scharlachotitis und sich daran schnell anschließender 
Karies des Warzenfortsatzes, so daß bei der am 12. Tage der Erkrankung 
vorgenommenen Aufmeißelung der Knochen bereits bis zur mittleren und 
hinteren Schädelgrube erweicht gefunden wurde. Der Sinus klappte bei der 
Inspiration zusammen und zeigte sich in der Mitte seiner freigelegten, sonst 
gesunden Wand mit Granulationen bedeckt ; später zeigte diese Stelle einen 
gelblichen Eiterbelag. Am 10. Tage nach der Operation wurde bemerkt, daß 
unter dem schon mehrmals gewechselten, selbst nicht blutdurchtränkten 
Verband zwei Bluttropfen hervorsickerten, in der Nacht darauf erfolgte nach 
wiederholtem Nießen eine starke Blutung in den Verband, die von selbst zum 
Stehen kam. Als am nächsten Tage der Verband erneuert werden sollte, 
weil die Temperatur inzwischen auf 39,2° gestiegen war, trat bei dem ersten 
Versuche einer Lockerung des den Sinus komprimierenden Tampons eine 
sehr starke dunkelrote Blutung auf und es mußte daher der Tampon sofort 



XIII. Wissencbaftliche RuDsdschau. 157 

wieder in die Wundhöhle gepreßt werden, worauf die Blutung sistierte. In 
den folgenden 4 Tagen waren Fiebertemperaturen bis zu 4U.3^ vorhanden, 
es wurde über Schmerzen geklagt, ein einmaliger Schüttelfrost stellte sich 
ein, und die Gefahr lag daher nahe, daß, wenn der bereits 6 Tage liegende 
Verband nicht gewechselt würde, sich eine septische Sinusthrombose entwickeln 
könnte. Da die Lüftung des äußeren Tampons sofort eine neue heftige 
Blutung hervorrief, unterband Verfasser die Ven. jugnlaris int. nebst der 
Ven. facialis doppelt und durchschnitt sie, legte hiernach den Sin. transversus 
durch Trepanation peripher von der arrodierten Stelle (im Text steht zwei- 
mal fälschlich zentralwärts, Referent) zwischen seiner Umbiegungsstelle in 
den Sulcus sigmoideus und dem Confluens sinuum frei, ließ ihn daselbst mit 
dem Finger komprimieren und ersetzte dann schnell den alten Verband 
durch einen neuen. Bei Fortnabme des den Sinus komprimierenden Tam- 
pons trat allerdings eine noch recht erhebliche Blutung (aus dem Sinus pe- 
trosus sup. und dem Emissarium mastoideum) ein, die aber durch den sofort 
aufgedrückten neuen Tampon im Augenblick gestillt wurde. Das Fieber 
dauerte noch in den nächsten 14 Tagen an und es wurde viel über Schmerzen 
im Kopf und am Halse geklagt, die wiederholte Morphinmgaben notwendig 
machten. Bei dem 3 Tage später vorgenommenen Verbandwechsel stellte 
sich wieder eine starke Blutung, wenn auch nicht ganz mit der früheren 
Heftigkeit ein, doch genügte sie, um bei dem schon sehr geschwächten Kinde 
eine Synkope mit Sistieren der Atmung und unfühlbarem Puls hervorzurufen, 
die zu ihrer Hebung länger fortgesetzte Herzmassage erforderte. £s wurde 
daher mit dem nächsten Verbandwechsel trotz des noch vorhandenen Fiebers 
8 Tage lang gewartet. Bei ihm erfolgte keine Blutung mehr, die Sinusvirand 
sah an der arrodierten Stelle dunkelgraurötlich aus. Von da an ging die 
Heilung, wenn auch langsam, doch ohne weiteren Zwi^chenfcdl von statten, 
die arrodierte Sinusstelle markierte sich noch einige Zeit gegen ihre granu- 
lierende Umgebung durch graurötliche Färbung, dann nach Abstoßung der 
nekrotischen Partie als eine dellenartige, leichte Vertiefung. 

Anschließend an diese Beobachtung teilt Verfasser kurz die anderen 
veröffentlichten 17 Fälle von Blutung aus den Himsinus, bez. dem Bulbus 
ven jugularis durch Arrosion bei Schläfenbeineiterungen mit und resümiert 
aus ihnen folgendes. Die Blutung entstammte 12 mal dem Sin. transversus, 
je 1 mal dem Sin. petrosus superior, Sin. petrosus inferior, Sin. caroticus 
oder mehreren Sinus (cavernosus, petrosus sup., petrosus inf. und Bulbus 
ven. jugularis) gleichzeitig, 2 mal dem Bulbus ven. jugularis. Die ursäch- 
liche Eiterung im Schläfenbein war 13 mal eine chronische, 4 mal eine akute, 
sie hatte 10 mal auf der rechten, 5 mal auf der linken Seite ihren Sitz. Von 
den 4 akuten Fällen waren 2 nach Scharlach entstanden. Das Alter der 
Patienten war von 5 bis 50 Jahren, 9 gehörten dem männlichen, 2 dem weib- 
lichen Geschlechte an. Eine einmalige Blutung trat in 9 Fällen auf, darunter 
3 mal mehrere Tage kontinuierlich dauernd, mehrmalige Blutungen desgleichen 
in 9 Fällen. Der Tod erfolgte 8 mal während der Blutung, 2 mal kurze Zeit 
nach ihr und durch sie verursacht, 5 mal von ihr unabhängig. Geheilt 
worden 3 Fälle. 6 Kranke waren vor Eintritt der Blutung operiert worden, 
und zwar 5 mal mit der Totalaufmeißelung, 1 mal mit der typischen Auf- 
meißelung des Warzenfortsatzes nebst Eröffnung der hinteren und mittleren 
Schädelgrube; die Blutung hatte sich hier je 1 mal 7 Tage, 10 Tage, 4 Wochen 
und i Jahr nach der Operation eingestellt , 2 mal während der Operation, 
ohne daß bei letzterer der Sinus verletzt worden wäre. Die Blutung war 
1 6 mal eine äußere^ 1 mal eine innere, 1 mal eine innere und äußere gleich- 
zeitig. Therapeutisch empfiehlt Verfasser , wenn die blutende Stelle schon 
durch eine vorherige Operation zugänglich gemacht worden ist, die von ihm 
in obigem Falle angewandte Tamponade nach vorheriger Freilegung und 
Kompression des Sin. transversus in seinem peripheren Teile. Bei noch 
nicht am Warzenfortsatz operierten Fällen soll man, wenn die Diagnose 
einer Sinusblutung feststeht und die Tamponade des Gebörganges zu ihrer 
Stillung nicht ausreicht, durch Trepanation den Sinus peripher von dem 
sigmoidalen Teile freilegen und mit dem Finger oder durch Einschieben 
eines Tampons zwischen Sinusv^and und Knochen komprimieren, dann die 



168 XIII. Wissenschaftliche RaDdsehaa. 

Auffneißelong des Warzenfortsatzes, bez. die Totalaafmeifielang mit Frei- 
legiiDg des Sin. sigmoidens machen nnd je nachdem die blutende Stelle sofort 
tamponieren oder vorher den pathologischen Sinasinhalt ansr&umen. Ob 
zagleich die Yen. jagniaris interna nnterbunden werden soll, l&ßt sich nur 
nach Beorteilnng des einzelnen Falles entscheiden. Blaa. 



22. 

Scheibe (Manchen), Znr Ätiologie und Prophylaxe der Nekrose des 
Knochens im Verlaufe der chronischen Mittelohreiterung. 
Ebenda. S. 47. 

Verfasser hebt die Notwendigkeit her?or, die Nekrose streng von den 
kariösen Einschmelzungsprozessen zu trennen, und bemerkt femer, daß er 
za ersterer nicht nur die Fälle mit Sequesterbildung, sondern auch die- 
jenigen rechnet, bei welchen der Knochen zwar bloßliegend und verfärbt ist, 
aber noch m Verbindung mit dem gesunden Knochen steht. Es ist dieses 
nach ihm das erste, unter ganstigea Umständen noch rückbildungsfähige 
Stadium der Nekrose. Während nacb früheren Feststellungen des Verfassers 
bei den akuten Mittelohreiterungen die Entstehung der Nekrose ausschließ- 
lich oder nahezu ausschließlich durch Krankheitszustände, welche den 6e- 
Samtorganismus schwächen, bedingt wird, liegen ihr bei den chronischen 
Mittelohreiterungen keine allgemeinen Ernährungsstörungen, sondern aus- 
schließlich lokale Verhältnisse zugrunde. Zur Untersuchung gelangten 17 
letal ausgegangene und obduzierte Fälle 7on nicht spezifischer Otitis media 
pumlenta chronica mit Nekrose, aus Bezolds Ambulatorium und Privat- 
praxis entstammend, und 7 ebensolche während des Lebens beobachtete 
Fälle aus der Privatpraxis des Verfassers. Von diesen 24 Fällen waren 
23 mit Cholesteatom kompliziert, ferner waren alle 24 mit fauliger Zersetzung 
des Eiters und mit Ketention desselben durch die Cholesteatommassen oder 
durch Polypen oder Granulationen verbunden. Es wird hieraus geschlossen, 
daf die chronische Eiterung nur dann nekrotisierend wirkt, wenn das Sekret 
faulig zersetzt und zugleich am Abfluß verhindert ist, eine Voraussetzung, 
die in der Regel nur bei mit Cholesteatom komplizierten Mittelohreiteruogen 
zutrifft. Die Prophylaxe der Nekrose in diesen Fällen liegt demnach darin, 
daß man die Zersetzung des Eiters zu verhindern oder zu beseitigen sucht. 
Dazu soll nach Verfasser die anti septische Behandlung mit dem Pauken- 
röhrchen fast immer ausreichen ; nur in den wenigen Ausnahmefällen, wo 
trotz längere Zeit fortgesetzter derartiger Behandlung der Fötor bestehen 
bleibt, käme die operative Eröffnung der Mittelohrräume in Betracht. 

Blau 

23. 

Wanner (München), Funktionsprüfungen bei akuten Mittelohr- 
entzündungen. Ebenda S. 61. 

Die Resultate, welche sich aus der Untersuchung von 1 6 Fällen akuter 
Otitis media, teils mit, teils ohne Perforation des Trommelfells ergaben, 
werden in folgender Weise zusammengestellt. 1. Bei beiden Formen der 
akuten Mittelohrentzündung wird von allen Zahlen in Flüstersprache f> am 
schlechtesten gehört (in 81,S Proz. der Fälle), dann folgen in zweiter Linie 
4, 6 und 7, dagegen werden 8 und 3 am besten gehört 2. Die untere Ton- 
grenze ist nicht wesentlich eingeengt, höchstens bis auf D-i gleich 36 Doppel- 
schwingungen. Im allgemeinen zeigen die Fälle mit Perforation des Trommel- 
fells durchgehends eine beträchtlichere Einengung als die ohne Trommelfell- 
durcbbruch. 3. Die obere Tongrenze dagegen zeigt teilweise eine sehr 
beträchtliche Einengung, und zwar umgekehrt eine stärkere bei den ohne 
Perforation verlaufenden Fällen. 4. Der Web er sehe Versuch wird fast 
immer in das kranke oder bei beiderseitiger Affektion in das schlechtere 
Ohr lateralisiert, 5. Der Schwab ach sehe Versuch ist in den reinen Fällen 
akuter Mittelohrentzündung stets positiv. 6. Der Rinne sehe Versuch 
fällt bei der Otitis media acuta purulenta stets negativ, bei der Otitis media 



XIIL Wissenschaftliche Rundschau. 159 

acuta ohne Perforation stark verkttrat positiv aus. Nach dem Aufhören 
des Ausflusses ist er auch bei der ersteren Form positi?. 7. In einem nicht 
unbetritohüichen Prozentsatz der Fälle von akuter Mittelohrentzündung ergibt 
die HörprQfnng eine Mitbet^igung des inneren Ohres. 8 In bezug auf 
ihre Hörreliefs halten die akuten Mittelohrentzündungen die Mitte zwischen 
der Paukenhöblensklerose und den Erkrankungen des inneren Ohres. Bei 
typischer äklerose zeigt sich neben Defekten an der unteren Grenze im 
(proßen ganzen ein allmähliches Zunehmen der Hörsch&rfe Ton unten nach 
oben, Imi den Erkrankungen des inneren Ohres umsekehrt neben nahezu 
normalen Hördauern an der unteren Grenze ein allmähliches Abnehmen nach 
oben, bei den akuten Mittelohrentzündungen werden durchgehends Defekte 
sowohl der tiefsten als der höchsten Töne gefunden, letztere ein Beweis 
dafOr, daß außer dem Schallleitungsapparat sehr oft auch der basale Ab- 
schnitt der Schnecke mitbetroffen ist. 9. Die Hördauem zeigen regelmäßig 
für alle Töne eine im Verhältnis zur Hörweite stehende Abnahme, und zwar 
ohne wesentlichen Unterschied für beide Formen der akuten Otitis media. 
Doch ist die Hördauer nicht für alle Töne gleichmäßig herabgesetzt, sondern 
es finden sich gewöhnlich im Verlaufe der Tonskala drei Mulden, die erste 
bei C, die zweite bei c\ c'^, g^^, c', die dritte bei c^, g', c% wobei immer 
die in der Mitte liegenden Töne (also c^ g^ bezw. g') den Boden der 
Mulde bilden, tu. Das Schlechterhören der Zahl 5 scheint durch die Ab- 
nahme der Hördauem yon c^ g^, c', yielleicht auch in gerinfferem Grade von 
c und c S das Schlechterhören von 4, 6 und 7 durch die Abnahme der Hör- 
dauem von cS g^ c^ bedingt zu sein. Der Grund für das verhältnismäßig 
bessere Gehör für 8 und 3 ist wahrscheinlich in einer längeren Hördauer 
Yon c' und teilweise auch von c^ zu suchen. 11. Bei doppelseitigen Er- 
krankungen zeigen beide Gehörorgane in ihren Reliefs gro^ Ähnlichkeiten, 
nur schwankt entsprechend den Hördauem die Hörweite. Das anscheinend 
gesunde Ohr kann durch die Hördauerbestimmung eine gleichartige, wenn 
auch geringere Affektion zeigen, ohne daß objektiv oder subjektiv eine solche 
zur Beobachtung kommt. 12. Nach der Heilung bleiben noch längere Zeit 
nicht nur ein positiver Ausfall des Schwab ach sehen Versuches und kleinere 
Defekte am oberen Ende der Tonskala, sondern auch oft noch Störungen 
in der Hördauer für einzelne Töne zurück, selbst wenn die Hörweite für 
die Sprache wieder normal geworden ist. Blau. 



24. 

Schmidt (Chur), Zur Anatomie und Entwicklung der Gelenkver- 
bindungen der Gehörknöchelchen beim Menschen. Ebenda. 
S. 125. 

Nach kurzer Aufzählung der in der Literatur über obiges Thema vor- 
handenen Angaben berichtet Verfasser über seine eigenen auf der oto-laryn- 
gologischen^i Universitätsklinik in Basel angestellten Untersuchungen. Eine 
blastematöse Zwischenscheibe als Andeutung der Bildung einer Gelenkver- 
bindung zwischen Hammer und Amboß war bei dem jüngsten untersuchten 
menschlichen Fötus von 4,6 cm Scheitelsteißlänge deutlich zu erkennen. 
Nach Bromann findet sie sich schon bei 1,6 cm langen Föten, Eine Berstung 
in der Zwisdienscheibe, also die erste Andeutung einer Gelenkspalte im 
Hammer -Amboßgelenk, war bei einem Fötus von 9,6 cm Scheitelsteißlänge 
sichtbar, zu einer Zeit, wo die Zwischen scheibe des sich etwas später ent- 
wickelnden Amboß-Steigbttgelgdenkes noch keine Berstung erkennen ließ. 
In einem späteren Stadium der Entwicklung, bei einem Fötus von Monaten, 
■teilte das Hammer- Amboßgelenk eine nahezu durch die ganze Gelenkbreite 
gehende einfache Spalte dar. Bei Neugeborenen ist zwischen den Gelenk- 
enden von Hammer und Amboß eine innigere Verbindung zustande gekommen, 
indem der hyaline Knorpel der anstoßenden Zone autfasert und sich auch 
teilweise auflöst und so die Grundlage zu der sich später noch weiter ent- 
vickelnden faserknorpeligen Verbindungszone zwischen Hammer und Amboß 
tbgibt Das Hammer-Amboßgelenk im entwickelten Zustande ist dadurch 
aasgezeichiiet» daß die Gtolenkendon nicht mit scharfer Begrenzung zusammen- 



160 XIII. WiBBenBchafUiche Rundschan. 

BtoJßen, sondern durch eine faserknorpelige Yerbindoneszone getrennt sind, 
welche letztere bei der gewöhnlichen, symphysoiden Form des Gelenkes 
ohne Grenze in die Qelenkenden Obergeht, während sich bei den selteneren 
meniskoiden Formen zwischen ihr und den Gelenkenden wenigstens stellen- 
weise eine trennende 8palte vorfindet. Eine typische Diarthrose hat Ver- 
fasser nicht gesehen, will aber ihr Vorkommen nicht bestreiten. Die faser- 
knorpelige Verbindungszone besteht aus znngenförmigen Teilen, welche zwischen 
sich schräg yerlanfende Spalten einschließen; sie enth&lt oft Inseln hyalinen 
Knorpels, femer meistens Kalkeinlagerungen. Das Amboß- Steigbflgelgelenk 
gleicht in seiner Bildung dem Gelenke zwischen Hammer und Amboß, nur 
daß sich die faserknorpelige Verbindungszone nirgends durch eine Gelenk- 
spalte schtff abgrenzt. Der kurze Amboßfortsatz ist mit seiner Spitze an 
die laterale Pauken höhlen wand durch ein aus Sehnengewebe bestehendes 
Band befestigt, welches den hinteren Abschnitt der Membran, die den Uanuner- 
Amboß- Schuppenraum nach oben begrenzt, bildet. Medialwärts von ihm ündet 
sich als seine direkte Fortsetzung eine bandartige Verbindung mit der 
medialen Paukenhöhlen wand, die aber zum größten Teil aus elastlBchen 
Fasern zusammengesetzt ist und nur wenig eingelagerte Sehnenbdndel ent- 
hält. Diese beiden Teile des zusammen ein Ganzes bildenden und breit- 
ausstrahlend entspringenden „Ligamentum articulare incudis*' tragen die 
flberknorpelte Spitze des kurzen Amboßfortsatzes, als wenn sie auf einer 
Saite reiten würde. Der Raum unterhalb des Processus brevis ist immer 
frei und letzterer liegt niemals dem Knochen direkt auf. In einzelnen F&Uen 
allerdings legte sich seine Spitze direkt der Hinterwand der Paukenhöhle 
an. £ine Kritik der gegenteiligen Ansichten über die Gelenkverbindangen 
der Gehörknöchelchen bildet den Schluß der Arbeit. Blau. 



25. 

Bölzel (München), Histologischer Beitrag zur Taubstummheit. 
(Ein Fall von erworbener Taubstummheit mit Obiiteration der 
Paukenhöhle, des Aditus und Antrum.) Ebenda. S. 167. 

Die 39 Jahre alte taubstumme Kranke, über welche anamnestisch sich 
nichts feststellen ließ, war an den Folgen einerVerbrennung zugrunde gegangen. 
Die Sektion ergab als Ursache der Taubstummheit schwere Veränderungen ent- 
zündlicher Natur sowohl im Mittelohr als im Labyrinth, nämlich an ersterem 
eine vollständige Obiiteration der Paukenhöhle, des Aditus und zum Teil 
auch des Antrum, so daß von ihm nur noch ein seinem hinteren Ende ent- 
sprechender, unregelmäßiger, kleinerbsengroßer, rundlicher Raum, der mit 
sukkulenter rötlicher und verdickter Schleimhaut ausgekleidet war und in 
seinem Lumen Serum enthielt, sich erhalten zeigte. Die die Paukenhöhle 
ausfüllende Masse war in deren vorderem Abschnitt Knochengewebe, im 
hinteren und besonders in der Nische des runden Fensters narbiges Binde- 
gewebe. Die Tuba Eastachii war nahe ihrem Übergang in die Pauken- 
höhle knöchern obliteriert, von den drei Gehörknöchelchen nichts mehr 
vorhanden, die beiden Fenster waren durch Hyperostose ganz ausgefüllt, 
das Promontorium erschien auf das Mehrfache knöchern verdickt In der 
Schnecke wurde Ausfüllung des Anfangsteiles der ersten Windung, und zwar 
besonders der Scala tympani, mit neugebildetem Bindegewebe und kompaktem 
Knochen gefunden, während weiter nach oben die Gewebsneubildung immer 
mehr abnahm. Ductus cochlearis erhalten bis auf die erste Haltte der Basal- 
windung und die zweite Hälfte der Mittelwindong, wo die Eeißnersche 
Membran fehlte. Rosenthal scher Kanal enger als normal, enthielt neben 
neugebildetem Bindegewebe nur wenige Ganglienzellen. Das G orti sehe Organ 
war in der ersten Hälfte der Basalwindung nicht zu sehen, in der zweiten 
Hälfte und besonders in der Mittel- und Spitzenwindung wurde es deut- 
licher, blieb aber immer niedrig und bildete einen nicht zu dijQferenzierenden 
Zellhaufen. Der Vorhof war durch Bindegewebs- und Knochenneubildung an 
seiner lateralen Wand verengt, von seinen häutigen Teilen, dem ütriculas 
und iSacculus, war nichts mehr vorhanden. Desgleichen zeigten die Bogen-^ 
gänge, und zwar besonders der horizontale und der gemeinsame Schenkel 



XIII. Wissenschaftliche Bandschau. 161 

des oberen und hinteren, Knochenanflagernng an ihrer Innenfläche und teil- 
weise Zerstörung der häutigen Gebilde. Die Nenrenfasern waren nament- 
lich im Bereich der Schnecke bedeutend an Zahl yermindert. Verfasser deutet 
die beschriebenen Veränderungen als durch eine eitrige Mittelohrentzündung 
entstanden, welche ihrerseits zum Durchbruch in das innere Ohr — Ter- 
mutlich durch das Promontorium, welches erst zerstört und dann durch neu- 
gebildete Knochenmasse wieder ersetzt worden war — geführt hatte. Blau. 



26. 

üppikofer (Basel), Drei Taubstummenlabyrinthe. £benda. S. 177. 

In dem ersten Falle handelte es sich um ein von Geburt an taubstummes 
Mädchen, welches, 50 Jahre alt, an Carcinora der Gallenblase zugrunde ge- 
gangen war. Bei der Untersuchung des rechten Felsenbeins wurden folgende, 
auf die häutige Schnecke beschränkte Veränderungen gefunden. Ganglion 
Spirale atrophisch, am wenigsten in der Mittel-, stärker in der Basal- und 
am meisten in der Spitzenwindung, wo die (sonst wohlausgebildeten) Ganglien- 
zellen völlig verschwunden waren. Dem entsprach auch die ungleiche Ver- 
teilung der Nervenfasern in der Lamina spiralis ossea und die ungleiche 
Entwicklung des C ort i sehen Organs, weLcbes in der Basal- und Spitzen- 
Windung fehlte, in der Mittel Windung ein deutliches, aber verschieden hohes 
Höckerchen darstellte. Auch, wo das C ortische Organ am besten ausge- 
bildet war, erschien es um V» kleiner als normal, mit Ausnahme des Gorti- 
schen Tunnels fehlten alle die einzelnen Bestandteile von einander trennenden 
Zwischenräume und ebenso jede Andeutung voq Hörhaaren. An den Stellen 
schlechterer Entwicklung bildete das Cor tische Organ einen kleinen Höcker 
aus plumpen, dichtgedrängten und wenig scharf begrenzten Zellen, mit kleinem 
hochgelegenem Tunnelraum und dicken Pfeilern, wie es im embryonalen 
Stadium die Norm ist. Auch die Membrana tectoria in der Spitzen Windung 
und die Stria vascularis in allen Windungen zeigten ein der Kmbryonalzeit 
entsprechendes Verhalten, erstere füllte daselbst als glasiger Klumpen den 
Snlcus spiralis internus aus und floß über das C ortische Organ weg bis an 
die Stelle der ersten äul^eren Haarzellen, letztere ragte überall stark in den 
Ductus cochlearis hinein- Der Akustikusstamm war nur wenig atrophisch, 
die Maculae des Vorbofs und die Cristae acusticae der Bogengänge verhielten 
sich normal, ebenso das Mittelohr. Weder in der Schnecke noch an anderen 
Stellen fanden sich Bindegewebswucherungen, so daß mithin auch hiernach 
die beobachteten Veränderungen nicht als entzündliche, sondern als Folge 
einer Entwicklungshemmung anzusehen waren. Die Beziehung zwischen der 
gestörten Entwicklung des Ganglion spirale und des Cor tischen Organs 
wird dahin gedeutet, daß erstere die letztere verursacht hatte. — Der zweite 
Fall, über welchen Verfasser berichtet, betraf einen im Alter von ö9 Jahren 
an Pneumonie gestorbenen, desgleichen seit der Geburt taubstummen Mann. 
Die in beiden Labyrinthen fast gleichartig gefundenen Veränderungen waren 
folgende. Sehr starke Verminderung der Zahl der Nervenfasern des Nerv, coch- 
learis und Atrophie des Ganglion spirale, besonders am Ende der Mittel- und 
in der Spitzenwindung, wo Nervenfasern und Ganglienzellen vollkommen fehlten. 
Das Cortische Organ höchst mangelhaft ausgebildet, erschien auf dem 
radiären Durchschnitt als ein plumpes kernarmes Zellhöckcrchen. Ebenso 
zeigte sich die Membrana tectoria hochgradig verkümmert. Von der Stria 
vascularis zog stellenweise im häutigen Ductus eine Brücke nach der Corti- 
sehen Membran, die sich bei näherer Untersuchung als das von seiner binde- 
gewebigen Unterlage abgehobene und nur noch an der Peripherie mit ihr 
zusammenhängende Epithel der Stria herausstellte. Ferner war rechts der 
häutige Ductus cochlearis im letzten Achtel der Basal- und im ersten 
Viertel der Mittelwindung bis auf das Doppelte seines Umfanges vergrößert, 
und zwar dadurch, daß hier die äußere Insertion der Membrana Keißneri 
abnorm nach aufwärts, von der Stria vascularis weg, geschoben war. Macula 
utricnli und Cristae acusticae normal, dagegen war die laterale Sacculuswand 
stark gefaltet und lag der medialen an, das Lumen aufhebend, außerdem 
zeigten sich die Macula sacculi und der Nerv, saccularis atrophisch. Im 

Archiv f. Ohrenheillmnde. LXI. £d. 1 1 



162 XIIL Wissenschaftliche Randschaa. 

Mittelohr keine wesentlichen Veränderungen. Auch diesem Falle, in welchem 
Bildungshemmungen mit den Zeichen früherer Entzündungsprozesse kom- 
biniert waren, werden eingehende Erörterungen über die Entstehung der 
Terschiedenen Anomalien beigegeben. Blau. 



27. 

Siebenmann (Basel), Ein Fall yon Lungentuberkulose mit retro- 
labyrinthärer Neuritis interstitialis beider Schnecken- 
nerven (und mit Persistenz Ton Resten embryonalen Binde- 
gewebes in der Scala tympani). Ebenda. S. 216. 

Die an chronischer Lungentuberkulose und, wie die Sektion nachwies, 
disseminierter Tuberkulose der Nieren verstorbene Kranke hatte seit 2U Jahren 
langsam zunehmende Schwerhörigkeit bemerkt, ohne Schwindel, Sausen, 
Ohreaschmerzen oder Otorrhöe. Zur Zeit der Untersuchung war das rechte 
Ohr für die Sprache vollständig taub gewesen, das linke hatte Flüstersprache 
in unmittelbarer Nähe nur unsicher gehört, die Knochenleitung war aufge- 
hoben, das Tongehör in Luftleitung von der oberen und unteren Grenze her 
eingeengt. Bei der Sektion der Felsenbeine wurde das Mittelohr links nicht 
wesentlich verändert, rechts mit nicht perforativer (terminaler) Mittelohreite- 
rung gefunden. Der Nervenstamm des Acnstico-Facialis schien bei ober- 
flächlicher Betrachtung normal zu sein, dagegen fielen bei näherem Zusehen 
in beiden Nerv, cochleares, und zwar rechts mehr als links, einzelne Stellen 
auf, an welchen teils die Nervenfasern bündelweise auf längere Strecken 
etwas wenif^er dicht aneinander lagen, teils an anderen Orten zwischen den 
Bündeln feinfaseriges dichtes, auffallend kernarmes, sich wenig ilUrbendes 
Gewebe vorhanden war, das in oft welligen Längszügen verlief und als Binde- 
gewebe angesprochen werden mußte. Diese Veränderungen beschränkten 
sich auf das innere Drittel des Meatus auditorius internus, sie verloren sieb 
sowohl zentral wärts als gegen die Schnecke zu. Wohl aber waren in der 
Spindel die Nervenfasern und die Ganglienzellen auf Vs-V^o ihrer normalen 
Anzahl reduziert. Auch die normal erscheinenden Nervenfasern im Gochlea- 
risstamm und in der Schnecke entfärbten sich unverhältnismäßig rasch beim 
Weigert-Pal sehen Verfahren. Außerdem wurde im unteren Abschnitt der 
rechten Scala tympani noch eine Entwicklungshemmung (dem 4. Fötalmonat 
entsprechend) gefunden, indem ihr Raum in der unteren Hälfte der Basal- 
windung bis zum runden Fenster mit lockerem areolärem oder embryonalem, 
zum TeU knochenhaltigem Bindegewebe ausgefüllt war. Das Lig. spirale war 
an den betroffenen Stellen nach unten nicht deutlich abgegrenzt, enthielt 
stellenweise ebenfalls Knochengewebe und dehnte sich nicht nur nach unten, 
sondern auch über die obere Wand der Scala vestibuli abnorm weit aus. 
Die Reißnersche Membran war daselbst auf das Doppelte verdickt und 
stärker pigmentiert, der Sulcus externus stellenweise durch abnorme Er- 
hebung der Claudius sehen Zellen verflacht Das sonst unveränderte C or- 
tische Organ stand nicht auf einer derben Membran, sondern direkt auf 
den wirren lockeren Fibrillen des tympanalen Füllgewebes. Die knöcherne 
Stapesplatte war verdickt, der Aquaeductus Cochleae unverändert. Links 
fanden sich in der unteren Hälfte der Basalwindung als einzige Abnormitäten 
eine — rechts gleichfalls vorhandene — außergewöhnliche Weite der peri- 
vaskulären Räume für die vordere und hintere Spiralvene und für die ra- 
diären Zwischenwandgefäße, ein höheres Hinaufreichen des Lig. spirale und 
eine Ausfüllung des Aquaeductus Cochleae mit areolärem Bindegewebe. In 
der Epikrise bemerkt Verfasser, daß analog der retrobulbären Neuritis optica 
aucb bei der retrolabyrinthären interstitiellen Neuritis acustica wahrschein- 
lich die Nervenfasern des Stammes mit den zugehörigen Ganglien zuerst be- 
troffen sind und dann erst sekundär die Wucherung des Bindegewebes hin- 
zutritt. Als Ursache der Akustikuserkrankung im obigen Falle war die 
Tuberkulose anzusehen. Verfasser resümirt das Ergebnis seiner eigenen und 
fremder Beobachtungen über Affektion des Hörnerven bei Tuberkulose da- 
hin, daß als Begleiterscheinung von ausgedehnten fieberhaften, perniziös ver- 
laufenden tuberkulösen Prozessen es in seltenen Fällen zu einer auf häma- 



XIII. Wissenschaftliche Eundschau. 163 

togenem Wege entstandenen polynenritischen Degeneration des Akustikus, 
und zwar entweder des Schnecken nerven allein oder des ganzen Akustikus- 
Stammes, kommt. Dabei kann es sich um einfach degenerative oder um 
interstitielle', entzündliche Vorgänge handeln; stets aber befindet sich der 
primäre Sitz der Erkrankung im retrolabyrinth&ren Abschnitt des Hör- 
nerven. Nur in den seltenen Fällen, wo der Kranke die Ertaubung längere 
Zeit überlebt, treten später noch einfach atrophische Veränderungen im intra- 
labyrinthären Verlaufe des Akustikus hinzu. Die klinischen Erscheinungen 
bestehen in doppelseitiger, selten schleichend verlaufender, sondern meist 
akuter nnd schon nach kurzer Zeit. (Tage oder Wochen) zu gänzlicher 
Ertaubnng führender Gehörabnahme. Subjektive Geräusche sind oft, aber 
nicht immer vorhanden, bei dem nicht häufigen Mitergriffensein des Nerv. 
Yestibularis besteht außerdem starker Schwindel. Blau. 



28. 

Nagel" (Luzern), Die Taubstummen der Luzerner Anstalt Hohen- 
rain. Ebenda. S. 234. 

Unter den 50 untersuchten Kindern wurde die Taubstummheit als an- 
geboren bei 24, als erworben bei 19 angegeben, unbestimmbar waren 7 Fälle. 
Als Ursachen wurden bezeichnet: endokranielle Störungen 14 mal, Schleim- 
und Nervenfieber 22 mal, Ohrenfluß 7 mal, Masern 3 mal, Keuchhusten 1 mal. 
Alkoholismus des Vaters wurde 6 mal, beider Eltern 1 mal zugestanden, Ver- 
wandtschaft der Eltern war 7 mal vorbanden , Degenerationserscheinungen 
in der Verwandtschaft (Geisteskrankheit, Schwachsinn, Stottern, Lähmungen 
usw.) 13 mal, Schwerhörigkeit der Eltern 3 mal, Taubstummheit in der Ver- 
wandtschaft 1 1 mal. Dem Geschlechte nach waren von den angeboren 
taubstummen Kindern 9 männlich und 15 weiblich, von den erworben taub- 
stummen 7 männlich und 12 weiblich, von den unbestimmbaren Fällen 1 männ- 
lich und 6 weiblich. Totaltaube fanden sich unter den 48 genauer unter- 
suchten Kindern 9 doppelseitige und 9 einseitige (28,1 Proz. der Gehörorgane); 
von den angeborenen Fällen waren totaltaub 22,7 Proz. der Gehörorgane, von 
den erworbenen 34,1 Proz. Genügende Hörreste für den Sprachunterricht 
vom Ohre aus besaßen — auf Grund der Hördauerprüfung (mindestens V^o 
der normalen in der Tonstrecke b^— g^) und des beobachteten Verstehens 
von laut in das Ohr gesprochenen Sprachlauten — 33 Gehörorgane (34,3 Proz.), 
welche 22 Kindern (45,9 Proz.) angehörten. Diese Kinder bedurften also 
eines gesonderten, kombinierten Ablese- und Eörunterricbts. Bei der Unter- 
suchung der Obren, des Nasenrachenraums usw. wurden gefunden: Cerumen 
15 mal, Trübung und Eetraktion des Trommelfells einseitig 4 mal, doppel- 
seitig 21 mal, Narben oder Perforationen des Trommelfells 21 mal (4 mal 
doppelseitig, 1 mal mit noch bestehender Otorrhöe), Vergrößerung der Rachen- 
mandel 9 mal, Struma 28 mal (nicht unveihältnismäßig oft in Anbetracht der 
Schweizer Verhältnisse), Strabismus 6 mal, fehlender oder abgeschwächter 
Nystagmus nach Drehversuchen in allen Fällen von doppelseitiger Totaltaub- 
heit ohne Ausnahme, bei den einseitig Tauben mit Ausnahme von 3 Fällen. 
Zuletzt weist Verfasser auf die grofe Anzahl der Kinder hin, welche trotz 
leidlichen Gehörs wegen ihrer mangelhaften Begabung in der betreffenden 
Taubstummenanstalt hatten untergebracht werden müssen (39 Gehörorgane 
ans Bezolds Gruppe VI, darunter 15 doppelseitig). Diese Fälle als ende- 
mische Taubstummheit mit einer kretinoiden Degeneration, als deren Er- 
scheinung auch der oft vorhandene Kropf sich darstellt, in Zusammenhang 
zu bringen, geht nach Verfasser nicht an, vielmehr handle es sich bei ihnen 
um den weiteren Begriff der degenerativen Taubstummheit nach St. Hilaire, 
bei deren Entstehung mehrere Entartungszustände zugleich, und unter ihnen 
allerdings auch der Kropf, als Ursache mitwirken. El au. 



11 



164 XIII. Wissenschaftliche Rundschau. 

29. 

Leimer (München), Operatiye Eröffnung des Warzenteiles bei 
Otitis media purnlenta acuta mit Ausbreitung; des Prozesses 
unter dem Warzenfortsatze. Bericht über 17 Fälle aus der kgl. 
otiatrischen Universitätsklinik zu München. Ebenda. S. 273. 

In den Jahren 1892 — 1901 kamen auf der genannten Klinik 97 Fälle 
von akuter Mittelohreiterung mit Komplikationen, welche die Aufmeifelung 
des Warzen fortsatzes notwendig machten, zur Beobachtung, darunter 17 Fälle 
(17,5 Proz.) mit Ausbreitung des Prozesses unter dem Warzenfortsatz. 14 von 
letzteren betrafen das männliche, 3 das weibliche Geschlecht, die meisten 
Kranken (14) standen zwischen dem 20.— 50. Lebensjahre, der jüngste war 
15 Jahre alt. Die Zeit vom Eintritt der ersten Entzündungserschemnngen 
bis zur Operation hatte 2 mal nur t Woche, 10 mal 3 — 13 Wochen, 3 mal 
14—18 Wochen, 2 mal 6 und 7 Monate betragen. Von den klinischen Er- 
scheinungen ist hervorzuheben , daß 5 mal (29 Proz. gegen 1 1 Proz. bei den 
übrigen bO operierten akuten Warzenfortsatzentzündungen) Trommelfellper- 
foration und Ausfluß aus dem Ohre niemals stattgefunden hatten; in einem 
dieser Fälle war später ein Durchbruch des Senkungsabszesses in den 6e- 
hörgang an der Grenze von dessen knorpeligem und knöchernem Abschnitt 
zustande gekommen. Die Schwellung trat 2 mal zunächst an der gewöhn- 
lichen Stelle oberhalb der Muskelansatzlinie in der Fossa mastoidea und 
deren Umgebung auf, und erst später entwickelte sich die Senkung nach 
unten. Letztere war erschienen: 2 mal am Schluß der I.Woche, 4 mal nach 
2— 3 Wochen, 7 mal nach 6 — U Wochen, 2 mal nach 5 — 6 Monaten, 2 mal 
hatte sie sich erst nach der gewöhnlichen Warzenfortsatzaufmeil^elung ein- 
gestellt. Bei der Operation wurde 12 mal die Knochenaußenfläche der Pars 
mastoidea unverändert, 4 mal fistulös durchbrochen gefanden. Größere Zellen 
im Inneren des Warzenfortsatzes waren 14 mal vorhanden, l mal bildete das 
Antrum den einzigen größeren Hohlraum , 2 mal bestanden die Warzenfort- 
satzräume nur aus kleinen Zellen. Der Sinus lag in der Operationshöhle 

6 mal frei, 3 mal mit normaler Wandung, 3 mal mit Granulationen bedeckt. 
In diesen Fällen hatten sich 3 mal leichte Temperatursteigerungen, 1 mal ein 
kurzdauernder Schüttelfrost, Imal keine Allgemeinsymptome gezeigt, Imal 
hatte schon 6 Wochen lang pyämisches i<*ieber mit Schüttelfrösten bestanden 
und es entwickelte sich nach der Operation eine schwere Thrombophlebitis, 
welche trotz Sinuseröffnung und Unterbindung der Jugularis durch Menin- 
gitis zum Tode führte. Komplikation mit einem Extraduralabszeß der mitt- 
leren Schädelgrube, welcher, da sich erneute heftige Kopfschmerzen zeigten, 

7 Wochen nach der ersten Operation durch Fortnahme des weißlichen Tegmen 
antri und des rückwärts anschließenden Knochens freigelegt wurde, gelangte 
1 mal zur Beobachtung. Das Resultat der Operation in den 17 Fällen war 
13 mal Heilung (11 mal mit normalem Gehör), 3 mal tödlicher Ausgang, Imal 
blieb der Kranke aus der Behandlung fort; die Todesursache in den letalen 
Fällen (18,7 bezw. 13,3 Proz. gegen 8,8 Proz. bei gewöhnlicher akuter Mastoi- 
ditis) war 2 mal Meningitis, 1 mal unabhängig von der Ohrerkrankung Myo- 
degeneratio cordis und Lungenödem bei einem 72 Jahre alten Manne. Die 
Dauer der Nachbehandlung hatte in den 7 nach der Operation glatt ver- 
laufenen Fällen 4 — 5 Wochen betragen. Blau. 



30. 
Bloch (Freiburg i. Br), Der hohe Gaumen. Zeitschr. f. Ohrenheilk. 
XLIV. 1. S. 1. 

Verfasser hat im Gegensatze zu den von £. Fränkel und Gros- 
heintz neuerdings ausgesprochenen Ansichten durch Messungen in 600 Fällen 
bestätigen können, dat^, wie er und andere schon früher ausgesprochen 
hatten, bei habitueller Mundatmung in der Tat durchschnittlich ein erheb- 
lich höherer Gaumen als bei der Naseuatmnng vorhanden ist, und daß beide 
in kausalem Zusammenhang miteinander stehen. Seine Folgerungen lauten: 
l. Der «hohe Gaumen** der Autoren ist ein durch Schätzung nach dem 
Augenmaß entstandener Begriff. 2. Mit dem Siebenmann sehen Instru- 



XIII. Wissenschaftliche Randschau. 165 

mente gemessen hat er bei Erwachsenen einen Höhenbreitenindez von mehr 
als 58,0, bei Kindern von mehr als 50,0. 3. Hei habitueller Mundatmung 
Yon Jugend auf zeigt der Gaumen Erwachsener einen durchBchnittlichen 
Index von 64,2, w&£rend der durcfaschnitüiche Gaumenindez erwachsener 
Naeenatmer nur 53,0 beträgt- Der Gaumen besitzt also bei der habituellen 
Mundatmung eine beträchtlich größere Höhe, als bei normal Atmenden. 
4. Kinder mit Mundatmung haben ebenfalls einen höheren Gaumen als solche 
mit normaler Atmung (53,7 gegen 49,3), doch ist der Unterschied noch nicht 
so auBgesprochen wie bei Erwachsenen. 5. Im Zahnwechsel Stehende zeigen 
diesen Unterschied deutlicher (58,3 gegen 48,4) als Kinder (mit den Milch- 
zähnen), aber noch nicht so stark ausgeprägt wie Erwachsene. 6. Ein Zn- 
sammenhang zwischen Gesichtschädelform und der Gaumenhöhe ist aus der 
Yergleichung eines größeren statistischen Materials zu ermitteln. Schmal- 
gesichter haben durchschnittlich einen höheren Gaumenindez als Breit- 
gesichter (59,4 gegen 53,0). 7. Der hohe Gaumen bei Mundatmung ist aber 
nicht durch sein Zusammentreffen mit Leptoprosopie (Schmaigesichtlgkeit) zu 
erklären. 8. Überall besitzen die Mundatmer die höchsten Gaumenindices, 
gleichviel, ob sie Schmal- oder Breitgesichter sind, und die Nasenatmer die 
niedrigeren. Die chamaeprosopen (breitgesichtigen) Mundatmer haben einen 
höheren Gaumen als die leptoprosopen Nasenatmer (60,1 gegen 54,8). 9. Mit 
zunehmendem Wachstum von der Kindheit bis zur völligen Belle wird der 
Mensch mehr leptoprosop. 10. Die Beobachtungen bei doppelseitigem an- 
geborenem Ghoanal Verschluß und bei einseitigem mit Mundatmung sprechen 
ebenfalls zugunsten des Einflusses der letzteren auf die Entwicklung des 
hohen Gaumens. 11. Es ist möglich, daß in adenoiden Familien bei einzelnen 
Gliedern die Leptoprosopie allein forterbt ohne stärkere Wucherung des 
lymphatischen Bachenringes. Blau. 

31. 

Manasse (Straßburg), Zur pathologischen Anatomie des inneren 
Ohres und des Hörnerven. II. Mitteilung. Ebenda. S. 41. 

Verfasser bespricht in dieser Arbeit die von chronischer eitriger 
Mittelohrentzündung fortgeleiteten Erkrankungen des Laby- 
rinths und des Hörnerven. Es werden folgende Fälle beschrieben: 

1. Chronische Mittelohreiterung, Perforation der Membrana flacclda 
Shrapnelli, stecknadelkopfgroßes Cholesteatom im Recessus epitympanicus. 
Ostitis der Basis der Felsenbeinpyramide mit Sequesterbildung, Karies der 
Pankenhöblenwände. An der vorderen Hälfte des Steigbügels Defekt der 
Platte, des vorderen Schenkels, des Ligam. annulare und eines Teiles der 
knöchernen Fensterbegrenzung, welche durch aus der Paukenhöhle konti- 
nuierlich in das Labyrinth übergehendes Granulationsgewebe ersetzt waren. 
Yestibulum in seinem zentralen Teile von Granulationsffewebe, an der Peri- 
pherie von zellreicbem Bindegewebe total ausgefüllt. In den Bogengängen 
«in eigentümliches glasiges, zellarmes, aber gefäßreiches Gewebe (hyalines 
Bindegewebe), das nur noch an einzelnen Stellen die stark komprimierten 
häutigen Kanäle erkennen lief, dereu Lumen daselbst mit richtigem Hyalin 
ausgefüllt war. Starke Granulations- und Bindegewebsneubildung in der 
Schnecke, in der basalen Windung den ganzen Inhalt ersetzend, zum Teil 
mit Zerstörung der knöchernen Kapsel, in der mittleren Windung schon ge- 
ringer, so daß die Crista ossea und ein Teil des Cor tischen Organs er- 
balten geblieben war, in der obersten Windung auf die Scala tympani be- 
schränkt, während der durch Zerstörung der Bei ßn ersehen Membran aus 
der Scala vestibuli und dem Ductus cochlearis entstandene gemeinsame Raum 
(mit nur geringer Veränderung seiner zelligen Bestandteile) sich von hellem 
glasigem Hyahn ausgefüllt zeigte. Im Bosent halschen Kanal nur spär- 
liche Ganglienzellen, sonst Bundzellen und hyalines Bindegewebe. Nervus 
acusticus stark verdickt, vor seinem Eintritt in die Schnecke durch Ein- 
lagerung von sehr reichlichen Bundzellen und hyalinem Gewebe, mehr zen- 
tralwärts durch festes Bindegewebe, die Nervenfasern an ersteren Stellen 
auseinandergedrängt, zum Teil zerrissen, an letzteren stellenweise vollständig 
fehlend. 



166 XIII. Wissenschaftliche Bundscbau. 

2. Chronische eitrige MittelohrentzOndung, Defekt des Trommelfells 
und der GehörlinAchelchen , ovales Fenster durch sich in das Yestibalum 
fortsetzende Graoulationsmassen ausgefüllt. Vorhof und Bogengänge unter 
Verlust ihres häutigen Inhalts mit £iter und Granulationsgewebe angefüllt^ 
welches letztere auch weit in den Knochen vordrang. Im Eiter des Vorhofs 
der Best der ehemaligen SteigbQgelplatte. H&utige Schnecke zum größten 
Teil zugrunde gegangen, in beiden Skalen entweder klumpige Eitermassen 
oder seltener schon organisiertes Granulationsgewebe. Nervus acusticus in 
seinem dem Labyrinth zugewandten Teile mit dem Facialis und Periost 
eine dicke Gewebsmasse bildend, welche den inneren Gehörgang vollständig 
ausfüllte und nach Zerstörung seiner Wand weit in den Knochen vordrang. 
Sie bestand größtenteils aus einem mehr oder weniger zellreichen Binde- 
gewebe mit zahlreichen Gefällen und eingelagertem Kalk , aber nur wenigen 
Nervenfasern und Ganglienzellen. Weiter zentralwärts im Akustikus nur 
noch eingelagerte Rundzellen. 

3. Chronische Mittelohreiternng mit Cholesteatom. An Stelle des 
Steigbügels, in der Gegend des ovalen Fensters, ein dickes Polster von Granu- 
lationsgewebe, welches, den Knochen total durchsetzend, frei in den Vorhof 
hineinragte und hier eine mit Eiterkörperchen , Fibrin und feinkörnigen 
Massen bedeckte Oberfläche zeigte. Häutiges Labyrinth vollständig zugrunde 
gegangen, seine Knochenräume zum Teil mit feinkörnigen Massen oder 
Granulationsgewebe ausgekleidet, meistenteils aber leer, stellenweise mit 
einem Netzwerk von Knochenbälkchen. Nervus acusticus stark verdickt, 
an seiner Eintrittsstelle in das Labyrinth durch ein starkes Polster von 
Granulationen ersetzt, daran schließend im Zustande chronischer interstitieller 
Neuritis und Perineuritis, indem einerseits zellreicbe Stellen, in denen nur 
feine BindegewebszOge Netze bildeten, andererseits derbe schwielige, zellarme 
Bindegewebspartien miteinander abwechselten. Die zellreichen Stellen waren 
dadurch ausgezeichnet, daß die in ihnen vorhandenen Zellen stark vakuolisiert 
oder blasig, die gröl-eren vielkernig oder vielkanunerig erschienen. 

4. Chronische Mittelohreiterung. Steigbügel etwas vestibularwärts luxiert, 
in der Mitte der Platte eingeknickt; am hinteren Bande des ovalen Fensters 
ein von der Paukenhöhle in den Vorhof führender, mit feinkörnigen ge- 
ronnenen Massen und mit Eiterkörperchen gefüllter Spalt, ohne Granu- 
lationen (beides vielleicht künstlich bei der Totalaufmeißelung erzeugt). 
Im Vestibulum die epithelialen Teile ersetzt durch teils klumpige, teils 
körnige Massen, die in dicker Schicht dem gewucherten und mit Rundzellen 
infiltrierten Bindegewebe auflagen. Ähnliche Veränderungen an den Bogen- 
gängen. In der Schnecke und am Hörnerven ganz frische Entzündung. 
Scala tympani von ziemlich locker in ibr liegenden größeren zusammenge- 
ballten Eitermassen erfüllt, mit geringer hyaliner und bydropischer Degene- 
ration der Epithelien. In der Scala vestibuli fast keine Veränderungen, im 
Ductus cochlearis feinkörnige Massen, hyaline Quellung der dem Lig. spirale 
aufsitzenden Zellen und stellenweise bucklige Abhebung derselben durch 
Haufen.. von Zellmassen. Nervus acusticus in seinem Stamm und in sämt- 
lichen Asten mit Bundzellen oder anders gestalteten Bindegewebszellen, zum 
Teil mebrkammerigen Blasenzellen, infiltriert. 

5. Chronische Mittelobreiterung mit Cholesteatom. In beiden Schnecken- 
treppen, sowie in den peri- und endolymphatischen Bäumen des Vestibular- 
apparats feinkörnige Massen in verschiedener Dicke, welche dem Periost 
bez. den Wänden der Hohlräume fest aufsal^en und im Innern das Epithel 
vollständig ersetzten. Die Innenfläche der Beilen er sehen Membran des- 
gleichen dick mit feinkörnigen Massen belegt, in dem spitzen Winkel zwischen 
ihr und dem Lig. spirale außerdem eine größere Anhäufung von Zellen un- 
bestimmten Charakters. Cortisches Organ durch eine große Anzahl dicht 
beieinander liegender hyaliner Kugeln und Ballen ersetzt. Zwischen den 
(guterhaltenen) Fasern und Faserbündeln des Nerv, acusticus, besonders 
stark im Nerv, cochlearis, feinkörnige geronnene Massen, Blut und Rund- 
zellen; im Labyrinth die Fasern überall umgeben von einer dem Knochen 
fest anliegenden breiten Schicht hellen kernarmen Bindegewebes. 

6. Chronische Mittelohreiterung, Knochen und Fenster intakt. Als einzige 



XIII. Wissenschaftliche Rundschau. 167 

wesentliche Veränderung im Labyrinth wurde eine durch alle Windungen 
ziehende hügelige Yorwöibung des Lig. spirale im Ductus cochlearis gefunden, 
erzeugt durch eine Wucherung der bindegewebigen Elemente des genannten 
Ligaments, welche die wohlerhaltenen £pithelien vor sich herstülpten. 

7. Chronische tuberkulöse Mittelohreiterung mit ausgedehnter Karies, 
Zerstörung beider Fenster und Eröffnung des horizontalen Bogenganges, 
iBowie des Canalis facialis. Vom ovalen Fenster aus wucherte das teilweise 
Terk&ste Granulationsgewebe in das Vestibulum hinein, füllte dieses aber 
nur zum geringeren Teile aus; der übrige Teil enthielt die präformierten, zwar 
ziemlich stark veränderten, aber noch deutlich erkennbaren Weichteile. 
Die Bogengänge an einzelnen Stellen ganz von käsigem oder Granulations, 
gewebe erfüllt, mit vereinzelten zentral verkästen Tuberkeln, an anderen 
Stellen der häutige Kanal erhalten, mit hyalinem Inhalt. Vielfach Karies 
des anliegenden Knochens. Auch in den Anfano(steil der Scala tympani der 
Schnecke waren die teils käsigen, teils granulösen Massen durch die zerr 
störte Membr. tympani secundaria yorgedrungen und hatten dort weiter die 
Membr. basilaris und das C ortische Organ total zerstört. Nervus acusticus 
normal. Facialis in seinem Paukenhöhlenteil vollständig vom Knochen isoliert, 
von Granulationsgewebe und käsigen Massen (stellenweise Tuberkeln) durch- 
setzt, dazwischen einzelne stark gequollene, auseinandergedrängte und zer- 
fetzte Nervenfasern. Als charakteristisch für die tuberkulösen gegenüber 
den rein entzündlichen Veränderungen bezeichnet Verfasser 1. den Befund 
^er spezifischen Produkte der Tuberkulose, 2. die größere Intensität und 
Multiplizität der Zerstörung im Knochen, sowie die häufig gefundenen fein- 
kömigen, krümlichen, strukturlosen Knochenreste, 3. das Zurücktreten der 
Nenbildungsvorgänge, die am Knochen ganz fehlten, am Bindegewebe sehr 
geringfügig, mit baldigem Übergang in Verkäsung waren. Blau. 



32. 

Meyer zum GoUesberge, Histologische Beiträge zur Wirkung der 
Trichloressigsäure und Ghromsäure. (Aus Dr. Brühls Ambu- 
latorium in Berlin.) Ebenda. S. 81. 

Verfasser hat durch seine Untersuchungen an mit Trichloressigsäure oder 
CShromsäure geätzten Nasenmuscbeln und Ohrpolypen feststellen können, daß, 
während bei oberflächlicher Ätzung nur geringe Nekrose des Epithels oder, 
wenn solches fehlt, der oberen Gewebsschichten eintritt, stärkere Ätzungen 
umfangreiche Gewebsnekrosen herbeizuführen vermögen, und zwar sowohl 
von der Oberfläche aus als auch zu beiden Seiten etwa vorhandener Ein- 
senkungen. Bei den Gaumenmandeln reichte wegen der festeren Beschafien- 
heit des Gewebes die Wirkung nicht so weit in die Tiefe. Die Heilung 
vollzog sich ohne entzündliche Reaktion der Umgebung; sie erfolgte nicht 
4urcb Granulationsgewebe und anschließende Narbenbildung , sondern die 
nekrotische Partie stieß sich ab und die Stelle überhäutete, so daß das Ge- 
webe der Schleimhaut und damit auch ihre Funktion außer einer Volumens - 
Verminderung keine Veränderung erfuhr. Es kann auf diese Befunde hin, 
wenn es sich um nicht zu bedeutende Gewebshypertrophien handelt, daher 
die Ätzung mit Trichloressigsäure und Chromsäure als sehr vorteilhaft be- 
zeichnet werden. Blau. 

33. 

Stella^ Contribution ä T^tude des ccllulitos mastoidiennes aber- 
rantes. La Presse Oto lar. Beige. Deuxl^me AnnSe No. 2. 

Sachlich enthält die Arbeit des Verfassers für unseren Leserkreis nichts 
von Bedeutung. Wenn ihm in seinem ersten Falle eine weiter nach hinten 
versprengte Mastoidealzelle bei der Eröfi'nung des Antrums entgangen ist, 
und er sich damit entschuldigt, daß man vor den von ihm zitierten fran- 
zösischen Arbeiten (die erste aus dem Mai 1902) noch nichts von solchen ver- 
sprengten Zellen gewußt habe, so verrät das nur eine große Unkenntnis der 
«deutschen Fachliteratur. Grunert. 



168 XIII. Wissenschaftliche Randschau. 

34. 

Jürgens, Otite compliqa^o de mastoidite et de lymphangite p^ri- 
aariculaire. Ebenda No. 4. 

Der mitgeteilte Fall bietet nichts Besonderes dar. Er zeigt alle klini- 
schen Merkmale einer Pneumokokkenotitis. Leider ist der gefundene Eiter 
nicht bakteriologisch untersucht worden. Orunert. 



35. 

Derselbe, Trois cas d'atresie cong^nitale dn conduit auditif ex- 
terne, avec microtie. Ebenda No. 7. 

Die drei mitgeteilten Fälle bieten nichts Bemerkenswertes. 

Grunert 



36. 

Labarre, Contribution ^ Tätude des complications endo-cräni- 
ennes de Totite. Ebenda. 

Alltäglicher Fall von akuter Mittelohreiterung bei einer 32jährigen Pa- 
tientin mit Mastoiditis, perisinuösem Abszeß und Sinus sigmoideus-Throm- 
bose, durch Mastoidoperation and Sinusoperation ohne Jugularisunterbindung 
geheilt. Wunderbar wird unseren Leserkreis folgender Satz anmuten: „Dans 
le cas de carie du rocher, quand de grandes oscillations thermiques se pro- 
duisent, 11 y a lieu de songer ä une thrombo-phlebite.'' Grunert. 



37. 

Schiffers, Faits cliniques de complication osseuses de Totite 
moyenne purulente chronique. Ebenda. 

I. Fall. 16 jähriges, hochgradig anämisches Mädchen, bei welchem die 
Anämie nach der operativen Entfernung eines Schläfenbeinsequesters sofort 
und dauernd heilte. 

Der 2. und H. Fall bieten nichts Besonderes dar. Grunert. 



Personal- und Faehnachrichten. 

Der yil. internationale otologische Kongreß findet in der Zeit vom 1. bis 
4. August 1904 statt. Offizielle Eongreßspracben sind Französisch, Englisch, 
Deutsch und Italienisch. Während des Kongresses findet eine Ausstellung 
von anatomischen und pathologischen Ohr-, Nasen- und Nasenrachenpräpa- 
raten statt. Die für einen Vortrag gestattete Zeit darf die Zeitdauer von 
15 Minuten nicht überschreiten. 

Folgende Themata kommen zur allgemeinen Diskussion: 

1. Wahl einer einfachen und praktischen akumetrischen Formel; Re- 
ferenten: Politzer, Gradenigo, Delsaux. 

2. Diagnose und Behandlung der Labyrintheiterungen; Referenten: 
Brieger, v. Stein, Dundas Grant. 

3. Technik der Operation und Nachbehandlung des otogenen Hirn- 
abszesses; B«ferenten: Knapp, Schmiegelow, Botey. 

Der Sekretär des Kongresses ist Dr. Lermoyez, Paris, Rue de la 
Bo6tie, 20^8. 

Der Direktor der König!. Universitäts- Ohrenpoliklinik zu Bonn^ Pro- 
fessor Dr. Walb, hat den Charakter als Geheimer Medizinalrat erhalten. 



XIV. 

I 

Osteomyelitis der äusseren Gehörknöchelchen bei chron. 
trockenen Pankenhöhlenprozess (Lues hereditaria tarda). 

Von 

Dr. Walther Stein, Ohrenarzt in Königsberg i. Pr. 

(Mit 1 AbbUdnng.) 

Die 25jährige Patientin trat am 24. M&rz 1903 in Behandlung mit der 
Klage Aber nnaufhörliche, Tag and Nacht sie qu&lende Geräusche in beiden 
Ohren, besonders in dem rechten, welche bei seelischen Aufregungen, denen 
sie damals yielfach ausgesetzt war, sich aufs heftigste steigerten. 

Anamnese: Die intelligente und zuverlässige Patientin, die im 7. Lebens- 
jahre an Scharlach erkrankt war, erinnert sich nicht, jemals Ausfluß aus 
den Ohren gehabt zu haben. Yom 11. Lebensjahre bis vor ca. 3 Jahren wäre 
sie fast dauernd wegen eines doppelseitigen Augenleidens in Behandlung ge- 
wesen. (Nach Mitteilung des Arztes, der sie damals behandelt hatte, Kera^ 
titis parenchymatosa.) 

Status praesens: Ausgesprochene Sattelnase, deren Entstehen vor 
einigen Jahren von der Patientin auf eine damals bei ihr ausgeffUhrte intra« 
nasale Operation zurückgeführt wird; Hutchinson sehe Zähne, di£fuse Trü- 
bangen auf beiden Corneae, auf der linken eine Narbe. Beide Trommelfelle 
trübe, verdickt, auf dem linken hinten unten rundliche Kontur wie das Re- 
siduum einer alten Perforation ohne Verdünnung des Gewebes innerhalb 
derselben. 

Flüstersprache links wenige Centimeter, rechts » O. 

Weber (A, c) nach links, unverändert bei Verschluß des rechten, ver- 
stärkt bei solchem des linken Ohres. 

Rinne links : positiv. 

Vom Warzenfortsatz: A zwischen 9 nnd 12 Sekunden (bei verschie- 
denen Untersuchungen) c * 9 « 10 « 

Rinne rechts: negativ. 
. Vom Warzenfortsatz: A und c « 6 Sekunden; per L. L. « %. 

Die Stimmgabeltöne von A bis gis sowie fis^ werden gut perzipiert. 

Uhr von Schuppe und Warzenfortsatz beiderseits <« 0. 

Die einen Monat durchgeführte Behandlung mit Katheterismus und 
Pneumomassage bei gleichzeitigem Gebrauch von Jodkalium verminderte die 
subjektiven Geräusche links, während die von selten des rechten Ohres mit 
nnverminderter Hefti^eit bestehen blieben. Es wurde der verzweifelten 
Patientin als letzter Versuch die Exzision von Trommelfell, Hammer und 
Ambof vorgeschlagen mit dem Hinweis darauf, daß die Aussichten auf Er- 
folg äußerst zweifelhaft seien. Auf Wunsch der Patientin wurde die Ope- 
ration am 6. Mai in Narkose ausgeführt. 

7. Mai. Entfernung des Gazestreifens, Paukenfaöhlenschleimhaut mäßig 
gerötet, keine Sekretion; Gefühl „als wenn die Zunge von Ol wäre*". 

16. MaL Vom unteren Abschnitt des Trommelfellfalzes erhebt sich eine 
epidermisierte, feucht und sukkulent aussehende schmale Platte; subjektive 
(jeräuBche unvermindert. 

Archiv f. Ohrenheilkunde. LXI. Bd. 12 



170 XIV. STEIN 

21. Mai. In dem neugebildeten Trommelfell nur noch ein ca. 5 mm 
breiter, wandst&ndiger, mnder Defekt hinten oben. Paukenhöhlenschleimhaat 
andauernd nur feucht gl&nzend, keine Sekretion nachweisbar. 

Anfang Juli zeigt das neue Trommelfell keine Lflcke mehr. Patientin 
erklärt jetzt wiederholt, daß die Geräusche auch im rechten Ohr bedeutend 
Tormindert und erträglich seien. Möglicherweise ist diese Besserung, die 
bis jetzt angehalten hat, darauf zurückzufahren, daß einige Wochen nach 
der Operation gewisse Ursachen fflr psychische Aufregungen bei der Patientin 
beseitigt wurden. 

Die Gehörknöoheloben, die bei makroskopischer Betrachtung 
auch bei Zuhilfenahme der Lupe keine pathologischen Ver- 
änderungen aufwiesen, wurden in Formol fixiert, um bei histolo- 
gischen Untersuchungen Aber GehSrknöohelchenkaries als normale 
Vergleichsobjekte benutzt zu werden. Sodann Nachhärtung in 
Alkohol, Enlkalknng, Einbettung in Celloidin, Zerlegen in Seriea- 
schnitte, und zwar der Hammer in Längsschnitte parallel zu einer 
durch kurzen Fortsatz und Tensorsehne gehenden Ebene, der 
Amboß parallel zur vorderen und hinteren Fläche. Färbung mit 
Hämatoxylin-Eosin. 

Hammer: Das Periost ist in eine derbe Schwarte verwaa- 
delt, stellenweise auf das drei- bis vierfache gegen die normalen 
Verhältnisse verdickt, und läßt: in seiner homogenen Grundsab- 
stanz die longitudinale Streifung fast nur durch die Lagerung der 
spärlichen schmalen, spindelförmigen Kerne erkennen. Der Schleim- 
faautüberzug, von dem nirgends mehr etwas nachweisbar, ist offenbar 
ebenfalls in diese Schwarte aufgegangen. Im Hammerkopfe, mit 
Ausnahme des untersten Teils, keine krankhaften Veränderungen; 
die Enochenzellen enthalten gut gef&rbte Kerne. Die Wandungen 
der Gefäßkanäle sind glatt, nur hier und da von perforierenden 
Kanälen durchbrochen, deren geringe Anzahl wohl eine patho- 
logische Bedeutung ausschließt. Der Inhalt der Markräume trägt, 
wie dies in den Gehörknöchelchen die Regel ist, den Charakter 
des Fettmarks, es besteht fast lediglich aus einem weiten Maseben- 
werk mit dicht eingelagerten Fettzellen. 

In zwei Markräumen, im Hammerhalse, bezw. dem untersten 
Teil des Kopfes, ist dies Gewebe dicht mit lymphoiden und poly- 
nucleären Zellen infiltriert, daneben findet eine lebhafte Knoohen- 
resorption statt. Ein besonders charakteristisches Bild geben 
einige Schnitte von dem nach der medialen Seite des Hammer- 
halses zu gelegenen Markraum, der in der Zeichnung wieder- 
gegeben ist. Im Zentrum liegt ein großes, von allen Seiten 
lakunär angenagtes Knochenstück, das, wie der Vergleich mit 
anderen Schnitten zeigt, einem mit der Innenwand des Mark- 



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OrteomyeliÖB dw &aQsren GohOrknöchelelien 171 

ranms noch znaammenhÄngenden Knochenvorsprnng angehört; 
Beine Ränder werden zum Teil umfaßt von einem großen, in die 
Laknnen eingreifenden vielkernij^en Osteoklasten, in den Knochen- 
höhlen fehlt die Kemfärbnng. Ganz analoge Verändernngen finden 
sich in dem erwähnten, etwas höher gelegenen Markranm, und 
in einem dritten im oberen AbBohnitt des Griffes; an allen drei 
Stellen Nekrose and Annagang eines qaer duroh den Markranm 
ziehenden Knoohenvorsprungs oder Bdkens dnroh Osteoklasten 
neben dichter kleinzelliger Infiltration. 

In den näher be- 
sohriebenen Markranm 

tritt Ton nnten her ein , .;X't*l; '■•Ä:;-' 

breiter Gefäßkanal; an '-?^'-?: Xv'tM^ii ' 

der Einmündnngsstelle 
ist nur die Yene e 
bar, die sieh naoh ] 
tritt in den Banm i 
ihn dnrflhströmende Äste 
gabelt Diese sowie der 
Haaptstamm enthalten 

nnr polynuoleäre Leuko- ,; /•,- ■ '''-••■.*^l*'' .•■ 
zyten, die meist ausge- ''■'.■,".!-. ' ' ' T^:;- 
sproehen wandständig \''"-v:;, ' '■ : 

sind; die weiter nnten •);*, ^- ■;. 
erkennbare Arterie ist -W'iv. ... ' 

strotzend mit Blnt geftllt. 
Der nach nnten sich stark 

verbreiternde Kanal läßt sich bis in die Spitze des Griffendes ver- 
folgen. Seine lakunfir angenagten Wände sind dicht von perforie- 
renden Kanälen qner nnd schräg dnrchsetzt, die wiederum angenagt 
und an den Wänden perforiert, mit anderen Gefilßkanälen kom- 
munizieren; dazwischen liegen, allseitig angenagt und vielfach 
nekrotisch, Inseln der nrsprtlnglichen Knochensubstanz. Die mei- 
sten Gefäße in diesem Netz sind strotzend mit Blnt gefällt, and 
meist die Zahl der weißen Blutzellen erheblich vermehrt; stellen- 
weise erscheint der große, bis in das Griffende ziehende GtefÄß- 
kanal mit Lymphozyten nnd polynukleären Leukozyten voll- 
gestopft, die hier anoh besonders reioblioh in dem perivaskulären 
Kaum zn liegen scheinen. Im lateralen Teil des nnteren Bammer- 
kopfabsohnittee ist die Knochensubstanz von zahlreichen kleinen 
rundlichen Lücken mit laknnär ansgebuchteten Rändern dnrch- 

12' 




172 XIV. STEIN 

Beizt, die mit einem kernannen Bindegewebe ansgefbllt sind und 
Tielfaeh konfluieren; hier handelt es sieh also nm einen abge- 
laufenen Prozeß. 

Die Nekrose der Enoehensnbstanz ist im ganzen geringfügig, 
die Eernflrbnng fehlt erst vielfaoh in den Zellen der von entzün- 
deten Kanälen nmgebenen Enooheninseln im Hammergriff, nnd 
fehlt ganz im Griffende. 

Amboß: Die Veränderungen im Amboß sind denen im 
Hammer analog. Auch hier ist in einigen Markräumen das Ge- 
webe massenhaft mit Ijmphoiden und polynukleären Zellen in- 
filtriert, und in das Lumen der Markräume hineinragende Enoohen- 
balken und -Vorsprünge zeigen dieselben Ersoheinungen von Re- 
sorption und Nekrose bei gleichzeitigem Vorhandensein von 
großen yielkernigen Osteoklasten. Leere Enochenhöhlen sind 
hier etwas reichlicher als im Hammer. Die Gegend im hinteren 
Teile des Eörpers zwischen dem Ansatz des langen Schenkels 
und der höchsten Euppe der Gelenkfläche erscheint in einzelnen 
Schnitten in größerer Ausdehnung von den beim Hammer ge- 
schilderten, mit Bindegewebe ausgefüllten rundlichen Defekten 
siebartig durchlöchert. Eine kleine oberflächliche Annagung an 
der Peripherie, wobei Granulationsgewebe den Defekt ausfüllt, 
findet sich an einer Stelle, die bei „Karies^ eine Prädilektions- 
stelle zu sein scheint, nämlich an der Unterfläche der Eörpers. 
Auch dieser kleine Defekt scheint , wie der Vergleich mit an- 
deren Schnitten ergibt, nicht von einem peripheren Prozeß her- 
zurühren, sondern einem dicht an der Peripherie liegenden Ent- 
zündung und Resorption zeigenden Markraum anzugehören, bei 
dem die Einsohmelzung der Enochensubstanz die Peripherie er- 
reicht hat Der lange Fortsatz erscheint in einigen Schnitten in 
der Mitte von den geschilderten runden Defekten siebartig durch- 
löchert, an der Spitze peripher angenagt, doch steht dieser De- 
fekt in Eommunikation mit einem Markraum, in welchem die 
teilweise Umwandlung des Markgewebes in dichtes Bindegewebe 
auf einen abgelaufenen Prozeß hindeutet. 

Vergleicht man diese Bilder mit denen, wie man sie bei 
Erkrankungen der Gehörknöchelchen im Verlaufe von Pauken- 
höhleneiterungen findet, bei der sogenannten „Earies der Gehör- 
knöchelchen^, so stehen dort zwei Momente im Vordergrunde: 
die Annagung des Enochens von der Peripherie her, und die 
oft ausgedehnte Nekrose der Enochensubstanz ohne nachweis- 
bare andere Erankheitserscheinungen im Inneren, insbesondere 



Osteomyelitis der toßeren Gehörknöchelchen. 178 

ohne die Anzeiohen einer Entzündung daselbst. Besorptions- 
erscheinnngen im Inneren kommen fast ausnahmslos nur dann 
yor, wenn die Annagang von außen her bis in die Markränme 
und Gefäßkanäle vorgedrungen ist und diese eröffnet hat. 

Im Gegensatz dazu spielt sieh hier der Erankheitsprozeß 
im Inneren ab unter den Zeichen lebhafterer Entzündung. Pen* 
phere Defeete außer den geschilderten am Amboß finden sich 
noeh an zwei Stellen am Hammergriffende, doch sind diese wohl 
ebenfalls auf die entzündlichen Vorgänge im Inneren znrttek- 
zuführen ; denn es öffnet sich in jeden von ihnen ein breiter G«* 
jfäßkanal, aus dem Bindegewebe mit eingelagerten polynukleären 
Zellen gegen den den Defekt ausfüllenden neugebildeten Knochen 
ausstrahlt und kontinuierlich in diesen übergeht; es ist wohl 
also die Entzündung längs diesem Gef&ßkanal gegen die Peri- 
pherie vorgedrungen. Auf einem so engen Gebiet wie der 
Hammergriff es ist, kann bei der Ausdehnung des Prozesses 
schließlich eine Beteiligung der Peripherie nicht ausbleiben. 

Es handelt sich hier also um eine chronische Osteomyelitis 
der äußeren Gehörknöchelchen ohne Paukenhöhleneiterung. Eine 
überstandene Eiterung kann ebenfalls nicht das ursächliche Mo- 
ment gewesen sein; die Patientin leugnete mit Bestimmtheit, 
jemals Ausfluß aus den Ohren gehabt zu haben, es hätte sich 
also nur um einen jahrelang zurückliegenden Prozeß handeln 
können, daß dieser aber geheilt sei, während die Erkrankung 
von Hammer und Amboß fortbesteht, ist nicht denkbar. Selbst 
die beiden Defekte am Hammergriff konnten von einer solchen 
längst überstandenen Eiterung nicht herrühren, denn dann hätte 
die sie ausfüllende Knochensubstanz nicht mehr den Charakter 
der jugendlichen Knochen haben können. 

Die Sklerosierung des Periosts unterscheidet sich durch 
nichts von der analogen Veränderung, wie mau sie auch bei 
chronischen Eiterungen regelmäßig findet ; allerdings pflegt hier 
die Dickenzunahme nicht so erheblich zu sein. 

In der Literatur sind einige Fälle von primärer Erkrankung 
der Gehörknöchelchen beschrieben. Diejenigen Fälle, in denen 
das Primäre darin gefunden wurde, daß nach Extraktion der 
kranken Knöchelchen die Paukenhöhleneiterung heilte (Wo 1 ff);, 
darf man wohl ausscheiden, denn sonst müßte diese primäre 
Ostitis ein recht häufiges Vorkommnis sein. 

Sodann erwähnt Tröltsch, daß er bei einer Typbussektion 
bei nicht eiternder Paukenhöhle den Amboß erkrankt fand. Da 



174 XIV. STEIN 

die TnbenBOhleimhaiit aber geschwollen und gerötet, die Fauken- 
sebleimhaut injiziert war, so liegt dieser Fall im Grunde wohl 
nicht viel anders als diejenigen, wo die Knöchelehen bei akuter 
Typhuseiterung erkranken, nur daß hier die Infektion auf dem 
Wege über die entzündete Schleimhaut den Amboß ergriff, ehe 
noch die Entzündung in der Schleimhaut zur Eiterung geführt 
hatte. Nach Brieger und Görke ist dieser Fall, der nicht 
mikroskopisch untersucht wurde, nicht beweisend, da es sich 
auch um eine nicht pathologische Rauhigkeit des Knochens ge- 
handelt haben könnte ; dagegen spricht allerdings, daß die kranke 
Stelle, wie Tröltsch ausdrücklich sagt, von Periost entblößt 
und „stark rot** war. Im übrigen würde eine periphere Nekrose 
bei Typhus nichts Auffallendes sein. 

Schwartze machte seinerzeit darauf aufmerksam, daß 
Zerstörungen an den Gehörknöchelchen auch bei chronischen 
Entzündungsprozessen der Paukenhöhle ohne Eiterung vor- 
zukommen scheinen. „Wenigstens ist es kein ungewöhnlicher 
Leichenbefund, daß man neben einer hypertrophischen Schleim- 
haut und fettig-kalkigen Einlagerungen im Trommelfell partielle 
Defekte an einzelnen Gehörknöchelchen findet. Möglicherweise ist 
in allen solchen Fällen früher einmal doch ein Eiterungsprozeß 
voraufgegangen^. Da partielle äußere Defekte bestanden, die 
makroskopisch wahrgenommen wurden, so ist es wohl wahrschein- 
lich, daß auch diese Fälle zur Gehörknöchelchenkaries gehören. 
Die klinische Beobachtung in Verbindung mit dem mikro- 
skopischen Befunde spricht dafbr, daß es sieh hier um eine 
granulierende Ostitis hämatogenen Ursprungs handelt, die nicht 
auf eine lokale, sondern auf eine Allgemeinerkrankung zurück- 
zuführen ist, und es erscheint wohl naheliegend, die hereditäre 
Lues bei der Patientin als Ursache des geschilderten Prozesses 
an den Gehörknöchelchen anzunehmen. Allerdings fehlen spezi- 
fisch syphilitische Veränderungen im mikroskopischen Befund, 
denn eine gummöse Erkrankung des Knochenmarks liegt nicht 
vor, doch mag daran erinnert werden, daß z. B. bei der Perio- 
stitis syphilitica die für Syphilis charakteristische Veränderung 
häufig fehlt. Vielleicht spricht für meine Auffassung auch der 
Umstand, daß nirgends eine eitrige Einschmelzung des Marks 
nachweisbar ist, vielmehr die in den entzündeten Markräumen 
vielfach vorhandene stellenweise Umwandlung des kleinzellig 
infiltrierten Markgewebes in fibröses Bindegewebe auf Neigung 
zur Narbenbildung hindeutet. 



Osteomyelitis der äußeren Gehörknöchelchen. 175 

Die üntersuehung habe ich im hiesigen Patbologisehen In- 
stitut (Direktor: Prof. Dr. Beneke) ausgeftlhrt; die mikrosko- 
pischen Bilder wurden vielfach durch Herrn Prof. Askanazy 
nachgeprüft. 



Literatur. 



1. Gradenigo, dieses Archiv. XXV. S. 237. Die Otitis interna bei here- 

ditärer Syphilis« 

2. Derselbe, Ibid. XXXYII. S. 89. Die Ohrerkrankangen bei der here- 

ditären Syphilis. Vortrag, gehalten auf dem 11. Internat med. Kon- 
greß in Rom. 

3. Derselbe, Ibid. XXXYIII. S. 310. Sklerose des Mittelohrs als para- 

syphilitische Affektion usw. 66. Versammlung deutscher Naturforscher 
und Ärzte. 

4. Grub er, Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 

5. Habermann, dies. Arch. XLV. Bericht Aber die 7. Otologenversamml. 

6. Derselbe, Die luetischen Erkrankungen des Gehörorgans. Jena 1896. 

7. Eatz, Über Rinnen- und Locherbildungen an der Corticalis des Am- 

boßes. Verhandlungen der 7. Otologenversammlung. 

8. Kirchner, dieses Archi?. XXVIII. S. 172. Syphilis der Paukenhöhle. 

9. Ludwig, Ibid. XXIX. S. 269. Bericht aus der Ohrenklinik cn Halle. 

10. Moos, Zeitschr. f. Ohrenlieilk. Vlll. S. 217. Exstirpation des ganzen 

Hammers usw. 

11. Bau her, dies. Arch. XV. S. 81. Die Lymphgef&ße d. Gehörknöchelchen.* 

12. Schwartze, Ibid. Neue Folge. II. Über Zerstörungen an den Gehör- 

knöchelchen; Bericht Aber die 46. Versammlung deutscher Natur- 
forscher und Ärzte. 

13. Tr ölt seh, Ibid. VI. 55. Anatom. Beiträge zur Ohrenheilkunde. 

14. Wolff, Zeitschr. f. Ohrenh. X. S. 243. Primäre Ostitis d. Hammers usw. 



XV. 
Znr DiagDOstik der Sinuthrombose. 

Dr. W. SaehB in MOlhausen i. £., 

aliAinaL I. AMlite&t der oMr. Unir.-ElinUc in Benu 
(Hierzu 2 Abbfldimgen im Text.) 

Wenn wir in F&Ilen von obroniseher Mittelohreiterang bei 
sehwerea Allgemeinersoheinnngen (Fieber, Schttttelfrost, Kopf- 
sebmerz, Schwindel, Erbreoben, Palsyerlangsamang) operieren, 
so pflegen wir anf irgendeine Komplikation sn reebnen, sei es 
Extradnral-, Snbduralabszeß , Sinnstbrombose, Sehläfeniappen- 
oder Eleinhirnabszeß oder Meningitis. Der Eingriff gestaltet 
sieh dann meist so, daß der Operateur nach ausgedehnter Frei- 
legnng der infizierten Bäume des Mittelohrs und des Antrums, 
naoh gründlicher mechanischer Entfernung alles Krankhaften 
(Cholesteatommassen, Granulationen, kariösen Knochen) nur die 
wahrscheinlichste von allen möglichen Komplikationen auf- 
zufinden, wenn möglich, zu beseitigen sucht und dann abwartet. 
Welches die wahrscheinlichste ist , das ist Sache der Diagnose, 
entweder der vor der Operation oder der aus dem Befunde 
während der Operation gestellten Diagnose. Einem Forum 
Ton Otologen, für welche diese Zeilen bestimmt sind, sage ich 
mit diesen Dingen nichts Neues ; ein jeder weiß, daß man bei 
der Operation der otitischen Komplikationen häufig die ante 
operat. aufgestellte Marschroute ändern muß. Oft ist nach Auf- 
findung der einen zum weiteren Suchen nach einer andern Kom- 
plikation kein Grund mehr vorhanden, da das Krankheitsbild 
für den Augenblick zur Genüge geklärt erscheint Dann ergibt 
der weitere postoperative Verlauf, nach einigen Tagen gewöhn- 
lich, ob diese Auffassung richtig war oder ob eine neue Inter- 
vention notwendig wird. Die zu erwartenden neuen Eingriffe 
haben in erster Linie fast immer den Sinus transversus zum 
Ziel, auf ihn konzentriert sich, besonders wenn der geringste 



Zur Diagnostik der Sinosthrombose. 177 

Zweifel Aber seine Darohgängigkeit besteht, bei jeder Ver- 
sehleohternng des Allgemeinbefindens das ganze Interesse, sn- 
mal die Sinnsthrombose eine der häufigsten der otitisohen Kom- 
plikationen istO- Da diese an Häufigkeit nur noeh von dem 
Extraduralabszeß*) übertroffen wird und auf diesen bei Erwartung 
intrakranieller Komplikationen gewöhnlieh gleioh bei der ersten 
Operation durch Eröffnung der hinteren Sehädelgrube und Frei- 
legung der Umgebung des Sinus gefahndet wird, so ergibt sieh 
für den Otologen gar nicht so selten die Situation, daß er bei 
den Verbandwechseln nach der ersten Operation — sc. bei Yer- 
sehleehterung des Befindens — mit der größten Aufmerksamkeit 
und meist mit recht gemischten Empfindungen die Vorgänge am 
fi^igelegten Sinns beobachtet. Auch am freiliegenden Sinus ist 
es, wie jeder weiß, oft noch recht schwierig, über seinen Zustand 
und die Bolle, die er bei dem ganzen Krankheitsbild spielt, ins 
Klare zu kommen 3). 

Unter diesen Verhältnissen scheint mir auch die geringste 
Anregung , welche auf die Diagnostik der Sinusthrombose Be- 
zug hat, willkommen zu sein. Ich möchte mir erlauben, die 
Herren Otologen darauf hinzuweisen, daß der Schluckakt sich 
vielleicht zu diagnostischen Zwecken für die Sinusthrombose 
verwerten läßt. Wie ich kürzlich in einem Falle zu beobachten 
Gelegenheit hatte, pflanzt sich die Schluckbewegung durch die 
Jngularvene in den Sinus fort und erscheint daselbst in Form 
einer undulierenden Bewegung des Sinusrohres resp. der frei- 
gelegten Sinuswand ^). Die Beobachtung wurde an mehreren 

1) So fand Graber anter 232 durch Komplikationen zum Tode füh- 
renden Mittelohreiterungen 148 mal Sinasthrombose. (Monatsschr. f. Ohren- 
faeilkande. 1896. S. 311.) 

2) Jansen, Ref. aaf der lY. Versammlung d. d. otol. Gesellsch. 1895. 

3) S. u. a. die DarsteUnng Brie g er s auf der X. Versammlung der 
deatschen otolog. GeseUschaft 

4) Da ich noch keine Kenntnis von diesem Phänomen hatte, aach der 
den Fall mit mir beobachtende Kollege, Herr Dr. Kleinmann, Ohrenarzt, 
dasselbe nicht kannte, glaubten wir die ersten zu sein, welche das Schluck- 
phänomen wahrnahmen. Erst nach Niederschrift dieses Manuskripts wurde 
nur durch Herrn Kollegen Kleinmann mitgeteilt, daß sich in diesem 
Archiv, Bd. LI (nach einem Zitat von Körner) eine diesbezügliche Be- 
laerkung finde. Ich habe in diesem Bande nun in der Arbeit von Piffl 
(Über die AufmeüSelung des Warzenfortsatzes usw.) S. 155 und 156 eine 
Angabe gefunden, wonach auch dieser Autor Bewegungen an der Sinuswand 
beim Schlacken wahrgenommen hat. Piffl macht aber keine Angabe über 
die Verwertung des Symptoms zu diagnostischen Zwecken. 



178 XV. SACHS 

Tagen beim Verbandwechsel an dem in yollig wachem Zustande 
befindliehen Patienten angestellt 0« Jedesmal, wenn der Kranke 
sehlnekte, schien in der Vene eine Welle emporzusteigen, welche 
das Undnlieren oder Vibrieren der Venenwand erzengte. Mit 
einem kleinen zweekentspreehend konstruierten Sphygmi^aphen 
könnte die Form dieser Bewegung der Sinuswand nach Analogie 
des Venenpulses graphisch dargestellt werden. Diese Venen- 
bewegung erklärt sich ganz ungezwungen aus der Nachbarsohaft 
der Vena jngnlaris und der beim Schluekakt beteiligten Muskeln 
(Stylohyoideus, Stylopharyngeus, Constrictor pharyngis). Durch 
ihre Eontraktion und darauf folgende Erschlaffung wird das 
neben und zwischen ihnen verlaufende flaccide Venenrohr in 
seinem Lumen verändert, sein Inhalt bald ausgetrieben, bald 
angesaugt; und so werden ähnliche Bewegungen hervorgerufen 
wie sie durch die Respiration und den wechselnden Druck im 

Phase der Stanung des Sinüsblutes 




Phase der Abschwellnng 
Figur 1. 

rechten Vorhof auch im Stamme der Vena jugularis am Halse 
erzeugt werden. Diese letzteren Faktoren haben ohne Zweifel 
auf den Ablauf des Schluckphänomens auch einen beträchtlichen 
Einfluß. Ich denke mir, daß bei der vorübergehenden Kom- 
pression der Jugularis durch den Schluckakt das Blut oberhalb 
der Eompressionsstelle aufgehalten und gestaut wird (leichtes 
Anschwellen des Sinus); das unterhalb der besagten Stelle be- 
findliche Blut fließt nach dem rechten Vorhof ab. Ist die Passage 
mit Nachlaß der Eontraktion wieder freigegeben, so wird das 
zerebrale Blut wieder herzwärts gesaugt (Abschwellen des Sinus); 
trifft dieses auf die Vorhofssystole, so wird es durch den leicht 
gestauten Blntstrom in der Jugularis wieder in rückläufige Be- 
wegung gebracht (leichtes Anschwellen des Sinus) usw., bis sich 
die Bewegung des Hin- und Herpendeins erschöpft hat. Die 
sphygmographische Kurve dieser Bewegung müßte dementspre- 
chend etwa die Form der obenstehenden Fig. l haben. Ebenso- 

1) Selbst als die Venenwand schon mit zarten Granulationen bedeckt 
war, konnte die Bewegung noch deutlich erkannt werden. 



Zar Diagnostik der Sinasthrombose. 179 

gut kann die Freigebung der Strecke in der Jngularis natürlich 
mit der Yorhofsdiastole zusammenfallen; dann findet eine 
Summierung der zentripetalen Kräfte, eine Anflaugung, yielleicht 
bis zum Zusammenfallen der Sinuswand statt, wie sie Piffl be-* 
obachtet hat« Die Kurve mfißte dann ein ganz tiefes Wellental 
nach der ersten Erhebung aufweisen, etwa wie nach einer starken 
Ansaugung des Blutes unter dem Einfluß einer tiefen Inspiration 
(Körner^)). Auch diese letztere muß, ebenso wie die Exspiration, 
modifizierend auf das Schluokphänomen einwirken, so daß zum 
Zustandekommen dieses Vorganges verschiedene Komponenten' 
beitragen, welche bei der klinischen Beobachtung in entsprechen- 
der Weise zu berücksichtigen sind. 

Für die Diagnose hat nun der am Sinus zu beobachtende 
Sehluckakt einen gewissen, aber leider nur sehr bedingten Wert. 
Denn einmal muß die Gegend des Sinus doch mindestens im 
Umfang von 1 quem freigelegt sein, und ferner muß der Kranke 
bei^ewußtsein oder doch wenigstens in so leichter Narkose sich 
befinden, daß er auf Kommando zu schlucken imstande ist. 
Daraus geht hervor, daß dieses Symptom nur in denjenigen 
Fällen verwertbar sein wird, in welchen die t'rage der Sinus- 
thrombose — und zwar nach Freilegung des Sinus — im post- 
operativen Stadium entschieden werden soll. Vor anderen 
Symptomen hat das Schluckphänomen dagegen den Vorzug, 
daß der Sinus nur inspiciert und nicht palpiert, gedrückt, 
punktiert oder gar inzidiert zu werden braucht. Wenn also 
künftig in geeigneten Fällen der Operateur neben den anderen 
Kennzeichen der Sinusthrombose auch den Schluckakt zur Prü- 
fung heranziehen wird, so ist es von großer Bedeutung, zu wissen, 
welcher Wert diesem Symptom zukommt. 

Daß die durch den Sehluckakt erzeugte Blutwelle sich in 
der freigelegten Strecke des Sinus nicht bemerkbar machen wird, 
wenn diese selbst von einem festen obturierenden Thrombus aus- 
gefällt ist, dürfte keinem Zweifel begegnen. Wie sollte hier auch 
das Auseinanderweichen und Zusammenfallen der Venenwände 
zustande kommen? Ebensowenig dürfte, wenn die freigelegte 
Strecke selbst zwar mit flüssigem Blute erftlllt ist, sich aber 
unterhalb derselben ein fest an allen Seiten der Venenwand 
adhärenter Thrombus befindet, die Blntwelle bis in den Sinus 
hinaufsteigen. 

1) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XXX. 



180 



XV. 8A0HS 



Stillstand der Sinnswand beim Schlackakt be- 
deutet also entweder ThromboBC des freigelegten 
Stflckes selbst oder eines Abschnittes d es Yenenrohrs 
unterhalb der beobachteten Strecke. 

Wie verhält es sich aber, wenn in dem unterhalb der frag- 
lichen Strecke gelegenen Teile des Sinns ein Thrombns sich su 
bilden beginnt? Ein solch jnnger Thrombos ist jedenfalls ein 
recht zartes Gtobilde, das zwar noch niemand intra vitam direkt 
hat entstehen und wachsen sehen, das wir uns aber als ein ans 
mikroskopisch feinen Fäden gebildetes, vielfach verflochtenes, mit 
Zellen und Flüssigkeit erfüllltes Netzwerk vorstellen müssen. So- 
lange der Thrombus wandständig ist, wird die Blntwelle un- 
gehindert, wenn auch geschwächt passieren. Das positive Sehlnok- 
phänomen, wenn es nicht gerade außerordentlich kräftig vorhan- 
den ist, kann also zu falschen Schlllssen f&hren. 

Aber selbst bei vollkommen verstopfender Thrombose fragt 




Figur 2. 



es sich, ob nicht ein zarter, wenig ausgedehnter, wenig kon- 
sistenter Thrombns doch die Bewegung des Sohluokakts weiter 
leiten kann. Um dieser Frage experimentell, wenn auch nur 
in grober Weise, nahe zu treten, nahm ich eine Glasröhre von 
der hier (Fig. 2) dargestellten Krümmung und verband deren 
Enden durch den etwa 50 cm langen , dünnwandigen Gummi- 
schlauch a b c d e. In diese ßöhrenleitung füllte ich Wasser der- 
art, daß am Scheitel .der senkrecht stehenden Glasröhre eine 
Luftblase stehen blieb (x y), welche die Konfiguration wie auf der 
Abbildung hat. Bei e steckte ich in den Anfang der Glasröhre 
einen Wattepfropf von V^ cm Länge (W). Dieser letztere stellt 
den Thrombus dar; e a b ist der Sinus, die Seite e d o ist die 
herzwärts gelegene Strecke der Vena jugularis. Die Luftblase 



Zur Diagnostik der Sinosthromboie. 181 

dient als lodikator f&r eine in der Flüssigkeit stattfindende Druck* 
Schwankung (Sehluckbewegnng). 

Steckt der Wattepfropf sehr fest, ist er mittelst Sonde so 
fest in die Röhre gepreßt, daß Wasser nur noch in nnbedeaten- 
der Weise anströpfelt, so pflanzt sieh ein bei b, c oder d auf das 
Grummirohr ausgeübter Druck nur in der Sichtung d c b a fort, 
es bewegt sich nur der Meniskus x; y bleibt in Ruhe, d. h. d^ 
Widerstand bei e ist so groß, daß er durch den erwähnten 
Dmek nicht ttberwunden werden kann. Diese Anordnung ent* 
spricht dem Verhalten bei festem, etwas älterem obturierenden 
Thrombus« Wird der Wattepfropf ebenso lang gemacht ^), aber 
nur mäßig fest in die Glasröhre gepreßt (zarter Thrombus im 
Beginn seiner Bildung), so markiert sich ein bei b und o aus- 
geübter Druck zunächst nur bei x, ein bei d ausgeübter Druck 
markiert sich bei x und y, die beiden Flüssigkeitsmenisken 
nähern sich einander; y wird um so mehr bewegt, je mehr man 
sich mit dem Druck e nähert. Wird ferner im Verlaufe der 
Gummiröhre ein geringfügiger Widerstand geschaffen (Exspira- 
tionszustand oder Yorhofsystole ), so kann auch ein zwischen c 
und d oder gar zwischen b und c applizierter Druck bei y sich 
geltend machen. Der mäßig feste Wattepfropf hindert also die 
Fortpflanzung des Druckes nicht. Man kann sich überzeugen, 
daß er die Stärke und Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Druckes 
herabsetzt, wie das ja leicht verständlich ist (Reibung in den 
vielen Kapillaren der Watte). Man wird einwenden, daß unter 
den VerhältDissen des lebenden Menschen in der herzwärts ge- 
legenen Jngularisstrecke ein negativer Druck herrscht, daß also 
der durch den Schluckakt ausgeübte Druck spielend leicht seine 
Wirkung herzwärts äußern wird, dagegen nicht durch den Throm- 
bus hindurch, selbst wenn dieser noch so zart wäre. Dagegen 
muß man aber bedenken, daß der in Frage stehende Druck, der 
an sich kein geringer ist, seinen Angriffspunkt wenige Zentimeter 
von der Stelle der Beobachtung (am Sinus) hat, und daß unter 
gewissen Verhältnissen (Exspirationsphase und Vorhofsystole) in 
der Jugularis ein geringer positiver Druck vorhanden ist. und 
in der Tat, wenn man den Widerstand in der Strecke d c auf 
ein Minimum herabsetzt dadurch, daß man den Gummischlauch 
bei c einfach unterbricht, auch dann gibt y noch einen deutlichen 
Ausschlag, wenn ein Druck innerhalb cde appliziert wird. Am 

1) Dieser Versuch gelingt in gleicher Weise, wenn auch der Watte- 
pfropf 1 — 2 cm lang ist. 



182 



XV. SACHS, Zar Diagnostik der Sinusthrombose. 



Lebenden könnte man, um die Wirkung des negativen Drucks 
in der Jugularis auszusehalten, diese am Halse mit dem Finger 
komprimieren. 

Wenn man annimmt, daß zwischen den Maschen eines 
frischen, zarten, nicht ausgedehnten Thrombus eine gewisse Menge 
Flüssigkeit, Blutplasma, vorhanden ist, wie zwischen den Fasern 
des Wattepfropfs, so wird es nicht unmöglich sein, daß der Drnok 
des Schluckakts sich durch die kontinuierliche Flfissigkeitssänle 
fortpflanzt. Trotzdem möchte ich auf Grund des Experiments 
und der theoretischen Überlegungen allein diese Möglichkeit 
niclxt behaupten. Es wird vielmehr Sache der klinischen nnd 
pathologiseh*an atomischen Untersuchung sein festzustellen: 

1. Ob das Schluckphänomen am gesunden Sinus 
so konstant ist, daß man aus seiner Abwesenheit auf 
Thrombosierung schließen darf. 

2. Ob es auch bei Vorhandensein eines zarten, 
wenig umfangreichen obturierenden Thrombus posi- 
tiv ausfällt. 

Wenn sich nur Nr. 1 bestätigt, so wird das Schluckphäno- 
men als wertvolles diagnostisches Mittel der Sinusthrombose ver- 
wertet werden dürfen. 



XVI. 

Aus dem pathologisch-anatomischea Institnt (Vorstand: Hofrat 

Professor Weiohselbaum) in Wien. 

Zur Pathologie und pathologischen Anatomie der 

kongenitalen Tanbheit. 

Von 

Privatdozent Dr. O. Alexander, 

Assistent der Univeisitäts-OhrenkUnik (Yozstand Hofrat Professor Politzer) in Wien. 

(Mit 2 Abb. im Text und Taf. III— VIII.) 

Die Kenntnis der Anatomie der angeborenen Taubheit hat 
in neuerer Zeit duroh eingehende, histologische Untersuchungen 
eine wesentliche Bereicherung erfahren. Hier sind die Arbeiten 
von Politzer, Scheibe, Siebenmann und Oppikofer zu 
nennen, die sich sämtlich auf menschliches Material beziehen. 
Nicht minder wichtig hat sich die Untersuchung von Tieren mit 
angeborenen Labyrinthanomalien erwiesen (taube Katzen [Ale- 
xander]), Tanzmäuse (Alexander und Kreidl), wobei man 
imstande ist, lebensfrische Objekte in größerer Zahl zu ver- 
arbeiten und deren Befunde mit denjenigen von Menschen in volle 
Analogie gebracht werden können. Wie sehr wir durch diesen 
Umstand bei der anatomischen Untersuchung menschlichen Ma- 
teriales gefordert werden, ist aus der kürzlich erschienenen 
Arbeit von Oppikofer ersichtlich und geht auch aus meiner 
folgenden Mitteilung hervor. 

Die Krankengeschichte des Falles, f&r deren Überlassung ich 
Herrn Primararzt Frank bestens danke, und eine Anfrage, die 
ich an die Heimatsbehörde des Patienten gerichtet habe, ergaben 
folgende Daten : Franz P. , 35 Jahre alt , geboren in Eichberg, 
N.-Ö. Vor seinem Aufenthalte in Wien lebte Patient bis 1899 als 
Insasse des Armenhauses zu Weitra. Psychisch galt er als 
normal, war jedoch in seinem Heimatsort als verschlossener, ein- 
sam lebender Mensch bekannt. 



184 XYI. ALEXANDER 

Die Aufnahme des Patienten in das k. k. allgemeine Kranken- 
haas in Wien erfolgte am 20. April 1901 (Protokollnnmmer 54, 
Jonrnalnnmmer 9701). 

Anamnese: Patient ist seit frühester Kindheit tanbstnmm, 
anscheinend etwas imbezill. Vor einem Jahre stürzte er bei einer 
Banarbeit ans einer Höhe von mehreren Metern und soll anf das 
Perinaeum aufgefallen sein. Es ergab sieh keine äußere Yer- 
letzungy wohl aber floßBlnt duroh die Urethra ab. Seit einigen 
Monaten bestehen Urinbeschwerden und Fieberersoheinungen, 
welche den Patienten veranlaßten, das Spital aufzusuchen. 

Status praesens und Verlauf: Die Untersuchung des 
Urogenitalsystems ergibt, 19 cm vom Orificium urethrae externnm 
entfernt, eine impermeable Striktur der Urethra und eine schwere 
Cystopyelonephritis. Septikämie, wiederholt Schüttelfröste, inter- 
mittierendes Fieber. Unter den Erscheinungen der Septikämie 
(Schüttelfröste, Fieberbewegung von 36,3 — 40,2 0) erfolgte am 
8. Mai 1901 Exitus letalis. 

Sektion (Dr. Stoerk): Cystopyelonephritis, hochgradige 
Striktur innerhalb des prostatischen Teiles der Urethra, nnß- 
großer alter Abszeß der unteren Seite der Prostata oberhalb der 
Striktur, leichtes Atherom der Aorta thoracica mit Geschwürchen 
und multiplen Auflagerungen, multiple Infarkte der Milz; die 
stenosierte Stelle der Urethra fUr eine dünne Sonde durchgängig, 
davon fächerförmig in den Schwellkörper ausstrahlende Narbenzflge. 
In den inneren Organen keine nachweisbaren Mißbildungen. — 

Die makroskopische Sektion beider Schläfenbeine ergibt: 
Rechtes Ohr: Im Gehörgang wenig Gemmen, erhaltener 
Teil der Tube unverändert, Dura normal, mit dem Knochen ziem- 
lich fest verbunden, im Aquaeductus vestibuli fehlt die knöcherne 
Deckplatte, so daß dieser Kanal mit weiter, geräumiger Öffnung 
an der Hinterfläche des Felsenbeins endet; infolgedessen zeigt 
sich auch der Saccus endolymphaticus stark erweitert. Pauken- 
höhle und Paukenhöhleninhalt vollkommen normal. Der Steig- 
bügel zeigt an seinem hinteren Schenkel zwei sehmale, zarte 
Ligamente. In der Gegend der Fenestra Cochleae keine siebt- 
baren Veränderungen, die knöcherige Decke des Nervus facialis 
in der Regio fenestrae vestibuli sehr zart, der Nerv duroh sie 
hindurchscheinend. Trommelfell auffallend oval, mit Verlänge- 
rung der Hammergriffachse, wodurch das Trommelfell einiger- 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit. 18Ö 

maßen dem mancher Sänger (besonders Wiederkäuer) ähnlieh wird« 
Das Trommelfell mißt in seinem Hammergriffdarohmesser 11 mm« 
Im übrigen sind Trommelfell, Trommelhöhle nnd Trommelhöhlen- 
inhalt vollkommen normal. Keine krankhaften Veränderungen 
an der Carotis und den regionären Blutleitern, Sinus transversus 
weit, der Bulbus venae jugularis von mittlerer Höhe, beide ent- 
halten dunkelrote, die Carotis gelblichweiße Gerinnsel. Die Cor- 
ticalis des Warzenfortsatzes dick, sein Inneres diploetisch-pneu- 
matisch, die Schleimhaut unverändert. Der obere Schenkel des 
hinteren, knöchernen Bogenganges wie beim Kinde vorspringend 
und nicht von Knochen gedeckt 

Linkes Ohr: Gehörgang wie rechts, die Apertura externa 
aquaeductusvestibttli über hanf korngroß, grubig vertieft, der Aquae- 
ductus an der Mündungsregion erweitert (Taf. III/IV, Fig. 1, Aae), 
Dura und Saccus endolymphaticus wie rechts. Die linke Pauken- 
höhle und das linke Antrum sind von dickem, fadenziehenden, nicht 
fotiden Eiter erfQilt. Trommelfell verdickt, während die Schleim- 
hautfläohe aufgelockert ist, keine Perforation, Paukenhöhlen- 
inhalt und Tube gestaltlich normal, die Schleimhaut injiziert. 
An der medialen Seite wird der Eiter bis zum sichtbaren Steig- 
bügelköpfchen abgetupft, der Steigbügel selbst fast unbeweglich, 
die regionären Blutgefäße wie rechts, Corticalis des Warzenfort- 
satzes wie rechts. Inneres pneumatisch, einige Zellen enthalten 
Eiter, der vollkommen mit dem in:der Paukenhöhle gefundenen 
Eiter übereinstimmt. Gestalt und Größe des] Trommelfelles wie 
rechts. 

Beide Schläfenbeine werden in der üblichen Weise in den 
Felsenteil und den lateralen Abschnitt zerlegt und nach Eröffnung 
des oberen Bogenganges und des vorderen Schneckenkontures 
auf Stecknadelkopfgröße (mit der Feile) in Müller- Formalin 
(10:1) 10 Stunden post mortem eingelegt. 

Untersuchungsmethode: Nach 48 Stunden wurden die 
eingelegten Stücke in steigendem Alkohol nachgehärtet und nach 
dem Vorschlage von Seh äff er in Celloidin eingebettet. Erst die 
in Celloidin eingebetteten Stücke wurden entkalkt. 
Da durch die Einbettungsmasse die hä^utigen Teile 
vor artefizieller Verlagerung und Zerreißung ge- 
schützt sind, konnte ohne Schaden für die histolo- 
gische Struktur lOproz. Salpetersäure als Entkalkungs- 
flüssigkeit verwendet werden. Die Entkalkung war nach 
10 Tagen vollendet, sodann folgte Waschen in fließendem Wasser 

Archiv f. Ohrenheilkunde. LXI. Bd. 13 



186 XYL ALEXANDER 

durch 24 Stunden und Naohhärtnng in 80 Proz. Alkohol (bis znr 
Schnittf&higkeit). 

Beide Felsenbeine wurden in vollkommene Schnittserien zer- 
legt (Schnittdieke 15 — 20/u). Die Hauptserie wurde mit Häm- 
alaun-Eosin, jeder achte und neunte Schnitt nach van Gieson 
bezw. Weigert-Kulschitzky gefftrbt 

Mikroskopischer Befund: 
Rechte Seite. 

A. Pars superior. Bogengänge, Ampullen und ütricnlus 
vollkommen normal gestaltet. Das Epithel der Macula utriculi 
an manchen Stellen niedriger als sonst, an anderen aufTallend 
dichte Anordnung der Stützzellen mit Verringerung der Zahl der 
Haarzelleu in derselben Region. Die Cristae ampullares und die 
Gupulae verhalten sich histologisch vollkommen normal. Alle vier 
Nervenendstellen etwas kleiner als in der Norm. 

B. Pars inferior. Sacculus und Ductus reuniens sind nor- 
mal geformt. Die Macula sacculi, besonders in der Richtung der 
Längsachse des Sacculus verkleinert, das Maculaepithel selbst 
niedriger als in der Norm. Statolithenmembran und Statholithen 
wie an der Macula utriculi vorhanden. Die freie Sacculuswand 
zeigt sich durch Verdichtung der subepithelialen, perilymphati- 
schen Gewebsschichte verdickt, die strukturlose subepitheliale 
Zone überall fehlend, nirgends Faltenbildungen im Epithel. 

Der Vor ho fs blindsack gibt ovalen Querschnitt. Er ruht, 
wie Sacculus und Ductus reuniens, auf dem breiten Bindegewebs- 
polster, durch welches sich das Ligamentum spirale des Sehneoken- 
kanales in den Vorhof fortsetzt. Seine periphere, freie Wand ist 
gegenüber der Norm verdickt, und zwar, wie die Sacculuswand, 
durch Dickenzunahme der subepithelialen, perilymphatischen 
Schicht. An seiner basalen Wand findet sieh die Stria vascularis 
bis in den Grund des Blindsackes fortgesetzt. Sie ist patholo- 
gisch derart verändert, daß sie stellenweise schmäler ist als sonst, 
stellenweise dagegen im Querschnitte hügelformige, im ganzen also 
leistenartig in das Lumen vorragende Verdickungen aufweist, 
welche eingelagerten Blutgefäßen entsprechen. Diese Blutgefäße 
sind an einzelnen Regionen wegsam, an anderen obliteriert. In 
denjenigen Regionen, in welchen die Stria atrophisch ist, fehlen 
die Blutgefäße vollkommen, und die Stria ist daselbst aus zwei 
Schichten, aus einer am Lumenrand gelegenen epithelialen und 
einer darunter gelegenen bindegewebigen Zone aufgebaut. Das Epi- 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit. 187 

thel färbt sich hier mit Protoplasmafarben stärker als das Binde-* 
gewebe. Und so können an manchen Siellen die Zellkörper des 
Epithels weit in den bindegewebigen Teil verfolgt werden, und 
damit wird in dieser pathologisch veränderten Stria vasoularis 
das Epithel den dentritisch verzweigten Epithelzellen des Snlcns 
spiralis externns ähnlich, welche, wie Ret z ins an Silberpräpa- 
raten, nnd ich selbst bei geeigneter Schnittrichtnng an gewöhn- 
lichen Hämalann - Eosinpräparaten (am Meerschwein, Katze nnd 
in einigen Fällen anch beim Menschen) nachweisen konnte, weit 
verzweigte Protoplasmafortsätze in das Ligamentum spirale ent- 
senden« Dnrch diese Fortsätze wird eine innige Verschmelzung 
des epithelialen Teiles der äußeren Schneckenkanalwand mit dem 
bindegewebigen Teil hervorgerufen. 

Vorhofsabschnitt des Schneckenkanales: Die Blut- 
gefäße am Promontorium stark entwickelt, häutiger Kanal in seiner 
Gestalt normal (Taf. III/IV, Fig. 2, Pvdc), Membrana vestibularis 
vollkommen intakt, geradlinig den Kanal abschließend, die La- 
mina propria der Basilarmembran verdickt, deutlich radiär ge- 
streift, tympanale Belegschicht vorhanden, Grista spiralis breit 
und flach. Die kernlose Zone der Crista fehlt fast vollständig 
(Taf. III/IV, Fig. 2, Csp), dagegen ist die fibröse unterste Lage stark 
entwickelt, auf welche in diesem Falle unmittelbar das Epithel 
folgt Die Basen der Epithelzellen gehen dabei unter vollstän- 
digem Verstreichen der Epithelzellgrenzen kontinuierlich in das 
Bindegewebslager über. Die Cortische Membran reicht bis in 
den axialen Winkel des Ductus cochlearis, ist jedoch klein und 
besonders in ihrem peripheren, freien Teile atrophisch (Taf. III/IV, 
Fig. 2, Mc). Sie endet mit scharfem, peripheren Bande, der zu- 
meist gegen den Sulcus spiralis internus herabgesunken ist; im 
Querschnitte lassen sich an der Membran außerdem knötchen- 
förmige, protoplasmatische Verdickungen nachweisen, die halb- 
kugelig oder keulenförmig über den Kontur der Membran vor- 
springen. Die Membran zeigt die gewöhnliche Streifung. 

Das Ligamentum spirale ergibt normale Qnerschnittsform und 
fast vollständig normalen Bau (Taf. III/IV, Fig. 2, Lsp), nur an man- 
chen Stellen sind helle, homogene Felder sichtbar, in welchen 
die Zellen offenbar zugrunde gegangen und die Grundsubstanz 
(hy dropische Degeneration?) verflüssigt ist. Der Sulcus spiralis 
externus, die Prominentia spiralis mit dem Vas prominens fehlen 
(Taf. III/IV, Fig. 2, Lsp). Die Stria vascularis zeigt sich nur unge- 
fähr in ihrem mittleren Drittel erhalten darüber und darunter ist 

13* 



188 XVI. ALEXANDER 

fiie gesohwnnden und dafür ein einfaches plattes bis kubisches 
Epithel eingetreten. Anch im erhaltenen Teile ist die Stria 
niedriger als sonst, blntgefllßarm, stellenweise blntgefftßleer. 

Die Papilla basilaris fehlt vollständig. Es sind weder Haar- 
noeb Pfeilerzellen, noch die Stfitzzellen an der axialen und peri- 
pheren Seite der Papille vorhanden, und die Membrana basilaris 
ist somit an ihrer endolymphatischen Seite entweder frei oder von 
einem einfachen Plattenepithel mit äußerst spärlichen Kernen be- 
deckt (Taf. III/I V, Fig. 2, a). Sowohl im endo- als perilymphatischen 
Teile sind geringe, frische Blutungen nachweisbar. Am Über- 
gänge des Vorho&abschnittes in die erste Windung geht die Stria 
vollkommen verloren und ist dann am ganzen Querschnitte durch 
ein einfaches Plattenepithel ersetzt, dagegen tritt an derselben 
Stelle der Sulcus spiralis externus auf Dieser letztere erscheint 
sodann, wie die ganze Breite der Lamina spiralis und der Sulcus 
spiralis internus, von einem kernarmen Plattenepithel bekleidet. 
Im Ligamentum spirale ergaben sich am Übergänge des Vorhofs- 
abschnittes in die erste Windung große präformierte, von einem 
Endothel bekleidete Räume, die sich als Schrägschnitte eines Ge- 
fäßgeflechtes darstellen, keinen färbbaren Inhalt besitzen und als 
Lymphgefäße gedeutet werden mttssen. 

Basalwindung: Membrana vestibularis histologisch und 
topographisch unverändert, stellenweise verdickt (Taf. V/VI, Fig. 12, 
Mv), Membrana basilaris normal, tympanale Belegschicht stark 
entwickelt, Crista spiralis wie im Vorhofsabschnitte (Taf. V/VI, 
Fig. 12, Csp), Membrana Corti atrophisch, doch überall vorhan- 
den (Taf. III/IV, Fig. 6). Das Ligamentum spirale zeigt die charak- 
teristische Gestalt mit deutlich vorhandener Prominentia spiralis 
und zumeist erhaltenem Vas prominens (Taf. V/VI, Figg. 8, 9). Das 
Vas spirale fehlt. Das Ligamentum spirale ist faser- und zellarm 
(Taf. V/VI, Fig. 17, Lsp), an vielen Stellen ist das Ligamentum 
vollkommen verflüssigt, und nur entsprechend dem äußeren Kontur 
der Stria zeigt das Bindegewebe des Ligaments an einzelnen 
Stellen substanzielle Verdickung. Die Stria vasoularis ist in 
schmaler Zone als geftßfbhrender Streifen erhalten, sonst voll- 
kommen zugrunde gegangen und durch ein kubisches (Taf. V/VI, 
Fig. 8, ai ) bis plattes Epithel ersetzt, auf welches nach außen eine 
schmale, dichte Bindegewebszone folgt. An manchen Stellen sieht 
man sowohl an den atrophischen als an den normalen Partien 
kleine, zystenähnliche Bläschen (Taf. V/VI, Fig. 9, 10, 11), die 
gegen das endolymphatische Lumen von einem Plattenepithel, 



Zur Pathologie und pathblog. Anatomie ier kongenitalen Taubheit 189 

das deutliche Kerne zeigt, begrenzt sind und peripberiewärts in 
das Gewebe der Stria oder das Ligamentum spirale vorragen. 
Die Bläschen führen einen, mit Hämalann gefilrbten, zumeist 
homogenen Inhalt. An manchen Stellen läßt der Inhalt zarte 
Streifen erkennen, an anderen endlich enthält er kernähnliche 
Elemente (Taf. V/VI, Fig. 10, Cy), die frei in den homogenen 
Inhalt eingetragen sind. Die Papilla basilaris ist der Form nach 
znoächst überall deutlich sichtbar, sie besteht aus einem Zell- 
htigel von vollkommen charakteristischer Gestalt, in welchem je- 
doch nur hier und da Zellteile ,'zu finden sind, die als Abschnitte 
oder Beste der Pfeiler (Taft V/VI, Fig. 15, a) oder Phalangenzellen 
gedeutet werden können (Taf. V/VI, Fig. 9, Pb). Haarzellen sind 
nirgends vorhanden. Mit der Mitte der Papille steht die C ort i- 
sche Membran zumeist in kontinuierlichem Zusammenhange 
(Taf. V/VI, Fig. 17, Pb, Mo), ohne daß aber Haarfortsätze hier 
unterschieden werden können. Es ist nicht ausgeschlossen, daß 
es sich hierin einfach um eine protoplasmatische Verklebung 
der Lamina reticularis und der Unterfläohe der Gortischen 
Membran handelt. Axial- und peripberiewärts schließt sich an 
den geschilderten Zellhtigel das Epithel an, welches den Sulcus 
spiralis externus und internus auskleidet (Taf. V/VI, Fig. 17, Sspi, 
Sspe). Dabei ist vor allem auffallende Plattheit der Zellen des 
Sulcus spiralis internus zu bemerken (Taf. V/VI, Fig. 17, Sspe). 
Die peripheren Zellgruppen sind alle vorhanden (Claudius-, 
Böttchersehe Zellen), ebenso das Epithel des Sulcus spiralis 
externus. Der Hügel, der am Radialschnitte der Hen senschen 
Zellgruppe entspricht, ist vorhanden, der Hensensche Bogen da- 
gegen von Zellen ausgefällt, von welchen sich nicht sicher sagen 
läßt, ob sie Epithel- oder Bindegewebszellen darstellen (Taf. V/VI, 
Fig. 16, 17, H). Jedenfalls aber ergibt sich, daß der Raum zwi- 
schen den Haarzellen und der Hensensche Raum vollkommen 
von Zellen erfüllt ist, und nur hier und da der Pfeilerraum noch 
Wegsamkeit zeigt (Taf. V/VI, Fig. 15, a,b). 

An manchen Stellen ist die Cor tische Membran atrophisch, 
geschrumpft, zumeist im Sulcus spiralis internus gelegen. Im 
Sulcus spiralis externus und an der axialen Abdachung der 
Papille zeigen die Epithelzellen auffallend starke Kern- und 
Protoplasmafilrbung (Taf. V/VI, Fig. 17, H, Sspe). An einzelnen 
Stellen fehlt die Stria vollkommen bei starker Entwicklung der 
schon oben erwähnten zystenähnlichen Blasen, so daß es scheint 
als ob diese letzteren dem Untergange des Striage- 



190 XVI. ALEXANDER 

webes ihre Eatstehung verdanken, da sie besonders an 
denjenigen Stellen zu finden sind, an welehen zum mindesten 
ein Teil der Stria vasenlosa fehlt (Taf. V/VI, Fig. 9, Cy, Str). Es 
finden sieh dann Bilder, in welchen einzelne Blutgefäße, in Binde- 
gewebe eingebettet, unter den Zysten gelegen sind. 

Der besohriebene Bau entsprioht ungefähr dem mittleren 
Drittel der Windungen. Gegen den Vorhof verstreicht die Papille 
und ergibt sieh allmählich der Quersehnitt der vollkommen atro- 
phierten Nervenendstelle (Taf. V/VI, Fig. 8) bei totalem Defekte 
der regionären Nervenfasern und des Ganglion spirale, aber anch 
nach aufwärts gegen das Ende der ersten Windung stellt sich 
völliger Defekt der Papille her, und einfaches Plattenepithel be- 
kleidet die Membrana basilaris und die beiden Sulei spirales an 
ihrem endolymphatischen Kontur. In diesen Begionen fehlt die 
Stria vollständig und wird durch ein einfaches kubisches Epithel 
ersetzt (Taf. V/VI, Fig. 8, a, ai), unter welchem das Bindegewebe 
des Ligamentum spirale in unmittelbarer Nachbarschaft häufig 
dichter angeordnet ist als sonst. Blutgefäße sind nur spärlich vor- 
handen. 

Die Membrana vestibularis ist im axialen Teile dicker als 
im peripheren durch Zunahme des Epithels bis auf Eubushöhe. 
Geringe frische Blutungen im peri- und endolymphatischen Banme. 
Das Ligamentum spirale ist nach oben und unten ausgedehnt, 
so daß die Scalae in ihren peripheren Teilen von einer breiteren 
Bindegewebszone (entsprechend einer breiteren endostalen peri- 
lymphatischen Schichte), ausgekleidet sind als sonst (Tafel V/VI, 
Fig. 9, b). 

Mittelwindung. Schon nach Übergang der basalen in 
die Mittelwindung wird der häutige Kanal am Querschnitte immer 
niedriger (Taf V/VI, Fig. 1 7), und nimmt mehr Spaltform an, 
die er besonders im oberen Teil der zweiten Windung vollkommen 
erreicht (Taf. III/IV, Fig. 6, Dc2). Hieraus folgt vor allem eine 
Verkleinerung in den höher gelegenen Stellen der Windung, durch 
Auftreten der sekundären Verlötnngen der endolymphatischen 
Wände untereinander eine Parzellierung und teilweise Verödung 
der endolymphatischen Lumina (Taf. VII/VIII, Figg. 19, 2l,De2). 

Die Membrana basilaris ist auffallend dünn und zart 
(Taf. VII/VIII, Fig. 21, Mb), die Membrana vestibularis histologisch 
unverändert (Faf. VII/VIII, Fig. 19, 21, Mv). An der peripheren 
Wand sind fast nur die Wandteile des Ligamentum spirale stehen 
geblieben, während das Innere fast vollständig verflüssigt und 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit. 191 

nur von vereinzelten Bindegewebssepten durchzogen ist nnd 
keinen sonstigen färbbaren Inhalt erkennen läßt (Taf. YII/VIII, 
Fig. 18, Do2, Lsp). Die Stria ist an vielen Stellen vollkommen 
zugrunde gegangen und durch ein plattes bis kubisches Epithel 
ersetzt, an das sieh nach außen eine scharf konturierte, schmale, 
dichte Bindegewebszone anschließt (Taf. VII/VIII, Fig. 18, Stv). 
In diesen Regionen fehlen die Blutgefäße, aber auch an den 
Stellen, an welchen die Stria noch in funktionsfähiger Gestalt 
erhalten ist, zeigt sich ein abnormer Bau: Vor allem bedeu- 
tende Blutgefäßarmut, und hier und da die schon in der ersten 
Windung gefundenen zystischen Räume. Die Wand dieser Zysten 
wird von platten, gedehnten Epithelzellen gebildet, der Inhalt ist 
blaurot gefärbt, stellenweise homogen, sonst mit Einlagerungen, 
die am ehesten gequollenen Kernen, also Zellresten entsprechen, 
vergehen. Allem Anscheine nach handelt es sich um hydropische 
oder hyaline Degeneration der Stria vascularis, an einzelnen 
Stellen ist die Inhaltsmasse fast homogen, so daß in ihr nur eine 
Andeutung von Kernen vorhanden ist, und schon die Kugelform 
der einzelnen Gebilde und der Umstand, daß die oberste Epithel- 
sehieht stark abgeplattet ist, deutet auf eine degenerative Volum- 
zunahme dieses Abschnittes. An anderen Zellen findet sich ein 
solider, halbkugelig in das endolymphatische Lumen vorspringen- 
der Zellhügel (Taf. VII/VIII, Fig. 18, a). 

An einer umschriebenen Stelle fand ich die gleichfalls zu- 
grunde gegangene Stria durch ein einschichtiges Epithel er- 
setzt, das vereinzelte Blutgefäße zwischen sich faßt (Taf. V/VI, 
Fig. 17, a). 

Die Papilla basilaris ist zumeist in normaler Qnerschnittsform 
vorhanden (Taf. VII/VIII, Fig. 18, 19, 21, Pb), doch überwiegen 
bei weitem die Stützelemente über die Sinneszellen. An ein- 
zelnen Stellen hat sich das Epithel des Sulcus spiralis internus 
verdoppelt, so daß an der medialen Abdachung der Papille ein 
Zellhügel entsteht, der mit dem Hensen sehen Hügel an der 
lateralen Abdachung der Papille in Gestalt und Bau überein- 
stimmt (Taf. VII/VIII, Fig. 21, Sspi, a). Hervorzuheben ist auch 
die starke Zellfärbung der Stützzellen der Papille im Verhältnis 
zur schwachen Tinktion der regionär vorhandenen Pfeilerreste 
oder Reste der Haarzellen. Der Tunnelraum ist zumeist vor- 
handen, die Tunnelfasern fehlen (Taf, VII/VIII, Fig. 21, Pb). 

Die Membrana reticularis ist deutlich in Form eines stark 
lichtbrechenden Streifens an der Papille sichtbar (Taf. VII/VIII, 



192 XVL ALEXANDER 

Fig. 21, Mr), die Böttoherschen und Glaudinssehen Zellen sind in 
Form eines schönen kubischen Epithels, das innere Snlcnsepithel 
als Plattenepithel vorhanden (Taf. VII/VIII, Fig. 21, B, Sspi). Die 
Hensensehen Zellen zeigen sich an manchen Stellen stärker 
tangiert als die Zellen der Umgebung (Taf, V/VI, Fig. 17, H; 
Taf. VII/VIII, Fig. 21, H). Das Vas prominens fehlt überall, zu- 
meist auch die Prominentia spiralis. Die Crista spiralis ist außer- 
ordentlich niedrig, der kernlose Bezirk fehlt in ihr beinahe yoU- 
»tändig (Taf. V/VI, Fig. 17, Csp). Zwischen ihrer oberen Fläche 
und der Corti sehen Membran befindet sich eine mit Eosin tingierte, 
stark lichtbrechende, homogene Schichte (Taf. VII/VIII, Fig. 21, 
b), oder Sehollen von gleicher Beschaffenheit. 

Die Corti sehe Membran selbst ist flach und zeigt ein oder 
mehrere gegen die Basilarmembran gerichtete, leistenartige Er- 
hebungen (Taf. V/VI, Fig. 17, Mc, Taf. VII/VIII, Fig. 18, Mc). Sie 
steht mit der oberen Fläche der Papille in kontinuierlichem Zu- 
sammenhange., an manchen Stellen scheinbar durch erhaltene 
Haarfortsätze (Taf. VII/VIII, Fig. 21, c), an anderen durch 
flächenförmige Verklebungen. Anscheinend protoplasmatische, 
homogene Kugeln finden sich der Papillenoberfläche und der 
Gor tischen Membran aufgelagert und hier und da auch in dem 
stark verengten Sulcus spiralis internus. 

Die Veränderungen, die sich im oberen Teile der Mittel- 
windung finden, sind durch den fehlenden Abschluß des 
knöchernen Schneckenrohres an der Seite der Scala 
tympani gegen die Basalwindung charakterisiert 
(Taf. III/IV, Fig. 6, Svi, St2). Ein ganz gleiches Verhalten findet 
sich an der Spitzenwindung gegenüber der Mittelwindung. 
Ahnlieh wie am Helicotrema verliert nämlich die 
untere (basale) Wand des knöchernen Schnecken- 
rohres ihre Haftlinie am Modiolus (Taf. III/IV, Fig. 6, 
a, ai) und verstreicht mit einem axialwärts konkaven Bande 
(Textfig. 1, a). Hierdurch gelangt zunächst die Scala tympani 
wie am Helicotrema mit der Scala vestibuli in Zusammenhang, 
und nach vollständigem Schwund des Septums ist die 
Membrana basilaris der Mittelwindung direkt über 
der Membrana vestibularis der Basalwindung gelegen. 
(Tafel III/IV, Fig. 6, Sc). 

Weiters schwindet im oberen Teile der Mittelwindung auch 
das Knochengewebe in der Schneckenaxe, und die Spitzen- 
windung stellt sich als einfacher Aufsatz der Mittelwindung dar, 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit 193 

ans welehcir sie gleichsam ans der Fortsetzung der Vestibnlar- 
membran herForgeht (Taf. VII/VIII, Fig. 22, a). Die regionären 
Nervenzüge werden nur von perilymphatisehem Bindegewebe 
umgeben (Taf. III/IV, Fig. 6, No, No); 

Noeh komplizierter wird aber die Topik in Kappelteile 
der Schnecke dadurch, daß nach aufwärts vom Defekt des knö- 
ehernen Scalenseptnms in kurzer Strecke sich ein membranöses 




Fig. 1. Axialer Yertikalschnitt durch die knöcherne Schnecke des Ta ab- 
stammen: Defekt der Skalensepta von der Mitte der Basalwindung nach auf- 
wärts. Partieller Defekt des Modiolus und der Lamina spiralis ossea des 
Schneckenkörpers. Vergr. 20 : 1 lin. (S. auch Taf. III/IV, Fig, 6.) 



Septum findet, das von der Vestibularmembran in Form einer 
nach oben gerichteten Aussackung (Taf. VII/VIII, Fig. 18, a) 
hervorgeht und topographisch (allerdings nicht bis an die Achse 
heranreichend unter der Spitzenwindung einen einer Scala tympani 
entsprechenden Spaltraum abgrenzt. 

Aus diesen topischen Verhältnissen folgt, daß in 
den axialen Abschnitten der Mittelwindung die Reiß- 



lU XVI. ALEXANDER 

nersobe Membrao beider Seiten keine axiale Inser- 
tion b b t e 1 1 e b e i 1 1 1 (Taf.VII/VIII, Fi^. 22, Mr), sondern Biob sxial- 
wfirte erbebt nnd einerseits in die Basilarmembran der Spitzen- 
vindnng, andererseits in die Membrana vestibnlaris dieser Windnng 
übergebt. Durch eine Etnsenknng an dieser letzteren ergibt sich 
antlerdem eine blind gescblosseneKavität zwieoben der knöobemeo 
Enppel nnd dem Endstack des häaügen Eaaales, die keine Eom- 




Fig.!. Axialer VertikalaohnitC durah eins normale IcnUaherDe Scliaecke, ^nr 

llluatration der io Tsitfigur I dargeatelUen, paChologüchen VeraDderiing«D. 

Vetgr. 20 : 1 lin. 

mnnikation mebr mit den Skalen besitzt nnd als ein allseits ge- 
Bcblossener perilymphatiseber Blindsack aufgefaßt werden muß 
(Tat VII/VIIl, Fig. 22, ee). 

Das abnorme Verbalten der Veatibnlarmembran der Mittel- 
winänng nnd das daraus resnltierende Sobnittbild wird aber außer- 
dem dnroh die Form des peripberen Absobuittes des Dnotus oooh- 
learis bedeutend verändert, da das Ligamentum Spirale fast gäaz- 
Uob fehlt nnd der Scbaeokenkanal mit schmaler InsertiooBlinie 



Zur Pathologie and patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit. 195 

«ich an der peripheren Knochenwand anheftet (Taf. VIIVIII, 
Fig:. 19, Lsp)» Das histologische Querschnittsbild im mittleren Teile 
der zweiten Windung (Taf. VII/VIII, Fig. 19) ist danach folgendes: 
Die Seala tympani ist spaltformig und kommuniziert weit mit der 
Scala vestibnli der Basalwindnng. Das unvollkommene Septnm 
besteht aus einer von der peripheren Enoehenwand entspringenden, 
mit einem zarten Endost bekleideten Enoohenleiste (Taf. VII/VIII, 
Fig. 19, c). Der häutige Kanal zeigt in radialer Richtung 
mehr als normale Ausdehnung: in seinem peripheren 
Teile spaltformig (Taf. VII/VIII, Fig. 19, b), erweitert er 
sieh gegen die Achse hin (Tafel VII/VIII, Fig. 19, a). Wäh- 
rend die Membrana vestibularis normalerweise axialwärts abdacht 
und etwa bis zum Ende der Grista spiralis reicht, entspringt 
sie hier hoch axial- und dacht peripheriewärts ab 
(Taf. Vn/VIII, Fig. 19, Mv) , wo der Kanal mit aneinander ge- 
lagerter Vestibulär- und Basalmembran endet (Taf. VII/VIII, 
Fig. 16, b). Dieser spaltformige Teil des Ductus coohlearis ist 
durch einen schmalen Bindegewebszug, der einem rudimentären 
Ligamentum spirale entspricht (Taf. VII/VIII, Fig. 19, Lsp), an 
die periphere Knöchenwand befestigt. Die Membrana vestibularis 
selbst besteht aus einer doppelten Lage platter Zellen (Taf. VII/VIII, 
Fig. 19, Mv). 

Die Basilarmembran ist sehr dünn, trägt die normale tym- 
panale Belegschicht und besitzt eine der Gestalt nach normale 
Papille (Taf. VÜ/VIII, Fig. 19, Mb, Pb). Diese letztere zeigt hier 
und da normale Pfeilei^paare, sonst atrophische oder defekte Pfeiler, 
überall bedeutende Vermehrung der Stützzellen und vollkommenen 
Schwund der Haarzellen. Die Stützzellen (Taf. VII/VIII, Figg. 19, 
21, H), die im lateralen Teile der Papille fächerförmig ange- 
ordnet sind (die Hensenschen Zellen), zeigen sich, wie in der 
Basalwindung, gegenüber der Umgebung stark tingiert. 

Nach diesen histologischen Verhältnissen ist es nicht über- 
raschend, daß der Tunnelraum nur teilweise vorhanden und weg- 
sam ist (Taf. Vll/Vm, Figg. 19, 21, T). Sonst ist er von Fasern 
durchzogen, deren nervöse Natur nicht bestimmbar ist, oder gänz- 
lich mit Stützzellen gefüllt. Der Nue Ische Raum (Taf. VII/VIII, 
Figg. 19, 21, N) fehlt fast vollkommen; die Papille ist gegen 
das endolymphatische Lumen linear begrenzt, die Haarfortsätze 
fehlen, peripherwärts schließt sich an die Papille ein schönes, 
einfach kubisches Epithel an (Taf. VII/VIII, Figg. 18, 19, 20, 
21, B). Die anfänglich glatte Epithelwand zeigt sodann Falten 



196 XYI. ALEXANDER 

(Taf. Vll/Vm, Fig. 20, a), in welchen die Epithelhöhe his zu Zy- 
linderform zunimmt. Unter diesem Epithel findet sieh faseriges 
Bindegewehe als Rudiment der Stria vascularis und des Ring- 
handes (Taf. VH/Vm, Fig. 20, Lsp, Stv). Vollkommen davon iso- 
liert verläuft ein ziemlieh großes Blntgef&ß, das nach seiner 
Lage dem Vas prominens entspricht (Taf. VII/VIII, Figg. 19, 20, 
h). Das Vas spirale fehlt. 

Axialwftrts schließt sich an die Papille ein den Snlous spi- 
ralis internus auskleidendes Plattenepithel und die niedrige, aber 
sonst normal geformte Crista spiralis an (Taf. VII/VIII, Fig. 16, 
Sspi, Csp). Das Zylinderepithel in der letzteren geht in kubisches, 
endlich in Plattenepithel über, Ifluft weit auf die Axialwand 
(dem Modiolus) aufwärts und setzt sich kontinuierlich auf die 
Membrana vestibularis fort (Taf VII/VIII, Fig. t9,f, Mb). Die 
Membrana Corti steht mit der Papille in kontinuierlichem 
Zusammenhange, ihre obere Fläche ist glatt, die untere läuft 
stellenweise in mehrere Leisten aus (Taf. VE/VIII, Figg. 19, 21, 
Mc). Die obere Fläche der Membrana Corti ist mit der Mem- 
brana vestibularis, die ihr fast vollkommen anliegt, verlotet, and 
auch im übrigen der schmale endolymphatische Raum, mit Aus- 
nahme des axialen Abschnittes, von feinen Bindegewebsfäserehen 
durchzogen. Sonst enthält der endolymphatische Raum größten- 
teils äußerst zarte, eosinrote Gerinnsel. Vollkommen frei ist nur 
der gänzlich abgeschlossene Spalt, der von Cortischer Membran, 
Papille, Membrana basilaris und Sulcus spiralis internus begrenzt 
wird. 

In diesem Teil* der Schnecke fehlt die Lamina spiralis 
ossea vollständig (s. o.), die atrophisch verdünnten Nervenbündel 
werden durch Bindegewebszüge bis an den häutigen Kanal ge- 
leitet (Taf. m/IV, Fig. 6, Nc, Nc). 

Spitzenwindung. Die bedeutendsten Veränderungen sind 
hier in der Gestalt der Schnecke und zwar sowohl der Kapsel 
als auch des membranösen Abschnittes zu finden. Die knöcherne 
Zwischenwand zwischen Mittel- und Spitzenwindung fehlt voll- 
ständig, etwa derart, wie sie schon zwischen dem oberen Teile 
der Basal- und der Mittelwindnng defekt ist, und die Scala 
vestibuli der Mittelwindung repräsentiert zugleich die Scala 
tympani der Spitze (Taf. III/IV, Fig. 6, Sc). An der peripheren 
Wand ist eine Begrenzung der Spitze nur insofern angedeutet, 
als eine schmale Knochenleiste (Taf. III/IV, Fig. 6, o, o) an der 
Insertionsstelle des häutigen Kanals im Bereiche des ganz 



Zar Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit. 197 

schmalen, atrophisehen Ligamentnm spirale (Taf. III/IV, Fig. 6, 
Lsp) erhalten [ist. Von einer Seala vestibnli kann an der Spitzen- 
windnng selbst nicht gnt gesprochen werden, denn hier findet 
sieh ein perilymphatiseher Abschnitt nur soweit, als die Mem* 
brana vestibularis der Spitzenwindung in ihrem axialen Teile, in 
welohem sie wie im übrigen Aber die Mitte hinwegzieht, nicht 
dem Knochen anliegt, sondern einen allseits geschlossenen 
(Tai. VII/VIII, Fig. 22, cc) Spaltraum zwischen sich und der 
knöchernen Kuppel freiläßt, der infolge umschriebener Anheftnng 
derVestibularmembran an der Schneokenkuppel (Taf. III/IV^ Fig. 6, 
Mvy ce) im Schnitt zweigeteilt ist. 

Auch die knöchernen axialen Teile sind völlig abnorm. Schon 
in der Höhe der Basalwindung ist nämlich das Knochengewebe 
der Axe geschwunden (Textfig. l, M, vergl. die normale Schnecken- 
kapsel Textfig. 2). Ein großer zentraler Hohlraum beherbergt fast 
das ganze Ganglion spirale in Form eines konsolidierten kugeligen 
Ganglienlagers (Taf. III/IV, Fig. 6, Gc) , das von hier aus den 
ganzen Schneckenkörper versorgt und etwa als Ganglion cen- 
trale zu bezeichnen wäre. Der Ganglienapparat des Vorhofs- 
teiles der Schnecke zeigt die normale Lage (Taf. III/IV, Fig. 6, 
Gc, Gcv) und ist, wie es auch häufig am Normalen zu finden ist, 
von dem übrigen Ganglienapparat anatomisch isoliert.. So kommt 
es, daß die Schneckenaxe von der Höhe der Basal- 
windung bis an die Spitze lediglich von Weichteilen 
beigestellt wird. Und auch diese erstrecken sich 
nur durch die Höhe der Mittelwindung, während an 
der letzten Windung ein Modiolus, somit auch die 
Lamina modioli, Hamulus und Helicotrema fehlen. Der 
Knochendefekt ist besonders gut in Abbildung Textfig. 1 zu 
«eben, in welcher entsprechend der Fig. 6 der Taf. IH/IV nur 
die knöchernen Teile gezeichnet, die Weichteile dagegen voll- 
kommen weggelassen worden sind. Es ergibt sich danach, 
daß in unserem Fall bei erhaltener äußerer Form der 
Sehnecke ein axialer Knochenabschnitt nur an der 
Sehneckenbasis vorhanden ist. DerCanalis spiralis 
fehlt, wie auch die spirale Anordnung des Schnecken- 
ganglion vermißt wird. Von dem oben erwähnten Ganglion- 
lager erstrecken sich in langem Zuge die Nervenfasern nach auf- 
wärts in die Mittelwindung, bezw. bis in die Spitze und sind 
auf diesem abnorm langen Wege nur von Bindegewebe einge- 
scheidet, nachdem mit der knöchernen Schneckenachse auch die 



198 XVI. ALEXANDER 

knöcherne Spirallamelle fehlt (Taf. m/IV, Fig. 6). Die mem- 
branöse Spitzenwindnng selbst zeigt die Form eines ovoiden 
Saekes (Taf. m/IV, Fig. 6, Dcc), der den ihm zur Verfügung 
stehenden knöchernen Raum axioperipherwärts vollkommen er- 
füllt und nur nach aufwärts einen blind geschlossenen, perilym- 
phatisohen Hohlraum freilaßt (Taf. m/IV, Fig. 6, oc; Taf. VIIVEI- 
Fig. 22, ce). Dieses Endstück des häutigen Eanales repräsentiert, 
sich als Aufsatz der Mittelwindung derart, daß die Basalmembran 
der Spitzen Windung aus der Fortsetzung der Reißnerschen 
Membran der Mittelwindung hervorgeht. Durch Bindegewebs- 
platten erhält dabei die Basalwand die nötige Fixation, und 
zwischen diesen Bindegew ebsplatten erstrecken sich auch die 
^Nervenfasern von dem weit abgelegenea Schneokenganglion bis 
an den häutigen Kanal der Spitze. 

Die Cristae spirales des oberen Teiles der Mittelwindung und 
der Spitze sind axial miteinander verschmolzen, und auch die 
Membrana vestibularis erstreckt sich frei über die Mitte ohne 
axiale Insertionsstelle (Taf. III/IV, Fig. 6, Gsp). Das Liga- 
mentum Spirale zeigt die gleichen Veränderungen wie in der 
Mittelwindung und ist vollkommen gefäßlos. Die Membrana basi- 
laris ist dicker als in der Norm, und das Cortische Organ 
(Taf. Vn/VIII, Fig. 22, Pbo,a) selbst besteht in der nächsten Nähe 
des oberen Endes der Mittelwindung aus einer normal geformten 
Papille mit defekten Haar- oder defekten Haar- und Pfeilerzellen. 
Höher oben stellt sich die Papille als hochzylindrischer Stützzell- 
streifen dar (Taf. VH/VIII, Fig. 23, Pbo), in welchem die 
Anordung der Zellen vollkommen an den embryonalen Zustand 
eines Stadiums erinnert, in dem aus der einheitlichen Neuro- 
epithelanlage die Haar- und Pfeilerzellen noch nicht zur Differen- 
zierung gelangt sind. Die Gor tische Membran erstreckt sich in 
Form eines schmalen, dünnen Blattes über das Nervenepithel 
hinweg und ist mit ihm durch feine Fäserchen verbunden 
(Taf. Vn/Vm, Fig. 23, Mc). Stellenweise erhält bei völligem 
Mangel an Haar- und Pfeilerzellen die Papille der Spitzen- 
windung den Gharakter der Papille der Vogelschnecke: indem 
sich hier aus der Neuroepithelstelle eine halbkugelige, nur aus 
Epithelzellen bestehende Erhabenheit entwickelt (Taf. Vü/VIII, 
Fig. 22, a), an der sich die G ort i sehe Membran inseriert. Die 
Stria vascularis fehlt überall vollständig, ist durch ein kubisches 
oder plattes Epithel ersetzt, nur an einer einzigen Stelle findet 
sich an der Stria selbst ein halbkugeliger, in das endolympha- 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit. 199 

tische Lumen vorspringender Zellknänel, der größtenteils aus 
Rnndzellen aufgebaut erscheint. 

Im oberen Teile des sackartigen Aufsatzes, dem normalen 
Kuppelblindsaoke entsprechend , verstreicht die Basilarpapille 
und der häutige Kanal wird in dieser Region lediglich durch ein 
Plattenepithel dargestellt, das durch zartes Bindegewebe an die 
Umgebung geheftet ist. Lateral vom Kanal zwischen Knochen 
und häutiger Wand entsteht hierdurch ein gegen die Umgebung 
geschlossenes Maschenwerk. Zwischen Yestibularmembran und 
oberer Knochen wand ist noch am blinden Ende des Kanales ein, 
einem Skalenrudiment entsprechendes, allseits geschlossenes Spa* 
tium nachweisbar, während ja normalerweise der Kuppelblind- 
sack den zur Verfügung stehenden knöchernen Hohlraum voll- 
ständig füllt (s. 0. und Taf. III/IV, Fig. 6, cc, Taf. Vll/Vm, 
Fig. 22,'^ce). 



Linke Seite. 

A. Pars superior. Gestalt der Bogengänge normal, das 
Epithel hier äußerst flach mit breiter, homogener subepitbelialer 
Zone; spärliches perilymphatisches Gewebe, die Ampullen ge- 
staltlich normal, an der Grista ampuUaris lateralis eine Zone, an 
welcher sich nur Stützzellen finden und das Epithel sehr niedrig 
ist (Taf. III/IV, Fig. 3, Cal). Die Stützzellen selbst lassen tonnen- 
ähnliohe oder spaltartige Räume zwischen sich frei. Die Cnpula 
darüber steht durch zarte, eosinrote Fasern mit der Epithelfläche 
in Zusammenhang, zeigt die typische Streifung und bei sonst voll- 
kommen normaler Lage einen ins Innere fortgesetzten Spalt, in 
welchem sieh neben einem eosinroten Detritus mononukleäre 
Rundzellen finden (Taf. III/IV, Fig. 3, Cu, a). Die Cristae der 
beiden anderen Ampullen verhalten sich histologisch normal. 

Die Macula utriculi ist, wie die Gristae der Ampullen, etwas 
kleiner als sonst, das Neuroepithel niedriger bei bedeutender 
Abnahme der Zahl der Haarzellen und Zunahme der Stützzellen- 
zahl. Infolge des ersteren Umstandes sind die Stützzellen an 
manchen Stellen dichter gestellt, oder sie lassen mehr oder weniger 
kugelige Räume zwischen sich frei (Taf. III/IV, Fig. 4, Mu), die 
entweder einen blaurot tingierten, eventuell geschrumpften (ge- 
ronnenen) Inhalt zeigen (Taf. m/IV, Fig. 4, a, b) oder tinktoriell 
leer erseheinen (Taf. III/IV, Fig. 4, o). Auf das Neuroepithel folgt 
gegen das Lumen zumeist direkt die mit Eosin rot tingierte State- 



200 XVI. ALEXANDER 

litbenmembran , in welcher spärliche Fortsätze (Haarfortsätze?) 
nachweisbar sind, die an der endolymphatischen Seite des Epithels 
inserieren (Taf. ÜI/IY, Fig. 4, 5 Sta). Anf die Statolithenmembran 
folgt eine Schicht gut erhaltener Statolithen. Der Utriculus selbst 
zeigt im übrigen vollkommen normale Gestalt. 

Der Ductus endolymphaticus sowie der Ganalis utriculosae- 
cularis sind vorhanden. 

B. Pars inferior. Der Sacculus besitzt normale Form, die 
Macula sacculi stimmt histologisch mit der Macula utriculi flber- 
ein. Statolithen daselbst schön erhalten. Ductus reuniens und 
Yorhofsblindsack sind vorhanden (Taf. III/IV, Fig. 5, Ms). 

Der Schneckenkanal weist, wie derjenige der reebten 
Seite, verschiedene Grade der Atrophie der Epithelwand anf, 
den höchsten Grad im Yorhofs abschnitt. Hier wird der 
epitheliale Kanal durchaus durch eine platte Epithelwand dar- 
gestellt (Taf. ni/IY, Fig. 7). Yon den charakteristischen Teilen 
des Eanales sind nur die Crista spiralis, das Ligamentum 
Spirale und das Yas spirale erhalten. In dieser Region be- 
steht vollkommener Defekt der regionären Nervenfasern und 
des Ganglion. An das Plattenepithel der Außenwand (Taf. UI/IV, 
Fig. 7, a) (die Stria vascularis fehlt vollkommen) schließt sich 
das Ligamentum spirale an. Dieses ist fast durchaus aus 
einen zelligen Maschenwerk aufgebaut und zeigt einige Lymph- 
gefäßen ähnliche Schnittlumina (Taf. III/IY, Fig. 7, Lsp). 
Es erstreckt sich weit in die Scala vestibuli nach aufwärts 
Taf. III/IY, Fig. 7, b), Pigment ist nicht vorhanden, wie 
auch sonst das innere Ohr beider Seiten sich voll- 
kommen pigmentfrei erwies. Die Prominentia spiralis ist 
angedeutet (Taf. III/IY , Fig. 7, Psp) , das Yas prominens vor- 
handen. Die tympanale Belegschichte fehlt. Die Grundsubstanz 
der Membrana spiralis erscheint als direkte Fortsetzung des 
axialen Bindegewebes des häutigen Kanales. Die Crista spiralis 
ist niedrig, besteht aus einer breiten Bindegewebsgrundlage, einer 
schmalen homogenen Zone, an die sich im axialen Teile der 
Crista die epitheliale Deckschicht anschließt, im peripheren Teile 
zeigt sich die Crista zunächt vollkommen homogen. Die Cor ti- 
sche Membran ist in Form eines schmalen, atrophischen Bandes, 
das wohl künstlich über die Crista retrahiert erscheint (Taf. III/IV, 
Fig. 7, Mc) erhalten. Aus dem Yorhofsabschnitte entwickelt sieb 
der Yorhofsblindsack als rein epitheliales Grübchen, dessen Wand 
aus Plattenepithel und einer zarten Bindegewebsgrnndlage besteht. 



Zur Patholo£^e and patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit. 201 

Basal Windung: Der Ductus eoeblearis zeigt hier- an* 
nähernd die gleicben Yerflndernngen wie der der rechten Seite, 
nirgends ergeben sich vollkommen normale Verhältnisse. Im 
besten Falle erseheint an manchen Stellen die Papilla basilaris 
in der Gestalt normal, bei Überwiegen der Stützzellen voll- 
kommener Defekt der Haarzellen und vollkommener oder partieller 
Defekt der Pfeiler. An manchen Stellen ist aber die Papille voll- 
ständig geschwunden. Die Stria vascularis ist durchaus atro- 
phisch, der ganze Kanal auffallend blutgefäßarm. Die 
regionären Nervenfaserzttge sind atrophisch. Das 
Ganglion zeigt sich wie auf der rechten Seite als ungegliederter 
Ganglienhaufen, der die spirale Anordnung vollkommen vermissen 
läßt (8. u.). 

Mittelwindung: Der Ductus eoeblearis besitzt normale Ge- 
stalt, der Kanal ist nur etwas flacher als sonst. Das Ligamen- 
tum spirale ist atrophisch,. die Stria vascularis fehlt vollständig 
oder ist in Form eines kubischen Epithelstreifens erhalten. An 
manchen Stellen zeigt sich unter diesem Epithelstreifen, also 
schon im Ligamentum spirale selbst, ein Rundzelleninfiltrat, an 
anderen finden sich intraepitbeliale, mehr als halbkugelig in das 
endolymphatische Lumen vorragende Zysten (Taf. V/VI, Fig. 16). 
Dieselben besitzen einen homogenen, blaurot gefärbten Inhalt. 
An manchen Stellen läßt dieser Inhalt mehr oder minder gut er- 
haltene Zellen und Zellreste erkennen (s. r. S. Taf. V/VI, Fig. 10). 
An der Papilla basilaris finden sich die gleichen Veränderungen 
wie auf der rechten Seite. Die Crista spiralis stimmt gleichfalls 
mit der Gegenseite überein. 

Bemerkenswert erseheint weiter das Auftreten von zystenähn- 
lichen Bläschen, die mit der oberen Fläche der Crista spiralis zu- 
sammenhängen (Taf. V/VI, Fig. 14, Cy). Die Wand der Bläschen 
besteht aus niedrigem Plattenepithel, der blaurot tingierte Inhalt 
läßt eine zarte Fädenzeichnung erkennen. 

An einer umschriebenen Stelle am Übergang der Basal- in 
die Mittelwindung ließ sieh endlich zelliger Verschluß des Sulcus 
spiralis internus beobachten: Die Cor tische Membran ist von 
Plattenepithel vollkommen eingescheidet, knäuelartig zusammen- 
gerollt (Taf. V/VI, Fig. 13, Mc, a) und fttllt den Sulcus spiralis in- 
ternus bis auf einen kleinen Rest (Taf. V/VI, Fig. 1 3, Sspi) voll- 
ständig aus. Die Epithellamelle, welche die Membran umzieht, 
hängt mit dem Epithel des Sulcus spiralis internus zusammen. 

Spitzenwindung: Histologisch stimmt sie mit der Mittel- 

▲rohiT f. Ohrenheilkunde. LXI. Bd. 14 



302 XYI. ALEXANDER 

winduBg überein. Der Kanal wird anfTallend flaoh, behält aber 
doeh die Qestait eines wegsamen Eanales. Es besteht kein He- 
likotr^na, die blinde Endignng des Kanales erfolgt vollkommen 
naeh dem normalen Typus. 

Labyrinthkapsel: Die Labyrinthkapsel zeigt sieh im Be- 
reiebe der Bogengänge und des Yorhofes normal. In der Schnecke 
ist der Modiolus nnr der Basalwindnng entsprechend 
entwickelt, währen d der tlbr ige Teil der Spindel ledig- 
lich aus Weichteilen besteht. Die Lamina spiralis 
ossea primaria ist nnr im Bereiche der Basalwindnng 
vorhanden, von da nach aufwärts fehlen die beiden 
Lamellen vollständig und werden durch Bin dege webs- 
platten, welche die atrophischen Nervenzüge zwischen 
sieh fassen, ersetzt. An der Basis der Spitzenwindung hört 
das axiale Oewebe überhaupt auf. Die Skalen enden an der 
Scfaneckenkuppel blind, ohne miteinander zu kommuni- 
zieren: das Helikotrema fehlt (s. 0.). Dieses Verhalten folgt 
daraus, daß der häutige Kanal nicht, wie es normalerweise der 
Fall ist, an seinem oberen Ende die axiale Insertion verliert, 
sondern dieselbe bis an das blinde Kuppelende beibehält. Die 
einzelnen Schneckengänge sind nur zwischen Basal- und Mittel- 
windung voneinander durch Knochen geschieden, von da nach 
aufwärts findet sich zunächst eine bindegewebige Begrenzung, und 
zwischen Kuppelblindsack und Mittelwindung fehlt auch diese, 
so daß sich zwischen den häutigen Röhren hier eine Scala com- 
munis entsprechend dem Zusammenflusse der Scala vestibularis 
der Mittelwindung und der Scala tympani der Spitze findet. Der 
Canalis ganglionaris fehlt, und es geht dieser Defekt Hand in 
Hand mit einer atypischen Anordnung des Ganglion spirale (s. o.). 
Die beiden Aquädukte sind in normaler Gestalt vorhanden. Die 
Membrana tympani secundaria ist gegen die Paukenhöhle von 
einem bindegewebigen Netzwerke gedeckt, welches die Nische 
des runden Fensters tympanalwärts fast vollständig verschließt. 
Die Maschenräume selbst sind von Eiter erfbllt. 

Nervus acustico-facialis. 

Nervus facialis und Ganglion geniculi verhalten sich voll- 
kommen normal. Der Nervus aousticus zeigt sich an seinem 
Schnittende am Perus auditorius internus annähernd normal 
stark, in der Tiefe des Gehörganges dünner als in der Norm. 
Der Bamus superior und medius nervi acustici zeigen etwa V^ 
des normalen Querschnittes, die beiden Vestibulär- 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit 20S 

ganglien sind entsprechend kleiner, die Zellen in ihnen 
weniger diofat gestellt, als in der Norm. Der Sehneekennerr 
zeigt etwa den halben Querschnitt und zerfällt an der Schnecken- 
basis vor dem Eintritte in die Schnecke in zwei Aste, entsprechend 
dem Yorhofsteil und dem Körper der Schnecke. Der Vorhofsteil 
ist hochgradig atrophisch, desgleichen der ihm angehörende, von 
ihm vollkommen isolierte Teil des Oochlearganglicm. Das flbrige 
Sohneckenganglion bildet eine ungegliederte, in der Achse ge* 
legene, im Querschnitte elliptische (die kürzere Achse ist in der 
Schneekenachse gelegen) Zellmasse, von der sich die atrophisch 
verdünnten Nervenzttge zu den einzelnen Skalen erstrecken, und 
es wurde schon oben erwähnt, daß nur im unteren Teil der 
Sehnecke die Nervenztlge auf diesem Wege von dem axialen 
Knochengewebe und den beiden knöchernen Lamellen der Lamina 
spiraliB umgeben sind, während höher oben die Nervenzttge von 
Bindegewebe, einem flächenhaft ausgedehnten Neurilemm ver- 
gleichbar, begleitet werden. Die Nervenfasern selbst lassen sich 
peripherwärts bis an ihre Durchtrittsstelle an der Membrana 
basilaris verfolgen. Darüber hinaus und in der Papille selbst 
konnten nirgends Nervenfasern nachgewiesen werden. 

Das Fasernkaliber des Nervus acustico-facialis und die Gr^ße 
der Ganglienzellen stimmen bei Färbung nach Weigert-Kul- 
schitzky mit der Norm überein. 



Die mikroskopischen Veränderungen im inneren Ohr beziehen 
sieh somit auf das ganze häutige Labyrinth, die Labyrinthkapsel 
und den Nervus octavus samt seinen Ganglien, und zwar fand 
sich, von Nebenbefunden abgesehen: 

1. Beiderseitige Atrophie (Hypoplasie) des Nervus 
octavus in Stamm und Ästen. 

2. Beiderseits Atrophie (Hypoplasie) sämtlicher 
Ganglien desselben Nerven. 

3. Die pathologischen Veränderungen in Nerv und 
Ganglien sind in dem der Pars inferior lab. angehören- 
den Teil des Nerven stärker entwickelt, als im Be- 
reich der der Pars superior entsprechenden Anteile 
des Nerven. 

4. Atrophie der statischen Nervenendstellen (Ma- 
cula utriculi, Macula sacculi, Cristae ampullares) im 
Sinne einer Verkleinerung der Nervenendstellen, 

14* 



204 XVI. ALEXANDER 

einer Yerdünniing des Nenroepithels und bedeuten- 
der Verringerung der Zahl der im Keuroepithel ent- 
haltenen Sinneszellen. 

5. Atrophie des Cortisehen Organes, besonders der 
in ihm enthaltenen Sinneszellen. 

6. Herdförmige Atrophie und Degeneration des 
Ligamentum spirale, der Stria vasoularis, derCrista 
spiralis und der Cortisehen Membran. 

7. Beiderseitige Mißstaltung des oberen Teils 
(Mittelwindnng und Spitze) des häutigen Sohneeken- 
kanales und abnorme gestaltliche Entwicklung des 
Schneokenganglion mit partiellem Ausbleiben des 
Spiralen Verlaufes und Entstehung eines Ganglion 
centrale. 

8. Beiderseitige Entwicklungshemmung der 
Schneckenkapsel: a) Beiderseits niedrige knöcherne 
Schneckenkuppely Defekt der Lamina spiralis ossea 
primaria und des Modiolus von der Mittelwindung an 
nach aufwärts, b) Teilweiser Defekt der knöchernen 
Spindel und der Skalensepta mit Entstehung einer 
Scala communis, c) Beiderseits Blutgefäßarmut and 
gänzlicher Pigmentmangel des ganzen inneren Ohres. 



Ich will nun versuchen, die in den einzelnen Labyrinth- 
abschnitten gefundenen Veränderungen in topischer Gruppierung 
und nach ihrem pathologisch -anatomischen Charakter geordnet 
zu betrachten. 

A. Der statische Labyrinthabschnitt fand sieh bei- 
derseits gestaltlich normal^ auffallend ist lediglich die anscheinend 
hypoplastische Verdünnung seiner Nenrenäste und Verkleinerung 
der beiden Vestibularganglien. Es sind hier viel weniger Fasern 
(ungefähr ^/ß der Norm) zu finden ; ungefähr den gleichen Grad der 
Atrophie zeigen die Vestibularganglien. Die erhaltenen Nerven- 
fasern und Ganglienzellen sind weniger dicht gelagert als in 
der Norm. Sie zeigen jedoch bei Markseheidenfärbung voll- 
kommen normales Verhalten. Die Bindegewebsscheiden der 
Nerven und die Myelinkapseln der Ganglienzellen zeigen nichts 
Abnormes. 

Die Veränderungen an den peripheren Endstellen lassen sieh 
ungezwungen mit denjenigen der Nerven und Ganglien selbst in 



Zur Pathologie und patholog. i^natomie der kongenitalen Taubheit 205 

direkten Zusammenhang bringen. Sämtliehe fünf vestibnlaren 
Nervenendstellen zeigen eine geringere Fläehenausdehnung ald 
in der Norm (and zwar sind die Nervenendstellen in beiden Säcken 
bedentender verkleinert als die Cristae ampnllares). Das Nenro- 
epithel ist niedriger als ein normales Neuroepithel und zeigt eine 
bedeutende Verminderung seiner Sinneszellen. Dieser Sinnes* 
zellendefekt drückt sich stellenweise lediglieh in der distinkteren 
Stellung der vorhandenen Haarzellen aus bei relativer Zunahme 
der Stützzellen. Stellenweise sind im Schnitt gar keine Haar- 
zellen vorhanden, und zeigt sich sodann das Neuroepithel ledig- 
lich aus den abnorm vermehrten Stützzellen zusammengesetzt. 
An anderen Stellen prägt sich endlich der Haarzellendefekt in 
mehr oder minder regelmäßig gestellten und geformten, oftmals 
zystenähnlichen Neuroepithellücken aus, die zum Teil von einem 
geronnenen, bläulich rotgefärbten (Hämalaun-Eosin) Inhalt erfüllt 
sind. 

An den Stellen mit vollkommenem Haarzellendefekt haben 
die Stützzellen unter Bildung schmaler, mehr oder weniger spindel- 
förmiger Säume zwischen den Zellen ihre charakteristische Form mit 
Fuß- und Endplatte beibehalten, oder durch engen Aneinander- 
schluß der Zellen die Gestalt hochzylindrischer Epithelzellen ange- 
nommen (Taf.III/IY; Fig. 3, Cal). Auch die typischen akzessorischen 
Teile der Nervenendstellen, die Gupulae der Ampullen, die Stato- 
lithenmembran und die Statolithen in den beiden Vorhofsäcken 
beteiligen sich an den bestehenden Veränderungen. Sie sind zu- 
nächst entsprechend den Nervenendstellen verkleinert. An um- 
schriebenen Stellen fanden sich Spalträume in den Gupulae 
(Taf. IlI/IV, Fig. 3 a), die nach dem vorgefundenen zelligen In- 
halt als pathologische Bildungen zu deuten sind. 

Die rein epithelialen Wandstellen im statischen Labyrinth- 
abschnitt lassen zunächst infolge der Verkleinerung der Nerven- 
endstellen eine relative Flächenzunahme erkennen. Das Epithel 
selbst verhält sich zumeist normal, und die häutigen Wände 
zeigen nur stellenweise diffuse oder knotenartige Verdickungen, 
an welchen sich sowohl das Epithel als die perilymphatische 
Schichte beteiligen. Nur hier und da finden sich in die endo- 
oder perilymphatischen Lumina vorspringende, zystenartige Bäume, 
die stets vom Epithel selber ihren Ursprung nehmen und voll- 
kommen mit den im Ductus cochlearis gefundenen Zystchen über- 
einstimmen. Es kann daher auf die ausführliche Beschreibung 
dieser letzteren (S. 121 u. 201) verwiesen werden. 



2a6 XYI. ALEXANDER 

Die intermediflre Zone des perilymphatisehen Gewebes ist 
nioht zeUreioh. Es sind daher überall ausgedehnte perilympha- 
tisehe Hohlr&nme vorbanden. Besser ist die endostale Zone ent- 
wickelt, die stellenweise eine bedeutende diffnse Verdickung er- 
kennen läßt. Der ganze statische Labyrinthabschnitt sowie die 
zugehörigen Nervenfiste und Ganglien sind auffallend blutarm und 
YoUkommen pigmentfrei. Der Ductus endolymphaticus und der 
Canalis utrioulo-saocularis sind normal erhalten und wegsam, der 
Saccus endolymphaticus ist besonders linkerseits bedeutend ver- 
größert. Der Ductus reuniens verhält sich normal. 

Die Enochenkapsel des statischen Labyrinthabschnittes und 
die Gehörknochenkette nehmen an den beschriebenen Verände- 
rungen des häutigen Teiles nicht teil, und zeigen sich, abgesehen 
von einer auffallenden Armut an Blutgefäßen, vollständig normal. 

B. Akustischer Labyrinthabschnitt. Auch hier em- 
pfiehlt es sich, die Besprechung mit den am Schneckennerv und 
seinen Ganglien gefundenen Änderungen zu beginnen 0« 

Der Schneckennerv zeigt sieh in seinem ganzen Verlauf be- 
deutend (ungefähr auf V3 der Norm) atrophiert, und sein Ganglion 
weist eine dementsprechende Atrophie (Hypoplasie) auf. Der 
Grad der Atrophie ist nicht überall gleich^ und es wechseln 
Stellen fast vollkommenen Nervendefekts mit solchen, an welchen 
der Nerv nur wenig dünner ist, als in der Norm, ohne Regel- 
mäßigkeit oder besondere topische Beziehung miteinander ab. 
Dagegen entspricht unter Berücksichtigung der rückläufigen An- 
ordnung der peripheren Cochlearisfasern der Atrophiegrad des 
betreffenden Ganglienabschnittes recht gut dem des zugehörigen 
peripheren Nervenzuges. 

Wie im Bereich des statischen Labyrinthes sind im akusti- 
schen Teil die vorhandenen Nervenfasern und Ganglienzellen 
weniger dicht gelagert als in der Norm und geben normale 
Markscheidenfärbung, und es läßt sich, wie ich wiederholt in 
Fällen von Atrophie (2, 4, 5, 9) sehen konnte, am atrophischen 
Schneckenganglion die Bipolarität dieser Ganglienzellen sehr schön 
nachweisen. 

p p i k f e r (1 1) ist aus dem Umstand, daß er histologisch die 
Atrophie des Spiralganglion mit derjenigen der peripheren Nerven- 

1) Der Kürze der Beschreibung halber habe ich nur die einseitig ge- 
fundenen Veränderungen ausdrücklich als rechts- oder linksseitig bezeichnet. 
Fehlt eine besondere Angabe, so liegen Befunde vor, die beide OeÜör- 
Organe betreffen. 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit. 207 

fasern graduell niebt im Einklänge fand, zur Angicht gekommen, 
im Ganglion, soweit es einen geringeren Atrophiegrad zeigt, als 
der periphere Teil, den Bestand unipolarer Ganglienzellen an- 
zuaehmen, die nur einen, und zwar zentralen, Fortsatz besitzen. 
Ich kann naoh meinen Befunden dieser Ansieht nicht beipflich- 
ten und möchte glauben, daß Oppikofer die Rücklftufigkeit 
der in der Lamina spiralis verlaufenden Sobneckennerrfasern 
nioht im Betracht gezogen hat. Am einzelnen Schnitt, besonders 
an den bei der Durchsicht sehr gern verwendeten Axenschnitten, 
mag sich ja ein hochgradiger peripherer Faserdefekt mit dem 
Qaerschnitt durch ein wenig atrophiertes Spi^alganglion vereint 
finden. Man muß aber bedenken, daß der diesem Ganglionquer- 
Bchnitt entsprechende periphere Faserabschnitt von diesem V2 bis 
1 mm rückläufig, d. h. vestibularwärts gelegen ist, und daher die 
entsprechenden Schnitte miteinander vergleichen. Ich bin stets 
derart vorgegangen und habe danach, wie erwähnt, nicht Ge- 
legenheit gehabt, graduelle Unterschiede in der Atrophie der 
tatsächlich zusammengehörenden Schnittebenen des Ganglion oder 
der peripheren Nerven zu beobachten. 

Das Ganglion spirale weicht in seiner Gestalt von der Norm 
weit ab. Einen spiralen Verlauf zeigt nämlich das Ganglion nur 
im Vorhofabsohnitt und in der ersten Windung, wobei der fUr 
den Yorhofabschnitt bestimmte Teil vom übrigen getrennt er- 
scheint. Vom Ende der Basalwindung nach aufwärts zeigt das 
Ganglion einfach die Gestalt eines annähernd kugeligen Zellen- 
baufens, der im axialen Teil der Schnecke nahe dem Tractus 
foraminosus gelegen ist. So kommt es, daß die peripheren Nerven- 
züge ftlr die Mittel- und Spitzenwindung viel länger sind als ge- 
wöhnlich. 

Auch die Atrophie findet in den beiden genannten Teilen 
nicht den gleichen Ausdruck: so weit das Ganglion als wirk- 
liches Ganglion spirale angeordnet ist, lassen an der Stelle 
hochgradiger Atrophie die Ganglienzellen bedeutende Zwischen- 
räume untereinander frei, die von einem feinfaserigen binde- 
gewebigen Maschenwerk durchzogen sind. Im ungegliederten 
Teile des Ganglion fehlen dagegen derartige Zwischenräume, 
wenn auch die Ganglienzellen nicht so dicht gelagert erscheinen, 
wie es normalerweise der Fall ist. 

Zu bemerken ist endlich die Blutgefäßarmut der ganzen 
Schnecke, des Nerven und des Ganglion. 

Die auffallendsten und wohl fbr die Lehre derkongeni- 



208 XVI. ALEXANDER 

talen Taabheit intereBsantesten Veränderangen bietet 
die knöoherne Schneoke unseres Falles: 

Die Außenwände sind annähernd normal, abgesehen davon, 
daß das Ende der Mittelwindung und die Spitze um weniges 
flacher sind, als in der Norm; dagegen fehlen reehterseits von der 
Höhe der Mittelwindung an nach aufwärts das ganze innere 
Knochengerüst der Sohnecke, d. h. das Knochengewebe des Mo* 
diolus, die Lamina spiralis ossea und die knöchernen Skalen- 
septen (Taf. III/IV, Fig. 6) (desgleichen fehlt im Vorhofabschnitt 
und in der unteren Hälfte der ersten Windung die Lamina spiralis 
ossea secundaria). 

Dieses abweichende Verhalten der Knochenschnecke bat eine 
Reihe von Abnormitäten in dem betroffenen Gebiet (Mittel- und 
Spitzenwindung) zur Folge : 

I. Die Scala vestibuli erscheint mit derScala tym- 
pani der nächsten Windung zu einer Scala commanis 
vereinigt, die sich direkt zwischen die einander fol- 
genden häutigen Windnngszüge einschiebt (Taf. III/IV, 
Fig. 6, Sc). 

IL Das in der Schnecke befindliche Ganglion und 
seine peripheren Nervenfasern erscheinen lediglich 
von Bindegewebe umschlossen, für die Lamina spiralis 
ossea sind zwei Bindegewebsplatten eingetreten, zwischen welchen 
die atrophischen NervenzUge verlaufen. 

IIL Das Helikotrema fehlt, und die membranose 
Spitzenwindung schließt den Kuppelraum nach ab- 
wärts vollständig ab unter Erzeugung eines allseitig ge- 
schlossenen Skalenrudiments (Taf. III/IV, Fig. 6, cc, Taf. VII/VIII, 
Fig. 22, cc) zwischen der knöchernen und häutigen Kuppelwand. 

Möglicherweise kann auch der Defekt des Spiralen Liga- 
ments in einem Teile der Mittel Windung mit den Abnormitäten 
der Labyrinth kapsei in ursächlichen Zusammenhang gebracht 
werden. DieVerlaufsart der peripheren Schneckennervfasern bei 
fehlender Lamina spiralis deckt sich im vorliegenden Fall voll- 
kommen mit dem Typus, den ich bei einem niederen Säugetier 
(Echidna aculeata) gefunden und beschrieben habe. Aach 
bei Echidna fehlt die knöcherne Spinallamelle und wird durch 
Bindegewebsplatten ersetzt, welche die peripheren Nervenfasern 
zwischen sich fassen. 

Die Nische des Schneckenfensters ist von*Bindegewebslamellen 



Zar Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit 209 

durchzogen, die zam Teil bis an die Membrana tympani secnn- 
daria, nirgends aber in die Skalen selbst reichen (Taf. IH/IV, 
Fig 2, 1). 

Die Befunde im häutigen Schneokenkanal lassen sieh 
in zwei Gruppen bringen, wonach 

I. Veränderungen im histologischen Bau; 
IL Veränderungen in der Gestalt des häutigen Sohnecken- 
kanales zu besehreiben sind, 

I. Veränderungen im histologiscben Bau des häu- 
tigen Schneckenkanales. 

Die Membrana basilaris wird stellenweise auffallend dick, 
anderwärts wieder verdünnt gefunden. Die tympanale Beleg- 
schichte ist zumeist vorhanden, das Vas spirale fehlt an vielen 
Stellen vollständig, an anderen wird es durch ein gleichfalls an 
der tjmpanalen Fläche des Schneckenkanales, jedoch in unmittel- 
barer Nabe des Spiralligamentes verlaufendes Gefäß ersetzt 
(Taf. V/VI, Fig. 19, 20, b). 

Die Crista spiralis ist zumeist abgeflacht, die kernlose 
Zone ist geschwunden. An vielen Stellen, besonders in der 
mittleren Windung, erscheint sie auch in zentroperipherer Rich- 
tung verschmälert. An anderen Stellen fehlt die obere Epithel- 
sebicht der Crista und das Gewebe ist daselbst auffallend zell- 
arm. Hier und da finden sich sodann an der oberen Fläche der 
Crista zystenartige Anhänge, d. h. Zystchen von 30 — 60 fi Durch 
messer, deren Wand aus einem Plattenepithel gebildet ist, und 
deren Inhalt homogen erscheint oder ein 'faserartiges Netzwerk 
erkennen läßt, das schwache Protoplasmafärbung annimmt, 
(Taf. V/VI, Fig. 14, Cy). Die Cortische Membran ist in dem 
mittleren und oberen Teil der Schnecke, soweit sich derartiges 
beurteilen läßt, in nattlrliehem Situs erhalten und steht mit den 
Zellen der Papille in kontinuierlichem Zusammenhang. In ein- 
zelnen Regionen zeigt sie an ihrer unteren Fläche eine oder 
mehrere vorspringende Leisten. Vereinzelt wird sie eingerollt und 
von einer Epithelschiehte umsäumt, im Sulcus spiralis internus ge- 
legen angetroffen (Taf. V/VI, Fig. ). Das Epithel, welches hier 
die ganze Cortische Membran einhüllt, hängt mit dem Epithel 
des Sulcus spiralis internus zusammen. 

Die Papilla basilaris zeigt nirgends vollständig normalen 
Bau. An den am meisten veränderten Stellen fehlt sie gänzlich, 
80 besonders an der Schneckenbasis und im Vorhofsabschnitte 



210 XYI. ALEXANDER 

(Taf. III/VI, Fig. 7, Taf. V/VI, Fig. 8). An diesen Stellen ist 
dann die Cortisohe Membran gesohrnmpft, teilweise atrophisch, 
und ttber die Crista spiralis retrahiert (Artefaot?). An anderen 
Stellen, so z. B. in den oberen Sohneokenpartien und an der 
Sebneckenspitze , ist die Papille histologisch augenscheinlich auf 
einem embryonalen Stadium stehen geblieben (Taf. VII/VIII, 
Fig. 23). Sie besteht daselbst aus einem yielreihigen, hügelartig 
angeordneten Epithel, welches sowohl gegen die Crista spiralis 
als gegen die Außenwand in eine hochzylindrische Zelllage fiber- 
geht. Weder Härchen- noch Pfeilerzellen sind differenziert, doch 
zeigt das Epithel eine beträchtliche Zahl von HaarfortsätzeD, 
welche auch mit der atrophischen Cor tischen Membran in kon- 
tinuierlicher Verbindung stehen. Sonst ist die Papille nach 
ihrer Gestalt mehr oder weniger normal erhalten , in der Papille 
selbst aber fehlen die typischen Haarzellen durchaus. Die 
Pfeiler sind stellenweise vollkommen intakt, an anderen Stelleo 
rudimentär zu sehen. 

An einzelnen Schnitten (Taf. V/VI, Fig. 15) sind nur mehr 
Pfeilerreste sichtbar. In der Papille selbst überwiegen sodann die 
Stützzellen entweder in Form von soliden Zellhaufen oder mit Per- 
sistenz der Räumlichkeiten, von welchen normalerweise die 
Papille durchzogen wird, oder endlich mit Hinterlassung rudi- 
mentärer, unregelmäßig verlaufender Hohlräume. Bemerkenswert 
erscheint, daß besonders in der Mittelwindung die Stützzellen an 
der äußeren Abdachung der Papille schön entwickelt sind und 
sich durch starke Protoplasmafärbung gegen die Umgebung streng 
begrenzen. 

Gegen die Axe und die Peripherie ist an die Papille ein 
kubisches Epithel angeschlossen, welches sich bis in den Sulens 
spiralis internus, bezw. externus fortsetzt. Vollkommen normale 
Gestalt zeigt die Papille nur an wenigen Stellen, so z. B. an der 
Spitzenwindung (S. VII/VIII, Fig. 22), wo die Papille die Form 
eines flachen Hügels zeigt und in ihrem Zentrum einen Kanal von 
ovalem Querschnitt enthält, der beiderseits von Stützzellen, die 
an der peripheren Seite der Papille ein zylindrisches Epithel 
formieren, begrenzt ist. 

Das Ligamentum spirale zeigt überall, wo der häutige 
Kanal die normale Gestalt besitzt, auch die normale Quer- 
schnittsform, wobei das Gewebe bald zellreicber, bald zell- 
ärmer erscheint, stellenweise im Schnitte Lumina auftreten, 
die als Lymphräume zu deuten sind, oder endlich ent- 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der koDgenitalen Taubheit. 211 

Bpreohend einer yorausgegangenen , hochgradigen Verflflssignng 
des Gewebes das Ligament förmlich nur in der Bandpartie nor- 
malen Bau zeigt, während im Inneren lediglich distinkte Binde- 
gewebsstrftnge erhalten geblieben sind (Taf. V/VI, Fig. 17, Lop). 
Die Prominentia gpiralis ist an manchen Stellen (Taf. V/VI, 
Fig. 9) auffallend stark entwickelt , an anderen normal oder so* 
gar gänzlich fehlend. 

Ebenso zeigt die Stria vascularis ein sehr verschiedenes 
Verhalten. Sie kann ganz fehlen, und ist dann durch Plattenepithel 
ersetzt (Taf. IIIAV, Fig. 7), oder es sind Beste der Stria in 
Form eines zylindrischen Epithels vorhanden (Taf. V/VI, Fig. 8), 
in welchem selbst nnd in dessen direkter Umgebung Blutgefäße 
vollkommen vermißt werden, oder die Stria zeigt endlich die 
normale Ausdehnung und ist sogar auffallend dick, aber es ist 
nirgends die am normalen Zustande beobachtete innige Vereini- 
gung zwischen dem Epithel und den bindegewebigen Teilen 
eingetreten, sondern beide sind streng voneinander geschieden, 
und wenigstens an vereinzelten Partien von anffallend großen Blut- 
gefäßen durchzogen (Taf. V/VI, Fig. 17). Sonst sind aber auch 
an derartig gebauten Stellen auffallend wenige Blutgefäße zu 
finden, oder die Blutgefäße fehlen gänzlich. Endlich mag noch 
der Befund von kleinen Zysten an der Stria Erwähnung finden 
die an denjenigen Begionen auftreten, in welchen die Stria durch 
eine Plattenepithellage ersetzt ist. Diese Zystohen sind sodann 
gleichsam in die Epithelschicht aufgenommen, indem am Insertions- 
rande die Epithelzellen auseinanderweichen, Sternform annehmen 
und nun an der einen Seite die Zyste durch das die Stria .ersetzende 
Epithel, am endolymphatischen Lumen durch ein stark abgeflachtes 
Epithel begrenzt wird. Der Zysteninhalt erscheint homogen, blau- 
rot gefärbt oder läßt wolkige Trübungen erkennen (Taf. V/VI, 
Fig. 11, 16), oder es sind endlich in ihm Zellelemente suspen- 
diert, die zumeist Epithelzellkerne, dagegen nur schattenhaft oder 
ttberhaupt nicht Protoplasmateile der Zellen in guter Begrenzung 
erkennen lassen (Taf. V/VI, Fig. 10). An Stellen, an welchen die 
Stria vascularis der Form nach besser erhalten ist, werden nur 
höchst selten derartige Zystchen (Taf. V/VI, Fig. 9) oder zapfen- 
artige Anhänge (Taf. VII/VIII, Fig. 18) oder einer Verflüssigung 
entsprechende, zirkumskripte Hohlräume an der Innenwand an- 
getroffen. 

Das Vas prominens und Vas spirale ist nur an wenigen 
Stellen vorhanden, wie ja überhaupt die ganze Schnecke auffallend 



212 XVI. ALEXANDER 

arm au Blutgefäßen ist. An einzelnen Regionen der Stria erscheinen 
aber die vorhandenen Blntgef&ße gegenüber der Norm vergrößert, 
so besonders in der Begion, in welcher der Sohneokenkanal 
einen von dem normalen vollkommen abweichenden Bau zeigt. 
Bezüglich dieser letzteren Stellen sei auf die Beschreibung 
des Präparates S. 195 verwiesen und hier nur erwähnt, daß be- 
sonders die Vestibularmembran und die Außenwand des häutigen 
Kanals an der Gestaltsänderuug teilnehmeu. Die Vestibularmem- 
bran, die über der Basilarmembran , derselben fast bis zur Be- 
rührung genähert, verläuft, erhebt sich an der Schneckenachse 
weit nach aufwärts und inseriert dasselbst. Ein dünnes Platten- 
epithel erstreckt sich sodann von dieser Insertionsstelle zunächst ent- 
lang dem axialen Teile und geht kontinuierlich in die obere Zell- 
lage der Crista spiralis über (Taf. VII/VIII, Fig. 19). Die Cor ti- 
sche Membran reicht hier, wie sonst, bis gegen den axialen Teil. 
Der häutige Schneckenkanal liegt aber nicht überall dem Kno- 
chen, bezw. dem vorhandenen Bindegewebe solide an, sondern 
läßt hier und da Hohlräume frei, die von bindegewebigen Septen 
durchzogen sind (Taf. VII/VIII, Fig. 19). An denselben Stellen ist 
der Schneckenkanal an der peripheren Seite vollkommen platt. 
Das Ligamentum spirale hat die normale Gestalt vollkommen ein- 
gebüßt und wird lediglich durch ein System von Bindegewebs- 
brücken angedeutet, durch welche der schmale Rand des Kanales 
an der peripheren Knochenwand fixiert ist (Taf. VII/VIII, Fig. 19). 
Der epitheliale Teil zeigt entsprechend der Stria vascularis ein 
System von Wülsten oder Leisten, die von einem kubischen oder 
Plattenepithel gegen das Lumen hin gedeckt sind und in deren 
Innerem das Bindegewebe verdichtet erscheint. Blutgefäße fehlen 
darin gänzlich, und es ist hier stets nur ein, allerdings ziemlich 
großes Blutgefäß vorhanden, dessen Querschnitt innerhalb der 
Bindegewebsbrttoken zu finden ist, und das nach seiner Lage dem 
vergrößerten Vas prominens entspricht (Taf. VII/VIII, Fig. 19, 20, 
b). Des abnormalen Baues der Schneckenspitze sei nochmals kurz 
gedacht: Hier setzt sich stellenweise die Vestibularmembran der 
Mittelwindung in die Crista spiralis der Spitze fort (Taf. VII/VIII, 
Fig. 22). Desgleichen sei nochmals an den axialen Zusammenfluß 
der Cristae beider Seiten der Mittelwindung erinnert, der sich aus 
dem Defekt des axialen Schneckenabschnittes erklärt. An den- 
selben Teilen erstreckt sich ja auch noch ein Stück weit die Vesti- 
bularmembran über die Mitte. 



Zur Pathologie and patholog. Anatomie der kongenitilen Taubheit. 218 

Trotz der großen Zahl anatomieoher Beriohte fiber das Taub- 
Btammenlabyrinth verfügen wir doch nnr Aber wenige Fälle, in 
welchen genaue mikroskopische Untersuchnngen nnternommen 
worden sind. Und auch gegenüber diesen ist der oben mitge* 
teilte Fall in vieler Beziehung bemerkenswert, vor allem deshalb, 
weil in ihm wie bisher in keinem der in der Literatur bekannten 
FäUe^) eine Entwicklungshemmung als deutliche Ur- 
sache ftlrdie abnorme Ausbildung des inneren Ohres 
und damit für die Taubheit sich ergibt. Über die em- 
bryonale Zeit des Eintrittes der Entwicklungshemmung, ja auch 
über den Mechanismus bietet uns der mikroskopische Befund 
einige Anhaltspunkte: 

Die im inneren Ohr gefundenen anatomischen Veränderungen 
sind unzweifelhaft als kongenitale aufzufassen. Die knöcherne 
Schnecke hat sich in ihrer Ausdehnung fast vollkommen normal 
entwickelt, im Inneren dagegen ist, schematisch genommen, nur 
ein knöchernes Septum zwischen der Schneckenbasis und dem 
übrigen Teil der Schnecke vorhanden. Untersuchen wir nun 
menschliche Embryonen, so finden wir in der Gestalt der Knochen- 
kapsei ganz analoge Verhältnisse an 2 — 3 monatlichen Föten, 
an welchen gleichfalls der häutige Kanal bereits schneckenförmig 
aufgewunden und das gewundene Bohr lediglich von einer ein- 
heitlichen knorpeligen Kapsel umgeben wird; die Windungs- 
züge sind zu dieser Zeit untereinander nur derart 
voneinander geschieden, daß der basale Windungs- 
zng durch eine Leiste, die von der lateralen Kapsel- 
wand entspringt, von den übrigen getrennt wird. 
Nehmen wir aber an, daß die Entwicklung der Schneokenkapsel 
zu dieser Zeit stehen bleibt und sich von diesem Typus aus die 
bleibenden Verhältnisse herstellen, so gelangen wir zu dem Bilde, 
welches uns der vorliegende Fall von Taubheit zeigt, und man 
müßte dann auch annehmen, daß diejenigen Momente, durch 
welche die Schnecke in der Entwicklung gestört wurde und die 
vielleicht schon von Anfang an störend wirkten, im Laufe des 
2. oder am Anfang des 3. Fötalmonates zu einer Hemmung in 
der Weiterentwicklung der Schneckenkapsel geführt haben. Sehr 
interessant ist nun das Verhalten des Sohneckenganglion. Im 
normalen Entwicklungsverlaufe ergibt sich, daß das Ganglion, 
das ursprünglich stets einen soliden Zellhaufen darstellt, erst 



1 ) Wenn wir von den F&Uen grober, gestaltlicher Mißbildungen ( 1 0) absehen. 



214 XVI. ALEXANDEB 

sp&ter die Anordnang eines spiral laufenden Streifens erhält, in- 
dem sieh die Ganglienzellen, dem hantigen Windnngszng ent- 
sprechend , orientieren. Während man aber bisher glanbte, daß 
bei dieser ränmliohen Orientierung der häutige Kanal die Haupt- 
rolle spiele, oder vielmehr die eintretende Nervenfaserverbindung 
zwischen Ganglienzellen und häutigem Sohneekenkanal, wird 
dureh das vorliegende Präparat illustriert, daß dieSehneoken- 
kapsel bei der Orientierung des Ganglion von Be- 
deutung ist Es ist nämlioh in derselben Weise, naoh 
welcher die Skalensepta und die axialen Enochen- 
teile fehlen, und es hier nicht zur Anlage des Spiral- 
laufes des knöchernen Eanales gekommen ist, auch 
die Entwicklung des Ganglion spirale gehemmt wor- 
den: Dasselbe zeigt nur soweit spirale Anordnung, 
als auch das knöcherne Schneckenrohr intakt er- 
scheint und ist im übrigen, weitaus größeren Teil, un- 
gegliedert geblieben. Ich bin auch geneigt, die abnorme 
Querschnittform des oberen Teiles des Schneckenkanales, die 
mangelnde Entwicklung des Ligamentum spirale in diesen Re- 
gionen, das Ausbleiben der normalen Kuppelendigung des häu- 
tigen Schneckenrohres und den Defekt des Helikotrema mit der 
abnormen Entwicklung der Schneckenkapsel in ursächlichen Zn- 
sammenhang zu bringen. Offenbar haben hier die Haftflächen 
für den häutigen Kanal infolge des Defektes des Knochenrohres 
gefehlt, und so ist es z. B. in dem oberen Teil der Mittelwindnng 
dazu gekommen', daß der periphere Teil des Kanals abgeflacht 
ist, während sich die Vestibularmembran hoch auf die Schnecken- 
achse hinauf fortsetzt. Einer völlig regellosen Entwicklung ent- 
spricht die Kuppelwindung der Schnecke der rechten Seite, wo- 
bei hier gleichfalls das mechanische Moment des Defektes der 
Skalensepta und der knöchernen Spindel als Ursache heranzu- 
ziehen ist. Daß trotz dem Vorhandensein derartig ausgedehnter 
Mißbildungen in der Schneckenkapsel der häutige Kanal an- 
nähernd die normale Länge erreicht hat, ja sogar in man- 
chen Regionen grob anatomisch normal erscheint, ist nicht über- 
raschend. Ich habe wiederholt bei Mißbildungen des inneren 
Ohres darauf hinweisen können, daß die häutige Schnecken- 
kapsel selbst bei hochgradigen Mißbildungen der 
knöchernen Schnecke gestaltlich vollkommen ent- 
wickelt ist, und habe nach dem Vorschlage von Koux 
(} 3) darnach v on der ho oh gradigen Selbst di ff enzierung 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit 215 

der bäutigen Sohneeke gesprochen. Daß diese] Annahme, 
die ich seinerzeit nach Untersuchung von Fällen von S7- 
notie (1) geäußert habe, zureoht besteht, bestätigt der vor 
liegende Fall. Beiläufig sei auch bemerkt, daß ich bei 
der Untersuchung neuerlicher 4 Fälle von Synotie zu dem 
gleichen Resultate gelangt bin. Auch in dem Befunde der 
Ausbildung des Schneckenganglion und des Sehneckennerven 
sowie der Basilarpapille finden sich im vorliegenden Falle manche 
Anschltisse an bereits Bekanntes. Während man früher voraus- 
setzte, daß bei vorhandener Taubheit hochgradige Defekte am 
Schneckenendorgan oder am Nerven gefunden werden müsseD, 
haben wir durch die Untersuchungen von Alexander, Oppi- 
kofer, Politzer, Scheibe, Siebenmana u. a. erfahren, daß 
einzelne Kegionen der häutigen Schnecke und des Schnecken- 
nerven bei sicher vorhandener totaler Taubheit anatomisch normal 
erseheinen können. Ich verweise hier nur auf meine eigenen 
Beftinde an taubgeborenen Tieren, und die Befunde von Kreidl 
und mir an Tanzmäusen, mit welchen ja unser Fall, wie unten 
gezeigt wird, auch in anderer Beziehung Berührungspunkte 
zeigt, bei welchen sich einzelne Regionen des Schneckenkanales 
bis auf den totalen Defekt der Sinneszellen vollkommen normal 
erwiesen. 

Besonders hervorzuheben ist endlieh auch das histologische 
Verhalten der Basilarpapille an der Schneckenspitze, durch 
welches erwiesen ist, daß die Papille auf einem embryonalen 
Wachstumsstandpunkt, der gleichfalls dem 2. — 3. Monat ent- 
spricht, stehen geblieben ist. 

Während sich nun im akustischen Teile des Labyrinthes 
ganz klar für den oben mitgeteilten Fall eine Bildungshemmung 
als Ursache der Taubheit heranziehen läßt, finden wir für den 
vestibulären Teil keinerlei derartige Anhaltspunkte. Der knö- 
eherne Teil ist im Yestibularlabyrinth vollkommen intakt, und 
es ergeben sich lediglich feine Veränderungen an den Nerven- 
endstellen der Säcke und an den Cristae ampuUares, als haupt- 
sächliche Befunde aber eine Verdünnung und Verkleinerung der 
regionären Nervenäste und Ganglien. In diesem Befunde 
stimmt der vorliegende Fall vollständig mit dem ana- 
tomischen Verb alten der Tanzmäuse, die Kreidl und ich 
untersucht haben, überein. Es wäre darnach nicht ausge- 
schlossen, daß es sich bei diesem Taubstummen wie bei den Tanz- 
mäusen, um eine ererbte Erkrankung handelt, über deren eigent- 



218 



XYI. ALEXANDEE 



Pco Ductus cocblearis der Spitsen« Pap 

Windung. PYdo 

Dr Ductus reuniens. 

Fe Fenestra Cochleae. Sc 

H " Hensensche Zellen. Sspe 

1 Bindegewebslacken in der Sspi 

Schneckenfenstemische. Sta 

Lsg Lamina spiralis ossea. Stam 

Lsp Ligamentum spirale. St 

Mai ■ Meatus anditorus int. Str 

Mb Membrana basilaris. 

Me Membrana Gorti. Sti 

Mr Membrana reticularis. Stt 

Ms Macula sacculi. Ste 

Mts Membrana tympani sec. StY 

Mu Macula utriculi. St 

My Membrana Ycstibularis. Syi 

N Neuroepitbel der Papilla basil. Sys 

Pb Papilla basilaris. Syo 

Pbc Papilla basilaris der Spitzen- T 

^ irindung. Ys 



Prominentia spiralis. 

Pars Yestibularis des Ductus 

CO chlearis. 
Scala communis (patbol.). 
Sulcus spiralis externus. 
Sulcus spiralis internus. 
Statolithen. 
S tatolithenmembram. 
Scala tympani. 
Scala tympani des Yorfaof- 

abschnittes. 
Scala tympani der Basalwindg. 
Scala^ tympani der Mittelwindg. 
Scala^ tympani d. Spitzenwindg. 
Stria Yascularis. 
Scala Testibuli.'^' 
Scala Yestibuli d. Basalwindung. 
Scala Yestibuli d. Mittelwindg. 
Scala Yestibuli d. Spitzenwindg. 
Tunneiraum. 
Yas spirale. 



Figuren erkl&rung^). 

Tafel III/IY. 

Fig. 1. Linkes Schl&febein des Taubstummen in der Ansicht Yon 
hinten. Aae » Äußere, stark erweiterte MOndungsöffnung des Aquaeductus 
Yestibuli, nat Gr. 

Fig. 2. Nische und Membran des Schneckenfensters (Mts) mit dem 
Yorhofabschnitt (PYdc) des Schneckenkanals, r. S. H&malaun -Eosin. Zeich.- 
Ok., Obj. 1, Tubl. 17,5 cm. 

Fig. 3. Randpartie der Crista ampuUaris lat. und ihrer Cupula. 
Defekt der Haarzellen und Lftckenbildung (a) in der Cupula, 1. S. H&malaun- 
Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 6, Tubl. 15 cm. 

Fig. 4. Lücken (a, b) im Neuro^ithel der Macula utriculi (Mu), 1. S. 
Hftmalaun- Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 6, Tubl. 15 cm. 

Fig. 5. Defekt der Haarzellen in der Macula sacculi, 1. S. fiÜUnalaun- 
Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 6, Tubl. 15 cm. 

Fig. 6. Axialer Yertikalschnitt durch die Schnecke mit ihren NerYon- 
ästen und dem Ganglion, r. S. Hämalaun-Eosin. Yergr. 23 : 1. 

Fig. 7. Radialschnitt durch den Yorhofabschnitt des Schnecken- 
kanals, 1. 8. Hftmalaun-Eosin, Obj. 3, Tubl. 15 cm. 

Tafel Y/ VI. 

Fig. 8. Radialscbnitt durch die Basalwindung, r. S. Hämalaun-Eosin. 
Zeich.-Ok., Obj. 3, Tubl. 20 cm. 

Fig. 9. Kadialschnitt durch die Basalwindung (mittlerer Teil), r. S. 
H&malaun-Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 3, Tubl. 17,5 cm. 

Figg. 10, 11 und 16. Yerschiedene Stadien und Formen von zysten- 
ähnlichen Anhängen bei hydropischer (?) Degeneration der Stria Yascularis. 
Figg. 10 u. 11: r. S.; Fig. 16: LS. Hämalaun-Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 6 
(Figg. 10 u. 11) und 3 (Fig. 16), Tubl. 20 cm (Fig. 10), 17,5 cm (Fig. 11), 
15 cm (Fig. 16). 

Fig. 1 2. Oberes Ende der Basalwindung. Atrophie der Crista spiralis 
(Csp), r. S. Hämalaun-Eosin. Zeicb.-Ok., Obi. 3, Tubl. 20 cm. 

Fig. 13. Obergang der Basal- in die Mittel windung. Obliteration des 
Sulcus spiralis internus (Sspi), 1. S. Hämalaun-Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 3, 
Tubl. 17,5 cm. 

1) Figg. 2—5 und 7—23 sind mit Hilfe des Leitzschen Zeichenokulars 
gezeichnet, Fig. 6 und die beiden Textfiguren mit dem Leitzschen Pro- 
jektionszeicheuapparat. 



Archiv f.OhrenhflükundeBd. LXI. 





'VocjelmLejng" 



Archiv' f Ohrenheilkunde Bd. LXI. 





,'ogel::i Leipzig 



Arcliivf OhrenheültundeBd, I.XI, 




Venagvcr.T:r.\V:T 




bgelir.Leipug, 



lith.AnsvvILATurie.l™:! 



Zur Pathologie und patholog. Anatomie der kongenitalen Taubheit. 219 

Fig. 14. Mittelwindung; zystenäbnlicber Anhang auf der Grista spiralis, 
1. S. Hämalaun-Eosin, Obj. 6. Tubl. 15 cm. 

Fig. 15. Oberes Ende der Basalwindung; Papilla basilaris, r. S. Häm- 
alaun-Eosin. Zeich. -Ok., Obj. 6, Tubl. 20 cm. 

Fig. 17. Radialer Yertikalschnitt durch die Basalwindung am Über- 
l?ang in die Mittel windung, r. 8. H&malaun-Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 3, 
Tubl. 20 cm. 

Tafel Vll/Vm. 

Fig. 18. Vertikalschnitt durch die Mittel Windung mit gegen die 
Spitzenwindung ausgestülpter Vestibularmembran (Mt, a), r. 8. Hftmalaun- 
Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 3, Tubl. 15 cm. 

Fig. 19. Axialer Vertikalschiiitt durch den oberen Teil der Mittel- 
windung, r. S. H&malaun-Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 3, Tubl. 17 cm. 

Fig. 20. Vertikalschuitt durch die periphere Wand und die 8tria vas- 
cularis der Mittelwindung, r. 8. H&malaun-Eosin. Zeich.-Ok., Obj. 6, 
Tubl. 15 cm. 

Fig. 21. Fast radialer Yertikalschnitt durch das Cortische Organ des 
oberen Teiles der Mittelwindung, r. S. F&rbung nach Weigert-Eulschitzky. 
Zeich.-Ok., Obj. 6, Tubl. 15 cm. 

Fig. 22. Axialer Vertikalschuitt durch die Spitzenwindung, r. 8. Zeich.- 
Ok., Obj. 3, Tubl. 1 5 cm. 

Fig. 23. Vertikalschnitt, nahe der Achse: oberes Ende der Papilla 
basilaris nahe dem Euppelblindsack ; r. 8. Hämalaun- Eosin. Zeich.-Ok., 
Obj. 6, Tubl. 15 cm. 

Literatur* 

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mit besonderer Berücksichtigung der Synotie. Archiv f. Entwicklungsmecha- 
nik. 1899. Bd. Vm. 

2. Derselbe. Gehörorgan und Gehirn einer unvollkommen albino* 
tischen, weißen Katze. Dieses Archiv. 1900. 

3. Derselbe, Das Labyrinthpigment des Menschen und der höheren 
Säugetiere. Archiv f. mikroskop. Anatomie. 1901. Bd. L VIII. 

4. Derselbe, Zur pathologischen Histologie des Ohrlabyrinths mit 
besonderer Berücksichtigung des Gortischen Organs. Dieses Archiv. 1902. 

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6. Derselbe und Er ei dl, Zur Physiologie des Labyrinths der Tanz - 
maus. Archiv f. d. gesamte Physiol. 1900. Bd. 82. 

7. Dieselben, Anatomisch-physiologische Studien über das Ohrlaby- 
xinth der Tanzmaus, HL Mitteilung : Zur Physiologie der neugeborenen Tanz- 
maus. Archiv f. d. gesamte Physiol. 1901. Bd. 88. 

8. Alexander, Über atypische Gewebstormationen im häutigen Laby- 
rinth. Dieses Archiv. 1901. 

9. Derselbe und Er ei dl, Anatomisch-physiologische Studien über 
das Ohrlabyrinth der Tanzmaus, IL Mitteilung. Archiv f. d. gesamte Physio- 
logie. 1901. 

10. Mygind, Die Taubstummheit. 1894. 

11. Oppikofer, 3 Taubstummenlabyriuthe. Zeitschr. f . Ohrenheilk. 1902. 

12. Politzer, Lehrb. der Ohrenbeilk. 4. Aufl. 1901. 

13. Boux, Gesammelte Abhandl. üb. Entwicklungsmechanik. 1895. Bd. IL 

14. Scheibe, Ein Fall von Taubstummheit mit Akustikusatrophie und 
Bildungsanomalien im h&utigen Labyrinth. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Ih95. 

15. Siebenmann, Demonstration eines weiteren Falles von Kollaps 
des h&utigen Ductus cochlearis. Verhandlungen der deutschen otolg. Ge- 
sellschaft 1903. 

16. Siebenmann, Beitr&sre zur Kenntnis der Labyrinthanomalien 
bei angeborener Taubstummheit. Verhandlungen d. naturforsch. Gesellschaft 
in Basel, 1904, Bd. XVI. 

15* 



XVIh 

Experimentelle Studien Aber die Ver&ndeningen im 
GehSrorgan nach Vergiftnog mit salizylsanrem Natrinm. 

Von 

Dr. Alliert Blan, Ohrenarzt in Oörlitz. 
(Mit Tafel IX.) 

Die anßerordentlieh interessanten Mitteilungen, welche Witt- 
maack auf der Natnrforseherversammlung zn Karlsbad 1902 
fiber die Ver&ndemngen machte, die durch experimentelle Ver- 
giftung mit Chinin im Gehörorgan erzeugt wurden, veranlaßten, 
ähnliche Versuche, bezw. Untersuchungen mit der Salizylsäure 
anzustellen. 

Ehe wir die Literatur über diesen Gegenstand betrachten, 
teile ich die Versuchsreihen kurz mit: 

Es wurde zuerst eine Tierreihe von 2 Kaninchen, 4 weißen 
Mäusen, 2 Meerschweinchen durch die Schlundsonde (die Kanin- 
chen) und durch subkutane Injektion vergiftet. Die Mäuse er- 
hielten eine Dosis von je 0,01—0,2 g, die anderen Tiere von je 
0,3 — 0,5 g Natr. salicyl. Die Vergiftungserscheinungen, welche 
die Tiere darboten, traten bei den Mäusen etwa V4 Std. — 25 Mi- 
nuten nach der Iigektion auf; bei den Kaninchen etwa nach 
\'2 — 1 Std.; bei den Meerschweinchen nach V4 — ^U Std. Die 
4 Mäuse starben nach einmaliger Injektion, von den beiden Meer- 
schweinchen eines nach einmaliger, eines nach zweimaliger In- 
jektion innerhalb zweier Tage. Die Kaninchen wurden viermal 
mit der Schlundsode in 6 Tagen geflattert. Es starb das eine 
nach 6 Tagen, 1 Std. nach der letzten Injektion, das zweite 
nach 8 Tagen, 1 Tag nach der letzten Injektion. 

Die Vergiftungserscheinungen begannen mit einem Schwanken 
im Gange, dann zogen sich die Tiere — dies war besonders 
bei der Mäusen charakteristisch — formlich in sich zusammen« 



Experimentelle Studien aber die Yeränderangen ün Gehörorgan. 221 

den Eopf zwischen den Vorderbeinen. Das Schwanken wurde 
allmählich heftiger, es versagten bald darauf die vorderen Ex- 
tremitäten, bis sie, an diesen völlig gelähmt, mit der Brnst auf 
dem Boden auflagen. Nach Minuten vergeblicher Aufnohtungs- 
versuehe trat auch Lähmung der hinteren Extremitäten auf; die 
Tiere fielen zur Seite, bekamen Krämpfe; Zuckungen, beschleunigte 
Atmung. Dieser Zustand f&hrte bei den Mäusen sofort zum 
Tode. Ebenso verhielt sich das eine Meerschweinchen. 

Bei dem zweiten Meerschweinchen und den beiden Kanin- 
chen kam es nicht bis zur Lähmung der vorderen Extremitäten. 
Taumelnder Gang und eigentümlich bohrende Bewegungen mit 
dem Kopfe, als ob die Tiere den Boden durchstoßen wollten, 
traten hier auf und ließen unter großer Erschöpfung nach V« bis 
V2 Std. nach. Das zweite Meerschweinchen starb nach der 
zweiten Injektion, auf der Höhe der Yergiftungserscheinungen, 
wie es bei den Mäusen beschrieben. Die beiden Kaninchen 
zeigten nach der 2. und 3. Fütterung nur Schwanken, magerten 
aber kolossal ab ; das eine starb unter Krämpfen und Lähmungs- 
erseheinungen nach 6 Tagen, das zweite nach 8 Tagen^ 1 Tag 
nach der letzten Injektion, ebenfalls unter solchen Vorfällen. 

Die Untersuchung der in M ü 1 1 e r scher Flüssigkeit fixierten 
Schläfenbeine die unmittelbar post mortem entnommen und aus- 
präparieii; waren, wurde nach Entkalkung in einer Lösung von 

Acid. nitrio (spez. Gew. 1,2) 18,0 

Aq. dest. 60,0 

Alkohol absol. 140,0 

Natr. chlorat 0,5 

nach Entwässerung und Nachhärtung in Alkohol, Einbettung in 
Celloidin auf Serienschnitten nach Färbung mit Hämatoxylin- 
Eosin vorgenommen. Es fanden sich bei allen Tieren Blutungen 
in der Paukenhöhle. Bei dem zuletzt eingegangenen Kaninchen 
warde eine endolymphatische Blutung im Labyrinth gesehen. 
Bei 3 Mäusen fand man kleine Blutungen im Labyrinth (peri- 
lymphatisoher Raum) und im Akustikusstamme, desgleichen bei 
den zuletzt eingegangenen Meerschweinchen. Die andere Maus, 
das eine Meerschweinchen und ein Kaninehen boten keine Blu- 
tungen im Nervenstamme dar. Bei dem zuletzt eingegangenen 
Meerschweinchen konnte ich die Blutung bis zu einem größeren 
Knochengefäß der Labyrinthwand verfolgen. 



222; XVII. BLAU 

iBzwisehen war die Arbeit von Witraaaok^) erschienen. 

IL Tierreihe: Nach seinem Vorgänge wnrde nnn eine neue 
Tierreihe von 4 weißen Mäusen^ 4 Tanzmänsen nnd 4 Meer- 
schweinchen, welche durch snbkntane Injektion mit Natr. salicyl. 
vergiftet waren (Mäuse: 0,01 pro dosi, Meerschweinchen: 0,3 — 0,5 
pro dosi), kurz ante mortem durch Entblutung mittels Durch- 
schneidens der Garotiden und großen Halsvenen, einmal mit nach* 
folgender Durchspülung mit physiol. Kochsalzlösung getötet. 

Die 8 Mäuse bekamen alle nach 10 Minuten bis V^ Stunde 
die oben beschriebenen Vergiftungserseheinungen und wurden 
auf der Höhe derselben getötet. Die Tanzmäuse machten nach 
einigen Minuten leichten Schwankens plötzlich so schnell krei- 
sende Bewegungen um die eigene Achse, daß man kaum mit den 
Augen folgen konnte. Zuerst drehten sich die Tiere alle nach 
rechts, dann machten sie ein paar Schritte, um sich dann ebenso 
schnell nach der anderen Sichtung, nach links, zu drehen. 
Weiter glichen die Erscheinungen denen der weißen Mäuse und 
anderen Tiere. Von den Meerschweinchen wurde eines nach 
1 Stunde getötet. Die drei anderen erhielten nach Überstehen 
der mäßig schweren Vergiftungssymptome noch eine zweite In- 
jektion am 3. Tage. Das eine Meerschweinchen (260 g Gewicht) 
wurde 2 Stunden nach dieser Injektion getötet, die beiden an- 
deren am nächsten Tage, nachdem sie plötzlich Krämpfe be- 
kommen hatten. 

Das Gewicht der Meerschweinchen schwankt zwischen 260 
bis 350 g, die Mäuse wogen durchschnittlich 25—30 g. — Die 
Dosis pro dosi betrug 0,001 — 0,5 g Natr. salicyl. Bei all diesen 
Tieren wurde sofort nachher der Kopf abgetrennt und in toto in 
die Fixierungsflüssigkeit gelegt, nach 24 Stunden wurde dann 
das Schläfenbein auspräpariert. Als Fixierungsflttssigkeit diente 
die auch von Wittmaack verwandte Lösung von 

Müllersche Flüssigkeit . . . 100,0 ccm 

Formalin 5,0 ^ 

Eisessig 1 — 2,0 *• 

Nach Entkalkung in der oben angegebenen Lösung, die etwa 
2 — 4 Tage erforderte, wurden die Objekte entwässert, in steigen- 
dem Alkohol gehärtet, in Gelloidin eingebettet und in Serien- 
schnitte zerlegt. Es wurden dann alle 8 Mäuse und 2 Meer- 



1) Arch. f. Physiol. Bd. 95. 1903. 



Experimentelle Stadien über, die «Verlbiderangen im Gehörorgan. fi&3 

schweinchen, und zwar das eine gleiob naeh der ersten Injektion 
getötete und eins von denen, welobe am Tage nach der zweiten 
Injektion getötet wnrden, so untersucht naoh Färbung mit Hfima^ 
toxylin-Eosin. — Die beiden anderen Meersehweineben worden 
zur Untersuchung der eventuellen Ganglienzellenverändernngen 
aufbewahrt. 

Nirgends konnten tbier nun Blutungen im Labyrinth oder 
im Akustikusstamme gefunden werden; nur vereinzelt (bei zwei 
Mfiusen) fanden sich kleine Ekcbymosen in der Pauke. Bei 
keinem der Tiere konnte das Trommelfell klinisch untersucht 
werden. — Das Gehör der Tiere schien, soweit eine solche Fest- 
stellung möglich, herabgesetzt zu ..sein. Doch ist namentlich bei 
der feinen Empfindsamkeit der Mäuse auf jede Lufterschfltterung 
dieser Befund nicht recht verwendbar (Pfeifen, Anschlagen an 
einen in der Hand gehaltenen Teller). 

Daß es sich bei den Versuchen der erst beschriebenen Tier* 
feihe zweifellos um intravitale Blutungen gehandelt hat, ist bei 
den Blutungen in der Paukenhöhle sicher. Die bei dem einen 
Kaninchen gefundene endolymphatische Blutung muß ich eben- 
falls fUr eine solche ansehen, während ich fftr die im Akustikus- 
stamme gelegenen Blutungen eine Verletzang eines größeren Ge- 
fäßes beim Auspräparieren fttr wahrscheinlich halte, besonders 
nachdem es uns einmal gelang, die Blutung bis zu einem größe- 
ren Geftß zu verfolgen. Das Labyrinth war von mir zur Fixie- 
rung nicht eröffnet worden. — Bei der endolymphatischen Blu- 
tung lagen die Blutkörperchen (Geldrollenform) frei im endo- 
lymphatischen Raum, hatten aber das Cortische Organ an dieser 
Stelle offenbar teilweise zertrümmert. 

Um die eventuellen Veränderungen an den Ganglienzellen, 
welche wir nach den geschilderten Befanden einerseits, nach der 
Analogie mit den Chinintieren andererseits erwarten durften, zu 
studieren, wurden die oben bezeichneten 2 Meerschweinchen und 
eine 3. und 4. Tierreihe verwandt. 

III. Tierreihe: Durch einmalige Injektion getötete Tiere: 

a) Weiße Maus^ 30 g schwer. 

9. Oktober 1903. 0,05 Natr. salicyl. subkutan. Nach 10 Mi- 
nuten schwere Erscheinungen, auf der Höhe derselben durch 
Entblutung getötet. 

Sektion: Keine Blutungen in Pleura und Perikard, keine 
Blutung in Pauke oder Labyrinth. 



224 XTIL BLAU 

b) Meerschweinchen, 300 g schwer. 
28. Okt. 1903. 0,5 g Natr. saUcyl. snbkntan. Nach 41/2 Stnn* 
den schwere Yergiftangserscheinangen, Krämpfe, die sich all* 
mählich lösten. Dnrch Entblntang getötet nach 10 Stunden wie 1. 
Fixierung wie Tierreihe II. 

lY. Tierreihe: Dnrch mehrfache Injektion kleinerer Dosen 
yergiftete Tiere: 

1. Kaninchen, 1200 g schwer. 

9. Oktober 1903. 0,3 Natr. salicyl. 
10. Oktober. do. 

1 2. Oktober. do. 

14. Oktober. do. 

15. Oktober. Unter geringen Ercheinnngen, Zuckungen stirbt 
das Tier. 

Fixierung in Alkohol, dann Auspräparieren der Schnecke 
mit Akustikus. 

Entkalkung und Einbettung wie bei der I. und II. Tierreihe« 
Nirgends Blutungen. 

2. Meerschweinchen, 400 g schwer. 
9. Oktober 1903. 0,1 Natr. salioyl. 

10. Oktober. do. 

12. Oktober. do. 

14. Oktober. do. 

Am 14. Oktober stirbt das Tier auf der Höhe der 2 Stunden 
nach der letzten Injektion aufgetretenen Erscheinungen. Behand- 
lung wie Kaninchen dieser Reihe. 

3. Meerschweinchen, 1500 g schwer. 
9. Oktober. 0,1 Natr. salicyL, subkutan. 

10. Oktober. 0,1 Natr. salicyl. 
12. Oktober. do. 

14. Oktober. do. 

16. Oktober. do. 

20. Oktober. do. 

21. Oktober. do. 

Am 21. Oktober, 4 Stunden nach der letzten Injektion, stirbt 
das Tier, nachdem leichte Zuckungen und Lähmung der Extre- 
mitäten aufgetreten waren. Das Tier war während der Zeit sehr 
herabgekommen. 

Behandlung wie oben. 

Unmittelbar post mortem wurden also bei diesen 3 Tieren 
die Köpfe in toto in Alkohol abs. eingelegt, nach 24 Stunden 



Experimentelle Studien Aber die Yerändernngen im Gehörorgan. 225 

das Sehläfenbein , aus diesem die Schnecke mit Aknstiknsstttck 
ganz sorgsam heranspräpariert, in der beschriebenen Lösung ent- 
kalkt, entwässert, in steigendem Alkohol gehärtet, im Celloidin 
eingebettet und geschnitten« 

Die Färbung wurde bei diesen 3 Tieren nach der Original- 
Yorschrift Nißls vorgenommen. 

Aus starkem Alkohol werden die Schnitte in folgende Flüssig- 
keit gebracht: 

Methylenblau B Patent 3,75 

Yenetianische Seife 1,75 

Aq. destill. 100,0. 

In dieser werden die Schnitte, bis Blasen springen, erhitzt, 
in Anilinöl- Alkohol (1 Teil auf 9 Teile) differenziert , dann auf 
dem Objektträger abgetrocknet, Oleum origani heranfgetropft, 
wieder abgetrocknet; sodann wird ein Tropfen Benzinkolo* 
phoninm und einige Tropfen Benzin heraufgetropft. Das Benzin 
wird entzündet. Nach dem Abbrennen Auflegen des Deckglases 
unter leichtem Erwärmen (Sehmorl, Mikroskopische Technik). 
Die vorher bezeichneten beiden Meerschweinchenobjekte und die 
Maas der III. Tierreihe wurden nach Held gefärbt und nach 
Lenhossäk (Vorfärbung mit Erythrosin, dann azetonhaltiges 
Methylenblau B. Patent usw.) bezw. (Thionin konz. wässrig). 

Die Schnitte hatten alle eine Dicke von 5 — 7,5 jw. 

Die Ganglienzellen des Ganglion spirale der Meerschwein- 
chen und Kaninchen haben alle eine leicht ovale oder runde 
Form und unterscheiden sich in ihrer Größe nicht wesentlich von- 
einander, auch bei den einzelnen Tieren variiert ihre Größe in 
erster und letzter Schneckenwindung nicht. Dagegen sind die 
innerhalb der Vestibularnerven gelegenen Ganglienzellen erheb* 
lieh größer als die des Ganglion spirale. 

Ich will nun bemerken, daß die nach Held und Lenhossäk 
gefärbten Bilder besonders deutlich all die Veränderungen er- 
kennen lassen, während die Originalfärbung nach Nißl durch 
-den einheitlich blauen Farbenton die Unterschiede weniger deut- 
lich hervortreten läßt. Ferner füge ich bei, daß ichWittmaacks 
Erfahrung bestätigen kann, daß nämlich das Erhitzen in Me- 
thylenblau oft schädlich, meist unnötig ist. 

Bei dem letzten Meerschweinchen, welches 13 Tage lebte, 
sehr mäßige Vergiftungserscheinungen darbot und 7 Injektionen 
4 0,1 Natr. salicyl. erhielt, fand sich das Protoplasma der Zellen 
von einem bald etwas weiteren, bald etwas engeren maschigen 



226 XVIL BLAU 

Netzwerk gebildet» das einen diffusen blauen Farbenton ange- 
nommen hatte, der hier und da von kleinen farblosen Stellen 
unterbroeben war. An einzelnen wenigen Zellen gelang es^ am 
Bande eine konzentrische, nioht geschlossene Lage rundlicher 
oder dreieckiger, dunkelblauer oder nur schwfteher gefärbter 
Eorperchen nachzuweisen. An einer Beihe von Zellen zeigt sieh 
dieser Ring nur an einem Zellpol erhalten, während er sonst ganz 
fehlte. Den meisten Ganglienzellen jedoch mangelt es bis auf einen 
den Kern teilweise umgebenden Ring rundlieh oder unregelmäßig 
gestalteter dunkelblauer Eorperchen solcher Gebilde ganz. Hier 
und da fanden sich unregelmäßig in der Zelle verteilt, einzelne 
Ballen mehrerer dunkelblauer Körper, während andere Zellen 
nichts mehr von solchen Eorperchen erkennen ließen, sondern 
diffus blau erschienen, meist körnig. Ab und zu erkennt man 
in solchen diffus blauen körnigen Zellen einzelne ganz blasse 
Körperchen, und man gewinnt, den Eindruck, als ob dieselben 
ihren Farbstoff an die Umgebung abgegeben hätten. Der Kern 
dieser Zellen hat meist einen deutlichen Kontur, einen oder zwei 
bis drei Eernkörperchen. Er liegt fast genau in der Mitte der 
Zellen und zeigt ein feines blaues Netzwerk, das jedoch bei 
vielen Zellen verwaschen erscheint. 

An einzelnen Zellen konnte auch eine deutliche Kerngrenze 
nicht mehr nachgewiesen werden. Die Zellgrenzen selbst sind 
an einer großen Zahl von Zellen vollkommen undeutlich, ver- 
waschen. Die ganze Zelle scheint in körniger Auflösung sich zu 
befinden (Fig. 6). Die Zellen der beiden anderen Tiere der 
IV. Tierreihe (Kaninchen und Meerschweinchen) verhalten sich 
ebenso, nur daß die Veränderungen hier insoweit schwerere sind, 
als eine noch geringere Zahl von Zellen einen, wenn auch viel- 
fach unterbrochenen, randständigen Bing von Körperchen zeigt. 

Die beiden Meerschweinchen der IL Tierreihe, von denen 
das eine (a) 2 Stunden nach der zweiten Injektion unter schweren 
Vergiftungserscheinungen getötet wurde, das andere am darauf 
folgenden Tage, nachdem es Krämpfe bekommen und ebenso 
die weiße Maus der III. Tierreihe wurden, wie Wittmaaok 
dies getan, behandelt und nach Held, bezw. Lenhossök 
gefärbt. 

Fast alle Zellen des Tieres a der II. Tierreihe zeigen eine 
violette Färbung des Protoplasma, und an ganz vereinzelten ist 
etwas von einem roten Netzwerk noch erhalten. Dagegen sind 
hier Vakuolenbildungen häufiger anzutreffen. Auch das Kern- 



Experimentelle Studien ttber die. V^rAnderungen im Gehörorgan. 227: 

gerttst zeigt nnr hier und da noißh ein rotes Netzwerk. Im all- 
gemeinen ist alles diffus violett, schmutzig violett (rft gefärbt^ 
bald mehr mit einem tieferen blauen Farbenton untermischt. 

An einer Beihe von Zellen [findet man noch unregelmäßig 
verstreut ungleich geformte, dunj^elblaue Eörpercben; bei den 
meisten sind sie bis auf hier und da anzutreffende kleinste 
Pfinktcheu völlig verschwunden. Einige Zellen fallen durch ihren 
besonders hellvioletten Farbenton auf. — An manchen solchen 
bellen Zellen sind um den Kern wenige dunklere Körperchen 
gelagert. — Das zweite Meerschweinchen der IL Tierreihe (IIb), 
welches unter schweren Erscheinungen am Tage nach der zwei- 
ten Injektion getötet wurde, hat noch schwerere Schädigungen 
davongetragen. Hier sieht man bis auf ganz vereinzelt hier und 
da verstreut im Protoplasma liegende Körperchen gar nichts 
mehr von solchen Gebilden. Alles ist schmutzig violett, ver- 
waschen, die Zellgrenzen oft undeutlich, die Kernkonturen je- 
doch fast durchwegs klar und scharf. 

Das Meerschweinchen der III. Tierreihe (III b) läßt ebenfalls 
kaum noch derartige dunklere Körperchen erkennen, nur selten 
sieht man um den Kern gelagert einzelne Punkte. Besonders 
auffallend ist, daß hier eine Beihe von Kernen unregelmäßig aus- 
gezackt, grobkörnig, ohne die Kernkörperchen sehen zu lassen, 
erseheinen. 

Die Maus (III a) bietet einen Befund ähnlich wie die Meer- 
schweinchen der IL Tierreihe , nur daß man hier eine große 
Zahl von Zellen mit unregelmäßiger Anordnung der Körperchen 
findet. 

Fassen wir die Befunde kurz zusammen, so können wir ge- 
wissermaßen unterscheiden zwischen den bei der akuten Ver- 
giftung (ein- und zweimalige Injektion) an den Ganglienzellen 
nachweisbaren Veränderungen und solchen, wie sie durch die 
chronische Vergiftung (mehrmalige Injektion) gesetzt wurden. 

Die Veränderungen betreffen das Protoplasma der Zelle und 
zwar in erster Beihe die in demselben gelagerten, von Nißl 
beschriebenen Körperchen. 

Die Schädigungen, wie sie sich durch ein- und zweimalige 
Injektionen größerer Dosen bei den Tieren erweisen, welche unter 
lang dauernden, schweren Symptomen zugrunde gehen, bezw. 
auf der Höhe dieser getötet wurden, bleiben mehr auf die un- 
regelmäßige Lagerung y das völlige Verblassen und Fehlen der 
Nißl körperchen, verwaschene Färbung beschränkt, während das 



228 XVII. BLAU 

ündentliohwerden der Zell- und Eernkonturen, die vollige Auf- 
lösung der Zelle zwar auch vereinzelt bei diesen Tieren gefun- 
den werden, in größerem und größtem Umfang jedoch die Ver- 
änderungen der Ganglienzellen der gewissermaßen chronisch ver- 
gifteten Tiere charakterisieren. 

Andererseits findet sich gerade bei diesen letzteren chronisch 
vergifteten Tieren noch eine gewisse Zahl von Zellen, die eine 
zwar unterbrochene und oft gestörte, aber doch immerhin nor- 
malere Lagerung der Eörperchen und Färbung erkennen lassen. 

Es dürfte daher der Schluß zulässig sein, daß die chronisch 
vergifteten Tiere zwar die höchsten Grade der Schädigungen an 
den Ganglienzellen darbieten, daß aber durch die langsamere 
Art der Einwirkung des Giftes die Zellen nicht alle gleichzeitig 
und gleichmäßig ergriffen werden. Dafllr spricht auch vielleicht 
der Umstand, daß die Ganglienzellen, die innerhalb des Vesti- 
bularganglions liegen, und welche im allgemeinen die gleichen 
Veränderungen aufweisen, als die des Ganglions spirale, eine 
größere Zahl von Zellen darbieten, bei denen eine konzentrische, 
randständige Schichte oder ein Halbring am Zellpol erhalten ist 
(Der Vestibularnerv wurde an einer größeren Zahl von Schnitten 
mitgetro£fen.) 

Die der mehr akuten Vergiftung anheimgefallenen Tiere 
zeigen eine fast alle Ganglienzellen in gleicher Weise schwer 
tre£fende Veränderung der N iß 1 körperchen, die Schädigungen 
der Zelle in toto und des Kernes sind jedoch weit geringer. 

Die ganz kurz nach der Injektion getötete Maus läßt noch 
eine größere Zahl normalerer Zellen sehen; hier hat also die 
kurze Zeit nicht hingereicht, alle Zellen zu schädigen. 

Wir erkennen mithin, daß die Schädigungen des Protoplas- 
mas der Zellen, die Veränderungen der Nißlkörperchen zum 
Teil von der Zeitdauer der Giftwirkung abhängig sind, ebenso 
jedoch von der Einzeldosis. Und damit ist auch die Möglich- 
keit, diese Schädigungen zu fiberwinden, bezw. zu verhüten, in 
einer genauen Dosierung des Mittels gegeben. Jedenfalls liefern 
unsere Experimente und Befunde den Beweis, daß die Störungen 
im Gehörorgan, wie sie durch die Salizylsäure, bezw. Salizylate 
gesetzt werden, in einer Schädigung der Ganglienzellen im Gang- 
lion spirale und im Vestibularganglion ihre Ursache haben. 

Die Literatur, welche uns über unseren Gegenstand zugäng- 
lich war, beschränkt sich außer den experimentellen Arbeiten 
Kirchners auf die Mitteilungen von: 



Experimentelle Studien Aber die Yer&nderongen im Gehörorgan. 229 

1. Bride 0« Dieser' besebr^ibt das Ohprftparat eines Mannes, 
der naeh Gebranoh von Natr. salieyl. taub geworden war, £r fand 
in der Scbneeke keine Anomalie, dagegen war in den Bogen- 
gängen der ganze perilymphatische Banm mit Bindegewebsbttn* 
dein verschiedener Dicke erfÖUt. 

2. Stricker 2), welcher sagt, daß Ohrensausen, Schwer- 
hörigkeit nnd profuse Schweiße nach der Resorption von Salizyl- 
säure entstehen kann. 

3. Husemann^) äußert sich dahin, daß Salizylsäure und 
salizylsaures Natrium toxisch wirken in großen Dosen. Unter 
den Erscheinungen, die sich einstellten, sind Ohrensausen und 
Taubheit, ähnlich wie beim Chinin, die bemerkenswertesten« 

4. Schilling^) beobachtete 3 Fälle, in denen nach langem 
Gebrauch des Salizylsäuren Natrons intermittierendes Ohrensausen 
und Schwerhörigkeit mäßigen Grades zurückgeblieben sind. Da- 
bei fanden sich die Trommelfelle getrübt 

Außerdem hat Schilling 7 Patienten, deren Trommelfelle 
er zuvor als gesund konstatiert hatte, während der Zeit des Be- 
stehens cerebraler Salizylintoxikationserscheinungen untersucht 
und in 3 Fällen, wo Ohrensausen und Schwerhörigkeit am mei- 
sten ausgeprägt waren, das Trommelfell nicht unbeträchtlich in- 
jiziert gefunden, während diese Befunde in den anderen 4 Fällen 
negativ waren. 

5. Schwabach^) beobachtete einen 31jährigen Patienten, 
der 5 Tage zuvor bei einer rheumatischen Erkrankung 3 mal täg- 
lich 1,0 g Natr. salicyl. genommen. Nach 2 oder 3 Pulvern sei 
heftiges Ohrensausen und Schwerhörigkeit aufgetreten, infolge 
dessen die Arznei ausgesetzt wurde. Die Beschwerden hatten 
dann nachgelassen bis auf einen geringen Rest. Dann gebrauchte 
Patient etwa 30 g Natr. salicyl. Die Beschwerden kamen wie- 
der. Naeh Beendigung der Eur ließen Schwerhörigkeit und 
Ohrensausen allmählich nach, das letztere nur wenig, und be- 
steht heute noch fast ebenso stark. Offenbar, meint Schwa- 
bach, hatten die subjektiven Geräusche in diesem Falle ihren 



1) Bride, zit. nach Kirchner. Berl. klin. Wochenschr. 1881. Nr. 49. 

2) Berliner klin. Wochenschr. 1876. 

3) Hasemann, zit. nach Schwabach. Deutsche med. Wochenschr. 
1884. Nr. 11. 

4) Schilling, Münchner ärztl. Intelligenzbl. 1883. Nr. 3. 

5) Schwabach, Dentsche med. Wochenschr. 1884. Nr. 11. 



230 XVII. BLAU 

Grund in einem dnrcb das Natr. salioyL gesetzten ßeizzustand 
des Hörnerven, welcher sich nnter der Form der diesem Nerven 
spezifisch eigentümlichen Sinnesempfindung äußert und der nur 
dadurch sich auszeichnet, daß er nicht, wie dies sonst der Fall 
ist, ohne Schaden zu hinterlassen, vorttberging. 

6. Sachs^) fand nach 5 g Salicylsäure, die in 2 Dosen mit 
V4 ständiger Pause genommen waren, ein Sinken der Ohrtemperatur 
um 0,35 in 2—3 Stunden. In derselben Zeit treten bei 4 Ver- 
suchspersonen Ohrensausen auf, und zwar von längerer Dauer 
als bei Chinin. Auch die Hörbeeinträchtigung war stärker als 
bei diesem und dauerte länger, bei Weber 6 Tage — bei schon 
zuvor Schwerhörigen war sie noch bedeutender. Bei einem von 
diesen dauerte die Verschlimmerung V^ «fahr trotz aller Kur- 
versuche. Der Schwindel trat später auf, als das Ohrensausen. 

7. Urbantschitsch^) fand bleibende Hörstörungen nach 
Salizylsäure. In mehreren Fällen waren dieselben von cerelM'alen 
Beizerseheinungen begleitet« 

8. Kirchner 3) erwähnt einen Fall, wo nach längerem Ge- 
brauch von Salizylsäure eine exsudative Entzündung der Pauken- 
höhle eintrat, während die Erscheinungen seitens des Labyrinthes 
Eingenommenheit der Kopfes, Rauschen im Ohr, zeitweises Schwin- 
delgeftthl und Unsicherheit beim Geben von selbst verschwunden 
WB-ren, blieb eine mäßige Schwerhörigkeit zurück, die sich abwech- 
selnd besserte und verschlechterte. K irchner fand in der Pauken- 
höhle eine Ansammlung des bekannten bernsteingelben, serös- 
schleimigen Exsudates, das bis an den Umbo des Trommelfelles 
reichte. Nach Parazentese und Luftdouche trat Besserung ein 
bis auf einen mäßigen Grad von Schwerhörigkeit. — Sodann hat 
Kirchner^), wie oben angedeutet, in seinen experimentellen 
Arbeiten den Nachweis führen wollen, daß sich die Wirkung der 
Salizylsäure ebenso wie die des Chinins auf das Gefäßsystem, 
bezw. die Girkulation erstreckt und demgemäß die von ihm nach- 
gewiesenen Blutungen und Hyperämien verantwortlich gemacht 
für die Störungen im Gehörorgan. 

Wenn schon dieser Schluß eine Klippe fand in der Tat- 
sache, daß das Chinin wie das Salizyl im allgemeinen keine 



1) Sachs, Handbuch der Ohrenbeilk. von Schwartze. Bd. I. 

2) Urbantschitsch, ebenda. 

3) Kirchner, Monatsscbr. f. Ohrenbeilk. 1883. 

4) Derselbe, ebenda. Nr. 25. — Berliner klin. Wochenschr. 1881. 



Experimentelle Studien über die Veränderungen im Gehörorgan. 231 

speziell das Blutgefäßsystem betreffenden Schädigungen auslöst, 
so ist weiterbin fbr das Cbinin von Wittmaack der Beweis 
erbraebt, daß diese Blutungen und Hyperämien einen sekun- 
dären Charakter tragen, daß die von Wittmaack nachgewie- 
senen Ganglienzellenverftndernngen das Wesentliche, der Angriffs- 
punkte des Chinins im Gehörorgan darstellen. 

Um so exakter ist dieser Beweis geworden durch die schon 
Torher von Grün er t^) veröffentlichten Befunde bei strangulierten 
Tieren und namentlich später durch die von Alexander 2) nach- 
gewiesene Möglichkeit, durch Traumen auch endolymphatische 
Blutungen erzeugen zu können. 

Dasselbe gilt für das Salizyl, dessen Wirkungen auf das 
Gehörorgan beim Menschen ähnliche, oft noch stärkere sind als 
die des Chinins und welche denselben Ausdruck fanden (Ohren- 
sausen, Schwerhörigkeit, Schwindel). Auch wir konnten nach- 
weisen, daß bei Einhalten gewisser Vorsichtsmaßregeln die Blu- 
tungen und Hyperämien vermeidbar waren. Dieses wurde von 
uns bereits auf der Naturforscherversammlung in Kassel (Sept. 
1903) mitgeteilt. — Es ist aber außerdem durch die IV. Tier- 
reihe der Beweis erbracht, daß durchaus nicht immer diese von 
Kirchner gefundenen Schädigungen des Gefäßapparates ein- 
treten müssen, auch wenn die Tiere nicht vorher, um Fehler- 
quellen auszuschalten, entblutet wurden. — Die weniger heftig 
zum Tode fiihrenden chronischen Vergiftungen, wie wir sie 
nennen wollen, bei denen die starken Suffokations- und Krampf- 
erscheinungen fehlen, ließen uns bis auf wenige Ekchymosen in 
der Pauke bei nur einem Tier keine eigentlichen Blutungen oder 
Hyperämien, Gefäßerweiterungen nachweisen. Im Gegenteile, 
glaube ichy für das Salizyl ebenfalls eher eine Ischämie an- 
nehmen zu dürfen, die ihrerseits zu den die Wirkung des Sali- 
zyls beweisenden Veränderungen an den Ganglienzellen fßhrt. 

Ob wir es hier nun mit einer direkt spezifischen Giftwirkung 
auf die Zelle oder mit einer durch das Gift hervorgerufenen Er- 
nährungsstörung zu tun haben, dürfte noch dahingestellt bleiben. 
Jedenfalls finden die Wirkungen des Natr. salicyl. auf das Gehör- 
organ ihren Ausdruck in bestimmter Schädigung der Ganglien- 
zellen im Ganglion spirale und innerhalb der Vestibularganglion. 
Übertragen wir diese experimentellen Ergebnisse auf die 



1) Grunert, dieses Archiv. Bd. XLY. 161. 

2) Alexander, ebenda. \90d. 



282 XYII. BLAU 

klinisohen Beobachtungen, so stimmen die Angaben von Sachs, 
daß der Sehwindel nach dem Ohrensausen auftritt, damit über- 
ein, daß die YerAnderungen im Yestibularganglion nicht so aus- 
gedehnt waren als die des Ganglion spirale. Auch dieses würde 
die Anschauung rechtfertigen, daß die Schädigungen bei lang- 
samer Vergiftung mit kleineren Dosen in häufigerer Wiederholung 
die Zellen allmählich nacheinander ergreifen. Ein gewisser 
Unterschied des Schädigungsgrades der Zellen scheint beim Ver- 
gleich der Witt maack sehen Befunde fElr das Chinin mit den 
unserigen für das Salizyl zu bestehen. 

Ob wir Wittmaack darin folgen sollen, den physiologischen 
Ausdruck der anatomisch nachweisbaren Veränderungen in einer 
Reizung und einer Ermüdung, also einem reparablen Zustand, 
und später in einer Lähmung der Oanglienzellen zu sehen, da- 
fElr dürfte es ausschlaggebend sein, welchen Einfluß man der 
durch das Gift heryorgerufenen Ernährungsstörung ftr die Zellen 
zuschreibt. — Diese Ernährungsstörung aber einzig der suppo- 
nierten z. T. bewiesenen Anämie bez. Ischämie des Labyrinths 
zuzurechnen, ist, glaube ich, nicht angängig. Wir wissen von 
anderen Vorgängen in Organen und Zellen, daß eine vermin- 
derte Nahrungszufuhr den Zellenhunger anregt, und wenn die 
Nißlkörperchen als Beserveemährungsmaterial aufgefaßt werden 
dürften, welches der gesteigerten Tätigkeit der Zelle nachzu- 
kommen den Zweck hätte, so wäre in den bei den heftigen Vor- 
gängen der Vergiftung mit mittleren und großen Dosen in den 
Zellen auftretenden Veränderungen, der veränderten Lagerung, 
dem Verblassen und völligen Verschwinden der Eörperchen 
gleichsam eine gesteigerte Nahrungsaufnahme und gesteigerte 
Assimilationsf&higkeit zu erblicken. Dieses freilich würde um- 
gekehrt einen gewissen Reiz auf die Zelle voraussetzen, von dessen 
längerer Dauer allmählich eine Ermüdung, endlich eine Lähmung 
der Zelle die Folge sein könnte. Dieser Reiz läge dann aber 
doch einerseits in der Ernährungsstörung, und diese könnte so- 
wohl in der verminderten Blutzufuhr als in der durch das Gift 
gestörten Zelltätigkeit zu finden sein. 

Es würde dann nur die Frage der Beantwortung harren, 
ob alle Schädigungen, welche die Ganglienzellen träfen , die 
gleiche Art der Störung in der Zelltätigkeit hervorrufen würden. 

Am Schlüsse dieser Arbeit ist es mir ein besonders auf- 
richtig empfundenes Bedürfnis, dem Herrn Privatdozenten Dr. 
Alexander, Wien^ ftlr die Anregung zu dieser interessanten 



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Experimentelle Stadien über die Ver&nderongen im Gehörorgan. 233 

Arbeit und die liebenswürdige Prüfung der Befunde meinen 
wärmsten Dank sagen zu können. 



Figurenerklärung auf Tafel IX, 

Fig. 1—3. ZeUen aas dem Yestibalarganglion (verschiedene Stadien 
bei einem chronisch vergifteten Meerschweinchen (Original-Nißlf&rbang). 

Fig. 4—7. Zellen aas dem Ganglion spirale desselben Tieres (Ori- 
ginal-Nimfärbang). 

Fig. 8—11. Zellen des Ganglion spirale bei einem durch zweimalige 
Injektion mit größeren Dosen nach heftigen Erscheinungen getöteten Meer- 
schweinchen. 



ArohiT f. OhienheUkimde. LXI. Bd. L6 



xvra. 

Ans der k. k. UniversitAtsklinik fittr Ohrenkranke in Wien 
(Verstand: Hofrat Profesfor Dr. Adam Politzer). 

Die Ankylose des Hammer-Ambdss-Gelenkes. 

Von 
Dr. Hng^o Frey, em. Assistenten der Klinik. 

(Mit Tafel X. XI.) 

Die Beweglicbkeitseinsebrftnknng der stapedio-vestibularen 
Verbindung ist vielfacb einer genauen Untersuebung unterzogen 
worden, und unsere Kenntnis der Details der bier vorkommen- 
den krankbaften Veränderungen ist eine ziemlicb weitreicbende. 
Im Gegensatz dazu ist den Ankylosen der lateralen Gebör- 
knSobelohen niobt dieselbe Aufmerksamkeit gewidmet worden. 
Dies ist nicbt unbegreifliob, wenn man erwägt, daß die Fixation 
der Verbindung zwiscben Hammer und Amboß gewiß viel seltener 
vorkommt, als die des Steigbügels im ovalen Fenster, und daß 
durch die zweite die SebalUeitungsvorgänge in viel größerem 
Maße als durcb die erste beeinträebtigt werden, Grund genug, 
ibr scbon vom klinisoben Standpunkte aus ein bei weitem 
böberes Interesse entgegenzubringen. 

Die Literatur der Ankylosen des Hammer- Amboßgelenkes 
ist eine wenig umfangreiobe. Man findet meist nur Anmerkungen 
über diese Veränderung als Nebenbefnnd bei Sektionen des Sobläfen- 
beins. Scbuld daran trägt unter anderem siober aueb die unvoll- 
ständige Einsiebt, die man lange Zeit in das normale Verhalten der 
Hammer- Amboßverbindung hatte und die selbst dureb die alier- 
jüngsten Untersuchungen noch niobt vollkommen geklärt werden 
konnte. So konnte zum Beispiel noch Valsalva (18) der Ansiebt 
Raum geben, daß pbysiologisoherweise Hammerkopf und Amboß- 

1) Diese Ziffern beziehen sich auf das Literataryerzeichnis am Schlasse 
dieser Arbeit. 



Die Ankylose des Hunmep- Amboß- Gelenkes. 335 

korp^r unbeweglieh miteinander Terbnndea sei^n ; in unserer Zeit 
wird vielfach, wenn anoh nicht unwidersprochen, ein wahres Oel^k 
zwischen beiden y^BUitet; erst k&izüoh hat Schmidt (15) 
neuerlieh das Bestehen eines echten Oelenkes in Abrede gestiellt. 

Erwähnt wird, schon von Petit (11), Hofmeister (4) so* 
wie Meekel(7) die Tatsache, daß Ankylose der s&wer ersten 
Gehörknöchelchen vorkomme. 

In seinem bekannten Katalog führt To jnbee flft) folgende 
F&lle an: 

L Nr. 569. Trommelfell verdickt, opak, starrer als natür- 
lich, Kette der GFehörknöchelchen fixiert. Laute Spraehe war 
nur mehr dicht am Ohre gehört worden. 

IL u. III. Nr. 591 u. 592. Kette der Gehörknochelehen rigid. 

IV. Nr. 628 a^ Hammer- Amboßgelenk ankylotisch. 

Wie man sieht, bezieht sich nur einer dieser Befunde auf 
das Hamm er- Amboßgelenk allein, in den anderen Fällen ist dieses 
Gelenk nicht speziell erwähnt, woraus schon hervorgeht, daß der 
in Rede stehenden Veränderung keine besondere Aufmerksamkeit 
geschenkt wurde, wie denn auch anatomische Details fehlen. 

Fast die meisten Fälle finden wir späterhin von Tröltsch 
(17) verzeichnet. Es sind dies folgende: 

V. und VL Anatomischer Befund von zwei Gehörorganen. 
Links: Hammer und Amboß abnorm fest miteinander verbun- 
den. Beehts: Der Amboß scheint durch eine knöcherne Anky- 
lose mit dem Hammer zusammenzuhängen. Schleimhaut der 
Paukenhöhle normal. Beide Trommelfelle perforiert, fadenförmige 
Adhäsionen in der linken Trommelhöhle. 

VII. Ankylose des Hammer -Amboßgelenkes durch Ver- 
dickung der Gelenkkapsel, die sich als dunkler Streifen abziehen 
läßt« Von dem weiteren Befunde erwähnenswert: Trommelfell 
auffallend konkav, verdickt. Der Zustand der Trommelfaöhlen- 
schleimhaut war wegen des Alters des Präparates nicht zu be- 
urteilen. Hammer durch Adhäsionen an die äußere Wand 
fixiert. 

VIII. Die Verbindung zwischen Hiunmer und Amboß ab- 
norm fest. Von beiden Gelenkflächen läßt sich eine V2 cm dicke 
Schicht abheben, von mäßiger Kohärenz und Konsistenz, am 
meisten erweichtem Knorpel ähnlich im äußeren Ansehen; eine 
trübe Grundsubstanz mit sehr reichlichen, meist eckigen Zellen. 
Die Trommelhöhlenschleimhaut stark verdickt, grau und sehnig, 
mit weißen, streifenförmigen Verdickungen» Bindegewebswuche- 

16* 



236 XYIU. FREY 

rnng im runden Fenster, Strangbildnng in der Trommelhöhle der 
anderen Seite. 

JX. Hammer nnd Amboß sind abnorm fest miteinander ver- 
bunden und besitzen allseitig Adhäsionen mit den benachbarten 
Wänden und untereinander. Die Ankylose des Hammer- Amboß- 
gelenkes war eine so feste, daß diese beiden Enöehelehen, her- 
ausgenommen , nur mit einiger Kraft getrennt werden konnten. 
Die Verwaohsung ging von den Rändern der OelenkhOhle aus. 
Die Gelenkfläehen selbst sehen nicht knorpelig, sondern matt 
und rötlich aus, die Schleimhaut stark verdickt, die Paukenhöhle 
erfüllt mit einer rötlichen, gallertartigen Masse, die vorwiegend 
als aus Cholestearin, Fettkömchenbaufen und Blutkttgelchen be- 
stehend sieh erweist. Der Schleimhautttberzug des Trommelfells 
sehr verdickt, er stellt eine rötliche, wuchernde Masse dar. 

X. Der lange Schenkel des Amboß ist mit der hinteren 
oberen Partie des Trommelfells verwachsen und hängt femer mit 
dem Manubrium mallei durch eine dichte, gefiLßreiche Bandmasse 
zusammen. Gelenkverbindung zwischen Hammer und Amboß 
stark ankylotisch. In der Trommelhöhle vielfache Adhäsionen; 
Hammer und Amboß mit einer klebrigen, rötlichen Masse um- 
geben. 

XL Hammer- Amboßgelenk stark verdickt und aufgelockert, 
die Beweglichkeit im Gelenk vollständig aufgehoben. Linker 
Amboßschenkel mit der hinteren Fläche des Trommelfells ver- 
wachsen. Perforation des Trommelfells vorne oben, zahlreiche 
Verkalkungen. 

XIL Hammer und Amboß an ihrem Gelenke von verdickter 
Schleimhaut umzogen und in ihrer gegenseitigen Beweglichkeit 
vollständig gehindert. Trommelfell mit der Promontorialwand 
verwachsen, gewulstete Schleimhaut. 

Die Durchsicht dieser Fälle läßt mangels einer histologischen 
Untersuchung größtenteils nicht erkennen, ob ;es sich bei den 
vorgefundenen Ankylosen auch um Veränderungen, respektive 
Verwachsungen der Gelenkkörper selbst oder nur um Ver- 
dickungen der Gelenkkapsel gehandelt habe. Auch die inter- 
essierenden Details der Gewebsveränderungen bleiben aus dem- 
selben Grunde unbekannt. 

Über eine Anzahl einschlägiger Fälle ist weiterhin von Moos 
(8 und 9) referiert worden. 

XIIL u. XIV. (Gehörorgane eines taubstummen Individuums). 
Alle Gelenke rigid. Exostosen der Trommelhöhlenwand. Hammer- 



Die Ankylose des Hammer- Amboß-Gelenkes. 237 

Amboßgelenk yollkommen nnbeweglieh. Trommelfell eingezogen, 
Sehleimhant verdickt, Fenestrae rotundae knöehern verschlossen. 
XY. Hammer-Amboßgelenk fast gar nicht beweglich. (Chro- 
nische Eiterung.) 

XVI. Hammer-Amboßgeleak schwer beweglich. Stapes un- 
beweglich. Nische des runden Fensters auf die Hälfte der nor- 
malen Größe reduziert» Hyperostosen in der Trommelhöhle, 
Schleimhaut verdickt. 

XVII. und XVIII. (Gehörorgane eines taubstummen Indivi- 
duums). Sämtliche Gelenke der Gehörknöchelchen ankylotisch. 
Das Trommelfell flach, trüb, verdickt. Schleimhaut stark hyper- 
trophisch, Knochen hyperostotisch und sklerotisch. Auf einer 
Seite das runde Fenster durch lEnochenwucherung obliteriert. 

Zwei weitere Beobachtungen rühren von Wendt (19) her: 
XIX. und XX. Rechts: Gehörknöchelchen in allen Verbin- 
dungen starr, vollkommen unbeweglich, besonders auch der Steig- 
bügel. Links: Gehörknöchelchen starr in allen Gelenken. 

Hier finden wir den ersten genaueren histologischen Be- 
fund: Der Überzug der Gehörknöchelchen, welcher makrosko- 
pisch keine wesentliche Abnormität hätte erkennen lassen, zeigt 
auf Schnitten eine nicht unbeträchtliche Diokenzunahme und 
durch gehends Verkalkung seines direkt dem Knochen anliegen- 
den Teiles (dichte molekulare Einstreuung). An verschiedenen 
Stellen wahre Verknöcherung desselben. In der subepithelialen 
Schichte ein Bindegewebsnetz, welches dicht geflochten und mit 
spärlicher Zelleneinlagerung am Hammerkopf und Amboßkörper, 
von lockerem Bau und mit reichlicher Einstreuung von Rund- 
zellen am Steigbügel, von weitmaschiger Anordnung (seröse In- 
filtration) bei minder reichlichem Auftreten zelliger Elemente am 
langen Amboßschenkel und an der medialen Fläche des Hammer- 
griffes erscheint. So besaß die Umkleidung des Amboßkörpers 
eine Dicke von 0,17 mm. Das Epithel bestand aus einer Lage 
von rundlichen, stark abgeplatteten Zellen, von denen viele mit 
Cilien versehen waren. Die unmittelbar darunter gelegene 
Schicht von 0,06 mm Durchmesser bestand aus einem dichten, 
bindegewebigen Filz, während die tieferen, bei einer zur Ober- 
fläche parallelen Richtung der Fasern, feinkörnige Ealkeinstreu- 
ungen hier und da sehr reichlich wahrnehmen ließen. Zwischen 
beiden fand sich eine helle, durchscheinende, das Licht stark 
brechende, von der Umgebung stark abgesetzte Zone von 0,04 mm 
Dicke, welche sich durch die Gegenwart von spindel- bis stern- 



298 XVm. FREY 

föcmigen Gebildea mk zahlreioben Aaslitffera als eine yerknö- 
cherte Stelle, eine Nenbildnng echter EnoefaensnbBtanz, nnd zwar, 
wie aas ihrem gleichmftfiigen ViMrkommen in einer Anzahl von 
Sehnitten hervorgeht, in Form einer Tafel, bekundet Ferner er- 
flehien das Periost des Griffes teils verknöehert, teils verkalkt, 
die darüber an der Pankenböhlenfläohe gelegene Sohleimhant- 
scdbiebte zellig nnd serös infiltriert Eine Crewebsmasse, welche 
den langen Amboßschenkel mit dem Trommelfell nnd dem 
Hammergriff verbindet, besteht ans einer derben, sehr reichlich 
feinkörnige Auflagerungen aufweisenden, eine verknöcherte Stelle 
einschließenden, 0,07 mm bis 0,1 mm dicken, mittleren Zone, 
welche vom Periost des einen Grehörknöchelohens zum Perioste 
des anderen zog und ans peripheren Schichten, die aus losem, 
zellig infiltrierten, mehrfach stark mit Hämatoidin durchsetzten 
Bindegewebe zusammengesetzt waren. Von dieser peripheren 
Lage ging die ftußere unmittelbar in die ebenso verdickte Schleim- 
hautphsitte des Trommelfells über, die innere zeigte an mehreren 
Stellen mit Epithel ttberkleidete Fortsätze zur medialen Pauken- 
wand. 

XXI. Den zweiten ausfbhrlichen histologischen Befund bringt 
Politzer (12): 

Das Präparat stammt von dem rechten Ohre einer 32 jährigen 
Frau, die infolge eines Kleinhirnabszesses nach linksseitiger 
Felsenbeinkaries verstorben war. Auf dem rechten Ohre war sie 
seit vielen Jahren vollständig taub gewesen. 

„Das Trommelfell saturiert weifigelblioh, undurchsichtig, stark 
verdickt und eingezogen. Bei der Nekroskopie erwies es sich 
in seiner ganzen Ausdehnung mit der inneren Trommelhöhlen- 
wand verwachsen und das Adhäsionsgewebe von zahlreichen 
Lymphgefäßen und kleinen Lymphzystenräumen durchsetzt. Das 
Hammer- Amboßgelenk sowie der Steigbflgel vollständig anky- 
lotisch.*^ 

„An mikroskopischen Schnitten sieht man das faserige Kapsel- 
band bedeutend verdickt, die Gelenkflächen des Hammers und 
Amboß sind mit dem keilförmigen Meniskus vollständig verwach- 
sen, während an den nicht vom Meniskus getrennten Stellen der 
spaltförmige Raum der Gelenkhöhle sichtbar ist. An den peri- 
pheren Enorpelzonen der beiden Enöchelchen und des zwischen 
ihnen gelegenen Meniskus haben die Enorpelkapseln ihre scharfen 
Konturen verloren, und die Zellen innerhalb der Kapseln durch 
Ablagerung von Kalksalzen eine zackige, unregelmäßig stem* 



Die Ankylose des Hammer- Amboß- Gelenkes. 289 

förmige, den EmocheBköiperoben Shnliclie Gestalt imgenommen. 
Außerdem lassen sieh an ireisolnedenen Stellen im Inneren des 
Meniskus kleine Herde beginnender kaiehemer Umiwandlafig 
von Eiiorpelsellen OAehweisen. Dnreh Versebmelmng 4g&r a«f 
diese Weise veränderten Enorpelkapseln in aneittander gidagerte 
Beipesien wird die Yerwaefasmig der Ctelenkflftoken niit dem Me- 
niskus bedingt^ 

«Diese Ankylose entsteht demnach auf dem Wege ein^ 
direkten ümwandlnng von Knorpel in Knochengewebe, also in 
metaplastischer JPorm nach dem Typus, wieMoas die Kiwohen- 
nmwandlung der Knorpelinseln der Ohrtrompete beschrieben hat^ 

Außer den hier referierten Fällen finden wir einschlägige Be- 
funde bei S oh war tze (13, 14, 14a) aber nicht detailliert erwähnt. 

XXII. Einen interessanten, leider aber durch die besonderen 
Umstände des Falles nicht sehr aufklärenden Beitrag verdanken 
wir Hammerschlag (3). 

Es handelt sich um eine Synostose der Hammer -Amboß- 
k5rper. Es ist nicht sichergestellt, ob und welche Veränderungen 
in der Trommelhöhle vorausgegangen waren. Hammerschlag, 
der den Befund zufällig an einem für normal gehaltenen Gehör- 
organ machte, gibt an, daß die Mittelohrschleimhaut zur Zeit 
der Untersuchung vollkommen normal gewesen sei. Er vermutet^ 
daß entweder einmal eine isolierte Erkrankung des Gelenkes 
vorhanden gewesen sei, oder daß eine diffuse Entzündung des 
Mittelohres abgeheilt sei, und nur in diesem Gelenke Besiduen 
zurückgelassen habe. Es handelt sich hier um die Verwachsung 
der beiden Gelenkk^örper durch eine ganz ansehnliche Knochen- 
brücke. Schmidt (15) hebt bezüglich der Deutung des Falles 
im Gegensatz zu Hammersohlag die Möglichkeit hervor, daß 
ein Atavismus zugrunde liegen könnte, eine Anlehnung an die- 
jenigen Tierformen, bei welchen Hammer und Amboß normaler- 
weise miteinander knöchern verwachsen sind. Dieser Ansicht 
kann ich mich nicht anschließen, und zwar schon deshalb nicht, 
weil sie in unseren bisherigen Kenntnissen über den Bau der 
Gehörknöchelchen in vergleichend anatomischer Hinsicht nach 
keiner Bichtung hin begründet ist. 

Während die bisher aufgeführten Fälle fast sämtlich Obduk- 
tionsbefunde darstellen, wurde durch die Zunahme der operativen 
Bestrebungen in der Ohrenheilkunde noch eine Anzahl von Fällen 
bekannt, bei denen am Lebenden die in Frage stehende Ver- 
änderung konstatiert werden konnte. 



240 XVIII. FREY 

XXIII— XXVI. So berichtet Grunert (laund Ib) aus der 
Hallenser Klinik Aber den yiermaligen Befund von Ankylose des 
Hammer- Amboßgelenkes, welcher in 2 Fällen bei der Vornahme 
der Badikaloperation , in den zwei anderen bei der Extraktion 
der Oehörknochelchen erhoben wurde. 

XXVn — ^XXXI. EretBehmann(5a) verzeichnet ebenfalls 
4 Fälle, die bei der Hammer-Amboßextraktion zur Beobachtung 
kamen. 

XXXI— XXXV. Suokstorff (15a) erwähnt gleichfalls vier 
Fälle von Hammer- Amboßankylose, die er bei derselben Gelegen- 
heit fand. 

Im vorstehenden glaube ich alles, was die Literatur an 
Kasuistik über die Hammer -Amboßankylose enthält, wieder- 
gegeben zu haben. Die bei Pause (tO) angefahrten Fälle ent- 
halten einen Teil der hier erwähnten; die von Pause ver- 
merkten und hier nicht mitgeteilten Fälle haben sich bei näherer 
Prüfung der Originalpublikationen als nicht zu unserem Thema 
gehörig erwiesen. 

Im Anschluß daran möchte ich nun über zwei von mir histo- 
logisch untersuchte Fälle berichten. Die Präparate stammen von 
Patienten der Universitätsohrenklinik Hofrat Prof. Dr. A. Po- 
litzers; ein kurzer Auszug der Krankengeschichte möge voran- 
gehen. 

0. S., It Jahre alt, Gymnasialschüler, litt seit 6 Jahren an 
einer chronischen Mittelohreiterung linkerseits. Das Trommelfell 
war, mit Ausnahme des schmalen oberen Bandes, vollkommen 
zerstört, der Hammergriff an die innere Trommelhöhlenwand an- 
gelegt und die Trommelhöhle selbst mit Granulationen erfüllt, 
die auch den Hammergriff nach außen umgaben. Nach längerer 
erfolgloser konservativer Behandlung wurde dem Patienten die 
Badikaloperation vorgeschlagen und am 6. Oktober 1901 aus- 
geführt. Bei derselben fanden sich sämtliche Mittelohrräume wie 
auch der Warzenfortsatz erfüllt von Granulationen und Eiter. 
Die Knochensubstanz des Processus mastoideus selbst war brüchig 
und mußte bis zur Gorticalis entfernt werden. Bei der' Aus- 
räumung der Trommelhöhle kamen Hammer und Amboß anschei- 
nend vollkommen aneinander fixiert zum Vorschein. Der Fall 
ging in vollständige Heilung aus. 

Die histologische Untersuchung des Hammer- Amboß-Gelenk es 
ergab an horizontal geführten Schnitten folgendes: 



Die Ankylose des Hammer- Amboß-Gelenkes. 241 

Schwache Vergrößerung. Tafel X, XL Fig, 1. 
Beide Enöohelchen weisen vergrößerte Markräume auf; sie 
sind durch eine Knochenbrttoke miteinander verbunden, die, 
selbst einen Hohlraum enthaltend, in senkrechter Richtung auf 
die Ebene des Gelenkes und in unmittelbarer Verbindung mit 
der Enochensubstanz beider Gelenkskörper steht. Diese Enochen- 
brttcke läßt sich ungefähr durch die Hälfte der Schnittserie ver- 
folgen. Dort, wo sie nicht mehr besteht, sieht man noch die 
(weiter unten genauer geschilderten) Verkalkungserscheinungen 
im Enorpel und späterhin noch Verlötung der beiden Enöchelchen 
durch Bindegewebe, welches peripheriewärts an Dichtigkeit 
abnimmt. 

Starke Vergrößerung: Tafel X, XL Fig. 2. 
Der Periostüberzug beider Enöchelchen ist mäßig verdickt. 
Ihre Markräume sind stark erweitert und mit einem zarten 
Endost, das zum Teil aus sternförmig verästelten Zellen besteht, 
ausgekleidet. Die in den Enochenkanälen verlaufenden Blut- 
gefäße sind ebenfalls erweitert. 

An den, dem Gelenke zugewandten Abschnitten der Enöchel- 
chen läßt sich ein eigentlicher Deckknochen nicht mehr unter- 
scheiden. Der hyaline Enorpelüberzug der Gelenksfläche ist 
an einzelnen Stellen fehlend, an andern verbreitert. Insbesondere 
gegen die peripheren Partien der Gelenksspalte zu zeigt sich 
eine bedeutende Querschnittszunahme des hyalinen Enorpels. 
Ganz peripher ist dieser wulstartig über den Enoehen gelagert. 
An der Grenze zwischen hyalinem Enorpel und der Faser- 
knorpelscheibe sieht man eine mit Hämalaun stark dunkelblau 
gefärbte Zone, die sich als hyaliner Enorpel mit zahlreichen 
Zellen und Einlagerungen von Ealk erweist. Die Ealkkonkre- 
mente umgeben hier die einzelnen Enorpelzellen und konfluieren 
teilweise zu großen Schollen 0. Noch weiter nach innen findet 
sich die Gelenkzwischenscheibe aus Faserknorpel, in der längs- 
richtung hie und da Spalten aufweisend. Im Übrigen schließt 
sie sich direkt an die Gelenkskörper an, ohne einen Zwischen- 
raum zu lassen , nur auf ganz kurzen Strecken und ganz ver- 
einzelt läßt sie kleine Spalträume zwischen sich und der er- 
wähnten dunkelblau gefärbten Zone des hyalinen Enorpels übrig. 
Gegen die Mitte der Gelenkslinie zu und zwar schon inner- 
halb der Zwisohenscheibe sieht man den oben erwähnten gleich- 

1) £ine solche, jedoch sehr schmale Zone findet sich im normalen Fall. 
Darüber siehe auch Schmidt (1. c.) 



242 XVm. FREY 

artige Ealkkonkremente, jedoch an Zahl und Größe beträohtlioh 
zunehmend, auftreten, wobei sie aiefa in kompakteren Längs- 
zfigen anordnen und beinahe die ganze Breite des Gielenkes 
einnehmen, nm schließlich scharf abgesehnitten dort aufzuhören, 
wo die intraartiknläre quere Enoobenbrttcke beginnt Diese 
selbst unterscheidet sich in ihrer Struktur in niditg von der 
Substanz der Odenkskörper, höchstens wäre an ihr ein größerer 
Zellreichtum zu bemerken. 

Fall II. L S., 21 Jahre alt, Student, leidet seit vielen Jahren 
an einer häufig rezidivierenden linksseitigen Mittelohreiterung. 
Die Untersuchung ergibt vollständiges Fehlen des Trommelfelles 
und des unteren Anteiles des Hammergriffes; kleine Granu- 
lationen treten längs des Hammers aus dem Euppelraume 
heraus; die äußere Wand des ßeoessos epitympanicus ist ebenfalls 
zum Teile verloren gegangen. 

Um einem in Aussicht genommenen größeren operativen 
Eingriff eventuell noch ausweichen zu können, wird dem Patien- 
ten vorerst die Hammerextraktion vorgeschlagen. Bei der in 
typischer Weise mit der Sex ton sehen Pinzette ausgeführten 
Operation kommt gleicbzeitg mit dem Hammer auch der an ihn 
fixierte Amboß zum Vorschein. Die Eiterung heilte nach mehr- 
wöchentlicher Behandlung vollständig aus. 

Die histologische Untersuchung der miteinander verbundenen 
Gehörknöchelchen ergab folgende Details : Tafel X, XL (Fig. 3.) 

Starke Vergrößerung. 

Die Enochensubstanz der Gelenkskörper ist hochgradig 
reduziert, indem die Enochenkanäle außerordentlich erweitert 
sind. Die in ihnen verlaufenden Gefäße sind ebenfalls in ihrem 
Lumen vergrößert und stark gefüllt. Der Schwund der Enochen- 
substanz betrifft insbesondere die G^lenksfiächen des Amboß, hin- 
gegen findet sich hier eine sehr beträchtliche Zunahme des den 
Gelenkskörper deckenden hyalinen Enorpels, welcher sowohl in der 
Richtung gegen den Enoehen als gegen die &serknorpelige 
Zwischenscheiben zu sich weit über das normale Maß ausbreitet. 
Die normalerweise vorhandene verkalkte Randzone des hyalisien 
Enorpels fehlt hier vollständig. Von einem Gelenksspalt ist 
nichts zu seh^i. Nur mehrere zarte und zwei stärker ausge- 
sprochene Spalten ziehen in die Längsrichtung durch die Faser- 
korpelscheibe, ohne jedoch die Ränder des Gelenkes zu erreichen 
und ohne sich durch sämtliche Schnitte verfolgen zu lassen. 



Die Ankylose des Hammer- Amboß-Gelenkes. 243 

Peripker sieht man das Periost d^ Enöobelchen enorm 
verdickt. Man erkennt, daß es ans vier 'deatUek voneinander 
abgegrenzten und ans konzentrisoh angeordneten Bindegewebs- 
massen bestehenden Sehiohten aafgebant ist, welche sieh anter - 
einander dnroh ihren Zellreiehtam unterscheiden und sich tink- 
toriell verschieden verhalten. 

Wir erkennen in den beiden hier vorgefahrten histologi- 
schen Bildern zwei verschiedene Typen. 

Im ersten Falle handelt es sich nm eine Verbindung der 
Gelenkskörper durch neugebildete Enochensubstanz inner- 
halb des Gelenkes, also um eine komplette intrakapsuläre 
resp. intraartikuläre Ankylose. 

Daß dieser Zustand hier nur als Folge eines auch in das 
Gelenksinnere fortgeleiteten Entzündungsprozesses anzusehen ist, 
steht außer Zweifel. 

Die Erweiterung der Knochenkanäle und der darin ent- 
haltenen Gefäße, sowie die Ablagerung von Kalk auch inner- 
halb der Enorpelzwischenscheibe, wo er sich immer mehr an- 
häuft, bis er endlich echtem Knochen Platz macht, sind ebenso 
wie die Wucherung der Substanz des hyalinen Knorpels die 
sichersten Stützen f&r die Annahme eines ablaufenden oder 
abgelaufen«! Entzttndungsprozesses. 

Der zweite Fall bietet den Typus einer kapsulären 
Ankylose« Hier ist die Sperrung des Gelenkes auf die hoch- 
gradige Verdickung des Periostes zurückzuführen, das sich be- 
sonders dort, wo es in die eigentliche Gelenkskapsel übergeht, 
enorm verbreitert. Die Anwesenheit des neugebildeten Binde- 
gewebes hier, sowie der stark ausgesprochene Schwund der 
Knochensubstanz, die auch hier erweiterten Gefäße und die 
Knorpelwueherung sind wieder Beweise dafür, daß wir es mit 
einem Residualprozeß nach abgelaufener Entzündung zu tun 
haben. 

Vergleichen wir die eingangs angeführten, in der Literatur 
niedergelegten Befunde mit den unsern, so finden wir unter den 
mit fittcksieht auf den histologischen Befund verwertbaren drei 
Fällen (XX, XXI, XXII) folgendes: 

Der Fall von Hammersohlag (XXII) gehört jedenfalls 
in dieselbe Gruppe wie mein erster Fall. Auch hier findet 
BiA eine Ankylosis intraarticularis ossea. Wie aus der von 
Hammerschlag beigebrachten Abbildung hervorgeht, dürfte 



244 XVIII. FREY 

sieh hier aueh in der Umgebung der EnoohenbrOeke eine 
fthnliohe Ansammlang Ton Kalkdepots vorgefunden haben, wie 
in meinem ersten Fall. 

Der Fall von Politzer (XXI) zeigt im großen und ganzen 
Yerändernngen, wie sie meinem zweiten Fall entsprechen, 
jedoeh ist hier anch schon das stellenweise Auftreten von 
knöcherner Umwandlung im Innern der Faserknorpelscheibe 
verzeichnet und bemerkenswert; dieser Befund nähert sich da- 
durch schon in etwas meinem ersten Falle. 

Im Wendtschen Falle (XX) sind die* Veränderungen nur 
in der äußeren Umkleidung des Gelenkes beschrieben, wobei 
jedoch auch Verkalkung und Verknöcherung erwähnt werden. 

Auf Orund sämtlicher bisher vorliegender Befunde können wir 
demnach als anatomisches Substrat der Hammer-Amboßankylose^ 
folgende, wie es scheint, typische Veränderungen hinstellen: 

I. Die periartikuläre bindegewebige Ankylose. 

II. Die periartikuläre knöcherne Ankylose. 

III. Die intraartikuläre knöcherne Ankylose, und 

IV. Mischformen, bei denen sowohl intra- als peri- 
artikuläre Veränderungen teils durch Bindegewebszunahme, 

teils durch Verkalkung und Enochennenbildung bestehen. 

•• •• 

Ätiologie: Über die Ursachen dieser Veränderungen 
können wir angesichts des kleinen Materiales noch nicht mit 
Bestimmtheit urteilen. 

Für die histologisch untersuchten Fälle kommt folgendes in 

Betracht': 

> 

Im Falle XXII konnte zur Zeit der anatomischen Unter- 
suchung eine Ursache nicht festgestellt werden, jedoch sind die 
Veränderungen solche, daß sie vom pathologisch -anatomischen 
Standpunkt aus nur als Folge einer entzündlichen Erkrankung 
angesprochen werden können. 

In den anderen zwei Fällen (XX und XXI) und in meinen 
beiden ist diese Ursache durch den Befund am Patienten sicher- 
gestellt. 

Daraus ergibt sich, daß wir die echte Ankylose des Hammer- 
Amboßgelenkes, soweit die bisherigen Daten exakte sind, durch- 
wegs als den Ausgang einer entzündlichen Erkrankung dieses 
Gelenkes anzusehen haben, diese selbst aber jedenfalls wieder 
als Teilerscheinung einer (akuten oder chronischen) Entztlndung 
in der Trommelhöhle auffassen müssen. 



Die Ankylose des Hammer-Amboß-Gelenkes. . 245 

In den anderen oben erwähnten Fällen, in denen allerdings 
die Ankylose nicht histologisch sichergestellt ist, ergibt sich ans 
dem Zustand des Mittelohres zum Teil, zum Teil aus der Anam- 
nese in 23 Fällen (V, VI, VIII, IX, X, XI, XII, XIII, XIV, XV, 
XIX, XXIII — XXV) ebenfalls das Bestehen einer Entzündung; 
aber auch in den Fällen, wo dies aus der Darstellung nicht 
direkt zu entnehmen ist, liegen solche Angaben vor, daß der 
Annahme einer vorausgegangenen Entzündung wenigstens nicht 
widersprochen werden kann. 

Dieser ursächliche Verhalten ist auch schon früher von meh- 
reren Autoren richtig aufgefaßt worden, so z. B. von Schwartze 
(13, 14, 14a), Jacobson und Blau (5), Politzer (12), Haber- 
mann (2), Ferrari (1). 

Es ist demnach mehr als zweifelhaft, ob auch katarrhalische 
Veränderungen im Mittelohre, selbst bei langem Bestehen und mit 
chronischer Umgestaltung der Schleimhaut verbunden, eine Anky- 
lose der Hammer- Amboßverbindung erzeugen können; wir haben 
vielmehr zumindest bis zum Eintreffen eines Gegenbeweises 
die Hammer-Amboßankylose in das große Gebiet der chro- 
nischen Adhäsivprozesse nach abgelaufener Mittel- 
ohrentzündung, bezw. Eiterung einzureihen. 

Über die Schädigung der Hörfunktion durch die 
Hammer-Amboßankylose allein kann nicht viel gesagt werden. 
Vor allem ist in Betracht zu ziehen, daß das Hammer- Amboß- 
gelenk schon normalerweise nur eine sehr geringe Exkursions- 
weite hat, und daß es überhaupt noch fraglich erscheint, ob wir 
hier von einem wirklichen Gelenk sprechen dürfen. Es wird 
deshalb auch selbst eine vollständige Unbeweglichkeit der bei- 
den Enöchelchen eine hochgradige Störung in der Schall- 
zuleitung voraussichtlich nicht hervorrufen können. Da aber 
die beschriebenen Veränderungen in den auf ihre Hörfunktion 
untersuchten Fällen niemals isoliert, sondern immer nur mit Ver- 
änderungen mehr oder weniger schwerer Natur kombiniert vor- 
gefunden wurden, so läßt sich aus der Beeinträchtigung des Ge- 
hörs in den untersuchten Fällen noch kein Schluß auf die Bolle 
ziehen, welche der Aufhebung der gegenseitigen Beweglichkeit 
von Hammer und Amboß dabei zukommt. 



246 XYin. FREY, Die AiiMose des Hammer-Amboß-Gelenkes. 

Litemtiir. 

1) Ferreri, Annales des maladi«» deroreiDe, dülarynxetc. 18^9. p. 405. 
la) Orunert, Beitrag sar operatiifen FreUegonf der Mittelohir&miie. 

Dieses Archiv. Bd. XL. S. 192. 
lb> Derselbe, Weitere Mitteihingen Aber Hammer- Amboßextraktfon. 
Ebenda. Bd. XXXIII. a 224. 

2) Habermann, Handbuch der Ohrenheilkunde, herausgegeben Ton 

Schwartze. Bd. I. S. 259. 

3) Hammerschlag, Beitrige sar pathologischen Anatomie der Ctehdr- 

4) Hofmeister, De organo auditns et eins Titiis. Diss. Lugd. Bat. 1741. 

5) Jacobson und Blau, Lehrb. d. Ohrenheilk. HI. Aufl. 1903. 9. 242. 
5a) Kretschmann, Festschr. z. 5Uj&hr. JabilAom der med. Gesellechaft 

zu Bf agdeburg. 

6) Lucae. Virchows Archiv. Bd. XXIX. S. 77. 

7) Meckel, De labyrinthi auris contentis. DIss. Argent. 1777. Theais 9. 

8) Moos, Zeitschr. t Ohrenheilk. Bd. III. S. 92, 97. 

9) Derselbe, Ibid. Bd. VII. p 239, 247. 

10) Pause, Die Schwerhörigkeit durch Starrheit der Pankenfenster. Jena 

1897. S. 146 u.a. 

11) Petit, Oeuvres posthumes. Tome I. 

12) Politzer, Lehrb. d. Ohrenheilk. L AufL 1878. S. 379. 

13) Schwartze, Über Karies der Ossicula audjtus. Vortrag auf der Ver- 

sammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Frankfurt, 1896. 

14) Derselbe, Klebs' Handb. d. patholog. Anatomie. 1878. U. Bd. H. Abt 

S. 97 ff. 
14a) Derselbe, Bericht Aber die Versammlung deutscher Naturforscher 
und Ärzte in Magdeburg 1884. Dieses Archiv. Bd. XXIL & 128. 

15) Schmidt, Zur Anatomie und Entwicklung der Gelenksverbindungen 

der Gehörknöchelchen bd^ Menschen. Zeitschr. f. Ohrenfa. Bd. XLIII. 
15a) Suckstorff, Zur Patholofläe u. Therapie der chronischen Mittelohr» 
eiterungen. Zeitschr. f Ohrenheilk. Bd. XLV. S. 87. 

16) Toynbee, A descriptiTO catalogue of preparations, iUnstrative of the 

diseases of the ear, in the musenm of J. T. 1857. 

17) V. Tröltsch, Gesammelte Beitr&ge zur patholog. Anatomie des Ohres 

n. zur Geschichte d. Ohrenheilk. Leipzig 1883. S. 1 1, 25, 29, 35, 70, 82. 

18) Valsalva, De aure hnmana tractatus. Tngecti ad Rheniun 1707. p.22. 
19j Wendt, dieses Archiv. Bd. XIV. S. 274 ff. 



-\rchi\' r. Ohrenhenkunde BiLLH. 




XLX. 
Haligner Tnmor des NasenraGhenraoins. Eitrige 

Von 

Priyatdozent Dr. Stengrer in Königsberg i. Pr. 

Die Diagnose der Tumoren des Nasenraohenranms ist in 
vielen Fällen so überans kompliziert, daß die Bekanntgabe des 
folgenden Falles gerechtfertigt erscheint. 

Am 29 Mai 1903 wurde auf die innere Uniyerdt&taklinik — Direktor 
Herr Geh. Med -Rat Prof. Dr. Licbtheim, dem ich fflr die Überlassang 
dieses Falles meinen verbindlichsten Dank an dieser Stelle ausspreche — 
Herr M. aufgenommen mit Klagen aber Schmerxen in der rechten Gesichts- 
und Kopfseite, Gefühl von Verstopfung in der Nase, Doppeltsehen, Abnahme 
des Sehvermögens auf dem rechten Auge. Herr M. ist 54 Jahre alt, hat im 
Alter von 18 Jahren Lungenentzündung überstanden, ist sonst stets gesund 
gewesen. Drei Kinder leben und sind gesund. Seit einem Jahre besteht 
ohne bekannte Ursache Ohrensausen, allmfthlich zunehmend mit stechenden 
Schmerzen in der rechten Ohrgegend und Abnahme der Hörfähigkeit. Ein- 
geleitete Behandlung bei einem Spezialisten bringt keine Besserung. Seit 
einem halben Jahr zunehmende Schmerzen über die ganze rechte Gesichts- 
seite, besonders in den Z&hnen. Seit 5—6 Wochen beim BUck nach rechts 
Doppelbilder mit gleichzeitiger Abnahme der Sehkraft und Gefühl von Ver- 
stopfung in der rechten Nasenseite. 

Befund bei der Aufnahme: Mittelgroßer Mann in gutem Ernährungs- 
zustand, keine Drüsenschwellungen. Im Rachen nichts JB^sonderes. Pupille 
links mittelweit, rechts etwas enger; beide reagieren i^ompt bei guter 
Konvergenz. Puls 96, Temperatur normal. Brust- und Unterleibsorgane 
zeigen nichts Besonderes. Intelligenz, Sprache, Sensorium ohne Defekte. 
Geruch ist rechts herabgesetzt. Augenhintergrund ohne Besonderheit. 
Medien durchscheinend. Gesichtsfeld ohne Defekte. Die rechte Lidspalte 
ist enger als links. Das rechte obere Augenlid ist etwas herabgesunken 
und kann nicht so gehoben werden wie links. Die Bewegungen nach oben, 
links und unten werden gut ausgeführt. Bei der Blickwendung nach rechts 
bleibt das Auge in der Mittelstellung st^en. Rechte Pupille bedeutend 
enger als links. Sensibilität des Gesichts und Funktion der ICaumuskulatur 
ohne Störung, ebenso die mimische Funktion des Gesichts. Ticken der Uhr 
wird rechts in V« m* links in 1 m Entfernung gehört. Keine Schluckstörung. 
Geschmack auf der hinteren Zungenhälfte nicht deutlich herabgesetzt. Zunge 
wird gerade herausgestreckt. Untersuchung der Nase und des Nasenrachen- 
raums ergab auto Schwellung der unteren Muschel nichts Abnormes. 

Objektiv bestand demnach eine Parese des Abducens und Levator 
palpebrae superioris rechts. 

Am 10. Juni treten Schmerzen im rechten Ohr mit zunehmender Schwer- 
hörigkeit auf. Flüstersprache rechts dicht am Ohr gehört. Trommelfell 
trübe, durchfeuchtet, ohne Lichtreflez. Warzenfortsatz nicht druckempfindlich. 



248 XIX. STENGER 

Temperatur: 11. Juni 38,0 39,3^ 

12. Jani 37,2 38,50. 

13. Jani 37,3 37,6<>. 

14. Juni 37,2 36,S<>. 

14. Joni. Die Entcandangserscheinangen im rechten Ohr sind zurück- 
gegangen. Trommelfell erscheint noch glanzlos. Keine Ohrschmerzen mehr. 

Am 29. Juni treten wieder heftige Schmerzen im rechten Ohr und in 
der rechten Kopfseite auf. Trommelfell ist gerötet, im hinteren Abschnitt 
vorgewölbt. Parazentese entleert blutig-seröses Exsudat. 

3. Juli. Andauernd stark eitriger Ausfluß. Schmerzen in der rechten 
Ohrgegend, Warzenfortsatz druckempfindlich. Ptosis rechts deutlicher. 
Rechte Pupille weiter als links, reagiert trftge. Rechter Rectus superior, 
internus, abducens funktionieren nicht. Es bestehen Doppelbilder beim 
Blick nach oben, innen und außen. Augenhintergrund: rechte Papille am 
temporalen unteren Rand etwas verwaschen. 

Temperatur: 30. Juni 38,4 38,6<>. 

I.Juli 38,2 38,80. 

2. Juli 37,8 38,9®. 

3. Juli 37,8 38,40. 

4. Juli 37.8 38,8**. 

In Ähnlicher Weise hielt die Temperatur unter profuser Eiterung aus 
dem rechten Ohr an bis zum 10. Juli. Die Kopfschmerzen nahmen zu, be- 
sonders in der rechten Schl&fengegend. Der rechte Warzenfortsatz wurde 
druckempfindlicher, die Aügenmuskell&hmungen treten deutlicher in Er- 
scheinung Augenscheinlich waren unter Verschlimmerung der Ohrsymptome 
auch die Augenmuskell&hmungserscheinungen stärker geworden. Es kam 
nun in Frage, zu entscheiden, ob es sich um zwei getrennte Prozesse han- 
delte, oder ob die vom Auge ausgehenden Erscheinungen mit dem vom Ohr 
ausgehenden in Verbindung zu bringen seien. Die von selten des Ohres 
bestehenden Symptome boten zun&chst das Bild einer akuten Mastoiditis 
mit lebhaften Retentionserscheinungen, ohne eigentlich py&mischen Charakter, 
zudem waren sie zeitlich später in Erscheinung getreten als die Augen- 
muskell&hmungserscheinungen , deren gleichzeitige Verschlimmerung aller- 
dings in Betracht gezogen werden mußte. Die Möglichkeit eines Zusammen- 
hanges war dadurch wahrscheinlich und ließ an Meningitis, Hlmabszeß, 
eztraduralen Abszeß oder Sinusphiebitis denken. Gegen Meningitis sprach 
der chronische Verlauf, das Fehlen weiterer meningitischer Allgemein- 
symptome, ohne daß weitere Lähmungserscheinungen auftraten. Sinus- 
phiebitis war unwahrscheinlich, da der Charakter der Pyämie fehlte, und 
wenn auch die Lähmungserscheinungen durch Erkrankung des Sinus caver- 
nosus bedingt sein konnten, doch die Symptome einer Thrombose desselben 
mit ihren Folgewirkungen auf das Auge nicht auftraten. Am ehesten ließ 
sich ein Abszeß im Schlaf enlappen oder ein extraduraler Abszeß vermuten. 
Da bereits eine rezidivierende Ohrenentzündung bestanden hatte, so war 
die Entstehung eines derartigen Erkrankungsherdes möglich und mit den 
nachweisbaren Symptomen am besten in Einklang zu bringen. Sowohl bei 
Kleinhirn- als auch bei Schläfenlappenabszessen sind isolierte Lähmungen 
des Abducens und Oculomotorius beobachtet. Während die bestehende Ptosis 
allein mehr auf einen Sitz des Abszesses im Schläfenlappen hinwies , ließ 
die Abducens- und Okulomotoriuslähmung mehr an die hintere Schädelgrube 
denken. Fttr die Annahme eines Hirnabszesses waren die sonstigen Hirn- 
symptome zu geringwertig; es fehlten die Erscheinungen von Hirndruck, 
Schwindel, Bewui^tseinsstörungen. Ks blieb deshalb die größere Wahr- 
scheinlichkeit der Annahme eines extraduralen Abszesses mit lokaler Druck- 
wirkung. In dieser Voraussicht wurde am 1 1. Juli die Eröffnung des Warzen- 
fortsatzes ausgeführt. Die Zellen des Warzenfortsatzes waren mit schmierig- 
eitrigen Granulationen durchsetzt, die bis an den Sinus heranreichten, der 
in ganzer Ausdehnung freigelegt wurde. Die mittlere Schädelgrube wurde 
in MarkstQckgröße freigelegt, ohne daß sich ein extraduraler Abszeß finden 
ließ. Deshalb wurde der Schläfenlappen punktiert. Bei der Punktion ent. 
leerten sich 5 ccm klarer Ventrikelnüssigkeit. 



Maligner Tumor des Nasenrachenraams. Eitrige Mastoiditis. 249 

Am 12. Juli Temperatur völlig normal. Allgemeinbefinden besser; die 
Schmerzen in der seitlichen Kopf- und Hinterhauptgegend sind geringer, 
doch sind die in der Schl&fen- und Augengegend unvermindert. Die L&h- 
mungserscheinungen sind nicht geringer. Die Operation hatte demnach die 
akuten fintzOndungserscheinungen im Warzenfortsatz beseitigt und gezeigt, 
daß es sich um zwei getrennte Prozesse handelte. Da die von nasen- 
spezialistischer Seite vorgenommene Untersuchung des Nasenrachenraums 
negativ gewesen war, konnte es sich nur um eine Geschwulst im hinteren 
Teile der Orbita handeln. 

16. Juli. Rechter Augapfel erscheint vorgetrieben. Ophthalmoplegia 
totalis. Nur leichte Bewegung nach unten möglich. Rechte Pupille 7 mm 
breit. Ophthalmoskopisch: Papille nasal ziemBch stark verwaschen und 
hyperämisch in deutlichem Gegensatz zu links. 

28. Juli. Druckgefühl in der rechten Kopfhälfte zunehmend. Rechts 
im Bereich des III. Trigeminusastes Hyperästhesie, Hypaigie sowohl der 
äußeren Haut als auch der Rachenschleimhaut, in der Mittellinie scharf 
abschneidend. 

8. August. Bulbus stärker vorgetrieben. Trochlearis funktioniert 
nicht mehr. 

16. August. Der wegen zunehmender Nasenbeschwerden von mir fest- 
gestellte Nasenbefund ergab nach vorheriger Kokainisierung: Im unteren 
rechten Nasengang vom Gavum pharyngo nasale hineinragend große, höckerige 
Geschwulstmasse, die die ganze rechte Seite des Nasenrachenraums anftQlt 
Eine Probeexzision konnte nicht vorgenommen werden. Ein chirurgischer 
Eingriff schien aussichtslos. 

20. August. Bulbus stärker vorgetrieben. Gefühl von Kribbeln und 
Schwäche in den Armen und Beinen. Auf Wunsch Entlassung in die Heimat 

Zufolge späteren Berichts trat eine Woche nach der Entlassung Läh- 
mung des rechten Arms, allmählich des rechten Beins, des linken Arms 
und linken Beins ein. Blase und Mastdarm waren nicht gelähmt. Keine 
Schluck- und Atmungshemmung. Am 15. September plötzlicher Exitus. 

Nach Art der Entstehung, des Sitzes und des Verlaufs ist 
die Annahme gerechtfertigt, daß es sich um ein Sarkom der 
Schädelbasis, vielleicht ausgehend vom Keilbein, gehandelt hat. 
Die ersten Erscheinungen liegen weit zurück und sind besonders 
f&r den Ohrenarzt charakteristisch. Sie bestehen in Ohrensausen, 
Abnahme der Hörfähigkeit und allmählich zunehmenden Schmer- 
zen in der rechten Ohrgegend. Erscheinungen, die auf einen 
Tubenkatarrh, beziehungsweise chronischen trockenen Mittelohr- 
katarrh sich zurückführen ließen. In dieser Annahme ist die 
Behandlung und zwar erfolglos gehandhabt worden. Während 
die Ohrsymptome zunahmen, die Kopfschmerzen heftiger wurden, 
traten die Augenmuskelparesen in Erscheinung. Noch während 
der Beobachtungszeit entstand eine akute, fieberhafte rechts- 
seitige Mittelohrenentzündung, die in wenigen Tagen zur Zu- 
rüekbildung kam, nach 14 Tagen aber von neuem aufflackerte« 
Nunmehr konnte die anfängliche Diagnose einer geschwulst- 
artigen Erkrankung an der Basis cranii bezw, in der Augen- 
höhle (Tumor oder Gumma), die durch die Untersuchung des 
Nasenrachenraums keine Unterstützung gefunden hatte, aufge- 
geben werden und an die Möglichkeit eines Zusammenhangs 

Archiv L OhienheiUninde. LXI. Bd. 1 7 



250 XIX. STENGER, Maligner Tumor des Nasenrachenraums. 

der vom Ohr und vom Auge ausgehenden Symptome gedacht 
werden. Das Resultat der Operation maohte diese Vermutung 
unwahrscheinlich, das Endresultat gab der anfänglichen Diagnose 
recht. Augenscheinlieh hat sieh der Tumor zuerst durch einen 
Tubenkatarrh bemerklich gemacht, der neben subjektiven Gre- 
räuschen, zunehmende Schwerhörigkeit, als besonders bemerkens- 
wert sich steigernde Kopfschmerzen und Schmerzen in der 
rechten Gesichtsseite erkennen ließ. Der weitere Fortschritt 
der Oeschwulstmasse macht sich dann allmählich durch Auf- 
treten rezidivierender akuter Mittelohrentzündungen bemerkbar, 
die zur eitrigen Entzündung des Warzenfortsatzes führten. Bei 
der Operation schien das Mittelohr nicht auffallend mit Granu- 
lationsmassen angefüllt, so daß, da nur die Antrumoperation aus- 
geführt wurde, nicht festgestellt werden konnte, ob Granulations- 
massen durch die Tube ihren Weg genommen und vielleicht 
somit Anlaß zur Ohreneiterung gegeben hatten. Wahrschein- 
licher ist es, daß durch die den Tubeneingang verlegenden Ge- 
schwulstmassen die Ohreneiterung indirekt veranlaßt worden 
ist. Die von mir erst später vorgenommene Untersuchung des 
Nasenrachenraums stellte die große Ausdehnung des Tumors 
fest, der, nachdem er einmal in den Nasenrachenraum hinein- 
gewachsen war, ein schnelles Wachstum genommen hat. Dafür 
spricht auch seine überaus schnelle nachherige Vergi'ößerung, 
die den baldigen letalen Ausgang herbeiführte. 



XX. 

Klüisclie aod pathologiseke HitteilnngeD. 

IV. Ein GHomB des Aknstikne. 

Von 
Dr. Bndolf Fuise, Dreaden-Neuatadt. 
(Mit 4 Abbildungen nach Zeichnungen des Terfassera.) 

Über dem Prfiparate eines Falles, das loh wieder der GrUte 
des Herrn Professor Dr. Sßhmorl verdanke, hat ein eigen- 
tflmlichea Mißgesohiok gewaltet. ErankengeBebiohte und Sek- 
tionsprotokoll hatte ein jnnger Kollege geborgt und wohl ver- 
loren. Die ersten 20 ansgesnchten Schnitte gah ieh zur Eontrolle 
in das pathologische Institut, wo sie während der Abwesenheit 
des Direktors verloren gingen. Der andere Teil des Sohl&fen- 
beines fehlt leider nnd mit ihm der Tnmor. Trotzdem halte 
ich die Präparate der Besohreibung wegen der verhältnismäßigen 
Seltenheit Ar wert. 





Abb. I. 1 — Tamor. 

Wie die in natnrlioher Größe gezeichneten Schnitte (Abb. 1) 
zeigen, hat die Geschwulst ihren Sitz im inneren Gebörgang und 
ihre Hauptansdehnung in der der Pyramidenkante senkrechten 
Ebene durch den Modiolus. Am Beginn der Schnecke vorn Ist er 
noch kleiner nnd hinten hört er in einer Ebene durch beide Fenster 
und den Querteil der Tensorsehne anf. Er ist, wie von versohie- 



252 XXI. PANSE 









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Abb. 2. 
Randpartie des Gliomes zwischen Lamina cribrosa und Tumor von Scbnitt 11. 

Yergr. 200. Um V« ▼erkieinert. 



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Abb. 3. 
Gliomzellen. Yergr. 535. Um 7^ verkleinert. 



Klinische und pathologische Mitteilungen. 253 

denen Seiten als bezeichnend für diese Geschwülste betont wurde, 
ringsum außer nach der Lamina eribrosa zu scharf abgegrenzt, 
also an sich leicht ausschälbar und hat den Innern Geh5rgang 
bedeutend nach unten erweitert. In seinem Innern hat sich ein 
Hohlraum wohl durch Erweichung ausgebildet^ der ebenfalls in 
der Modiolussehne seine größte Ausdehnung hat und in dem 
Tumor so sitzt, daß innen unten eine größere harte Masse bleibt. 

Bei schwacher Vergrößerung erkennt man, daß der Tumor 
mit reichlichen Blutgefäßen versorgt, aber sonst nicht gleich- 
mäßig aufgebaut ist, sondern z. T. aus einem Gewebe besteht, 
dessen Bundzellen verschieden dicht aneinanderliegen und ver- 
schieden deutlich ein Gewirr dünner Fasern erkennen lassen, 
zum Teil aus festen gleichlaufenden Faserzügen mit spärlichen 
Spindelzellen. Wir haben es also mit einem Fibrogliom zu tun. 
Die Zellen der Glioms (Abb. 2) sind verschieden groß und ge- 
staltet. Auch der Kern hat verschiedene Größe, die von den 
Zellen abgehenden Fasern sind rauh, oft geteilt breiter wie Fi- 
brin, dessen Ansammlung an den Wänden des Hohlraumes, be- 
sonders der unteren, einen Vergleich leicht ermöglicht. Gliom- 
und Bindegewebszellen gehen ohne scharfe Grenzen ineinander 
über. 

Die Einwirkung des Tumors auf die Nachbarschaft besteht 
zunächst in einer Erweiterung des inneren Gehörganges, doch 
ist die Grenze des Knochens mit Osteophyten besetzt, die eine 
schmale, schwach mit Hämatoxylin gefärbte Zone noch nicht ver- 
kalkten Knochens gebildet haben. Die neuen Knochenkörper- 
chen sind noch rundlich, ungezackt, die Lamellen des alten 
Knochens sind scharf in ihrer Richtung unterbrochen. Osteo- 
klasten sind nirgends vorhanden. 

Der Facialis hat mit der von mir schon oft betonten Wider- 
standsfähigkeit auch den Druck des werdenden Tumors aus- 
gehalten, während der Akustikus bis auf wenige Fasern in ihm 
aufgegangen ist, die um den Band herumziehen, sich schwer 
von seinen Fasern trennen lassen und häufig unterbrochen sind 
durch welliges Bindegewebe mit Spindelzellen oder durch Bund- 
zellenzüge ersetzt sind. Überall Beiskörper im degenerierten 
Nerven. Während das Ganglion geniculi und der Facialis im 
Verlauf in der Pauke normal ist, sind im Spiralganglion nur 
wenige Zellen 2 — 3, manchmal bis 16 in dem Basalteil des Ka- 
nales enthalten, während der übrige Baum mit Bund- und Spindel- 
zellen ausgefüllt ist. Nach dem Cortischen Organ ziehen keine 



264 XX. PANSE 

deutlichen Fasern mehr. Die Reißnersohe Membran zeigt etwa 
normale Lage, keine der Slannngspapille entsprechende Verände- 
rungen. Vom Gortischen Organ sind die Pfeiler zum Teil noeh 
deutlich erhalten, desgleichen die Deckmembran, die tympanale 
Belegscbicht sehr zellreioh. Von den übrigen Zellen nichts deut- 
lich mehr zu sehen. Doch spielen hier wahrscheinlich Fäulnis- 
vorgftnge eine Rolle. 

In der Sohnecke viel braunes Pigment. Die Nerven der 
Pars superior des Labyrinths enthalten wenig dünne Fasern, die 



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Abb. 4. 

a b ist die Ebene der Abb. 1. gezeichneten Schnitte, f» facialis. Das Schraf- 
fierte gibt die Ausdehnung des Tumors an. Um V^ Terkleinert» 

Ganglien nur spärliche Zellen. Die Haarzellen der Säcke sind 
undeutlich, die Otolithenmembran des Utriculus gut erhalten. 
Auch die Nerven und Haarzellen der Ampullen sind undeutlich^ 
keine Cupula zu sehen. Fibrinfäden sind in den Winkeln der 
Vorhofsgebilde sichtbar. Aquädukte, Bogengänge, Knochen, Paa- 
kenteile normal, nur runde Nische mit einkernigen Rundzellen 
ausgefüllt. 

Die Ausdehnung der Geschwulst nach vorn läßt sich nicht 
bestimmen, doch ist im Schnitt a der größte Umfang nach vora 
bereits überschritten und sie wird nicht viel weiter gereicht 
haben. Um ein klares Bild zu geben, habe ich die Ebene der 



Klinische und pathologische Mittellungen. 255 

Schnitte und die Größe der Gesohwulst in das Bild eines Hori- 
zontals&gesohnittes des Felsenbeines eingezeichnet. Aj^s diesen 
Zeichnungen können wir nun auch den Weg erkennen, den wir 
zur Entfernung der Neubildung zu betreten haben. Die Versuche 
Fedor Krauses^), sich vom Kleinhirn aus dem Akustikus zu 
nähern, sind bisjetzt nicht sehr ermutigend. Für den Ohrenarzt, 
der jetzt schon das Labyrinth bei Eiterung eröffnet, wird jeden- 
falls der Weg durch die Pauke der gegebene sein. Das Laby- 
rinth ist tot, also nicht zu schonen^ Auch die Lymphräume des 
Akustikus, die ich als gefährliche Bahn zu den Hirnhäuten in 
meinen Mitteilungen öfters schilderte, sind wohl durch den Druck 
der Neubildung geschlossen. Das einzige Hindernis bildet der 
Gesichtsnerv. Wenn er auch in meinem Falle erhalten ist, so 
wird er doch meist zerstört sein, wenn die Diagnose des 
Akustikustumors so klar ist, daß eine Operation in Frage kommt. 
Sollte durch eine andere Wachstumsrichtung der Gesichtsnerv 
verschont sein, so wird er vom Foramen stylomastoideum bis zum 
Ganglion geniculi freizumeißeln und auf [die Seite zu schieben 
sein. Nach Ausmeißelung des inneren Ohres bis vorn zum 
Schneckengang und Carotis, unten bis zum Bulbus jugularis, 
hinten bis zum Sinus und durch Emporheben des Schläfelappens 
würde Platz zur Entfernung eines Tumors bis fast zu Hühnerei- 
größe sein. 

1) Dieses Archiv. Bd. LYIII. 295. 



XXI. 

Ans der Eönigl. Universitäts-Ohrenklinik in Halle a. S. (Geh. 

Med.-Rat Prof. Dr. Sohwartze). 

Eine seltene Form von otogenem Senknngsabszess. 

Von 
Dr. Walther Schnlze, 

früherem AssisteDzarzt der ElinilCf jetzt Ohrenarzt in Mainz. 

In dem Kapitel der otogenen Pyämie finden wir im Verlauf 
der historisehen Entwicklung zwei grundlegende Fortschritte auf 
therapeutischem Gebiete, die ftir den Ausbau der Otochirurgie von 
der größten Bedeutung geworden sind : einmal die von Soh w artze 
angegebene Indikation, den Warzenfortsatz trotz schon bestehen- 
der Pyämie zu eroffnen, ja gerade wegen pyämischer Er- 
scheinungen die Ohroperation zu beschleunigen, und dann das 
mutige Vorgehen Z auf als, der in weiterer Verfolgung dieses 
chirurgischen Prinzips die Eröffnung des kranken Sinus selbst und 
weiterhin die Unterbindung derVenajugularis in Vorschlag brachte. 
Daß seitdem die Prognose der otogenen Pyämie als einer nunmehr 
operabeln Erkrankung eine ungleich bessere geworden ist, als 
bei der früher allgemein üblichen, prinzipiell und ängstlich ab- 
wartenden Therapie, dieser Einsicht kann sich selbst der kri- 
tischste Beurteiler der Operationserfolge nicht verschließen. 

Wenn nun auch kein Zweifel darüber besteht, daß unter 
dem Einfluß eines tatkräftigen operativen Eingreifens eine un- 
verkennbare Zunahme der günstigen Resultate zustande gekommen 
ist, — wohl auch dank der verfeinerten diagnostischen Erkenntnis, 
zU deren Förderung die Untersuchungen Leuterts nicht un- 
wesentlich beigetragen haben, — so blieb doch trotz der Befolgung 
aller der wertvollen diagnostischen und therapeutischen Direk- 
tiven immer noch eine nicht unbeträchtliche Zahl otogener 
P^mien übrig, welche einen ungünstigen Ausgang nahmen, und 
bei denen der Erfolg der Therapie nicht sowohl an der Schwere 
der Infektion oder an dem weit fortgeschrittenen Stadium der 



Eine seltene Form von otogenem Senkungsabszeß. 257 

Krankheit, als vielmehr lediglich an der ungünstigen Loka- 
lisation der Erkrankung seheiterte. Vornehmlich waren 
es die Thrombosen des Bulbus venae jugularis, welche 
häufig den günstigen Ausgang der Sinusoperation in Frage 
stellten. Hier haben sich nun Grunert und Piffl das Verdienst 
erworben, unabhängig voneinander Methoden ausgearbeitet zu 
haben, die es ermöglichen, auch jenen gefährlichen Eiterungen 
beizukommen, welche den anatomisch versteckt liegenden Bulbus 
betreffen, so daß gegenwärtig das erkrankte Gefäßrohr in seiner 
ganzen Ausdehnung vom Sinus transversus bis herab in die Vena 
jugularis der direkten Behandlung zugänglich ist. 

So bieten eigentlich jetzt nur noch die Thrombosen 
der Sinus petrosi und des Sinus cavernosus für die 
ehirurgische Behandlung Schwierigkeiten, welche die Technik 
bisher noch nicht zu überwinden vermocht hat. Von diesen 
Affektionen hält Grunert^) bedingungsweise nur die auf den 
Sinus petrosus superior sich erstreckende Thrombose der direkten 
operativen Inangriffnahme für zugänglich; die bisher gegen den 
Sinus cavernosus gerichteten Eingriffe sind nicht geeignet, die 
Möglichkeit einer erfolgreichen operativen Freilegung dieser 
Gegend darzutun. Die Thrombosen im Sinus petrosus inferior 
bestehen gewöhnlich nicht isoliert, sondern neben solchen im 
Bulbus venae jugularis. Vergegenwärtigen wir uns aber, daß 
man den letzteren noch bis vor gar nicht langer Zeit vielfach 
ratlos gegenüberstand, so wird es verständlich, daß man an eine 
Freilegung des weit schwieriger als der Bulbus erreichbaren Sinus 
petrosus inferior kaum denken konnte. Heute, wo die breite 
Eröffnung des Bulbus venae jugularis bereits wiederholt mit Er- 
folg ausgeführt worden ist, müssen wir erwägen, ob wir nicht 
von da aus einen Schritt weiter gehen und durch weitere Re- 
sektion der Pyramide, wenn nötig unter Preisgabe des Laby- 
rinths, eventuell auch der Schnecke den Sinus petrosus inferior 
auf eine gewisse Strecke freizulegen vermögen. Eventuell könnte 
auch der Versuch gemacht werden, dem Sinus petrosus inferior 
von oben beizukommen, unter Benutzung der von Krause u.a. 
angegebenen Methoden zur Besektion des Ganglion Gasseri resp. 
nach dem von Streit 2) empfohlenen Verfahren, zur Entleerung 

1) Grunert, Zur Frage der Grenzen der Operationsmöglicbkeit oto- 
gener Sinusthrombosen. Dieses Archiv. Bd. LIX. S 70. 

2) Streit, Ein Operations verfahren zur Eröffnung tiefgelegener, von 
der Spitze der Felsenbeinpyramide ausgehender Epiduralabszesse. Ebenda. 
Bd. LVII. S. 169. 



258 XXI. SCHULZE 

tiefer an der Spitze der Pyramide gelegener Extradnralabszesse. 
Wenn es auch kaum gelingen wird, die infektiöse Thrombose im 
Sinus petrosas inferior inderselben Weise zu beherrschen, wie die 
der oberflächlich gelegenen Blntleiter, so steht doch zu erwarten, daß 
durch ein planmäßiges chirurgisches Vorgehen der Abfluß des Eiters 
aus dem Sinus und die Entleerung perisinuöser Eiteransammlungen 
erzielt, und daß dadurch der Gefahr einer Eiterretention^ welche in 
dieser Gegend besonders gefährlich ist, vorgebeugt werden kann. 
Den Petrosuseiterungen mtlssen wir mit um so größerer 
Aufmerksamkeit begegnen, weil das Weiterbestehen einer solchen 
den Heilerfolg der Sinusoperation wesentlich gefährden kann. 
Ein solcher Fall, welcher trotz Ausräumung des Sinus transversus 
und Bulbus venae jugularis von der Thrombose des Sinus petrosus 
superior und inferior aus einen letalen Ausgang nahm, soll im 
folgenden mitgeteilt werden. 

Friedrich Schmidt, 22 Jahre alt, Bergmann aas Trebitz. Auf- 
genommen am 26. Februar, gestorben am 15. März 1903. 

Anamnese. Rechtsseitige Ohreiterung aus unbekannter Ursache seit 
dem 5. Lebensjahre. Damals soll vom Arzte ein Abszeß hinter dem Ohre inzi 
diert worden sein. Die Eiterung hörte aber nicht auf, dieselbe war immer fötid. 
Außer der Eiterung niemals Beschwerden. Vor 8 Tagen erkrankte Patient 
plötzlich unter heftigen Schmerzen im rechten Ohr, 3 Tage später bildete 
sich eine Anschwellung hinter dem Ohr, und es gesellten sich Kopfschmerzen, 
besonders in der rechten Kopfseite, dazu. Einmal Erbrechen. Seit. 8 Tagen 
schlaflose Nächte und vollständige Appetitlosigkeit. 

Status praesens. Äußerst kräftig gebauter Mann von über Mittel- 
größe. Temperatur 38,6 ^ Puls 120, regelmäßig. Mäßige Milz?ergrößerung. 
Sonst innere Organe normal. Komplette Facialislähmung rechts. Die Unter- 
suchung der Augen ergibt normale Verhältnisse. Beweglichkeit des Kopfes 
in allen Bichtungen stark eingeschränkt. Urin ohne Eiweiß und Zucker. 

Umgebung des Ohres. Hinter dem rechten Ohr befindet sich eine 
mehrere Zentimeter lange, ältere Operationsnarbe. In derselben ist ein 
feiner, fistulöser Durch bruch sichtbar, aus welchem sich reichlich dünne, 
bräunliche Jauche entleert. Die ganze Gegend in der Umgebung des rechten 
Ohres zeigt eine ungewöhnlich hochgradige Infiltration, welche besonders 
nach hinten und unten zu ausgeprägt ist. Dieselbe reicht nach hinten bis 
zur Mittellinie, nach unten bis zur Höhe des Kehlkopfes, nach vorn bis 
zum Kieferwinkel. Keine deutliche Fluktuation. Starke Druckempfindlich- 
keit und ausgedehntes Odem der Weichteile an den infiltrierten Partien. 

Gehörgang und Trommelfellbefund. Bechts: Gehörgang nicht 
verengt. Hautüberzug stark gerötet. Totaldefekt des Trommelfells. Oben 
steht noch ein kleiner Hammerrest. Der Hintergrund ist ausgefüllt mit 
einer sich ziemlich derb anfühlenden Granulationsmasse von glatter, grauer 
Oberfläche. Reichliche dünne, fötide Eiterung. 

Links: Diffus getrübtes, glanzloses Trommelfell. 

Hörprüfung. Flüstersprache rechts nicht gehört, auch nicht durch 
Vermittlung des Hörschlauchs, links wenigstens 3 m. Ci vom Scheitel nach 
links. Fi84 rechts bei starkem Fin^eranschlag, links annähernd normal. 

Krankheitsverlauf und Therapie. 27. Februar. Morgens nach 
fast schlafloser Nacht Temperatur 40,5 ^. Totalaufmeißelung. Befund: 
Weichteile hochgradig speckig infiltriert. Unter dem Periost 
eine ziemliche Menge dünn-bräunlichen Eiters. Gleich bei 



Eine seltene Form von otogenem Senkungsabszeß. 259 

den ersten Meißelschlägen behufs Wegnahme der hinteren 
Gehörgangswand kommen dicht unter der äußeren Enochen- 
schicht weiße, glänzende Gholesteatommassen zum Vorschein. 
Der größte Teil des Warzenfortsatzes und die Paukenhöhle 
ausgefüllt mit einem großen Cholesteatom von Tumorform, 
welches nach hinten bis an den Sinus heranreicht. Ein harter, 
von der medialen Antrumwand ausgehender Polyp hängt bis 
in die Paukenhöhle hinein. Ossicula fehlen. Ausgedehnte 
Karies des Tegmen tympani et antri, welches vollständig ent- 
fernt wird. Die darunter gelegene Dura ist stark gerötet und 
ve rdickt. Sinuswand infiltriert und schmutziggrau verfärbt; 
dieselbe füllt den Sulcns nicht vollständig aus, sondern ist 
von dünner Jauche umspült. Spaltung der Weichteile durch 
einen nach hinten bis last zur Mittellinie geführten Haut- 
schnitt. Beim Ablösen des Periosts quillt dünner, sehr fötider 
Eiter unter hohem Druck aus einer &nochenfistel, welche weit 
nach hinten und unten, bereits an derSchädelbasis gelegen ist. 
Wegnahme des Knochens soweit als die krankeDura des Klein- 
hirns reicht (ungefähr in kleinhandtellergroßer Ausdehnung). 
Die Dura ist fibrös verdickt und von grau-grüner, vielfach 
schwärzlicher Farbe, an einigen Stellen mit mißfarbenen 
Granulationen bedeckt. Jugularisunterbindung. In der Um- 
gebung der Vene einige infiltrierte Lymphdrüsen. Gefäßwand 
und Lumen ohne Veränderung. 

Nach Inzision des Sinus sigmoideus zeigt sich, daß der- 
selbe leer ist und weder Blut noch Thrombus enthält. Tampo- 
nade. Spaltung des Gehörgangs. Verband. 

Der während der Operation etwas klein und frequent gewordene Puls 
erholte sich bald wieder. Temperatur 38,6—39,1. 

28. Februar. Patient hat während der Nacht gut geschlafen und ist 
heute schmerzfrei. Facialislähmung etwas zurückgegangen, das rechte Auge 
kann beinahe geschlossen werden. Temperatur 37,9 — 38,5 % Puls 96, Respi- 
ration 24. 

t.März. Temperatur 38,2— 39,9 <>, Puls 92— 108, regelmäßig und kräftig. 
Patient hustet öfter, klagt aber nicht über Schmerzen; Respiration mäßig 
beschleunigt. Etwas Kohlensputum ohne Blutbeimischung. Auf der linken 
Brustseite und zwar über dem ganzen (Jnterlappen verkürzter Schall und 
pleuritisches Reiben. Atemgeräusch daselbst abgeschwächt 

2. März. Temperatur 38,4— 40,0 <^. Starke Neigung zum Schwitzen. 
Etwas trockener Husten ohne Schmerzen. Nahrungsaufnahme ausgezeichnet. 
Verbandwechsel. Die Wunde sieht ganz gut aus. Dura stellenweise schon 
gereinigt und mit frischen Granulationen besetzt. Aus dem peripheren 
Sinusende kommt etwas Jauche. Auslöffelung des Sinus, bis es blutet. 
Tamponade. Von unten weder Eiter noch Blut. 

3. März. Temperatur 37,1 — 40,2®. Frische Granulationen auf der Dura 
rings um den Knochenrand. Beim Lösen des Tampons kommt aus dem 
peripheren Sinusende Blut, dagegen läßt sich aus dem zentralen Teil des 
Sinus etwas Eiter herausdrücken. Mit dem scharfen Löffel werden daselbst 
Thromben und Eiter entfernt. 

4. März. Temperatur 38,9— 40,5 0, Puls 104—112. Ein Teil der auf 
der grauschwarzen Dura sitzenden mißfarbenen Granulationen und Schwarten 
hat sich abgestoßen. Kein Eiter hinter den Sinustampons. Allgemeinbefinden 
und Nahrungsaufnahme gut. 

5. März. Temperatur 40,0—41,5®. Aus dem peripheren Sinusende 
quillt dünner Eiter. Freilegung des Sinus nach hinten zu durch 
breite Abtragung des Knochens bis fast zur Mittellinie. Aus- 
räumung der Thromben und Tamponade, nachdem ein starker 
dunkler Blutschwall hervorgestürzt war. Freilegung des zen- 
tralen Sinusabschnittes bis dicht an den Bulbus venae jugu- 
laris heran. An einer noch schwarz verfärbten und eitrig in- 
filtrierten Stelle der Dura des Kleinhirns dicht am Knie des 



260 XXI. SCHULZE 

Sinus transverBUB quillt Eiter aus einer feinen Fistel. Nach 
Spaltung der Dura wird ein etwa kleinapfel^roßer Eleinhirn- 
abszeß eröffnet, aus dem sich reichlich ein Eßlöffel Eiter und 
nekrotische Hirnmassen entleeren. 

6. Mftrz. Temperatur 38,9 — 39,^^ Spaltung eines Senkungsabszesses in der 
Muskulatur dicht am Kieferwinkel. Beginnender Decubitus auf dem Kreuzbein. 

7. M&rz. Temperatur 38.0 — 38,9 <>, Puls 128. Spaltung eines Muskel- 
abszesses an der hinteren seitlichen Halsgegend. Starker Hirnprolaps an der 
Stelle, wo der Himabszeß eröffiiet wurde, es entleerte sich aber kein Eiter 
mehr aus der Abszeßöffnung. Tampons aus dem hinteren Sinusende ohne 
Blutung entfernt. Im Bulbus immer noch Eiter sichtbar. Freilegung des 
Bulbus venae jugularis durch Wegnahme der unteren Gehör- 
gangswand, nachdem die Durchspülung von der Vena jugularis aus nicht 
gelungen. Aus dem Bulbus und dem oberen Teil der Jugularis Thromben 
und Eiter entfernt. 

8. M&rz. Temperatur 38,6 — 37,5 ^ Geringe Eiterung aus dem Bulbus, 
Hirnprolaps noch stärker. 

9. M&rz. Temperatur 39,0— 38,0— 39,9 <^. Puls 124. W&hrend der Nacht 
heftige Kopfschmerzen, einmal Erbrechen. Zunahme des Himprolapses, der 
auf der Oberfl&che nekrotisch ist. Eröffnung zweier in der Tiefe miteinander 
kommunizierender Muskelabszesse am Halse. 

10. M&rz. Temperatur 39,5- 40,7 -38,2 ^ Puls 124, regelmäßig, aber 
nicht mehr so kräftig. Nahrungsaufnahme gut, Sensorium frei. Kein Eiter 
mehr im Bulbus. 

11. März. Temperatur .39,4^37,2— 38,6 ^ Puls klein und frequent. Aus 
der an der hinteren seitlichen Halsgegend gelegenen Weich teilwunde quillt 
immer noch Eiter aus der Tiefe; die Sonde gelangt hier in der Richtung 
nach der Schädelbasis , bezw. Wirbelsäule in eine größere Abszeßböhle. 
Breite Durchtrennung des Cucullaris und Ablösung der Weich- 
teile an derSchädelbasis. Das Aussetzen der Herztätigkeit verhinderte 
eine breite Eröffnung des Abszesses. Drainage der Wundhöhle. Heiß- 
wassereinlauf ins Rektum. Kampfer subkutan. Gegen Abend Puls besser, 
aber immer noch klein und nicht ganz regelmäßig. 

12. März. Temperatur 38,7— 40,1 — 38,4°, Puls sehr frequent, aber etwas 
kräftiger, zeitweise aussetzend. Aus der Abszeßböhle am Halse quillt immer 
noch jauchiger Eiter. Stumpfe Spaltung der Weichteile ohne Nar- 
kose. Der Abszeß ftlhrt in die Tiefe zwischen Schädelbasis 
und ersten Halswirbel. Drainage durch Einführen eines klein- 
fingerdicken Drains. 

13. März. Temperatur 39,3— 40,4— 38,8 «, Puls 132—150, Respiration 26. 
Spülung und Drainage der noch stark eiternden Weichteilwunde. Dämpfung 
über beiden Unterlappen. Atemgeräusch links abgeschwächt, rechts ver- 
schärft, fast bronchial. 

14. iMärz. Temperatur 38,8— 39,8 «, Puls kleiner, 154. Leichte Delirien. 
Doch gibt Patient auf Befragen klare Antworten. Läßt Urin unter sich. 
Bei der Lumbalpunktion fließt kein Liquor ab. 

15. März. Temperatur38,6— 39,3— 37,70, Puls klein und frequent. Wunde 
schmierig belegt. Spülung mit Kai. permanganicum, Drainage. 3 Uhr nach- 
mittags Exitus im Koma. 

Auszug aus dem Sektionsprotokoll. 

Dura von mäßigem Blutgehalt, etwas trocken, ziemlich gespannt, beson- 
ders an den hinteren und unteren Partien. Im Sinus longitudinalis wenig 
flüssiges Blut und Speckgerinnsel. Innenfläche der Dura ohne Auflagerungen, 
links glänzend, rechts matt. Arachnoidea nicht getrübt, Subaracbnoideal- 
flüssigkeit klar und vermehrt, besonders links. Pia mäßig blutreich. Gyri 
besonders an den hinteren Partien etwas abgeflacht. Bei der Herausnahme 
des Gehirns entleert sich von der Basis her eine leicht getrübte Flüssigkeit. 
An der rechten Kleinhirnhemlspbäre befindet sich ein etwas über walnuß- 
großer Defekt, dessen Ränder von mißfarbenem nekrotischem Gewebe gebildet 
werden. An der Basis der linken Kleinhirnhemisphäre etwas eitriger Belag. 



Eine seltene Form von otogenem Senkangsabszeß. 261 

Die übrige Basis zeigt keine Veränderungen. Die Flüssigkeit in den Seiten- 
Ventrikeln etwas vermehrt und leicht getrübt. Die Abszeßhöhle steht mit 
dem vierten Ventrikel nicht in Verbindung. 

Die Gegend des Foramen magnum ist grünlichgelb verfärbt. Die hier 
befindliche Eiteransammlung setzt sich nach unten in den Wirbelkanal fort. 
Es besteht eine durch ein kleinfingerdickes Drain offen gehaltene Kommuni- 
kation mit der an der seitlichen und hinteren Halsgegend befindlichen großen 
Weichteilwunde. Die Vena jugularis Ist unterbunden, ihre Indma ist sowohl 
oberhalb als auch unterhalb der Unterbindungsstelle glatt und ohne jede 
Veränderung. Vom Sinus sigmoideus und transversus der rechten Seite ist 
nur noch die innere Wand erhalten, die äußere Wand ist exzidiert. Nur auf 
eine kurze Strecke dicht am Torcular Herophili ist der Sinus transversus 
als geschlossenes Rohr erhalten. Das Lumen desselben ist hier durch ein 
gesundes Gerinnsel fest abgeschlossen. Sinus petrosus superior und inferior 
enthalten eitrig zerfallene Thromben. Sinus cavernosus frei. Dagegen setzt 
sich die Thrombose durch Vermittlung einer breiten, ebenfalls thrombosierten 
Vene auf den Plexus basilaris und auf das venöse Geflecht im Wirbelkanai 
im Bereich der beiden ersten Halswirbel fort. Die Gefäßwände sind stark eitrig 
infiltriert und von Eiter umspült. 

Linke Lunge von vermehrtem Gewicht. Auf der Pleura, besonders 
des Unterlappens eitrig-fibrinöse Auflagerungen; auf der Oberfläche des Unter- 
lappens treten haselnußgroße Knoten hervor, welche sich derb anfühlen. 
Oberlappen schwarzgrau mit zahlreichen schwarzen Punkten, im unteren 
Teile ein etwa bohnengroßer subpleuraler Hohlraum, mit Eiter gefüllt. Unter- 
lappen sehr schlaff, feucht, nirgends lufthaltig; das Gewebe ist von zahl- 
reichen unter der Pleura gelegenen, bis bohnengroßen, mit Eiter gefüllten 
Abszessen durchsetzt. 

Rechte Lunge: Oberlappen wie links, enthält ebenfalls einige Ab- 
szesse. Unterlappen sehr blut- und saftreich mit zahlreichen kleinen Abszessen. 

Milz 14: II :5, Parenchym grau-rosa, morsch, schlecht gezeichnet. 

In der Schleimhaut des Magens und Darmkanals stellenweise 
Ekchymosen. 

Sektion des Schläfenbeins. 

Bulbus venae jugularis durch Wegnahme der unteren Gehörgangswand 
eröffnet, enthält weder Eiter noch Thromben. Die Eröffnung der Bogengänge 
und der Schnecke ergibt makroskopisch normale Verhältnisse. 

Unser Interesse an dieser letal verlaufenen Erkrankung 
richtet sich auf die Art der Ausbreitung, die Kompli- 
kationen und Folgezustände der Sinusthrombose. Wenn 
die verfärbte Sinuswand nicht die normale pralle Spannung zeigt, 
sondern zusammengefallen ist und den Hohlraum des knöchernen 
Sulcus nicht vollständig ausfüllt, so gilt dies bekanntlich mit Recht 
als eins der sichersten Zeichen fUr das Bestehen einer Thrombose 
innerhalb des Gefäßrohrs. Diese Schlußfolgerung erwies sich 
auch in unserem Falle als richtig; freilich saß die Thrombose 
nicht an der Stelle, wo die Gefäßwand diese charakteristische 
Beschaffenheit zeigte. Hier war das Lumen des Sinus in größerer 
Ausdehnung vollständig leer, die thrombosierten Gefäßgebiete 
lagen oberhalb und unterhalb jener Stelle. Wir gehen wohl nicht 
fehl, wenn wir annehmen, daß die SinusaflFektion von dem Hirn- 
abszeß induziert war, und daß die an das erkrankte Kleinhirn 
angrenzenden Partien der Wand des Sinus transversus zuerst von 



262 XXI. SCHULZE 

der Erkrankung ergriffen wurden. Wie kam es nun, daß hier die 
Thrombose sich nicht, wie es sonst gewöhnlich geschieht, konti- 
nuierlich im Sinus sigmoideus weiter ausbreitete? und daß 
trotz des Freibleibens des Sinus sigmoideus sich eine Bulbus- 
thrombose entwickelte? Das Zustandekommen der Thrombose 
im Bulbus venae jugularis könnte man sich in der Weise er- 
klären, daß Thrombenpartikelchen von einem im peripheren Ge- 
biet des Sinus transversus sitzenden Thrombus losgeschwemmt 
wurden und dann im Bulbus, wo, wie Leutert nachgewiesen 
hat, die Bedingungen für die Entstehung einer Thrombose am 
günstigsten sind, zu einer Thrombose Veranlassung gaben. Daß 
etwa ein im Sinus sigmoideus selbst lokalisiert gewesener Throm- 
bus mobilisiert worden, und daß dadurch die Thrombose des 
Bulbus und die Blutleere des Sinus sigmoideus zu erklären 
wären, erscheint ausgeschlossen schon mit Rücksicht auf die Be- 
schaffenheit der Sinusinnenfläche, die vollständig glatt war und 
nirgends eine verdächtige Stelle zeigte, an welcher ein Throm- 
bus festgesessen haben konnte. Es kommt aber noch ein an- 
derer Modus der Ausbreitung der Thrombose von dem dem Klein- 
hirn anliegenden Gebiete des Sinus transversus bis in den Bulbus 
in Frage, nämlich der Weg durch den Sinus petrosus superior 
bis in die Gegend des Sinus cavernosus und von da durch den 
Sinus petrosus inferior zum Bulbus venae jugularis. Wenn auch 
eine derartige Verbreitungsweise der Sinusthrombose als ein außer- 
ordentlich seltener Vorgang bezeichnet zu werden verdient, so hat 
dieselbe doch gerade hier die größte Wahrscheinlichkeit flir sich. 
Daß hier die Gefäßthrombose sich auf diesem ungewöhn- 
lichen Wege (mit Umgehung des absteigenden Teiles des Sinus 
sigmoideus) bis zum Bulbus verbreitete, findet zum Teil wohl eine 
Erklärung in dem abweichenden anatomischen Verhalten des 
Sinus petrosus superior, welcher hier ebenso wie der Sinus pe- 
trosus inferior auffallend stark entwickelt war. Durch die ob- 
turierende Thrombose im Sinus transversus wurde das Zuströmen 
des Blutes von der Peripherie verhindert, durch die Thrombose 
des Bulbus venae jugularis eine Rückstauung des Blutes unmög- 
lich gemacht; so war durch die beiden in die Strombahn ein- 
geschalteten Hindernisse eine vollständige Ausschaltung des Sinus 
sigmoideus (zwischen Sinusknie und Bulbus) zustande gekommen. 
Damit ist aber noch nicht die Blutleere innerhalb des Sinus sig- 
moideus erklärt. Für diese Erscheinung können wir nur das 
Cholesteatom verantwortlich machen, welches nach Zerstörung 



Eine seltene Fonn von otogenem Seokungsabszeß. 263 

der knöchernen Wand des Snlcns sigmoideus dem Sinus sigmoidens 
unmittelbar anlag. Das expansive Wachstum des hier in Tumor- 
form aufgetretenen Cholesteatoms übte wohl einen zunehmenden 
Druck auf die Gefäßwände aus, führte schließlich zu einer voll- 
ständigen Kompression derselben und dadurch zur Blutleere des 
betreffenden Sinusabschnittes. So bildete das Cholesteatom die 
Ursache für die Unwegsamkeit des Sinus sigmoideus, diese be- 
günstigte aber wiederum die eigenartigeVerbreitung der Thrombose, 
da durch den Ausfall des Hauptsinus das infektiöse Material in 
die Nebenbahnen gedrängt wurde. 

Was die klinische Seite dieses Falles anbetrifft, so sei 
hervorgehoben, daß der Abszeß im Kleinhirn nicht etwa aus 
einem Symptomenbild von Herd- resp. AUgemeinerseheinungen 
diagnostiziert wurde, sondern, daß erst der bei Gelegenheit des 
Verbandwechsels entdeckte Leitungsweg in Gestalt einer 
Fistel in der gangränösen Dura zu dessen Aufdeckung und 
Entleerung führte. Dies wird verständlich, wenn wir bedenken, 
daß bei einer Komplikation von Sinusthrombose und Hirnabszeß 
die Symptome des letzteren gar nicht selten sich unter dem 
Schleier der Pyämie verbergen, solange diese das Krankheits- 
bild beherrscht. Das Fehlen von Hirndruokerscheinungen erklärt 
sich schon dadurch, daß durch die ausgedehnte Resektion der 
knöchernen Schädelkapsel offenbar eine günstige Einwirkung im 
Sinne einer Druckentlastung auf den Schädelinhalt erzielt 
wurde, sowie dadurch, daß der Abszeßeiter durch die Fistel in 
der Dura einen Abflußweg nach außen fand. 

Die letaleMeningitis war nun nicht etwa eine direkte Folge 
dieses Hirnabszesses; gegen einen solchen Zusammenhang sprach 
schon die zirkumskripte Lokalisation des meningealen Exsudates 
an der Basis der linken Kleinhirnhemisphäre, während der Abszeß 
in der rechten Kleinhirnhemisphäre gesessen hatte. Auch sonst 
vermochte die genaue anatomische Untersuchung keinen Über- 
gang der Eiterung vom Hirnabszeß auf die Hirnhäute nachzu- 
weisen. Der Eiter war vollständig aus der Höhle entleert, an 
deren Wänden zwar das Gewebe noch hier und da nekrotisch 
war und teilweise mißfarben aussah, größtenteils sich aber be- 
reits gereinigt hatte und irisch granulierte. Die den Abszeß nach 
dem Ventrikel hin abgrenzende Wand wurde durch eine ziemlich 
breite Lage gesunder Hirnsubstanz gebildet; zwischen Abszeß 
und Ventrikel bestand keine Kommunikation. Die Trepanations- 
stelle war durch einen dicken Wall frischer gesunder Granu- 



264 XXI. SCHULZE 

lationen gegen die Umgebung fest abgeschlosBen, so daß auch 
auf diesem Wege eine Fortleitnng der Eiterung auf die Meningen 
ansgesohlossen war. 

Die Lebensgefahr ging aus von einem erst bei der Sek- 
tion in seiner ganzen Ausdehnung aufgedeckten extradnralen 
Abszeß seltener Art, der an der Schädelbasis am vor- 
deren Rande des Foramen magnum gelegen war und 
sich längs der Medulla oblongata bis zum 2. Hals- 
wirbels in den Wirbelkanal hinein erstreckte. Das ein- 
zige Symptom; durch welches sich diese extradurale Eiteransamm- 
lung verriet, war die eigentümliche Weichteileiteruug am Halse. 
Dieser von der Schädelbasis ausgehende Muskelabszeß unter 
der tiefen Faszie im oberen Teil des hinteren Hals- 
dreiecks war dadurch zustande gekommen, daß jener 
extradurale Abszeß zwischen Occiput und erstem Hals- 
wirbel an der Seite nach außen durchgebrochen war. 
Durch mehrfache Inzisionen in den tiefliegenden und vielbuchtigen 
mit starker Weichteilschwellung und Infiltration einhergehenden 
Senkungsabszeß war bereits eine ausgedehnte Durchtrennung und 
Ablösung der Muskulatur am hinteren und seitlichen Rande der 
Schädelbasis erfolgt, trotzdem quoll beim Verbandwechsel immer 
wieder Eiter aus den Gewebsspalten und Fistelgängen, die bis an die 
Schädelbasis führten, hervor. Zur Erzielung eines gründlichen Eiter- 
abflusses war eine weitere Aufdeckung des Eiterherdes in der Tiefe 
notwendig. Die Gegend der großen Halsgefäße war übersichtlich 
freigelegt, von einem zunächst vermuteten Senkungsabszeß in 
dieser Gegend kam der Eiter nicht. Vom Warzenfortsatz war 
eigentlich nichts mehr übrig geblieben, vom Occiput war die 
seitliche Wand und ein großer Teil der unteren Fläche reseziert, 
so daß man hier bequem bis zur Schädelbasis vordringen konnte ; 
aber auch aus dieser Gegend rührte die Eiterung nicht. Die in 
die Tiefe führenden Fistelgänge leiteten mehr nach hinten. Daß 
wir den Hauptsitz der Eiterung mehr in der Nackengegend zu 
suchen hatten, darauf deutete auch der äußere Befund, namentlich 
die starke Schwellung und Schmerzhaftigkeit daselbst, sowie das 
Hervorquellen von Eiter aus den mehrfachen Fisteln bei Druck auf 
die Gegend dicht unterhalb der Schädelbasis und dicht neben 
der Mittellinie des Nackens. Eine Freilegung der Eitersenkung in 
dieser Region von der schon bestehenden Weichteilwunde aus vor- 
zunehmen, erschien aus dem Grunde nicht zweckmäßig, weil 
eine noch tiefere Spaltung der bereits in großer Ausdehnung und 



Eine seltene Form von otogenem Senkungsabszeß. 265 

in beträchtlicher Tiefe inzidierten Weiehteile eine vollständige 
quere Durchtrennung, resp. eine Losschälnng der Nacken- und 
seitlichen Halsmnskulatnr znr Folge gehabt hätte. Es wurde 
infolgedessen der direkte und kürzere Weg zu dem tiefen Muskel- 
abszeß gewählt und ca. 2 Querfinger seitlich der Mittellinie des 
Nackens auf der Höhe der stärksten Anschwellung ein der 
Längsrichtung der Wirbelsäule parallel verlaufender Schnitt ge- 
führt. Nach Spaltung der sehr kräftig entwickelten oberfläch- 
lichen Nackenmuskulatur und der Fascia praevertebralis fand 
sich in der darunter gelegenen Schicht der stark infiltrierten 
tiefen Halsmuskeln eine große Eiterhöhle, welche sich bis an die 
Wirbelsäule und nach oben bis an die Schädelbasis verfolgen 
ließ. Eine vollständige Ausräumung des Weichteilabszesses und 
eine breite Freilegung des extraduralen Eiterherdes war leider 
nicht möglich, da der fortwährend aussetzende Puls eine Narkose 
nicht zuließ. Wir mußten uns darauf beschränken, mehrere in 
die Weich teil wunde an der seitlichen Halsgegend führende Fistel- 
gänge stumpf zu spalten und durch eingeführte Drains offen zu 
halten, den Eiterabfluß aus dem extradnralen Abszeß selbst da- 
durch zu sichern, daß wir ein kleinfinge rdickes Drain in die 
zwischen Oociput und Atlas befindliehe Öffnung, aus welcher der 
Eiter hervorquoll, einlegten. Wie wir uns an der Lage des 
Drains bei der Sektion überzeugen konnten, war dadurch ein 
guter Abfluß des Eiters gewährleistet, leider zu spät, denn es 
hatte sich bereits von der schwarz verfärbten Dura der hinteren 
Schädelgrube, resp. von der Dura spinalis aus eine, wenn auch 
nur auf die entsprechende Kleinhirnhemisphäre beschränkte, aber 
trotzdem tödliche Meningitis entwickelt. 

Die Bildung des extraduralen Abszesses haben wir uns hier 
in engem Zusammenhang mit der Sinuserkrankung stehend zu 
denken. Durch die energischen Eingriffe am Sinus transversus 
und am Bulbus venae jugularis war die jauchige Thrombose des 
Hauptblutleiters vollständig eliminiert worden. Trotzdem breitete 
sich aber die Thrombophlebitis in den Sinus petrosi weiter auf 
den Plexus basilaris aus, in dessen Vereiterung spe- 
ziell die Ursache für die extradurale Eiteransamm- 
lung zu erblicken ist. Der in der Hauptsache an der vorderen 
Umrandung des Foramen magnum und des Wirbelkanals ange- 
sammelte Eiter suchte sich dann längs der Arteria vertebralis vor- 
dringend durch die Membrana bbturatoria posterior einen Ausweg, 
und zwar unter Benutzung des Foramen pro arteria vertebrale. 

Archhr f. Ohrenheilkonde. LXI. Bd. 1 8 



266 XXI. SCHULZE 

Das ZustandekommeQ dieser ungewöhnlichen Form von 
Extraduralabszeß war wesentlich begünstigt durch die beson- 
deren anatomischen Verhältnisse, vornebmlich durch die 
auffallend starke Entwicklung der Sinus petrosi, wo- 
durch zweifellos der Propagation der infektiösen Thrombose in 
dieser Richtung Vorschub geleistet wurde. Eine weitere eben- 
falls in diesem Sinne wirksame anatomische Abnormität wurde 
durch die breiteKommunikation des Sinus petrosus inferior 
mit dem Plexus basilaris gebildet. Die diese Verbindung her- 
stellende Vene, die übrigens gar nicht immer konstant gefunden 
wird, war hier besonders stark ausgebildet und enthielt ebenso 
wie die Sinus petrosi und das venöse Geflecht an der vorderen 
Umrandung des Foramen magnum und des Wirbelkanales im Be- 
reiche der beiden ersten Halswirbel eitrig zerfallene Thromben. 

Wenn wir uns bei gleichzeitigem Bestehen eines perisinuösen 
Abszesses und einer Sinusthrombose den Zusammenbang beider 
Erkrankungen für gewöhnlich in der Weise zu erklären haben» 
daß die perisinuöse Eiteransammlung die primäre, die Ent- 
zündung und Thrombose des Gefäßrohres die sekundäre Ver- 
änderung darstellt, so können wir doch die Angabe Körners, 
daß extradurale Abszesse auch dadurch entstehen können, daß 
bei otitischer Phlebitis und Thrombose eines Sinus die Entzün- 
dung auf die Außenseite der Sinuswand übergeht, für den vor- 
liegenden Fall ausnahmsweise gelten lassen. Für die Richtigkeit 
dieser Annahme bildet die eitrige Infiltration und nekrotische 
Erweichung der Gefäßwände, in deren Umgebung sich der extra- 
durale Abszeß fand, an sich keinen zwingenden Beweis, die 
Erkrankung der Gefäßwand könnte ja auch die Folge eines 
längeren Kontaktes mit einer vorher schon bestandenen peri- 
sinuösen Eiteransammlung gewesen sein. Allein die seltene 
Lokalisation des extraduralen Abszesses, die Verbreitung der 
Eiterung entsprechend der Verlaufsrichtung der Blutleiter lassen 
eine andere Annahme gar nicht zu, als daß der Extradural- 
abszeß eine Folgeerscheinung der Blutleitererkrankung gewesen 
sein muß. In der infektiösen Gefäßthrombose haben 
wir die Ursache für die Propagation des infektiösen 
Materials, in den Gefäßanomalien die Erklärung für 
den außergewöhnlichen Sitz und für die sonst kaum 
zu erklärende Verbreitungsweise der Eiterung zu er- 
blicken. Hätte es sich hier lediglich um eine Eitersenkung 
gehandelt, so hätte diese doch nicht den weiten Umweg einzu- 



Eine seltene Form von otogenem Senkangsabszeß. 267 

schlagen branchen, dieselbe wäre vermutlich auf kürzerem Wege 
etwa vermittels des Foramen condyloideum nach außen zu Tage 
getreten oder vielleicht auch in die mit lockerem Bindegewebe 
ausgefüllte Regio praevertebralis durchgebrochen und hätte zur 
Bildung eines Retropharyngealabszesses geftlhrt. 

Eine ähnliche Form otogener Eiterung hat Deutsch- 
länder^) beobachtet in einem Fall, den er als Senkungsabszeß 
in das Atlanto-occipitalgelenk beschrieben hat. Es handelte sich 
um eine chronische Eiterung mit extraduralem Abszeß am Sinus 
transversus und Bulbus venae jugularis. Nach der Operation 
trat eine starke entzündliche Schwellung der Weichteile der 
rechten Halsseite bis zum Nacken auf. ^Bei Druck auf diese 
Partien strömte Eiter aus der Tiefe der Wundhöhle nach.*' Es 
wurde zunächst ein Senkungsabszeß in der Scheide der Vena 
jugularis angenommen, daselbst aber kein Eiter gefunden. ^Es 
gelang — sagt Deutsehländer weiter — jetzt durch Aus- 
übung eines Druckes auf die seitlichen Partien der obersten 
Halswirbel, Eiter nachschießen zu lassen. Wir hatten es also 
mit einer Senkung nach dem Atlanto-occipitalgelenk zu tun. 
Es wurde nun der Unterbindungsschnitt der Vena jugularis nach 
oben zu verlängert, bis er sieh mit der oberen Wunde vereinigte, 
der Ansatz des Eopfnickers in großer Ausdehnung vom Knochen 
abgelöst und nach hinten gezogen, in der Absicht, durch die 
Grube zwischen Unterkiefer und Warzenfortsatz den Eiterherd 
an der Wirbelsäule zu erreichen. Dann wurde der gesamte 
rechte Unterkiefer mit starker Gewalt nach vorne gezogen, der 
freigelegte Teil der Pars mastoidea bis zum Os occipitale mit 
der Zange fortgenommen und dann wurde in die Tiefe vorge- 
drungen bis die Gelenkflächen fühl- und sichtbar wurden. Es 
stürzte viel Eiter nach.** Nach der Beschreibung Deutsch- 
1 anders scheint es sich eher um eine Eiteransammlung an der 
äußeren Fläche der Schädelbasis resp. der Wirbelsäule ge- 
handelt zu haben; jedenfalls ist von einem Durchbruch durch 
das Gelenk nirgends die Rede. 

Deutschländer fügt hinzu: „Aus der Literatur ist mir 
nur ein fast gleicher Fall von Passow und ein ähnlicher von 
Körner, veröffentlicht von Muck, bekannt". Nun ist aber be- 
reits im Jahre 1896 von Leu t er 1 2) ein hierher gehöriger Fall 
aus der Halleschen Ohrenklinik publiziert worden. Es handelte 

1) Yerbandlungen d. dtsch; otol. Ges , X. Vers, zu Breslau. S. 132 if. 

2) Dieses Archiv. Bd. XLI. S. 279. 

18* 



268 XXI. SCHULZE 

sich um einen otogenen Hirnabszeß im Occipitallappen, Sinus- 
thromhose und ausgedehnte extradurale £iterung. Im Sektions- 
protokoll heißt es wörtlich : „An der Schädelbasis fällt das starke 
Vorspringen des Dens Epistrophei auf. Der Atlas ist aus seinem 
Bandapparat gelöst, von sohmutzig-graugrflner Farbe und zeigt 
an der Außenfl&ohe größtenteils rauhen Knochen. Die über- 
knorpelten Gelenkfl&chen fehlen teilweise und sind rauh. In 
der Umgebung des Atlas ist das Gewebe schmutzig-graugrün 
verfärbt und nekrotisch zerfallen, doch läßt sich zwischen diesem 
Zerfallsherd und dem Eiter der Schädelhöhle keine Kommuni- 
kation nachweisen*'. Die Wirbelerkrankung wurde hier eben- 
falls als eine Arrosion des Knochens durch die extradurale 
Eiterung angesehen, wie aus der Epikrise des Falles hervor- 
geht, in der es heißt: „Die Karies des Atlasses ist jedenfalls 
durch die extradurale Eiterung bedingt worden; daß diese bei 
der Sektion nicht mehr in die Erscheinung trat, ist natürlich, 
da der extradurale Eiter operativ nach Wegnahme großer 
Knochenpartien entfernt worden war.^ 

Ob es sich in dem von Leutert mitgeteilten Falle ledig- 
lich um einen extraduralen Senkungsabszeß gehandelt hat, 
läßt sich kaum entscheiden. Ein Hinweis darauf, daß wir die 
Ursache für die außergewöhnliche Lokalisation der Eiteransamm- 
lung nicht in den mechanischen Verhältnissen zu suchen 
haben, sondern vielmehr in besonderen anatomischen Vorgängen, 
durch welche einer Propagation der Eiterung gerade diese Rich- 
tung vorgezeichnet wurde, wie in unserem Falle Schmidt, bei 
dem sich die Eiterung eng an das anatomische Verbreitungs- 
gebiet der thrombosierten Blutleiterbahnen anschloß, ist hier an 
der Hand des Sektionsprotokolls nicht zu konstatieren. So heißt 
es z. B. vom Sinus petrosus inferior, daß derselbe frisches Blut- 
gerinnsel enthielt. Immerhin ist es bemerkenswert, daß in beiden 
Fällen aus unserer Klinik, in denen die Senkung der Eiterung 
bis in den Wirbelkanal hinein durch die Sektion festgestellt 
wurde, neben dem extraduralen Abszeß noch ein Hirnabszeß und 
eine ausgedehnte Sinusthrombose bestand. 

Wenn auch extradurale Eiterungen zweifellos als eine relativ 
häufige Komplikation der akuten wie der chronischen Otitis 
media zu betrachten sind, so gehören doch diese hier beschrie- 
benen Formen der Erkrankung nicht zu den gewöhnlichen und 
alltäglich beobachteten Eiterungsprozessen dieser Art. Immerhin 
ist es notwendig, über das Vorkommen und die anatomische 



Eine seltene Form von otogenem Senkungsabszeß. 269 

Yerbreitungsweise derselben orientiert zu sein; macht doch die 
Entscheidung über Sitz und Ausgang, ja sogar schon über die 
otogene Natur der unter dem Bilde von Senkungsabszessen 
auftretenden Weichteileiterungen, wie es scheint, nicht selten 
Schwierigkeiten. Ich brauche nur auf das zu verweisen, was 
Schwartze^) in seinem Lehrbuch der chirurgischen Krank- 
heiten des Ohres sagt: „auch Verwechselung mit Karies der 
oberen Halswirbel ist möglieb, wenn die Untersuchung des Ohres 
vernachlässigt wird. Mehrere Fälle der Art sind mir vorgekom- 
men, wo Patienten mit Senkungsabszessen unterhalb des Warzen- 
fortsatzes und in der Nackengegend mir zugeschickt waren zum 
Zwecke der Aufmeißelung des Warzenfortsatzes, wo die ge- 
nauere Untersuchung die Integrität des Ohres ergab und der 
Ausgang des Senkungsabszesses zweifellos in Karies der obersten 
Halswirbel zu suchen war. Auch das Umgekehrte ist mir be- 
kannt geworden, wo Wirbelkaries diagnostiziert war, und erst 
auf dem Sektionstisch die Karies des Schläfenbeins mit konse- 
kutivem Hirnabszeß erkannt wurde. Beides wird einem Chi- 
rurgen, der das Ohr zu untersuchen versteht, nicht leicht passieren 
können". 



1) Schwartze, Lehrb. d. Chirurg. Krankheiten des Ohres, S. 321. 



XXII. 

Bericht über die Verhandinngen der Berliner otologischen 

Gesellschaft. 

i 

Von 

Dr. Haike. 

Sitzung vom 12. Mai 1903. 

Vorsitzender: Herr Lnoae. Sehriftfllhrer: Herr Sohwabacfa. 

1. Herr Großmann stellt einen 69jäbrigen Patienten mit 
doppelseitiger Pnlsation der seitlichen Pharynx wand vor. Groß- 
mann deutet sie als Ausdruck eines abnorm verdickten Astes 
der Arteriä pharyngea ascendens. Auch am Augenhintergrnnd 
des an Arteriosklerose leidenden Patienten ist Pulsation nach- 
zuweisen. 

2. HerrLucae demonstrierte einen schon früher gezeigten 
Apparat zur Luftdusche, dessen Zylinder statt Kohlensäure kom- 
primierte Luft enthält, um die möglichen unangenehmen Neben- 
wirkungen jener zu vermeiden. 

Diskussion: Herr Jacobson schlägt im Anschluß daran 
vor, auch mit anderen Gasgemischen, die keinen Sauerstoff ent- 
halten, Luftduschen vorzunehmen. 

Herr Lucae hat durch Kohlensäuredusche ein beträchtliches 
Exsudat bei frischem Mittelohrkatarrh nach zweimaliger Anwen- 
dung zur Resorption kommen sehen. 

3. Herr Katz demonstriert mikroskopische Präparate vom 
Gehörorgan der Tanzmaus, um nachzuweisen, daß die sogenannte 
Gupula terminalis wahrscheinlich nur ein Kunstprodukt, durch 
die Einwirkung von Säure entstanden, ist. Er nimmt an, daß 
bei der Fixation der distale Teil der Hörhaare, der sehr zart 
ist, zur Quellung gebracht wird und eine gelatinöse Masse bildet, 
während sein mit Platinchlorid konserviertes Präparat dieses 
Kunstprodukt nicht zeigt, sondern die feinsten Endigungen der 
Hörhaare erkennen läßt. 



Beriebt über die YerbaDdlungen der Berliner otolog. Gesellscbaft. 271 

4. Herr Heine: Zur Behandlung der akuten Mittelohrent- 
zündung. In der Darstellung der auf der Universitätsohrenklinik 
geübten Behandlung der akuten Mittelohrentzündung erörtert 
Heine besonders die neuerdings umstrittene Frage der Para- 
zentese und die hierüber in letzter Zeit geäußerten Anschau- 
ungen. 

Sitzung vom 9. Juni 1903. 

Vorsitzender: Herr Lucae; Schriftfllhrer Herr Sohwabach. 
Tagesordnung: Diskussion über den Vortrag des Herrn 
Heine: Die Behandlung der akuten Mittelohrent- 
zündung. 

Herr Seh wabaoh stimmt auf Grund seiner Erfahrungen mit 
Herrn Heine im wesentlichen überein, besonders in bezug auf 
die Indikation der Parazentese. Auf Grund einer Statistik nur 
genau vom Beginn bis zum Ablauf der Erkrankung beobachteten 
Fälle kommt Schwabach zu dem Schlüsse, daß die Heilung 
bei den Fällen, die keiner Parazentese bedurften, im ganzen 
schneller eintrat, als bei den parazentesierten : d. h. daß die 
erste Kategorie die im ganzen leichteren, die letztere die schweren 
Fälle umfaßte. Zur Aufmeißelung des Warzenfortsatzes kamen 
von 35 rechtzeitig parazentesierten Fällen 8,5 Proz., während 
unter den spontan perforierten 9,8 Proz. zur Operation kamen. 

Herr Jacobson weist darauf hin, daß in der Behandlung 
der Mittelohrentzündung noch keine Einheitlichkeit bestehe, son- 
dern die verschiedensten Anschauungen über die einzelnen Maß- 
nahmen bestehen. Deshalb hält er bei der Wichtigkeit des 
Themas ein Eingehen auf jede der geübten therapeutischen Maß- 
nahmen für erwünscht. 

Herr Heine erwidert, daß der Zweck seines Vortrages 
wesentlich die Erörterung der Indikationen für die Parazentese 
gewesen sei. 

Herr Brück meint, daß die außerordentliche Verschieden- 
heit der Meinungen, über den Wert der therapeutischen Maß- 
nahmen zum Teil von einer Unklarheit in der Terminologie her- 
rühre, welche Katarrhe des Mittelohres von den Entzündungen 
derselben nicht streng unterscheiden lasse. 

Herr Katz bemerkt, daß man häufig im Beginne einer 
akuten Mittelohraffektion nicht mit Sicherheit sagen kann, ob ein 
Katarrh oder eine Entzündung sich entwickle. 

Herr Sohwabach erwidert, daß seine Ausführungen sich 



272 XXII. HAIEE. 

ausschließlich auf zweifellose Mittelohrentzündangen bezogen 
haben, anderes stehe gar nicht znr Diskussion. 

Herr Levy betont die Bedingungen, welche die Zweck- 
mäßigkeit eines statistischen Materials garantieren, aus denen 
man Schlüsse auf den Wert therapeutischer Maßnahmen ziehen 
dürfte. 

Verwertbar wären nur bettlägerige Kranke, die unter stän- 
diger ärztlicher Eontrolle stehen; die durch Infektionskrankheiten 
hervorgerufenen Mittelohrentzündungen müßten gesondert rubri- 
ziert werden; ferner dürften statistisch nur solche Fälle ver- 
wertet werden, die spätestens in den ersten drei Tagen zur Be- 
handlung kommen. Wenn diese Postulate erfüllt würden, wäre 
das verwertbare Material nur gering, aber zuverlässig. Zu seinen 
Beiträgen erscheinen ihm große Spezialkliniken und praktische 
Arzte mit guten Spezialkenntnissen am meisten geeignet, während 
die Ohrenärzte meist erst ältere Fälle in Behandlung bekommen. 

Herr Jacobson hält auch eine Verständigung über die Ter- 
minologie für die Vorbedingung einer fruchtbringenden Dis- 
kussion. 

Herr Schönstadt demonstriert eine Parazentesennadel mit 
einem halbmondförmigen Messer, das er auch in der Hand der 
Ungeübten für zweckmäßig hält; er regt ferner die Besprechung 
über die Stellung der Adenotomie in der Therapie der Mittel- 
ohrentzündungen an. 

Herr Lucae zieht das lanzenformige Messer dem Schön- 
stadtschen vor. — Lucae betont die Wichtigkeit der Parazen- 
tese bei stark verdicktem Trommelfell, deren Spontanperforation 
häufig erst so spät erfolgt, daß inzwischen ein Fortschreiten des 
Erkrankungsprozesses auf das Labyrinth zu befürchten ist, wie 
es Lucae in 2 Fällen beobachtet hat. 

Herr Heine bemerkt noch, daß gerade bei kleinen Kindern 
die Parazentese nicht immer eine Schmerzlinderung brachte, wes- 
halb man in diesem Punkte der Prognose vorsichtig sein möge. 
Das Verhältnis der parazentesierten und nicht parazentesierten 
Fälle zur Mastoidoperation lasse sich wegen der üngleichmäßig- 
keit des Materials der Klinik und Poliklinik nicht einwandsfrei 
beleuchten. 

Sitzung vom 10. November 1903. 
Vorsitzender: Herr Jacobson; Schriftführer; Herr Schwabach. 

1. Herr Schwabach: Zur Kenntnis der Nebenwir- 
kungen einiger Arzneimittel auf das Ohr. Schwabach 



Bericlit über die Verbandlungen der Berliner otolog. Gesellscbaft. 273 

berichtet über zwei Beobachtungen seltener Nebenwirkungen von 
Arzneimitteln, deren eine er an einer 25jährigen Patientin 
machte, die in kurzen Zwischenräumen an akutem Mittelohr- 
katarrh im Anschluß an Nasen- und Rachenkatarrh und gleich- 
zeitiger Blepharo-Gonjunctivitis erkrankte, bis sich herausstelltet 
daß die Patientin wegen eines chronischen Ekzems Sol. arseni- 
cal. Fowleri gebraucht hatte, nach dessen Aussetzen auch die 
Katarrherscheinungen endgültig wegblieben. Schwab ach weist 
noch darauf hin, daß ähnliche Beobachtungen trotz des vielfäl- 
tigen Gebrauchs von Arsen nur sehr selten, wie die otiatrische 
Literatur ergibt, gemacht zu werden scheinen. Außerhalb dieser 
sind ähnliche Beobachtungen von Lew in in seinen „Nebenwir- 
kungen der Arzneimittel*' berichtet worden. Die zweite Beob- 
achtung betraf eine 28jährige Patientin, die im Verlauf einer 
fibrinösen Pneumonie nach Salipyrin 3 mal täglich 0,75 g, im 
ganzen 4,5 g, unter starken subjektiven Greräusehen hochgradig 
schwerhörig geworden war. Die Stimmgabeluntersuchung ergab 
die Diagnose einer Labyrinthaffektion, die auch längere Zeit nach 
Aussetzen des Mittels keine Besserung zeigte. Erst der Gebrauch 
von Extr. secal. cornuti, 3 mal täglich 10 Tropfen, beseitigte 
allmählich die Beschwerden* Dieses wandte Schwabach auf 
eine frühere Empfehlung Schillings, die er bestätigen konnte, 
an, der vom Seeale bei den durch Salizyl und Chinin hervor- 
gerufenen Ohraffektionen deshalb eine günstige Wirkung erwar- 
tete, weil nach Kirchners Untersuchungen die Beschwerden 
ja von der hyperämisierenden Wirkung des Salizyls und Chinins 
herrühren sollten, eine Annahme, welche durch neue Unter- 
suchungen Wittmaacks in Frage gestellt zu sein scheint, der 
den Angriffspunkt des Chinins in dem nervösen Apparat des Ge- 
hörorgans sieht. 

Diskussion: Herr Haike berichtet hierzu in Kürze über 
die Ergebnisse seiner Tierversuche mit Natr. salicylicum und 
Aspirin, welche den Resultaten von Wit|tmaacks Chininversuchen 
analoge Veränderungen am Ganglion acusticum, ferner auch am 
Nervenstamm ergeben haben. 

Herr A. Brück erwähnt Hörstörungen, die er nach Chloro- 
form — Hyperästhesie und im Anschluß. daran Schwerhörigkeit — 
und nach einer Athernarkose beobachtet hat. 

Herr Donnert teilt zur Wirkung des Seeale cornutum einen 
Fall mit, in welchem ein allen Mitteln sehr lange Zeit wider- 



274 XXII. HAIKE, Verhandiongen der Berliner otolog. Gesellschaft 

stefaender ^Sehaupfen^ auf Seeale mit Valeriana ^wie mit einem 
Zanbersohlage^ versehwanden sei. 

Herr Reiehert erinnert daran, daß im Beginn fibrinöser 
Pneumonien zuweilen Hyperämien des Ohres vorkommen, so daß 
er es nieht für ausgesehlossen hält^ daß der von Herrn S c h w a - 
baeh mitgeteilte Fall hierher gehöre. 

Herr Blau bemerkt, daß die Deutung der Hyperämien und 
Blutungen im Ohr als Suffokationsersoheinungen durch Witt- 
maack nur eine Bestätigung der Untersuchungen Grunerts 
sei. — Femer teilt er eine Nebenwirkung des Jodkaliums mit, 
die als sehr schmerzhafte Otitis externa in die Erscheinung trat. 

Herr Katz fragt, ob jemand Mittelohrkatarrhe nach äußer- 
lichem Gebrauch von Jodoform gesehen habe, da ein Kollege in 
einem Versicberungsstreitfalle das lange Zeit angewandte Jodo- 
form f&r die Ursache eines zeitlich sich anschließenden Mittel- 
ohrkatarrhs erklärte. 

Herr Haike bemerkt zu Herrn Blaus Ausführungen, daß 
Wittmaacks und Grunerts Anschauungen über die Entstehung 
der Blutungen bei mit Salizyl vergifteten Tieren sich insofern 
nicht decken, als Grunert Blutungen im Gehörorgan der Versuchs- 
tiere durch Suffokation oder durch Salizyl resp. Chinin entstan- 
den annimmt, währcM^Wittmaack sie in allenFällen der Suffo- 
kation zuschreibt. 

Herr Schwabach erwidert Herrn Reichert, daß die Er- 
scheinungen seines Salipyrinfalles durchaus andere gewesen seien, 
als er sie bei Patienten mit fibrinöser Pneumonie gesehen habe. 

2. Herr Heine: Zur Behandlung der akuten Mittel- 
ohrentzündung. 

Heine referiert die auf der Berliner Universitätsohrenklinik 
geübte Behandlungsmethode unter besonderer Betonung der noch 
unter den Ohrenärzten strittigen Maßnahmen, wie die Anwen- 
dung der heißen Umschläge, die er dem Eisbeutel im allgemeinen 
vorzieht, der Blutegel, die er als der Asepsis widersprechend 
verwirft, wie er die Luftdusche von der Tube wie vom Gehör- 
gang aus als heftigen Reiz des entzündeten Organs unterläßt, 
zumal sie auch ernste Gefahren für die Erkrankung des Warzen- 
fortsatzes birgt; auch die von vielen geübte Entfernung einer 
vorhandenen Rachenmandel hält er für unzweckmäßig und dem 
Hauptprinzip der Behandlung, dem entzündeten Organ wie dem 
Patienten Ruhe zu lassen, widersprechend. 



niii. 

Aus der kgl. Unirersitäts-Ohrenpoliklinik za München 

(Prof. Dr. Hau g). 

Anthraxpnsteln im Gehörgang. 

Von 

Prof. Dr. Haugr. 

Da Milzbrand mit einer akzidentellen Lokalisation im Ohre 
nicht gerade zu den gewöhnlichen Vorkommnissen zählen dürfte, 
ist vielleicht nicht ganz unmotiviert, über einen einschlägigen 
Fall zu berichten. 

Ein Tierarzt, der zum größten Teil ländliche Praxis sehr 
beschwerlicher Natur auszuüben hat, infizierte sich vor ca. 
8 Wochen gelegentlich der Sektion eines an Milzbrand ge- 
fallenen Stückes an der rechten Hand ganz leicht. Es schwollen 
zwar ganz kurze Zeit hernach die Axillardrüsen der rechten 
Seite an, ohne daß sich jedoch weitere Erscheinungen einstellten. 
Es mag diese relativ minimale Reaktion auf die Infektion viel- 
leicht ihren Grund haben darin, daß Pat. schon einmal eine 
schwere Anthraxinfection durchgemacht hatte und infolgedessen 
noch eine abgeschwächte Immunität besaß. 

Nun stellte sich auf einmal, ohne besondere intensive Vor- 
boten, bloß begleitet von ziemlichem Druckgefühle im Kopfe 
und leichtem Frostschauer innerhalb 12 Stunden eine ganz akute 
Furunkulose des ganzen rechten Armes ein, derart, daß der 
Ober- und Unterarm bis zum Handgelenk mit über fünfzig pfeffer- 
korn- bis haselnußgroßen Furunkeln sich übersät zeigten. Die größte 
Anzahl dieser Furunkel bildete sich aber wieder ganz schön 
zurück unter der Applikation von Sublimatumschlägen bis auf 
einige wenige (zwei), und auch diese gelangten nicht zur eigent- 
lichen Suppuration, indem sie sich nach Eröffnung und Ablassung 
des serösen Transsudates wieder zurückbildeten. Während der 



276 XXIII. HAÜO, Anthraxpusteln im Gebörgang. 

ganzen Floritionsperiode der Pnsteln bestand merkwürdig wenig 
subjektive Reaktion. 

Wenige Tage darauf stellten sieh am Ohre der entsprechenden 
Seite analoge Erscheinungen ein nnd es konnten hier im Meatus 
externus zwei ungefähr hanfkorngroße entzündliche Erhaben- 
heiten konstatiert werden, die f&r gewöhnlieh als beginnende 
einfache gemein Ohrfurunkel angesehen werden mußten. Sonst 
war außer einer leichten Rötung am Übergang vom Trommel- 
fell zum Gehörgange, sowie einer leichten Injektion der Hammer- 
griffgefäße nicht viel zu sehen. Auch war die funktionelle 
Tätigkeit in keiner Weise alteriert. Diese Gehörgangsefflores- 
zenzen verliefen ebenfalls genau wie die am Arme, sie bildeten 
sich ohne Suppuration zurück. Auf der andern Seite zeigte 
sich nichts. 

Wenn wir nun trotz dieser sehr schwach ausgesprochenen 
klinischen speziellen Merkmale auf der Diagnose Anthrax be- 
harren wollen, so muß die mikroskopische Untersuchung der 
Ohrpusteln den Ausschlag geben. 

Und tatsächlich gelang es bei diesen ans dem heraus be- 
forderten Inhalte, abgesehen von einer Unzahl von Streptokokken, 
Sporen des Anthrax allerdings nicht in kräftig entwickelter Form 
zu finden. Wir dürfen also nach Analogie der Armpusteln wohl 
annehmen, daß auch der Gehörgang der Platz einer Eruption 
gewesen sei. 



XXIV. 

Jahresbericht der kgL Universitäts-Ohrenpoliklinik zn 
HfiDchen (Prof. Dr. Hang) für das Jahr 1903. 

Von 

Prof. Dr. Haugr und Dr. Thanisch, I. Assistent. 

In der KgL Universitäts-Ohrenpoliklinik gelangten, wie in 
den Vorjahren, im allgemeinen nur Ohrenkranke zur Behand- 
lang. Von Nasen- Bach enaffektionen wurden lediglich die mit 
den Ohrenerkranknngen in innigem Konnex stehenden, wie z. B. 
aden. Vegetationen, Tonsillenhypertrophie usw. einer operativen 
Behandlung unsererseits unterzogen. Alle sonstigen Nasen-, 
Bachen-, Kehlkopfaffektionen wurden an die Laryngo-Bhino- 
logische Klinik (Prof. Dr. Sehe ch) verwiesen. 

An der Ohrenpoliklinik waren während des Berichtsjahres 
1903 folgende Herren als Assistenten, Volontäre und Koassi- 
stenten tätig: Herr Dr. Thanisch, bestallter Assistent, ferner 
die Herren Doktoren Dr. L anhinge r, Nadoleczny, Hempel, 
Böhm, Bertololy, Erbe, v. Hellriegl, Arnold, Leon- 
hard, Holländer, Falk, Werner, Stamm, Klein, Hamm, 
Gareis, Jaudt, die Herren cand. med. Grundier, Böttcher, 
Auntemüller, Olsner, Ehmann, Penning. Allen diesen 
Herren sei an dieser Stelle gedankt für ihre schaffensfreudige Mit- 
arbeit. Die 10 — 12 Arbeitsplätze waren, wie immer, so auch 
heuer jederzeit völlig besetzt, so daß bloß sehr frühzeitige An- 
meldungen meist noch Berücksichtigung finden konnten. 

Die größeren Operationen — Aufmeißelungen, Badikalope- 
rationen usw. — wurden, wie immer, entweder von mir selbst 
oder den Herren Assistenten resp. Volontären ausgefbhrt, die 
kleineren — Parazentesen, Adenotomien, Polypenextraktionen, 
Gehörknöchelentfernungen usw. — fast ausnahmslos von den 
verschiedenen Herren der Abteilung, auch von den Koassistenten 
und zugelassenen Kursisten, vorgenommen, so daß jeder längere 



278 



XXIV. HAÜG und THANISCH 



Zeit auf der Poliklinik arbeitende Herr in die Lage kam, die 
einzelnen Operationen genügend oft selbst auszuführen. Und 
auch sonst war an dem sehr reichen Material zur fachlichen Aus- 
bildung in jeder Beziehung Gelegenheit gegeben. 

Die Zahl der im Berichtsjahre 1903 behandelten Ohrkranken 
betrug 3516 (1902: 3315). Das Berichtsjahr ist das 18. 

München, Januar 1903. Prof. Dr. Hang. 




Summa 



Ohrmaschel. 

Eczema auriculae 

Abszei^ am Lobulus 

Erysipel 

Herpes 

Congelatio 

Othämatom 

Perichondritis acuta 

* chronica 

Impetigo contagiosa auriculae 

Lupus vulgaris 

Scrofoloderma 

Atheroma auriculae 

9 postauricularis 

Verletzungen 

M e a t u s. 

Cerumen obturans 

Eczema 

Verletzungen 

Fissur des Keatus bei Scbttdelbasisfraktur . . 
Otitis externa diffusa 

* s luetioa (Papel) 

* « mycotica 

9 9 haemorrhagica 

* s granulosa 

s « circumscripta 

Corpora aliena . . . . , 

In Narkose entfernt (einmal unter Ablösung 

der Ohrmuschel) 

Pruritis 

Impetigo . 

Exostosen 

Atresia congenita 

9 meatus acquisita 

9 cum otitide med. perf. chronica . . . 
Papilloma 

Trommelfell. 

Myringitis acuta 

9 haemorrhagica 

9 chronica 

Kuptura traumatica 

Sonstige Traumata 



32 
1 
1 
1 
2 
2 
3 
1 
5 
1 
1 
2 



183 

15 

3 

1 

59 

3 

2 

2 

4 

63 

22 



2 
2 



2 
1 



12 
1 
3 

11 
3 



20 


10 


1 


1 
4 


1 


— ^ 


4 


3 


2 


— 


1 




l 


1 


178 


229 


14 


12 


3 




1 


._ 


46 


26 


1 


1 


2 


— • 


1 


._ 


3 


— . 


59 


2 


28 


2 


1 


2 


1 


2 


2 


.... 


2 

1 




1 

1 


— 


9 


6 


1 


— 


4 


3 


11 


1 


2 


'^— 



62 
l 
1 
2 
7 
3 
3 
1 

12 
1 
3 
2 
1 
2 



590 

41 

6 

2 

131 
5 
4 
3 

124 
52 

4 
5 
5 
2 

4" 
2 
1 
2 



27 

2 

10 

23 

5 



Jahresbericht der kgl. Universit&ts-Ohrenpoliklinik zu München. 279 




Summa 



Paukenhöhle. 

Otitis media catarrhalis acuta 

« « 9 subacuta 

9 c 9 chronica: 

1. Simplex 

2. mit Trübungen u. Verdickungen 

3. mit Atrophie 

4. mit Verkalkung 

Akuter Tubenkatarrh 

Chronischer Tubenkatarrh 

Autophonie 

Sklerosen (reine) 

Otitis media acuta exsudativa 

9 9 9 cum perforatione .... 

9 9 9 haemorrhagica 

9 9 9 cum perforatione .... 

Haematotympanum traumaticum 

Akuter Tnbentrommelböhlenkatarrh .... 
Subakuter « .... 

Chronischer 9 .... 

mit sekundärer Retraktion 

Besiduen Yon Otitis media perforat 

Otitis media perfurat. chronica purulenta . . 
99 9 9 polyposa . . 

99 9 « tuberoulosa . . 

99 9 »mit Perforat. d. 

Membrana flaoc. 

* ' * » * mit Senkung der 

hint. u. ob. Wand (z. T. mit Cholesteatom) 

Mastoiditis acuta 

9 chronica 

9 fistulosa 

9 ausgeheilte 

Subperiostaler Abszeß 

Cholesteatom (von vorn zu erkennende) . . . 

Labyrinth (inkl. neryOse Krankheiten). 

Labyrinthtrauma 

Labyrinthlues 

Lues bereditaria tarda 

Sonstige Labyrintherkrankungen 

Surditas 

Surdomutitas 

Simulatio surditatis 

Nervöse Schwerhörigkeit 

Subjektive Geräusche (ohne objektiven Befund) 

Meni^rescher Symptomenkomplex 

Traumatische Neurose 

Neuralgia tympanica 

9 mastoidea 

Facialisparese (ex Otitide purulenta) .... 

Otalgia e oarie dentium 

Berufsschwerhörigkeit 

Nasen er krankungen. 

Corpora aliena 

Muscbelhypertrophien 



110 


88 


72 


28 


23 


49 


57 


44 


125 


16 


12 


26 


9 


15 


23 


13 


14 


18 


41 


50 


51 


57 

1 
4 


96 


206 


6 


21 


85 


71 


32 


191 


177 


75 


18 


9 


2 


1 
2 
7 


2 


— 


3 


4 


6 


6 


17 


35 


35 


184 


6 


18 


10 


111 


113 


63 


198 


188 


69 


26 


21 


2 


3 


1 


1 


9 


7 




3 


2 


.^^ 


14 
1 
4 


7 


1 


1 


__ 


9 


7 


1 


3 


l 


— 


3 


6 


1 


5 


3 


1 




2 


5 


1 




1 


2 


— 


2 


1 




6 


^_ 




11 


2 


2 


1 


4 


— 


21 


2 


1 


9 


1 


1 


3 

1 

1 


5 


2 


__ 


1 


1 


4 


4 


1 


32 


34 


18 






10 


2 


1 




3 


1 


4 



270 
100 

226 

54 

47 

45 

142 

359 

1 

31 

188 

443 

29 

3 

2 

14 

29 

254 

34 

287 

455 

49 

5 

— 16 

5 
22 

1 

5 
17 

4 
10 



9 
7 
2 
4 
7 

11 
5 
25 
12 
5 
1 
8 
2 

10 
84 
10 



3 

8 



280 XXIV. HAU6 u. THANISGH, Jahresber. d. üniT.-Ohrenkl. München. 




Nasenpolypen 

SoDstige Nasenerkrankiingen . . . 
Adenoide Vegetationen 

Rachen er kr anklingen. 

Baohenlues 

Pharyngitis granaloea . . 

ToniUlitis 

Tonsillenhypertrophie . . . 
Eongenitale Mißbildungen 

Varia. 

Senile Involution 

Lymphadenitis der Pars mastoidea . . . 
Vereiterte Lymphdrüse der Pars mastoidea 
Parotitis 

Gesamtsumme der Krankheiten: 4887. 

Operationen. 

Furunkelinzisionen 

Parazentese 

Polypenextraktion 

Operationen an der Ohrmuschel 

Extraktion eines Sequesters der Paukenhohle, 
sowie einer nekrotischen Schnecke . . . 

Extraktion von Gehörknöchelchen 

Wildesche Inzision 

Kadikaioperation Unkl. intrakran. . . . 

Schwartzes Operation j Eingriffe . . . 

Transplantation 

Adenotomien 

Tonsillotomien 



4 
1 


3 


l 
6 


6 
20 


2 
(5 


• 

2 

3 

10 

50 

2 


1 

11 
3 


2 

8 


8 

1 


1 


1 



Summa 



1988 



1528 



8 

7 

222 

2 

3 

18 

76 

2 



11 

20 

3 

2 



20 


26 


2 


48 


29 


4 


8 


9 


2 


1 


1 


1 


2 
1 


4 




6 


4 


— 


6 


5 


— 


13 


2 
1 




14 


12 


20 



48 

81 

23 

4 

2 

5 

10 

11 

•15 

1 

188 

46 



Altersklassen 


Kranke 


=j; ' ■ ■ . '■» 

Summe 


in Jahren 


mannlich 


weiblich 


0—1 


84 


82 


166 


2—10 


373 


365 


738 


11—20 


325 


275 


600 


21—30 


419 


338 


757 


31—40 


369 


210 


579 


41—50 


218 


111 


329 


51-60 


119 


88 


207 


61—70 


56 


39 


95 


über 70 


25 


20 


45 



3516 



München 1888 

Oberbayem 646 

Niederbayern 250 

Pfalz 12 

Oberpfalz 156 

Oberfranken 28 

Mittelfranken 76 

ünterfranken 37 

Schwaben 154 

Deutschland (außer Bayern) 137 

Nicht-Deutsche 132 



Sa.: 3516 



XXV. 
Besprechnngen. 



2. 

Bönninghaus, Das Obr des Zahnwales, zugleich ein 
Beitrag zur Theorie der Schallleitung, Eine bio- 
logische Studie. 6. Fischer, Jena 1903. Mit 2 Tafeln und 

28 Abbildungen im Text. 

Besprochen von 

Prof. K. Grunert, Halle a. S. 

Das Studium dieser vorzüglichen anatomischen Arbeit bietet 
nicht nur Sir den Biologen ein großes Interesse dar, insofern 
als die durch die Akkommodation an die neue Lebensweise 
im Wasser bedingten hochgradigen morphologischen Verände- 
rungen auch ein so hochentwickeltes Organ wie das Gehörorgan 
umgestalten, sondern auch für den Ohrenarzt ergeben sich aus der 
Schrift neue und wichtige Gesichtspunkte fttr die Lehre von der 
Schallleitung.* 

Dies ist der Grund, weshalb ich die Resultate, welche Ver- 
fasser am Schluß seiner Arbeit in einer „Zusammenfassung^ ge 
geben hat, hier verbotenus zu bringen mich in dieser Besprechung 
für verpflichtet halte. 

„1. Das rudimentäre äußere Ohr des Wales zeigt in seinem 
Bau so große Ähnlichkeit mit dem äußeren Ohr des Seehundes, 
daß man annehmen kann, das äußere Walohr habe, als es noch 
funktionsfähig war, in derselben Weise funktioniert, wie das 
äußere Seehundohr. Dieses ist im Wasser geschlossen, und der 
Schluß findet durch den Druck des Wassers statt. An der Luft 
aber wird es durch Muskelzug geöffnet. Als nun der Wal dauernd 
im Wasser blieb und sein Körper eine derartige Umänderung er- 
fuhr, daß auch bei der gewöhnlichen Ruhelage an der Ober- 
fläche des Wassers das äußere Ohr sich unter der Wasserlinie 
befand, hatte der Wal keine Veranlassung mehr, sein Ohr zur 

Archiv f. Ohrenheilkunde. LXI. Bd. j g 



282 XXV. Besprechungen. 

Aufnahme von Schallwellen der Lnft zu öffnen. Die Ohrmuskeln 
wurden deshalb rudimentär, und das stets geschlossene äußere 
Ohr verfiel demselben Schicksal. 

2. Beim Zahnwal ist eine Drehung des vorderen Keilbeins 
und zugleich eine Verlängerung desselben eingetreten. Haupt- 
sächlich hierdurch ist es erreicht, daß die äußere Nasenöffnung 
auf der Höhe der Stirn liegt. Das hat den Vorteil, daß der Wal 
bei horizontaler Buhelage an der Oberfläche des Wassers unge- 
stört atmen kann. Durch diese Umgestaltung des Vorderschädels 
ist die Rachenöffnung der Ohrtrompete nach oben verlagert und 
die Tuben-Gaumenmuskulatur am Tubenostium so spitz abge- 
knickt, daß der Tubenteil der Muskeln nicht mehr funktionieren 
konnte und deshalb verschwand. Der durch den Verlagerungs- 
prozeß an der Tube ausgeübte Längszug, zusammen mit einem 
Querzug, welcher einerseits durch das aus hydrostatischen Grün- 
den erfolgte Abrücken der Schädelbasis von der Tube, andererseits 
durch das Bindegewebe der Schädelbasis am distalen Tubenende 
ausgeübt wurde, führte zur partiellen Lösung des distalen Tuben- 
endes von der Bulla tympanica und von der Schädelbasis, zu 
einer trabekulären Umgestaltung der Innenfläche der Tube, zu 
einem Klaffen der Tube und zum Untergänge des Tubenknor- 
pels. — Die Eröffnung des allein nicht klaffenden Tubenostiums 
geschieht durch den M. salpingopharyngeus, durch den Rest des 
Gaumenteils des M. dilatator tubae und — in eigenartiger Weise 
— durch den M. constrictor pharyngis superior. Die Eröffnung 
der Tube findet, wie stets, nur beim Sohlingakt statt. Schlingt 
der Wal nun, während er sich mit der durch den Wasserdruck 
geschlossenen Nasenöffnung unter Wasser befindet, so wird die 
Luft im Mittelohr verdünnt, wie beim Menschen, der bei zuge- 
haltener Nasenöflnung schlingt (Toynbe escher Versuch). Eine 
Schädigung der Sehallleitung aber, wie beim Menschen, tritt beim 
Wal nicht ein, da sein Schallleitungsapparat fixiert ist. 

3. An der Schädelbasis des Wales befinden sich eine größere 
Anzahl voluminöser Lufträume. Zu ihrer Entfaltung dienen eine 
Reihe besonderer knöcherner Fortsätze. Die Lufträume werden 
von einer Schleimhaut ausgekleidet, deren Mutterboden die 
Schleimhaut der Paukenhöhle ist. Sie haben die offenbare Auf- 
gabe, den relativ großen Kopf des Wales derart zu erleichtern, 
daß das äußere Nasenloch bei horizontaler Ruhelage des Körpers 
sich über Wasser befindet. Demselben Zweck dienen die merk- 
würdigen Fettanhäufungen auf dem „Schnabel* der Zahnwale, 



XXV. Besprechangen. 283 

der hyperplastische Markkorper des Unterkiefers der Zahnwale 
und der Fettkörper unter der Zunge der Bartenwale. — Zu- 
sammenfassend kann man sagen, daß der Umbau des ganzen 
Walsehädels im wesentlichen die Möglichkeit der Bespiration bei 
horizontaler Buhelage erstrebt, eine der Grundbedingungen f&r 
den dauernden Aufenthalt im Wasser. 

4. Die arterielle Blutversorgung des Gehirns geschieht beim 
Wal vom Wirbelkanal aus durch enorm erweiterte Artt, menin- 
geae spinales. Auch der Abfluß des venösen Blutes aus dem 
Gehirn findet zum größten Teil durch den Wirbelkanal statt. 
Durch diese Verlegung der Blutzufuhr und -abfuhr in den in- 
kompressiblen Wirbelkanal ist die Biutzirkulation im Gehirn der 
Beeinflussung durch den Druck des Wassers entzogen, eine not- 
wendige Voraussetzung für das Hinabtauchen in größter Tiefe. 

5. Schallleitung beim Wal. Beim Wal ist eine Anky- 
lose der Gehörknöchelchen eingetreten. Man kann sie als Folge 
der Bewegungsunfähigkeit der Gehörknöchelchen auffassen: die 
letzteren können bewegt werden durch das durch Schallwellen 
zur Schwingung gebrachte Trommelfell und durch die akkom- 
modativ oder reflektorisch erfolgende Zusammenziehung des M. 
tensor tympani und M. stapedius. Erstere Möglichkeit fällt beim 
Wal wegen der Obliteration seines Gehörganges fort. Es scheint 
daher im Meere die Gelegenheit zur Aktion der Muskeln nicht 
häufig genug gegeben zu sein, um die Ankylose zu verhindern. 

Beim Wal sind Einrichtungen vorhanden, welchen man die 
Fähigkeit zugestehen muß, die Schallleitung zum ovalen Fenster 
zu verbessern: 1. Die ankylotischen Gehörknöchelchen sind stark 
verdickt und verdichtet. Das ist um so auffallender, als das 
ganze übrige Enochensystem des Wales stark reduziert ist zur 
Erleichterung seines spezifischen Gewichtes. 2. An der Außen- 
fläche der Bulla hat sich eine trichterförmige Einziehung des 
Knochens gebildet. Sie entsteht durch zwei sehr merkwürdige 
Prozesse, durch Abrücken der lateralen BuUawand und durch 
Umkehrnng der Konkavität des äußeren Gehörgangs nach vorn. 
Mit der Trichterspitze ist der verdickte Proc. Folianus des Ham- 
mers verwachsen. Der Trichter ist als funktioneller Ersatz der 
Ohrmuschel aufzufassen. Das Trommelfell ist durch das Ab- 
rücken der Bulla aus der Schallleitung ausgeschaltet, und der 
Leitungsweg ist: Schalltrichter, Proc. Folianus, Hammerkopf, 
Amboßkörper, langer Amboßschenkel, Steigbügel. Die Schall- 
leitung in der Gehörknöohelchenkette ist eine molekulare. 

19* 



284 XXY. Besprechungen. 

Beim Wal sind Einriobtungen vorhanden, welchen man die 
Fähigkeit zugestehen mnß, die Schallleitnng znm Labyrinth auf 
einem anderen als dem angegebenen Wege zu verschlechtern: 

1. Das Tympano-Perioticnm ist nach Möglichkeit von den übrigen 
Schädelknoohen abgerückt und durch Lufträume von ihm getrennt» 

2. Das Perioticum ist vom Tympanicum nach Möglichkeit abge- 
rückt. 3. Das Perioticum ist, wie die Gehörknöchelchen verdichtet 

Beim Wal sind Einrichtungen vorhanden, welchen man die 
Fähigkeit zugestehen muß, die Resonanz der in der Paukenhöhle 
eingeschlossenen Luft zu verhindern: 1. Die Schleimhaut der 
Paukenhöhle ist verdickt und gelockert. 2. Die Paukenhöhle 
beherbergt einen Körper von kavernösem Bau, das gewueherte 
kavernöse Gewebe, welches die beim Wal durch die Paukenhöhle 
ziehende und obliterierte Carotis interna umgibt. 

Die Verschlechterung der Schallleitung vom Schädel direkt 
auf das Labyrinth und die Verhütung der Resonanz in der Pauken- 
höhle bezwecken möglichste Beseitigung der Interferenz der auf 
diesen Wegen in das Labyrinth eintretenden Schallwellen mit 
jenen Schallwelleu , welche durch das ovale Fenster ins Laby- 
rinth eintreten — akustische Isolierung des Labyrinths. Diese ist 
beim Wal erforderlich wegen der Leichtigkeit des Übergangs der 
Schallwellen vom Wasser durch die Knochen auf das Labyrinth. 

Die Schallleitung im Labyrinth kann beim Wale aus ver- 
schiedenen Gründen, deren vornehmster der Umbau des Tympano- 
Perioticums selbst ist, von der Steigbügelplatte im wesentlichen 
nur durch das Labyrinthwasser des Vorhofs und der Schnecke 
zur Membrana basilaris gehen, nicht aber von der Steigbügel- 
platte durch den Knochen des Labyrinths zur Membrana basi- 
laris. Bei der Ankylose der Steibügelplatte und bei der Ver- 
stopfung der Nische des runden Fensters durch gewucherte 
Schleimhaut kann die Schallleitung im Labyrinthwasser nur eine 
molekulare sein. Im Schneckenwasser ist die molekulare Leitung^ 
eine günstige, weil wegen der Dichtigkeit der Labyrinthkapsel 
eine Reflexion der Schallwellen von den Labyrinthrändern ein- 
treten muß, die einer totalen nahe kommt. Im Vorhof des Wale» 
ist sie so günstig wie in der Schnecke, weil er röhrenartig nach 
Art der Sohnecke umgebaut ist. 

Die geschilderten Verhältnisse stellen eine vollendete An- 
passung des Schallleitungsapparates an das Leben im Wasser 
dar. Diese Anpassung des Ohres ist fQr den Wal so wichtig^ 
weil seine Sinnesorgane mit Ausnahme von Auge und Ohr rudi- 



XXV. Besprechungen. 285 

mentär geworden sind. Die Wahrscheinlichkeit liegt sehr nahe, 
daß im Wasser hinreichend genug Schallquellen vorhanden sind, 
deren Erkennung dem Wal von Nutzen ist. 

6. Schlüsse, welche sich aus der Schallleitung 
beim Wal auf diejenige bei den Landsäugetieren und 
dem Menschen ziehen lassen. Beim Landsäugetier und 
beim Menschen erfolgt der Eintritt der Schallwellen in das 
Labyrinth ebenfalls durch das ovale Fenster. Das ergibt sich, 
ganz abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit, daß bei den 
Landsäugetieren und dem Menschen der Eintritt ein anderer 
«ein sollte als beim Wal, aus dem Vergleich verschiedener, bei 
den Landsäugetieren und beim Menschen sich vorfindender ana- 
tomischer Verhältnisse untereinander gleichsam per exclusionem» 

Der Übergang der Schallwellen der Luft auf das Labrinth- 
wasser ist erheblich schwieriger als der Übergang der Schall- 
wellen des Wassers auf das Labyrinthwasser. Zur Überwindung 
dieser Schwierigkeit ist beim Landsäugetier und beim Menschen 
zwischen Luft und dem Labyrinth wasser ein Hebelapparat (v. H e 1 m - 
holtz), die Gehörknöchelchen, eingebaut. Das durch die Luft- 
schallwellen in Massenschwingung versetzte Trommelfell setzt 
diesen Hebelapparat in Bewegung. Dadurch werden die 
Schwingungen des Trommelfells unter Verminderung der Ex- 
kursion und Vermehrung der Kraft (v. Helmhol tz) vermittelst 
der Stapesplatte auf das Labyrinthwasser übertragen. Die 
molekularen Wellen nun, welche den Gehörknöchelchen teils 
durch Schwingung der Trpmmelfellfasern, teils direkt aus der 
Luft zugeführt werden, gelangen nicht in das Labyrinthwasser, 
sondern werden in der Kette kraft ihres Baues ausgelöscht. 

Der Stoß der Steigbügelplatte erzeugt im Labyrinthwasser 
eine Doppelbewegung, wie jeder Körper, der gegen einen anderen 
beweglichen Körper einen Stoß ausübt, eine Molekular- und eine 
Massenbewegung. 1. Die Molekularbewegung ist, wie beim Wal, 
dazu bestimmt, die Basilarfasern durch Mitschwingung in Be- 
wegung zu setzen. Der Gang der molekularen Wellen ist im 
Vorhof der Landsäügetiere und des Menschen ein anderer als 
beim Wal. Denn wegen seiner ampullenartigen Ausweitung und 
wegen der Lage des ovalen Fensters und des Eingangs in die 
Schnecke an derselben, an der äußeren Wand des Vorhofs, ist 
die Reflexion viel ungünstiger als im röhrenförmigen Vorhof des 
Wales. Diese Ungunst der Reflexion kann entsprechend der 
gegenseitigen Lage von ovalem Fenster und Eingang in die 



286 XXV. Besprechungen. 

Sehnecke durch Schiefstellnng der Stapesplatte einerBCits nach 
unten andrerseits nach vorn derart verbessert werden, daß der 
von der Stapesplatte ausgehende Hauptsohallstrahl von der inneren 
Wand des Vorhofs ans direkt in den Eingang der Schnecke 
hinein reflektiert wird. Die Schiefstellnng kann durch kom- 
binierte Aktion des Tensor tympani und Stapedius herbeigeitihrt 
werden. Diese Muskeln vermögen also die Reflexion im Vorhof 
auf das Optimum einzustellen. Dieses „Fixieren^ des Schalles 
durch die Muskeln ist eine Art Akkomodation, wir nennen e» 
^ Lauschen^. 2. Die Massenbewegung im Labyrinth wasser ist ein 
Hin- und Herstromen derselben, keine Wellenbewegung. Diese 
Massenverschiebung ist notwendigerweise mit dem Stoß der 
Stapesplatte ins Labyrinth wasser verknüpft, doch hat sie mit 
der Reizung des Corti sehen Organs direkt nichts zu tun, denn 
die Saiten der Basilarmembran würden durch den Stoß des Steig- 
bügels nur bewegt werden, wenn keine leichter zu verdrängende 
Masse im Labyrinth von genügendem Volumen vorhanden wäre. 
Die erste Masse, welche hier in Betracht kommt, ist diejenige Masse 
des Labyrinthwassers, welche durch das Helicotrema gegen die 
Membran des runden Fensters hin verschoben werden kann. Sie 
genügt allein nicht, den Stoß des Steigbügels abzufangen, weil 
das Helicotrema von kleinerer Fläche ist als die Stapesplatte. 
Die zweite Masse ist das Blut in den Kapillaren der rätsel- 
haften Stria vascularis. Sie liegen so oberflächlich, und die Mem- 
brana Reißneri ist so nachgiebig, daß man ihnen die Aufgabe^ 
den Stoß des Steigbügels abzufangen, wohl zumuten kann. 

Eine akustische Isolierung des Labyrinths, wie sie beim Wal 
besteht, ist beim Landsäugetier nicht so notwendig, denn der 
Übergang der Schallwellen aus der Luft auf das Labyrinthwasser 
ist an und f&r sich schwer. Akustisch isolierend wirken bei den 
Landsäugetieren die Lufträume in der Nähe des Labyrinths und 
die Dichtigkeit der Labyrinthkapsel. Resonanzvermindernd in 
der Paukenhöhje wirken unregelmäßige Gestaltung der Pauken- 
höhle, Teilung durch Scheidewände usw.'* 

Weiterhin analysiert der Verfasser die Schwingungen der 
auf den Schädel aufgesetzten Stimmgabel. „Durch die Schwin- 
gungen der Zinken werden im Stiel der Gabel fühl- und sicht- 
bare Massenschwingungen und hörbare Molekularschwingungen 
erzeugt. Beide gehen vom Stiel auf den Schädel über. Die 
Massenbewegung des Schädels versetzt das Trommelfell und die 
Gehörknöchelchen in Schwingung (Luoae und Politzer) in 



XXV. Besprechungen. 287 

derselben Weise, wie es die Sohallwellen der Luft tun, nnd in 
derselben Weise stößt der Stapes ins Labyrinthwasser, in ihm 
molekulare Bewegungen erzeugend, welche die Basilarmembran 
unter Eliminierung der gleichzeitig erzeugten Massenbewegung 
des Labyrinthwassers in Schwingung versetzen. Die gleichzeitig 
von der Stimmgabel ausgehenden Molekularwellen gelangen 
durch den Knochen und das Ligam. annulare auf die Stapesplatte 
und von hier aus in das Labyrinthwasser, und zwar in derselben 
Sichtung (nach Savart) wie die darch den Stoß erzeugten Mo- 
lekularwellen. Solange nun die Stimmgabel den Schädel er- 
schüttert, müssen sich beide Arten molekularer Wellen im Laby- 
rinthwasser addieren. Hat die Erschütterung aber ihr Ende er- 
reicht, so erfolgt von jetzt ab die Erregung der Basilarfasern 
allein durch die vom Gabelstiel noch ausgehenden molekularen 
Wellen. Bei vielen Mittelohraffektionen ist die Knochenleitung 
verlängert (Schwabaoh). Bei ihnen ist der Schallleitungs- 
apparat und in letzter Linie das Ligam. annulare stärker ange- 
spannt (Bezold). Das gespannte Ligament aber leitet die mole- 
kularen Wellen vom Knochen zur Stapesplatte besser als das 
ungespannte. Diese Besserleitung führt zur längeren Erregung 
der Basilarfasern, zur „ verlängerten Knochenleitung^. Die Massen- 
schwingung aber ist an der Verlängerung der Knochenleitung 
gänzlich unbeteiligt, denn sie ist ja bei den in Betracht kommen- 
den Zuständen der Norm gegenüber vermindert, weil bei der 
Fixierung des Schallleitungsapparates dessen Schwingbarkeit 
vermindert ist**. 



3. 
Beckmann, Das Eindringen der Tuberkulose und ihre 
rationelle Bekämpfung. Nebst kritischen Bemer- 
kungen zu E. V. Behrings Tuberkulosebekämpfung. 

S. Karger, Berlin 1903. 

Besprooheii von 

Prof. E. Grunert, Halle a. S. 

In seiner interessanten und lebhaften Schrift schildert Ver- 
fasser die Bedeutung der Rachentonsille fQr alle möglichen, be- 
sonders aber fttr die tuberkulöse Infektion des Körpers und be- 
schreibt ausführlich den Weg, welchen die Infektion von der 
Bachenmandel aus nimmt. Eingehend wird hierbei neben der 
Tuberkulose auch die Pathogenese und das Wesen der Skro- 



288 XXY. Besprechungen. 

falose gewürdigt. Eine neue Erklärung gibt er uns von den Ur- 
sachen der Differenz der Tuberkulose im frühen Kindesalter und 
in der Zeit etwa vom 7. Lebensjahre ab, von wo ab die tuber- 
kulöse Infektion der Lunge sieh gewöhnlich zuerst in Erkran- 
kungen der Lungenspitzen äußert. Die bisherigen Theorien über 
die Prädisposition der Lungenspitzen zu der tuberkulösen Er- 
krankung, die aerogene wie die hämatogene unterzieht er einer 
vernichtenden Kritik und erklärt den so fundamentalen Unter- 
schied der Tuberkulose beim Kinde unter 7 Jahren und dem 
älteren Individuum folgendermaßen: „Solange nämlich die Thorax- 
form des Neugeborenen, also horizontale obere Brustapertur mit 
vorwiegender Zwerchfellatmung, bleibt, wird der Inhalt des 
Lymphapparates vom Halse nach dem Mediastinum in die Bron- 
chialdrüsen angesaugt. Es entsteht durch Verlötung mit dem 
benachbarten Brustfell Tuberkulose der angrenzenden Lungen- 
partien oder durch Einbruch in den kleinen Kreislauf dissemi- 
nierte Lungentuberkulose, oder aber durch Infektion des großen 
Kreislaufs allgemeine Miliartuberkulose. 

Mit der Senkung des Brustbeins und der oberen Brustapertur 
ändert sich das Bild. Wird durch die Spitzenatmung das tuber- 
kulöse Material zur Pleura angesaugt, so entsteht die durch ihre 
Häufigkeit alle anderen Lokalisationen weit überragende Spitzen- 
tuberkulose. Das in die Bronchialdrüsen gelangte Virus aber 
wird mit dem Heranwachsen des Individuums in steigendem 
Maße unschädlich gemacht, da der Oganismus offenbar seine Anti- 
körper so vermehrt hat, daß er des auf diesem Wege eindringen- 
den Giftes Herr wird. Man könnte die Bronchialdrüsen mit Fug 
das Grab der Tuberkelbazillen nennen. Nur wenn eben durch 
die besondere lokale Disposition, deren Bedingungen oben aus- 
einandergesetzt wurden, die Tuberkulose über die Spitzenpleura 
an die angrenzende Lunge gelangt, fuhrt sie zur Lungenschwind- 
sucht.*' In den weitaus meisten anderen Fällen werden die Ba- 
zillen wahrscheinlich noch innerhalb des Lymphsystems ver- 
nichtet. In ausführlicher Weise erörtert Verfasser auch das 
Wesen der tuberkulösen Disposition sowie die Bedeutung der 
Mischinfektion (Eiterkokken- neben Tuberkelbazilleninfektion). 

Was die Therapie anbetrifft, so verlangt er als bestes Pro- 
phylaktikum der Tuberkulose die gründliche Abtragung der 
Rachenmandel von der hinteren Rachenwand und von der Fibro- 
cartilago basilaris soweit, daß von letzterer meist noch eine 
dünne Schicht des Faserknorpels mit abgetragen wird. Nach 



XXy. Besprechangen. 289 

dem 12. Lebensjahre sollen außerdem noch die durch den am 
Nasenboden stagnierenden Schleim degenerierten unteren Ränder 
der unteren Muschel in steigender Häufigkeit mit der Schere ab- 
getragen werden. 

Die y. Behringsche Anschauung über den Infektions- 
roodus der Tuberkulose unterzieht Verfasser einer ablehnenden 
Kritik, welche vornehmlich in der Behauptung wurzelt, daß 
V. Behring mit seinen Ansichten vornehmlich auf den Ergeb- 
nissen des Tierexperimentes stehe, und daß der große Mar- 
burger Forscher zu wenig die Erfahrungen am Krankenbett be- 
rücksichtigt habe. 

Wenn auch Verfasser nach unserer Ansicht vielleicht zu ein- 
seitig seinen Standpunkt von der Bedeutung der Rachenmandel 
für das Zustandekommen der Tuberkulose betont und vielleicht 
auch in seiner optimistischen Wertschätzung der Rachenmandel- 
entfernung selbst in Fällen schon eingetretener tuberkulöser In- 
fektion des Organismus über das Maß berechtigter Erwartungen 
hinausschießt, so enthält doch seine Arbeit nicht nur viel neue, 
sondern auch viel beherzigenswerte Gesichtspunkte. Wir em- 
pfehlen deshalb ihre Lektüre unserem Leserkreise auf das an- 
gelegenste. 

4. 
Stenger, Die otitische Hirnsinusthrombose nach den 
in der Ohrenklinik der Charit6 in den Jahren 1899 
bis 1901 gesammelten Beobachtungen. Königsberg i. Pr. 

1903, Hartungsche Verlagsdruckerei. 

Besproohen ron 

Prof. E. Granert in Halle a. S. 

In einer übersichtlichen und fließend geschriebenen kleineren 
Monographie gibt der unserem Leserkreise wohlbekannte Ver- 
fasser ein übersichtliches Bild über die otitische Hirnsinusthrom- 
bose. Wenn sich dasselbe auch vorwiegend auf die Erfahrungen 
des Verfassers während seiner Assistentenzeit in der kgl. Ohren- 
klinik der Charitö in Berlin stützt, so hat Verfasser doch an vielen 
Stellen zum Vergleich auch die Erfahrungen anderer Autoren 
herangezogen. Zugleich bringt er eine Anzahl noch nicht publi- 
zierter Krankengeschichten, die zum Teil recht bemerkenswerte 
Einzeltatsachen enthalten. 

Da ein ausführliches Referat an dieser Stelle nicht möglich 
ist, empfehlen wir unserem Leserkreise die Lektüre der Schrift 
zu eingehenderem Studium. 



290 XXV. Besprechongen. 

5. 

Biemann, Schwerhörige^ Ertaubte und Taubstumme» 
Praktischer und pädagogischer Ratgeber fttr Ohren- 
leidende und deren Angehörige. Leipzig 1903. 

Th. Griebens Verlag. 3. Aufl. 

Besprochen Yon 

Prof. K. Omnert ia Halle a. S. 

Wenn der Inhalt der lesenswerten Schrift auch fast aus* 
schließlich pädagogischen Inhaltes ist, so werden doch in der- 
selben viel Fragen berührt, in denen auch der Arzt unterrichtet 
sein muß, um allen Anforderungen, welche nun einmal die beruf- 
liche Beschäftigung mit hochgradig Schwerhörigen an ihn stellt^ 
gerecht werden zu können. 

Bfihmend hervorzuheben ist an der Schrift, daß die Grenze 
zwischen rein ärztlicher und pädagogischer Beratung des Kran- 
ken scharf gewahrt ist, und daß die modernen, auf Schwindel 
beruhenden, gegen die Taubheit empfohlenen Heilmittel eine 
entsprechende Würdigung erfahren. 



6. 
NeueTheorien über Schallempfindung, Schallleitung. 
Ewald, Zur Physiologie des Labyrinths. Die Erzeugung von 

Schallbildern in der Camera acustica. 
Bönninghaus, Das Ohr und die Schallleitung. 

Besprochen von 

Dr. TreiteL 
I. 

* . 

Der erste, der die Theorie aufstellte, daß die Membrana 
basilaris im ganzen schwingt, war Hensen, wie ich aus der 
Biographie Königsbergers über Helmholtz ersehen habe* 
Hensen nahm an, daß die Abschwingung der schwingenden 
Teile, die an das Nervensystem sich knüpfen, wesentlich ab- 
hängig ist von der verschiedenen Stimmung der betreflfenden 
Teile des fest angespannten Blattes der Membrana basilaris. 
Dieselbe weist auffallende Unterschiede in verschiedenen Gängen 
der Schnecke auf, hiernach resonieren die tiefen Töne in den oberen 
Gängen der Schnecke, die höheren gegen das runde Fenster zu» 

Um festzustellen, ob eine hinreichende Isolierung der Fasern 
in der Membrana basilaris vorhanden sei, konstruierte Helm- 



XXY. Besprechangen. 291 

holtz eine Membran i), welche zwischen den Schenkeln eine» 
Winkels so ausgespannt ist, daß ihre Spannung in der Halblinie 
dieses Winkels am geringsten, senkrecht dagegen am größten 
ist, die ferner gegen eine periodische Kraft, welche gegen ihre 
Fläche wirkt, erschüttert wird, und deren Bewegung durch Rei- 
bung eine geringe Dämpfung erleidet. Indem er mit Berücksich- 
tigung der Qrenzbedingungen der Dififerentialgleichung für die 
Entfernung eines schwingenden Punktes von seiner Gleichgewich ts- 
läge in der Ebene integriert, findet Helm holtz, daß, wenn die 
kleinere Spannung in der Richtung der Halbierungslinie de» 
Winkels verschwindend klein wird, die Membran dieselben Be- 
wegungen ausführt, als wenn sie aus einem System unabhängige 
von einander beweglicher Saiten bestände. In einem solchen 
System schwingen diejenigen Saiten stark mit, deren Eigenton 
der Höhe des erregenden Tones entspricht, ihre Nachbarn etwas- 
schwächer, und die weiter entfernten macheu nur noch unend- 
lich kleine Schwingungen, während die Breite der Schwingung^ 
von der Dämpfung abhängt. Helmholtz fand für solche Be- 
schaflfenheit der Membrana basilaris die von Hensen aufgestel- 
ten Anforderungen genügend. 

Ewald hat zwei Arbeiten über seine Theorien in Pflüger» 
Archiv veröffentlicht, die erste im LXXVI. Bande unter dem Titeh 
Zur Physiologie des Labyrinths. Eine neue Hörtheorie. Die 
zweite Arbeit erschien im XCIII. Bande mit der Benennung: Die 
Erscheinung von Schallbildern in der Camera acustica. In der 
ersten Arbeit hatte Ewald an der Helmholtz sehen Theorie 
auszusetzen, daß dieselbe eine Reihe von Erscheinungen nicht 
genügend erklärt Herrmann hat nachgewiesen, daß das Zu- 
standekommen der Intermittenz- und Differenztöne nicht objektiver 
Natur sei, wie Helmholtz annahm, sondern subjektiver. Die 
Resonanztheorie gibt keine befriedigende Erklärung über den 
Unterschied von Ton und Geräusch. Helmholtz erklärt die Ge- 
räusche damit, daß sehr viele Resonatoren zu gleicher Zeit ertönen. 

Auch der Unterschied zwischen Konsonanz und Dissonans^ 
wird durch die Resonanztheorie nicht sehr einleuchtend erklärt. 
Die Resonanztheorie soll ferner keine Erklärung dafür geben^ 
wie es kommt, daß man von zwei gehörten Tönen unterscheiden 
kann, welches der höhere und welches der tiefere ist. Schon 
Mach sagt: „Wie ordnen wir die Töne ihrer Höhe nach in eine 
Reihe ? Dieses ist noch von gar keiner Seite aufgeklärt. Es ist 

t) Vortrag, gehalten in der Berliner otolog. Gesellscb. am 12. Jan. 1904. 



292 XXV. Besprechungen. 

nicht leicht, besonders bei hohen Tönen zu beurteilen, welcher 
der höhere Ton ist.*' 

Ewald hat nun die Vorstellung, daß auf der Membran 
«tehende Wellen sich bilden. Jeder Ton erzeugt eine Reihe 
stehender Wellen, und das entstehende Schallbild wird durch Ver- 
mittlung der Akustikusfasern im Gehirn die Empfindung des be- 
treflFenden Tones hervorrufen, ebenso wie die Lichtwellen das 
Sehen hervorrufen. Bei einer Lftnge der Druckmembran von 
38 mm steht für den tiefsten Ton eine Strecke von 16 mm zur 
Verfügung, als Abstand zweier Enotenlinien. Nimmt man den 
tiefsten Ton zu 20 und den höchsten zu 32,000 Schwingungen 
an, so kommen bei den höchsten Tönen 100 Knotenlinien oder 
Wellenbäuche auf 1 mm. Hier ist, mit dem Auge verglichen, 
keine besondere Empfindlichkeit. 

Die Zeichen für die tiefen und die hohen Töne unterschei- 
den sich nicht nur durch die Abstände der Knotenlinien von ein- 
ander, sondern auch durch die Länge der einzelnen Wellen- 
bäuche. Da nun die Nervenfasern nicht nur dort erregt werden, 
wo das Maximum der Erregung ist, sondern auch mit abnehmen- 
der Stärke zu beiden Seiten dieser Erregungsmaxima, so setzen 
sich die tiefen ans breiten Erregungsstrecken, die hohen aus 
kurzen zusammen. 

Bei den Geräuschen entstehen nicht stehende, sondern lau- 
fende Wellen, daher kann ein Geräusch eine kürzere Dauer haben 
als ein Ton. 

Für das Hören der Interferenztöne gibt Ewald folgende 
Erklärung: Wenn durch rhythmische Impulse stehende Wellen 
hervorgebracht werden, so brauchen diese Impulse nicht einander 
zu gleichen. Es möge z. B. immer der elfte Impuls ausfallen, 
so ist ohne weiteres verständlich, daß diejenigen Knotenpunkte 
vor den anderen ausgezeichnet sein mfissen, welche an der Stelle 
sich befinden, wo sich Lücken treffen. Also immer mit elftem 
Knotenpunkte beginnt eine neue Periode, und auf diese Weise 
wird die Periodizität des Interferenztones erzeugt. 

Die Konsonanz und Dissonanz erklärt Ewald aus folgen- 
dem Verhalten. Bisher kannte man keinen hinreichenden Grund, 
weshalb uns, wenn wir in der Tonleiter aufsteigen, der achte 
Ton wieder so klingt wie der erste. Diese merkwürdige Eigen- 
schaft unterscheidet sie von jedem anderen Intervall. Zwi- 
schen der Quinte, Quarte, Terz bestehen nur quantitative Unter- 
schiede. Zwischen der Oktave und den übrigen Konsonanzen be- 



XXV. Besprechungen. 29$ 

stehen auch qualitative Unterschiede. Auf dem Schallbilde äußert 
sich das darin, daß sich keine ungleichen Spatien bilden, wohl 
aber bei der Quinte usw. Je geringer die Konsonanz, desta 
mehr Spatien gehören zu einer Periode, d. h, desto weniger gleich- 
mäßig wird das Streifenbild in seiner Anordnung. Die Disso- 
nanz ist vollständig, wenn sich das Bild keinmal wiederholt» 
„Wir haben hier also eine Erklärung von Konsonanz und Disso- 
nanz, welche von dem Vorhandensein von Obertönen ganz un- 
abhängig ist.'^ 

Die Resonanztheorie fordert, daß jede Nervenfaserendigung^ 
eine ganz bestimmte, ihr allein eigentümliche Qualität der Em- 
pfindung dem Gehörnerven übermitteln. Eine solche Individuali- 
sierung kennen wir sonst im Körper nicht (weder beim Auge, 
noch bei der Haut). Die neue Theorie nimmt hiergegen an, da& 
die Nervenfaserendigungen unter sich gleichartig sind, und daß 
es nur auf die räumliche Verteilung der Erregungen ankommt» 
Das Schallbild ist für den Ton charakteristisch, und ein solche» 
Bild ist auch noch bestimmt und daher auch noch erkennbar^ 
falls es durch das Fehlen einiger Wellen auf eine kurze Strecke 
unterbrochen ist, was bei der Besonanztheorie nicht möglich ist.. 

Nach vielen Versuchen gelang es Ewald, einen passenden 
Apparat zu konstruieren, den er Camera acustica nennt. Er 
machte sich eine Kautschuklösung und tauchte eine kleine vier- 
eckige Aluminiumscheibe von 0,075 mm Dicke, in deren Mitte 
ein rechteckiger Spalt ausgeschnitten ist, ein. An der Luft er- 
härtet derselbe zu einem Häutchen, das die Membrana basilaris 
in ihrer natürlichen Größe darstellt, 0,55 mm breit, 8,5 mm lang 
(Fig. 1). Das Schallbild, das bei hohen Tönen mit dieser Mem- 
bran erzeugt wird, gibt Fig. 2 wieder. Er konstruierte eine Ca- 
mera aus Glas (Fig. 7). Dieselbe besteht aus einem rechteckigen 
Glaskasten, dessen obere und untere Wand parallel laufen, dessen 
linke Wand senkrecht steht, die rechte aber unter einem Winkel 
von 44 <^ angebracht ist. In diesem Kasten ist eine Platte (c) 
angebracht, die aus demselben herausgenommen werden kann 
Die Aluminiumscheibe liegt in einer Kapsel bei c. Die Scheibe 
liegt in einer Ebene, die mit dem Boden einen Winkel von 
11^ bildet. Durch die schräge Seiten wand wird die Kammer 
in zwei Teile geteilt, in einen Vestibulär- und Tympanalraum» 
In der Seitenwand g besteht ein rundes Loch f (Foramen ovale), 
das mit einer gewöhnlichen Gummimembran überspannt ist; ein 
eben solches Loch befindet sich in der Bodenfläche des Kastens- 



294 XXy. Besprechangen. 

mit einer Gammimembran bespannt (Foramen rotnndam). Drückt 
man an die Membrana ovalis, so buchtet sich die Membrana ro- 
tunda nach unten aus. Sehr einfach ist der Schallzuleitungs- 
iipparat konstruiert. An einem Stativ befindet sich ein senkrech- 
ter Stab und daran ein Schalltrichter mit einer Gummimembran 
Aberzogen, dann ein Stäbchen von dieser Membran zum ovalen 
Fenster (Columella [v]). So geschieht die Schallübertragung zur 
Membrana basilaris sowohl der menschlichen Stimme, als der 
Pfeifen und Stimmgabeln. 

Bei der Kleinheit der Wellen konnte das Bild nicht mit un- 
bewaffnetem Auge beobachtet werden. Er benutzt daher ein 
Mikroskop. Auf demselben Wege wurden photographische Auf- 
nahmen gemacht. Hat man bei einer Membran die stehenden 
Wellen mit dem Okularmikrometer gemessen, so gelingt es, die 
Oaltonsche Pfeife immer wieder nach dem Schallbilde genau 
auf denselben Ton einzustellen. Die Genauigkeit und Einfach- 
heit, mit der man auf diese Weise einen sehr hohen musikali- 
schen Ton zur Anschauung bringen kann, übertrifft alle bisher 
bekannten Methoden. Ewald ist der Ansicht, daß sich die Band- 
wellen zur Messung und Vergleichung höchster Töne, welche 
vom menschliehen Ohre nicht mehr gehört werden, ausgezeichnet 
■eignen werden. 

Man wandte gegen die Ewald sehe Theorie vielfach ein, 
daß sie die Entstehung von Tonlücken nicht genügend erkläre, 
während diese Tatsache nach von Helmholtz mit Leichtigkeit 
erklärt werde. Bei Durchprüfung der Membranen hat er jedoch 
längere oder kürzere Lücken gefunden. Manche Membranen 
sprachen deshalb nicht an. Manche Unregelmäßigkeit derselben 
war schuld an dem plötzlichen Versagen. „Würde man also'^, 
sagt Ewald, „die Gehöi-slücken in erster Linie als Kriterium 
für seine Theorie heranziehen, so habe er sie sogar experimentell 
beobachtet." 

II. 

Man ist heute weit entfernt, so führt Bönninghaus aus, 
von einer einheitlichen Auffassung des Modus der Schallüber- 
tragung auf das Cor tische Organ, trotz vieler mühevoller anato- 
mischer und physiologischer Untersuchungen. Die vergleichende 
Anatomie ist aber noch nicht gefragt worden, und zu diesem hat 
Verfasser das Ohr des Wales studiert, da dieser ein Säugetier 
ist. Abgesehen von dem Fehlen des äußeren Ohres, hat nament- 
lich das Mittelohr eine wesentliche Umwandlung erfahren. Die 



XXV. Besprechungen. 295 

Gehörknöchelchen sind ankylosiert unter sich und mit dem ovalen 
Fenster. Anstatt daß dieselben bei der Untätigkeit zu atrophie- 
ren sind, sind die Gehörknöchelchen hypertrophisch geworden. 
Das Labyrinth ist akustisch isoliert. Die Isolierung ist beim 
Mangel diploischer Eäume erreicht durch Lösung des knöchernen 
Labyrinths aus seiner Verbindung mit dem übrigen und durch 
Änftillung der durch die Lösung entstandenen Räume mit Luft. 

Eine Resonanz in der Paukenhöhle wird verhindert durch 
den Einbau eines sehr merkwürdigen weichen Körpers in die 
Pauke, der durch Hyperplasie aus dem Gewebe hervorgegangen 
ist, welches die obliterierte Carotis interna umgibt. An der 
Außenseite der Paukenhöhle (Bulla) befindet sich ein Trichter, 
in dessen Spitze der stark verdickte und verdichtete Proc. folianus 
des Hammers festgewaohsen ist. Von diesem Trichter nimmt 
Bönninghausan, daß er als Sammler der Schallwellen diene, die 
dann durch die gutleitende Gehörknochenkette zum ovalen Fen- 
ster und so zum Labyrinth fortgeführt werden. Mit seltener 
Reinheit tritt so nach seiner Ansicht die Tatsache in die Erschei- 
nung, daß die für den Eintritt der Schallwellen prädestinierte Stelle 
das ovale Fenster ist. Ein Nebenweg ist die Schallfortpflanzung 
durch die Labyrinthkapsel. Die Schallleitung zum Labyrinth 
erfolgt durch das Labyrinthwasser, und zwar durch molekulare 
Leitung. Bönninghaus folgert nun weiter, daß kein Grund 
zur Annahme vorhanden ist, daß die Schallleitung bei den Land- 
säugetieren und beim Menschen nach anderen Grundsätzen erfolgt. 

Zur Begründung gibt Bönninghaus folgendes an: Der 
Weg der Schallwellen geht durch die Gehörknöchelchenkette ; das 
ist der prädestinierte Weg. Helmholtz nahm an, daß die Massen- 
bewegung des Trommelfelles und der Gehörknöchelchen hebel- 
artig erfolge; es gelang aber nicht auf diesem Wege Sprache zu 
übertragen. Er ist der Ansicht, daß die Schallwellen nur auf 
molekularem Wege erfolgt. Er stellt die Hypothese auf, daß 
die Stellung des Steigbügels und der Vorhofssäcke für die Re- 
flexion sehr ungünstig liegt. Die genaue Erforschung dieser 
Verhältnisse am exakt vergrößerten Modell überläßt er der Zukunft. 
Für den Menschen und die Landtiere hat diese Theorie keine 
Geltung; daß für die tiefen Töne die Luftleitung durch Trommel- 
fell und Gehörknöchelchen der Knochenleitung bei weitem über- 
legen ist, ist ohne Zweifel. Übrigens hat Zimmermann die mole- 
kulare Übertragung aufs Labyrinth von Bönninghaus ange- 
nommen; für hohe Töne mag sie auch stattfinden. 



XXVI. 
Wissenschaftliche Rnndschan. 



38. 

Le Double (Tours), Deux points d'anatomo-pathologie da con- 
duitauditifoBseux. La presse oto-laryngol. Beige; Deuxi^me Ann^e 
Nr. 11. 

1. De la forme diff^rentede laportion dure du conduit au- 
ditif externe dans la race blanche et dans les races Amdri- 
caines et modernes et principalement dans Celles ou la pra- 
tique de la ddformation artificielle du crane a 6t6 ou est en- 
core en usage. 

Verfasser teilt das Resultat einer Sammelforschnng über die Gestalt der 
knöchernen äußeren Gehörgangsöffiiung mit. Unter 1017 Europäerschädeln 
des anatomischen Instituts der Universität Bologna hatte nach der Mitteilung 
von Prof. Yalenti 816 mal (» 80,2 Proz.) die äußere Gehörgangsöffnung die 
Gestalt einer horizontalen Ellipse, 127 mal war das Orifizium mehr kreis- 
förmig, und in 74 Fällen («» 7,2 Proz.) war die Ellipse eine vertikal oder 
schräg gestellte, in dem letzteren Falle von vorn oben nach hinten unten 
gerichtet. Unter 922 Europäerschädeln von Le Double war das Orifizium 
701 mal (== 76,1 Proz.) eine horizontal gestellte Ellipse, 129 mal (» 13,6 Proz.) 
mehr kreisförmig, und 92 mal (= 9,8 Proz.) eine vertikal oder schräg gestellte 
Ellipse. Während aJso bei den weißen Rassen die vertikale oder schräge 
Ellipsenform die Ausnahme bildet, ist sie nach den Mitteilungen von Cla- 
rence J. Blake bei den amerikanischen Rassen die Regel und besonders 
bei denen^ bei welchen die Sitte bestanden hat oder noch besteht, ihrem 
Schädel eine künstliche Form zu geben. 

2. Des exostoses de la portion dure du conduit auditif ex- 
terne et de leur degr6 de fr^quence dans les diff^rentes races. 

Im Gegensatz zu der Häufigkeit des Vorkommens von Exostosen im 
äußeren Gehörgang bei anderen Rassen, z B. 8,5 Proz. bei den alten ameri- 
kanischen, 6 Proz. bei den Polynesiern und Australiern, sind unter 1013 Euro- 
päerschläfenbeinen nur 14 mal Exostosen beobachtet worden. Die Frage der 
Abhängigkeit der Häufigkeit des Vorkommens von Gehörgangsexostosen bei 
den Nichteuropäern von irgend welchen äußeren Einflüssen, wie das z. £. 
für die Peruaner Serbe ux behauptet hat, welcher für die Ursache der Exo- 
stosen die sehr schweren Ohrgehänge angesehen, bezeichnet Verfasser al» 
eine noch völlig dunkle. G runer t. 

39. 

Bemann fils (Warschau), Note relative aux tympans artificiels. 
Ebenda. 

Ausgehend von den bekannten Nachteilen, welche die Applikation einea 
künstlichen Trommelfelles mit sich bringt, und welche in einer zu einem 
Rezidiv der Eiterung führenden Schleimhautreizung beruhen, empfiehlt Ver- 



XXVI. Wissenschaftliche Randschaa. 297 

fasser das Einführen eines sehr kleinen Wattestückchens, dessen Fasern fast 
getrennt sind, ^un tres mince morceau d'ouate, qai se composait de fila- 
ments presqae s^pares". In einem Falle ertrag das Ohr dieses künstliche 
Trommelfell 2 Monate, im anderen 3 Monate lang, ohne daß es dabei zu 
einem Rezidiv der Eiterung kam. Er bezieht diesen günstigen Effekt auf die 
infolge der lockeren Beschaffenheit des Wattestückchens gewährleistete Ven- 
tilation der Paukenhöhle durch dieses lockere Gewebe hindurch. 

Grunert. 



40. 

Richard B. Johnston, A large Dermoid tumor of theMastold. Jour- 
nal of Eye and Throat Diseases. Vol. VIII. No. 6. Novbr.-Dezbr. 1903. 

Der Tumor war bei einer 32jährigen Frau innerhalb 6 Monaten durch 
rapides Wachstum eines vorher symptomlos verlaufenen, seit der Geburt be- 
stehenden kleinen retroaurikulären Tumors entstanden und hatte durch Rei- 
bung eine Ulzeration an der Hinterfiäche der Ohrmuschel verursacht. Ent- 
fernung des gelappten und mit langen Haaren bewachsenen Tumors bei Ko- 
kainanästhesie. Die mikroskopische Untersuchung der nach der Entfernung 
IV2 ZoU langen und 1 Zoll dicken Geschwulst zeigte, daß es sich um ein 
Dermoid handelte. Grunert. 



41. 

Dr. J, G. A. DepierriSf Le bain nasal. Paris, bei J. B. Bailli^re et Fils, 
1903. 

Verfasser empfiehlt zur Nasenspülung ein Instrument, welches, nach 
dem Prinzip des Stechhebers konstruiert, ungefähr dem schon seit wenig- 
stens einem Jahrzehnt in die Praxis eingeführten Nasenspüler von R. Wagner 
entspricht. Bezüglich der Technik ist das wichtigste, daß Verf. beim Einlaufen- 
lassen der Spülflüssigkeit in die Nase ein möglichst weites Zurückbiegen des 
Kopfes empneblt, daß der Mund geöffnet und die Atmung angehalten wird. 

Grunert. 



42. 

Zaalberg (Amsterdam), Les Operations sur le labyrinthe. La presse 
oto-laryngol. Beige; deuxi^me Ann^e Nr. IG. 

Verfasser bringt einen neuen Fall von Labyrinthoperation, in welchem 
er das Vestibulum eröffiiet und die Halbzirkelkanäle entfernt hat, ohne an 
der Schnecke selbst zu rühren. 

Der Fall ist der folgende : 

Chronische Eiterung linkerseits bei einem 20 jährigen Mädchen seit der 
Kindheit. Zeitweise Klage über Kopfschmerzen und unangenehme Empfin- 
dungen von Schwindel. Bei Palliativbehandlung der Otorrhoe mit Entfernung 
von Polypen gelang es nicht, die Sekretion zum Stillstand zu bringen. Am 
9. Oktober 1901 TotalaufmeiJ^elung wegen Zunahme des Schwindels. Aus- 
gedehnte Karies. Unbeabsichtigte Eröffnung des horizontalen Bogenganges, 
dessen membranöser Inhalt eine normale Farbe zeigte. Der Steigbügel war 
nicht mehr vorhanden. Fortbestand des Schwindels. Ausgesprochener Dreh- 
schwindel; am Tage nach der Operation beim Blick nach links horizontaler 
Nystagmus. In den folgenden Tagen die Schwindelanfälle bald geringer, 
bald wieder stärker. Am 5. November wurde die Kranke zu ambulatorischer 
Weiterbehandlung entlassen. Am 23. November beim Verbandwechsel eine 
kleine Granulation in der Gegend des horizontalen Bogenganges sichtbar. 
Schwindel bis zum Umfallen, Erbrechen, starke Schmerzen in der retroauri- 
kulären Gegend (es war bei der Operation die retroaurikuläre Wunde primär 
vernäht worden). Die Knochenleitung auf der kranken Seite, welche sich 

Archiv f. Ohrenheilkrmde. LXI. Bd. 20 



298 XXVI. Wissenschaftliche Rundschaa. 

zunehmend vermindert hatte, war jetzt ganz aufgehoben. Wiederaufnahme 
der Kranken, Curretage der Operationswunde ohne Einfluß. Am 18. Dezem- 
ber erneute Operation : Fortnahme des knöchernen horizontalen Bogenganges, 
des Tegmen tympani et antri. Fortnahme des Tertikaien Bogenganges 
mit der elektrischen Fraise. »II me fut assez difficile, k ce temps de Top^- 
ration, de prendre un point de rep^re sur la lumi^re du canal demi-circu- 
laire, car eile se remplissait constamment de poudre d^os.*" Fortnahme des 
Knochens bis zum Perus acusticus internus. Eingehen durch das erweiterte 
ovale Fenster in das Vestibül uro, ohne da(i Elter gefunden wurde. Ebenso 
keine extradurale Eiteransammlung gefunden bei der Exploration der Ge- 
hirnhäute. Nach der Operation vorübergehend meningltlsche Erscheinungen. 
Kndausgang: völlige Heilung. 

Wenn man den Uperationsbefund mit den klinischen Symptomen ver- 
gleicht, so ergibt sich eine völlige Inkongruenz zwischen beiden. Durch- 
sichtig ist das klinische Bild vor der Operation jedenfalls durch die Operation 
und auch durch den schließlichen £ndaus<;[ang in Heilung nicht geworden. 

Grunert. 



43. 

Heiman (Warschau), De la paracent^se du tympan dans les oti- 
tes moyennes aiguSs. Revue hebdomadaire de laryngologie etc. 
1903. Nr. 32. 

Heiman rekapituliert die Ansichten anderer namhafter Otologen. Er 
selbst verfährt so, daß er zunächst durch Kälteapplikation die Otitis zu kou- 
pieren versucht. Sobald er die Überzeugung hat, daß Eiter im Mittelohr 
ist, macht er die Parazentese und schließt einmalige Luftdusche nach Po- 
litzer an. Eschweiler. 



44. 

Heiman jr. (Warschau), Sur les rapports de Toreille avec la zone 
naso-sexuelle de la femme. Ibidem Nr. 34. 

In drei Fällen von Otalgie ohne sonstige nachweisbare Ursache hat 
Heiman Heilung erzielt, indem er die gleichseitige untere Muschel kokaini- 
sierte und dann mit dem Galvanokauter oder mit Trichloressigsäure ätzte. 

Eschweiler. 



45. 

Mercier-Bellevue (Poitiers), Un cas de Chirurgie cerebrale pour 
complication d'otite moyenne aigue. 

Extraduraler Abszeß nach Influenzaotitis mit Abduzenslähmung. Ope- 
ration. Heilung. Eschw eiler. 

46. 

P, Jacques (Nancy), Deux cas d'abces c^r^belleux otique. Ibidem. 

Nr. 49. 

Der erste Fall betrifft einen 23 jährigen Patienten, der seit seiner Kind- 
heit an Ohreiterung litt und nun mit einer zerebral komplizierten Mastoiditis 
ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Vor der Aufmeil^elung wurde die Lum- 
baJpunktion gemacht und trüber Liquor unter gesteigertem Druck ent- 
leert. Bei der Operation ergab sich, dal^ das Tegmen antri großenteils zer- 
stört war. Auf der hinteren Felsenbeinfiäche lag ein extraduraler Abszeß. 
Nach dem Eingriff besserte sich der Zustand so, daß Jacques schon an 
die Entlassung des Patienten dachte, als plötzlich wieder zerebrale Symptome 
auftraten. Drei Wochen nach dem ersten Eingriff zweite Operation. Die 
wiederum gemachte Lumbalpunktion liefert jetzt klaren Liquor unter nor- 
malem Druck. Die wiedereröffnete Wundhöhle sieht gut aus. Im Temporal- 
lappen ist kein Abszeß zu finden. Tod in der folgenden Nacht. Die Autopsie 



XXYI. Wissenschaftliche Rundschau. 299 

ergab einen großen Eieinhimabszeß , der schon die Kleinhimrinde durch- 
brochen hatte; außerdem bestanden noch ein nuß- und ein erbsengroßer 
Abszeß in derselben Kleinhirnhemisphäre. 

Der bei der ersten Punktion gewonnene Liquor enthält poly nukleare 
Leukozyten und einen l&nglichen, nicht n&her zu bestimmenden Bacillus. Der 
zuletzt entleerte Liquor enthielt im sehr spärlichen Zentrifugiersediment vor- 
wiegend einkernige Leukozyten und einen Bacillus, der als Bacillus mesen- 
tericus yulgatus (Flu egge) angesprochen wurde. 

Der zweite Fall betrifft einen 10jährigen Knaben, welcher mit einer 
sehr vernachlässigten Aufmeii^elungswunde am Warzenfortsatz in die Be- 
handlung Jacques* kam. Die Operation lieferte große Sequester, die Dura 
lag ausgedehnt frei, und hinter dem Sinus transversus drang man mit dem 
scharfen Löffel in einen großen nekrotischen Herd im Kleinhirn ein. Zehn 
Tage nach diesem Eingriff wurde wegen Verschlimmerung des Zustandes 
nach anfänglicher Besserung eine zweite Operation nötig. Die vorher ge- 
machte Lumbalpunktion liefert klaren Liquor ohne Drncksteigerung. Die 
Toilette der Wundhöhle führt zu dem Ergebnis, daß von der rechten Klein- 
hirnhemisphäre nur noch eine dünne Schale grauer Substanz übrig ist. Die 
Hirnhöhle wird ausgiebig drainiert Danach bedeutende Besserung. Die un- 
verständigen Eltern nahmen das Kind zu früh mit nach Hause, wo dasselbe 
nach dreieinhalb Monaten unter meningitischen Erscheinungen starb. 

Der Liquor cerebrospinalis enthielt mikroskopisch keine Formelemente. 
Kulturell wurde wiederum der Bacillus mesentericus (Flu egge) nachgewiesen. 

Eschweiler. 

47. 

LuCf Deux abcös extra-duraux p^risinusiens d'origine otique. 
L*un accompagn^ de thrombose fibrineuse non septique du 
sinus latäral. Gu^rison. L*autre compliquä d*abc5s latent de 
la presque totalit^ du lobe spheno-temporal. Mort. Re- 
flexions. Ibidem. Nr. 50. 

t. 32 jähriger Patient leidet seit Jahren an Mittelohreiterung rechts. 
Defekt des Trommelfells. Kleiner Polyp in der Gegend des Aditus ad an- 
trum. Acht Tage nachher Operation. Am hinteren Rande des Warzenfort- 
Satzes besteht eitrige Periostitis. Die Totalaufmeißelung ergibt ein Chole- 
steatom des Antrum. Der Sinus liegt frei und ist mif^farben. Entsprechend 
der subperiostalen Eiteransammlung besteht ein extraduraler Abszei^. Bei 
dem Bestreben, den Sinus und die Dura soweit freizulegen, als sie mißfarben 
sind, wird der ganze Warzenfortsatz in greiser Ausdehnung abgetragen. Der 
Sinus wird inzidiert (dabei unbeabsichtigte Eröffnung des Duralraums) und 
mit festhaftenden Fibrinlamellen ausgekleidet gefunden, iieilung ohne Pieber 
in zwei Monaten. 

2. 14 jähriger Patient mit chronischer fötider Mittelohreiterung, erkrankt 
unter Kopfschmerzen, rechtsseitigen Krämpfen, Somnolenz und Fieber. Die 
Totalaufmeißelung ergab außer der Erkrankung des Mittelohrs und Antrums 
einen extraduralen Abszeß. Nach dem Eingriff ging die Temperatur her- 
unter. Die zerebralen Erscheinungen schwanden größtenteils. Aphasische 
Störungen waren nicht vorhanden, nur fiel auf, daß der Patient zu 
jeder Antwort den Zusatz «eher fröre** machte, selbst wenn er zu einer Wär- 
terin sprach. Die Wunde sah gut aus, nur zeigte sich auf der Dura über 
dem Schläfenlappen eine kleine dickliche Eiteransammlung, welche nicht be- 
achtet wurde, aber sich nach dem Tode als Gehirnprolaps erwies. Plötz- 
licher Tod in der Nacht. Die Sektion ergab einen 200 ccm Eiter enthalten- 
den riesigen Abszeß des linken Schläfenlappens und der linken Hemisphäre. 
Die Hirnrinde war äußerst verdünnt und stellenweise durchbrochen. 

Im Anschluß an den letzten Fall und in Anbetracht dessen, daß die 
unbeabsichtigte Anritzung des Gehirns im ersten Falle keinen Schaden an- 
gerichtet hatte, rät Luc dazu, nicht zu zaghaft mit der Probeexploration 
des Gehirns zu sein. Eschweiler. 



300 XXYI. Wissenschaftliche Rundschau. 

48; 

Lannois n. Corneioup, Abc^s sous dure-m^rien aigu onvert spon- 
tan^ment an niTean de l'occipitaL Ibidem. Ko. 51. 

Die swei mitgeteilten F&lle bieten nichts Bemerkenswertes. Der eine 
Patient starb nach Eröffiiung des extraduralen Abszesses anscheinend an 
Gehimabszeß (keine Sektion); die andere Patientin wurde geheilt. 

£8chweiler. 



49, 

Jlfo/mtV (Marseille), Labyrinthite suppur6e et abcäs cer^belleux. 
Ibidem 1904. Ko. 1. 

Es bestand ausgedehnte Erweichung der Felsenbeinpyramide. Sympto- 
matologisch waren M6niäresche Erscheinungen, Neuralgie des N. trigeminus 
und Facialislfthmung bemerkenswert Eine angehende Funktionsprüfung und 
die Autopsie fehlt. Eschweiler. 

50. 

CoUet (Lyon), De la salpingoscopie. Ibidem. No. 2. 

Collet empfiehlt die von Valentin angeffebene Methode, bei der ein 
dem Cystoskop ähnliches Instrument durch die Nase eingeführt wird. Keine 
Eraxikengeschichten. Eschweiler. 

51. 

Delsaux (Brüssel), La R^section de la paroi post^rieure du con- 
duit auditif membraneux et le pansement sans tamponne- 
ment apr^s les Operations curatives de Totorrhee chronique. 
Annales des maladies de Toreille etc. 1903. No. 10. 

Delsaux hat gute Erfolge und speziell eine kurze Heilungsdauer mit 
folgendem Verfahren: Nach Beendigung der Totalaufmeißelong wird die 
ganze hintere Gehörgangs wand bis in £e Concha hinein exzidiert, sodaß 
man mit der Finfferkuppe bequem in die Operationshöhle hineinkommt. Die 
retroaurikul&re Wunde wird primär vern&ht. Es wird gar nicht tami>oniert, 
höchstens ein Streifen Jodoformgaze locker eingelegt. Eschweiler. 



52. 

Maljean, Meningite cärebro-spinale aigug cons^cutive ä. une 
otite moyenne grippale; gu^rison compUte par les ponctions 
lombaires. Ibidem. 

21 j&hriger Patient kommt am 18. Februar wegen Otitis media pnrulenta 
acuta links in Behandlung. Am 6. M&rz ist diese geheilt. Am 10. März 
kommt der Patient wieder und zeigt folgenden Status: Sehr schlechtes 
Allgemeinbefinden, Erbrechen, Kopfschmerz. Beide Trommelfelle sind ge- 
rötet und verdickt. Links besteht über dem Warzenfortsatz etwas Druck- 
schmerz. Parazentese liefert kein Sekret. Am 1 6. März verschlimmert sich 
der Zustand noch: Nackensteiflgkeit, Diplopie, Ungleichheit und träge 
Beaktion der Pupillen, Kopfschmerz, nächtliche Unruhe usw. lassen an 
Meningitis denken. Außerdem hustet der Kranke viel eitriges Sputum aus, 
in welchem aber keine Tuberkelbazillen zu finden sind. Puls stets über 1 00. 
Remittierendes Fiber bis 39,7.^ Am 25. März erste Lumbalpunktion. Im 
Strahl entleeren sich 25 ccm trüber Flüssigkeit, welche einen Bacillus ent- 
hält, der moi^hologisch dem Bacillus coli nahesteht, kulturell aber von ihm 
verschieden ist. Außerdem fanden sich viele polynukleäre Leukozyten und 
wenig Lymphozyten. Nach der Punktion bessert sich das Befinden. 

Am 27. März zweite Lumbalpunktion. Es werden 5 ccm weniger trüben 
Liquors entleert. 

Am 30. März dritte Lumbalpunktion. Der Liquor (25 ccm) enthält 



XXVI. Wissenschaftliche Rundschau. 301 

denselben Bacillus, wie beim ersten Mal, aber viel Lymphozyten und wenig 
polynnkleäre Leukozjrten. 

£s erfolgt langsame Rekonvaleszenz, und Patient wird am 15. Mai 
entlassen. Eschweiler. 

53. 

Grimmer, Beitrag zur Pathologie und Diagnose der tuberkulösen 
Mittelohrentzündung. Zeitschr. f. Ohrenheilk. XLIV. 2. S. tOl. 

Die klinischen und bakteriologischen Untersuchungen des Verfassers 
bezogen sich auf 19 im königl. Erankenhanse in Edinburgh zur Beobachtung 
^gelangte, operierte F&lle von eitriger Mittelohrentzandung, unter denen sich 
5 sicher nachgewiesene tuberkulöse befanden. In dem einen der letzteren, 
der durch Miliartuberkulose tödlich geendet hatte, wurde nachgewiesen, daß 
An der Schleimhaut der Paukenhöhle und der Schleimhautschicht des 
Trommelfells selbst vorgeschrittene tuberkulöse Veränderungen vorhanden 
«ein können, ohne daß die Inspektion des Trommelfells von außen hierfür 
Anzeichen ergibt Es rührt dieses von der großen Widerstandskraft her, 
welche die Membrana propria gegenüber dem Fortschreiten der tuberkulösen 
Infiltration von innen her besitzt; daher geschieht ihre Zerstörung auch nicht 
gleichmäßig, sondern die Erosion von innen ist an manchen Stellen stärker 
Als an anderen, und es bilden sich infolgedessen multiple Perforationen. In 
den Frühstadien erreichen die Bazillen die Hautschicht des Trommelfells nur 
vereinzelt auf dem Wege längs der Gefäße, welche die Membrana propria 
TOn dem Stratum mucosum nach dem Stratum cutaneum hin durchsetzen. 
Die Frage des primären Entstandenseins der Tuberkulose im Ohre läßt sich 
nicht entscheiden, bevor nicht tuberkulöse adenoide Vegetationen des Nasen- 
rachenraumes oder sonstige latente tuberkulöse Herde ausgeschlossen sind. 
Die Digitalexploration des Nasenrachenraumes auf adenoide Vegetationen 
find die Untersuchung der letzteren nach ihrer Entfernung auf etwaige Tuber- 
kulose wird in allen Fällen von eitriger Mittelohrentzündung empfohlen. Ein 
iioher Prozentsatz, wc^rscheinlich 65 — 70 Proz., der mit Knochenläsion in 
der Nachbarschaft verbundenen Mittelohreiterungen ist bei Kindern unter 
5 Jahren tuberkulöser Natur, während es bei älteren Leuten nicht mehr als 
16 Proz sind. Zum Nachweis des Vorhandenseins oder Fehlens von Tuber- 
kulose in Granulationen des Mittelohrs ist die intraperitoneale Impfung von 
Meerschweinchen eine gute Methode. Femer lassen sich zuverlässige Be- 
weise auch durch die mikroskopische Untersuchung solcher Granulationen, 
«owie einer vergröi^erten Lymphdrüse auf dem Warzenfortsatz oder adenoider 
Vegetationen gewinnen. In Fällen eitriger Otitis media weisen das Fehlen 
von Schmerzen im Ohre, frühe und ausgedehnte Knochenzerstörung, frühe 
Eacialislähmung, multiple Perforationen, schlaffe blasse Granulationen mit 
verkästen Herden im Gehörgang, in der Umgebung einer Warzen fortsatzfistel 
oder im Antrum mastoideum, endlich eine vergrößerte Drüse auf dem Warzen- 
fortsatz mit Wahrscheinlichkeit auf die tuberkulöse Natur der Erkrankung 
hin. Dagegen ist der Befund entblößten Knochens bei Sondenuntersuchung, 
die Beschaffenheit der Eiterung, Facialisparalyse und ausgedehnte Knochen- 
zerstörung als Spätsymptom für die Diagnose nicht mit Sicherheit zu ver- 
werten, und das Vorhandensein cholesteatomatöser Massen spricht direkt 
liegen die Annahme von Tuberkulose. Blau. 



54. 

Suckstorff xmäi üenrici, Beiträge zur Kenntnis der otitischen Er- 
krankungen des Hirns, der Hirnhäute und der Blutleiter. 
VI. Fortsetzung. (Aus der Ohren- und Kehl köpf klinik in Rostock.) 
Ebenda S. 149. 

1. Patientin 17 Jahre alt, mit akuter Otitis media purulenta dextra und 
Mastoiditis, wegen welcher aufgemeißelt wurde. GorticaUs stark verdickt, ein 
größerer und einige kleine mit Eiter gefüllte Hohlräume. Danach hohes, zu- 
erst intermittierendes, dann kontinuierliches Fieber, Kopfschmerzen, Schwin- 



302 XXYl. Wissenscbaftliche Rundschau. 

del beim Aufsitzen. Freüegung des Sinus transversus, dessen Wand grau- 
weiß und Terdickt erschien; dabei riß ein sehr starkes Emissarium unter 
profuser Blutung ab. Vorläufige Tamponade. Nach ö Tagen — in der 
Zwischenzeit war eine Yorabergehende rechtsseitige Protrusio bulbi aufge- 
treten, mehrmaliges Erbrechen, bald hohe, bald sich der Norm n&hernde 
Temperaturen — weitere Aufdeckung des stärker verfärbten und derben 
Sinus, Unterbindung der Vena jugularis interna, die von der Einmündung 
der Vena facialis communis nach oben kollabiert und leer wur, Ausräumung 
der weichen graurötlichen Thrombenmassen aus dem Sinus zentral bis zum 
Bulbus, peripher bis zur eintretenden Blutung. Am 6. Tage nach dieser Ope- 
ration erneutes hohes Fieber, weitere Ausräumung neugebildeter Thromben 
aus dem peripheren Sinusende. Die Temperatur stieg am nächsten Tage und 
noch einmal 12 Tage später unter Frost auf 40,5^ an, dann Heilung. 

2. Chronische Mittelohreiterung mit Polypenbildung rechts bei einer 
Frau von 31 Jahren. Schmerzen im Ohr, Schwindelgefühl, mehrmaliges Er- 
brechen, dann nach 6 Taigen plötzliche Bewußtlosigkeit und Lähmung de» 
linken Armes und Beines. Totaiaufmeißelung. Tegmen antri fehlte vollkom- 
men, die Dura seiner Ausdehnung entsprechend mit Granulationen bedeckt 
und tief in das Antrum hineinhängend. Bei der Inzision hierselbst quoll in 
etwa 2 cm Tiefe stinkender Eiter hervor. Breite Eröffnunir der mindesten» 
kinderfaustgroßen, mit fester Membran bekleideten Abszeßhöhle bis in die 
Außenfläche des Schläfenlappens hinein. Nach der Operation kehrte daa 
Bewußtsein sofort zurück und war die gekreuzte Lähmung verschwunden, 
aber starke rechtsseitige Kopfschmerzen, unstillbarer Durst, leichte Ptosia 
rechts, zunehmende Schläfriekeit, beiderseits etwas verwaschene Papillen- 
grenzen. Am Abend des 5. Tages Temperatursteigerung auf 38^, plötzlicher 
Kollaps und kurz darauf Exitus letalis. Keine Sektion. Todesursache wahr- 
scheinlich fortschreitende Encephalomeningitis. 

3. Chronische Otitis media purnlenta sinistra bei einem 31jährigen 
Manne. Seit 3 Wochen nach einem Trauma Kopfschmerzen , seit 2 Tagen 
starke Benommenheit. Facialisparese links, Leib kahnförmig eingezogen^ 
deutliche Nackenstarre, Opisthotonus, Papillen stark hyperämisch, mit etwas 
verwaschenen Grenzen, in der Lumbaiflüssigkeit zahlreiche Leukozyten und 
vereinzelte Diplokokken. Aufmeißelung mit Freilegung der mittleren und 
hinteren Schädelgrube, Dura an ersterer stark hyperämisch und glanzlos, der 
Schläfen läppen fühlte sich stark gespannt an, aber seine Punktion und ebenso 
die des Kleinhirns erfolglos. Dagegen führte eine Fistel medianwärts vom 
Sinus zu einem tiefen Extraduralabszeß der hinteren Schädelgrube. Nach 
der Operation dauerten die meningitischen Symptome in wechselnder Stärke 
an, der Tod erfolgte nach 7 Tajzen. Sektionsbefund: Meningitis purulenta 
der Uirnbasis mit zähplastischem Exsudat, sich im Wirbelkanal bis zur Cauda 
equina hinaberstreckend. Dem tiefen Extraduralabszeß benachbart und wahr- 
scheinlich von ihm ans induziert ein haselnußgroßer Abszeß in der linken 
Kleinhirnhälfte, mit einer mehrere Millimeter dicken Membran ausgekleidet. 
Bindegewebige Obliteration des linken Sinus transversas in seiner ganzen 
Flexura sigmoidea (alten Datums, latent verlaufen). Totaler Defekt der Ge- 
hörknöchelchen einschließlich des Steigbügels, Freiliegen des Facialis in der 
Paukenhöhle, die Gegend des ovalen Fensters mit derbem Narbengewebe 
überzogen, im Labyrinth kein Eiter. 

4 Chronische Mittelohreiterung links bei einem 17 jährigen Manne. Ver- 
worrenheit und leichte Somnoleoz, Schwanken beim Gehen und Stehen, Pa- 
pillen beiderseits mit stark gefüllten und geschlängelten Venen und nasal- 
wärts verwaschenem Rande, Temperatur 40,1^. Aufmeißelung ; dabei entleerte 
sich nlötzlich von oben her aus der mittleren Schädelgrube pulsierend eine 
dtlnnnüssige, dunkelgrüne, stinkende, mit Eiterflocken und vielen Gasblasen 
untermischte Flüssigkeit Breite Freilegung des großen Extraduralabszesses,. 
der sich seitwärts weit in die Höbe erstreckte und an der Außenfläche des 
Schläfenlappens die Dura durchbrochen hatte. An dieser Stelle prolabierte 
das von trüber und geröteter Pia bedeckte Gehirn in Haselnußgröße. Hirn- 
punktion negativ. Zunehmende Benommenheit, Nackenstarre, drei Schüttel- 
fröste, Parese des rechten Armes, leichte Ptosis links, Fehlen der Reflexe,. 



XXVI. Wissenschaftliche Rundschau. 303 

Tracheälrasseln, zeitweise Cheyne-Stok es sches Atmen, Puls bis 156, Tod 
am zweiten Tage nach der Operation. Bei der Autopsie wurde außer den 
«chon erwähnten Veränderungen eine arachnoideale und stellenweise auch 
subdurale Eiterung von eigentümlich versprengter Lokalisation gefunden. 
Besonders auffallend war es, daß an der Basis des Scbläfenlappens auf der 
ohrkranken Seite mit ihrem hochgelegenen Extraduralabszeß gar keine sub- 
durale und keine arachnoideale Eiterung bestand, während auf der Seite des 
gesunden Ohres diese beiden an der Unterfläche des Schläfenlappens, bezw. 
an der Basis der mittleren Schädel^ube am stärksten ausgesprochen waren. 
Wo das Exsudat fehlte, war die Pia von mittlerem Blutgehalt, durchsichtig, 
ohne ödem. In den Ventrikeln und im Wirbelkanal normale Verhältnisse, 
ebenso an der Hirnsubstanz und den Sinus. 

5. Großer perisinuöser Abszeß neben chronischer rechtsseitiger Mittel- 
ohreiterung bei einem Mädchen von 20 Jahren, verbunden bei der Aufnahme 
mit einem schweren Kollapszustand und Benommenheit des Sensorium. Tem- 
peratur 39^, beiderseitige Stauungspapille. Als bei der Aufmeißelung eine 
Stelle dicht hinter einer Fistel in der Fissura mastoideo-squamosa in Angriff 
genommen wurde, sprang nach dem zweiten Meißelscblage sofort ein bleistift- 
dicker Strahl reinen Eiters 4 cm hoch hervor und ihm folgte unmittelbar ein 
ebensolcher, aber noch höber springender Strahl dunklen Blutes. Eine Ver- 
letzung des Sinus konnte nicht stattgefunden haben, es konnte sich demnach 
nur um eine Spontanruptur der erkrankten Sinuswand, nach ihrer plötz- 
lichen Entlastung von dem hohen Eiterdruck, handeln. Die Blutung ließ sich 
durch Tamponade stillen. Sofort nach dem Eingriff war die Benommenheit 
verschwunden, und es kam, nachdem 9 Tage später die wegen der Blutung 
unterbrochene Operation (Totalaufmeißelung mit Freilegung der [normalen] 
mittleren und der hinteren Schädelgrube) vollendet worden war, vollständige 
Heilung zustande. Bemerkenswert war noch die nach den operativen Ein- 
griffen eintretende Zunahme der Stauungspapille mit neuen Blutungen, be- 
wirkt vielleicht durch eine unter dem Einfluß des die Blutung stillenden 
Eompressionsverbandes zustande gekommene nachträgliche Sinusthrombose. 

6 — lö. Perisinuöser Abszeß bei Kranken im Älter von 372, 10, 11, 24 
und 34 Jahren, 3 mal rechts, 2 mal links, nach akuter, bezw. ( 1 mal) subaku- 
ter Mittelohreiterung. Die Mastoiditis hatte 1 mal, bei einem 10 jährigen Kinde, 
zum Eiterdurchbruch in die Fossa digastrica geführt. Besondere, auf die 
intrakranielle Komplikation hinweisende Symptome fehlten 3 mal vollständig, 
Imal war wiederholtes Erbrechen aufgetreten, Imal bestanden Kräfteverfall, 
Schwindel bei Kopfdrehung nach der kranken Seite, Schmerzen in der gleich- 
seitigen Schläfe. Veränderungen am Augenhintergrund waren nie vorhanden 
gewesen. Der perisinuöse Abszeß wurde bei der Aufmeißelung gefunden, in- 
dem tmal ein Fistelgang von dem Meißelkanal nach der hinteren Schädel- 
grube zog, 2 mal eine breitere Kommunikation zwischen ihr und der Warzen- 
fortsatzhöhle sich vorfand , je 1 mal erweichter Knochen oder Granulations- 
massen bis zum Sinus führten. In einem Falle wurde beim Abschaben der 
die Dura bedeckenden Granulationen der Sinus verletzt. Der Ausgang war 
durchweg in Heilung. Blau. 

55. 
Voss (Riga), Zwei Schläfenlappenabszesse. Ebenda S. 175. 

Der 42 Jahre alte Kranke der ersten Beobachtung war auf die linke 
Kopfseite gefallen, bewußtlos geworden und hatte aus dem Ohre geblutet. 
In den nächsten 2 Wochen heftiger Schwindel, Erbrechen, Schmerzen in der 
Umgebung des Ohres, dann hörten die beiden ersteren auf, die Schmerzen 
hinter dem Ohre wurden stärker, 372 Wochen nach dem Unfall fing das Ohr 
an zu eitern. Erneuter Schwindel, Delirien, Gedächtnisschwäche, vor vier 
Tagen unerträgliche Ohrschmerzen, angeblich auch Bewußtseinsverlust und 
Krämpfe in den Kiefern. Schlaflosigkeit, aufgeregtes Wesen. Puls 80, Tem- 
peratur erhöht, bis 38,7®. Operation 6 Wochen nach dem Trauma, legte 
einen iVaccm grollen, wenig Eiter enthaltenden, mit Granulationen ausge- 
kleideten Eztraduralabszeß der mittleren Schädelgrube bloß. Danach vor- 



304 XXVI. Wissenschaftliche Rundschau. 

übergehende Besserung, dann Wiederanstieg der zur Norm gesunkenen Tem- 
peratur auf 38,8^, stärkere Schmerzen, Erbrechen, leichte Delirien, Benom- 
menheit. Puüstion des Schl&fenlappens resultatlos. Drei Tage sp&ter Tod 
im Koma bei einer Temperatur von beinahe 41 ^ Sektionsbefund: Kirsch- 
großer Abszeß an der unterfl&che des Schl&fenlappens, mit weithin eitrig 
infiltrierter und erweichter Umgebung, in den Ventrikel durchgebrochen. 
Keine Sch&delbasisfraktur. In der zweiten Beobachtung lag eine chronische 
rechtsseitige Mittelohreiterung bei einem 14j&hrigen Knaben vor. Vor 7 Tagen 
heftige Kopfschmerzen, Erbrechen und Fieber, wovon zur Zeit aber nur noch 
die rasend starken Stimkopfschmerzen zurückgeblieben waren. Temperatur 
37,5®, Pulsfrequenz 58. Geringer horizontaler Nystagmus beiderseits, rechte 
Sehnervenpapille gelbrötlich mit verwaschenen Grenzen. Totalaufmeißelung, 
Freilegung der hinteren und der mittleren Schädelgrube, an beiden Orten 
Dura mater normal aussehend, zart und durchscheinend. Bei der Punktion 
des Schl&fenlappens wurde eine schaumige, graubraune, scheußlich stinkende 
Flüssigkeit zutage gefördert, von der die nachfolgende Inzision noch ein 
halbes Bierc^as yoU, mit viel Gas gemischt, entleerte. Sofortiges normales 
Befinden, Heilung ohne ZwischenfaU in 2 Monaten. Blau. 



56. 

Sato, Richtung und Benennung der Bogengänge des mensch- 
lichen Labyrinthes. Ebenda S. 178. 

Die im Laboratorium der Bostocker Universitäts-Ohren- und Kehlkopf- 
klinik vorgenommenen Untersuchungen schliel^en sich den in diesem Archiv 
Bd. LX, Heft 3 u. 4, S. 320 besprochenen des gleichen Verfassers an. Es 
wurde gefunden, daß die Ebenen der &ußeren („horizontalen**) Bogengänge 
die Horizontalebene in einem nach hinten und unten offenen ViTinkel von 
23—25^ schneiden. Die äußeren Bogengänge beider Seiten liegen ungefähr 
in einer Ebene, aus der sich jedoch infolge der leichten Flächenkrümmung 
einzelne Teile des Bogens herausheben. Das Grus ampuUare liegt in der 
Fläche, das Grus simplex steigt erst etwas über sie, während der Gipfel des 
Bogens wieder unter der Fläche liegt- Das Grus commune der beiden „ver- 
tikalen** Bogengänge erhebt sich aus dem Vorhof in der Richtung nach hinten 
oben und etwas nach außen. Seine Neigung gegen die Horizontale betrug im 
Durchschnitt von vier Messungen rechts 43,5 <^. links 40,25 <^. Von der Teilungs- 
stelle des Crus commune wendet sich der ooere Bogengang nach vom oben 
und außen, der untere nach hinten unten und außen, und zwar so, daß ihre 
Richtung gleichmäßig einen Winkel von je 45^ mit der Sagittalebene des 
Schädels bildet. Sie halten sich also beide in der Mitte zwischen der sagit- 
talen und frontalen Ebene, daher ihre Bezeichnung als „sagittaler** und „fron- 
taler** Bogengang, ebensowie die des äußeren als „horizontaler** Bogengang 
als unzutreffend aufgegeben werden muß. Die beiderseitigen Winkel zwischen 
den Flächen der oberen und unteren Bogengänge kehren ihre Scheitel gegen- 
einander; die Angabe Grum Browns, daß die Ebene des oberen Bogen- 
ganges der einen Seite der des unteren der anderen Seite parallel ist, trifft 
ziemlich genau zu. Blau. 



57. 

R&pke (Solingen), Kasuistische Beiträge zur Pathologie und 
Therapie der Erkrankungen der Nasennebenhöhlen. Ebenda 
S. 183. 

Es werden beschrieben: 1. Drei Fälle von verkästem Nebenhöhlen- 
empyem, zweimal die Siebbeinzellen , einmal die Oberkieferhöhle betreffend, 
die ersteren beiden durch Entfernung der käsigen Massen und Granulationen 
von der Nase aus, der letztere durch Eröffnung der Gberkieferhöhle von 
der Fossa canina aus geheilt. 2. Pneumatocele der Stirnhöhle, geheilt durch 
Eröffnung von außen und Wiederherstellung des vollständig verlegten Ductus 
nasofrontalis. 3. Fötide doppelseitige Stirnhöhleneiterung neben Ozäna, nut 



XXVI. Wissenschaftliche Rundschaa. 305 

Bildung derselben schmutzigen stinkenden Borken auf der Stirnhöhlenschleim - 
haut, wie sie in der Nase sich Yorfanden. Radikaloperation der Stirnhöhlen 
nach der modifizierten Kuhnt sehen Methode, zweimaliges Rezidiv. 4. Stim- 
höhldneiterung mit nach außen führender Fistel infolge einer Schuß Verletzung, 
Extraktion einer Revolverkugel aus dem Ductus nasofrontalis, der durch sie 
verlegt worden war. Blau. 



58. 

Rudolphy (Lübeck), Ohroperationen bei Hysterischen. (Aus der 
Universitätspoliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke in Breslau.) 
Zeitschr. f. OhrenheUk. XLIV. 3. S. 209. 

Die vier mitgeteilten Fälle beweisen, wie leicht durch Hysterie bei vor- 
handenem Ohrenleiden das Bestehen schwerer Komplikationen vorgetäuscht 
und der Arzt zu unnötigen Operationen veranlaßt werden kann. Und doch 
läuft man, vrie Verfasser hervorhebt, gerade durch Vornahme solcher GefaJir, 
die £[ranken noch tiefer in ihre hysterische Gemütsstimmung hineinzutreiben 
und aus ihnen Übertreiber oder Simulanten großen Stils zu züchten. So lag 
in der einen Beobachtung (IV) Hyperästhesie und Neuralgie des WTarzenfort- 
satzes und Gehörganpes vor, vielleicht ausgelöst durch ein geringes Gehör- 
gangsekzem und geheilt durch den konstanten Strom und Suggestion, in einer 
zweiten (lU) Hyperästhesie und Neuralgie des Warzenfortsatzes mit Schwindet 
und Unsicherheit beim Gehen und angeblich vorangegangenem dauernd hohem 
Fieber (neben rezidivierender Otitis), so daß aufgemeißelt, aber nichts Ab- 
normes gefunden wurde. In einem weiteren Fsdle (II) bestand durch die 
Totalaufmeißelung geheilte chronische Mittelohreiterung, außerdem unsicherer 
Gang, Schwindel, spastisch- tremorartige Bewegungen der Arme, Erbrechen, 
Kopfschmerzen, angeblich mehrmalige Blutung aus dem Ohre, wahrschein- 
lich durch Hineinstecken von mit Menstrualblut getränkter Watte vorge- 
täuscht. Die Aufdeckung der alten Operationshöhle mit Freileffung der mitt- 
leren Schädelgrube und des Sinus förderte nur normale Verhältnisse zutage. 
Bei einer vierten Kranken (I) endlich waren neben geheilter linksseitiger Ohr- 
eiterung Kopfschmerzen und sehr starke Druckempfindlichkeit der ganzen 
linken Sch£ielhälfte, Schwindel, unstillbares Erbrechen, Benommenheit, 
Sprachstörung, Gesichtslähmung links mit gleichzeitigem Spasmus, Fieber bis 
zu 41,2^ vorhanden, in der Annahme einer schweren zerebralen Komplikation 
wurde wiederholt das Groß- und Kleinhirn und der Sinus punktiert, ferner 
die Lumbalpunktion gemacht, durchweg mit negativem Resultate. Das Krank- 
heitsbild war nur durch Hysterie bedingt, die hohen Temperaturen waren 
künstlich erzeugt, hinsichtlich der Facialislähmung ergab sich, daß im 
Schlafe beide Gesichtshälften ganz normal aussahen, während beim plötz- 
lichen Erwecken die linke mit einem Ruck wieder in den Spasmus eintrat, 
und daß beide Gesichtehälften auf den faradischen Strom gut reagierten. 

Blau. 



59. 

Zolki, Über ein kongenitales Fibrolipom der Gaumentonsille. 
(Aus der Universitätsklinik für Ohrenkrankheiten zu Straßburg.) Ebenda 
S. 222. 

Patientin zur Zeit der Operation 7 Jahre alt. Der längliche keulen- 
förmige, blaßrote Tumor der linken Tonsille, welcher schon kurz nach der 
Geburt bemerkt worden war, maß in der Länge 30 mm, in der größten Breite 
und Dicke je 1 1 mm, inserierte der Mandel mit kurzem Stiel und ragte mit 
dem dickeren zweigipfligen Ende frei in die Mundhöhle hinein. Er bestand 
histologisch aus fibrösem Gewebe mit eingelagerten Inseln von Fettgewebe 
iVid ferner kleinen zerstreuten Partien adenoiden Gewebes. Eine gröi^ere 
kuglige Ansammlung von letzterem fand sich ganz oberflächlich am distalsten 
Ende des Tumors. Blau. 



306 XXVI. Wissenscbaftlicbe Rundschau. 

60. 

Tollensy Angina und Pharyngitis phlegmonosa mit eitriger 
Thrombose des Sinus cavernosus und eitriger Meningitis 
basilaris. (Aus der medizinischen Klinik zu Breslau.) Ebenda S. 225. 

Das 19j&hrige Dlenstm&dchen war vor drei Tagen unter den Erschei- 
nungen einer hochfieberbaften akuten Angina erkrankt. Rachengebilde in- 
tensiv geschwollen und gerötet, ohne Belag. Rechte Hftlfte des weichen Gau- 
mens stark vorgewölbt, wurde inzidiert, doch entleerte sich kein Eiter. Auf- 
fällige Rötung und Schwellung der rechten Wange bis zum oberen Rande 
des Jochbogens und bis hinter das Ohr, wohl bereits ein Symptom der Gaver- 
nosusthrombose. In der Folge Zunahme der erw&hnten Schwellung, Protru- 
sion beider Augäpfel und Chemosis beider Konjunktiven, rechte Pupille weiter 
als die linke, Sehnervenpapillen scharf umrandet, blaß, mit stark gefCQlten 
Oef&ßen, dann meningitische Symptome und Tod 7 Tage nach Beginn der 
Erkrankung. Die Inzisions wunde im weichen Gaumen war speckig belegt, 
sezemierte etwas dicken Eiter, der Streptokokken in Reinkultur enthielt 
Mehrfache weitere Inzisionen an verschiedenen Stellen des Rachens förderten 
keinen Eiter mehr zutage. Sektionsbefund: Meningitis basilaris purulenta 
und Verstopfung des rechten Sinus cavernosus durch graagelbe, der Wand 
fest anhaftende, schmierige Gterinnsel. In gleicher Weise die in den Sinus 
einmündenden Gef&ße verstopft Yenae ophthalmicae mit Eiter gefüllt. Brett- 
harte Infiltration der oberen Halsgegend und der Mundhöhle. Schleimhaut 
des ganzen Rachens schwarzgrünlich, mit schmierigem grünschwarzem Belag 
und fetzigen Auflagerungen; Tonsillen in gleicher Weise verf&rbt, stark ge- 
schwollen (besonders rechts), bei Druck weich und fluktuierend. Dissemi- 
nierte hämorrhagische Lungenentzündung, in beiden Lungenspitzen kleine 
Abszesse. Parenchymatöse Nephritis und zahlreiche septische, zum Teil ver- 
eiterte Embolien in beiden Nieren. Hepatitis parenehymatosa. Milzschwel- 
lung. Enteritis follicularis. Die Fortoflanzung vom Rachen nach der Sch&del- 
höhle hatte hier durch die feinen Yenen stattgefunden, die vom venösen 
Plexus pharyngeus in den Sinus cavernosus hineinführen. Blau. 



Personal- und Faehnaehrichten. 

In Berlin hat sich Herr Dr. Haike, Assistent an der Ohrenklinik der 
Kgl. Charit^, für das Fach der Ohrenheilkunde habilitiert. 

Auf der 76. Versammlung deutscher Naturforscher und 
Ärzte, welche in der Zeit vom 18. bis 24. September 1904 in Breslau tagen 
wird, sind die Einführenden für die Abteilung für Ohrenheilkunde Herr Prof. 
V. Hinsberg, Breslau XVI, Tiergartenstraße 53 und Herr Dr. P. Eckardt, 
für die Abteilung der Hals- und Nasenkrankheiten Herr Dr. Oscar Br leger, 
Breslau I, Allerheiligenhospital und Herr Dr. Kays er. 

Die Deutsche otologische Gesellschaft wird am 20. u. 21. Mai 
dieses Jahres im Langenbeckhause in Berlin unter dem Vorsitz des Herrn 
Geh. Med. -Rates Prof. Lucae tagen. Mit der Versammlung wird eine Aus- 
stellung von Instrumenten, Präparaten, Apparaten und Lehrmitteln verbunden 
sein, insbesondere soll alles auf die Taubstummheit Bezügliche zur Ausstel- 
lung gelangen: Präparate, Abbildungen, UntersuchungstabeUen und Veröffent- 
lichungen. Außerdem wird um Einsendung von Abbildungen von Ohren- 
kliniken und Polikliniken gebeten. 

Anmeldungen für die Ausstellung nimmt entgegen Herr Privatdozent 
Dr. Gustav Brühl, Berlin G., Alexanderstr. 50, Anmeldungen von neuen 
Mitgliedern und von Vorträgen oder Demonstrationen für die Versammlung 
Prof. Hartmann, Berlin N.W., Roonstr. S. 



Druck von J. B. Hirschfold in Leipzig. 



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