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Full text of "Archiv für Ohrenheilkunde"

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VIRTUS SOLA NOBIUTA8. 



Glarkmoe JohnBlakb. 



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ARCHIV 



FÜR 



OHRENHEILKUNDE 

IM VEREIN MIT 

Prof. A. BÖTTCHER in Dorpat, Prof. AD. FICK in Würzbubg, 
Prof. C. HASSE in Breslau, Prof. V. HENSEN in Kiel, Prof. 
A. LÜCAE IN Berlin, Prof. E. MACH in Prag, Dr. A. MAGNUS 
in Eöniosbero i/Pr. , Prof. A. PRUSSAK in St. Petersburg, 
Prof. E. ZAUFAL in Prag, Dr. L. JACOBY in Breslau, Dr. 
J. KESSEL IN Graz , WILHELM MEYER in Kopenhagen, Dr. 
F. TRAUTMANN in Bermn, Dr. V. URB ANTSCHITSCH in Wien 

HERAUSGEGEBEN VON 



Prof. v. TROLTSCH Prof. ADAM POLITZER 

IN WÜBZBURG. in WIEN. 

UND 

Prof. H. SCHWARTZE 

IN HALLE. 



SIEBENZEHNTER BAND. 



Mit 6 Holzschnitten und 3 Tafeln-. 



LEIPZIG, 
VERLAG VON F. C. W. VOGEL. 

1881. 




zw 




Inhalt des siebenzehnten Bandes. 



Erstes und zweites (Doppel-) Heft 

(ausgegeben am 25. Februar 1881). 

Seite 

I. Desinfectioiiskapseln in Verbindung mit den üblichen Luftdouche- 

apparaten. Von £. Zaufal 1 

n. Ueber Obrenkrankheiten bei Eisenbabnbediensteten. Von Dr. 

K. Bürkner in Göttiogen 8 

III. Beiträge zu den im Verlaufe der acuten Exantheme auftreten- 

den Gehöraffectionen. Von Privatdocent Dr. J. Gottstein 

in Breslau 16 

IV. Summarischer Bericht der k. k. otiatrischen Universitätsklinik 

des Prof. E. Zaufal für das Jahr 1879. Von Dr. J. Haber- 
mann, klin. Assistenten 24 

V. Statistischer Bericht über die in der Poliklinik für Ohrenkranke 
zu Halle a/IS. vom 15. October 1879 bis 15. October 1S80 un- 
tersuchten und behandelten Fälle. Von Dr. Hugo Hessler, 
Assistenzarzt 40 

VI. Bericht über die vom October 1878 bis October 1880 behandelten 

Ohrenkranken. Von Dr. A. Marian in Aussig (Böhmen) . 78 

VII. Zweite Serie von 50 Fällen chirurgischer Eröffnung des Warzen- 
fortsatzes.. Von H. Schwartze. (Fortsetzung) 92 

VIU. Stichverletzung des Ohres mit Ausfluss von Liquor cerebro- 
spinalis. Schwere HimreizungSsymptome durch Himhyper- 
ämie. Heilung. Von H. Schwartze 117 

IX. Wissenschaftliche Rundschau. 

• 

1. A. Politzer, Zur Behandlung der Ohrpolypen. 125. — 

2. Trautmann, Ueber die Bedeutung vorhandener oder über- 
standener Ohrenleiden gegenüber Lebensversichernngs-Gesell- 
schaften. 125. — 3. Baber, Growth of Fungi in Ear-Syrin- 
ges. 126. — 4. Baber, Report on hundred Gases of Ear- 



IV Inhalt des siebenzehnten Bandes. 

Disease. 126. — 5. B u c k , Ünnatural Patency of the Eustachian 
Tube. 127. — 6. Blake, Manometric cicatrix of the Membrana 
Tympani. 127. — 7. North, Two Cases of Poisoning by the 
Oil of Ghenopodium. 127. — 8. Sex ton, Tinnitus aufium. 
128. — 9. Allport, A Gase of probable Abscess of the Brain, 
following after and perhaps djßpendent upon an acute In- 
flammation of the middle Ear. 128. — 10. Spencer, The 
dry treatment in Suppuration of the middle Ear. 129. — 11. 
Zillner, Blutung aus den Ohren bei einer Selbsterdrosselten. 
130. — 12. Paladino*, Das Leiten yon articulirten Lauten 
durch die Eopfknochen zum Labyi^inth mittelst des „fonifero**, 
beyör Audiphon, Dentaphon und ähnliche Apparate angegeben 
wurden. 130. — 13. De Rossi, YIII Anno di insegnamento 
della otojatria. Genni Statistico-clinici per l'anno scolastico 
1878/79. 132. — 14. Ladreit de Lacharriöre, DeTutilit^ 
des eaux min^rales dans le traitement des Maladies de Toreille. 
135. — 15. Gillete, Otite chez un tub^rculeuz. Trepanation 
de Tapophyse mastoide. Drainage. Gu^rison. 135. — 16. 
Polaillon, Garcinome de Toreille moyenne et du rocher. — 
— Destruction d*nne partie de la base du crane et de Tatlas. 
136. — 17. Giffo, De l'otite catarrhale dans la fi^vre des 
foins. 137. — 18. Bonnafont, Sor quelques ^tats patholo- 
giques du tympan, qui provoquent des ph^nom^nes nerveux. 
138. — 19. Glaveau, De Tenseignement de la parole dans 
les institutions des sourdsmuets. 138. — 20. Ladreit de 
Lacharriere, De laction des courants ^l^ctriques Continus 
sur certaines affections de ForeiUe interne. 139. — 2t. Lö- 
wenberg, Die pflanzlichen Parasiten im menschlichen Ohr, 
ihre Aetiologie, Prophylaxe und Behandlung, nebst einigen 
Nutzanwendungen für die allgemeine Therapie. 140. — 22. 
Luch tau, Ueber Ohren- und Augenerkrankungen bei Febris 
recurrens. 140. — 23. Roosa, Syphilitische Erkrankungen 
des inneren Ohres. Eine Besprechung einiger neuer, diese 
Affection betreffender Mittheilungen. 140. — 24. Roosa, Eine 
neueOhrdouche. 141. — 25. Pooley« Ein Beitrag zur Patho- 
logie des Gehörorgans. 142. — 26. Roosa und Ely, Kli- 
nische Beiträge zur Ohrenheilkunde 144. ~ 27. Hotz, Die 
frühzeitige Perforation des Warzenfortsatzes bei Otitis media 
purulenta acuta, complicirt durch acute Entzündung der War- 
zenzellen. 145. — 28. Knapp, üeber vererbte syphilitische 
Ohrenleiden. 145. — 29. Hotz, Zur Gasuistik der Malaria- 
krankheiten des Mittelohres. 146. — 30. Hotz, Ein Abscess 
der Postauriculargegend ohne Erkrankung des Mittelohres. — 
Burnett» Ein Fall von primärer äusserer Warzenfortsatz- 
Entzündung. 147. — 31. Dills, 'Ein Fall von Trommelfell- 
ruptur nach eüier Ohrfeige. Schnelle und vollständige Hei- 
lung. 147. — 32. Moos, Ueber die Ohrenkrankheiten der 
Locomotivführer und Heizer, welche sociale Gefahren in sich 
bergen, 148. — 33. Weil, Ueber Krankheiten der Nase und 



Inhalt des siebenzehnten Bandes. V 

Seite 

des Nasenrachenraumes mit Demonstrationen von Instrumenten 
und Apparaten. 149. — 34. Bing, Zur Gasuistik der Trom- 
melfellentzündung. 149. — 35. Kirchner, Beiträge zur Ver- 
letzung des Gehörorgans. 150. — 36. Justi, Indicationen und 
Anwendung des sdiarfen Löffels bei Geschwülsten der Nasen- 
höhle und des Nasenrachenraumes. 150. — 37. Hauerwaas, 
Beitrag zur Anatomie des Schläfenbeins. 151. ~ 38. Gruber, 
Ueber den therapeutischen Werth medicamentöser Einspritzun- 
gen durch die Eustachi'sche Ohrtrompete. 152. — 39. Moos, 
und Steinbrügge, Pathologisch -anatomischer Befund in 
einem Falle von Missbildung des rechten Ohres. 152. ~ 40. 
Steinbrügge, Ein Fall von Trepanation des Warzenfort- 
satzes. Tod durch Miliartuberkulose. 153. — 41.« Knapp, 
Perichondritis auriculae. 154. — 42. Hedinger, Ueber eine 
eigenthümliche Exostose im Ohr. 154. 
Literatur . . . ' . 154 



Drittes Heft 

(ausgegeben am 20. Mai 1881). 

X. Otitis media chronica mit serösem Secrete in der Paukenhöhle 
^ und in den Zellen des Proc. mastoid. bei imperforirtem Trom- 
melfell. Sinustbrombose und Meningitis. Tod. YonE. Zaufal 157 

XI. Fibröse Polypen des Warzenfortsatzes durch den äusseren Ge- . 
hörgang nach aussen gewuchert. Von F. Trautmann. 
(Hierzu Taf. I— lU.) 167 

XII. Weitere Beiträge zur neuropathischen Form des Meniere'schen 
Symptomencomplexes. Von Docent Dr. J. Gottstein in 
Breslau . . . . ^ 174 

Xm. Bericht über die im Jahre 1S80 in meiner Poliklinik für Ohren- 
kranke beobachteten Krankheitsfälle. Von Dr. K. Bürkner, 
Privatdocent in Göttingen ISl 

XIV. Bemerkungen über die Lymphbahnen des . inneren Ohres. Von 

G. Hasse in Breslau . 188 

XV. Schussverletzung des Ohres mit Ausfluss von Liquor cerebro- 
spinalis. Voh Dr. R. Koerner, k. s. Stabsarzt .... 195 

XVI. Besprechungen. 

1. Bück, Diagnosis and Treatment of Ear Diseases. 

(Bürkner) 199 

2. Transactions of the American Otologlcal Society. (Bürk- 

ner) 202 



VI Inhalt des siebenzehnten Bandes. 

XYü. Wissenschaftliche Rundschau. 

43. Bremer, Om det pathologiske Fund hos Dövstumme 
särligt i Danmark. 207. — 44. Mygge, Nogle Bemaxkninger 
om Studiet af Dövstumhedens Aetiologi og Pathogenese, frem- 
komne i Anledning af Dr. Y. Bremer *s Afhandling: »Om det 
pathologiske Fund hos Dövstumme.*" 211. — 45. Lange, £n 
ny Operationsmethode for adenoide Yegetationer i N&ses^- 
grummet. 212. — 46. Gerlach, Ueber die Herstellung de- 
monstrativer Pr&parate menschlicher Gehörknöchelchen zu 
Yorlesungszwecken. 213. -^ 47. Gerlach, Ueber das Yor- 
kommen von zwei Ampullen an dem äusseren (horizontalen) 
Bogengänge des knöchernen Labyrinthes. 213. — 48. Jahres- 
bericht der von Prof. Grub er im Wiener Allgemeinen Kran- 
henhause im Jahre 1878 ambulatorisch behandelten Ohren- 
krankheiten. 214. — 49. Eiesselbach, Bericht über die in 
der chirurgischen Poliklinik zu Erlangen vom 1. October 1878 
bis 1. October 1880 behandelten Fälle von Ohren- und Nasen- 
krankheiten. 215. — 50. Po Hak, Ueber den Werth von Ope- 
rationen, die den Schnitt des Paukenfelles erheischen. 216. 
— 51. Berthold, Ueber den Einfluss der Nerven der Pau- 
kenhöhle auf die Secretion ihrer Schleimhaut. 217. •— 52. 
Czarda, Zur Behandlung der chronischen Otorrhoe mit Jodo- 
form. 218. — 53. Czarda, Ueber das Audiphon und seine 
Yerwendbarkelt bei Schwerhörigen. 218. ~ 54. Lucae, Fremd- 
körper des Ohres. 218. — 55. Rodman, Ein schwerer Fall 
von Garies des Warzenfortsatzes. 219. — 56. Burnett, Per- 
foration in der Membrana flaccida, die Trommelhöhlenkrank- 
heiten, welche sie begleiten, und ihre Behandlung. 220. — 57. 
Brown, Einkeilung von Fremdkörpern im äusseren Gehör- 
gange. 221. — 58. Pomeroy, Eine Modification des Ohr- 
und Bachenspiegels. 221. — 59. Hunt, Microtie. 221. — 60. 
Blau, Ueber die bei den acuten Infectionskrankheiten vor- 
• kommenden Erkrankungen des Ohres. 222. — 61. Gottstein, 
Ueber die verschiedenen Formen der Rhinitis und deren Be- 
handlung vermittelst der Tamponade. 222. — 62. Bell, Ex- 
periments relating to Binaural Audition. 223. — 63. Blake, 
The Membrana Tympani Telephone. 224. — 64. Charles T. 
Miller, On the present conditiou of Musical Pitch in Boston 
and Yicinity. 224. — 65. Bleuler u. Lehmann, Zwangs- 
mässige Lichtempfindungen durch Schall und verwandte Er- 
scheinungen auf dem GebiiBte der anderen Sinnesempfin- 
dungen. 224. — 66. Baginsky, Ueber Schwindelerschei- 
nungen nach Ohrverletzungen. 225. — 67. Trautmann, 
Yerletzungen des Ohres in gerichtsärztlicher Beziehung. 229. 
— • 68. Bück, Fracturen des Schläfenbeines. 231. — 69. 
Burnett, Reflectorische Geschwürsbildung im äusseren Ge- 
hörgange mit Perforation des Trommelfells in Folge von 
Zahncaries. 232. — 70. Sex ton, Ueber die Ohrsymptome 
bei der Chenopodiumvergiftung. 232. — 71. Blake, Ueber 



Inhalt des siebenzehnten Bandes. YII 

Seite 

das Vorkommen von Exostosen im äusseren Gehörgange von 
pr&historischen Menschen. 233. — 72. Sexton^ Neue Ohr- 
instrumente 233. — 73. Sexton, Drei Fälle von plötzlicher 
Taubheit bei Syphilis. 234. — 74. A. Politzer, Die Alkohol- 
behandlung der Ohrpolypen. 235. — 75. Mc* Bride, Hör- 
schwindel. 236. 



Viertes Heft 

(ausgegeben am 15. September tSSl). 

XYIII. Ueber optischen Schwindel bei Druckerhöhnng im Ohr. Von 

August Lucae 237 

XIX. Gasuistische Beiträge zur Bedeutung und zur operativen Ent- 
fernung der Exostosen des äusseren Gehörganges. Von 
August Lucae 246 

XX. Ueber Schwerhörigkeit von Locomotivbeamten. Von Dr. J a c o b y 

in Breslau 258 

XXI. Zur Aetiologie der Nasenblennorrhoe. Yon Dr. H. Walb, 

Privatdocent in Bonn 265 

XXn. Zweite Serie von 50 Fällen chirurgischer Eröffnung des Warzen- 
fortsatzes. Von H. Schwartze. (Fortsetzung.) .... 267 

XXIII. Zur Gasuistik der Warzenfortsatzpolypen. Von Dr. G lauert 

in Berlin ' . 277 

XXiy. Besprechungen. 

3. V. Tröltsch, Lehrbuch der Ohrenheilkunde mit Ein- ' 
schluss der Anatomie des Ohres. Siebente vermehrte 
und verbesserte Auflage. (Magnus) 281 

XXV. Wissenschaftliche Rundschau. 

76. Moos und Steinbrügge, Ueber die histologischen Ver- 
änderungen im Knochen und in den Wdchtheilen des mittle- 
ren und inneren Ohres bei Garies des Felsenbeines. 287. — 

77. Moos und Steinbrügge, Fernere Beobachtungen über 
die histologischen Veränderungen des Labyrinthes bei der 
hämorrhagischen Pachymeningiti^. 288. — 78. Steinbrügge, 
Ueber ein eigenthümliches Verhalten des Pflasterepithels der 
endolymphatischen Räume des Menschen. 289. — 79. Frän- 
kel, Anatomisches und Klinisches zur Lehre von den Er- 
krankungen des Nasenrachenraumes und Gehörorgans bei Lun- 
genschwindsucht. 289. — 80. Spalding, Diplacusis binauralis. 
Eine Selbstbeobachtung. 292. — 81. Ely, Hauttransplantation 
bei chronischer Eiterung des Mittelohres. 292. — 82. Baber, 
Notiz über die Stimmgabel bei der Diagnose der Ohrkrank- 



VIII Inhalt des siebenzehnten Bandes. 

Seite 

heiten. 293. — 83. Bosworth, Nasal-Stenose. 294. — 84. 
Daly, Nasenpolypen. 294. — 85. Jarwis, Pathologie und 
chirurgische Behandlung des hypertrophischen Nasenkatarrhs. 
296. — 86. Bericht über die- Verhandlungen der Boston med. 
Gesellschaft vom 20. Jan. 1880. 297. -> 87. Revue mensuelle 
de laryngologie, d*otologie et de rhinologie. 297. — 88. A. 
Politzer, Behandlung der chronischen Mittelohreiterung. 298. 

— 89. A. Politzer, Pulverbl&ser neuer Gonstruction. 299. 

— 90^. A. Politzer, Ein kleines Instrument für Schwerhörige. 
300. — 91. Weil, Ueber Ohreneiterung und ihre Behandlung. 
300. — 92. Weil, Gircumscripte desquamative Entzündung 
des äusseren Gehörganges. 301. — 93. Weil, Beitrag zur 
Lehre von der Aetiologie der Retropharyngealabscesse. 301. 

Literatur • 303 




Desinfectionskapseln in Verbindung mit den flblichen 

Lnftdoncheapparaten. 

Von 

E. Zanfal. 

Bekannt ist der schöne Versuch TyndalTsO? den Li st er 
znr Begründang seines antiseptischen Verfahrens benutzte. Tyn- 
dall bewies damit, „in welcher vollkommenen Weise Watte 
die Luft von ihren Staubtheilchen durchseiht. Er trieb zu dem 
Zwecke mit einem Blasebalge, dessen Mundstück reichlich mit 
Watte bedeckt war, Luft gegen den Lichtstrahl , der , sonst von 
den beleuchteten Staubtheilchen weiss hervortretend, an der Stelle, 
an welcher ihn dieser Luftstrom traf, vollkommen dunkel er- 
schien. Daraus musste sich noth wendig der Gedanke heraus- 
schälen, ob nicht Watte auch mit Vortheil sich bei dem anti- 
septischen Verbände verwerthen liesse" etc. 

Diese Thatsache, dass Luft durch eine dicke Lage. Watte 
getrieben, von allen Staubtheilchen (anorganischer oder organi- 
scher Natur) vollständig gereinigt wird, benützen wir ja schon 
vielfältig therapeutisch in der Form der allgemein verbreiteten 
Bespiratoren. In der Ohrenheilkunde haben bisher v. Tröltsch 
und Schwartze versucht, die zur I^uftdouche verwendete Luft 
der Compressionspumpe von den gröbsten Verunreinigungen zu 
befreien. 

V. Tröltsch^) sagt: „Zu einer Zeit, als der Ofen meines 
Zimmers öfters rauchte, befestigte ich im obersten Theile der 
Glasglocke unmittelbar unter dem Austritthahne einen grossen 
stark zusammengedrückten Badeschwamm, damit die Luft vor 
dem Ausströmen in den Katheter noch einer Filtration unter- 



1) Dr. 0. Thamhayn, Der antiseptische Verband. Leipzig 1875. 

2) Lehrbuch der Ohrenheilkunde. YI. Aufl. S. 228. 

ArohiT f. OlLrenheilkunde. XYII. Bd. 1 



2. I. ZAÜFAL 

worfen und somit möglichst von fremdartigen Beimischungen be- 
freit wtlrde." Einer brieflichen Mittheilung Schwartze's ent- 
nehme ich, dass er den Tröltsch 'sehen Schwamm mit Watte 
ersetzte. Der Vorgang v. T r ö 1 1 s c h 's fand ausser beiSchwartze 
meines Wissens keine weitere Nachahmung. Und doch dürfte es 
keinem Zweifel unterliegen^ dass die Forderung, nur vollkommen 
reine, resp. von allen mechanischen Beimengungen gesäuberte 
Luft in die Paukenhöhle einzutreiben, eine gerechtfertigte ist. Die 
Luft , welche unter normalen Verhältnissen durch den physiolo- 
gischen Ventilationsvorgang die Paukenhöhle erfüllt, macht be- 
vor sie in die Paukenhöhle eintritt, einen Reinigungsprocess durch, 
indem sie durch den natürlichen Bespirator, durch die Nasen- 
höhle, streifend, hier die gröbsten Beimengungen absetzt. Bei 
dem Durchgang durch die Tuba entledigt sie sich feinster Par- 
tikelchen, welche schliesslich durch die Flimmerbewegung de» 
Flimmerepithels wieder gegen das Pharyngealostium der Tuba 
abgeführt werden. Pressen wir nun aber mit Gewalt Luft ein^ 
wie wir es beim Katheterismus thun, indem wir öfter hinter- 
einander den Ballon mit grosser Gewalt entleeren, oder ganz 
besonders, wenn wir Luft in einem Reservoir unter starker Com- 
pression ansammeln, wobei ein grosses Volumen Luft auf ein 
kleines zusammengepresst wird, das nun mit grosser Gewalt 
durch den Katheter in die Paukenhöhle eindringt (Luftpumpe, 
Lucae 'scher Doppelballon, Tretballon), so ist es, glaube ich, 
klar, dass unter diesen Verhältnissen die reinigende Function der 
Nasenhöhle und der unteren Hälfte der Tuba durch den einge- 
schobenen Katheter ausgeschaltet ist, dass die verunreinigte Luft 
also nahezu unvermittelt in die Paukenhöhle eindringt, in der 
sich nun alle körperlichen Staubpartikelchen auch Pilzkeime, 
Sporen, Bakterien etc. ablagern können. Dies wird in um so 
ergiebigerer Weise statthaben, je länger ein comprimirter Luft- 
strom die Paukenhöhle durchstreift. 

Die Staubmassen, welche sich insbesondere beim Gebrauche 
des Tretballons der Luft beimengen und die man bisher in die 
Paukenhöhle injicirte,'sind geradezu verblüffend, wenn man sie 
in der Watte der Desinfectionskapsel gleichsam auf einem Haufen 
beisammen sieht. College Jacoby aus Breslau, der gerade an- 
wesend war, als ich die Desinfectionskapsel des Tretballons, der 
höchstens bei 15 Patienten gebraucht worden war, öffnete, hat 
denselben Eindruck empfangen. Aber selbst in der Kapsel des 
allgemein üblichen Handballons fanden wir nach mehrtägigem 



Desinfectionskapseln in Yerbindang mit d. üblichen Luftdoucbeapparaten. 3 

Gebrauch besonders im Sommer die Watte dicht mit Staub- 
partikelchen durchsetzt. Dieselbe Erfahrung wird man auch beim 
Gebrauch der Luftpumpe und des Lucae 'sehen Doppelballons 
machen. 

Auf Grund dieser Erfahrungen dürfte doch die Frage be- 
rechtigt sein, ob wir auch fernerhin noch derartig verunreinigte 
Luft unseren Patienten injiciren sollen, besonders wenn die Des* 
infection auf einfache, durchaus nicht kostspielige Weise erzielt 
werden kann? Wir desinficiren dem gewiss vollkommen be^ 
rechtigten Zuge der Zeit folgend, alle Instrumente, die wir im 
Innern des Ohres und der Nase anwenden, alle Flüssigkeiten, 
die wir injiciren, verwenden desinficirende Pulver etc., nur die 
Luft, die wir tagtäglich hunderte Male in Anwendung ziehen, 
nicht. Der Effect, den wir mit der Luft bei Behandlang von 
Ohrenkrankheiten erzielen wollen, ist ja doch vorwiegend ein 
mechanischer, sie ist uns auch nur ein Instrument und als solches 
soll sie, wenn angewendet, der selbstverständlichen Forderung 
genügen: sie soll rein sein! Selbst wenn wir nicht im Stande 
sind, Erfahrungen aufzuführen, welche einen direct schädlichen 
Einfluss nicht desinficirter Luft bei dem gegenwärtig in der 
Ohrenheilkunde allgemein üblichen Gebrauch nachzuweisen ver- 
mögen, so bleiben doch gewisse Fragen der Zukunft zur Beant- 
wortung überlassen, ob, wenn wir z. B. bei Otitis media sup* 
purativa cum perforatione und bei der Otitis media catarrhalis 
acuta stets nur desinficirte Luft verwenden werden, die Heilnngs- 
dauer nicht eine kürzere sein dürfte ; femer ob gewisse Reizungs- 
zustände in der Paukenhöhle, welche wir manchmal nach der 
Luftdouche beobachten, stets nur dem mechanischen Einflüsse 
der Luft und nicht auch den Verunreinigungen derselben zuzu- 
schreiben sein dürften? Bei Behandlung von mit Infectionskrank- 
heiten behafteten Kranken, Diphtheritis, Scarlatina, Variola etc. 
habe ich stets Abstand genommen, den dabei verwendeten Ballon 
gleichzeitig bei anderen Kranken zu verwenden, bei Benutzung 
von mit einer Desinfectionsvorrichtung versehenen Ballons dürfte 
ein solches Bedenken wegfallen. In grösseren und kleineren 
Krankenhäusern dürfte gerade dieser Punkt eine Berücksichtigung 
verdienen, besonders wenn dieselben noch überdies schlecht ge- 
lüftet und mit rauchenden Oefen versehen sind. 

Diese Erwägungen waren es, die mich gleich v. Tröltsch 

und Schwartze veranlassten, in die von mir benützten Lufb- 

doucheapparate eine Desinfectionsvorrichtung einzuschalten, allein 

1* 



4 I. ZAÜFAL 

nicht bloss dann, wenn eine besondere Veranlassung wie bei 
V. Tröltsch, z. B. Ofenrauch vorhanden war, sondern immer 
and in allen Fällen. 

Diese Aufgabe erscheint mir in der Einschaltung von Kapseln 
in ziemlich einfacher Weise gelöst werden zu können, wenn wir 
sie so anbringen, dass alle Luft, die therapeutisch verwerthet 
werden soll, diese mit geeigneten Desinfectionsmitteln gefüllte 
Kapsel passiren muss. Ich stopfte die Kapseln anfangs mit fest- 
comprimirter Watte aus. Es ist gewiss, dass alle corpusculösen 
Beimengungen der Luft dadurch eliminirt werden, allein es stellte 
sich bei längerem Gebrauche der Watte ein höchst unangeneh- 
mer Uebelstand heraus. Besonders dann, wenn die Luft mit 
grosser Gewalt, wie beim Tretballon, bei der Compressionsluft- 
pumpe, wahrscheinlich auch beim Lucae 'sehen Doppelballon, 
durch die Watte gepresst wird, reisst der Luftstrom unendlich 
feine Wattefädenfragmente mit fort, die sich der von allen Ver- 
unreinigungen sonst freien Luft beimengen, ja sich, wie ich erfah- 
ren, bei meinem Tretballon während längeren Gebrauches selbst 
in ziemlieh dicken Flocken in dem Lumen des Ausflusshahnes 
ansetzten. 

Watte allein ist also als Filtrirmittel nicht verwendbar. Und 
doch ist sie als bestes Filter nicht gat auszuschliessen. Nach 
vielen Versuchen glaube ich die etwas modificirte Lister'sche 
Verbandlage als Filtrirmittel, also als Füllungsmittel der Des- 
infectionskapseln empfehlen zu können. 

Die Filterkapseln, wie ich sie verwende, lassen sich in alle 
Luftdoucheapparate einscHalten. Die grössere Kapsel für Tret- 
ballon und Luftpumpe (für den Lucae 'sehen Doppelballon kann 
sie kleiner genommen werden) hat die Form einer gedrückten 
Kugel, ist im Längsdurchmesser 6 Gm. lang, im Qaerdurchmesser 

5 Gm. breit, im Aequator in zwei Hälften getheilt, die durch eine 
Schraube ganz luftdicht vereinigt werden können. Die Kapsel 
ist aus Messing und vernickelt. An den beiden Polen zieht sie 
sich in zwei hohle nicht ganz 2 Gm. lange Zapfen aus zur Ver- 
bindung mit dem Kautschoukschlauche. Im Innern der Kapsel 
sind zunächst den beiden Polen engmaschige Drahtnetze ein- 
gelöthet, wie sie bei den Eespiratoren verwendet werden. Der 
Hohlraum zwischen den Drahtgeflechten, der eigentliche Bauch 
der Kugel, wird mit der später ausführlicher angegebenen Des- 
infectionsmasse ausgefüllt. Zur Einschaltung der Desinfections- 
kapsei beim Tret- und Lucae 'sehen Doppelballon ist es nur 



DeBinfecUoiiBkapBelii in Veibindong mit d. ablieben Laftdoucbeapparateo. £» 

nothwendig, den den Sang- nnd Sammelballon verbindenden 
EantscboakschlaDch zn durchschneiden und die Enden mit den 
beiden Zapfen zn verbinden. Bei der Lnftpompe könnte die 
Kapsel mit entsprechendem Ventil entweder an der SangOffnang 
oder zwiscben Olasglocke nnd Wecbselbahn angebracht werden.') 
Das von dem Sammelballon zum Eatheter führende Eantschoak- 
rohr mnss vom mit einem Hebelventil geechloBsen sein, dessen 
vorderstes konisches Ende Inftdicbt in das trichterförmige Ende 
des Katheters einpasst. Anch nach der Entleernug bleibt so 
mit Schlnss des Hebelventils in dem Sammelbalion nnd dem 
Kaatseboakgchlanche nnr gereinigte Lnft znrUck. 



Ich habe die Desinfectionskapsel anch an dem gewöhnlichen 
einfachen Handballon ftlr die Lnftdoncbe anbringen lassen. Zu 
diesem Zwecke mnsste zwischen dem vorderen konischen Anaatz 
Qud dem Ballonlnmen eine Kugel eingeschaltet werden, in der 
nach vorne gegen das Katheterende ein gegen den Katheter, 
seitlich ein gegen das Lumen des Ballons sich Bfinendes StiJpsel- 
ventil angebracht ist (a, ai). Das letztere steht mit einer 2 Gm. 
langen gebogenen Uetallröhre luftdicht in Verbindung, an deren 
periferem Ende die Desinfectionskapsel (D) in Form einer 2 Cm. 
langen und 1 '/i Gm, dicken Kngel sich befindet, die sonst ebenso 

1| V. TröltBch brachte das Filter an der AuBflnsaüfFnaiig an, was 
mir veniger zweckmässig erscheint, da der Luftstrom beim AoBflusB an Kraft 
verheren muas. 



6 I. ZAÜFAL 

gebaut ist, wie die grosse Kapsel. Ist der Ballon entleert, so 
wird die Luft, während sich das s^m konischen Eatheterend^ be- 
findliche Ventil schliessty durch die freie Oeffnung der Kapsel (o) 
und durch die Desinfectionsmasse und die Metallröhre und das 
sich öffnende zweite Ventil in das Lumen des Ballons gesogen, 
80 dass jedes Atom Luft die Desinfectionsmasse durchpassiren 
muss. Unbedingt noth wendig ist, dass alle sonstigen Verbin- 
dungen an dem eingeschalteten Desinfectionsapparat und dieses 
mit dem eigentlichen Ballon vollständig luftdicht schliessen. Man 
überzeugt sich davon einfach dadurch, dass man den Ballon 
entleert und so lange er comprimirt ist, die freie Oeffnung der 
Kapsel {o) mit dem Finger schliesst und den Ballon sich selbst 
überlässt. Füllt er sich nicht, so weiss man, dass alles in Ord- 
nung ist. Ich habe zwischen dem Ventile und dem konischen 
in den Katheter passenden Ansatz noch ein fein durchlöchertes 
Diaphragma anbringen lassen, wodurch das Eindringen grösserer 
etwa von den inneren Wandungen des Ballons sich losschälender 
Partikelchen in den Katheter verhindert wird. • 

Die Anwendungsweise dieses Ballons unterscheidet sich nicht 
wesentlich von der des jetzt üblichen Handballons. Das konische 
Ende muss luftdicht in den Pavillon des Katheters passen und 
braucht bei der gegebenen Anordnung der Ventile fttr die er- 
neuerte Füllung des Ballons nicht aus dem Katheter herausge- 
zogen zu werden. Die Füllung des Ballons erfolgt selbstver- 
ständlich, da die Luft erst durch die Desinfectionsmasse durch- 
gesogen werden muss, nicht so rasch wie bei dem einfachen 
Ballon, dauert jedoch kaum 2 Secunden. Auch verliert er wegen 
des Diaphragmas, das übrigens bei Patentgummi, der nicht ab- 
blättert, auch weggelassen werden kann, kaum eine Kleinigkeit 
an Kraft. Für das Politzer 'sehe Verfahren und seine Modi- 
fication ist Alles dies von keinem Belang. Für den Katheteris- 
mus hat man nur ein langsameres Tempo der Entleerung einzu- 
schlagen, das durch das sonst nothwendige Herausziehen und 
Wiedereinsetzen des Ballons in den Katheter ausgeglichen wird. 

Als Füllungsmasse der Desinfectionskapsel hat sich mir bis- 
her die folgende als die geeignetste erwiesen. In die gegen das 
Luftreservoir (Netzballon beim Tret- und Lucae'schen Ballon, 
Glasglocke bei der Luftpumpe, Ballonlumen beim Handballon) 
gerichtete Kapselhälfte wird zuerst eine dünne Lage von an- 



1) Aeusserlich mit einem eingepressten M bezeichnet. 



Desinfectionskapseln in Yerbindang mit d. üblichen Luftdoucheapparaten. 7 

tiseptischem Mull gebracht, der in reines Glycerin getaucht und 
sehr gut ausgepresst wird. Dann kommt eine, dicke , mehrfach 
zusammengelegte Schichte trockenen Mulls, die die Eapselhälfte 
nahezu ausfüllt und darauf wieder eine dünne Lage von in Gly- 
cerin getauchtem und gut ausgepresstem Mujl. Die zweite Eapsel- 
hälfte wird mit Br uns 'scher Watte dicht gefüllt. Die Mulllagen 
haben die Aufgabe, etwa fortgerissene Wattefädenfragmente auf- 
zuhalten. 

Die Watte mnss selbstverständlich öfters gewechselt werden, 
je nach der Häufigkeit des Gebrauches der Apparate, den localen 
Verhältnissen und nach der Jahreszeit (im Sommer häufiger als 
im Winter). Die Mulllage bedarf eines so häufigen Wechsels 
nicht. Ich habe bis jetzt die Kapseln nur bei dem Tretballon ^) 
und dem gewöhnlichen Handballon angewendet. Bei dem erste- 
ren muss die Watte häufiger gewechselt werden, als bei letzterem. 

Die Desinfectionskapseln gewähren aber noch einen anderen 
Yortheil. Man kann sie zur Insufflation von leicht verdunstbaren 
Substanzen in die Paukenhöhle verwenden. Es braucht zu diesem 
Zwecke nur die betreffende Substanz (Chloroform, Aether, Oleum 
Terebinthinae, Oleum Eucalypti etc.) atif die in der Kapsel ein- 
geschlossene Watte aufgeträufelt zu werden. Wie leicht beim 
Eingiessen dieser Substanzen unmittelbar in den Ballon dieser 
leidet, weiss Jeder, der häufiger solche ätherische Substanzen an- 
gewendet. 

Ich weiss nicht, wie weit die Technik der pneumatischen 
Apparate vorgeschritten; glaube aber (wenn es bis jetzt noch 
nicht geschehen sein sollte), dass die Anbringung ähnlicher Filter« 
apparate auch da nicht zwecklos sein dürfte. 2) 

1) Der mir überhaupt als Ersatz für die Luftpumpe sehr zweckmässig 
zu sein scheint. Zur Verstärkung der Kraft, des Luftstromes kann der Netz- 
ballon noch mit dem Fusse comprimirt werden. Nach einer mündlichen 
Mittheilung Jacoby's verwenden Schwartze und Hsttmann neben den 
Lueae'schen DoppelbaUons gleichfalls Tretballans. 

2) Desinfectionskapseln für Tretballons, und HandbaUon mit Desiafee^ 
tionskapsel liefert Frohreich & Co., Prag, Graben. Der von mir verwendete 
Tretballon von derselben Firma hat sich gut bewährt. 



IL 
Ueber Ohrenkrankheiten bei Eisenbabnbediensteten. 

« 
Von 

Dr. E. Bttrkner 

in Göttingen. 

Im 4. Hefte IX. Bandes der Zeitschrift ftir Ohrenheilkunde 
yeröffentlicht Moos einen von ihm auf dem II. internationalen 
Gongress ftir Ohrenärzte in Mailand gehaltenen Vortrag: ,,Ueber 
die Ohrenkrankheiten der Locomotiyftlhrer und Heizer, welche 
sociale Gefahren in sich bergen.^' Er kommt zu dem Schlüsse, 
dass ,,bei den Locomotivführem und Heizern bald früher, bald 
später eine Erkrankung des Gehörorgans «dit bedeutender Herab- 
setzung der Hörschärfe'' eintritt, welche, selbst wenn sie nur aus- 
nahmsweise vorkommen sollte, gefahrdrohend sein muss. 

Ich habe nun schon seit ungefähr zwei Jahren, nachdem 
mir schon früher mehrfach die Herabsetzung des Gehörs für hohe 
Töne bei Eisenbahnbediensteten aufgefallen war, mein Augen- 
merk auf den von Moos behandelten Gegenstand gerichtet und 
will nun nicht länger zögern, mein Scherflein zu einer späteren 
umfassenderen Statistik beizutragen, indem ich die einschlägigen 
Krankengeschichten veröffentliche. Mehr als einen Beitrag be- 
zwecken diese Zeilen nicht; es müssen grosse Zahlen zu Gebote 
stehen, ehe man bestimmte ^Schlüsse wird ziehen dürfen. 

Unter 965 Patienten, welche seit dem Anfang des Jahres 1878 
bis jetzt meine Poliklinik besuchten, befanden sich 24 Eisenbahn- 
bedienstete, nämlich: 

7 Bahnarbeiter (meist Schlosser), 

3 Weichensteller und Bahnwärter, 

6 Schaffner und Bremser, 

2 Heizer, 

6 Locomotivftihrer. 
Auf diese Kategorien von Beamten (Tagelöhner, welche auf 
dem Bahnhofe arbeiteten, sind unter den „Bahnarbeitern^^ nicht 



üeber Obrenkrankheiten bei Eisenbahnbediensteten. 9 

mitgezählt) yertheilen sich die verschiedenen Krankheiten in fol- 
gender Weise: 



Krankheit 


Locomo- 
tivftthrer 


Heizer 


Schaffner 

und 
Bremser 


Bahnwärt. 
11. Wei- 
chensteller 


Bahn- 
arbeiter 


Sa. 


Othaematom .... 
Accum. cerum. . . 
Otit. ext. circumsc. 
Myringitis acuta . 
Otit. med. acuta . 
Otit med. chron. . 
Brausen ohneBefund 
Al)gelaufene Mittel- 
ohrprocesse ... 


4 
1 

1 


l 
1 


1 

4 

1 


1 
2 


4 
1 

2 


l 
t 
1 
1 
3 

10 
2 

1 


Summa: 


6 


2 


6 


3 


7 


24 



A) Die Bahnarbeiter kommen, da sie beim Fahrdienste 
nicht betheiligt sind, hier nicht weiter in Betracht; auch sind 
bei den von mir Behandelten die Erkrankungen durchschnittlich 
weniger tiefgreifend ; unter den sieben Fällen findet sich nicht ein 
chronischer Fall, und charakteristisch ftir die den Kopf erhitzende 
Beschäftigung der betreffenden Patienten, wie der Handarbeiter 
überhaupt, ist es, dass unter ihnen yiermal Ohrenschmalzansamm- 
lungen zu verzeichnen waren. 

B) Unter den Bahnwärtern und Weichenstellern, 
Leuten, die bei jedem Wetter sich viel im Freien aufzuhalten, 
theilweise auch unter dem fortwährend geräuschvollen Treiben 
auf Bahnhöfen zu leiden haben, fanden sich zwei mit chroni- 
schem und einer mit acutem Mittelohrkatarrh. Dass die Be- 
schäftigung der betreffenden Beamten spedell zu Ohrenkrank- 
heiten fähre, ist nicht anzunehmen; sie sind vielmehr bezüglich 
ihrer Thätigkeit auf eine Stufe mit allen jenen Arbeitern zu 
stellen, welche einen grossen Theil des Tages im Freien zuzu- 
bringen haben. Wir haben sie jedoch hier deswegen zu berück- 
sichtigen, weil eine Ohrenkrankheit bei einem Bahnwärter oder 
Weichensteller leicht verhängnissvoll werden kann, wenn er 
so schwerhörig wird, dass er die Signale, besonders etwa vor- 
kommende aussergewöhnliche, nicht oder doch nicht mit Sicher- 
heit hören kann. Eine grosse Anzahl von Eisenbahnunfällen 
ereignet sich in Folge falscher Weichenstellnng oder ausgeblie- 
bener Signale; und dass durch einen schwerhörigen Beamten 



10 n. BÜRKNER ^ 

hier noch viel mehr Unheil angerichtet werden kann, als durch 
einen normalhörenden, unterliegt wohl keinem Zweifel. 



Hervorheben will ich nur folgenden Fall: 

Fall I. Chronischer Mittelohrkatarrh. 

Karl H., 3 8 jähr. Bahnwärter ans Wulften, leidet seit mehreren 
Jahren an einer allmählich zunehmenden Schwerhörigkeit, sowie an 
höchst lästigem Brausen in beiden Ohren. Der Eisenbahnarzt, den 
PaJ;. vor einiger Zeit zu Rathe zog, legte durchaus kein Gewicht 
auf die Symptome und verordnete Bähungen und Tropfen; da diese 
Mittel indess nichts halfen, vielmehr der Zustand immer unangenehmer 
wurde, so dass Pat. kaum noch die Signale hören konnte und im 
Dienste durch das den ganzen Kopf einnehmende Brausen behindert 
war, stellte er sich im Sommer 1880 mir in der Poliklinik vor. 

Hörprüfung: Gehör für die Uhr rechts == 0, links ad conch. ; 
für die Flüstersprache etwa rechts 0,5, links 2 M. Perception vom 
Knochen vorhanden. 

Befund: Trommelfell matt, dunkel, theilweise getrübt (fleckig). 

Luftdouche normal; darnach subjective Besserung. Pat. Hess sich 
mehrere Tage Urlaub geben und liess sich täglich Luft einblasen. 
Wir erreichten nach Htägiger Kur rechts ^/^qq^ links ^o/jqq ^ sowie 
eine wesentliche Abschwächung des Sausens. Da das Politzer 'sehe ' 
Verfahren bei Pat. sehr guten Erfolg hatte, wurde er mit der Wei- 
sung, dasselbe täglich an sich vorzunehmen, entlassen. 

Man wird zugeben müssen, dass sich ein Mann, der seiner 
eigenen Angabe gemäss so schwerhörig ist, dass er die Signale 
kaum hören, jedenfalls nicht immer mit Sicherheit unterscheiden 
kann, ftlr den so wichtigen Bahnwärterdienst nicht tauglich ist. 
Unbegreiflich erscheint in diesem Falle das Vorgehen des Eisen- 
bahnarztes, der hier leicht für einen etwa eingetretenen Eisen- 
bahnunfall hätte verantwortlich gemacht werden können. 

G) Unter den 24 von mir behandelten Eisenbahnbediensteten 
finden sich sechs Schaffner und Bremser. Hier haben wir 
es, im Gegensatze zu den Bahnwärtern und Weichenstellern, we- 
niger mit solchen Beamten zu thun, an deren Hörfähigkeit der 
Bahndien.st sehr hohe Anforderungen stellt, als vielmehr mit 
solchen, welche sich in ihrem Berufe sehr leicht und wahrschein- 
lich sehr häufig Ohrenleiden zuziehen. Ein Jeder, der öfters 
Gelegenheit gehabt hat, mehrere Stunden hintereinander in einem 
Eisenbahncoup6 zu fahren, weiss, wie abspannend die Fahrt be^ 
sonders auf unser Ohr zu wirken pflegt ; der fortwährende Lärm, 
den die Bewegung der Räder verursacht, und der nur zu oft 
durch das Klirren von Fenstern, das Klappern von ungenügend 
befestigten Theilen des Wagens ungemein verstärkt wird, die 
dauernde Erschütterung, der der Körper des Wagemnsassens 



üeber Ohrenkrankheiten bei EisenbaKnbediensteten. 11 

aasgesetzt ist, hinterlassen häufig auf Standen eine mehr oder 
minder auffallende Gehörsverschlechterung auch bei ganz normal- 
hörenden Individuen. Unzweifelhaft handelt es sich hier in erster 
Linie um eine allgemeine Nervenüberreizung, speciell um eine 
TJebertäubung des Hörnerven; und, wenn Passagiere, die doch 
immer nur vorübergehend im Goup^ sitzen, so häufig temporär 
anter jenen Schädlichkeiten leiden , sollte man meinen, dass 
Schaffner und Bremser, die ihnen Tag für Tag ausgesetzt sind, 
auf die Dauer nicht unbeeinflusst bleiben können. Zwar ist es 
nicht zu bezweifeln, dass auch hier die Uebung und Gewöhnung 
Vieles vermag, würde es doch sonst am Ende nur schwerhörige 
Schaffner geben; aber ich glaube, dass die Folgen der Ueber- 
reizung bei einem überraschend grossen Theile der betreffenden 
Beamten nachweisbar sein würden. Es kommt hinzu, dass die 
Schaffner und namentlich die Bremser im Dienste sehr häufig 
Erkältungen und Durchnässungen ausgesetzt sind, die leicht zu 
katarrhalischen Erkrankungen des Ohres führen können. Von 
zwei Seiten drohen also die Gefahren. 

Die hierher gehörigen Fälle sind, von einem Falle von acuter 
Myringitis abgesehen, folgende: 

Fall II. Otitis media sclerotica. 

Heinrich M., 38 Jahre alt, aus Göttingen, seit mehreren Monaten 
Schaffneranwärter, leidet seit mehreren Wochen an zunehmender 
Schwerhörigkeit und Brausen, besonders im linken Ohre; mitunter 
trete Schwindel ein. Das rechte Ohr habe früher einmal gelaufen. 

Hörprüfung: Rechts ^lioo, links Vioo. Perception vom Kno- 
chen schwach; hohe Töne und Geräusche werden schlecht oder nicht 
gehört. 

Befund: Trommelfelle trübe und eingezogen; rechts im vor- 
deren Quadranten eine kleine halbmondförmige Verkalkung. 

Nach Katheterisirung hört Pat. links ^^loo. Im Verlaufe von 
einigen Wochen bessert sich unter Anwendung der Lnftdonche das 
Gehör auf: rechts ^^/loo, links ^^/loo; das Brausen ist fast ganz 
geschwunden. 

Fall III. Otitis med. chronica mit Labyrinthaffection. 

Carl G., 50 Jahre alt, aus Göttingen, ist viele Jahre lang Bremser 

gewesen, vor Jahresfrist aber in Folge einer Kniegelenksentzündung 

pensionirt worden; er hörte schon, als er noch im Dienste war, nicht 

. gut^ sucht aber erst jetzt Hülfe, weil die früher schwachen subjecti- 

ven Geräusche in letzter Zeit mehr hervortreten. 

Hörprüfung: Uhr rechts ^^/loo, links *<^/ioo. Perception vom 
Knochen fehlt; Stimmgabel (C) wird vor dem Ohre kaum gehört. 
Sprache in grosser Entfernung gut. 

Befund: Trommelfell trübe, ohne Lichtkegel. 



12 IL BÜRKNER 

Pat. wurde 4 Wochen lang mit dem Katheter behandelt, wo- 
durch das Sausen wieder schwächer, das Gehör rechts besser (^^/loo) 
wurde. 

Fall IV. Brausen ohne Befund. 

Gustav W., 33 Jahre alt, Schaffner aus Nordhausen. Pat., viele 
Jahre im Dienste, leidet seit einem Jahre an intermittirendem Brausen 
in beiden Ohren, das besonders laut wird, wenn er sich auf das 
rechte Ohr legt; auch während der Fahrt und nach Beendigung der- 
selben trete es stark hervor. Das Gehör sei gut. ' 

Hörprüfung: Uhr rechts und links ^^/loo* Flttstersprache 
3,5 Meter, gewöhnliche Sprache normal. Perception vom Knochen 
schwach. 

Befund: Normal. 

Nach Katheterismus geringe Abnahme des Sausens, doch bleibt 
die Therapie erfolglos. 

Fall y. Otitis media chronica mit Labyrinthaffection. 

Gottlieb N., 60 Jahre alt, Zugführer aus Hannover, schon über 
30 Jahre im Dienst, leidet seit mehreren Jahren an Brausen und 
Schwerhörigkeit in beiden Ohren, hat oft ein Gefühl von Verenge- 
rung und Verstopfung in denselben. Die Geräusche sind mitunter 
selbst während des Lärms auf der Fahrt zu hören und lassen nach 
Beendigung derselben erst allmählich wieder nach. 

Hörprüfung: Uhr beiderseits ad conch. Flüstersprache ganz 
schlecht, gewöhnliche Sprache circa 5 M. Perception vom Knochen 
fehlt. 

Befund: Dunkle, matte Trommelfelle ohne Reflex. Nach Kathe- 
terismus keine Besserung. 

Fall VI. Otitis media chronica mit Labyrinthaffection. 

Karl W., 36 Jahre alt, Schaffner aus Göttingen, 10 Jahre im 
Dienst, hört schon seit 5 — 6 Jahren nicht gut; hatte früher viel 
Brausen das sich aber jetzt verloren hat. Es fällt ihm auf, dass er 
die Uhr viel schlechter als z. B. die Unterhaltung hören kann. 

Hörprüfung: Uhr beiderseits nicht, Perception vom Knochen 
fehlt, gewöhnliche Sprache 2 — 3 M. 

Befund: Trübe Trommelfelle, pergamentartig. (Wurde abge- 
wiesen.) 

Alle diese Fälle haben das Gemeinsame, dass Keiner von 
den Patienten über erhebliche Behinderung im Dienste klagte, 
dass alle Patienten die Sprache gut, die Uhr, namentlich aber 
hohe Töne sehr viel 8chl|chter hörten, und dass die Perception 
vom Knochen schwach war oder fehlte. 

D) Was fttr die Schaffher und Bremser bezüglich der Dis- 
position zu Ohrenkrankheiten gilt, gilt wohl in erhöhtem Maasse 
auch für die Heizer und Locomotivführer, auf welche 
Moos speciell sein Augenmerk gerichtet hat. Bei diesen Be- 
amten kommt noch der Umstand hinzu, dass der durchdringende^ 



Ueber Ohrenkrankheiten bei Eisenbahnbediensteten. 13 

gellende Ton der Dampipfeif e , das Zischen des Dampfes, kurz 
der Lärm, den die Maschine verarsacht, aus nächster Nähe er- 
folgt, femer dass der Temperaturwechsel bei dem häufigen Oeff- 
nen der Feuerung ein sehr bedeutender ist. Man würde mithin, 
wenn unsere Voraussetzungen richtig sind, annehmen dürfen, 
dass sich unter den fraglichen Beamten noch mehr Ohrenkranke 
finden würden, als unter den Schaffnern. 

Von den beiden von mir behandelten Heizern war der eine 
mit einer bilateralen Ohrenschmalzansammlung behaftet, während 
der andere, yermuthlich durch die grosse Hitze auf der Masclune, 
ein Othämatom acquirirt hatte; auf Locomotivführer beziehen 
sich folgende Fälle: 

Fall VII. Otitis media chronica. 

Wilhelm R., 30 Jahre alt, langjähriger Locomotivführer aus 
Göttingen. Fat. kann seit einem Jahre nicht mehr ganz gut hören 
und bemerkte in letzter Zeit mehr Ohrenschmalz als früher; er hatte 
vor 2 Jahren längere Zeit eine Maschine zu fahren, die ganz be- 
sonders schrill pfiff. Sein Gehör reiche für den Dienst vollkommen 
aus, doch fürchte er, es könne noch mehr abnehmen. 

Hörprüfung: Uhr beiderseits ad conch., gewöhnliche Sprache 
5 M., Perception vom Knochen fehlt für die Uhr und hohen Töne. 
(Po litzer 's Hörmesser.) 

Befund: Trommelfell stark gespannt, Randtrübung, verwischte 
Lichtkegel. Eatheterismus normal. Im Laufe einer mehrmonatlichen 
Behandlung besserte sich das Gehör für die Sprache erheblich, für 
die Uhr auf rechts ^/loo, links ^/loo- Pat. ist später nicht wieder- 
gekommen^ obgleich ihm das sehr eindringlich empfohlen worden war. 

Fall VIII. Otitis media chronica. 

Wilhelm B. , 26 Jahr alt, Locomotivführer, früher Heizer, aus 
Göttingen.^ Seit einigen Tagen bleibt auf einige Minuten oder Stun- 
den das Gehör rechts bisweilen ganz aus, wobei häufig, starkes Rau- 
schen zu bemerken ist. Da Pat« auf dem linken Ohre gut höre, sei 
dies nicht eben störend, gebe aber doch leicht das Gefühl der Un- 
sicherheit. 

Hörprüfung: Uhr rechts ^^/loo, links ^^/loo. Flüstersprache 
rechts 2 M. , lioks 6 M. Perception vom Knochen schwach, aber 
auch für die Uhr vorhanden. 

Befund: Trommelfell etwas verdickt, sonst normal. 

Katheterisation gelingt gut, darnach subjective Erleichterung. 
Pat. blieb aus. 

Fall IX. Otitis media chronica. 

B., 35 Jahre alt, Locomotivführer aus Nordhausen, leidet seit 
3/4 Jahren an Schwerhörigkeit und Brausen in beiden Ohren, hört 
namentlich die höheren Töne schlecht und ist gegen den Pfiff der 
Maschine sehr empfindlich; die Mandpfeife hört er, besonders beim 
Rangiren, oft sehr undeutlich. 



14 IL BÜRKNER 

Hörprüfung: Uhr rechts = 0, links «/loo. Sprache relativ ^t. 

Befund: Matte, etwas röthliche Trommelfelle. Katheterisation 
gelingt gut, bessert das Gehör etwas, aber nicht auf die Dauer. 

Fall X. Brausen ohne Befund. 

Wilhelm. K., 47 Jahre alt, Locomotivführer aus Kassel. Haupt- 
sächlich, schon sehr lange, im Ranglrdienst beschäftigt. Pat. hat seit 
^2 Jahren häufig Brausen, hört aber nicht wesentlich schlecht. 

Hörprüfung: Uhr beiderseits ^®/ioo. Perception vom Knochen 
fehlt für die Uhr, ist aber für Stimmgabeltöne vorhanden. 

Befund: Negativ. 

Fall XI. Otitis media chronica. 

Georg Seh., 42 Jahre alt, aus Kassel. Seit 16 Jahren im Fahr- 
dienst, seit 14 Jahren als Locomotivführer angestellt. Bemerkt seit 
1 V2 Jahren Gehörsabnahme und Singen in beiden Ohren , hat oft 
Kopfschmerzen, kann die Signale mitunter nicht genau hören, so dass 
er sich oft im Dienste sehr anstrengen und sich doch manchmal auf 
den Heizer verlassen muss. 

Hörprüfung: Rechts Yioo, links 2/100. Flüstersprache l M. 
Perception vom Knochen fehlt. 

Befund: Trommelfell trübe, mattglänzend, rechts geringe In- 
jection. Katheterisiren hilft wenig; Pat. ist noch in Behandlung. 

Fall XIL Abgelaufene Processe im Mittelohre. 

August B., 44 Jahre, Locomotivführer (seit ?) aus Nordhausen; 
seit mehreren Monaten schwerhörig und Brausen beiderseits ; hatte 
vor mehreren Jahren in Folge totaler Durchnässung im Dienste Ohren- 
fluss, der von selbst heilte. 

Hörprüfung: Uhr beiderseits Vioo. Flüstersprache 1,5 M. 
Perception fehlt für die Uhr, ist aber für die Stimmgabel vorhanden. 

Befund: Beide Trommelfelle zeigen je eine Narbe und Ver- 
kalkung. (Abgewiesen.) 

Bei den Locömotivführem fehlte mithin wie bei den SchafT- 
nem in den meisten Fällen die Perception vom Knochen, sowie 
auch durchschnittlich bei wenig gehindertem Sprachverständniss 
hohe Töne schlecht oder nicht vernommen wurden. Es ist wohl 
anzunehmen, dass diese Symptome, theilweise wenigstens, Ver- 
änderungen im Labyrinthe zuzuschreiben sind, mögen dieselben 
nun primär, in Folge directer Reizung (üebertäubung) des Hör- 
nerven durch Schall und Erschütterung, oder secundär, in Folge 
von bestehenden Katarrhen im Mittelohre, entstanden sein. Diese 
Voraussetzung gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass die 
Perception vom Knochen in keinem Falle nach der Luftdouche 
wesentlich gebessert war, wie ich das bei Fällen von einfachem 
chronischen Katarrh sehr häufig gefunden habe.^) Ich möchte 

1) Siehe: „Gasuistisches über intermittirende Schallperception vom Kno- 
chen." Arch. f. 0. XIV. S. 96. 



Ueber Ohrenkrankheiten bei Eisenbahnbediensteten. 15 

auch glauben, dass es sich in manchen Fällen von Moos um 
ähnliche Labyrinthaffectionen gehandelt habe, welche neben 
Mittelohrprocessen bestanden. 

Weitere Bemerkungen will ich an meine Beiträge zu einer 
Statistik der Ohrenkrankheiten bei Eisenbahnbediensteten nicht 
knüpfen, um so weniger, als dieselben vorläufig mehr oder we- 
niger theoretischer oder hypothetischer Natur sein würden. Es 
muss viel Material zusammengetragen werden, ehe man berech- 
tigt sein kann, Positives über die Bedeutung und den Umfang 
der Ohrenkrankheiten bei den Eisenbahnbeamten zu behaupten. 
Jedesfalls hat Moos sehr Recht, wenn er die maassgebenden 
Kreise auf diesen Punkt aufmerksam zu machen sucht und ^venn 
er behauptet, dass schon Ausnahmen genügen würden, um das 
reisende Publiclim in hohe Gefahren zu bringen. Mit den Schluss- 
sätzen von Moos kann ich mich im Ganzen einverstanden er- 
klären ; nur müssen meiner Ansicht nach auch die übrigen Bahn- 
bediensteten , speciell die Weichensteller und Bahnwärter be- 
rücksichtigt werden, die zwar durch ihren Beruf nicht in so hohem 
Grade Schädlichkeiten ausgesetzt sind, die jedoch so wenig wie 
die Locomotivführer ein annähernd normales Gehör entbehren 
können. 



IIL 

Beiträge zn den im Verlauf der acuten Exantheme 
auftretenden Gehoraffectionen. 

Von 

Privatdocent Dr. J. Gottstein 

in Breslau. 

Es ist ein unbestreitbares Verdienst Barckhardt-Merian's, 
dass er in der Yolkmann'schen Sammlung klinischer Vorträge, 
also in einem Organe, das einer weiten Verbreitung unter dem 
ärztlichen Publikum sich erfreut , auf die wichtigen Beziehungen 
des Scharlachs zu den Erkrankungen des Gehörorgans aufmerk- 
sam gemacht hat. Das aber, was dieser Autor vom Scharlach 
sagt, gilt auch mehr oder minder für die übrigen acuten Exan- 
theme und zum Theil auch für alle acuten Infectionskrankheiten. 
Wenn unsere Kenntnisse über die im Gefolge dieser Krankheiten 
auftretenden Gehoraffectionen überaus mangelhaft sind, so liegt 
der Grund hauptsächlich darin, dass dieselben nicht frühzeitig 
genug zur Untersuchung und Behandlung kommen. Burck- 
hardt-Merian gibt an, dass von den S5 von ihm beobachteten 
Ohrenerkrankungen nach Scharlach nur 16 oder 18,83 Proc. beim 
Eintritt in seine Behandlung eine Krankheitsdauer von weniger 
als ein halbes Jähr hatten , alle übrigen älteren, zum Theil sehr 
alten Datums waren. Es ist klar, dass unter diesen Umständen 
die Entstehungsart der Affection dunkel bleiben muss. Die wich- 
tigen Fragen, ob wir es bei den Ohrenerkrankungen im Gefolge 
der acuten Exantheme und der Infectionskrankheiten mit fortge- 
leiteten zu thun oder ob wir die specifischen Krankheitserreger 
als Ursache zu betrachten haben, kann nur entschieden werden, 
wenn wir diese Krankheiten von ihren ersten Anfängen aus be- 
obachten können. Und gerade hierzu ist uns — gestehen wir 
es offen, durch die Indolenz der behandelnden Aerzte — sehr 
selten Gelegenheit geboten. 



Im Verlauf der acuten Exantheme auftretende Gehöraffectionen. 17 

Eine Zusammenstellang von 1193 von mir in 2^/4 Jahren 
poliklinisch behandelten Ohrenkranken ergab mir 66 Fälle oder 
5,5 Proc.y in denen Scharlach, Masern oder Pocken als Ursache 
mit Bestimmtheit angegeben wurden. Dabei muss ich bemerken, 
dass ausserdem in einer ganzen Anzahl von Fällen t!n acutes 
Exanthem als Ausgangspunkt der Ohrenkrankheit als wahrschein- 
lich betrachtet werden musste, nur konnten die Kranken wegen 
der langen Dauer ihres Leidens es nicht sicher bestimmen. Von 
diesen 66 Fällen kamen nur 3 Fälle in den ersten 14 Tagen, und 
1 Fall nach 4 Wochen, alle übrigen nach viel längerer Zeit in 
Behandlung. Ich zweifle nicht daran, dass die meisten andern 
GoUegen in diesem Punkte nicht glücklicher sind. Darf es uns 
daher Wunder nehmen, dass der Frage gegenüber: „Wie ent- 
stehen die intensiven Zerstörungen am Trommelfell, die wir ge- 
rade nach Scharlach und Masern so häufig beobachten?'', die An- 
gaben der Autoren widersprechend sind? Es ist gewiss kein 
blosser Zufall, dass gerade Wreden im Gegensatze zu andern 
Autoren eine so grosse Anzahl diphtheritischer Mittelohrentzün- 
dungen im Verlaufe von Scharlach an Lebenden beobachtet hat; 
ihm stand das reiche Material der grossen Einderhospitäler in 
Petersburg zu Gebote, ihm kamen die Fälle frühzeitig zu Gesicht, 
jedenfalls noch zu einer Zeit, • wo die Pseudomembranen sich noch 
nicht abgestossen hatten. Nach Wreden hält das Exsudations- 
stadium nur etwa 14 Tage an und danach tritt das Suppurations- 
stadium ein. Es ist hiernach klar, dass, wenn die Krankheits- 
fälle erst in der dritten oder vierten Woche, sei es am Lebenden 
oder sei es am Sectionstische, zur Beobachtung kommen, es sich 
nicht mehr feststellen lässt, ob eine diphtheritische Entzündung 
vorausgegangen ist oder ob von vornherein eine suppurative Ent- 
zündung vorhanden war. 

Nach alledem kann nicht genug betont werden, wie noth- 
wendig es ist sowohl im Interesse der Leidenden als im Interesse 
der Wissenschaft, dass die im Verlaufe der acuten Infections- 
krankheiten auftretenden Ohrenerkrankungen von ihren ersten 
Anfängen an beachtet werden, und hierzu wird das Material in 
erster Reihe von den Kinderhospitälem geliefert werden mtlssen. 
Indess scheinen mir auch kleinere Beiträge nicht ohne Werth zu 
sein und ich erlaube mir daher drei Fälle, die ich im Laufe dieses 
Jahres beobachtet habe, mitzutheilen. 

Acute desquamative Entzündung des Trommelfells im Verlaufe 
der Masern; perforative eitrige Mittelohrentzündung; Heilung. 

Archiy f. Ohrenlieilkande. XYII. Bd. 2 



18 m. GOTTSTEIN 

Gertrud 0.^ Bachhändlertochter, 4 Jahre alt, erkrankte Anfang 
Febrnar an Masern; in der zweiten Woche klagte sie gleichzeitig 
über Halsschmerzen und Stechen in beiden Ohren; die Schmerzen 
liessen bald nach, aber es blieb Schwerhörigkeit zurück; am 25. Fe- 
bruar, 14 Tage nach den ersten Erscheinungen in den Ohren, wurde 
ich deswegen um Rath gefragt; das Kind war fieberfrei, die laute 
Sprache wurde nur in der Nähe verstanden; Gehörgang beiderseits 
ausgefüllt mit einer grauweisslichen Masse, die sich weder durch Aus- 
spritzen noch mit der Pincette entfernen Hess. Ich glaubte es mit 
einer croupösen Membran zu thun zu haben ; dafür sprach das Aus- 
sehen derselben, die Entwicklung während der Masern, die fieber- 
haften Erscheinungen, das gleichzeitige Auftreten auf beiden Seiten. 
Unterstützt wurde ich in dieser Ansicht durch die Angabe der Mutter, 
dass der Bildung des Ohrenleidens Halsschmerzen vorangegangen 
waren. Die Annahme einer desquamativen Entzündung glaubte ich 
von der Hand weisen zu müssen, weil mir eine acute Entwicklung 
derselben weder aus der eigenen Erfahrung noch aus der Literatur 
bekannt war, weil ferner bei der desquamativen Entzündung des 
äusseren Gehörganges die Epithelialschollen in ihren einzelnen La- 
mellen sich erkennen lassen, während bei dem Kinde der äussere 
Gehörgang wie durch eine graue Wand in seinem Lumen abgeschlos- 
sen war. 

Ich verordnete prolongirte Ohrbäder von Aqu. calcis, in der 
Absicht, die vermeintlichen croupösen Membranen aufzulösen. Erst 
am dritten Tage gelang es mir die Pseudomembranen aus dem Ge- 
hörgange durch Ausspritzen zu entfernen; dieselben bildeten einen 
vollständigen Abdruck beider Trommelfelle. Sie waren von regel- 
mässiger Form, nahezu kreisrund, nur nach oben entsprechend der 
Stelle des Trommelfells zwischen den Enden des Paukenringes abge- 
plattet, der Dickendurchmesser etwa 2 Mm., Höhe und Breite 8 Mm. ; 
die äussere Fläche war convex derart, dass die stärkste Hervorwöl- 
bung nahezu in der Mitte war, entsprechend dem Umbo des Trom- 
melfells. Dass die eigenthümliche Form der Membran keine zufällige, 
sondern der wirkliche Abdruck des Trommelfells war, bewies mir 
die Uebereinstimmung beider Membranen. 

Ich glaubte auch jetzt noch, dass dieselben croupöser Natur 
waren, erst die mikroskopische Untersuchung, deren Resultat ich bald 
mittheilen werde, sollte mich eines anderen belehren. Ich erwähne 
noch, dass beide Trommelfelle etwa linsengrosse Perforationen zeigten, 
dass die Membranen sich nicht wieder neu bildeten und dass eine 
Otorrhoe zurückblieb, die nach 14 Tagen nach entsprechender Be- 
handluDg sistirte. Später stellte sich ein Recidiv der Otorrhoe ein, 
das hartnäckiger war. 

Die von Herrn Prosector Dr. Marchand vorgenommene mikro- 
skopische Untersuchuiig ergab einen Befund, den ich mit seinen Wor- 
ten folgen lasse: „Das in der Einschmelzungsmasse befindliche, zum 
Theil gefärbte Häutchen besass etwa eine Dicke von 1 Mm. und be- 
stand, wie sich an Querschnitten zeigte, aus sehr zahlreichen über- 
einander geschichteten Lamellen, welche sich an den Rändern aus- 



Im Verlauf der acuten Exantheme auftretende Gehöraffectionen. 19 

einander faserten. Die lockere Schichtang erweckte sofort die Ver- 
mnthnng, dass es sich lediglich um epidermoidale Gebilde handelte, 
obwohl einzelne Zellformen nicht deutlich waren und nur stellenweise 
in der Flächenansicht eine unbestimmt netzförmige Zeichnung, wie 
von verhornten Epidermiszellen hervortrat. Sehr viel deutlicher wurde 
diese bei der Behandlung mit Kalilauge nach vorheriger Extraction 
der Einschmelzungsmasse. Unter bedeutender Quellung der Lamellen 
kamen sofort die polyedrischen Grenzen der verhornten Zellen in 
Form eines feinen Netzes zum Vorschein ; Kerne wurden nicht deut- 
lich. Es handelt sich folglich unzweifelhaft um dicht übereinander 
gelagerte Schichten verhornter Epithelzellen. Ueber etwaige Fett- 
oder Gholestearinkrystalle konnte in Anbetracht der Einschmelzung 
in Stearinmasse selbstverständlich kein Aufschluss erhalten werden.*' 

Der Fall bietet, wie ich glaube, nach verschiedener Rieh- 
tong hin ein besonderes Interesse. Mein diagnostischer Irrthiim 
scheint v7ohl verzeihlich; er mahnt uns in allen Fällen acuter 
Erkrankungen, wo wir Membranen im Gehörgange finden, durch 
mikroskopische Untersuchung die Diagnose zu sichern. Ich kann 
nicht glauben, dass mein Fall einer acuten desquamativen Ent- 
zündung so vereinzelt dastehen wird, sondern dass vielleicht 
manche für croupös gehaltene Membranen auch epithelialer Natur 
waren. Der Fall beweist femer, dass, wenn wir Otorrhöen, die 
sich bei einem acuten Exanthem entwickelt haben, nach mehrerer 
Wochen Dauer in Behandlung bekommen, wir nicht angeben 
können, ob dieselben das Resultat einer einfachen, einer crou- 
pösen oder desquamativen Entzündung gewesen sind. Endlich 
liefert meine Beobachtung einen Beitrag zur Entscheidung der 
Frage, ob die lamellösen Massen, die sich an verschiedenen Stellen 
des Gehörorgans zuweilen vorfinden und sich als eine Anhäufung 
epithelialer Gebilde charakterisiren, stets als eine selbstständige 
und primäre Geschwulstbildung (Cholesteatom des Felsenbeins 
der Autoren) oder wie zuerst v. Tröltsch und Wendt es wahr- 
scheinlich gemacht haben, als EntzUndungsproducte zu betrachten 
seien. Denn wenn ich auch meine Kranken im Anfangsstadium 
des Qhrenleidens nicht untersucht habe, so glaube ich doch, dass 
die entzündliche Natur der Krankheit nicht zu bezweifeln ist; 
fraglich wäre nur, ob die Epithelialbildungen Folge der Eiterung 
waren, wie v. Tröltsch sich die Sache vorstellt, oder ob wir 
es ursprünglich mit einer specifischen Entzündung des Trommel- 
felles zu thun haben (desquamative Entzündung. Wendt). Ich 
muss mich fbr letztere Annahme aussprechen. Die regelmässige 
Form der Massen beweist mir, dass das Trommelfell in seiner 
ganzen Ausdehnung sich in einem Entzündungszustand ' befand, 

2* 



20 ni. GOTTSTEIN 

der eine reichliche Proliferation und Abstossung von Epithelial- 
zellen bewirkte. Die Perforation sowie die Eiterung waren Pol- 
gen dieser Entzündung. Ich behalte mir vor eine Beobachtung 
mitzutheilen, bei der ich wiederholt und durch längere Zeit eine 
Abstossung epithelialer Gebilde vom Trommelfell mit consecuti- 
ver Perforation beobachtete und bei der die Oeffnung sich sofort 
schloss, sobald der Desquamationsprocess aufhörte. 

Keineswegs aber können wir uns den Vorgang derart denken, 
dass stagnirender Eiter durch Eintrocknung die Veranlassung zur 
Bildung der Epithelialmassen (v. Tröltsch) gegeben hat. 

Ob die desquamative Entzündung in irgend einer Beziehung 
zur Desquamation der allgemeinen Hautdecken stand, lässt sich 
mit Bestimmtheit nicht sagen ; diese Frage . könnte nur durch 
weitere Beobachtungen beantwortet werden. Gonstatiren mnss 
ich, dass meiner Erfahrung nach bei fast allen Ohrenerkrankun- 
gen nach Masern und Scharlach die Ohrenkrankheit zur Zeit der 
Desquamation ihren Anfang nimmt. 

Wie ich schon gesagt habe, stehen mir über die Häufigkeit 
der Otitis crouposa nach Scharlach keine ausreichenden Erfah- 
rungen zu Gebote; indess habe ich im Laufe dieses Jahres zwei 
Krankheitsfälle beobachtet, von denen der eine mit Sicherheit 
als Otitis crouposa scarlatinosa, der andere mit Wahrscheinlich- 
keit zu betrachten war. Ich erlaube mir dieselben mitzutheilen. 

Croupöse Entzündung des Velums, des Pharynx, der Nase und 
beider Mitteiohren in der zweiten Woche des Scharlachs. Otorrhoe, 
Heilung. 

Die 5V2 Jahre alte W. in Gleiwitz erkrankte am 28. December 
1879 an Scarlatina. Am 30. beobachtete der behandelnde Arzt, Herr 
Kreisphysikus Dr. Hauptmann, dem ich auch diese Notizen ver- 
danke, die ersten Zeichen der Diphtheritis im Halse, die anfangs 
nicht sehr heftig auftraten und unter einer entsprechenden Behand- 
Inng verschwanden. Am 6. Januar wurden von Neuem diphtheri- 
tische Membranen im Rachen und in der Nase beobachtet. Am 8. 
bemerkte man, dass das Kind auf dem rechten Ohre schwerhörig 
war, am folgenden Tage auch auf dem linken. Am 12. wurde ich 
zu der Kranken nach Gleiwitz gerufen. Das Kind, welches vorher 
nie ohrenkrank gewesen ist, hörte die Sprache nur bei sehr lautem 
Rufen in der Nähe des Ohres. Gaumen, Uvula, Tonsillen und Pha- 
rynx waren mit diphtheritischen Membranen belegt; im äusseren Ge- 
hörgang fanden sich beiderseits Membranen, die sich durch Ausspritzen 
theilweise entfernen Hessen ; beim Ausspritzen fliesst Flflssigkeit durch 
die Nase ab; die Trommelfelle waren als solche nicht zu erkennen, 
weil sie. mit Membranen bedeckt waren, die sich aus der Paukenhöhle 
hervordrängten. Die mikroskopische Untersuchung der entfernten 



Im Verlauf der acuten Exantheme auftretende Gehöraffectionen. 21 

Membranen, die ichmit Herrn Kreiaphysikna Hauptmann vornahm, 
Hessen keinen Zweifel über ihre fibrinöse Beschaffenheit. Nach alle- 
dem stellte ich die Diagnose auf croupöse Entzündung des Mittelohres, 
mit Wahrscheinlichkeit vom Pharynx durch die Tuba fortgepflanzt. 
DafQr sprach der directe Nachweis der Membranen in der Trommel- 
höhle und gleichzeitig im Pharynx und die ganz auffallende, nahe 
an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, die einen Tubenverschluss 
wahrscheinlich machte. Ich muss bemerken, dass wegen der vorhan- 
denen Nasendiphtherie wiederholt die Nasendouche gebraucht worden 
ist, und ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass auf diesem 
Wege der Process auf die Tuba fortgepflanzt worden ist. Ich halte 
die Nasendouche bei Nasendiphtherie fllr ein sehr zweifelhaftes Re- 
medium, besonders bei Kindern, bei denen durch Schlingbewegungen 
und unruhiges Halten des Kopfes die Flüssigkeit leicht in die Tuba 
dringen kann. Ich kam mit den CoUegen Hauptmann und Mosler, 
den behandelnden Aerzten überein, durch prolongirte Bäder mit Aqntk 
calcis die Membranen zur Lösung zu abringen und durch häufige Aus- 
spritzungen mit GarboUäurelösungen zu entfernen. Nach meinen Er- 
fahrungen, die ich bei Diphtheritis gemacht habe, kann ich nicht 
ganz mit der Behandlung Burckhardt-Merian's übereinstimmen. 
Ich habe schon bemerkt, dass ich die Nasendouche als prophylak- 
tisches Mittel für sehr zweifelhaft halte, erstens weil sie nicht aus- 
reichend ist, die Membranen zu entfernen und zweitens, weil sie die 
Gefahr der Weiterverbreitung mit sich bringt. Sodann muss ich mich 
im Sinne OerteTs gegen die Cauterisation aussprechen. Ich kenne 
kern Mittel, dem wir mit Sicherheit die Fähigkeit zuschreiben können, 
eine diphtheritisch erkrankte Schleimhaut in ihrer fibrinösen Ausschei- 
dung zu hemmen. Ich habe von der Anwendung der verschieden- 
artigsten Cauterisationen keine Kürzung des diphtheritischen Processes 
gesehen, und ich finde die Aufgabe der Therapie in der Entfernung 
der gebildeten Membranen und der Desinfection der Schleimhaut. Ich 
glaube auch, dass in der letzteren Wirkung der Hauptnutzen der 
von Burckhardt-Merian angewandten Cauterisationen mit zehn- 
procentigem Salicylspiritus liege, ziehe es aber vor, das Augenmerk 
auf die Lösung und Entfernung der Membranen zu richten. Grade 
die Trommelhöhle ist für diese Behandlung am zugänglichsten, weil 
wir durch prolongirte Bäder die Membranen lange in Berührung lassen 
können mit dem Lösungsmittel; als solches ziehe ieh Aqua calcis * 
den anderen vor. 



Den weiteren Verlauf der Krankheit konnte ich leider nicht 
selbst beobachten, da ich am andern Morgen Gleiwitz verliess. 
Herr College Hauptmann war so freundlich, mir darüber zu 
berichten, dass noch einige Zeit — sicher kann er nicht angeben, 
wie lange — Membranen abgingen, dass nach 14 Tagen eine 
Otorrhoe emtrat, dass aber das Gehör sich schon vorher besserte. 
Ich sah das Kind noch einmal am 27. März. Ich fand beiderseits 



22 m. GOTTSTEIN 

Perforation und massige Eiterang, Flüsterstimme wurde in einer 
Entfernung von 3 Meter gehört. 

Einen zweiten Fall, den ich als Otitis diphtheritica ansah, 
den ich jedoch, da ich leider die Diagnose nicht durch die mi- 
kroskopische Untersuchung controllirt und ich mich durch die 
erste mitgetheilte Beobachtung überzeugt habe, wie wichtig und 
unerlässlich eine solche Gontrolle ist, jetzt für zweifelhaft halte, 
tbeile ich mit, weil er durch verschiedene Kebenumstände beson- 
ders interessant ist. 

Fall von Haisdiphtheritis und linksseitiger Otitis diphtheritica in 
der zweiten Woche der Masern. Heilung. 

Fr. L.,,EanfmanD8Sohn, 7 Jahre alt, erkrankte Anfang Februar 
an Masern ; der Verlauf war normal, in der Mitte der zweiten Woche 
stellten sich unter erneuten Fiebererscheinungen heftige Halsschmer- 
zen ein. Die Untersuchung er^b diphtheritische Membranen an der 
Uvula, an dem welchen Gaumen und au den Tonsillen. Gleichzeitig 
beobachtete man linksseitige Schwerhörigkeit. Der behandelnde Arzt, 
Herr Dr. Asch veranlasste mich, das Gehörorgan zu untersuchen. 
Dies geschah am 20. Februar. Die Hörweite betrug links für die 
laute Sprache etwa 1 Meter, in dem linken Gehörgange fanden sich 
cronpös aussehende Membranen, die sich nur sehr schwer und nicht 
vollständig entfernen Hessen ; Schmerzhafllgkeit war nicht vorhanden. 
Ich verordnete Ohrbäder mit Aqua calcis und häufiges Ausspritzen 
des Ohres. Am folgenden Tage war die Masse der Membranen ge- 
ringer, am 22. lag das Trommelfell frei mit Perforation; in der 
Trommelhöhle eitriges Secret, aber keine Membranen. Die weitere 
Behandlung bestand in Einblasungen von Salicylpulver und führte 
nach 5 Wochen zur vollkommenen Heilung mit Erhaltung des nor- 
malen Gehörs. 

Interessant bei diesem Falle war, dass eine jüngere Schwe- 
ster, die sich gleichfalls in der Reconvalescenz der Masern be- 
fand, zu derselben Zeit, als der Bruder die diphtheritische Hals- 
entzündung bekam, an Scarlatina mit einer einfachen Angina 
und in der dritten Woche des Scharlachs an einer einfachen 
Otitis erkrankte, die ohne Eiterung und Perforation nach wenigen 
Tagen der Behandlung wich. 

Obgleich der mikroskopische Nachweis von der diphtheri- 
tischen Beschaffenheit der Membranen zur Bestätigung der Dia- 
gnose fehlt, halte ich dennoch die Annahme einer Otitis diph- 
theritica für wahrscheinlich, hauptsächlich weil das Ohrenleiden 
der diphtheritischen Halsentzündung folgte. Zweifelhaft können 
nur zwei Funkte sein, erstens ob das Ohrenleiden in irgend einer 
Beziehung zu den Masern stand, und zweitens ob die Ausbreitung 
des diphtheritischen Frocesses vom Halse durch die Tuba nach 



Im Verlauf der acuten Exantheme auftretende Gehöraffectionen. 23 

dem Mittelohre stattgefunden hat. Ich halte zunächst das Auf- 
treten der diphtheritischen Halsentzündung bei dem Knaben gleich- 
zeitig mit dem Ausbruch der Scarlatina bei der Schwester fttr 
kein zufälliges. Es ist ja bekannt, dass zur Zeit von Scharlach- 
epidemien schwere Anginenformen diphtheritischer und nicht diph- 
theritischer Art ohne Exanthem häufig sind ; ich glaube nun, dass 
der Knabe unter diesem epidemischen Einflnss seine Diphtheritis 
bekam. Nun ist in der zweiten Woche' der Masern eine Prae- 
disposition zu Ohrenerkrankungen vorhanden, und es lässt sich 
sehr leicht denken, dass in einem solchen Falle die Ohrenerkran- 
kung einen diphtheritischen Charakter annimmt. Mir scheint es 
wenigstens nicht wahrscheinlich, dass eine Fortleitung durch die 
Tuba stattgefunden hat; hiergegen sprach das Fehlen der diph- 
theritischen Membranen am Pharynx sowie die relativ geringe 
Schwerhörigkeit. Burckhardt-Merian geht, meiner Meinung 
nach, zu weit, wenn er annimmt, dass die Tuba der einzige Weg 
sei, durch den sich eine diphtheritische Ohrenentzündung bei 
einer An^a diphtheritica bildet. Dieselbe kann ebenso gut die 
symptomatische Aeusserung der diphtheritischen Infection sein, 
wie zweifellos nicht jede einfache Mittelohrentzündung bei Schar- 
lach fortgeleitet ist vom entzündeten Pharynx, sondern durch den 
„specifischen Krankheitserreger" der Scarlatina hervorgerufen sein 
kann. Meiner Erfahrung nach treten die Ohrenerkrankungen bei 
Scharlach sehr oft erst in einem späteren Stadium der Krankheit 
auf, wo die entzündlichen Erscheinungen im Halse bereits abge- 
laufen sind, und in diesem Falle lässt sich ein Causalzusammen- 
hang zwischen dem Hals und dem Ohrenleiden kaum noch als 
möglich und wahrscheinlich denken. Wenn wir in Betracht ziehen, 
wie häufig Ohrenerkrankungen bei Scharlach, Masern, Pocken, 
Typhus, Meningitis cerebrospinalis, und wie neuerdings Luch- 
hau in einer interessanten Arbeit (Virch. Arch. Bd. 82. H. I. 1880) 
zeigte, auch bei Recurrens vorkommen, so müssen wir sagen, dass 
bei den Infectionskrankheiten die „ specifischen Krankheitserreger " 
mit Vorliebe das Ohr in Mitleidenschaft ziehen. 

Wir können daher nicht oft und eindringlich genug betonen, 
wie noth wendig es ist, das Gehörorgan rechtzeitig bei diesen 
Krankheiten zu untersuchen, nicht nur, um manchem langwierigen 
Ohrenleiden vorzubeugen, sondern auch um über die Natur dieser 
Erkrankungen Klarheit zu erlangen. 



IV. 

• 

Snmmarischer Bericht 
der k. k. otiatrischen üniTersitätskliiiik des Prof. E. Zaafal 

für das Jahr 1879. 

Von 

Dr. J. Habermaniiy 

klin. Asfiistentep. 

Vom Vorjahre waren auf der Klinik in Be- 
handlung verblieben 10 ( 5 M. 5 W.) 

Zugewachsen sind 166 ( 95 M. 71 W.) 

Summa der klinischen Kranken .... 176 (100 M. 76 W.) 

In ambulatorischer Behandlung waren ver- 
blieben 26 ( 17 M. 9 W.) 

Zugewachsen sind 794 (495 M. 299 W. ) 

Summa der ambulatorisch Behandelten . . 820 (512 M. 308 W.) 

Aus der Ambulanz zur Klinik wurden auf- 
genommen 25 ( 17 M. 8 W.) 

Nach Abzug dieser beträgt die Gesammt- 

Bumme der Kranken 971 (595 M. 376 W .) 

61,270/0 M. 38,730/0 W. 

Direct zur Ordination kamen 863 (533 M. 330 W.) 

Von den Kliniken und Abtheilungen des k. k. 

allgemeinen Krankenhauses wurden zur 

Behandlung geschickt 60 ( 37 M. 23 W.) 

Von der k. k. Universitätspoliklinik wurden 

geschickt' 48 ( 25 M. 23 W.) 

Summa 971 (595 M. 376 W.> 

Bios einmal zur Untersuchung kamen . . 204 »» 21,01 ^/o 
Behandelt wurden also 767 = 78,99 o/o 

Von den Behandelten wurden geheilt . . 345 = 44,98 o/o 

gebessert 261 — 34,93 o/o 

blieben ungeheilt ^ 46 = 6,00 o/^ 

Resultat ist unbekannt 66 «= 8,60 o/^ 

sind gestorben 4 = 0,52 ^/o 

Wurden transferirt auf andere Abtheili|ngen 6 «= 0,78 o/^ 

In Behandlung verblieben .<.... 39 «= 5,08 o/^ 



Stunmar. Be 


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Catarrh. tnb. Eustach. acut. . . . 
Catarrh. tut Eastacb. chron. . . . 

Otit med. catarrh. acnt 

Catarrh. chron. cav. tjmp 

Otit. med. suppur. acuta 

Otit. med. snpp. chron. sine compUc. 
Otit. med. Bupp. chron. complidrt mit 


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1 




Accumulatio ceruminis . . 






54 


25 


24 


16 


30 


9 


Corp. alienum in meat. aud. 


















ext 


__ 


^.^ 


8 


6 


7 


6 


1 


^^^ 


Otit. ext. circumscripta (Fu- 


















runkel) 


— 


— 


8 


8 


8 


6 




2 


Fissura meat. aud. ext. . . 


^— 


_ 


2 


~— 


1 




1 


.^ 


'Commotio membr. tymp. 
Buptura träum, membr. tymp . 
Gatarrh. acut, tub; Eustacn. 


.^ 




l 


._ 


1 


^__ 




.^_ 




— 


2 




2 


— 




— 




— 


• 9 


10 


1 


3 


8 


7 


Gatarrh. chron. tub. Eustach. 


2 


^_ 


18 


ir 


4 


_^ 


16 


11 


Abnormes Offenstehen der 


















Tub. Eustach 


— 




2 




2 


— 


— 


— 


Otit. med. serosa (Hydro- 


















tymp.) 




— 


1 


1 


1 


— 


— ' 


1 


Otit. med. catarrh. acuta . 


-i- 




27 


6 


15 


1 


12 


5 


Gatarrh. chron. cav. tymp. 


3 


3 


128 


89 


10 


5 


121 


87 


Otit. med. supp. acuta . . 


5 


1 


26 


9 


23 


10 


8 


— 


Otit. med. supp. chron. sine 












► 






comül 


l 




84 


49 


54 


24 


31 


25 


^^^^ ■■■^^*» ■ V V • • • • 

Otit med. supp. chron. com. 


* 




v^^ 


^K V 


*^^ 


^■^ 


%^ IL 


■PV 


plicirt mit: Granulatio . 


5 


3 


30 


15 


26 


13 


9 


5 


— Polyp 




^_ 


11 


4 


10 


4 


1 


— 


— Stenosis meat. aud. ext. 




_ 


1 




1 


~— 




— 


— Abscess. proc. mast. . 


1 




1 


4 


2 


4 




-— 


— Garies et Necros. . . 


__ 




4 


4 


4 


3 




1 


Folgezustände der Otit med. 




f 














supp. chron.: Perforat 


















membr. tymp. sine otorrh. 


■ 


.^ 


5 


5 


2 


3 


3 


2 


— Gicatrix membr. tymp. 




2 


20 


12 


5 


4 


15 


10 


— Atresia meat aud. ext. 




___ 


— . 


3 


— 


1 




2 


Taubheit mit Meni^re*schen 


















Sympt r - 







5 


1 




^^^^ 


5 


1 


Affectio labyrinthi . . 


» 






-— . 


6 


6 


3 


— 


3 


6 


Neuralgia n. trigem. 


• 






— 


2 


4 


2 


4 




— 


Gorp. alienum in nasc 


\ 






— • 


2 


— 


2 


— 




— 


Eczema nasi .... 






-_ 




2 


1 


— 


— 


2 


1 


Gatarrh. acut nasi . 






— 


— . 


— 


1 






^~ 


l 


Gatarrh. chron. nasi . 






— 


— _ 


8 


6 


1 


- — 


7 


6 


dzaena idiopathica 






• 




2 


2 


— 




2 


2 


Polypi nasi . . . , 








— 


7 


2 


3 


1 


4 


1 


Syphilis nasi . . . 






— 


— 


4 


4 


— 


— 


4 


4 . 


Angina tonsill. . . . 






— 


— 


1 


1 


1 


— 


— . 


1 


Sine morbo . . . 






— 


— 


8 


5 




— 


8 


5 


Si 


um 


ne: 


17 


9 


495 


299 


219 


109 


293 


199 



Sommar. Bericht d. k. k. otiatr. UniTersitätsklinik d. Prof. E. Zaafal f. 1879. 27 



lanten. 



Abgang 


Auf die 
Klinik 


Verblieben 


geheilt 


gebessert 


angeheilt 


Behand- 

langsresnlt. 

unbekannt 


ohne' 
Behandlung 


gestorben 


aufge- 
nommen 


Ende 1875 


M. 


w. 


M. 1 W. 


M. W. 


M. Wm 


M. W. 


M. 


w. 


M. W. 


u. w. 


3 
2 

8 

8 

1 

1 

9 

10 

1 

13 
21 
15 

25 

7 
2 
1 
1 
1 

1 

1 
2 
1 

2 

3 

1 


1 
1 
25 
6 
8 

9 
3 

1 
5 

14 
5 

16 

4 
1 

2 

1 
1 
3 

1 

1 

108 


6 

2 
55 

1 

10 

11 
5 

1 

2 
10 

3 
2 

108 


l 

36 

8 

7 

1 

2 
5 

2 
2 


3 

3 

1 

2 
9 


3 

3 

1 

2 

1 


2 

2 

1 

1 
4 
8 
6 

15 

7 
1 

1 

1 
1 

1 


1 

2 
2 

4 

2 

1 

1 

1 
l 


1 

1 

7 

36 

5 

25 

6 
2 

1 

3 

8 

5 
5 

1 

1 

2 
4 

8 
124 


3 

1 
4 

27 
2 

12 

3 

2 

3 
6 
2 

1 
5 
2 

1 
4 

5. 


1 

1 

2 


— 


1 
1 

1 
5 
2 

4 

1 
1 

1 
17 


1 

1 
2 

2 
2 

« 


3 

1 

2 
2 

1 
1 

10 


1 

9 
1 

4 

1 
1 

1 . 

1 


m 


64 


10 


51 


15 


83 


— 


8 


20 



1 



28 



IV. HABERMANN 



Operationstabelle. 



Name der Operation. 



Männer 



B 



{ 

Weiber 



fi 



es 

a 



QQ 



1. AeuBserer Qehörgang. 

Entfernung Yon Fremdkörpern a) mit Spritze 

b) mit Instrumenten 

Durchbrennen von Atresien mit Galvanokauter 

Einschnitt nach v. Tröltsch 

Auslöffehi von Fisteln 

2. Trommelfell. 



Paracentese ') 

Plicotomie 

Myringotomia^) simplex 

„ multiplex 

Perforation mit Galvanokauter 

3. Paukenhöhle. 

Entfernung von Polypen a) mit kalter Schlinge 

b) mit galv.-caust. Schlinge . . . 

Galvanokaut, von Granulationen und Polypen- 

resten 

Auslöffeln von Granul. und cariösen SteUen . 

4. Processus mastoideus. 

Eröffnung von Abscessen 

Extractien von Sequestern 

Auslöffeln von Fisteln 

Trepanation 



5. Nase und Nasenraum. 

Fremdkörperextractionen . . . v • • • • 

Polypenoperat. mit Z auf arscher Schlinge . 

„ „ galv.-caust. Schlinge . . 

Galvanokaut, der hypertroph. Schleimhaut der 

unteren Muschel 

Galvanokauterisation aden. vegetat. durch die 

Zaufar sehen Trichter 

Entfernung adenoider Vegetationen mit der 

Zaufal'schen Kneipe (durch die Trichter) 
Dactylomyleusis^) der RachentonsiUe . . . 
Entfernung der Bachentonsille mit der Zange 

nach Gatti 

6. Mundhöhle. 

Tonsillotomie 



Summa : 



4 


1 


2 


2 


2 


l 
l 
2 


l 


1 


2 


l 


3 


7 


15 


4 

1 
3 


— 


2 

1 
1 




2 








6 


4 


l 


2 


— 


— 


4 


2 


- 


8 


5 


4 


5 


1 




3 


3 


1 


1 


2 


1 


l 


3 


"~* 


2 

n 


9 


3 


2 


l 


1 


5 


4 


1 


10 


8 


5 


4 


4 


2 


12 


— 


11 


18 




14 


2 


2 


1 
64 


112 


72 



3 
1 
l 



9 
2 
4 
1 



1 
2 



2 
3 
l 



2 

l 

1 
5 
2 



1 



46 



10 
6 
2 
4 

7 



35 
3 
9 
2 
3 



14 
2 

7 
19 



8 

10 
5 
4 



2 

25 

5> 

11 

28 

12 
23 

32 
6 



294 



1) Paracentese = Incision des Trommelfells bei Exsudat in der Pauken- 
höhle. 

2) Myringotomie = Incision des Trommelfells ohne Exsudat in der Pau- 
kenhöhle. 

3) Dactylomyleusis =^ Zardrttcken der adenoiden Vegetationen mit dem 
Fingernagel nach Prof. Doyer in Leyden. 



Suminar. Bericht d. k.k. otiatr. Universitätsklinik d. Pi 

Beilage. 

Ekzema anriculae et meat. and 
5 E u. L. 

Alter: Von 1—10 Jahren 2, von 11- 
bis 30 Jahren 2, von 31—40 Jahren 2. 

Beschäftigung: Dienstmädchen 3, I 
Kesselschmied je 1. . 

In 4 Fällen war auch Ekzem der enti 
hälfte vorhanden. 

Abscessus anriculae: 2. 

16 jähriger Student mit einem nussgr 
hinteren untern Fläche der Ohrmuschel , Di 
ses in den äusseren Gehörgang. 

24 jähriger Schlosser mit einem bohi 
der Concha. 

Fibroide der Ohrmuscheln (Nai 

26 jähriges Dienstmädchen mit wallnu£ 
in den Ohrläppchen , die seit 9 Jahren all 
und von den Stichkanälen der Ohrgehänge 

Heilung per primam ohne jede Diffo 
noch keine Recidive. 

Missbildung der Ohrmuscheln 
lus tymp.: 1. 

3 monatliches Rindl Die Diagnose w 
bestätigt. 

Accumulatio ceruminis: 79, 21 

Alter: Von 5 — 10 Jahren 2, von 11 
bis 30 Jahren 30, von 31—40 Jahren 17, 
von b\ — 60 Jahren 8, von 61 — 70 Jahren 

Beschäftigung: Studenten 8, Privf 
löhnerinnen,, Dienstmädchen, Tischler, L 
Gondukteure, Commis, Krämer, Kellner, Si 
Nähterinnen, Bäckersfrauen je 2; und j< 
list. Wichser, Setzer, Baumeister, Hauski 
Schuster, Gommissär, Fiösser, Lackierer 
mann, Müller, Goldarbeiter, Maschinist, M: 
decker, Bedienerin und Lehrerin. 

Nebenbefunde: Gorp. alienum i 
(1 Stück Knoblauch), Furunkel 1 L Gat 
u. L und 1 L, Incmstat. calc. membr. tyn 
tymp. 1 B, Perforation 1 L, Ozaena 1 u: 



30 IV. HABERMANN 

Corpus alienam in meat. and. ext.: 14, 7B, 1 L, 1 R 
n. L. 

Älter: Von 1 — 5 Jahren 2, von 5 — 10 Jahren 3, von 11 bis 
20 Jahren 4, von 21—30 Jahren 4, von 31—40 Jahren 1. 

Beschäftigung: Ohne 5, Dienistmädchen, Beamte je 2; je 

1 Schnlmädchen, Taglöhner, Tapezierer, Student und Kellner. 

Die Fremdkörper waren: 2 Stücke Knoblauch, 2 Erbsen, 

2 Korallen, 1 Wanze, 1 Kirschkern (lag 20 Jahre im Ohre), 1 Blei- 
stiftknöpfchen , 3 Wattastöpsel. Sie wurden alle leicht mit der 
Spritze, Pincette oder gekrümmten Sonde entfernt. Der Kirsch- 
kern und 2 Wattastöpsel waren mit Accumulatio ceruminis com- 
plicirt und der Kranke erst durch das Verlegtsein der Ohren 
darauf aufmerksam geworden. 

Furunkel: 16, 4 E, 10 L, 2Bu. L. 

Alter: Von 11—20 Jahren 3, von 21—30 Jahren 6, von 31 
bis 40 Jahren 2, von 41 — 50 Jahren 5. 

Beschäftigung: Private 4, Dienstmägde 3, Soldaten 2, 
je 1 Futteralmacher, Schuster, Tapezierer, Condukteur, Commis, 
Taglöhner, Gouvernante. 

Otit ext. diffusa: 1. 

43 jähriger Schuster bekam nach Luftverdünnung im äusse- 
ren Gehörgange mit dem Lucae'schen Ballon (der Ballon wurde 
nicht mit den Gewichten, sondern mit der Hand comprimirt) eine 
ziemlich heftige Blutung aus beiden Ohren. Die Epidermis der 
beiden äusseren Gehörjgänge war durch Blutextravasate abgehoben, 
das Trommelfell jedoch nicht verändert Nach 2 Tagen bekam 
der Kranke beiderseits eine heftige Entzündung des äusseren 
Ohres mit eitriger Secretion, die in wenigen Tagen ohne Durch- 
bruch des Trommelfells heilte. 

Fissura meat. aud. ext.: 2. 

41 jähriger Telegraphendiener wurde auf der Gasse von einem 
Stiere niedergerannt. Er kam nach 14 Tagen zur Untersuchung 
mit Sugillationen um das linke Ohr herum, der äussere Gehör- 
gang voll Eiter, an der oberen Wand im knöchernen Theile Gra- 
nulationen. Vor 3 Tagen heftige Blutung aus dem linken Ohre. 

Links Stimmgabel = — nur schwach. Stimmgabel vom Scheitel 

und den Zähnen aus rechts; Politzer's Gehörmesser = 0. 

45 jähriger Taglöhner fiel vor vier Wochen über die Stiege 
in den Keller auf einen Haufen Steine. War sechs Stunden 
bewusstlos, darnach heftige Kop&chmerzen , starken Schwindel 



Summar. Bericht d. k. k. otiatr. üniversitätBklinik d. Prof. E. Zaufal f. 1879. 31 

und schlechtes Höryermögen linkerseits. Vier Tage später eitriger 
Ansflnss aus dem linken Ohre, der dnrch fünf Tage danerte. Bei 
der Aufnahme kein Ausfluss, Schwindel und Kopfschmerzen nur 
noch schwach y entsprechend der Mitte des knöchernen Theiles 
des äusseren Gehörganges an der oberen und hinteren Wand die 
Haut stark geröthet und geschwollen, Trommelfell matt, etwas 
getrübt, stark geneigt, Hammergefässe injicirt. Gehörvermögen 

nach Politzer's Gehörmesser = — v = 4,5 vs — 0,05 (auch bei Ver- 

schluss beider Ohren gleichbleibend) wird nach Ea nicht besser. 

Commotio membr. tymp.: 1 L. 

21 jähriger Lehrer fiel beim Springen ins Wasser mit dem 
linken Ohre flach auf das Wasser auf und bekam darnach Sausen 
im linken Ohre. Längs der hinteren Kante des Hammergriffes im 
hinteren oberen Quadranten des Trommelfelles spennadelkopf- 
grosse, reihenweise angeordnete Blutextravasate. 

Kuptura membr. tymp.: 2. 

48 jähriger Lehrer stiess sich einen Zwei^ ins linke Ohr und 
kam 14 Tage später mit einer Risswunde des Trommelfelles im 
vorderen unteren Quadranten und einer acuten eitrigen Mittelohr- 
entzündung zur Behandlung. 

18 jähriger Peitschenmacher bemerkte nach einer Ohrfeige 
auf das linke Ohr Abnahme des Gehörs und Sausen in diesem 
Ohre. Die Untersuchung ergibt rechts Narben am Trommelfell 
und die Erscheinungen des chronischen Tubenkatarrhs und links 
in der hinteren Hälfte des Trommelfells eine scharf begrenzte 
Oeffhung mit lappigen nach innen gerichteten Rändern, an der 
unteren Peripherie der Oeffhung ein Blutextravasat, Hammerge- 
fässe injicirt, in den Membr. flacc. Grübchen mit Lichtreflexen, 
chronischer Nasenraehenkatarrh mit Vergrösserung der Rachen- 
tonsille. 

Catarrh. tub. Eustach. acut.: 21, 3 R, 2 L, 16Ru. L. 

Alter : Von 1 — 10 Jahren 3, von 11 — 20 Jahren 4, von 21 bis 
30 Jahren 7, von 31 — 40 Jahren 2, von 41—50 Jahren 4, von 
71—80 Jahren 1. 

Beschäftigung: 5 Private, je 3 Tagelöhner und Kinder, 
. 2 Nähterinnen, je 1 Dienstmädchen, Tagelöhnerin, Student, Comp- 
toirist, Gastwirth, Tischler, Fleischer, Müller. 

Nebenbefund: 1 Gicatrix am anderen (linken) Ohre. 

Ursache: 4 mal acuter und 8 mal chronischer Nasenrachen- 
katarrh, 2 mal Hypertrophie der RachentonsiUe, 1 Ozaena, 1 Ma- 



32 IV. HABERMANN 

Sern, 1 Syphilis, in 1 Fall Untersuchung des Cav. phar. nas. we- 
der mit Bhinosc. ant noch post. möglich, in 3 Fällen nicht 
erhoben. ^ 

Behandlungsresultat: geheilt 95,24 Proc, ohne Behand- 
lung 4,76 Proc. 

Catarrh. chron. tub. Eustach.: 35,30 B und L, 2 B 
und 3 L. 

Alter: Von 1 — 10 Jahren 6, von 11—20 Jahren 12, von 
21—30 Jahren 12, von 31—40 Jahren 1, von 41—50 Jahren 3, 
von 61—70 Jahren 1. 

Beschäftigung: 9 Kinder, je 4 Studenten und Private, 
je 3 Beamte und Nähterinnen, 2 Bauerstöchter, je 1 Dienstmäd- 
chen, Höcklerin, Geistlicher, Cominis, Schuster, Hausknecht, Kell- 
ner, Taglöhner, Maurer und Giesser. 

Ursache: 15 mal chron. Nasenrachenkatarrh, 3 mal adenoide 
Vegetationen, 10 mal Hypertrophie der Bachentonsille, Imal Hy- 
pertrophie der Nasenschleimhaut, 1 mal Nasenpolypen, 1 mal Choa- 
nalpolyp, 1 mal Blennorrhoe mit Bhinosklerom, Imal Ozaena, 2 
mal Syphilis. 

Nebenbefund: Gerumenpfropf 2 B, 2 L; Cicatrix membr. 
tymp. 1 B, IL; Befund am anderen Ohre (bei einseitigem 
Tubenkatarrh) : Cicatrix membr. tymp. 1 B, 2 L ; Defectus membr. 
tymp. 1 L. 

Behandlungsresultat: 14,3 Proc ohne Behandlung, von 
den übrigen 60 Proc. geheilt, 23,3 Proc. gebessert, 3,3 Proc. un- 
geheilt, 10 Proc. Besultat nicht bekannt, 3,3 Proc. verblieben. 

Abnormes Offenstehen der Tuba: 2. 

64 jähriger Hausknecht überstand vor einem Jahre eine eitrige 
Mittelohrentzündung und Abscess am linken Proc. mastoid. Der 
Ausfluss sistirte, die Fistel am Proc. mast. vernarbte, doch blieb 
ihm im linken Ohre ein starkes Sausen zurück. Seit drei Mo- 
naten ungefähr hat er häufig ein Knacken im linken Ohre und 
fühlt beim Athmen die Luft ins Ohr hinein- und herausblasen, 
wie er sagt. Durch tiefe Inspiration durch die Nase, besonders 
wenn er dieselbe dabei schliesst, verschwindet diese lästige Er- 
scheinung, kehrt jedoch schon nach kurzer Zeit wieder, so dass 
er gezwungen ist, obiges Manöver fort und fort zu wiederholen. 
Seine Stimme hört er nicht verstärkt. Nach Ka und constantem 
Strom keine Besserung, nach faradischem Strom, Elektroden auf 
die Tubenmündung und das äussere Ohr hört das „Blasen'' durch 
die Tuba sofort auf, kehrt erst nach zwei Tagen schwach wieder 



Sammar. Bericht d. k. k. otiatr. UniTersitätsklinik d. Prot. £. Zaafal f. 1879. 33 

und sistirt nach dreimaliger Anwendung des fiaradischen Stromes 
ganz. 

18 jähriger Tänzer bekam seit einem Jahre zeitweilig ein 
Gefühl von Verlegtsein im rechten Ohre. Dabei fühlte er bei 
der In- und Exspiration deutlich die Luft in das Ohr hinein- und 
herausgeheui auch hörte er dabei seine Stimme dumpfer. Wenn 
er den Kopf nach rechts beugt und die Schulter hebt, vergeht 
dieses Yerlegtsein, noch besser aber, wenn er schluckt. Auch 
kann er willkürlich durch Muskelaction im Halse dieses Verlegt- 
sein hervorrufen, doch gelingt ihm dieses nicht, wenn man ihm 
mit einem Spatel die Zunge niederdrückt. Gehör und Trommel- 
fellbefund normal. Massiger Nasenrachenkatarrh. Unterzieht sich 
keiner Behandlung. 

Otit. med. serosa. 

28jähriger Amtsdiener und 23 jähriges Dienstmädchen. 
. Ursache: Imal adenoide Vegetationen und Imal Ulcera 
specifica im unteren Bachenraume, verbunden mit starker Schwel- 
lung der Schleimhaut im Nasenrachenräume. 

Otit. med. catarrh. acuta: 33,16 B u. L, 9 B, 8 L. 

Alter: Von 1 — 10 Jahren 5, von 11 — 20 Jahren 8, von 21 
bis 30 Jahren 8, von 31—40 Jahren 1, von 41 — 50 Jahren 8, 
von 51 — 60 Jahren 2, von 61—70 Jahren 1. 

Beschäftigung: 7 Kinder, 5 Studenten, 3 Schuster, je 2 
Schlosser, Kellner, Gommis, Private, je 1 Geistlicher, Wachmann, 
Kutscher, Buchhaltungsgehilfe , Fostassistent, Bäcker, Schmied, 
Tischler, Häusler und 1 Köchin. 

Ursache: 10 mal acuter, 5 mal chronischer Nasenrachen- 
katarrh, 2 mal adenoide Vegetationen, 3 mal Hypertrophie der 
Bachentonsille , 3 Syphilis nasi, 2 Polypi nasi, in den übrigep 
Fällen wurde die Ursache nicht erhoben. 

Complication: 1 Faralysis n. facialis (bestand schon vor 
der Öhrenerkrankung). 

Befund am anderen Ohre: Accumulatio ceruminis 1 B, 
Gat. acut. tub. Eust. 1 L, Atresie des äusseren Gehörganges 1 L, 
Cat chron. cav. tymp. 2 B, Cicatrix membr. tymp. 2 B, Perfora- 
tio IB. 

Behandlungsresultat: 21,21 Proc. ohne Behandlung, von 
den Behandelten 73,08 Proc. geheilt, 7,69 Proc. gebessert, 15,38 
Proc. Besultat nicht bekannt, 3,84 Proc. verblieben. 

Catarrh. chron. cav. tymp.: 259, 242 B u. L, 6 B, 11 L. 

Alter: Von 1—10 Jahren 24, von 11—20 Jahren 56, von 

▲fchiT t Ohrenheilkunde. Bd. XYII. 3 



34 IV. HABEBMANN 

21—30 Jahren 48, von 31—40 Jahren 44, von 41—50 Jahren 37, 
von 51—60 Jahren 34, von 61—70 Jahren 12, von 71—80 Jahren 

3, von 81—90 Jahren 1. 

Besehäftigung: Kinder 40, Frauen 32, Dienstmädchen 24, 
Tagelöhner 14, Studenten und Tagelöhnerinnen je 11, Nähterinnen 
und Private je 9, Bauern 8, Geschäftsleute 7, Condncteure 6, 
Schlosser und Schuster je 5, Lehrer, Höckler, Häusler, Heizer je 

4, Amtsdiener, Schanker, Fabriksarbeiterinnen, Musiker, Zimmer- 
leute, Kellner je 3, Bäcker, Gommis, Schmiede, Maschinenführer, 
Schneider, Wärterinnen, Kutscher, Hausirer je 2, je 1 Magazi* 
neur, Portier, Arzt, Wärter, Schauspieler, Barbier, Tischler, Gan- 
tor, Journalist, Pianostimmer, Müller, Wachmann, Begenschirm- 
macher, Uhrmacher, Bräuer, Handschuhmacher, Wagner, Giesser, 
Klempner, Selcher, Gärtner, Weberin, Kellnerin, Köchin, Lehrerin^ 
Ladenmädchen, Schänkerin und Musiklehrerin. 

Ursache: 87 mal chronischer Nasenrachenkatarrh, 8 mal 
mit Hypertropl^ie der hinteren Enden der unteren Muscheb, 27mal 
Atrophie der Schleimhaut des Nasenrachenraumes und der Nase, 
23 mal adenoide Vegetationen, 34 mal hypertrophische Rachen- 
tonsille, 3 mal Nasenpolypen, 4 mal Nasensyphilis, 6 mal Ozaena, 

1 Typhus abdominalis, 1 Phthisis pulmonum (?), in den übrigen 
Fällen wurde, da sie nur einmal auf die Klinik kamen, da» 
ätiologische Moment nicht erhoben. 

Befund am anderen Ohre: Normal 5 B, 3 L, Perforatia 
membr. tymp. 2 B, Affectio labyrinthi 2 B, IL, Cicatrix membr. 
tymp. 1 L, Gatarrh. tub. Eust. 1 B, Neuralgia plex. tymp. 1 L. 

Behandlungsresultat: 24,32 Proc. ohne Behandlung und 
5,02 Proc. verblieben, von den übrigen wurden 23,69 Proc. ge- 
heilt, 64,74 Proc. gebessert, bjl Proc. blieben ungeheilt und von 
5,77 Proc. ist das Behandlitngsresultat nicht bekannt. 

Otit. med. supp. acuta: 52; 18 B, 23 L, 11 B. und L. 

Alter: Von 1—10 Jahren 10, von 11—20 Jahren 9, von 
21—30 Jahren 12, von 31—40 Jahren 10, von 41—50 Jahren 8^ 
von 51 — 60 Jahren 2, von 61 — 70 Jahren 1, 

Beschäftigung: 8 Knaben, 5 Taglöhner, 2 Schuster, 

2 Studenten, 2 Soldaten, je 1 Maschinist, Giesser, Fleischer^ 
Comptoirist, Gommis, Glaser, Kflrschner, Agent, Selcher, Arzt, 
Schauspieler, Wachmann, Bauer, Diener, Färber, Bäcker, MttUer, 
Maurer, Driditbinder, Schneider, 3 Mädchen, 6 Private, 2 Dienst- 
mädchen und 2 Tagelöhnerinnen. 

Ursache: 18 mal acuter Nasenrachenkatarrh, 5 mal chroni- 



Summar. Bericht d. k. k. otiatr. ümyenit&tsklinik d. Prof. E. Zaufal. f. 1 879. 35 

scher Nasenrachenkatarrh, 2 Vegetationes adenoid., 1 Hypertrophie 
der Bachentonsille y 4 Typhns, 2 Phthisis palmonnm, 1 Syphilis 
ulcerosa, 1 Eindringen von Wasser durch die Tuba in die Pau- 
kenhöhle, in den übrigen Fällen war die Ursache nicht erhoben. 

Complication: Otit. ext. diffusa 5 R, 5 L, Furunkel 1 L, 
Abscessus proc. mastoid. 2 B, 4 L, Otit. interna 1 R, Paralysis 
nervi facialis 1 R, 1 L. 

Befund am anderen Ohre: Accumulat. ceruminis 1 L, 
Gatarrh. tnb. Eustach. 1 R, Gat. acut. cay. tymp. 1 R, IL, Gat. 
chron. cav. tymp. 1 R, 1 L, Perforatio membr. tymp. 1 L, Otit. 
med. supp. chron. t R, Affectio labyrinthi 1 L. 

Behandlungsresultat: 13,46 Proc. ohne Behandlung, 
5,77 Proc. verblieben, von d^n übrigen wurden 66,6 Proc. geheilt, 
11,71 Proc. gebessert, 17,14 Proc. Resultat unbekannt, 2,38 Proc. 
sind gestorben (ein Kranker an Tuberculosis pulmonum). 

Die Mitaffectionen des Proc. mastoid., die oben als Gompli- 
cationen verzeichnet sind, heilten fast sämmtlich nach Jodtinctur- 
einpinselung und Eisbeutel, nur in einem Falle wurde durch die 
lange dauernden heftigen Schmerzen und beständiges Fieber die 
Trepanation des Proc. 'mastoid. nothwendig, wonach das Leiden 
in kurzer Zeit (sechs Wochen) vollständig zur Heilung kam. 
Die als Gomplication verzeichneten Facialparalysen 1 L bei dem 
erwähnten Kranken und 1 R bei einem 20jährigen Fleischer, 
der ebenfalls an einer Entzündung in den Warzenzellen litt, ka- 
men gleichfalls zur Heilung. 

Otitis med. supp. chronica und ihre Folgezu- 
stände: 330. 

Alter: Von 1— 10 ,Jahren 73, von 11— 20 Jahren 106, von 
21—30 Jahren 89, von 31—40 Jahren 31, von 41—50 Jahren 15, 
von 51—60 Jahren 8, von 61—70 Jahren 7, von 71—80 Jahren 1. 

Beschäftigung: 98 Kinder (unter 14 Jahren), 26 Tag- 
löhner, 23 Studenten, 22 Frauen (ohne bestimmte Beschäftigung), 
20 Tagelöhnerinnen, 19 Dienstmägde, 13 Gommis, 9 Schmiede, 
8 Nähterinnen, 7 Beamte, je 6 Tischler und Schlosser, je 5 Lehrer, 
Bauern und Bauerstöchter, je 3 Dachdecker, Müller und Schneider, 
je 2 Lehrerinnen, Fabriksarbeiterinnen, Soldaten, Gomptoiristen, 
Drechsler, Schmiede, Buchhalter, Schuster, Gonducteure, Wach- 
leute, Goldarbeiter, Bahnwächter und Fleischer; je 1 Bedienerin, 
Zimmermann, Geistlicher, Official, Lackirer, Graveur, Selcher, 
Holzschnitzer, Biemer, Buchbinder, Musiker, Porzellanmaler, Berg- 
mann, Rauchfangkehrer, Steinmetz, Maschinist und Typograph. 

3* 



36 IV. HABERMANN 

Ursache in 198 Fällen bekannt, davon 45 mal Scarlatina 
22,7 Proc, 35 mal chronischer Nasenrachenkatarrh (3 mal Hyper- 
trophie der hinteren Enden der unteren Muscheln) 17,6 Proc, 
27 mal Lungentuberculose 13,6 Proc, 16 mal Hypertrophie der 
Bachentonsille 8,1 Proc, je 15 mal Typhus abdominalis und Sero- 
phnlose je 7,5 Proc, je 14mal adenoide Vegetationen im Cav. 
phar. nas. 7,1 Proc, 8 mal Variola 4 Proc, 6 mal Verletzungen 
3 Proc, 4 mal Ozaena 2 Proc, je 2 mal Lues, Erysipel, Croup, 
Friesel, Nasenpolypen 1 Proc, je Imal Masern und Pneumonie 
0,5 Proc 

Gomplication und Nebenbefunde: Otitis ext. diffusa 
14 R, 17 L, Furunkel 1 R, IL, Corpus alienum 2 (1 Fliege und 
1 Gerstenkorn), Incrustat. calcaria Qiembr. tymp. 8 R, 12 L, Me- 
ningitis purul. 2. 

Befund am anderen Ohre: Normalbefund 15 R, 9 L, 
Accumulätio ceruminis 3 R, 6 L, Cat. chron. tub. Eust. 1 R, 1 L, 
Cat. chron. cay. tymp. 8 R, Cat. acut. cay. tymp. 2 L. 

Behandlungsresultat: In Behandlung yerblieben 18, 
ohne Behandlung 67, yon den übrigen 245 wurden 31,43 Proc 
geheilt, 45,71 Proc. gebessert, 7,34 Proc nicht gebessert, 1,23 
Proc. sind gestorbeu, bei 13,51 Proc. ist das Behandlungsresultat 
nicht bekannt. 

Die Todesfälle betrafen : K. F., 39jähriger Condacteur, starb 
an Tuberculosis pulmonum. — Z. F., 30jähriger Buchhalter, starb 
an Meningitis purulenta. Der Kranke kam mit chronischer Otor- 
rhoe und heftigen Schmerzen im rechten Ohre und ausstrahlend 
gegen die rechte Kopfhälfte zur Behandlung. Die obere Gehör- 
gangswand war stark geschwollen und in der übrigbleibenden 
schmalen Spalte nach yorne und unten Granulationen. Proc 
mastoid. nicht schmerzhaft, weder spontan noch bei Druck. Eine 
ausgiebige Entfernung des Eiters gelang weder durch Ausspritzun- 
gen yon der Tuba (Paukenröhrchen) noch yom äusseren Gehör- 
gange aus, und da der Kranke trotz der zunehmenden Schmerzen 
die Trepanation des Proc. mastoid. nicht zuliess, kam es zu Me- 
ningitis und zum letalen Ausgange. Section wurde nicht ge- 
stattet. 

Grossmann S., 22 jähriger Commis, litt an chronischer Otor- 
rhoe mit Granulationsbildung beiderseits. Links war auch an 
der hinteren oberen Gehörgangswand unmittelbar yor dem Trom- 
melfelle rauher Knochen zu fühlen. Tuberculosis pulmonum. Proc. 
mastoid. äusserlich nicht yerändert, nicht schmerzhaft. Fortdauern- 



Summar. Bericht d. k.k. otiatr. Universitätsklinik d. Prof. E. Zaufal f. 1 879. 37 

des Fieber und Kopfschmerzen linkerseits führten zur Trepana- 
tion des Proc. mastoid. sin., und als nach Bessernng des Leidens 
auf dieser Seite auch rechts die Schmerzen (Nächte schlaflos) 
begannen, Schwindel und Erbrechen auftrat , welche Symptome 
nur Yon dem rechten Ohre bedingt sein konnten, wurde ihm die 
Trepanation auch hier Yorgeschlagen , aber von dem Ej*anken 
erst acht Tage später eingewilligt, als das Erbrechen sich fast 
täglich wiederholte, die Schmerzen immer heftiger wurden und 
auch Nystagmus aufgetreten war. Die Operation konnte nun die 
Meningitis, die von einer cariösen Stelle um die Bogengänge 
ausging, nicht mehr aufhalten. 

Mit günstigem Erfolge wurde die Trepanation an einem an- 
deren Kranken gemacht, der an Cholesteatom im linken Proc. 
mastoid. litt und bei dem auch Hemiopie linkerseits und Abscesse 
am linken Seitenwandbein auftraten, die zur Abstossung eines 
nekrotischen Stückes der Glastafel des linken Seitenwandbeines 
führten. Der Kranke wurde vollständig geheilt. 

Bei den übrigen trepanirten Fällen waren schon Fisteln am 
Proc. mast. hier, die entsprechend erweitert wurden. Alle diese 
Fälle werden an anderem Orte publicirt werden. 

Taubheit mit Meniöre'schen Symptomen: 14. 

Alter: Von 1 — 5 Jahren 7, von 6 — 10 Jahren 5, von 15 bis 
20 Jahren 2 (Dauer des Leidens 1 und 5 Jahre). 

Beschäftigung: 12 Kinder, 1 Taglöhner und 1 Gärtners- 
tochter. 

Ursache: Meningitis cerebrospinalis. In 2 Fällen, die kurze 
Zeit nach der Erkrankung zur Behandlung kamen, war Secret 
in der Paukenhöhle nachzuweisen, in 2 Fällen Injection der Harn- 
mergriffgefässe und Trübungen des Trommelfells, in 8 Fällen 
mehr weniger starke Trübungen des Trommelfelles, in 2 Fällen 
war der Trommelfellbefund negativ. 

Soweit eiüQ Hörprüfung möglich war, wurde bei einem B 
und bei 2 L die Stimmgabel unmittelbar auf das Ohr aufgesetzt 
noch gehört. 

Behandlungsresultat: Sämmtliche blieben ungeheilt. 

Affectio labyrinthi (Nerventaubheit): 21, 17 R u. L, 
3 R u. 1 L. 

Alter: Von 1—10 Jahren 7, von 11—20 Jahren 3, von 21 
bis 30 Jahren 4, von 31—40 Jahren 1 , von 41 — 50 Jahren 4, 
von 51—60 Jahren 2. 

Beschäftigung: 7 Kinder, 3 Private, 2 Taglöhner, je 1 



38 IV. HABERMANN 

Händler, Schlosser, Kellner, Gonducteur, Maurer, Tischler, Brauer, 
und je 1 Taglöhnerin und Dienstmagd. 

Ursache: In 5 Fällen seit Geburt? (taubstumm), 1 Fall 
nach Typhus abdom. ?, 5 mal nach Otit. med. supp. chron. (1 Hy- 
pertroph, tonsill. phaiyngeae), 6 mal nach chronischem Katarrh 
der Paukenhöhle (3 Atrophie der Schleimhaut des Nasenrachen- 
raumes), 1 Hypertroph, tonsill. pharyngis, 1 Friesel, 1 nicht be- 
kannt, 2 mal Syphilis (Primäraffection 1 mal vor 2 Jahren und 
1 mal vor 8 Monaten, im 1. Falle starkes Sausen, sehr starke 
Abnahme des Gehörs und Schwindel, im 2. Falle geringe Ab- 
nahme des Gehörs und starkes Sausen. Trommelfellbefund nor- 
mal. Stimmgabel wird vom Scheitel am gesunden Ohre gehört, 
nach Ka u. Po keine Besserung). 

Neuralgia trigemini: 6. 

Alter: Von 11 — 20 Jahren 1, von 21 — 30 Jahren 3, von 
31 — 40 Jahren 1, von 51 — 60 Jahren 1. 

Beschäftigung: Jel Postmeister, Händler, Heizer^ Schnei- 
der und je 1 Tischlerin, Buchdruckerstochter. 

In 3 Fällen war der Ramus auriculo-temporalis ergriffen, in 
den übrigen Fällen andere Zweige, letztere Fälle wurden an die 
interne Abtheilung gewiesen. 

Erkrankungen der Vase und des Aachens ohne Hiterkrankung 

des Gehörorganes. 

Corpus alienum in naso: 2. 

2 1/2 jähriger Knabe mit einem Steine in der rechten Nase, 
den er sich beim Spielen hineinsteckte. 

1 1 jähriger Knabe mit einer Bohne in der rechten Nase, die 
trotz der blos eintägigen Dauer des Leidens schon sehr bedeutend 
gequollen war. 

Beide Fremdkörper wurden leicht mit einem Ohrlöffel entfernt. 

Eczema nasi: 3. 

4 jähriges Kind, 18 jährige Industrielehrerin und 36 jähriger 
Sattler. 

Catarrh acut, nasi: 1. 18 jähriges Dienstmädchen. 

Gat. chron. nasi: 14. 

Alter: Von 1—10 Jahren 2, von 11— 20 Jahren 5, von 21 
bis 30 Jahren 3, von 31—40 Jahren 2, von 41—50 Jahren 1, 
von 51—60 Jahren 1. 

Beschäftigung: 4 Kinder, 2 Fleischer, je 1 Beamter, Stu- 



Summar . Bericht d. k. k. otiatr. Universitätsklinik d. Prof. E. Zaufal f. 1 879. 39 

denty Gärtner, Soldat, Geschäftsmann und je 1 Private; Taglöh- 
nerin und Beamtenstoehter. 

Gomplication: In 5 Fällen sehr heftige Stirn-Kopfschmer- 
zen, die durch Lufteintreibungen in die oberen Partien der Nase 
beseitigt wurden. Prof. Zaufal modificirte die gegen diese 
Kopfschmerzen von Hartmann angegebene Luftdouche dahin, 
dass er einen Gummiballon mit einem etwa 6 Gm. langen Drain- 
rohr armirt, letzteres gegen die Einmündung des Stirnsinus in 
die Nase vorschiebt und nun den Ballon mehrmals kräftig ent- 
leert. Dadurch wird das Eindringen der Luft in die Pauken- 
höhlen, wenn das Ohr nicht erkrankt ist, vermieden. 

Ozaena idiopathica: 5. 

Alter: Von 1—10 Jahren 1, von 11— 20 Jahren 3, von 21 
bis 30 Jahren 1. 

Beschäftigung: 2 Kinder, je 1 Private, Drechsler, Commis. 

Polypi nasi: 11. 

Alter: Von 11—20 Jahren 3, von 21 — 30 Jahren 7, von 
51—60 Jahren 1. 

Beschäftigung: 2 Studenten, je 1 Knabe, Taglöhner, Satt- 
ler, Soldat, Maurer, Bauerssohn, Feiler und je 1 Nähterin und 
Müllerstochter. 

Die mucösen Polypen wurden mit der kalten Schlinge ope- 
rirt, die mehr fibrösen mit der galvanocaustischen. 

Syphilis nasi et cav. phar. nas.: 8. 

Alter: Von 11—20 Jahren 2, von 21—30 Jahren 3, von 
31—40 Jahren 1, von 41—50 Jahren 1, von 51— 60 Jahren 1. 

Beschäftigung: 2 Taglöhner, je 1 Student, Geschäfts- 
mann, Nähterin, Dienstmädchen, Schneiderin und Taglöhnerin. 

In 5 Fällen waren verschieden grosse Defecte der Nasen- 
Scheidewand, einmal auch der unteren Muscheln, in 2 Fällen 
Ulcera im Bachen und Nasenrachenräume, einmal Gatarrh. speci- 
ficus nasi. Sämmtliche Kranke wurden zur Behandlung an die 
Klinik für Dermatologie und Syphilis gewiesen. 

Garies conchae inf. nasi: 1. 25 jähriger Sattler. Ur- 
43ache unbekannt. 

Angina tonsillaris: 2. 

23 jährige Private und 42 jähriger Taglöhner. 

Sine morbo: 13. 

Wurden, da sie an andern nicht Ohren- und Nasenleiden er- 
krankt waren, den entsprechenden Kliniken und Abtheilungen 
zugewiesen. 



V. 

Statistiscber Bericht 

fiber die in der Poliklinik fnr Ohrenkranke zn Halle a/S. 

vom 15. October 1879 bis 15. October 1880 

nntersüchten nnd behandelten Fälle. 

Von 

Dr. Hngro Hessler, 

Assistenzarzt. 

Der folgende Bericht schliesst sich in seiner Form genan an 
den letzten Bericht über die Poliklinik für Ohrenkranke zu 
Halle a/S. an und verweist betreffs Kubriken, Operationen etc. 
auf die Erläuterungen in demselben. 

lieber die Erkrankungsformen und deren Ausgang gibt die 
nachstehende Tabelle (S. 41) Auskunft. 

Die Rubrik „Keine Diagnose" umfasst 10 Fälle; von diesen 
war bei 5 keine Diagnose aus dem Journal zu ersehen, in den 
übrigen sind Haematoma septi narium> Neuralgia plexns cer- 
yicalis sup. , Ozaena scrofulosa, Parotitis simplex und Lymph- 
adenitis cervicalis acuta notirt. 

Dem Alter und Geschlecht nach wurden behandelt: 





Alter 


Männlich 


Weiblich 


Summa 




1— 2 


33 


18 


51 




3— 9 


76 


55 


131 




10—19 


54 


38 


92 




20—29 


57 


37 


94 




30—39 


24 


24 

a 


48 




40—49 


26 


14 


40 




50—59 


17 


5 


22 




60—69 


6 


6 


12 




70—80 


3 


3 


6 






Summa 296 Männlich 200 Weiblich 


496. 


\ 


• 









statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 41 



Nomen morbi 



CQ 



£czema acut. 8, chron. 8 

Fumnculosis acut. 34 

Otitis externa diffusa acut. 4, chrön. 5 . . . 
Cerumenpfropf eins. 44, doppeis. 22 . . . . 

Crorpus i&ienum 8 

Aspergillus nigricans 1 

Yermes t 

GombilStio conchae 1 

Epidermispfropf 1 

Cholesteatom im Gehörgang 1 

Myringitis 1 ^ 

Ruptur des Trommelfells 2 .* 

Einfach, acut. Katarrh der Paukenhöhle, eins. 

33, doppeis. 33 

Einfach, subacut. Katarrh der Paukenhöhle, 

eins. 28, doppeis. 15 

Einfach, chromsch. Katarrh der Paukenhöhle, 

eins. 22, doppeis. 77 

Acut Tubenkatarrh, eins. 2, doppeis. 3 . . 
Acut eitrige Entzündung der Paukenhöhle, 

eins. 54, doppeis. 5 

Subacute eitrige Entzündung der Paukenhöhle, 

eins. 7, doppeis. 2 

Periostitis acuta processus mastoidei 7 . . 
Chron. eitrige Entzündung der Paukenhöhle, 

eins. 64, doppeis. 13. 

a) mit Caries 8, b) mit Nekrose 1, 

c) mit Polypen 24, d) mit Facialisparese 3 

Besiduen eitriger Processe 51 

Neuralgia plexus tympa,nici 14. 

1. e cane dentium 8. 

2. ex anaenüa 5. 

3. ex hypertrophia Tonsillarum 1 . . . . 

Nerventaubheit, eins. 6, 

1. nach Trauma 3, 

2. nach Erkältung] 

3. bei Lues f je 1. 

4. e causa ignota J 

Doppels. 15, 

1. durch Meningitis 9, 

2. durch Erkältung 1', 

3. e professione 2, 

4. nach Typhus 1, 

5. unter den Meni^re'schen Symptomen 1, 

6. e causa cerebrali l 

Ohrensausen ohne Befund und ohne Gehör- 
verschlechterung 3 

Taubstummheit fi^üh erworben 1 

Ozaena scrofulosa 1 

Nasenpolypen 2 

Keine Diagnose 10 . 

Summa : 



11 

34 

9 

66 

8 






66 

43 

99 
5 

59 

9 

7 



10 

33 

6 

66 

8 
l 
1 

6 
1 



9 

IQ 

« 



9 
A 

9 




II i 

9 9 



77 
5t 



46 

30 

5 
5 

32 

7 

4 



31 



"^3 3 



1 
1 
2 



1 



16 



21 



14 



8 



1 



1 



l 
1 



19 



8 



36 



18 



11 



26 

2 
l 



6 
51 



21 

3 
1 
1 
2 
10 



26 



610 



293 



34 



6 



41 



21 

1 
l 



9 



«0 

9 

KD 



3 



10 



134 



104 



42 V. HESSLER 

Was die Operationen betrifft, so gibt die Zusammenstellang 
derselben folgendes Resultat: 

l.Incision des Gehörgangs 31 mal bei Faranculosis und 
je Imal bei phlegmonöser und bei seeundärer Entzündung desselben. 

2. Paracentese des Trommelfells 40 mal, davon 20 
mal einseitig und 10 mal doppelseitig, ausserdem 2 mal mehr- 
fache Functionen von Blasen bei schweren Trommelfellentzün- 
düngen, und 1 mal eine beiderseitige Durchschneidung der hin- 
teren Trommelfellfalte mit temporärem Erfolge gegen quälende 
subjective Gehörsempfindungen. 

3. Entfernung von Polypen 23 mal mittelst der Wilde- 
schen Schlinge. 

4. Wilde'sche Incision 4 mal bei Periostitis acuta Pro- 
cessus mastoidei. 

5. Operative Eröffnung des Warzenfortsatzes 6 
mal, darunter 5 mal bei schon vorhandenen Enochenfisteln in 
der Corticalis. 

6. Tonsillotomie 6 mal: 2 mal einseitig und je 2 mal 
doppelseitig. 

7. Nasenpolypenextraction 2 mal mit der Zaufarschen 
Schlinge. 

8. Fremdkörper 8 mal entfernt, darunter in einem Fall 
7 lebende Maden, die mit der Hakenpincette entfernt wurden, 
nachdem der in Folge mehrfacher vergeblicher Extractionsver- 
suche schon entzündlich geschwellte und verengte Gehörgang zu- 
vor mit Wasser erfüllt war. 



An diesem Orte möchte ich gleich . die Gelegenheit wahrneh- 
men, meinem verehrten Lehrer und Chef, Herrn Prof. Schwartze, 
meinen Dank für seine Liberalität auszusprechen, in welcher er 
mir freundlichst die Ausführung der meisten operativen Eingriffe 
selbst überliess. 

Im Anschluss an diesen summarischen Bericht will ich kurz 
über einige mir erwähnenswerth erscheinende Fälle Mittheilung 
machen. 

Frau Louise Wittwer 31 Jahr alt aus Giebichenstein nahm im 
Juni 1880 wegen ihrer heftigen rechtsseitigen Kopfschmerzen die 
Hilfe der Poliklinik in Anspruch. Links fand sich eine grosse Trom- 
melfellnarbe, rechts zeigten sich polypöse Excrescenzen, welche den 
Eingang des Gehörgangs ausfüllten. Nach Entfernung derselben mit- 
telst des Wilde'schen Schlingenschnürers war der Grund des Ge- 



statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 43 

hörgangs mit Cholesteatommassen ansgefüllt. Diese wurden mit der 
Elysopompe in reichlicher Menge ausgespült und nach mehrtägiger 
Aufweichung mit Seifenwasser in mehreren Sitzungen vollständig ent- 
fernt. Nunmehr wurde eine grosse Excavation des Knochens an der 
hintern obern Wand des knöchernen Gehörgangs sichtbar, die mit 
einer glatten und durchscheinenden Membran ausgekleidet war. Nur 
an jener Stelle der hintern Gehörgangswand, an welcher letztere in 
die £xcayatiou überging, sah man einen erbsengrossen Polypen, der 
mit breiter Basis aufsass, nicht gestielt und bei Berührung mit der 
Sonde weder empfindlich war noch blutete. Eine einmalige Aetzung 
mit Höllenstein in Substanz genügte, die Stelle zur Epidermisirung 
zu bringen. Der Befund vom 24. September lautet: Ohr ganz trocken 
geblieben, kein Eiter und keine Neubildung von Epidermismassen zu 
sehen. Das ganze Trommelfell ist erhalten. Die grosse Höhle im 
Knochen ist mit trockner, glänzender Haut ausgekleidet. Die Stimm- 
gabel wird vom Scheitel nach rechts verstärkt gehört, rechts die Uhr 
mindestens bis 12'' und Flüsterworte auf mehrere Zoll Entfernung. 

Was die Entstehung dieser Ghoiesteatomgeschwulst betrifft, 
ist hervorzuheben, dass Patientin selbst auf wiederholte Fragen 
bei ihrer ersten Aussage stehen blieb, dass sie früher niemals 
Schmerzen in oder hinter dem Ohre oder Ohrenflnss gehabt habe. 
Da an der Glaubvirürdigkeit der Patientin zu zweifeln kein Grund 
vorliegt, so ist die gewöhnliche Art der Entstehung von Chole- 
steatomen für den vorliegenden Fall auszuschliessen. Vielmehr 
ist der Verlauf des Processes in folgender Weise zu vermuthen. 
Zuerst hatte sich ein Gerumenpfropf gebildet, der einerseits das 
Trommelfell nach Inn^n drängte, andererseits eine chronische 
desquamative Entzündung des Gehörganges zur Folge hatte. Die 
abgestossenen Epidermismassen mischten sich mit dem Gerumen, 
so dass es zu einer Betention desselben kam, und nun begann 
eine Fettzersetzung der gemischten Epidermis - Gerumenmasse. 
Diese wuchs langsam excentrisch weiter, brachte die Weichtheile 
des Gehörganges zum Schwund, usurirte den Knochen und bedingte 
die heftigen einseitigen Kopfschmerzen der Patientin, die sofort 
seit der Entfernung der Geschwulstmassen bis heute vollständig 
geschwunden sind. 

In dem zweiten Falle von Gholesteatom konnte die Diagnose 
bei Lebzeiten nicht gestellt werden, weil eine Ausstossung chole- 
steatomatöser Massen nicht beobachtet war. 

Friedrich Sachse 26 Jahre alt aus Steden kam am 18. Sep- 
tember in Behandlung. Er erinnerte sich, dass er seit dem 18. Jahre 
ans beiden Ohren eitrigen Ausfluss gehabt u^d meinte, es wäre auch 
möglich, dass noch vor der Schulzeit ebenfalls beiderseits Otorrhoe 
bestanden habe. Seit langer Zeit habe er Kopfschmerzen besonders 



44 V. HESSLER 

in der Stirn nnd in der ganzen linken Kopf hälfte, die sich manx^hmal 
so steigerten, dass er „wie dumm'' würde. Ob Schwindel hinzuge- 
kommen, wQsste er nicht zu entscheiden. Einen üblen Geruch der 
Eitermassen hatte er bereits seit mehreren Jahren bemerkt. 

Stat. praesens: Patient ist ein kräftiger Mann, dessen Sprache 
etwas Eigenthümliches insofern an sich hat, als sie sehr lant, scan- 
dirend ist, ranh klingt und besonders die Zischlaute, deren Aussprache 
auffällige Schwierigkeiten macht, scharf hervortreten lässt. Die linke 
Gesichtshälfte hängt schlaffer als die rechte herab, ihre Falten sind 
mehr verstrichen, aber eine Lähmung des Facialis dieser Seite ist 
weder bei Bewegungen der Augenlider noch bei Bewegungen des Ge- 
sichts oder des Mundes deutlich nachweisbar. Beide Gehörgänge sind 
mit f5tidem, schlechtem Eiter ausgefüllt, nach dessen Entfernung sieb 
folgender Befund in den Ohren zeigt. 

Rechts fehlt das Trommelfell vollständig; von den Gehörknöchel- 
chen ist nichts mehr vorhanden. Die knöcherne Innenwand der Pau- 
kenhöhle ist mit der Sonde überall als porös fühlbar, und nur an 
einer Stelle leicht gfanulirend. Die hintere und obere Gehörgangs- 
wand ist gewulstet, lebhaft geröthet, auf Druck mit der Sonde 
sehr empfindlich, aber ohne Granulationsbildung. Die Tuba ist sa 
durchgängig, dass man bei Wasserdurchspritzung durch den Katheter 
einen continuirlichen Wasserstrahl aus dem Ohre ausfliessen sah. 
Bröckliche Eitermassen wurden nicht constatirt. Im linken Ohr ging^ 
von der hintern Gehörgangswand eine harte, schwer bewegliche Ge- 
schwulst aus, ungefähr an der Uebergangsstelle des knorpeligen in 
den knöchernen Theil des Gehörgangs. Dieselbe bot nirgends bei 
Sondenberührung auch nur Pseudofluctuation dar und war sehr em- 
pfindlich. Im Gruüde des Gehörgangsrestes fand sich ein dünnge- 
stielter Polyp, der mit der Pincette weggenommen wurde. Beim 
Eatheterisiren hörte man absolut kein Anschlag- oder Perforations- 
geräusch. Er hörte die Stimmgabel vom Scheitel nur links , rechts 
fühlte er sie wohl, aber hörte sie nicht. Die Uhr hörte er rechte 
weder bei Andrücken an die Ohrmuschel noch durch die Eopfknochen, 
links dagegen sicher von beiden genannten Punkten. Die Stimmga- 
bel hörte er rechts nicht vom Ohr aus, auch nicht durch Resonator,, 
aber links kann er die verschiedenen Töne einer Stimmgabel mit 
Klemmschrauben ganz richtig nachsingen. Endlich hörte er links 
lautgesprochene Worte und Zahlen durch das flexible Sprachrohr,, 
ohne dasselbe war er sprachtaub. 

Obwohl das rechte Ohr fast täglich mit Wasserdurchspritzungen 
durch den Katheter behandelt wurde, so konnte doch eine auffällige 
Abnahme der Eiterung nicht wahrgenommen werden, wenn auch be- 
reits am Ende der ersten Woche der Fötor beseitigt war. 

Links wurde zuerst versucht durch Einlegung von I^aminaria- 
bougies das Lumen des Gehörgangs wieder herzustellen. Dasselbe 
ist niemals gelungen, obwohl mehrere Male der Versuch damit wie- 
derholt wurde. Einmal -war Patient sehr empfindlich dagegen, sodasa 
die Bougie nur höchstens 3 Stunden liegen bleiben konnte, dann 
aber geschah es jedesmal, dass der nunmehr zurückgebildete Ge- 



Statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/3. 45 

hörgang sich fast bei der Untersuchung selbst wieder verlegte. Als 
dabei constatirt wnrde, dass es sich um keine Eitenrerhaltung han- 
delte, wurde von einem weitern forcirtern Gebrauch der Qnellbougies 
Abstand genommen und einmal der Galvanocauter in Anwendung ge- 
bracht und besonders jene am weitesten nach vom reichende Partie 
gebrannt, an welcher der Polyp gesessen hatte. Darnach entstand 
eine sehr heftige Entzündung, die starken Kopfschmerz und für die 
nächsten Tage heftigen Schwindel zur Folge hatte. Letzterer wurde 
nunmehr öfters beobachtet, wenn etwas intensiver die Elysopompe 
wirkte, wozu man gezwungen war, um den Eiter vollständig zu ent- 
fernen. Da nun Patient stets fieberlos war, wurde vorläufig von einer 
mehr eingreifenden Therapie Abstand genommen, zumal der Verdacht, 
das» es sich um einen Tumor handeln möchte, nicht so ganz von 
der Hand zu weisen war. Am 18. Oktober stieg nun ohne jede 
äussere Veranlassung die Temperatur, die bereits des Morgens 37,9 
erreicht hatte, des Abends auf 39,0. Dabei klagte Patient über hef- 
tige linksseitige Kopfschmerzen, Schmerzen vor und in dem Ohre und 
über starkes Schwindelgefühl, sodass er nicht allein die Treppen hin- 
abzugehen wagte. Am nächsten Tag war die Temperatur früh 38,3, 
Abends 37,8, und fühlte sich dementsprechend Patient wieder freier. 
Am 20. stieg die Temperatur von 38,1 des Morgens plötzlich auf 
40,5 des Abends. Am Nachmittag hatte Patient einen Schüttelfrost 
bekommen, über dessen Dauer und Intensität die Angaben der be- 
nachbarten Patienten schwankten, und darnach einen heftigen Schweiss- 
ausbruch. Gegen Abend fantasirte er lebhaft, wollte immer aus dem 
Bett steigen und auf laute Anfrage sprach er sich dahin aus, dass 
er heftige Kopfschmerzen habe. Des Nachts hatte * er ein paar 
Mal das Bett verlassen und sich im Zimmer zu schaffen gemacht, 
ruhig geschlafen hatte er nur ganz kurze Zeit gegen Morgen. Am 
21. Oktober schwankte die Temperatur zwischen 39,2 und 39,8. Eine 
Zunahme der linksseitigen Facialisparese, wie sie schon gestern be- 
merkt worden war, war heute eclatanter geworden, insofern Patient 
das linke Auge nicht schliessen konnte, und auch die Bewegungen 
des schlaff herabhängenden linken Mundwinkels hinter den gleichen 
Bewegungen des rechten bedeutend zurückblieben. Patient lag apa- 
thisch im Bett, antwortete aber auf jede einzelne Frage correct, seine 
Hauptklage bildeten immer die Kopfschmerzen , „der Kopf sei so 
wüst und drohe zu platzen. ^ Gegen Abend bekam er wieder blande 
Delirien, und versuchte mehrere Male aufzustehen. Gegessen hatte 
er die letzten beiden Tage nur wenig und besonders beim Wasser- 
trinken sich verschluckt. 

Es ist schon obeu betont worden, dass sich in diesem Falle die 
Hervortreibung der hintern Gehörgangs wand so verhielt, als wenn 
keine Eiterretention vorläge, vielmehr eine Ausbreitung einer Ge- 
schwulst sich zunächst vordränge. Als nun unter Schüttelfrost und 
Fiebersteigerung stärkere meningitische Symptome in den Vorder- 
grund traten, wurde die Vermuthung aufgestellt, dass wohl tief in 
der Pauke durch den Tumor eine Eiterretention bedingt wäre. Aus 
diesem Grunde entschloss ich mich, zumal diese Therapie allein 



46 y. HESSLER 

eine einigermaassen gute Pn^nose gestattete, noch am Abend des 
21. Oktober die Anfmeiselung des Warzenfortsatzes zn machen. Der 
Knochen war so sklerotisch, dass die vorhandenen 3 Meisel zerbra- 
chen, deshalb mnsste von der beabsichtigten Eröfifhung des Warzen- 
fortsatzes Abstand genonmien werden. Ein Drainrohr wurde einge- 
legt und ein Oelwatteverband aufgelegt. In der folgenden Nacht war 
Patient ebenso unruhig wie bisher und fantasirte lebhaft, aber all- 
mählich wurde, er ruhiger, sodass er am nächsten Vormittag mehr 
schlief als wachte, nur auf laute Anfragen ziemlich unsicher reagirte 
und dann sich unter Stöhnen hin und her wälzte. Am Nachmittag 
wurde er comatös, sein Athem war langsam und stertorös, auf Na- 
delstiche in die Fflsse zuckte er noch, aber seine Pupillen reagirten 
ebenso schwach auf Lichteindruck, als seine Augen auf Berührung 
der Conjunctiven mit der Hand. Am 23. Oktober früh 4 Uhr er- 
folgte der Tod. 

Die Section (8 h. p. m) ergab nach Herrn Prof. Ackermann: 
Schädeldach gewöhnlich dick, nur die rechte Stirnbeinhälfte der 
yordem und untern Gegend etwa 2 Thaler im Umfang sehr erheb- 
lich verdickt und zwar- bis zu 108 Ccm. und der Knochen hier in 
seinem äussern und Innern Theil stark sklerotisch, in der Mitte da- 
gegen zwischen Tabula externa und Tabula vitrea zeigt die Knochen- 
substanz etwas poröse Beschaffenheit, wenn schon ihre Consistenz 
viel beträchtlicher ist als gewöhnliche Diploe. Besonders diese zwi- 
schen beiden Tabulae des Gehirns befindliche Knochenmasse ragt weit 
nach oben und in die Stirnhöhlen hinein, von welchen nur noch ein 
im übrigen auch noch erweiterter Theil zurückgeblieben ist, während 
der äussere Gang durch die nengebildete Knochenmasse eingenommen 
wird. Aus der Tabula vitrea erhebt sich nach hinten eine Exostose, 
die an ihrer Basis etwa Zweimarkstück dick ist und ziemlich unregel- 
mässige, nicht kreisrunde Formen zeigt, während die Oberfläche sich 
aus vielen kleinem und grossem Höckerchen zusammensetzt, von 
denen die höchsten an ihrer Spitze etwa 8 — 9 Mm. über die Fläche 
der Tabula vitrea hinausragen. Auch die Stirnhöhlen der linken 
Seite sehr weit, in der weitesten Gegend ein sagittaler Durchmesser 
von etwa 2 Cm., frontaler von 5 Cm. An der Basis der Stirn- 
höhle kommt das Dach der Orbita ziemlich in grossem Umfange zum 
Vorschein. In Folge dieser eigenthümlichen Formanomalien sind 
beide Stimlappen nicht wenig nach hinten und oben verschoben, be- 
sonders der rechte, der in Folge der beschriebenen Exostose in dem 
entsprechenden Umfange so bedeutend nach hinten gedrängt ist, dass 
seine am meisten zurückliegende Stelle etwa 3 Cm. von der vor- 
dem Stirnbeinfläche entfernt liegt. 

Dura mater ist stark gespannt, sehr blutreich. Im Sinus lon- 
gitudinalis befindet sich ziemlich viel dunkles, dickflüssiges Blut neben 
kleinen spärlichen Speckhautgerinnseln. Die Dura mater ist im Gan- 
zen normal transparent und zeigt in der durch die Exostose gebil- 
deten Impression keine sehr auffällig hervortretende Verdickung, min- 
destens sind auch noch sonst an der Innenfläche von der Dura mater 
ähnliche dicke, trübe Stellen vorhanden. Die Gyri sind flach, Sulci 



StaÜBtiflcher Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 47 

eng. Die grossen Venen der Pia ziemlieh blutreich, die kleinen we- 
niger. In der Breite^ flberhaupt im Volumen des Gehirns keine Dif- 
ferenz vorhanden. 

In der Falx cerebri ist nicht weit von der Crista galli entfernt 
ein V^ Cm. langes, etwas weniger breites Osteom. 

Oberfläche des Gehirns sehr trocken. An der Basis 
zeigt sich zunächst die Arachnoidea da, wo sie über die Fossa Sylvii 
hinweggeht, linkerseits leicht getrübt. Die Arteria fossae Sylvii beson- 
ders im Subarachnoidalraum weist keine Abnormität auf. Auch zwischen 
Chiasma und vorderm Rand des Pons zeigt Arachnoidea massige Trü- 
bung. Die Maschen der Pia schliessen hier grössere Mengen eines 
ganz schwach getrübten serösen Fiuidums ein. Die ganze linke 
Hälfte der untern Fläche des Pons und ein kleinerer Theil der vor- 
dem und obern Gegend der Medulla oblongata, da wo sie links an 
den Pons stösst, ist mit dicker, blassgrünlichgelber, eitriger Flüssig- 
keit bedeckt, welche ihren Sitz offenbar meist in der Substanz der 
Pia hat, aber von hier auch bereits in die Tiefe der Gehirnsubstanz 
schon ziemlich weit eingedrungen ist. Nach Uebergiessnng dieser 
Stelle mit Wasser kommt freilich die Ponsoberfläche zum Theil noch 
in einer anscheinend ziemlich intacten Beschaffenheit zum Vorschein, 
zum Theil aber ist sie auch durch die Eiterung offenbar schon, frei- 
lich nur wenig zerstört. Auch auf die aus den beschriebenen Ge- 
genden entspringenden Nervenwurzeln erstreckt sich die eitrige In«- 
filtration und namentlich ist der Stamm des Facialis und Acusti- 
cus in seinem ganzen Verlaufe in der Schädelhöhle 
intensiv eitrig infiltrirt. Im Uebrigen ist in der ganzen Um- 
gebung dieser eitrigen Infiltration die Arachnoidea anscheinend un- 
verändert. Das Vorderhorn des rechten Ventrikels ist etwas eng, 
besonders nach hinten, offenbar durch den Druck der Exostose. In 
den Seitenventrikeln mehr Flüssigkeit als gewöhnlich. Gehirnsubstanz 
massig fest, sonst normal. 

Dura mater zeigt an der Basis cranii entsprechend dem be- 
schriebenen Eiterherd der Pia eine leicht grünlichgelbe Tinction. Auf 
der Innern Fläche des linken Os petrosum sowie am äussern obern 
Ende findet sich eine ziemlich erhabene Prominenz vor, die durch 
die anscheinend noch intacte Kante des Os petrosum getrennt ist, 
sonst aber durch eine scheinbar communicirende Abscesshöhle ge- 
bildet wird. Ueber dieser Höhle, welche bei der Berührung ein 
deutliches Fluctuationsgefühl erkennen lässt, zieht die Dura in intactem 
Znstande hinweg, sodass nirgends eine offene Communication mit dem 
Gavum cranii vorhanden ist. Das Blut in den Sinus der Dura mater 
meistentheils dünnflüssig, speckhäutig geronnen. Sonst nichts bemer- 
kenswerthes vorhanden. 

Linke Lunge in hinteren Abschnitten in ziemlich beträchtlicher 
Ausdehnung adhärent, ebenso die rechte. 

Darm sehr stark durch Gas ausgedehnt. Milz normal gross, 
ziemlich blutarm. In der Gegend des linken Sinus renalis eine etwa 
bohnengrosse Nebenmiiz. Processus vermiformis sehr lang. Beide 
Nieren ziemlich blutreich. Harnblase sehr stark ausgedehnt, über 



48 V. HESSLER 

obern Rand der Symphyse um 12 Gm., und enthält einen klaren 
und hellen Urm. In den übrigen Organen nichts bemerkenswerthes. 

Die Untersuchung des rechten Ohres durch Herrn Prof. 
Schwartze ergibt: Gehörgang stenosirt, im knorpeligen Theil in 
solchem Grade, dass durch die engste Stelle nur eine dicke Strick- 
nadel zu schieben ist. Hinter dem Gehörgang ist eine trichterförmige 
Aushöhlung im vollständig sklerotischen Knochen sichtbar. Die Spitze 
des Trichters liegt über und hinter dem Gehörgange in einer Ti«fe 
von t2 Mm. von der Oberfläche des Knochens. Tuba Eustachii frei 
durchgängig. 

Nach Abziehung der Dura mater erscheint die Pyramide durch- 
setzt von einem Tumor von gelblichweisser Farbe, welcher die vor- 
dere und hintere Wand derselben in der Grösse je einer Wallnuss 
durchbrochen hat, sodass nur noch die innere Kante der Pyramide 
übrig geblieben ist. Dieser Tumor hat den Sulcus transversus über- 
deckt und dadurch denselben an seinem untern Ende erheblich ver- 
engt, und prominirt auch 'ut die mittlere Schädelgrube. Der grösste 
Durchmesser der Geschwulst ist 3V2 Om. Der Porus acust. intern, ist 
frei. Auf dem Durchschnitt zeigt die Geschwulst eine zwiebelartige 
Schichtung und eine gelblichweisse Färbung. 

Die mikroskopische Untersuchung zweier Zupfpräparate zeigte 
meistens grosse, glatte Epidermiszellen, körnig entartete Zellen und 
viel körnigen Detritus, aber keine Cholestearinkrystalle. 

Weitere anatomische Untersuchungen des Schläfenbeins mussten 
unterbleiben, da das Präparat noch zu anderen Zwecken reservirt ist. 

Zu einem Falle von Myringitis chron. bei einem Phthisiker 
erlaube ich mir einen gleichen aus dem vorletzten Jahre zuzufügen. 

Hermann Kaempfe, 21 Jahre alt, aus Pauscha, hatte seine Mutter 
im Alter von 60 Jahren an Altersschwäche, seinen Vater im 42. Jahr 
durch Fall von der Scheuer verloren. Er war früher kerngesund 
gewesen, und klagte seit einem Jahr über die eclatantesten Symptome 
einer beginnenden Phthisis der Lungen. Er hatte vor zwei Jahren 
eine Gonorrhoe acquirirt, die schnell durch Injectionen heilte und 
keine Erscheinungen von Lues secund. zur Folge hatte. Seit 14 
Tagen war er auf dem rechten Ohr schwerhörig und hatte beim 
Schnauben der Nase Rasseln und einen leichten reissenden Schmerz 
bemerkt, weshalb er sich zur Untersuchung stellte. Das linke Trom- 
melfell war mattgrau, ohne Lichtreflex und etwas eingezogen; das 
rechte war ebenfalls ohne Lichtreflex und mattgrau in seiner vorde- 
ren und unteren Partie; an einer circa 3 Mm. grossen runden Stelle 
unterhalb des Proc. brev. und mitten zwischen Hammergriff und hin- 
tern Knorpelring ging die beschriebene Farbe des Trommelfells mehr 
ins Röthliche und Dunkle über, während hier das Trommelfell kup- 
peiförmig hervortrat Das Centrum dieser Stelle war wieder matt- 
röthlichgelb. Das ganze Bild machte denselben Eindruck, wie die 
Decke eines gewöhnlichen Furunkels, ehe letzterer die Haut voll- 
ständig durchbrochen hat. Ich betone nochmals, dass das übrige 
Trommelfell vollständig ohne Entzündung war. Dabei bestand Em- 



statistischer Bericht der Poliklinik für Ohren] 

pfindiichkeit der Weichtheile zwischen Warzen: 
aber kein Oedem nnd keine locale Temperati 
gabel wurde vom Scheitel nnr links als Ton 
als Summen vernommen. Die Uhr wurde n 
knochen gehört; durch Luft rechts bis 4 Cm 
Beim Katheterisiren ergab sich rechts kein Ri 
Verbesserung des Gehörs, 

Das hier gegebene Bild erinnert sofo] 
Schwartze's vom Tuberkel des Tromm: 
logischeli Anatomie des Ohres S. 68 : „ Tub i 
erscheinen bei Kindern mit Miliartuberki 
Flecke von Stecknadelkopfgrösse oder noc I 
mediären Zone, während das übrige Tron 
gelbgrau getrübt erscheint von durchsehe! : 
gem Exsudat in der Paukenhöhle. Voi 
gesehen erscheinen diese Flecke flach ge ; 
das Niveau der Schleimhaut, scharf umscli 
nischer Lungentuberkulose Erwachsener 
öfters gelbliche, leicht prominente üiid h'i ' 
die von schnellem ulcerativem Zerfall di ; 
waren und wahrscheinlich als Tuberke 
deuten sind. Die histologische Bestätigui ! 
vollständig. " 

Auch in unserem Falle handelt es si ! 
Affection des Trommelfells allein, die in ih : 
einem rapiden Zerfall desselben führte. Ai 
den Tages hatte Patient beim Schnauben 
leichten Schmerz im Ohr wie Stechen em; i 
Luft durchs Ohr hinauszischen gehört. I i 
jener centralen Stelle, die eine mehr gelt 
einen unregelmässig verlaufenden Riss im Tr< i 
Blutaustretung. Die Stimmgabel wurde vom • 
stärkt, die Uhr bis 8 Cm. entfernt und rech 
zwar schwach, aber bestimmt gehört — d 
dem vom vorigen Tage geradezu entgegen 

Beim Katheterisiren war kein Rasseli 
schmerz unter dem Ohre hatte nachgelassc 
30. April 1880) war der Defect des TroD 
gefähr stecknadelkopfgross geworden, das 
ganzen Ausdehnung intensiv roth wie ei 
wurde vom Warzenfortsatz noch gehört un^ 
beim Katheterisiren abermals kein Rasseln 
eine Oircumcision der ulcerirten Partie dei 
schnitt ich mit einer Paracentesennadel die i 
Peripherie und tamponirte das Ohr mit Si 

ArcUy f. Ohrenheilkande. XYII. Bd. 



50 y. HESSLER 

cess ging so rapid vorwärts, dass am 5. Mai Dicht' nur das Trommel- 
fell tiefblauroth gefärbt und die eigentliche Stelle der Spontanper- 
foration noch einmal so gross als am 30. April geworden war, son- 
dern es fand sich ein höckeriger Granulationsknopf vom hinteren 
Perforationsrande ausgehend und nach vom nnd unten von der Spon- 
tanperforation eine zweite kleine runde Perforation. Am 7. Mai hatte 
die ursprüngliche Perforation sich besonders an ihrem hinteren Rande 
vergrössert und mehr eine Kleeblattform angenommen mit der Spitze 
nach vorn und unten. Am 10. Mai hatte sich das Trommelfell, dessen 
Zerfall progressiv blieb, bedeutend abgeblasst und die Perforationen 
waren schon so gross geworden, dass beim Ausspritzen vom Gehör- 
gang aus das Wasser durch die Nase im Strahl abfloss. Die zuerst ent- 
standene Perforation reichte nach hinten oben fast bis zum Enorpelring, 
während eigentlich die z wej^ HlM jjUüj^f^s^dem Grade vergrössert 
hatte. Am 15. October k4w{^^min^iF''^^^schleimhaut frei und 
ebenso gefärbt sehen , ^J^as noch mehr afa^eblasste Trommelfell. 
Von der ur8prünglichefl*9erfonit|(m|^ di^pimniSett' den Enorpelring 
erreicht hatte, war dei oberMRAd^AfrewIflstet und dick, der untere 
scharf zugespitzt. ZwMkn ihr und der spAlb%n Perforation , die 
mittlerweile 4 Mm. in I^^l:^ längsten Dpiif^hj^ser gross geworden 
war und mit diesem vnnSiMi^ftB' B A jf^i^r fip.hrftpp nach vorn und 
oben verlief, lag nur eine vieileiclit 1*^ Mm. breite Brücke übrig- 
gebliebenen Trommelfells, die ganz mattgelb verfärbt war. Die Uhr 
hörte Patient nur beim starken Andrücken an die Ohrmuschel. Am 
19. Mai war entsprechend der Vergrösserung der späteren Perforation 
nahezu in einer horizontalen Ebene die Brücke dünner und länger 
' geworden^ und hatte sich mehr horizontal gestellt, und obwohl sie 
am 25. Mai schon fadendünn war, fühlte sie sich bei der Berührung 
mit der Sonde noch resistent genug an und zerriss nicht. Die Pauken- 
schleimhaut war ganz blass, der ganze Rand der zweiten Perforation 
gelbverfärbt in Folge des Zerfalls der Trommelfellsubstanz. Bis dahin 
war die Beobachtung wiederholt gemacht worden, dass die nicht 
starke Eitersecretion bei der Application von Borsäurepulver und bei 
Vermeidung von Wasser auffällig geringer war, als bei Reinigung 
des Ohres mit Salzwasser« Deshalb wurde von jetzt ab der Eiter 
nur mit Watte entfernt bei gleichzeitiger Anwendung des Valsalva- 
Bchen Versuchs, und hinterdrein Borsäurepulver eingestäubt. So war 
denn auch am 31. Mai das Trommelfell ohne Eiterbelag und die 
Paukonschleimhaut blass zu sehen, die Brücke stand zwar noch, aber 
die vordere Perforation war grösser geworden und noch am Rande 
gelbverfärbt. Der Process war zwar noch progressiv, hatte aber 
entschieden an Rapidität abgenommen. Schliesslich fand sich folgen- 
des Bild im rechten Ohr: Der Hammergriff lag an seinem hinteren 
Rande und fast in seiner ganzen Länge frei, vom Umbo zog die be- 
schriebene Brücke zwischen den beiden Spontanperforationen nach 
hinten und unten zum Knorpelring, der im hinteren mittleren Quad- 
ranten allein restirte; nach vorn und unten am Umbo fand sich die 
später entstandene Perforation von ungefähr Erbsengrösse ; Proc. 
brevis stach als weisser Knopf scharf ab von dem blassrothverfärbten 



statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 51 

Trommelfellreste. Die Farbe der Paukenschleimhaut war gleich der 
des Trommelfells mattgelblieh roth; jedenfalls erstere nicht so lebhaft 
geröthet wie man sie sonst bei chronischer Eiterang selbst im Ans- 
heilungsstadinm zu finden gewohnt ist. Es ist deshalb sehr wahr- 
scheinlich , dass anch sie bereits mit in den tnberknldsen Verfall 
hineingezogen war. Patient verliess die Klinik , da er die geho£fte 
Heilnng nicht erhielt^ vielmehr sich snbjectiv viel schlechter ftlhlte, 
und hat sich seitdem nicht wieder vorgestellt. 

In einem gleichen Falle würde vielleicht statt der hier ver- 
sachten Gircumcision der Galvanokauter bessere Resultante er- 
geben zur Goapirung des Trommelfellzerfalles. 

In dem 2. Fall von chronischer Myringitis bei einem Tuber- 
kulösen trat mit zeitweiliger Besserung des Allgemeinbefindens 
eine spontane Heilung ein, die bis jetzt von Ende Mai 1880 be- 
standen hat. ^ 

Herr Stud. art. dent. Friedrich M . . . , 21 Jahre alt, stammt 
ans gesunder, jedenfalls nicht pkthisischer Familie, hat seine Mutter 
im Alter von 42 Jahren 1^66 an der Cholera und seinen Vater im 
69. — 70. Jahre an der Wasserisucht verloren. Drei Geschwister sind 
sehr früh an Wassersucht, Abzehrung und Typhus gestorben, die 
übrigen fünf sind jünger und sehr gesund. Im Januar 1878 bekam 
er angeblich ohne jede äussere Veranlassung einen Brustkatarrh, der 
in Kassel behandelt und als tuberkulöser Natur angesehen wurde. 
Er inhalirte 8 Wochen lang Carbolsäurelösnng und darnach sollen 
alle. damals vorhanden gewesenen Erscheinungen auf der Brust zu- 
rückgegangen sein. Aber im letzten Winter bekam er unangenehme 
Morgenschweisse , trockenes Hüsteln und heisere Stimme etc. und 
ftlhlte sich seitdem auffallend matt zur Arbeit. Ende Juni 1879 kam 
er in die Poliklinik seines linksseitigen Ohrenflusses wegen, der un- 
gefähr seit drei Wochen continuirlich gewesen war. Er klagte nur 
über leichtes Sausen und über Schwerhörigkeit und erinnerte sich 
auf das Bestimmteste, dass er niemals heftigeres Stechen im Ohre 
gehiabt habe, „manchmal habe es ihm etwas weh gethan*'. Das rechte 
Ohr war normal, links bestand geringe Eiterung. Der Gehörgang 
wurde mit Watte trocken gereinigt; das Trommelfell war in den 
vorderen Partien perlgrau, leicht röthlich verfärbt und in der Mitte 
zwischen dem Ende des Hammergriffes und des Proc. brevis fand 
sich eine kleine roehrköpfige Granulation, welche die vorhandene 
Perforation verdeckte. Beim Katheterisiren hörte man ein reines 
hohes Pfeifen und weder jetzt noch in der Folge Rasseln. Die Gra- 
nulation wurde mit Höllenstein in Substanz touchirt, und im Uebrigen 
das Ohr mit Watte gereinigt und mit Watte tamponirt. 

Die Untersuchung der Lunge ergab über der linken Spitze vom 
gedämpften Percussionston, unbestimmte Athmung und hinten auffal- 
lend verstärkte Bronchophonie. Es handelte sich also um einen chro- 
nischen Verdichtungsprocess in oder um der linken Lungenspitze. 

Unter der angegebenen Behandlung trat nach ungefähr 4 Wochen 

4* 



52 V. HESSLER 

YoUständige Heilung ein: man sah eine deutliche atrophische Narbe 
und hörte beim Eatheterisiren absolut normales Anschlagegeräusch. 
Flüsterte man ganz leise Zahlen dicht am Ohr, so verstand er sie 
regelmässig. Derselbe Process wiederholte sich am 28. October 1879 
im rechten Ohre, führte zur Terforätion des Trommelfells, zu ge- 
ringer Eiterung und Heilung mit Narbenbildung am 14. November. 
Seit dieser Zeit traten die Nachtschweisse heftiger und unangenehmer 
auf, der Husten wurde stärker, der Appetit schlechter, die Stimme 
heisör und das Körpergewicht nahm zwar von Woche zu Woche 
wenig, aber doch beständig ab. Im Januar 1880 bekam er eine 
Hämoptoe, die ihn sehr vorsichtig machte und bewog, eine Milchkur 
mit Cognac Monate lang zu gebrauchen. Er vertrug selbst grössere 
Quantitäten Milch wider Erwarten gut und fühlt sich jetzt vollständig 
wohl, wenn auch die oben genannten Erscheinungen auf der Lunge 
nicht zurückgegangen sind. 

Mitte Januar stellte er sich wieder wegen Schwerhörigkeit vor. 
Beide Trommelfelle waren mattroth, ohne Lichtreflex und ohne Per- 
foration. In drei Wochen, während welcher 10 — 12 mal die Um- 
gebung der Ohren mit Jodtinctur angestrichen worden war, ging der 
subacute Katarrh zurück und beide Trommelfelle zeigten die alten 
Narben. Am 10. Mai stellte er sich wieder vor und erzählte, dass 
er rechts seit drei Wochen wieder Eiterung habe und beim Schnauben 
der Nase die Luft durchs Ohr zischen höre, ohne aber vorher er- 
hebliche Schmerzen gespürt zu haben, und dass er auch links seit 
drei Tagen dieselben Erscheinungen in geringerem Grade beobachtet 
habe. Ich constatirte die Richtigkeit seiner Aussagen und fand beider- 
seits eine kleine runde Perforation. Beide schlössen sich nach einigen 
Tagen. Die Ohren wurden wieder nur trocken gereinigt und mit 
Watte tamponirt, ausserdem aber dem Patienten der Missbrauch des 
Valsalva'schen Versuches, den er bisher getrieben, streng untersagt. 
Bei seiner Entlassung waren beide Trommelfelle blassroth, ohne Licht- 
reflex, mit je einer deutlichen Narbe, der Proc. brevis nicht deutlich 
sichtbar. Die Stimmgabel hörte er vom Scheitel auf beiden Seiten 
gleich gut, ebenso auch die Uhr vom Warzenfortsatz; die Flüster- 
sprache verstand er beiderseits bis V2 Fuss sicher und die Uhr hörte 
er beiderseits bis 8 Cm. Beim Katheterisiren hörte man beiderseits 
ein auffallend lautes und volles, normales Anschlaggeräusch. Seitdem 
ist Patient gesund geblieben und kräftig gaworden. 

Der nächste Fall betrifft eine traumatischcRuptur eines 

in Folge chronischen sklerosirenden Mittelohrkatarrhs verdickten 

Trommelfells. 

Knecht Eduard Mantel, 44 Jahre alt, aus Reinsdorf, war früher 
angeblich auf dem rechten Ohre immer gesund gewesen, hatte zwar 
einmal einen Cerumenpfropf darin gehabt, derselbe wurde aber aus- 
gespritzt und das Gehör war sofort wieder normal. Am 18. August 
er. wurde ihm beim Abiaden eines Getreidewagens eine Garbe gegen 
das rechte Ohr geworfen: sofort fühlte er im Ohr einen heftigen 
Stich, lebhaften Schmerz und etwas Schwerhörigkeit, aber er war nicht 



Statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zn Halle a/S. 53 

ohnmächtig oder bewusstlos gewesen, hatte auch keinen Schwindel 
gehabt. Am nächsten Tage hatte er ein leichtes Sausen, aber ab- 
solut keinen Schmerz verspürt. An demselben Tage fand ich: das 
linke Trommelfell normal; das rechte im Ganzen röthlich verfärbt, 
mit graner Grundfarbe besonders in den vor dem Hammergriff ge- 
legenen Quadranten, im Allgemeinen leicht entzündet und ohne Licht- 
reflex. Hinter dem Hammergriff, dessen hinterer Rand blossliegt, ist 
ein grosser unregelmässig gestalteter Defect, der dicht am Hammer 
beginnt, ungefähr 5 Mm. hoch und 3 Mm. breit ist. Vom unteren 
Eand ist der Enorpelring vielleicht 2 Mm. entfernt, während vom 
hinteren Trommelfellabschnitte nur noch ein sehr kleiner und dabei 
zerrissener Rest stehen geblieben ist, höchstens 1 Mm. hoch. Der 
vordere und untere Rand ist scharf und bei Berührung mit der Sonde 
verdickt und starr zu fühlen, der hintere ist vollständig mit Blut- 
eztravasat bedeckt und hat sich nach innen umgelegt. Der Proc. 
brevis und der ganze Defect ist von einem Blutextravasat überzogen, 
80 dass die Paukenschleimhaut nicht sichtbar ist. Dabei hörte er 
die Stimmgabel vom Scheitel nur nach rechts, die Uhr .von jedem 
Warzenfortsatz aus gleich laut, und durch die Luft links normal weit, 
rechts nur bis 15 Cm. 

Beim Valsalva 'sehen Versuche hörte man ein weiches, hauchendes, 
volles Perforatiönsgeräusch. Der Gehörgang wurde durch Watte vom 
Blut gereinigt, darauf ein Wattetampon eingelegt und Patient streng 
untersagt, sich eine Wasserinjection ins Ohr zu machen. Es handelte 
sich also um eine sehr ausgedehnte Trommelfellruptur, die nicht durch 
eine Labyrinthaffection complicirt war. Nach acht Tagen stellte sich 
Patient wieder vor und gab an, in der Zwischenzeit öfters Jucken, 
Pochen und einen leichten ziehenden Schmerz im Ohr gespürt zu 
haben. Das Trommelfell war lebhafter entzündet, der Trommelfell- 
defect, der um 1/3 kleiner geworden, war durch Schleimeiter voll- 
ständig ausgefüllt. Dieser wurde unter Anwendung des Valsal va- 
schen Versuches mit Watte entfernt. Da vor und unter dem Ohre 
leichte Empfindlichkeit bei Druck bestand, wurde alle zwei Tage ein 
starker Jodanstrich rings um das Ohr herum anempfohlen. Die Uhr 
wurde nur bis 10 Cm. weit gehört. 

Am 1 6. September war die Perforation nur noch stecknadelkopf- 
gross, ohne jeden Eiterbelag, aber noch unregelmässig gerandet; das 
Trommelfell war mattroth, nicht mehr so entzündlich geschwellt, wie 
das letzte Mal. Es fehlte jede Druckempfindlichkeit. Exp. Valsalvae 
gelang nur nach wiederholten Versuchen und mit einiger Anstrengung. 
Die Uhr hörte er wieder bis 12 Cm. und leise geflüsterte Zahlen 
bis '^4 FQSS sicher. Patient hat sich darnach selbst auf mehrfache 
schriftliche Aufforderung nicht wieder sehen lassen, aber nach dem 
Verlaufe der Affection darf man mit einer an Gewissheit grenzenden 
Wahrscheinlichkeit annehmen, dass der Process zur vollständigen 
Heilung gekommen sein wird. 

In zwei Fällen ivurde nach dem Gebrauch der Weber- 
schen Nasendouche mit kaltem Wasser, wie sie ärzt> 



54 V. HESSLER 

licherseits angeordnet war, acuter Mittelohrkatarrh ein- 
seitig beobachtet. Beide Patienten hatten sofort das Wasser im 
Ohr gefühlt und sich veranlasst gesehen, zur vermeintlichen Ent- 
fernung desselben mit dem nicht betheiligten Ohr nach unten, 
tüchtig mit dem Kopf zu schütteln. Sofort hatten sie Sausen 
und ein dumpfes Geftlhl im Ohr und nach wenigen Stunden schon 
Schmerzen bekommen. 

Willy Tanneberger, I5V2 Jahre alt, von hier, stellte sich am 
folgenden Tage (27. März 1880) zur Untersuchung und klagte be- 
sonders über heftiges Sausen. Das rechte Trommelfell war normal; 
das linke war tiefroth verfärbt, zeigte in seinem hinteren oberen 
Quadranten eine prall gespannte, glänzende Blase, die bei der In- 
cision blutig gefärbtes Serum entleerte und sofort coUabirte, Hammer- 
griff und kurzer Fortsatz waren nicht zu sehen. Im Eieferwinkel 
bestand Druckempfindlichkeit. Die Stimmgabel wurde vom Scheitel 
nach dem kranken Ohre verstärkt percipirt, die Uhr rechts normal 
weit gehört, links nur bis 8 Cm. Ordinirt wurden zwei Blutegel 
hinter das Ohr und Bitterwasser. 

Am 3. April kam er wieder und erzählte, dass er gleich nach 
dem Eintreten eines eitrigen Ausflusses bedeutende Erleichterung ver- 
spürt habe. Ich constatirte an der Stelle der gemachten Blasenpunc- 
tion eine kleine Perforation, durch die ich, da sie so hoch gelegen 
war, den Eiter täglich nur schwer mit dem Katheter aus dem Mittelohr 
entfernen konnte. Vom 14. April ab begann die hintere Gehörgangs 
wand zu schwellen und sich hervorzudrängen, so dass am 15. April 
eine Spaltung seiner Weichtheile bis zum Knochen vorgenommen und 
dabei ein dicker Eiterflock entfefnt wurde. Aber die Schwellung ging 
nicht zurück, hatte sich vielmehr nach drei Tagen auf die Weich- 
theile vor dem Ohre und über dem Warzenfortsatz erstreckt, so dass 
sogar entzündliches Oedem dieser Partien leicht nachweisbar war. 
Ordinirt wurden nochmals zwei Blutegel hinter das Ohr, Ricinusöl 
und Eisbeutel auf den Warzenfortsatz. Letzterer wurde ununterbrochen 
fünf Tage und fünf Nächte gewechselt und coupirte die secundäre 
periostitische Reizung vollständig. Am 24. April wurde beim Percu- 
tiren des Warzenfortsatzes mit dem Finger kein Schmerz mehr ge- 
äussert und die Perforation hatte sich geschlossen. In den nächsten 
Tagen nahmen die Rasselgeräusche im Ohr beim Katheterisiren rasch 
ab und das Gehör besserte sich dementsprechend so gut, dass T. 
schliesslich als vollständig geheilt entlassen worden ist. 

Herr W. R., 21V2 Jahre, hatte sich die Nase kalt ansgedoucht 
nach Aetzung eines Nasendefectes mit Höllenstein und dabei das kalte 
Wasser ins rechte Ohr bekommen. Er hatte schon früher als Schul- 
kind öfters Ohrenzwang beiderseits gehabt, wnsste, dass er links 
sprachtaub war und rechts nur noch vielleicht die Hälfte der nor- 
malen Gehörfähigkeit hatte, und meinte ganz rithtig, dass seine laute 
und dabei schleppende und klanglose Sprache durch seine frühe Schwer- 



Statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 55 

hörigkeit bedingt wäre. Er hatte bereits 14 Tage lang die Nasen- 
donche gebraucht und wasste genau, wann ihm das kalte Wasser in's 
Ohr gekommen war. Gleich darauf hatte er heftige Schmerzen im 
Ohr stechender Art bekommen, so dass er zwei Nächte nicht schlafen 
konnte. Es waren dann 6 Blutegel ordinirt worden, die obwohl in 
ziemlicher Entfernung vom Ohr und um dasselbe herum angesetzt, 
doch eine nicht unbedeutende Linderung seiner Schmerzen gebracht 
hatten, so dass er wieder ruhiger hatte schlafen können. Erst im 
Laufe der nächsten Woche nahm er (am 13. November 1879) die 
Hülfe der Poliklinik wegen Schwerhörigkeit und Sausens in Anspruch. 
Das rechte Trommelfell war tiefroth gefärbt, so dass Hammergriff 
und kurzer Fortsatz nicht zu sehen, und an seiner hinteren Hälfte 
hervorgetrieben und stark glänzend; das linke war grau verfärbt, 
ohne Lichtreflex, verdickt und zeigte den Hammergriff nicht deutlich 
abgegrenzt. Die Stimmgabel hörte er vom ganzen Kopf aus nur 
rechts, die Uhr auch nur rechts durch die Eopfknochen, links auf 
das Bestimmteste gar nicht. Die Stimmgabel hört er rechts dicht 
vor dem Ohre bestimmt, und links nur durch den Resonator. Laut- 
gesprochene Zahlen hörte er rechts nur dicht am Ohr und links nur 
mit Hülfe des flexiblen Höhrrohres. Von der Ohrmuschel aus hörte 
er beiderseits die Uhr nicht, selbst beim stärkeren Andrücken nicht. 
Links bestand also Sprachtaubheit in Folge chronischer Entzündung. 
Beim Katheterisiren hörte man links ein helles volles Anschlagege- 
räusch, rechts etwas Rasseln daneben. Dieser Befund und die Her- 
vorwölbung der hinteren Trommelfellhälfte gaben die Indication zur 
Paracentese, die zwar wenig eitrigen Schleim entfernte, aber eine 
Gehörverbesserung so weit zur Folge hatte, dass nun die Uhr von 
der Ohrmuschel aus gehört wurde selbst beim leisen Anlegen. Patient 
hütete das Zimmer, bis sich das Trommelfell nach sechs Tagen wieder 
geschlossen hatte, ohne dass eine erhebliche Steigerung des bestehen- 
den subacuten Mittelohrkatarrhs aufgetreten wäre. Anfangs rasselte 
es beim Katheterisiren ziemlich stark, in den nächsten acht Tagen 
aber hörte man normales Anschlagegeräuscb, so dass Patient aus der 
Klinik entlassen wurde. Er hörte allerdings selbst dicht vor dem 
Ohre lautgeflüsterte Zahlen nur unbestimmt und die Uhr immer nur 
noch direct von der Ohrmudcdel. 

Seine Constitution war eine anämisch-scrophulöse. Der Verdacht, 
das» ihr eine Lues hereditaria zu Grunde liege, wurde durch die 
Beschaffenheit des Defectes der Nasenscheidenwand und durch den 
folgenden Verlauf der Ohraffection bestärkt. Aber eine bezügliche 
Untersuchung der Mutter ist meines Wissens negativ ausgefallen — 
und der Vater ist erst vor Kurzem an einer eigenthümlichen Leber- 
affection gestorben (Gummata?). Die Section ist nicht concedirt worden. 

In den nächsten Monaten nahm er zur Besserung seiner Consti- 
tution Chinin mit Eisen, Jodkali, Eisen und Jodeisensyrup* 

Da der Tubeneingang rechterseits geschwellt war, wurde er 
mehrere Male mit gutem Erfolge mit Höilensteinlösung (1,0 : 15,0) 
touchirt und ebenso günstig die geschwellte Tubenschleimhaut mit 
Quellbougies behandelt. Am 24. April 1880 hatte sich sein Gehör 



•56 V. HESSLER 

> ■ 

so weit gebessert, dass er die gewöhnliche Umgangssprache bis auf . 
3 Fass verstand. Allmählich besserte sich anch sein Aussehen und 
sein Befinden, besonders seitdem er als Hanslehrer gute Wohnung 
hatte. Am 15. Juli hörte er zwar die Uhr nur bis höchstens 1 Cm. 
vom Ohre entfernt, aber im auffallenden Unterschiede davon mittel- 
laut gesprochene Zahlen bis 1 1 Fuss sicher ; zusammeugesetzte Worte, 
wenn sie viele Vocale enthielten, bis 7 Fuss; enthielte sie viele 
Consonanten, nur bis höchstens 5 Fuss. Das Trommelfell war klar 
und glänzend geworden und zeigte deutlich die Narbe von der Para- 
centese. Soolbäder, t4 Tage lang einen Tag um den andern ge- 
nommen, thaten gute Dienste und verursachten wesentliche Steigerung 
des Appetits. Am Tage nach einem solchen Soolbad nahm er ein 
Flussbad von circa 18 Grad, an demselben Abend hörte er noch ganz 
gut, wenigstens war ihm eine' Verschlechterung seines Gehörs nicht 
auffällig geworden, und am nächsten Morgen hörte er so schlecht, 
dass er alle, selbst bekannte Worte, auch wenn sie dicht am Ohre 
ganz laut geschrien wurden, nur unsicher verstand. Dieser Zustand 
hielt 1 4 Tage an, ohne dass irgend eine Veränderung am Trommel- 
fell oder beim Eatheterisiren beobachtet werden konnte. In dieser 
Zeit hörte er kaum die Thüre zuschlagen, kaum das itasseln dicht 
neben ihm fahrender Lastwagen, sicher nur den Pfiff der Locomotive 
und Schüsse und war deshalb gezwungen, seine CoUegien auszusetzen. 
Allmählich aber kehrte das Gehör wieder, und das Sausen, das an- 
fangs sehr störend gewesen war, nahm mehr und mehr ab. Etwa 
Ende des Semesters konnte er nur diejenigen Docenten verstehen, 
die sehr laut zu sprechen pflegten, wenn er dicht vor ihnen sass. 
Anfang September ging er in seine Heimath, schlief die ersten Nächte 
viel und wollte dabei die Beobachtuug gemacht haben, dass ihm ge- 
rade der Schlaf viel für sein Gehör genutzt habe. Er machte nun 
Mitte September eine Fnsstojar in den Harz und dabei ereignete es 
sich, dass er etwas erhitzt von der Kosstrappe in das kalte Bodethal 
hinabkam. Am anderen Tage war er wieder so schwerhörig, das» 
man sehr laut sprechen und ganz dicht mit dem Munde an sein 
Ohr herangehen musste. Diese Verschlechterung dauerte ungefähr 
drei Tage und nach Ablauf von weiteren zwei Tagen konnte er die 
Umgangssprache wieder ganz gut verstehen. Diese Anfälle, die stets 
ohne Schwindelerscheinungen, aber mit Sausen auftraten, wiederholten 
sich noch zweimal in Zwischenräumen von acht Tagen. Das Sausen 
wirkte anfangs betäubend, allmählich Hess es nach „und hörte sich 
im Allgemeinen wie ein starker Luftzug an". 

Die letzte Verschlechterung datirt er vom 13. November, als er 
Abends 9 Uhr etwas erhitzt von einer Fechtübung nach Hause ge- 
gangen war. Am nächsten Morgen war er ganz taub, und allmählich 
besserte sich sein Gehör so weit, dass er am dritten Tage wieder 
das CoUeg besuchen konnte. Am nächsten Tage trat wieder eine 
Gehörverschlechterung ein, aber diesmal ohne jede äussere Veran- 
lassung; dieselbe ist heute nach drei Tagen noch unverändert und 
man muss laut schreien, wenn er das Gesprochene hören soll. Er 
blieb zwei Tage zu Bett, transj)irirte leicht und konnte darnach die 



y 



statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 57 

gewöhnliche Umgangssprache wieder bis zwei Fuss Entfernung ver- 
stehen. 

Ganz ähnliche Fälle von plötzlicher totaler Taubheit bei Er- 
wachsenen mit congenitaler Syphilis kommen häufiger zur Be- 
obachtung. Y. Tröltsch meint in der neuesten Auflage seines 
Lehrbuches S. 547: „Ob nicht hierbei eine specifische Labyrinth- 
affection mit im Spiele ist oder eine luetische Erkrankung im 
Gebiete der Auditiva interna, wie sie H e u b n e r von den Gehim- 
arterien beschreibt?" Im vorliegenden Falle ist eine Affection 
des Mittelohres sicher auszuschliessen, da niemals Veränderungen 
am Trommelfell oder im Mittelohr constatirt werden konnten, und 
ebenso sicher ist eine entzündliche Affection der halbcirkelförmi- 
gen Kanäle auszuschliessen, da bei den einzelnen Anfällen von 
Taubheit immer der gerade hierfUr als charakteristisch geltende 
Schwindel gefehlt hat. Die Affection kann deshalb nur die End- 
ausbreitung des Acustieus in der Schnecke, oder den intracraniell 
gelegenen Stamm desselben betreffen. Aber welcher Art die 
Affection ist und wo sie ihren Sitz hat, scheint mir nicht mög- 
lich zu bestimmen. Jedenfalls sind die Veränderungen, welche 
die plötzliche Taubheit bedingen, zwar längere Zeit andauernd, 
aber doch allmählich zurückgängig bis zum vollständigen Ver- 
schwinden, denn sonst würde nicht immer die frühere Gehör- 
fähigkeit wieder kommen können, wie es in der That hier zwei- 
mal beobachtet wurde. 

Ueberraschend war der Erfolg einer Paracentese im folgen- 
den Falle: 

Gottfried Schmerwitz, 56 Jahre alt, aus Wettin, kam am 20. De- 
cember 1879 in Behandlung wegen einer seit 14 Tagen bestehenden 
Schwerhörigkeit. Das linke Trommelfell war normal; die Uhr wurde 
20 Cm. weit gehört; rechts war ein den Gehörgang obturirender Ce- 
rumenpfropf, der mittelst Klysopompe entfernt wurde und dem Trom- 
melfell nicht aufgelegen hatte. Dasselbe war trübe und verdickt. 
Die Uhr wurde 8 Cm. weit gehört. Nach dem Eatheterisiren, wobei 
man viel trockenes Rasseln hörte, stieg die Gehörweite bis aufs Dop- 
pelte. Als nun. im Verlauf der nächsten acht Tage das Gehör sich 
immer wieder verschlechterte und die Rasselgeräusche unverändert 
blieben, wurde am 30. December die Paracentese gemacht und nur 
einiges bröckliges Exsudat ohne Wasserdurchspritzung, nur mittelst 
DoppelballoDS entfernt. Sofort hörte Patient die Uhr bis 20 Cm. 
und das Resonanzgefühl der Stimme, „das Summen im Kopf beim 
Sprechen*', das früher bei alleiniger Anwendung des Katheters nie 
ganz geschwunden war und sich allmählich wieder gesteigert hatte, 
war sofort verschwunden. Am dritten Tage hatte sich die Perforation 



58 V. HESSLER 

geschlossen, ohne dass entzündliche Reaction zu bemerken gewesen 
war und das Gehör war constant geblieben. Am nächsten Tage 
wurde Patient auf seine dringende Bitte entlassen und da er nicht 
wiedergekommen ; ist wohl seine bleibende Heilung als sicher anzu- 
nehmen. 

Hiernach entstand in diesem Falle das Resonanzgefbhl der 
eigenen Stimme in Folge Belastung der Labyrinthfenster durch 
die Exsudatbröckel, von denen man annehmen muss, dass sie 
beim einfachen Katheterisiren nicht ganz aus den Fensternischen 
herauszubringen waren, vielmehr in letztere bald wieder zurück- 
fielen, und sie war nicht bedingt durch eine entztlndliche Affec- 
tion der Tubenschleimhaut. 

In dem folgenden Falle von chronischem Tuben- und Mittel- 
ohrkatarrh brachte der Eatheterismus die stark ausgesprochenen 
Labyrinthreizungserscheinungen sofort zum Verschwinden. 

Am 27. December 1879 kam der Schmied Robert Rasehorn, 
28 Jahre alt, aus Siersleben, in die Poliklinik und gab an, dass er 
bis vor V4 J&hr beiderseits ganz gut gehört habe. In dieser Zeit 
hatte er öfters bei der Arbeit und ohne äusserliche Veranlassung 
plötzlich Schwindel bekommen, so dass er sich, um nicht zu fallen, 
an irgend einen Gegenstand anhalten musste, zugleich Kopfschmerzen 
in der Stirn und Uebelkeit, die sich häufig zum Brechreiz steigerte. 
Diese Anfälle dauerten nur minutenlang und kamen besonders Abends, 
wenn er stark und lange gehämmert hatte. Ebenso lange hatte er 
in beiden Ohren ein lautes Summen, das sich zur Zeit der Anfälle 
in Glockenläuten und Hämmern steigerte, und abwechselnd damit 
zeitweilig ein Zischen und ein Singen mehrerer, sehr hoher Töne. 
Diese Geräusche, welche seit Anfang immer rechts stärker aufge- 
treten waren, bestanden seit 14 Tagen continuirlich, waren des Abends 
intensiver als des Morgens und hinderten am Einschlafen. Aus dem 
letzteren Umstände fühlte er sich sehr matt, angegriffen, schlaff« zur 
Schmiedearbeit. Ausserdem war ihm sein Kopf so voll, schwer und 
dumpf, dass er nicht mehr ordentlich denken konnte. Lues oder 
Heredität von Ohraffectionen wurden entschieden in Abrede gestellt. 
Ob Excesse in Baccho die Schwindelanfälle hervorzurufen im Stande 
waren, musste unentschieden bleiben, da Patient, der einen sehr ruhi- 
gen und zuverlässigen Eindruck machte, aus Furcht vor denselben 
sich ganz des Biergenusses enthalten hatte. Beide Trommelfelle wa- 
ren leicht trübe, mattglänzend, zeigten einen verschmälerten und ver- 
längerten Lichtreflex und waren zurückgesunken, das linke mehr als 
das rechte. Die Stimmgabel wurde vom Scheitel nach rechts gehört 
und links nur dann percipirt, wenn man sich mit ihr der linken Ohr- 
muschel ganz genähert hatte. Die Uhr wurde durch die Eopfknochen 
rechts deutlicher gehört als links und durch die Luft rechts bisl2 Cm., 
links etwa 8 — 10 Cm. weit. Beim Katheterismus hörte man rechts ein 
volles, etwas hohes Anschlagegeräusch und kein Rasseln. Der Effect 



.SUtistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu H&Ue a/S. 59 

war ein auffälliger : das Singen war verschwunden, die Sprache klang 
nicht mehr so dumpf im Kopfe, war nicht mehr resonirend, und die 
Gehörweite war für die Uhr bis auf 30 Gm. gestiegen. Beim Ka- 
theterismus des linken Ohres drang die Luft nur unter Anwendung 
eines stärkeren Druckes in die Paukenhöhle hinein und hörte man 
dann ein volles, aber mehr feuchtes Anschlagegeräusch und ebenfalls 
kein Rasseln. Auch hier waren die Geräusche verschwunden, der 
Kopf vollständig frei und die Gehörweite für die Uhr auf mindestens 
40 Cm. gestiegen. Nunmehr hörte Patient die Stimmgabel vom Schei- 
tel im ganzen Kopfe gleich laut und ebenso die Uhr durch beide 
Warzenfortsätze gleich sicher und fein. Aber das Exp. Valsalvae 
war weder vor noch nach dem Katheterismus gelungen. 

Patient fühlte sich nunmehr viel freier und frischer und war 
sehr freudig erregt, da er nun wieder denken und arbeiten könne. 
Am folgenden Nachmittag traten von den subjectiven Gehörsempfin- 
dungen das Zischen und Brausen wieder auf und der Kopf wurde 
wieder schwerer. Alles ging zurück nach Application des Katheters 
beiderseits. Patient wurde nun täglich katheterisirt und zwar etwas 
länger als es sonst zu geschehen pflegt. Die Einführung einer 
Bougie gelang beiderseits ohne jedes Hinderniss, rechts war sie etwas 
schwieriger und musste die Bougie mit einem gewissen Druck vor- 
geschoben werden. Dieselbe blieb 5 Minuten lang liegen und nach 
ihrer Entfernung hörte man die Luft beim Katheterismus viel freier 
und stärker ins rechte Ohr eindringen. Die Bougirung wurde in 
derselben Weise rechts vielleicht 4 mal wiederholt und hatte zur 
Folge, dass das Gehör, das sonst immer vor dem Katheterismus bis 
auf 30 Cm. für die Uhr herabgegangen war und nach demselben bis 
auf 40 Cm. stieg, nicht mehr wechselte, sondern bis zur Entlassung 
des Patienten am 10. Januar 1880 ein constantes blieb. Links war 
das Gehör schon seit dem 3. Januar 1880 continuirlich gut geblieben, 
sofern er die Uhr ebenfalls bis 40 Cm. hörte und leise geflüsterte 
Zahlen bis 3 Fuss Entfernung sicher nachsprach. Bestimmt ist, dass 
nach dem zweiten Tage der Behandlung keine der oben geschilderten 
Beschwerden recidivirt ist, und da Patient nach 3/4 Jahren sich noch 
nicht wieder vorgestellt hat, ist es wohl auch als wahrscheinlich an- 
zunehmen, dass die Heilung eine dauernde geblieben ist. 

Wir kommen nun zur Besprechung der Diagnose des vor- 
liegenden Falles und zur Erklärung der Erscheinungen am Kran- 
ken. Der Befund am Trommelfell unterstützt, so weit er es 
überhaupt kann , die Diagnose eines doppelseitigen Mittelohr- 
katarrhs. Der Effect der Bougirung der rechten Tuba spricht 
für eine Stenosirung derselben, die in einer chronisch-katarrha- 
lischen Verschwellung ihrer Schleimhaut bedingt war; wäre die 
Stenose durch Narbenbildung oder vom Knochen her entstanden, 
so würde sie nicht so schnell gehoben und weiterhin die erreichte 
Durchgängigkeit der Tuba nicht so constant gut geblieben sein. 



60 V. HESSLER 

Beiderseits bestand Tnbenabschlnss , da beide Trommelfelle ab- 
norm eingezogen waren ^ und zwar linkerseits mehr als rechter- 
seits nach dem Befunde am Trommelfell. Linkerseits war der- 
selbe durch eine einfache acute Schwellung der Tubenschleimhaut 
bedingt, daflir sprach, dass eine mehrmalige länger dauernde 
Eiptreibung von Luft mittelst Doppelballons, die einfach mecha- 
nisch eine entzündlich geschwellte Schleimhaut comprimirt, hin- 
reichte, das Lumen der Tuba wieder herzustellen. 

Eine gewöhnliche Folge solchen beiderseitigen Tubenabschlus- 
ses bilden die Labyrinthreizungserscheinungen, wie sie oben ge- 
schildert sind, und die hier nur deshalb so heftig aufgetreten 
sind, weil sie bei einem Menschen sich zeigten, der durch seine 
Profession als Schmied schon an und für sich zu häufigen Laby- 
rinthreizungen disponirt ist. 

In dem folgenden Falle von chronischer Mittelohreiterung 
mit starken labyrinthären und cerebralen Erscheinungen wurde 
wider Erwarten und dauernd Heilung erzielt. 

Ida Hechtfischer, 5 Jahre alt, aus Halle, wurde am 25. Februar 
von der Mutter vorgestellt. Letztere erzählte, dass Patientin im 
December 1878 Diphtheritis gehabt und seitdem links Ohrenlaufen 
habe. Damals bildete sich ein Abscess hinter dem Ohr, der incidirt 
wurde, bald darauf zuheilte, nach einiger Zeit wieder von selbst auf- 
brach UDd sich erst dann definitiv schloss, als die Mutter beim Aus- 
spritzen der Abscesshöhle ein nekrotisches Enochenstück gefanden 
hatte. Seit Weihnachten 1879 begann die Otorrhoe fötid zu werden,^ 
ohne dass in dem Befinden des Kindes eine Veränderung gegen früher 
hätte bemerkt werden können. Der Appetit war gat und niemals 
kamen Klagen über Kopfschmerz. Das Bild änderte sich acut am 
21. Februar 1880. Es fiel wenigstens der Mutter plötzlich auf, dass 
das Kind beim Gehen bedeutend schwankte und dass es aus Fnrcht 
vor dem Hinfallen, was auch häufiger bereits geschehen war, sehr 
langsam und sehr breitbeinig ging. Besonders häufig war es beim 
Umdrehen gefallen. Dabei hatte das Kind nicht erbrochen, niemals 
selbst auf Befragen Kopfschmerzen gehabt, sondern nur im Allge- 
meinen darüber geklagt, dass ihm der Bauch wehe thue. Ob Fieber 
vorhanden gewesen war, konnte die Mutter nicht mehr entscheiden. 
Stuhlgang bis dahin täglich, war seitdem nicht wieder erfolgt. 

Stat. praes. : Patientin ist ein kräftiges, gut entwickeltes Kind^ 
dessen wackelnder und breitbeiniger Gang genau dem Gange der- 
jenigen Kinder entspricht, die jene noch wenig gekannte AfiTection 
überstanden haben, deren anatomischen Sitz Voltolini im Labyrinth, 
V. Tröltsch in der MeduUa oblongata annimmt. Die Zunge ist 
nicht belegt oder trocken, die Haut fühlt sich heiss an, die Pupillen 
sind gleich weit und reagiren auf Lichtreiz gut. Hinter dem linken 
Ohr findet sich eine massige Knochendepression und eine Hautnarbe^ 



statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 61 

die fest mit dem Knochen verwachsen ist. Auf Druck ist dieselbe 
nirgends empfindlich. Das rechte Trommelfell ist im Allgemeinen 
stark getrübt, in seinen äusseren Partien trüber als in jenen, die um 
den deutlich abgegrenzten Hammergriff herumgelegen sind; seine 
äussere Schicht glänzt normal. Der linke Gehörgang ist mit fötidem 
Eiter ausgefüllt. Nach Reinigung desselben mittelst Klysopompe, wo- 
bei das Wasser continuirlich im Strahl durch die Nase abläuft, con- 
statirt man, dass der Hammer ganz fehlt und vom Trommelfell nur 
noch eine kleine Randsichel stehen geblieben ist. Die Paukenschleim- 
haut war nicht granulös entartet. Der Versuch, eine Gehörprüfung 
anzustellen, scheiterte wiederholt. Ordinirt wurde ein starkes Calo- 
melpulver und öfters zu wiederholende Ausspritzungen des Ohres mit 
Salzwasser. In den nächsten zwei Tagen verschlimmerte sich der 
Zustand immer mehr. Der Schwindel nahm so zu, dass die Kleine 
gar nicht mehr gehen konnte und bei jedem Gehversuche umfiel. Die 
Lippen und die Zunge wurden trocken und bedeckten sich mit einem 
schwarzbraunen Belag, das Fieber war continuirlich, der Appetit ver- 
lor sich ganz und die Kräfte schwanden zusehends, so dass die Mutter, 
die bereits zwei Kinder in Folge von Ohrenaffectionen 
verloren hatte, auch dieses aufgegeben hatte. 

Die Kleine Hess den Stuhl unfreiwillig unter sich gehen, konnte 
aber den Urin halten und auf Aufforderung entleeren; sie lag am 
Tag theilnahmlos und wie im Halbschlaf im Bett, klagte von selbst 
gar nicht und delirirte die ganze Nacht ruhig vor sich hin. So lag 
sie die ganzen nächsten acht Tage im Bett und ass und trank nur 
auf directe und energische Aufforderung. Von da ab liess langsam 
das Fieber nac]), die Zunge schälte sich und wurde feucht und das 
Kind wurde lebhafter, interessirte sich wieder für die Umgebung und 
verlangte auch selbst wieder zu essen. Gegen Mitte März stellte sie 
sich wieder in der Klinik vor und es war von allen genannten Er- 
scheinungen nur noch der bedeutende Schwindel beim Gehen und 
blasse Gesichtsfarbe zurückgeblieben. Die Paukenschleimhaut wurde 
nun 4 mal mit Höllenstein in Substanz geätzt, wonach die Eiterung 
rasch nachliess. Dann wurde Borsäurepnlver eingestäubt, als sich 
die Faukenschleimhaut nicht mehr so verdickt bei der Sondenunter- 
suchnng anfühlte. 

Am 17. April war die Eiterung geheilt und die Pauke zum 
ersten Male frei von Schleim in ihren Nischen. Am 7. Juli recidi- 
virte links die Otorrhoe; aber nach mehrmaliger Ausspritzung des 
Ohres mit Salzwasser und nachfolgender Einstäubung von Borsäure- 
pulver war das Recidiv in vier Wjochen wieder geheilt. Schon da- 
mals hatte sich das Aussehen des Kindes bedeutend geändert, es war 
dick und rothbäckig geworden und man bemerkte kaum noch den 
Schwindel beim Gehen, aber es ging noch sehr breitbeinig. 

Mitte November habe ich das Kind noch einmal gesehen. Es 
war sehr stark geworden und lief ohne jeden Schwindel durch das 
ganze Auditorium der medicinischen Klinik. Bei Gelegenheit der letz- 
ten Präsentation untersuchte ich das Gehör des Kindes. Wie ich die 
Uhr an den linken Warzenfortsatz andrückte, nickte es mit dem Kopfe 



62 V. HESSLER 

und meinte darauf, dass es das Ticken hörte. Mittelstark geflüsterte 
Worte hörim eg links bis V2 ^^^ ^^^ rechts mindestens bis 3 Fnss 
sicher; eine Tftusekiuig hierin ist nicht möglich, da ich selbst das 
andere Ohr mit dem Ffoger zugedrückt und in mehrfachen Proben 
dieselben Angaben erhalten habe. 

Ich stehe hier davon ab, Hypothesen über den anatomischen 
Sitz dieser geschilderten Erscheinung anzufülhren und gegen einander 
abzuwägen. 

Sehr interessant ist in dem folgenden Falle, dass durch ein 
Trauma eine beiderseitige Facialislähmung entstand, während das 
Ohr intaet blieb. 

Louis Berndt, 37 Jahre alt, aus Sangerhansen, wurde Mitte 
August er. von Herrn Dr. Seeligmüller in die Poliklinik geschickt 
mit dem Ersuchen, ihm das Resultat der Ohrenuntersuchung zu über- 
mitteln. Patient erzählte, dass ihm vor circa drei Wochen eine etwa 
50 Cm. im Durchmesser haltende Eiche, deren Stamm dicht über der 
Erde durchgesägt worden war^ zuerst mit aller Wucht auf die linke 
Gesichtshälfte aufgefallen war, ihn dann zu Boden geworfen und die 
rechte Gesichtshälfte in die Erde gedrückt habe. Ohnmächtig war 
er nicht geworden, aber sofort war Blut aus dem rechten Gehörgang 
tropfenweise abgeflossen. Ohrensausen oder eine Abnahme seines 
Gehörs hat er nicht bemerkt und er bleibt fest bei seiner Aussage^ 
dass er auch vorher auf beiden Ohren nicht besser gehört habe. 
Beiderseits besteht Facialislähmung; rechts kann nur der Frontalast 
in geringem Grade bewegt werden. Das Zäpfchen hebt sich beim 
Phoniren langsam in die Höhe und weicht nach keiner Seite ab. Die 
Lippenlaute kann Patient nicht aussprechen, da die Unterlippe schlaff 
herunterhängt und der Mund für gewöhnlich offen steht. Will er 
die Lippenlaute aussprechen und dadurch verständlicher werden, so 
drängt er mit der Hand die Unterlippe an die Zahnreihe heran. 
Nach einer schriftlichen Mittheilung des Herrn Dr. SeeligmttUer 
war die Erregbarkeit beider N. faciales durch den faradischen Strom 
vollständig verschwunden, nur rechts war sie noch im Muse, frontal, 
spurweise vorhanden ; bei Prüfung mit dem galvanischen Strome war 
sie beiderseits^ links mehr herabgesetzt — und ergab nicht die For- 
mel der Entartungsreaction. 

Die Stimmgabel wird vom Scheitel im ganzen Kopf gleich laut 
gehört; die Uhr durch beide Warzenfortsätze ebenfalls gleich laut^ 
und durch die Luft rechts bis 6 und links bis 15 Cm. Das rechte 
Trommelfell ist eingezogen, mattgrau verfärbt, mit deutlich erhalte- 
nem Lichtreflex, während der Hammergriff undeutlich abgegrenzt er- 
scheint. An einzelnen Punkten ist Cerumen mit Blut gemischt auf- 
gelagert, aber nirgends eine frische Narbe zu sehen. Bei der Unter- 
suchung mit Siegle's Trichter erweisen sich die Bewegungen des 
Trommelfells ausgiebiger als gewöhnlich. Hinten und oben im äusse- 
ren Theile des äusseren Gehörganges findet sich eine unregelmässig' 
verlaufende Linie, die als Narbe der Hautwunde aufgefasst werden 
muss, aus welcher gleich nach dem Unfall das Blut geflossen war. 



statistischer Bliebt der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 63 

Da» linke Trommelfell ist ebenso beschaffen, nnr nicht so stark ver- 
ändert wie das rechte. Dieser Befand in den Ohren widerspricht 
sicher nicht der bestimmten Angabe des Patienten , dass er gleich 
nach dem Unfall keine Aenderung in seinem Gehör bemerkt habe. 
Beim Versuchy den rechten M. frontalis zu bewegen, bemerkte Patient 
niemals ein Tönen oder Summen im Ohr. Die Verletzung beider 
Faciales war hiernach erst erfolgt, nachdem sie bereits das Schläfen- 
bein verlassen hatten. 

Wir kommen endlich zu den operativen Fällen von Warzen- 
fortsatzaffectionen und werden dieselben nach der Beihe der 
Jonmalnnmmer anführen. 

Den 1. Fall, betreffend Bertha Boemer (acute Otitis 
media pnrulenta dextr. mit Fistelbildung im Warzenfortsatz und 
mit Ausgang in Tod) hat bereits Herr Prof. Schwartze in 
diesem Archiv XVI. S. 263 veröffentlicht. 

2. Fall. Am 18. December 1879 wurde Hermann Troest, 5V2 
Jahre alt aus Halle vorgestellt. Derselbe hatte vor 3 — 4 Wochen 
die Masern gehabt und poch während derselben links Ohrenfluss be- 
konmien, während die Otorrhoe rechts erst einige Tage später ein- 
getreten war. Seit sechs Tagen hatte die Mutter eine zunehmende 
Anschwellung hinter dem linken Ohre bemerkt. Die ganze Zeit über 
hatte das Kind besonders des Abends heisse Haut gehabt, viel ge- 
trunken, wenig gegessen, viel geschrien und hatte in den letzten drei 
Nächten sehr unruhig geschlafen. Bei der Aufnahme waren beide 
Gehörgänge mit Eiter erfüllt und hinter dem linken Ohre fand sich 
eine taubeneigrosse fluctuirende Geschwulst, welche die Ohrmuschel 
vom Kopfe ab- und nach vorn gedrängt hatte. Nach Entfernung des 
Eiters aus den Ohren wurde rechts keine Perforation gefunden, 
wohl aber viele grosse radiär verlaufende Gef^se in dem blassrothen, 
mattglänzenden und abgeflachten Trommelfelle. Links war die hin- 
tere und obere Gehörgangswand schlaff herabhängend und so fest 
entzündlich infiltrirt, dass man nicht einen dünnen Trichter durch 
die schlitzförmige Verengerung hätte durchschieben können. Das 
Trommelfell war in den hinteren Partien stark hervorgetrieben und 
zeigte nach vom und unten vom Hammergriff eine stecknadelkopf- 
grosse runde Perforation, durch welche beim Ausspritzen des Ohres 
das Wasser im continuirlichen Strahl durch die Nase abgelaufen war. 
Der Abscess wurde sofort mit langem Hautschnitt incidirt: es ent- 
leerten sich circa zwei Esslöffel guten, nicht fötiden Eiters. Man kam 
in eine grosse Höhle, die sich besonders weit nach dem Gehörgang 
erstreckte, in einer Ausdehnung von circa V2 D-Cm. den Knochen 
blossgelegt und an der gewöhnlichen Stelle hinten und oben vom* 
oberen Winkel des äusseren Gehörganges eine kleine Knochenfistel 
zeigte, durch welche die Sonde tief in die Antrumhöhle hineinführte. 
Der hintere Fistelrand war scharf und wurde nur mit dem scharfen 
Löffel abgestumpft. Vom vorderen wurde mit dem Hohlmeisel Schicht 



64 V. HESSLER 

für Schicht so viel Knochen weggenommen; dass die erweiterte Eno- 
chenfistel mindestens ^ja D-Cm. gross war. Die Abscesswände , der 
Fistelgang nnd die Höhle des Warzenfortsatzes waren mit schlajffen 
scrophnlösen Granulationen ausgefüllt, die mit dem scharfen Lö£fiel 
möglichst entfernt wurden. Bei der Irrigation der Knochenfistel kam 
das Wasser nicht in den Gehörgang , floss aber durch die Tuba ab, 
so dass Patient öfters schluckte und sich verschluckte. Es wurde 
ein Drainrohr durch die Knochenfistel durchgeführt und ein Oel -Watte- 
verband aufgelegt. Am nächsten Tage war das Aussehen des Kna- 
bens auffällig verändert. Er hatte die ganze Nacht sehr ruhig ge- 
schlafen, von selbst zu essen verlangt und war ohne Fiebererschei- 
nungen geblieben. Sein Puls ging ruhig und eine auffällige Tem- 
peratursteigerung war mittelst Auflegen der Hand auf die Brust nicht 
zu constatiren. Die entzündliche Infiltration der Haut um die Abscess- 
höhle war zurückgegangen. Die Haut hatte sich überall an den 
Knochen wieder angelegt, und bei massiger Eiterbildung war die ganze 
Höhle mit guten Granulationen ausgefüllt. Die Ausspülung des Mittel- 
ohres gelang von der Knochenfistel aus durch die Tuba hindurch in 
sehr günstiger und leichter Weise, aber bei Irrigation des Ohres vom 
Gehörgange aus floss das meiste Wasser durch die Tuba ab und nur 
ein kleiner Theil füllte den Boden der Knochenfistel. 

Am 21. December wurde eine Spontanperforation des rechten 
Trommelfells constatirt: Der acute Katarrh, wie er anfangs bestan- 
den hatte, war in eine acute Mittelohreiterung übergegangen, ohne 
auf das subjective Befinden des Kindes eine auffällige Wirkung ge- 
übt zu haben. Diese Perforation hatte sich nach zwei Tagen wieder 
geschlossen, nachdem das schleimig eitrige Secret täglich zu wieder- 
holten Malen mittelst Politzer 's Verfahren aus dem Mittelohr ent- 
fernt worden war. Die Heilung schritt am linken Ohre ebenfalls 
rasch vorwärts. Zuerst verkleinerte sich die Perforation des Trom- 
melfells und schloss sich Ende December und wenige Tage später 
wurde das Drainrohr weggelassen, da sich die Fistel im Knochen 
vollständig mit Granulationen ausgefüllt hatte und kein biossliegender 
Knochen mehr gefunden wurde. Bei jedem Verbandwechsel, der 
innerhalb 24 Stunden nur einmal stattfand, konnte man einen wesent- 
lichen Fortschritt zur Heilung constatiren. 

Am 5. Januar 1880 hatte sich die Incisionsstelle vollständig ge- 
schlossen. Beide Trommelfelle waren mattroth und noch ohne Licht- 
reflex und Glanz, Hessen aber bereits den Proc. brevis deutlich er- 
kennen. Ganz leise geflüsterte Zahlen hörte Patient auf jedem Ohre 
bis mindestens l Fuss Entfernung. 

In diesem Falle handelte es sich um eine acute Mittelohr- 
eiterung, die mit einer Knochen^autentzündung des Warzenfort- 
satzes und einer andersseitigen Mittelohreiterung eomplicirt war 
— und der Verlauf bestätigte von Neuem die bekannte That- 
sache, dass bei Kindern selbst schwerere Knochenleiden über- 
raschend schnell definitiv ausheilen. 



statistischer Bericht der Poliklimk fOr Ohrenkranke zu Halle a/S. 65 

3. Fall. In dem folgenden Fall von primftrer Caries des 
Hammers kam es ztt Oedem des Warzenfortsatzes und zu schwe- 
reren Gehimaffectionen I welche eine Wilde 'sehe Incision er- 
forderten. 

Bflrstenmacher Wilhelm Walter, 29 Jahre alt, kam am 7. Jannar 
1880 seiner rechtsseitigen Mittelohreiternng wegen , die continnirlich 
seit mehreren Jahren bestand, in die Poliklinik. Vor einem Jahre 
war ihm in Bonn ein Polyp entfernt nnd der Stiel desselben galvano- 
kanstisch geätzt worden. Die Otorrhoe hatte hiernach nur einige 
Wochen sistirt, war aber nachher in der alten Intensität wiederge- 
kehrt nnd hatte anch den f9tiden Oernch wieder angenommen. Rechts 
hörte er die Uhr nur beim Anlegen. Nach vom nnd oben vom Proc 
brevis entsprangen mehrere Orannlationsknöpfe, die in kurzer Zeit 
3 mal mit Höllenstein in Substanz touchirt wurden und dann nicht 
wieder nachwuchsen. In der nunmehr entstandenen Höhle ftthlte man 
mit der Sonde deutlich cariösen Knochen, der der Lage nach als 
Hammerkopf anfgefasst werden musste. Beim Katheterisiren pfiff die 
Luft breit durch die Perforation hindurch und bei Injection von Wasser 
durch den Katheter floss dasselbe in ununterbrochenem Strahle aus 
dem Ohre ab. Die Reinigung des Ohres war auf diese Weise, da 
sie tfiglich vorgenommen wurde, eine vollständig ausreichende und 
hatte zur Folge, dass seit Anfang Februar keine Granulationen mehr 
nachwuchsen. Seit Anfang März klagte er öfters über einen dumpfen 
Kopfschmerz, der hauptsächlich die rechte Kopfhälfte befalle, vom 
Hinterkopf anfange, nach der Stirn zu ziehe und schliesslich Aber 
den Augen sitzen bleibe und dort so drücke, dass es ihm oft schwer 
würde, die Augen aufzuhalten. Diese Klagen kamen häufiger und häu- 
figer wieder und steigerten sich von Tag zu Tag. Es kamen dazu 
Steifigkeit im Nacken bei Seitwärtsdehnungen desselben, Ziehen da- 
selbst. Schwere in den Gliedern, Ermüdungsgefühl bei leichter Arbeit 
und endlich auch Schwindel, „ es wurde schwarz vor den Augen, so 
dass er sich anhalten oder setzen musste, und je weiter, desto häu- 
figer und intensiver war er wie duselig und als ob er geschwimelt 
hätte. ^ Diese Klagen kamen einmal besonders laut, als die cariöse 
Knochenpartie mit Höllenstein in Substanz touchirt worden war. All- 
mählich schwoll der innere und auch der äussere Abschnitt des Ge- 
hörganges und die obere Gehörgangswand begann sich zu senken, 
während die Eiterung immer geringer und geringer wurde. Als am 
22. April Druckempfindlichkeit unter dem Ohre eintrat, wurden zwei 
Blutegel und ein langes Nachblutenlassen der Bisswunden verordnet, 
nm die meningitischen Reizungserscheinungen, die sich in den letzten 
Tagen bedeutend gesteigert hatten, zu mildem. Beim Katheterisiren 
hörte man kein Rassel- und kein Perforationsgeräusch in Folge der 
entzündlichen Verschwellung im Mittelohr. Einmal passirte es anch, 
dass Patient, als die Klysopompe etwas kräftiger als gewöhnlich ein- 
wirkte, so stark schwindelig wurde, dass er ganz plötzlich nach rechts 
stürzte und wohl vom Stuhle gefallen wäre, wenn er nicht zufällig 
aufgefangen worden wäre. 

▲rchiT f. Ohxenheilknade. XYE. Bd. 5 



6» '. V.. HESSLER 

^ Haapl^lage blieben immer die dampfen Sehmerzen in der rechten 
Eopfhälfte. Seit 20. April begann eine starke Anschwellung der 
hinteren Gehörgangswand, die immer mehr das Lumen des äusseren 
Gehörganges verlegte und bei Berührung mit der Sonde äusserst 
empfiiidlich war, und eine ödematöse Anschwellung der Haut über 
4eim Warzenfortsatz. Ein starker Jodanstrich hinter dem .Ohre brachte 
keine Erleichterung und Eis wurde nicht vertragen, verschlimmerte 
vielmehr die stechenden Schmerzen. Warme Priessnitz'sche Umschläge 
wurden als erleichternd bezeichnet und Tag und Nacht applieirt. 
Patient war schon seit einer ganzen Reihe von Nächten schlaflos 
gewesen vor Kopfscboierzen und hatte auch bei schnell gesteigerten 
Morphiumdosea nur wenige Stunden Schlaf bekommen, aus dem ihn 
häufig unruhige Träume aufschreckten. Seit Ende Mai begann auch 
die ganze rechte Hals^ und Naokenseite zu schwellen, sie fühlte 
Mch hart an, behinderte die Seitenbewegung des Kopfes und war so 
empfindlich, dass Patient Tag und Nacht nur auf der linken Seite 
liegen konnte. Dabei magerte er zusehends ab und seine Gesichts- 
farbe wurde eine erdfahle — aber die Temperatur war des 
Abends niemals über 38,3^ gestiegen. Am 1. Mai machte ich 
die Wilde 'sehe Incision und nicht die Aufmeisselung des Warzen- 
fortsatzes, um erst die Wirkung der ersteren abzuwarten. Das Pe* 
j*iost wurde in grosser Ausdehnung abgelöst; der Knochen wurde 
«war von grossen Gefässen durchlöchert, war aber sonst vollstän- 
dig fest und normal gefärbt, so dass er als ganz gesund erachtet 
werden musste. Die Schnittwunde wurde mit Oelwatte ausgefüllt, 
darüber trockene Watte gelegt und darüber noch, wie bisher der 
warme Priessnitz'sche Umschlag weiter applicirt. Die Wirkung 
der Incision war eine zufriedenstellende, sofern Patient die halbe 
^acht wenigstens ruhig geschlafen hatte. Die Kopfschmerzen nah- 
men in merklicher Weise erst nach Verlauf von drei Tagen ab 
Qnd waren Ende Mai vollständig verschwunden. Unverändert aber 
mid auffallend lange blieb der Schwindel bestehen, von dem Patient 
fast jedesmal beim Ausspritzen des Ohres befallen wurde, selbst wenn 
die Temperatur des Wassers mindestens 30^0. war und die Klyso- 
pompe äusserst vorsichtig gebraucht wurde. Er fühlte den Schwindel 
nicht kommen, sondern fiel ganz plötzlich und gewöhnlich nach der 
rechten Seite hinab; sowie man aufhörte zu spritzen, war auch der 
Schwindel verschwunden. Derselbe fehlte beim. Gehen und Umdrehen 
vollständig. »ijnd zeigte sich nur im geringen Grade beim Gehen mit 
geschlossenen Augeu. Er trat aber ebenfalls wieder ganz plötzlich 
beim Katheterismus ein, wenn derselbe auch vorsichtig und mit ge- 
ringem Druck geschah. Sowie man die Luft ins Mittelohr eindringen 
hörte, stürzte Patient nach vom über und musste aufgefangen wer- 
den; sowie er wieder aufgehoben war, fühlte er sich wieder schwin- 
delfrei. Der Appetit war noch nicht wiedergekehrt und die Zunge 
blieb borkig belegt, rauh und trocken. Vom 7. Mai stieg die Tem- 
peratur, die nach der Incision niemals über 37,9 gegangen war, 
Abends durchschnittlich wieder auf 38,3. Es bildete sich allmählich 
eine leichte Druckempfindlichkeit der Weichtheile über dem Foramen 



StatistiBcher Bericht der Folikfi&ik &a ^renkranke zu Halle a/S. tf ? 

jngulare ans and gleichseitig wurde die Ansehwellnng unter dem 
Warsenfortsatz nnd an der gansen Halsseite hftrter und empfiadiieher. 
Patient konnte den Hals nur sehr wenig naeh rechts drehen, den 
Mnnd kamn 1 Gm.. weit öflben, kaum die Zange zeigen und konnte 
absolut nicht kauen. Er genoss deshalb acht Tage lang nur Milch 
und dünne Suppen. Unter fortwährender Applieation WM'mer Priess* 
nitz'scher Umschläge wurde die Halsanschwellung weicher und weicher 
und drängte die untere äussere Oefaörgangswand naeh oben^ so dasi^ 
der Gehörgang fiist vollständig verlegt war. Als diese Stelle am 
10. Mai deutliehr Fiuctuation zeigte^ wurde sie ausgiebig und tief 
incidirt; sofort stürzte das Blut mindestens V2 Meter hoch heraus, 
so stark war die Spannung in der Abscesshöhle gewesen. Durch 
Druck auf die Halsanschwellung wurde eine unerwartet reichliche 
Menge guten Eiters entleert; damli liess die Spannung nach, die Be-* 
wegnngen wurden freier und die Anschwellung collabirte mehr und 
mehr. Die Temperatur fiel sofort unter 38,0 und erreichte diese 
Höhe niemals wieder, die Zunge reinigte sich im Verlaufe von acht 
Tagen vollständig, und als nun einmal der Appetit wiedergekehrt 
war, besserte sich auch das Aussehen rasch und gegen Ende Mai 
fühlte Pat. sich ganz frei im Kopfe und wieder sa kräftig wie Anfang 
Januar, als er das erste Mal in die Poliklinik gekommen war. Daa 
Lumen des Gehörganges erweiterte eich allmählich, die Senkung der 
oberen Gehörgangswand ging unter Anwendung von eomprimirenden 
Wattetampons vollständig zurück und die entzündlichen Erscheinungen 
am Trommelfell nahmen ab. Beim Katheterismus hörte man die Lufb 
allmählich breiter und breiter eindringen, aber ein Perforationsge^ 
rausch entstand niemals. Ob aber wirklich die Perforation des Trom- 
melfells vor und über dem Proc. brev. nicht mehr bestand, blieb 
unentschieden, da diese Partie Ende Mai noch nicht ganz genau über- 
sehen werden konnte und es auch möglich' war, dass die Perforation 
nur in Folge der chronischen VerseUwellung ihrer Umgebung verlegt 
war. Die Schnittwunde hinter dem Ohre liess ich mit dem Nachlass 
aller Entzündungserscheinungen vom 20. Mai ab zuheilen und Ende 
Mai war sie vollständig vernarbt, adhärirte dem Knochen ganz fest 
und hatte keine Fistel zurückgelassen. Am 1. Juni hatte ich mir 
bei Gelegenheit einer Operation von Garies des Oehörganges in der 
Poliklinik eine infectiöse Sehnenscheidenvereiterung zugezogen; als 
ich nach sechs Wochen die Poliklinik wieder theilweise übernahm, 
habe ich Walter nicht wieder gesehen. Aus mündlichen Mittheilungen 
seines Meisters kann ich nachtragen, dass er sich nach seiner Ent- 
lassung aus der Klinik zwar matt, aber gesund gefQhlt und Nichts 
wieder von einer Eiterung im Ohr verspürt hat — und da er sich 
bis heute nicht wieder vorgestellt hat, ist wohl anzunehmen, dass 
sich die Trommelfellperforation geschlossen und die Garies des Ham* 
Biers ausgeheilt ist. Leider fehlt eine Endprüfung des Gehörs im 
Journal. 

4. Fall: Gustav Fuchs, 2^/4 Jahre alt, aus Halle, hatte Ende 
October 1879 die Masern und im Anschluss daran eine chronische 

5* 



68 T. HESSLER 

Lungen- und Brnstfellentzündang bekommen. Ende Janaar 1880 be- 
merkte die Matter einen eitrigen Aasflaas aas dem rechten Ohre des 
Kindes und konnte sich selbst aaf wiederholtes Befragen nicht darauf 
entsinnen, dass Patient vorher ein oder zwei Nächte über Ohren- 
schmerzen geklagt oder öfters aufgewacht sei. Nach acht Tagen 
sistirte die Eiterung von selbst^ aber zwei Tage später trat ebenfalls 
ohne vorhergegangene entzündliche Erscheinungen links Otorrhoe ein. 
Als diese nun nach acht Tagen nicht nachliess, sich vielmehr den 
letzten Tag auffallend vermehrt hattCi kam die Mutter zur Poliklinik. 
Stat. praes. vom 11. Februar 1880: Patient ist ein sehr abgema- 
gertes anämisches, rachitisches Individuum. Das rechte Trommelfell 
ist grau verfärbt, mit einer Narbe hinten und oben, Hammergriff noch 
nicht zu erkennen. Hinter dem linken Ohre besteht eine Anschwel- 
lung von Haselnussgrösse , die deutlich das Oefflhl der Fluctuation 
bietet und die Ohrmuschel vom Kopf abdrängt. Der Gehörgang ist 
mit fdtidem Eiter gefüllt. Sowie man auf den Abscess hinter dem 
Ohre drückt, vermehrt sich die Eitermenge im Gehörgang und tropft 
aus dem Ohre ab. Es besteht darnach eine Fistel im Gehörgang, 
die nach der beschriebenen Abscesshöhle führt. Hat man den Eiter 
aus dem Gehörgange vollständig entfernt und drückt nun auf den 
Abscess, so sieht man durch eme Fistel hinten und oben im knor- 
peligen Gehörgange den Eitertropfen eindringen. Der Abscess wurde 
mit langem Schnitte incidirt und dünnfiflssiger, fötider Eiter und nicht 
wenige Eiterbröckel entleert. Der Knochen war nur an einer kleinen, 
etwa erbsengrossen Stelle vom Periost entblösst und auch hier fest 
und normal gefärbt: eine Knoichenfistel wurde vergeblich gesucht 

Der Abscess .war also vielleicht von einer ganz circumscripten 
eitrigen Periostitis entstanden, hatte sich darnach mehr subcutan aus- 
gebreitet und schliesslich am Tage vor der Vorstellung des Patienten 
die hintere Gehörgangswand perforirt. Die Abscesswände wurden mit 
dem scharfen Löffel ausgekratzt und die Wunde mit einem compri- 
mirenden Oel- Watteverband geschlossen. Im Trommelfell zdgte sich 
nach vom und unten vom Hammer eine kleine runde, lebhaft pulsi- 
rende Perforation, durch die man mit einem einfachen Nasenschlauche 
den Eiter leicht durchpressen konnte. Auf weiteres Befragen erklärte 
die Mutter, dass Patient bis zu den Masern ganz gesund gewesen 
und seitdem immer kränklich und hinfällig geblieben sei, er war früher 
kräftiger und strammer gewesen und hatte seit den Masern auffällig 
an Körpergewicht abgenommen. Der Appetit war geringer geworden. 
Fortwährend quälte Patient ein trockener Husten, der des Morgens 
am heftigsten war und am längsten anhielt. Der Vater lebt noch 
und ist wie die Mutter anscheinend gesund. 

Die Percussion der Lunge ergab über beiden Spitzen vorn und 
hinten gedämpften und abgekürzten Schall und rechts unterhalb der 
Mitte des Schulterblattes deutliche Dämpfung, die nach unten stärker 
wurde, üeber beiden Lungenspitzen hörte man gross- und kleinblasige 
Rasselgeräusche und verstärkte Bronchophonie, der Rest der linken 
Lunge athmete vorzüglich, aber die untere Hälfte der rechten athmete 
nur sehr schwach, wie denn auch hier der Pectoralfremitus sehr ab- 



statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 69 

geschwächt war. Was die Diagnose des Falles anbetrifft, so handelt 
es sich um eine Otit. med. pamlent. acüt. complicirt mit einer Periostit« 
ext. acut. proc. mastoid. bei einem der Langentuberkulose höchst ver- 
dächtigen Knaben. Die Secretion des Mittelohres Hess sofort nach 
der Spaltung des Abscesses nach und in den nächsten Tagen fflUte 
sich die Abscesshöhle rasch mit Granulationen aus. Wiederholt konnte 
man bei Irrigation des Abscesses das anfangs mit Eiter gemischte 
Wasser durch die Fistel in den Gehörgang abfliessen sehen. Aber 
das Fieber Hess nicht auffallehd nach. Erst am 23. Februar war 
des Nachts ein proftiser Schweiss ausgebrochen und darnach hörte 
die bis dahin aufßUlige Kurzathmigkeit und das Fieber wie mit einem 
Schlage yollständig auf. Am nächsten Tage schloss sich die Fistel 
im Gehörgang und die Perforation im Trommelfell und am Anfange 
des nächsten Monats war der Schnitt hinter dem Ohre vollständig 
und ohne Fistelbildung vernarbt. Das Trommelfell hellte sich all- 
mählich auf und bei der Entlassung Mitte März hörte Patient leise 
geflttsterte Zahlen bis 3 Fuss sicher. Die geschilderte Krisis hatte 
an dem objectiven Befunde der Lungen nicht viel verändert. Am 
23. März kam Patient wieder , aber diesmal wegen einer vor drei 
Tagen eingetretenen acuten rechtsseitigen Mittelohreiterungy nachdem 
er einige Tage vorher und eine Nacht unruhig gewesen war. Das 
linke Ohr war vollständig gesund, wie es noch heute am 25. November 
ist und im rechten fand sich eine kleine Perforation an derselben 
Stelle, wo im Februar die Narbe gesehen worden war. Da die Weich- 
theile um das Ohr bei Druck leicht empfindlich waren, wurde ein 
starker Jodanstrich ordinirt und erst acht Tage später mit dem Nach- 
lasse der entzündlichen Erscheinungen eine Bleiwasserlösung (von 
6 gtt. : 20,0) in Anwendung gezogen. Aber diesmal ist die Heilung 
nicht erfolgt, trotzdem ich selbst dem Patienten fast täglich mit Salz- 
wasser das Ohr ausgespült und anfangs Bleiwasser,, später Borsäure- 
pulver eingestäubt und regelmässig den Politzer 'sehen Ballon ge- 
braucht habe. Vielmehr wuchs wiederholt am hinteren Rande der 
sich allmählich vergrössernden Perforation ein Granulationsknopf na6h, 
der erst nach mehrmaliger Touchirung mit Höllenstein in Substanz 
wegblieb. Die Ursache dieser chronisch gewordenen Eiterung lag 
wohl in dem Fortschreiten der chronischen Lungenaffection , wegen 
welcher Patient gegenwärtig mit nicht viel Erfolg eine Milchcur ge- 
braucht. 

5. Fall. Martha Givit, 8 Monate alt, aus Halle, kam am 27. März 
1880 in poliklinische Behandlung und hatte nach Aussage der Mutter 
höchstens seit acht Tagen aus dem linken Ohre einen eitrigen Aus- 
fluss, der nicht weiter beachtet worden war. Ausserdem aber war 
seit 4 — 6 Tagen immer des Morgens eine schmerzhafte Anschwellung 
hinter dem Ohre bemerkt worden, die sich zurückbildete, wenn der 
Eiter im Verlaufe des Tages aus dem Ohre ablaufen konnte. Das 
Eand war höchst schwächlich und decrepide. Die Haut über dem 
Warzenfortsatz war ödematös geschwellt, so dass auf leichtem Druck 
eine Grube zurückblieb und bot das Gefühl von Fluctuation. Der 



70 . . V. HBSSLER . : 

fiehorgaog war entzündlich verengt und mit colossal stinkendem Eiter 
ai]t8gefttUt. Zufällig traf ich gerade mit einer auBgiebigen Wilde- 
«chen Indsion eine kleine runde Enocfaenfistel , ans der der Eiter 
pulcarte. Der vordere Eand der Fistel wurde mittekt Hohlmeissel 
erweitert und abgestumpft , was in dem cariös erweichten Knochen 
sehr raseh und leicht geschah. xBei Irrigation der Fistel drang das 
Wasser durch die Tuba in den Radien, so dass Patientin immerau 
schluckte und kam schliesslich in die Nase, aber nach dem Gehör- 
gange zu floss es nicht ab. Und doch bestand im Trommelfell eine 
Perforation , die aus der schleimigen Beschaffenheit des Eiters im 
Oehörgange erwartet werden durfte , und durch das Eintreten eines 
Perforationsgeräusches'beim Politzer 'sehen Verfahren erwiesen war. 
Ebenso floss das Wasser vom Gehdrgaoge aus nicht durch die Tuba 
hindurch, vielleicht weil die Perforation zu klein war, hauptsächlich 
«her, weil dieselbe durch Schleim verlegt wurde. Es wurde in die 
Fistel ein Drainrohr eingelegt und die Wunde mit einem Oel -Watte- 
verband geschlossen. Die Eiterung war anfangs eine profuse, nidim 
aber schon in den nächsten Tagen ab, als sich der Knochenkanal mit 
Granulationen ausfüllte. Am 5. April wurde der Knochen mit der 
fionde nirgends mehr blossliegend gefunden und deshalb die Drain- 
rdhre weggelassen. Seit 13. April sistirte die Eiterung aus demDhr^ 
und schloss sich die Schnittwunde ohne Fistelbildung. 

Am 28. Mai wurde Patientin wieder vorgestellt. Die Eiterung 
war nicht recidivirt, die Narbe mit dem Knochen verwachsen und das 
Aussehen sichtlich besser geworden. 

6. Fall. Nur in einem Falle von acuter Mittelohr- und 
'Warzenfortsatzentzündung kam Patient so Mb, dass noch durch 
Eisapplication Heilung erzielt 'werden konnte. 

Eduard Krause aus Laucha, 50 Jahre alt, hatte Anfang Februar 
1880 sich stark erkältet und darnach einen 'heftigen Schnupfen be- 
kommen. Ungefähr acht Tage darnach spürte er stechende Schmerzen 
in und hinter dem linken Ohre , die zeitweilig sich steigerten , wie 
Nadelstiche bezeichnet wurden, aber doch nie so heftig auftraten, 
dass Patient nicht hätte schlafen können. Zu gleicher Zeit soll hinter 
dem Ohr eine Anschwellung entstanden sein, die zeitweise anschwoll, 
roth und schmerzhaft und abwechselnd damit blasser wurde und zu- 
rückging. Wegen dieser Knochenschmerzen nahm Patient am 7. April 
188*0 die Hülfe der Poliklinik in Anspruch. Er behauptete aufs Be- 
stimmteste, bisher nie ähnliche Schmerzen in oder hinter den Ohren 
gefühlt zu haben oder sonst wie krank gewesen zu sein, wo/ür auch 
seine kräftige Constitution sprach. Das linke Trommelfell war matt- 
roth, verdickt, glanzlos, ohne Lichtreflex, Hammergriff und Proc. brevis 
undeutlich sichtbar: ein Befund, wie man ihn bei leichten subaeuten 
Katarrhen zu sehen gewohnt ist. Hinter dem Ohre besteht eine leichte 
Böthung und Anschwellung der Haut über dem Wa^zenfortsatze und 
bei Druck entsteht eine Grube, die sich bald wieder aasgleicht, wäh- 
rend die Böthung sofort nach dem Abheben des Fingers wiederkehrt 



\ 



Statistischer Bericht der Poliklinik filr Ohrenkranke 

Diese ganze Partie ist bei Drnck nnd'Percnssion 
lebhaft empfindlieh und soll zeitweise viel empfindlic 
Das rechte Trommelfell ist in seiner inneren Schi< 
getrübt, Hammei^iff seharf hervortretend, Lichtrefle 
Die Stimmgabel wird vom Scheitel nach links verst 
beiderseits nicht vom Warzenfortsatz ans, was hier 
Patienten nicht als abnorm angenommen werden da 
derseits nur beim dlrecten Anlegen an die Ohrmuscli 
liehe laute Umgangssprache hört er links bis V^ ^ 
weit nttr mittelstark geflüsterte Zahlen. Beim £ 
linken Ohres hört man die Lnft voll und mit hohei 
und bei i^ärkerem Drnek mittelst Doppelballons < 
Rasselgeränsefae, ohne dass eine auffallende Gehön 
nach erreicht wurde. Nach diesem Befunde handelt 
liegenden Falle um einen leichten subaeuten Mittel« 
plicirt mit schwachen periostitisohen Reizungen an 
Jodtinctur hatte sich Patient schon mehrfach ohne 
kung aufgepinselt. Da er sich nicht entschliessen 
unbestimmte Zeit in der Klinik aufnehmen zu lassen, 
Schärfste V2 stündliches Wechseln von Eisbeuteln b 
fortsatz 14 Tage hindurch, Tag und Nacht anempfo 
kam er wieder und erzählte, dass er ganz nach V 
wissenhafi drei volle Wochen die Eisbeutel applici 
den ersten Tagen wesentliche Erleichterung gespü 
nun auf Druck keine Schmerzen mehr gefühlt, habe 
gelassen und in den letzten acht Tagen keinen E 
empfunden. 

Im Verlauf des letzten Sommers ha])e ich v 
Gelegenheit gehabt, bei acuter Knoohenhaatentzt 
zenfortsatzes Eis anzuwenden, und habe davon 
sehen; freilich kann es, wie in dem einen mei 
sein, vier volle Wochen ununterbrochen das Eis 
bis die Percussion des Knochens keinen Schof 
saeht. Mit dem Nachlass der periostitischen El 
schwinden auch die entzündlichen Beizungen i 
Secretion und die Injection am Trommelfell, ohn 
dagegen eine Therapie einzuleiten brauchte. 

7. Fall. Emma Birnstiel, 2 Jahre alt, aus 
18. April 1880 in poliklinische Behandlung. Nach 
hatte sich im September 1879 hinter dem linken 
eine Hautanschwellung langsam und fast schmerz! 
allmählich empfindlicher, grösser wurde und sichi 
ohne dass jemals ein eitriger Ausflnss aus dem Ob 
wäre. Als Mitte Januar 1880 dieser Abscess ärz 
wurde, entleerte sich ein grünlicher, stark stinkei 
lieber Menge; leider fand eine Untersuchung des 



72 y. HESSLEB 

der Sonde sieht statt. Die Abseesshöhle wurde seitdem pünktlieb 
täglich mindestens einmal mit warmem Wasser gereinigt and zeigte 
keine Neigung zur Heilung. Ungefähr vor sechs Wochen entleerte 
sich bei Gelegenheit einer solchen Irrigation zum ersten Male reine 
eitrige Flüssigkeit aus dem Gehörgange und erst seitdem läuft da» 
Ohr beständig, ohne dass an dem Kinde sonstige Erscheinungen einer 
acuten Mittelohreiterung bemerkt worden waren. Seit ungefilhr vier 
Wochen trat eine merkliche Aenderung in dem Allgemeinbefinden des 
Kindes auf« Der Appetit war auffällig verringert, ein heftiger trocke- 
ner Husten yerkürzte besonders die Nachtruhe , bei den einzelnen 
Hustenparoxysmen wurde das Kind sehr unruhig, schrie ununterbro- 
chen stundenlang, griff mit der Hand nach Ohr und Kopf und suchte^ 
dieselben zu fixiren dabei. Allmählich stellte sich auch ein reich- 
licher Schweiss ein, so dass das Kind ,,oft wie aus dem Wasser ge- 
zogen war", und ein dem Grie hydrocephalique ähnliches plötzliches 
Aufschreien desselben aus dem Schlafe, wobei es sich nach dem Kopfe 
fasste. Seit neun Tagen ungeftüir spielt das Kind nicht mehr, schreit 
fast ununterbrochen Tag und Nacht, läuft nicht mehr, isst fast gar 
nicht und seit mehreren Tagen hat die Mutter eine geringgradige 
Lähmung der linken Körperhälfte bemerkt 

Das Kind selbst ist höchst herabgekommen, elend und abge* 
magert, zeigt deutliche Parese der linken Ober- und Unterextremität^ 
aber keine Facialisparese; der rechte Fuss und die rechte Hand, ent- 
schieden niedriger temperirt als die gleichen Theile der anderen Seite,, 
sind ödematös geschwellt, so dass auf Fingerdruck eine leichte Grube 
zurflckbleibt. Hinter dem linken Ohre findet sich eine Hautfistel, die 
fOtiden Eiter secemirt und durch den Knochen hindurch die Sonde 
nach vom und unten in die Höhle des Warzenfortsatzes dringen lässt, 
wobei man in einer Entfernung von mindestens 3 Gm. von der Haut 
wieder auf festen Knochen kommt. Der Gehörgang ist ebenfalls mit 
stinkendem^ Eiter ausgefüllt. Bei Ausspülung des Fistelganges läuft 
aus dem Gehörgange zuerst der Eiter, dann das reine Wasser ab 
und umgekehrt findet Wasserabfluss aus der Fistel statt, wenn das 
Ohr ausgespritzt wird. 

Die hintere Wand des äusseren Gehörganges ist etwas vorgetrieben, 
aber jedenfalls nicht vom Knochen abgehoben und nicht ganz zu über- 
sehen, so dass es unentschieden bleibt, wo die Gommunication liegt^ 
die zwischen Fistel und Gehörgang doch entschieden besteht. So weit 
das Trommelfell, das nicht geröthet, nicht abgeflacht und nur 
mit aufgeweichter Epidermis bedeckt erscheint, zu übersehen ist, findet 
sich keine Perforation und hört man auch beim Politzer- 
schen Verfahren kein Perforationsgeräüsch. Die Per- 
cussion und Auscnltation der Lungen ergeben negative Resultate 
Am folgenden Tage wurde die Hautfistel mit langem Schnitt gespalten y 
es zeigte sich der Knochen in grosser Ausdehnung vom Periost ent- 
blösst und cariös erweicht , so dass man ihn mit der Sonde durch- 
stoBsen konnte ; die Knochenfistel führte nach vorn und innen in clie 
Warzenfortsatzhöhle und wurde an ihrem vorderen Rande mittelst 
scharfen Löffels in genügender Weise erweitert. In die Fistel wurde 



statistischer Bericht der PolikHnik fOr Ohxenkraiike zu Haue a/S. 73 

ein. dickes Draisrohr eingelegt und die Wunde mit einem Oel-Watte- 
verband geschlossen. Vor der Operation betmg die Mastdarmtempe- 
ratur 38,4. Hiernach trat in dem Befinden des Kindes 
absolut keine Veränderung ein, es schrie die nächsten 24 
Stunden fast continuirlich, schlief nur halbe Stunden lang, nahm ab- 
solut keine Nahrung zu sich und hatte wohl in Folge der Ghloro- 
forminhalationen viermal gallige Flüssigkeit erbrochen. Da seit drei 
Tagen Stuhlverstopfung bestanden hatte , wurde Calomel verordnet 
und darnach reichlicher Stuhlgang erzielt. Beim Verbandwechsel zeigte 
sich nur geringe Secretion eines dünnflüssigen missfarbigen Eiters, 
und der Knochen ganz schwarz verfärbt und wie ein Schwamm durch- 
löchert. Im Verlaufe des nächsten Tages wurde das Kind immer 
ruhiger und schrie nicht so viel mehr, besonders nachdem es in der 
Nacht allgemeine Zuckungen und Krämpfe hauptsächlich der rechten 
Körperhälfte bekommen hatte; es hatte meistens die Augen halbge- 
schlossen, holte sehr unregelmässig Athem und schrie und wachte 
nur dann auf, wenn man den Kopf bewegte und anders legte. Als 
sonach die Mutter nicht die gewünschte schnelle Heilung erreicht 
sah, nahm sie am 21. April das Kind aus der Klinik weg, um es 
wenigstens zu Hause sterben zu lassen. Hier traten nun nach brief- 
licher Mittheilung noch einmal heftigere allgemeine Convulsionen und 
einige Tage darnach, am 27. April der Tod ein unter den Erschei- 
nungen von Gehimdruck. 

Nach diesen ananmestischen Daten und nach dem Befunde 
im Ohre ist zwar nicht anzunehmen, dass anfangs nur eine pri- 
märe Entzündung im Warzenfortsatz ohne Mitbetheiligung des 
Mittelohres bestanden hat, aber das ist sicher, dass sich die Eite- 
rung im weiteren Verlaufe der Affection nur auf den Warzen- 
fortsatz beschränkt und zu Caries und Fistelbildung an zwei ver- 
schiedenen Stellen in der äusseren E[nochenwand geführt hut. 
Zuerst entstand die Knoehenfistel hinter dem Ohre, an der ge- 
wöhnlichen Stelle; und erst emige Zeit nachher erfolgte ein 
zweiter Djirchbruch des Eiters von der Höhle des Warzenfort- 
satzes durch die ganze hintere Gehörgangswand nach dem äusse- 
ren Gehörgang zu. Dafür, dass hier auch die knöcherne Scheide- 
wand durchbrochen war, spricht einmal, dass im Trommelfell 
eine Perforation nicht constatirt werden konnte, andererseits der 
Umstand, dass bei Irrigation der Höhle im Warzenfortsatz das 
Wasser durch die Fistel im Gehörgang Abfluss hatte. Eine directe 
Ciommunication der Hautfistel hinter dem Ohre mit derjenigen 
im knöchernen Abschnitte des äusseren Gehörganges ist demnach 
nicht anzunehmen. 

Was die cerebralen Erscheinungen betrifft, ist nicht zu ent- 
scheiden, in wie weit die Caries auch die innere und obere Kno- 



74 V. HESSLER 

chenwand der Warzenfortsatzhöhle ergriffen und Meningitis zur 
Folge gehabt hat. Wahrscheinlicher ist es nach dem * späteren 
Verlaufe der Krankheit, dass eine acute miliare Tuberkulose ein- 
getreten und eine acute miliare Basilarmeningitis den tödtUchen 
Ausgang bedingt hat. 

8. Fall. Paula Heintze , 17 Jahre alt; aus Raguhn, kam am 
14. September in poliklinische Behandlung« Sie, blieb fest dabei^ 
dass sie bis zum Anfang ihres jetzigen Ohrenleidens niemals Schmer- 
zen in oder hinter den Ohren gehabt habe oder schwerhörig gewesen 
sei. Ungefähr am 24. August acquirirte sie nach einer Erkältung 
einen stärkeren Schnupfen und bekam dann allmählich Stirn- und 
allgemeine dumpfe Kopfschmerzen, continuirliches Ohrensausen und 
schliesslich Schmerzen in beiden Ohren, blos niemals Schwindelzu- 
fälle. Das linke Ohr war zuerst und viel intensiver afGcirt gewesen, 
so dass Patientin volle 14 Tage bettlägerig gewesen war; über die 
Art der Schmerzen wusste sie sich nicht auszusprechen, aber so rein 
stechender Art, wie man sie bei den reinen Knochenaffectionen im 
Ohr zu finden gewohnt ist, waren dieselben nicht; die Patientin be- 
zeichnete sie gewöhnlich als „dumpfes Drücken und leichtes Stechen". 
Als nun die Schmerzen nicht nachliessen und die Patientin keine 
Nacht ruhig schlafen konnte, obwohl sie reichlich transpirirt und 
Homöopathie gebraucht hatte, wendete sie sich an die Poliklinik: 
Patientin ist eine schwächliche Person, die aber sonst nicht gerade 
kränklich aussieht. Beide Trommelfelle sind intensiv roth, sehen aus 
wie eine matte Kupferplatte, aber sind nicht abgeflacht. Kurzer Fort- 
satz und Hammergriff sind nicht zu sehen. Auf keiner Seite besteht 
Druckempfindlichkeit, weder über dem Warzenfortsatz noch vor noch 
unter dem Ohre. Die Stimmgabel wird im ganzen Kopf gleich laut 
gehört, die Uhr beiderseits nicht vom Knochen; andererseits rechts 
nur beim Anlegen an die Ohrmuschel und links nur noch dann, wenn 
sie stark an letztere angedrückt wird. Rechts hörte sie mittelstark 
geflüsterte Zahlen bis ^4 Fass und links laut geflüsterte Zahlen nur 
dicht am Ohr. Beim Katheterismus hörte man beiderseits viel gross« 
blasige und feuchte Basseigeräusche. Darnach wurde absolut keine 
Gehörverbesserung constatirt. 

Was die Diagnose des Falles betrifft, so haben wir sicher 
zuerst einen chronisch gewordenen beiderseitigen Paukenhöhlen- 
katarrh mit yorwiegender Hypersecretion in Folge eines acuten 
Schnupfens, der sich durch die Tuba nach jedem Mittelohr fort- 
gesetzt hat. Ebenso sicher ist, dass die Oehörverschlechtemng 
nicht von diesem abhängt, denn sonst müsste nach dem Kathe- 
terismus mindestens eine Veränderung des Gehörs eingetreten 
sein. Dieselbe ist vielmehr abhängig von einer Abstumpfung 
beider Gehörnerven in Folge einer Entzündung vielleicht mit 
Exsudation im Labyrinth. Dafür spricht der Umstand, dass bei- 



Statistischer Bericht der EoUkliiuk ffir Ohrenkranke zu Halle a/S. 75 

4eimtts die Kopf knoehenleitang für eine mittelstark gehende Uhr 
bei dem jugendlichen IndividnuiA ToUständig aufgehoben ist. 

An mir selbst habe ich Gelegenheit gehabt zu beobachten, wie 
eine acute Entzündung der Nase sich durch den Nasenrachenraum 
allmählich fortpflanzt auf die Tuba, auf das Mittelohr und schliess- 
lich auf das Labyrinth, so dafis ich bestimmt sagen konnte, un- 
'gef ähr an diesem Tage kam die Affection in die Tuba, an jenem 
traten die entzündlichen Erscheinungen im Mittelohr auf und erst 
nach mehreren Tagen war der Acusticüs in seiner Endausbrei- 
tung abgestumpft, da das Gehör flLr die Uhr von dem Knochen 
and Yon der Ohrmuschel vollständig verschwunden war« Dabei 
hörte ich die Stimmgabel vom Scheitel nach der kranken Seite 
verstärkt, beobachtete beim Katheterismus nur selten einzelne 
feuchte Rasselgeräusche und fühlte danach keine Veränderung im 
Gehör und in der Stärke oder Art des quälenden Ohrensausens. 
;Nur einige Tage hatte ich leichten Druckschmerz unter dem Ohre 
und niemals Schwindel. Nach mehrmaliger Aufpinselung von 
Jodtinctur um das Ohr herum habe ich in mehreren Wochen 
inein vollständiges normales Gehör wieder bekommen: ich höre 
jetzt wieder die Uhr durch die Kopfknochen beiderseits gleich 
laut und rechts normal weit bis 80 Gm. von der Ohrmuschel ent- 
fernt. Dieselbe Affection glaubte ich darnach in dem vorliegen- 
den Fall annehmen zu müssen, und dass die Diagnose richtig 
war, bestätigte der weitere interessante Verlauf. 

In den nächsten acht Tagen wurde alle zwei Tage beiderseits 
der Katheterismns ausgeführt, und mit dem Nachlass der entzünd- 
lichen Erscheinungen am Trommelfell täglich wiederholt. Links trat 
gegen Mitte September eine Spontanperforation des Trommelfells ein, 
und rechts wurde die Paracentese gemacht, weil die Rasselgeräusche 
absolut nicht geringer werden wollten, und dabei einige Schleim* 
bröckel mittelst Doppelballons entfernt. Links folgte nun eine un- 
erwartet profuse Eiterung, so dass Patientin fast stündlich die Watte 
im Ohr wechseln musste, wenn der Eiter nicht durch die Watte ab- 
tropfen sollte. Diese Massen von Eiter konnten nicht allein aus dem 
Mittelohr , stammen, sondern mussten in dem Antrum mastoid. abge- 
lagert und durch die acute Eiterung verflüssigt und beweglich ge- 
macht worden sein. . Seit 25. September klagt Patientin über dumpfes 
Drücken im Warzenfortsatz und hatte bei Percussion desselben leb* 
hafte Schmerzen. 

Diese Erscheinungen steigerten sich sichtlich von Tag zu T^, 
bedingten vollständige Schlaflosigkeit, nahmen den Appetit und ver- 
anlassten Patientin, die zu Hanse die Eisbeutel nicht sorgfältig genug 
wechseln konnte, sich am 29. September in der medieinischen Klinik 
aufnehmen zu lassen. In den ersten Tagen that ihr die Kälte über- 



76 V. H£SSL£R 

raftchend wohl und konnte ne auch die beiden ersten Nächte wieder 
ruhig Bchlafen, aber von da ab trat ödematöse Anschwellung der Haat 
über und unter dem Warzenfortsatz auf und die Druckempfindlichkeit 
desselben wurde immer intensiver. Das Fieber schwankte des Mor- 
gens zwischen 38,5 und 38,8, des Abends zwischen 39,3 und 39,7 ; 
die Zunge war ganz trocken und rauh, und nur in der linken Hälfte 
des Kopfes bestand ein leichter dumpfer Schmerz, der besonders zur 
Abendszeit sich steigerte. Die Gesammtheit und die Progression der 
Erscheinungen bestimmten, am 9. October die Aufmeiselung des War- 
zenfortsatzes vorzunehmen. Die Haut wurde wie gewöhnlich V2 Zoll 
hinter der Anheftungsstelle der Ohrmuschel ausgiebig incidirt und 
das Periost nach vom und hinten abgetrennt. Hierbei kam aus dem 
hintersten Winkel des Weichtheilenschnittes Eiter zum Vorschein, 
wenn man von unten her nach dem Warzenfortsatz zu drückte. Der 
Schnitt in der Haut wurde verlängert und das Periost nach hinten 
weiter abgehoben: es fand sich nun eine kleine Enochenfistel , die 
eine dünne Sonde gerade nach innen in die Höhle des Warzenfort- 
satzes eindringen Hess. Sie lag darnach aussergewöhnlich nach hinten 
— und doch hatte die Patientin stets den grössten Druckschmerz 
an der gewöhnlichen Stelle oberhalb der oberen Gehörgangswand 
angegeben. Mit dem Hohlmeisel wurde vom vorderen Rand der Eno- 
chenfistel so viel Knochen weggenommen, dass man mit dem kleinen 
Finger bequem in die Knochenhöhle hineinkommen konnte. Bei der 
Irrigation derselben mit 1 Proc. Carbolsäurelösung schmeckte Patientin 
die Carbolsäure im Munde, aber das Wasser floss ebenso wenig durch 
das Ohr ab, wie es bei Ausspülung des Gehörganges durch die Kno- 
chenfistel ablief. Es wurde ein Drainrohr eingeführt und ein Salicyl- 
watteverband angelegt. Die Temperatur, die am Mittag vor der Ope- 
ration bereits 39,0 terreicht hatte, fiel Abends auf 38,9 und ist seit- 
dem nur einige Male wieder auf 38,5 gekommen. Am 11. October, 
also zwei Tage nach der Erweiterung der Knochenfistel, war das 
Ohr frei von Eiter und es zeigte sich sowohl bei der Untersuchung 
mit dem Spiegel als auch beim Katheterismus, dass sich die Spontan- 
perforation geschlossen hatte. Bei der Irrigation der Knochenfistel 
meinte Patientin ebenso wie an den beiden letzten Tagen die Carbol- 
säure im Munde zu schmecken, aber ein Durchfiiessen der Flüssigkeit 
ikach der Tuba konnte sie nicht bemerken. Nachdem sich die Para- 
centesenöffnung rechts nach vier Tagen geschlossen hatte, hörte man 
hin and wieder noch einzelne trockene Rasselgeräusche. Das Sausen 
liess allmählich nach, die Röthung d^r Trommelfelle nahm langsam 
ab und machte einer grauen Verfärbung derselben mehr und mehr 
Platz — und ebenso langsam erweiterte sich das Gehörvermögen. 
Am 15. October hörte sie beiderseits leise geflüsterte Zahlen bis 
V2 Fuss sicher — und am 5. November die Uhr rechts bis 35 und 
links bis 5 Cm. und mittelstark geflüsterte Zahlen rechts bis 8 und 
links bis 3 Fuss. Die Hautwunde hinter dem Ohr vernarbte sehr 
rasch, so dass am '17. October das Drainrohr mit einem Bleinagel 
vertauscht werden musste, um nicht äusserlich nur eine Scheinheilung 
eintreten zu lassen. Nach 14 Tagen aber brach der obere Wund- 



statistischer Beridit der Poliklinik fflr Olireiikranke sn Halle a/S. 77 

Winkel wieder auf nnd bei der Sondenontersnchnng zeigte es Bich, 
dasB dort der am 9. October noch als hart constatirte Knochen von 
Aussen her cariös erweicht war, so dass man mit der Sonde in ihn 
eindringen konnte. Eine mehrmalige Aetznng dieses Fistelganges mit 
Höllenstein in Substanz genügte, den Process in flinf Wochen zum 
Abschluss zu bringen. Als Patientin nun schon seit langer Zeit yöllig 
fieberlos gewesen, im Gehörgange keine Anschwellung seiner hinteren 
Wand eingetreten, keine Perforation des Trommelfelles von Neuem 
erfolgt^ endlich kein Druckschmerz über dem Warzenfortsatz mehr 
angegeben war, wurde am 13. November der Bleinagel aus der Fistel 
weggelassen, worauf sich dieselbe innerhalb fünf Tagen vollständig 
achloss. Patientin hörte nunmehr bei ihrer Entlassung am 19. Nov. die 
Stimmgabel vom Scheitel im ganzen Kopfe gleich laut, die Uhr durch 
die Kopfknoohen rechts deutlicher als links, und rechts bis 6 und 
links bis 2 Cm.; mittelstark geflüsterte Zahlen hörte sie rechts bis 
2 und links bis V4 Fuss; beim Katheterismus hörte man rechts viel 
trockene quitschende Rasselgeräusche und links nur anfangs feuchtes 
Kasseln, später aber trat die Luft, zumal bei continuirlich stärkerem 
Druck ununterbrochen im breiten Strom ein. Hiernach hörte sie 
wieder die Zahlen leise geflüstert wie früher, rechts bis 8 und links 
bis 3 Fuss Entfernung. Die Hautwunde war vollständig vernarbt 
und fest mit dem Knochen verwachsen und bereits etwas eingezogen. 
Interessant ist der Wechsel ihres Körpergewichtes, das während ihres 
ganzen Aufenthaltes in der medicinischen Klinik von acht zu acht 
Tagen gewogen worden war; dasselbe betrug am: 
2. Oct. 9. Oct 16. Oct 23. Oct. 30. Oct. 6. Nov. 13. Nov. 
91 Pfd. 90 Pfd. 89 Pfd. 91 V« Pfd. 94V2Pfd. 98 Pfd. 102 Pfd. 
Entsprechend dieser Gewichtszunahme fühlte sich auch Piltientin, 
wie sie selbst zuletzt sagte, so kräftig und wohl, wie sie es noch nie 
in ihrem Leben gewesen war. 

Was nun die Entstehung dieses Knochenleidens betrifft, so 
mag wohl die Annahme gestattet sein, dass durch frühere Entzün- 
dungen bereits Secretmassen in der Höhle des Warzenfortsatzes 
abgelagert und eingedickt waren; diese wurden bei Gelegenheit 
der acuten Mittelobreiterung aufgeweicht und zum Theil ausge- 
spült, andererseits bewirkten sie eine cariöse Erweichung der 
äusseren Wandung der Knochenhöhle von Innen her, bis schliess- 
lich dieselbe perforirt war, so dass nunmehr der Eiter auch direct 
eine Stauung der Blntcircnlation in der darüberliegenden Haut, 
periostitische Reizungen etc. zur Folge hatte. Gerade der Um- 
stand, dass das linke Ohr nicht dieselbe ^GehOrfähigkeit wieder- 
bekommen, wie das rechte, spricht dafür, dass schon Entzün- 
dungen vorhergegangen, die unbewusst das Gehör dauernd herab- 
gesetzt hatten. 



VI. 

Bericht Aber die vom October 1878 bis October 1880 

behandelten Ohrenkranken. 

Von 

Dr. A. Marl an 

in Aussig (Böhmen). 

Nachfolgende ZuBammenstellang umfasst im Gegensatze zu 
den bisher in diesem Archive veröfiPentlichten Berichten von Poli- 
kliniken und Kliniken grösserer Städte und Universitäten das 
Beobachtungsmaterial eines praktischen Arztes am Lande, der 
es versucht hat, mit den bei Volk und Aerzten leider noch zu 
sehr herrschenden Vorurtheilen gegen eine rationelle Behandlung 
von Ohrenkrankheiten den Kampf aufzunehmen und so gleichsam 
als äusserster Vorposten der geschlossenen Phalanx der auf die- 
sem Felde Thätigen, unserer Specialdisciplin ein wenn auch nur 
bescheidenes Terrain zu erobern. Nirgends bewährt sich mehr 
wie hier das Sprüchwort, dass aller Anfang schwer ist, indem 
einerseits das hier wie überall herrschende Misstraueu gegen 
alles Neue so manchen bestimmt, an dem ihm von Laien und 
Aerzten eingeprägten Do^ma — »gegen' Ohrenkrankheiten sei 
nichts zu machen", oder „einen Ohrenfluss- dürfe man nicht 
stillen" — festzuhalten, andererseits wieder der Gesammterfolg 
der ersten Jahre weniger aufmunternd erscheint, da gerade die 
veralteten, meist unheilbaren Erkrankungen ein erhebliches Con- 
tingent in der Beihe der zur Beobachtung gelangenden Fälle 
stellen. 

Dem Berichte ist die von Prof^ Schwartze aufgestellte 
Tabellenform zu Grunde gelegt, nur glaubte ich noch die mit 
den einzelnen Erkrankungen des Ohres gleichzeitig mit im Zu- 
sammenhang stehenden und zur Untersuchung und Behandlung 
gekommenen Affectionen der Nase, des Nasenrachenraumes, des 
Rachens und Kehlkopfes anführen zu müssen. 



statistischer Bericht der Poliklmik für Ohrenkranke zu Halle a/S. 69 

geschwächt war. Was die Diagnose des Falles anbetrifft, so handelt 
es sich nm eine Otit. med. pamlent. acut, complicirt mit einer Periostit. 
ext. acnt. proc. mastoid. bei einem der Lungentnberknlose höchst ver- 
dächtigen Knaben. Die Secretion des Mittelohres liess sofort nach 
der Spaltung des Abscesses nach und in den nächsten Tagen füllte 
sich die Abscesshöhle rasch mit Granulationen aus. Wiederholt konnte 
man bei Irrigation des Abscesses das anfangs mit Eiter gemischte 
Wasser durch die Fistel in den Gehörgang abfliessen sehen. Aber 
das Fieber liess nicht auffallend nach. Erst am 23. Februar war 
des Nachts ein profuser Schweiss ausgebrochen und darnach hörte 
die bis dahin aufßUlige Kurzathmigkeit und das Fieber wie mit einem 
Schlage vollständig auf. Am nächsten Tage schloss sich die Fistel 
im Gehörgang und die Perforation im Trommelfell und am Anfange 
des nächsten Monats war der Schnitt hinter dem Ohre vollständig 
und ohne Fistelbildung vernarbt. Das Trommelfell hellte sich all- 
mählich auf und bei der Entlassung Mitte März hörte Patient leise 
geflilsterte Zahlen bis 3 Fuss sicher. Die geschilderte Erisis hatte 
an dem objeetiven Befunde der Lungen nicht viel verändert. Am 
23. März kam Patient wieder , aber diesmal wegen einer vor drei 
Tagen eingetretenen acuten rechtsseitigen Mittelohreiterung, nachdem 
er einige Tage vorher und eine Nacht unruhig gewesen war. Das 
linke Ohr war vollständig gesund, wie es noch heute am 25. November 
ist und im reehten fand sich eine kleine Perforation an derselben 
Stelle, wo im Februar die Narbe gesehen worden war. Da die Weich- 
theile um das Ohr bei Druck leicht empfindlich waren, wurde ein 
starker Jodanstrich ordinirt und erst acht Tage später mit dem Nach- 
lasse der entzündlichen Erscheinungen eine Bleiwasserlösung (von 
6 gtt. : 20,0) in Anwendung gezogen. Aber diesmal ist die Heilung 
nicht erfolgt, trotzdem ich selbst dem Patienten fast täglich mit Salz- 
wasser das Ohr ausgespült und anfangs Bleiwasser, später Borsänre- 
pulver eingestäubt und regelmässig den Politzer 'sehen Ballon ge- 
braueht habe. Vielmehr wuchs wiederholt am hinteren Rande der 
sich allmählich vergrössernden Perforation ein Granulationsknopf nadi, 
der erst nach mehrmaliger Touchirung mit Höllenstein in Substanz 
wegblieb. Die Ursache dieser chronisch gewordenen Eiterung lag 
wohl in dem Fortschreiten der chronischen Lungenaffection , wegen 
welcher Patient gegenwärtig mit nicht viel Erfolg eine Milchcur ge- 
braucht. 

5. Fall. Martha Givit, 8 Monate alt, aus Halle, kam am 27. März 
1880 in poliklinische Behandlung und hatte nach Aussage der Mutter 
höchstens seit acht Tagen aus dem linken Ohre einen eitrigen Aus- 
fluss, der nicht weiter beachtet worden war. Ausserdem aber war 
seit 4 — 6 Tagen immer des Morgens eine schmerzhafte Anschwellung 
hinter dem Ohre bemerkt worden, die sich zurückbildete, wenn der 
Eiter im Verlaufe des Tages ans dem Ohre ablaufen konnte. Das 
Kind war höchst schwächlich und decrepide. Die Haut über dem 
Warzenfortsatz war ödematös geschwellt, so dass auf leichtem Druck 
eine Grube zurückblieb und bot das Gefühl von Fluctuation. Der 



80 



VI. MARIAN 



Chronischer Katarrh der Pauke: rechts 9, 

links 20, beiderseits 130 

Acuter Tubenkatarrh r links 3 

Chronischer Tubenkatarrh: beiderseits 2 . 
Otitis media acuta suppurativa: rechts 9, 

links 17, beiderseits « 

Acute Entzündung der Zellen des Proc. 

mastoid.: rechts 1 

Otitis media suppurativa chronica: rechts 10, 

links 17, beiderseits 35 

Otitis media suppurativa chron.mitCaries: 

rechts 1, links 3 

Otitis media suppurativa chron. mit Poly- 
pen : rechts 8, links 8, beiderseits 6 . . 
B^duen eitriger Processe : rechts 16, links 

14, beiderseits 16 

NeunUgia plezus tympanici: rechts 4, links 

3, beiderseits 1 

Nerventaubheit: rechts 6, links 9, beiders. 33 
Ursache: unbekannt 24, nach Typhus 
6 , Trauma 7 , Meningitis 2 , mit dem 
Meni^re*schen Symptomencomplex 2, 
nach Masern 1 , Scharlach 1 , im Ge- 
folge von Otit. med. ac. supp. 1, Va- 
riola 1, Meningit. cerebrospinalis 1, 
Erkältung 1, Arthritis (?) 1. 

Taubstummheit (angeboren) 

Blutgeräusch im Ohr nach Apoplexie: links 1 

Bei diesen Fällen kamen gleich- 
zeitig zur Behandlung: 

Acuter Nasenkatarrh 

Chronischer Nasenkatarrh 

Ozaena . . ' 

Epistaxis 

Nasenpolypen 

Acuter Katarrh des Pharynx . ....... 

Pharyngitis acuta cum tonsülitide (Angina 

tonsiUaris) 

Chronischer Katarrh des Pharynx ... . 
Pharyngitis granulosa (adenoide Y^etatio- 

nen) 

Hypertrophie der Tonsillen 

Acuter Larynxkatarrh . . . .... . 

Chronischer Larynxkatarrh 

Tussis convulsiva . . . . * . ..... . 

Parotitis 

Defect in Gaumen und Nase 



! 

CO 



159 
3 
2 

32 

1 

62 



22 

46 

8 
48 



2 

l 



590 



21 

59 

4 

1 

2 

15 

4 
64 

50 
26 
5 
9 
1 
1 
4 






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20 
3 
1 



66 
1 



23 1 



1 
22 



10 

6 

7 
4 



282 



21 
34 

1 

2 

15 

4 

22 

15 
17 
5 
5 
1 
1 



21 



21 



10 



129 



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4 



29 
21 



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18 



2 



9 



2 
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38 



49 



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22 



93 



8 

10 

8 



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3 



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2 

1 



1 



•0 < 



6 



10 



27 



3 
2 



Von den 590 verschiedenen Erankheitsformen waren doppel- 
seitig 298 = 50,5 Proc., einseitig 292 = 49,5 Proc; von den 
letzteren betrafen das rechte Ohr 129 »= 44,1 Proc, das linke 
Ohr 163 «= 55,9 Proc 



statistischer Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke sa Halle a/S. 69 

geschwächt war. Was die Diagnose des Falles anbetrifit, so handelt 
es sich um eine Otit. med. pumlent. acut, complicirt mit einer Periostit. 
ext. acnt. proc. mastoid. bei einem der Lungentuberkulose höchst ver- 
dflchtigen Knaben. Die Secretion des Mittelohres liess sofort nach 
der Spaltung des Abscesses nach und in den nächsten Tagen fällte 
sich die Abscesshöhle rasch mit Granulationen aus. Wiederholt konnte 
man bei Irrigation des Abscesses das anfangs mit Eiter gemischte 
Wasser durch die Fistel in den Gehörgang abfliessen sehen. Aber 
das Fieber liess nicht auffallehd nach. Erst am 23. Februar war 
des Nachts ein profuser Schweiss ausgebrochen und darnach hörte 
die bis dahin auffUlige Eurzathmigkeit und das Fieber wie mit einem 
Schlage Yollstindig auf. Am nächsten Tage schloss sich die Fistel 
im Gehörgang und die Perforation im Trommelfell und am Anfange 
des nächsten Monats war der Schnitt hinter dem Ohre vollständig 
und ohne Fistelbildung vernarbt. Das Trommelfell hellte sich all- 
mählich auf und bei der Entlassung Mitte März hörte Patient leise 
geflüsterte Zahlen bis 3 Fuss sicher. Die geschilderte Krisis hatte 
an dem objectiven Befunde der Lungen nicht viel verändert. Am 
23. März kam Patient wieder , aber diesmal wegen einer vor drei 
Tagen eingetretenen acuten rechtsseitigen Mittelohreiterungi nachdem 
er einige Tage vorher und eme Nacht unruhig gewesen war. Das 
linke Ohr war vollständig gesund^ wie es noch heute am 25. November 
ist und im rechten fand sich eine kleine Perforation an derselben 
Stelle, wo im Februar die Narbe gesehen worden war. Da die Weich- 
theile um das Ohr bei Druck leicht empfindlich waren , wurde ein 
starker Jodanstrich ordinirt und erst acht Tage später mit dem Nach- 
lasse der entzündlichen Erscheinungen eine Bleiwasserlösung (von 
6 gtt. : 20,0) in Anwendung gezogen. Aber diesmal ist die Heilung 
nicht erfolgt, trotzdem ich selbst dem Patienten fast täglich mit Salz- 
waseier das Ohr ausgespült und anfangs Bleiwasser, später Borsäure- 
pulver eingestäubt und regelmässig den Politzer 'sehen Ballon ge- 
braucht habe. Vielmehr wuchs wiederholt am hinteren Rande der 
sich allmählich vergrössernden Perforation ein Granulationsknopf nadh, 
der erst nach mehrmaliger Touchirung mit Höllenstein in Substanz 
wegblieb. Die Ursache dieser chronisch gewordenen Eiterung lag 
wohl in dem Fortschreiten der chronischen Lnngenaffection, wegen 
welcher Patient gegenwärtig mit nicht viel Erfolg eine Milchcur ge- 
braucht. 

5. Fall. Martha Givit, 8 Monate alt, aus Halle, kam am 27. März 
1880 in poliklinische Behandlung und hatte nach Aussage der Mutter 
höchstens seit acht Tagen aus dem linken Ohre einen eitrigen Aus- 
fluss, der nicht weiter beachtet worden war. Ausserdem aber war 
seit 4 — 6 Tagen immer des Morgens eine schmerzhafte Anschwellung 
hinter dem Ohre bemerkt worden, die sich zurückbildete, wenn der 
Eiter im Verlaufe des Tages aus dem Ohre ablaufen konnte. Das 
Kind war höchst schwächlich und decrepide. Die Haut über dem 
Warzenfortsatz war ödematös geschwellt, so dass auf leichtem Druck 
eine Grube zurückblieb und bot das Gefühl von Fluctuation. Der 



82 VI. MARIAN 

male und imperforirte Trommelfell zu übergehen. In der zwi- 
schen den beiden ins Lumen des Gehörganges hineinragenden 
Stellen befindlichen sackartigen Vertiefang, welche dem Mheren 
(normalen) Gehörgangslumen entsprechen mochte, sass ein wei- 
cher, sehr blutreicher Polyp, von der unteren und hinteren 6e- 
hOrgangswand entspringend. — Bereits nach Entfernung der kä- 
sigen Eitermassen waren die seit mehreren Tagen heftig wttthen- 
den Schmerzen, sowie das dumpfe Geftlhl sofort verschwunden 
und die Hörweite flir die Uhr von 50 auf 100 Cm. gebessert. — 
Der Gehörgang des anderen Ohres weit, das Trommelfell etwas 
eingezogen, normale Hörfunction. — Ueber den Anfang des Lei- 
dens befragt, gab Patient an, dass er, ohne eine Veranlassung 
zu wissen, seit circa vier Wochen den Ausfluss aus dem linken 
Ohre bemerke und in dieser Zeit häufig Schmerzen und Sausen, 
so wie ein continuirlich dumpfes Geftthl verspürt habe. Vor 18 
Jahren sei er einmal mit dem Kopf zwischen einen Maschinen- 
bestandtheil und einen Eisenblock gekommen, in Folge dessen 
ihm beide Ohren stark gequetscht worden seien; Ausfluss sei 
damals keiner gewesen; nur Schmerzen und Schwerhörigkeit, die 
etwa sechs ViTochen andauerten und dann vollständig aufhörten, 
so dass er seiner Militärdienstpflicht ungehindert Genüge leisten 
konnte. — Es wäre demnach immerhin die Annahme möglich, 
dass damals bereits in Folge der Quetschung die dem Trommel- 
fell nähere, durch Hyperostose der unteren Gehörgangswand be- 
dingte Verengerung entstanden war, während die dem Ohrein- 
gang näher liegende Verengung, welche ausschliesslich durch 
Cutisverdickung gebildet war, auf Rechnung der jetzigen, vier 
Wochen bestehenden chronischen Otitis externa zu setzen ist. — 
Die weitere Behandlung bestand in dem Einlegen von Baum- 
wolltampons in die durch Incision erweiterte Stelle und in Aetzung 
der polypösen Wucherung mit Arg. nitr., welch letztere nach 
drei Wochen vollständig geschwunden war. Gleichzeitig sistirte 
auch die Eiterung und erlangte Patient wieder seine vollständig 
normale Hörweite, weshalb auch von einer Behandlung der Hyper- 
ostose abgesehen wurde. 

Fremdkörper im Ohre 6. — 1 Fall betraf , einen 5jähr. 
Knaben, der sich einen Johannisbrodkem ins rechte Ohr gesteckt 
hatte und der durch rohe Extractionsversuche , die bereits von 

auf die Distanz vom Ohreingange bis zur ersten Verengung 12 Mm., auf die 
Länge der sackartig vertieften BteUe 8 Mm. und auf die Entfernung der zwei- 
ten verengten Stelle bis zum Trommelfell 5 Mm. 



statistischer Bericht der PolUdinik fttr Ohrenkranke zu Halle a/S. 69 

geschwächt war. Was die Diagnose des Falles anbetrifft, so handelt 
es sich um eine Otit. med. pamlent. acut, complicirt mit einer Periostit. 
ext. acnt. proc. mastoid. bei einem der Lungentuberknlose höchst ver- 
dächtigen Knaben. Die Secretion des Mittelohres Hess sofort nach 
der Spaltung des Abscesses nach und in den nächsten Tagen füllte 
sich die Abscesshöhle rasch mit Granulationen aus. Wiederholt konnte 
man bei Irrigation des Abscesses das anfangs mit Eiter gemischte 
Wasser durch die Fistel in den Gehörgang abfliessen sehen. Aber 
das Fieber Hess nicht auffallehd nach. Erst am 23. Februar war 
des Nachts ein profuser Schweiss ausgebrochen und darnach hörte 
die bis dahin auffällige Kurzathmigkeit und das Fieber wie mit einem 
Schlage Yollständig auf. Am nächsten Tage schloss sich die Fistel 
im Gehörgang und die Perforation im Trommelfell und am Anfange 
des nächsten Monats war der Schnitt hinter dem Ohre vollständig 
und ohne Fistelbildung vernarbt. Das Trommelfell hellte sich all- 
mählich auf und bei der Entlassung Mitte März hörte Patient leise 
geflüsterte Zahlen bis 3 Fuss sicher. Die geschilderte Krisis hatte 
an dem objectiven Befunde der Lungen nicht viel verändert. Am 
23. März kam Patient wieder , aber diesmal wegen einer vor drei 
Tagen eingetretenen acuten rechtsseitigen Mittelohreiterung, nachdem 
er einige Tage vorher und eine Nacht unruhig gewesen war. Das 
linke Ohr war vollständig gesund, wie es noch heute am 25. November 
ist und im rechten fand sich eine kleine Perforation an derselben 
Stelle, wo im Februar die Narbe gesehen worden war. Da die Weich- 
theile um das Ohr bei Druck leicht empfindlich waren, wurde ein 
starker Jodanstrich ordinirt und erst acht Tage später mit dem Nach- 
lasse der entzündlichen Erscheinungen eine Bleiwasserlösung (von 
6 gtt. : 20,0) in Anwendung gezogen. Aber diesmal ist die Heilung 
nicht erfolgt, trotzdem ich selbst dem Patienten fast täglich mit Salz- 
wasser das Ohr ausgespült und anfangs Bleiwasser, später Borsänre- 
pulver eingestäubt und regelmässig den Politzer 'sehen Ballon ge- 
braucht habe. Vielmehr wuchs wiederholt am hinteren Rande der 
sich allmählich vergrössernden Perforation ein Granulationsknopf nadi, 
der erst nach mehrmaliger Touchirung mit Höllenstein in Substanz 
wegblieb. Die Ursache dieser chronisch gewordenen Eiterung lag 
wohl in dem Fortschreiten der chronischen Lungenaffection , wegen 
welcher Patient gegenwärtig mit nicht viel Erfolg eine Milchcur ge- 
braucht. 

5. Fall. Martha Givit, 8 Monate alt, aus Halle, kam am 27. März 
1880 in poliklinische Behandlung und hatte nach Aussage der Mutter 
höchstens seit acht Tagen aus dem linken Ohre einen eitrigen Aus- 
fluss, der nicht weiter beachtet worden war. Ausserdem aber war 
seit 4 — 6 Tagen immer des Morgens eine schmerzhafte Anschwellung 
hinter dem Ohre bemerkt worden, die sich zurückbildete, wenn der 
Eiter im Verlaufe des Tages aus dem Ohre ablaufen konnte. Das 
Kind war höchst schwächlich und decrepide. Die Haut über dem 
Warzenfortsatz war ödematös geschwellt, so dass auf leichtem Druck 
eme Grube zurückblieb und bot das Gefühl von Fluctuation. Der 



84 VL MABIAN 

keine Perforation. — Tonchinmgen der Exorescenzen mit Ai^. 
nitric, sowie Einblasongen ron Jodoformpulrer brachten Grann- 
lationen und Eitenuig bald zum Schwinden, die grßeste der £s- 
cresceozen im vorderen obem Quadranten stiess sich beim Äns^ 
spritzen des Ohres am 16. Behandlnngstage nnter beträchtlicher 
Blntong ab, worauf dann jegliche Secretion rasch rollsöbdig 
aufhörte und die vorher bedeutend herabgesetzte Hörweite voll- 
kommen normal wurde. 

Ruptura membr. tympan. Ein 9jähriger Knabe wurde 
durch den Hafecblag eines Pferdes an das linke Scheitelbein 
getroffen. Stark blutende, 3 Cm. Ober dem linken Ohr horizontal 
verlaufende Hautwunde, gleichzeitig Blutung aas dem linken Obr, 
Summen, Stechen und zunehmende Schwerhörigkeit, kein Eiter- 
ausflu»!, keine Gleichgewichtsstörung. Der Fall wurde erst 16 
Monate nach der Verletzung Gegenstand der gerichtaärztlichen 
Untersuchung, als fs sich um Schadenersatz wegen des angeb- 
lich durch die Verletzung bedingten Verlustes des GehSrs am 
linken Ohre handelte. — Rupturstelle unterhalb des kurzen Fort- 
satzes als feine, horizontal verlaufende, 1 Mm. lange Narbe kennt- 
lich. — Maassgebend für das Gutachten erecMen jedoch hier das 
Verhalten des schallempfiudenden Apparates, welches eine gleich- 
zeitige Labyrinth- beziehungsweise AeustienBaffection mit Sicher- 
heit annehmen Hess, indem verschieden tönende Stimmgabeln 
wiederholt auf verschiedene Punkte des Kopfes aufgesetzt, stets 
nur von der rechten Seite ans percipirt wurden und überdies 
eine Simulation nach Vornahme der verschiedenen auf Entdeckung 



Bericht über die v. Oct. 1878 bis Oct. 188 



mens, sowie des Erfolges der Beh 
statistischen Berichten ergibt Folge 



1 


Gesammt- 
summe der 
beobachteten 
Fälle 


^1' 


Bürkner in Göttingen *) . 

Bürkner in Göttingen ^) . 

Bvrckhardt-Merian in • 
Basel ^) ...... 

Schwartze in Halle 4) . . 

Lucae in Berlin^) . . . 

Hedinger in Stuttgart') . 

In meinem Berichte . . 


217 
328 

2350 
2394 
2566 
3679 
590 


- 71 
9( 

36! 
341 
64 
108 
15 



Acute eitrige Mittelohre 
Fälle, von denen 4 unter dem Bild 
Paukenhöhlenentzttndnng '') verliefd 
und Symptome der eitrigen phleg 
düng boten. 

Von der ersten Gruppe hatte 
diyirenden einfachen, acuten Pan 
1 war im Gefolge eines sehr heftig 
seilte sich zu einer sehr stürmisch 
Absonderung von eitrigem Sohle 
brechen, hochgradiger Prostration ( 
Nasenrachenhöhle , 1 trat nach ei 
In den ersten 3 Fällen wurde dui 
Entleerung des Exsudates und da 
heftigen Schmerzen, subjectiven ( 
erzielt, im letzten Falle (5 jährigei 
Anwendung des Politzer 'sehen 
Erfolge. 

Von den 28 Fällen der zweite 
nach einem kalten Bade entstand 
Sache Erkältung angegeben, 3 Fäl 

1) Arch. f. 0. XIV. Bd. S. 228. 
3) Ebenda XYI. Bd. S. 84. 
5) Ebenda XIV. Bd. S. 120. 
7) Urbantschitsch, Lehrb. d. ( 



86 VI. MARIAN 

mit Ekzem der Ohrmuschel mid des äusseren Gehörganges be- 
haftete Kinder y in den tlbrigen Fällen konnte das ätiologische 
Moment nicht genau angegeben werden. 

In 16 Fällen wurden Einblasungen mit Borsäure vorgenom- 
men und sistirte die Eiterung 1 mal bereits nach einer , 1 mal 
nach 2, 4 mal nach 3, 1 mal nach 5, 1 mal nach 8, 1 mal nach 9 
und 1 mal nach 10 täglich oder jeden zweiten Tag vorgenom- 
menen Einblasungen; 2 Fälle sind noch in Behandlung, von den 
übrigen 4 ist der Erfolg wegen Ausbleibens der Patienten als 
unbekannt bezeichnet. — Heilung der Perforation wurde beob- 
achtet in 13 Fällen (darunter 7 wo Borsäure applicirt wurde), 
Sistiren der Eiterung mit Offenbleiben der Perforation und voll- 
ständig normaler Hörweite in 3 Fällen. 

Acute Entzündung dör Zellen des Warzenfort- 
satzes: 10 jähriger, bereits durch sechs Jahre an chronischer 
Otit. med. supp. post scarlatinam leidender Knabe erkrankte drei 
Tage vor der ersten Untersuchung unter sehr starken Schmerzen 
hinterm rechten Ohre, Fiebererscheinungen, Eingenommenheit des 
Kopfes, Appetitlosigkeit und Müdigkeit in den Gliedern. — Proc. 
mastoid. bei Berührung sehr stark empfindlich, die Weichtheile 
über demselben geschwellt, die Haut geröthet, Ohrmuschel weit 
vom Kopfe abstehend, im Ohr massenhaft Eiter, iheilweise käsige 
Massen; hintere Wand des Gehörganges geschwellt, das Lumen 
verengend, im mittleren Drittel eine mit granulirenden Bändern 
versehene Fistelöffhung , aus welcher sich beim Druck auf den 
Proc. mastoid. Eiter entleert; das Trommelfell fehlend, die Pau- 
kenhöhle mit Granulationen erfällt. 

Unter Garbolspray tiefe Incision bis auf den Knochen, massen- 
hafte Entleerung von übelriechendem Eiter aus der Incisionsstelle^ 
noch mehr aus dem Gehörgang — Einspritzung in denselben mit 
3 Proc. Carbolwasser. 

Am folgenden Tage Geschwulst gänzlich geschwunden, voll- 
kommen normales Allgemeinbefinden, aus der Incisionswunde, 
welche per primam zu heilen Tendenz zeigt, kein Eiter, dagegen 
noch aus der Fistelöffnung im Gehörgange, welche sich nach 
14 Tagen schloss. 

Chronisch-eitrige Mittelohrentzündung 62 Fälle* 

Der letal abgelaufene Fall betraf ein 13 jähriges sehr schwäch- 
liches und anämisches Mädchen, welches schon Jahre lang an 
rechtsseitiger Otorrhoe gelitten hatte und 8 Tage vor der Unter- 
suchung unter heftigen Schmerzen im Ohr und der rechten Kopf- 



Bericht über die v. Oct 1878 bis Oct. 1880 beliandelten Ohrenkranken. 87 

Seite, Fiebererscheinnngen und hochgradiger Mattigkeit erkrankt 
war. — Der Gehörgang zeigte sich erftllit mit Eitermembranen, 
welche dem dahinter angesammelten dickflüssigen Eiter keinen 
Abflnss Hessen, nach Entfemang derselben und gründlicher des- 
inficirender Ausspritzung des Ohres ergab sich Defect des Trom- 
melfells (bis auf einen schmalen peripheren Saum) und der Ge- 
hörknöchelchen, Erfüllung der Paukenhöhle mit polypösen Gra- 
nulationen, Warzenfortsatz bei Druck nicht empfindlich, die 
Weichtheile desselben nicht geröthet oder geschwellt. — Trotz 
momentaner Erleichterung der heftigen Schmerzen nach Seini- 
gung des Ohres und fortan freiem Abfluss des Eiters bewies die 
Zunahme des Fiebers, wiederholtes Erbrechen, hochgradige Hy- 
perästhesie der Haut, Einziehung des Abdomen, Delirien, Gon- 
Yulsionen der oberen und unteren Extremitäten, Erweiterung und 
träge Beaction der Pupillen und das schliesslich eintretende Coma 
die Fortpflanzung der eitrigen Entzündung der Paukenhöhle auf 
die Meningen. — Tod am 11. Tage der Erkrankung. — Section 
wurde nicht gestattet. 

Was dieBehandlungsweise der chronisch-dtrigen Mittel- 
ohrentzündung betrifft, so wurden, wo immer nur thunlich, Ein- 
blasungen von Acid. salic, Alumcn und Acid. salic, Magnesia 
usta und Acid. salicyl. ana, Jodoform — meist mit günstigem 
Erfolge vorgenommen, seit Jali 1879 aber auf den Vorschlag 
Bezold's die Borsäure in 30 Fällen allein, ohne Znhülfenahme 
von Adstringentien angewendet und zwar wurde zuerst behufs 
Entfernung des vorhandenen Eiters in Gehörgang und Pauken- 
höhle lauwarme 2 Proc. Kochsalzlösung ^) eingespritzt, dann nach 
gründlicher Austrocknung und Reinigung mit entfetteter Bruns- 
scher Watte, mittelst des Pulverisateurs die feingepulverte Bor- 
säure eingeblasen* und hierauf der Gehörgang mit Bruns'scher 
Watte verstopft. 

Ausgeschieden von der Borsäurebebandlung wurden die vier 
mit Caries complicirten Formen, sowie noch ein in Behandlung 
befindlicher Fall von fünf Jahre bestehender chronisch - eitriger 
Entzündung des oberen Theiles der Paukenhöhle mit Durch- 
bruch der Membrana Shrapnelli, wo die durch die Perforations- 
öffnung eingeführte Sonde eine begrenzte Caries daselbst ergibt. 

Von den 30 Fällen sistirte in 24 der Ausfluss vollständig 

1) Zur antiseptischen Behandlung der Mittelohr^iterungen. A. f. 0* 
XV. Bd. I.Heft. 

2) Bezold empfiehlt zur Injection 4 Proc. Borsäurelösung. 



88 VL MARIAN 

und wurde in 7 derselben Heilung der Perforation constatirt, 
2 Fälle befinden sich noch in Behandlung, in den übrigen 4 ist 
eine wesentliche Verminderung des Ausflusses notirt. — Von den 
7 mit Verschliessung der Perforation geheilten Fällen wurde das 
Sistiren des Ausflusses in 1 Fall nach einmaliger, in 1 nach 
sechsmaliger, in 1 nach achtmaliger, in den übrigen nach je vier- 
maliger Application von Borsäure beobachtet. In einem dieser 
Fälle trat nach vier Wochen Recidive ein, welche nach zwei 
Einblasungen geheilt und sich bisher (nach Verlauf von nahezu 
einem halben Jahre) nicht wiederholt hat. — Niemals gaben die 
Patienten an, nach der Application des Mittels irgend welchen 
Schmerz im Ohre zu fühlen , wie# nach Einblasungen von Acid. 
salic. oder Salic. c. Magnes., in der Regel bestand mehrere Mi- 
nuten (auch Stunden) hindurch Sausen, in einem Falle wurde 
stets nach den Einblasungen (6]nal) ein bitterer Geschmack im 
Munde wahrgenommen. 

Wenn nun auch die Beobachtungsreihe von 46 Fällen (ein- 
schliesslich der 16 mit Borsäure behandelten acuten eitrigen 
Mittelohrentzündungen) keineswegs eme grosse ist, so ist doch 
der günstige Erfolg keineswegs zu unterschätzen und fordert ent- 
schieden zu weiteren Versuchen auf. 

Garies des Felsenbeins. In 1 Falle Extraction eines 
nekrotischen Knochens aus der rechten Paukenhöhle bei einem 
6jährigen Knaben, der seit vier Jahren an rechtsseitiger, seit 
zwei Jahren an linksseitiger Otorrhoe leidet. Befund : sehr starke 
übelriechende Eiterung, im Niveau des total fehlenden Trommel- 
fells ein schräg von vom oben nach hinten unten stehender, mit 
der Sonde beweglicher Knochen. Extraction des 10 Mm. langen^ 
5 Mm. breiten nekrotischen, der hinteren Paukenhöhlenwand an- 
gehörenden Knochens in Ghloroformnarkose. Nach zwei Tagen 
vollständiges Aufhören der Eiterung, beginnende Vemarbung. 

Polypen 22 Fälle, die verschiedensten Formen zeigend 
wurden meist mit dem Blake 'sehen Schlingenschnürer entfernt 
und der Boden, dem sie entsprangen, mit dem galvanokausti- 
schen ^) Brenner geätzt. 

Bei den Residuen eitriger Processe kamen die ver- 
schiedensten Bilder zur Aufzeichnung; so sind Trommelfellnarben 
44 mal, Verkalkungen 20 mal (darunter 1 mal zwei-, 1 mal mehr- 
fache), Narbenstränge vom Trommelfell zum Promontorium 3 mal 
> ■ . ■ 

1) Als Batterie benütze ich die Zinkbleiplatinmoorbatterie von Brans, 
von Mechaniker Albrecht in Tübingen verfertigt. 



Bericht über die v. Oct. 1878 bis Oct 1880 behandelten Ohrenkranken. 89 

notirt, fenier die mannigfachsten Formen von theilweisem bis 
totalem Defect des Trommelfells nnd der Gehörknöchelchen. 

Neuralgia plex. tympan. 8, davon 7 geheilt, in t Fall 
blieb der Erfolg unbekannt, 6 mal war Chinin mit Morphium 
selbst bei mehrere Wochen (in l Fall bei ein Jahr lang dauern- 
der allabendlich durch eine Stunde) anhaltender Neuralgie von 
rascher Wirkung; bei einer Patientin bestanden die Anfälle be- 
reits 14 Jahre und traten regelmässig dabei Böthung der Ohr- 
muschel und ein Geflihl von Hitze daselbst auf (vasomotorische 
Neurose) und war die Darreichung von Chinin von gar keinem 
Einflüsse; erst die sechsmalige Anwendung des constanten Stro- 
mes (Kathode am linken Sympathicus , Anode im afficirten Ohr 
(linken Gehörgang) erzielte vollständiges Aufhören der Schmerzen. 

Nerventaubheit 48 Fälle. Das ätiologische Moment, so 
weit es möglich war, ein solches zu eruiren, ist bereits in der 
Tabelle (S. 80) angeftihrt, und soll hier nur noch die Beschrei- 
bung einiger Fälle, bei welchen der Sitz der Affection wenigstens 
mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden konnte, Platz finden. 

Der eine Fall von Nerventaubheit mit der Moni öre 'sehen 
Symptomenreihe betraf einen 57 jährigen Herrn, welcher seit circa 
vier Jahren an periodisch wiederkehrenden, stets am Vormittage 
auftretenden Schwindelanfällen, Gefühl von Betäubung, Brech- 
neigung, Unsicherheit im Gehen, Benommenheit des Kopfes litt. 
Dabei bestand ein continuirliches Gellen und Gefbhl von Verlegt- 
aein, sowie erhebliche Schwerhörigkeit des linken Ohres. Einige 
Male pässirte es dem Kranken, dass ihn die Anfälle auf der 
Strasse überrascUten und musste er sich dann schnell an irgend 
einem Gegenstand anhalten, um nicht umzufallen. Die Anfälle 
dauerten stets nur einige Secunden und war dabei das Bewusst- 
sein nicht getrübt, nach denselben ftlhlte sich Patient oft durch 
mehrere Stunden müde und angegriffen. Die Untersuchung er- 
gab starke Einziehung und Trübung des linken Trommelfells, 
vollkommene Durchgängigkeit der Tuba, beträchtliche Herab- 
setzung der Hörweite fär Sprache und Uhr (letztere ^/soo, auf 
Schläfe und Proc. mast. gar nicht). Die Stimmgabel wird vor 
dem linken Ohre sehr schwach, auf die Kopfknochen aufgesetzt 
nur rechts gehört. — Die circa acht Wochen in Anspruch neh- 
mende Behandlung bestand in Einreibungen von Jodkali auf den 
Proc. mastoid. und 20 maliger Applicatiop des constanten Stromes 
(Anode im linken äusseren Gehörgange, Kathode in der linken 
Hand). Im Verlaufe der Behandlung traten die Anfälle, noch 



90 VI. MARIAN 

6 mal auf, ohne sich von da an (binnen 1 V4 Jahr) mehr zu wie- 
derholen. — Die Hörweite erfahr keine nennenswerthe Besserung, 
dagegen verschwand das continuirliche gellende Geräusch und 
die Gleichgewichtsstörungen vollständig. 

In dem 2. Falle (19jähriger Handlungscommis) waren die 
Gleichgewichtsstörungen zweifellos durch eine circa ^k Jahr lang 
bestehende eitrige Paukenhöhlenentzündung mit kleiner Perfora- 
tion des Trommelfells und durch Druckeinwirkung auf die vom 
Yorhofe ausgehenden halbcirkelförmigen Kanäle zu erklären. 

Von den 7 durch Trauma entstandenen Labyrinthaffectionen 
ist 1 Fall (Hufschlag auf den Kopf) bereits unter „ Euptura membr. 
tymp. *" angefahrt ; 3 mal waren auf den Kopf erlittene Schläge, 
2 mal Sturz auf den Kopf aus beträchtlicher Höhe Ursache einer 
Labyrintherschütterung, in 1 Fall war dieselbe (bei einem Pionnier) 
Folge eines in unmittelbarer Nahe abgefeuerten blinden Kanonen- 
schusses. Patient hörte sofort nach dem Schuss durch mehrere 
Tage lang absolut gar nichts, später kehrte das Gehör wohl in 
geringem Grade wieder, jedoch besteht seither (acht Jahre) ein 
continuirliches Läuten und Summen in beiden Ohren. 

Der Fall von Nerventaubheit nach Myringitis cerebrospinalis 
betraf ein 8 jähriges Mädchen, bei welcher man in der dritten 
Woche der Krankheit den vollständigen Verlust des Gehörs wahr- 
nahm. Patient kam mit dem Leben davon, zeigte keine weiteren 
Lähmungserscheinungen, keine Amaurose, dagegen totale Taub- 
heit mit vollständig negativem Ohrbeftmd und aufjgehobener Per- 
ception der auf die Kopfknochen aufgesetzten Stimmgabel. 

Nach Meningitis simplex wurde Taubheit beobachtet bei zwei 
Brüdern, von denen der eine (11 Jahre alte) vor sieben Jahren 
durch vier Wochen an Menmgitis krank lag und im Verlauf der- 
selben das Gehör gänzlich verlor. Der Zustand war sich im 
Laufe der Jahre vollständig gleich geblieben und hatte auch die 
Sprache erheblich an Deutlichkeit gelitten. Bei dem um zwei 
Jahre älteren Bruder war die Krankheit vor einem Monat auf- 
getreten und nahm das Gehör bereits am zweiten Tage derselben 
unter continuirlichem Sausen und Pfeifen derart ab, so dass bei 
der Untersuchung nur sehr laute Geräusche, keine Sprache per- 
cipirt werden. 

Der in der Tabelle (S. 80) unter „Erkältung** angefahrte Fall 
betraf einen 45 jährigen bereits früher wegen linksseitigen chro- 
nischen Mittelohrkatarrhs in Behandlung gewesenen Gastwirth, der 
scharfem, kaltem Luftzuge ausgesetzt, wenige Stunden darnach 



Bericht über die y. Oct. 1878 bis Oct. 1880 behandelten Ohrenkranken. 91 

heftige Schmerzen ^ Sausen und fast totalen Verlost des Gehörs 
auf dem bisher gesunden rechten Ohre bemerkte. Die Unter- 
suchung ergab eine starke Auflockerung des Trommelfells, Ham- 
mertheile nicht sichtbar, Hörweite fUr Uhr und Sprache, sowie 
Knochenleitung total aufgehoben. Nach Paracentese des Trom- 
melfells und Luftdouche nicht die geringste Besserung. Blutegel 
Yors Ohr, Jodkalieinreibungen hinter dasselbe. In den nächst- 
folgenden Tagen gleiches Verhalten, Paracentesenöffnung noch 
vorhanden, etwas Eiterung. Am fünften Tage endlich wurden 
laut am Ohre gesprochene Worte (ins Ohr hinein Schreien oder 
Sprechen durchs Hörrohr that dem Kranken empfindlich weh) 
verstanden. Von da an schritt die Besserung rasch vorwärts 
und war das Gehör im Verlaufe von drei Wochen wieder wie 
vor der Erkrankung. 

Blutgeräusche im Ohr nach Apoplexie bei einem 
70jährigen Manne, der vor einem halben Jahre einen apoplekti- 
schen Anfall mit Parese der linken Augen- und Gesichtsmuskeln 
hatte und seitdem ein contmuirliches Geräusch im linken Ohr, 
isochron mit dem Pulsschlag hörte, was durch den Umstand 
stärker hörbar sein mochte, dass der naturgemässe Schaliabfluss 
aus dem Ohre durch eine starke Einziehung des Trommelfells 
behindert war. Aus der Auscultation des Herzens konnte man 
auf atheromatösen Process der Gehirnarterien schliessen , indem 
der zweite Aortenton auffallend hell gefunden wurde. 

Die mit den in der Tabelle (S. 80) aufgeführten Ohrenkrank- 
heiten complicirten Affectionen der Nase, des Nasenra- 
chenraumes, Rachens und Kehlkopfes wurden nach den 
besonderen Indicationen behandelt; sehr oft kam die Galvano- 
kaustik zur Anwendung, und zwar bei Hypertrophie der Tonsillen, 
adenoiden Vegetationen, bei chronischem Nasenkatarrh mit star- 
ker Schwellung der Muschelschleimhaut, Nasen- und Nasenrachen- 
polypen u. dergl. — Fast in allen Fällen von acuten und chro- 
nischen Nasenkatarrhen wurde die Nasendouche oder Einspritzun- 
gen (namentlich bei kleinen Kindern) unter den entsprechenden 
Cautelen mit den verschiedensten Medicamenten (adstringirenden, 
desinficirenden — meist Kali chloric.) angewendet und hatte ich 
niemals Gelegenheit irgendwie üble Zufälle (von Seite der Pau- 
kenhöhle) dabei zu beobachten. 



VII. 

Zweite Serie 
Ton 50 F&llen chirurgischer Eröffnung des Warzenfortsatzes. 

Von 

H. Sehwartze. 

(Fortsetzung.) 

FaU 58. 

Centrale Carles des Warzenfortsatzes mit Fistel im dehSrgangr. Auf- 
meisselnng des Warzenfortsatzes. Heilony naeh iV4 Jahr. 

Wilhelm Reinhardt, geb. 1868 , ans Cöthen, von schwächlicher 
Constitution und anämisch , litt seit erster Kindheit an fötider.Otor- 
rhoe des rechten Ohres und yielfach an Schmerzen. Wiederholt An- 
schwellungen hinter dem Ohr. Kam in poliklinische Behandlung im 
Februar 1877. Harte Zellgewebsinfiltration um die Spitze des War- 
zenfortsatzes. Fistelöffnung in der hinteren Wand des Gehörganges, 
umgeben von polypösen Granulationen; eine gebogene Sonde konnte 
nach hinten in der Richtung zum Warzenfortsatz weit vorgeschoben 
werden. Fieberfrei. Auch in letzter Zeit frei von Schmerzen. 

Operirt am 3. März 1877. 

Keine Fistelöffnung in der Corticalis des Proc. mastoideus, aber 
eine flache Impression in derselben mit auffällig weisser Farbe des 
Knochens. An dieser Stelle wurde aufgemeisselt. Grosse cariöse 
Höhle im Warzenfortsatz. Stärkere Blutung aus derselben bei der 
Ausschabung mit scharfem Löffel. Die in die Fistel des Gehörganges 
eingeschobene gebogene Sonde lässt sich nach hinten durch die er- 
öffnete Höhle hindurchschieben. Durchspülung gelingt sofort nach 
der Operation in jeder Richtung. Keine fieberhafte Reaction. Nach- 
behandlung bis zum 12. Mai auf der medicinischen Klinik. Dann 
mit Bleinagel im Warzenfortsatz nach Hause entlassen unter Anwei- 
sung die Irrigation täglich fortsetzen tn lassen. Dies geschah bis 
23. Februar 1878. 

Inzwischen hatte die Otorrhoe aufgehört , der Allgemeinzustand 
sich auffallend verbessert. Die genauere Untersuchung zeigte den 
Gehörgang frei von Granulationen, den Fistelgang im Warzenfortsatz 
überhäutet und trocken, nur in der Paukenhöhle sehr wenig Eiter 
von sandiger Beschaffenheit. Das durch den Katheter eingespritzte 



Zweite Serie Ton 50 Fällen Chirurg. Eröffaung des Warzänf^rtsatzes. 93 

Salzwasser floss aas dem Gehörgang im Strom wieder ab, ohne Krflmel 
von käsigem Eiter zu Tage zu fördern. Der Bleinagel zeigte eine 
auffallende Veränderung seiner Lage, in so fern als er jetzt mit 
seinem inneren Ende in den Gehörgang hineinragte. Er wurde de- 
finitiv entfernt und von jetzt ab nur Injection in den Gehörgang 
mit nachfolgender Einträufelung von 1 Proc. Lösung von Cuprum 
sulfuricum angeordnet. Nach einigen Monaten hörte dabei auch der 
letzte Rest von Eiterung innerhalb der Paukenhöhle auf. Die künst- 
liche Fistel im Warzenfortsatz schloss sich unter Hinterlassung einer 
tief eingezogenen festen Narbe. Die dauernde Ausheilung der Caries 
wurde seitdem wiederholt constatirt, zuletzt am 11. December 1880 
durch Herrn Sanitätsrath Dr. Fitzau in Göthen. Die Hörweite des 
Ohres betrug 16 Cm. für die Taschenuhr. 



Fall 59. 



Periostitis syphilitiea chronica. Eröffnung des Proe. mastoideus mit 
dem Melssel. Keine Eiterentleemng. Heilung nach 9 Woehen. 

40 jähriger ^atient aus Ostpreussen, kam am 9. October 1877 in 
Behandlung, hatte vor sechs Wochen im Verlauf einer Bade- und 
Schmiercur in Aachen wegen constitutioneller Lues, zuerst links, 
dann rechts Otitis media mit Ausgang in Otorrhoe und Taubheit be- 
kommen. Das linke Ohr war wieder besser geworden, die Eiterung 
hatte aufgehört, die Perforation des Trommelfells war verheilt, jedoch 
Taubheit zurückgeblieben (Uhr nur in 1 Cm.). Das rechte Ohr 
eiterte in profuser Weise fort, der Warzenforteatz schwoll langsam 
zunehmend im Laufe einiger Wochen bedeutend an, auffälliger Weise 
ohne jene heftige Schmerzen, die wir sonst bei Periostitis des Warzen- 
fortsatzes zu finden gewohnt sind und ohne Fieber. Gegenwärtig 
erschien er sehr geschwollen^ ödematös infiltrirt und mit eigenthümlich 
dunkler blauröthiicher Hautfarbe. Die Ohrmuschel stark nach vorn 
gedrängt. Der Gehörgang ohne Schwellung der hinteren Wand. Das 
Trommelfell perforirt. Tuba Enstachii impermeabel bei der Luft- 
douche. Die an die Ohrmuschel angedrückte Uhr wird nicht mehr 
gehört 

Operirt am 9. October 1877. Die tiefe Incision bis auf den 
Knochen entleert keinen Eiter. Das Pei^iost erscheint verdickt, wie 
aufgequollen, ohne auffallende Vascularisation, nur lose dem Knochen 
adhärirend. An einer kleinen Stelle zeigte sich der Knochen vom 
Periost entblösst, aber nicht cariös. Hier wurde der Knochen auf- 
gemeisselt bis zu einer Tiefe von 2 Cm. Es fand sich kein Eiter im 
Antrum. Einfacher Verband ohne Drainage. Völlig fieberfreier Ver- 
lauf der Heilung. Die profuse Eiterung aus dem Gehörgange hörte 
schon wenige Stunden nach der Operation vollständig auf unter Ver- 
heilung der Oefihung im Trommelfell. Das Gehör war schon acht 
Tage nach der Operation für die Uhr auf 1 Cm. Distanz verbessert. 

Am 10. November war die Wunde fest vernarbt, nachdem sich 
einige winzige Knochenblättchen nekrotisch abgestossen hatten. Noch 



94 VII. SCHWARTZE 

.einige Wochen hindurch war bei der Lnftdonche ein Rasselge- 
räusch in der Paukenhöhle hörbar ^ welches erst nach vielfachem 
Gebrauch des Katheters allmählich verschwand. Bei der Entlassung 
des Patienten am 15. December 1S77 war ein Unterschied im Gehör 
zwischen beiden Ohren nicht mehr vorhanden. Leises Flflstem wurde 
durch die ganze Stube, mit jedem Ohr allein geprüft ,. deutlich ver- 
standen. 

19 Monate später (29. Juli) erhielt ich durch Dr. Jacoby in 
Breslau die Bestätigung der dauernden Heilung, mit dem Hinzufügen, 
dass auch das Gehör, trotz mangelnder Knochenleitung für die Uhr^ 
ein normales geblieben sei. 

In der Ueberschrift dieses Falles habe ich die Bezeichnung 
syphilitische Periostitis gewählt, weil die Aetiologie dazu 
drängt. In anatomischer Beziehung entspricht diese Bezeichnung 
nicht dem, was man sonst als specifische Form der Periostitis 
bezeichnet — Gummigeschvmlst des Periostes. Auch schien es 
sich nicht um eine ossificirende syphilitische Periostitis zu han- 
deln, wenigstens war bei der Ablösung des Periostes vom Kno- 
chen nichts von Osteophyten bemerkbar, sondern wohl um eine 
einfache Periostitis, bei der es nicht einmal zur Bildung von 
Eiter in grösserer Menge gekommen war. 

Ein Trauma war von dem Pat. mit Bestimmtheit in Abrede 
gestellt, auch hatte er nie an rheumatischen Affectionen gelitten. 

Für die Diagnose ähnlicher Fälle wird für 4ie Zukunft der 
schmerzlose und völlig fieberfreie Verlauf der Er- 
krankung und der Mangel entzündlicher Anschwellung der hin- 
teren Wand des Gehörganges zu verwerthen sein, und davor 
schützen, die tiefe Incision bis auf den Knochen nicht unnöthiger 
Weise mit der Eröffnung des Warzenfortsatzes zu verbinden, wie 
es hier geschab, in der Annahme, dass sich der am und unter 
dem Periost vermisste Eiter vielleicht in den Warzenzellen vor- 
finden werde. 

- Fall 60. 

Acute Otitis media purulenta mit secnndärer Periostitis und fistu» 
ISsem Dnrchbruch der Cortiealis des Proc. mast. Multiple Polypen- 
bildung im Gehörgang. Eröffnung des Warzenfortsatzes mit dem 

Meissel. Heilung nach 3 Monaten. 

Otto Rümpler, 17 Jahre alt, Musiker aus Halle, stellte sich am 
25. October 1877 zur Untersuchung. Vor ungefähr fünf Wochen 
bekam er nach einer Erkältung heftige Schmerzen im linken Ohre^ 
die besonders des Nachts exacerbirten und Schlaflosigkeit herbeiführ- 
ten. Erst gegen Morgen fand Pat. einige Stunden Ruhe. Am Tage 



Zweite Serie von 50 Fällen Chirurg. Eröffiiong des Warzenfortsatzes. 95 

könnte er dann fast ohne Beschwerten seine Geschäfte besorgen. 
Nach einigen Tagen trat unter Nachlass der Schmerzen Otorrhoe ein. 
Eine Anschwellung hinter dem Ohre will Pat. damals nicht gehabt 
haben. Vor drei Tagen bekam er, obwohl die Eiterung nicht sistirte, 
von Neuem Ohrenschmerzen und diesmal auch Schwellung, stechende 
und pochende Schmerzen spontan und auf Druck am Warzenfortsatz 
der linken Seite. ' 

Stat. praesens. Patient ist von kräftiger Constitution und 
bisher gesund gewesen. Nur im Jahre 1866 war er schon einmal 
in Behandlung der Poliklinik gewesen wegen eines leichten einfa- 
chen acuten Katarrhs im linken Ohr, von dem er jedoch damals 
nach kurzer Zeit geheilt entlassen war. Aus dem linken Ohr kommt 
jetzt fötider Eiter in reichlicher Menge ; das Trommelfell mit grosser 
Perforation und die Paukenschleimhaut polypös entartet« Ueber dem 
Warzenfortsatz besteht entzündliches Oedem und tiefe Fluctuation. 
Das Ohr ist nur wenig vom Kopf abstehend ; die ganze Gegend hinter 
dem Ohre druckempfindlich. 

Eine tiefe Incision bis auf das Periost entleert keinen Tropfen 
Eiter, eine zweite, mehr nach vorn gelegte entleerte grünen Eiter in 
unerwartet reichlicher Menge. Im Knochen zeigte sich nach Ablösung 
des Periosts eine enge Fistelöffnung, welche die Sonde in schrä- 
ger Richtung nach vom und unten eindringen liess. 

Am 31. October 1877 wurde die Fistel erweitert und das 
Antrum mastoid. mit dein Meissel und Hammer eröffnet. Wasserein- 
spritzung in dasselbe kam nicht in das Ohr und umgekehrt ; Drainage. 
Die Temperatur am Abend vor der Operation betrug 38,1; am Tage 
der Operation Abends 38,1, an den folgenden Abenden 38,3, 37,7; 
später ist die letztere Temperatur nicht überstiegen worden. Appetit 
und Schlaf blieben gut. Der Katheterismus ergab constant nur ein 
undeutliches Anschlagegeräusch, wahrscheinlich weil polypöse Wuche- 
rungen der Schleimhaut den Zugang der Tuba in die Paukenhöhle 
verlegt hatten. Durchspritzung von Wasser durch die Tuba Eust. 
gelang in den ersten acht Tagen nicht, später immer ausgiebiger. 

Am 11. November hat sich die Operationswunde bereits er- 
heblich verflacht und verkleinert und intendirt zur Heilung. Der 
Gehörgang ist noch so stark geschwollen, dass man die Tiefe nicht 
deutlich genug übersehen kann; indess hat die Eiterung bedeutend 
abgenommen und ist nicht mehr so übelriechend wie früher. Valsalva- 
scher Versuch gelinet noch nicht. Patient verlässt die Klinik und 
wird ambulatorisch weiter behandelt. Die Drainröhre wurde nach 
vier Wochen entfernt. 

Am 24. November wird ein bohnengrosser Polyp, der in den 
spaltförmig verengten Oehörgang hineinragt und leicht beweglich ist, 
mit dem Schlingenschnürer abgetragen. Nach zwei Tagen wird die 
inzwischen zugängig gewordene Insertionsstelle mit Lapis in Substanz 
touchirt. 

Am 1. December wird ein zweiter, noch grösserer Polyp des 
Gehörgangs mit der Schlinge abgetragen und seine Insertionsstelle 
ebenso touchirt* 



96 Vn. SOHWABTZE 

Seitdem lässt die Eiteranf schnell nach und auch die Schwellang* 
im Gehörgange geht allmählich zurück. Zum ersten Male gelingt 
nunmehr auch der V als alva 'sehe Versuch. Heilung im Januar 1878. 
Seitdem die dauernde Heilung zuletzt constatirt am 15. Dec. 1880. 
Das linke Trommelfell war regenerirt ; über Proc. brevis eine kleine 
bräunliche Kruste auf der Membrana flaccida. Hörweite für die Ta- 
schenuhr =? 8 Cm. Bei der Luftdouche normales Blasegeräusch. 



Fall 61. 



Chronische Mittelohreiterung seit 4 Jahren. Wiederholte Abscesse 
am Warzenfortsatz. KloakenfSrmige Fistel in der Cortiealis. Dila- 
tation. AuslSifelnng des Antrnm mastoideum. Heilung nach 2 Jahren. 

Marie Rappsilber, geboren 1861, Nähterin aus Halle. Schon in 
der Schulzeit etwas schwerhörig und an linksseitigem Kopfschmerz 
leidend. Seit 1874 links Otorrhoe ohne Schmerzen. 1877 im Früh- 
jahr schmerzhafte Anschwellung des linken Warzenfortsatzes. Nach 
zweitägigem Kataplasmiren Aufbruch und £iterentleerung unter Nach- 
lass der Schmerzen. Aufbruchsstelle schnell wieder geschlossen. Fe- 
bruar 1878 Wiederholung der schmerzhaften Anschwellung mit dem- 
selben Verlauf. Auf bruchssteile blieb 14 Tage offen. August 1878 
zum dritten Male die schmerzhafte Anschwellung des linken Warzen- 
fortsatzes mit stärkeren Kopfschmerzen. Erneuter Auf{)ruch. Fistel 
bleibt zurück. Kommt am 15. September 1878 in poliklinische Be- 
handlung. 

Statuspraesens. Fieberfrei, Schwindel, K opfschmerz. Rech- 
tes Ohr. Narbe und Kalkablagerung im Trommelfell. Hörweite = 
10 Cm. füt die Uhr. Linkes Ohr. Profuse Otorrhoe. Gehörgang 
ohne Schwellung. Trommelfell fehlt anscheinend gänzlich. Polypöse 
Granulationen erfüllen die Paukenhöhle. Am Warzenfortsatz zwei 
Hautfisteln, durch Krusten geschlossen, beide tiefer gelegen als die 
Eingangsöffnung des Gehörgangs. Die Sonde dringt in der Richtung 
nach innen - vorn - oben 4 Cm. weit ein und kommt deutlich in den 
Knochen hinein. Massige Druckempfindlichkeit des Warzenfortsatzes, 
kein Oedem. Hörweite == für die Uhr. Nur beim Andrücken 
an den Warzenfortsatz wird die Uhr schwach gehört. Stimmgabel C 
vom Scheitel und etwas über die Mittellinie nach rechts hinaus ver- 
stärkt nach dem linken Ohre gehört. 

Operirt am 16. Noveiöber 1878. 

Nach bogenförmigem Hautschnitt von der Linea temporalis bis 
zur Spitze des Proc. mastoideus und genügender Zurückschiebung des 
Periostes wird in der Cortiealis, etwas tiefer als die äussere Ohröff- 
nung gelegen, eine kloakenförmige Fistel freigelegt, durch welche 
sich eine Hohlsonde in der Richtung nach vom und oben 2,5 — 3 Cm. 
weit in den Knochen einschieben lässt. Diese Fistelöffnung wurde 
mit Hohlmeissel und Hammer so viel erweitert, dass der kahnförmige 
Löffel bequem in das Antrum mastoideum eingeführt werden konnte. 
Der die Fistel timgebende Knochen zeigte sich dabei von ungewöhn- 



Zweite Serie von 50 Fällen chiruig. Eröffnung des Warzenfortsatzes. 97 

lieber Festigkeit. Das Antrum war erfUllt mit käsigem Eiter ^ ent- 
hielt keinen Sequester. Ansspfllnng mit 2 Proc. Carboiwasser, das 
von der Wnnde zum Gehörgang und umgekehrt leicht abfloss, aber 
nicht in den Schlund kam. Drainage. Verband mit Carbolöl. Re- 
action fast null. Nur am ersten AbencS' nach der Operation Tempe- 
raturerhöhung auf 38,3 0, von da ab unter 38^. Am fünften Tage 
aus der Klinik entlassen, von da ab ambulatorisch weiter behandelt. 
Vom 23. November an auch täglich durch den Katheter irrigirt; wo- 
bei das Wasser aus dem Gehörgange abfloss. Häufige Aetzungen der 
Granulationen innerhalb der Paukenhöhle mit Lapis in Substanz, Ende 
Februar 1879 einmal mit Galvanokaustik. Kam unregelmässig in die 
Klinik, liess sich meist nur zu Hause von den Angehörigen von der 
Knochenfistel aus Lösungen von Kali hypermanganicum durchspritzen, 
wobei die Lösung jedesmal leicht aus dem Gehörgange abfloss. Be- 
kam später zu gleichem Zwecke 1 Proc. Lösung von Cuprum sul- 
furicum. 

Anfang August 1879 Erysipelas faciei et capitis, vom kranken 
Ohr ausgehend, gefolgt von mehrwöchentlichem typhösen Fieber. Erst 
nach Genesung von dieser intercurrirenden Erkrankung kam sie wie- 
der regelmässig zur Klinik. Die Heilung schritt aber nur äusserst 
langsam fort. 

Mai 1880. Ist stets frei von Schmerzen geblieben. Der Blei- 
nagel wird noch immer getragen. Aus dem Gehörgang kommt noch 
etwas Eiter. Beim Durchspritzen von der Knochenöffnung aus und 
beim Durchspritzen durch den Katheter fliesst das Wasser leicht ab 
aus dem Gehörgange. Im Grunde desselben wieder eine Granulations- 
wuchernng sichtbar, die mit Lapis geätzt wird. 

November 1880. Die völlig überhäutete Knochenfistel ist stets 
ganz trocken. Weder aus dieser noch aus dem Gehörgang kommt 
Eiter. Auch beim Dnrchspritzen durch den Katheter fliesst das Wasser 
völlig klar aus dem Gehörgange wieder ab. Andauernd frei von 
allen Kopf besch werden. Die Hörweite hat sich in letzter Zeit ge- 
bessert bis auf 1" für die Uhr. 



Fall 62. 



Acute Otitis media purulenta mit Abseessbildung am Proc. mastoi- 
deus. Feine Fistel9ffnung in der Corticalis. Dilatirt mit Hohl- 

meissel. Heilung nach 3 Wochen. 

Adolph Müller, 7 Monate alt, aus Halle, hat seit 14 Tagen Otor- 
rhoe aus dem linken Ohr. Die Untersuchung am 8. Januar 1879 
ergibt Paukenhöhleneiterung mit Perforation des Trommelfells und 
über dem Warzenfortsatz einen deutlich fluctuirenden Abscess, der 
sofort incidirt wurde. In der Corticalis zeigte sich eine feine Knochen- 
fistel, die mit dem Hohlmeissel dilatirt wurde. Drainage. Der Ver- 
such, Wasser von hier aus nach dem Ohre zu oder umgekehrt durch- 
zuspritzen, misslang, die Otorrhoe sistirte sogleich und nach 3 Wochen 

Archiv f. Ohrenheilkunde. XYII. Bd. 7 



98 VIL SCHWABTZE 

war die Wunde vernarbt. Ein Jahr später wnrde constatirt, dass 
das ELind gesund geblieben und eine kaum eingezogene ^ mit dem 
Rnochra yerwaehsene Narbe zeigte. 



Fall 63. 



Chroniselie Mittelohreiterung mit Polypen und Faeialislfthmung. £r- 
91biung des Warzenfortsatzes mit dem Hohlmeissel. Suhperlostaler 
AhseesB am Warzenfortsatz. Suhdnraler Ahseess (I) an der earlQsen 

Pyramide. Tod dureh Meningitis. 

Franz Worm, geb. 1874 ^ Gärtnerssohn aus Diemitz bei Halle^ 
wurde am 4. Januar 1879 zngeffliirt. Zu einer schon seit Jahren 
bestehenden rechtsseitigen Otorrhoe war seit drei Wochen eine rechts- 
seitige Facialisiälminng gekommen. Der Gehörgang war voliständig 
erfülit von polypösen Granulationen, die mit der Schlinge entfernt 
wurden, um der bestehenden Eiterretention abzuhelfen. Die erst kürz- 
lich hinzugetreteue Entzündung am Warzenfortsatz wird mit Jodan- 
strich und Eis behandelt. Scheinbare Bessei'ung nach achttägiger 
Behandlung. Ais der Knabe am 27. Januar wiedergebracht wurde, 
war die Anschwellung am Warzenfortsatz stärker wie früher, und 
eine undeutliche Fiuctuation in der Tiefe fühlbar. Auch in der seit- 
lichen Halsgegend unterlialb des Warzenfortsatzes war eine teigige 
Geschwulst entstanden. Der Gehörgang zeigte sich jetzt frei von 
Granulationen und das in denselben eingespritzte Wasser kam leicht 
in den Schlund. Andauerndes Wimmern über Kopfschmerz. 

Operirt am 28. Januar 1879 (Assistent, Dr. Hess 1er). Zwi- 
schen Periost und Knochen war Eiter, von guter Beschaffenheit, nicht 
stinkend. In der Gorticalis des Warzenfortsatzes zeigte sich in der 
Höhe des Gehörganges eine grau verfärbte Stelle, aber keine Fistel 
und keine Erweichung des Knochens. An dieser verfärbten Stelle 
wurde eingemdsselt und eine zur Einführung des kahnförmigen scharfen 
Löffels in das Antrum hinreichende Oeffhnng gemacht Was der Liöffel 
heransbeförderte, bestand nur aus Granulationsmassen. Der tief nach 
unten in die seitliche Halsgegend herabreichende sinuöse Abscess 
wurde auf der Hohlsonde gespalten. Als die Drainröhre in das An- 
trum eingelegt war und eben der Verband angelegt werden sollte, 
entleerte sich plötzlich aus. der Tiefe des Knochens aus und neben 
dem Drain eine grosse Menge dünnflüssigen, jauchigen Eiters von 
so enormem Gestank, dass der Aufenthidt in der Nähe des Kranken 
schwer erträglich war. Die Drainröhre wurde sofort wieder entfernt, 
um eine möglichst sorgfältige Desinfection mit a Proc. Oarbolsäure 
zu bewirken. Dabei floss die in den Knochen eingeleitete Flüssigkeit 
weder zum Gehörgang ab noch in den Schlund. Dagegen kam das 
in den Gehörgang Eingespritzte zur Knochenöffnung zum kleinen 
Theil wieder hervor. Verband mit Carbolöl (1 : 30). 

Am 29. Januar früh war eine geringe, Abends eine sehr deut- 
liche Besserung der vorher completen Facialislähmung bemerkbar; 
vorzugsweise im Orbicularis und Oorrugator supercilii. Das rechte 



Zweite Serie von C>0 FlLUen Chirurg. EiOSbung dea 

Auge konnte xut Geheisfl wieder gescMossen ' 
destens sechs Wochen nnmögtich gewesen wat 
das Befinden snbjectir entschieden besser wii 
keine Klage mehr Aber Kopfschmerz. Guter A 
in den GehSrgang, wobei die PlQaeigkeit (2 Pi 
leicht in den Schlund kommt, dringt hinten ai 
jedesmal Eiter hervor. Der starke Fötor de 
zum 1. Februar an, wurde von da ab nicht 
1. Februar kommt beim Spritzen in den Geböri 
Nase abätessenden Wasserstrahl ein 1,5 Cm. lan 
poifp zur Nase heraus, der wahrscheinlich 
stammte und Bdnen Weg durch die Tnba geft 
Anaaehen übrigens dem entsprach, welcher in 
Anatomie des Ohres S. 95 unter Fig. 61 abgel 

Das nach der Operation unvertlndert ft 
Übrigens ohne IntermiBSionen, am 2. Febm 



erreichend, wies auf die letbale Frognoee h 
ten sich andere Symptome ein, welche mit 
ningitis anzeigten. Zuerst am 3. Febraar l 
weite (rechts weiter alB linkB) , ballonireni 
lallende Sprache, anhaltendes StohncD, Se* 
ging in der Nacht vom ti. zum 7. Februar z: 
gemeiner klonischer Krämpfe, in den Gesicl 



100 VII. SCHWARTZE 

gefolgt von völliger Bewosstlosigkeit, dem Tode vorauf, welcher 
am 7. Februar früh 5 Uhr erfolgte. 

Die Therapie' bestand in Chinin, Natr. salicylicum; Kälte 
auf den Kopf wurde abgewehrt. Section nicht gestattet. 



Fall 64. 



Acute Otitis media puralenta mit Betlieiligrung des Warzenfortsatzes. 
Wiederliolte Ineision. Aufmeisselungr« Heilung naeh 9 Monaten. 

« 

Gustav Hesse, Handarbeiterkind, 2 Jahre alt, aus Halle, erkrankte 
nach Masern Anfang November 1870 an Ohrenfluss aus dem rechten 
Ohre. Er schlief sehr unruhig, einige Nächte gar nicht; bekam Fieber 
besonders des Abends, trank viel und schrie, sobald man sein krankes 
Ohr berührte. 

Stat. praes. vom 30. November 1879. Sehr kräftiges Kind. 
Nach Ausspritzung des fötiden Eiters aus dem Ohre zeigte sich der 
GehörgaDg stark verschwollen, so dass man nur undeutlich einen 
Theii des vorgetriebenen und gerötheten Trommelfells übersehen 
konnte. Druckschmerz vor dem Ohre und über dem Warzenfortsatze. 
Die Haut war entzündlich infiltrirt, geschwollen und geröthet. Es 
wurde deshalb sofort eine tiefe Ineision nach. Wilde gemacht, das 
Periost in grösserer Ausdehnung vom Knochen abgelöst, und da der 
letztere überall gesund erschien, die Wunde einfach mit geölter Watte 
verbunden. Gleich die folgende Nacht schlief Pat. auffallend ruhiger. 
Ungefähr nach 10 Tagen hatte -sich die Wunde geschlossen. Die 
Schwellung im Gehörgang hatte angedauert, die Eiterung nachge- 
lassen, so dass zuletzt ein nicht auffallend verändertes Trommelfell 
constatirt werden konnte. Nach 14 Tagen muss die Ineision wieder- 
holt werden, da die Haut über dem Warzenfortsatz von Neuem öde- 
matös und druckempfindlich wurde. Diesmal zeigte Bich aber der 
Knochen an einer ganz kleinen Stelle deutlich verfärbt und gegen 
die Sonde nicht so resistent. Die Wunde sollte diesmal offen er- 
halten werden, aber Patient wurde erst nach mehreren Tagen wieder- 
gebracht, als sich die Wunde bereits wieder verkleinert hatte. Die 
Sondenuntersuchung ergab einen Fistelgang im blossliegenden Kno- 
chen, der schräg nach vorn und innen verläuft. Bei Ausspritzung 
des eiternden Gehörganges floss das Wasser durch die Tuba und 
Nase, so dass also von Neuem eine Perforation des Trommelfells 
erfolgt war. Diesmal war auch die hintere Gehörgangswand mehr 
wie früher geschwollen und bedingte fast allein die Verlegung des 
Gehörgangs. 

Da das Kind auch nach der zweiten Ineision fortdauernd in den 
Nächten viel schrie, wahrscheinlich wegen fortdauernder Schmerzen 
im Ohr, und das Fieber andauerte, wurde am 14. Januar 1880 die 
Knochenfistel blossgelegt. Dieselbe lag im Grunde einer napfförmigen 
cariösen Excavation des Knochens von der Grösse eines Fünfpfennig- 
stücks. Die Umgebung dieser Stelle war in grösserer Ausdehnung 



Zweite Serie von 50 F&llen Chirurg. Eröffnung des Warzenfortsatzes. 1( 

vom Periost entblösst und zeigte sich poröser und abnorm locke 
im Zustande der rareficirenden Ostitis. Alles Cariöse wurde mit de 
Hohlmeissel entfernt und die Enochenfistel erweitert und vertieft ai 
1)5 Cm. in der Richtung zum Antrum. Directe Communication n 
der Paukenhöhle für die Irrigation wurde nicht erreicht. Drainag 

In den drei nächsten Tagen hatte Patient wieder Abends etwi 
Fieber, schlief auch unruhiger, aber von da ab wurde er fieberfr 
und anscheinend schmerzfrei. Der Gehörgang blieb noch schlit 
fi^rmig verengt, aber die Eiterung aus demselben hörte sehr sehne 
auf. Die Knochenwunde granulirte lebhaft und war nach 4 Woch( 
geschlossen mit Hinterlassung einer Hautfistel. Diese wurde mit Lap 
in Substanz mehrmals geätzt. 

Anfang März schien auch die Hautfistel vernarbt. Sie bra( 
aber Mitte Juli desselben Jahres wieder auf, ohne dass von Neue 
Schmerzen aufgetreten waren. Mit der Sonde war eine kleine Stel 
des Knochens noch entblösst zu fühlen. Von Neuem Aetzung d< 
Fistel mit Lapis. Seitdem ist im Grunde der trichterförmig eing 
zogenen Enochennarbe am Warzenfortsatz eine kleine stets trocki 
Kruste bemerkbar. Gehörgang und Trommelfell ist von normal 
Beschaffenheit. Zuletzt wurde am 15. December 1880 von mir co: 
statirt, dass der Knabe ganz gesund war. 



Fall 65. 



(Hitis media puruleuta acuta mit Betheiligung des Warzenfortsatze 
Aufmeisselung des Antrum mastoideum. Heilung naeh 3 Monate 

" Friedrich von M., Cadett aus Stendal, 12 Jahre alt, soll als ei 
jähriges Kind nach Scharlach beiderseits Otorrhoe gehabt, davon ab 
nach kurzer Zeit geheilt gewesen sein. In den folgenden Jahr 
soll niemals wieder eine Spur von Otorrhoe bemerkt worden, ab 
von Zeit zu Zeit über Ohrschmerzen geklagt worden sein. Vor ffl 
Wochen nach Angina faucium sehr schmerzhafte Otitis rechts u: 
seitdem profuse Otorrhoe. Kam am 16. April 1879 in Behandln: 
mit Perforation des Trommelfells, Druckschmerz am Warzenfortsi 
und geringer Schwellung des Hautüberzuges. 

Nachdem zunächst der vergebliche Versuch gemacht war, dui 
Jodanstrich und Eis die Entzündung am Warzenfortsatze rückgän( 
zu machen, wurde wegen zunehmender Schwellung und Schmerzh 
tigkeit des Fortsatzes und wegen anhaltend hohen Fiebers (39,( 
am 21. April zur Aufmeisselung des Antrum mastoideum geschriti 
(Assistent Dr. Hess 1er). Periost und Corticalis zeigte sich gesu] 
Eiter im Antrum. Das von hinten eingespritzte Salzwasser kam 
Schlund und Gehörgang. Drainage. Sofort Nachlass des Fieb 
und gänzliches Aufhören der Eiterung aus dem Gehörgange in { 
ersten Tagen nach der Operation. Dann wieder tageweise plötz] 
sehr profuser schleimiger Ausfluss. 

Am 29. April Bett verlassen. Darnach von Neuem Schmer 
und Fieber (bis 39,6j. Nach zwei unruhigen Nächten und uo 



102 VII. SCHWARTZE 

stimmt localisirten Schmerzen im Eopf^ bald in der StirO; bald in der 
Schläfe, entstand eine schmerzhafte, teigige Anschwellung über der 
rechten Schläfenschnppe ohne Hantröthe, die bis znm Jochbogen 
reichte. Wurde rückgängig nach mehrmals wiederholtem Jodanstrich 
und hydropathischen Umschlägen. Vom 3. Mai an fieberfrei. Drain 
entfernt. Täglich bis znm 16. Mai durch den Katheter reichliche 
Mengen von 3/4 Proc. Salzwasser durchgespritzt, wobei jedesmal 
Massen von sehr cohärentem schleimig-eitrigem Secret aus der Pau- 
kenhöhle herausgespült wurden. Dabei nahm die Menge des Secretes 
ganz langsam ab. Der bisher entzündlich verengte Gehdrgang wurde 
weiter und Hess am 8. Mai etwa in der Mitte der unteren Wand 
eine kleine Granulation erkennen, die nach Lapisätzungen verschwand. 

Ende Mai war die Operationswunde vernarbt, aber es dauerte, 
obwohl der Patient völlig schmerz* und fieberfrei blieb, noch immer 
eine geringe Eiterung aus dem Ohre fort. Bei der Luftdouche noch 
immer Rasselgeräusche in der Paukenhöhle hörbar. Am 9. Juni er- 
neute Anschwellung im Gehörgang ohne erkennbare Ursache und ohne 
Fieber. Ging zurück unter hydropathischen Umiächlägen nach Ver- 
lauf einiger Tage. 

Mitte Juni war die Perforation vernarbt und hatte jede Eiterung 
aus dem Ohre aufgehört, aber noch täglich war bei dem Eatheteris- 
mus etwas Rasseln in der Paukenhöhle hörbar, das sich langsam von 
Tag zu Tag verminderte. Seit dem 20. Juni hörte jedes Rasselge- 
räusch während der Luftdouche auf, und selbst bei schwächstem 
Luftdruck war ein ganz freies, breites Eindringen der Luft in die 
Paukenhöhle hörbar. Hörweite = 3 Cm. fttr die Taschenuhr. Am 
17. Juli völlig geheilt entlassen. 



Fall 66. 



Scrofnl9se Caries des Warzenfortsatzes« Eröffnung des Antrnm 
mastoideum mit dem Meissel. Heilung nach 1 Jahr. 

Friedrich Poeritsch, geboren 1S74, aus Halle. Vater im Alter 
von 50 Jahren an Lungenschwindsucht gestorben. Das Kind hustet 
seit der ersten Lebenszeit. Linke Lungenspitze zeigt Dämpfung und 
verstärkte Bronchophonie. 1876 Masern, seitdem links Otorrhoe. 
1878 vier Wochen lang Blutausflnss aus diesem Ohr. Februar 1879 
Anschwellung hinter dem linken Ohr, die wieder zurückging. Seit 
14 Tagen neuerdings hinten Anschwellung mit Fieber. Nachts sehr 
unruhig und Delirien. Anhaltender Kopfschmerz links. Völlig ap- 
petitlos. 

Status praesens vom I.Mai 1879. Fieber. .Temperatur 40,5. 
Rechtes Ohr gesund. Links fötider Ausflnss. Perforation des Trom- 
melfells. Abscess am Warzenfortsatz. Incision entleert käsigen stin- 
kenden Eiter. Die Haut in grosser Ausdehnung unterminirt. Corti- 
calis anscheinend gesund. Da Fieber und Unruhe des Kindes auf 
die einfache Incision nicht nachliessen, wurde am 3. Mai 1879 zur 
Aufmeisselung des Antrums geschritten. Aus demselben viel käsiger 



Zweite Serie von 50 F&Uen Chirurg. £r6ffiiang des Warzenfortsatzes. 103 

Eiter entleert 31. Jnli Incision in die obere Wand des GehOrgangs 
wegen Senknnggabscess. — Regelmftssig durch Knochenfiatei nnd Oe- 
hörgang ausgeapritst. 

31. Januar 1880. Seqneater hinten entfernt. Heilung Anfang 
Mai 1880. 



FaU 67. 



Otitis media purnlenta elironiea. Periostitis parulenta mit super- 
fleieller Garies des Proo. mastoidens. Eyidement. Heilung 

naeh 4 Woehen. 

Claus y. Behr, geb. 1871, aus Wittenbei^, leidet seit Jahren 
„aeitweilig etwas" an rechtsseitiger Otorrhoe, die sich in den letzten 
fflnf Wochen sehr verstärkt haben soll und stinkend geworden ist, 
trotz häufiger Ausspritzung des Ohres mit Lösung van Kali hyper- 
manganicum. Während dieser Zeit viel Schmerz in und hinter dem 
Ohr, Schlaflosigkeit in Folge von entzfindlicher Anschwellung am 
Warzenfortsatze und Fieber. In früheren Jahren soll der Knabe nie 
ttber stärkere Schmerzen geklagt haben, anch war nie zuv<»r eine 
ähnliche Anschwellung hinter dem Ohre bemerkt worden. 

Ausser diesem Ohrleiden besteht gegenwärtig kein anderes Zei- 
chen von Scrofulose als eine auffällig blasse und zarte Haut. Die 
stark ödematös geschwollene Warzengegend war so empfindlich gegen 
Berührung, dass eine genauere Untersuchung auf Fluctuation in der 
Tiefe unmöglich war. Der Gehörgang war ohne Schwellung seiner 
Wände, das Trommelfell rundlich perforirt im vorderen -obern 
Quadranten, die Tuba E. leicht permeabel für Luft und Wasser. 

Operirt am 30. Januar 1879. Tiefe Incision bis auf den Kno- 
chen entleert viel guten Eiter, der im Strahl hervorsprang, also unter 
starkem Druck gestanden hatte. Periost findet sich in grösserer Aus- 
dehnung vom Knochen abgelöst. Die Corticalis zeigt eine mulden- 
förmige cariöse Excavation vom Durchmesser eines Zehnpfennigstücks. 
Mit dem scharfen Löffel wurde diese cariöse Höhle sorgfältig ausge- 
achabt und obwohl dabei in beträchtliche Tiefe des Knochens einge- 
drungen werden musste, zeigte sich doch keine Communication der 
Aushöhlung mit dem Mittelohr. Verband mit Carbolöl. Drainage. 
Nachbehandlung mit desinficirender Ausspritzung des Gehörgängs mit 
1 Proc. Carbol Wasser und Politzer 's Verfahren. 

Die ersten 8 Tage nach der Operation blieb Patient völlig schmerz- 
und fieberfrei. Dann stellten sich unter Bildung einer Infiltration des 
Zellgewebes unterhalb des Warzenfortsatzes von Neuem Abends Fieber 
und Nachts Schmerzen ein, so dass Morphium nöthig wurde. Die 
bis zum 11. Februar benutzten hydropathischen Ueberschläge wurden 
vertauscht mit Jodanstrich und Eis, weil die Infiltration nach unten 
in der seitlichen Halsgegend fortschritt. Das Eis wurde nur kurze 
Zeit vertragen und musste wieder durch die zuerst benutzten Um- 
schläge ersetzt werden. Am 12. Februar wurde das Drainrohr ent- 
fernt. Am 13. Februar wurde als Ursache .bedeutend gesteigerten 



104 VU. SCHWARTZE 

Eiterausflnsses aus dem Gehörgaog bei anffl&lliger Vermindernng der 
Infiltration am Halse constatirt^ dass der Senkangsabscess unterhalb 
des Warzenfortsatzes nach der unteren hintern Wand des knorpligen 
Gehörganges durchgebrochen war. Es zeigte sich eine feine Fistel- 
Öffnung, umgeben von einer Granulationswucherung. Geringe Druck- 
empfindlichkeit und Infiltration in der Umgebung der Spitze des 
Warzenfortsatzes dauerte fort im Laufe der nächsten Tage. Am 
18. Februar wurden die hydropathischen Umschläge fortgelassen. Die 
Operationswunde war inzwischen fast vernarbt. Am 20. Februar 
musste Patient auf Drängen der Angehörigen nach der Heimath ent- 
lassen werden, obwohl die Fistelöffnung im knorpligen Gehörgang 
und die Perforation im Trommelfell noch fortbestand. Obwohl der 
Patient seit mehreren Tagen völlig schmerzfrei .und sich subjectiv 
ganz -wohl fählte, so war doch der Umstand, dass Abends noch im- 
mer eine Temperatursteigerung bis 38<) und etwas darüber stattfand, 
verdächtig. Ich fürchtete, es möchte von Neuem zur Bildung eines 
Senkungsabscesses unterhalb des Warzenfortsatzes kommen. Diese 
Befürchtung bestätigte sich nicht und bald darauf erhielt ioh von dem 
Hausarzt der Familie, Herrn Geh. Sanitätsrath Dr. Wachs in Witten- 
berg die Mittheilung, dass das Leiden kurze Zeit nach der Rückkehr 
von Halle völlig ausgeheilt sei. 

Dieser Fall ist ein wohl charakterisirtes Beispiel der scro- 
folösen Periostitis des Warzenfortsatzes, die stets chronisch ver- 
läuft, zur Eiterung und Ulceration am Periost und zur snper- 
ficiellen Garies des Knochens ftlhrt. Derartige in die 
Fläche ausgedehnte oberflächliche Verschwärung des Knochens 
finden wir bei anderen nicht dyskrasischen Formen der purulenten 
Periostitis nicht. Bei allen vom Antrum mastoideum ausgehenden 
Fällen von Garies des Warzenfortsatzes ist, wenn überhaupt die 
Gorticalis schon mit in das Bereich der Zerstörung gezogen ist, 
hier die Ausdehnung derselben am geringsten. Es sind kloaken- 
förmige Fisteln da, von cariösem Knochengewebe umgeben, die 
sich allerdings nach und nach in grössere Löcher verwandeln 
können, aber nach innen zu stets in umfangreichere Knochen- 
aushöhlungen führen. 



Fall 68. 



Chron. Otitis media purulenta mit Senkungsabseess und Fistelbil- 
dnng im GehOrgang. Aufmeisselnng des Antrum mastoideum. 

Heilung nach 6 Wochen. 

Wilhelm Stahl, 141/2 Jahre alt (geboren 1865), Gymnasiast aus 
Chemnitz, kam" in Behandlung am 6. März 1880. Früher stets ge- 
sund hatte er in Folge eines kalten Bades Mitte August 1879 zuerst 
Sausen und Klopfen im rechten Ohr bekommen, gleichzeitig rechts- 



Zweite Serie von 50 Fällen Chirurg. Eröffiiung des Warzenfortsatzes. 105 

Belügen Kopfschmerz und wechselnde Hörverschlechterung. 14 Tage 
später Schmerz vor und hinter dem rechten Ohr. Nach zweitägigem 
Kataplasmiren Otorrhoe und Anschwellung hinter dem Ohr. Letztere 
ging zurück innerhalb vier Wochen, aber Schmerzen, spontan und 
bei Druck hinter dem Ohr dauerten fort. Ende October von Neuem 
ödematöse Anschwellung hinter dem Ohr unter Fieber, Kopfschmer- 
zen und Schwindel. Musste 14 Tage das Bett hüten. Nachlass der 
Schmerzen und des Oedems nach Blutegeln und kalten Aufschlägen. 
Zu Weihnachten zum dritten Mal Anschwellung hinter dem Ohr, stär- 
ker wie früher, aber mit weniger heftigem Fieber. Abermals zurück- 
gegangen nach kalten Aufschlägen. Mitte Februar 1880 zum vierten 
Mal Eecidiv der Anschwellung unter Frost und Hitze, viel Schwindel, 
Uebelkeit und starker Brechneigung, grossen Schmerzen in der rechten 
Seite des Hinterkopfes. Aerztlicherseits war ein Polyp im Gebörgang 
diagnosticirt und durch mehrere Monate hindurch, 3 — 4 mal in der 
Woche, mit Lapis in Substanz im Gehörgang geätzt worden. 

Status praesens vom 6. März 1880: Ausdruck langen Lei- 
dens. Haut und Schleimhäute blass. Kein Fieber. Klage über Hinter- 
kopfschmerz und Schwindel. Psychische Depression. Beim Gehen 
mit geschlossenen Augen kein Schwanken. 

Das linke Ohr gesund. 

Das rechte Ohr eitert, zeigt geringes Oedem am Warzenfort- 
satz und locale Temperatjirerhöhung. Percussion des Warzenfort- 
satzes schmerzhaft. Besonders druckempfindlich eine circumscripte, 
erbsengrosse Stelle, die nicht der gewöhnlichen Stelle der Spontan- 
perforation des Warzenfortsatzes entspricht, sondern nach hinten von 
derselben gelegen ist. Der Gehörgang ist in der Tiefe abgeschlossen 
durch die vom Knochen abgelöste und vorgedrängte Haut der hin- 
teren obem Wand des knöchernen Gehörgangs, auf deren Höhe sich 
eine feine Fistelöffnung findet, durch welche die gebogene Sonde auf 
blossliegenden Knochen kommt. Jede stärkere Berührung der vor- 
gedrängten Hautpartie mit der Sonde verursachte Schwindel. Ein 
Anblick des Trommelfells ist nicht zu bekommet, auch wenn die 
Vorwölbung mit der Sonde zur Seite gedrängt wird. Dagegen ist 
die vorhandene Perforation des Trommelfells zu erkennen durch Luft- 
und Wasserinjection von der Tuba Eust. aus. Der dabei entleerte 
Eiter aus der Paukenhöhle ist ohne Fötor. Durch die Spaltung der 
vorgedrängten Haut des Gehörganges entleert sich nur Blut, kein 
Eiter. Hörprüfung des rechten Ohres ergibt: Uhr nur beim An- 
drücken an die Ohrmuschel, aber auch vom Warzenfortsatz. Mittellaut 
gesprochene Worte auf 15 Cm. C. vom Scheitel und auch von der 
linken Körperhälfte aus nach rechts verstärkt. 

Die durch ] 8 Tage lang fortgesetzte Beobachtung des Patienten 
ergab keine anderen Symptome als die oben genannten. Die Haupt- 
klage blieb stets Kopfschmerz im Hinterkopf und in der 
rechten Kopfhälfte. Fiebertemperaturen waren während dieser 
18 Tage nicht zu constatiren. 

Operirt am 25. März 1880 (Assistent Dr. Hessler). Periost 
und Corticalis unverändert; letztere 1 Cm. dick. Nach Eröffnung 



106 Vn. SCHWARTZE 

des Antrams quillt reiehlioh gelber , nicht stinkender Eiter heryor. 
AnsBchabnng des Antram mit scharfem Ldffel. Das Entleerte besteht 
nur ans Grannlationsmassen. Drainage. Verband mit gedlter Wand- 
watte. Fieberhafte Reaction folgt nicht Höchste Temperatur ZS,b^ 
am 6. Tage nach der Operation. Weder unmittelbar nach der Ope- 
ration, noch in den folgenden Tagen war bei der Irrigation eine 
direote Gommunication zwischen dem eröffneten Waraenfortsata und 
Schlund und OehOrgang nachweisbar. Selbst das vor der Operation 
leicht ausfahrbare Durchspritzen von Wasser durch den Katheter, 
wobei das Wasser im Strom zum Gehörgang abgeflossen war, miss- 
lang in den folgenden Tagen; auch das in den Gehörgang einge- 
spritzte Wasser kam nicht mehr, wie vor der Operation, in Schlund 
und Nase. Die Kopfschmerzen hörten gleich nach der Operation 
dauernd auf, ebenso die Eiterung ans dem Gehörgang. Ende März 
war die Perforation des Trommelfells und die Fistelöffnung im Ge- 
hörgang bereits geschlossen. Vom 1. April ab war bei der Luft- 
douche ein breites, blasendes Auscultationsgeräusch hörbar, nur bei 
sehr starkem Luftdruck ein spärliches, trockenes Rasselgeräusch in 
der Paukenhöhle. Am 6. April wurde statt der Drainröhre ein Blei- 
nagel von 22. Cm. Länge und 3,2 Mm. Dicke in die Knochenöffiinng 
gelegt, der ohne jede Beschwerde getragen wurde. Die Eiterung 
aas der Knochenöffnung verminderte sich von Woche zu Woche und 
Ende April konnte der inzwischen verkürzte und verdfinnte Nagel 
entfernt werden. Inzwischen war das Allgemeinbefinden des Patienten 
ein vortreffliches geworden und von den früheren Beschwerden war 
er andauernd frei geblieben. Bei der Entlassung (Mitte Mai) war 
die Operationswunde fest vernarbt. Gehörgang und Trommelfell nor- 
mal. Paukenhöhle lufthaltig, frei von Rasseln bei der Luftdouehe. 
Eine Hörverbesserung war nicht eingetreten, die Uhr wurde wie vor 
der Operation beim Anlegen an die Ohrmuschel gehört. 

Die letzten Nachrichten stammen vom Ende December 1880. 
Patient ist gesund geblieben. Nie wieder die froheren. Kopfschmer- 
zen ; im Gehörgang nie wieder Eiter bemerkt, aber normales Cerumen. 
Narbe am Warzenfortsatz fest und stets trocken. Sausen im Ohr hat 
Patient seit der Operation nicht wieder bemerkt, dagegen ist ihm in 
demselben der Pulsschlag, wenn gleich sehr leise, bis jetzt ver- 
nehmbar geblieben. Die Uhr hörte er rechts 3 Cm. weit, links da- 
gegen auf 3,5 Meter. Bei schnellerer Kopfbewegung und Erschflt- 
terung des Körpers, z. B. bei heftigem Auftreten wird in der rechten 
Seite des Hinterkopfes ein Knacken empfunden. 

Der Senkungsabscess im Gebörgange war ziemlich ^A Jahre 
lang flir einen Polypen gehalten worden und im Gehörgange 
deshalb regelmässig Monate lang mit Lapis in Substanz geätzt 
worden. In Folge dieses diagnostischen Irrthums, der ttbrigens 
häufiger vorkommt, hat der Patient unnützer Weise viel Schmer- 
zen auszuhalten gehabt, die schliesslich so anhaltend wurden, 
dass der sehr befähigte Junge ganz aus der Schule zuriickge- 



Zweite Serie von 50 Fällen chinirg. Eröffnung des Warzenfortsatzes. 107 

halten werden musste. Ob nicht auch die hänfige nnd schnelle 
Wiederkehr des entzündlichen Oedems am Warzenfortsatze tbeil- 
weise mit diesen Aetzungen in eansalen Zusammenhang gebracht 
werden muss, Iftsst sich nicht entscheiden. Zweifellos war die 
Hanptnrsache des wiederkehrenden Oedems die Eiteransammlnng 
im Antfam. Fflr die Diagnose der letzteren war ausser jenem 
der Senkungsabscess und der fistulöse Durchbruch an der hintern- 
obern Wand des Oehörganges von entscheidender Bedeutung. 

Ueber die Indication zur Operation unter diesen Verhältnissen 
habe ich mich Bd. XIV, S. 206 bereits geäussert, und kann die- 
selbe hier durch eine einfache Erweiterung der Knochenfistel im 
Gehörgang nicht ersetzt werden. Lehrt doch die Erfahrung, dass 
selbst bei grösseren kloakenförmigen Defecten der hinteren Ge- 
hörgangswand; durch welche gebogene Metallröhren, wie ich sie 
flir die directe Ausspülung des Antrum angegeben habe^, ganz 
leicht einzufahren sind, eine wirkliche Heilung nicht zu erreichen 
ist. Dass ein zu langes Zögern mit der Anlegung einer Gegen- 
öffnung im Warzenfortsatz in analogen Fällen, wie der hier mit- 
getheilte, gefahrvoll ist und ganz unerwartet schnell den Tod im 
Gefolge haben kann, dürfte unter den speciellen Fachgenossen 
allgemein bekannt sein. Die Indication fttr die Eröffnung des 
Warzenfortsatzes war beim Vorhandensein einer Knochenfistel im 
Gehörgang nach meiner bisherigen Auffassung^) gegeben durch 
den Hinzutritt von Himsymptomen. In unserem Falle waren es 
der permanente, genau localisirte Kopfschmerz und die psychische 
Depression, welche neben der anamnestischen Thatsache, dass 
in Zeit von circa 6 Monaten viermal entzündliches Oedem am 
Warzenfortsatz entstanden und wieder vergangen war, zur Ope- 
ration bestimmten. 

Angesichts trauriger Erfahrungen, wie ich sie erst wieder 
im letzten Jahre bei einem blühenden kräftigen Jüngling von 
geistiger Frische und Begabung machte, der bei seiner centralen 
Caries des Warzenfortsatzes mit fistulösem Durchbruch der hin- 
tern-obem Gehörgangswand urplötzlich die Symptome einer ful- 
minanten Basilarmeningitis bekam, ohne dass bei langer und 
sorgfältiger Beobachtung der heimtückischen Krankheit Hirn« 
reizungssymptome zu bemerken gewesen waren, bin ich geneigt 
für solche Fälle die Indication noch weiter auszudehnen und die- 
selbe nicht erst vom Hinzutritt von Himsymptomen abhängig zu 



1) Dieses Archiv XIV. S. 225. 2) 1. c. S. 206. 



V 
108 Vn. SCHWARTZE 

machen. Ich lasse den Fall hier folgen , weil die Beobachtung 
auch trotz des fehlenden Sectionsbefandes , hinreichend klar ist, 
und es ftir die Verwerthung der Beobachtung hier gleichgültig 
sein kann, ob der Tod durch eine einfache Meningitis oder durch 
eine Gomplication von latentem Himabscess mit secundärer Me- 
ningitis eintrat. 

F. U.; geb. 1862, aus Eilenburg, kam in Behandlung am 
10. October 1878, wegen einseitiger chronischer Otorrhoe seit Kind- 
heit. Granulationen im Gehörgang, hochgelegene Perforation des 
Trommelfells, im Durchmesser circa 2 Mm. Exquisit cariöser Eiter. 
Behandlung: Durchspritzungen durch den Katheter mit Salz- und 
CarboUösuDgen fast täglich, häufige Entfernung der Granulationen 
mit Schlinge und Aetzungen (Lapis, Galvanokaustik). Im Verlaufe 
der Behandlung mehrfach Senkungsabscess an der oberen Wand des 
Gehörganges. Incisionen. Schliesslich bleibende Fistel dort. Ein ein- 
ziges Mal, Pfingsten 1879, schmerzhafte Anschwellung des 
Warzenfortsatzes mit hohem Fieber, heftigen Kopfschmerzen und 
tiefer psychischer Depression. Wurde rückgängig unter Eis und Jod- 
anstrich und wiederholte sich 'nicht. Die Indicirte Eröffnung des 
Warzenfortsatzes wurde verschoben bis zu einer erneuten Anschwel- 
lung desselben. Diese erfolgte aber nicht, sondern unerwartet schnell 
ereilte den Patienten der Tod. 

In der weiteren Behandlung, die in der Hauptsache in consequent 
und mit grosser Gewissenhaftigkeit besorgten desinficirenden Durch- 
spritzungen durch den Katheter bestand, die stets im Strom durch 
den Gehörgang wieder abflössen, fiel auf der äusserst hart- 
näckige Fötor des Eiters und die stets unverändert krümlige, 
cariöse Beschaffenheit des Eiters. Blutig war der Eiter niemals. Seit 
jener einmaligen Anschwellung des Warzenfortsatzes blieb Patient 
frei von jedem Kopfschmerz, klagte über nichts, war körperlich und 
geistig frisch und machte während der Kurzeit sogar summa cum 
laude sein Abiturientenexamen im Herbst 1880. Nach Absolvirung 
desselben reiste Patient für einige Zeit nach Hause. Während dessen 
unterblieb die Durchspritzung durch den Katheter, nur vom Gehör- 
gange aus wurden desinficirende Injectionen gebraucht, die jedesmal 
zur Nase wieder zum Theil abflössen. 

Vom 8. October 1880 wurde eine psychische Veränderung am 
Patienten bemerkbar. Der sonst heitere, ja ausgelassene Jüngling 
wurde schläfrig und müde, zeigte Appetitmangel, klagte aber nicht 
über Kopfschmerz. Am 15. October Abends Fieber. Am 16. Oct. 
völlig appetitlos. Nachmittags einige Stunden Doppelsehen in der 
horizontalen Ebene. Abends Delirien. Am 17. October Abends von 
Neuem Delirien. Am 18. October nach Halle gereist. 

Bei der Ankunft hier Temperatur 39,8^; starker Foetor ex aure, 
viel krümliger Eiter im geschwellten Gehörgang, leichte Druckem- 
pfindlichkeit am Proc. mast. ohne Schwellung. Abends kurzdauernde 
Bewusstlosigkeit mit Convulsionen der Extremitäten. Kurz darauf ein 



Zweite Serie von 50 Fällen chirui^. Eröffiiung des Warzenfortsatzes. 109 

zweiter Anfall derselben Art. Erbrechen. Fnribande Delirien. Nach 
Eis auf den Kopf und Essigklysma kam er Abends wieder zu sich, 
schlief gut und ass auf Zureden. 

t9. October Abends V« stflndiger Frostanfall. Temperatur 38,2. 
Nacht gut geschlafen. 

20. October. Andauernd schläfrig ^ Klage über Mattigkeit bei 
Temperatur 37,6. Abends Zuckungen im Gesicht, Nackenschmerz, 
dann furibunde Delirien. Weite und trag reagirende. Pupillen. Ster^ 
toröses Athmen. Von 5 Uhr Nachmittags an bewusstlos. Tod in der 
folgenden Nacht 2 Uhr. 



Fall 69. 



Chronische Otitis media purulenta. Fistel am Warzenfortsatz. Dila- 
tation mit Meissel. AuslSffelung des mit „cholesteatomatVsen^^ Massen 
erfüllten Antrum. Hellung mit Persistenz der ttberhftuteten 

Knoehenflstel nach 9 Monaten. 

Wilhelm Hammerschmid , 25 Jahre alt (geb. 1854), Bergmann 
aus Erdebom, gibt bestimmt an, schon seit früher Kindheit an Eite- 
rung aus dem rechten Ohre gelitten zu haben, die nicht weiter be- 
achtet wurde. Er kam am 1. September 1879 in poliklinische 
Behandlung und erzählte: Ungefähr um Pfingsten 1878 bekam er 
heftiges Fieber, allgemeine Kopfschmerzen, völlige Appetitlosigkeit, 
viel Durst, Schlaflosigkeit. Allmählich bildete sich eine Geschwulst 
hinter dem kranken Ohre, die bei Druck sehr empfindlich war und 
das Ohr von dem Kopfe abdrängte. Dieselbe wurde incidirt und 
Eiter in grosser Menge entleert. Es blieb eine Fistel zurück , aus 
der Eiter zeitweise mehr, zeitweise weniger ausfloss. War der Ab- 
fluss reichlich, fühlte sich Patient wohl; stockte er aber, so fühlte 
er sich krank und bekam Kopfschmerzen, manchmal Fieber. 

Status praesens: Patient ist ein kräftiger, starker Mensch, 
der etwas schwerfällig die ihm vorgelegten Fragen beantwortet. Aus 
dem rechten Ohre fliesst stinkender Eiter aus, ebenso aus einer Fistel 
hinter demselben. Die Fistelöffnung liegt höher als die obere Gehör- 
gangswand und führt schräg nach vorn ungefähr 3V2 — 4 Cm. tief 
in den Knochen hinein und gestattet dabei weite Bewegungen der 
Sonde. Bei Ausspritzung des rechten Gehörganges dringt Wasser 
durch die Fistel nach aussen. Der äussere Gehörgang ist schlitz- 
förmig verengt und gestattet nur einen beschränkten Blick auf das 
Trommelfell. Das linke Trommelfell ist besonders in seinen hinteren 
Partien getrübt. 

Die Stimmgabel wird vom Scheitel und von der rechten Kopf- 
bälfte nur nach links gehört. Verschliesst man aber den rechten 
Gehörgang und setzt die Stimmgabel auf die rechte Schläfe auf, so 
wird sie auch rechts durch Kopfknochen gehört. Die Uhr wird rechts 
vom Knochen aus nirgends, links hingegen überall deutlich gehört. 
Rechts wird sie auch beim Andrücken an die Ohrmuschel nicht ge- 
hört; dagegen hört Patient die Stimmgabel C mit Resonator. Rechts 



110 Vn. SCHWARTZE 

hört Patient ohne Sprachrohr kein Wort, dagegen hört er mit dem- 
selben laut gesprochene Zahlen bestimmt. Die Gehörfähigkeit des 
linken Ohres ist nicht weiter notirt; sie war ebenfalls etwas herab- 
gesetzt. 

Der Katheter ergab links normales Anschhigegeräasch , ohne 
Rasseln. 

Am 3. September 1879 wurde die Erweiterung der Fistel 
hinter dem Ohre vorgenommen. Nach der Abhebung des Periostes 
zeigte sich die Fistelöffnung ungefthr in der Grösse einer Erbse und 
ausgefällt Yon schlaffen Granulationen. Dieselbe wurde mittelst Meis- 
seis erweitert und zwar so weit, dass man mit dem gewöhnlichen 
kahnfOrmigen scharfen Löffel eingehen und die Granulationen in der 
Tiefe wegnehmen konnte. Hierbei wurden ungefähr 4 — 5 Theelöffel 
YoU gelber käsiger Massen entfernt, die colossalen Gestank verbrei- 
teten. Aehnliche Massen wurden nachher noch beim Ausspritzen der 
Höhle von der Fistel aus mit dem Wasserstrahle entfernt. Besonders 
auffällig waren drei haselnussgrosse rundliche Klumpen, die sich im 
warmen Wasser auflösten und dasselbe fettig machten. Die Wnnde 
wurde mit 2 Proc. Garbolsäurelösung ausgespült und mit Carbolöl 
verbunden. Drainage. 

Die mikroskopische Untersuchung eines solchen käseartigen Klum- 
pens zeigte hauptsächlich Epidermiszellen in den verschiedensten Me- 
tamorphosen und Zerfallsproducten derselben nebst Cholestearinkry- 
stallen in massiger Menge. In den nächsten vier Tagen musste die 
Höhle dreimal mit 4 Proc. Garbolsäurelösung in grossen Mengen aus- 
gespttlt werden, um nur einigermaassen den Gestank des Eiters zu 
beseitigen. Zwei Nähte, welche den unteren Rand der Wunde zn-r 
sammenhalten sollten, vereiterten und mussten gelöst werden. Eine 
fieberhafte Reaction folgte nicht. Eine unbedeutende Temperatur- 
erhöhung am zweiten Abend nach der Operation (38,5 <)) war schon 
am dritten Tage wieder verschwunden. 

Am 18. September wurde die Drainröhre mit einem Bleinagel 
vertauscht. Die Wunde hatte sich inzwischen bis auf die Grösse eines 
Zehnpfennigstttckes geschlossen und der blossgeiegte Knochen war 
wieder vollständig bedeckt. Die Eitersecretion war immer noch eine 
auffallend starke. 

Am 24. September wurde Patient aus der Klinik nach Hause 
entlassen mit dem Bleinagel im Knochen. 

Am 21. December präsentirte er sich wieder und klagte, dass 
das Wasser nicht mehr so gut wie bisher durchflösse. Diese Beob- 
achtung wurde bestätigt und dem Patienten anempfohlen, sich wieder 
in die Klinik aufnehmen zu lassen, damit eine wirksamere Durch- 
spülnng des Schläfenbeins möglich sei. Patient kam jedoch erst Mitte 
Januar 1868 wieder und erzählte, dass inzwischen Ende December 
noch zwei grosse Käseklumpen aus der Wunde hinter dem Ohre aus- 
gespritzt wären und dann gleich darauf das Wasser wieder unbehindert 
und stark durchgeflossen sei. Er fühlte sich nunmehr subjectiv sehr 
wohl. Die Knochenhöhle hatte sich verflacht, so dass der Nagel ge- 
kürzt werden musste und die nicht mehr fötide Eiterung hatte be- 



Zweite Serie von 50 Fällen cliinizg. Erdi&iaiig des Warzenfortsatzes. 111 

deutend abgenommen. Allerdings hatte Patient seit Januar täglich 
wieder 3 mal mit 1 Proc. Oarbolwaseer ausgespritzt. Der Bleinagel 
wurde getragen bis 24. April 1880. Die Eiterung ans Ohr und ans 
der stark eingezogenen Knochenfistel, deren Durohmesser 0,5 Gm. 
betrug; hat aufgehört. Die Wandungen der Fistel sind überhäutet, 
ebenso die Höhle des Warzenfortsatzes trocken. In der blossliegen- 
den blassröthlichen Paukenhöhle keine Granulationen. Tuba undurch- 
gängig. 

11. December 1880. Dauernde Heilung. Von der persistenten 
Knocfaenfistel aus sieht man in eine grosse Höhle mit glatter, blass- 
rother Wandung. Patient ist frei von allen Beschwerden, auch von 
Ohrensausen und hört mit dem operirten Ohre Flflsterworte auf 1 Zoll 
Entfernung. C wird, wie Yor der Operation, vom Scheitel und von 
der rechten Hälfte des Schädels aus nur nocJi links gehört. 



Fall 10. 

Caries neerotiea mit fistulVsem Dorehbruch des Warzenfortsatzes« 
AuslOffelung im Jahre 1869. Scheinbare Heilung. Becidiv nach 8 
Jahren mit Facialisitthmung und cerebralen Symptomen. Aufmeisse- 
lung des Warzenfortsatzes. Tod durch Meningitis pumlenta dllfnsa 
nach 22 Tagen in Folge von Labyrinthnekrose. 

Amalie Pink, 22 Jahre alt (geboren 1855), aus Braschwitz bei 
Halle a/S., kam am 8. December 1877 in Behandlung der Poliklinik. 
Sie erkrankte zuerst October 1869 unter den Symptomen einer acuten 
Periostitis des rechten Warzenfortsatzes. Nach sechswöchentlichem 
Krankenlager brach der Abscess auf, und nach reichlicher Eiterent- 
leerung Hessen Schmerz und Fieber nach. Wegen des „Oeschwflres^ 
wandte sie sich damals (1869) an die chirurgische Klinik. Der erste 
Assistent derselben, Herr Dr. Schede, einer meiner Schüler aus 
dem Jahre 1868, entfernte einen Schleimpolypen aus dem Ohre und 
machte die Auslöffelung des cariösen Warzenfortsatzes, lieber diesen 
Fall berichtet Dr Schede in seiner Schrift: „lieber den Gebrauch 
des scharfen Löffels bei der Behandlung von Geschwüren. Halle a/S. 
1872" S. 44 (Fall 1): „Die Caries war auf den Proc. mastoid. allein 
beschränkt. Der Knochen war stark erweicht, so dass man ohne 
Weiteres mit dem schmalen ovalen Löffel durch die Fistel in den- 
selben eindringen konnte. Kleine nekrotische Stückchen lagen im 
cariösen Knochen und wurden mit herausgeräumt. Nach sorgfältiger 
und vorsichtiger Ausschabung der nicht sehr grossen Höhle erfolgte 
die Heilung in wenig Wochen. Zwei Jahre hindurch habe ich die 
Kranke immer wieder von Zeit zu Zeit gesehen, sie ist gesund ge- 
blieben." Diese Heilung war leider nur eine scheinbar definitive. 
Pat. gibt an, dass sie nach jener Operation zwar dauernd frei von 
Schmerzen gewesen sei, dass sie aber die rechtsseitige Otorrhoe nie 
ganz verloren habe. Bis zum Jahre 1877, also 8 Jahre nach der 
Sehe de 'sehen Operation blieb Pat. frei von allen Symptomen irgend 
einer cerebralen Affection. Am 20. October 1877 stellten sich unter 



112 VII. SCHWARTZE 

Fieber wieder rechts stechende J^opf- und Oesichtsschmerzen ein, aber 
ohne Erbrechen and Schwindel. Die heftigen Schmerzen währten 
14 Tage. Dann Nachlass derselben nach Aufbruch der Narbe und 
Eiterentleerung aus dem Warzenfortsatz. Exacerbation der Kopf- 
schmerzen bei jedesmaligem Cessiren des Eiterabflnsses. Am 7. Dec. 
trat rechtsseitige Facialislähmung ein. 

Untersuchungsresultat vom 8. December 1877: 

Rechter Gehörgang verlegt durch eine polypöse Granulation, die 
von der hinteren obem Wand des Ganges entspringt. Durch die 
von wuchernden Granulationen umgebene Hautfistelam Warzenfort- 
satz dringt die Sonde tief in den Knochen ein, bis 3,5 Cm. Der 
Hautüberzug ist in grosser Ausdehnung unterminirt, auch nach vorn 
und oben von der Ohrmuschel. Uhr wird beim Andrücken an das 
rechte Ohr nicht gehört, dagegen Stimmgabeltöne vom Scheitel nach 
rechts verstärkt. Der Polyp des Gehörganges wurde sogleich abge- 
schnürt, um Abfluss für den Eiter zu schaffen. Die Facialislähmung 
ergab sich als peripherische, unterhalb des Abgangs der Chorda tym- 
pani bedingte. Gegen constanten Strom (bis 18 E.) gar keine Re- 
action, bei, stärksten Inductionsströmen nur im Gebiete des Orbicularis 
palpebrarum, des Corrugator supercilii und des Frontalis einzelne 
leichte Zuckungen. Am 11. December Bloslegung der Knochenfistel 
mit Aufmeisselung des Warzenfortsatzes. Entleerung von käsigen 
Eitermassen aus demselben. Drainage. 

Die ersten beiden Tage nach der Operation fühlte sich Fat. sub- 
jectiv sehr wohl. Die Facialislähmung schien sich zu bessern, deut- 
lich im Corrugator supercilii und Frontalis. Wegen stinkender Eite- 
rung aus der Knochenwunde und aus dem Gehörgang 3 mal tägliche 
Durchspülung mit 1 Proc. CarboUösung. Dabei floss die Lösung von 
hinten leicht in Schlund und zur Nase heraus, erst später und schwe- 
rer zum Gehörgang heraus. 

Am 14. stellte sich die Menstruation ein, gleichzeitig Schwellung 
der Oberlippe und Röthung beider Nasenlöcher. 

15. December. Herpes der Oberlippe unter Steigerung des Fie- 
bers. Pat. fühlt sich unruhiger, klagt über Schmerzen und Ziehen 
in allen Gliedern, verliert ihren bisher guten Appetit. Nachmittags 
plötzlich heftige, stechende Kopfschmerzen im Scheitel, von dort nach 
dem Nacken hinabziehend, mit ruckweisen Exacerbationen. Das rechte 
Ohr und die rechte Kopfhälfte frei von Schmerzen. Abends mehr- 
maliges galliges Erbrechen. 

16. December. Wiederholtes Erbrechen. Starker Fötor aus dem 
Munde. / 

17. December. Besserung. Nachlass des Fiebers. 

18. December. Erbrechen nach dem Mittagessen. Zittern der 
Extremitäten. Herpesblasen sind eingetrocknet. Menses cessiren. Ge- 
gen Abend Steigerung des Fiebers bis auf 39,4^. 

19. December. Mittags Frieren und Frösteln über den ganzen 
Körper. Keine Klage über Kopfschmerz. Stark belegte Zun^e. Ob- 
stipation. Das Drainrohr wird durch Bleinagel ersetzt. Noch immer 
3 mal täglich wiederholte Irrigation. 



Zweite Serie von 50 F&Uen ctimr^. Erölfnung des WarzenforteatzeE. 113 

20. QDd 21. December BeBSerngg. , 

22. December. Appetit beasert eich. Pat. verUsst das Bett 

23. Deoember. Bei der von jetzt ab nur nocb 2 mal tiglich 
vorgenommenen Irrigation flieest das Wasser nach jeder fUt^tung hiQ 
leicbt Iiindnrcb, Nachmittags von Nenem Eingenommenheit des Kopfes. 
Hyperftsthesie in beiden unteren Extremitftten. Ziehende rhenmatoide 
Schmerzen im ganzen KOrper. Wegen Retentio nrinae Katheterismns 
der Harnblase. Der entleerte Urin ist dnnkel, von unrer Reaotion, 
ohne Eiveissgehalt, von speo. Oawicht 1022. 



10 11 11 13 14 15 IG n IS 19 lo ix n iz i* ii it 17 is ig 30 31 t i 

24. nnd 25. December. Ohne wesentliche VertLnderong als sn- 
nehmende Schwache bei vtiUiger Anorexie. Das Fieber steigt bis 
auf 39,90. Schlaf durch Horphiam, Leibesöffnnng nur dnrch Elyatiere 
nnd AloepiUen, 

2€. December. Sohmerzw im Kreai. Nenntlgia intercostalis. 
Parese des linken Annes. Psychisch frei. 

29. December. Fieber^ei. 

30. December. Parese des linken Armes nnd Hyperästhesie in 
äen Beinen vereehwnnden. Keine Beseerang der Facialial&hmnng. 
Fat. hat im Lanfe der letzten acht Tage 1 Kilo an Gewicht abgc- 



31. December. lieber Nacht waren die Symptome eines aoaten 
Dickdarmkatarrhs anfgetreten. 

t. Jannar 187S. Fieberfrei. Von Neuem linksseitige Intercoetal- 
nearalgie. Retentio nrinae. Katheter entleerte 800 C.-Cm.trttben, sauer 
reagirenden, kein Biweiss enthaltenden Harns. Zunehmende Schwäche. 

2. Januar. Nach sehr unruh^er Naoht starke Kopfschmerzen, 
besonders in der Sticn. Erbrechen. Lähmung des linken Armes. 
Parästhesien im rechten Bein. Pnpillen weit, reagiren langsam. Keine 
Klage tiber Eopfaohmerz. 

Uittags heftigere Sclimerzen im rechten Bein, welches sie un- 
beweglich hält 

Abends lallende, unverständliche Sprache. Zungen- und Schlund- 
läbmnng. Parese auch des rechten Annes. Pnpillen noch weiter and 
träger. Leise Delirien. Geringe Nackenstarre. Zeitweises Zacken 
mit beiden Armen. Tod um 9 Vi Uhr. 

Sectionebefund vom 3. Januar: 

Schädeldach von gewöhnlicher IHcke, blass, getbliob - weiss. 

AroUT £ OknihtUkiind«. Bd. XTIL 6 



114 Vn. SCHWARTZE 

Dura igater massig gespannt, ihre Gef ftsse nicht besonders stark ge- 
füllt. Im Sin. longitndinalis ein schlaffes Blutgerinnsel. Innenfl&che 
der Dura glatt. Pia mater mit seröser Flttssigkeit getrübt; ihre 
g^roBsen Venen stark gefüllt. Anf beiden Hemisphären zeigen sich 
längs des Verlaufes einiger grossen Oefässe, welche von der Fossa 
Sylvii aufsteigen, eitrige Infiltrate, welche sich rechts in dem Be- 
reiche des Scheitellappens bis zur Mittellinie erstrecken. An der 
Basis zeigen sich dieselben Infiltrate in beiden Fossae Sylvii, ebenso 
wie an der Unterfläche .des Kleinhirns, besonders in der Umgebung 
der MeduUa oblongata und des Galamus scriptorius. Auch an der 
Oberfläche des Kleinhirns, in dem vorderen Theile findet sich eine 
ähnliche Schicht von gelbem Eiter. In der Umgebung des Infundi- 
bulum und der Hirnschenkel, sowie an der Basis der Hirnlappen ist 
die Pia ebenfalls sulzig infiitrirt, gelb, doch erreicht das Infiltrat hier 
keine bedeutende Dicke. In beiden Seitenventrikeln etwas vermehrte 
rein seröse Flüssigkeit, im vierten Ventrikel gelbe, flockige, trübe Flüs- 
sigkeit. Die Substanz des Gehirns weich und feucht. Die weisse Substanz 
zeigt auf der Schnittfläche zahlreiche Blutpunkte. In beiden Sin. trans- 
vers. weiche, braunrothe Gerinnsel. Der Sinus petrosus superior leen 

Schläfenbein-Sectionsbefund vom 5. Januar 1878:* 

Ueberzug der Dura mater an der Schädelbasis glatt, unverändert, 
namentlich auch in der Nähe der Paukenhöhle ohne Verfärbung. An 
den I^ervenstämmen im Perus acusticus kein Eiter, die 
Scheide der Dura mater im Knochenkanal injicirt. 

Der fiulcus transversus ist kaum angedeutet. 

Rechtes Trommelfell in der hinteren Hälfte adhärent an 
der Labyrinthwandy abgelöst vom Gehörgangsrand. In der vorderen 
Hälfte eine rundliche Perforation. Tuba frei durchgängig. In der 
hinteren obern Wand des knöchernen Gehörganges eine überhäutete 
Fistelöffnung, welche in die grosse Höhle im Proc mast. führt. 
Letztere ist überall überhäutet und glatt bis auf eine Stelle nach 
vom und innen, wo ein Theil der Wand nekrotisch erscheint, was 
übrigens schon bei Lebzeiten durch die Oeffnung im Warzenfortsatze 
zu sehen gewesen war. Die Nekrose betrifft das ganze Stück der .Py- 
ramide, welche das Labyrinth umschliesst, ist deutlich demarkirt und 
in der Demarcationsspalte von Granulationen umwnchert. Durch letz- 
tere ist der Facialisstamm zwischen Knie und jener Stelle, wo er 
sich längs der hinteren Wand der Paukenhöhle abwärts biegt, com- 
primirt und abgeplattet. 

Die äussere Knochenrinde der ganzen Pyramide ist von der 
Nekrose nicht betroffen, so dass bei der Besichtigung von der Schä- 
delhöhle aus von dieser schweren Erkrankung des Knochens inmitten 
der Felsenbeinpyramide keine Spur zu bemerken war. 

Die rundliche OeffQung in der Gorticalis des rechten Proc. mast. 
ist glatt überhäutet, im Durchmesser 1 Cm. und liegt oberhalb 
und hinter dem Orificium ext. des Gehörganges, in Entfernung von 
1 ^2 Cm. Nach Abtrennung der Weichtheile zeigt sich die Oeffiiung 
im Knochen mit Granulationen bekleidet und ^/4 Cm. im Durchmesser. 
Der Knochen in der Umgebung dieser Oeffnung ist unverändert. 



Zweite Serie von 50 Fällen chinug. Eröffiaung des Warzenfortsatzes. 115 

Die Nervenfasern des Acasticnsstammes waren normal. 
Brust- nnd Unterleibsorgane ohne wesentliche Erkrankung. 

Auf welchem Wege die Fortleitung der Eiterung von der Laby- 
rinthnekrose in die Subarachnoidealräume vor sich gegangen war, 
konnte nicht festgestellt wenden, jedenfalls nicht entlang den Nerven- 
stämmen im Porus acusticus internus und nicht durch purulente Ent- 
zündung der Dura mater vermittelt. 

Von Interesse ist die Ursache der Facialislähmung. Es han- 
' delte sich um eine Gompressionslähmnng, die bedingt war durch 
den Druck, der Oranulationen in der Demaf cationsspalte des noch 
ungelösten Labyrinthsequesters auf den Nervenstamm. In vielen 
Fällen von ausgedehnter Labyrinthnekrose ist bei der Lösung 
oder Ausstossung des Sequesters Facialislähmung beobachtet, die 
Ursache derselben hat man aber bisher gesucht in einem directen 
Druck des aus seiner Verbindung gelösten Enochenstttckes. Unser 
Fall lehrt y dass auch andere Art der Compression möglich ist 
und dass aus dem Eintritt der Facialislähmung nicht geschlossen 
werden darf auf eine bereits vollendete Lösung des Sequesters. 

• 

Das Schwanken im Grade der Lähmung, besonders in den ersten 
Tagen nach der Operation war bedingt durch den wechselnden 
Grad der Compression, und ist in remittirender und intermittiren- 
der Weise wiederholt schon bei Labyrinthnekrose beobachtet 
worden. Die Ursache der Labyrinthnekrose, deren Beginn natür- 
lich schon weit vor den zweiten operativen Eingriff am Warzen- 
fortsatze zurückdatirte, liegt in den meisten Fällen, auch hier in 
einer verschleppten Mittelohreiterung mit Caries des Warzenfort- 
satzes. Die Labyrinthnekrose entzog sich der Diagnose, weil 
trotz ungewöhnlich tiefen Vordringens der Sonde (3,5 Cm.) durch 
die Fistelöffnung im Warzenfortsatze, Fat. noch am 8. December 
1 877 bestimmt die Angabe machte. Stimmgabeltöne vom Scheitel 
verstärkt nach dem kranken rechten Ohr wahrzunehmen. Es kann 
also, wenn die Angabe richtig war, damals nur eine partielle 
Zerstörung des acustischen Endapparates vorhanden gewesen sein. 
Durch den Demarcationsprocess ist die lethale Meningitis herbei- 
gefährt. Zeichen von Hirnreizung bestanden schon vor der Ope- 
ration und gaben ftir letztere die vitale Indication. Der Beginn 
der Symptome von diffuser Meningitis purulenta, die ziemlich 
gleichmässig über Convexität und Basis verbreitet war, fällt frei- 
lich auf den vierten Tag nach der Operation. Der protrahirte 
klinische Verlauf und der Sectionsbefund haben aber gelehrt, 
dass es sich nicht um eine traumatische Meningitis handelte. 

8* 



116 VII. 60HWARTZE, Chirarg. Erüffiiung des Warzenfortsatzes. 

Unsere Patientin ist nicht in Folge, sondern trotz der Ope- 
ration gestorben, welche die Gonseqnenzen der Labyrinthnekrose 
nicht mehr anfeahalten im Stande war. Ich erinnere dabei an 
einen vor mehreren Jahren von mir mitgetheilten ganz ähnlichen 
Fall ^) von Labyrinthnekrose mit Garies des Warzenfortsatzes, 
wo sich nach der Anfmeisselung des Warzenfortsatzes die nekro- 
tische Schnecke ansstiess, die Facialislähmnng verschwand und 
dauernde Heilang erfolgte. 

Das Beeidiv der Garies des Warzenfortsatzes, welches hier 
erst acht Jahre nach 4er ersten Operation zu Tage kam, mag 
nns eine neue Wamnng sein, die Erfolge unserer operativen ESin- 
griffe nach, zu kurz dauernder Beobaohtungszeit zu schätzen. So 
V lange überhaupt auch nur eine Spur von Eiterung im Ohre fort- 
dauert, wie es hier nach Angabe der Kranken thatsächlich der 
Fall gewesen ist, ist auch nach fest vernarbter Operationswunde 
im Warzenfortsatz die Gefahr eines Beddives nie ausgeschlossen. 
Aus diesem Grunde lege ich das Hauptgewicht nach der Eröff- 
nung des Warzenfortsatzes auf das lange Offenhalten der künst- 
lichen Fistel, was hier verabsäumt war, und auf die Gonsequenz 
in der Nachbehandlung. Der Bleinagel darf nicht eher definitiv 
entfernt werden, bis auch jede Spur von Eiterung in der Pauken- 
höhle längere Zeit hindurch aufgehört hat 

1) Dieses Archiv XU. S. 115. Fa)133. 

(Fortsetzung folgt.) 



VUL 

Stichverletznng des Ohres mit Ansflitss von Liquor 
cerebro - spinalis. Schwere Himreiznngssymptome durch 

Himhyperämie. Heilung. 

Von 

H. Sohwartze. 

Anna Schamann, 17 Jahre alt, ans Halle, früher nie ohren- 
krank nnd anch übrigens bisher stets gesund, stiess sich am 
10. Juni 1880 beim Erheben von einem Stuhl eine Stricknadel 
der neben ihr strickenden Schwester tief ins linke Ohr hinein. 
Sie schrie vor heftigem Schmerz auf, riss sich die Stricknadel 
selbst aus dem Ohr und fiel dann ohnmächtig nieder. Nach An- 
gabe der Schwester soll die Bewusstlosigkeit nur kurze Zeit, 
vielleicht einige Minuten angedauert haben, darnach sei einmali- 
ges Erbrechen erfolgt Blutung aus dem Ohr wurde nicht be- 
merkt, aber unmittelbar nach der Ohnmacht ein wässriger 
Ausfluss aus dem Ohre. Wegen der andauernd heftigen Schmer- 
zen wurde Fat. von den Angehörigen in die nahe gelegene chi- 
rurgische Klinik geflihrt, wo ein antiseptischer Occlusivverband 
angelegt wurde. Die folgende Nacht war . sehr unruhig und 
schlaflos ; Fat. schrie über Schmerzen im Ohr und Kopf: „ Schlagt 
mich todt, ich kann's nicht aushalten" etc. Da auch am folgen- 
den Tage (11. Mai) die Schmerzen nicht naohliessen, wurde Fat 
mir von der chirurgischen Klinik überwiesen. Sie kam zu Fuss, 
von ihrer Mutter geführt und wurde Nachmittags 3 Uhr im Golleg 
von mir klinisch vorgestellt. Hauptklage war Schmerz im Ohr 
und im ganzen Kopf und Schwindel (drehte sich Alles). Beim 
Gehen jedoch kein auffälliges Schwanken oder Taumeln bemerk- 
bar. Die Yerbandstücken sind vollständig durchtränkt von rein 
seröser Flüssigkeit. Eine grössere Menge derselben lässt sich 
durch Ausdrücken der aufgelegten Lagen von Wnndwatte sam- 
meln. Aus dem Ohre fliesst andauernd tröpfelnd die gleiche 



118 VIII. SCHWARTZE 

Flüssigkeit. Kein Blutgerinnsel im Gehörgang. Das Trommelfell 
zeigte hinten oben, der Steigbügelgegend entsprechend, eine frische 
Perforation, die Stelle, wo die Stricknadel eingedrungen ist. Aus 
diesem Loch des Trommelfells sah man die seröse Flüssigkeit 
heraussickem, in vermehrter Menge beim Schnauben. Das übrige 
Trommelfell ohne Injection und Verfärbung. 

Die Hörprüfung ergab, dass die Taschenuhr weder beim 
Andrücken an die Ohrmuschel, noch vom Warzenfortsatz gehört 
wurde, dagegen wurde bei festem Verschluss des gesunden rechten 
Ohres noch der Ton grosser Stimmgabeln nahe am Ohr gehört 
(auch richtig nachgesungen). Vom ganzen Schädel aus wurden 
alle Stimmgabeltöne (tiefe und hohe) allein nach dem verletzten 
Ohre gehört. 

Die Menge und Beschaffenheit der abfliessenden serösen Flüs- 
sigkeit wies darauf hin, dass es sich um Abfluss von Liquor 
cerebro-spinalis handelte und die chemische Untersuchung be- 
stätigte diese Annahme. Die aus dem Ohr ausgesickerte und 
direct aufgefangene seröse Flüssigkeit, ebenso wie die durch 
Auspressen der Watte -Verbandstücke gewonnene trübere Flüs- 
sigkeit, zeigte weder beim Kochen noch durch Zusatz von N0$ 
Eiweissgehalt , dagegen reichlichen weissen Niederschlag beim 
Zusatz von Höllensteinlösung. Die mikroskopische Untersuchung 
der durch Auspressen gewonnenen Flüssigkeit zeigte viel Vibrio- 
nen and Bakterien. 

Der Lage der Rupturstelle im Trommelfelle nach war zu- 
nächst denkbar, dass die Stricknadel, den Steigbügel fracturirend, 
durch das ovale Fenster in den Vorhof eingedrangen war und 
dass es sich um abfliessende Perilymphe handelte, die sich aus 
dem mit ihr in Communication stehenden Subarachnoidealraum 
fortdauernd ergänzte. Dass ein directer Bruch der Schädel- 
basis vorlag, schien in hohem Grade unwahrscheinlich bei dem 
Mangel initialer Ohrblutung und der relativ geringen Gewalt, mit 
der die Stricknadel in das Ohr eingedrungen sein konnte. Ganz 
unmöglich erschien unter den obwaltenden Umständen die Per- 
foration der Pars petrosa bis in den Porus acusticus internus 
hinein. Eher war die Annahme statthaft, dass die Spitze der 
Nadel die Richtung gegen das dünne Tegmen tympani genommen 
hatte, und dieses unter gleichzeitiger Zerreissung der Schleimhaut 
und der Dura mater perforirt hatte. 

1) Herr Apotheker Dr. Jäger bestimmte quantitatiY in der FlOsaigkeit 
0,5319 Proc. Cmor, welches 0,87(>9Proc. Chlomatriom entspräche. 



StichTerletznng des Olires. 1 19- 

In jedem Falle ersehien die VerletzuDg als eine schwere im 
Gegensatz zn den hänfig vorkommenden einfachen Dnrchstosson- 
gen des Trommelfells durch Stricknadeln und ähnlich spitzige 
Gegenstände 9 und stellte ich meinen Zuhörern gegenüber eine 
lethale Prognose; der Tod würde wahrscheinlich an Meningitis 
purulenta erfolgen, wie dies in einem ganz ähnlichen Falle schon 
von einem französischen Beobachter erlebt worden seiJ) 

Die Therapie bestand zunächst in sofortiger Erneuerung des 
antiseptischen Occlusiyyerbandes und Eisblase auf den Kopf. 

Die Notizen über den weiteren Verlauf des Falles lasse icli 
ausführlich folgen: 

12. Juni. Seit 9 Uhr Morgens Klage und Stöhnen über hef- 
tigen Kopfschmerz. Jede Beweguug des Kopfes steigert den Schmerz 
und macht Schwindel. Mehrmaliges Erbrechen. Grosse Unruhe. Fort- 
daner des serösen Ausflusses, so dass die Verbandstücke völlig durch- 
tränkt sind. Fieber. Abends Temperatur 39,20, Pnls 120. Ord.:EiSy 
Morphiuminjection. 

13. Juni. Nach schlaf loser Nacht Fortdauer der Kopfsebmer- 
zen, namentlich im Hinterkopf. Völlig klares Bewusstsein. Lichtscheu. 
Abends Temperatur 38,20, f^ais 92. Ord. 5 Blutegel an den War- 
zenfortsatz. Wegen Stuhiverstopfung Abführmittel aus Calomel mit 
Jalappe. Wird wiederholt ausgebrochen. Eis. 

14. Juni. Unruhige Nacht. Grosse Mattigkeit. Kopfschmerz 
geringer, aber stärkerer Nackenschmerz. Bei leiser Berührung des 
Nackens schreit Fat. vor Schmerz auf. Der täglich erneute Verband 
war von seröser Flüssigkeit ganz durchtränkt. Abends Temp. 3S^6, 
Puls 90. Klysma mit Erfolg. 

15. Juni. Nachts delirirt. Nachlass der Schmerzen. Fat. nimmt 
im Laufe des Nachmittags etwas Nahrung zu sich, ohne dieselbe 
wieder auszubrechen. Abends Temp. 3S,6y Puls 90. 

16. Juni. Schlechte Nacbt. Besserung des Allgemeinbefindens. 
Früh 38,8, Abends 37,1. Im Laufe des Tages fester Schlaf. Fort- 
dauer des serösen Ausflusses, aber weniger reichlich. 

17. Juni. Oute Nacht. Menstruation ist eingetreten. Fieber- 
frei. Klage über Speichelfluss. Gegen Abend yon Neuem heftiger 
Kopfschmerz und Delirien. Klysma. 

18. Juni. Gute Nacht. Pat. kann sich im Bette hochrichten 
und den Kopf ohne Schmerz bewegen. Tags über fieberfrei, Abends 
leichtes Fieber (38,2) und Wiederkehr der Kopfschmerzen. 

19. Juni. Pat. schläft viel. Temp. früh und Abends 38,2, 
Puls 80. Wegen fortdauernder Obstipation Tinct, Colocynthidis. Aus 
dem Ohr ist nichts mehr ausgeflossen. 

20. Juni. Wiederkehr heftiger Kopfschiperzen, unter stärkerem 
Fieber (Temp. bis 39,6). Pat. stöhnt und schreit auf vor Schmerzen, 
schlägt pulsatorisch mit dem Kopfe nach hinten. Ohr bleibt trocken. 

1) Gaz. des höp. 1857. Nr. 130. 



\ 



120 Ym. SCHWARTZE 

21. Jani. Tags fiber Fortdauer des Fiebers und der Kopf- 
schmerzen mit Exacerbationen (39,6^); Abends fieberfrei. Verstopfung. 

22. Juni. Gute Nacht. Nachlass der Kopfschmerzen. Patientin 
kann sich zur Untersuchung des Ohres aus dem Bette erheben und 
einige Schritte gehen. Der Gehörgang war frei, im Trommelfell ist 
die rundliche Narbe der Rupturstelle sichtbar. Gegen Abend von 
Neuem Anfall von heftigem Kopfschmerz mit geringem Fieber. 

23. Juni. Steigerung des Fiebers^ Temperatur wieder bis 39,2^ 
Unbesinnlichkeit. Erbrechen. Convulsivische Zuckungen im linken 
Arm* Kribbeln in den Fingern der rechten Hand. Pupillen von 
nii^tlerer Weite und von träger Reaction. Fat. schreit häufig laut 
auf vor Schmerz im Kopf und greift nach demselben hin. 

24. Juni. Besserung. Fieberfrei. 

25.^ 26. Juni. Fortschreitende Besserung. Fat. bekommt Ap- 
petit, verlässt das Bett und kann ohne Schwindel gehen. 

27. Juni. Abends von Neuem Kopfschmerz , Zuckungen im 
rechten Arm, Kribbeln in den Fingerspitzen der rechten Hand. Schlaf- 
lose Nacht wegen Kopfschmerz. Dreimaliges Erbrechen. 

28. Juni. Andauer der Kopfschmerzen, Nackenschmerzen. Krib- 
beln in den Fingern. Fieber. Temp. 38,8. Zuckungen im rech- 
ten Arm. 

29. Juni. Kopfschmerz lässt nach. Fieberfrei. 

Vom 30. Juni bis 9. Juli fieberfrei und ohne Beschwerden. 

Am 10. Mai nochmals Anfall von starkem Kopfschmerz mit 
Hyperästhesien und Parästhesien der Haut, aber ohne Fieber; von 
da ab Reconvalescenz. 

Vom 12. Juni bis 11. Juli wurde ununterbrochen mit Ausnahme 
der Tage, wo keine Klage über Kopfschmerz da war. Eis auf den 
Kopf, femer bei jedesmaliger Exacerbation der Kopfschmeri^en Mor- 
phium subcutan zur grossen Erleichterung der Kranken angewandt. 

Am 16. Juli konnte Pat. in der Klinik als genesen vorgestellt 
werden. Ausser starker Hautblässe, grosser Schwäche und schlep- 
pendem unsicherem Gange waren ausser der zurückgebliebenen ein- 
seitigen Taubheit keine Zeichen der überstandenen langen Krankheit 
an ihr bemerkbar. Das verletzte Ohr hörte die Uhr nicht« beim An- 
drücken, dagegen behauptete Pat. ebenso wie früher, sowohl gleich 
nach der Verletzung als im Verlaufe der Krankheit, alle Stimmgabel- 
töne von jeder Stelle des Schädels aus nur nach der verletzten 
Seite hin zu hören. 

Ein halbes Jahr später (vom 23. December 1880) wurde ein im 
Wesentlichen gleiches Untersuchungsresultat constatirt Uhr weder 
beim Andrücken an die Ohrmuschel, noch vom Warzenfortsatz. Alle 
Stimmgabeltöne vom ganzen Schädeldach überall nach links allein 
gehört. Pat. versteht Flüstern durch Hörrohr nicht. C bei stärke- 
rem Anschlag links gehört, wenn durch Resonator verstärkt. Hört 
höhere und höchste Tdne links auffallend laut ohne Resonator. 

Pat. hat seit der Verletzung ein permanentes Sausen 
im linken Ohr behalten, „als wenn sie sieh einen leeren Topf 



Stichverletzang des Ohres. 121 

Tor das Ohr hielte'' und anhaltenden Kopfschmerz im 
ganzen Kopf (vor der Verletzung nie), lieber Sehwindel keine 
KlagO) auch der Gang ist sicher. Die Narbe im Trommelfell ist 
deutlich sichtbar. 

Am 3. Januar 1881 Status idem. Nur scheint das Gehör 
eine Spur besser zu sein, wenigstens versteht Pat jetzt Flttster- 
sprache durchs Hörrohr. 

Der sofort nach der Verietzung ohne initiale Ohrblntung ein* 
getretene und dureh acht Tage anhaltende copiOse seröse Aus- 
fiuss war unzweifelhaft Liquor cerebro - spinalis. Daftlr spricht 
die chemische Analyse (Mangel an Eiweiss, Reichthum an Chlor- 
natiinm). Der Fluss dauerte so lange fort, bis die Perforation 
des Trommelfells vernarbt war. Wahrscheinlich bestand zeit* 
weise auch dn Abfluss aus der Paukenhöhle durch die Tuba in 
den Schlund, denn die Kranke beklagte sich wiederholt Aber 
Speiehelfluss, ohne dass fllr einen solchen eine andere Ursache 
etwa medicamentöser Natur, vorlag. Seit wir durch die Injections- 
versuche von Schwalbe wissen, dass die Labyrinthflttssigkeit in 
ofifener Communication mit der Arachnoidealhöhle steht, kann es 
nichts Auffallendes haben, wenn nach Eröffnung der Labyrinth- 
höhle ein ebenso reichlicher und anhaltender seröser Ausfluss wie 
nach einer Fractur der Schädelbasis folgt. Ob die Eröfhung des 
Labyrinthes in unserem Falle erfolgt ist durch Eindringen der 
Nadel in die Fenestra ovaMs ^) , wie es nach der Lage der Per- 
forationsstelle im Trommelfelle wahrscheinlich erscheint, oder ob 
die Labyrinthwand der Paukenhöhle etwa an einer anderen Stelle 
perforirt wurde, ist nicht zu entscheiden. Doch würde der Mangel 
jeder Blutung eher fttr den ersteren Weg sprechen. Aber es ist 
noch die andere, oben schon angedeutete Möglichkeit in Erwär 
gung zu ziehen, die uns, seitdem die Communication aller sub- 
arachnoidealen Bäume unter einander erwiesen ist, den Abfluss 
der Gehimflüssigkeit erklären könnte, ohne dass wir auf eine 
Eröffnung der Labyrinthhöhle zu recurriren gezwungen wären. 
Die Spitze der Nadel könnte nach Durchstossung des Trommel- 
fells das Tegmen tympani fracturirt haben mit gleichzeitiger 
Zerreissung der Schleimhaut und der Dura mater. Der damit 
verbundene Blutaustritt könnte so geringfügig gewesen sein, dass 

1) Analog dem bekannten Falle von Fedi s. Gans tat t's Jahresbe- 
richt von 1858, Beferat von Bardeleben S. 56 oder v. Tr^ltsch, Ana- 
tomie des Ohres S. 99. 



122 Vm. SCHWARTZE 

davon im Oehörgang nichts zu bemerken war. Dass ein solcher 
Vorgang kaum statthaben könnte, ohne gleichzeitige Trennung 
des Hammer -Ambossgelenkes 9 würde die bleibende Taubheit 
für die durch die Luft zugeführten Schallwellen erklären^ wäh- 
rend die sowohl gleich nach der Verletzung als später häufig 
constatirte Angabe der Kranken, dass Bie alle durch den Schä- 
del zugeleiteten Töne nach dem verletzten Ohre verstärkt, resp. 
allein wahrnahm, besser hiermit vereinbar wäre, als mit der 
Annahme einer penetrirenden Verletzung des Labyrinthes. Mit 
unseren bisherigen Annahmen über den diagnostischen Werth der 
Prüfung niit Stimmgabeltönen wäre es schwer vereinbar, dass 
die Patientin mit eröftaeter Labyrinthhöhle consequent angab, 
die Stimmgabeltöne von jeder Stelle des Schädels aus nur in 
dem verletzten Ohre zu hören. Wir müssten denn unsere Zu- 
flucht nehmen zu der gewagten Voraussetzung, dass der acustische 
Endapparat im Labyrinth nur partiell (Sacculus?) zerstört war, 
und dass trotz verminderter Perceptionsfähigkeit des Labyrin- 
thes die Schallempfindung im verletzten Ohre gegen das ge- 
sunde überwog wegen des gleichzeitig gesetzten Schallleitungs- 
hindemisses in der Paukenhöhle. Nach Hassel vermitteln ja 
„die Ampullen und der Utriculus die durch die Enochenleitung 
hervorgerufenen einfachen Gehörserapfindungen, während der Sac- 
culus Vermittler der durch die Bewegungen des Schallzuleitungs- 
apparates hervorgerufenen einfachen Gehörsempfindnng ist und 
die Schnecke den Tonempfindungen dient ". Wenn nun der Sac- 
culus durch die Verletzung direct betroflfen vnirde, hätten die übri- 
gen Theile des Endapparates (Ampullen, Utriculus und Schnecke) 
unversehrt bleiben können. 

Die der Verletzung des Ohres folgende vierwöchentliche Er- 
krankung verlief unter dem Bilde einer febrilen Himhypei^mie. 
Himreizungserscheinungen im Bereiche der Sensibilität (Kopf- 
schmerzen, Lichtscheu, Hauthyperästhesie), Motilität (vereinzelte 
partielle Convulsionen) und im Bereiche der psychischen Func- 
tion (Unruhe, Delirien, Schlaflosigkeit mit lebhaften Träumen) 
setzten im Wesentlichen das Erankheitsbild zusammen. Der 
wechselvolle und atypische Verlauf dieser Symptome, bald höchst 
acut mit febrilen Achselhöhlentemperaturen, bald gering, mit 
vielfachen Schwankungen und Intermissionen gehören ja zum 
charakteristischen Erankheitsbilde der Hyperämie des Gtehims 

1) Morphologie und Histologie des häutigen Gehörorgans der Wirbel- 
thiere. Leipzig 1873. S. 65. 



Stichverletzung des Ohres. 123 

und seiner Häute. Auch das wiederholte Erbrechen und das lange 
anhaltende Sehwindelgeftthl sind gewöhnliche Begleiter stärkerer 
Gehimcongestionen. 

Die grosse Hinfälligkeit und Schwäche der Kranken , ihr 
schleppender Gang in den ersten Tagen nach der Verletzung, 
erinnern an die unvollkommenen lühmungen, welche nach Ab- 
fluss des Liquor cerebro - spinalis beobachtet werden. 

Die Ursache der Himhyperämie ist gegeben durch den Ab- 
fluss des Liquor cerebro - spinalis, weil der frtther von Liquor ein- 
genommene Baum im Schädel durch yermehrte Blutfttlle der 
Himgefässe ersetzt werden muss. Dass auch nach dem Auf- 
hören des Abflusses von Liquor die Schwankungen in der Stärke 
der Himreizungserscheinungen noch eine Zeit lang fortdauern, 
hat nichts Befremdendes, weil zur Ergänzung der yerlorenen 
Menge von Gehimflüssigkeit, auch wenn sie sich schnell wieder 
zu erzeugen im Stande ist, und zur Bückbildang der Belaxation 
der Himgefässe Zuführung von Emährungsmaterial und Zeit 
nöthig war. 

Die Annahme eiüer glücklich yerlaufenen traumatischen Me- 
ningitis basilaris, zu der ja die mehrmalige Wiederholung der 
Congestionszustände und besonders das Ansteigen der Körper- 
temperatur über 39 <> anfänglich verleiten konnte, ist ausgeschlos- 
sen durch das andauernd freie Bewusstsein der Kranken, durch 
das Fehlen der Lähmung von Himnerven und der Nackenstarre. 
Auch der Umstand, dass vielleicht in Folge des sehr frühzeitig 
angelegten antiseptischen Verbandes im Ohr überhaupt keine 
Eiterung zu Stande gekommen ist, die als Ausgang der Infection 
der penetrirenden Schädel Verletzung hätte dienen können, kann 
fQr die Richtigkeit unserer Diagnose Hirnhyperämie verwerthet 
werden. 



IX. 

Wissenschaftliclie Randschan. 



1. 

Prof. Dr. Adam Politzer y Zur Behandlung der Ohrpolypen. (Wieder med. 
Wochenschrift. Nr. 31. 1880.) 

Zur Entfernung von schwer zugänglichen Polypen oder Polypen- 
resten bedient man sich verschiedener Aetzmittel oder der Galvano- 
kanstik; doch lassen diese Mittel oft im Stiche, wenn sie überhaupt 
anwendbar sind. Politzer zog nun den schon von verschiedenen 
Seiten, neuerdings auch (von Miller) gegen Nasenpolypen, empfoh- 
lenen absoluten Alkohol mehrfach mit gutem Erfolge in Anwendung, 
und zwar nachdem das Secret durch Luftdouche, Ausspritzen und 
Abwischen entfernt ist, mittelst Einträufelungen mit einem Theelöffel. 
Der Alkohol muss 5 — 10 Minuten im Ohre bleiben und dies Ver- 
fahren ist 3 mal täglich zu wiederholen. Die Wirkung beruht nach 
Politzer auf Coagulation des Inhaltes der Blutgefässe und conse- 
cutiver Gewebsschrumpfung. Es gelang Verf., auf diese Weise einen 
grossen fibrösen Gehörgangspolypen dauernd zu entfernen, und auch 
gegen Mittelohrpolypen hat er Alkohol mit gutem Erfolge angewandt, 
zum Theil in Fällen, die anderen Mitteln hartnäckig getrotzt hatten. 
Auch diffuse Wucherungen der Paukenhöhlenschleimhant sowie Gra- 
nulationen am Trommelfelle konnte Verfasser mit Spiritus gut zum 
Schrumpfen bringen; er empfiehlt ihn daher besonders den Nicht- 
specialisten bei den erwähnten Befunden, sowie zur Umgehung von 
Operationen bei ängstlichen Patienten. Bürkner. 



2. 

F. Trautmann in Berlin^ Ueber die Bedeutung vorhandener oder überstandener 
Ohrenleiden gegenüber Lebensversicherungs- Gesellschaften. Berlin 1880. 

Handelt es sich um Aufnahme eines Individuums in eine Lebens- 
versicherungsgesellschaft , so soll niemals eine genaue Untersuchung 
des Gehörorganes unterlassen werden, weil gewisse Krankheiten des 
Ohres, selbst wenn der Patient von ihrem Dasein Nichts weiss, zum 
Tode führen können. Der untersuchende Arzt wird demnach meh- 
rere Fragen zu beantworten haben, welche sich auf den Zustand des 



IX. WiBsenschafUiche Bundschau. 125 

Ohres richten, und swar wird er sich sanftehst Aber die HOrflhigkeit 
des Klienten unterrichten müssen; dies geschieht dnrch Prüfung mit 
Gylinderuhr, Flüsterspraohe und Stimmgabel. Fragen : Wird die Cy- 
lindernhr gehört nnd wie weit? Rechts? Links? Wird abgewandte, 
zugewandte Flüstersprache, oder nur mittellante oder lante Sprache 
gehört und wie weit? Rechts? Links? Ist die Knochenleitnng für 
die Gylinderuhr beiderseits vorhanden oder nnr rechts oder links? 
Wird die Stimmgabel vom Scheitel, der Stirn, den Zähnen beiderseits, 
rechts, links oder gar nicht gehört? 

Sodann soll der Arzt sein Augenmerk auf den Zustand des äusse- 
ren Ohres richten, aus dem nicht selten Schlüsse auf tiefere Leiden 
zu ziehen sind ; besonders kommen Drüsenschwellungen und Exostosen 
als verdächtig in Betracht, letztere weil sie, wenn sie sehr gross 
werden, eitrige Mittelohrentsündungen herbeiführen können. Fragen : 
Zeigt die Ohrmuschel bösartige Neubildungen? Ist die Ohrmuschel 
verkrüppelt? Ist der äussere Gehörgang angeboren verschlossen? 
Ist an der Ohrmuschel oder deren Umgebung Ausschlag vorhanden? 
Sind die Lymphdrüsen vor oder hinter dem Ohr geschwollen? Sind 
Exostosen im äusseren Gehörgange vorhanden, und sind dieselben sehr 
gross ? Bescmderes Gewicht legt Verf. auf eine genaue Untersuchung 
des Warzenfortsatses. Sind die Weichtheile auf dem Warzenfortsatz 
gerdthet, geschwollen und empfindlich? Sind Fistelgänge im Warzen- 
fortsati vorhanden? Sind Narben auf dem Warzenfortsatz vorhanden 
und sind dieselben mit dem Knochen verwachsen? Bezüglich der 
Eiterungen weist Verf. auf die Noth wendigkeit einer Entscheidung 
hin, ob es sich um Otorrhoe aus dem äusseren oder mittleren Ohre 
handelt, da Fälle von ersterer nur abzuweisen sind, so lange sie nicht 
geheilt sind, während „bei Eiterungen des Mittelohres während ihres 
Bestehens alle Versicherungsanträge abzuweisen und die Antragsteller 
nicht eher aufzunehmen sind, als bis definitive Heilung emgetreten 
ist, was durch specialärztliches Attest nachgewiesen werden muss.^ 
Auch nach Beendigung der Eiterung bei bestehender Perforation ist 
der Betreffende ateeuweisen. Fragen: Ist Eiter im äusseren Gehör- 
gange durch das Gesicht oder den Geruch bemerkbar? Rechts? 
Links? Pfeift beim Valsalva 'sehen Versuch die Luft durch das 
Trommelfell oder nicht? Rechts? Links? Und femer: Wird der 
Mund offen gehalten? Ist die Sprache näs^d? Sind die Nasenflügel 
eingesunken? Schnarcht der Betreffende im Schlafe? Sind die Man- 
deln, Gaumenbögen ^ Zäpfchen geschwollen? Hat die Untersuchung 
mit dem Finger stattgefunden und was hat die Untersuchung ergeben ? 
(Bezieht sich auf die Rachentonsille.) Caries und Nekrose der Schnecke 
sind wie Eiterungen zu behandeln ; besondere Beachtung verdient die 
Frage: ob Faci^paralyse bestehe? Schädelbasisfracturen sind stets 
abzuweisen, auch wenn sie geheilt sind, weil leicht Pachymeningitis 
darnach entsteht; hierauf beziehen sich die Fragen: Ist Schwindel vor- 
handen bei schnellen Bew^ungen und bei geschlossenen Augen beim 
Stehen auf einem Fusse? Ist snbjeotives Geräusch vorhanden? Hoch- 
gradige Schwerhörigkeit muss zu genauer Untersuchung veranlassen, 
da derselben Syphilis, Hirntumoren, Meningitis zu Grunde liegen kön- 



126 IX. Wissenschaftliche Rundschau. 

nen. Auch Taubstummheit wird als Erschwerungsgrund angesehen. 
Ist unsicherer Gang yorhanden? Smd Lähmnngserschemungen vor- 
handen ? (Bezieht sich auf Meningitis cerebrospinalis und Meningitis.) 
Besteht Taubstummheit? 

Wie man sieht, ist die Brochure zur Benutzung für Nichtspe- 
cialisten verfaast Sie enthält Alles, was dem Ungeübten von Nutzen 
sein kann und sollte von allen Versicherungs&rzten fleissig benutzt 
werden. Bürkner. 

3. 

E. Cresswell Bdber, Growth of Fungi in Ear-Syringes. (The British Me- 
dical Journal. Juli 24. 1880.) 

Um das Wuchern von Pilzen in Ohrspritzen zu verhindern, hatte 
Verf. früher schon empfohlen , den Stempel der Spritzen mit Carbol- 
säure-Vaselin (1 : 200) zu bestreichen. Er fand aber trotz dieser 
Vorsichtsmaassregel nach 9 Monaten abermals mikroskopische Pilze 
in seiner Spritze vor. Nur ganz wenig Pilze zeigten sich hingegen 
an einem Hartgummisiempel und Verf. glaubt, dass auch diese we- 
nigen, wenn der Kolben weniger stark eingeschmiert worden wäre, 
hätten vermieden werden können. Da sich Vulcanitkolben leichter 
reinhalten lassen als Lederstempel, so empfiehlt Verf. jetzt erstere 
für Ohrspritzen. Bürkner. 

4. 

E. Cresswell Baher, Beport on hundred Gases of Ear Disease. (The Lancet 
August 7. 1880.) 

Unter 100, im Brighton and Sussex Throat and Ear Dispensary 
vom Juli 1878 bis December 1878 behandelten Fällen betrafen: 
1 Fall Abscess der Ohrmuschel. 
4 Fälle Otitis externa diffusa (einseitig). 
18 Fälle Accumulatio ceruminis (9 einseitig, 9 doppelt). 

1 Fall Exostose des äusseren Gehörganges (einseitig). 

2 Fälle Verschluss der Ohrtrompete. 

4 Fälle Acuter Mittelohrkatarrh (2 einseitig, 2 doppelt). 
1 Fall Otitis media serosa (einseitig). 
27 Fälle Otitis media purul. chron. (13 einseitig, 14 doppelt, 

9 Polypen, 1 Periostitis des Proc. mast.). 
14 Fälle abgelaufene Mittelohrprocesse (5 einseitig, 9 doppelt). 
1 Fall Nekrose des Schläfenbeines. 
1 Fall Taubstummheit. 
47 Fälle Otitis media non suppurativa chronica. 
Hervorgehoben ist je ein Fall von EeratosiB obtorans, Exostose 
des .äusseren Gehörganges, Otitis media serosa (einfachem exsudativ' 
yem Katarrh) und objectiven Geräuschen. Letzterer betraf ein 23 jähr 
Mädchen; beim Bewegen des Unterkiefers lässt sich in dem linken 
Ohre, dessen Trommelfell eine trockene Perforation zeigt, ein feines, 
helles Geräusch wahrnehmen, welches bald wieder auf hört. Während' 



IX. WissenschafÜiclie RimdBchaa. 127 

dasselbe besteht, zeigt sich keine Bewegung des Trommelfells. Auch 
durch Politzer 's Verfahren lässt sich das Klirren erzeugen. 

Bflrkner. 



5. 

Albert H. Bück, Unnatural Patency of the Eustachian Tube. (Amer. Joum. 
of Otolog. U. Bd. 3. Heft) 

» * 

Im ersten Falle zeigte sich eine grosse Narbe im hinteren, unte- 
ren Quadranten, welche deutlich mit der Inspiration und Exspiration 
ein- und auswärts sich bewegte; bei Valsalva'schem Verfahren 
bauchte sich dieselbe vor, jedoch nur, um sofort nach Beendigung 
des Experimentes wieder einzusinken und ihre Respirationsbewegun- 
gen wieder fortzusetzen. In einem zweiten Falle zeigte sich das ganze 
Trommelfell vernarbt; bei jeder Schlingbewegung bewegte sich die 
Membran auf und ab, während Respirationsbewegungen nicht sichtbar 
waren. In beiden Fällen handelte es sich um abnormes Offenstehen 
der Tuba. Bflrkner. 



6. 

Clarence J, Blake, Manometric Gicatrix of the Membrane Tympani. (Amer. 
Joum. of Otology. II. Bd. 3. Heft.) 

Im Anschluss an zwei früher veröffentlichte Fälle von Narben, 
welche deutlich die Luftdruckschwankungen in der Paukenhöhle an- 
geben, berichtet Verf. Aber einen dritten Fall dieser Art, welcher 
eine 40jährige Frau betrifft, die als Kind an einer rechtsseitigen 
Mittelohrentzflndung gelitten hatte. Am rechten Trommelfelle zeigte 
sich der hintere und untere Abschnitt verdickt und theilweise ver- 
kalkt, während das vordere Segment eme transparente Narbe von 
ovaler Form (längster Durchmesser 5 Mm.) zeigte. Durch V a 1 s a 1 v a • 
sches Verfahren Hess sich das erheblich geschwächte Gehör etwas 
bessern, wobei die Narbe deutlich nach aussen gewölbt wurde; es 
fand sich ferner, dass dieselbe nach einer solchen Luftverdichtung 
bei jeder Inspiration nach innen sank, bei jeder Exspiration sich 
nach aussen bewegte. Bei der Phonation zeigte sich nur dann eine 
Veränderung an der Narbe, wenn sie etwa mitten in einer Excursioo 
begriffen war. Bflrkner. 

7. 

Alfred North, Two Gases of Foisoning by the Oil of Ghenopodium. (Amer. 
Joum. of Otology. II. Bd. 3. Heft.) 

Als Wurmmittel waren einem 12 jährigen Kinde anstatt einer 
Drachme ein gehäufter Theelöffel voll von 

Rp. Ol. chenopod. 30,0. 
Ol. terebinth. 3,75. 
Extr. Spigelii M,0. 
verabreicht worden. Am nächsten Morgen Athembeklemmung, un-^ 



128 IX. Wissenschaftliche Baadschau. 

sicherer Gang, Taumeln nnd sonstige Ooordinationsstörnngen. Hef- 
tiger Stirnkopfsehmerz, lÄutes Ohrenklingen, hochgradige Schwerhörig- 
keit. Später zeigten sich psychische Störungen, Patient schlief den 
ganzen Tag. Pupillen erweitert, wenig reagirend. Speise behielt der 
Kranke nicht bei sich. Verf. verordnete am 6. Tage der Krankheit 
Bromkalium alle drei Stunden 1 Gramm; Senfbäder. Am nächsten 
Tage wird Patient unruhig, von Hallucinationen geplagt; Schlaf war 
nur noch durch grosse Dosen von Morphium (subcutan) zu erzwingen. 
Am 11. Tage der Krankheit trat Besserung ein; der Kopfschmerz 
wurde geringer, das Gehör nahm etwas zu; doch blieb das Klingen 
in den Ohren unverändert. In den nächsten Tagen Rückgang aller 
Symptome; doch blieb das Gehör geschwächt. 

Die 10 jährige Schwester des Patienten hatte dasselbe Mittel 
gleichzeitig mit jenem bekommen, auch bei ihr kam es zu Nansea, 
Schlafsucht und Motilitätsstörungen, sowie zu Schwerhörigkeit, Ge- 
räuschen und Kopfschmerz ; doch waren alle Symptome geringer als 
beim Bruder. Bei einem dritten Kinde trat nach der Medicin nur 
Nausea ein, bei einem vierten blieb das Mittel wirkungslos» 

Bflrkner. 

8. 
Samuel Sexton, Tinnitus aurium. (Amer. Joum. of Otology. II. Bd. 3. Heft.) 

Als Ursachen des Symptoms ftlhrt Verf. an: Schwingungen des 
sehallleitenden Apparates, welche durch den Blutstrom der umliegen- 
den Arterien und Capillaren erzeugt werden ; Herz- und Respirations- 
bewegungen ; Reibung der Gelenkflächen der Gehörknöchelchen ; Er- 
schütterungen der Carotis im Canalis caroticus, besonders bei Exsu- 
daten oder anderen Flüssigkeiten in der Paukenhöhle; Bewegungen 
des erschlafften Trommelfelles ; verstärkt werden die Geräusche durch 
Hyperämie und Entzündung, durch Stimulantia, Chinin, Anaesthetica, 
bei Gemüthsbewegungen und körperlichen Anstrengungen. Die sub- 
jectiven Gehörsempfindungen können intermittirend oder permanent 
sein, letzteres besonders, wenn das Trommelfell stark gespannt ist, 
oder Ankylose oder theilweise Dislocation der Gehörknöchelchen vor- 
liegt. Wenn die Schallleitung herabgesetzt ist, sollen die Geräusche 
zunehmen. Wenn Verf. behauptet, bei chronischen Affectionen des 
Mittelohres fehlen die Geräusche selten, bei acuten Ohraffectionen 
seien sie fast nie vorhanden, so kann Ref. ihm durchaus nicht bei- 
stimmen. Bürkner. 



9. 

Frank Allpart, A Gase of probable Abseess of the Brain, foUowing after, 
and perhaps dependent upon, an acute Inflammation of the midie £ar. 
(Amer. Joum. of Otology. ll. Bd. 3. Heft.) 

Patient, ein kräftiger 24 jähriger Mann, hatte sich gelegentlich 
einer Jagdpartie heftig erkältet, mit einem heftigen Fieber kehrte er 
nach Hause zurück, gleichzeitig klagte er über einen heftigen Schmerz 



IX. Wissenschaftliche Bundschau. 129 

im linken Ohre. Das entsprechende Trommelfell war stark coDgestio- 
nirt. Blutentziehnng, Chinin, Aconit, Bähungen, Einträufelnngen von 
Atropinlösnng zeigten sich wirkungslos; am nächsten Tage zeigte 
sich die Congestion vermehrt, weshalb Verf. das Trommelfell durch- 
schnitt; Eiterentleerung. Nach 14 Tagen war das Ohr geheilt, das 
Gehör normal. Zwei Tage später klagte Pat., der sich auf einer 
Fahrt in offenem Wagen dem Regen ausgesetzt hatte, über heftige 
Schmerzen in der linken Kopfhälfte, mit Ausschluss des Ohres, ob- 
wohl das Trommelfell injicirt war. Tags darauf war nur noch Schmerz 
hn Ober- und Unterkiefer vorhanden, Ohrsymptome zeigten sich gar 
nicht mehr« Die Neuralgie blieb drei Wochen lang bestehen und 
strahlte mitunter in die Augen und gegen das Hinterhaupt aus. Da 
sich der Kranke durchaus nicht schonte/ sich vielmehr gegen das 
Verbot des Arztes mit Jagen und Fischfang beschäftigte, wobei er 
einmal ins Wasser fiel, so richtete die Therapie wenig aus; vielmehr 
nahm am Ende jener drei Wochen der Schmerz wieder zu, schliess- 
lich verfiel Pat. in Delirien, seine Sprache wurde unarticulirt ; es 
wurde Diagnose auf acute Meningitis gestellt. Bald darauf wurde 
Patient sehr schwerhörig, es zeigte sich eine linksseitige Facialis- 
paralyse, am sechsten Tage nach dem Fall ins Wasser floss gelblicher 
Eiter aus der Nase, und am Nachmittage starb der Kranke. Section 
konnte nicht vorgenommen werden; Verf. glaubt, es habe sich um 
einen frontalen Hirnabscess gehandelt. Bürkner. 



10. 

R. N. Spencer, The dry Treatment in Suppuration of the mlddle Ear. (Amer. 
Jotirn. of Otology. 11. Bd. 3. Heft.) 

Verf. behauptet, ein gegen das Trommelfell gerichteter Wasser- 
strahl könne, wenn die Membran erst kürzlich perforirt sei, überhaupt 
nicht, bei länger bestehenden Perforationen nur selten und unvollstän- 
dig in das Mittelohr eindringen; bei länger fortgesetzten Ohrbädern 
sei Gefahr vorhanden, dass bis dahin gesunde Gewebe in den Ent- 
zündungsprocess einbezogen werden; deshalb sei das Ausspritzen 
häufig nicht nur unnütz, sondern auch schädlich. 

Das Verfahren, welches Verf. angibt und dessen Vorzüge er 
durch fünf Fälle illustrirt, besteht darin^ dass bei vorhergegangener 
nnd nachfolgender Luftdouche das Ohr vorsichtig mit absorbirender 
Baumwolle gereinigt, durch die Perforation des Trommelfells pulveri- 
sirtes Jodoform insufflirt und das Ohr durch ein an das Trommelfell 
angelegtes Wattebäuschchen luftdicht abgeschlossen wird. Die Hei- 
lung trat in einigen Fällen nach wenigen Tagen ein. 

Verf. schlägt vor, nur dann zu Ausspritzungen zu greifen, wenn 
der äussere Gehörgang gleichzeitig mit dem Mittelohre erkrankt ist 
oder wenn der Sitz der Entzündung im letzteren eine Reinigung mit 
Baumwolle ausschliesst. Bürkner. 



ArchiT f. Obrenheillninde. XYII. Bd. 



130 IX. Wissenscliaftliche Bondscliaa. 

11. 

Dr, Eduard Zillner, Blutung aus den Ohren bei einer Selbsterdrosselten. 
(Wiener med. Wochenschrift 1880. Nr. 35 und 36.) 

Im Anschlnss an die Publication von £. Hof mann, über welche 
wir im XVI. ^ande dieses Archivs (S. 200) berichtet haben , ver- 
öffentlicht Zillner eben Fall von Selbsterdrosselung einer 33 jähr. 
Frau mittelst einer zweimal am den Hals geschlungenen Zncketschnnr 
nnd eines seidenen Halstuches unter Znhttlfenahme einer als Knebel 
benutzten Serviette. Ausser verschiedenen anderen Merkmalen der 
Erdrosselung zeigten sich in beiden Ohrmuscheln und Gehörgängen 
Massen theils flüssigen, theils leicht geronnenen Blutes; auch die 
Paukenhöhlen enthielten Blut. Die Epidermis des Gehörganges ist 
stellenweise abgehoben, an den Trommelfellen Risse im Hautttberzuge,. 
in der Umbogegend mehrere Ekchymosen, ebenso in der Pauken- 
höhlenschleimhaut an verschiedenen Stellen. Die Trommelfelle und 
besonders die Paukenhöhlen zeigen Schleimhautinjection. 

Verf. glaubt, dass auch hier, wie in Ho fm an n 's Fällen, die 
Ekchymosen sowie der copiöse Blutaustritt (auch die Kleider der 
Todten waren mit Blut befleckt) durch den langsamen und unvoll- 
ständigen Verschluss der Halsgefässe beim Erdrosseln, der Zeit zu 
erheblichen Stauungserscheinungen im Kopfe Uess, zu Stande ge- 
kommen sind. Zillner stellt 23 Fälle von Erstickung im weiteren 
Sinne zusammen, die von ihm im Laufe eines Jahres auf Ekchymosen 
im Ohre untersucht worden sind; es sind dies, nach den Todesur- 
sachen geordnet: 

Erhängen 8 

Erwürgen 1 

Selbsterdrosselung 1 

Erstickung nach Verlegung der Athemöffnungen 1 

Fötale Erstickung 5 

Cyankaliumvergiftung 3 

Erstickung im epileptischen Anfalle .... 1 

Apoplexia cerebri 1 

Lyssa humana 1 

Fettdegeneration des Herzens 1 

5 mal zeigten sich Ekchymosen im äusseren Gehörgange, 23 mal solche 
in der Paukenhöhle. Bürkner. 



12. 

Prof. Dr. G. Paladino, Das Leiten von articulirten Lauten durch die Kopf* 
knocken zum Labyrinth mittelst des „fonifero", bevor Audiphon, Denta- 
phon und ähnliche Apparate angegeben wurden. (Separatabdrnck aus 
»Giomaleintemazionäleaellescienzemediche. Neapel. Enrico Detken. 1880.) 

Nach einer kurzen Beschreibung des Audiphons und Dentaphon» 
und deren Wirkungsweise als „impressionare direttamente il labirinto** 
(9 directe Einwirkung auf das Labyrinth") mit Umgehung vom äusse- 
ren und, mittleren Ohre, vom Verfasser definirt, kommt derselbe auf 



IX. WissenschaftUche Rundschw. 



131 



^ 



seine im Jahre 1876 im „Movimento medico-chirurgo^ unter dem 
Titel: „Della trasmissioDe della voce a traverso le ossa del cranio 
rnerc^ il Fonifero e de! valore di questo nella cli- 
nica otojatrica*' (Yon Prof. Lucae im Jahresbericht 
über die Leistungen und Fortschritte in der gesamm- 
ten Medicin kurz wiedergegeben) veröffentlichte No- 
tiz zurück. Paladino schrieb damals: 

„Wenn es fest steht dass die Stimme , insbe- 
sondere die articulirte Sprache, das beste Mittel 
abgibt, das Hörorgan auf seine qualitativen Und 
quantitativen Leistungen zu prüfen, so lag es nahe 
sich jenes Mittels zu bedienen, um das Laby- 
rinth direct durch die Kopfknochen zu treffen. Zu 
diesem Zwecke dient eine Art Gabel (s. Fig.) ; diese 
besteht aus einem Holzstabe (^), der auf dem einen 
Ende einen metallischen Halbring {B) trägt und am 
anderen mit einer Scheibe {C) absetzt. Das Ende B 
umgreift bei Anwendung des Apparates den Hals 
(in der Höhe des Kehlkopfes) des Experimentators, 
während das andere Ende (C) von den Zahnreihen 
des zu Untersuchenden festgehalten, bez. auf Stirn, 
Hinterhaupt oder Warzenfortsatz, aufgesetzt wird. 
Am besten wirkt das Festhalten mit den Zähnen, 
und nur auf diese Weise bin ich bis jetzt verfah- 
ren. Ist nun der Halbkreis genau um den Kehl- 
kopf des Sprechenden angelegt, so hören Schwer- 
hörige auch leise Laute, selbst in Fällen, wo lautes 
Schreien durch Luftleitung nicht gehört wird. ^ — 
„Es ist also dem Fonifero eigen, Stimme und ar- 
ticulirte Laute direct aufzunehmen und selbe, was 
bis jetzt, wie ich denke, niemals erreicht wurde, 
durch Knochenleitung dem Labyrinth zuzu- 
führen und ist dasselbe folglich diagnostisch, pro- 
gnostisch wie auch therapeutisch verwendbar. " . . . . 
„Es ist also hiermit bewiesen, dass ich seit 1876 
mit dem Fonifero das erreicht, was man neulich 
mit Dentaphon und Audiphon bezweckte, mit dem 
Unterschiede jedoch, dass ersteres den Vortheil hat 
die Schwingungen direct aufzunehmen und dem 
Ohre zuzuführen.^ .... „Mittelst dem Fonifero ist 
man im Stande, sich des Zustandes der Endorgane des Acusticus 
zu vergewissern, sowie es dadurch möglich wird, den Grad des 
Afficirtseins dieser Organe festzustellen.^ 

Referent, so gern er anerkennt, dass Herr Prof. Paladino die 
Priorität in der Sache gebührt, muss andererseits nach seinen Erfah- 
rungen leider erklären, dass man mit Fonifero, gerade so wie mit 
den zwei anderen akustischen Apparaten den Tauben nicht viel, eigent- 
lich sehr selten mehr als mit dem gewöhnlichen Hörrohre, hilft, 
keinesfalls aber fühlt er sich durch all diese Neuerungen in der Dia- 

9* 



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132 IX. Wissenschaftliche Rundschau. 

gnose der Leiden des inneren Ohres so sicher, wie Prof. Paladin o 
zu sein angibt. Morpurgo. 

13. 

Dr. E, De Rossi, YIII Anno di insegnamento della otojatria. Genni Stati- 
Btico-clinici per Tanno scolastico 1878/79. (Roma, Civelli, 1879.) 

Mit Recht betont der geehrte Verf., dass im Schuljahre 1878/79 
in Italien eine neue Aera für die Otiatrik beginnt, und zwar durch 
die Ueberlassnng von vier Betten für männliche und zwei für weib- 
liche Kranken im Spital „San Giacomo^, woselbst sich die chirur- 
gische und die ophthalmologische Klinik befinden. Dieses erfreuliche 
Ereigniss yerdankt die Otiatrik Prof. Ratti, Präses des Ausschusses 
für Spitalangelegenheiten und Com. Placidi, delegirtes Mitglied (ür 
das Hospital St. Giacomo. Wie Verf. hervorhebt, trug das Unter- 
richtsministerium zu den aus dieser Neuerung erwachsenden Auslagen 
gar nichts bei. 

Ambulatorisch wurden 364 Kranke behandelt und zwar: 
203 M., 93 W., 68 Kinder unter 8 Jahren. 

Krankheiten des äusseren Ohres. 

Dermatitis circumscripta: 15 Fälle (k^in Kind). 

Dermatitis diffusa acuta: 3 Fälle. 

Ekzema chronicum: 10 (5 Kinder). 

Corpora aliena (mit Ausnahme von einigen Fällen von Pilz- 
bildung im Ohre). 

Ceruminalpfröpfe : 30 Fälle (1 Kind). 

Das Heilresultat war: die 15 Fälle von Dermatitis circumscripta 
wurden alle geheilt, ebenso die 3 Fälle diffuser Dermatitis acuta; 
von den 10 Ekzemfällen 6 geheilt, 4 gebessert — Nach Entfer- 
nung des Cerumens erlangten das normale Gehör 32 Fälle, bes- 
sere Hörweite 3 Fälle; in einem Falle keine Besserung, in einem 
anderen blieb das Resultat unbekannt (? Ref.). 

Von den erwähnenswerthen casuistischen Mittheilungen, unter den 
Krankheiten des äusseren Ohres heben wir zwei hervor. In beiden 
kam durch Furunkelbildung im äusseren Gehörgange ausgesprochenes 
Oedem der Regio mastoidea zu Stande, was besonders im zweiten 
Falle, bei welchem auch Otitis media pur. chron. mit Vegetationen 
bestand, mit Recht Bedenken aufkommen liess. In beiden Fällen 
verschwand mit dem Furunkel auch das Oedem in der Warzenfort- 
satzgegend. 

Interessant und bezeichnend für die leider noch immer beschränkte 
Kenntniss der Krankheiten des Ohres unter den Aerzten ist folgen- 
der Fall: 

Ein Militärarzt leidet seit vier Jahren an beiderseitiger Schwer- 
hörigkeit; mehrere seiner Collegen sprachen sich für nervöse Taub- 
heit aus und er sah hoffnungslos der Zukunft entgegen. — Nach 
Entfernung von zwei grossen Ceruminalpfröpfen stellt sich ein relativ 
gutes Gehör ein. 



IX. Wissens 



Mittelol 

Myringitis acuta 4 Fälle 

Acute Hyperämie des Mi i 
(16 gebeilt, 3 chronisch gewo] i 

Chronische Hyperämie d( 
Katarrh): 33 Fälle (geheilt U 
nicht gebessert 1). 

Otitis media hyperplastica 
trockener Katarrh — , gebe 
kannt, resp. nicht behandelt 7] 

Otitis media purulenta acut 
(geheilt 33, Erfolg unbekannt 

Otitis media pnrul. chronii i 
ohne Erfolg 1, unbekannter Erfol 

(Die Summen stimmen nii 
einen Druckfehler; die Anzahl i 
89 sein. Ref.) 

Bei der acuten Mittelohr. ' 
cente des Trommelfells, da ei 
Secretes folgen sah. Bei der : 
Tubarinjectionen von Cadmium i 
zur Anwendung. 

' Bei Otitis media hyperplai ' 
jodat. (1 Grm. auf 20—30 Gn 

Bei Otitis media purul. aci 
Trommelfelles, nur darf man ( 
der einfachen Hyperämie verwe 
Hyperämie gleichzeitige oder v 
kung der Rachen- und Nasens 
directe Einwirkung auf das Ohi 
gibt, bei Infectionskrankheiten P 
liches Auftreten der Schmerzen 
und Irrigationen des Gehörgange 
Fällen darf man zu den lauwai 
men, da selbe mit Vorsicht 
werden verdienen. — Bei My 
felnngen rasch heilbringend. — 
nenswerthe Fälle. — Zum Schli 
folgen Mittheilungen wie in frfl 
Mittelohrerkrankungen ", deren 
gebessert 4, ohne Erfolg 13, Eri 
(die Summen stimmen wi 
Schiesslich kamen auch 4 FäU 

Die Krankheiten des inn 
und secundäre ein. Von et 
21 Fälle beobachtet; nach de 
aber wieder keine übereinstimi 
trägt. — Eine weitere Unrich 



134 IX. WissenBchaftliche Bundschau. 

Geheilten. Während Verf. an einer Stelle sagt: „Die ungünstige 
Prognose, besonders bei primären Erkrankungen, erhellt aus den 
Behandlnngsresultaten, da ein einziger Fall gebessert wurde ^, fin- 
den wir weiter unten : „ Geheilt 3 Männer, 5 Weiber, 2 Kinder ; ge- 
bessert 1 Mann. — Und wieder ist die Summe der „ Ausgänge '^ nicht 
übereinstimmend mit der der „ Aufgenommenen ". — Zum Schluss des 
Berichtes über das Ambulatorium finden wir 2 Fälle von Otalgie und 
1 Fall von Tensorkrampf beschrieben. 

Den wichtigsten Theil des Berichtes finden wir wohl im Schluss- 
abschnitte, nämlich im Rapport über 

die klinisch behandelten Fälle. 

Wir bringen hier nur die Hauptmomente derselben. 

1. Fall. Caries des linken Warzenfortsatzes in Folge chronischer 
eitriger Mittelohrentzündung, Knochenabscess. Anbohrung, Auslöffe- 
lung, Heilung. 

2. Fall. Chronische eitrige Mittelohrentzündung in Folge von 
Gesichtsrose, Caries des Proc. mast. — Anbohrung, Auslöffelung, 
Heilung. 

3. Fall. Chronische eitrige beiderseitige Mittelohrentzündung von 
12 jährigem Bestand; rechts vorhergegangene Caries des Proc. mast. 
Fibröser Polyp des Cav. tymp., Caries necrotica mit Fistelgang auf 
der linken Seite. Parese beider Faciales. — Unterbindung des 
Polypen rechte; Sequestrotomie links. — Bedeutende Besserung. 

4. Fall. Chronisch eitrige Mittelohrentzündung. Cholesteatom- 
bildung in den Räumen des Warzenfortsatzes, Caries und Abscess- 
bildung im Knochen. — Anbohrung, Auslöffelung, Heilung. 

5. Fall. Chronisch eitrige Mittelohrentzündung, Caries mastoidea. 
— Anbohrung, Sequesterextraction, Heilung. 

6. Fall. Chronisch eitrige Mittelohrentzündung. Periostitis ma- 
stoidea und occipitalis. Caries occipitalis. Galvanokaustische Caute- 
risation des Knochens, Anwendung des Hohlmeissels. Heilung. 

7. Fall. Chronisch eitrige Mittelohrentzündung. Phlegmone im 
Cav. pharyngo-maxillare. Oeffnung und Gegenöffnungen, Drainirung. 
Heilung. 

8. Fall. Traumatische Zerreissung der Membr. tymp. — Acute 
eitrige Mittelohrentzündung, Periostitis mastoidea. — Kalte Irrigatio- 
nen, Wilde'scher Schnitt. Heilung. 

9. Fall. Chronisch eitrige Mittelohrentzündung. Acuter Nach- 
schub. — Kalte Irrigation nicht vertraget, kaustische Behandlung. 
Besserung. 

10. Fall. Fremder Körper im linken Ohre. Acute eitrige Mittel- 
ohrentzündung, Abscess im Proc. mast. — Anbohrung des anschei- 
nend normalen Knochens.. Heilung. 

11. Fall. Chronisch eitrige Mittelohrentzündung. Caries cen- 
tralis des sklerosirten Warzenfortsatzes. Septicämie, Tod. 

12 Fall. Chronisch eitrige Mittelohrentzündung vorausgegangen. 
Desquamative Entzündung im Cav. tymp. — Cerebralerscheinungen. 



IX. WiBsenschaftliche Randschau. 135 

— Diagnose: Eitrige Meningitis^ Kleinhirnabscess. — Anbohrang des 
Warzenfortsatzes. Tod. (Sectionsbefand bestätigt die Diagnose.) 

Morpnrgo. 

14. 

Ladreit de Lacharriere, De Futilit^ des eaux min^rales dans le traitement des 
Maladies de roreiUe. (Annales des Mal. de roreille. 1879. p. 125—136.) 

Kein Organ wird mehr von chronischen Erkrankungen heimge- 
sncht als das Ohr und anf kein anderes haben die verschiedenen 
Diathesen so naohtheiligen Einfluss. Scropheln, Gicht, Rheuma, Her- 
petismus und Syphilis sind so häufig bei der Entwickelung von Ohr- 
erkrankungen im Spiele, dass man bei einer jeden etwas länger 
dauernden Affection dieses Sinnesorganes auf eine allenfalsige der- 
artige Diathese fahnden muss. Nicht immer zwar wird es leicht sein, 
die betreffende Diathese im einzelnen Falle zu erkennen. — Sero- 
pheln und Syphilis laufen häufig in Fällen von Otorrhoe unter; bei 
rheumatischen Anlagen beobachtet man öfters Anschwellungen der 
Gehörknöchelchengelenke, andere Male auch congestive Zustände im 
Labyrinth. Chronische Periostleiden im äusseren Gehörgange, in der 
Paukenhöhle und im inneren Ohre sind zuweilen Symptome invete- 
rirter Syphilis. 

Immer wirkt die gegen diese Allgemeinleiden gerichtete Behand- 
lung günstig auf das Ohrleiden ein und unter den allgemeinen thera- 
peutischen Mitteln stehen die Mineralwässer in erster Linie. Mit der 
Hydrotherapie und mit Seebädern hat L. schlechte Erfahrungen ge- 
macht; dagegen haben ihm einzelne Mineralquellen treffliche Dienste 
geleistet. 

In den Fällen von scrophulöser oder syphilitischer Otorrhoe, in 
welchen der Knochen schon ergriffen war, haben sich die stärkeren 
Schwefelquellen bewährt (Gareges, Cauterets, Aix-les-Bains) ; bei ein- 
fachen Otorrhöen genügen die schwächeren Schwefelstationen (Enghien, 
Eaux-Bonnes). Letztere sind gleichfalls indidrt bei den durch katar- 
rhalische Leiden der benachbarten Schleimhäute bedingten Affectionen 
des Mittelohres; ebenso bei Ekzema des Gehörganges. — Bei dieser 
sogenannten herpetischen und rheumatischen Diathese fand L. grossen 
Nutzen durch den Gebrauch der salinischen Quellen mit und ohne 
Arsenikgehalt (Bourboule, Mont-Bore, Roy et). Bei Gegenwart von 
Gicht eignen sich Luzeuil und Vichy. Kuhn. 



15. 

Ciliete, Otite chez un tub^rcnleux. Trepanation de Tapophyse masto'ide. 
Drainage. Guärison. (Annales des Mal. de roreille. 1S79. p. 249—254.) 

Bei einem 54 jährigen Arbeiter, der wegen Lungen- und Hoden- 
tuberkulose ins Spital eingetreten war, hatte sich längere Zeit vorher 
in Folge eines Steinwurfes aufs Hinterhaupt ein anfangs blutiger, 
später eitriger übelriechender Ausfluss aus dem rechten Ohre einge- 



136 IX. Wissenschaftliche Bundschaa. 

stellt. Bei der Untersuchung fand sich eine hochgradige Otitis ex- 
terna; das Trommelfell war unversehrt. Der Ausflass verminderte 
sich nach einigen leichten Carboleinspritzungen und der Kranke ver- 
liess das Spital. — Zwei Monate später führt ihn ein stärkerer Ohren- 
fluss wieder zurück; es hatten sich heftige Schmerzen im Ohre ein- 
gestellt, der Processus mastoideus war stark geröthet und auf Druck 
schmerzhaft, jedoch nicht geschwollen ; heftige Cephalalgie, zeitweilig* 
Schwindel, Schweisse und starkes Fieber. 

Bei den fortdauernden heftigsten Schmerzen in der ganzen rech- 
ten Kopfseite wird zur Trepanation des Warzenfortsatzes geschritten* 
Zuerst Wegnahme einer gesunden Knochenlamelle vermittelst Trepan- 
kröne, dann Eröffnung des Antrum mastoideum mit Hammer und 
Meissel. Die Corticalis des Knochens war elfenbeinartig verdichtet. 
Das in die eröffnete grosse Warzenzelle eingespritzte Wasser fliesat 
aus dem äusseren Gehörgange ab; eine durch die Höhle hindurch 
gegen das Trommelfell vorgeschobene Sonde wird vom Gehörgange 
aus mit dem Finger gefühlt. G. führt alsdann ein Drainrohr ein, das 
vom Warzenfortsatze bis zum äusseren Gehörgange reicht. Li st er- 
sehe Nachbehandlung; keine Zwischenfälle. Nur ein einziges Mal 
trat Schwindel mit Schauern (Fr^missement) in der ganzen linken 
Körperhälfte ein, Verlust des Bewusstseins und allgemeine Convul- 
sionen; nach einem starken Aderlasse wären alle diese Symptome 
verschwunden. Das Gehör auf dem betreffenden Ohre kehrte wieder 
zurück. Allmählich wurden immer dünnere und dünnere Drains ein- 
geführt und schliesslich blos ein carbolisirter dicker Faden. Die Eite- 
rung verschwindet vollständig und der Faden kann sechs Wochen 
nach der Operation entfernt werden. Kuhn. 



16. 

Polaillon, Garcinome de roreille moyenne et du rocher. — Destruction d'une 
partie de la base du cräne et de Tatlas. (Arch. des Mal. de Toreilie. 1S79. 
p. 254—262.) 

Ein SOjähriger sonst gesunder und kräftiger Mann leidet seit 
früher Kindheit an rechtsseitiger Otorrhoe und Taubheit. Trotz ver- 
schiedener Behandlungen dauert die Otorrhoe fort. Bei seinem Ein- 
tritte ins Spital findet man neben absoluter Taubheit und eitrigem 
Ohrenflusse den Warzenfortsatz stark geschwollen, zahlreiche Granu- 
lationen im Gehörgange und beginnende Facialisparalyse. — Zwei 
Monate später war die Ohrmuschel durch eine Geschwulst in die Höhe 
gehoben, die nach und i^ach sich auf die Schläfen-, Warzen- und 
Jochbeingegend erstreckt. Bald stellte sich an diesen Theilen Fluc- 
tuation ein und beim Einschnitte entleerten sicl^ grosse Eitermengen; 
es kam zur Bildung frischer Abscesse im Nacken und am Halse. Die 
Anschwellung nimmt dann immer noch vZU, wird hart und schmerzhaft 
und erstreckt sich jetzt von der Warzengegend nach vorn bis unter- 
halb der Augenhöhle, nach hinten bis zur äusseren Hinterhauptsleiste 
und nach unten bis nahe an den Rand des Unterkiefers. Die Haut 
über dem Tumor ist gespannt, glänzend und stellenweise erythematosa 



Rings um die (S 
man mehrere 
dieselben lässt 
wo sie anf we 
liegt eine wei< 
vollständig. I 
oder am Laryi 
Kranken sehr 

Pat. mag« 
Er kann nur 
her mit der .11 

Bei gntei 
schwerden ein 
rirt; der ganz 
reagirt sauer, 
es tritt Stimm] 
des Stemo-ma 
bis zum Tode 
eintritt. 

Bei der S 
fläche starke 
gends Eiter, 
der rechten F 
inferior stark 
den Processus 
— Unter dem 
weiche weissli 
des Halses he 
Schläfenbeins 
senbein ist v 
Knochen ist i 
Kanal ist ver 
Keilbein^ der 
spitze. Der 
pische Unters 
sehen Merkm^ 
unregelmässig 



Vierre Giffo, } 
de Toreme. 

6. theUl 
ri^re mit ü1 
Hay fever, 
sie ja immei 
gen der Tubi 
die Corjza i 



138 IX. Wissenschaftliche Rundschau. 

L. räth^ mehrere Male im Tage kleine Calomeldosen (0,10) zu schnupfen 
und Schwefel Wasser zu trinken; die Hauptsache bleibt jedoch immer 
der Katheter. Kuhn. 



18. 

Bonnafont, Sur quelques ötats pathologiques du tympan, qui provoquent des 
phänom^nes nerveux. (Annales des Mal de roreille. 1879. p. 311—315.) 

Das Tronunelfelly ausser seinen partiellen und seitlichen Bewe- 
gungen, kann auch seine Lage nach innen und nach aussen ^dem. 
An diesen beiden letzteren Bewegungen nehmen die Gehörknöchelchen 
Thcil; bei der Bewegung nach aussen, nach dem Oehörgange zu, 
wird die Steigbügelbasis aus dem ovalen Fenster leicht herausgezogen, 
und dadurch der Vorhofraum entsprechend vergrössert. In dieser 
Weise wird nun eine Erschütterung der Vestibularflüssigkeit eintreten 
und die in den halbcirkelförmigen Kanälen enthaltene Endolymphe 
rückt den Gesetzen der Schwere gemäss an die tiefstgelegenen Par- 
tien der Kanäle. — Wird im Gegentheile das Trommelfell nach innen 
gedrängt, so stellt sich die Steigbügelbasis tiefer ins ovale Fenster 
und comprimirt die Endolymphe der Kanäle. 

B. kann nicht zugeben, dass eine einfache Bewegung mit dem 
Kopfe die Vorhofsflüssigkeit genügend aus der Lage bringen könne, 
um die oben erwähnten Effecte hervorzubringen. 

Bei vielen Kranken mit Entzündung des Trommelfells oder des 
Mittelohres, andere Male bei CerumenpMpfen, bei Polypen oder auch 
bei Exsudaten in der Paukenhöhle ' — also gleichviel, ob ein Druck 
von aussen nach innen oder von innen nach aussen aufs Trommelfell 
wirkte — immer wurden die gleichen Symptome einer Labyrinth- 
reizung beobachtet: Schwindel, Schwanken, oft sogar Erbrechen; nie- 
mals Drehbewegungen, zuweilen Gleichgewichtsstörungen. — Aus allen 
diesen gewiss höchst alltäglichen Beobachtungen zieht nun B. den 
Schluss auf die sich in dieser Weise äussernden sympathischen und 
refleien Wirkungen des gereizten Trommelfells. Kuhn. 



19. 

Claveau, De Tenseignement de la parole dans les institutions des sourds- 
muets. (Paris 1880. Imprimerie nationale.) 

Claveau, Oberinspector der Pariser Wohlthätigkeitanstalten, 
hat unter diesem Titel einen Rapport beim Ministerium des Innern 
eingereicht, der in folgenden Schlussfolgerungen gipfelt: 

1. Beim Unterrichte der Taubstummen führt der gleichzeitige Ge- 
brauch der geschriebenen und der gesprochenen Sprache zu sehr 
günstigen Resultaten, unter der Bedingung jedoch, dass man sich auch 
im Umgange mit den Schülern stets der Lautsprache bediene, und 
dass ein Lehrer nie mehr als 12 — 15 Kinder zu unterrichten habe. 

2. Es wäre nützlich, in den einzelnen Anstalten eine gewisse 
Zahl Schüler nach obiger Methode, und Andere mit der Zeichensprache 



IX. Wissenschaftliche Randschau. 139 

unterrichten zu lassen, um so den Werth beider Lehrmethoden ver- 
gleichen zu können. • 

3. In den Anstalten, in welchen die Lautsprache unterrichtet 
wird, sollen nur Kinder von 8 — 11 Jahren aufgenommen werden* 

4. Für die Erziehung jener Kinder, die zur Erlernung der Laut- 
sprache unfähig sind, mttssten Maassregeln ergriffen werden, die von 
der mehr oder minder grossen Anzahl dieser Schüler abhängig zu 
machen sind. 

5. Im Falle die Versuche nach der unter Nr. 1 angegebenen 
Methode günstig ausfallen und somit eine Umänderung aller staat- 
lichen Taubstummenanstalten erfordern würden, müsste man nach den 
in den grösseren Schulen Italiens eingeftthrten Methoden vorgehen« 

Kuhn. 



20. 

Ladreit de Lacharriere, De raction des courants ^l^ctriques continas sur 
certaines affections de Toreille interne. (Annales des Mal. de Tor. 1S80. 
p. 187—195.) 

Nach L. gibt es Erkrankungen des Ohres mit Taubheit, Ohren- 
sausen etc., bei denen weder am Trommelfelle noch im Mittelohre 
Alterationen nachzuweisen sind, und die man als passive Congestiv- 
zustände im Labyrinthe auffassen muss. Diese passiven Hyperämien 
sollen nun die Folge von Reizzuständen des Sympathicus sein, mit 
anderen Worten den durch diese Reizzustände ausgelösten vasomo- 
torischen Lähmungen der Labyrinthgefässe entsprechen. 

Autor stützt sich hierbei auf die bekannten Versuche Claude 
Bernard 's bei der Durchschneidung des Sympathicus (hochgradige 
Hyperämie der Ohrbiuschel und des ganzen Ohres auf der entspre- 
chenden Seite). 

Bei zwei Frauen, bei welchen sich hochgradige Taubheit nebst 
^Sausen und Ohrschwindel im scheinbaren Zusammenhange mit dys- 
menorrhoischen Zuständen entwickelt hatte und bei welchen weder 
am Trommelfelle noch im Mittelohre krankhafte Zustände nachzu- 
weisen waren, auch jegliche gegen ein allenfallsiges Mittelohrleiden 
gerichtete Therapie erfolglos war, hat L. mit gutem Erfolge den con- 
stanten Strom angewendet. — Die beiden stark abgerundeten Elek- 
troden einer Gaiffe'schen constanten Batterie (12 — 14 — 18 Elemente) 
werden einfach auf die beiden Ohrmuscheln 5 Minuten lang applicirt. 

In gleicher Weise hat L. häufig und mit grossem Erfolge gegen 
einfache (!) Schwächezustände des N. acusticus den constanten Strom 
angewendet. Er sucht die Wirkung derselben in seiner Anregung 
der Contractilität der Gefässwandungen im Labyrinthe, wodurch die 
passive Blutstase resp. Congestion versch¥rinde. Kuhn. 



140 IX. Wissenschaftliche Bandschau. 



21. 

Dr. Löwenherg, Die pflanzlichen Parasiten im menschlichen Ohr, ihre Aetio- 
logie» Prophylaxe und Behandlung, nebst einigen Nutzanwendungen für die 
allgemeine Therapie. Paris 1880. (Separatabdruck aus der 6az. hebdom. de 
med. et de chir.) 

Als Ursachen, welche häufig zur Otomykosis führen, nennt Verf. 
die Einbringung von Fetten in den äusseren Gehörgang, die daselbst 
binnen Kurzem ranzig werden und so den Boden für die überall in 
der Luft vorhandenen Schimmelsporen vorbereiten, und ferner den 
Gebrauch von bereits verdorbenen und Pilzelemente enthaltenden wäs- 
serigen Lösungen. Er räth daher, an Stelle der Fette und Oele 
immer dasGlycerin zu benutzen, wässerige Solutionen aber von Zeit 
zu Zeit aufzukochen, mit nachheriger Filtration, oder auch das Me- 
dicament in alkoholischer Lösung anzuwenden. Die gleichen Vorsichts- 
maassregeln werden sich für die Behandlung der übrigen Organe, 
besonders des Auges empfehlen. Blau. 



22. 

Dr. Luchtau, Assistenzarzt der stadtischen Krankenanstalt zu Königsberg i. Pr., 
Ueber Ohren- und Augenerkrankungen bei Febris recurrens. (Yirchow's 
Archiv. 82. Bd. S. 18—27. 1880.) 

Verf. hat in 180 Fällen von Typhus recurrens das Gehörorgan 
auf etwa hier vorhandene Erkrankungen untersucht und solche 1 5 mal, 
also bei 8 Proc. seiner Patienten constatiren können. Stets handelte 
es sich um eine acute eitrige Mittelohrentzündung, die in der Regel 
kurz nach einem überwundenen Anfalle aufgetreten war. In Bezug 
auf ihre Entstehung wäre hervorzuheben, dass nur bei einem der 
betreffenden Kranken ein leichter Kachenkatarrh beobachtet wurde; 
es konnte mithin die Entzündung nicht, wie man anzunehmen pflegt, 
vom Pharynx auf die Tuba und Paukenhöhle übergegangen sein, 
sondern man musste sie vielleicht als Product der Einwirkung der 
specifischen Krankheitserreger der Recurrens betrachten. Die Sym- 
ptome waren die gewöhnlichen, die Prognose nicht ungünstig, voraus- 
gesetzt, dass der Fall früh zur Behandlung kam. Letztere wurde in 
der üblichen Weise vorgenommen, nur dürfte sich zur Luftdouche bei 
acuten Entzündungen des Ohres gewiss mehr das Politzer 'sehe 
Verfahren als das hier fast immer angewandte Experimentum Valsalvae 
empfehlen. Bemerkenswerth war endlich noch, dass sich die meisten 
Gomplicationen seitens des Gehör- und Sehorgans zur Zeit des Höhe- 
punktes der Recurrens - Epidemien einstellten. Blau. 



23. 

D. B, St. John Roosa, Syphilitische Erkrankungen des inneren Ohres. Eine 
Besprachung einiger neuer, diese Affection betreffender Mitth eilungen. (Z 
f. 0. IX. 4. S. 303.) 



IX. Wii 

*Die vorliegende Arbe; 
und richtet sich gegen ein 
hanptungen^ wonach die pl 
heit nicht, wie man allge 
Labyrinths, sondern auf si 
ruhen soll. Mit Recht bet 
Sexton 's keineswegs das 
sondern viel eher im entge^ 
dass femer die von ihm : 
physiologischen nnd path< 
sind etc. Ohne auf Detai 
die Schlusssätze wiedergel 
gegenüberstellt: 1. BedeuJ 
sie plötzlich auftritt und 
gange oder im Mittelohr, i 
gänglich sind, erklärt wei 
nische Behandlung nicht l 
Verlaufe der Syphilis aufi 
Läsion des Labyrinths oc 
totale Taubheit, sowie die 
sind Symptome entweder 
affection. , 3. Wenn die Sti 
Schädel aus vernommen, ' 
durch die Knochenleitung 
Labyrintherkrankung zu 
kung, welche bald nach i 
und Jodkalium behandelt 
heilt werden. 5. Patholo 
gleich nicht zahlreich, hs 
derungen dargethan, welc 
genen Schlussfolgerungen 



D. A. St, John Roosa, Eine 

Verf. empfiehlt eine 
New- York erfundene Ohrd 
auf den Gehörgang, das 
zu lassen. Dieselbe beste 
Gehörgang passenden Ohri 
mischlauch mit einem trieb 
Weise mit einem das abfl 
bunden ist. Das Ohrstücl 



1) Die Beziehungen dei 
Hörschärfe. Yerhandl. d. u 
heit bei syphilitischer Behai 
Sciences. July 1S79. 



142 IX. Wissenschaftliche Randschan. 

stimmten freien Ende eine kleine ^ leicht mit dem Finger zu ver- 
schliessende Aushöhlnng. Thut man nun dieses, während man Wasser 
in den Trichter giesst, so wird natürlich alle Luft ans dem Apparate 
ansgetrieben. Alsdann stülpt man den Trichter in ein Gefass, wel- 
ches , in einer gewissen Höhe angebracht , warmes Wasser enthält, 
comprimirt die Gummischläuche nahe dem Ohrstück und setzt letz- 
teres in den Gehörgang ein. Mit Aufhören der Compression ist jetzt 
ein continuirlicher Strom hergestellt, der, ohne zu reizen, beliebige 
lange unterhalten werden kann. — Ref. möchte sich die Frage er- 
lauben, ob dieser Apparat wirklich so grosse Vortheile gegenüber den 
bisher für den gleichen Zweck verwendeten bietet und ob bei ihm 
nicht die Gefahr vorhanden ist, dass durch Verstopfung des Abfluss- 
kanales der Wasserdruck im Ohre übermässig erhöht wird. Blau. 



25. 

Thomas R. Pooley in New -York, Ein Beitrag zur Pathologie des Gehör- 
organs. (Z. f. 0. IX. 4. S. 324.) 

1. Patientin, 21 Jahre alt, erkrankte vor fünf Monaten unter 
heftigen, mit Anschwellung verbundenen Schmerzen erst der rechten, 
dann auch der linken Kopfhälfte. Anamnese und Untersuchung er- 
gaben keine Zeichen von Syphilis, Behandlung mit Jodkalium nutzlos. 
Es folgten Schwerhörigkeit, sich bis zur totalen Taubheit steigernd, 
ohne objectiven Befund, Parese des linken Levator palpebrae supe- 
rioris und des Levator anguli oris; beiderseits bestand ferner Stauungs- 
papille, doch war das Sehvermögen offenbar nicht geschwächt. Tod 
durch acute Pneumonia catarrhalis duplex. — Autopsie: Multiple Ex- 
ostosen an der Aussenfläche der Schädelknochen, besonders reichlich, 
auf den Hervorragungen der Scheitelbeine und des Stirnbeins. Da^ 
neben einzelne oberflächliche Substanzverluste, wie bei Caries^ ein 
nur mittelst einer periostartig aussehenden Membran verschlossener 
Substanzverlust fand sich in der linken Hälfte des Os occipitale, dicht 
neben der Mittellinie. Die Nähte überall gelockert, die Schädelkno- 
chen ausserdem röthllch gefärbt und erweicht. Linkes Felsenbein 
verdickt und durch Exostosen oder locale entzündliche Processe de- 
formirt. Thrombose des linken Sinus lateralis, petrosus inferior und 
beider Sinus cavernosi ; dieselbe setzte sich über das Torcular Hero- 
phili hinaus auf die rechte Seite fort, die Thromben waren entfärbt, 
adhärent, stellenweise erweicht. Der sechste, siebente und achte Ge- 
hirnnerv an ihrem Ursprung erweicht und abgeflacht. Sonst im Ge- 
hirn nichts Abnormes, ebenso wenig im mittleren und inneren Ohr. 
Fasern der Acustici normal, doch fand man eine ungewöhnlich grosse 
Zahl kleiner Kömer sowie einige Corpora amylaoea zwischen ihnen 
zerstreut. Acute katarrhalische Pneumonie. — Verf. macht darauf 
aufmerksam, dass es in diesem Falle unmöglich war, bei Lebzeiten 
die Sinusthrombose zu diagnosticiren. Letztere hält er für die Ur- 
sache der Taubheit und bringt ihre Entstehung mit dem suppurativen 
Frocess in den Schädelknochen in Zusammenhang. Das Enochenleiden 
aber war aller Wahrscheinlichkeit nach syphilitischen Ursprungs. 



IX. Wissenschaftliche Rimdschau. 143 

2. Rechtsseitige chronische Otitis media purulenta^ Schmerzhaf- 
tigkeit und Anschwellung Aber dem Warzenfortsatz, dessen Eröffnung 
erst erlaubt wurde, nachdem sich bereits Meningitis eingestellt hatte. 
— Sectionsbefund : Eitrige Meningitis an der Convexität und Basis 
der rechten Hirnhemisphäre ; dieselbe hatte an keiner Stelle die grosse 
Himsichel überschritten, war aber auf die rechte Hälffce des Tento- 
rium übergegangen. Oberfläche des Cerebellum beiderseits entzündet, 
von theils grünlichem, theils röthlich- gelbem, buntscheckigem Aus- 
sehen. Entzündliche rothe Erweichung an der Spitze des rechten 
Schläfenlappens, mit Einschluss eines Drittels des Oyrus lingualis 
sowie eines Theiles des Nuclens amygdaiae« Linke Hemisphäre bis 
auf eine arterielle Injection ihrer Häute gesund. Dicker käsiger 
Eiter in der Paukenhöhle, dem Antrum mastoideum und den zum 
Theil durch Caries verschmolzenen Zellen des Warzenfortsatzes, im 
Vorhof, den halbeirkelförmigen Kanälen, der Tuba und dem Canalis 
pro tensore tympani. Der Hiatus canal. Fallop. sowie die Apertura 
aquaeductus vestibuli zeigten nichts Abnormes. Trommelfell nur noch 
in seinem vorderen unteren Dritttheil erhalten und am Manubrium 
befestigt. Hammer intact, von den anderen beiden Gehörknöchelchen 
nichts mehr vorhanden. Dach des Antrum mast. grünlich, dünn und 
weich, offenbar nekrotisch, das Dach der Paukenhöhle sehr dünn, 
ebenfalls grünlich und von einem Kranze injicirter Blutgefässe um- 
geben. An diesen Stellen hatte wahrscheinlich die Ueberleitung der 
Entzündung auf die Hirnhäute stattgefunden, da sich weder ein an- 
derer Weg der Fortpflanzung noch irgendwo eine Perforation des 
Knochens nachweisen Hess. 

3. Eitrige Mittelohrentzündung links, Schmerzhaftigkeit, Röthung 
und Schwellung des Warzenfortsatzes. Künstliche Eröffnung desselben. 
Darnach Besserung von beinahe zweimonatlicher Dauer, dann aber 
Somnolenz, Coma und Exitus lethalis. Die Schmerzen im Ohre waren 
schon 18 Tage nach der Operation wieder aufgetreten. — Sections- 
befund : Noch nicht abgekapselter Abscess im linken mittleren Hirn- 
lappen^ der in den Seitenventrikel durchgebrochen war; derselbe lag 
unterhalb des äusseren hinteren Randes des linken Thalamus opticus, 
der ganze mittlere Lappen, der hintere Theil des vorderen und der 
vordere Theil des Hinterhauptslappens befanden sich in einem bei- 
nahe zerfliessenden Zustande. An der Basis der ganzen linken Hemi- 
sphäre bestand ausgesprochene Pachymeningitis, und es haftete ferner 
eine kleine, oblonge, gelblichweisse Neubildung an der hier vom Kno- 
chen losgelösten Dura mater ; ausserdem sah man daselbst noch meh- 
rere ähnliche kleinere zerstreute Neubildungen. (Verdickungen der 
Membran durch die Pachymeningitis oder Gummata?) Felsenbein aus- 
gedehnt cariös, die äussere Hälfte der inneren Oberfläche war rauh 
und Hess einige kleine Perforationen erkennen. — Der Hirnabscess 
hatte sich in diesem Falle vermuthlich erst nach der Operation ge- 
bildet. Blau. 



144 IX. Wissenschaftliche Rundschau. 

26. 

B, B. SU John Roosa und Edward T, Ely , Klinische Beiträge zur Ohren- 
heilkunde. (Z. f. 0. IX. 4. S. 335.) 

1. Verlust des Gehörs nach einem Kuss auf das Ohr. Sofort 
nach demselben stellten sich bei der 42 Jahre alten Patientin lär- 
mende Geräusche auf der betreffenden Seite ein^ später wurde auch 
Schwerhörigkeit bemerkt. Grosse Empfindlichkeit gegen Geräusche«. 
Uhr 0, Perception durch den Knochen herabgesetzt. Bei der Unter-^ 
suchung des Ohres normaler Befund. — Verf. nimmt hier eine durch 
den Kuss hervorgerufene Labyrinthaffection (Erschütterung) als Ur- 
sache der Taubheit an. 

2. Höchst beunruhigende Ohnmachtseracheinungen nach schonen- 
der Ausspritzung des Ohres mit warmem Wasser und Reinigung mit- 
telst des Baumwollehalters bei einem an Otitis media chronica puru- 
lenta leidenden 40 jährigen Manne. 

3. Tiefe Ohnmacht nach dem Politzer 'sehen Verfahren. Die 
betreffende Patientin, 19 Jahre alt, sehr nervös und anämisch, hatte 
in ihrer Kindheit rechts an eitriger Mittelohrentzündung nach Schar- 
lach gelitten, das Trommelfell erschien auf dieser Seite jetzt narbig 
und hyperämisch, das linke eingezogen. Beim nächsten Besuch wurde 
die Kranke nach, einer sehr schonenden Lufteintreibung mittelst Hinton- 
scher Röhre (?) wieder ohnmächtig. 

4. Sängerin von Profession mit rechtsseitiger Paukenhöhleneite- 
rnng und pfeifendem Geräusch. Schwindel beim Singen hoher Töne. 
Diese Töne erschienen ihr auch unrein, dagegen wurden alle Töne 
des Klaviers richtig percipirt. 

5. Abscess über dem Warzenfortsatz ohne Zeichen einer Erkran- 
kung des äusseren oder mittleren Ohres, der Beschreibung nach eine 
primäre Periostitis, wie sie hier ja gar nicht so selten vorkommt. - 

6. Geistige Depression durch Anhäufung von Cerumen bedingt 
und durch Entfernung desselben gehoben. Der 18 Jahre alte Patient 
hatte auf der betreffenden Seite früher an eitriger Paukenhöhlenent- 
zündung gelitten, dieselbe war beseitigt, doch scheint sich die Per- 
foration des Trommelfells nicht geschlossen zu haben. 

Endlich theilt Verf. noch mit, dass er in letzter Zeit mehrere 
Fälle von chronischer Mittelohreiterung gesehen, in welchen die Pau- 
kenhöhle und wahrscheinlich auch die Zellen des Warzenfortsatzes 
mit Schleimmassen von zäher, leimartiger Beschaffenheit angefüllt 
waren. Einige Male schien eine frische eitrige Absonderung durch 
Schleimsecretion ersetzt worden zu sein, bei anderen Kranken hatte 
lange kein eitriger Ausflnss stattgefunden. Der Schleim war schwer 
entfernbar, bildete sich immer wieder, verursachte Druck im Kopfe, 
Wechsel der Hörschärfe etc. Eine gewöhnliche Spritze für den Thrä- 
nenkanal mit langem, biegsamem Ansatz zeigte sich zu seiner Aspi- 
ration, besonders nach gemachter Paracentese, sehr geeignet. 

Blau. 



IX. Wissenschaftliche Rundschau. 145 

27. 

F. C. Hotz in Chicago, Die frühzeitige Perforation des Warzenfortsatzes bei 
Otitis media purulenta acuta, complicirt durch acute Entzündung der War- 
zenzellen. (Z. f. 0. IX. 4. S. 340.) 

Verf. empfiehlt, in FftUen von acuter Eiteransammlang im War- 
zenfortsatz sich nicht lange erst mit localen Blntentziehungen und der 
Wilde 'sehen Incision aufzuhalten, sondern sofort die künstliche Er- 
öffnung des Antrum mastoideum vorzunehmen. Die einzige Schwie- 
rigkeit besteht darin, dass es sich aus den Symptomen allein oft nicht 
entscheiden lässt, ob eine Entzündung im Innern der Warzenzellen 
oder nur eine acute Periostitis an der äusseren Enochenfläche vor- 
liegt; hier muss eben die Beschaffenheit des Periosts nach dem Ein- 
schnitt Aufschluss geben. Verf. formulirt die Indication für die ope- 
rative Behandlung der acuten Erkrankungen der Regio mastoidea 
folgendermaassen : Wenn im Verlaufe einer acuten Otitis media puru- 
lenta die Warzenfortsatzgegend roth, geschwollen und schmerzhaft 
wird und sich diese Symptome durch Blutegel und warme Umschläge 
(besser wohl Eis: Ref.) nicht rasch wieder beseitigen lassen, so soll 
eine Incision bis auf den Knochen gemacht werden. Findet man jetzt 
das Periost in einem ausgesprochen entzündeten Zustande, also ge- 
röthet, erweicht und verdickt, vom Knochen leicht ablösbar, so ist 
mit dem Einschnitt die Operation beendet. Dagegen hat man, wenn 
die Zeichen einer* acuten Periostitis fehlen , unmittelbar nach dem 
Wilde 'sehen Schnitt die künstliche Eröffnung des Warzenfortsatzes 
vorzunehmen. — Zur Illustration des Gesagten werden zwei vom Verf. 
mit frühzeitiger Trepanation behandelte und schnell geheilte Fälle an- 
geführt. Blau. 

28. 

H. Knapp in New- York, Ueber ererbte syphilitische Ohrenleiden. (Z. f. 0. 
IX. 4. S. 349.) 

Nach Aufzählung des bisher von den Autoren über hereditär- 
syphilitische Ohraffectionen Angegebenen theilt Knapp folgende zwei 
einschlägige Beobachtungen mit. Erster Fall: Kind von 5 Jahren, 
mit ererbter Lues behaftet und seit zwei Monaten an Keratitis paren- 
ehymatosa erkrankt. Als diese sich schon wieder in der Besserung 
befand, trat 1^/2 Jahr später plötzlich eine so rasch zunehmende 
Schwerhörigkeit auf, dass Patientin nach fünf Tagen nicht mehr die 
lauteste Sprache verstehen konnte. Nach einer Woche besserte sich 
das Gehör wieder etwas. Weder Schmerz noch Tinnitus waren vor- 
handen, wohl aber Kopfweh, unsicherer und taumelnder Gang, häufige 
Schwindelanfälle. Beide Trommelfelle eingesunken, das linke geröthet; 

1*3 1 

die Rachenwände roth und geschwollen. H rechts -^. links — 

24 ' oo 

(Ohr und Schädelknochen), V rechts ^/eo, links ^/eo* Tuba Eustachii 
durchgängig, nach Politzer 's Verfahren Gehör schlechter. Die Be- 
handlung bestand in Anwendung des Zerstäubers für den Nasenrachen- 

ArchiT f. Ohrenbeilkiinde. XYIL Bd. 10 



146 IX. Wissenschaftliche Bundschau. 

raum^ Gurgelungen^ 3 mal täglich 0,12 Jodkalium und 2 mal wöchent- 
lich zu nehmenden türkischen Bädern; später 0,02 Galomel pro die. 
Das Gehör schwankte in den ersten beiden Monatön beträchtlich, zu 
Anfang des dritten Monats trat ein Eeratitisrückfall mit sehr heftigem 
Kopfweh, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen auf. Linkes Trom- 
melfell normal, das rechte röthlich; starke Schleimsecretion im Nasen- 
rachenraum. V ^/eo wurde durch Politzer 's Verfahren beiderseits auf 
20/eo erhöht. Von da ab stetige Besserung, so dass Patientin ^4 Jahre 
nach Beginn der Ohrenafifection als vollständig geheilt entlassen wer- 
den konnte. — Offenbar war hier gleichzeitig eine Erkrankung des 
mittleren und inneren Ohres vorhanden, wie sich aus der hochgradigen 
Schwerhörigkeit und dem Andauern derselben, nachdem die massig 
entwickelten katarrhalischen Erscheinungen schon wieder verschwun- 
den, ferner aus den bis auf das Sausen sämmtlich gegenwärtigen 
Meni^re 'sehen Symptomen etc. ergab. Im Uebrigen stellte sich das 
syphilitische Ohrenleiden mit seiner charakteristischen plötzlichen und 
intensiven Schwerhörigkeit hier früher als gewöhnlich ein, indem sonst 
die Zeit seines Eintrittes meist ungefähr das 14. Lebensjahr ist. 

Der zweite Fall des Verf. betraf eine 22 jährige Dame. Im Alter 
von 17 Jahren Keratitis parenchymatosa duplex. Während des Be- 
stehens derselben Anfälle von Kopfweh, Ohrensausen, Brechneigung 
und wirklichem Erbrechen, Schwindel und unsicherem Gang. Vom 
ersten derartigen Paroxysmus an allmählich zunehmende Schwerhörig- 
keit. Die Untersuchung ergab auch hier eine Labyrinthaffection neben 
leichtem Mittelohrkatarrh. Darin aber unterschied sich dieser Fall 
wesentlich von dem vorhergehenden, dass trotz Galomel und Jodka- 
lium nur eine geringe Besserung des Gehörs erfolgte. Der Grund 
hierfür lag wahrscheinlich in den ungünstigen äusseren Verhältnissen, 
in welchen Patientin lebte, ein Moment, das auch nach Hin ton we- 
sentlich die Prognose beeinflnsst. Jedenfalls lehrt jedoch die erste 
Beobachtung des Verf., dass wir auch bei hereditär -syphilitischer 
Taubheit nicht von vornherein eine zu ungünstige Prognose stellen 
dürfen, vielmehr das Leiden stets mit Umsicht und Ausdauer behan- 
deln müssen. Blau. 



29. 

F, C, Hotz in Chicago, Zur Oasuistik der Malariakrankheiten des Mittelohres. 
• (Z.f.O.IX.4. S.356.) 

Verf. hat einen Fall von Otitis intermittens beobachtet, welcher 
den von Weber-Liel unter diesem Namen beschriebenen vollstän- 
dig glich. Das Leiden trat unter dem Bilde einer acuten perforati- 
ven Mittelohrentzündung mit Eingenommenheit des Kopfes, Druck und 
Völle im Ohr, subjectiven Geräuschen und heftigen Schmerzen auf, 
charakterisirte sich aber besonders dadurch, dass die Schmerzen regel- 
mässig wiederkehrende Pausen, hier dem Tertiantypus folgend, Inach- 
ten und dass während dieser freien Intervalle auch die subjectiven 
und objectiven Symptome der Entzündung in bemerkenswerther Weise 
nachliessen. Den Beschluss eines jeden solchen Paroxysmus bildete 



IX. Wissenschaftliche Rnndschaa. 147 

• 

der Ausbruch einer reichlichen Schweisssecretion. Oertliche Eingriffe , 
wie Betupfen der Perforationsränder mit schwacher Höllenstein- oder 
Eupferlösung , verschlimmerten den Zustand beträchtlich , dagegen 
brachte Chinin baldige Heilung. — Ausser diesen typischen inter- 
mittirenden Formen kommen nach. Hotz in Malariagegenden aber 
auch noch Entzündungen des Mittelohres vor^ welche zwar durch eine 
andere Ursache hervorgerufen sind, so in einem Falle des Verf. durch 
Aufschnupfen von kaltem Wasser in die Nase, die femer keinen inter- 
mlttirenden Verlauf zeigen, auf deren Wesen aber trotzdem die Ma- 
laria einen gewissermaassen modificirenden Einfluss ausgeübt hat. Bei 
ihnen steht die Heftigkeit der Schmerzen und die Hyperästhesie des 
Gehörganges ebenfalls in gar keinem Verhältniss zu den objectiven 
Entzündungserscheinungen; desgleichen bleibt eine locale Therapie 
erfolglos oder wirkt noch eher schädlich, während die Krankheit 
durch Chinin binnen Kurzem beseitigt wird. Letzteres empfiehlt Verf. 
in kleinen und häufigen Dosen zu geben, etwa 0,Q6 — 0,12 Grm. alle 
1 — 2 Stunden, mit der gleichen Menge Pulvis Doweri gemischt, und 
zwar am Besten als Pulver in einem Löffel voll Thee. Chininpillen 
haben ihm mehrmals die Wirkung versagt. Blau. 



30. 

F. C. Hotz in Chicago, Ein Abscess der Postauriculargegend ohne Erkran- 
kung des Mittelohres. (Z. f. 0. IX. 4. S. 364.) ( 

Srvan M. Bumeti in Chicago, Ein Fall von primärer äusserer Warzenfortsatz- 
EntzünduDg. (Z. f. 0. IX. 4. S. 369.) 

Der von Hotz beobachtete Patient, mit chronischem Pauken- 
höhlenkatarrh behaftet, bekam plötzlich eine schmerzhafte Entzündung 
in der Warzenfortsatzgegend, wahrscheinlich eine Periostitis, welche 
einerseits zu einer umfangreichen Abscessbildung unterhalb der Ohr- 
muschel, sowiq ferner zum fistulösen Durchbruch in den Gehörgang 
und zwar^ wie in allen solchen Fällen, an der Vereinigungsstelle von 
dessen knöchernem und knorpligem Theile führte. Ausgiebige Incision 
und Drainage des Abscesses bewirkten baldige Heilung. 

Bei dem Kranken Burnett 's, wo sich ebenfalls der Eiter in 
den Gehörgang entleerte, erwies sich das Mittelohr als vollkommen 
gesund. Blau. 

31. 

TÄ05. /. i>i% in Fort Wayne, Ind., Ein Fall von Trommelf ellruptur nach einer 
Ohrfeige. Schnelle und vollständige Genesung. (Z. f. 0. IX. 4. S. 367.) 

Dieser Fall schliesst sich den zahlreich beschriebenen Rupturen 
des Trommelfells aus gleicher Ursache an, ohne etwas Neues zu 
bieten. Der Riss war 6 Mm. lang und verlief in horizontaler Rich- 
tung 2 Mm. unterhalb des Endes vom Hammergrifi^. Nach 3 Tagen 
war er bei exspectativer Behandlung gebeilt. Blau. 



10* 



148 IX. Wissenscliaftlidie Bundschau. 



32. 

S. Moos in Heidelberg, lieber die Ohrenkrankheiten der Locomotivfübrer und 
Heizer, welche sociale Gefahren in sich bergen. (Z. f. 0. IX. 4. S. 370.) 

Folgendes sind die Schlnsssätze, in welchen Verf. seine Ansicht 
über den diesbezüglichen Gegenstand resnmirt. 1. Bei den Locomotiv- 
fflhrern nnd Heizern findet bald früher, bald später eine Erkrankung 
des Gehörorgans mit bedeutender Verminderung der Hörschärfe und 
zwar in der Hegel auf beiden Seiten, durch die Ausübung ihres Be- 
rufes statt, möglicher Weise eher und früher bei denjenigen, welche 
ihren Dienst in Gebirgsbahnen verrichten (häufige Tunnelfahrten mit ^ 
der dabei statthabenden jähen Abkühlung), als bei solchen, die vor- 
zugsweise auf Bahnen in der Ebene fahren. Als Erklärungsmomente 
für diese Erkrankungen kommen der beständige Lärm, welcher Laby- 
rinthaffectionen hervorzurufen vermag, sowie femer der oftmalige 
schroffe Temperaturwechsel, die directe Einwirkung von Wind, Regen 
und Schnee auf den erhitzten Körper, wodurch leicht katarrhalische 
Affectionen erzeugt werden können, in Betracht. 2. Diese erwor- 
bene Schwerhörigkeit erscheint mit Rücksicht auf die Signalordnung 
gefährlicher als die Farbenblindheit, denn bei letzterer handelt es 
sich um einen angeborenen Zustand, welcher sich präcise schon 
vor der Indienststellung constatiren lässt, bei jener dagegen um eine 
langsame schleichende, oft dem Träger des Leidens unbewusste er- 
worbene Krankheit, von der er oft selbst sich erst bewusst wird, 
wenn durch einen Zufall, z. B. durch eine Erkältung oder durch eine 
Verletzung die Hörschärfe auf einer oder auf beiden Seiten noch 
mehr abnimmt oder völlig vernichtet wird. 3. In welchem Procentver- 
hältniss diese Erkrankung des Gehörorgans stattfindet, kann erst durch 
vielfache statistische Erhebungen und Untersuchungen festgestellt wer- 
den. Die Thatsache an sich steht fest und selbst wenn sich dieselbe 
als eine verbältnissmässig seltene Ausnahme herausstellen sollte, so 
bleibt sie wichtig genug, denn die Ausnahme bringt die Gefahr. 4. Die 
Untersuchung des Gehörorgans muss vor der Indienststellung mit der 
grössten Sorgfalt und kann und darf nur von einem Arzt vorgenom- 
men werden, der sich eingehend mit Ohrenheilkunde beschäftigt hat 
oder der zum mindesten versteht, wie man das Gehörorgan untersucht 
und eine genaue Functionsprüfung desselben anstellt. 5. Hat Jemand 
als Heizer bereits längere Zeit fnngirt, so erheischt seine definitive 
Anstellung als Locomotivfübrer ganz besondere Vorsicht in der ge- 
dachten Richtung. 6. Bei der definitiven Anstellung dürfte es zweck- 
mässig sein, den Betreffenden darauf aufmerksam zu machen, dass 
eine Beeinträchtigung des Gehörvermögens durch den Beruf möglich 
sei und dass er, wenn er das Geringste in dieser Hinsicht bemerkt, 
sich melde. 7. Die Aerzte selbst sollten verpflichtet werden, in jedem 
Falle von Schwerhörigkeit eines Heizers oder Locomotivführers so- 
bald wie möglich dem Vorstande der betreffenden Eisenbahnbehörde 
die Anzeige zu machen. 8. Eine mindestens immer innerhalb zwei 
Jahren wiederkehrende Untersuchung des Gehörorgans erscheint bei 



IX. Wissenschaftliche Rimdschaa. 149 

den Locomotivffihrern nnd Heizern zur Vermeidung von Gefahren an- 
gezeigt; bei solchen, die auf Gebirgsbahnen fahren , vielleicht noch 
öfter. Blau. 

33. 

Ihr. Weil in Stut<;gart, Ueber Krankheiten der Nase und des Nasenrachen- 
raumes mit Demonstrationen von Instrumenten und Apparaten. Vortrag im 
Stuttgarter ärztlichen Verein, 4. März 1S80. (Med. Corr.-Bl. des Würtemb. 
ärztl. Vereins Nr. 30. 1 880.) 

W. spricht cursorisch zunächst ttber die Anatomie der Nase und 
des Nasenrachenraumes , dann über acuten Katarrh dieser Partien. 
DasB er zur Beseitigung drückender Kopfschmerzen durch Schnupfen 
Chloroformdämpfe empfiehlt, dürfte kaum zu billigen sein. Denn aus 
der Geschichte des Chloroforms ist bekannt, dass dasselbe in einzel- 
nen Fällen schon nach den ersten Athemzügen oder nach ein paar 
Minuten eine lethale Wirkung gehabt hat (vergl. Kappeier 20. Lie- 
ferung von Billroth und Lücke, Deutsche Chirurgie S. 68 u. folg.). 
Als Prophylacticum gelegentlich beginnenden und durch Kitzel im 
Halse sich ankündigenden Schnupfens lässt er in den Rachen recht 
oft Borsäure mittelst Pulverbläser appliciren ; bei chronischem Nasen- 
Katarrh mittelst eines ganz aus Glas (von Mollenkopf in Stuttgart) 
angefertigten Zerstäubungsapparates schwache (Vsprocentige) Höllen- 
jsteinlösnng. — Bei der Empfehlung von Einspritzungen in die Nase 
gelegentlich der Behandlung kleiner Kinder hätte er sich mit grös- 
serer Vorsicht ausdrücken sollen. Seine Behauptung, dass dabei nichts 
in die Ohren dringt, dürfte von erfahrenen Ohrenärzten schwerlich 
bestätigt werden. — Wucherungen des Nasenrachenraumes durch 
Pulverisation von HöUensteinlösungen zu verkleinern, ist doch wohl, 
wenn nicht unmöglich, jedenfalls unzweckmässig (Ref.). Jacob y. 



34. 

Dr, Albert Bing in Wien, Zur Casuistik der TrommelfeUentzündnng. (Wiener 
med. Blätter. Nr. 38 und 39. 1880.) 

Der Seltenheit, und, bei starker Prominenz der vorderen Gehör- 
gangswand, praktischen Bedeutung wegen erzählt B. zuerst die Kranken- 
geschichte eines Falles von vermeintlich idiopathischer circumscripter 
Entzündung des vorderen untern Trommelfellqnadranten. Verlauf und 
Therapie bieten nichts Neues. Das idiopathische aber dürfte bei 
einem Falle, den man* ein paar Monate nach dem Beginn des Vor- 
ganges zu behandeln bekommt aus naheliegendem Grunde doch kaum 
noch mit Sicherheit zu erweisen sein. — Dasselbe gilt bezüglich des 
idiopathischen auch von dem zweiten Kranken, der vernachlässigt erst 
6 — 7 Wochen nach der Entstehung sich vorstellte. Aus dem Ver- 
laufe glaubt sich B: zu dem Schlüsse berechtigt, dass bei dem ent- 
zündlichen Vorgange eine Betheiligung des sogenannten Grub er- 
sehen Knorpelgebildes (richtiger wohl der Knorpelscheide des Ham- 
mergriffs. Ref.) (vgl. Traut mann, A. f. 0. XI. S. 104) stattgehabt 



150 IX. WisBenschaftliche Rnndschaa. 

habe. — Polypöse Granulationen in der Gegend des Proc. brevis ge- 
hören nicht zu den grossen Seltenheiten und heilen einschliess- 
lich des Grundvorganges öfters schnell durch einmalige gal- 
vanokaustische Behandlung. Jacob 7. 



35. 

Dr. W, Kirchner in Würzburg, Beiträge zur Verletzung des Gehörorgans. 
(Bair. ärzti. Intellig.-Bl. Nr. 30. 1880.) 

An der Hand von 10 neuerdings seinerseits beobachteten Ohr- 
verletzungen bespricht E. die verschiedenen Befunde vorzugsweise 
in differentiell- diagnostischer und prognostischer Beziehung. Wesent- 
lich Neues findet sich dabei nicht angegeben. Am Schlüsse stellt er 
folgende Sätze für die prognostische Beurtheilung auf: 

1. Leichte Verletzungen der Ohrmuschel und des Gehörganges 
haben für das Hörvermögen keine Bedeutung. 

2. Schwerere Verletzungen der genannten Theile (Substanzver- 
luste, Absprengung von Knochen des Gehörganges) bedingen durch 
nachträgliche Stenosirung immer eine bleibende Beschädigung des 
Hörorganes höheren oder niederen Grades. 

3. Leichte Rupturen des Trommelfells ohne Labyrintherschfltte- 
rung heilen in der Regel ohne Nachtheil für das Hörorgan. 

4. Grössere Zerstörungen am Trommelfell^ Quetschungen ^ Sub- 
stanzverluste, Verletzungen der Gehörknöchelchen bedingen, nach Ab- 
lauf einer gewöhnlich langwierigen Eiterung immer einen bleibenden 
Nachtheil höheren oder niederen Grades. 

5. Verletzungen des erkrankten, oder in Folge chronischen Eite- 
rungsprocesses des Mittelohres perforirten Trommelfells bedingen durch 
Hervorrufung einer sehr heftigen Reaction und profusen Eiterung 
eine weitere^ oft sehr erhebliche Verschlechterung des früher verhält- 
nissmässig noch guten Hörvermögens. 

6. Eine Verletzung des Labyrinthes durch sogenannte Erschütte- 
rung, die bei allen Insulten am Kopfe oder Ohre vorkommen kann, 
bedingt bleibende hochgradige Schwerhörigkeit, jedoch ist erst nach 
3 — 4 Monaten die Prognose mit Sicherheit zu stellen. 

7. Traumatische Rupturen des Trommelfells lassen sich als solche 
objectiv mit Sicherheit nur in den ersten Tagen nach der Verletzung 
feststellen ; später kann eine Unterscheidung von einer durch Krank- 
heit entstandenen Perforation nur äusserst schwierig oder gar nicht 
mehr geschehen. Jacoby. 

36. 

JDr. Gustav Justi in Idstein am Taunus, Indicationen und Anwendung des 
scharfen Löffels bei Geschwülsten der Nasenhöhle und des Nasenrachen- 
raumes. (Wiener med. Wochenschrift Nr. 38. 1880.) 

Nach Aufzählung der durch Neubildungen in der Nase und im 
Nasenrachenraum veranlassten Symptome, und der verschiedenen zur 
Beseitigung jener gebräuchlichen Operationsmethoden vindicirt J. dem 



IX. Wissenschaftliche Rundschaa. 151 

scharfen Löffel das Gebiet der adenoiden Vegetationen, weil derselbe 
am schnellsten znm Ziele führt. J. benutzt einen solchen am gebo- 
; genen^ resp. biegsamen Stiele oder am Ringe. Von 30 mit scharfem 
Löffel behandelten Kranken ist J. bei 26 mit einer einzigen 
gründlichen Ausschabung zum Ziele gekommen. — Auch Schleim- 
polypen in der Nase lassen sich nach J.'s Erfahrung leicht, gründlich 
und schnell durch scharfen Löffel entfernen. — Da wo der Zu- und 
Durchgang der Nase hochgradig erschwert ist, wendet er als Voract 
die Dilatation durch Quellmeissel an, ein Verfahren, das er in der 
Wiener med. Wochenschrift Nr. 29 pro 1880 beschrieben hat. Im 
Hinblick auf seine 1. c. gemachte Angabe, wonach Laminariastift zu- 
nächst 30 ( ! ) Stunden, demnächst Pressschwamm 15 — 20 ( ! ) Stunden 
in der Nase liegen bleiben muss, erscheint dem Ref. für Fälle, die 
der kalten oder galvanokaustischen Schlinge zugänglich sind, die An- 
wendung dieser aus naheliegenden Gründen angemessener. 

Jacoby. 

37. 

Dr. Hauenvaas, Beitrag zur Anatomie des Schläfenbeins. (M. f. 0. Nr. 5. 

1880.) 

Einleitungsweise macht H. auf die Entstehung von Grübchen an 
der inneren Fläche ^er Calvaria sowie an anderen Theilen der Innen- 
fläche des Schädels aufmerksam. Jene werden veranlasst durch die 
Enochenvenen bei ihrem Austritt aus dem Knochen, bez. ihrer Ein- 
mündung in den Sinus. Am stärksten entwickelt finden sich solche 
Gruben in den grösseren Sulcis, entsprechend den resp. Sinus. Von 
jenen sind für den Ohrenarzt selbstredend die im Schläfenbein be- 
findlichen von besonderem Interesse. Zu jenen rechnet er in gene- 
tischer Beziehung auch die an einem durch Abbildung illustrirten 
Präparate vorkommende Lochbildung in den unmittelbar an das For. 
jug. anstossenden Theil des Sulcus sigmoideus. Vermittelt wird die 
Entstehung solcher secundären Löcher seiner Auffassung nach durch 
die Stauung, welche die Blutbewegung an dem bezeichneten Punkte 
in Folge der Enochenleiste erfährt, welche sich unmittelbar am hin- 
teren Rande des For. jug. befindet. Dass diese Auffassung die rich- 
tige ist, sucht er durch das Verhalten von 14 Schädeln darznthun, 
bei denen unmittelbar hinter jener Leiste Gruben verschiedener Tiefe 
bis zu schliesslicher Formation eines Loches in Folge von Enochen- 
UBur sich vorfanden. Von 500 durchmusterten Schädeln zeigte sich 
bei jenen 14 die in Rede stehende Usur, deren Länge, Breite und 
Tiefe er für jedes der 14 Exemplare genau angibt, worüber Ref. auf 
das Original verweist. Aus der stetigen Progression der angegebe- 
nen Maasse ist die Richtigkeit der aufgestellten Thesis mit hoher 
Wahrscheinlichkeit einleuchtend. Jacoby. 



152 IX. Wissenschaftliche Bundschau. 

38. 

Prof, J>r. /. Gruber in Wien, Ueber den therapeutischen WerthJmedidlmen- 
töser Einspritzungen durch die Eustachi'sche Ohrtrompete. (M. f. 0. Nr. 9. 

1880.) 

Nachdem G. die bekannte; durch Krämer 's negirende Behaup- 
tung im Anfange der 60er Jahre hervorgerufene Controverse erwähnt, 
fragt er: 1. Können die fraglichen Einspritzungen überhaupt von 
Wirksamkeit sein? 2. In welcher Weise wirken dieselben? — Die erste 
Frage hält er in affirmativem Sinne empirisch für erledigt. Bei der 
zweiten gibt er zu, dass der für die Eintreibung der Flüssigkeit er- 
forderliche Luftdruck als wirksames Moment mit in Betracht kommt. 
Dass Verwachsungen, wie er behauptet, durch zweckmässig gemachte 
Einspritzungen noch ,,zur Trennung*' kommen, dürfte sich in unzwei- 
deutiger Weise wohl kaum darthun lassen. Denn die Wirkungslosig- 
keit der vorher schon angewandten Luftpresse ist streng genommen 
durch das negative Resultat der Hörprüfung sowie der Trommelfell- 
inspection nicht ausreichend dargethan (Ref.). Für die Trommelhöhlen- 
schleimhaut gibt er die von anderen schon aufgestellte Thesis als 
richtig zu, dass die eingespritzte Flüssigkeit mehr als Entzündungs- 
reiz denn durch eine ihr speciell zukommende Energie wirkt, z. B. 
Jodkali nicht als directes Förderungsmittel der Resorption. Vermittelt 
sei die Wirkung bei der Trommelhöhlenschleimhaut durch die relativ 
grösi^ere Reizbarkeit, im Gegensatz zu der der Tuba. Für Einspritzun- 
gen bei Afifectionen des Anfangstheils der Tuba vindicirt er seiner 
Methode (Spritze ohne Katheter) eine grössere Wirksamkeit; ebenso 
da, wo es einer grösseren Quantität Flüssigkeit bedarf. Sicherer ver- 
fährt man im ersten Falle durch angemessene Verwendung fester 
Substanzen, z. B. Lapis mitigatus am Draht, im zweiten wenn man 
nach vorangeschrittener Paracentese gehörig durchspritzt (Ref.). 

Jacoby. 

39. 

S. Moos und H. Steinbrügge in Heidelberg, Pathologisch - anatomischer Be- 
fund in einem Falle von Missbildung des rechten Ohres. (Z. f. O.X. 1. S. 15.) 

Am 11. Lebenstage unter Convulsionen und Cyanose verstorbenes 
Mädchen. Sectionsbefund: Hirnhäute sehr blutreich; das ödematöse 
Gehirn zerfloss bei seiner Entfernung aus der Schädelhöhle. Von der 
rechten Ohrmuschel war nur noch das Läppchen deutlich zu unter- 
scheiden, dagegen fand sich die obere Hälfte jener auf die untere 
herabgeschlagen, so dass das Ganze von weitem einer blumenkohl- 
artigen Excrescenz nicht unähnlich sah. Die Länge der auseinander 
gebreiteten Muschel betrug nur die Hälfte der auf der anderen Seite ; 
ferner sass dieses rudimentäre Stück auch nicht an seinem gewjöhn- 
lichen Orte, sondern mehr nach vom und unten auf dem aufsteigen- 
den Aste des Unterkiefers. Die ganze rechte Hälfte des letzteren 
war schwächer entwickelt als links, seine Symphyse um stark einen 
halben Centimeter nach rechts verschoben. — Vom Meatus auditorius 
externus keine Andeutung vorhanden, ebenso fehlten der Processus 



IX. Wissenschaftliche Rundschau. 153 

styloideus und der Knorpel der Tuba Eustachii. Canalis facialis ein> 
schliesslicn des Foramen stylomastoideum knöchern obliterirt bis auf 
die Entfernung von einigen Millimetern peripher vom Hiatus canalis 
Fallopii. Knöcherner Gehörgang desgleichen bis auf einen kleben 
dreieckigen Raum obliterirt; eine 2 Mm. breite knöcherne Brücke 
trennte denselben von der doppelt so grossen, ebenfalls dreieckig 
(Basis nach hinten oben, Spitze nach vorn unten) gestalteten Pauken- 
höhle. Beide Labyrinthfenster stark verengt und unve^rschlossen. An 
Stelle der vollständig obliterirten knöchernen Tuba ein seichtes Grüb- 
chen. Es fehlten das Trommelfell, derAnnulus, sämmtliche Gehör- 
knöchelchen inol. der Platte des Steigbügels, der Tensor tympani und 
der Nervenplexns der Paukenhöhle. Das Labyrinth sowie der Acu- 
sticus verhielten sich normal, nur dass sich die Gommunication zwi- 
schen Vorbof und Schnecke nicht nachweisen Hess. — Offenbar han- 
delte es sich hier um eine Entwicklnngsstörupg im Bereiche des ersten 
Kiemenbogens und zwar um einen frühzeitigen irritativen Vorgang, 
der zu einer abnormen Knochenneubildung fahrte; denn alle fehlen- 
den Theile waren durchweg und die lufthaltigen Höhlen grossentheils 
durch eine dichte Knochenmasse ersetzt, resp. obliterirt. Ein opera- 
tiver Eingriff zur Hebung des knöchernen Verschlusses des äusseren 
Oehörganges ist in solchen Fällen natürlich aussichtslos und daher 
contraindicirt. Blau. 

40. 

H. SteMruage in Heidelberg, Ein Fall von Trepanation des Warzenfort- 
satzes. Tod durch Miliartuberkulose. (Z.f. 0. X. l. S. 33.) 

Patient ein 5 jähriger Knabe, litt seit circa einem halben Jahre 
an linksseitiger Otitis media suppurativa, die unter Schmerzen begon- 
nen hatte. Ohrmuschel stark abstehend, die Regio mastoidea aber 
normal und nicht empfindlich, aus dem Gehörgange wurden mit der 
Wilde 'sehen Schlinge zahlreiche polypöse Wucherungen entfernt. 
Ungefähr eine Woche später Schmerzhaftigkeit, Auftreibung und Rö- 
thung des linken Warzenfortsatzes, Durchbruch des Eiters in den 
Husseren Gehörgang. Hierauf Nachlass dieser Erscheinungen, da sich 
dieselben aber nach etwa 6 Wochen von Neuem einstellten, wurde 
die Wilde 'sehe Incisibn gemacht, wobei das Messer tief in den mor- 
schen Knochen eindrang. Der Kranke befand sich jetzt mehrere 
Monate wohl, die Durchbruchsöffnung in den Gehörgang hatte sich 
bereits geschlossen, auch 'der äussere Fistelgang war schon stark in 
der Verengerung begriffen, als eine neue Reihe von Störungen auf- 
trat. Es waren das: massiges Fieber mit geringen Tagesschwankun- 
gen, verlangsamter Puls, Kopfschmerz, Appetitlosigkeit, Stuhlver- 
«topfung und Erbrechen. In der Meinung, es wäre wieder eine 
Eiterretention im Warzenfortsatz vorhanden, erweiterte St. nochmals 
den Fistelgang, ohne dass es ihm indessen gelang, eitrige Massen zu 
Tage zu fördern oder durch die Operation irgendwie günstigen Ein- 
:fluss auf den Krankheitsverlauf auszuüben. Zu den genannten Er- 
scheinungen traten weiterhin Somnolenz, Zähneknirschen, Zucknngen 



154 IX. Wissenschaftliche Rundschau. 

in den Muskeln des rechten Armes , Contractur der Flexoren, klo- 
nische Krämpfe der Augenmuskeln, dann rechtsseitige Parese, Blind- 
heit, Koma, Beschleunigung der Respiration und Oheyne-Stokes- 
sches Phänomen, unzählbarer Puls und schliesslich Exitus lethalis. 
Die Section ergab Meningitis basilaris tuberculosa. Verkäsung der 
Bronchial- und Mesenterialdrüsen. Miliartuberkel in den Lungen, 
Nieren, Milz, Leber und den serösen Häuten. In dem durch Caries 
stark erweiterten und unregelmässig ausgebuchteten Warzenraum 
ein kleiner beweglicher Sequester. Trommelfell vollständig zerstört. 
Schleimhaut des Mittelohres verdickt und eitrig infiltrirt. Hammergriff 
theil weise fehlend, ebenso die Schenkel vom Amboss. Die Aussen- 
fläche des Felsenbeines war vollkommen normal. An keiner Stelle 
der Pyramide oder der dieselbe überziehenden Dura mater Hess sich 
eine directe Fortleitung des Krankheitsprocesses auf das Gehirn nach- 
weisen. Blau. 

H. Knapp in New- York, Perichondritis auriculae. (Z. f. 0. X. 1. S. 42.) 

Verf. betont das seltene Vorkommen der Perichondritis auriculae 
und die geringe Berücksichtigung, welche diese Affection in den 
Lehrbüchern der Ohrenheilkunde gefunden. Er selbst hat drei ein- 
schlägige Fälle beobachtet, davon aber nur einen während seines 
ganzen Verlaufes. Hier trat bei dem 16 Jahre alten, sonst ganz ge- 
sunden Patienten zuerst eine Anschwellung im äusseren Theile des 
Gehörganges auf, welche, mehrfache Abscesse bildend, alimählich auf 
die gesammte Vorderfläche der Concha übergriff und sich schliesslich 
auch auf den* Helix und die hintere Fläche der Ohrmuschel aus- 
breitete. Nur das Ohrläppchen blieb verschont. Die Geschwulst war 
schmerzhaft, uneben, höckerig und von röthlicher Färbung; bei der 
Incision der fluctuirenden Stellen entleerte sich eine klebrige, gelbliche 
Flocken enthaltende Flüssigkeit, jedoch niemals Blut. Die eingeführte 
Sonde Hess eine sehr ausgedehnte Ablösung des Perichondrium vom 
Knorpel erkennen. Von der 7. Woche an begann die Absch wellung, 
nach 10 Wochen war der ganze Krankheitsprocess bis auf die noch 
immer fortschreitende Schrumpfung der Ohrmuschel beendet. Letztere 
wurde auf kaum zwei Drittel ihres normalen Volumens verkleinert; 
der Antihelix, die Fossa antihelicis und scaphoidea sowie der grössere 
Theil der Concha waren verschwunden tind durch härtliche Knoten 
und Wülste ersetzt. Eine perforative Otitis media, die sich während 
des Bestehens der Perichondritis eingestellt hatte, fand hierauf eben- 
falls baldige Heilung. Blau. 



42. 

A. äedinger in Stuttgart, lieber eine eigenthümliche Exostose im Ohr. (Z. f. 0. 
X. 1. Ö.49.) 

Verf. konnte in 40 Fällen von Exostosen des äusseren Gehör- 
ganges Syphilis und Abusus spirituosorum mit Sicherheit als Ursache 



IX. ^YissenBchaftliche Bttndschaa. — Literatur. 155 

ausschliesBeDy dagegen stimmt er Delstanche bei, dass die Neubil- 
dung häufig das Product einer chronischen Entzündung der Gehör- 
gangswände darstellt, welche hier primär oder neben einer ähnlichen 
Affection des Mittelohres aufgetreten ist. Für diese Ansicht spricht 
auch der folgende von He ding er beobachtete Fall. Patient, ein 
Bahnwärter, litt seit IV2 Jahren an rechtsseitiger Otorrhoe (Otitis 
media suppurativa) und es hatte sich seiner Aussage nach erst wäh- 
rend des Bestehens derselben die von der hinteren und oberen Wan- 
dung des Meatus ausgehende Exostose entwickelt. Letztere veranlasste 
Eiterretention im Mittelohr, Periostitis des Warzenfortsatzes, Nekrose 
an der unteren Gehörgangswand etc. An dieser Stelle mögen nur 
zwei Punkte hervorgehoben werden. Erstens nämlich die gegen den 
Tumor gerichtete Behandlung, welche im Abmeisseln einzelner Stücke 
sowie besonders in dem Einlegen von Laminaria bestand und die 
von gutem Erfolge gekrönt war. Die Geschwulst wurde so weit 
verkleinert, dass sie nur noch die Hälfte des Lumens vom Meatus 
einnahm, während sie ihn früher nahezu vollkommen obturirte; des- 
gleichen gelangte die eitrige Otitis media zur Heilung und das vor- 
dem für die Luffc- und Knochenleitung aufgehobene Gehör erfuhr eine 
bedeutende Besserung. Was zweitens die mikroskopische Beschaffen- 
heit der abgesprengten Tumorstückchen anging, so ergab die Unter- 
suchung eine entzündliche Wucherung der Papillen und des Binde- 
gewebes mit Kalkablagerung in demselben, es handelte sich mithin 
gar nicht um eine eigentliche Knochenneubildung, sondern um einen 
entzündlichen Process, allerdings mit osteoider Umwandlung des wu- 
chernden Bindegewebes. Blau. 



LITERATUR 

1. Gottstein — Ueber die verschiedenen Formen der Rhinitis und 

deren Behandlung vermittels der Tamponade. Berl. klin. 
Wochenschr. 1881. Nr. 4. 

2. Lucae — Fremdkörper des Ohres. Separatabdruck aus der 

Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. V. Bd. Liefe- 
rung 45 u. 46. 

3. de Rossi — IX Anno di insegnamento della Otojatria 1879/80. 

4. Weil — Die Resultate der Gehöruntersuchung an 267 Kindern 

einer Anstalt. M. f. 0. 1880. Nr. 12. 

5. Weil — Einige Fälle von Ruptur des Trommelfells. Memora- 

bilien. XXV. Heft 11. S. 486. 

6. Blau — Ueber die bei den acuten Infectionskrankheiten vor- 

kommenden Erkrankungen des Ohres. Deutsche med. Wo- 
chenschr. 1881. Nr. 3. 

7. Lewis Reynolds — Perforation of both tympanic membranes 

by ascaris lumbricoides. Lancet. Oct. 1880. S. 653. ' 



156 Literatur. 

8. CharleB R. Gross — Onan aconstik phenomenon^ noticed in 

a Crookes Tube, Amer. Journal of otology. Vol. III, 1. 
Januar 1881. 

9. David Hunt — lücrotia. Ibid. p. 3. 

10. Burnett — Perforations in the membrana flaccida, the tympanic 

diseases thev accompany, and their treatment. Ibid. p. 12. 

11. Rodman & Orne Green — Fatal caries of the mastoid. 

Ibid. p. 26. 

12. Brown — Impacted foreign bodies in the externa! auditory 

meatus. Ibid. p. 29. 

13. Pomeroy — A modification of the ear and throat mirror. Ibid. 

p. 35. 

14. Bück — Diagnosis and treatment of ear diseases. W. Wood & Co. 

New-York 1880. 

15. Agnew — Three cases of Ruptnre of the membrana tympani.^ 

Med. record. XVIII. 169. 

16. E. A. Brown — A modified inflator for the middle ear. London 

Lancet. 1880. 14. Aug. 

17. David Foulis — Post mortem examinations of the ear, and 

the frequency of disease in or near the tympanum. Br. med. 
Journ. 1880. 16. Oct. 

18. Trautmann — Verletzungen des Ohres in gerichtsärztlicher 

Beziehung. Separatabdruck aus dem Handbuch der gericht- 
lichen Medicin von Maschka. 1881. 

19. Mc. Leod — Foreign bodies in the ear. Brit. med. Journ. 1880. 

10 Juli. (Entfernung eines fest eingekeilten Kirschkernes durch 
Agglutinationsmethode mittelst Cement) 
20« Torrance — Seltener Fall von Otitis externa parasitica. Ibid. 
9. Oct. (Heilung durch Chlorkalklösung 0,1:30.) 

21. Gurovitsch — Zur Frage. der Ohrsymptome bei Morb. Brightii. 

Berl. klin. Wochenschr. 1880. Nr. 42. (Doppelseit. Mittelohr- 
eiterung mit Perforation und Abscessbildung vor dem rechten 
äuss. Gehörgang.) 

22. A. Cisow — lieber das Gehörorgan der Ganoiden. Arch. f. 

mikroskop. Anatomie. XVIII. S. 486 — 517. 

23. Falkson — Beitrag zur Functionslehre des weichen Gaumens 

und des Pharynx. Virchow's Arch. LXXIX. Heft 3. 

24. Kratz — Ueber Fistula fissurae bronchialis primae congenita. 

Inaug.-Dlss. Bonn 1880. 

25. £ve — Aneurysm by anastomosis of the ear. British med. journ. 

1880. 24. April. 

26. Morris — Mittheilungen über Erkrankung des Warzenfortsatzes. 

Lancet. 1880. 28. Mai. 

27. Barr — 3 Fälle von Hirnabscess nach Mittelohreiterung, mit 

Bemerkungen. Glasgow med. Journ. XIV. No. 7. Juli 1880. 

28. J. Luys — Contributions ä T^tude des localisations cerebrales; 

surdit^ ancienne; atrophie des deux lobules occipitaux. Gaz. 
m6d. 1880. Nr. 29. 



X. 

Otitis media chronica 

mit serösem Secrete in der Pankenhöhle nnd in den Zellen 

des Proc. mastoid. bei imperforirtem Trommelfelle. 

Sinnsthrombose nnd Heningitis. Tod. 

Von 

£• Zaofal. 

Wir sind gewohnt, die deletären Folgen einer Mittelohrent- 
zttndnng mit der Gegenwart eitrigen Secretes in der Pauken- 
höhle nnd in den Zellen ^des Proc. mastoid. zu verknüpfen, wäh- 
rend wir dem serösen Exsudate und selbst dem Schleim eine 
prognostisch weniger funeste Bedeutung zusprechen. Von dem 
einfachen Schleimkatarrh wissen wir freilich, dass er bereits einem 
höheren Intensitätsgrade der Entzündung der Paukenhöhlen- 
schleimhaut entspricht, dass die Symptome während des Lebens 
einen oft stürmischen Charakter besonders bei Kindern anneh- 
men können, ohne dass wir jedoch gleich an Meningitis, Gehim- 
abscess, Caries, Sinusthrombose etc. denken. Aber gleichwohl 
dürfen wir es dabei an Vorsicht in der Prognose nicht fehlen 
lassen, da selbst einfache Schleimkatarrhe, wie die Fälle 
Wendt's^) und Schwartze's^) lehren, wenn sie sich lange 
Zeit hinschleppen, bei imperforirtem Trommelfelle Folgezustände 
hervorrufen können, die denen des eitrigen Katarrhs an Intensität 
nicht viel nachgeben. Ich war in einem Falle, den ich in meiner 
Gasuistik der Trepanation des Proc. mast. ausführlicher erzählen 
werde und bei dem durch Monate hindurch ein Schleimkatarrh 
sich hinschleppte, trotz Paracentesen, Trommelfellablösung und 
forcirten Durchspritzungen durch die Tuba, welche Operationen 
stets nur schleimiges Secret entleerten, endlich doch genöthigt, 
die Trepanation des Proc. mast. vorzunehmen, wodurch in der 
Tiefe des Warzenfortsatzes eine mit reinem Schleime angeftllfte 
Knochenhöhle — eine förmliche Schleimcyste eröffnet wurde und 
Heilung eintrat. Dass aber auch bei Gegenwart von sogenanntem 
serösen Secrete, zunächst in der Form einer visciden, klaren, durch- 

1) Wagner's Archiv f. Heilkunde. XI. S. 595. 

2) Pathologische Anat. S. 77. 

AxchiT f. OliToiiheilkunde. XYIL Bd. 11 



158 X. ZAÜFAL 

sichtigen, weingelb gefärbten, kurz Synovia -artigen Flüssigkeit 
jene letalen Folgen eintreten können, die wir gewöhnlich dem 
eitrigen Katarrh zuschreiben, möge der nachfolgende Fall zei- 
gen, bei dem weder makroskopisch noch mikroskopisch, weder 
in der Paukenhöhle noch in den Zellen des Proc. mast. auch nur 
eine Spur von Eiter nachzuweisen war. 

Wenzl Schütz, 27 Jahre alt, Bahnarbeiter aus Zizkow, kam 
den 9. Juli 1880 zum ersten Male als Ambulant in unsere Klinik 
mit den Erscheinungen einer linksseitigen acuten Otitis media. 
Er wurde für Nachmittag in die Vorlesung zur Vornahme der 
Paracentese bestellt, kam aber nicht. Gerade nach 3 Monaten^ 
während welcher Zeit er anderwärts in Behandlung stand und 
seiner Arbeit nachging, wurde er den 8. October an unsere Klinik 
zur Untersuchung seines Gehörorgans geschickt. Patient erzählt, 
in den letzten Wochen sehr häufig an linksseitigen Kopfschmerzen 
gelitten zu haben, weswegen er auch vor seinem Eintritte in 
unsere Klinik mit allen üblichen Mitteln gegen Hemikranie be- 
handelt worden war. Beständige Abnahme der Hörfähigkeit des 
linken Ohres. Aus dem rechten Ohre soll vor 7 Wochen ein 
Ausfluss vorhanden gewesen sein. In den letzten 5 Tagen mach- 
tem ihn sehr heftige Schmerzen im linken Ohre, ausstrahlend 
gegen die ganze linke Kopfhälfte, schlaflose Nächte. Kein Ap- 
petit, starkes Sausen links. 

Patient ist mittelgross, sehr herabgekommen, von fahler Haut- 
farbe, zeigt einen leidenden Gesichtsausdruck. 

Der linke Proc. mastoid. äusserlich unverändert ^ weder 
Schwellung noch Röthung seiner Hautdecke nachweisbar. . Nur 
bei starkem Drucke und Percussion ist er empfindlich, besonders 
an der Spitze. 

Der linke äussere Gehörgang frei. Obere hintere Wand des 
knöchernen Theiles nicht geschwollen. Das Trommelfell in seinen 
peripheren Partien ziemlich stark vorgebaucht, glanzlos, grau, 
mit deutlicher Injection. Hammergriff nur angedeutet. 

Das rechte Trommelfell ist stark getrübt, Hammertheile 
sichtbar, im Umbo unter dem Hammergriffende eine stecknadel- 
kopfgrosse stark durchsichtige Narbe. Die Schleimhaut der Na^e 
und des Nasenrachenraumes stark geschwollen auch um die Tuben- 
mündungen, die mit Nasenrachentrichtem Nr. 4 bis 6 leicht zu 
besichtigen sind. Beichliche Schleimansammlung in der Nase and 
im Nasenrachenraum. Hörfähigkeit für Politzer 's Gehörmesser 
R 0,05, L 0,05; fttr v R = 9,50, L 9,50; für vs R = 9,50, vs 



Otitis media chronica mit serösem Secrete in der Paukenhöhle. 159 

L = 0,50. Die Stimmgabel wird vom Scheitel aus nur L percipirt. 
Beim Eatheterismns dringt die Luft mit feuchtem Anschlagege- 
ränsch ohne Bassein gut in die Paukenhöhle ein. Darnach etwas 
Erleichterung mit geringer Besserung der Hörfähigkeit links. 

Patienten wird der Vorschlag gemacht, sich in den Stand 
der Klinik aufnehmen zu lassen und die Trepanation in Aussicht 
genommen. 

Den anderen Tag, den 9. October, wird Patient aufgenommen. 
Gleich Mittags bekommt er einen dreistündigen Schüttelfrost mit 
40^ Temperatur. »Er klagt noch über rasende Schmerzen „im 
Gehirn" besonders in der Stirn und Scheitelgegend aber nicht 
blos links, sondern mehr noch im rechten Ohre, in der rechten 
Seite des Kopfes und von da ausstrahlend gegen die rechte Seite 
des Halses. Durst vermehrt. Appetit liegt darnieder. 

Um 3 Uhr Nachmittags war Patient bereits unbesinnlich, 
antwortet nur träge auf wiederholte Fragen ; wirft sich im Bette 
herum. Die rechte Pupille ist weiter wie die linke, beim Ein- 
fallen von Licht contrahirt sich die rechte Pupille nur bis zur 
Mittelweite, die linke normal. 

Assistent Dr. Habermann macht links die Paracentese, 
wobei Patient um sich schlägt, förmlich rast. Der Schnitt ist 
klein, und entleert nur wenig Blut. 

In rascher Folge steigert sich die Unbesinnlichkeit. Patient 
ist unvermögend die Zunge vorzustrecken, es tritt Ptosis des 
rechten Augenlides auf. Keine Nackencontractur. Die Extremi- 
täten activ und passiv frei beweglich. Morphiuminjection, worauf 
Schlaf von 7 — 10 Uhr Nachts; dann die ganze Nacht grosse Unruhe. 

Den 10. October früh. Die Ptosis des rechten Auges com- 
plet, auch links bereits die Erscheinungen beginnender Ptosis. 
Gomplete Lähmung sämmtlicher vom Oculomotorius versorgter 
Muskeln des rechten Auges und beginnende des linken Auges. 
Die ophthalmoskopische Untersuchung ergibt: starke Hyperämie 
des Augenhintergrundes beiderseits mit starker Ausdehnung der 
venösen Gefässe. 

Abends complete Lähmung auch des linken Oculomotorius. 
Vollständige Unbesinnlichkeit; Patient schreit, schlägt um sich. 

Den 11. October. Nackenstarre; die grosse Unruhe an- 
haltend, die nur durch Morphiuminjectionen etwas gemässigt wird. 
Zähneknirschen, Schreien, Toben, Herumschlagen nimmt endlich 
so überhand, dass Patient in das Separationszimmer überlegt 

werden muss. 

11* 



160 X. ZADFAL 

In den folgenden Tagen folgt dem Excitationestadinm Sopor 
and den 14. October Naehmittags 5 Uhr der letale Änsgang. 
PnU- and Temperatnrcnrre folgt hier. 

(,^iai„ Die den 16. October vom Assistenten 

p T 8 ig II 11 IS 14 Dr. Hlava vorgenommene Section ergibt: 
KürpermittelgrosSjHaDtdecken blase. 
Schädeldach symmetrisch länglich oval, 
'" dick porös. Dura mater gespannt, massig 

blntreich. Im oberen Siehelblntleiter 
iit dunkles Blnt. Die Meningen blntreich, 

trocken, längs der Gefässe in den 
100 Gehirnfareben eitrige Massen 

eingelagert. Die Meningen des 
Kleinhirns nnd in der Gegend des 
Chiasmas stark eitrig infiltrirt. 
Der Seitenventrikel stark erweitert mit 
" getrübter Flüssigkeit gefüllt. Die Gehim- 

substanz weich, blntreich, stark durcb- 
fenchtet, der dritte Ventrikel weit, Ependym aufgelockert. Die 
Stammganglicn sehr abgeplattet, etwas fester. Der vierte Ven- 
trikel sehr weit, das Ependym gequollen. Eleinhim weich. Der 
Pons etwas weich; ebenso die Mednlla oblonga^. Im rechten 
Sinus transversiis und sigmoidens dunkles Blnt; keine Thrombose. 
, Das Uuterhautzellgewebe massig fetthaltig. Muskel kräftig, 
dankelbraun. In den Jugularvenen lockeres Blotgerinnsel. 

Das Zwerchfell ragt rechts bis znm fünften, links bis zum 
sechsten Rippenknorpel. Herzbeutel massig fetthaltig, leer. Herz 
ziemlich gross, schlaff, massig fcttumwaehsen. Im Herzen reich- 
liche bernsteingelbe Gerinnsel. Die Höhle des rechten Herzens 
etvras weiter, der Muskel hellbraun und kräftig. Sämmtlicbe 
Klappen zart, schlussfähig. 

Die Schleimhaut des Fbarynx nnd Oesophagus mit zähem, 
grünlichem Schleim belegt. Ebenso im Laryns zähe Schleim- 
massen. 

Die linke Lunge durch bindegewebige Adhäsionen in ihren 
unteren Partien fisirt. Ihr Plenraüberzug leicht schwartig ver- 
dickt. OberlappcD etwas gedunsen, ödematOs, gegen die Basis 
luftleer. Unterlappen luftleer, auf dem Schnitte kSrnig. In den 
Bronchien zähe, bräunlich gefärbte Schleimmassen. 

Die rechte Lunge in seinem ganzen Umfange bindegewebig 
fixirt, die Pleura verdickt. Die Lunge selbst ziemlieh schwer, 



Otitis media chronica mit serösem Secrete in der Paukenhöhle. 161 

der Ober- und Unterlappen luftleer, hepatisirt, Bruch körnig. Id 
den Bronchien feinschaumige Schleimmassen. Die Schleimhaut 
geröthet. 

Leber grösser ; Gewebe dunkelbraun , sehr brüchig , blut- 
reich, die Zeichnung der Acini verstrichen. Im Magen, Dick- 
und Dünndarm nichts Abnormes. 

Die Milz etwas grösser, Kapsel zart, Gewebe dunkel braun- 
roth, blutreich. 

Die linke Niere ziemlich gross, Kapsel zart, Oberfläche 
glatt, glänzend. Gewebe brüchig; Bmdensubstanz blassgelb. 
Marksubstanz gelblichgrau. Ebenso die rechte Niere. 

Die Section des linken Schläfenbeines ergibt: 

Die den Proc. mast. bedeckende Haut uad das Periost 
nicht verändert. 

Der Meat. aud. ext. bis zum Trommelfelle frei. Keine 
Spur von eitriger oder schleimiger Flüssigkeit. Nur in dem keil- 
ft^rmigen Baum zwischen Trommelfell imd vorderer- unterer Ge- 
hörgangswand ein linsengrosöes schwarzes Blutcoagulum (von dem 
Trommelfellstich herstammend). 

Trommelfell. Die hintere Hälfte erscheint gleichmässig 
vorgebaucht, glanzlos, durch die Epidermislage livid durchschei- 
nend. Die Pars flaccida livid, geht ohne scharfe Grenze in die 
gleichfalls livid gefärbte Cutis der oberen Gehörgangswand über. 
Hammertheile nicht zu erkennen. An der Stelle des Hammergriffes 
verläuft ein saturirtes livides Gefässbündel. Im hinteren oberen 
Quadranten des Trommelfells eine 3 Mm. lange Schnittwunde, 
deren Bänder durch ein lineares Blutcoagulum verlöthet sind. 

Die Dura mater lässt sich von der Schuppe, dem Tegmen 
tympani und der oberen Fläche der Pyramide mit Ausnahme der 
normalen Verbindungen leicht abziehen. Ihre cerebrale Fläche 
ist glatt; weder unter noch auf der bezeichneten Dura mater- 
Partie Eiter. Hebt man die Dura mater von der hinteren Fläche 
der Pyramide und vom^ Grunde des Sulcus sigmoideus ab , so 
erseheint sie besonders dem letzteren entsprechend an der Kno- 
ehenfläche rauh, glanzlos und haften ziemlich zahlreiche Stümpfe 
abgerissener, in das Bereich der pneumatischen Zellen eindringen- 
der venöser Gefässe, welche mit festhaftenden Thromben gefüllt 
sind, daran fest. Der Grund des Sulcus sigmoideus ist rauh, mit 
kleinen Furchen mannigfach durchzogen, zwischen denen bis hirse- 
komgrosse Osteophyten in beträchtlicher Menge sitzen. Beiläufig 
in der Mitte des Sidcus sigmoideus befindet sich eine ovale Kno- 



162 X. ZAÜFAL 

chenlücke, welche mit ihrer Längsaxe parallel der Längsaxe des 
SqIcus gestellt ist. Sie hat 1 Cm. im Längs- , 5 Mm. im Quer- 
durchmesser; ist ziemlich glattrandig und mit sulzig verdickter 
Schleimhaut der der Lücke entsprechenden pneumatischen Zellen 
vollständig ausgefüllt. Diese Schleimhaut ist stark hyperämisch 
und steht mit der entsprechenden Partie der Sinuswand durch 
auflagerndes Exsudat und kleine thrombosirte Gefässe ziemlich 
fest in Verbindung. 

Die mediale Hälfte des Sinus sigmoideus ist vom Foramen 
jugulare an bis 2,5 Cm, nach aussen vollständig obliterirt durch 
eine zähe, trockene, gelblichweisse faserige, die Wände des Sinus 
vollständig vef*bindende organisirte Masse. In diesem Theil des 
Sinus ist weder flüssiges Blut noch Blutgerinnsel aufzufinden. 
Diese den Sinus vollständig füllende Masse ist nur sehr schwer 
von der inneren Sinuswand abzuziehen. Es ist klar, dass es sich 
um eine vollständige Verstopfung dieser Sinuspartie mit einem 
bereits organisirten alten Thrombus handelt. 

Der übrige Theil des Sinus sigmoideus und der ganze linke 
Sinus transversus sind mit einem jüngeren, röthlich gelben^ der 
Sinuswandung ziemlich fest anhaftenden, in seinen centralen Par- 
tien weicheren, an einer Stelle selbst zu einem röthlich gelben, 
eiterähnlichen, dieselben Mikroorganismen wie die Synovia -ähn- 
liche Flüssigkeit der Paukenhöhle enthaltenden Brei zerfallenen 
Thrombus bis zum Tor cular Her ophili erfüllt. An der Stelle, wo 
der Thrombus im Zerfalle ist, sieht man vier bis rabenfederdicke 
venöse Gehimgefässe noch auf weite Strecken hin thrombosirt. 

Die Paukenhöhle wird durch Abbrechen des Tegmen 
tympani eröffnet. Die Schleimhaut ist im hohen Grade sulzig 
verdickt, mit zahlreichen feinen Gefässen durchzogen. Das Ham- 
mer- Ambosgelenk ist von dieser sulzig verdickten Schleimhaut 
vollständig verhüllt und die obere Hälfte der Paukenhöhle voll- 
ständig mit verdickter Schleimhaut erfüllt. Bios die untere Hälfte 
der Paukenhöhle zeigt ein spaltförmige^ Lumen, welches jedoch 
vollständig erfüllt ist mit einer bernsteingelben, visciden durch- 
sichtigen Flüssigkeit. Unter dem Mikroskop kann man in dieser 
Flüssigkeit nur abgestossene Epithelien, Blutkörperchen und Mas- 
sen von Mikroorganismen — Mikrococcen, Bakterien erkennen. 
Von Eiterkörperchen war keine Spur zu entdecken. 

Das Antrum mastoideum ist 5 Mm. hoch, von seiner 
Einmündung in die Paukenhöhle bis nach rückwärts 1,2 Cm. 
lang und kaum 3 Mm. im Querdurchmesser haltend und mit 



Otitis media chronica mit serösem Secrete in der Paukenhöhle. 163 

salzig verdickter Schleimhaut nahezu vollständig ausgefällt. Was 
noch an Baum übrig bleibt^ ist mit derselben synoviaartigen Flüs- 
sigkeit , wie wir sie in der Paukenhöhle angetroffen, ausgefüllt. 

Der Processus mastoidens ist von seiner Spitze bis 
zum unteren Rand der Linea temporaliB 2,7 Gm. hoch und an 
seiner Wurzel ebenso breit. Das Periost fest an dem Knochen 
anhaftend. Die Entfernung der äusseren Fläche der Corticalis 
bis zum Antrum mastoideum beträgt in der Höhe der' Trepana- 
tionsstelle 1,7 Mm., die dazwischen liegende Enochenpartie ist 
ausser bis zur Tiefe von 6 Mm. diploetisch, dann compact und 
3 Mm. von der Einmündung in das Antrum mastoideum mit kaum 
stecknadelkopfgrossen mit sulzig verdickter Schleimhaut gefüllten 
pneumatischen Zellen durchsetzt. Von der Spitze bis 1 Gm. nach 
aufwärts findet sich diploetische Substanz. Pneumatische Zellen, 
sämmtlich mit sulzig verdickter Schleimhaut und sjno viaähnlicher 
Flüssigkeit erfüllt trifft man nur unter dem Sulcus sigmoideus 
und einen Streifen, welcher nach vorne gegen die Uebergangs- 
Zellen hinzieht. Sämmtliche Zellen, mit Ausnahme jener Zelle, 
welche in den Sulcus sigmoideus einmündet, sind verhältniss- 
mässig klein, höchstens bis Hanfkorngrösse. Das ganze Gebiet 
der pneumatischen Zellen beschränkt sich also nur auf eine cen- 
trale, zumeist unter dem Sulcus gelegene mit einer bis über 1 Gm. 
dicke, theils compacte, theils diploetische Bindensubstanz um- 
gränzte Partie. Nirgends auch im ganzen Gebiete der pneumati- 
schen Zellen des Sulcus sigmoideus trifft man auf einen Eiterherd. 

Weder in den Bogengängen noch in dem Vorhof noch in 
der Schnecke Eiter enthalten. Auch in dem Nervus acusticus 
und facialis, in dem Porus acusticus internus kein Eiter nach- 
weisbar. Die diploetische Pyramidensubstanz an der Spitze der 
Pyramide und soweit sie die Labyrinthsubstanz umhüllt, lebhaft 
roth, saftreich, ohne Eiter. Im rechten Schläfenbein ausser der 
Trommelfellnarbe nichts wesentlich Pathologisches. Nirgends ein 
Eiterdepot. 

Nach einer zweifachen Bichtung hin erscheint mir dieser 
Fall von Interesse zu sein. Zunächst da^s die Entstehung eines 
eitrig zerfallenden Thrombus des Sinus sigmoideus und trans- 
versus mit consecutiver Meningitis möglich ist, auch wenn kein 
Eiterherd in der Nähe des Sinus vorgefunden wird, sondern die 
Sinuswand nur mit chronisch entzündeter Schleimhaut, welche 
gleichzeitig nur seröses Secret producirt, in unmittelbarem Gontact 



164 X. ZAÜFAL 

steht. Mit Bezug aaf die Vornahme der Trepanation aber lehrt 
er uns, dass die Indication zur Anbohrung des Warzenfortsatzes 
nach dem klinischen Bilde gegeben und der Trepanationskanal 
nach Vorschrift angelegt sein kann, ohne dass wir auf den sup- 
ponirten Eiterherd treffen. 

Als Patient das zweite Mal als Ambulant sich an unserer 
Klinik vorstellte, hielt ich die Trepanation indicirt hauptsächlich 
aus dem Grunde, um ihn von seinen quälenden, die Nachtruhe 
raubenden und die Ernährung des Individuums immer mehr schä- 
digenden Schmerzen zu befreien. Mit ziemlicher Bestimmtheit 
galt mir die Existenz einer Eiterretention in der Uebergangs- 
zelle des Processus mastoideus als selbstverständlich. Ob nun 
gleichzeitig, was bei der Integrität des Zusammenhanges des 
Trommelfells schwer zu entscheiden war, auch noch Eiter in der 
Paukenhöhle angesammelt war oder nicht, war mir ziemlich gleich- 
giltig. Der Operationsplan bestand darin, die hintere Hälfte des 
Trommelfells in der Narkose abzulösen und die Trepanation 
gleichzeitig durchzuftihren , wobei ohne Zeitverlust zugleich bei- 
den wahrscheinlichsten Voraussetzungen entsprochen worden wäre. 
Eine Reihe von Fällen hat mich gelehrt, dass dort, wo bei Otitis 
media mit imperforirtem Trommelfelle stürmische Erscheinungen 
und seien es auch nur anhaltende intensive Ohr- und halbseitige 
Eop&chmerzen , ohne weitere kephalische Erscheinungen durch 
Monate hindurch anhalten, die Paracentese des Trommelfelles 
vereint mit energischen desinficirenden Durchspritzungen durch 
die Tuba nur selten von dauerndem Erfolg ist und dass endlich 
doch nur die Trepanation zur raschen Heilung führt. 

Anders freilich in acuten Fällen, bei denen man häufiger durch 
eine ausgedehnte Trommelfellincision und energische Durchspritz- 
ungen durch die Tuba günstige Erfolge auch da noch erzielen 
kann, wo es selbst schon zur Anschwellung des Processus masto- 
ideus gekommen ist. 

Wäre die Aufnahme des Patienten auf unsere Klinik nur um 
einen Tag früher erfolgt, würde ich die Trepanation noch vor- 
genommen haben. Es ist aber klar, dass an dem Tage seiner 
Aufnahme, wo wie mit einem Schlage die thrombotischen und 
meningealen Erscheinungen (Schüttelfrost mit 40^, Somnolenz und 
Oculomotoriuslähmung beiderseits) ihre nahezu höchste Höhe 
schon erreichten, die Operation keine Aussicht auf Erfolg mehr 
erwarten liess. Und in der That erfolgte auch schon nach ftinf 
Tagen der letale Ausgang. 



Otitis media chronica mit serösem Secrete in der Paukenhöhle. 165 

Asgenommen, es wäre die Operation zur Aasfahning ge- 
kommen, so hätte sie, ohne Rücksicht auf den weiteren Verlauf 
des Processes, selbst wenn sie regelrecht vorgenommen worden 
wäre, nicht befriedigt. Zunächst hätte man müssen die 6 Mm. 
dicke diploetische , dann die 8 Mm. dicke compacte Schichte 
durchbrechen, um schliesslich auf kleine, nicht mit £iter erfllllte 
pneumatische Zellen in einer Ausdehnung von 3 Mm. zu treffen, 
nach deren Durchbohrung man auf die Uebergangszelle gekom- 
men wäre. Dieses wäre absolut nicht zu erkennen gewesen, da 
sie spaltförmig und noch überdies mit verdickter Schleimhaut 
ausgefüllt war. Die einzige Möglichkeit hätte einigermaassen 
Befriedigung hervorrufen können, wenn Spritzfiüssigkeit von dem 
Trepanationskanal aus durch die Trommelfellöffnung abgeflossen 
wäre. Das wäre aber nur dann der Fall gewesen, wenn der 
Schleimhautsack der Uebergangszelle geöffnet worden wäre. Ein 
Eiterherd hätte sich nicht geftmden! Allein mit der Spritzflüs- 
sigkeit wären die sjnoviaähnlichen Secretmassen aus der Pauken- 
höhle und der Uebergangszelle abgeschwemmt und die geschwellte 
Schleimhaut entlastet worden. Ob ihre Entfernung nach Auftreten 
des Schüttelfrostes und der eminenten meningealen Symptome 
den Process zum Besseren gewendet hätte? In dem Stadium, 
in dem unser Fall zur Verhandlung kam, möchte ich die Frage 
yemeinen. Die Thrombose der Cerebralvenen mit der massen- 
haften Eiterbildung an der Oehimbasis wäre voraussichtlich nicht 
mehr zur Rückbildung gekommen. Ich zweifle nicht, dass, wäre 
die Trepanation gleichzeitig mit dem Trommelfellschnitt in einem 
früheren Stadium ausgeführt worden, die Aussicht auf einen 
günstigen Ausgang berechtigter gewesen wäre. 

Es sseigt uns also dieser Fall nach dem Ergebniss der Section 
dass man, abgesehen von der Warzenforisaizsklerose selbst bei 
regelrechter Trepanation kernen Eiterherd treffen und sich doch 
im Gebiete der erkrankten Uebergangszelle und der pneumatischen 
Zellen bewegen kann. Unsere Gasuistik des Warzenfortsatzes wird 
zeigen, dass man auch da, wenn zur rechten Zeit operirt wird, 
noch auf Erfolg rechnen kann. Lehrreich erscheint unser Fall 
auch nach der Richtung, dass er uns zeigt, wie die Entstehung 
eines zerfallenden Sinusthrombus und einer eitrigen Meningitis nicht 
blos an die Gegenwart von Eiterkörperchen in den Räumen der 
Paukenhöhle gebunden ist, sondern dass auch chronisch verdickte 
Schleimhaut mit anscheinend unschuldigem serösem Secret zu diesen 
ernsten Consequenzen führen kann. Gleichgiltig scheint mir die 



166 X. ZAÜFAL. 

Frage über die Proyenienz der synoyiaähnlichen Flüssigkeit, ob 
sie gleich bei Beginn der Mittelohrentzündung sich gebildet oder 
ob man sie als ein Umwandlungsproduct früher vorhandenen 
Schleimes oder Eiters anzusehen geneigt ist. Ihre Beschaffen- 
heit sowie die chronische Schwellang der Schleimhaut scheinen 
mir aber ziemlich sicher auf eine lange, vielleicht Monate lange 
Dauer ihrer Gegenwart hinzudeuten. Mit Gewissheit war sie 
schon zugegen, als sich der frische und zerfällende Thrombus 
des Sinus transversus bildete, wahrscheinlich auch schon zur Zeit 
als es zum Verschluss der medialen Partie des Sinus sigmoideus 
durch einen der Zeit nach viel älteren, organisirten Thrombus 
gekommen war. Unter denselben localen Verhältnissen also (chro- 
nischer Schwellung der Schleimhaut mit synoviaartigem Secret) 
kam es zuerst zur Bildung eines gutartigen, sich ruhig organi- 
sirenden und dann plötzlich zur Bildung eines verhängnissvollen 
eitrig zerfallenden Thrombus. 

Worin ist die Ursache der Katastrophe zu suchen? Ein 
Trauma hat nicht eingewirkt auch sonst ist bei der Section eine 
Ursache nicht aufzufinden. Meiner Ueberzeügung nach lässt sich 
der verhängnissvolle Ausgang nur auf dem Wege der Infection 
erklären. Wir müssen die Ursache in den dem syno viaartigen 
Secrete beigemengten und auch in dem zerfallenen Thrombus 
vorgefundenen Mikroorganismen suchen, welche durch Vermitte- 
Inng der kleinen Venen, die aus den Räumen des Processus 
mastoideus in den Sinus einmünden, gewissermaassen zur localen 
Sepsis des Sinus und der Gehirnhäute führten. Jedenfalls fanden 
diese Mikroorganismen ihren Weg durch die Tuba, sei es durch 
einen infectiösen Nasenrachenkatarrh, sei es auf eine andere uns 
noch nicht klare Weise. Immerhin berechtigt der oben ent- 
wickelte Gedankengang die Frage, ob wir nicht hie und da in 
ähnlichen Fällen zur Infection beitragen, wenn wir nicht des- 
inficirte Luft durch die Tuba eintreiben. In mir wenigstens be- 
festigt dieser Fall die schon früher ausgesprochene Ueberzeügung 
dass wir zur Anwendung gereinigter Luft verpflichtet sind, ja 
ich möchte noch einen Schritt weiter nach dieser Bichtung ma- 
chen und die Forderung stellen, dass wir nicht nur gereinigte 
Luft benützen sollen, sondern um vollkommen sicher zu gehen, 
derselben noch flüchtige desinficirende Substanzen beimengen, um 
die in dem Katheter und am Tnbenostium ruhende Luft ebenfalls 
gründlich zu desinflciren. 



XI. 

Fibrose Polypen des Warzenfortsatzes durch den äussern 

Gehorgang nach aussen gewuchert. 

Von 

F. Trautmann. 

(Hierzu Tafel I— III.) 

Heinrich M., 18 Jahre alt, aus Guhlitz, leidet schon seit 
seinem fünften Lebensjahre an Ohrenfluss beiderseits. Rechts 
heilte das Leiden etwa nach einem Jahre von selbst, ohne wieder- 
zukehren. Links bildete sich unter sehr lebhaften Schmerzen 
hinter dem Ohre ein Geschwür, das mit Hausmitteln behandelt, 
sich erst nach 6 Monaten schloss. Der Ohrenflnss links blieb 
bestehen. Aerztliche Hülfe wurde erst nach Verlauf von 4 Jahren, 
als sich im äusseren Gehörgange Polypen zeigten, in Anspruch 
genommen, der Arzt soll damals Polypen entfernt und 5 Monate 
lang mit Höllenstein geätzt haben. Die Eiterung blieb jedoch 
bestehen und die Polypen fingen wieder an zu wachsen. An 
Scharlach und Diphtherie hat M. nicht gelitten, Enochenstücke 
sollen sich nicht ausgestossen haben. 

Die Anamnese war schwer festzustellen, da der Kranke sich 
des Verlaufes nicht genau erinnerte und der Onkel, welcher den. 
Kranken begleitete, ebenfalls nicht genau orientirt war. 

Die Untersuchung am 9. December 1880 ergab Folgendes: 
Der pp. M. ist von schwächlicher Constitution, Gesichtsfarbe und 
sichtbare Schleimhäute bläss; die Körpergrösse im Verhältniss 
zum Alter klein zu nennen. Er ist fieberfrei, das Allgemeinbe- 
finden nicht gestört, nur klagt er über Eingenommenheit der 
linken Kopfhälfte, zeitweiligen Schwindel, hochgradige Schwer- 
hörigkeit links verbunden mit Eiterung. 

Knochenleitung ist beiderseitig erhalten, links jedoch herab- 
gesetzt; Stimmgabel tönt noch links; Uhr und Flüstersprache 
vrird links nicht gehört, rechts Uhr (normal 1,50 MO 0,90 M.; 



168 " XI. TRAUTMANN 

zugewandte Flttsterspraehe 3,60 M. Die Untersaehung des Nasen- 
raehenranmes ergibt leichte chronische Schwellung der Uvula, 
Gaumenbögen und hinteren Pharynxwand; die linke Gaum/enton- 
sille ist etwas vergrössert, Bachentonsille nicht hyperplastisch. 
Der hinterste Theil der unteren Muscheln ist nicht geschwollen, 
Nase für Luft beiderseits gut durchgängig; die linke untere Mu- 
schel zeigt in der vorderen Hälfte chronische Schwellung; Tuba 
rechts für Luft etwas schwerer durchgängig als links. 

Bechts: Ohrmuschel und Umgebung normal, ebenso der 
äussere Gehörgang ; Eiterung nicht vorhanden. Trommelfell zeigt 
im hinteren untern Quadranten eine linsengrosse, mit Lichtpunkt 
versehene, eingesunkene Narbe, die sich bei + V deutlich abhebt. 
Das Trommelfell ist diffus gefärbt, dreieckiger Lichtreflex an der 
Basis verwachsen, Spitze fehlt; Hammer etwas retrahirt, hintere 
Falte deutlich. Nach Katheter gleicht sich die hintere Falte aus, 
Hammerstellung wird normal und die Hörfähigkeit hebt sich we-- 
sentlich; seit 30. Januar 1881 ist die Hörfähigkeit normal. 

Links ragen aus dem äusseren Gehörgange drei Neubildun- 
gen (Taf. I, Fig. 2, 3, 4), die sich mit der Sonde bis in die Tiefe 
von einander isoliren lassen und keinen gemeinschaftlichen Stiel 
zu haben scheinen. Mit der Sonde lässt sich der Ursprung jedoch 
nicht nach der Bichtung des Trommelfells, sondern nach hinten 
und oben verfolgen. Die Farbe dieser zum äusseren Gehörgange 
herausragenden Neubildungen ist weiss mit etwas grau, gelb und 
roth untermischt, durchscheinend; die Oberfläche glatt, kugelig, 
Gonsistenz nicht sehr derb. Dem Aeussem nach lassen sie sich 
am besten mit Nasenpolypen vergleichen. Die Eiterung aus dem 
äusseren Gehörgang ist dünnflüssig, nicht sehr bedeutend, nicht 
ttbelriechend. Auf der Mitte des Processus mastoideus links, 
1 Gm. vom Ansatz der Ohrmuschel entfernt, sieht man nach Ab- 
rasirung der Haare eine strahlige Narbe (Taf. I, Fig. 1)2 Gm. lang, 
1,5 Gm. breit, mit dem Knochen verwachsen, an einzelnen Stellen 
wenig eingezogen; der unterliegende Knochen zeigt geringe Un* 
ebenheiten, Weichtheile nicht verdickt, nicht geröthet, nicht öde- 
matös, bei Druck nirgends Schmerzen. Lymphdrüsen vor und 
hinter dem Ohr, Submaxillar- und Gervicaldrttsen nicht ge- 
schwollen. 

Am 12. December 1880 wurden die drei Neubildungen in 
der Beihenfolge Fig. 4, 3, 2 (Taf. I) nicht mit der Wilde'schen 
Schlinge, die zu klein war, sondern mit der ftlr Nasenpolypen 
bestimmten Schlinge entfernt. Nachdem die Neubildungen Fig. 4, 3 



Warzenfortsatzpolypen durch d. äuss. Gehörgang nach aussen gewuchert. 169 

(Taf. I) entfernt waren, wobei eine ziemlich bedeutende Blutung 
eintrat, konnte mit Sicherheit festgestellt werden, dass Fig. 2 an 
der hinteren obern Wand entsprang. Als zur Stillung der Blutung 
Einspritzungen mit lauwarmem Salzwasser gemacht wurden, ent- 
leerten sich bröcklige Massen von weisser Farbe, die schon ma- 
kroskopisch wie Fett aussahen ; die mikroskopische Untersuchung 
«rgab, dass dieselben zum grössten Theile aus Margarinkrystallen 
und einer feinkörnigen, das Licht stark brechenden Masse be- 
standen. Nachdem die Blutung gestillt war, wurde auch die dritte 
Neubildung Fig. 2 entfernt. Die Blutung war sehr bedeutend 
und Hess sich durch Ausspritzungen nicht stillen, sondern musste 
tamponirt werden. Als nach ^/4 Stunde der Wattetampon ent- 
fernt wurde, stand die Blutung, so dass der Kranke nach Hause 
geschickt wurde. Nach Verlauf von 2V2 Stunden wurde ich zu 
dem Kranken gerufen. Es war eine neue Blutung eingetreten, 
die schon 2 Stunden angedauert hatte und wodurch der Kranke 
sehr anämisch geworden war. Die Blutung wurde durch Watte- 
tampons leicht und jetzt dauernd gestillt. Der Tampon blieb 
liegen und wurde erst am nächsten Tage entfernt, ohne dass die 
Blutung wiederkehrte. 

Nach Entfernung der Neubildungen bot sich folgendes Bild : 
Der äussere Gehörgang links ist so weit, dass man am besten 
mit dem Nasenspeculum untersucht. Links ist der Eingang zum 
äusseren Gehörgang 1,8 Gm. erweiterungsfähig, rechts nur 1 Cm. 
Links fehlt das Trommelfell fast vollständig, es steht nur noch 
eine kleine Sichel in der hinteren Peripherie ; die Paukenschleim- 
haut ist polypös degenerirt, in der oberen und hinteren Peripherie 
überragen Granulationen das Niveau der degenerirten Pauken- 
schleimhaut, nach dem unteren Abschnitte hin nimmt die Schwel- 
lung der Paukenschleimhaut ab und hat sich im untersten Theil 
bereits epidermoidaler üeberzug gebildet (Taf. I , Fig. 6). Bei 
positiv Valsalva'schem Versuch dringt die Luft nicht durch, 
bei Katheter sehr schwer, Abläonderung in der Tiefe gering. Mit 
der Sonde kommt man nirgends auf cariösen Knochen. An der 
hinteren Wand des knöchernen Gehörganges, nicht weit vom 
Trommelfellreste entfernt, hat sich eine ' Hyperostose von der 
Grösse einer halbdurchschnittenen kleinen Erbse gebildet (Taf I, 
Fig. 6). Das nach aussen gelegene Drittel der hinteren - oberen 
Wand des knöchernen Gehörganges, sowie fast die ganze hintere 
obere Wand des knorpligen Gehörganges sind defect und bilden 
eine fast kreisrunde Oeffnung (Taf. I, Fig. 7) von 1 ,5 Cm. Durch- 



170 XI. TRAÜTMANN 

messer, die in die Zellen des Processus mastoideas ftihrt. In 
dieser Höhle, welche ungefähr die Grösse einer Haselnuss hat 
(grösste Tiefe 2 Gm.), findet sich noch eine Neubildung (Taf. I, 
Fig. 5) mit einem ziemlich langen Stiel, dessen Ursprung hinten 
oben ist. Die grösste Neubildung (Taf. I , Fig. 2) hatte ihren 
Ursprung vom oben, wie der noch vorhandene Best des ziemlich 
starken Stieles zeigte. Die beiden anderen Neubildungen (Taf. I, 
Fig. 3, 4) hatten ihren Ursprung in der grössten Tiefe der Zellen 
des Warzenfortsatzes, wie dies die Stielenden noch ebenfalls gut 
erkennen Hessen. Nach hinten, wie in Fig. 7 (Taf. I) zu sehen, 
fanden sich frische Granulationen. Diese wie die Neubildung 5 
wurden mit der Schlinge entfernt. Die Ränder der Höhle sind 
glatt und mit fester Epidermis bekleidet, die sieh auch in die 
äussere Hälfte der Höhle hinein erstreckt. In der inneren Hälfte 
der Höhle zeigt sich der mucös - periostale Ueberzug der Zellen 
aufgelockert, frei von epidermoidalem Belag, nur einzelne Brücken 
finden sich und deuten auf weiteren Heilungsvorgang. Die ein- 
zelnen Zellen des Warzenfortsatzes sind nur noch undeutlich durch 
Vorsprünge (Taf. I, Fig. 7) zu erkennen. Nach vom kann man 
die Sonde durch eine Zelle ziemlich weit nach vorn schieben. 
Bichtet man den Strahl einer mit einer feinen Kanüle versehenen 
Spritze durch diese Zelle, so dringt das Wasser sehr leicht in 
den Mund; beim Eatheterisiren pfeift die Luft ebenfalls durch 
diese Zelle. An keiner Stelle konnte auch bei sorgsamster Unter- 
suchung mit der Sonde der Knochen krank gefunden werden. 

Die Behandlung bestand in sorgsamer Beinigung mittelst 
V2 Proc. Kochsalzlösung, der Garbol zugesetzt wurde, von aussen; 
ausserdem sorgsamer Katheterismus beiderseits. Die aufgelocker- 
ten Stellen der Paukenschleimhaut, sowie die des Warzenfort- 
satzes wurden wiederholt galvanokaustisch geätzt. Die Pauken- 
höhlenschleimhaut fängt an glatt zu werden, die Höhle im* Pro- 
cessus mastoideus ist bis auf eine kleine Stelle in der Tiefe schon 
vollkommen mit epidermoidalem Ueberzug versehen. Bechts ist 
die Hörweite normal, links wird Flüstersprache, die früher nicht 
gehört wurde/ ins Ohr gesprochen gehört, Uhr angelegt. Eiterung 
ist äusserst unbedeutend. 

Es liegt hier der bis jetzt noch nicht beobachtete Fall vor^ 
dass fibröse Polypen (wie die weiter unten angeführte mikrosko- 
pische Untersuchimg ergeben hat), welche im Warzenfortsatze 
ihren Ursprung haben, die Gorticalis des Warzenfortsatzes und 
den äusseren Gehörgang usurirt haben, und durch den Meatna 



Warzenfortsatzpolypen durch d. äuss. Gehörgang nach aussen gewuchert. 171 

auditorias extemns zu Tage getreten sind. Ob sich ein nekro- 
tisches Enochenstück ausgestossen and die Polypen dnrch diese 
OefFnung, die später dnrch Druck erweitert, ihren Weg genom- 
men, liess sich bei der mangelhaften Anamnese nicht mehr fest- 
stellen. Dass in Folge von chronischer Eiterung des Mittelohres 
Erkrankung des Processus mastoideus selbst stattgefunden, dafür 
spricht die hinter dem Ohre befindliche Knochennarbe. Kleine 
Polypen wuchern von der Uebergangszelle des Mittelohres aus 
in den Warzenfortsatz und finden sich nicht selten bei Sectionen. 
Grub er (Lehrb. der Ohrenheilk. 1870. S. 593) schreibt, dass: 
„ Fibrome mitunter durch nach Exfoliation cariöser Knochenstücke 
zu Stande gekommene Lücken hinter der Ohrmuschel zu Tage 
treten. " Schwartze (Pathol. Anatomie des Ohres. S. 115) meint : 
„ Vielleicht Kegt eine Verwechselung mit malignen Tumoren vor, 
ich habe dies bisher nie gesehen." — Auch in der Literatur 
findet sich kein Fall angeführt. — In dem vorstehend beschrie- 
benen Falle spricht schon der makroskopische Befund und das 
lange Bestehen des Leidens, ohne irgend welche Drüsenanschwel- 
lungen in der Umgegend, gegen maligne Tumoren. Zur Siche- 
rung der Diagnose wurde aber eine genaue mikroskopische Unter- 
suchung vorgenommen. 

Die makroskopische und mikroskopische Untersuchung der 
Neubildungen hat folgendes ergeben: 

Die Farbe der NeuWldungen entspricht nicht den Polypen 
des Mittelohres, sondern viel eher der Farbe von Nasenpolypen; 
sie ist grauweiss untermischt mit gelb und roth, durchscheinend. 
Die Oberfläche ist glatt, kugelig und zeigt an verschiedenen 
Stellen kleinere Neubildungen angesetzt. Sämmtliche Neubil- 
dungen hatten einen ziemlich langen Stiel ; Fig. 2, 3, 4, 5 (Taf. I) 
gibt eine getreue Abbildung der Neubildungen nach ihrer Ent- 
fernung in natürlicher Grösse. Die grösste Neubildung hatte einen 
Längsdurchmesser von 3 Cm., einen Querdurchmesser von 1,3 Cm. ; 
Fig. 3 war die demnächst grössere, Fig. 5 die kleinste. Schon 
makroskopisch konnte man sehr schön an den Neubildungen die 
Gefässe durchscheinen sehen, die in den Stielen zahlreicher als 
in der Peripherie zu sehen waren. 

Taf. II gibt uns bei schwacher Vergrösserung einen Ueber- 
blick über die einzelnen Neubildungen. 

Die Gefässvertheilung ist radienförmig nach der Peripherie 
angeordnet; die stärkeren Gefässe finden wir im Centrum und 
besonders zahlreich im Stiele der Neubildungen. Zuweilen sieht 



172 XL TRAUTMANN 

man in der Peripherie sehr schöne Gapillarschlingen. In Fig. % 3 
(Taf. II) finden wir dnrch Einstülpung entstandene Cysten ; die 
mit Gylinderepithel ausgekleidet sind. 

Bei den Neubildungen Fig. 2, 3, 4 (Taf. H) besteht das Epi- 
thel an den Stielenden aus mehrschichtigem Gylinderepithel; deren 
oberste Lage Flimmerhaare trägt. Das Gylinderepithel geht nach 
dem vorderen Theile der Neubildung in mehrschichtiges Platten- 
epithel über, deren oberste Lage verhornt ist und je weiter nach 
vom in längeren Lagen abgerissen erscheint. Der Uebergang 
vom Gylinderepithel zum Plattenepithel ist ein allmählicher und 
findet in der Weise statt, dass sich die Gylinderzellen spitz 
ausziehen und allmählich platt lagern und nicht mehr aufrecht 
stehen. Unter dem Plattenepithel finden wir saftreichere Zellen 
von polygonaler Form, die sich papillär anordnen, wie in der 
Gutis. 

Fig. 3 und 4 (Taf. 11) zeigen lockere Biüdegewebsgrundlage 
deren einzelne Züge sich in unregelmässiger Wellenform mit 
einander durchflechten. Nach der Peripherie hin ist die Binde- 
gewebsanordnung straffer, als im Gentrum, ebenso straffer an iier 
Spitze, als am Stiel. Das Bindegewebe ist von zahlreichen Bund- 
zellen durchsetzt, die in der Peripherie spärlicher sind als im 
Gentrum. 

Die grösste Neubildung Fig. 2 ergibt sich als ein ziemlich 
festes Fibrom mit sehr schön wellig apgeordneten regelmässigen 
Bindegewebszügen , die sehr schöne spindelzellige Bindegewebs- 
körperchen enthalten (Taf. III, 2 a). 

Schon aus vorstehender Untersuchung kann man sehen, dass, 
je älter die Geschwulst, um so straffer das Bindegewebe; man 
sieht dies nicht nur an der grössten Geschwulst, welche ja jeden- 
falls die älteste ist, sondern auch an Fig. 3 und 4 (Taf. III), wo 
in der Peripherie das Bindegewebe fester als im Gentrum ange- 
ordnet ist. Am schönsten sieht man aber das Wachsthum in der 
jüngsten Neubildung Fig. 5 a (Taf. III). Die Neubildung ist mit 
mehrschichtigem Plattenepithel bedeckt, das nur an einer kleinen 
Stelle eine papilläre Anordnung der darunter gelegenen saflreichen 
Zellen zeigt. An dieser Stelle fanden wir auch das Plattenepithel 
auf der Oberfläche verhornt. Das Grundgewebe ist ein sehr schön 
baumastartig verzweigtes Bindegewebe, das sich nach der Peri- 
pherie in lockeren Längszügen anordnet. Die Maschen des Binde- 
gewebes sind mit einer feingranulirten Masse ausgefüllt; ausser 
Rundzellen, die sich im Gentrum zahlreicher als in der Peripherie 



Warzenf ortsatzpolypen durch d. &ass. Gehörgang nach aussen gewuchert. 173 

finden, sieht man sehr schöne sternförmige Zellen^ mit einem und 
zwei Kernen, deren Ausläufer sich miteinander verbinden. 

Die frischen Granulationen (Taf. I, Fig. 7) ergaben sich bei 
der mikroskopischen Untersuchung als sehr zelienreiches Gewebe, 
das eine bindegewebige Grundlage noch nicht erkennen liess. 
Oberfläche mit mehrschichtigem Plattenepithel bedeckt. 

Vorstehende Untersuchung ergibt Fig. 2, 3, 4 als Fibrom, 
von denen Fig. 2 feste Bindegewebsanordnung zeigt, während bei 
Fig. 3, 4 die Anordnung lockerer und zellenreicher ist. 

Fig. 5 dürfte als Myxofibrom zu bezeichnen sein. Wir finden 
hier den Uebergang von Schleimgewebe zu Bindegewebe. — 
Dass zur Entstehung derartiger Neubildungen Schleimgewebe vor- 
handen sein müsste, wie Steudener in seiner schönen Arbeit 
über Ohrpolypen (Arch. f. 0. IV. Bd. 3. Heft) annimmt, halte ich 
nicht für noth wendig. Steudener lässt die Myxome der Pau- 
kenhöhle aus Resten fötalen Schleimgewebes, welches in der 
Paukenhöhle zurückgeblieben, ihren Ursprung nehmen. Es dürfte 
diese Annahme nicht richtig sein, da die Paukenhöhle nicht mit 
embryonalem Gewebe ausgeftillt ist, wie die neuesten Unter- 
suchungen ergeben haben, sondern die Paukenschleimhaut selbst 
aus embryonalem Gewebe besteht, das sich allmählich in Binde- 
gewebe, d. h. in mucös-periostalen Ueberzug umändert Im Epi- 
thel der Polypen einen Beweis für den Ursprung der Neubil- 
dungen in der Paukenhöhle zu suchen (ob sie vom Promontorium 
oder dem Boden der Paukenhöhle, der oberflächlichen oder tiefe- 
ren festeren Bindegewebsschicht) wie dies Steudener thut, dieser 
Ansicht kann ich mich nach vorstehenden Untersuchungen nicht 
anschliessen. 

Unsere Neubildungen haben sämmtlich gleichen Ursprung 
(die Zellen des Warzenfortsatzes), einen Ursprungsort, der kein 
Cylinderepithel und ziemlich straffes Bindegewebe hat, und trotz- 
dem finden wir sowohl in der Anordnung der Epithelien wie des 
Bmdegewebes dieselben Verschiedenheiten, wie sie Steudener 
schildert. Es dürfte sich deshalb gewiss empfehlen, auch die 
Polypen des Mittelohres einer erneuten sorgsamen Untersuchung 
zu unterwerfen, um zu sehen, ob dieselben von einem und dem- 
selben Individuum in mehreren Exemplaren untersucht nicht die- 
selben Wachsthumsformationen zeigen, wie ich es an den Polypen 
des Warzenfortsatzes beobachtet habe. 



Archiv f. Ohrenheilkunde. XYII. Bd. 12 



XII. 

Weitere Beiträge zur nenropathischen Form des 
■eBiöre'schen Symptomencomplezes. 

Yon 

Docent Dr. J. Gottstein 

in Breslau. 

In einer Arbeit über den Meniöre'schen Symptomencom- 
plex (Zeitschr. für Ohrenheilkunde. IX. Bd. 1. Heft) habe ich 
den Vorschlag gemacht, diejenigen FäUe von „Ohrsehwindel", 
deren Ursache wir in einer Erkrankung des Hömerven, sei es 
in seinem centralen Ursprünge, sei es in seinem Verlaufe oder 
in seinen Endausbreitungen im Labyrinth suchen müssen, unter 
die Bezeichnung „neuropathische Formen" zusammenzufassen. 
Ich bin dabei von der Ansicht ausgegangen, dass es nicht nöthig 
ist, diejenigen Erkrankungen des Mittelohres, bei denen sich 
Gleichgewichtsstörungen von mehr oder minder langer Dauer 
vorfinden, zu einer besonderen Krankheitsgruppe zusammenzu- 
stellen, dass dagegen auf der anderen Seite unsere Kenntnisse 
über die Pathologie jener Fälle von „Taubheit mit Gleichge- 
wichtsstörungen ", bei denen wir mit Bestimmtheit Erkrankungen 
der schallleitenden Apparate ausschliessen müssen, wo also die 
Ursache im Nervenapparat liegt, so mangelhafter Natur sind, dass 
wir gut thun, sie mit dem allgemeinen Begriffe neuropathisch 
zu belegen. Ich habe femer versucht, nachzuweisen, dass eine 
grosse Anzahl von Fällen, die auf den ersten Blick sich als genuine 
Otitis labyrinthica im Voltolini'schen Sinne charakterisiren, 
bei näherer Betrachtung als secundäre Formen sich darstellen 
und zwar hauptsächlich als Folgen der Meningitis cerebrospinalis. 
Um einer missverständlichen Auffassung vorzubeugen, muss ich 
hier besonders hervorheben, dass es mir nicht in den Sinn ge- 
kommen ist, nachweisen zu wollen, dass nach dieser Krankheit 
sich häufig Taubheit mit Gleichgewichtsstörungen vorfindet — 



Neuropathische Form des MeniSre'schen Symptomencomplexes. 175 

denn das ist bereits vor mir sattsam beobachtet worden — , son- 
dern dass ich zeigen wollte , wie in manchen Fällen der eigen- 
thümliche Verlauf der Krankheit den Zusammenhang der Taub- 
heit mit der Meningitis tibersehen lässt. Auch der otologische 
Gongress in Mailand hat sich mit dieser Frage beschäftigt, und 
die meisten GoUegen haben sich der von mir vertretenen Ansicht 
angeschlossen, wie de Bossi, Politzer, Moos; nur Volto- 
lini vertheidigte seinen früheren Standpunkt. Er tadelte vor 
Allem in meiner Beweisftlhrung, dass ich Zuflucht nehmen musste 
zu der Annahme einer abortiven Form der Meningitis cerebro- 
spinalis, er wollte so lange nicht an eine solche glauben, als 
nicht der pathologisch-anatomische Nachweis daftir geliefert ist» 
Einen solchen Nachweis habe ich nicht geführt und werde ihn 
nicht ftlhren können, weil das Eigenthümliche dieser Fälle ja 
darin besteht, dass es nie bei ihnen zum letalen Ausgang kommt. 
Es scheint mir aber zur Unterstützung meiner Ansicht ausreichend 
zu sein, zu constatiren, erstens, dass diejenigen Autoren, die eine 
grössere Anzahl von Meningitis cerebrospinalis beobachtet haben, 
auch abortive Fälle davon gesehen haben (Eulenburg, Lehr- 
buch der Nervenkrankheiten. II. Bd. S. 493), und zweitens, dass 
manche Fälle von sogenannter Otitis labyrinthica unter dem kli- 
nischen Bilde einer leichten Meningitis cerebrospinalis und zur 
Zeit herrschender Epidemien dieser Krankheit auftreten. Es ist 
ja auch bekannt, dass andere Infectionskrankheiten , beispiels- 
weise Abdominaltyphus, einen abortiven Verlauf nehmen können. 
Jedenfalls hat meine Erklärung mehr Wahrscheinlichkeit fUr sich, 
als etwa die Annahme, die Otitis labyrinthica könne epidemisch 
auftreten, was man nach dem auffallend häufigen Vorkommen 
der Ejankheit in demselben Zeiträume und an denselben Orten ^) 
schliessen mttsste. 

In Folgendem will ich versuchen, weitere Beiträge zur Unter- 
stützung meiner Ansicht beizubringen. Ich hatte in meiner ersten 
Arbeit (1. c.) 25 von mir in der Zeit vom 22. März bis 28. October 
1879 gemachte Beobachtungen von sogenannter Otitis labyrinthica 
analysirt und dabei gefunden, dass bei 19 Fällen die Entwicklung 
des Leidens in die Zeit vom December 1878 bis August 1879 
fiel, und dass gerade in dieser Zeit Schlesien von einer 'Epidemie 
der cerebrospinalen Meningitis heimgesucht war. Es ist sicher- 
lich keine Zufälligkeit, dass von Ende October 1879 bis Ende 1880 

1) Hedinger hat in den Jahren 1877-^79 unter 2931 Ohrenkranken 
nur 3 mal Meni^re'sche Krankheit beobachtet. 

12* 



176 XII. QOTTSTEIN 

also in 14 Monaten, nur 15 neue Fälle in meine Behandlung 
kamen, dass also, nachdem die Epidemie von Meningitis er- 
loschen war, auch die Zahl der Fälle von „Otitis labyrinthica ^ 
abnahm. Von diesen 19 Fällen hatte sich bei 4 Fällen wiederum 
die Krankheit in der Zeit, wo die Epidemie der Meningitis cere- 
brospinalis herrschte, entwickelt; 1 Fall kam aus Bendzin, dem 
Städtchen im Königreich Polen, aus dem ich in meiner ersten 
Arbeit 3 Fälle berichtet hatte; dieser Fall fällt zeitlich mit zwei 
der früheren Fälle zusammen. Es ist nicht meine Absicht, auch 
von den übrigen Fällen den Nachweis zu führen, dass sie sich 
alle mit mehr oder minder grosser Wahrscheinlichkeit als Menin- 
gitis erklären lassen, sondern ich begnüge mich, ans ihnen zwei 
Krankengeschichten von besonderem Interesse hervorzuheben. 

Fall I. Am 29. December 1880 stellte sich in meinem Ambu- 
latorium der Bierkutscher F. aus Leubus wegen seiner Taubheit vor. 
Herr Dr. Stnller, der ihn behandelnde Arzt, theilte mir in zuvor- 
kommendster Weise über die Entwicklung der Taubheit Folgendes mit: 
„ F., ein sonst nüchterner Mensch, litt sehr häufig an Kopfschmerz und 
vor zwei Jahren an einer bedeutenden Hirnhyperämie. In der Nacht 
vom 1. zum 2. September 1880 erkrankte er, nachdem er den Tag 
vorher bei grosser Hitze eine anstrengende „ Bierreise " gemacht hatte, 
mit Schüttelfrost, Erbrechen und Kopfschmerz. Am Morgen des 
2. September fand ihn College Stuller unter fortwährendem cere- 
bralem Erbrechen mit der Klage über heftigen bohrenden Kopf- 
schmerz in der Stirn- und Schläfengegend, besonders in der Gegend 
der Stirnhöhlen. Temperatur 39,5, Puls 76 p. m. Verordnung: Eis- 
blase, Blutegel hinterm Ohr, innerlich Eis und Calomel, zweistünd- 
lich 0,10. Abends: Kopfschmerz heftiger, Erbrechen nicht so häufig. 
In der Nacht zum 3. erfolgten mehrere Stühle, am 3. und 4. Sept. 
Status idem, Erbrechen seltener. Ther. Calomel in selteneren Dosen. 
Schröpf köpfe ins Genick. Blasenpfiaster hinter den Ohren. 5. Sept.: 
Temperatur 39 — 40, Puls 70. Ohrensausen, Doppelsehen, stierer 
Blick, vollkommene Besinnlichkeit, Kopfschmerz in Stirnhöhlengegend 
und Augenhöhlen wie vorher, Nackenmuskeln gespannt, Genick schwer 
beweglich, Kopfbewegungen schmerzhaft, Pupillen eng reagiren auf 
Lichtreiz langsam, leichter Strabismus nach innen, Rücken- und Kreuz- 
schmerz, tetanische Steifheit der Wirbelsäule ; tonische oder klonische 
Krämpfe in den Extremitäten nicht vorhanden. So blieb der Zustand 
bis zum 8. September, nur dass der Kranke etwas comatös wurde, 
unruhiger war, die Bewegungen zitternd und unsicher wurden und 
der Kranke beim Aufstehen vom Lager und Gehen unterstützt wer- 
den musste. Doppelsehen blieb ; fast vollständige Taubheit, die sich 
in den nächsten Tagen zar vollständigen steigerte. 10. September 
Temperatur 38, Puls 70, Kopfschmerzen lassen nach. Schlaf durch 
Opium erzielt. Therapie: Einreibung von Ungt. tart. stib. bis zur 
Pustelbildung. In den nächsten Tagen besserte sich das Allgemein- 



Neuropathische Form des Meni^re'schen Symptomencomplexes. 177 

befinden bei dem Gebrauch von Jodkali; der Kranke kann wegen 
des taumelnden Ganges längere Zeit das Bett nicht verlassen.^ 

Status praesens am 29. December. Der Kranke ist absolut taub, er 
hört das Schlagen einer ihm an das Ohr angelegten Weckuhr nicht, 
er klagt über starkes Sausen. Beide Trommelfelle getrübt, rechts 
ein kleines Blutcoagulum,. welches daher rührt, dass sich der Kranke 
mit verschiedenen Instrumenten im Ohre bohrte. Trommelfell, äusse- 
rer Gehörgang ist für diese Eingriffe vollständig unempfindlich. Der 
Gang des Kranken ist derart taumelnd, wie ich es in solchem Grade 
bei Kranken mit Meni^re'schen Symptomen noch nicht gesehen habe ; 
er ist fast wie der eines Schwerbetrunkenen, besonders im Dunkeln ; 
der Gesichtssinn ist gestört, die Gegenstände müssen von ihm genau 
fixirt werden, damit er sie erkennt, weil sie sich in einer fortwähren- 
den Bewegung für ihn zu befinden scheinen. Doppelsehen, wie es 
früher vorhanden war, fehlt jetzt. Ich bat Herrn Prof. H. Cohn, 
die Augen zu untersuchen. Derselbe schreibt mir: Medien, Nerv, 
Pupille, Bewegungen völlig normal. Keine Spur von Doppelbildern, 
auch nicht mit bunten Gläsern. Amblyopia cerebralis. S. ^<)/too jedes 
Auge, höchstens M 0,5. Wegen der so stark entwickelten Ataxie 
hatte auch Herr Prof. Berger die Freundlichkeit, den Kranken zu 
untersuchen. Derselbe fand die Sehnenreflexe auffallend erhöht, eine 
Erscheinung, die er bei cerebraler Ataxie beobachtet hat. 

Eine Epidemie von Meningitis cerebrospinalis herrschte zur 
Zeit in Leubus nicht. 

Epikrise. Dass die Krankheitserscheinungen durch die 
Annahme einer Otitis labyrinthica allein nicht erklärt werden, 
wird wohl Jeder zugeben ; alles weist darauf hin, dass eine Me- 
ningitis vorhanden war. Nun sind zwei Fälle denkbar : entweder 
eine ursprüngliche Entzündung des Labyrinthes pflanzte sich auf 
die Meningen fort, oder das primäre Leiden war eine Meningitis, 
die den Acusticus ebenso wie andere Nerven in Mitleidenschaft 
zog. Gegen die erstere Annahme spricht aber die Aufeinander- 
folge der Symptome. In diesem sowie in allen von mir beob- 
achteten Krankheitsfällen gleicher Art, bei denen ausgesprochene 
meningitische Erscheinungen zugegen waren, gingen letztere 
den Obrsymptomen voraus. Durch diese Thatsache wird 
aber Voltolini's Argumentation hinfällig. Als Haupteinwand 
gegen die Annahme einer Meningitis als Ursache dieser Taub- 
heitsformen gibt Voltolini an, es wäre kaum denkbar, dass das 
meningitische Exsudat nur auf den Acusticus und nicht gleich- 
zeitig auch auf den Facialis einwirken sollte. Weshalb bei der 
Basilarmeningitis bald ein Nerv, bald der andere, bald mehrere 
gleichzeitig ergriffen werden, dafür fehlt uns bis jetzt ein Er- 
klärungsgrund ; aber fest steht, dass einzelne Nerven in Mitleiden- 



178 Xn. GOTTSTEIN 

«chaft gezogen werden können, während andere intaet bleiben. 
In unserem Falle sehen wir den Abducens (Strabismus), Oculo- 
motorius (Enge der Pupille), wahrscheinlich auch den Trigeminus 
(Anästhesie des Trommelfelles und des äusseren Gehörganges), 
und endlich den Acusticus afficirt. Ich vermuthe, dass der Acusti- 
eus viel öfter auch bei der einfachen Meningitis erkrankt, als 
allgemein angenommen wird; nur wird diese Affection übersehen, 
weil die Kranken in tiefem Sopor sich befinden, und die Krank- 
heit ja meist zum letalen Ausgang führt. Jedenfalls aber glaube 
ich durch den von mir mitgetheilten Fall bewiesen zu haben, 
dass nach Meningitis der Acusticus erkrankt sein kann, ohne dass 
es der Facialis ist, und das wird nicht nur für die einfache Me- 
ningitis, sondern auch fttr die cerebrospinale gelten. 

Als besonders interessant muss ich noch die Anästhesie im 
Nerv, auriculo - temporalis trigemini hervorheben. Ich habe die 
Anästhesie dieser Nerven noch in einem zweiten Falle beobachtet, 
bei einer 19 Jahre alten Webertochter, deren Krankengeschichte 
leider nicht genau festzustellen war, die aber auch unter heftigem 
Kopfschmerz und Fieber erkrankte und bei der Vorstellung am 
22. October 1880 absolute Taubheit und taumelnden Gang zeigte. 
Die Kranke hatte sich, ohne Schmerz zu empfinden, das rechte 
Trommelfell mit einem spitzen Stückchen Holz durchbohrt, an- 
geblich, um sich von dem lästigen Sausen zu befreien. Ob in 
diesen beiden Fällen während des acuten Stadiums der Krank- 
heit auch andere Zweige des Trigeminus afficirt waren, war nicht 
zu erkennen, ebenso wenig, ob überhaupt Anästhesien und Hyper- 
ästhesien vorhanden waren. 

Als eine fernere Eigenthümlichkeit des mitgetheilten Falles 
muss ich die Ataxie bezeichnen, die in einem solchen Grade ent- 
wickelt war, wie ich sie bei der Meni6r ersehen Krankheit noch 
nicht gesehen habe, besonders nachdem bereits mehrere Monate 
nach ihrer Entwicklung vorübergegangen sind. Ich erkläre mir 
diese Erscheinungen durch die gleichzeitig vorhandene Gesichts- 
störung, für die sich allerdings, wie ich oben nach der Unter- 
suchung des Herrn Prof. C o h n mittheilte, eine anatomische Ver- 
änderung nicht nachweisen liess. Für den Kranken befanden 
sich die ihn umgebenden Gegenstände in fortwährender auf- und 
absteigender Bewegung. Für ihn war also das Auge, das fttr 
jeden anderen ataktischen Kranken eine ControUe und eine Stütze 
zur Erhaltung des Gleichgewichts ist, eher ein Hindemiss und 
förderte dadurch die Heftigkeit der Gleichgewichtsstörungen. 



Neoropathische Form des Meni^re*8chen Symptomencomplexes. 179 

Im Anschloss hieran theile ich noch folgende Beobachtung mit: 

Fall IL M. B., Kaufmannssohn aus Gross-Strehlitz, 2^/4 Jähre 
alt, erkrankte vor zwei Jahren an einer fieberhaften Krankheit, die 
von dem damals behandelnden Arzte als Qehimentzündang bezeichnet 
wurde. Das Kind bekam plötzlich Fieber, zeigte eine roseolaartiges 
Exanthem und lag in fortwährendem Sopor. Das Exanthem war 
nach 24 Standen verschwunden, das Fieber und der Sopor Hessen 
nach etwa acht Tagen nach ; dagegen stellte sich Strabismns ein nnd 
gleichzeitig merkte man, dass das Kind taub sei. Trotz bald ein- 
tretender Beconvalescenz blieb der Strabismus noch drei Monate be- 
stehen, die Taubheit verlor sich gar nicht. Eine Desquamation war 
nicht eingetreten. Als das Kind 1^/4 Jahre alt war, fing es an zu 
laufen, doch fehlt dem Gange bis zum heutigen Tage die Sicherheit. 
Im Frühjahr 1880 wurde Herr Prof. Voltolini consultirt; derselbe 
verordnete den inneren Gebrauch von Jodkali. Seit dieser Zeit soll 
etwas Gehör sich eingestellt haben. In der That ergibt die Unter- 
suchung, dass das Kind auf lautes Bufen, auf starke Töne eines 
Glaviers reagirt, das Sprachverständniss ist indess nicht vorhanden. 
Im schallleitenden Apparat sind wesentliche Veränderungen nicht 
nachweisbar. Eine Epidemie von Meningitis cerebrospinalis herrschte 
zur Zeit in Gross-Strehlitz nicht. 

Epikrise. Obgleich in diesem Falle die meningitischen 
Erscheinungen weniger deutlich ausgesprochen waren, glaube ich 
doch, dass vnr es bei ihm mit keiner einfachen Entzündung des 
Labyrinths zu thun haben. Das gleichzeitige Auftreten des Stra- 
bismus mit der Taubheit macht es wahrscheinlich, dass ein Ex- 
sudat an der Himbasis einen den Bewegungen des Augapfels 
vorstehenden Nerven (die Natur des Strabismus konnte ich leider 
nicht feststellen) und den Acnsticus ausser Function setzte. Wes- 
halb die Augenbewegungen wieder normal werden, während der 
Acusticus functionsunfähig blieb, lässt sich schwer sagen. Es 
scheint in der That, dass gerade dieser Nerv, einmal afficirt, nur 
sehr schwer in seiner Function restituirt wurden kann. Auch 
die geringe Hörverbessernng , die sich in der allerletzten Zeit 
unter dem Gebrauche von Jodkali eingefunden hat, scheint mir 
nicht dafttr zu sprechen, dass eine Otitis intima der Taubheit zu 
Grunde lag; denn ich kann mir nicht denken, dass die zarten 
Gebilde des acustischen Endapparats einer Entzündung noch der- 
art Widerstand leisten sollten, um nach so langer Zeit wieder 
ftinctioniren zu kOnnen; andererseits ist es wohl denkbar, dass, 
wenn der Stamm des Acusticus eine Zeit lang durch Gompres- 
sion ausser Thätigkeit gesetzt ist, mit dem Nachlasse dieses 
Druckes eine theilweise Functionirung , wenn auch minimalen 
Grades eintreten kann. Eine irgendwie beträchtliche Entzttn- 



180 Xn. GOTTSTEIN. 

dnng der Labyrintbgebilde mnss meiner Meinung nach deren Ver- 
nichtung herbeiflihren y während ein Druck auf den Acusticns- 
stamm zwar eine Atrophie der Endnerven bewirken wird, die 
aber doch nur soweit geht, dass, sobald die Nervenleitung zum 
Gentralorgan wieder hergestellt ist, eine Schallperception ermög- 
licht ist. Alle diese Erwägungen bestimmten mich zur Annahme 
einer Meningitis. Unentschieden muss ich es lassen, welcher Art 
dieselbe war, ob eine einfache oder cerebrospinale; denn es ist 
auffallend, dass das Eind im Beginne der Erkrankung ein roseola- 
artiges Exanthem hatte. Ich habe ein solches Exanthem noch 
bei zwei anderen Kindern beobachtet und zwar in dem dritten 
Falle meiner ersten Veröfifentlichung und bei einem Kinde von 
t V4 Jahnen. In diesen 3 Fällen konnte der Znsammenhang der 
Meningitis mit einer Epidemie von Gerebrospinalmeningitis nicht 
nachgewiesen werden. Eine Verwechslung mit Scarlatina ist 
nicht anzunehmen gewesen, es fehlte Desquamation und die übrigen 
diese Krankheit begleitenden Symptome. Ich registrire einfach 
diese Thatsache, ohne daftir eine Erklärung geben zu können. 
Es ist mir nicht bekannt, dass Gerebrospinalmeningitis auch spo- 
radisch auftreten kann, aber denkbar wäre dies immer, wie dies 
ja auch bei anderen Infectionskrankheiten der Fall ist. 

Ich habe mich damit begnügt, nur diese zwei Krankenge- 
schichten ausflihrlicher mitzutheilen und zu analysiren, bemerke 
aber, dass auch unter den übrigen von mir beobachteten 15 neuen 
Fällen, die ich dieser Arbeit zu Grunde gelegt habe, ein Theil 
mit einer Epidemie von Meningitis cerebrospinalis in Verbin- 
dung gebracht werden konnte, der andere mehr oder minder 
deutlich ausgesprochene meningitische Symptome darbot ; so hatte 
sich beispielsweise bei einem 14 Jahr alten Kinde, welches unter 
den Erscheinungen einer „ Otitis labyrinthica " erkrankt war, neben 
der Taubheit und den Gleichgewichtsstörungen Geistesschwäche 
entwickelt ; das Kind, das vor der Krankheit bei gesundem Ver- 
stände war, spricht jetzt fortwährend mit sich selbst, lächelt * 
blöde etc. 

Nach allen von mir gemachten Beobachtungen wird es mir 
nicht nur immer zweifelhafter, ob es überhaupt eine genuine 
Otitis labyrinthica gibt, sondern auch, ob die unter dieser Be- 
zeichnung beschriebenen Krankheitsbilder auf eine Entzündung 
des Labyrinths zurückzufahren sind; ich glaube vielmehr, dass 
ihnen eine Erkrankung des Acusticusstammes in Folge von Me- 
ningitis zu Grunde liegt. 



XIII. 

Bericht Aber die im Jahre 1880 in meiner Poliklinik 
fftr Ohrenkranke beobachteten Krankheitsfälle. 

Von 

Dr. E. Bilrkner, 

Privatdocent in Götüngen. 

Vom 1. Januar bis 31. December 1880 haben sich — abge- 
sehen von 27 Restanten aus dem Vorjahre — 428 Patienten mit 
467 verschiedenen Erankheitsformen vorgestellt. Davon wurden 
385 in Behandlung genommen, 43 nach ein- oder mehrmaliger 
Untersuchung als unheilbar oder aus sonstigen Gründen abge- 
wiesen; bei 8 Patienten konnte keine Diagnose gestellt werden, 
sei es, weil dieselben nach einer unvollständigen Untersuchung 
nicht wieder erschienen, sei es, weil meine oder meiner Vertreter 
Notizen unzulänglich waren. 

Geheilt wurden . . . . . . . 179 oder 42,0 Proc. 

Wesentlich gebessert 81 „ 19,1 

Ungeheilt blieben .22 „ 5,13 

OhQC Behandlung entlassen wurden 43 „ 10,03 

Vor beendigter Eur blieben aus . 72 „ 16,5 

Gestorben ist . 1 „ 0,24 „ 

In Behandlung verblieben . , . 30 „ 7,0 „ 

428 100,0 

Als wirklicher Procentsatz der Geheilten nach Abzug der 
noch in Behandlung befindlichen und nicht in Behandlung ge- 
nommenen Patienten ergibt sich 50,42 Proc, für die geheilten 
und gebesserten Fälle zusammen 73,25 Proc. 

Von den 428 Patienten waren 

aus Göttingen 134, d. i. 31,3 Proc. 
von auswärts 294 , d. i. 68,7 Proc. 



n 
n 



182 



xm. bObeneb 



Alter und Geschlecht der Kranken sind ans der folgenden 
Tabelle ersichtlich: 



M&nnlich. 


Jahr. Weiblich. 


7 . . , 


1 ... 


7 


17 . . . 


1—5 . . 


27 


26 . . . 


6—10 . . 


. 22 


53 . . . 


. 11—20 . . . 


. 30 


47 . , , 


. 21—30 . . . 


. 29 


41 . . . 


. 31—40 . . 


. 12 


37 . . . 


. 41—50 . . 


. 15 


26 . . . 


. 51—60 . . 


. 13 


13 . . . 


. 61—70 . . 


. 1 


4 . . 


. 71—80 . . 


1 



271 
d. i. 63,5 Froc. 



157 
d. i. 36,5 Proc. 



428 



Auf die yerschiedenen Krankheiten yertheilen sich die ein- 
zelnen Fälle nach folgender Weise: 



Nomen morbi 



4S 

9 



ja 

Hl 



« 

'S 



QQ 






•c 

9 



9 



9 

ta 

a 





« ^ s 
Sgl 

9 • 







I 



s 



Fibroma aurls extemae .... 

Othaematoma 

Abscessus auris ext 

Eczema aar. ext. acut. 5, chron. 7 

Otitis ext. diffusa acut. tO, chron. 7 

Otitis externa circumscr. acat 12, 
chron. 1 

Accumulatio ceruminis 

Corj^us alienam 

Myringitis acuta 

Myringitis chronica 

Traumat. Trommelfellaffectipn . . 

Otitis media simpl. acuta .* . . . 

Otitis media simpl. chronica . . . 

Salpingitis acuta 

Salpingitis chronica 

Otitis media suppurativa acuta . 

Otitis media suppurat. chronica. Po- 
lypi 13, Canes 8 

Labyrinth -Nervenaflfection, acut. 0, 
chron. 17 

Taubstummheit, erworben 4, ange- 
boren 7 

Abgelaufene Mittelohrprocesse . . 

Periostitis des Warzenforts., acut 2, 
chron. 

Otalgie 

Brausen ohne Befund 

Normal 

Keine Diagnose . 

Summa : 



4 

6 

5 

7 



9 
4 
2 
2 



23 



74 



1 
1 
3 
4 

7 
24 
1 
5 
2 
3 
2 
9 
6 
1 
9 

25 



5 

7 

1 

37 

1 

1 

9 
86 
4 
2 
9 

28 



108 



11 
10 



3 
5 
3 



1 

1 

1 

12 

17 

13 

68 

2 

6 

3 

3 

20 

99 

12 

5 

24 

76 



15 17 



238 



U 

16 

2 
3 
5 
3 

8 



1 

1 

1 

8 

11 

11 

57 

2 

6 

1 

2 

15 

18 

9 

2 

15 

16 



428 



2 

1 



11 



179 



3 

37 
3 
2 
2 — 

16 



81 



22 



1 



10 
9 



3 

8 



3 
6 



43 



1 

l 

21 



6 
26 



72 



1 
U 



1 
1 

12 



30 1 



Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke in Göttingen 1880. 183 

Es kamen somit auf die 
Krankheiten des äusseren Ohres 115, r. 22, 1. 41, bilateral 52. 



n 


„ Trommelfelles 


12 . 1 


, 10 


n 


1. 


n 


„ Mittelohres 


252 „ 49 


» 55 


n 


148. 


n 


„ inneren Ohres 


28 „ 1 


» 1 


n 


26. 


Diverses 




21 „ 1 


, 1 


n 


11. 



428 Fälle. 

Das rechte Ohr war 74 mal, das linke 108 mal, beide Ohren 
waren 238 mal erkrankt, so dass sich das Verhältniss für das 
rechte Ohr auf 17,62 Proc, fftr das linke auf 25,72 Proc., filr 
bilaterale Affectionen auf 56,66 Proc. stellt. 

Was die therapeutischen Maassnahmen betrifft, so wurde 
auch im verflossenen Jahre bei der Behandlung der Ohreneiterung 
der Borsäure in den im vorigen Berichte (XVI, 56) angegebenen 
Formen der Vorzug gegeben. An Operationen wären folgende 
zu verzeichnen: Incision in Furunkel 10 mal, Eröffnung eines 
Abscesses am äusseren Ohre 2 mal, eines Othaematomes 1 mal; 
Exstirpation von Fibromen (Keloiden) 2 mal ; Fremdkörper 3 mal, 
Paracentese der Paukenhöhle 26 mal (7 mal ohne Erfolg, wieder- 
holt in 3 Fällen), Polypenextraction 11 mal, Wilde'scher Schnitt 
1 mal. Ausserdem wurden mehrfach kleinere Operationen im 
Nasenrachenräume ausgeführt, wie überhaupt diesem Hohlräume 
viel Aufmerksamkeit zugewendet worden ist. 

Hervorzuheben wären etwa folgende Fälle. 
/. Aeusseres Ohr, 

1. Auricularanhänge bei einem 18 Jahre alten Bauern- 
söhne ; dieselben, zwei an der Zahl, sassen vor dem Tragus des 
linken Ohres auf; der grössere, cylindrische, mass 4 Mm. in der 
Länge und 2,5 Mm. im Durchmesser, der kleinere war flacher 
und härter. 

2. th a e m a 1 m. Ein 29jähriger Locomotivheizer bemerkte 
seit einiger Zeit eine kirschgrosse, pralle, rothe Geschwulst am 
linken Ohre, dieselbe hatte ihren Sitz unter dem Helix und auf 
dem Anthelix und erwies sich als Ohrblutgeschwulst. Die Be- 
schwerden, Brennen und Jucken, Hessen sofort nach der von mir 
angelegten Spaltung der Geschwulst nach, wobei sich etwa 
20 Tropfen Serum und ein halber Fingerhut voll Blut entleerte. 
Nach 14 Tagen ist unter Anwendung eines Druckverbandea und 
einer Quecksilbersalbe Heilung eingetreten. 

3. Fibrom des Lobulus. Beide Ohrläppchen eines 6jäh- 
rigen Mädchens zeigten je ein kleines Fibrom, das von dem Ohr* 



184 XIII. BÜRKNER 

ringkanal ausgegangen und zu beiden Seiten des Lobnlns aus- 
getreten war, so dass jederseits eine halbkugelige, zerklüftete Ge- 
schwulst von circa V2 Gm. Durchmesser herausstand. Mit dem 
Messer und der Wilde 'sehen Schlinge wurden die Tumoren ent- 
fernt, darauf zur Vermeidung von Recidiven Aetzungen mit Lapis 
vorgenommen. 

4. Abscess des äusseren Ohres und Gehörganges. 
Ein 13jähriger Knabe hatte sich bei einem verfehlten Versuche, 
das Trittbret eines rasch dahinfahrenden Kutschwagens zu er- 
klimmen, auf einem der dort angebrachten spitzen Metallstacheln 
das rechte Ohr aufgespiesst. Drei Tage darauf suchte er einer 
grossen, schmerzhaften Geschwulst am Ohre wegen Hülfe in der 
Poliklinik. Die sehr starke Schwellung erstreckte sich von der 
Wurzel des Helix über die Concha an der hinteren und oberen 
Gehörgangswand entlang bis etwa V2 Cm. nach aussen vom 
Trommelfell ; das Lumen des Gehörgangs war total dadurch ver- 
legt; nach einer tiefen Incision entleerte sich sehr viel fö tider 
Eiter ; es zeigte sich dann , dass die Epidermis an der hinteren 
Wand des.Meatus extemus abgelöst, das Trommelfell stark in- 
iicirt, aber unverletzt war. Heilung trat rasch ein. , 

Einen ähnlichen Fall hatte ich Gelegenheit an einem Stu- 
denten zu beobachten, dessen Ohr bei einer Schlägerei durch 
einen heftigen Stoss mit einem Hausschlüssel getroffen worden war. 
//. Trommelfell. 

5. 6. Traumatische Bnpturen beobachtete ich mehr- 
fach. Ein Gärtner hatte sich ein Trommelfell während der Arbeit 
mit einem schwefelholzdicken Zaunaste durchstossen ; der Riss 
verlief schräg von hinten oben nach vom unten durch den Umbo 
und war etwa 6 Mm. lang, gelappt und mit Blutcoagulis bedeckt. 
Heilung innerhalb dreier Wochen. Ein anderer Fall betraf eine 

' Frau, der eine Thtir gegen den Kopf geschlagen war; hier war 
der Riss kleiner, hingegen kam es 3 Tage nach dem Trauma zu 
einer Entleerung von mehreren Tropfen Blut. Da die Patientin, 
sobald die subjectiven Beschwerden (Schwindel, Brausen) nach- 
liessen, aus der Behandlung fortblieb, konnte ich den weiteren 
Verlauf nicht verfolgen, doch schien bei der letzten Consultation 
alle Gefahr beseitigt, das Trommelfell in der Heilung begriffen. 
7. Ein auffallendes Trommelfellbild fand ich bei einem jungen 
Manne, der seit 2 Jahren an eiteriger Mittelohrentzündung litt; 
das Trommelfell war sehr stark eingesunken, die hintere Falte 
hell glänzend, die Membran scheinbar nicht perforirt, obwohl 



Bericht der Poliklipik für Ohrenkranke in Göttingen 1880. 185 

Schleim und Eiter im Gehörgasge stand; vor dem kurzen Fort- 
satze fiel eine hirsekomgrosse Verkalkung, in der unteren Hälfte 
Badiärstreifang auf. Erst nach Application der Lufldouche, wo- 
bei ein lautes Perforationsgeräusch hörbar war, zeigte sich da, 
wo die hintere Falte sich nach innen umschlug , also an der 
Grenze des hellen Glanzes, ein schwach pulsirender Reflex, und 
nach Abtupfung des Secretes gelang es mir, wenn ich möglichst 
Yon unten her inspicirte, einen engen Spalt unter der hinteren 
Falte, da wo das Trommelfell nahezu horizontal geknickt war, 
zu erkennen. 

Narben wurden 32 mal, Verkalkungen 28 mal, Narben 
und Verkalkungen 11 mal, Perforationen (neben anderen, 
wichtigeren Befunden) 3 mal constatirt. 
in. Mittelohr. 

8. Ein 22 jähriges Mädchen, das an Mitralinsufficienz und 
hochgradigem Morbus Brightii leidet, klagte nach einer Erkältung 
des Kopfes über Klopfen im rechten Ohre und Schwerhörigkeit. 
Das Trommelfell zeigte sich diffus geröthet, hinter dem Hammer- 
griff fiel eine stecknadelkopfgrosse Ekchymose auf. Nach der 
Luftdouche schimmerte gelbliches Secret durch das Trommelfell 
durch, so dass ich mich bewogen fand, sofort die Paracentese 
vorzunehmen. Entleerung von viel zähem Schleim; Heilung in 
8 Tagen. Nach 8 Wochen wiederholte sich genau dasselbe und 
ein Vierteljahr nach dem ersten Becidiv kam es zu einem zwei- 
ten ohne Ekchjmosirung. Seit Juni 1880 ist das Ohr normal 
geblieben. 

9. In einem Falle von langjähriger rechtsseitiger Mittelohr- 
eiterung, der ein zwanzigjähriges Mädchen betraf, fiel mir, zuerst 
bei der Einführung des Ohrtrichters, später auch beim Spritzen, 
auf, dass regelmässig bei diesen Maassnahmen Nystagmus bei- 
der Augen eintrat. Eine genaue Untersuchung ergab schliesslich, 
dass sogar die Anstrengung des kranken Ohres bei den Hör- 
prüfungen jedesmal zu Nystagmus führte. Die Kranke selbst 
merkte von den Bewegungen der Augäpfel nichts ; die in der 
Augenklinik vorgenommene Untersuchung der Augen ergab nur 
negative Besultate. 

10. Ein letal endigender Fall war der folgende: Ein 
52jähriger Bauer, der schon seit Jahresfrist schwerhörig war, litt 
seit 4 Wochen an einer Mittelohreiterung; im Verlaufe derselben 
hatten sich häufig Schmerzen eingestellt, schliesslich Schwindel- 
anfälle. Obwohl der Kranke nicht mehr allein gehen konnte, 



186 XUI. BÜRENER 

wurde er auf Anrathen des Arztes zu mir transportirt. Er war 
fast ganz taub, sein Gang^taumelnd, der Nacken steif. Das rechte 
Trommelfell zeigte sich weiss getrabt, vom linken war nur ein 
kleiner Rest, von zahllosen Epithelklnmpen bedeckt, zu consta- 
tiren ; die Pankenhöhlenschleimhant war stark gewnlstet nnd ge- 
röthet, Eiter fast gar nicht vorhanden. Die Gegend des Warzen- 
fortsatzes, der linken Nacken- nnd Halsseite stark geschwollen^ 
bretthart, äusserst schmerzhaft. Obwohl ich nicht verfehlte, den 
Kranken und dessen Angehörigen auf den Ernst des Leidens 
eindringlich aufmerksam zu machen, konnte man sich nicht enir 
schliessen, den Patienten in die Klinik zu tlberfbhren. Drei Tage 
später meldete man mir seinen Tod. 

11. 12. Im Beginn des Winters rief mich ein Bauer aus 
Nicolausberg zu seinen beiden Söhnen; beide seien vor sechs 
Tagen nach der Arbeit auf dem Felde und in der Scheune von 
Schmerzen im rechten Ohre und Schwindel befallen worden, es 
sei dann Erbrechen eingetreten, Brausen und Schwerhörigkeit 
hinzugekommen, und der behandelnde Arzt habe nun gerathen, 
Hülfe beim Specialisten zu suchen. Als ich zn den Kranken 
kam, fand ich den älteren 16jährigen Sohn mit entschieden me- 
ningitischen Symptomen vor; derselbe sah fieberhaft aus, 
seine Pupillen waren weit und träge, der Nacken etwas steif; 
er klagte tlber heftigen, vom rechten Ohre ausgehenden Kopf- 
schmerz, ttber Klopfen und Brausen im Ohre, Schwindel und 
Mattigkeit. Puls 110, Temp. 39,1 ». Die Uhr wurde auf dem 
kranken Ohre nicht gehört. Der Gehörgang erwies sich ge- 
schwollen, das Trommelfell undeutlich, trttbe, wulstig, mit abge- 
stossenem Epithel bedeckt, blauroth. Obwohl ich nicht sicher 
eine Secretanhäufung in der Pauke constatiren konnte, durch- 
schnitt ich das Trommelfell, und nun entleerte sich eine beträcht- 
liche Menge blutig tingirten Eiters, wonach das Klopfen alsbald 
nachliess. Die Uhr wurde jetzt 3 Cm. weit gehört. Eisum- 
schläge, Bettlage. 

Am nächsten Tage war das Fieber geringer (38,3 o), wenig 
Secret im Ohre, Allgemeinbefinden besser, und im Laufe von 
4 Wochen heilte das Ohr vollständig, nachdem die meningitischen 
Symptome schon 5 Tage nach der Paracentese gewichen waren. 

Der zweite, 13 Jahre alte Sohn zeigte dieselben Localer- 
scheinungen in geringerem Grade ; hier fehlten, als ich ihn zuerst 
sah, Meningealerscheinungen, bis auf Schwindel und Kopfweh^ 



Bericht der Poliklinik für Ohrenkranke in Göttiogen 1880. 187 

ganz. Die Heilung (es wurde auch hier sofort Paracentese ge- 
macht) trat rascher ein als beim Bruder. 

Für das so auffallende gleichzeitige Eintreten einer recht- 
seitigen Mittelohrentzündung bei beiden Brüdern konnte ich eine 
befriedigende Erklärung nicht finden. 

13. Einen Fall von Garies des Schläfenbeines mit 
Fistelbildung im Warzenfortsatze beobachtete ich an 
einem 19jährigen Manne, der mir zur genaueren Untersuchung 
von der chirurgischen Klinik zugewiesen war. Das rechte Ohr 
des Kranken hat seit der Kindheit geeitert; im 12. Jahre wurde 
eine Geschwulst im Warzenfortsatze aufgeschnitten und etwas 
Knochen entfernt. Vor 2 V2 Jahren stellten sich starke Schmerzen 
ein und die geheilte Wunde am Proc. mastoideus brach auf, um 
sich nicht wieder zu schliessen, wohl aber von Zeit zu Zeit 
Massen von wildem Fleische zu entleeren. Befund: Viel höchst 
fötider Eiter im Qehörgang und in einer Fistel des Warzenfort- 
satzes, in welche die Sonde nach oben und innen 3 Cm. weit 
Tordringt. In den Gehörgang gespritztes Wasser läuft aus der 
Fistel ab-, und umgekehrt. Im Meatus extemus mehrere kleine 
Polypen, die aus den pneumatischen Hohlräumen in der Um- 
gebung des Gehörganges entspringen. In der chirurgischen Klinik 
wurde die Fistel erweitert und cariöser Knochen entfernt ; Patient 
liegt noch auf der Abtheilung. 

Zum Schlüsse fühle ich mich verpflichtet, Herrn Dr. Behm 
für mehrfache Vertretung in der Poliklinik meinen Dank aus- 
zusprechen. 



XIV. 
Bemerknogen Aber die Lymphbahnen des inneren Ohres. 

Yon 

C. Hasse 

in Breslau. 

Der Leser dieser Zeilen wird sie vielleicht mit dem Geftlhl 
der Enttänschong znr Seite legen, denn statt eigener weiterer 
Untersuchungen über dieses schwierige Thema findet derselbe 
nur eine Darstellung der bisherigen Erfahrungen und wird zu 
seinem Schrecken gewahr , dass wir von der Lösung der ein- 
schlägigen Fragen, namentlit^h so weit sie den Menschen be* 
treffen, noch ziemlich weit entfernt sind. Bei näherer Ueber- 
legung und beim Durcharbeiten der Literatur wird er sich freilich 
bald genug sagen, dass eine scharfe Präcisirung der Fragen und 
ein deutliches Hervorheben der bisherigen Leistungen und Me- 
thoden doch nicht so ganz unnütz ist. Von verschiedenen Seiten 
sind mir Klagen geäussert, dass auf dem fraglichen Gebiete eine 
gewisse Verwirrung herrsche und man hat dem Wunsche Aus- 
druck verliehen, die etwaigen Unklarheiten aufgehellt zu sehen. 
Wage ich mich nun an diese Aufgabe, so glaube ich eine ge- 
wisse Berechtigung der Thatsache entnehmen zu dürfen, dass ich 
seiner Zeit manches Scherflein zur Eenntniss der Anatomie des 
Gehörorganes beigetragen und namentlich auch über die Lymph- 
wege des inneren Ohres der Wlrbelthiere einer einheitliche^ Auf- 
fassung Bahn zu brechen versucht habe. Ich habe aber viel- 
leicht dazu eine gewisse Verpflichtung, weil manche meiner Be- 
hauptungen mit anderen Untersuchungen, namentlich über das 
menschliche Ohr in Widerspruch stehen, und somit leicht <iie 
Verwirrung vergrössern könnten. 

Ich urtheile nun aber nicht allein auf Grund der früher ver- 
öffentlichten Beobachtungen, sondern ich stütze mich bei der 
Behandlung der vorliegenden Fragen zugleich auf bereits zu An- 



Bemerkungen' über die Lymphbahnen des inneren Ohres. 189 

fang des vorigen Jahrzehntes von mir vielfach unternommene 
Injectionen des Gehörorganes namentlich der Frösche, Injectionen, 
welche vom Gavum perilymphaticum ausgehend, nicht allein zur 
Füllung der epispinalen und cerebralen Räume, sondern auch zu 
der der Scheiden der peripheren Nerven, ja der Lympbsäcke 
des Körpers fahrten und das Wesen^tliche der damals erst unvoll- 
ständig bekannten', ausgezeichneten Untersuchungen von Key 
und £etzius bestätigten. 

Die Injection geschah unter langsamem, niederem Druck, 
nachdem ich zuvor die Bedeckung der Labyrinthkapsel theilweise 
fortgenommen und durch Einbohren einer Nadel in die Knorpel- 
haft zwischen Pro- und Opistoticum dem Liquor perilymphaticus 
theilweise Abfluss verschafft hatte, mittelst erstarrender, gefärbter 
Leimlösung. Stellte ich nun seiner Zeit diese Versuche an, um 
meine mittelst des Mikroskopes und der Präparirnadel gewon- 
nenen Resultate über die Lymphbahnen des inneren Ohres der 
Wirbelthiere zu festigen, so befähigen sie doch auch Angesichts 
der von anderen Forschern angestellten Injectionen, die in den 
meisten Fällen ihren Ausgangspunkt von der Schädelhöhle hatten, 
zu einem Urtheil über den Werth derselben. Ich bin bei meinen 
Versuchen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle glücklich 
gewesen, namentlich dann, wenn bei Eröffnung des Cavum peri- 
lymphaticum die Flüssigkeit einigermaassen reichlich abfloss. Ich 
glaube demnach, dass ein wenn auch nur theilweiser Abfluss 
lymphaSscher Flüssigkeit eine nothwendige Vorbedingung fQr das 
Gelingen der Injectionen ist und sollte dieser Punkt bei künfti- 
gen Versuchen besonders ins Auge gefasst werden. Bei Injectio- 
nen in die Schädelräumlicbkeiten des Menschen und der Säuge- 
thiere wäre es gewiss gerathen um eine Füllung des Gavum peri- 
lymphaticum zu erzielen, mit einer feinen Nadel die Membrana 
tympani secundaria zu durchstechen^ oder wenn es sich bei den 
höheren Thieren um Versuche bezüglich der endolymphatischen 
Zu- und Abflusswege handelt, den äusseren häutigen Bogengang 
nach sorgfältiger Eröffnung des Knochenkanales zu trennen. Bei 
den Vögeln und anderen Wirbelthieren unterliegt ja die Frei- 
legung eines halbcirkelförmigen Kanales auf kurze Strecken und 
ohne eingehende Verletzungen keinen besonderen Schwierig- 
keiten. Bei den nackthäutigen Amphibien möchte es sich viel- 
leicht auch empfehlen, der lymphatischen Flüssigkeit durch Er- 
öffnung eines Rückenlymphsackes Abfluss zu verschaffen, was 
sich j^. ohne eingreifende Verletzung mit Leichtigkeit bewerk- 

ArchiY f. Ohrenheilkunde. XYII. Bd. 13 



190 XI 7. HASSE 

stelligen lässt. Dieses Bilden von Oegenöffhungen erscheint mir 
besonders bei Injectionsyersnchen von serösen, rings von unnach- 
giebigen Enochenwänden nmgrenzten Räumen wichtig nnd es 
kann meiner Meinnng nach das Tödten der Thiere durch Ver- 
blutung ans der Arteria femoralis die Entleerung lymphatischer 
Bahnen nicht ersetzen. 

Die Erforschung der endolymphatischen Znfluss- resp. Abfluss- 
wege stellt unzweifelhafk den schwierigsten Theil der Untersu- 
chung dar, und wenn ich seiner Zeit die Möglichkeit einer offe- 
nen Verbindung des Ductus endolymphaticus ffir den Menschen» 
die Säugethiere und Vögel hervorhob, so muss ich jetzt diese 
Möglichkeit vollkommen ausschliessen. Es unterliegt 
mir keinem Zweifel, dass bei allen Thieren, bei denen im Verlaufe 
der Entwicklung eine Trennung des Recessus labyrinthi, des Ductus 
endolymphaticus oder Aquaeductus vestibuli von der Kopfober- 
fläche zu Stande kommt, und das ist bei allen mit Ausnahme der 
Elasmobranchier der Fall, der Ductus endolymphaticus, mittelst 
des Sacculus' endolymphaticus blind geschlossen uüd bei den 
Säugethieren und dem Menschen unter oder in der Dura mater 
eingeschlossen endet. Es kann somit höchstens auf dem Wege 
der Diffusion ein Zu- oder Abfluss von Lymphe zwischen dem 
Gavum endolymphaticum und den epi- oder intraduralen Lymph- 
räumen stattfinden. Demnach ist es unzweifelhaft, dass die^ Endo- 
lymphe andere Wege einschlägt; und ich halte es für im höchsten 
Grade wahrscheinlich, dass dieselben in den Arachnoidealschei- 
den der in das häutige Labyrinth eintretenden Nerven resp. 6e- 
f ässen, der Auditiva interna, zu suchen sind und dass somit auch 
auf diesem Wege pathologische Processe vom Subarachnoideid- 
raum aus auf das häutige Labyrinth und dessen Gavum endo- 
lymphaticum übergreifen. Zur Entscheidung dieser Frage würden 
nach Eröffnung eines häutigen Bogenganges die Injectionen in 
den Subarachnoidealraum wieder aufgenommen werden müssen, 
während Injectionen vom häutigen Labyrinth aus meiner Ansicht 
nach nur von geringem Erfolge gekrönt sein werden, da das 
Gavum endolymphaticum, wie seine Entwicklung lehrt, jeden&Us 
nicht als Anfang, sondern als Ende der bezüglichen lymphati- 
schen Bahnen anzusehen ist. Dieser eben hervoi^ehobene Weg, 
auf den auch namentlich die Untersuchungen von Key und 
Retzius^ hinweisen, würde dann sein bestes Vorbild in den 



1) Studien in der Anatomie des Nervensystems. I.Hälfte. Stockholm 1873. 



Bemerkungen über die Lymphbahnen des inneren Ohres. 191 

AbflussbahneD der Lymphe des Angenhintergrundes haben, wie 
sie besonders durch die Bemühungen Schwalbe's sicher ge- 
stellt sind. Immerhin stehen wir hier noch am Anfange unserer 
Eenntniss und sind über den Bereich der Wahrscheinlichkeit noch 
nicht recht hinausgekommen. 

Etwas anders steht es mit der Eenntniss der perilym- 
phatischen Bahnen und es ist ein Verdienst von Weber- 
LielO) bereits im Jahre 1869, bevor meine eigenen ausge- 
dehnten vergleichend - anatomischen Untersuchungen publicirt 
werden konnten^), beim Menschen und den Säugethieren auf 
die Bedeutung des Aquaeductus Cochleae wiederum hingewie- 
sen zu haben, nachdem der Werth desselben seit den Zeiten 
Gotugno's bei der Mehrzahl der Forscher vollkommen in Ver- 
gessenheit gerathen und selbst von Huschke^) hypothetisch 
behandelt worden war. Da die einschlägige Literatur bis auf 
diese Bemerkungen von H u s c h k e und die neuesten Mittheilun- 
gen von Weber-LieH) sehr sorgfältig in dem ausgezeichneten 
Werke von Key und Betzius (1. c.) dargestellt ist, so kann 
ich mir wohl fQglich eine genaue historische Uebersicht erspa- 
ren und mich auf das Hervorheben , der wichtigsten Punkte be- 
schränken. 

Ich glaube, dass die Verwirrung, welche etwa eingerissen 
sein möchte, daher entstanden ist, dass die verschiedenen For- 
scher zur Injection des Gavum perilymphaticum der Thiere sich 
zweier Methoden bedient und mit beiden Erfolge erzielt haben. 
Ohne es ausdrücklich zu betonen, hat sich namentlich Weber- 
Liel im Jahre 1869 der Injectionen des Subduralraumes bedient, 
während er später 1877 einfach vom Subarachnoidealranm spricht, 
ohne in denselben Injectionsversuche zu machen. Er beschränkt 
sich vielmehr auf Versuche zur Aspiration gefärbter Flüssigkeiten 
vom Ende des Aquaeductus Cochleae aus. Dadurch geräth das 
Gesammtresultat etwas ins Schwanken und kann leicht Unklar- 
heit hervorrufen. Als klares Resultat ist, abgesehen von den 
interessanten Aspirationsversuchen, die Thatsache hervorzuheben, 
dass es Weber-Liel 1869 gelang, durch Injection des Cavum 
subdurale mittelst desi Aquaeductus Cochleae einen Theil des 
Gaynm perilymphaticum zu fallen und somit einen Zusammenhang 

1) Monatsschrift für Ohrenheilkunde. III. Jahrgang. Nr. 8. 

2) Anatomische Stadien. Leipzig, Engelmann. 1870—1873. 

3) Beiträge zur Physiologie. 1824. 

4) Berliner klinische Wochenschrift 1877. Nr. 44. 

t3* 



192 XIV. HASSE 

zwischen dem Snbdnralraum und dem perilymphatischen Baum 
zu statniren. Andererseits zeigte Schwalbe^) „ schon vor 
Weber-Liel^, dass der Sabdnralranm längs des Acnsticos im 
inneren Gehörgange mit dem Cavnm perylymphaticam in Ver- 
bindung stehe, und zu den gleichen Besultaten gelangten Key 
und Retzius durch Injectionen in den Subduralraum. Die Flüs- 
sigkeit drang aber durch die Lamina cribrosa des inneren Ge- 
hörganges namentlich in die Scala tympani, jedoch ausserdem 
auch in das knöcherne Vestibulum. 

Diese Resultate erschienen nun aber den beiden ausgezeich- 
neten Forschem zweifelhaft, weil sie auch bei Injectionen in 
den Subarachnoidealraum gleiche Resultate erzielten, nur mit 
dem Unterschiede, dass die Injectionsmasse im letzteren Falle 
statt zwischen Arachnoideal- und Duralscheide des Nerven zu 
dringen in die Arachnoidealscheide drang. Ihr Misstrauen ge- 
genüber den eigenen Injectionen mag yielleicht unter dem Ein- 
drucke der Weber -Li er sehen Beobachtungen und meiner 
eigenen bezüglich des Aquaeductus Cochleae als Abflussweg 
der Perilymphe grösser sein , als recht und billig. Xranz un- 
I^eschadet der Bedeutung des Aquaeductus Cochleae halte ich 
dafür, dass ein Theil der Lymphe seinen Weg durch die Lamina 
cribrosa des inneren Gehörganges und zwar von dem Subdural- 
raum aus in der Duralscheide des Nerven zum Gavum peri- 
lymphaticum nimmt, und dass somit auch auf diesem Wege 
pathologische Processe im Bereiche des Subduralraumes sich in 
das Cavum perilymphaticum fortsetzen können. Immerhin wird 
es jedoch der Enge der Wege entsprechend wohl nur ein kleiner 
Theil der Lymphe sein, der durch den inneren Gehörgang fliesst, 
der Hauptabfluss geschieht meines Erachtens durch den Aquae- 
ductus Cochleae, nur fragt es sich in welcher Weise. 

Weber-Liel hat bei seinen ersten Injectionen in den Sub- 
duralraum die Scala tympani geftlUt und den knöchernen Aquae- 
ductus Cochleae von einem gefärbten Kanal durchsetzt gesehen, 
später fand er bei Anwendung der Aspirationsmethode, dass ein 
auf das periphere Ende der Schneckenwasserleitung gebrachter 
gefärbter Tropfen wie in einer Bohre ailfetieg und in die Scala 
trat. Wird nun aus diesen Beobachtungen der Schluss gezogen, 
dass die Perilymphe in den Subduralraum, eventuell, was von 
Weber-Liel nicht bewiesen ist, in den Subarachnoidealraum 



1) Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften 1869. Nr. 30. 



Bemerkungen über die Lymphbahnen des inneren Ohres. 193 

fliesst oder umgekehrt aus diesen Bäumen Liquor cerebrospinalis 
in das Gavam perilymphaticum normaler Weise tritt, so ist das 
glaube ich zu weit gegangen , abgesehen daTon, dass ersteres 
unwahrscheinlich ist, weil in diesem Falle ein Abströmen der 
Perilymphe in einer der gewöhnlichen Lymphbewegung entgegen- 
gesetzten Richtung stattfinden müsste. Aus den fraglichen Be- 
obachtungen würde kein anderer Schluss zu ziehen sein, als dass 
eine offene Verbindung durch den Aquaeductus Cochleae des Ga- 
Yum perilymphaticum mit anderen Lymphräumen (Snbdural- resp. 
Subarachnoidealraum) stattfinde, wie ich eine solche auch durch 
meine Injectionsversuche bei Fröschen mit dem Arachnoideal- 
räum nachgewiesen und auch fUr die ttbrigen Thiere insofern 
statuirt habe, als im Foramen jugulare sowohl das Cavum sub- 
arachnoideale, als der Ductus perilymphaticus , als das Jugular- 
lymphgefäss zusammenstossen. Dass dabei der Abfluss in das 
periphere, ausserhalb des Schädels gelegene Lymphsystem das 
natürliche ist, scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen. Weitere 
Folgerungen haben auch Key und Betzius nicht gezogen, 
welche bei ihren Injectionsversuchen vom Subduralraum aus nicht 
so gltlcklich waren, die Injectionsmasse weiter als bis in den An- 
fang des Aquaeductus Cochleae zu verfolgen, während sie dagegen 
bei Injectionen vom Subarachnoidealraum aus wenigstens bei 
Säugethieren die Flüssigkeit durch den Aquaeductus Cochleae bis 
an das Cavum perilymphaticum zu verfolgen im Stande waren. 
Hebe ich nun noch einmal ausdrücklich hervor, dass meine ver- 
gleichend-anatomischen Untersuchungen gezeigt haben, dass bei 
den vier unteren Thierklassen das Cavum perilymphaticum ein 
seröser Baum ist, dass femer dieser Baum durch einen häutigen 
Kanal, den Ductus perilymphaticus, welcher den Knochen, sei es 
in einfacher Durchbohrung, sei es in einem knöchernen Kanäle 
durchsetzt, mit dem Jugularlymphsystem und wie die Iigections- 
resultate an Fröschen lehren mit dem Arachnoidealraum des Ge- 
hirns in Verbindung steht, dass ferner Key und Betzius ge- 
zeigt haben, dass das Cavum perilymphaticum beim Menschen 
sowohl wie bei den Säugern mit einem Endothel ausgekleidet 
ist, dass es mir femer bei Säugethierembryonen einmal gelungen 
ist, wie bei den übrigen Thieren einen häutigen vom Cavum peri- 
lymphaticum ausgehenden Kanal nachzuweisen, für dessen Existenz 
auch die Weber- Li eTschen Aspirations versuche sprechen, so 
meine ich ist es in hohem Maasse wahrscheinlich, dass der knö- 
cherne Aquaeductus Cochleae beim Menschen, abgesehen von seiner 



194 XIV. HASSE, Lymphbahnen des inneren Ohres. 

Doraanskleidang nnd von den Gefässen, welche er enthält, einen 
Verbindnngskaoal des Cavnm perilymphaticnm mit dem Lymph- 
System, sowohl dem peripheren, wie dem centralen amschliesst, 
einen Kanal, welcher als die Fortsetzung der arachnoidealen 
Gehirn- und Nervenhülle anzusehen ist. Dafür spricht, ganz ab- 
gesehen von meinen vergleichend anatomischen Untersuchungen 
und meinen Injectionsresultaten der Aspirationsversuch von 
Weber. Eine äusserst gewichtige Stütze bieten aber auch die 
Jnjectionsversuche von Key und Retzius. Während, abgesehen 
von der Füllung peripherer Lymphbahnen, bei den Injectionen 
in den Subduralraum nur der Anfang des Aquaeductus Cochleae 
geftUlt wurde, drang beim Einspritzen in den Subarachnoideal- 
raum die Flüssigkeit durch den ganzen Kanal bis in das Gavum 
perilymphaticum. Vielleicht drang dabei in dem ersteren Falle 
die Masse nur zwischen der Duraauskleidung des knöchernen 
Aquaeductus und dem häutigen Ductus perilymphaticus vor. Die 
vollkommene Inj ection, welche Weber- Li el vom Subduralraum 
aus erzielte, schliesst, so werthvoU dieselbe ist, durchaus nicht 
eine Zerreissung des häutigen Aquaeductus und dadurch bedingten 
Eintritt in das Cavum perilymphaticum aus. 

Zum Schlüsse sei es mir gestattet, noch einmal kurz meine 
Ansichten in der vorliegenden Frage darzulegen: 

Die Perilymphe des inneren Ohres fliesst haupt- 
sächlich durch einen häutigen, vielleicht mit En- 
dothel ausgekleideten Ductus perilymphaticus im 
Umfange des Foramen jugulare in das periphere 
Lymphsystem, welches auch den Liquor cerebrospi- 
nalis des Gavum subarachnoideale aufnimmt, zum 
geringen Theil vom Subduralraum du^rch den Porus 
acusticus internus. 

Der Liquor endolymphaticus findet seinen Ab- 
fluBSweg durch die Arachnoidealscheide des Acusti- 
cus in den Subarachnoidealraum und erneuert sich 
vielleicht auf dem Wege der Diffusion durch den 
Ductus endolymphaticus und vor allen Dingen durch 
dessen Sa<3culus aus den epi- oder endoduralen serö- 
sen Bahnen. 

Breslau, März 1881. 



XV. 

Schnssverletzmg des Ohres 
mit Ansfliss von Liqior cerebro-spinalis. 

Von 

Dr. B. Koemer, 

k. 8. Stobaurzt. 

Folgende Krankengeschichte habe ich, wenn auch nicht so 
ausführlich, schon in einem kleinen Aufsatze publicirt 0, welcher 
mehrere auf der Leipziger chirurgischen Klinik behandelte Schuss- 
Verletzungen betraf. Wenn ich dieselbe in dieser Zeitschrift wie- 
derhole, so bestimmte mich dazu nicht allein das grosse Interesse, 
welches dieser Fall gerade ftlr Ohrenärzte haben muss, sondern 
ganz besonders der Umstand, dass diese Schussverletzung des 
Ohres ein Pendant zu nennen ist zu der Stichverletzung des Ohres, 
welche Prof. Schwartzeim vorigen Hefte dieses Archivs (S. 1 17) 
veröffentlicht hat. lieber das Gemeinschaftliche, resp. Abwei- 
chende beider Verletzungen werde ich am Schlüsse einige Worte 
anftlgen. 

Emil Heydenreich, 24 Jahre alt, aus Knautnaundorf bei 
Leipzig, Oekonom, verletzt am 8. März 1879 Abends 7 Uhr, 
aufgenommen um Mitternacht, geheilt am 12. April 1879. — Es 
handelte sich um einen Selbstmordversuch mit Revolver, dessen 
Kaliber 9 Mm. Lef. betrug. Einschuss in der rechten Ohrmuschel 
dicht hinter der Mttndung des äusseren Gehörganges; Ausschüss 
fehlt. Pat. kommt bei vollem Bewusstsein im Kranken- 
hause an, sagt aus, er habe sich in sitzender Stellung den Schuss 
beigebracht und sofort einen heftigen Schmerz verspürt, jedoch 
keinen Moment das Bewusstsein verloren. Nach einer Weile sei 
er aufgestanden und fortgegangen, unterwegs aber immer bei 
vollem Bewusstsein bleibend einige Male hingefallen, da er 
schwindlig geworden, das Gleichgewicht verloren habe und im 

1) Deutsche Zeitschrift für Chir. XU. Bd. S. 524. 



196 .XV. KOERNER 

Kreise heramgegaDgen sei. Der Kranke ist rahig, klagt nur über 
Schwindel und geringen Schmerz in der Wunde, dagegen kein 
Kopfschmerz, keine Brechneigung, keine Lähmungserscheinungen. 
Aus der Wundspalte sickert eine mit Blut gemischte, wasserhelle, 
durchsichtige Flüssigkeit in nicht unerheblicher Menge (Liquor 
cerebro-spinalis). Gehör auf dem rechten Ohre gleich Null. 

Behandlung besteht in absoluter Buhe, Eis, äusserer Gehör- 
gang im Verein mit derWundspalte mit nasser Salicylwatte tarn- 
ponirt. 

Verlauf: 9. März. Schlaf gut. Tolles Bewusstsein, nur 
Schwindel andauernd; keine Unruhe, kein Kopfschmerz, keia 
Fieber, keine Lähmungen etc. 

10. März früh. Leiser Kopfschmerz in der rechten Schläfen- 
gegend und Hinterhaupt, im Laufe des Tages starkes Rauschen 
im rechten Ohr und Unruhe. Temp. Abends 38,0. 

11. März. Schlaf unruhig, heftiger Kopfschmerz zumal hinter 
dem rechten Ohr und im Hinterhaupt; bei Entfernung des Tam- 
pons aus dem Ohre fliesst in der Zeit von 15 Minuten circa 2 Ccm. 
Liquor cerebro - spinalis aus; locale Blutentziehung durch 6 Blut- 
egel, die man einzeln hinter das Ohr ansetzte und stark nach- 
bluten liess. Abends bedeutende Erleichterung, Temp. normal. 

12. März. Kopfschmerz verschwunden. Schlaf gut, Schwin- 
del noch vorhanden, Temperatur normal, beim Verbandwechsel 
Ausfluss in gleicher Menge. 

13. März. Ausfluss lässt etwas nach. 

Vom 1 6. März ab kein Ausfluss mehr, Schwindel dauert noch 
mehrere Tage an. 

Eine eingehendere Untersuchung des Wundkanales resp. des 
äusseren Gehörganges wurde in den ersten Tagen absichtlich 
nicht vorgenommen, erst um diese Zeit wird die Kugel fest ein- 
gekeilt am hinteren unteren Bande der Paukenhöhle gefunden, 
etwa in der Gegend, welche dem Eingange in das Antrum masto- 
ideum entspricht. Das Gehör hat sich noch nicht gebessert. 

Ohrenspiegelbefund beim Abgang,' 4 Wochen nach stattge- 
habter Verletzung: Trommelfell bis auf einige narbige Stränge 
am oberen Bande vollständig verschwunden, von der Kugel sieht 
man vielleicht den dritten Theil der Gircumferenz in der hinteren 
Wand der Paukenhöhle feststecken, mit der Sonde vermag man 
dieselbe nicht zu bewegen. — Von einer Extraction der Kugel 
wurde, da der Kranke mit dem Heilerfolge ganz zufrieden, auch 
die Garantie einer Besserung der Hörfähigkeit nach Entfernung 



SchuBBverletzuDg des Ohres mit Ausflass von Liqaor cerebro-spinalis. 197 

derselben mit Sicherheit nicht zu steilen war, und ttber den Aas- 
gang dieses Eingriffes gerechte Bedenken herrschten, abgesehen. 
Wenn ich in dem oben citirten Aufsätze ^) betreffs der Indieationen 
zur Vornahme der Engelextraction die Grnhdsätze hingestellt habe, 
nur dann dieselbe anzustellen, wenn man hoffen könne ^ durch 
Entfernung der Kugel auffallende Störungen zu heben, oder wenn 
man sicher sei, auf kürzestem Wege ohne jede Gefahr für den 
ferneren Verlauf der Wundheilung die Kugel zu erreichen, oder 
auch der Kranke auf Entfernung derselben bestehe, so sind die- 
selben auch hier die maassgebenden gewesen. Die Taubheit auf 
dem rechten Ohr war freilich eine auffallende Störung, jedoch 
war die Hörfähigkeit auf dem anderen Ohre vollständig normal, 
somit konnte dieselbe einen so schweren Eingriff, wo es sich um 
Aufmeiselung des Processus mastoideus, wahrscheinlicher Weise 
um Lostrennung von Ejiochensplittern in der Paukenhöhle und 
im Labyrinth handelte, nicht rechtfertigen. 

Der acht Tage andauernde , anfangs sehr reichliche Ausfluss 
war wie in dem correspondirenden Falle der oben erwähnten 
Stichyerletzung des Ohres nach angestellten Untersuchungen Li- 
quor cerebro-spinalis. Freilich handelte es sich bei unserer 
Schussverletzung um eine directe Fractur des Schläfenbeines, 
welche möglicher Weise bis zur Schädelbasis reichend den Arach- 
noidealraum eröffnet hatte. Wenn man aber den kurzen Ver- 
lauf der Krankheit, den gänzlichen Mangel aller Symptome einer 
schwereren Verletzung in Betracht zieht, indem weder Bewusst- 
losigkeit noch Lähmungserscheinungen etc. vorhanden waren, so 
gewinnt wohl eher die Vermuthung Raum, dass die Kraft des 
Geschosses an den Knochenwandungen des Warzenfortsatzes ge- 
schwächt nur so weit gereicht hat, um diesen Theil des Schläfen- 
beins und die hintere Partie der Paukenhöhle zu durchbohren. 
Hier in der Paukenhöhle blieb das Geschoss mit seiner Basis 
im Warzentheil stecken, wobei die Spitze desselben das knöcherne 
Labyrinth fracturirte und dadurch mit grosser Wahrscheinlichkeit 
auch einen Einriss in den häutigen Theil bewerkstelligte. Die 
verletzte häutige Labyrinthhöhle lieferte in ihrer Gommunication 
mit dem Arachnoideabraum den reichlichen Ausfluss seröser Flüs- 
sigkeit und gab zugleich die Veranlassung zu den Abweichungen 
der Gangbewegungen. In unserem Falle machte der Kranke 
schon bei seinem Eintreffen im Krankenhause genaue Angaben 



l) Ibidem S. 539. 



198 XV. KO£BN£R, Schassverletzung des Ohres. 

• 
über das Eigenthflmliche dieser seiner Gangbewegangen , er sei 

immer bei vollem Bewnsstsein geblieben, trotzdem aber im Kreise 
umhergegangen (Beitbahnbewegong) und habe, da ihm schwin- 
delig wurde, das Gleichgewicht öfters yerloren. Es stimmen diese 
Angaben überein mit dem, was Flourens, Goltz und Andere 
in ihren Thierversnchen nach Zerstörung der halbcirkelförmigen 
Kanäle beobachtet haben. Eine Verletzung des Gehirns, fUr 
welche nach Bötger und Bergmann diese Symptome spre- 
chen sollen, möchte ich aus Mangel aller für eine solche Ver- 
letzung sprechenden Erscheinungen, zumal der Kranke, wie schon 
oft betont, vom Anfange an immer bei vollem Bewusstsein blieb, 
ausschliessen. 

Was den Verlauf der Krankheit anbelangt, so ähnelt der- 
selbe anfiallend demjenigen, den Schwartze beschrieben hat. 
Auch bei uns handelt es sich nur um die Erscheinungen von 
Hirnhyperämie, freilich in bedeutend geringerem Maasse als in 
dem Schwartze'schen Fall. Kopfschmerz und Fieber stellten 
sich erst zwischen zweitem und drittem Tag ein, der Grund daftlr 
ist wohl nur in dem abschliessenden antiseptischen Tampon zu 
suchen, welcher eine Anstauung des durch Hyperämie vermehrten 
Liquor cerebro - spinalis bewirkte. Als dieses Hindemiss gehoben 
und dem Secrete hinreicliender Abfluss verschafft wurde, ver- 
schwand der Kopfschmerz und das Fieber. Am achten Tage 
sistirte der Ausfluss gänzlich, es hatte sich unter allmählichem 
Abschluss der Oeffnung in der Labyrinthböhle das Gleichgewicht 
in der Flüssigkeitsmenge wieder hergestellt, der Blutzufluss war 
der normale geworden. Dass auch in diesem Falle nur die 
Hyperämie und ihre Folgen das Fieber und den Kopfschmerz 
hervorgerufen haben und nicht eine besonders günstig verlaufende 
Meningitis, geht daraus hervor, dass bei vollständigem Fehlen 
aller Symptome einer solchen Entzündung die bedrohlichen Zei- 
chen einer schwereren Affection sofort wichen mit der Entleerung 
des angestauten Secretes und mit der reichlichen localen Blut- 
entziehung. Fernerhin können wir auch in gleicher Weise wie 
Schwartze für die Richtigkeit unserer Diagnose Hirnhyperämie 
die Thatsache hinstellen, dass die Wunde vollkommen asep- 
tisch blieb. 

Leider wurde eine Prüfung der Kopfknochenleitung unter- 
lassen, so dass ich auf diese ebenfalls von Schwartze berührte 
Frage nicht einzugehen vermag. 



XVI. 

Besprechnngen. 



1. 

Diagnosifl and T^eatment of Ear Diseases. By Albert / 
H. Bück. New-York, Wm. Wood and Comp. 1880. 

Besprochen von 

Dr. Bflrkner. 

Das vorliegende Buch enthält eine- recht ansprechende Dar- 
stellung der Ohrenheilkunde, die allerdings ihrer Anordnung nach 
fttr Stndirende nicht sehr geeignet erscheint, während sie für den 
Specialisten manches Interessante enthält. Da Verf. in dem Werke 
die Ergebnisse und Erfahrungen aus seiner Praxis veröffentlicht, 
so ist der diagnostische und therapeutische Theil der am meisten 
eigenartige. Leider hat sich Verf. in der ausführlichen Aufzäh- 
lung einer reichen Casuistik gar zu wenig beschränkt, so dass 
ein beträchtlicher Bruchtheil des Buches aus Krankengeschichten 
besteht; und dies ist doch gewiss nicht die Aufgabe eines Lehr- 
buches. Der Anfänger kann mit einem so grossen casuistischen 
Materiale nichts anfangen, fttr den Specialisten aber haben nur 
die wenigsten von den angefahrten Fällen ein grösseres Interesse. 

Die Disposition des Buches ist insofern auffallend, als die 
Krankheiten des Trommelfells, deren Kenntniss doch fttr die 
Diagnose von Mittelohrkrankheiten unentbehrlich ist, nach Ab- 
solvirung der Abschnitte ttber das Mittelohr mit Einschluss des 
Warzenfortsatzes besprochen werden, und zwar in einem Kapitel 
mit Neubildungen des Mittelohres und systolischen Geräuschen 
und Otalgie. Ein wirres Durcheinander! 

Der Inhalt ist im Uebrigen folgender: 

Kapitel I enthält eine kurze Darstellung der Physiologie des 
Hörorgans, die fttr den damit Vertrauten recht angenehm zu lesen 
ist, fttr den Anfänger aber wohl kaum ausftthrlich genug sein 



200 XVI. Besprechangen. 

dürfte. Im Kapitel II folgt sodann ein Theil der Ejankenonter- 
sachnng, die Beschreibung der nothwendigen Instrumente und 
ihrer Handhabung; hieran schliesst sich in Kapitel m — ^XI der 
specielle diagnostischrtherapeutische Theil : Krankheiten der Ohr- 
muschel, des äusseren Gehöi^nges, eingeschaltet die Untersu- 
chung des Mittelohres y dann nichteitrige, später eitrige Elrank- 
heiten des Mittelohres, Fracturen des Schläfebeines, Krankheiten 
des Warzenfortsatzes, Anomalien des Trommelfells und, wie schon 
oben angegeben, im Anschluss daran verschiedene nervöse und 
Mittelohraffectionen, schliesslich die Labyrinthkrankheiten. 

Weicht die Darstellung im Allgemeinen nicht sehr von der 
gewöhnlichen ab, so findet sich doch auch manches Auffallende, 
manches, mit dem sich Referent nicht einverstanden erklären kann. 

So tibertreibt Verf. z. B. ganz entschieden die Schädlichkeit 
des Ausspritzens des Ohres ; verlangt er doch, dass Geübtere die 
Spritze ganz vermeiden sollen. Referent hat sich in mehreren 
Fällen davon überzeugt, dass die in neuerer Zeit von verschie- 
denen Seiten empfohlene, und, als eine für den Arzt bequeme 
Maassnahme, ziemlich rasch verbreitete Methode der trockenen 
Reinigung erheblichen Schaden anrichten kann, wenn sie von 
unkundigen Händen, am Ende gar von Laien ausgeübt wird; 
und sicherlich sind die dadurch bedingten Gefahren viel ominöser 
als die Verzögerung der Heilung, die mitunter bei Anwendung 
der Spritze eintreten mag. Grewiss ist einem geschickten Spe- 
cialisten die trockne Behandlung für gewisse Fälle sehr zu em- 
pfehlen, aber wer nicht sehr ^nau Bescheid weiss und sehr viel 
Uebung besitzt, sollte sich stets auf die alte bewährte Methode 
des Spritzens beschränken. Von diesem Gesichtspunkte hält es 
Ref. für geradezu falsch, wenn der Verf. so weit geht, nicht nur 
bei Mittelohreiterungen das Spritzen zu untersagen, sondern so- 
gar Gerumenpfröpfe und ähnliche Hindemisse stets mit Hülfe 
von direct operativen Eingriffen zu entfernen. Gewiss täuscht 
sich Verf., wenn er behauptet, dass Gerumenpfröpfe schneller mit 
Instrumenten als durch Einspritzungen zu entfernen sind; denn 
gelingt die Entfernung mit der Spritze nicht rasch, so stösst man 
auch bei Extractionsversuchen mit Instrumenten in der Regel auf 
Schwierigkeiten ; und ist die subjective Empfindung des Patienten 
nicht auch recht hoch anzuschlagen? 

Wenn sich Verf. nicht davon überzeugen konnte, dass pri- 
märe Furunkelbildung im knöchernen Gehörgange stattfinden kann, 
oder dass sich Furunkel vom knorpeligen auf den knöchernen 



XVI. Besprechungen. 201 

Gehörgang ausdehnen , so ist das sehr auffallend , da diese Er- 
scheinnng doch nicht zu den seltenen Ausnahmen gehört. 

Unter dem Begriffe „Otitis externa diffusa" fasst der Autor 
die gewöhnliche diffuse Gehörgangsentzttndung, Periostitis, Ekzem 
und Otomycosis zusammen, weil es in der grossen Mehrzahl der 
Fälle unmöglich sei (?), eine positive Diagnose zu stellen und 
weil eine solche für die Therapie in der Begel gleichgültig (?) 
sei. Dass die Krankheit dem reiferen Alter eigenthümlich sei, 
ist wohl nicht ganz zutreffend. 

Ein etwas bedenklicher Vorschlag scheint dem Referenten 
der zu sein, die Beweglichkeit des Trommelfelles statt mit dem 
vorzüglichen und gefahrlosen Siegle'schen Trichter mittelst der 
Sonde zu prüfen; auch für geübte Aerzte dürfte diese Methode 
nicht sehr empfehlenswerth sein. 

Eigenthümlich ist des Verfassers Eintheilung der Mittelohr- 
entzündungen. Kann man die Trennung in nicht eitrige und eitrige 
Krankheiten gelten lassen, so erscheint doch die weitere Unter- 
scheidung unstatthaft. Die nicht eitrige Form zerfällt nämlich, 
abgesehen von den Tubenkrankheiten, in acute und subacute 
Mittelohrentzündung, katarrhalische Entzündung, chronischen sub- 
acuten Katarrh; die eitrige Form in acute eitrige Entzündupg, 
syphilitische Erkrankung und chronische eitrige Entzündung mit 
Einschlnss der Polypen und der Caries. Was Verf. unter dßn 
Bezeichnungen versteht, besagen die Namen zur Genüge; nur 
der Ausdruck » subacut "^ bedarf der Erklärung, zumal da er neben 
„chronisch" vorkommt; nach der Angabe des Verf. unterscheidet 
sich die subacute Form von der acuten nur durch Abwesenheit 
von Schmerzen und weniger exactes Auftreten der Symptome. 
Unter chronischem subacutem Katarrh versteht Verf. jene Fälle, 
in denen bei intactem Trommelfelle progressive Schwerhörigkeit 
und subjective Geräusche bestehen. Die Schilderung der ein- 
zelnen Krankheitsformen ist übrigens im Ganzen recht gelungen, 
so dass die gezwungene Eintheilung desto unangenehmer berührt. 
Für die Behandlung der mucösen und eitrigen Mittelohrentzün- 
dungen gibt Verf eine Pipette von Glas an, mittelst deren das 
Mittelohr ausgespült oder ein Arzneimittel eingeträufelt werden 
kann. 

Sehr kurz, auf nur 15 Seiten, werden die Labyrinthaffectionen 
besprochen, die Verf. auch nicht direct als solche bezeichnet, 
sondern als „ Ohrleiden, in denen das Labyrinth wahrscheinlich 
betheiligt ist^ 



202 XVI. Besprechangen. 

Die grosse Anzahl von Fällen ans der Praxis enthält manches 
Interessante; beim Stndinm des Bnches wirkt die Gasnistik in- 
dessen sehr ermüdend, abgesehen davon , dass sie, wie schon 
oben angedeutet, in ein Lehrbach in dieser Ausdehnung wenig- 
stens nicht gehört. 

Die Abbildungen sind wenig gelungen, zum Theil Gopien, 
zum Theil Originale, in beiden Fällen sehr mangelhaft ausgeführt. 



2. 

Transactions of the American Otological Society. 
ThirteenthAnnualmeeting. Vol. II. Part 4. Boston, Williams u. Co. 1880. 

Besproelieii von 

Dr. Bttrkner. 

L A Gase of Aneurism of the middle Meningeal Arten/, 
from Traumatism, ßy H, N. Spencer, 

Ein 26 jähriger Mann war bei der Verfolgung eines Indivi- 
duums verwundet worden; er kam IV2 Jahre später in Spen- 
cer 's Behandlung, hochgradig schwerhörig und mit einem sehr 
lästigen Geräusche im linken Ohre. Die Anamnese ergab, dass 
der Schuss aus einer mit Rehposten geladenen, doppelläufigen 
Flinte von der linken Seite her gekommen war. Ein Schrotkom 
war '"^JA Zoll unter und Vb Zoll vor der Mitte des Bodens der 
äusseren GehörgangsOffnung in die linke Schädelhöhle gedrungen 
und auf der entgegengesetzten Seite des Kopfes, dicht vor dem 
Tragus, ausgetreten. Pat. war nach der Verletzung vom Pferde 
herab auf feuchten Boden gefallen und war 1—2 Stunden liegen 
geblieben, ehe er aufgehoben und einige Meilen weit in ein Dorf 
gefahren wurde. Die Blutung war beträchtlich und besonders 
lästig, weil sie sich in den Mund ergoss. Das Geräusch im Ohre 
begann 3 oder 4 Tage nach der Verletzung, anfangs schwachi 
später an Intensität zunehmend. Schwindel oder Gleichgewichti^ 
Störungen haben nicht bestanden; die Taubheit trat erst einige 
Zeit nach dem Trauma auf. 

Bei der Untersuchung zeigte sich das Trommelfell intact, 
stark eingezogen, trtlbe, die Nasenschleimhaut sehr roth und 
ödematös. Gehör rechts ^/so, links V2 : 80. Stimmgabel deutlicher 
links. Das Geräusch konnte Verf. durch ein Otoskop deutlich 
wahrnehmen und als aneurysmatisches diagnosticiren. — Dass 
eine Verletzung des Labyrinthes nicht zu Grunde liegen konnte, 



XVI. BeqpRchiii^eii. MS 

ging ans der BefBenmg des GehöTS, die auf eine Behandlang des 
Mittelohres erfolgte, horriHr; Verfl glanbt yiehnehr, es habe sich 
um einen durch ErkUtnng bedingten Mittelohrkatanb gehandelt; 
das Aneurysma verlegt er in die Art meningea media, da das 
Schrotkom dieselbe etwas unterhalb des Foramen spinosum ge* 
troffen haben mflsse. 

//. OsieO'Selerasis of ike MusUnd. By J. Orme Greem. 

Eine 40 jlhrige Fran litt seit einigen Monaten an linksseitiger 
Otorrhoe mit heftigen Schmenen im Ohre und Waisenfortsatie ; 
unter letzterem bildete sich ein Abscess, der geöffnet wurde; 
darauf linksseitige Fadalparalyse, welche bei totaler Taubheit 
bestehen bUeb. 6 Wochen tot der Consultation fing auch das 
rechte Ohr zu eitern an und ertaubte. Die Untersuchung eigab : 
BeiderseitB totale Taubheit, totale linksseitige Fadall&hmung, 
keine Hemiplegie; Schmerzen über dem rechten Ohre und linken 
Auge; Schwindel. Linkes .Trommelfell durch eine glatte Narbe 
ersetzt, die der Labyrinthwand adhärirt; rechter Qehörgang mit 
Eiter gefüllt, geschwollen; im Trommelfelle grosse Perforation 
vom. Keine Schwellung oder Empfindlichkeit über dem rechten 
Warzenfortsatze; Haut über dem linken Auge und Schädel sehr 
empfindlich; beide Schläfebeine erscheinen vergrössert und sind 
deutlich abzugrenzen. 

Therapie: Jodkalium; subcutane Morphiumixgectionen , Ad* 
stringentien local. Der Schmerz schwankte, verschwand aber nie 
ganz. Die Anbohmng des rechten Warzenfortsatzes (^A Zoll tief) 
ergab weissen, elfenbeinartigen Knochen ohne Hohlraum. An 
der hintern Paukenwand mit der Sonde eine kleine carittee Stelle 
zu constatiren. Der Schmerz wurde nach der Trepanation selte- 
ner und schwächer; die Eiterung liess nach 54 Tagen nach. 
Kurz ehe Patientin entlassen werden sollte, ¥nirde sie plötzlich 
bewusstlos und starb ohne Krämpfe unter allmählicher Abnahme 
der Respiration. Sectio n: Die Schädeldecke erweist sich 
äusserlich und innerlich erosionirt und stellenweise absorbirt; 
zahlreiche kleine Syphilome auf den Meningen. Gehirn anämisch; 
das rechte Schläfebein auf der äusseren und inneren Fläche nor- 
mal; Paukenschleimhaut geschwollen, alle Knöchelchen einbet- 
tend. Keine Caries. Stapes frei beweglich. Der Wundkanal 
im Warzenfortsatz mit weichem, fibrösem Gewebe ausgefüllt. 
Perforation des Trommelfells vernarbt. Knöcherne Paukenhöhle 
in Folge Hyperostose der Wände sehr eng; Warzentheil enthält 
keine pneumatischen Zellen, sehr harter, weisser, mit kleinen 



204 XYI. Besprechungen. 

röthlichen Flecken getüpfelter Knochen; nur an der änssersten 
Processnsspitze wenige ganz kleine Hohlräume^ die mit weichem 
Gewebe erfüllt sind. Das Labyrinth soll noch mikroskopisch 
untersucht werden. 

Eine ähnliche Prominenz des Schläfebeines hat Verf. nur 
noch in einem Falle bei einer 30 jährigen Frau beobachtet ^ die 
an Eiterung und Polypen im linken Ohre litt. Auch hier starke 
Schmerzen. Nach Entfernung des Polypen und Beseitigung der 
Eiterung trat das Schläfebein etwas zurück; Syphilis lag nicht 
vor. Osteosklerose ohne Prominenz des Knochens beobachtete 
Verf. auch an einem 35 jährigen, nicht syphilitischen Manne. 

///. On the Ear Affections of Inherüed Syphilis. By 
Charles J. Kipp, 

1. 4 jähriges Mädchen bekam parenchymatöse Keratitis und 
Iritis beider Augen. Mutter hat Symptome von secundärer Sy- 
philis. Am Kinde auffallend flache Nase und unregelmässige, 
schlecht geformte Zähne. Nachdem Patient der Augenentzün- 
dung wegen schon 2V2 Jahre in Behandlung gewesen war, «be- 
kam sie plötzlich intensive Schmerzen im Hinterhaupte sowie 
Schwindel. Drei Tage später trat eine sehr rasch zunehmende 
Hörverschlechterung ein, bald wässriger Ausfluss aus dem rechten 
Ohre, der jedoch nach Verlauf einer Woche aufhörte. Die Stimm- 
gabel wird vom Knochen nach beiden Seiten gleichmässig per- 
cipirt, die Uhr rechts nicht, links ad concham gehört. Das rechte 
Trommelfell ist coUabirt, zeigt sich bei der Untersuchung mit 
dem Siegle'schen Trichter beweglich; hierbei kommt es in- 
dessen zu heftigen Schwindelanfällen. Tuben sehr gut durch- 
gängig. Linkes Trommelfell trübe, stumpf, eingesunken, ziemlich 
normal beweglich. Nasenrachenkatarrh; Politzer'sches Ver- 
fahren , Höllensteinpinselungen im Rachen , Jodkalium innerlich 
werden ohne den geringsten Erfolg angewandt. 

2. 13 jähriges Mädchen mit linksseitiger par^chymatöser 
Keratitis ; am Nacken grosse Narben, Schneidezähne konisch aber 
nicht gefurcht. Vater war syphilitisch. Im Mai Geräusche und 
Schwindel, im October plötzliche Taubheit. Knochenperception 
gut; rechtes Trommelfell trübe, sehr concav, etwas verminderte 
Beweglichkeit, Tuben offen. Linkes Trommelfell cftwas gelblich, 
coUabirt. Adenoide Vegetationen im Bachen, Nasenschleimhaut 
gesehwollen. Beseitigung der Vegetationen, Silbernitratpinselun- 
gen der Nase, Politzer 's Verfahren, Jodkalium innerlich er- 
folglos angewandt. 



XVI. Besprechungen. 205 

3. 17 jähriges Mädchen ; die oberen ZSJbne fehlen sämmtlich ; 
Pat. igt seit einigen Monaten taub und leidet an Geräuschen und 
Schwindel. Perception vom Knochen ist gut, nur laute Sprache 
wird gehört Trommelfelle ziemlich trttbe und eingesunken, normal 
beweglich. Tuben durchgängig, etwas Nasenrachenkatarrh. Ohne 
Erfolg behandelt. Später stellt sich parenchymatöse Keratitis ein. 

4. 1 8 jähriges Mädchen mit parenchymatöser Keratitis beider 
Augen. Vater war syphilitisch. Pat. wurde plötzlich taub, leidet 
an subjectiven Geräuschen und Schwindel. Nasenrachenkatarrh. 
Trommelfelle trübe, emgesunken, beweglich; Tuben durchgängig; 
Perception vom Knochen leidlich; Pat hört nur laute Sprache. 
Katheter 6 Monate ohne Erfolg angewandt 

5. 6 jähriges Mädchen; Parenchymatöse Keratitis beider 
Augen; seit einigen Monaten Uebelkeit, bisweilen Erbrechen, 
ELop&chmerz; seit drei Wochen taub, Schwindel; hört nur ganz 
laute Sprache. Trommelfelle und Tuben normal. Nach 1 5 Mo- 
naten rechts etwas besser, links nicht. 

6. 8 jähriges Mädchen mit Keratitis ; plötzlich total ertaubt, 
Schwindel, Geräusche, Perception vom Knochen gut« Trommel- 
felle etwas eingezogen, stumpf, injicirt. Tuben durchgängig, Na- 
senrachenkatarrh. Mutter war syphilitisch. Behandlung bewirkt 
geringe Besserung des Gehörs bei zunehmendem Schwindel. 

Gemeinschaftliche Symptome: Keratitis parenchymatosa als 
Complication ; plötzliche Ertaubung, Schwindel, Geräusche, Gleich- 
gewichtsstörungen ; Geringe Veränderungen am Trommelfell^ ; 
Nasenrachenkatarrh. 

Verf. glaubt, dass die Perception vom Knochen wohl falsch 
angegeben sein mag, da die Kinder nicht intelligent waren. Die 
gleichzeitige Erkrankung beider Ohren ist Verf. geneigt, auf eine 
Läsion des Bod^is des Ventriculus quartus zurückzuführen, von 
wo beide Nerven ausgehen, (y. Tröltsch hat — in seinen 
n Ohrenkrankheiten des Kindesalters "^ — bekanntlich bereits die 
Moniere 'sehen Symptome durch eine Erkrankung des Bodens 
der Rautengrube zu erklären gesucht. Beferent.) 

IV. Oll Bronchial Fistulae at the Ecotemal Ear. By Ch, 
J. Kipp. 

Verf. hat 6 Fälle von Kiemenfisteln beobachtet. 4 Männer 
und 2 Weiber; bei 5 bestand am Helix circa 1 Gm. über dem 
Tragus ein fistulöser Kanal, in welchen eine feine Sonde nach 
innen, unten und vom 3 — 10 Mm. weit eingeführt werden konnte. 
Dreimal war die Anomalie bilateral, zweimal unilateral. Viermal 

Archiv £. Ohreiiheillninde. XYH. Bd. U 



206 XVI. Besprechungen. 

Absonderung einer milchigen Flttssigkeit ; dreimal eine mit der 
Fistel commonicirende Cyste vor dem Tragus. In einem Falle 
fand sich beiderseits am Helix eine kleine, aber tiefe Hautdepres- 
sion. Das Gehörorgan war in allen Fällen normal, nur in einem 
Falle bestand ein acuter Mittelohrkatarrh* Weitere Henmiungs- 
bildungen waren nicht nachweisbar. Zweimal beobachtete Verf. 
die Fistel bei Geschwistern (Schwester bilateral, Bruder nur rechts; 
Bruder bilaterale Grtlbchen, Schwester links Fistel). Eine Com- 
munication zwischen Fistel und Gehörgang oder Paukenhöhle war 
in keinem Falle nachzuweisen. Die Cyste war einmal haselnuss- 
gross, einmal hatte sie sogar 25 Mm. Durchmesser. Durch In- 
cision wurde die Cyste entleert. 

F. Some Remarks and ObservoHons an Bone Conduction. 
By Dr. Ä Knapp. 
Verf. ist der Ansicht, dass eine directe Knochenleitung (mit 
Ausschluss der tympanalen Leitung) existire, aber nur zu einer 
quantitativen Schallempfindung führe. Die Bolle der Knochen- 
leitung beim Hören müsse demnach eine sehr untergeordnete sein; 
so habe Verf. auch niemals Individuen gesehen, welche, wenn 
sie die Uhr nicht ad concham hörten, dieselbe vom Warzenfort- 
satze, der Schläfe oder anderen Kopfknochen wahrgenommen 
hätten. Andererseits habe er Fälle von Mittelohraffectionen ge- 
sehen, in denen die Uhr, wenn überhaupt, nur bei Anlegung an 
die Ohrmuschel gehört wurde, während nach der Paracentese 
der Paukenhöhle und Politzer 's Verfahren die Uhr deutlich 
von der Ohrmuschel und von den Knochen aus percipirt wurde. 
(Siehe: Bürkner, Casuistisches über intermittirende Schall- 
perception vom Knochen. Arch. f. Ohrenheilk. XIV. Bd. S. 96.) 
Es scheine demnach, dass die vom Warzenfortsatze aufgenom- 
menen Schallwellen nur mit Hülfe des Steigbügels zum Laby- 
rinthe geführt werden können. Auch der Umstand, dass Verf. 
nie einen Menschen gesehen hat, der mit dem Audiphon besser 

« 

als mit einer Schalltrompete gehört hätte, beweise die Gering- 
fügigkeit der directen Perception vom Ejiochen. — 

Die nur kurz beschriebenen Präparate und Instrumente, 
welche in der Sitzung der American Otological Society vorge- 
zeigt wurden, bieten wenig Erwähnenswerthes dar. Unter den 
Instrumenten befindet sich ein modificirter Ballon zur Luftdouche 
in Blasebalgform, den man in der Westentasche tragen kann und 
eine Spritze mit Metallscheibe zur Abwehr des zurückprallenden 
Wassers. 



XVII. 
Wissenschaftliche Rnndschan. 



43. 



Victor Bremer, Om det pathologiske Fund hos Dövstumme B&rligt i Dan- 
mark. Ejövenhayn 1880. 152 S. 

Verf. stellt sich in dieser kleinen Schrift die Aufgabe, zur Lö- 
sung folgender Fragen beizutragen : Welche Theile des Gehörorganes 
bieten bei Taubstummen am häufigsten Abweichungen dar? Worin 
bestehen diese? Und inwieweit bedingen sie Taubstummheit? 

Die Arbeit zerfällt in fünf Abschnitte. In dem ersten, einer 
eingehenden, mit Literaturnachweisen reichlich versehenen, geschicht- 
lichen Einleitung erörtert der Verf., in welcher Weise und in wel- 
chem Maasse sich vom Alterthnm bis auf die neueste Zeit Aerzte 
und Arzneiwissenschaft mit der Taubstummheit befasst haben, wobei 
er gelegentlich noch hervortretenden pädagogischen und humanen 
Bestrebungen zum Vortheil der Taubstummen seine Aufmerksamkeit 
schenkt. Nach einer ziemlich ausführlichen Schilderung der über- 
wundenen Periode der Kurversuche kommt B. auf die neueren wis- 
senschaftlichen Untersuchungen, besonders über die Aetiologie der 
Taubstummheit (Erblichkeit, Consanguinität , Bodenverhältnisse, zu- 
fällige Krankheiten), sowie über die begleitenden Abnormitäten an- 
derer Organe (Larynx, Retina). Endlich beschäftigt er sich mit den 
vorliegenden Untersuchungen der Gehörorgane lebender Taubstummen 
sowie mit den stetig sich mehrenden Sectionsberichten , beide mit 
der Feststellung des Wesens, der causa proxima der Taubstummheit 
als Ziel. , 

Im zweiten Abschnitt theilt Verf. tabellarisch die Resultate seiner 
eigenen Untersuchungen an 303 lebenden taubstummen Indi- 
viduen mit, nachdem er zuvor über sein Untersuchnngsmaterial 
(Zöglinge unserer beiden Taubstummenanstalten ^) sowie einer Arbeits- 

1) Von unseren beiden Taubstummenanstalten ist die eine, ältere, Staats- 
anstalt, die zweite eine private, doch unter der Gontrolle des Oeffentlichen. 
Beide enthalten zur Zeit je gegen 150 Zöglinge. Der Unterricht geschieht in 
der ersteren ausschliesslich mittelst der Geberde und Fingersprache^ in der 
zweiten wird durchgehends Articnlationsunterricht ertheilt. Die Staatsanstalt 
nimmt nur „eigentlich" Taubstumme auf, d. h. taubgeborene oder so früh 

14* 



208 XVn. Wissenschaftliche Rundschaa. 

anstalt für taubstumme Mädchen) Rechenschaft abgelegt (Rubriken: 
Name, Alter, Geburtsort, Befund der Untersuchung des Ohres, Schlun- 
des, der Ohrtrompete, des Augengrundes, bezw. der erübrigenden 
Hörfähigkeit). 

Das äussere Ohr zeigte in einem Falle eine vollständige Miss- 
bildung ^mit Verschluss des äusseren Gehörganges und Abwesenheit 
der Pars tympan. oss. temp. ; 1 mal war Makrotie , 1 mal Mikrotie 
zugegen; in einem Falle doppelseitiges Eczem. 

Der äussere Gehörgang war 11 mal, zum Theil bedeutend, 
meist concentrisch verengert, zeigte in keinem Falle Exostosen. 

Grössere Cerumenansammlnngen fanden sich in 58 Fällen , 
Fremdkörper sehr verschiedener Art (Ohrwurm, Federchep, Stein- 
chen, Glasscherben, Erbse) in 14. 

Am Trommelfell zeigten sich in 68 Fällen, darunter 28 bei- 
derseitige, Abnormitäten, besonders rücksichtlich der Durchsichtigkeit 
und Beweglichkeit; Kalbablagerungen 11 mal, Spannungsverände- 
rungen, namentlich Einwärtswölbungen 25 mal. 

Grössere (incl. totale) Substanzverluste des Trommelfells 
waren in 20 Fällen (darunter 11 mal beiderseitig) zugegen; kleinere 
in 9 (1 mal beiderseitig); Narbenbildung 8 mal. 

Die Trommelhöhle zeigte sich bei vorhandenen Substanzver- 
lusten des Trommelfells meist xeichlich suppurirend, oft mit Granu- 
lationen; nur 3 mal wurden Polypen beobachtet, 1 mal einseitige 
Facialisparalyse. 

Der Schlund war bei 97 Individuen im Zustande chronischen, 
meist granulösen Katarrhs, in 43 Fällen war Mandelschwellung zu- 
gegen. Gespaltener Gfaumen wurde 1 mal, Mangel der Uvula 
1 mal, Spaltung derselben 4 mal beobachtet. 

Die Ohrtrompete war bei der überwiegenden Mehrzahl für 
den Luftstrom durchgängig; nur in 34 Fällen missiang die Luftein- 
treibung wegen Undurchgängigkeit der Tuba. 

Die Hörfähigkeit fand Verf. bei allen Zöglingen dsr Staats- 
anstalt völlig oder annähernd = Null. Von den 152 Zöglingen der 
Privatanstalt hörten 30, unter ihnen besassen 20 nur Vocalgehör, 10 
waren schwerhörig (konnten gewöhnlichem Unterricht nicht folgen); 
von diesen 10 zeigten 8 keine Abnormität des Ohres oder der Tuba. 

Zugleich geistesschwache Kinder fanden sich 31, von denen 6 
eine geringe Hörfähigkeit besassen. 

Der Zustand der Retina wurde bei 80 unter den 303 unter- 
suchten Individuen je einer Prüfung unterzogen. Von den übrigen 



taubgewordene Kinder, dass sie das etwa erlernte Sprechen verlernt haben. 
In der privaten Anstalt befinden sich ausser einer geringen Zahl eigentlich 
Taubstummer, besonders schulpflichtige „ uneigentlich'' taubstumme Zöglinge, 
d. h. solche, welche entweder erst so spät das Gehör verloren, dass ihre 
Sprache wenigstens theilweise erhalten wurde, oder welche einen geringen 
Theil ihres Gehörs übrig behielten, der indess für den gewöhnlichen Schul- 
unterricht nicht ausreicht. £ndlich befinden sich hier Taube oder äosserst 
Schwerhörige, die an hochgradiger Geistesschwäche leiden. 



XVn. Wissenschaftliche Rundschau. 209 

223 hatten 189 einen normalen Angengrund. Retinitis pigmentosa 
zeigte sich indessen nur in 9 Fällen (unter diesen waren 4 stark 
ausgesprochen), ungefähr ebenso häufig kam bedeutender Pigment- 
mangei oder unregelmässige Pigmentanhäufung vor. Chorioidaiabnor- 
mitäten waren 3 mal zugegen , darunter in einem Falle Coloboma 
Choriod. Endlich wurde Hypermetropie in 46, Myopie in 18, Farben- 
blindheit in 2—3 Fällen beobachtet. 

Der nächste (dritte) Abschnitt ist den bei Taubstummen vorkom- 
menden Abnormitäten des knöchernen Gehörorganes gewidmet. 
Bei der überall geringen Sterblichkeit in Taubstummenanstalten und 
bei der nicht allein technischen, sondern auch praktischen Schwierig- 
keit der Ausführung von Sectionen hat Verf. als einschlägiges Material 
einen Theil der pathologischen Sammlung der Kopenhagener Univer- 
sität benutzt. Diese enthält nämlich eine von der Staatstaubstummen- 
anstalt überkommene Reihe von knöchernen Ohrpräparaten Taubstum- 
mer, welche in den Jahren 1824 — 1829 in jener Anstalt verstorben sind. 
Die Anzahl der vorhandenen Präparate ist 110; darunter zeigen indess 
nur 33 Abnormitäten, welche mit der Taubheit in näherem Verhältniss 
zu stehen scheinen. Diese Abnormitäten sind im Wesentlichen folgende : 

Zwei Präparate (desselben Individuums) zeigten an Stelle des 
Labyrinthes eine compacte Knochenmasse. 1 mal fehlten alle halb- 
kreisfc^rmigen Kanäle. 2 mal (an demselben Individuum) Mangel des 
hinteren halbkreisförmigen Kanales, dabei Verschmolzensein der Crura 
ampullaria der übrigen Kanäle. Oefters zeigten sich die halbkreis- 
förmigen Kanäle mit Knochen- oder Kalkmasse ausgefüllt, und zwar 
in ganzer Ausdehnung an 5 Präparaten (3 Individuen angehörig) 
theilweise an 10 Präparaten (von 7 Individuen). An 6 Präparaten 
(von 3 Individuen) fehlte die Schneckenscheidewand; an 4 Präparaten 
(von 2 Individuen) zeigte sich die Cochlea als ein solider Vorsprnng 
ohne Windungen (an denselben Präparaten waren die halbkreisför- 
migen Kanäle mit Knochenmasse gefüllt); in einem Falle war die 
erste Schneckenwindung (einer Seite) mit Knochenmasse gefüllt. 

Endlich wurden an verschiedenen Präparaten Erweiterungen und 
Verengerungen des Aquaeductus vestib. oder des Porus acust. int. 
bemerkt. 

Indem sich Verf. nun im vierten Abschnitt der Würdigung der 
genannten pathologischen Befunde in ihrem Verhältniss zur Taub- 
stummheit zuwendet, bemerkt er zuerst betreflfs der beobachteten 
Missbildung des äusseren Ohres mit Verschluss des äusseren Gehör- 
ganges, dass dieselbe, wie gewöhnlich ^) so auch hier, keinen völligen 
Verlust des Gehörs, wohl aber eine so bedeutende Schwerhörigkeit 
bedingt habe, dass das betreffende Individuum in die Rubrik der „ un- 
eigentlich ^ Taubstummen gehöre. 

Die zahlreichen Fremdkörper in den Ohren Taubstummer deuten 
nach der Ansicht des Verf. auf eine erhöhte Toleranz in dem äusseren 
Gehörgange. 



1) VgL Victor Bremer, Gm atresia auricularis externa. (Nord. med. 
Arkiv 1877. Bd. IX. Nr. 2.) 



210 XYII. WiaseiiBchaftfiche BandscluML 

Was die Trommelfellbefande betrifft, drückt sich B. betreffis der- 
selben mit grosser Zarflckhaltang ans. Es ist ihm amnöglich^ auch 
nur zu yermathen, welchen Antheil die zu Grande liegenden katar- 
rhalischen Affectionen an dem Verlast des Gehörs gehabt haben. 

Dem Verlast des Trommelfells wird grössere, wiewohl nar mittel- 
bare Bedeatang zaerkannt, indem es sieb nicht abmachen liess, welche 
andere Folgen der Sapparation in der Trommelhöhle zngegen waren. 

Dass Rachenkatarrhe mittelst ihrer Verbreitnng aaf das Mittel- 
ohr von eingreifender Bedeatang für den Verlast des Gehörs sein 
können, wird besonders hervorgehoben, and zwar gilt dies aach 
für die Fälle, in denen bei der Untersachang der Laftdarchtritt darch 
die Ohrtrompete sich anbehindert erwies. Dennoch ist es anmöglich, 
aach nar annähernd die effective Bedeatang der vorgefdndenen Schiand- 
katarrhe zn würdigen. Anffallend ist dem Verf., dass Roosa and 
Beard bei ihren Untersnchangen an lebenden Tanbstammen so viel 
häafiger, als Verf. Rachenkatarrhe constatiren konnten {^^^l^n : ^^^/sos)- 

Nach einigen Excarsionen über die Feststellang der Diagnose 
aaf Taabstammheit (wobei es Verf. am riditigsten scheint, aof die 
Möglichkeit des Sprachverständnisses das Haaptgewicht za legen, wel- 
ches ihm ebenfalls für die Eintheilang der Taabstammheit das beste 
Mittel za sein scheint) — über das Verhältniss zwischen Taabstamm- 
heit and Idiotie — über die Entscheidang zwischen angeborener and 
erworbener Taabstammheit — wendet sich Verf. dem Vorkommen der 
Retinitis pigmentosa bei Tanbstammen za. Dieselbe fand sich bei 
den von ihm Untersachten seltener als bei denen Liebreiches 
(4,05 Proc. : 5,8 Proc). Er bemerkt, ds^ss Liebreich vielleicht we- 
niger entwickelte Fälle mit gerechnet. Aaffallender Weise war das 
Sehvermögen der Bremer 'sehen Untersachten, selbst bei stark aas- 
geprägten Formen der Ret. pigm. nar in geringerem Grade geschwächt. 
Gelegentlich wird hier berührt, dass der Zusammenhang zwischen 
Albinismas and Gehörschwäche sich nach den (allerdings spärlichen) 
Untersnchangen hier zn Lande nicht bestätigt habe. 

Das beobachtete Coloboma chorioideae dürfte möglicher Weise anf 
eine Hemmnngsbildnng anch im Bereiche des Gehörorgans hindenten. 

Bei Besprechnng des pathologischen Befnndes an den nntersnch- 
ten Knochenpräparaten wird Eingangs erwähnt, dass das Urtheil Hber 
die Bedentnng nnd Genese derselben dnrch den Mangel an schrift- 
lichen, anamnestischen Notizen über die betreffenden Individnen an 
Bestimmtheit sehr verlieren mnss. Dennoch geben die vorhandenen 
Befnnde an sich zu einigen Schlnssfolgerangen Anlass, die der Anf- 
merksamkeit werth sind. Zunächst gestatten sie einen approximativen 
Schluss auf die relative Häufigkeit, mit der Abnormitäten im knö- 
chernen Gehörorgane Taubstummheit bedingen. Unter den 55 taub- 
stummen Individuen, welche das Material zn der vorliegenden Samm- 
lung lieferten, fanden sich nämlich nur bei 13 (also gegen 25 Proc.) 
solche doppelseitige Abweichungen, welche als Ursache der Taubheit 
angesehen zu werden verdienten. 

Ferner scheint es dem Verf , dass die Art der pathologischen 
Abweichungen einen, allerdings begrenzten Schluss auf die Zeit ihrer 



XVII. Wissenschaftliche Rundschau. 211 

Entstehung erlaubt. Dass der äussere Gehörgang niemals, die Trom- 
melhöhle nur ausnahmsweise, fast immer dagegen das Labyrinth den 
Sitz der gefundenen Abweichungen abgab, scheint an und für sich 
schon gegen ihren Ursprung nach der Geburt zu sprecben. Aller- 
dings lässt das verhältnissmässig häufige Vorkommen der knöchernen 
Ausfüllung der halbcirkelförmigen Kanäle die Deutung offen, als sei 
dieselbe Folge einer Otitis labyrinthica im Eandesalter. Dennoch 
glaubt Verf. die genannten Abweichungen als vor der Geburt ent- 
standen betrachten zu müssen. Hierfür sprechen ihm folgende Gründe : 
ihr ausgesprochen symmetrisches Auftreten — das Öftere Zusammen- 
treffen dieser EnochenausfüUungen mit dem Vorkommen einer kleinen, 
verkrüppelten, compacten Schnecke — endlich der Umstand, dass 
sich nur in einem einzigen Falle die Spur eines anderweitigen Leidens 
auffinden Hess (Caries der Trommelhöhle), welches jenem als Aus- 
gangspunkt gedient haben könnte. 

Als unzweifelhaft fötale Hemmungsbildungen betrachtet Verf. die 
übrigen an der Schnecke beobachteten Abnormitäten, ferner das Fehlen 
der halbkreisförmigen Kanäle, endlich die in zwei Fällen beobachtete 
gänzliche Deformität des Labyrinths (Analogbn des Sch^artze 'sehen 
Falles in diesem Archiv V. S. 296). 

Am Schlüsse dieses Abschnittes berührt Verfasser noch die Ge- 
legenheitsnrsachen der Taubheit, uyter welchen die Meningitis 
cerebro-spinalis eingehender besprochen wird. Als in Dänemark be- 
sonders selten vorkommend (nur 1 mal 1873/74 wurde ein örtlich 
sehr beschränktes, epidemisches Auftreten derselben beobachtet), ent- 
behrt dieselbe für unser Land als ursächliches Moment der Taub- 
stummheit def ihm anderweitig zuertheilten Bedeutung. 

Die Schlusssätze des Verf. sind nun folgende: Unter den' an 
Lebenden beobachteten pathologischen Abnormitäten sind der trockene 
und eitrige Katarrh der Trommelhöhle die häufigsten Ursachen der 
Taubstummheit; fehlen ihre Zeichen, oder reichen sie als Erklärnngs- 
Ursachen nicht aus, so darf man mit einiger Wahrscheinlichkeit auf 
einen, meist ft^talen pathologischen Zustand des Labyrinths schliessen. 

Den Abschluss der Arbeit bilden kurze Bemerkungen über die 
Gesundheits- und Sterblichkeitsverhältnisse der Zöglinge in unseren 
beiden Taubstummenanstalten. In beiden Beziehungen sind günstige 
Resultate 2n notiren. . So war z. B. der durchschnittliche jährliche 
Sterblichkeitsquotient der letzten 10 Jahre resp. 0,22 und 1,5. Die 
grössere Sterblichkeit in der Privatanstalt kommt wesentlich auf 
Rechnung der hier befindlichen idiotischen Kinder. 

Wilh. Meyer. 

44. 

Johannes Mygge, Nogle Bem&rkninger om Studiet af Dövstumhedens Aetio- 
logi og Pathogenese, Fremkomne i Anledning af Dr. V. Bremer's Af- 
handling: „Om det pathologiske Fund hos Dövstumme.'' (Ügeskrift for 
Läger 6. & 13. Novbr. 1880. Nr. 22. 23. 24.) 

Ein kritisches Supplement (bezw. Correctiv) der vorhergehenden 
Arbeit. 



212 XVn. WissenschaftUche Rundschau. 

Dri M. , welcher sich gelegentlich seiner Untersuchungen über 
Ehen unter Blutsverwandten i) mit der Aetiologie der Taubstummheit 
beschäftigt hat, tritt der Bremer 'sehen Arbeit mit d^m Hanptein wände 
entgegen, dass die Rücksichtnahme auf die pathologischen Befunde 
allein, ohne gleichzeitige Berücksichtigung anamnestischer Angaben 
nothwendig zu einer mangelhaften Deutung der vorliegenden Abnor- 
mitäten Veranlassung geben musste. Dies gilt sowohl für die Befunde 
an den lebenden Taubstummen, als ganz vorzüglich mit Rücksicht 
auf die untersuchten Knochenpräparate etc. Was die letzteren an- 
geht, so ist es M. gelungen, in dem Archiv d[er Staatsanstalt Notizen 
über die betreffenden Individuen aufzufinden, welche mit Zuverlässig- 
keit über das Alter Aufschluss geben, in welchem ein Theil derselben 
das Gehör verloren. Auf Grund dieser Notizen, welche Bremer 
unbekannt blieben, gelangt M. zu einer Deutung der Befunde an 
mehreren Präparaten, welche von der Bremer 'sehen abweicht. 

Besonders hervorzuheben zu werden verdient dabei die oben er- 
wähnte, öfters vorkommende Ausfüllung der halbkreisförmigen Kanäle 
(falls dieselbe überall für den Verlust des Gehörs wesentliche Bedeutung 
hat), M.'s Ansicht zufolge äer Regel nach nicht angeboren, vielmehr 
nachweislich später entstanden ist, sd es in Folge eines im Labyrinth 
selbstständig verlaufenden Krankheitsvorganges, sei es in Folge eines 
(an einem Präparate deutlich erkennbaren) aus der Trommelhöhle 
auf das Labyrinth fortgeleiteten pathologischen Processes. 

Dasselbe gilt, rücksichtlich der Zeit des Entstehens, für die im 
Verein mit jener Ausfüllung auftretenden entsprechenden Abnormi- 
täten anderer Theile des Labyrinthes, sonderlich der Cochlea.^) 

Was die sonstigen an der Schnecke beobachteten *Abnonnitäten 
angeht, so stellt M. die Frage auf, ob diesen überhaupt eine wesent- 
liche pathognostische Bedeutung zukommt. Er selbst ist — in casu 
wesentlich den anamnestischen Angaben zufolge — geneigt, dies zu 
bezweifeln, und möchte sie (z. B. die von der gewöhnlichen abwei- 
chenden Anzahl der Schneckenwindungen) als individuelle Eigenthüm- 
lichkeiten betrachtet wissen, wie solche ja sonst in dem knöchernen 
Theile des menschlichen Gehörorganes so oft vorkommen. Er fordert 
demzufolge zu ferneren fleissigen und genauen Untersuchungen an 
den Labyrinthen nichttaubstummer Individuen auf. 

Wilh. Meyer. 

45. 

V, Lange, En ny Operationsmethode for adenoide Vegetationer i K&sesv&l- 
grummet. (Ugesknft for Läger 9. Oct. 1880.) 

Eine verkürzte Darstellung des Operationsverfahrens, welches L. 
in seinem Aufsatze : „ Einige kritische Bemerkungen über den Krank- 

1) Om Aegteskaber mellem Blodbesl&gtede med specielt Hensyn til deres 
Betydning for Dövstumhedens Aetiologi af Johannes Mygge. Ejöbenhavn 
1879. 289 S. 

2) VergL den von Politzer auf dem otologischen Congress zu Milano 
i. J. 1880 mitgetheilten Fall. A. f. 0. XVI. S.302. Ref 



XYH WiBBenschaftliclie Randscliau. 213 

heitsbegriff: Die adenoiden Vegetationen im Nasenrachenraum, nebst 
einer neuen Operationsmethode'' in der M. f. 0. Nr. 2. 1880 veröf- 
fentlicht hat. 

(Ein sagittal gestelltes Ringmesser an einem gebogenen Stiele 
wird durch den Mund in den Nasenrachenraum geführt, und ohne 
GontroUe von Seiten des Auges oder Fingers an der hinteren Rachen- 
wand, von unten nach oben fortschreitend, von einer Seite zur an- 
deren bewegt. Operationsdauer 15 — 3 Secunden. Keine Wieder- 
holung erforderlich. Hmterher Ausspülung und Aetzungen.) 

Wilh. Meyer. 

46. 

Dr. Leo Gerlach ^ üeber die Herstellung demonstrativer Präparate mensch- 
licher Gehörknöcbdchen zu Yorlesuiogszwecken. (Sitzungsberichte der phy- 
sikalisch -medicinisdittd Societät zu Erlangen. Sttzuag vom 10. Nov. 1879.) 

Verf. schloss einzelne Knöchelchen in der Weise in eine Luft- 
zelle ein, dass er ein quadratisches Holzplättchen von 3 Mm. Dicke, 
das mit Löchern von je 12 Mm. Durchmesser versehen war, auf 
einen Objecttrftger aufleimte und nach Einfügung des Präparates 
mit einem aufgekitteten Deckglase verschloss. Um die Knöchelchen 
in ihren gegenseitigen topographischen Verhältnissen zu demonstriren, 
klebte er dieselben an feine Platindrähte von 2 — 3 Cm. Länge, deren 
Enden er, ehe sie in Gummi getaucht wurden, mit fein ausgezogenen 
Wattefiidehen umwickelte, und zwar den Hammer mit der Innenseite 
des Handgriflfes, den Amboss mit der äusseren Fläche, den Steigbügel 
mit der oberen Fläche der Fussplatte. Die freien Drahtenden wer- 
den, nachdem die Knöchelchen befestigt sind, in der Art in eine 
Korkplatte gesteckt ^ dass zwischen Hammer - Amboss und Amboss- 
Steigbügel je 2 Mm. Zwischenraum bleibt und dass die Knöchelchen 
in der natürlichen Lage zu einander stehen. Ueber das Präparat 
wird sodann. eine Glasglocke gedeckt. 

Um die Schwingungen der Knöchelchen zu demonstriren, klebte 
Verf. gut macerirte Exemplare mittelst Gummi arab. in der natürlichen 
Lage aneinander und befestigte an den langen Fortsatz des Hammers 
und den kurzen Fortsatz des Amboss pinselförmig ausgefaserte Zwirns- 
fäden, mittelst deren das Präparat zwischen zwei etwa 3 Cm. von 
einander entfernten Holzpfeilern schwebend ausgespannt wurde. So 
kann man durch Anstossen des Hammergriffes die Knöchelchen in 
Schwingungen versetzen. Bürkner. 



47. 

Dr, Leo Gerktch, üeber das Vorkommen von zwei Ampullen an dem äusse- 
ren (horizontalen) Bogengänge des knöchernen Labyrinthes. (Sitzungsbe- 
richte der physikalisch -medicinischen Societät in Erlangen. Sitzung vom 
10. Nov. 1879.) 

An einem linken menschlichen Schläfenbeine fand Verf., dass 
das hintere £)nde des äusseren Bogenganges an seiner MQndun^ in 



214 XVII. wissenschaftliche Rcmdschau. 

den Vorhof ampnllenärtig erweitert war; auch das äussere Ende zeigte 
eine regelmässige Ampulle. Verf. nimmt an, dass auch das häutige 
Labyrinth dieselbe Anomalie gezeigt haben würde. Leider konnte 
Verf. das rechte Schläfenbein desselben Schädels nicht auf die gleiche 
Varietät untersuchen. Bürkner. 



48. 

Jahresbericht der von Prof, Gruber im Wiener Allgemeinen Krankenhause 
im JiJire 1878 ambulatorisch behandelten Ohrenkrankheiten. (Nach dem 
Referate in Monatsschrift f. Ohrenheilkunde. XIV. 10.) 

Von den im Jahre 1878 zur Consultation gekommenen 1714 
Kranken wurden: 

geheilt 982, 

gebessert 390. 

Es blieben ungeheilt . . 64. 

Nicht behandelt wurden 125. 

Gestorben 1. 

In Behandlung blieben . . 152. 

1714. 

Hervorzuheben wäre etwa Folgendes: Einige Fälle, in denen Fremd- 
körper zu Extractionsversuchen von Seiten Unberufener Veranlassung 
gegeben hatten, wodurch entzündliche Erscheinungen hervorgerufen 
worden waren ; misslungene Zerbrennung eines Fremdkörpers (Johan- 
nisbrodkern), worauf sehr heftige Entzflndungserscheinungen folgten ; 
Simulation von Fremdkörpern (Insecten) von Seiten eines 14 jährigen 
Mädchens. — Otitis externa circumscripta wurde fast ausschliesslich 
mit Gelatinepräparaten behandelt. 9 mal wurde Aspergillus beobachtet 
(mit Spir. vin. rectificatiss. geheilt). — Polypen des äusseren Gehör- 
ganges 16 mal. — Collaps des äusseren Gehörganges bei einem alten 
Manne (Einführung eines trichterförmigen Röhrchens). — Atresie bei- 
der Gehörgänge in der Tiefe von 2 Cm. — Die trockenen Perfora- 
tionen wurden durch Leinwandscheiben (Grub er 'sehe Trommelfelle) 
mit gutem Erfolge für die Hörfähigkeit bedeckt. — Der chronische 
Mittelohrkatarrh wurde hauptsächlich mit der von Gruber angegebe- 
nen Modification des Politzer 'sehen Verfahrens behandelt; 53 Fälle 
von Secretansammlung, von denen 34 mit Paracentese behandelt wur- 
den, die sich hier nicht sehr zweckmässig erwies. — Von den Fällen 
von chronischer Mittelohreiterung wurden nahezu 50 Proc. durch 
Einlegung von Gelatinebougies aus Zink, sulf., Cupr. sulf«, Arg. nitr. 
und Acid. carbol. insofern geheilt , als der Ausfluss aufhörte. Bei 
grossen Perforationen wurden mit üngt. oxyd. zinc. oder Ungt. arg. 
nitr. bestrichene Leinwandblättchen mit Erfolg angewandt; lang- 
dauernde, profuse Eiterungen sollen auf diesem Wege geheilt sein. 
— 42 Fälle von Mittelohrpolypen^ sämmtlich mit der Schlinge ent- 
fernt. — Nekrose und Caries 7 mal. — Periostitis des Warzenfort- 
satzes wurde mit Jod und Eisumschlägen behandelt, 3 mal wurde Onco- 
tomie vorgenommen. — Hypertrophische Mittelohrentzündung wurde 



XVII. Wissenschaftliche Bandschaa. 215 

mit Jodkalinminjectioneii per tnbas behandelt; auch Einspritzungen 
von Natr. bicarb- Lösungen nach vorausgeschickter Paracentese wur- 
den in Anwendung gezogen. — Ein Fall von Moniere 'scher Krank- 
heit wurde ungeheilt entlassen. — Taubstummheit war in 21 Fällen 
angeboren, 10 mal yermuthlich durch Meningitis basilaris, 6 mal durch 
Typhus, 5 mal durch Labyrinthitis, je 1 mal durch Cerebrospinal- 
meningitis und durch Sturz auf den Kopf erworben. Bürkner. 



n 
n 
n 



49. 

J)r, W, Kiesselbach, Bericht über die in der chirurgischen Poliklinik zu Er- 
langen vom 1. October 1878 bis 1. October 1880 behandelten Fälle von 
Ohnm- und Nasenkrankheiten. (Aerztliches lutelligenzblatt. 27. Jahrgang. 

1880. Nr. 49.) 

Das Ergebniss war folgendes: 

Geheilt 223 == 43,4 Proc. 

Gebessert HO — 20,5 

Ungeheilt 62 = 11,6 

Nicht behandelt ... 56 = 10,4 

Erfolg unbekannt . . 42 = 7,8 „ 

In Behandlung ... 28 = 5,2 i, 

Gestorben . . . . . 6 = 1,1 „ 

Summa: 488 Fälle. 

Nach Abzug der noch in Behandlung befindlichen Patienten sind 
51 Proc. geheilt, 24,3 Proc. gebessert (zusammen 75,3 Proc). 

Von den 449 Ohrkrankheiten waren 190 (42,3 Proc.) einseitig, 
259 (57,7 Proc.) doppelseitig. 

Nasenkrankheiten sind 88 mal verzeichnet. 

Hervorzuheben ist Folgendes: Ein Fall von Erfrierung der Ohr- 
muschel, der nach längerer Behandlung mit Ung. diach. Hebrae und 
Aetzungen geheilt wurde; ein Fall von Ohrenschmalzansammlung, 
wo letztere als künstliches Trommelfell gewirkt hatte, so dass nach 
Entfernung des Fremdkörpers die Hörkraft abnahm; in einem Falle 
von acutem einseitigem Mittelohrkatarrh mit Facialislähmung und Hy- 
perästhesie des Acusticus hörte der Patient auf dem kranken Ohre 
alle Töne etwas höher als auf dem gesunden. Unter den Fällen von 
Caries starben 2 (Phthisiker) sehr bald ; 5 zeigten Fistelgänge hinter 
den Ohren; dieselben wurden in allen Fällen mit scharfem Löffel, 
sowie mit Meissein erweitert, wodurch in 4 Fällen sehr erhebliche 
Besserung erzielt wurde. Zweimal* fand sich eine weite Oeffnung in 
der hinteren Gehörgangswand, die jedoch nicht hinreichte, um dem 
im Warzenfortsatze stagnirenden Eiter Abfluss zu verschaffen, wäh- 
rend nach vorgenommener Perforation des Warzenfortsatzes rasche 
Besserung eintrat, ein Umstand, den Verf. als eine Stütze für die 
Eröffnung des Antrums vom Planum mastoideum (im Gegensatz zur 
Eröffnung vom Gehörgange aus) in Anspruch nimmt. — Die Ursachen 
der Nerventaubheit und Taubstummheit waren 4 mal Schlag oder Fall 
auf den Kopf, 2 mal Scharlach, 1 mal längeres Stehen in kaltem 



21 6 XVII. WisseBBchaltUche Rundschau. 

Wasser, 5 mal Meningitis eerebrospinalis, 1 mal Masern^ 1 mal 
Krämpfe. 

Ozaena (14 Fälle) wurde 3 mal geheilt, 2 mal nach 1 — 1 V2Jähr. 
Behandlung mit Garbolsänreinjectionen, 1 mal durch Entfernung eines 
Fremdkörpers. — Nasenpolypen wurden an 18 Patienten behandelt, 
adenoide Vegetationen wurden 1 mal galvanokaustisch, 1 mal von der 
Nase aus mit der kalten Schlinge entfernt. Tonsillenexstirpation wurde 
8 mal vorgenommen, 1 mal mit erheblichem Erfolge für die Hörschärfe. 

Bürkner. 

50. 

Dr. Josef Pollak, Ueber den Werth von Operationen, die den Schnitt des 
Paukenfelles erheischen. (AUg. Wiener meoiz. Zeitung. 1880. Nr 40 S.) 

Verf. empfiehlt die Paracentese der Paukenhöhle vor Allem bei 
der 9 katarrhalischen Erkrankung der Tubenpaukenschleimhant", wo- 
bei das Exsudat rein serös, serös schleimig, gelatinös oder colloid ist, 
und findet die Erfolge der Operation in diesen Fällen ausgezeichnet. 
Hierin wird ihm wohl jeder Specialist beistimmen; wenn P. jedoch 
behauptet, unter nahezu 500 Fällen nur ein einziges Mal eine Ent- 
zündung' als Folgeerscheinung der Paracentese gesehen zu haben, so 
kann Referent wenigstens einen Zweifel nicht unterdrücken. 

Bei der acuten Mittelohrentzündung mit eitrigem (resp. Eiter ent- 
haltendem) Secrete soll die Paracentese nur dann entnommen werden, 
wenn ein Durchbruch des Eiters zu gewärtigen steht oder wenn bei 
lividrothem Trommelfelle die Schmerzen sehr intensiv sind. Verf. 
stützt sich hier auf eine Bemerkung Politzer 's, welche den von 
Schwartze (im IL und III. Bande des Arch. f. Ohrenheilkunde) 
angeführten Indicationen analog ist Die Behauptung des Verf., dass 
die Operation bei der acuten Mittelohrentzündung ^^ geradezu schäd- 
lich*' wäre, ist eine entschiedene Uebertreibung. 

Durchschneidung der hinteren Falte hat Verf. in 35 Fällen aus- 
geführt, ohne je üble Zuflüle beobachtet zu haben und nur einmal 
mit Verletzung der Chorda tympani (wäre, wie Verf. meint, dieser 
Nerv total durchschnitten gewesen, so dürfte wohl kaum nach nur 
drei Tagen Heilung eingetreten sein. Ref.)o In allen Fällen mit einer 
Ausnahme constatirte Verf. einen mehr oder weniger dauernden Er- 
'folg; in fünf Fällen soll die anhaltende Besserung noch nach 2 bis 
3 Jahren nachweisbar gewesen sein. Nach Ansicht und Empfehlung 
P.'s soll man die Operation bei abnormer Spannung des Trommelfells, 
wenn eine anderweitige Behandlung erfolglos war, versuchsweise aus- 
führen. 

Multiple Durchschneidung des Trommelfells bei grösseren Atro- 
phien oder vollständiger ErschlafPnng, sowie Incision von relaxirten 
oder adhärenten Narben wird nicht empfohlen; auch der Durchtrennnng 
von straflfen Strängen in der Paukenhöhle wird wenig Werth vindieirt. 
Für die Tenotomie des Tensor tympani fehlt nach Verf. Ansicht eine 
präcise, directe Indication; dass nur selten günstige Erfolge durch 
die Operation erzielt sind, ist bekannt. Nach Tenotomie der Stape- 



XVn. WisseiiBchafäiche Rnndsohaa. 217 

dinssehDe, die Verf. einmal aasgeführt hat, trat eine Verschlimmerung 
der Symptome ein. 

Paracentesenöffnungen , die znr Erleichterung der Schallleitung 
bei anchylosirtem Hammer oder Amboss angelegt werden, sind von 
keinem dauernden Nutzen, weil sie sich zu rasch wieder schliessen. 

Die Anschauung des Verf. kommt also schliesslich darauf hinaus, 
dass nur bei Mittelohrkatarrh und bei fulminant verlaufenden Mittel- 
ohrentzündungen die Paracentese unbedingt zu empfehlen ist, dass 
sie bei serösen Exsudaten und bei abnormer Trommelfellspannung 
geringen Nutzen gewährt, aber versuchsweise ausgeführt werden kann. 

Die Arbeit enthält für den Specialisten durchaus nichts Neues, 
sondern im Wesentlichen nur Wiederholungen bekannter Thatsachen. 

Bürkner. 



51. 

Prof. E, Berthold, Ueber den Einfluss der Nerven der Paukenhöhle auf die 
Secretion ihrer Schleimhaut. (Vortrag, gehalten in der XXI. Section für 
Luyngologie der 53. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in 
Danzig.) (Tageblatt der Naturforscherversammlung in Danzig.) 

Um festzustellen, ob Dnrchschneidung des Trigeminus Einfluss 
auf die Vascularisation der Paukenhöhle übe (Gell^) oder nicht 
(Hagen), führte Verf. eine Reihe von Experimenten an Kaninchen 
aus, von denen 19 in einer Tabelle zusammengestellt sind. 5 mal 
wurde die Operation der intracraniellen Trigemiuusdurchschneidung 
bilateral, 9 mal unilateral vorgenommen; der erste Ast wurde 10 mal 
partiell, 7 mal vollständig, 2 mal nicht durchschnitten, der zweite Ast 
17 mal »vollständig, 2 mal nicht, der dritte Ast 17 mal vollständig, 
1 mal partiell, 1 mal gar nicht. Unter 18 Fällen (ein Fall mnsste als 
zweideutig unberücksichtigt bleiben) kam es in 12 Fällen zu theiis 
serösen, theiis blutigen oder eitrigen Exsudaten in der Bulla. Die 
Thiere lebten nach der Operation noch 4 bis 14 Tage. 

Eine zweite Versuchsreihe, bei welchen die Trigeminuswurzeln 
in der Medulla oblongata mittelst einer sinnreichen Operation durch- 
trennt wurden, ergab in 9 Fällen von 10 in der Paukenschleimhaut 
Veränderungen ; 2 mal fand sich nämlich eine stärkere Injection oder 
Durchfeuchtung, 7 mal seröses oder blutiges Exsudat. In ^/s der Fälle 
zeigte sich dieselbe Veränderung, nur in geringerem Grade, auch auf 
der gesunden Seite. 

Nach Exstirpation des obersten Cervicalganglions zeigte sich in 
vier Versuchen die Bulla normal; auch eine vierte Versuchsreihe, 
die Ausreissung des Glossopharyngens, hatte negative Resultate. 

Sonach hält Verf. für erwiesen, dass Verletzungen des Sympa- 
thicus und Glossopharyngeus keinen Einfluss auf die Paukenhöhlen- 
schleimhaut des Kaninchens ausüben, während Verletzungen des Tri- 
geminus entzündliche Veränderungen in derselben hervorrufen. 

Bürkner. 



218 Xyn. Wissenschaftliche Rundschau. 

52. 

Dr. Q. Czarda in Pra|^, Zur Behandlung der chronischen Otorrhoe mit Jodo- 
form. (Wiener medidnische Presse. 1880. Nr. 5.) 

An 21 Patienten, die längere oder kürzere Zeit an Ohrenflnss 
litten und bei denen grosse Trommelfellperforationen bestanden, stellte 
Verf. Versuche mit Jodoformpulver an, das nach nasser oder trockner 
Reinigung des Ohres mittelst Insuflator eingeblasen oder, bei gerin- 
gerer Secretion, auf einem Wattebausch in die Paukenhöhle vorge- 
schoben wurde. Zweimal wurde ein Jodoformspray angewendet. Das 
Jodoform wurde 3^ — 4 Tage im Ohre gelassen. Nach mehrmaliger 
Anwendung nahm die Eitersecretion merklich ab, Schwellung und 
Röthung der Schleimhaut Hessen gleichfalls bald nach. Nach 1 bis 
4 Wochen sistirte bei 8 Patienten der Ausfluss ganz. 

Verf. empfiehlt Jodoform hauptsächlich für jene Fälle, in denen 
die Paukenhöhlenschleimhant gleichmässig verdickt, geschwollen und 
hyperämisch ist, wie für Fälle von kleinen Granulationen. 

Bürkner. 

53. 

Dr. G. Czarda, lieber das Audiphon und seine Verwendbarkeit bei Schwer- 
hörigen. (Wiener medizinische Presse. 1880. Nr. 30.) 

Verf. hat nach dem Muster eines Kindertelephons einen Apparat 
construirt, „der aus einem abgestutzten, hohlen Blechconus bestand, 
in dessen schmälerem, mit Pergamentpapier überspanntem Ende central 
ein Zwirnsfaden von circa 3 Meter Länge befestigt wurde, während 
das freie Ende in einem 4 Cm. langen, 1,5 Cm. breiten 3 Mm. dicken 
Holzstückchen verkeilt war". Mit diesem und den durch die Presse 
bekannt gewordenen amerikanischen und anderen Instrumenten hat 
Verf. zahlreiche Versuche an Ohrenkranken angestellt, welche später 
ausführlich mitgetheilt werden sollen und welche ergaben, dass in 
vielen Fällen von Schwerhörigkeit, einen gewissen Grad von Intact- 
heit des Hömerven vorausgesetzt, derartige Apparate mit gutem Erfolge 
verwendbar sind. Verf. empfiehlt die Audiphone zum Zwecke des 
Unterrichtes für Schwerhörige, für Versammlungen, welchen schwer- 
hörige Mitglieder beiwohnen, zur Conversation für Schwerhörige, 
denen andere Hörmaschinen nicht geeignet sind, und zu klinischen 
Versuchen (Prüfung der Knochenleitnng durch die Stimme). 

Die in Aussicht gestellten ausführlicheren Mittheilungen werden 
erst im Stande sein, einigen Einblick in diese Frage zu gewähren. 

Bürkner. 

54. 

Prof. Dr. Lucae, Fremdkörper des Ohres. (Beal-Encyclopädie der gesammten 
Heilkunde von Dr. A. Eolenburg. V. Bd. Lief. 45 u. 46.) 

Verf. theilt die Fremdkörper in leblose und lebendige; überhaupt 
kommen nur solche in Betracht, welche von aussen her in das Ohr 
gelangt sind. Besonders wird betont, dass in der Regel die Fremd- 



XVII. WiBseuBchaftliche Rundachaa. 219 

körper, selbst spitzige, keine directen Oef&hren bedingen, dass hin- 
gegen rohe oder von unkundiger Hand ausgeführte Extractionsver- 
suche zu üblen Gomplicationen führen können. Betreffs der Entfernung 
empfiehlt Verf. in erster Linie das Ausspritzen mit lauem Wasser; 
nur wo diese Methode im Stiche lässt, dürfen Instrumente angewandt 
werden. Einmal wurde in der Berliner Poliklinik eine Stahlperle mit 
Hülfe einer hineingeschobenen und dann quellenden Laminariasonde 
aus einem durch Spritzen bereits angefeuchteten Ohre entfernt. Ist 
bereits durch frühere Operationen Entzündung eingetreten , so» soll 
man stets abwarten, bis man in die Tiefe sehen kann; nur bei Eiter- 
retention, etwa durch polypöse Wucherungen, darf man nicht mit 
chirurgischem Eingriffe zögern. Beachtenswerth ist ein vom Verf. 
behandelter Fall, in dem es unsicher war, ob eine in das Ohr ge- 
rathene Stahlperle noch darin vorhanden war; durch chemische Un- 
tersuchung der beim Ausspritzen entfernten schwärzlichen Massen mit 
Berliner Blau wurde die Anwesenheit von Eisen festgestellt Nach 
14 Tagen gelang es die inzwischen durch Oxydation verkleinerte Perle 
auszuspritzen. Beiläufig erwähnt werden die Methoden des Anleimens, 
des Zerstückeins, der Abtragung der Ohrmuschel. Auch in die Pauken- 
höhle gelangte Fremdkörper soll man nur, wenn es leicht geht, ent- 
fernen, vorausgesetzt, dass sie keine entzündliche Reizung veranlassen ; 
auch hier wird dem Ausspritzen der Vorzug gegeben. Die wenigen 
Fälle von Fremdkörpern in der Tuba, welche in der Literatur ver- 
zeichnet sind, zählt Verf. auf, ohne eigene Beobachtungen zuzufügen. 
Was die lebendigen Fremdkörper (Fliegen, Larven und Maden, Wan- 
zen, Schwaben., Flöhe) betrifft, so fand Verf. die durch Thiere er- 
zeugten Reactionserscheinungen weniger erheblich, als sie von anderen 
Beobachtern dargestellt werden. Ausspritzen versagt in der Regel nur 
bei sich festsaugenden Maden, die mit der Pincette entfernt werden 
müssen, wofern man nicht Einträufelungen von Chloroform oder Pfir- 
sichblättersaft vorzieht. Bürkner. 



55. 

Charles S. Rodman, Ein schwerer Fall Yon Caries des Warzenfortsatzes. 
(Amer. Journal of Otology. III. Bd. 1. Heft.) 

Ein 21 jähriger junger Mensch, von Kindheit an etwas schwer- 
hörig, klagt seit zwei Tagen über heftigen Schmerz in der rechten 
Schläfe und im Ohre, hat hohes Fieber, delirirt etwas und kann nicht 
schlafen. Der Gehörgang zeigt kein Secret, das Trommelfell aber 
eine grosse Perforation. Warzenfortsatz empfindlich. Blutegel, Brom- 
kalium, worauf Besserung eintrat. Etwa 14 Tage später wurde das 
Befinden wieder schlechter, das Fieber höher, der Schmerz erheb- 
licher, so dass eine Wilde'sche Incision vorgenommen werden musste. 
Zwei Tage darauf Schüttelfrost, profuser Seh weiss; Schwellung hinter 
dem Einschnitt, so dass ein zweiter, etwa V« Zoll hinter dem ersten, 
angelegt wurde, wobei sich wenig Eiter entleerte. Chinin. 14 Tage 
später wurde ein Stück Knochen mit dem Trepan entfernt, trotzdem 



220 XVn. Wissengchaftliolie Rundschau. 

starb Patient naeh 10 Tagen. Bei der Section zeigten sich eine 
geringe Congestion der Meningen und Eiteransammlnngen zwischen 
den Nackenmuskeln. Das rechte Felsenbein zeigt eine normale Aus- 
senseite; die innere Fläche des Warzentheiles ist sehr dünn aber ge- 
sund; an der äussersten Spitze eine kleine cariöse Stelle; die äussere 
Lamelle des Warzenfortsatzes fehlt in einer Ausdehnung von 27 Mm. 
Länge und 20 Mm. Breite, da, wo der Trepan angesetzt war. Das 
ganze Innere des Warzenfortsatzes ist cariös und enthält einige kleine 
Sequester. Die Caries dehnt sich auf den Schuppentheil und bis zur 
Naht am Scheitelbeine aus. An der untern Seite des Warzenfort- 
satzes in der Fissura digastrica, zeigen sich drei deutliche cariöse 
Perforationen« Die Paukenhöhle ist nicht cariös. Bürkner. 



56. 

Charles Henry Bumett, Perforationen in der Membrana flaccida, die Trom- 
melhöhlenkrankheiten, weldie sie begleiten, und ihre Behandlung. (Amer. 
Journal of Otology. lU-Bd. I.Heft.) 

Verf. unterscheidet Perforationen im hinteren Theile der Mem- 
brana flaccida, welche gewöhnlich mit starker Eiterbildung und Schwer- 
hörigkeit, sowie mit Erkrankung des Warzenfortsatzes einhergehen; cen- 
trale Perforationen, die meist weniger beträchtliche Functionsstörungen 
und Eiterung zur Folge haben und meist mit Erkrankung des äusseren 
Gehörganges verknüpft sind; und Perforationen im vorderen Theile 
der Membran, welche meist mit AflTectionen der Nase, der Tuba und 
Paukenhöhle complicirt sind und zu copiöser Secretion führen. Die 
ersteren sind am schwierigsten, die letzteren am leichtesten zu heilen. 
Besteht eine Perforation im vorderen Abschnitte der Shrapneirschen 
Membran, so erzeugt die Luftdouche in der Regel ein charakteristi- 
sches Perforationsgeräusch, das, wenn das Loch semen Sitz an einer 
andern Stelle hat, ausbleibt, weil die Körper des Hammer und Anoi- 
bos der Luft den Durchtritt versagen. Perforationen unterhalb der 
Trommelfellfalten sollen niemals gleicbzeitig mit solchen der Membrana 
flaccida bestehen. 

Verf hat in zehn Fällen Perforationen der Membrana flaccida be- 
obachtet, die er theils in seinem Lehrbuche (Philadelphia 1877) be- 
reits verö£Pentlicht hat, theils in dieser Arbeit zuerst publicirt. Es ist 
hier nicht der Ort, weiter auf diese Gasuistik einzugehen; es genügt 
zu berichten, dass 5 mal das rechte Ohr, 3 mal das linke, einmal 
beide Ohren, einmal unbekannt welches, die betr. Anomalie zeigten, 
dass der Sitz der Perforation 2 mal im vorderen Theile, 3 mal im 
hintern, 3 mal central war und 2 mal die ganze Membran sich zer- 
stört fand.; sowie dass in 4 Fällen gleichzeitig Polypen constatirt 
wurden. 

Was die Behandlung anbelangt so legt Verf. grossen Werth auf 
das Reinigen des Mittelohres mit Hülfe einer Paukenhöhlenspritze, die 
sowohl zum Aussaugen von Secret, als auch zum Einspritzen von 
Flüssigkeiten benutzt werden kann. Verf. wandte meist SiLbernitrat an. 

Bürkner. 



XYII. WiBsenBchaftliche Rundschau. 221 

57. 

Francis ff. Brown, Einkeilungvon Fremdkörpern im äusseren Oehörgange. 
(Amer. Journal of Otology. m.Bd. l.Heft) 

Nach Verfassers Ansicht müssen eingekeilte Fremdkörper stets 
möglichst bald entfernt werden, weil sie zu heftigen Erkrankungen 
führen können; gelingt die Entfernung mit der Spritze, so ist das amx 
besten; im andern Falle wird man zu Instrumenten greifen müssen; 
die einzige brauchbare Zange sei die Kugelzange von Tiemann. 

Bürkner. 



58. 

Oren D. Pomeroy, Eine Modification des Ohr- und Rachenspiegels. (Amer. 
Journal of Otology. m.Bd. I.Heft.) 

V 

Um das Anstossen der die Kugel haltenden Backen an die Hin- 
terfläche des Spiegels bei seitlichen Bewegungen zu vermeiden, Hess 
Verf. zuerst die Backen abschrftgen; da ihn aber auch jetzt das In- 
strument nicht befriedigte, erfand er einen neuen Spiegel, dessen et- 
was längerer Stiel in der Weise gebogen ist, dass die Kugel gerade 
nach oben steht, so dass die Backen in horizontaler Richtung vollstän- 
dig gedreht werden können, ohne den Spiegel zu streifen. Die cen- 
trale Oeffnung des letzteren ist weit genug, um auch bei starker 
Seitwärtsdrehung auszureichen. Das Stirnband ist unelastisch. 

Bürkner. 



59. 

David Bunty Microtie. (Amer. Journal of Otology. III. Bd. I.Heft.) 

Verf. beschreibt drei durch beigegebene Photographien veran- 
schaulichte Fälle von Microtie, bei denen es sich um Hautfalten mit 
mehr oder weniger tiefen, der Concha entsprechenden Einschnitten 
handelt, und knüpft daran eine Beschreibung der Entwicklung des 
äusseren Ohres. Zunächst wird die Behauptung (Low e's) widerlegt, 
dass schon bei 1 Ctm. langen menschlichen Embryonen die einzelnen 
Theile der Ohrmuschel zu unterscheiden seien; an einer Serie von 
menschfichen Embryonen constatirte H. vielmehr, dass auch an einem 
mehr als 2 Ctm. langen Embryo nur erst eine einfache Hautfalte, an 
einem etwa zehnwöchentlichen Embryo Andeutungen des Helix, Tragus 
und Lobnlus zu finden sind. Beim Sehweinsembryo entsteht nach 
Verf. Beobachtungen die Ohrmuschel aus kleinen Höckern auf dem 
ersten und zweiten Kiemenbogen, welche um eine seichte Vertiefung, 
die nach Vereinigung der Bögen erscheint, gruppirt sind. In dieser 
Vertiefung, die von Moldenhauer und ürbantschitsch als Trom- 
melfell aufgefasst, von Hunt dagegen als Concha in Anspruch ge- 
nommen wird, bildet sich später durch Einstülpung der äussere Ge- 
hörgang. Demnach ist, Hunt zu Folge, eine Missbildung des äusseren 
Ohres von ähnlichen Vorgängen im äusseren Gehörgange unabhängig, 
sie entsteht vielmehr an diesem, mechanischen Störungen so sehr blos- 

Archiv f. Ohrenbeilkande. XYII. Bd. 15 



222 Xyit. WisBenschafÜiche Rundschau. 

gestellten Organe selbst durch Büdungshemmung an den Crura fnr- 
cata oder der Fossa intercruralis, wo sich so häafig Varietäten finden; 
greift die Störung tiefer, so kommt es zu Missbildung des Gehörganges. 

Die embryonale Ohrmuschel besteht nach H. aus drei Haupt- 
theilen: einer kleinen Falte am hinteren Rande der äusseren Ohr- 
ö£fhung, welche beim Schweine die Spitze des Ohres bildet; der Spina 
helicis, welche beim menschlichen Embryo mit der erstgenannten Falte 
verschmilzt und mit ihr den oberen Theil der Auricula bildet; und 
dem Tragus. Die übrigen Theile des Ohres entwickeln sich secnn- 
där aus der zuerst genannten Hautfalte. 

Dies die hauptsächlichen positiven Angaben ; im übrigen enthält 
der Aufsatz Widerlegungen einiger Stellen in Urbantschitsch's 
Lehrbuche. B ü r k n e r. 



60. 

Dr, L, Blau, Ueber die bei den acuten Infectionskrankheiten vorkommenden 
Erkrankungen des Ohres. (Deutsche medicin. Wochenschr. 1881. Nr. 3.) 

Als die für das Gehörorgan gefährlichste Infectionskrankheit be- 
zeichnet auch Verf. das Scharlachfieber, bei welchem sich die 
Entzündung der Rachenschleimhaut leicht auf das Ohr ausdehnt; einige 
flüchtig skizzirte Fälle sollen beweisen, wie wichtig es ist, rechtzeitig 
für Localbehandlung zu sorgen. Kurz erwähnt wird auch ein Fall 
von Lähmung der Gaumen- und Tubenmuskulatur nach Scharlaoh- 
diphtheritis. Bei Masern sind, wie Verf. angibt, die keineswegs 
seltenen Ohrafifectionen deshalb weniger lästig, weil es sich hier meist 
nicht um diphtheritische Prozesse im Nasenrachenräume handelt. Doch 
wird betont, dass auch» die nach Morbillen auftretenden Ohrenkrank- 
heiten, besonders die eiterigen, sehr schwer sein können. Nach 
Röthein sah Verf. einmal eine chronische Mittelohreiterung folgen. 
Bezüglich der Pocken verweist Blau auf die Arbeiten von Wandt. 
Nach Typhus abdominalis beobachtete Verf. 2 Fälle von chro- 
nischer Otitis media suppurativa, 1 Fall von chronischem Mittelohr- 
katarrh, l Fall von nervöser Schwerhörigkeit. Die'Gefahren sollen 
hier in der Trockenheit der Rachenschleimhaut (Verklebung der Tuba) 
in Fortleitnng eines Rachenkatarrhs, in Labyrintfaentzündnng oder in 
typhöser Erkrankung (körniger oder wachsartiger Degeneratfon) der 
Muskeln des Ohres bestehen. Aehnlich verhält es sich bei Typhus 
exanthematicus. Schliesslich weist Verf. auf die Gefahren der 
epidemischen Cerebrospinalmeningitis für das Hörorgan hin. 

Bürkner. 

61. 

J)r. Gottstein, Ueber die verschiedenen Formen der Rhinitis und deren Be- 
handlung vermittelst der Tamponade. (Berl. klin. Wochenschr. 1881. Nr. 4.) 

Verf. hat ein schon früher wiederholt empfohlenes und von unk 
mitgetheiltes Verfahren der Tamponlrung auch bei längerer Erfahrung 
bewährt gefunden und zählt als Vorzüge desselben folgende auf: die 



XVII. Wissenschaftliche Rundschau. 223 

Borken werden gelöst, das Beeret wird verflüssigt; bei der atrophi- 
schen Rhinitis wird zugleich der Fötor beseitigt (bei Nekrose hin- 
gegen nicht); vorausgesetzt wird, daas der Tampon wirklich mit der 
atrophischen Stelle in Berührung steht. 

Auch in dieser Publication dringt Verf. mit Recht darauf/ dass 
der Sammelbegriff ,,Ozäna^ beseitigt werde; man möge, schlägt er 
vor, eine einfache und eine fötide Rhinitis unterscheiden und dieselben 
durch Beisätze, wie ulceröse, nekrotische, atrophische, hypertrophische 
näher kennzeichnen. Die atrophische Form entwickelt sich nach Verf. 
Beobachtungen aus der hypertrophischen. 

Ein Fall von scheinbarer Rhinitis hypertrophicans , . der starke 
Schwellungen der Schleimhaut mit copiöser Secretion zeigte und den 
Verf. demnach galvanokaustisch behandelte, ist deshalb beachtens- 
werth, weil sich nach einiger Zeit, während der Patient im Seebade 
weilte, ein markstückgrosser Defect in der Nasenscheidewand aus- 
bildete, so dass der Process also als ein ulceröser und auch auf die 
Hartgebilde ausgedehnter aufzufassen war. 

Ferner betont Verf., dass bei reiner hypertrophischer Rhinitis 
ohne Nekrose niemals Fötor eintritt, so dass man, wenn Nekrose fehlt, 
aber Fötor besteht, zu dem Schlüsse berechtigt ist, es handle sich 
um die atrophische Form, eine, wie Verf. wiederholt, unheilbare, wohl 
aber durch die Tamponade erträglich zu gestaltende Erkrankung. 

Das wesentliche über die Ausführung der Tamponade haben wir 
schon früher (XIV, 289; XVI, 146) mitgetheilt; Verf. empfiehlt die 
Methode : „ bei der ulcerösen und nekrotischen Rhinitis neben der ent- 
sprechenden medicamentösen und operativen Behandlung, sofern jene 
mit Borkenbildung verbunden ist, vorübergehend bis zur Heilung des 
Leidens; bei grösseren Defecten im Septum; als einziges Mittel bei 
der atrophischen Form zur Beseitigung des Fötors.^ Bürkner. 



62. 

Alexander Graham Bell, Experiments relating to Binaural Audition. (Americ. 
Journ. of Otology. July 1880. p. 169.) 

Verf. hat einige, gewiss sehr mühevolle Versuche über die Fähig- 
keit GeräUAche und Töne zu localisiren, ausgeführt. Die eine Reihe 
derselben bestand darin, dass in einem entfernten Raum zwei Tele- 
phone so neben einander aufgestellt waren, dass ihre Platten in ent- 
gegengesetzter Richtung sahen und die Sprache einer in dem Raum 
umhergehenden Person aufnahmen. In einem entfernten Räume hielt 
eine zweite Person die empfangenden beiden Telephone entsprechend 
an beide Ohren. Er konnte auf diese Weise sich eine einigermas- 
aen richtige, aber doch nicht ganz exacte Vorstellung über den Platz 
in Bezug auf die Telephone machen, auf welchem der Sprecher 
grade stand. . 

In einer anderen Versuchsreihe wurde ein, durch einen Induc- 
tionsatrom ajigesprochenes Telephon an verschiedenen Stellen in einem 
offenen Gartenhaus aufgehängt und dann wurde eine Reihe von Per- 

15* 



224 XVIt. WisseoBchafttiche Rimdschau. 

gonen mit verbundenen Augen hineingeführt, um anzugeben, wo der 
Ton entstehe. Die Antwort fiel besser aus wenn beide, als wenn 
nur ein Ohr gebraucht werden durfte. Am besten war die Unter- 
scheidung des Rechts und Links, besonders schlecfit war die Rieh- 
tungAmgabe dagegen, wenn der Ton bei tiefer Lage des Telephon 
erzeugt wurde, wahrscheinlich weil die Reflection am Fussboden stö- 
rend war. Hensen. 

63. 

Clarence J. Blake, The Membrana Tympani Telephone. (Americ. Joaiiial 
of Otology. July 1880. p. 180.) 

B. hat auf den Stiel von Hammer und Ambos nach Wegnahme 
des Steigbügels und des Labyrinthknochens eine eiserne Platte ge- 
klebt, davor einen Elektromagneten befestigt und auf diese Weise 
einen telegraphischen Apparat hergestellt. Die so erzielten Resultate 
waren jedoch unbefried^end, namentlich auch in Bezug auf die' Ton- 
höhe, die kaum bis zur Höhe von 8192 Schwingungen wahrnehmbar 
blieb. Hensen. 

64. 

Charles T. Miller and Wm. T, Miller , On the present condition of Musical 
PitBch in Boston and Yicinity. (Amer. Journal of Otology. Oct. 1880. p. 249.) 

Eine Vergleichung der Tonhöhe verschiedener Orgeln, Porte- 
pianos und Normalstimmgabeln hat fflr c^ Differenzen der Stimmung 
von 256 bis zu 273, für ai von 426 bis 448 Schwingangen per Se- 
cunde ergeben. Schwerlich wird es damit in Europa besser sein, 
doch während man sich hier bemüht, die übertriebene Höhe herab- 
zumindern, treiben dort die Orgelbauer den Ton noch in die Höhe. 
Die Verfasser glauben, dass durch unvorsichtiges Copiren der Stimm- 
gabeln eine Steigerung der Tonhöhe veranlasst worden s6i, da die 
Erwärmung bei der Abstimmung den Ton der Gabel niedriger macht, 
als er definitiv ist. Hensen. 

65. 

Eugen Bleuler und Karl Lehmann, Zwangsmässige Lichtemptindungen durch 
Schall und verwandte Erscheinungen auf dem Gebiete der anderen Sinnes- 
empfindungen. (Leipzig, Fues. 1881. 95 Seiten.) 

Die vorliegende Arbeit bringt über die eigenthümlichen , von 
Nussbaumer zuerst nachdrücklicher beschriebenen Associationser- 
scheinungen zwischen Klängen und Licht-, resp. Farbenempfindungen 
eine* grosse Reihe neuer Beobachtungen. Es handelt sich dabei um 
einen nur höchstens bei Vs ^^^^^ Menschen ins Bewusstsein zu 
rufenden Process, der auf innige Verbindung der Vorgänge in ge- 
wissen centralen Sinnesfeldern hinweist. Ich glaube fast voraussagen 
zu können, dass mit der Zeit diese Art von Beobachtungen wichtige 
Aufschlüsse über die Vorgänge im Oehirn geben werdeii, aber zur 
Zeit wissen wir noch nicht recht etwas damit anzufangen. 



XVn. WissenschafOiche Bnndschaa. 225 

Eine Reihe von Menschen hat Schallphotismen^ d. h. sie 
sehen zwangsweise Felder von verschiedener Gestalt, Farbe, Hel- 
ligkeit, Glanz und Durchsichtigkeit, wenn sie gewisse Laute, Töne 
verschiedener Höhe, verschiedener Stärke und verschiedenen Klanges, 
Vokale, Consonanten, Worte hören. Seltener finden sich beim Sehen 
zwangsweise Gehörsempfindungen — Phonismen -^ ein, dagegen kön- 
nen auch durch Geruch, Geschmack und Tastempfindungen Phonismen 
erzeugt werden. 

Die Verfasser kamen zu folgenden allgemeinen Sätzen: ^ Helle 
Photismen werden erweckt: durch hohe Schallqualitäten, starke 
Schmerzen, scharf begrenzte Tastempfindungen, kleme Formen, spitze 
Formen. Dunkle Photismen durch das Umgekehrte. Hohe Phonis- 
men werden erweckt durch: helles Licht, scharfe Begrenzung, kleine 
Formen, spitze Formen. Tiefe Phonismen durch das Umgekehrte. 
Hohe Schallempfindungen erzeugen spitze, kleine oder mit s<$harfer 
Form begrenzte Photismen. Roth, gelb und braun sind häufige Pho- 
tismenfarben; violett und grün smd selten, blau steht der Häufigkeit 
nach in der Mitte. Durchgehende Uebereinstimmung der £inzelan- 
gaben verschiedener Personen kommt nicht vor. Unangenehme pri- 
märe Empfindungen können angenehme Secundärempfindungen er- 
wecken und umgekehrt. Die Secundärempfindungen werden durch 
psychische Vorgänge kaum mehr beeinflusst als die primären Empfin- 
dungen, im Uebrigen sind sie unveränderlich. Die Anlage der Secun- 
därempfindungen ist erblich, bei psychopathisch belasteten Personen 
finden sich Secundärempfindungen nicht häufiger als bei normalen. 

Es wäre etwa noch zu erwähnen, dass die Photismen in der 
Regel nach aussen projicirt werden, resp. beim Geschmack in die 
Mund-, beim Geruch in die Nasenhöhle. Am häufigsten kommen bei 
den Vokalen Photismen vor, so wurde der Vokal a 10 mal blau und 
schwarzblau, 15 mal schwarz, 15 mal roth, 7 mal gelb, 3 mal braun, 
6 mal weiss und 1 mal grün genannt, wogegen e und i gar nicht 
schwarz, aber e 28 mal gelb, i 37 mal als weiss oder farblos ange- 
geben wurde unter 51 und 53 Fällen. Im Uebrigen muss auf die 
Schrift verwiesen werden, wo eine grosse Menge der verschiedensten 
Fälle in einer, wie anerkannt werden darf, vorsichtigen und gewis- 
senhaften Weise vorgeführt und ausgewerthet werden. Hensen. 



66. 

B. Bagmsky, Ueber Schwindelerscheinungen nach Ohrverletzuugen. (Monats- 
bericht d. Berliner Akad. d. Wissensch. Sitzung vom 13. Jan. 1881.) 

Die unter Munk's Leitung angestellten und von demselben in 
der Akademie verlesenen Untersuchungen wurden durch einen Hund 
veranlasst, der mehrere Monate den Kopf nach der einen Seite ver- 
dreht gehalten und Schwindelerscheinungen gezeigt hatte, und wo 
sich bei der Section die Paukenhöhle der gleichen Seite mit wässriger 
Flüssigkeit prall gefüllt fand, ohne gröbere Veränderungen im Laby- 
rinth und Gehirn. 



226 Xyn. Wissenschaftliche Bundschau. 

Die vonB. gemachten Experimente zerfallen in 1. Hervorbringung 
von Drucksteigerung im Ohre^ 2. Verletzungen des Labyrinthes resp. 
der Bogengänge. 

Die Drucksteigernngen wurden in der Paukenhöhle vorgenommen 
und zwar durch Einspritzungen von Flüssigkeiten, durch Einpressnng 
von Luft unter hohem Druck oder durch Belastung der Paukenhöhle 
mit einer Flüssigkeitssäule (nach vorheriger Duchbohrung des Trom- 
melfelles vom äusseren Gehörgange aus) ^). Die diesen Versuchen 
unterzogenen Kaninchen zeigen nach einseitiger Einspritzung indiffe- 
renter Flttssigkeiten (Wasser , 3/4 Proc. Kochsalzlösung) Nystagmus 
an beiden Augen und Verdrehung des Kopfes nach der operirten 
Seite y welche Erscheinungen meist schnell vorflbergehen ^ und zwar 
um so schneller, je wärmer die genannten Flüssigkeiten sind. Nach 
doppelseitigen und unter höherem Druck gemachten derartigen Ein- 
spritzungen tritt in der Regel nach wenigen Tagen der Tod ein. 
Noch schneller sterben die Versuchsthiere unter Hinzutreten von 
Roll- und Kreisbewegungen, wenn differente Flüssigkeiten (concen- 
trirte Kochsalzlösung, verdünnter Ammoniak, verdünnte Salzsäure, 
Glycerin etc.) eingespritzt werden; je rascher die Flüssigkeit einge- 
spritzt wird, und je niedriger temperirt oder je chemisch differenter 
sie ist, desto heftiger sind die Erscheinungen, welche hier regelmässig 
die Einspritzungen überdauern, meist bis zu dem noch an demselben 
oder am folgenden Tage eintretenden Tode. — In allen Fällen ergibt 
die Section: Zersprengung der Membran des runden Fensters und 
Hyperämie und Oedem des Gehirns, Entzündungen oder Hämorrha- 
gien an den dem Ohre benachbarten Hirntheilen. 

Diese Erfahrungen führen zu dem Schlüsse, dass die eingespritzten 
Flüssigkeiten direct an das Gehirn gelangen. Spritzt man lösliches 
Berlinerblau oder Ferrocyankalium ein, so lässt sich durch die Fär- 
bung (eventuell mittelst Eisenchlorids) als der einzige Weg, den die 
Flüssigkeit nimmt, der Aquaeductus Cochleae nachweisen. Bei Lnft- 
einpressung in die Paukenhöhle treten dieselben Erscheinungen und 
bald diirauf der Tod ein; bei der Section findet man Luft im sub- 
duralen Räume und bei jeder neuen Lufteinpressung sieht man die 
Luftbläschen an der Ausmündnng des Aquaeductus Cochleae an der 
Fossa jugularis austreten. — Bei Belastung der Paukenhöhle mit 
Flüssigkeiten mittelst einer eingeführten Glasröhre 2) tritt Nystagmus 
erst dann ein, sobald die Flüssigkeitssäule eine gewisse Höhe erreicht 
hat. Es ist aber bei kaltem Wasser oder 3/4 procent. Kochsalzlösung 
eine wesentlich grössere Höhe (circa 120 Cm.) erforderlich, als bei 

ij Dieser Modus der Operation ist vom Verf. wohl in seinem Vortrage 
in der Berl. physiol. Gesellschaft, nicht aber in dem vorliegenden Bericht 
hervorgehoben worden. Ref. hat sich erlaubt, dies zu bemerken, da der 
Leser sonst glauben könnte, dass die Einspritzungen etc. von der Tuba Eust. 
aus gemacht seien. Im Uebrigen ist auf die ausfährhche im du Bois- 
Reymond'schen Archiv erscheinende Arbeit zu verweisen. 

2) Auch hier fehlt die in dem betreffenden Vortrage gemachte Angabe, 
dass die Röhre vom äusseren Gehörgauge aus eingeführt wurde. Ref. 



Xyn. Wissenschaftiiche Rundschau. 227 

den oben genannten diflferenten Flüssigkeiten (circa 40 Cm.); bei 
Wasser von der Körpertemperatur wurde die erforderliche Höhe mit 
2 M. noch nicht erreicht. Werden die Belastungsversuche doppel- 
seitig und unter auf beiden Seiten verschiedenem Druck angestellt, 
so treten nur auf der Seite , wo der höhere Drück stattfindet und 
wo die Section Zerreissung der Membran des runden Fensters und 
die auf dem oben genannten Wege zum Gehirn gelangte Flüssigkeit 
nachweist, Nystagmus und Schwindelerscheinungen auf. 

Nach alledem ist anzunehmen, dass es sich um eine durch 'den 
Ueberdruck hervorgerufene, resp. um eine thermische oder chemische 
Reizung der von der Flüssigkeit getroffenen Hirnpartie handelt. „In 
Uebereinstimmung damit steht das Ergebniss früherer Versuche, denn 
der Fossa jugularis liegt derjenige Theil des Corpus restiforme auf, 
welcher der aufsteigenden QuintuswurzeL zunächst ist, und durch dessen 
directe mechanische Reizung haben Ma gen die, Brown-S6quard, 
Schiff und Schwahn die nämlichen Schwindelerscheinungen er- 
halten. Durch Reizung der Dura an jener Stelle wird nichts der 
Art herbeigeführt." 

Die im zweiten Theil der Arbeit aufgeführten Versuche riditen 
sich direct gegen die auf Grund der ähnlichen bei Verletzung der 
Bogengänge zu beobachtenden Schwindelerscheinungen besonders durch 
Goltz aufgestellte Lehre, welche die Bogengänge als die peripheren 
Organe des sog. statischen Sinnes auffasst.^) 

Oeflfhet man beim Hunde von der Bulla ossea aus durch Weg- 
brechen des Promontoriums die Schnecke, so erzielt man völlige Taub- 
heit des betreffenden Ohres, nie jedoch eine Spur von Gleichgewichts- 
störungen, wenn auch das häutige Labyrinth sich entzündet und die 
vestibulären Acnsticuszweige zu Grunde gehen. Dagegen treten bei 



1) Wenn Verf. sagt, der vereinzelte Widerspruch von Böttcher und 
später Anna Tomaszewicz, es handle sich um Himläsionen, sei so gut wie 
überhört, worden, so ist dagegen zu bemerken, dass Hensen in seiner Phy- 
siologie des Gehörorgans (vergl. das Referat in diesem Archiv XVI, S. 100) 
auf Grund eigner Erfahrungen den Bött che raschen Anschauungen zuneigt, 
dass ferner v. Bergmann (Deutsche Chirurgie von Billroth und Lücke, 
30. Lief. 1880, 241 ff.) auf Grund persönlicher Einsicht in die Böttcher - 
sehen Versuche und einer sehr sorgfältigen kritischen Analyse der vorli^en- 
den klinischen Beobachtungen Böttcher durchaus beitritt. Auch von den 
Ohrenärzten sind wiederholt Einwendungen gegen die Goltz 'sehen Lehren 
erhoben, und zwar zuerst von J. Grub er 1869 auf der Innsbrucker Natur- 
forscherversammlung, wo Goltz abnorme Kopfhaltung und Schwindelerschei- 
nimgen an zwei Tauben demonstrirte, denen die Bogengänge zerstört waren. 
Grub er bemerkte damals bereits, «dass ähnliche Erscheinungen bezüglich 
der Kopfhaltung auch bei Ohrenkrankheiten zu beobachten seien. Jedoch 
habe er bei einem Manne mit völliger Zerstörung des Gehörorganes (der einen 
Seite, Ref.) keinerlei Symptome constatiren können, wie sie die beiden Thiere 
boten. Er bezweifelt somit die Richtigkeit der Ansicht, dass dieselben von 
der Zerstörung des Grehörorganes herrühren. (Vergl. Tageblatt der genannten 
Versammlung 1869, 136 u. 137. Ref.) 



228 XYII. WisseiiBchaftliche Rundschau. 

Entfernung der ganzen Schnecke neben Taubheit sofort Nystagmus 
und Kopfverdrehung auf, und ergibt die Section jedesmal Eröffnung 
der Schädelhöhle mit Abreissung des Acusticus. Bei Wiederholung 
der bekannten Versuche an den Bogengängen der Tauben ergiebt 
sich, dass selbst dann, wenn bloss die zugänglichsten horizontalen 
oder hinteren veicticalen Bogengänge unter Vermeidung des Aquae- 
ductus vestibnli in der Gavitas mesootica und einer stärkeren Blutung 
durchschnitten werden, fast ausnahmslos oberflächliche oder sogar 
innere Hämorrhagien am Kleinhirn, an der MeduUa oblongata, an 
den Corpora quadrigemina, im Labyrinth und im Aquaeductus vesti- 
bull sich nachweisen lassen. Diese secundären Veränderungen er- 
klären sich dadurch, dass — bei der Taube der die endolymphati- 
schen Labyrinthräume mit dem subduralen Räume direct verbindende 
Aquaeductus vestibuli sehr weit ist, so dass der mit jeder Ddrch- 
schneidung eines häutigen Bogenganges verbundene plötzliche Ab- 
fluss von Cerebrospinalflüssigkeit eine entsprechende Druck- 
änderung in der Schädelhöhle hervorruft. 

Ueberleben die Tauben die Operation längere Zeit, so stellt sich 
nach wenigen Tagen eine Kopfverdrehung nach der verletzten oder 
— bei doppelseitigem Angriff — nach der stärker entzündeten Seite 
ein, gleich viel, welche Bogengänge, oder ob bloss die knöchernen 
oder auch die häutigen durchschnitten sind. Da sich hier bei der 
Section neben eitriger Zerstörung des Labyrinthes und entzündlicher 
Veränderung des Aquaeductus vestibuli eine oberflächliche fettige De- 
generation des seitlichen Kleinhirnfortsatzes findet, die directe Ver- 
letzung dieses letzteren und seiner Umgebung eine Verdrehung des 
Kopfes nach dieser Seite hervorbringt, so müssen auch dieselben 
nach Verletzung der Bogengänge beobachteten Kopfverdrehungen auf 
die genannten centralen Störungen bezogen werden. — Ebenso wenig 
können die Pendelbewegungen des Kopfes und das Schwanken des 
Rumpfes, welche die Tauben in 'der ersten Zeit nach der Verletzung 
der Bogengänge zeigen, als Störungen eines statischen Sinnes auf- 
gefasst werden. »Für die nie fehlende Neigung, nach der verletzten 
Seite oder, wenn beide Seiten aogegriffen sind, nach beiden, Seiten 
zu fallen, macht es gar keinen Unterschied, ob der horizontale oder 
der hintere verticale Bogengang zerstört ist, und es ist nur das 
Schwanken des Rumpfes desto auffälliger, je mehr Bogengänge auf 
derselben Seite verletzt sind. Ebenso stehen die Pendelbewegnngen 
des Kopfes in keiner festen Beziehung zur Richtung der ein- oder 
beiderseitig verletzten Bogengänge; denn tritt auch meist nach 
Durchschneidung der beiden horizontalen Kanäle hori- 
zontales, nach der Durchschneidung der beiden biq- 
teren verticalen Kanäle verticales Pendeln auf^),, 90 
finden sich doch häufig genug ganz zweifellose Abweichungei^. " 

Die bei Thieren nach Bogengangverletzungen auftretenden Sehwin- 
delerscheinungen werden demnach nur in Verbindung mit Hirnläsionen 



1) Dieser vom Referenten unterstrichene Satz bildet den wunden Punkt 
der Arbeit^ der noch weiterer Aufklärung bedarf. 



XYH. WiBBenBchafUiche Bundschatt. 229 

beobachtet, welche tut Erklärung der Sohwindelerscheinangen aus- 
reichend sind; und sie lassen sich an den Säugethieren sogar un- 
mittelbar als unabhängig von den Bogengängen erweisen, welche 
demnach nicht der Erhaltung des Oleichgewichtes dienen. „Und so 
sind auch die pathologischen Erfahrungen verständlich, nach welchen 
es trotz nekrotischer Ausstosaung oder totaler Degeneration des ganzen 
Labyrinths nie zu Schwindelerscheinungen oder Gleichgewichtsstö- 
rungen gekommen ist, wenn nicht das Gehirn in Mitleidenschaft ge- 
zogen war." Lucae. 



67. 

Dr. F. Trautmann, Verletzungen des Ohres in gerichtB&rztlicher Beziehung. 
(Handbuch der Gerichtlichen Medicin, herausgegeben von Dr. J. Maschka. 
I.Bd. S.381.) 

I. Verletzungen der Ohrmuschel. Das Othaematom ent- 
steht noch seltener spontan, als man in der Begel annimmt, da die 
Patienten gern die wahre Ursache aus Schamgefflhl verschweigen; 
auch bei Geisteskranken sei häufig ein traumatischer Ursprung wahr- 
scheinlich, da die Wärter oft sehr roh mit den Patienten umgehen. 
Verf. hat nur traumatische Othaematome behandelt. Continuitätstren- 
nungen heilen sehr leicht, selbst wenn die Ohrmuschel nur noch an 
einem kleinen Hautatttckchen festsitzt. Hohe Hitzegrade wirken auf 
das äussere Ohr nachtheiliger als Frost. Im Allgemeinen bedingen 
Verletzungen der Ohrmuschel keine Functionsstörung, forensich kom- 
men in der Regel nur Verkrüppelungen in Betracht 

U. Verletzungen des äusseren Gehörganges. Ver- 
letzungen des knorpeligen Theiles sind ungefährlich, solche des knö- 
chernen Abschnittes, besonders directe, können sehr gefährlich wer- 
den. Aetzende Fltlssigkeiten führen leicht zu sehr bedenklichen 
Symptomen, ja zum Tode. Doch kann auch Genesung eintreten, zu- 
mal nach Eindringen von geschmolzenem Blei, Weil, nach Verf. Ver- 
suchen an der Leiche, ,, durch den hohen Schmelzpunkt des Bleies 
die den Geweben entzogene Flüssigkeit verdunatet, dadurch die Tem- 
peratur herabgesetzt und gleichzeitig ein grosser Theil des Bleies 
durch Expansion des Wasserdampfes herausgeschleudert wird*'. Bei 
Verletzungen des äusseren Gehörganges ist die Intensität der Blutung 
Yoa diagnostischer Bedeutung. Fremdkörper werden zuweilen von 
GestelluBgspfiichtigen in das Ohr gesteckt, um Schwerhörigkeit oder 
Ohrcttfluss voirantäuschen. Misslungene Extractionsversuche können 
au dauerader FuncticMisatörung, sogar zum Tode führen. 

in. Verletzungen des Trommelfelles. Continuitätstren- 
nungen (Perforationen, Buptnren), Blutextravasate , Entzündungen. 
Rupturen entstehen durch directe oder indirecte Gewalt (erhöhter Luft- 
druck, starke Erschütterungen). £k ist stets zu berücksichtigen, ob 
das verletzte Trommelfell vorher normal oder abnorm war, da eine 
frühere Erkrankung als Milderungsgrund dienen könne. Die Menge 
dea ausfiiessenden Blutes gewährt einen Anhaltspunkt, ob auch weitere 



230 Xyn. Wissenschaftliche Rundschau. 

Verletzungen eingetreten sind, da bei einfacher Fissur die Blutung 
eine ganz geringe zu sein pflegt. Blutextravasate können neben einer 
Ruptur oder ohne solche bestehen; sie sind fdr die Diagnose einer 
traumatischen Erkrankung sehr werthvoll, obwohl sie auch iqmiUm 
oder bei tiierapentiachen Maassnahmen entgtehon kdnnen. Die Form 
der Fissuren ist sehr yerschieden, nach Einwirkung indirecter Gewalt 
gewöhnlich klaffender und glattrandiger, als bei directer Gewalt. Die 
Dauer der Heilung ist sehr verschieden. Sind keine Complicationen 
vorhanden, so tritt selten eine dauernde Herabsetzung der Hörfllhig- 
keit ein; da sich der Patient, so lange die Verletzung besteht, vor 
Schädlichkeiten hüten muss, so wird er leicht Berufsstdrungen aus- 
gesetzt sein. Tritt Eiterung ein, so ist die Prognose ungünstiger. 
Nach der Daner der Heilung richtet sich die Begutachtung der Schwere 
des Falles. 

IV. Verletzungen des Mittelohres, a) durch directe Ge- 
walt. In der Regel vom äusseren Gehörgange aus ; es können Frac- 
turen der Gehörknöchelchen (besonders des Hammers), Zerreissung 
der Nerven, Muskeln und der Schleimhautbedeckung der Paukenhöhle 
eintreten. Die Verletzungen können sehr günstig verlaufen, aber auch 
zu Eiterung, Neuralgien, Lähmungen, Krämpfen, durch Meningitis etc. 
zum Tode ^hren. Aetzende Flüssigkeiten sind sehr gefährlich ; auch 
kaltes Wasser kann heftige Entzündungen mit secundärer Eiterung 
herbeiführen. Versuche, die Verf. an Kaninchen anstellte, ergaben, 
dass Wasser von +9^0. schon Zuckungen der Bulbi, Exophthalmus, 
Erweiterung der Pupillen, Zuckungen der Extremitäten- und Schwin- 
del hervorrufl;, Erscheinungen, die bei weiterer Herabsetzung der Tem- 
peratur, besonders bei Anwendung von Druck und nach Incision des 
Trommelfelles noch mehr hervortreten ; doch erholen sich die Thiere 
sehr schnell wieder; die Sectionen ergeben häufig Blutextravasate im 
äusseren und mittleren Ohre, zuweilen freie Blutung in der Pauken- 
höhle, zuweilen serös-blutige Exsudate ; nach längerer Zeit getödtete 
Thiere zeigten acute Eiterung mit Perforation, während andere nor- 
male Verhältnisse darboten. — Beim Menschen können Perforationen 
sehr schnell nach dem Eindringen von kaltem Wasser entstehen (Ver- 
fasser sah sie nach 17 Stunden, aber auch nach 72 Stunden eintreten), 
sich später durch Gewebszerfall erweitem und durch Eiterung zu 
Polypenbildung, Garies, tödtlichen Erkrankungen (Meningitis etc.) 
führen. 

So lange Eiterung des Mittelohres besteht, ist stete Lebensgefahr 
vorhanden. Die Perforationen unterscheiden sich von traumatischen 
Rupturen in der Regel sehr deutlich. Heilung ist auch bei grossen 
Defecten möglich; Narbenbildung und Ueberhäutung der Paukenhöhle 
sind sichere Merkmale vorausgegangener Perforationen. Vom Nasen- 
raume aus können Instrumente oder Fremdkörper durch die Tuba in 
die Paukenhöhle gelangen und Verletzungen herbeiführen. Von der 
Tuba aus ins Ohr dringende Flüssigkeiten können Entzündungen und 
Perforationen hervorrufen; bei Ertrunkenen findet sich häufig Er-' 
tränkungsflüssigkeit im Mittelohre. 

b) Verletzungen des Mittelohres durch indirecte Gewalt; dieselben 



XVn. If^Bsenschaftliche Randschaa. 231 

sind meist mit anderen aehweren Verletzungen combinirt und erstrecken 
sich auch anf das innere Ohr. Es kann freier BlntergQM entstehen ; 
oft finden sich punktförmige Ekchymosen, besonders bei ErhftngtsB. 

Die Dauer der Krankheit und Berufeunfähigkeit bedingen die 
Entscheidung ob eine Verletzung als schwere oder leichte anzu- 
sehen sei. 

V. Die Verletzungen des schallempfindenden Ner- 
venapparates entstehen gleichfalls entweder durch directe oder 
durch indirecte Gewalt; erstere sind sehr selten, sie fahren stets zu 
Taubheit des verletzten Ohres, 2u Schwindel und subjecti?en Geräu- 
schen, Aufhebung der Knochenperception und früher oder später 
zum Tode. Indirecte Einwirkung kann von starken Schallwellen oder 
von Erschütterung der Schädelknochen ausgehen; im ersteren Falle 
ist die Erkrankung oft leicht und vorübergehend, im letzteren Falle 
ist nicht selten gleichzeitig der Knochen fracturirt. Der Hömerv 
kann durch grosse Gewalteinwirkung gelähmt werden, auch ohne dass 
Continuitätsstörungen eintreten. Commotion an der Ursprungsstelle 
des Nerven führt zu beiderseitiger Taubheit. In allen Fällen von 
Labyrinthverletzung kann die letztere partiell sein. In der Regel 
sind Bewusstlosigkeit und Erbrechen zu beobachten. Da bei Laby- 
rinthaffectionen sehr viel Gewicht auf anamnestische und subjective 
Angaben zu legen ist, mag der Gerichtsarzt sich vor Uebertreibungen 
und Simulation des Patienten hüten. Verletzungen des inneren Ohres 
mit gleichzeitiger Fracturirung der Knochen sind häufig ; hier ist stets 
starke Blutung aus Mund, Nase und Ohr (bei Trommelfellfissur), oft 
Ausfluss von Liquor cerebrospinalis zu beobachten; ausserdem zeigt 
sich geronnenes Blut in den Hirnhäuten, im Hirne selbst oder in der 
Paukenhöhle. Obwohl niemals die Moniere 'sehen Symptome fehlen, 
brauchen die Verletzungen nicht immer tödtlich zu sein. 

Bürkner. 



68. 

Albert H, Bück, Fracturen des Schläfenbeines. (Amer. Journal of Otology. 
n. Bd. 4. Heft.) 

Fracturen des Schläfenbeines kommen einerseits an den Vereini- 
gungsstellen der einzelnen Theile des Knochens (Diastasen), andrer- 
seits in der Mitte des Felsenbeines, da, wo dasselbe von Hohlräumen, 
wie dem innem Gehörgang, der Schnecke, dem Vorhof und den Bogen- 
gängen, durchsetzt ist, sowie an der Schuppe und am Warzentheile 
vor. Verf. theilt die Fracturen in folgende Klassen und Unterab- 
theilungen: 

Klasse I: Fracturen des Schläfenbeines in der Gegend des Mittel- 
ohres, ohne Betheiligung des Felsenbeines; a) ohne sichtbare Hä- 
morrhagie oder sonstigen Ausfluss, b) mit Hämorrhagie oder Blutab- 
gang, c) mit Blutung aus Rachen und Nase. 

Klasse U: Fracturen des Schläfenbeines und Felsenbeines. Fälle 
der letzteren Art sind viel schwerer, führen, wenn das Labyrinth be- 
troflfen ist, zur Taubheit, aber nicht immer zum Tode. 



232 XYIL WiBsenschafüiche Rondschaa. 

Verf. bringt yieraehn Fälle von SchläfeBbeinfracturen bei ; 5 mal 
war die Blntang ans dem Ohre eine sehr bedeutende ; Verf. glaabt^ 
das8 dieses Symptom in Fällen von Sturz oder Schlag auf den Kopf 
auf eine Fractur in der Nähe der SbrapnelFschen Membran und 
wahrscheinlich in der Richtung der Glaser'schen Spalte schliessen 
lasse. Einerseits können erhebliche Blutungen bei blosser Verletzung 
z. B. der A. tympanica ohne Fracturirung eintreten, andrerseits kom- 
men Fälle von ausgedehnten Schädelbrüchen vor (Verf. fährt einen 
solchen an), in denen keine Ohrsymptome ausser Taubheit zu be- 
obachten sind. £ntztlndungserscheiimngen in der Gegend des Trom- 
melfells sind bei Schädelbasisbrüchen gewöhnlich; besonders wichtig 
ist das Symptom des wässerigen Ausflusses aus dem äusseren Gehör- 
gange, der jedoch nicht immer Liquor cerebrospinalis sein muss, son- 
dern auch entzündlicher Natur sein kann. Verf. legt besonderen Werth 
darauf, in allen Fällen, wo der Verdacht eines Basisbruches besteht, 
das Gehörorgan genau zu untersuchen, da dasselbe Anhaltspunkte für 
die Diagnose gewähren könne. Bürkner. 



69. 

Charles H. Bumett, Reflectorische Geschwürsbildung im äusseren Gehör- 
gange mit Perforation des Trommelfelles in Folge von Zahncaries. (Amer. 
Journal of Otology. ü. Bd. 4. Heft.) 

Eine 40 jährige Frau litt seit einigen Monaten an Ohrenfluss und 
wiederholten Ohrenschmerzen, ohne dass das Gehör beeinträchtigt ge- 
wesen wäre. Das Trommelfell war im hinteren-unteren Quadranten 
perforirt und zeigte dort einige kleine Granulationen. Hintere Ge- 
hörgangswand in der Nähe des Trommelfells ulcerirt und mit hellem 
Eiter bedeckt. Paukenschleimhaut gesund. Nach längerer frucht- 
loser Behandlung bemerkte Verf., dass die Symptome von einigen 
cariösen Zähnen der rechten Unterkieferseite aus reflectorisch her- 
vorgerufen waren. Nach Extraction der beiden ersten Mahlzähne 
heilte das Ohr, das bis dahin immer von Neuem erkrankt war, voll- 
ständig. Es blieben nur objective Anzeichen einer vorhergegangenen 
Entzündung zurück. 

Verf. fügt eine genaue ätiologische Analyse des Falles mit Be- 
rücksichtigung der in Betracht kommenden Nervenbahnen bei. 

Bürkner. 



70. 

Samuel Sexton, üeber die Ohrsymptome bei der Ghenopodiumvergiftung. 
(Amer. Journal of Otology. IL Bd. 4. Heft.) 

Im Anschluss an zwei von North publicirtes Fälle (s. Referat 
Band XVU, 127) und einen Fall von Pole, in welchem ebenfalls 
vorübergehende Taubheit eingetreten war, führt Verf. einen letalen 
Fall von Brown an, welcher einen 31jährigen Mann betraf, der 
5 Tage nach Einverleibung von etwa 45 Gramm Wnrmsamenöl und 



XVII. Wissenscliaftliche Eundscliau. 233 

30 Tropfen Terpentinöl starb. Die Symptome waren Nausea, taumeln- 
der Gang, Sprachtaubheit, Ohrensausen, Aphasie. Der Tod trat unter 
Krämpfen ein. Der Fall von Pole findet sich im Maryland Medical 
Journal of July 1, 1880, derjenige von Brown ebenda, Novem- 
ber 1878. Bürkner. 



71. 

CUxrence J, Blake, Ueber das Vorkommen von Exostosen im äusseren Oehör- 
gange von prähistorischen Menschen. (Amer. Journal of Otology. II. Bd. 
4. Heft.) 

Verf. hat im Amer. Journal of Otology, Bd. U. Heft 2, die Re- 
sultate einer Untersuchung von 195 Schädeln veröffentlicht, von denen 
12 beiderseitig, 9 rechts, 15 links Exostosen zeigten; von den 54 Ex- 
ostosen waren 42 au der hinteren und 12 an der vorderen Wand, 
42 flach und 12 gestielt. Im Anschlüsse an jene Publication theilt 
Verfasser nun die Ergebnisse seiner Beobachtungen an 37 Schädeln 
des Peabody Museums in Cambridge, Mass., mit. Es fanden sich an 
6 Schädeln Exostosen. Die durchschnittlichen Durchmesser dieser 
Exostosen betrugen: verticaler Durchmesser 11,2 Mm., antero-poster. 
Durchmesser 6.5 Mm. In einem Falle waren die Ohröffnungen fest 
verschlossen durch je zwei grosse Exostosen, im rechten Ohre sass 
die eine hinten unten auf, sie war 9 Mm. breit und 8 Mm. hoch (in 
das Lumen hineinragend), während die zweite, am oberen vorderen 
Wall aufsitzende sich der ersteren bis auf 5 Mm. entgegenstreckte; 
am linken Ohre waren die Exostosen kleiner aber ähnlich geformt 
wie rechts; die an der hinteren Wand befindliche mass 6 Mm. an Breite 
und ragte 5 Mm. ins Lumen , während die andere 4 Mm. hoch und 
3 Mm. breit war. Syphilis war nicht nachweisbar. Bürkner. 



72. 

Samuel Sexion, Neue Ohrinstrumente. (Amer. Journal of Otology. U. Bd. 
4. Heft.) 

1. Polypenschlinge. Verf. befestigt den Draht an einem 
am Handgriffe beweglichen Schlitten, welcher mit dem Daumen herab- 
gezogen werden kann; die Befestigung geschieht in der Weise, dass 
der Draht um einige auf dem Schlitten angebrachte Prominenzen, 
abwechselnd rechts und links, herumgeschlungen wird. 

2. Fremdkörperzange. Es wird über die zierlichen an der 
einen Branche des Instrumentes befindlichen, leicht beweglichen Greif- 
arme mittels eines Fingerdrnckes ein an der zweiten Branche ange- 
brachter Ring geschoben, wodurch die Greifarme einander genähert 
werden; ein zwischen dieselben gebrachter Fremdkörper wird fest- 
gehalten und kann nun extrahirt werden. Bürkner. 



234 XVII. Wissenschaftliche Bimdschaa. 

73. 

Samuel Sexton ^ Drei Fälle von plötzlicher Taubheit bei Syphilis. (Amer. 
Journal of Otology. IL Bd. 4. Heft.) 

1. Constitut. Syphilis. Facialparalyse. Plötzliche 
Taubheit. 45 jähriger ZimmermanD erkrankte vor 2 Jahren an 
Kopfschmerz und Schwindel^ ein halbes Jahr später trat Hemiplegie 
der linken Seite und linksseitige Taubheit ein. Mit Inductionsstrom 
erfolgreich behandelt, doch blieb Schwindel und Taubheit, bestehen. 
Ein Jahr nach der ersten Attacke plötzliche Taubheit des rechten 
Ohres mit Facialparalyse. Zur Zeit der Untersuchung taumelnder 
Gang, Pharyngitis, glanzlose Trommelfelle, Sprachtaubheit, Perception 
vom Knochen für Stimmgabel vorhanden; Vergesslichkeit. Bald darauf 
links subjective Geräusche. Später stellte sich heraus, dass Patient 
syphiUtisch war. 

2. Constitut. Syphilis, doppelseitige Facialparalyse. 
Erkrankung der Mundschleimhaut. Plötzliche Taub- 
heit. 40 jähriger Kellner hatte vor 18 Monaten einen Schanker und 
wurde antisyphilitisch behandelt; 3 Monate später nach Erkältung 
rechtsseitige Gesichtslähmung, wieder 3 Monate später plötzliche totale 
Taubheit, zugleich linksseitige Facialparalyse, Lähmung des Kiefers. 
Laute subjective Geräusche. Bei der Untersuchung zeigt sich Pharyn- 
gitis, Caries der Zähne, Foetor ex ore. Stimmgabel wird vom Kopfe 
gehört, Trommelfeile glanzlos, Gehörgang hyperämisch. 

3. Constit. Syphilis. Plötzliche Taubheit. Erkran- 
kung der Mundschleimhaut. Besserhören bei Lärm. Bes- 
serung unter Mercurial- und Jodkalium-Behandlung. 
31 jähriger mulattischer Seemann, 1874 wegen Syphilis behandelt, 
Condylome am Anus, 1878 Schanker und Bubo, 9 Monate vor der 
Untersuchung Schanker, 3 Monate später Bubonen. Vor IV2 Mo- 
naten war Patient plötzlich unter Schwindel, Ohrensausen und Kopf- 
schmerz taub geworden. Die Untersuchung ergiebt Erkrankung der 
Mundschleimhaut und der meisten Zähne; Pharyngitis. Sprachtaub- 
heit, auch für laut geschrieene Worte, sehr hohe und laute Töne 
werden gehört, besonders wenn in der Umgebung Geräusche erzengt 
werden, Perception vom Knochen für die Stimmgabel vorhanden. Ge- 
hörgang hyperämisch, Trommelfelle sehen feucht aus, Injection der 
Randgefässe und der HammergriffgefäBse. Retraction, besonders des 
rechten Trommelfells. Patient bekommt Jodkalium und wird ausser- 
dem mit Schmierkur behandelt. Allmähliche Aufhellung der Trommel- 
felle, Besserung des Allgemeinbefindens und des Hörvermögens, so 
dass Patient rechts über 6 Fuss weit laute Sprache hören kann, links 
etwas weniger. Aufhören der Geräusche und des Schwindels, Heilung 
der Mundschleimhaut. Bürkner. 



XVII. WiBsenBchaftliche Rundschau. 235 

74. 

Prof. Adam Politzer^ Die Alkoholbehandlung der Ohrpolypen. Elinische 
Vorlesung. (Wiener mediz. Bl&tter. 1881. Nr. l.) 

Verf. bestätigt und erweitert in diesem Aufsätze seine früheren 
Angaben, über weiche wir bereits Band XVII, S. 124 Mittheilang 
gemacht haben. Da durch jenes Referat die Meinung erweckt sein 
könnte, als sei rectificirter Alkohol schon vor Politzer zur 
Behandlung von Ohrpolypen empfohlen worden, so möchten wir 
bei dieser Gelegenheit, dem Wunsche des Verfassers entsprechend, 
heryorheben, dass die erste Empfehlung des rectificirten Alkohols 
zu dem fraglichen Zwecke von Politzer ausgegangen ist. Gewöhn- 
licher Weingeist wurde als Austrocknungsmittel bei Ohrpolypen schon 
wiederholt empfohlen (siehe: Beck, die Krankheiten des Gehöror- 
gans. Heidelberg, 1827. S. 195; v. Gaal, Die Krankheiten des 
Ohres. Wien, 1844. S. 77; M. Frank, Praktische Anleitung etc. 
Erlangen, 1845. S. 261; Lincke, Handbuch der Ohrenheilkunde. 
Leipzig, 1845. II. Bd. S. 524), noch öfter T. Opii crocata, bei wel- 
cher indessen nicht Spiritus vini, sondern Vinum Xeres das Consti- 
tens ist. 

Für die günstige Wirkung des Alkohols gibt Verf. in dieser 
Publication zwei Beispiele: in einem Falle (12 jähr. Mädchen) wurde 
durch dreimal täglich wiederholtes Einträufeln von rectificirtem Al- 
kohol in drei Wochen ein grosser Polyp vollständig zum Schrumpfen 
gebracht und dadurch die Hörweite von Vß ^* ^Q^ ^ ^- ^^^ Sprache 
gehoben; in dem zweiten Falle (24 jähr. Mädchen), bei dem es sich 
um eine acute Mittelohrentzündung mit Perforation des Trommelfells 
und Polypenbildung handelte, gelang die Heilung in 34 Tagen; nach 
Beseitigung der Wucherung schloss sich auch das Trommelfell. 

Die Alkoholbehandiung empfiehlt Verf. jetzt 1. da, „wo die Po- 
lypenwurzel in unzugänglichen Partien des Mittelohres entspringt; 
2. bei Polypen, welche durch die perforirte SbrapnelFsche Membran 
hervorwuchern und deren Ursprungsstelle mit dem Instrumente nicht 
erreichbar ist; 3. bei allgemeiner ezcessiver Wucherung der Mittel- 
ohrschleimhaut, gegen welche operative Eingriffe und Aetzungen sich 
erfolglos erwiesen; 4. bei derben, breit aufsitzenden und schwer zer- 
störbaren Polypenresten im äusseren Gehörgange; 5. bei multipler 
Granulationsbildung am Trommelfelle und im äusseren Gehörgange, 
deren Entfernung und Wegätzung nicht nur einen grossen Zeitraum 
erfordert, sondern auch mit starken Schmerzen verbunden ist; 6. bei 
Stricturen des äusseren Gehörganges, welche die Einführung von In- 
strumenten hinter der verengten Stelle behindern; und 7. bei ope- 
rationsscheuen Personen und Kindern, bei welchen die Operation ohne 
Narkose nur selten ausführbar ist.** Bürkner. 



236 Xyn. Wissenschaftliche Rundschau. 

75. 

P. Mc'Bnde in E^inbürgh^ Hörschwindel. (Edinbuigher med. Journal. Jan. 

1881.) 

B. mlsabilligt, was Seitens deutscher Ohrenärzte schon seit langer 
Zeit geschehen ist, den Namen „Meni^re 'sehe Krankheit" und ver- 
langt mit Recht an Stelle desselben „ M e n i ö r e 'sehe Symptome ". Den 
Namen Meni^re'sche Krankheit möchte er nur auf die sehr seltenen 
primären Affeetionen des Labyrinths beschränken. Uebrigens huldigt 
er der (bis jetzt doch noch immer controversen, Ref.) Ansicht^ dass 
Reizung der Endausbreitnng der Ampullennerven Schwindel veran- 
lasst. Folgt die Besprechung der Alterationen, die Seitens des äusse- 
ren, mittleren und inneren Ohres zur Erzeugung des fraglichen Sym- 
ptomencomplexes Veranlassung geben. — Dass am gewöhnlichsten 
von Mittelohranomalien Hörschwindel auageht, wie B. meint , kann 
man in dieser weiten Fassung wohl kaum behaupten. In dem von 
ihm angeführten, glücklich behandelten, durch hochgradig entwickelte 
Men lere 'sehe Symptome ausgezeichneten Falle scheint in der 
That die günstige Wirkung der Luftdonche neben dem diagnostischen 
Verhalten der Stimmgabel zur Annahme des fraglichen Zusammenhanges 
berechtigt zu haben. Solche Fälle gehören indess jedenfalls zu den 
Seltenheiten (Ref.); eine Ansicht, die auch nach Bride's Erfahrung 
begründet ist. Denn in dem letzten Passus dieses Abschnittes betont 
er noch insbesondere, dass schwere Moniere 'sehe Symptome als 
Folge chronischer Mittelohranomalien von ihm sonst nicht beobachtet 
worden seien. — Wenn B. demnächst anscheinend die Behauptung 
aufstellt, dass Hörschwindel als Ausdruck primärer Labyrinthaffectio- 
nen viel seltener dei^ als die zuletzt besprochene Form, so will ihn 
Referent zur Rectification seiner Anschauung nur auf die Worte 
Schwartze's (Patholog. Anatomie des Ohres. S. 116) verweisen. 

Die an Ohrschwindel nicht selten sich anschliessenden Erschei- 
nungen, Ohnmachtanwimdlung, Uebelkeit, Erbrechen, Bewusstlosigkeit 
erklärt er, mit Urbantschitsch, für Reflexersoheinungen, vermit- 
telt durch die Fortleitung, bez. Ausstrahlung des von dem Ampulien- 
nerven ausgehenden Reizes zu den entsprechenden Centralgebieten 
des Gross- und Kleinhirnes, die Ohnmacht und Bewusstlosigkeit ins- 
besondere durch Uebertragung des Reizes auf die Bahnen der Hem- 
mungsnerven für die Herzbewegung. Die postulirte Intervention des 
Cerebellnm zur Erklärung gewisser Erscheinungen hat zwar erfah- 
rungsgemäss eine gewisse Berechtigung, indess doch nur eine recht 
beschränkte (vgl. Nothnagel, Topische Diagnostik der Hirnkrank- 
heiten, S. 610 und 611). Denn es ist ja notorisch, dass Schwindel 
bei den allerversehiedensten acuten wie chronischen Hirnkrankheiten 
vorkommt (Ref.). Wo die Schwindelempfindung zu Oleichgewichts- 
verlust, bezw. Umfallen des Körpers führte, fand letzteres nach B.'s 
Beobachtung, da wo Affection einer Ohrseite als wahrscheinliche 
Quelle des Schwindels sich entdecken Hess, stets nach dieser statt. 

Jacoby. 



Jnttn- f. ()hrenljeiH,inide Bd,SÜI. 



Artiin' £ O^irenlieiHrnnde Bd. 'XW 



KVo^ä in LäpziJ 



M üiEl.i SSi. Sctw« .ünlp 



Mm t Ohrenlnillomdc Bi 5V» 



2.a. 



S.m. 



-A 



Yeridg vor. EC.WVo^^el m Lsjpzi^ 



XVIII. 
Ueber optischen Schwindel bei Druckerhohnng im Ohr. 

Von 

August Lucae. 

Am 11. Februar 1881 habe ich in der Berliner physiologi- 
schen Gesellschaft über einige eigenthümliche Schwindelerschei- 
nungen kurz berichtet, die ich seit Herbst 1880 wiederholt an 
Ohrenkranken beobachtet habe. 

Es schien mir von Interesse, an dieser Stelle unter Benutzung 
des in den Verhandlungen genannter Gesellschaft bereits erschie- 
nenen Sitzungsberichtes etwas eingehender auf diesen Gegenstand 
zurückzukommen und, so weit es derselbe erfordert, auch das 
pathologische und therapeutische Detail etwas näher zu berück- 
sichtigen. 

Vor Allem muss noch einmal hervorgehoben werden, dass 
ich hier gänzlich absehe von jenen bekannten allgemeinen Schwin- 
delerscheinungen, welche entweder spontan bei den verschieden- 
sten Ohrenkrankheiten auftreten oder bei verschiedenartigster 
Reizung des Gehörorgans beobachtet werden, und dass ich hier 
zunächst nur solche, vorzugsweise optische Schwindelerschei- 
nungen besprechen will, welche ich bei Trommelfelldefecten 
und vollkommen freier Tuba Eust. durch plötzlich gesteigerten 
Luftdruck vom äusseren Gehörgange aus hervorgerufen habe. 
Es geschah dies bei Anwendung der sogenannten Gehörgangs- 
Luftdouche, welche ich vor längerer Zeit bei Ohreiterungen mit 
Perforation des Trommelfells zu diagnostischen und therapeuti- 
schen Zwecken empfahl, unter Benutzung eines kleinen Gummi- 
ballons', dessen olivenförmiges, vorher mit Wasser benetztes Ohr- 
stück luftdicht in den äusseren Gehörgang eingesetzt wird. ^) Bei 
Oompression des Ballons, mit welchem man, nach Messung an 

1) Dieses Archiv XU. Bd. S. 204. 

Archiv f. Ohrenheilkunde. XVII. Bd. . 16 



238 XVm. LUCAE 

einem durch ein Seitenrohr mit dem Ohrsttlck verbundenen Queck- 
silbermanometer, den Druck auf 0,8 Atmosphären steigern kann, 
hört man. bei Trommelfelldefect und freier Tuba die Luft mit 
hauchendem oder — bei Secretansammlung — brodelndem Ge- 
räusch in den Schlund entweichen, wobei die durch die plötz- 
liche Druckschwankung gehobene Quecksilbersäule sofort wieder 
in die Gleichgewichtslage zurtlckfällt. A. a. 0. habe ich die Vor- 
theile, welche diese Methode bei chronischen Ohreiterungen ge- 
währt, bereits auseinandergesetzt und kann nur sagen, dass sie 
mir seit fünf Jahren namentlich bei Kindern sehr gute Dienste 
geleistet hat. 

Ich füge hinzu, dass ich bei stets vorsichtiger Lufteinpres- 
sung in den Gehörgang in mindestens 500 Fällen, wo noch flori- 
rende Eiterung und Schwellung der Paukenschleimhaut vorhan- 
den waren, wphl hin und wieder eine vorübergehende Kopfein- 
genömmenheit, niemals jedoch die unten zu schildernden 
Schwindelerscheinungen gesehen habe. Ebensowenig beobachtete 
ich dieselben bei ohrgesunden und ohrenkranken Personen, deren 
Trommelfell in der Gontinuität vollkommen unversehrt war ; wohl 
aber bei einigen Kranken, denen ich wegen Erkrankung des 
schallleitenden Apparates (Sklerose der Paukenschleimhaut, Ver- 
wachsungen) das vorher intacte Trommelfell mit oder ohne gleich- 
zeitige Entfernung des Hammers geöfhet hatte, oder wo nach 
abgelaufener Eiterung ein Trommelfelldefect zurückgeblieben war. 

Auf die systematische Anwendung der Gehörgang-Lnftdouche 
bei Kranken, welche den beiden zuletzt genannten Kategorien 
angehörten, wurde ich durch die bereits vor Jahren von mir ge- 
machte Beobachtung hingeführt, dass das genannte Verfahren bei 
grösseren Perforationen des Trommelfells nicht selten eine ent- 
schiedene Hörverbesserung zur Folge hattet welche in den meisten 
Fällen allerdings eine vorübergehende war. Da es sich in allen 
diesen Fällen um eine vollkommen trockene Mittelohrschleimhaut 
und um eine vollkommen wegsame Tuba handelte, so konnte 
ich die Ursache der Hörverbesserung nur darin suchen, dass 
durch den die innere Paukenwand direct treffenden Luftstoss die 
Membran des runden Fensters und die Umsäumungsmembran der 
Steigbügelplatte gedehnt und somit beweglicher gemacht worden 
seien. Es handelt sich also hier nicht etwa um blosse physio- 
logische, sondern um wohl überlegte therapeutische Experimente» 

Von 15 derartigen Kranken, bei denen die Gehörgang-Luft- 
douche zu dem angegebenen Zweck angewandt wurde, zeigten 



lieber optischen Schwindel bei Drackerhöhung im Ohr. 239 

vier, von denen je zwei die oben genannten Kategorien vertraten, 
sehr deutlich die optischen Schwindelerscheinungen ; am deut- 
lichsten eine 30 jährige Dame, welqhe sich der genannten Trom- 
melfelloperation auf beiden Seiten unterzogen hatte und über 
ein halbes Jahr lang von mir beobachtet wurde. 

Die sehr reizbare, musikalische Patientin litt seit Kindheit 
an einem trockenen chronischen Mittelohrkatarrh, an dem sie 
bereits vor Jahren mit zeitweiser Besserung nach Einspritzung 
von schwacher Ghloralhydratlösung in die Paukenhöhle von mir 
behandelt worden war. Im Allgemeinen hatte die Function stetig 
abgenommen, so dass die Flüstersprache (für die Zahl „drei^) 
schliesslich beiderseits nur noch in unmittelbarer Nähe der Ohr- 
muschel gehört wurde, während die musikalischen Töne auf dem 
rechten Ohre schärfer wahrgenommen wurden. 

Auf den Wunsch der Pat. wurde zuerst das linke Ohr in 
Angriff genommen und daselbst das Trommelfell nebst Hammer 
vollständig entfernt.^) Der Erfolg war zwar kein bedeutender 
in Bezug auf das Verstehen der Sprache, für die musikalischen 
Töne jedoch so gross, dass Pat. auch auf die Operation des 
rechten Ohres drang. Es muss hierbei noch hervorgehoben wer- 
den, dass gleich nach der Operation eine längere Zeit anhaltende 
grosse Empfindlichkeit gegen heftigen Schall auftrat. 

Als nach acht Monaten unter partieller Vernarbung des Trom- 
melfells ein noch heute bestehender erbsengrosser Defect des- 
selben zurückgeblieben war, wurde mit Hilfe des oben beschrie- 
benen Apparates eine Drucksteigerung im linken äusseren 
Gehörgang vorgenommen. Bereits bei einem Ueberdruck von 
0,1 Atmosphäre empfand die Kranke Schwindel und sah ihrer 
Angabe nach die Gegenstände im Zimmer sich von links nach 
rechts drehen. Auf der rechten Seite jedoch, wo das Trom- 
melfell bisher unverletzt geblieben, hatte selbst die Anwendung 
stärkeren Druckes von 0,2—0,3 einen durchaus negativen Erfolg; 
nachdem jedoch auch hier ein Stück Trommelfell ausgeschnitten 
war, traten ebenfalls die genannten Schwindelerscheinungen ein, 
jedoch unter gleichzeitig scheinbarer Bewegung der Gegenstände 
von rechts nach links. Nachdem rechts eine vollständige 
Vernarbung des Trommelfells eingetreten, rief die Druckerhöhung 
im Ohre wiederum keinerlei Erscheinungen hervor; mit grosser 
Präcision jedoch traten dieselben wieder auf, nachdem eine aber- 

1) Eine specielle Schilderung der bisher von mir operirten einschlägigen 
Fälle wird später erfolgen. 

16* 



240 XVm. LUCAE 

malige Operation das Trommelfell mit Hammer entfernt hatte. 
Als eine reactive eitrige Entzflndnng der rechten Trommelhöhle 
Ausspritzen mit warmer Borsäorelösung erheischte , traten ganz 
dieselben Schwindelerscheinnngen mit Scheinbewegang der Ge- 
genstände von rechts nach links auf. — Es sei hier kurz hin- 
zugefügt, dass der Erfolg der Operation des rechten Ohres genau 
dem auf der linken Seite erzielten entsprach, und zwar auch in 
Hinsicht der sofort sich bemerkbar machenden Empfindlichkeit 
gegen Schall. 

Die in dem genannten Falle geschilderten Druckversuche 
wurden zu therapeutischen Zwecken über zwölf Mal wiederholt, 
wobei mit grosser Gesetzmässigkeit mit Eintritt des Schwindels 
jedesmal eine Scheindrehung der Gegenstände von der gereizten 
zu der nicht gereizten Seite eintrat. Bei weiterer Beobachtung 
stellte sich femer noch folgendes heraus: Es trat dabei eine 
Verschleierung, ein „Schwarzwerden" beider Augen, besonders 
des Auges der gereizten Seite, eine Verdunkelung des Sehfeldes 
ein; in schwachem Grade war dies schon bei Druck von 0,1 At- 
mosphäre Ueberdruck der Fall. Schloss die Patientin hier- 
bei die Augen, so hatte sie keinen Schwindel, sondern 
nur Druck im Kopfe. Bei 0,2 Ueberdruck war die Drehung der 
Bilder lebhafter und länger anhaltend; beim Scbluss der Augen 
ftlhlte die Kranke ein Wogen im Kopf „über der Stirne'' und 
sah kleine goldene Sterne flimmern und tanzen. War hierbei 
das rechte Ohr dem Druckversuche unterworfen, und. betrachtete 
sie ihr eigenes Bild in einem grossen Spiegel, so sah sie das- 
selbe ebenfalls sich nach links drehen und fiel selbst nach links. 

Wurde das linke Ohr einem Drucke von 0,3 — 0,4 Atmo- 
sphäre unterworfen, so fiel sie beim Anblick il^res sich nach rechts 
drehenden Spiegelbildes nach rückwärts und rechts; unter be- 
deutend stärkerem Hervortreten der optischen Schwindelerschei- 
nungen und „ Verschleierungen beider Augen " zeigte Patientin 
ausserdem sofort auftretende frequentere und tiefere, 
häufig durch Seufzen unterbrochene Athmung; die 
beiden Ohren waren ihr dick und taub unter starkem Sausen, 
der Kopf schwer wie Blei ; beim Schluss der Augen Tanzen von 
Flammen und Sternen. Die genannten heftigen Erscheinungen 
Hessen nach einer halben Stunde nach, aber noch drei Tage be- 
standen Schwindelgefahl , Schläfrigkeit und zeitweise Uebelkeit. 
Zu bemerken ist, dass mit Ausnahme der beiden Spiegelversuche 
die Kranke keine objective Drehbewegung zeigte. Ferner 



üeber optischen Schwindel bei Dnickerhöhnng im Ohr. 241 

sei heryorgehoben, dass die genannten Erscheinungen nicht immer 
sofort, sondern häufig erst bei Nachlass des Druckes eintraten, 
und dass letzteres besonders bei Anwendung schwächeren Druckes 
der Fall war. — Als therapeutisch wichtig sei hier eingeschaltet, 
dass die durch den zuletzt beschriebenen Druckversuch hervor- 
gerufenen Ohrerscheinungen nicht allein vSUig verschwanden, 
sondern dass sich sogar eine deutliche Hörverbesserung 
linkerseits einstellte. 

Was die objective Beobachtung der Augen betrifft, so konnte 
nur zwei Mal bei dieseir einen Patientin eine genaue Untersuchung 
der Augen vorgenommen werden; es stellte sich hierbei heraus, 
dass der Bulbus der gereiften Seite abducirt wurde, 
und war diese Erscheinung ganz besonders deutlich, als das linke 
Ohr einen üeberdruck von 0,4 Atmosphäre ausgesetzt wurde. 
Diese objective Beobachtung gab Veranlassung, die subjective 
Drehbewegung der Gegenstände auf gekreuzte Doppelbil- 
der zurückzuführen und gab auch die Kranke auf Befragen an, 
dass sie die Gegenstände allerdings doppelt sehe, und dass es, 
wenn z, B. das rechte Ohr dem Versuche unterworfen war, ihr 
vorkäme, als ob sich die Gegenstände theilten und das zweite 
undeutlichere ' Bild derselben nach der linken Seite wanderte. 
Eine weitere genaue Beobachtung der Bilder konnte nicht ver- 
langt werden, da dieselbe stärkeren Schwindel hervor- 
brachte, und ausserdem die Verdunkelung des Gesichtsfeldes 
die Beobachtung erschwerte. — Nach Anstellung der verschie- 
denen Druckversuche liess sich weder links noch rechts irgend 
eine Veränderung an der blassen Päukenschleimhaut nachweisen. 

Die übrigen drei Fälle konnten nur kurze Zeit beobachtet 
werden. In dem zweiten, dem ersten ähnlichen Falle war aus 
dem linken Trommelfell ein grosses Stück entfernt worden. 
Bei Anwendung des Druckes entstand Schwindel durch Schein- 
drehung der Gegenstände von rechts nach links. Bei Wieder- 
holung des Versuches glaubte Patient sich selbst von rechts 
nach links zu drehen, sah dabei einen Schleier vor den Augen 
unter Verschleierung besonders des linken Auges; bei geschlos- 
senen Augen unbestimmtes Schwindelgefühl ohne Empfindung 
von Drehung. — In den beiden letzten Fällen bestanden grosse 
Trommelfelldefecte nach abgelaufener Eiterung. In dem einen 
Fall drehten sich die Gegenstände bei Beizung des linken 
Ohres, wie in dem ersten Falle, angeblich von links nach 
rechts. In dem anderen Falle wurde bei Reizung des linken 



242 XVni. LÜCAE 

Ohres eine sabjective Drehbewegang der Kranken selbst in der 
Richtung von rechts nach links angegeben; ob auch eine 
scheinbare Bewegung der Objecto in dieser Richtung stattfand, 
war nicht sicher anzugeben. — Auch in diesen Fällen fand 
eine objectiv bemerkbare Drehbewegung der Kran- 
ken selbst nicht statt. Auf eine Abduction der entsprechen- 
den Bulbi konnte leider nicht geachtet werden, doch ist zu ver- 
muthen, dass eine solche den optischen Schwindelerscheinungen 
unter Hervorrufung von gekreuzten Doppelbildern auch hier zu 
Grunde lag. In dem einen Falle, wo. bei Reizung des linken 
Ohres die scheinbare Drehung der Gegenstände in der Richtung 
Yon rechts nach links erfolgte, handelte es sich sehr wahr- 
scheinlich um eine Verwechselung der getrennten Bilder des 
rechten mit denen des linken Auges. 

Bei einer Analyse der beschriebenen Schwindelerscheinungen 
ist zunächst hervorzuheben, dass dieselben durch die sub- 
jective Bewegung der Objectbilder bedingt werden, 
da beim Schliessen der Augen in allen Fällen der 
Schwindel sofort jedesmal nachliess. Wir haben es 
also mit der hinlänglich bekannten Erscheinung des Augen- 
schwindels zu thun, der nur hier insofern eigenthttmlich ist, als 
er durch Druckerhöhung in der Paukenhöhle entsteht. 

In dem ersten Falle sehen wir, dass auf diese Druckerhöhung 
eine ganze Gruppe von -Himnerven reagirt, und zwar einseitig« 
auf der gereizten Seite: der Abducens (Abduction, gekreuzte 
Doppelbilder), beiderseitig: die Acustici (doppelseitige Taubheit 
mit Sausen im ganzen Kopf), die Optici (subjective Lichterschei- 
nungen beiderseits). Endlich muss auf die bei plötzlicher hoher 
Drucksteigerung im Ohre sofort eintretende tiefere und frequentere 
Athmung mit inspiratorischen Stillständen aufmerksam gemacht 
werden. Ich hatte wiederholt Gelegenheit, die von Christiani 
an S^inchen ausgeftlhrten Acusticusreizungen zu beobachten und 
finde, dass die in Rede stehenden mit den von Christiani 
bei Schallreiz beobachteten Aenderungen der Athmung überein- 
stimmen. 

Die schwierige Erklärung der obigen Erscheinungen muss 
zunächst an die von mir am Eingang betonten Thatsachen an- 
knüpfen, dass dieselben nur bei partiellem oder totalem Ver- 
lust des Trommelfells und freier Tuba Eust. beobachtet wurden 
und daher nicht etwa von einer Reizung des äusseren Gehör- 
ganges oder des Trommelfelles abhängig gemacht werden können. 



Ueber optischen Schwindel bei Brackerhöhung, im Ohr. 243 

Zu ihrem Auftreten ist yielmehr nothwendig, dass ein ins Ohr 
dringender und die freiliegende Ttommelhtthle tiiffender Luft- 
stoss dureh die Tuba erfolgt Das Hauptinteresse richtet sich 
dabei auf die innere Wand der Trommelhöhle mit ihren beiden 
Labyrinthfenstem und deren Membranen und ftlhrt zu der Frage, 
ob dieselben, wenn von dem Luftstoss getroffen, die plötzliche 
Druckschwankung in der Trommelhöhle der Labyrinthfltissigkeit 
mittheilen werden. 

Ich habe bereits im Jahre 1863 ^) durch Versuche an der 
Leiche gezeigt, dass bei hinweggenommenem Trommelfell und 
freier Tuba Druckschwankungen im äusseren Gehörgange parallele 
Druckschwankungen im geöffneten Labyrinthe hervorrufen, 
'indem in dem geöffneten oberen Bogengänge bei positivem Druck 
im äusseren Oehörgange ein Steigen, bei negativem Druck ein 
Fallen der Labyrinthflttssigkeit von mir beobachtet wurde. In 
einer späteren Experimentalarbeit" über die Druckverhältnisse des 
inneren Ohres ^) habe ich diese früheren Beobachtungen gar nicht 
weiter berücksichtigt, weil ich es nach eingehendster Untersu- 
chung für verfehlt halten musste, zur Beurtheilung der bei in- 
tactem Labyrinthe auf Druckschwankungen in der Trommel- 
höhle eintretenden Bewegungen des Steigbügels und der Membran 
des runden Fensters sowie der von diesen durchaus abhängigen 
Bewegungen der Labyrintblymphe das knöcherne Labyrinth zu 
eröffnen, da hierdurch die Labyrinthlymphe in abnormer Weise 
mit der atmosphärischen Luft direct in Verbindung gebracht wird. 
Bei unserer heutigen Eenntniss des innigen Zusammenhanges der 
Lymphräume des Ohres mit den subarachnoidealen Bäumen des 
Oehirns^) wird man jedoch diese am geöffneten Labyrinthe be- 



i) Virchow's Arch. XXIX. S. 55 ff. 

2) Dieses Arch. IV. S. 30 ff. 

3) Zuerst angebahnt durch Schwalbe (Gentralbl. f. d. med. Wissensch. 
1869. Nr. 30) und eingehend studirt in den ausgezeichneten Untersuchungen 
Hassels (Anatomische Studien. Leipzig 1873. 4. Heft S. 765 ff.). Abgesehen 
von der in allerneuester Zeit erschienenen Baginsky'schen Arbeit (Ueber 
Schwind'elerscheinungen nach Ohrrerletzungen. Monatsber. d. Berl. Acad. d. 
Wissensch. 13. Jan. 188 t) deren Hauptwerth in dem von Neuem drastisch 
geführten Nachweise dieses Zusammenhanges zwischen Ohr und Gehirn zu 
suchen ist, möchte ich auf eine frühere Arbeit Quincke *s (Zur Physiologie 
der Cerebrospinalflüssigkeit. Reichert^s und du Bois-Beymond's Arch. 1872. 
Heft 2) aufmerksam machen, in der, wenn auch nur nebenbei, diese Frage 
ebenfalls Berücksichtigung gefunden hat. Quincke spritzte Hunden Zinn- 
oberemulsion in den Subarachnoidealraum des Rückenmarks und fand unter 



244 XVin. LÜCAE 

obachteten Schwankungen der Labyrinthflttssigkeit als Ansdrack 
eines Ausgleiches zwischen dieser und der Gerebrospinalflüssigkeit 
betrachten und daher auch annehmen dtlrfen, dass eine Druck- 
erhöhung in der Trommelhöhle eine entsprechende Druckyerän- 
derung der Gerebrospinalflüssigkeit hervorzurufen im Stande ist. 
Es ist freilich schwer erklärlich, wie eine solche, wohl nament- 
lich durch den Aquaeductus Cochleae zum Gehirn fortgesetzte 
Druckschwankung, die bei der geringen Beweglichkeit beider 
Fenstermembranen nur eine minimale sein kann, die oben be- 
schriebenen Erscheinungen zur Folge haben soll, wenn man nicht 
die Erklärung darin sieht, dass durch die stossweise Wirkung 
des Druckes eine in der Labyrinthflüssigkeit zur Gerebrospinal- 
flüssigkeit fortschreitende Welle hervorgerufen wird, deren leben^ 
dige Kraft an der Basis cerebri vernichtet wird. Hiermit scheint 
erklärt, dass sämmüiche Nerven an der Basis cerebri mehr oder 
minder an der Erregung Theil nehmen, namentlich also der 
Acusticus der betreffenden Seite, sodann der dem Gehörorgan 
an der Basis benachbarte Abducens, femer der Tractus opticus, 
dann auch der Acusticus der anderen Seite, ländlich auch das 
nicht fern gelegene von Ghristiani beschriebene Inspirationscen- 
trum gereizt werden. 

Eine andere, die Mitwirkung des Labyrinthes ausschliessende 
Erklärung würde sein, dass vielleicht bei den betreffenden Kran- 
ken Lücken in dem Tegmen tympani vorhanden waren, so zwar, 
dass Dura und Paukenschleimhaut sich an diesen Stellen direct 
berührten, und somit bei einer plötzlichen Luftdruckschwankung 
in der Trommelhöhle eine entsprechende plötzliche Beizung der 
Dura hervorgerufen wurde. 

Endlich sei darauf hingewiesen, dass der gegen das Pro- 
montorium direct gerichtete Luftstoss den daselbst gelegenen 
Plexus tympanicus treffen muss, und dass vielleicht gerade das 
Vorüberstreichen der Luft auf die jenen Plexus zusammensetzen- 
den Nerven (Trigeminus, Glossopharyngens , Sympathicus) einen 
bei vorliegender Frage in Betracht zu ziehenden Reiz ausübt. 

Welche Art der Erklärung man auch immer für die von mir 
beobachteten Schwindelerscheinungen vorziehen mag, so ist es 
nach allem doch unzweifelhaft, dass dieselben einem vom Ohr 

fünf untersuchten F&llen den Zinnober einmal in der Scala tympani der 
Schnecke wieder. 

1) Yerhandl. d. physiol. Gesellsch. 18S0. Nr. 13 und Monatsber. d. Berl. 
Acad. d. Wissensch. Febr. 1881. 



Ueber optischen Schwindel bei Druckerhöhoiig im Ohr. 245 

zum Gehirn übertragenen Beiz ihre Entstehung verdanken. Da 
diese Schwindelerscbeinnngen trotz ihrer Eigenthttmlichkeit im- 
merhin eine gewisse Verwandtschaft mit den bei Verletzung 
der Bogengänge beobachteten Erscheinungen zeigen , so könnte 
man sich vielleicht versucht ftthlen, diese sogenannten „Gleich- 
gewichtsorgane" von Goltz auch für die von mir hier mitge- 
theilten Beobachtungen verantwortlich zu machen. Ich ftthle 
meinerseits hierzu um so weniger Veranlassung, als mein ge- 
ringer Glaube an die Goltz 'sehe Lehre durch einen bereits 
Pfingsten 1880 von mir beobachteten Fall gänzlich erschüttert 
worden ist. Es handelte sich um einen Knaben, der nach einer 
schnell vorübergehenden Meningitis in der Gonvalescenz plötzlich 
absolut taub wurde, ohne dass sich dabei eine Spur von 
Schwindelerscheinuugen zeigte. Fat. starb einige Wo- 
chen später und ergab die Section eine schon durch den Knochen 
makroskopisch sichtbare hämorrhagische Entzündung des Laby- 
rinthes, mit besonderer Betheilignng der Bogengänge. Die ein- 
gehende Publication dieses Falles wird in Virchow's Archiv 
erscheinen. 



XIX. 

Gasnistische Beitr&ge zur Bedentnng nnd znr operativen 
Entfemnng der Exostosen des änsseren Gehörganges. 

Von 

Angust Lueae. 

Bei der grossen Neigung zur operativen Behandlung der 
Ohrenkrankheiten, welehe sich neuerdings selbst auf tiefer lie- 
gende, nur schwierig zu erreichende Abschnitte des Gehörorgans 
erstreckt; ist es auffallend genug, dass man gerade die so nahe 
liegenden Erkrankungen des äusseren Oehörganges bisher ver- 
hältnissmässig weniger berücksichtigt hat. Es ist daher als ein 
erfreulicher Fortschritt zu verzeichnen, dass die Exostosen des 
äusseren Gehörganges, früher ein Noli me tangere der Ohrenheil- 
kunde, in letzter Zeit ernstlich in das Bereich der operativen 
Chirurgie gezogen werden, und dass von Jahr zu Jahr die Zahl 
der operativ geheilten Fälle zunimmt. 

Die Gefahren, welche diese Tumoren für das Gehör durch 
Verstopfung des verengten Gehörganges, ganz besonders aber ftlr 
das Leben durch Retention von Eiter, namentlich bei Entzün- 
dungen des Mittelohres herbeiführen können, sind schon ander- 
weitig neuerdings in der verdienstvollen Arbeit von Delstanche^ 
hervorgehoben worden. Statt aller weiteren Auseinandersetzun- 
gen, zu welchen mich meine eigenen Erfahrungen berechtigen 
dürften, will ich hier zunächst einen älteren Fall mittheilen, 
welcher die Bedeutung dieser Tumoren am besten illustriren wird. 

1. Kaufmann Lindenheim, 48 Jahre, aus Berlin, wurde bereits 
vor einer Reihe von Jahren wegen eines chronischen Katarrhs des 
linken Mittelohres wiederholt von mir behandelt. Das Gehör war auf 
diesem Ohre sehr herabgesetzt und wurde durch die Behandlung nur 
wenig gebessert. Die rechterseits nahezu normale Function ver- 



1) Delstanche fils, Gontribution ä Tötude des tumeurs osseufies da 
conduit auditif externe. Bruxelles 1879. 



Operative Entfernung der Exostosen des äusseren Gehörganges. 247 

schlechterte sich hin und wieder ganz plötzlich; die Schuld hieran 
trug eine nicht weit vom Ohreingange sitzende, grosse , halbkugel- 
förmige Exostose, welche von der vorderen oberen Wand des Gehör- 
ganges ausgehend denselben bis auf einen sichelförmigen Spalt ver- 
engte und zur häufigen Retention von Ohrenschmalz und Epidermis 
fahrte. Es geschah dies sowohl im Jahre 1870 als 1872. Jedesmal 
wurde durch Einträufelung von Natronlösnng und nachfolgendes Aus- 
spritzen die Schwerhörigkeit gehoben, der Kranke jedoch von mir 
wiederholt auf die ihm drohenden Gefahren aufmerksam gemacht und 
ihm die Operation der Geschwulst dringend anempfohlen. Der sehr 
ängstliche Kranke schreckte indessen vor jedem operativen Eingri^ 
zurttck und Hess sich längere Zeit nicht mehr sehen. 

Am 23. Januar 1875 kam er wieder und gab an, dass er längere 
Zeit von einem anderen Ohrenarzte behandelt worden sei, welcher 
•durch wiederholte etwas derbe Einführung von Stiften eine Erweite- 
terung des verengten rechten Gehörganges versucht habe. 

Das Gehör war rechts so herabgesetzt, dass nur noch leichter 
2U verstehende Flttsterzahlen („ sechszehn ^) am Ohr gehört wurden. 
Die sehr geröthete Exostose zeigte an einigen Steilen oberflächliche 
Nekrose. Die Verengerung des Gehörganges ist dieselbe wie früher: 
in der Tiefe eitrige Flüssigkeit, leichter dumpfer Schmerz im Ohre. 
Es wurden Einträufelungen von Solut. cupri sulfocarbol. 0,1 : 20 ver- 
ordnet. 

25. Jan. Die Schmerzen sind bedeutend stärker geworden ; pul- 
4sirende Flüssigkeit im Grunde des Gehörganges. Je vier Blutegel 
vor und hinter dem Ohre. Kupferlösung ausgesetzt. 

26. — 31. Jan. Der Kranke bat mit einigen Unterbrechungen 
nächtliche Schmerzen gehabt; Blutentziehung wiederholt; feuchtwarme 
Umschläge. 

1. Febr. Morgens erheblich besser, kein Fieber; massig übel- 
riechender Ausflnss. Auch aus dem Munde entleert sich nach An- 
gabe des Kranken häufig Eiter und Blut. Abends wieder mehr 
Schmerzen in der Tiefe des Ohres. Temp. 37,5, Puls 80. Blutent- 
ziehung wiederholt. 

2. Febr. Zu wiederholten Malen zeigt sich die Erscheinung, 
dass unter heftigen Schmerzen zeitweise die Eiterung stockt. Bei 
dem Versuche, mit dem Katheter Wasser durch die Tuba durchzu- 
4spritzen, fliesst dasselbe nicht aus dem Gehörgang. Den Tag über 
viel Schmerzen. 

3. Febr. Nach Chloral guter Schlaf. Eiterung jetzt flott. Das 
Wasser dringt zum ersten Mal beim Einspritzen per tubam aus dem 
Oehörgange. Zum Ausspritzen desselben und zum Durchspritzen mit 
-dem Katheter wurden Glaubersalz- und Carbollösungen benutzt. 

4. Febr. Seit den täglich fortgesetzten Dnrchspritzungen keine 
spontanen Schmerzen mehr. Abends Temp. 37,5, Puls 72. Warzen- 
fortsatz etwas schmerzhaft auf Druck. 

5. Febr. Nach Chloral guter Schlaf. Am Abend nur wenig 
Schmerzen. Beim Dnrchspritzen entleert sich sehr viel Eiter aus dem 
Ohre. Temp. 37,0, Puls 68. 



248 XIX. LUCAE 

h. Febr. Befinden gut. Die früher belegte Zange rem; Appetit 
vorhanden. Abends^ nachdem die Eiternng eine Stande lang paasirt, 
Spannung im Ohre. Temp. 37,2, Pals 70. Der Eiter immer noch sehr 
übelriechend, mitanter blutig gef^bt. An der Exostose bilden sich 
Granulationen. Mit der Pincette wird ein Ohrenschmalzpartikelchen aus 
dem Gehörgange entfernt. Beim Dnrchspritzen durch die Tuba fliesst 
die Flüssigkeit gut aus dem äusseren Gehörgang. Der Warzenfort- 
satz nicht geschwollen, aber auf Druck immer noch schmerzhaft. 

7. Febr. Patient hat ohne Schlafmittel gut geschlafen. Eiternng 
hat wieder aufgehört, daher wieder Spannung im Ohre. Beim Ein- 
spritzen durch die Tuba findet kein Durchfliessen statt; aus der Tiefe 
des Spaltes wird ein missfarbener Fremdkörper mit feiner Pincette 
entfernt, der sich als ein 1 Cm. langes, 4 Mm. breites und 1 Mm. 
dickes Stück Pressschwamm von äusserst putridem Ge- 
ruch zu erkennen gibt. Unmittelbar darauf fliesst beim Durchspritzen 
der Eiter frei aus dem Gehörgange ab ; der Warzenfortsatz aber im- 
mer noch auf Druck schmerzhaft, obwohl nirgends geschwollen. 

Um 2 Uhr Mittags längere Zeit anhaltender Schüt- 
telfrost mit heftigen Schmerzen im Hinterkopf und Warzenfortsatz. 

Abends Temp. 38,4, Puls 88. Kein Ausfluss aus dem vollstän- 
dig trockenen Gehörgange. Dagegen bemerkt Patient deutlich, wie 
das übelschmeckende Secret aus der Tuba in den Schlund abfliesst. 
Der Warzenfortsatz ist jetzt schmerzhafter und zum ersten Male diffus 
geschwollen. Es wird sofort ein etwa 3 Cm. langer Einschnitt bis 
auf den Knochen gemacht, worauf eine massige Blutung, aber keine 
Entleerung von Eiter erfolgt. Momentane Erleichterung. 

8. Febr. Ziemlich gute Nacht gehabt. Schmerzen massig. Abends 
Temp. 38,9, Puls 88. Breiumschläge. 

9. Febr. Hat viel Schmerzen Nachts gehabt. Es wird des Mor- 
gens die Wunde nach oben und unten verlängert und beim Sondiren 
eine Stelle entdeckt, wo der Knochen vom Periost entblösst ist. Beim 
tieferen Eindringen mit einer starken Stahlsonde lässt sich daselbst 
die vollkommen cariöse Corticalis durchbrechen, worauf einige Tropfen 
höchst übelriechenden Eiters ausfliessen. Sofort wesentliche Erleich- 
terung und Abends Temp. 38,0, Puls 80. 

10. Febr. Patient hat zum ersten Male gut geschlafen. Morgens 
Temp. 37,6, Puls 72. Beim Einspritzen in den Gehörgang spritzt 
die Flüssigkeit mit reichlicher Eiterentleerung ans der Wunde des 
Warzenfortsatzes hervor. Zum Ausspritzen des Gehörganges, zum 
Durchspritzen von der Tuba aus und zum Gurgeln wird eine Salicyl- 
iösung 1 : 600 angewendet. Aus dem Ohre jetzt reichlicher eitriger 
Ausfluss ; die Oeffnung zwischen Geschwulst und hinterer Gehörgangs* 
wand etwas weiter geworden. Es sollen nach Angabe des Kranken 
mehrere Stücke „ Ohrenschmalz ** herausgekommen sein. Der Warzen- 
fortsatz nicht mehr geschwollen. Einlegung einer mit Carbolöl ge- 
tränkten Charpiewieke in die Fistel, sonst dieselbe Therapie. Patient 
befindet sich viel besser, hat Verlangen aufzustehen. In den Mund 
entleert sich von innen kein Eiter mehr. Abends Temperatur 37,7^ 
Puls 76. 



Operative Entfernung der Exostosen des äusseren Gehörganges. 249 

11. Febr. Sehr gute Nacht gehabt; Appetit gut. Morgens 
Temp. 37^4, Puls 68. Aus Ohr und Wunde ergiebige Eiterung; der 
Geruch des Secretes weniger penetrant. Die Haut des Warzenfort- 
satzes fängt bereits an^ wieder glänzend zu werden. Abends Temp. 
37,1, Puls 68. 

12. Febr. Patient hat sehr gut geschlafen. Morgens Temp. 36,8, 
Puls 68. Flotte Eiterung aus Ohr und Wunde. Abends Temp. 36,5, 
Puls 64. 

In den folgenden Tagen, in welchen die Eataplasmen noch fort- 
gesetzt werden, allmähliche Abnahme der Eiterung bei vollständig 
fieberlosem Wohlbefinden. 

19. Febr. Die mit guten Granulationen bedeckte Wunde be- 
deutend verkleinert und retrahirt. Patient spürt etwas Schmerzen 
im Ohr, nachdem er in Folge eines am vorhergehenden Tage be- 
gangenen Diätfehlers sich heftig erbrochen. Kein Fieber. 

20. Febr. Schmerzen vorüber. Beim Einspritzen ins Ohr kommt 
schon seit acht Tagen die Flüssigkeit nicht mehr aus der Oefifnung 
des Warzenfortsatzes, sondern fliesst jetzt durch Mund und Nase ab. 

25. Febr. Die Eiterung aus dem Ohre hat unter allgemeinem 
Uebelbefinden des Patienten plötzlich aufgehört. Der Warzenfortsatz 
wieder geschwollen. . Die fast vernarbte Operationswunde wird durch 
eine grosse Incision erweitert. Die eingeführte Sonde dringt IV2" 
tief in der Richtung zum Antrum. mastoideum durch die mit Granu- 
lationen gefüllte Fistel ein. Unmittelbar darauf fängt das Ohr wieder 
an zu laufen. Von jetzt an wieder regelmässiges tägliches Einlegen 
einer Charpiewieke. 

27. März: Eiterung aus Ohr und Wunde hat allmählich abge- 
nommen; der Fistelkanal nur noch kaum 1 Cm. lang; der Warzen- 
fortsatz nicht im Geringsten mehr empfindlich. 

15. April. Die Wunde auf dem Warzenfortsatz mit starker Ein- 
ziehung vollständig zugeheilt; die Absonderung aus dem Gehörgang 
sehr gering; die Exostose noch leicht geröthet. 

26. Mai. Noch geringe Spur von Secretion aus dem Gehörgang; 
die Narbe auf dem Warzenfortsatz noch stärker eingezogen. Bei der 
Luftdouche dringt die Luft durch den jetzt etwas weiteren sichelför- 
migen Spalt deutlich hervor. 

9. November 1875. Das Ohr vollkommen trocken; die Exostose 
weiss. 

Das Ohr ist fast gänzlich taub, sowohl für die Sprache als für 
tiefe und hohe Töne. Beim Anschlagen des auf g^ (sols) abgestimm- 
ten König'schen Stahlcylinders wird derselbe nur als Klapp gehört. 

Ich habe seit der Zeit den Patienten wiederholt zu sprechen 
Oelegenheit gehabt, wobei derselbe mir jedesmal berichtete, dass 
sein rechtes Ohr, abgesehen von der vollkommen stabilen Taub- 
heit, stets gesund geblieben sei. • 

Ich denke, dass dieser Fall eines längeren Gommentars nicht 
bedarf. Fassen wir den Verlauf des Falles kurz zusammen, so 



250 XIX. LUGAE 

ergibt sieb, dass dnrcb das Einfttbreii des Presssebwammes sehr 
wabrscbeinlieb die Otitis media purnlenta znnäebst betbeigefübrt 
wurde, welcbe sieb wegen des nunmebr fast vollkommenen Ab- 
scblnsses des äusseren Gebörganges scbnell auf die Zellen des 
Warzenfortsatzes fortpflanzte and zu Otitis und Garies ittbrte. Als 
es im Warzenfortsatze selbst zur Eiterretention kam, konnte das 
Heraussebwemmen des putriden Presssebwammes mittelst Ein- 
spritzungen dureb den Eatbeter den Austauscb drobender AUge- 
meinersebeinnngen niebt mebr verbüten, wäbrend dieselben naeh 
ErOfifhung des eariösen Warzenfortsatzes sofort nacbliessen. Die 
Abnabme des Fiebers erfolgte bierbei mit einer Sebnelligkeit, 
wie icb diese in den zablreieben von mir bisber operirten Fällen 
von acuter Garies des Warzenfortsatzes niemals geseben babe. 
Die Beobachtung dieses Falles mit seinem Ausgange in 
völlige Taubheit befestigte in mir die Ueberzeugung , dass der- 
gleichen grössere, den Gebörgang fast vollständig versperrende 
Exostosen unbedingt zu operiren seien, und dass sich hierzu am 
besten der Hoblmeissel eignen mttsse. Als icb den in diesem 
Archiv XL Bd. S. 113 von AI dinge r mitgetheilten Fall las, in 
welchem Heinicke auf beiden Seiten die Ausmeisseiung von 
Exostosen ausgeführt hatte, war diese Operation ebenfalls mit 
günstigem Ausgange auch von mir in folgendem Falle ausgeführt 
worden. 

2. Frau E. Werner aus Wongrowitz, 25 Jahre alt, zur Behand- 
lung aufgenommen anä 23. Juni 1S76. Linkes Ohr vollkommen ge- 
sund. Seit 2 Jahren besteht zeitweise mit Blut gemischte Eiterung 
aus dem rechten Ohre. Die Flüstersprache („drei% »fünf'') wird 
nur noch am Ohr gehört. Der Ohreingang ist durch einen Polypen 
verlegt, der sofort theilweise mit der Wilde 'sehen Schlinge entfernt 
wird. 

24. Juni. Es zeigt sich eine grosse kuglige Exostose j welche 
von der vorderen Wand des Gehörganges ausgehend denselben schütz- . 
förmig so verengt, dass nur unten noch «ine kleine Oeffnung übrig 
bleibt, durch welche der geschrumpfte Polyp sichtbar ist. Abermalige 
Entfernung eines kleinen Polypenstückes. Bei Katheterismus und 
Auscnltation kein Perforationsgeränsch zu hören; in der Tiefe des 
verengten Ohrganges auch keine pulsatorischen Bewegungen zu sehen. 
Leichte Schmerzen in der Umgebung des Ohres. Ord. : Einpinselungen 
derselben mit Tinct. Jod. 

27. Juni. Deutliche pulsatorische Bewegungen jetzt zu sehen; 



1) Yergl. die betreffende Notiz bei Gelegenheit des Referates über den 
Aldinger'schen FaU in den Jahresberichten %otl Virchow und Hirsch 
pro 1876. n. 494. 



. Operative Entfernung der Exostosen des äusseren Gehörganges. 251 

Berforationsgeräusch beim Katheterismus jetst deutlich wahrnehmbar. 
Abermals Wegnahme eines kleinen Polypenstückes^ worauf durch die 
Lufibdouche noch andere , abgestorbene Wucherungen herausgeblasen 
werden. 

28. Juni. ' Beim Durchspritzen per Katheter wurden eingedickte 
Eitermassen zum Gehörgang herausgeschwemmt. 

Während der folgenden Behandlung wurde noch einmal ein 
Stück Polyp entfernt und abwechselnd etwa einen Tag um den 
anderen Durchspritzungen mit dem Katheter und Einpulverungen 
von Magnes. usta und Acid. salicyl. zu gleichen Theilen in den 
Gehörgang vorgenommen. 

17. Juli 1876. Die Absonderung fast Null. Die Flüstersprache 
wird für schwer zu verstehende Zahlen („drei, vier, fünf") 5 Meter 
weit gehört. Die Kranke wird vorläufig entlassen mit der Verord- 
nung , zu Hause eine Solut. cupri sulfocarbol. 0,2 ad 40,0 zweimal 
täglich einzugiessen und ihr "dringend anempfohlen, zur operativen 
Entfernung der Exostose sich möglichst bald wieder einzustellen. 

30. Sept. Function gut geblieben; keine Secretion. Die Oeff- 
nung zwischen der Exostose und der unteren Wand des Gehörganges 
ist am Eingange desselben etwa 1 Mm. gross. 

31. Sept. Aufmeisselung des äusseren Gehörganges in Chloro- 
formnarkose unter Assistenz des Herrn Dr. Dennert. Patientin ist 
horizontal gelagert. Ein Reflector kommt nicht zur Anwendung; das 
kranke Ohr ist direct dem Fenster zugewandt. Die Geschwulst wird 
zunächst mit geknöpftem Messer circumcidirt und darauf mit einem 
& Mm. breiten Hohlmeissel und Hammer angegriffen. Es gelingt hier- 
bei nicht, die Geschwulst mit einem Schlage auf einmal zu entfernen ; 
durch allmähliche Absprengungen von vier etwa erbsengrossen Stücken 
wird der Gehörgang etwa 2 Cm. tief freigelegt; die knöcherne Ver- 
engerung erstreckt sich also tiefer, als es anfangs schien. Wegen 
der ziemlich jjeträchtlichen Blutung geht durch die nach jedem Meissel- 
schlage nothwendige Blutstillung viel Zeit verloren, so dass die ganze 
Operation eine halbe Stunde dauert. In den Gehörgang wird in 
Salicjlglycerin (1,0 ad 50,0) getauchte Charpie eingeführt und der 
Fat. anbefohlen, mehrere Tage sich ruhig zu Hause zu halten. 

3. Nov. Weder Schmerzen noch Fieber erfolgt. Keine Eiterung. 
In der Tiefe des Ohres noch einige kleine mit hellem Secrete bedeckte 
Knochenfragmente, die entfernt werden. 

6. Nov. Fat. hat ruckweise etwas Schmerzen gehabt. Beim 
Ausspritzen entleert sich etwas übelriechende eitrige Flüssigkeit. Die 
Flüstersprache wird noch ebenso gut, wie früher gehört. Verband 
mit in Glycerin getauchter 4proc. Salicylwatte. 

7. Nov. Beim Wechsein der Watte kein übler Geruch mehr be- 
merkbar. Das eingespritze Wasser kommt ganz klar wieder heraus. 
Leichte Empfindlichkeit der Umgebung des Tragus; Einpinselung von 
Tinct. jodi daselbst. 



252 XIX. LÜCAE 

8. Nov. Massige Absonderung. In der Tiefe leichte Granul&tions- 
bildnng sichtbar. 

13 Nov. Zuweilen noch Stiche im Ohr. Die geringe Absonde- 
rung absolut geruchlos. Die Granulationen nehmen ab. 

17. Nov. Gehörgang innen etwas geschwollen. Flüstersprache 
(„fünf«) 2,0 Meter. 

22. Nov. Keine Anschwellung des Gehörganges mehr. 

23. Nov. Beim Ausspritzen nur wenig Trübung des Spritzwassers. 
Gehörgang jetzt ganz frei mit Ausnahme einer in unmittelbarer Nähe 
des Trommelfells noch gebliebenen sehr beträchtlichen knöchernen 
Verengerung. Ob hinter derselben noch Granulationen vorhanden/ 
nicht zu entscheiden. Vom Trommelfell nichts zu erkennen. Kein 
Perforationsgeräusch bei der Auscultation zu hören. Flüstersprache 
(„drei") 5 Meter. 

Fat. konnte nicht länger in Berlin bleiben. Ihre Verhältnisse 
haben bisher keine neue Untersuchung erlaubt. 

Am 16. December 1880 schreibt sie mir, „dass das Ohr 
immer trocken geblieben ist und keine* Absonderung stattgefunden 
hat, ebenso wenig hat das Gehör im geringsten gelitten. Sonstige 
Erscheinungen, wie Schmerzen, Sausen u. dergl. habe ich nicht 
wahrgenommen. " 

3. Gustav Kölle, 32 Jahre alt, aus Frankfurt a/M. , jetzt in 
Berlin; zur Behandlung aufgenommen am 14. Juni 1879. ^ 

Im 9. Jahre Scharlach, darauf beiderseits Ohreiterung. Im Jahre 
1863 wurde Patient von Herrn Prof. v. Tröltsch behandelt und 
durch längere Zeit fortgesetzte Luftdouche das Gehör wesentlich ge- 
bessert. Aus den mir gütigst von Herrn Prof. v. Tröltsch zuge- 
schickten Notizen erhellt, dass beiderseits narbige Verwachsungen des 
Trommelfells bestanden; von einer rechtsseitigen Exostose 
wurde damals nichts bemerkt. 

Links besteht bereits lauge Zeit Taubheit, rechts seit mehreren 
Jahren Eiterung mit periodischer Zu- und Abnahme der Secretion. 
Das bis dahin noch ziemlich gute Gehör des rechten Ohres hat vor 
Kurzem stark abgenommen. 

Rechts wird die scharfe Flüstersprache („drei^) am Ohr, links 
nur noch die laute Sprache („drei*') am Ohr gehört. 

Im rechten äusseren Gehörgang eine etwa bohnengrosse poly- 
pöse Wucherung, nach deren EntfernuDg (Wilde 'sehe Schlinge) 
etwas vor dem Uebergangstheil vom knorpeligen zum knöchernen 
Gehörgange zwei Exostosen sichtbar werden. Die grössere entspringt 
von der hinteren Gehörgangswand, die kleinere von der vorderen 
Gehörgangswand. Nur ein feiner vertikaler Spalt ist zwischen ihnen 
frei geblieben. Vom Trommelfell ist daher nichts zu sehen. Bei 
der Auscultation (Katheter) nur ein dünnes unbestimmtes Geräusch 
zu hören. * 

Links erscheint das Trommelfell vollkommen zerstört und in eine 
mit dem Promontorium verwachsene Narbe verwandelt. 



Operatiye Entfemong der Exostosen des äosgeren Gehörganges. 253 

Die wesentliche Behandlung des rechten Ohres bestand jetzt in 
seitweisen Aetznngen der Wnchernngen mit Argentum nitricnm in 
Substanz und in Garbolöl-WatteTerband. 

23. Juni 1879. Die Absonderung geringer. Noch immer Wu- 
cherungen vorhanden, welche theils vom Boden des Gehörganges, 
theils zwischen und vor den Exostosen entspringen. Die Wucherungen , 
werden mit dem scharfen Löffel abgekratzt und diese Operation ab- 
wechselnd mit Höllensteinätzungen in den nächsten Tagen wiederholt. 

5. Juli. Die Granulationen schwinden zusehends, die Exostosen 
nehmen jetzt ihre natflrliche weisse Farbe an. Wiederum Anwendung 
des scharfen Löffels. 

In der folgenden Zeit finden zeitweise Aetznngen mit Solut. arg. nitr. 
1 : 10 statt, welche zum Theil von dem Kranken selbst ausgeführt 
werden. Die Wucherungen schwinden dabei vollständig; die jedoch 
von dem Kranken zu häufig angewendete Aetzung ruft eine stärkere 
Anschwellung der Exostosen hervor. Einfache Wasserausspritzungen. 

2. August. Absonderung und entzündliche Schwellung vorüber. 
Bei der Katheterluftdouche dringt die Luft wahrnehmbar in die Pau- 
kenhöhle; kein Perforationsgeräusch. 

24. October. Pat. hat während der Universitätsferien nur hin 
und wieder ausgespritzt, die schlitzförmige Oeffnung ist etwas weiter 
geworden ; die Absonderung fast Null. Das Gehör ist im Allgemeinen 
auch etwas besser, zuweilen sogar auffallend gut, um jedoch ebenso 
häufig schnell wieder schlechter zu werden. Auch klagt der .Kranke 
darüber, dass das eingespritzte Wasser häufig hinter der Verengerung 
sitzen bliebe und sich oft schwierig durch längeres Schütteln mit dem 
Kopfe entfernen lasse. 

Alle diese Erscheinungen bewogen ihn schliesslich, die ihm schon 
längst vorgeschlagene operative Entfernung der Exostosen vornehmen 
zu lassen. Dieselbe fand am 

19. November 1879 statt, und zwar wie im ersten Falle unter 
Ohloroformnarkose ohne Beleuchtungsspiegel. Die Herren Dr. Lö vin- 
sohn nnd Dr. Jacobson assistirten mir. Es wurde zunächst die 
hintere etwas grössere, darauf die vordere kleinere halbkugelförmige 
Hervorragung nach vorheriger Circumcision durch wiederholte Meissel- 
schläge stückweise abgetragen. Es zeigt sich dabei wie im ersten 
Falle, dass die beiderseitige knöcherne Hervortreibung bis in die Tiefe 
des Gehörganges sich erstreckt. Durch vorsichtiges Weitermeisseln 
wird der G^ehörgang so weit freigelegt, dass man mit einem spitz zu- 
gedrehten Wattetam^on ohne Schwierigkeit 3 Cm. weit ins Ohr ein- 
dringen kann, während links die Entfernung vom hinteren Umfange 
der Ohröffnung bis zum verwachsenen Trommelfell 4 Cm. beträgt. 
Die Wunde wird mit Carbolöl und Watte verbunden und dem sehr 
nervösen aufgeregten Kranken mehrere Tage Bettruhe anbefohlen. 

2. December. Das Gehör ist in den letzten Tagen trotz des 
Watteverschlusses besser. Eiterung gering, sehr wenig Schmerzen, 
nicht die Spur Fieber. 

9. December. Entfernung eines kleinen Knochensplitters aus der 
Tiefe des Ohres. Ausspritzen mit Solut. Thymoli 0,3 : 300. 

ArchiT f. Ohrenheilkande. XYU. Bd. 1 7 



264 . XIX. LÜOAE 

• 

11. Dee. Eatzfliidliehe ABSohirellung des Gebdrganges. Die 
Knocheniranden mit frisohen Granulatio&eii bedeckt, welche mit Ar- 
gen t« nitr. in Sabstanz geätzt werden. 

15. Dec* Aetzung der Oranulationen mit Solut. arg. nitr* 3 : 10» 

18* Dec. Die Schwellnng bedeatend abgenommen. Die Oeffimng 
. im äehörgang oben zur Grösse einer Linse erweitert 

22. Dec. Heate 9«m ersten Male ein Theil des Trommelfells mit 
dem Hammergriff zn sehen. Absonderoag schleimig, sehr gering. 

6« Januar 1S80. Die Oefinang im Gehörgang noch weiter ge- 
worden. Sehr bemerkenswerth ist die wiederholt vom Kranken ge- 
machte Beobachtung, dass unmittelbar nach dem Ausspritzen mit der 
ThymoUösung die Fhlsteri^raehe am besten gehört wird und zwar 
ftr die Zahl drei jetzt tiber 2 Meter weit. 

22. Januan Bei der A&scultation hört man dflnnes Blasegerftnscb 
ohne Rasseln. 

3« Februar. Beim Ausspritzen entleert sich in der RegeL des 
Morgens eine ganz geringe Menge Schleim , häufig zeigt sich jedoch 
gar keine Secretieiu Die Behandlung wird jetzt dahin abgeändert^ 
dass Patient mit gewöhnlichem gekochten Wasser ausspritzt und 
eine geringe Quantität Borsäure in das Ohr einbläst. Er bedient 
sich hierzu eines etwa fusslangen Gumraischlauches, an dessen einem 
Ende ein kleines Glasröhrchen zur Aufnahme des Pulvers ange- 
bra^t ist. 

28. Mai. Das Ohr ist vollkommen trocken. Von der früheren 
Entzündung am unteren Umfange des Gehörganges nichts mehr zn 
sehen. Das im Allgemeinen nach dem Ausdrucke des Kranken »vor- 
zügliche'' Gehör schwankt zwischen 1 und 2 Meter für die Flttster- 
spräche („drei"). 

28. Juli. Die Oeffnung im Gehörgang hat sich noch etwas er- 
weitert. Das Ohr vollkommen trocken. An den sichtbaren Theilen 
des Trommelfells nichts Abnormes zu sehen. Das Ohrenschmalz stellt 
sich ein> Seit vier Wochen hat Patient beim Schwitzen nicht mehr 
die Spur Schleim entfernt und daher während dieser Zeit nicht mehr 
mit Borsäure gepudert. 

4. Februar 1881. Aus dein sorgflQtig von dem Kranken ge- 
führten Journale ergibt sich^ dass derselbe nur noch zweimal (am 
29. Juli und 2. November 1880) das Ohr ausgespritzt und dabei 
keine Absonderung im Spritzwasser bemerkt hat. Vom 2. September 
ab bat er sich um sein krankes Ohr gar nicht mehr bekümmert. Da» 
jetzt gleiehmädsig gute Gehör hat sich selbst in der strengsten Kälte 
gut gehalten. Vor zwei Tagen hat er mit dem Finger eine grössere 
Quantität Ohrenschmalz ans dem Gehörgang entfernt. 

Der Gehörgang erscheint jetzt bis zu den in der unmittelbaren 
Nähe des Trommelfelles zurückgebliebenen Theilen der Exostosen 
vollkommen frei^ dieselben mögen sich etwa 5 Mm. in die Tiefe er- 
strecken und scheinen das Trommelfell fast zu berühren. Der zwi- 
schen ihnen gelegene, durch die Operation gebildete Raum, welcher 
nath unten mehr die Form eines weiten Schlitzes , nach oben die 
eines unregelmässigen Dreiecks zeigt ^ würde namentlich in seinem 





Operative Entfernung der Exostosen des äusseren Gehörganges. 255 

oberen Abschnitte einen freieren Einblick auf das Trommelfell ge- 
statten, wenn jetzt nicht nach der vollständigen Heilung zwei kleinere 
vom Trommelfelifalz ausgehende Exostosen ^ 

sichtbar würden ^ welche den kurzen Fortsatz 
von beiden Seiten einschliessen. Die neben- 
stehenden Skizzen (a vor der Operation^ 
b nach der Operation) dienen zur Erläute- 
rung. 

4. Franz Trope, 41 Jahre, aus London; zur Behandlung auf- 
genommen am 4. August 1880. 

Vor mehreren Jahren rechts vorübergehende Taubheit nach einem 
kalten Bade. Vor 4 — 5 Wochen stellte sich auf derselben Seite eine 
geringe Eiterung ein, die nur kurze Zeit gedauert haben soll. Das 
Gehör ist im Allgemeinen gut, soll aber zuweilen Schwankungen 
unterworfen sein. 

Flüstersprache- rechts 2,7 Meter („Friedrich"). 

Am Eingange des Gehörganges eine grosse, halbkugelige mit 
breiter Basis an der hinteren Wand des Gehörganges aufsitzende 
Exostose mit leicht erodirter und blutender Oberfläche (angeblich 
von der Untersuchung eines anderen Arztes herrührend), welche mit 
einer flachen von der vorderen Gebörgangswand ausgehenden £:m)st09e 
zusammentrifft; zwischen beiden ist nur ein feiner Schlitz übrig ge- 
blieben. 

Links an der hinteren und vorderen Gehörgangswand flache 
Exostosen ; ausserdem in der Tiefe zwei kleine von der oberen Wand 
des Gehörganges ausgehende Exostosen. 

Bei der Auscultation rechts kein Perforationsgeräusch wahrzu- 
nehmen. Die Flüstersprache wird nach der Lnftdouche etwas weiter 
gehört. 

5. August 1880. Um zu sehen^ wie tief die grosse knöcherne 
Geschwulst reicht, wird eine dünne Drahtschlinge (Wilde) in den 
schlitzförmigen Gehörgang eingeführt; trotz wiederholter Bemühungen 
gelingt es hierbei nicht, die Geschwulst vollkommen mit der Schlinge 
zu umgreifen, woraus zu entnehmen, dasa dieselbe wie in den beiden 
obigen Fällen in die Tiefe reicht. 

6. August. Stückweise Abmeisselung der grösseren Exostose in 
der Chloroformnarkose wie in den beiden anderen Fällen, nur mit 
dem Unterschiede, dass die Operation bei Lampenlicht und dem Re- 
flector gemacht wird. Wegen der verhältnissmässig sehr starken 
Blutung und der schlechten Narkose^ welche eine Verlängerung der 
Operation verbot, war es nur möglich, den Gehörgang bis in eine 
Tiefe von 2 Cm. frei zu legen. Verband mit Carbolöl 1:10. Bettruhe. 

9. August. Die am Tage nach der Operation eingetretene ziem- 
lich starke Schwellung lässt bereits nach ; sehr geringe dünne Se- 
cretion. 

10. August. Durch die immer noch vorhandene Schwellung ist 
eine Herabsetzung der Flüstersprache auf 1,5 Meter (^drei'^) einge- 
treten. Die weitere noch etwa 14 Tage dauernde Beobachtung des 
Kranken in meiner ?rivatklinik tibernimmt Herr Dr. Jacobson. Die 

17* 



256 XIX« LÜGAE 

Behandlung besteht in dieser Zeit wesentlich in Aosspritznngen mit 
4 procent. CarbolsäurelOsong. 

• 10. December. Die Oeffiiong im Gehörgange ist weit grösser 
als gleich nach der Operation und stellt einen etwa 3 Mm. breiten 
Schlitz dar, der sich wie in dem obigen Falle nach oben dreieckig 
erweitert. In der Tiefe sind jetzt auch hier zwei kleinere, das Trom- 
melfell verdeckende Exostosen sichtbar. Das Gehör jetzt YoUsttodig 
und constant normal. Das Ohr vollkommen trocken ; sämmtliche Theile 
von blasser Farbe. Zum Freihalten des Gehörganges vom Ohren- 
schmalz wird dem Patienten zeitweise Eintränfelnng einer Lösung 
yon Natron carbonicum mit nachfolgendem Ausspritzen verordnet. 



Da die drei letzten Fälle unter einander viel Aehnliches 
haben, so möge hier noch eine kurze gemeinsame Epikrise den- 
selben folgen. 

lieber die Art der Entstehung der Exostosen lässt sich nur 
fbr den dritten Fall (Kölle) Positives aussagen. Da bei der im 
Jahre 1863 von v. Tröltsch unternommenen Behandlung das 
rechte Trommelfell der Untersuchung zugänglich war, und in den 
ausführlichen Notizen von einer Exostose des äusseren Gehör- 
ganges durchaus Nichts bemerkt wird, so unterliegt es keinem 
Zweifel, das» dieselbe sich erst im Laufe der folgenden 16 Jahre, 
vermuthlich in Folge der langjährigen Eiterung ausgebildet hatte. 

In allen drei operativen Fällen erstreckten sich die Exostosen 
weit tiefer in den äusseren Gehörgang hinein, als sich bei ge- 
wöhnlicher Untersuchung beurtheilen liess. In dem letzten Falle 
wurde dies bereits vor der Operation dadurch sicher gestellt, 
dass es nicht gelang, mit der Drahtschlinge den knöchernen Tu- 
mor zu umgreifen. In ähnlichen Fällen wird sich diese Unter- 
suchungsmethode künftighin empfehlen, um sich einigermaassen 
über den Umfang der Exostose zu orientiren. 

Der gute Verlauf und Erfolg in allen drei Fällen zeigt wie- 
derum, welche Vorzüge Hohlmeissel und Hammer bei Operation 
der Exostosen des äusseren Gehörganges bieten. Die anderen 
Operationsmetboden sind erst kürzlich von Delstanche a.a.O. 
zusammengestellt worden und dem Leser so bekannt, dass ich 
hier nicht näher auf sie einzugehen brauche. Jedenfedls werden 
sie sämmtlieh, was Schnelligkeit und sicherer Erfolg der Ope- 
ration betrifft, durch Meissel und Hammer weit übertroffen. 

Hervorzuheben ist, dass in jedem Falle zunächst eine ent- 
zündliche Schwellung mit Abnahme des Gehörs eintrat Wenn 
auch diese natürliche Reactionserscheinung nichts Auffallendes 



Operative Entfernung der Exostosen des äusseren OehOrganges. 257 

hat, so mnss man doch den Kranken auf diese Eventualität vor- 
bereiten. 

Schliesslich noch einige Worte über die in den beiden letzten 
Fällen beobachteten, in der nnmittelbaren Nachbarschaft sitzen- 
den kleineren Exostosen. Dieselben verdienen eine weit grössere 
Beachtung, als ihnen bisher zu Theil geworden. Sie kommen 
sowohl allein vor, als auch — was häufiger der Fall — in Be- 
gleitung von grosseren Exostosen des äusseren OehOrganges. Sehr 
häufig doppelseitig und nicht selten paarweise auftretend, sitzen 
sie gestielt oder mit breiter Basis an der oberen OehOrgangs- 
wand, resp. auf dem Trommelfellfalz selbst. Als begleitende 
subjective GehOrsempfindung wurde mir von gebildeten Kranken 
sehr häufig ein hohes Zischen angegeben. Entspringen sie 
in nächster Nähe des kurzen Hammerfortsatzes, so kOnnen sie 
durch allmähliche Zunahme und schliessliche Berührung des letz- 
teren das GehOr wesentlich herabsetzen, wie ich mich durch 
Beobachtung eines Kranken sicher überzeugt habe. Ich würde 
mich nicht scheuen, in solchen Fällen die kleinen Tumoren mit 
einem feinen Meissel abzutragen. 



Ueber SchwerhSrigkeit von Locomotivbeamteiu 

Von 

Dr. Jaeoby 

in Breslau. 

Die Frage der socialen Bedeatnng der Hörschärfe bei Laco- 
motivbeamten hat neuerdhigs in Folge der Brochttre von Prof. 
Moos — Heidelberg („Ueber Ohrkrankheiten der Locomotiv- 
fbhrer und Heizer, welche sodale Gefahren in sich bergen. Wies- 
baden, bei Bergmann. 1880) in so hohem Grade das Interesse 
betheiligter Kreise in Anspruch genommen, dass es angemessen 
erscheint, Material zur endgültigen Entscheidung derselben bei- 
zubringen. Dies der Zweck dieser Mittheilung. — 

Seit IOV2 Jahren, während welcher ich nunmehr als Bahn- 
arzt der Bechte-Oderufer-Eisenbahn-Gesellschaft, Station Breslau, 
fungire, sind mir im Ganzen von den (ungefähr 80) zum Loco- 
motivpersonal gehörigen Beamten, einschliesslich eines noch dem 
Arbeiterstande beigezählten Httlfsheizers , zwanzig zur Behand- 
lung überwiesen worden. — Von anderen, oberschlesischen Sta- 
tionen, ausserdem zwei, der eine aus freiem Antriebe, der andere 
auf Instanz der vorgesetzten Behörde. — Von den hiesigen hatten 
einseitige LabyrinthafTectionen 5, bei den übrigen (15) fanden 
sich nur acute oder chronische Mittelohranomalien. — 

A) Labyrinihanomalien. 

1. Locomotivführer Müller. November 1871. Einseitige La- 
byrinthhyperämie durch Herabstürzen von der Locomotive bei 
Gelegenheit des Zusammenstossens zweier Züge, intensive sub- 
jective Geräusche mit hochgradiger einseitiger Schwerhörigkeit, 
bei Mangel nachweisbarer Mittelohranomalie; durch VS und ab- 
leitendes Verfahren geheilt ; später aus anderen Gründen pensio- 
nirt, der Simulation oder Uebertreibung verdächtig. 



lieber Schwerhörigkeit von Locomotivbeamten. 25§ 

2. Locomotivfahrer Ende. Nov. 1873. Seit etwa 6 Monaten 
intensive, zum Theil sehlaistörende, rechtsseitige subjeetive Ge* 
rftnsche and massige Scbwerh(5rigkeity bei gater Permeabilität 
der Tnba nnd Freisein der Trommelhöhle von sicher nachweis- 
baren Anomalien; alleinige Perception der Stimmgabel auf der 
gesunden Seite. Wesentliche Bessemng durch Heurtelonps. Seit- 
dem beständig im Dienst bis jetzt. 

3. Locomotivftthrer Weidlich. Angast 1875. Chronische ein- 
seitige flactuirende LabyrinthhypeiUmie (massige Schwerhörigkeit 
und mehr weniger intensive snbjective Geräusche). Durch Heurte- 
lonps und ableitendes Verfahren wesentlich gebessert. Seitdem, 
abgesehen von kurzen Unterbrechungen durch anderweitiges Un- 
wohlsein anhaltend dienstfähig bis jetzt. 

4. Heizer Stolarczyk. October 1878. Einseitige Nieht*Fein- 
hörigkeit, in Folge von Trauma (Herabgleiten vom Tritt der 
Locomotive) Labyrinthhyperämie; durch vorsichtige Diät und 
methodischen, längere Zeit fortgesetzten Gebrauch von Purganzen 
wesentlich gebessert und beständig dienstfähig bis jetzt. 

5. LocomotiviUhrer Rost, 1879. Schnell vorübergehender 
hochgradiger Schwindel und einseitige , ungefähr eine Stande 
lang anhaltende Taubheit (Unmöglichkeit sich mit dem Heizer 
zu verständigen). Durch örfiiche Blutentziehung und ableitendes 
Verfahren bis zu unzweifelhafter Dienstfähigkeit gebessert. Im 
Jahre 1881 wegen unvollständiger Grttnblindheit inactivirt. 

B) Mittelohmnomalien. 

Abgesehen von einem Falle einseitigen acuten Mittelohr- 
katarrhs (Heizer Gänse), der in 14 Tagen mittelst Paracentese etc. 
geheilt wurde, hatten die übrigen (14) Kranken chronischen 
Katarrh entweder der Nasenschleimhaut allein öder gleichzeitig 
des Nasenracheuraumes und pharyngealen Tubenabschnittes, ein- 
zelne mit secundären einfachen Transsudationen in eine oder beide 
Trommelhöhlen. Nur bei zweien (Locomotivftthrer Graz und 
Ende) war nach Maassgabe der zweifelhaften oder fehlenden 
Knochenleitung fdr Uhr und dem Verhalten gegen die Stimm- 
gabel, die Theilnabme der Endausbreitung des Acusticus wahr- 
scheinlich, bezw. sicher. — Alle vierzehn wurden mit Hülfe von 
Katheterismus oder Paracentese und angemessener therapeutischer 
Berücksichtigung der Nachbarschleimhäute spätestens in mehreren 
Wochen bis zur Dienstfähigkeit wieder hergestellt; sind bis jetzt 
im Dienste geblieben und haben zu Bemängelung der Hörschärfe 



260 XX. JACOBY 

weder ihren Vorgesetzten ^ noeh Kameraden , noeh mir bei ge- 
legentlieh wiederholter Prttfting Veranlassung geboten. 

Von den der hiesigen Station nicht angehörigen hatte einer, 
Locomotiyftlhrer Hirschmann (Vossowska) V2 1875 eine seit an- 
geblich . drei Wochen bestehende Schwellung der linken Mittel- 
ohrschleimhaut mit einem ftir den Dienst untauglich machenden 
Grade von Schwerhörigkeit (Unmöglichkeit des Verständnisses 
mit dem Heizer während der Fahrt). Derselbe wurde in 1 4 Tagen 
geheilt und ist, so viel ich weiss, seit damals ununterbrochen im 
Dienste gewesen. 

Der zweite, Locomotiyftlhrer Micke (Tamowiz) 17. Mai 1878 
litt an unheilbarer hochgradiger Schwerhörigkeit; ein Urtheil, 
das sich abgesehen von dem Ergebniss der Untersuchung (Uhr 
und Enochenleitung = , laute Zahlen rechts wie links nur auf 
ein paar Fuss zugewandt) durch die gänzliche Erfolglosigkeit der 
Behandlung bestätigte. — Materiell war dasselbe wahrscheinlich 
bedingt durch Ankylose des Stapes und secundäre Atrophie des 
Acusticus. — Vor einer Reihe von Jahren war allerdings ein 
Ulcus dagewesen, und die angeblich schnelle Entwicklung der 
hochgradigen Schwerhörigkeit konnte der Vermuthung eines 
luetischen Vorganges Vorschub leisten; es fehlten aber alle an- 
deren, auf eine Theilnahme der Gesammtconstitution hindeutenden 
Erscheinungen und der längere Gebrauch einer Jodkalilösung 
blieb ebenso wirkungslos, wie alles übrige. 

Im Hinblick auf das soeben skizzirte Sachverhältniss bei 
dem p. Micke und die Möglichkeit, dass durch dienstliche 
Schädlichkeiten allein ein derartiger Krankheitsvorgang veran- 
lasst sein konnte, bezw. zur Verhtttung ähnlicher Ereignisse be- 
antragte ich im Sommer 1878 die Untersuchung des gesammten 
hier stationirten Locomotivpersonals auf Hörschärfe, bezw. etwaige 
für den Dienst beachtenswerthe Ohranomalien. — Seitens der 
Direction wurde diesem Antrage auf das bereitwilligste stattge- 
geben. Das Resultat der Untersuchung war in functioneller Rich- 
tung folgendes : Von 80 Führern und Heizern, d. h. der Gesammt- 
summe der Locomotivbeamten der Rechten -Oderufer -Eisenbahn- 
Gesellschaft (für Station Breslau), mit Ausschluss der als Httlfs- 
heisper verwandten Arbeiter oder Handwerker, waren 23 feinhörig; 
ausreichend feinhörig 55; in massigem Grade auf beiden Seiten 
schwerhörig 2. Unter „feinhörig" sind alle diejenigen rubridrt^ 
welche sehr leise geflüsterte Zahlen und Worte auf 12—14 Fuss 
Entfernung (Zimmerdurchmesser) abgewandt nachsprachen; die 



«IJ 



üeber Schwerhörigkeit von Locomotivbeamten. 261 

zweite Censor erhielten diejenigen ^ welche geflttsterte Zahlen 
noch prompt unter denselben Bedingungen wiederholten; als 
massig schwerhörig wurden endlich diejenigen bezeichnet^ welche 
heiderseits nur laute Zahlen ceteris paribus yerstanden. — 
Zur letzteren Kategorie gehörten, wie oben angegeben, streng 
genommen kaum zwei: Locomotiyftthrer Graz und Grünwald. 
Die Diagnose meines Journals 27. September 1878 bei ersterem 
lautet: Chronisch- entztlndliche Verdickung der Tuben- und Trom- 
melhöhlen-Schleimhaut, beiderseits complicirt mit chronischer 
Rhinitis und chronischem Nasenrachenkatarrh (Uhr rechts und 
links im Gontact, Zahlen und Worte nur halblaut abgewandt, 
Enochenleitung undeutlich. Ungefähr zehnmalige Anwendung von 
Eatheterismus, Cauterisation etc. hatten eine wesentliche Verbes- 
serung der Perception zur Folge und ist Graz bis jetzt ungestört 
durch das Verhalten des Gehörs im Dienste gewesen. ^) — Noch 
günstiger lagen die Verhältnisse bei dem zweiten (Grtlnwald). In 
meinem Journal vom 5. December 1879 ist verzeichnet als Dia- 
gnose: fluctuirende katarrhalische Schwellung des Anfangstheiles 
der rechten Tuba (Uhr rechts 4 — 5", nach einmaligem Kathete- 
rismus 1', links 1', lautgeflttsterte Zahlen und Worte beiderseits 
unsicher). Unterlassung des Rauchens und mehrmaliger Kathete- 
rismus etc. genügten, die nöthige Besserung herbeizuführen. Grün-, 
wald ist seitdem noch längere Zeit im Dienste gewesen, bis er 
gelegentlich einer Entgleisung, so viel ich mich erinnere im 
Winter 1879/80 seinen Tod fand. 2) — Einseitig massig Schwer- 
hörige fanden sich ein paar allerdings auch bei der zweiten 
Kategorie (Stolarczyk und Ende), indess besserte sich bei ange- 
messener Behandlung der fragliche Zustand bald und störte in 
Folge der Integrität des zweiten Obres die Berufsthätigkeit 
derselben nicht. — Bei einer grossen Zahl der der 2. Kategorie 
Angehörigen ergab die Untersuchung die verschiedenen, bekann- 
tep Residuen abgelaufener chronischer Mittelohrentzündungen, in 
Form von intermediären oder Randtrübungen, mehr weniger aus- 



1) Die heute, 29. Juni d. J., kurz nach dem Niederschreiben der obigen 
Zeilen angestellte Prüfung des p. 6r&z ergab : Uhr links im Contact, rechts nahe 
am Ohr. Beiderseits m&ssig laut geflüsterte Zahlen abgewandt in 14^ Eno- 
chenleitung für Uhr undeutlich ; Stimmgabel überwiegend rechts. In einem Zeit- 
raum von 2^/4 Jahren ist eine Verschlimmerung also absolut nicht eingetreten. 

2) Die Entgleisung war die Folge eines Badreifenbruches auf einem 
relativ sehr abschüssigen Terrain und es ist sicher erwiesen, dass unmittel- 
bar nach jenem Alles erforderliche (Bremsen etc.) geschehen ist. 



262 XX. JACOBY 

geprägten Einziehungen, Verkalkungen, Narben, partielldefecten 
oder atrophisehen Partien an einem oder beiden Trommelfellen 
fiowie chronischen Katarrh der dem Ohr^ nachbarlichen Schleim* 
häute. — Prttfung auf hohe Töne, bezw. besondere Berflcksioh- 
tigung der fttr Ermittelung des Verhaltens des Labyruiths ge- 
bi^uchlichen Untersuchungsmethoden fand im Hinblick auf den 
nächsten Zweck der damaligen Untersuchung nicht statt. — 

Wie auffallend gering die Yon Prof. Moos (1. c.) besonders 
betonte Abnutzung des Hörorgans bei einzelnen Locomotivbeamten 
ist, dafür hier einstweilen nur ein paar Beispiele. Im Jahre 1881 
consultirte mich ein Locomotivf&hrer der Oberschlesischen Eisen- 
bahn wegen einseitigen subjectiven Geräusches, einer augen- 
scheinlichen Folge von Stauungshyperämien durch Bronchial- 
katarrh bezw. intensiven Husten. — Hörprüfung ergab: Uhr 
beiderseits zwei Fuss! Zahlen leise geflüstert auf 14' prompt 
und sicher nachgesprochen. Das eine Trommelfell normal; am 
anderen Hyperämie der Hammergefässe. Bei Elatheterismus auf 
der mit subjectivem Geräusche afficirten Seite reines trockenes 
auscultatorisches Geräusch ohne scharfen Timber. Dies .der Be- 
fund bei einem LocomotivfÜhrer von 56 Jahren und fast 29j äh- 
rig er (!) Dienstzeit. — 

^ Der älteste LocomotivfÜhrer der Rechte>Oderufer-Eisenbahn, 
ein kräftiger Mann von einigen und fün&ig Jahren und etwa 
33 jähriger Dienstzeit war bei Gelegenheit der oben erwähnten 
Prüfung im Jahre 1878 ausreichend feinhörig, sprach abgewandt 
geflüsterte Zahlen über Zimmerlänge prompt nach und hat wäh- 
rend einer langen Reihe von Jahren niemals über irgend ein 
Ohrsymptom zu klagen gehabt, obgleich er rechterseits nach einer 
in der Kindheit überstandenen Mittelohreiterung einen grossen 
Trommelfelldefect hat und das Narbenepithel auf dem Promon- 
torium, seinem Aussehen nach, nicht als epidermoidal bezeich- 
net werden kann. 

Soweit meiue eigenen Beobachtungen. — Bezüglich der 
Oberschlesischen Bahn theilt der Physikus derselben, Dr. S. 
Meier (M. f. 0. 3. 1881) mit, dass innerhalb 10 Jahren kaum 
zwei oder drei Führer oder Heizei^ (Gesammtsumme allein für 
die Station Breslau 250! nämlich 125 LocomotivfÜhrer und ebenso 
viel Heizer) spedell wegen Ohrenleiden pensionirt werden muss- 
ten. — Fttr die Niederschlesisch - Märkische Eisenbahn, Station 
Breslau war der seit einer Reihe von Jahren als Bahnarzt fungi- 
rende Dr. Stenger so freundlich, mich zu benachrichtigen, dass 



Ueber Schwerhörigkeit ?on Locomotivbeamte&. 263 

hmerhalb der letzten 10 Jahre nur ein Locomoti?flllirer wegen 
Schwerhörigkeit und gleichzeitiger einseitiger Gataract pmsio* 
nirt worden ist. Gesammtsnmme der Locomotivbeamten 142^ 
nämlich 60 Führer, 82 Heizer (für Station Breslau). — Bei der 
Breslau -Schweidniz-Freibnrger Eisenbahn (Station Breslau) sind 
nach gütiger Mittheilung meines Freundes Dr. Steuer Yom 1. Ja- 
nuar 1871 ab bis jetzt beschäftigt gewesen 51 LocomotivfÜhrer 
und 96 Heizer. Davon sind überhaupt pensionirt vier Locomotiv- 
führer und von diesen einer wegen hochgradiger Schwer- 
hörigkeit in Folge chronischen Mittelohrkatarrhs; im Alter 
von 53 Jahren und nach 22 jähriger Dienstzeit.^) 

Aus den im Obigen mitgetheilten Thatsachen folgt mit hoher 
Wahrscheinlichkeit : 

1 . Dass die von Prof. Moos (1. c.) präsumirte ungewöhnlich 
schnelle Abnutzung des Hörorgans, bezw. abnorm frühzeitige Ver- 
minderung der Hörschärfe oder im Vergleich zu anderen Berufs- 
Arten auffallend gesteigerte Disposition zu Öhrkrankheiten bei 
Locomoti vbeamten alsBegel nicht stattfindet. Hiermit ist selbst- 
redend der von Moos erwähnten Möglichkeit besonderer Beem- 
trächtigung durch aussergewöhnlich ungünstige Bedingungen, z. B. 
Auf tunnelreichen Bahnen nicht präjudicirt. 

2. Dass die Wiederholung der gelegentlich der Anstellung 
solcher Beamten stets mit grösster Gewissenhaftigkeit vorzuneh- 
menden Untersuchung als provisorische Maassregel zwar geboten 
ist, die Nothwendigkeit aber, dieselbe in kurzen, z. B. zweijäh- 
rigen Perioden vorzunehmen, sich bis jetzt durchaus nicht be- 
gründen lässt, ein analoges Verfahren, wie bei den Untersuchungen 
Auf Farbenblindheit wohl genügen dürfte. 

3. Die durch hochgradige Schwerhörigkeit emes Locomotiv- 
beamten möglicherweise erwachsende Gefahr dürfte, abgesehen 
von apoplektiformen Fällen (vergl. oben Locomotivfllhrer Rost), 
eher geringer sein, als die durch Farbenblindheit herbeigeführte, 
weil die Nothwendigkeit vielfachen spfachlichen Verkehrs der 
beiden, stets gleichzeitig fungirenden Beamten dem besser hören- 
den den Fehler des anderen zeitig genug zum Bewusstsein bringt. 
•Sollte einmal ausnahmsweise eine Parakusis Willisii vorkommen, 

1) DetaUlirte MittheUongen über das Verhalten des Trommelfells, der 
Tuba, Trommelhöhle, des Labyrinths etc. bleiben einer späteren Arbeit vor- 
behalten, da eine derartige Exploration zur Zeit nicht opportun erschien wegen 
-der eben erst beendeten Untersuchung des Locomoti?personals auf Farben- 
l)lindh6it. 



264 



XX. JACOBT, Schwerhörigkeit tob Locoiiioti?beainteiL 



80 ist ja gerade dadurch , \Ahrend der Zug in Bewegung is^ 
die mögliche Gefahr neutraligirt. 

4. Dass die Locomotiyflihrer gelegentlich ihrer Anstellung 
zu verpflichten sind, die von ihnen an sich selbst oder ihrem 
Heizer beobachtete, wenn auch nur massige Schwerhörigkeit bei 
Zeiten dem Vorgesetzten anzuzeigen , bezw. Bemedur nachzu- 
suchen. 

5. Ist zu erwarten, dass die mit der Untersuchung des an- 
zustellenden Locomotivpersonales betrauten Aerzte sorgfältigt in 
Bezug auf die Feststellung der HOrfähigkeit dabei verfahren. Bei 
hierbei auftretenden Zweifeln sollte die endgültige Entscheidung 
von der sachgemässen Prfifimg eines Spedalisten abhängig ge- 
macht werden. 



XXI. 
Zur Aetiologie der Nasenblennorrhoe. 

Von • 

Dr. H. Walb, 

FriTaidocent in Bonn. 

Friedreich (VirchoVs Handb. d« spec. PathoL u. Theräp.) 
hat darauf aufmerksam gemacht , dass Fäulnissprocesse in der 
Mundhöhle eine Ozaena der Nase erzeugen können. Durch die 
Einwirkung der Infectionsstoffe , welche faulende Zähne der in 
der Mundhöhle enthaltenden Luft beimengen, auf eine katarrha- 
lisch af&cirte Schleimhaut der Nase denkt er sich diese letztere 
blennorhoisch werden und im weiteren Verlaufe den Charakter 
der Ozaena annehmen. 

Ziem erwähnt in einem Aufsatze über dasselbe Thema 
(Monatsschrift ftlr Ohrenheilkunde. April 1880) einen eclatanten 
hierher gehörenden Fall und indem er die Wege aufzeichnet, 
welche der Infectionsstoff bis zur Nase nehmen kann, berührt er 
auch kurz die Möglichkeit, dass cariöse Zähne in offener Com- 
munication mit der Oberkieferhöhle stehen können und so durch 
directe Fortpflanzung der Eiterungsprocesse die Nase befallen 
werden kann. 

Einen solchen Fall hatte ich vor einiger Zeit Gelegenheit 
zu beobachten. 

Ein junger College consultirte mich wegen starker Eiterab- 
sonderung aus der Nase, welche mehrere Wochen bestand und 
trotz bereits angewendeter Nasendouche nicht wich. Besonders 
beunruhigt war er in der letzten Zeit gerade, da er das Auf- 
treten eines ttblen Geruches glaubte bemerkt zu haben. Ich fand 
die Nasenschleimhaut überall mit eitrigem Secret bedeckt, nach 
dessen Entfernung die Schleimhaut sich stark geröthet und ge- 
schwollen zeigte und an der mittleren Muschel mehrere granuli- 
rende Excrescenzen aufwies. Gleichzeitig konnte die Anwesenheit 



266 XXI. WALB , Zur Aetiologie der Nasenblennorrhoe. 

von Granula im oberen Bachenraum constatirt werden. Nachdem 
die Wucherungen auf galvanokaustischem Wege entfernt waren 
und längere Zeit eine starke Lösung von Eal. chloric. in An- 
wendung gezogen worden, besserte sich der Zustand in der Nase 
wesentlich y ohne dass die Eiterabsonderung beseitigt werden 
konnte. Nur änderte sie ihren Charakter. Während sie früher 
continuirlich war, trat sie jetzt nur zu gewissen Zeiten spontan 
auf, namentlich bei gewissen Bewegungen des Kopfes, beim nach 
Yorne Beugen, wobei der Patient deutlich die plötzliche Ergiessung^ 
von copiösen Eitermassen fühlte und zwar stets an der linken 
Seite, so dass kein Zweifel darüber bestehen konnte, dass der 
Eiter aus einer Nebenhöhle stammte und bei der Menge des Se- 
cretes musste zunächst an die Oberkieferhöhle gedacht werden. 
Indem ich nach einer Entstehungsursache für die vorhandene 
Affection suchte, entdeckte ich beim Patienten mehrere cariöse 
Zähne, und besonders im Oberkiefer einen stark cariösen Mahl- 
zahn, der wie Patient angab, ihm schon viele Unannehmlichkeiten 
verursacht und wiederholt der Sitz von Entzündungen gewesen 
war. Ich rieth,- den Zahn extrahiren zu lassen. Der zu Bathe 
gezogene Dentist zog es jedoch vor zu plombiren. Darauf ent-- 
standen aber schon nach wenigen Tagen so heftige Schmerzen,, 
dass die Plombe wieder entfernt werden musste und nachdem 
ich nochmals die Nothwendigkeit der Extraction betonte, ging^ 
letztere von statten. Es zeigte sich, dass eine Sonde von der 
Zahnlücke aus bequem in die Oberkieferhöhle führte und konnte 
der Abfluss von Secret aus der hier gegebenen Fistel constatirt 
werden. Unter täglicher Anwendung von Ausspritzungen mit 
carbolisirtem Wasser, die sich leicht vom Munde aus machen 
Hessen und wobei die Flüssigkeit durch die Nase abfloss, heilte 
der Zustand im Zeitraum von mehreren Wochen vollständig. Die 
Eiterabsonderung von der Nase hörte sehr bald auf und wurde 
die Fistel im Kiefer durch Drainage längere Zeit offen gehalten. 
— Es mag noch erwähnt werden, dass ein mehrere Centimeter 
langes Drainagerohr eines schönen Tages dem Patienten in die 
Höhle hineinrutschte und hier längere Zeit liegen blieb, bis e» 
gelang, dasselbe zu fassen und herauszuziehen, ohne dass es im 
Mindesten eine Beizung erzeugt hätte. 



XXII. 

Zweite Serie 
von 50 Fällen chinirgischer Eröffnung des Warzenfortsatzes. 

Von 

H. Scbwartze. 

(Fortsetzung.) 



Fall IL 

Chronisebe Otitis media puralenta. Fistel am Warzenfortsatz. Dila- 
tation mit Meissel. AuslSifelung des Warzenfortsatzes und Geli9r^ 
' ganges. Heilung naeh 8 Monaten. . 

Friederike Sasse, ans Gimritz bei Wettin , geboren 1S62, von 
mittlerer Constitution, litt seit erster Kindheit an rechtsseitiger Otor- 
rhoe, kam Februar 1879 in poliklinische Behandlung. Polypöse Gra- 
nulationen an der hinteren Wand des Oehörgangs. Grosse Perforation 
des Trommelfells. Polypöse Entartung der Paukenschleimhaut. Wie- 
derholte Incision wegen periostitischer Schwellung am Warzenfortsatz. 
Hautfistel blieb zurück. Hörweite »s für die Uhr. Linkes Trom- 
melfell weisslich getrübt und abnorm eingezogen; ohne Lichtreflex, 
Hörweite »s 25 Cm. C vom Scheitel nach rechts verstärkt. Wegen 
fortdauernder heftiger Schmerzen und schlafloser Nächte 

operirt am I.März 1879 (Assistenten Dr.'^Hessler und Dr. 
Kobert). 

Eine der Hautfistel nicht correspondirende feine Fistelöffnung in 
der Corticalis wurde nach Ablösung des Periostes auf der Mitte des 
Warzenfortsatzes gefunden. Dilatation derselben mit dem Hohlmeissel 
und Hammer. Ausschabung des cariösen Warzenfortsatzes und Ent- 
fernung der Granulationen aus dem Gehörgange mit dem scharfen 
Löffel. Drainage. Keine fieberhafte Reaction. Heilung ohne erwäh- 
nenswerthen Zwischenfall nach 8 Monaten. 

Am 14. Januar 1880, als die Pat. wegen einer neuerdings ein- 
getretenen Aphonie durch Stimmbandlähmung sich wieder in der 
Klinik eingefunden hatte, konnte die dauernde Heilung des Ohr- 
leidens constatirt werden. Das glanzlose und verdickte rechte Trom- 
melfell, zeigte über dem Proc. brevis eine kleine Perforation, ans der 
die Luft unter trockenem Blasegeräusch herauszischte. Der weite 



268 XXn. SCHWABTZE 

Gehörgang zeigte an seiner hinteren Wand eine Haatnarbe. Die tief 
eingezogene Narbe auf dem Warzenfortsatz war fest mit dem Knochen- 
verwachsen. Das Gehör auf dem operirten Ohre war fElr Uhr und 
Sprache aufgehoben, selbst C nur mit Resonator hörbar. 



Fall 72. 



Otitis media pumlenta ehroBica. Seeimdftre Periostitis am Warzen- 
fortsatz. CariVser Bnrehbrueh der Cortieaüs« Aufmeisselung des 
Antmm mastoideum« Eyidement. Drainage. Danemde Heilung 

nach 2 Monaten. 

Herr Kaufmann Mehrbach, geboren 1 839, aus Langensalza, von 
mittlerer Constitution, erkrankte Anfang April 1880 unter den Sym- 
ptomen einer rechtsseitigen idiopathischen acuten eitrigen Otitis media. 
Andauernde Schmerzen in Ohr und Kopf, Taubheit und Otorrhoe 
brachten den Patienten am 26. Mai nach etwa 7 wöchentlichem Be- 
stände seines Leidens in unsere Behandlung. £s bestand eine hoch- 
gelegene, feine Perforation des Trommelfells bei erschwerter Durch- 
gängigkeit der Tuba und starker Eiterung der Paukenschleimhaut. 
Hörweite = 0. C vom Schädel nach dem kranken Ohre allein. Pat. 
fieberte (in den ersten Tagen mit Abendtemperatur von 39,5). litt an 
hartnäckiger Obstipation und klagte hauptsächlich über sehr hef- 
tige Kopfschfnerzen in der ohrkranken Seite ohne Druckschmerz am 
Schläfenbein. Der neuralgische Charakter dieser Schmerzen mit un- 
regelmässig intermittirendem Typus schien nach mehrtägiger Beob- 
achtung zweifellos, als Pat. inzwischen fieberfrei geworden, und sich 
deutlich herausgestellt hatte, dass vorzugsweise die Bahn des N. supra- 
orbitalis und des N. occipitalis der Sitz der Schmerzen war. Pat. 
war geneigt, diese Schmerzen überhaupt gar nicht auf sein Ohrleiden 
zu beziehen, sondern glaubte, dass der Druck seines künstlichen Auges 
Schuld sei. (Pat. war Monoculns. Der rechte Bulbus war vor langen 
Jahren wegen sympathischer Ophthalmie des linken Auges enucleirt.) 
Subcutane Morphiuminjectionen brachten die meiste Erleichterung in 
den Schmerzanfällen, später Chininpillen. Die locale Behandlung 
des Ohres (Dilatation der Oeffnung im Trommelfell, tägliche Luft- 
douche durch den Katheter, Irrigation des Gehörgaoges mit ^/4 proc. 
Kochsalzlösung, antiseptischer Schlussverband) wurde bis zum 17. Juni 
fortgesetzt, wo Pat. wesentlich gebessert, aber nicht ganz von seiner 
Paukenhöhleneiterung geheilt, Halle verliess. 

Am 9. September kam er wieder mit periostitischer Reizung am 
Warzenfortsatz und entzündlicher Verschwellung des Gehörganges. 
Da Pat. nicht fieberte, stets guten Appetit hatte und ausser häufiger 
Klage über Kopfschmerz, besonders hinter dem Ohr und im Nacken, 
nur einen massigen Druckschmerz an einer circumscripten Stelle des 
Warzenfortsatzes zeigte, machte mein Assistent, Herr Dr. Hessler, 
der in meiner Vertretung während der Herbstferien den Patienten 
zu behandeln hatte, den Versuch, durch Jodanstrich und consequenten 
Gebrauch von Eis die Periostitis zu bekämpfen. Die Hautinfiltration 



Zweite Serie von 50 Fällen chiroxg. Eröffiaimg des Warzenfortsatzes. ^69 

nahm aber langsam zu und dehnte sich nach einigen Wochen in die 
Nacken- und seitliche Halsgegend aus. Der Gehörgang blieb ver- 
engt durch entzündliche Schwellung seiner hinteren Wand, beim Ea- 
theterismus drang nur unter starkem Luftdruck schwierig etwas Luft 
durch die kleine Perforation des Trommelfells; beim Einspritzen in 
den Gehörgang unter stärkerem Druck floss das Spritzwasser in 
Schlund und Nase. 

Am 21. October schritt ich (unter Assistenz von Dr. Hess 1er) 
zur Operation. Ungewöhnlich reichliche Blutung. Mehrfache Unter- 
bindungen nöthig. Nach Zurückschiebung des Periostes zeigt sich 
eine kleine Stelle der Corticalis in der Höhe des Antrum bereits 
durch Caries perforirt, ihre Umgebung in grösserer Ausdehnung cariös 
erweicht. Mit Hohlmeissel und Hammer wurde eine zur Einführung 
des scharfen Lö£fels hinreichende Oeffnung gemacht und dann durch 
sorgfältiges Ausschaben alles am und aus dem Warzenfortsatz ent- 
fernt; was sich cariös zeigte. Dabei wurde eine grosse Menge schlechter 
Granulationen aus der Warzenhöhle entfernt. Gründliche Durchspü- 
lung mit 2 procent. Carbolsäurelösung und Drainage. Gleich nach 
der Operation war trotz breiter Eröffnung des Warzenfortsatzes bei 
der Irrigation keine freie Communication mit Gehörgang und Schlund 
nachweisbar, im weiteren Verlauf eine solche mit dem Schlünde nur 
zuweilen erkennbar. Die Eiterung aus dem Gehörgange hörte gleich 
nach der Operation auf, und schon wenige Tage nach der 
Operation war die Perforation des Trommelfells ver- 
heilt. Eine fieberhafte Keaction folgte dem operativen Eingriff nicht. 
Der Gummidrain wurde täglich bei der Irrigation erneuert, bis sich 
seiner Einführung Schwierigkeiten entgegenstellten. Dann wurde dem 
Drain der Bleinagel substituirt, anfangs in einer Länge von 3 Cm., 
später allmählich (bis zum 15. November) kürzer bis auf 1,5 Cm. 
und dünner. Am 16. November wurde der Bleinagel ganz entfernt, 
(bei Hörweite von Vs); da der Patient inzwischen ganz frei von seinen 
früheren Schmerzen geblieben war, da der Gehörgang weit geworden 
und durchaus keine entzündliche Schwellung an der hinteren Wand 
mehr erkennen Hess und da ferner beim Eatheterismus nur spärliche 
Rasselgeräusche in der Paukenhöhle bei starkem Luftdruck hörbar 
waren. Trotzdem schien die Entfernung des Bleinagels etwas ver- 
früht, denn gleich nach derselben stellten sich wieder Schmerzen im 
Hinterkopf, Ohrensausen, etwas später Klopfen und Zwängen im Ohr 
für einige Tage ein, trotzdem die Operationswunde schnell ohne Hinter- 
lassung einer Fistel vernarbt war. Die genannten Symptome hörten 
auf, als am 1. December sich von Neuem ein geringer Eiterausfluss 
aus dem Gehörgange eingestellt hatte. Oefteres Ausblasen durch den 
Katheter und mehrmaliges Ausspritzen des Gehörganges mit ^Ja proc. 
Salzwasser genügten , um diese scheinbar bedrohliche Rückkehr der 
Eiterung zu beseitigen, die mit erneutem Durchbruch des Trommel- 
fells verbunden gewesen war. Seitdem ist kein Recidiv der Eiterung 
erfolgt und der Pat ist, nachdem er noch mehrere Wochen Ohren- 
sausen empfunden hatte, völlig gesund geblieben und hat sogar, was 
immerhin bemerkenswerth ist, weil er vor der Operation bereits Monate 

Archiv t Ohrenheilkunde. XYU. Bd. 18 



270 XXn. SCflWARTZE 

lang auf dem entzündeten Ohre ganz taub gewesen war, sem nor 
mal es Gehör auf dem Ohre yöllig wiederbekommen. 



Fall 13. 



Otitis media purnlenta acuta mit Empyem des Warzenfortsatzes. Auf-» 
meisselung des Antmm mastoideum. Heilung nach 5 Wochen. 

Herr Kaufmann Wilhelm Steinbrecht, geboren 1838, aus Göthen, 
von mittlerer Constitution, überstand 1875 Typhus abdominalis und 
war während desselben einige Zeit schwerhörig. Mit Ablauf der 
Krankheit verschwand die Hörstörung vollständig und auf die Dauer. 
Am 22. December 1879 in Folge von Angina geringer Schmerz im 
rechten Ohr, welcher nach einigen Tagen verschwand, dann am 4. Ja- 
nuar 1880 heftiger Schmerz im linken Ohr mit Schlaflosigkeit und 
Fieber. Am 6. Januar links Otörrhoe ohne Nachlass der Schmerzen. 
Wegen letzterer acht Nächte völlig schlaflos. Druck im Kopf und 
Hyperästhesie der linken Kopfseite, so dass Kämmen und Uoilegen 
einer Binde Schmerz verursachte. Damalige Behandlung bestand in 
Abführmitteln und Ausspritzung des Ohres mit Borsäurelösung. Am 
25. Januar traten Schmerzen hinter dem linken Ohr hinzu, mit Öde- 
matöser Anschwellung um das Ohr, hauptsächlich der Schläfengegend. 
Nach der fünften Woche der Krankheit hörte das Fieber auf und 
Pat. konnte das Bett zeitweise verlassen. Die Schmerzen traten nur 
noch anfallsweise auf und die Anschwellung um das Ohr nahm ab, 
profuse Otörrhoe dauerte fort. 

Als Pat. am 17. Februar nach Halle zur ersten Untersuchung 
kam, wurde folgender Status praesens aufgenommen: 

F i e b e r f r e i , hochgradig geschwächt durch langes Leiden. War- 
zenfortsatz geröthet und in geringem Grade ödematös. Circumscripter 
Druckschmerz an seiner Wurzel etwas höher als der Gehörgang. Ge- 
ringe Schwellung der hinteren obem Gehörgangswand. Kleine Per- 
foration des Trommelfells, nur hörbar beim Katheterismus, nicht sicht- 
bar. Viel gelber, nicht stinkender Schleimeiter kommt aus dem Ge- 
hörgang. Uhr wird nicht beim Andrücken gehört. C vom Schädel 
überall nach dem kranken Ohr verstärkt. Das rechte Ohr ist gesund. 

Operirt am 19. Februar. 

Das Periost schien unverändert, löste sich nur leichter als ge- 
wöhnlich vom Knochen ab, besonders nach vom nach dem Rande 
des Gehörganges zu. Auch die Corticalis des Knochens war äusser- 
lich von gesunder BeschaflTenheit. In der Nähe des Antrum mastoi- 
deum, etwa 1 Cm. hinter der Insertion der Ohrmuschel, wurde ein- 
gemeisselt und nachdem das trichterförmige runde Loch im Knochen 
kaum 1 Cm. vertieft war, quoll der dicke gelbe geruchlose Eiter im 
Strom aus dem Warzenfortsatz hervor. Das in die KnochenöfPnung 
eingespritzte Salzwasser kam zum Gehörgang wieder heraus. Auch 
beim Einspritzen in den Gehörgang drang das Wasser hinten wieder 
hervor. Nach gründlichster Dnrchspülung, auch mittelst des Katheters, 
Drainage und antiseptiscber Verband. Keine entzündliche Reaction. 



Zweite Serie von 50 Fällen Chirurg. Eröffnung des Warzenfortsatzes. 271 

Sofort dauernder Nachlass aller Schmerzen und schnelle Recon- 
valescenz. 

Am 21. Februar kein Eiter mehr im Gehörgang, aber noch Per- 
forationsgeräusch bei der Luftdouche. Am 22. Verheilung der Per- 
foration im Trommelfell. Rasselgeräusche iu der Paukenhöhle bei 
der Luftdouche, langsam an Zähigkeit und Menge abnehmend, noch 
hörbar bis zum 11. März. An diesem Tage nach Hause entlassen 
mit Gummidrain von 2 Cm. Länge in der künstlichen Fistel. Drain 
wurde allmählich verkürzt und am 25. März definitiv entfernt. Schnelle 
Vernarbung. 

Am 19. Mai andauernde Heilung constatirt mit vollständiger 
Restitution des Gehörs. Auch Stimmgabeltöne vom Scheitel 
aus nicht mehr verstärkt hörbar nach dem erkrankt gewesenen Ohre. 
Ein continuirliches Sausen, bei Erregungen stärker, überdauerte die 
Krankheit mehrere Monate. 



Fall 74. 



Chronische Otitis media purulenta mit Nekrose am Warzenfortsatz. 
Seqnesterextraction. Biosliegen der Dura mater. HeilungJ Tod nach 
13 Monaten an Langentuberkulose , nachdem die Operationswonde 

lange vernarbt war. 

Alma Pönitsch aus Kockwitz bei Halle, geboren 1877,* vo.n 
schwächlicher Constitution, angeblich seit Geburt kurzathmig, kam 
Mitte April 1879 in poliklinische Behandlung. Dämpfung an beiden 
Lungenspitzen, Bronchophonie. Stinkende Otorrhoe links seit 9 Mo- 
naten. Weihnachten 1878 Anschwellung hinter dem linken Ohr und 
spontaner Aufbruch eines Abscesses. Zeitweiser Verschluss der zu- 
rückgebliebenen Fistel. Seit 3 Monaten auffallende Abmagerung bei 
gutem Appetit und Schlaf. Gehörgang erfüllt von Granulationen. 
Die Hautfistel hinter der Ohrmuschel liegt etwas höher wie der Ein- 
gang des Gehörganges und etwa 0,5 Cm. von der Inseriionslinie der 
Ohrmuschel entfernt. Beim Einspritzen in den Gehörgang fliesst das 
Wasser zum Theil hinten aus der Hautfistel heraus. 

Operirt am 16. April 1879 (Assistent Dr. H e s s 1 e r). Die Haut- 
fistel führt in eine wallnussgrosse Jauchehöhle unter der Haut, in 
der sich nach oben ein gelöster schalenförmiger Sequester befindet. 
Dieser wurde entfernt und aus der Abscesshöhle eine Menge schlaffer 
Granulationen ausgeschabt. Auch die Granulationen aus dem Gehör- 
gange wurden mit dem scharfen Löffel entfernt. Nach hinten und 
oben in der Wunde lag die Dura mater frei und man sah hier die 
Gehirnpulsation. Das in den Gehörgang gespritzte Wasser quoll in 
dickem Strom zur Wunde hinten hervor. Verband mit Carbolöl. 

Das Kind brach mehrmals am Tage nach der Operation und die 
Wunde behielt starken Fötor durch 6 Tage. Dann gesunde Granu- 
lationen und langsame Vernarbung in Zeit von 7 Monaten. Das Kind 
erholte sich langsam, wurde munterer und kräftiger, starb jedoch 
später, nachdem die Wunde hinter dem Ohre bereits mehrere Monate 

18* 



272 XXn. SCHWAKTZE 

fest vernarbt und auch die Otorrhoe geschwanden war, am 16. Mai 
1880 an Lungentuberkulose. 



Fall 75. 



Aente Otitis media pamlenta mit Caries neerotiea am Warzenfortsatz. 
Seqnesterextraction. Fisteldilatation« Tod naeb 4 Wochen 

an Pneomonia catarrhalis. 

Georg Roth, 8 Wochen alt, geboren 1880, aus Halle, kräftiges 
Kind. Angeblich erst seit 4. November 1880 (?) rechts Otorrhoe 
und seit 7. November Anschwellung hinter dem Ohr, die zusehends 
in einem Tage zugenommen haben soll. Vorn im Trommelfell kleine 
runde Perforation. Hinter dem Ohre tief fluctuirende Geschwulst, 
die die Ohrmuschel nach vorn gedrängt hat. 

Operirt am 8. November 1880. Incision bis auf den Knochea. 
entleert viel guten Eiter; an einer Stelle ist der Knochen so weit 
durchbrochen, dass die Fingerspitze hineingelegt werden kann. Nach 
hinten und unten von der Fistel ein nekrotisches Knochenstück. Letz- 
teres wurde entfernt, der cariöse Rand der Knochenfistel ausgeschabt. 
WassereinspritzuDg geht von der Fistel durch Ohr und Nase. Drai- 
nage; Verband mit geölter Wundwatte. 

11. November Perforation geschlossen. Trommelfell hinten noch 
röthlich, vorn grau. Während das Kind die Nächte vor der Opera- 
tion ganz schlaflos gewesen war, schlief es in der ersten Nacht nach 
derselben ruhig 2 Stunden und in der zweiten 6 Stunden. Fieberfrei. 

20. November leichte Schwellung der Wunde und von Neuem 
Eiterretention, als das Drainrohr zu früh weggelassen war. Bei Druck 
auf die Warzenfortsatzspitze entleert sich Eiter aus der noch nicht 
geschlossenen Knochenfistel. Bei Irrigation derselben verschluckt sich 
das Kind jedesmal. Uebrigens die ganze Zeit über guter Schlaf und 
guter Appetit. Der tadellose Allgemeinzustand und der locale Wund- 
heilungsprocess erweckte Hoffnung auf baldige Genesung, als das 
Kind Anfang December unerwartet an Pneumonia catarrhalis verstarb. 



Fall 76. 



€hron. Otitis media purolenta mit Caries neerotiea am Warzenfort- 
satz. AuslVffelung. Tod nach 24 Tagen an Meningitis tubercalosa. 

Hermann Lange, 11 Monate alt, geboren 1880, aus Halle, kam 
in Behandlung der Poliklinik am 28. Mai 1881. Die Eltern des Kin- 
des sind gesund, namentlich ist die Mutter sehr kräftig und von blühen- 
dem Aussehen. Lungenkrankheiten sind in der Familie nicht vorge- 
kommen. Das Kind selbst, welches bei der Geburt ungewöhnlich 
kräftig gewesen sein soll -r- bedeutend kräftiger als ein älterer Bru- 
der, der bis zur Zeit, von geringen eczematösen Hautausschlägen am 
Rücken und am Gesäss abgesehen, gesund geblieben ist — , hat schon 
im Alter von V^ Jahr aus unbekannten Ursachen zu kränkeln be- 



Zweite Serie von 50 Fällen Chirurg. Eröffnung des Warzenfortsatzes. 273 

gönnen. Im Alter von ungefähr 8 Monaten stellte sich aus dem 
rechten Ohr Otorrhoe ein, ohne dass ein Exanthem voraufgegangen 
war, auch fing das Kind an viel zu husten. 

14 Tage, bevor es in die Behandlung der Ohrenklinik kam, 
verbrachte das Kind, welches in Folge der HnstenanfäUe viel im 
Schlafe gestört wurde, auffallend unruhige Nächte. Die Eltern be- 
merkten, dass die Gegend hinter dem rechten Ohr bei der Berührung 
sehr empfindlich wurde und dass dieselbe sich zu röthen und zu 
schwellen begann. Wiederholtes Brechen zumal nach Genuss von 
Speisen. Da die Schwellung mehr und mehr zunahm, wurde das 
Kind am 28. Mai 1881 der Ohrenklinik zugebracht. 

Status praesens vom 28. Mai 1881: Schwächliches Kind mit 
äusserst leidendem Gesichtsausdruck und von sehr blasser Gesichts- 
farbe. KörpermuscuMtur und Fettpolster sehr dürftig, lieber und 
hinter dem rechten Ohr, die ganze Zitzenfortsatzgegend bedeckend, 
ist eine abgegrenzte Geschwulst von ungefähr Taubeneigrösse sicht- 
bar, welche das Ohr nach vorn gedrängt hat und bei der Palpation 
ein deutliches Fluctnationsgefühl zeigt. Der Gehörgang ist angefüllt 
von grüngelblichem Seeret, bei Druck auf die Geschwulst quillt letz- 
teres aus dem Gehörgang heraus. Die Haut über der Anschwellung 
ist nicht entzündlich geröthet. Lymphdrüsen zu beiden Seiten des 
Halses geschwollen, rechts ungleich stärker als links. 

Eine breite, auf der Höhe der Geschwulst gemachte Incision be- 
stätigte die Annahme, dass es sich um einen Abscess handele. Eine 
grosse Menge grüngelblichen dünnflüssigen Eiters wurde entleert, das 
untere Ende des Warzenfortsatzes erwies sich vom Periost entblösst 
und oberflächlich cariös. Nach ergiebiger Entfernung der cariösen 
Partien und von Granulationsmassen aus dem Knochen mittelst des 
scharfen Löffels war eine ziemlich grosse Excavation im Knochen 
sichtbar, die breit mit dem Gehörgange communicirte, da eingespritztes 
Wasser in dickem Strom aus demselben herausfloss. Drainage. Oel- 
verband. 

Man konnte erwarten, dass nach der Entleerung des Abscesses 
eine bedeutende Besserung im Befinden des Kindes eintreten und 
dass namentlich ein ruhigerer Schlaf sich einstellen würde. Diese 
Erwartung bestätigte sich nicht. Die Mutter klagte, dass das Kind 
ebenso unruhig wie vorher geschlafen habe, dass auch das Brechen 
nach Genuss von Milch unverändert fortbestände. Die Körpertem- 
peratur betrug im Mastdarm gemessen, am 29. Mai 40,2^0. Die 
Wunde war reactionslos mit gutartigem Eiter bedeckt. Auch in den 
folgenden Tagen blieb die Körpertemperatur sehr hoch, wechselnd 
zwischen 39,4 und 40,^. Keine Besserung obiger Symptome. Schlaf 
unausgesetzt schlecht. Das Brechen jetzt auch ohne Genuss von 
Speisen. Vom 5. Juni ab sank die Körpertemperatur (38,3 o), aber 
die Schwäche des Kindes nahm zu. 

Das Kind, welches vorher beim Reinigen der Knochenfistel sehr 
lebhafE und unruhig gewesen war, verhielt sich jetzt auffallend ruhig 
dabei. Die Mutter gab an, dass das Kind auch einen ruhigeren Schlaf 
habe, doch fahre es von Zeit zu Zeit mit einem grellen Schrei aus 



274 XXII. SCHWARTZE 

demselben auf und verlaDge nie nach Speisen. Bei andauernd gntem 
Aussehen der Wunde und fortschreitender Vernarbung traten weitere 
Symptome einer Gehimerkrankung, wie Starrsehen, Schielen, fortwäh- 
rende Zuckungen der rechten oberen und unteren Extremität in der 
ersten Hälfte des Monat Juni nach und nach hinzu, das Kind magerte 
aufs änsserste ab und der Leib sank ein. Die Augenlider waren 
theils geschlossen, theiis etwas herabgesunken und der Augapfel nach 
oben gerollt, so dass die Pupille halb vom oberen Augenlide bedeckt 
erschien. Coma. Tod am 21. Juni. 

Sectionsbefund vom 22. Juni. Aeusserst abgemagerte kind- 
liche Leiche. Leib trommelartig aufgetrieben. Hinter dem rechten 
Ohr in der Höhe des Meat. audit. ext. eine 1,5 Cm. hohe und breite 
Oeffnung, mit schmierigem Secret bedeckt; ebenso der Gehörgang. 

Schädeldach sehr blutreich. Dura mater ^tark gespannt, glän- 
zend, in der Gegend der Pacchioni 'sehen Granulationen fest mit 
dem Knochen verwachsen. 

Gehirnsubstanz zerfliessend, ödematös durchtränkt. Wenig 
Blutpunkte. Gyri abgeflacht, Sulci verstrichen. Ventrikel stark er- 
weitert, mit einer grossen Menge wasserhellen Serums angefällt. 

An der Basis des linken Stirn- und Schläfenlappens findet sich 
ein dickes, gelbliches^ wenig durchscheinendes Exsudat von sulziger 
Beschaffenheit. Die Pia mater, am deutlichsten in der Umgebung 
der Gef ässe, mit weisslichen Granulationen von Gries- bis Hirsekorn- 
grösse bedeckt. Die Basis der rechten Hemisphäre ist frei, auch die 
Gehirnsubstanz hier sonst ohne Veränderung. 

Ueberzug der Dura mater auf der rechten Pyramide ohne Verän- 
derung, löst sich leichter von der vorderen als von der hinteren Fläche. 
Die äussere Hälfte der vorderen Fläche der Pyramide erscheint porös, 
wie wurmstichig^ an einer Stelle durch eine Lücke unterbrochen. Im 
Warzentheil ist der trichterförmige Defect im Knochen mit Granu- 
lationen ausgekleidet, circa 1 ^2 Cm. im Durchmesser an seiner äusse- 
ren Oeffnung. An der Spitze dieses Trichters liegt die erwähnte 
Knochenlücke und war hier die Dura mater und verdickte Schleim- 
haut des Mittelohres in directer Berührung. Von der knöchernen 
hinteren Wand des Gehörganges ist nichts erhalten. Trommelfell 
fehlt gänzlich, die Paukenhöhle communicirt breit mit dem trichter- 
förmigen Defect im Warzentheil, ihre Schleimhaut ist sulzig verdickt, 
bräunlich roth und eiternd. Von den Gehörknöchelchen ist nur der 
Steigbügel vorhanden, welcher gelöst aus seinen Verbindungen vor 
dem ovalen Fenster, umgeben von der sulzig verdickten Schleimhaut, 
liegt. Seine Fnssplatte ist von gelbem Eiter umhüllt, das Köpfchen 
and der eine Schenkel defect. Das innere Ohr ist ohne Zeichen von 
Entzündung. Im Por. acust. int. blutig seröse Flüssigkeit. 

Schleimhaut der knöchernen Tuba ebenso geschwollen wie die 
Paukenschleimhaut. 

Bronchial- und Mesenterialdrüsen geschwollen, theils markig in- 
filtrirt, theils käsig entartet. Die übrigen Organe ohne wesedtliche 
Veränderungen. 



Zweite Serie von 50 FäUen Chirurg. Eröffnung des Warzenfortsatzes. 275 

Fall 77. 

Otitis media pumlenta ehroniea duplex mit Caries des linken Proc. 

mastoideus seit 10 Jahren. Aufmeisselung des Antrum mastoideum. 

Eyidement. Drainage. Heilung naeh 2 Jahren. 

Hermann Schachtel, geboren 1864, aus Edersleben, Obersteigers- 
sohn, wurde zugeftlhrt am 7. October 1877 wegen seines seit 10 Jah- 
ren bestehenden doppelseitigen Ohrleidens — chronische Mittelohr- 
eiterung beiderseits mit totalem Defect des Trommelfells und granulöser 
Wucherung der Paukenschleimhaut links mit Caries des Warzenfort- 
satzes. Durch fortdauerndes Siechthum seit 10 Jahren, dessen Ursache 
allein im Ohrleiden zu suchen war (häufige Fieberanfälle, andauernde 
Kopfschmerzen) war der Knabe von elendem Aussehen und in seiner 
Entwicklung sehr zurflckgeblieben. Mehrfache Narben in der Gegend 
des linken Warzenfortsatzes bestätigen die Angabe, dass im Laufe 
der Jahre mehrfach Abscesse eröffnet werden mussten. An der 
Basis des Fortsatzes ist eine dellenförmig eingezogene Knochennarbe. 
Das Gehör des Knaben war so schlecht, dass man ihn in der Nähe 
laut anschreien muss. Im Januar 1878 bildete sich unter anhaltend 
heftigen Schmerzen und Fieber abermals ein grosser Abscess unter- 
halb der Spitze des Warzenfortsatzes mit Oedem des Nackens und 
der ganzen linken Gesichts- und Schädelhälfte. Caput obstipum. 
Temperatur 38,5« C. 

Operirt am 29. Januar 1878 (Assistent Dr. Hessler). 
Nach Spaltung des Abscesses, wobei sich höchst fötider ^iter ent- 
leerte, zeigten sich mehrere fistulöse Gänge nach innen unter die 
Spitze des Warzenfortsatzes hinein und nach hinten unter die Haut 
der Nackengegend. Alle diese Gänge wurden bis zum Ende verfolgt, 
gespalten, ausgeschabt und dann der Warzenfortsatz oben vollständig 
freigelegt und das Antrum mit dem Meissel eröffnet. Dazu konnte 
die Stelle der oben erwähnten dellenförmigen Knochennarbe benutzt 
werden, die eine Dicke von etwa 4 — 5 Mm. besass. Ein zur Ein- 
führung des scharfen Löffels zureichendes rundes Loch wurde aus- 
gemeisselt und eine grosse Menge von käsigem Eiter aus dem Antrum 
ausgelöffelt. Die freie Communication mit Gehörgang und Schlund 
war sogleich bei der nachfolgenden Durchspülung mit der üblichen 
Carbolsäurelösung nachweisbar. Drainröhren in das Antrum und in 
die Abscesshöhle unter dem Warzenfortsatz. In den der Operation 
folgenden Tagen entleerten sich jedesmal beim Einspritzen in den 
Gehörgang noch grosse Mengen von käsig eingedicktem Eiter aus 
dem Antrum. Der Gestank des Eiters dauerte noch mehrere Tage 
an. Die Zellgewebsinfiltration und das Oedem der Umgebung der 
Wunde nahm schon vom Tage nach der Operation schnell ab. Die 
Drainröhre im Antrum Hess sich 10 Tage lang ohne Schwierigkeit 
einführen, wurde dann durch einen Bleinagel- ersetzt. Die zweite 
Drainröhre unten wurde nach 18 Tagen fortgelassen. 

Nachdem die ersten 4 Tage nach der Operation ohne jede fieber- 
hafte Reaction verlaufen waren, stellte sich am 5. Tage Abends plötz- 
lich ohne voraufgegangenen Frost eine Temperaturerhöhung auf 40<) 



270 XXn. SCHWARTZE, Eröffnung des Warzenfortsatzes. 

ein, dabei kein subjectives ErankheitBgefflbl , feuchte Zunge , kein 
Durst. Ursache: Erysipel der Ohrmuschel und der Wundränder. 
Die Temperatur blieb 4 Tage lang in ziemlich gleicher Höhe. So- 
bald sie 40 überstieg, wurde dreimal 1 Grm. Chinin verabreicht. 
Am 7. Februar plötzlicher Abfall der Temperatur auf 36,4 und von 
da ab andauernd normal. 14 Tage nach der Operation verliess der 
Kranke das Bett. 18 Tage nach derselben war die ganze Wunde 
verheilt bis auf den künstlich erhaltenen Fistelgang zum Antrum. 
21 Tage nach der Operation konnte die Entlassung des Fat. in die 
Heimath erfolgen, nachdem die Mutter desselben in der Irrigation der 
Enochenfistel mittelst Elysopomp die nöthige Sicherheit erworben 
hatte. 

Seit der Operation ist der Knabe völlig frei geblieben von seinen 
bisher fast constanten Kopfschmerzen und obwohl die Ausheilung 
der Caries äusserst langsam fortschritt, blieb der günstige Einfluss 
der Operation auf dieses qualvollste Symptom ein dauernder, und das 
Allgemeinbefinden und der Ernährungszustand hatte sich schon nach 
Verlauf weniger Monate überraschend gebessert. 

Bis zum 11. April 187S betrug die Länge des eingeführten Blei- 
nagels 3,4 Cm.; von da ab wurde er verkürzt auf 2,9 Cm. V2 proc, 
später 1 proc. Lösung von Cuprum sulfuricum wurden zur Einspritzung 
in die Knochenfistel nach der jedesmaligen Irrigation benützt, die 
bis Anfang October zweimal täglich, von da ab nur einmal täglich 
bewirkt wurde. Zu wiederholten Malen (10. Juli 1878, 3. Jan. 1879) 
war die Entfernung von Granulationswucherungen aus dem verengten 
Gehörgange, die an der hinteren Wand desselben ausgingen, mit 
Schlinge und Lapisätzung erforderlich. Erst im Mai 1879 war eine 
sehr wesentliche Verminderung der nunmehr völlig geruchlosen Eite- 
rung aus dem Gehörgang zu bemerken. An dem Bleinagel war eine 
Locomotion auffällig, eine Erscheinung, die ich öfters bemerkt habe, 
wenn Bleinägel sehr lange Zeit im Warzenfortsatz getragen werden^ 
besonders bei jüngeren Personen, die vor vollendetem Knochenwachs- 
thum operirt wurden. Der anfänglich in dem Antrum liegende Nagel 
hatte nämlich seine Lage so verändert, dass er jetzt mit seinem in- 
neren Ende ganz am Grunde des Gehörganges an dessen hinterer oberer 
Wand sichtbar war. Ich halte diese Locomotion für eine Folge der 
seitlichen Vergrösserung des Schädels und Ausfüllung des Antrum mit 
ossificirendem Bindegewebe. 

Erst Anfang Februar 1880, also zwei Jahre nach der Operation, 
hatte die Eiterung aus dem Gehörgang aufgehört, der seit lange frei 
von Granulationen geblieben und von normaler Weite erschien. 

Am 19. Februar wurde der Bleinagel definitiv entfernt. Der 
überhäutete Fistelkanal im Knoehen mit einer ganz feinen Hautöff- 
nung blieb persistent. Eine wesentliche Hörverbesserung auf dem 
operirten Ohre war nicht eingetreten, aber der Knabe war von 10 jähri- 
gem Siechthum geheilt und ist inzwischen zu einem kräftigen Men- 
schen von blühender Gesundheit herangewachsen. 

(Fortsetzung folgt.) 



XXIII. 
Znr Gasnistik der Warzenfortsatzpolypen. 

Von 

Dr. Glauert 

in Berlin. 

Ein von Trautmann in diesem Archiv Bd. XVII , S. 167 
veröffentlichter Fall von fibrösen Polypen des Warzenfortsatzes, 
welche durch den äusseren Gehörgang nach aussen gewuchert 
waren, gibt mir die willkommene Veranlassung zu nachfolgender 
Mittheilung: 

Herr H., 23 Jahre alt, Kaufmann in Berlin, kam am 20. März d. J. 
in meine Behandlung. Er stammt aus gesunder Familie, hat bisher 
kein Ohrenleiden überstanden und war nicht syphilitisch; ebenso ist 
er von Affectionen der Nase und des Halses bisher frei geblieben. 
Am Morgen des 23. Januar d. J. bekam er in der Tiefe des linken 
Ohres heftige reissende Schmerzen, die erst in der nächsten Nacht 
bei dem Eintritt eines anfangs wässrigen, dann eitrigen Ausflusses 
nachliessen; hierzu gesellten sich Abnahme des Hörvermögens und 
ein sausendes und ein pulsirendes Ohrgeräusch. Da ein hinter dem 
Ohre aufgelegtes Vesicator keine Erleichterung schaffte, so begab 
sich Patient in die Behandlung eines Ohrenarztes, welcher den Ka- 
theter und Einblasungen von Borsäure anwendete und den Kranken, 
nachdem die Eiterung nicht ganz aufgehört, sondern nur abgenommen 
hatte, als geheilt entliess. Dieser wendete in der nächsten Zeit aus 
eigenem Antriebe nur Einspritzungen von lauem Wasser an. Als sich 
Patient mir zum ersten Male vorstellte, bestanden noch die Ohrge- 
rausche und ein geringer Grad von Otorrhoe sowie Empfindlichkeit 
der Regio mastoidea; über Kopfschmerzen und Schwindel wurde nicht 
geklagt und erfreute sich der Kranke im übrigen eines ungestörten 
Allgemeinbefindens. 

Die Untersuchung des linken Ohres ergab nun folgendes Re- 
sultat : Patient hört die Taschenuhr beim Anlegen, zugewandte Flüster- 
spräche auf 26 Cm. Entfernung. Die Kopfknochenleitnng ist beider- 
seits vorhanden, nach rechts hin jedoch besser ; von der linken Schlä- 
fenschuppe aus wird die Uhr im Ohr gehört, nicht aber vom linken 
Warzenfortsatz aus. Die Ohrmuschel steht vom Schädel nicht ab 



278 XXm. GLAUERT 

die Vorderohrgegend ist nicht empfindlich, wohl aber auf Dmck der 
Proc. mastoid.y etwa in der Mitte, ganz nahe an der Auricnla. Lymph- 
drüsen in der Umgebung des Ohres nicht geschwollen. Der äussere 
Gehörgang enthält in seinem vorderen Theil eine geringe Menge guten 
Eiters, zeigt aber nirgends Cerumen. Der Hautüberzug der oberen 
Wand nahe am Paukenfell hängt schlaff herunter, ist nicht geröthet 
und gegen Berührung mit der Sonde empfindlich, der der hinteren 
Wand im knöchernen Theil ist leicht geröthet und bei Berührung 
schmerzhaft. Vom Paukenfell ist das obere Segment nicht zu sehen ; 
im Uebrigen ist es von weisslichgrauer Farbe, verdickt, glanzlos und 
entbehrt des normalen Lichtkegels ; Proc. brevis und Manubr. mallei 
sind nicht zu erkennen. Etwas unter der Mitte findet sich eine Stelle 
von der Grösse eines Stecknadelkopfes, welche durch ihre rothe Fär- 
bung von der Umgebung absticht. Beim Eatheterisiren der linken 
Tube dringt die Luft zuerst schwer, dann allmählich leichter ein und 
hört man dabei ein nahes, etwas verschärftes Anschlagegeräusch, 
jedoch kein Perforationsgeräusch ; eine Aenderung in dem subjectiven 
Verhalten des Ohres, namentlich eine Beeinflussung der Ohrgeräusche, 
wurde durch die Luftdouche nicht bewirkt. 

Das Ergebniss der Untersuchung berechtigte noch nicht zur 
Aufstellung einer bestimmten Diagnose; es blieb namentlich un- 
klar, wo die offenbar noch fortbestehende, wenn auch geringe 
Eiterung ihren Sitz hatte. Da ich im äusseren Gehörgange selbst 
und am sichtbaren Theile des Paukenfelles eine Quelle für die- 
selbe nicht zu entdecken vermochte, glaubte ich annehmen zu 
müssen, dass vielleicht die suppurative Otitis media, welche ge- 
wiss ursprünglich vorhanden war, auf die Hohlräume übergegriffen 
habe, welche mit der Paukenhöhle zusammenhängend sich über 
dem knöchernen Theil des Meat. acust. ext. befinden, dass es in 
Folge dessen zu einer Senkung des Hautüberzuges und zur Bil- 
dung einer Fistel gekommen sei, aus deren Oeffnung sich der 
Eiter entleerte; allerdings gelang es mir nicht, mit der Sonde 
eine Fistelöffnung nachzuweisen noch durch Druck mit derselben 
Eiter zu entleeren. Die Empfindlichkeit des Proc. mastoid. an 
einer bestimmten Stelle nahe der Ohrmuschel zusammen mit der 
Böthung und Empfindlichkeit der hinteren Gehörgangswand spra- 
chen mir dafür, dass der Process von Anfang an oder erst im 
weiteren Verlaufe auch das Antr. mastoid. ergriffen habe. Wegen 
des vorhandenen Non liquet in der Diagnose liess ich nur Tinct. 
jodi auf den Warzenfortsatz aufpinseln und verhielt mich im 
uebrigen exspectativ. 

Bis zum Anfang April trat in dem Zustande des Kranken keine 
wesentliche Veränderung ein ; die Eiterabsonderung aus dem Ohr war 
einige Nächte hinter einander stärker, kehrte dann aber wieder auf 



Zar Casuistik der Warzenfortsatzpolypen. 279 

den alten Stand zurück. Von da an jedoch traten hinter dem Ohre 
lebhafte Schmerzen aaf ^ die sich anfwftrts nach dem Kopf und ab- 
wärts nach dem Halse erstreckten und von einer Stelle des Proc. 
mastoidens ausgingen, die ihre Lage nahe der Ohrmuschel in der 
Höhe des oberen Randes der Apert. ext. meat. acust. ext. hatte; 
Druck auf dieselbe war sehr empfindlich. Die Ohrmuschel stand 
weiter vom Kopfe ab. Eiterung aus dem Ohre und Geräusche in 
demselben unverändert. Trotz energischer Anwendung der Antiphlo- 
gose Hessen die Schmerzen nur wenig nach. Als sich jedoch Patient 
am 6. April vorstellte, gab er a^, dass seine bisherigen Beschwerden 
hinter dem Ohre wesentlich ■ nachgelassen hätten, dass jedoch die 
Eiterabsonderung aus dem Ohr und die Geräusche unverändert seien. 
Bei der Besichtigung bemerkte ich zu meiner grossen Ueberraschung, 
dass sich an der hinteren Wand des Meat. acust. ext. nicht weit vom 
Ohreingange entfernt, etwas mehr nach oben gelegen, eine grauröth- 
liche, über erbsengrosse , längliche, glatte Geschwulst befand, die 
sich sehr derb anfühlte und ihren Ausgang von der hinteren Wand 
nahm ; sie machte den Eindruck eines kleinen Nasenpoiypen. Mit der 
Schlinge gelang es uns ein Stück abzutragen, was lebhafte Schmer- 
zen und reichliche Blutung hervorrief. In der nächsten Nacht floss 
41US dem Ohre viel mit Blut untermischter, nicht übelriechender Eiter. 
An den drei folgenden Tagen wurden unter denselben Erscheinungen 
fernere Stücke der Geschwulst abgetragen, so dass bis zum 9. April 
jede Spur derselben verschwunden war. Die entfernten Stücke zeigten 
makroskopisch sämmtlich die gleiche Beschaffenheit. Auffällig war 
mir, dass es nicht möglich war, mit der Sonde in eine Oeffnung zu 
gelangen, aus welcher die Auswüchse hervorgekommen wären, und 
dass nach ihrer Entfernung die Stelle, an der sie im Gehörgange 
gesessen hatten, abgesehen von einer massigen Röthung, keine Ver- 
änderung zeigte. Mit der Entfernung der Auswüchse ging ein Ver- 
«chwinden der über dem Proc. mastoid. bestehenden Geschwulst einher 
und hörte sehr bald jede Eilersecretion aus dem Ohre auf; ebenso 
wurden in der nächsten Zeit die Ohrgeräusche schwächer und ver- 
schwanden zeitweise ganz. Das Hörvermögen hob sich ebenfalls we- 
sentlich, und während früher im Meat. acust. ext. keine Spur von 
Gemmen zu finden war, trat jetzt eine sehr reichliche Bildung des- 
selben auf. Nachträglich entwickelte sich noch eine Entzündung einer 
Hinterohrdrüse, die mit Bildung eines Abscesses endigte. Bei der 
letzten Vorstellung des Patienten am 1. Juni war dieser ausgeheilt 
und die Regio mastoidea äusserlich vollkommen normal beschaffen. 
Die Kranke klagte noch über massiges sausendes Geräusch, welches 
durch die Luftdouche nicht beeinflusst wurde. Im äusseren Gehör- 
gang normales Aussehen der Wände, reichliches weiches Cerumen; 
das Paukenfell weisslich gefärbt, etwas matt aussehend. Später hat 
sich der Kranke nicht mehr präsentirt. 

Das auffälligste Ereigniss während des vorstehend geschil- 
derten Krankheitsverlaufes war das rapide Auftreten polypen- 
artiger Massen an dem oberen Theil der Hinterwand des äusseren 



280 XXm. GLAÜERT, Zur Gasnifitik der Warzenforts&tzpolypen. 

Gehörganges in nicht zn grosser Entfernung vom Ohreingang. 
Dass dieselben weder aus der Paukenhöhle noch vom Pankenfell 
stammten^ liess sich mit Sicherheit nachweisen, and es blieb nur 
die Wahl zwischen äusserem Gehörgang und Warzenfortsatz als 
Ursprungsstelle. Auch den ersteren glaubte ich ausschliessen zu 
müssen, weil er, abgesehen von einer geringen Röthung im knö- 
chernen Theil, nichts Abnormes darbot. Somit blieb mir nur 
übrig, anzunehmen, dass sich polypöse Massen, die im Antrum 
mastoid. in Folge einer Entzündung, entstanden waren, einen 
Ausweg in den Gehörgang gebahnt hatten und zwar durch das 
häutige Gewebe, welches die Halbrinne des knorpeligen Gehör- 
ganges hinten oben ergänzt ^), vielleicht durch eine Incisura San- 
torini; allerdings gelang es mir nicht, mit der Sonde eine Aus- 
trittsöffnung während des Bestehens und nach der Beseitigung 
der Massen au&ufinden. Dass jedoch der J^oc. mast. der Aus- 
gangspunkt gewesen, dafür sprechen die allmählich stärker ge- 
wordenen Entzündungserscheinungen an demselben und ihr Ver- 
schwinden mit dem Austritt der polypösen Massen. Die letzteren 
selbst waren insofern interessant, als ihr makroskopisches Aus- 
sehen durchaus nicht mit dem gewöhnlichen der Ohrpolypen 
übereinstimmte, sondern, wie in Trautmann 's Falle, durch 
Farbe und Gonsistenz eher an das von Nasenpplypen erinnerte; 
ein Stiel liess sich nicht nachweisen. Die mikroskopische Unter- 
suchung wurde leider verabsäumt. 

1) V. TröltBch, OhreDheilkunde. 6. Aufl. S. 20. 



XXIV. 
Besprechnngen. 

3. 

Das Lehrbuch der Ohrenheilkunde mit Einschluss der 
Anatomie des Ohres von Dr. A. v. Tröltsch, Professor der 
Medicin an der Universität Würzburg. Siebente verbesserte und ver- 
mehrte Auflage. Leipzig, Verlag von F. C. W. Vogel. 14 Mk. 

Besprochen von 

Dr. A. Magnus 

in Königsberg i/Pr. 

Unter den mannigfachen Richtungen der Literatur, die zu 
verschiedenen Zeiten Mode gewesen, sind es bekanntlich Memoi- 
ren und Chroniken, die von Alters her mit Recht als werthvoUe 
Quellen historiseher Wissensehaft geschätzt werden. Denn ihren 
detaUlirten und meist objectiv gehaltenen Berichten ist es zu- 
meist zu verdanken, wenn unserem Verständniss das allmähliche 
Entstehen, das organische Wachsthum von Sitte und Recht näher 
gerückt wird. Unwillkührlich ist mir diese Literaturepoche in 
Gedanken gekommen, als ich die neueste, siebente Auflage des 
Lehrbuches von Tröltsch mit den früheren Ausgaben zum 
Zwecke einer besseren Orientirung verglich. Denn was auch 
immer in den letzten zwanzig Jahren auf dem Gebiete der Ohren- 
heilkunde auftauchte, ausnahmslos und in chronologischer Folge 
findet sich in den verschiedenen Jahrgängen alles verzeichnet, 
und nicht nur das Bedeutende, auch jeder kleinere Baustein ist 
mit gleicher Achtung behandelt, so lapge sich nicht seine niedere 
Qualität herausgestellt hatte, wurde aber fest eingefügt in das 
freilich auch jetzt noch unfertige Gebäude, wenn eine längere 
Prüfung seine Brauchbarkeit erprobt hatte. Von diesem Gesichts- 
punkte aus gewinnen die schnell aufeinander folgenden Ausgaben 
dieses Lehrbuches, welche im wesentlichen natürlich denselben 
Stoff zu bringen scheinen, ein besonderes Interesse ftlr uns als 



282 XXIY. Besprechungen. 

historische Quellen, welche mit Lauterkeit hergestellt und mit 
memoirenhafter Genauigkeit ausgestattet ein treues Bild des all- 
mählichen Wachsthumes unserer otiatrischen Kenntnisse geben 
und uns erfreuen und in unserem Streben ermuthigen, da wir 
daraus erkennen, wie das Vertrauen zu dieser unlängst noch an- 
gezweifelten Disciplin und auch ihre praktischen Erfolge sich 
wohl gemehrt haben. 

Wenn ich in diesem Augenblicke die Erfolge unserer Be- 
mühungen erwähne, so beziehe ich mich nicht etwa auf die Zahlen, 
welche in den statistischen Nachweisen die erfreulichen Besultate 
klinischer Bemtlhungen uns verktlnden. 

Die procentualische Schätzung der geheilten Fälle wird bei 
diesen unzweifelhaft genauen Aufstellungen doch in gar hohem 
Maasse beeinflusst dujrch die grosse Zahl von einfachen Ver- 
stopfungen des Gehörgangs, die ja mit gutem Becht als hierher 
gehörig betrachtet werden, aber durch die Massenhaftigkeit ihres 
Vorkommens geradezu dLese statistischen Nachweise werthlos 
machen, wenn man aus ihnen etwa den Fortschritt der prak- 
tischen Ohrenheilkunde erkennen soll. Denn sie erdrücken durch 
ihr Uebergewicht die doch durchschnittlich immerhin nur lang- 
same Vermehrung unserer glücklichen Erfolge, welche sich aber 
auch statistisch herausstellen könnten, wenn man jene für den 
Praktiker ja recht erfreulichen, für die Wissenschaft, der die 
Statistik doch dienen soll, meistentheils unerheblichen Ceruminalia 
aus den statistischen Tabellen ausmerzen würde. Bedenkt man 
übrigens, wie doch die Besultate und also auch der Werth un- 
serer Heilbemühungen von äusseren Umständen (Klima, Jahres- 
zeit, Folgsamkeit, Wohlhabenheit, Alter etc.) abhängen, so wird 
die Schätzung gerade otiatrischer Statistik fUr die Beurtheilung 
unserer therapeutischen Macht immerhin nur gering bleiben, frei- 
lich aber durch die immer steigende Zahl behandelter Fälle noch 
immer von Interesse fttr die Schätzung sein , in wie schneller 
Progression das Vertrauen zu dieser Disciplin während der letzten 
Decennien bei Publikum und bei den Herren CoUegen sich gcr 
mehrt hat. Für letzteres sprechen aber mehr noch die grosse 
Zahl der Specialarbeiten, das wachsende Bedürfiiiss nach perio- 
dischen Zeitschriften und nicht am wenigsten die schnelle Art, 
in welcher das Lehrbuch von Tröltsch neue Auflagen erlebt. 

Der Grund nun, weshalb neben so manchem trefflichen, was 
uns von anderer Seite geboten ist, doch dieses Lehrbuch von 
Tröltsch so gerne empfohlen wirdj ist, wie ich meine, haupt- 



XXiy. Besprechungen. 283 

sächlich in der Emfachheit der Anordnung; in der rahig objec- 
tiyen Art der Darstellung und in der scharfen Sonderung des 
praktisch Verwerthbaren von dem theoretisch Denkbaren zu 
suchen, Eigenschaften, die je länger, je mehr sich befestigt haben. 
Gerade das Bemtlhen, stets durch die Erfahrung seine Voraus- 
setzungen bestätigen zu lassen, ehe er eine volle Affirmation aus- 
spricht, (erweckt tiberall bei der Lecttlre des Buches das Gefühl 
an der Hand eines vorsichtigen und treuen Führers zu wandern. 
Ja, es ist geradezu auffallend, wie gar nicht selten v. Tröltsch 
sich der Redewendung „es scheint'' bedient, auch bei Entschei- 
dungen über solche Fragen, von denen man glauben sollte, dass 
ein so geübter Beobachter gar keinen Zweifel haben könnte. 
Diese vorsichtige Art sich auszudrücken ist für ein Lehrbuch 
doppelt werthvoU: es macht sorgsam in der BeobachtuDg und 
spornt zugleich den Eifer dergleichen Schwierigkeiten zu lösen. 
Der Unterschied einer geschwellten Schleimhaut des Mittelohres 
z. B. von gewissen Formen der Entzündung des Trommelfells 
ist oll so schwer festzustellen, dass auch der Geübte sich irrt 
Es ist dies ein Beispiel aus mehreren, die den Ton seines Buches 
von jeher kennzeichnen ^s das Product eines strebenden Natur- 
forschers, und nicht als das Elaborat eines unfehlbaren Magisters. 
Wenn nun in dieser letzten Ausgabe der Kürze wegen mancher 
frappante Krankenbericht früherer Jahrgänge fortgelassen und 
nur die Schlusstblgerung aus der Erfahrung an die Stelle gesetzt 
ist, so geschieht dies doch mit jener Reserve, die nicht den An- 
spruch erhebt, überall das letzte Wort gesprochen zu haben. 
Diese würdige Behandlung einer wissenschaftlichen Aufgabe be- 
dingt es denn auch, dass sich in dem Buche kaum eine Stelle 
findet, die man in dem eigentlichen Sinne des Wortes polemisch 
nennen müsste, eine Schreibweise, deren unerquickliche Producte 
in unseren periodischen Schriften oft genug figuriren, die aber 
einem Lehrbuche, wie ich meine, mit Recht fremd bleibt. Denn 
den Schüler können dergleichen .Gontroversen nur verwirren, und 
der Weitervorgeschrittene wird sein Urtheil selbst finden müssen ; 
all^ aber mag jener Ton feinster Ironie besser munden, als die 
brüsque Sprache rechthaberischer Anmaassung. 

Es genügt daher für den Zweck des Lehrbuches gewisse 
Ideen und Operationen chronologisch zu erwähnen, wie z. B. die 
Durchschneidung des Tensor tymp., Durchtrennung des Hammer- 
Ambossgelenkes, Mobiiisirung des Steigbügels und zwar in klei- 
nem Druck, und wenn wir des Autors Urtheil hierüber vermissen. 



284 XXIY. Besprechungen. 

so mag wohl bei ihm die ErwUgong Platz gegriffen haben, dass 
in dem Zeitalter der resecirten Mägen der Glaube an Unmög- 
lichkeit ketzerisch erscheinen würde. 

Dagegen finden wir in aller Vollständigkeit und mit wohlbe- 
grUndetem Nachdruck allerlei praktische ^ an sich sehr einfache 
therapeutische Maassnahmen in verständlicher Weise beschrieben 
und empfohlen, Bathschläge, wie sie langjährige Praxis kennen und 
schätzen lehrt. Dergleichen auszudenken hat sich v. Tröltsch 
auch früher bemüht; die letzte Ausgabe seines Buches zeigt aber, 
dass er in Verbesserung der Methoden unermüdlich bleibt Da- 
hin gehört das Kapitel über das Schneutzen, die Art der Gurge- 
lung (wobei ich erwähnen möchte, dass die gewünschte Würgbe- 
wegung sich leicht auslöst, wenn man den Kranken in horizontaler 
Stellung, bei weitgeöffiietem Munde mit der Silbe „ga^ gurgeln 
lässt), die Anwendung der Saugflasche, wenn nach Einführung des 
Katheters eine active Schluckbewegung wünschenswerth ist, die 
Vorsicht einen kleinen Ballon fdr Kinder beim Politzer 'sehen 
Versuch zu brauchen. (Hierbei möchte ich erwähnen, 4ass ich 
es recht zweckmässig gefunden habe, wenn ich die Kinder das 
Wort „Robert^ hierbei aussprechen lasse und im Momente des 
Bo den Druck ausübe. Das Wort selbst ist eben den Kindern 
geläufiger, als eine einzelne Silbe, und man hat hinreichend Zeit 
die Manipulation auszuführen, während der Abschluss des Schlun- 
des ein möglichst fester ist.) Dahin gehört in anderer Art auch 
die nüchterne Beurtheilung der verschiedenen Gehörproben, mit 
Stimmgabel, Harmonium, Sprache etc., welche wesentlich mit 
dem in Uebereinstimmung steht, was ich bei dem internationalen 
Congress in Amsterdam für die Praxis ausgesprochen habe. Der 
eigentliche Hörmesser für den Patienten bleibt das Urtheil seiner 
Umgebung ; denn uns selbst, den Arzt kann der leidenschaftliche 
Wunsch nach ther£4)eutischen Erfolgen doch gar leicht einmal 
vergessen machen, dass er als Naturforscher stets sein soU: 
kühl bis ans Herz hinan, eine Forderung, der überall ge- 
recht zu bleiben von jeher das Bemühen unseres Autors kenn- 
zeichnet. Sind auch durch die anatomischen und namentlich 
durch die pathologisch - anatomischen Studien der letzten Deoen- 
nien ein gut Theil mystischer Anschauungen aus unserem Ge- 
biete entfernt worden, so bleibt doch noch mancher Titel übrig, 
der als eine Art wissenschaftliche Fahne, wenn ich so sagen 
darf, unsere unleugbare Unkenntniss über gewisse Erscheinungen 
verbergen mag. Dahin gehören nebst manchem anderen nament- 



XXiy. Beeprechtingen. 285 

lieb die ErseheinuDgen der sabjeetiven GeräuBcbe, deren flotte 
Dentung doreb den „ intvalabyrintbären Druck'' man kann wobl 
sagen „ mit wenig EnnBt und viel Bebagen ** von Alters ber fiorirt 
bat. Nun will es mir sebeinen, als ob die wicbtigen Arbeiten 
Hensen's und Bezold's ttber dieses Tbema, sowie die an)a- 
tomiscben Angaben Scbwalbe's über die Gommunication der 
LympbiAume nicbt mit gleicber Gonseqnenz überall in dem Texte 
verwertbet sind; namentlicb nicbt in Bezug auf die Erklärung 
der Retraction der Sebne des Tensor tymp., wäbrend sie bei 
der Analyse entotiscber Oeräuscbe sebr gescbickt als Stütze beran- 
gezogen wird für eine von y. Tröltscb scbon früber gegebene 
Deutung dieser Pbänomene. Es ist, als ob die Bearbeitung der 
neuen Auflage und jene genannten Arbeiten zeitlicb zu sebr zu- 
sammengefallen sind, um einander scbon vollständig zu durcb- 
dringen, was dann aber für die Stellung der Otiatrie als Tbeil 
des grossen Gebietes der mediciniscben Wissenscbaft von ganz 
besonderer Wicbtigkeit sem muss. Denn ist dieselbe durcb die 
künstlicbe Eröffnung des Proc. mastoideus mit der Gbirurgie in 
engste Füblung getreten, so wird sie andererseits durcb die volle 
Verwertbung dieser neuermittelten Tbatsacben aucb bei Beur- 
tbeilung einer Reibe' von inneren Erankbeiten, namentlicb Hirn- 
und Nervenleiden unentbebrlicb sein und wird somit als ein voll- 
berecbtigtes Glied der mediciniscben Wissenscbaft immer mebr 
Anerkennung und Förderung finden müssen, wie sie selbst wie- 
derum von der Opbtbalmologie prognostiscbe Winke flir cbro- 
niscbe Otorrböen erbält. Dass ein grosser Tbeil des Verdienstes 
diese Stellung der Obrenbeilkunde erobert zu baben, dem Ver- 
fasser des Lebrbucbes, welcbes uns bescbäftigt, zugescbrieben 
werden muss, ist ja bekannt, und es bleibt immer interessant 
einen Blick in die Werkstatt eines Geistes zu tbun, der mit un- 
ermüdlicbem Fleisse und redlicbem Willen einem grossen Zwecke 
zustrebt. Nicbt allein gebort dabin die Vermebrung und Ver- 
vollständigung des Stoffes, wozu namentlicb die neueren Errungen- 
scbaften auf dem Gebiete der Rbinologie, die Folgerungen aus 
der Entwicklnngsgescbicbte des Scbläfenbeines, sondern aucb das 
stete Bemüben durcb kleine Verbesserungen des Ausdruckes den 
Sum klarer zu stellen und durcb gescbickte Ueberscbriften die 
Braucbbarkeit des Bucbes zu erleicbtem, und endlicb die Selbst- 
bescbränkung in Verwertbung eines unzweifelbaft colossalen Ma- 
teriales. 

Eine fernere und zwar für ein Lebrbucb der Heilkunde sebr 

Archiv f. Ohrenheilkande. XYU. Bd. 19 



286 XXIV. BesprechnngeD. 

richtige SelbstbeschiSnkung ist es, dass die Anatomie nur so 
weit in demselben Platz greift » als sie für das praktische Han- 
deln erforderlich ist, and nicht der Ansprach erhoben wird, sie 
bis in die kleinsten Details hin, wie in einem Gompendinm der 
Anatomie immer wieder zum Abdruck zn bringen. Es ist das 
eine ungerechtfertigte Belastung mancher Lehrbflcher, die sonst 
Treffliches bieten. Füge ich noch hinzu, dass die Ausstattung 
▼on der bewährten VerlagshandluDg tadellos geliefert ist, dass 
die Correctuc auf das genaueste (S. 279 rein statt sein) ansge- 
fUhrt und die erklftrenden Holzschnitte dem Zwecke entsprechen, 
so werden wir gerne dem Antor ftlr diese neue Gi^be den Dank 
der Wissenschaft darbringen, allen denen aber, die sich auf eine 
entsprechende Art und grflndlich in das Gebiet der Ohrenheil- 
kunde einfuhren lassen wollen, auf das wärmste diese siebente 
Ausgabe des Lehrbuches von v. TrOltsch empfehlen. 

Königsberg d. 4. August 1881. 



XXV. 
Wissenschaftliche Rnndschan. 



76. 



5. Moos n. H, Steihbrügge in Heidelbei^, Ueber die histologischen Ver&nde- 
ruDgen im Knochen und in den Weichtheilen des mittleren nnd inneren 
Ohres bei Caries des Felsenbeins. (Z. f. 0. X. 2. S. 87.) 

In einem Falle von 18 Jahre dauernder linksseitiger Ohreneite- 
Tung mit Verlust des ganzen Trommelfells, multipler Polypenbildung, 
Lähmung des N. facialis und totaler Taubheit wurden bei der Section 
nach dem durch Kleinhirnabscess eingetretenen Tode folgende höchst 
interessante Veränderungen gefunden. Der erwähnte Abscess nahm 
den grössten Theil der linken Hemisphäre des Cerebellum, sowie eine 
kleinere Partie des Wurmes ein, Pia und Arachnoidea waren daselbst 
opak. Die Dura erschien an der ninteren Fläclie des Felsenbeins 
verdickt und verfllrbt und Hess in der Gegend der Apertur des Aquae- 
ductus vestibuli eine kleine runde Perforation erkennen. Himsinus 
normal. Sklerose des Warzenfortsatzes und des Daches der Pauken- 
höhle. Zahlreiche cariöse Zerstörungen an der Felsenbeinpyramide: 
so an deren hinterer Wand in der Umgebung der Apertura aqnae- 
ductus vestibuli und sich von hier medianwärts bis zum Perus acusticus 
internus nnd über den oberen Pyramidenwinkel bis zum Hiatus canalis 
Fallopiae erstreckend ; ferner an der vorderen Wand des letztgenannten 
Kanals vom Hiatus bis zum Foramen ovale derart, dass der N. facialis 
hier vollkommen frei lag ; am Promontorium, dem Beginn der ersten 
Schneckenwindung entsprechend; an der unteren und vorderen Be- 
grenzung des ovalen Fensters; endlich waren auch noch vielfache 
sowohl mikroskopische als makroskopische cariöse Herde im Innern 
der Pyramidensubstanz vorhanden, bezüglich deren näherer Beschrei- 
bung wir auf das Original verweisen. £rwähnt sei hier nur, dass 
sich ein solcher Hohlraum nach abwärts in die Fossa jugularis öffnete 
und dass eine Anätzung der Vene allein durch die Verdickung des 
Periosts und der Gefösswand verhütet worden war. Schleimhaut am 
Dach der Paukenhöhle und im Antrnm mastoideum colossal verdickt, 
Gehörknöchelchen bis auf einen kleinen Rest des in jene Masse ein- 
gebetteten Hammerkopfes zu Grunde gegangen. Degeneration der 
Muskelfibrillen des Tensor tympani und des Stapedius, Verdickung 
der fibrösen Scheide derselben. — Bei der mikroskopischen Unter- 

19* 



288 XXY. Wissenschaftliche Randschau. 

Buchung wurden zuerst sehr zahlreiche cariöse Lücken im Modiolus und 
in der Schneckenkapsel gefunden^ während solche in der Umgebung 
des Vorhofs und der Canales semicirculares nur spärlich vorkommen» 
Die nervösen Elemente waren hier überall nahezu vollständig zu Grunde 
gegangen ; desgleichen zeigten sich die Fasern des Acusticus in allen 
Stadien der Atrophie neben einer auffallenden Hyperplasie des Binde- 
gewebes. Der transversale Theil des Facialis, centralwärts vom Hiatus, 
erschien als ein dünner, grauer, gelatinöser und leicht zerreisslicher 
Strang, in Folge kömigen Zerfalls seines Nervenmarkes; der hori- 
zontale Theil des Nerven vom Hiatus bis zum Foramen ovale und 
ebenso der Petrosus superficialis major hatten auf Grund einer Ver- 
dickung ihrer bindegewebigen Spheide eine Volumszunahme erfahren. 
Die Facialisfasem centralwärts von der Erweichungsstelle waren durch 
Quellung des Markes verbreitert, bucklig aufgetrieben, gewunden, bei 
erhaltener doppelter Contour, und nur zum geringsten Theil in kör- 
nigem Zerfall begriffen. Blau. 



77. 

S. Moos XL. H, Steinbrügge, Fernere Beobachtangen über die histologischen 
Veränderungen des Labyrinthes bei der hämorrhagischen Pachymeniogitis 
(Haematoma durae matns). (Z. f. 0. X. 2. S. 102.) 

Die Verf. haben Gelegenheit gehabt, in einem zweiten Falle von 
hämorrhagischer Pachymeningitis die Section zu machen und das La- 
byrinth auf die in demselben vorhandenen Veränderungen zu unter- 
suchen. Zum Unterschiede von ihrer ersten Beobachtung, über welche 
im XVL Bd. dieses Archivs S. 287 referirt worden ist, war der Ver- 
lauf hier ein viel kürzerer gewesen und hatte es sich nur um eine 
einmal stattgehabte Durablutung gehandelt, daher die Autopsie an 
der Innenfläche der harten Hirnhaut auch nur einen massig dicken 
rostbraunen Belag ergab. Entsprechend diesem abweichenden Ver- 
halten der Alterationen in der Schädelhöhle zeigten sich femer in 
den histologischen Veränderungen im Labyrinth einige wesentliche 
Differenzen von jenem ersten Falle. Denn während in ihm nirgends 
makroskopisch wahrnehmbare Blutungen nachzuweisen waren, wurden 
solche hier an mehreren Stellen gefunden, so in der unmittelbaren 
Umgebung der beiden Gehörnerven im Perus acusticus internus und 
an der lateralen unteren Wand des transversalen Theiles vom Canalis 
facialis. Mikroskopische Extravasate zeigten sich zwischen den Bün- 
deln des N. vestibuli dicht an dessen Abgang, desgleichen im ganzen 
N. Cochleae bis zu seinem Eintritt in den Modiolus. In der ersten 
Beobachtung der Verfasser war ferner im Einklang mit den daselbst 
wiederholt eingetretenen Hämorrhagien eine reichliche Pigmentmeta- 
morphose von Blutextravasaten durch das ganze Labyrinth vorhanden ; 
hier dagegen , wo es sich wahrscheinlich um eine einzige Blutung 
gehandelt hatte, konnte die betreffende Pigmentmetamorphose nur 
spärlich und an vereinzelten Stellen constatirt werden. Eine weitere 
Differenz lag in dem Verhalten der Blutgefässe des Labyrinths in 
beiden Fällen; das erste Mal wurden an ihnen auffallende Verände- 



XXy. Wissenschaftliclie Rundschau. 289 

TUDgen: zelligie Infiltration der Gefässwände, Verdickung derselben^ 
Ektasien, selbst Obliteration gefunden, hier waren die Gefässe durch- 
aus normal und es Hessen sich die stattgehabten Blutungen nur aus 
einer durch Circnlationsstörungen bedingten Diapedesis erklären. End- 
lich hatte sich in dem vorliegenden Falle bei der verhältnissmässig 
geringeren Intensität und Dauer des Erankheitsprocesses auch noch 
keine Entzündung im Labyrinth mit ihren Ausgängen in Atrophie und 
Degeneration entwickeln können, vielmehr wurden die Nervenstämme 
nebst ihren Endausbreitungen im inneren Ohr, sowie dessen häutige 
Gebilde einschliesslich der Lamina basilaris membranacea und des Corti- 
schen Organs normal gefunden. Im Ganzen sind mithin die durch 
eine einmalige Durablutung im Labyrinth gesetzten Alterationen so 
wenig schwere, dass sowohl anatomisch eine Restitutio ad integrum 
als ein völliges Wiederverschwinden der Functionsstörnngen für nicht 
unmöglich angesehen werden darf. Blau. 



78. 

E. Steinbrügge, lieber ein eicenthümliches Verhalten des Pflasterepithels der 
endolymphatischen Räume des Menschen. (Z. f. 0. X. 2. S. 109.) 

Moos und Steinbrügge fanden bei ihren Labyrinthuntersu- 
chungen in den Zellen des Pflasterepithels der endolymphatischen 
Räume, namentlich wenn die Präparate mit Osmiumsäure behandelt 
waren, ausser dem homogenen Kern häufig ein zweites Gebilde, wel- 
ches aus einer grösseren Anzahl dunkelrandiger, stark lichtbrechender 
Körnchen bestand, die ihrerseits entweder eine kugelförmige Gruppe 
bildeten, oder in unregelmässigen Figuren und^ehr zerstreut, bald 
nahe am Kern, denselben zum Theil umschliessend, bald in dem einen 
oder anderen Winkel des Zellenpolygons lagen. In den Epithelien 
der perilymphatischen Räume zeigten sich derartige Körnchenbildun- 
gen nicht, wohl aber waren sie in gleicher Weise bei normalem wie 
bei pathologischem Verhalten des Labyrinths vorhanden. Als Bildungs- 
stätte der Körnchen sind wahrscheinlich die Zellenkerne anzusehen, 
wenigstens schienen manche der letzteren aus ihrem homogenen Zu- 
stande in eine feine Körnung überzugehen und einzelne Zellen ent- 
hielten statt der zwei Gebilde nur die Körnchenkugel allein. Ueber 
ihre Bedeutung lässt sich noch nichts Gewisses aussagen, möglich 
dass sie den optischen Ausdruck einer chemischen Umwandlung des 
Zellen- oder Kerninhaltes darstellen, durch welche ein der Endolymphe 
eigenthümlicher Bestandtheil (Kalk, Fett?) geliefert wird.. Blau. 



79. 

Eugen Fränkel in Hamburg, Anatomisches und Klinisches zur Lehre von 
^n Erkrankungen des Nasenrachenraumes und Gehörorgans bei Lungen- 
schwindsucht. (Z. f. 0. X. 2. S. 113.) 

Verf. hat in 50 Fällen von Phthisis pulpionum post mortem den 
Nasenrachenraum und die Gehörorgane untersucht und daselbst 29 mal 



I 

I 



290 XXY. Wissenschaftliche Rundschau. 

pathologische Veränderungen gefunden. 13 mal betrafen diese den 
Nasenrachenraum allein, 8 mal waren nur die Gehörorgane ergriffen, 
während sich bei den übrigen 8 Leichen das Cavum pharyngonasale 
gleichzeitig mit dem Gehörorgane erkrankt zeigte. Die Nasenhöhle 
erwies sich dagegen stets als intact. 

Was zuerst die 13 Fälle von alleiniger Affection des Retronasal- 
raumes betrifft, so war in drei von ihnen die Phthisis an der Ent- 
stehung jener nicht betheiligt, es handelte sich nämlich nur um Cysten- 
bildungen in der R ose nmü 11 er 'sehen Grube, am Rachendach und 
in der Gegend der Tonsilla pharyngea. Wohl aber bestand in den 
übrigen 10 Fällen zwischen den Erkrankungen beider Organe ein 
ätiologischer Zusammenhang. Hier waren im Retronasalraum Ge- 
schwüre vorhanden, welche ihren grössten Durchmesser bald in sa- 
gittaler, bald in querer Richtung besassen, vielfach auf die Tuben- 
wülste übergriffen und einige Male bis auf den rauh anzufühlenden 
Grundtheil des Occiput herabreichten. Die Rachentonsille war 8 mal, 
die Tuben Wülste 7 mal in den geschwürigen Process hineingezogen ; 
complicirende Kehlkopf- oder Darmgeschwüre wurden nur bei einer 
Patientin vermisst. Die betreffenden Ulcerationen erschienen ihrer I 

Form nach bald mehr diffus und beschränkten sich dann in der Regel 
auf die oberen Schleimhautschichten oder sie waren circumscript und 
dann gewöhnlich kraterförmig vertieft. Ihr Grnnd bot fast immer 
ein wenig gereinigtes Aussehen dar, er erschien uneben und theils 
von granulationsähnliehen , vielfach wieder zerfallenen Wucherungen 
oder von gelbgrauen, bis stecknadelkopfgrossen Knötchen besetzt, 
stellenweise durch frische oder ältere punktförmige Ekchymosen roth' 
gesprenkelt und zumeist mit einem schmierig-eitrigen, grünlich-gelben, 
zäh anhaftenden Secrete bedeckt. Die Geschwürsränder waren zackig, 
wie angenagt und vielfach stark unterminirt^ oft sah man auch in 
ihnen die erwähnten graugelblichen Knötchen; die letzteren kamen 
femer zuweilen in der Umgebung der Ulcerationen vor und desglei- 
chen zeigten sieh hier mitunter Narbenstränge, die leistenartig pro- 
minirend und sich vielfach durchkreuzend der Geschwürsnachbarschaft 
ein eigenthümliches Aussehen verliehen. Tuberkel konnte Verf. bei 
der mikroskopischen Untersuchung dieser Partien niemals entdecken. 
Vielmehr liegt der Grund für das Zustandekommen der geschilderten 
Ulcerationen in einer massenhaften, bald mehr, bald weniger tief 
reichenden Zellen- und Kerninfiltration, durch welche die Gefässe 
comprimirt und in solcher Weise nekrobiotische Vorgänge veranlasst 
werden. Dass diese Geschwüre zur Heilung gelangen können, be- 
weisen, abgesehen von den analogen Erfahrungen im Larynx und 
Darmkanal die in ihrer Umgebung gefundenen Narbenstränge. — 
Ausser den bisher besprochenen zeigte sich in den Fällen des Verf. 
noch eine Reihe anderer Substanzverluste, welche vereinzelt auf oder 
in der Umgebung der Mucosa der Tuben wülste vorkamen, flach, kreis- 
rund, scharf gerändert und nicht über llnsengross erschienen und den 
sogenannten aphthösen oder Erosionsgeschwüren in Kehlkopf- und Luft- 
röhre der Phthisiker äusserst ähnlich waren. Ueber ^ihren Entwick- 
lungsmodus vermag er keine Angaben zu machen. Dagegen entsteht 



XXY. Wissenschaftliche Rundschau. 291 

eine dritte Form von Ulcerationen im Retronasalraum ans den hier 
nicht selten zu beobachtenden Retentionscysten , welche durch den 
Druck des erwähnten Zelleninfiltrats auf die Drüsenausftthrungsgänge 
hervorgerufen, vereitern, bersten und auf solche Weise zur Geschwflrs- 
bildung ftthren. — In klinischer Hinsicht macht Pranke 1 darauf 
aufmerksam, dass die Ulcerationen im Nasenrachenraum manchmal 
schon zu einer Zeit vorhanden sind, wo sich in den Lungen nur 
geringgradige Veränderungen nachweisen lassen, während sie sich 
meistentheils allerdings erst zu einer schon entwickelten Phthisis hin- 
zuzugesellen pflegen. Sie verlaufen ferner unter Umständen latent 
und werden erst durch die anatomische Untersuchung entdeckt; in 
anderen Fällen dagegen bewirken sie durch ihre Anwesenheit höchst 
unangenehme, die Hauptklage solcher Patienten bildende Schmerz- 
empfindungen, als deren Sitz auch nicht selten das (selbst nicht er- 
krankte) Ohr angegeben wird. — Therapeutisch empfiehlt Verf. ausser 
den narkotiscjien Einpinselungen, die aber häufig im Stiche lassen, 
eine 1 procentige Lösung von Kreosot, dasselbe in gleichen Theilen 
von Spiritus und Glycerin gelöst. Nützlich erwies sich gegen die 
Schmerzen auch zuweilen die Application von absolutem Alkohol auf 
die Geschwüre und subcutane Injectionen mit einer 2V2 procentigen 
Earbolsäurelösung, wo man dann die Einstichstelle in die Gegend 
des Eieferwinkels verlegen muss. 

Erkrankungen des Gehörorgans allein wurden , wie schon oben 
gesagt, in 8 Fällen gefunden. Zweimal handelte es sich um eine 
chronische eitrige Mittelohrentzündung mit Caries, welche letztere be- 
sonders bei dem einen Patienten eine sehr grosse Ausdehnung erreicht 
hatte. Ob hier die Lungenphthise oder die Affection im Ohr, aller 
Wahrscheinlichkeit nach eine käsige Entzündung der Paukenhöhlen- 
schleimhaut, das primäre Leiden gewesen war, Hess sich nicht eruiren ; 
ausgeschlossen ist die Möglichkeit nicht, dass die Ohrenerkrankung 
erst den Anlass für die Entstehung der Phthise gegeben hatte. Von 
den übrigen 6 Beobachtungen betreffen 4 solche von schleimigem, 
resp. schleimig-eitrigem Mittelohr katarrh, 2 von Sklerose der Pauken- 
höhlenschleimhaut mit Bildung zahlreicher Synechien. Einen directen 
ursächlichen Zusammenhang dieser Affectionen mit der Phthisis nimmt 
Verf. nicht an, doch stimmt er v. Tröltsch darin bei, dass in der 
Lungenschwindsucht ein disponirendes Moment sowohl für das Auf- 
treten von trockenen als mit Bildung eines schleimigen Exsudats ein- 
hergehenden Mittelohrentzündungen zu suchen ist. 

In 8 Fällen war die Erkrankung des Gehörorgans mit einer 
Bolchen des Cavum pharyngo- nasale complicirt. Einmal bestand eine 
eitrige Otitis media mit Caries der Labyrinthwand und der Gehör- 
knöchelchen, die Schleimhaut des Nasenrachenraumes war scharlach- 
roth und von zahlreichen Ekchymosen durchsetzt. In 3 weiteren Be- 
obachtungen waren trockene Mittelohrkatarrhe mit reichlicher Syne- 
chienbildung vorhanden und es fanden sich daneben zweimal Cysten 
in der Gegend der Rosenmü Herrschen Grube, resp. der Rachen- 
tonsille, einmal eine fleckige Extravasation am Rachendach. Endlich 
handelte es sich noch viermal um schleimige kittelohrkatarrhe , die 



292 XXY. WiBteosduifiliehe Rondgclian. 

bei zwei Knuiken doppelfleitig» bei iwei anderen einseitig waren und 
einmal zn einer Zeratömng des einen Trommelfells gefihrt hatten; 
im Betronasalranm zeigten sich einmal auf das Baehendach, einmal 
anf die Gegend der Rosenmflller'sehen Gmbe beschränkte Narben- 
stränge y zwischen denen die Sehleimhant laeonenartig yertieft war^ 
während in den beiden anderen Fällen Clcerationen der beschriebenen 
Art uch constatiren Hessen nnd zwar in dem einen ein tief krater- 
f5rmiges, bis dicht an den Knochen heranreichendes Geschwür in der 
Gegend der BachenUmsille , in dem zweiten oin sehr aosgedehnteri 
sich bis an beide Tnbenostien erstreckender Sabstanzverlnst 

Blau. 

80. 

/. A. Spalding in Portland (Maine), DipUtcnsis binanralis. Eine Selbst- 
beobachtimg. (Z. f. 0. X. 2. S. 143.) 

Patient, schon seit vielen Jahren mit einem chronischen Mitfei- 
ohrkatarrh nnd mit Klingen nnd Brausen behaftet, bemerkte, als er 
eines Nachmittags um 4 Uhr während einiger Minuten mit dem linken 
Ohre dem Lärm einer in einer Schuhwaarenfabrik benutzten Maschine 
ausgesetzt gestanden hatte, plötzlich in beiden Ohren ein. Gefühl von 
Völle, sowie unmittelbar darauf ein Klingen nnd leichten Schwindel. 
Das klingende Geräusch schien die Höhe von g' zu haben nnd glich 
dem fernen Pfeifen einer Locomotive. Politzer 's Verfahren milderte 
die Völle im Ohr, hatte aber auf die übrigen Erscheinungen keinen 
Einfluss. Die Diplacusis äusserte sich darin, dass die auf der Flöte 
angegebenen Töne g'', gis'', a'' und ais'' im rechten Ohre normal, 
links dagegen um eine kleine Terz höher percipirt wurden. Fis'' 
und h'' wurden beiderseits gleich gehört. Beim Singen der erster- 
wähnten Noten schienen die falschen Töne, links um eine Octave 
höher als die Stimme zu liegen. Die Stimmgabel a' gab keine falschen 
Töne im linken Ohr, ausgenommen wenn sie sehr stark angeschlagen 
und anf den rechten Warzenfortsatz gesetzt wurde. Dagegen wuirde 
sie während der Dauer der Diplacusis von der Stirn und den Zähnen 
aus lauter im rechten Ohr, anstatt sonst links lauter vernommen. 
Die Hörschärfe erwies sich gegen früher unverändert. An demselben 
Abend um 1 1 Uhr wurde der falsche Ton beim Blasen von g'' nicht 
mehr beobachtet, wohl aber bei gis", a'', ais'' und jetzt auch bei h''. 
Das Brausen rechts war verschwunden. Am nächsten Morgen zeigte 
sich keine Spur der Diplacusis mehr, Patient war gesund bis auf 
die Störungen, an denen er schon von früher her gelitten hatte. 

Blau. 



81. 

Edward T, Ely in Kew-Tork, Haattransplantation bei chronischer Eiterang 
des Mittelohres. (Z. f. 0. X. 2. S. 146.) 

Verf. hat seit dem Juni 1878 in 9 Fällen von chronischer Mittel- 
(Areiterung Versuche mit der Hauttransplantation gemacht. Bei sechs 



XXY. Wissenschaftliclie Rundschau. 293 

Kranken war das Trommelfell nahezu Yollständig zerstört, der Aus- 
fluss gering oder ganz fehlend, die Paukenhöhlenschleimhaut mehr 
weniger verdickt und granulirend. Auf diese letztere wurden nun 
kleine, dem Vorderarm entnommene Hautstückchen übertragen. In 
zwei anderen Fällen, in denen noch eine grössere Partie normalen 
Trommelfells erhalten war, wurden die Perfbrationsränder durch Ab- 
schaben angefrischt und ein Stückchen Haut darüber gelegt. Verband 
mit Borwatte, deren oberflächliche Schichten nach 24 Stunden entfernt 
wurden, während die tiefste liegen blieb, bis sie durch Secret miss- 
farbig geworden war. Der Verband wurde den Umständen nach 
einige Tage lang wiederholt. Die Operation rief weder Schmerz noch 
Unbehagen hervor, verursachte aber immer Ausflnss. Ihr Erfolg 
war bis jetzt noch kein glänzender, indem meist nach einigen Tagen 
Nekrose der Hautstückchen eintrat; doch behielten dieselben auch 
einige Male Leben und es schien von ihnen eine Anregung zur Nar- 
benbildung auszugehen. Blau. 



82. 

E. Cressrvell Bdber, M. B. (London), Wundarzt der Brighton und Sassex 
Dispensir-Anstalt für Schlund- und Ohrkrankbeiten. Notiz über die Stimm- 
gabel bei der Diagnose der Ohrkrankheiten. (Laneet 9. April ISSl.) 

In Verfolg eines Vortrages von Knapp über Knochenleitung 
in der amerikanischen otologischen Oesellschaft sieht sich B. veran- 
lasst, die von Knapp nicht erwähnte, übrigens schon vor B. con- 
statirte (vgl. Hensen, Physiologie desOehörs. S. 27. Ref.) Thatsache 
hervorzuheben, dass man eine auf die Mittellinie des Schädels gesetzte 
Stimmgabel in dem durch Fingerdruck oder anderweitig abgeschlos^ 
senen Ohre in gleichem Maasse mit der Zunahme des Druckes schwä- 
cher hört. Dies Verhalten findet sich bei Normalhörenden gewöhnlich, 
aber nicht ausnahmslos. Als Grund desselben nimmt auch er die dislo- 
cirende Wirkung auf das Trommelfell und die Knöchelchenkette in An- 
spruch. Ob jene durch den gesteigerten Druck auf die Labyrinthflüs- 
sigkeit, resp. die Nervenendausbreitung oder durch Beeinträchtigung 
der Schwingungen der Knöchelchen zu dem Resultate Veranlassung 
gibt, erscheint ihm zweifelhaft. Seine Annahme, dass dabei auch die 
mittelbar beeinträchtigte Knochenleitung der Schädelknochen eine 
Rolle spielt, ist nach Hensen 1. c. S. 27 (»Die Ansicht einer dlrecten 
Uebertragung der Schallwellen von den Kopf knocken auf das Laby- 
rinth kann nicht aufrecht erhalten werden *') allerdings nicht zulässig; 
es ist aber nicht zu leugnen, dass im Hinblick auf die grosse Schwie- 
rigkeit der Auffindung physiologischer Gesetze für das Verhalten des 
Gehörs, die von B. zur Unterstützung seiner Ansicht citirte That- 
sache, dass man bisweilen nach Luftdouche oder Paracentese die vor- 
her vermisste Knochenleitung wiederkehren sieht, der Beachtung nicht 
unwerth erscheint. Seine Hypothese, dass die durch die alterirte 
Spannung der Knöchelchenkette mittelbar gestörte Schallleitung der 
Schädelknochen die jeweilig beobachtete Thatsache des nicht lauter 
Hörens der Stimmgabel, trotz unzweifelhafter Mittelohraf- 



294 XXV. Wissenschaftliche Rondschaa. 

fectioiiy erkläre, erscheint nicht berechtigt. Näher liegt doch 
jedenfalls die Voraussetzung, dass die in solchen Fällen zu präsumi- 
rende Parese des Acusticus das fragliche Verhalten yermittelt 

Jacobj. 

83. 

Fr, B. Bosworth (New-Tork), Nasal -Stenose. (Elsberg's Archiv derLaryn- 
gologie. U. 2. S. 110. New-Tork. I.April 1881.) 

B. bespricht die Stenose, so weit sie durch Hypertrophie der unte- 
ren Muschel veranlasst wird, zählt zunächst die bekannten mit dem 
fraglichen Namen belegten pathologischen Veränderungen und Sym- 
ptome auf, und hebt mit Recht hervor, dass nur die operative Ver- 
kleinerung dieselben zu beseitigen im Stande ist. In einem kritischen 
Discurse über die zu diesem Zwecke angewandten Mittel (Escharotica, 
Zange, .Messer, Compression mit Hülfe von Bougietf oder Wieken), 
der wesentlich neues nicht bietet, entscheidet er sich schliesslich für 
die Galvanokaustik, als die für den fraglichen Zweck in jeder Rich- 
tung zweckmässigste und beste Methode. Von sonstigen Aetzmitteln 
bevorzugt er das Acidum aceticum glaciale, das er mit Hülfe einer 
zunächst mit Baumwolle armirten Sonde applicirt. Unmittelbar nach 
der Application lässt er durch Spray eine Lösung von Carbolsäure 
(8 Gran), doppeltborsaures und doppeltkohlensaures Natron ana 12 Gran, 
Glycerin 1 Unze und Wasser 8 Unzen auf die cauterisirte Fläche 
einwirken ; eine Mischung, die nicht nur neutralisirend, sondern auch 
schmerzstillend wirken soll. Die reactive Schwellung ist angeblich 
nach drei Tagen geschwunden. In der Regel sind zwei oder drei 
Applicationen erforderlich. — Nur die gleichzeitige Reizung der tiefe- 
ren, nicht cauterisirten Partien, resp. die Anregung eines, dem frühe- 
ren pathologischen Processe entsprechenden soll die Essigsäure mit 
sonstigen chemischen Aetzmitteln gemein haben, aber doch in geringe- 
rem Grade. Für die Anwendung der galvanischen Glühhitze bedient 
er sich eines messerförmigen Instrumentes, das er zunächst durch den 
unteren Nasengang hindurchführt und mit dem er beim Herausziehen 
die hyperplastische Partie ein oder mehrere Male durchschneidet. Die 
solchergestalt stattfindende Zerstörung des erectilen Gewebes soll Re- 
cidive hintertreiben. Bisweilen muss das Verfahren nach 8 — 10 Tagen 
wiederholt werden. Jacoby. 

84. 

Br, W. H. Däly (Pitsburg), Nasenpolypeu. (Elsberg's Archiv der Laiyn- 
gologie. II. 2. S. 147.) 

Zunächst ein paar Notizen über histologische Verhältnisse und Sitz 
der Nasenpolypen, die wesentlich Neues nicht enthalten. Dann 7 Kran- 
ken- resp. Operationsgeschichten : I. Fall. Polypen in beiden Hälften 
der Nase, rechts ein gelatinöser vom Umfange einer kleinen Kastanie, 
der durch seinen Sitz am hinteren Abschnitt der unteren Muschel 
klappenartig die Respiration behindert; links mehrere kleine, nicht 



XXy. Wissenschaftliche Rundschau. 295 

gestielte am vorderen Ende der unteren Hnschel, complicirt mit chro- 
nischem Schlund- und Nasenrachenkatarrh. Periodische AnftUe von 
morgendlichem Niesen mit nachfolgender Erschöpfung und Kopf- 
schmerz. Zur Zeit stärkerer Entwicklung der Polypen: asthmatische 
Beschwerden. Fruchtlose Anwendung von Elektrolyse, Zange und 
Schlinge (! Ref.). Beseitigung durch Galvanokaustik; aber rechts 
am nächsten Morgen nach der Operation eine intensive Mittelohrent- 
zündung, die nach Paracentese noch sechswöchentliche Behandlung 
erforderte. 11 Monate nach der Entlassung links ein Recidiv, das 
abermalige Operation nöthig macht. 

II. Fair. Bei einem Geistlichen veranlasst ein rechtsseitiger Polyp, 
der sich bis in den Nasenrachenraum erstreckt, asthmatische Beschwer- 
den und die Nothwendigkeit , das Predigen zu unterlassen. Erfolg- 
reiche Anwenduüg der Galvanokaustik gegen die Basis des Polypen. 
Recidiv nach einem Jahre. 

III. Bisweilen bis zur Erschöpfung andauernde Niesanfälle und 
Beeinträchtigung im Essen und Trinken durch behindertes Nasen- 
«thmen. Entfernung eines linksseitigen Polypen von der Grösse einer 
kleinen Wallnuss und mehrerer kleiner rechterseits, zum Theil von 
der oberen Muschel entspringend. Verwendung der Galvanokaustik 
2ur Blutstillung. Kein Recidiv nach einem Jahre. 

IV. Ein paar feste Polypen von der Grösse einer kleinen Wall- 
Quss, galvanokaustisch in einer Sitzung entfernt. Im V. Falle Zerstö- 
rung von hochgradiger Verdickung des hinteren Endes der unteren 
Muscheln und der verdeckten Circumferenz eines Ost. phar., auf gal- 
vanokaustischem Wege in drei Sitzungen innerhalb zehn Tagen. Ge- 
legentlich der letzten Operation in Folge beiläufiger Verletzung des 
Ost. phar. Mittelohrentzündung. Entlassung mit wesentlich freierer 
Nase und namhafter Hörverbesserung. Im VI. Falle, bei einem 
16 jährigen Mädchen theils breit an der hinteren Pharynx wand, theils 
mit Stiel im Umfange des pharyngealen Tubenostiums, mit erheb- 
licher Schwerhörigkeit verbunden. Wucherungen. 3 Monate ( ! Ref.) 
vergeblich elektrolytisch, dann erst galvanokaustisch behandelt; mit 
nicht unerheblicher Hörverbesserung entlassen. Im VII. Falle , bei 
•einem 25 jährigen Manne Befreiung der beidseitigen Nasengänge von 
verstopfenden Polypen und Abtragung der vergrösserten Rachenmandel 
mittelst Schlinge, mit sehr befriedigendem Erfolge bezüglich des Na- 
senathmens etc. — Beim VIII. Fall wird nur hervorgehoben, dass 
Patient durch Uebung gelernt hatte, mit seiner Zunge den Nasen- 
rachenraum zu palpiren. Schliesslich einige Bemerkungen über die 
Verwendung des Zeigefingers der nicht operirenden Hand zur Adapti- 
rung etc. des Instrumentes; über die Nothwendigkeit mit Pausen zu 
cauterisiren, in diesen sich eventuell durch Besichtigung zu überzeugen, 
den Patienten etwas nach vorn sich neigen und gegen den Finger 
des Operateurs pressen zu lassen, um den Kopf zu fixiren und die 
expulsive Thätigkeit der Gaumenheber zu überwinden. 

Jacoby. 



296 XXV. WissenschaftUche Randschau. 



85. 

Dr. med. William C. Jarwis, New- York, Pathologie und chirnr^che Be- 
handlang des hypertrophischen Nasenkatarrhs. (Eisberges Archiv für La- 
ryngologie. IL 2. 159.) 

Das reiche Beobachtungsmaterial der Halsklinik des Bellevae- 
Hospitals veranlasste J. zu speciellem Studinm tlber chronischen Nasen- 
katarrh nnd zur Erfindung eines Drahtschlingen Ecraseurs, die be- 
sonders günstigen Erfolge mit Hülfe des letzteren znr Mittheilung 
seiner Resultate. — Indicirt hält er chirurgisches Einschreiten gegen 
Hypertrophien der Nasenschleimhaut insbesondere der unteren Muschel 
wenn sie asthmatische Beschwerden oder Beeinträchtigung des Nasen- 
athmens veranlassen. — Am häufigsten ist nach seiner Beobachtung 
die Hypertrophie des hinteren Abschnittes der unteren Muschel, eine 
Thatsache, die er sich aus der grossem Schlafifheit der Schleimhaut- 
falten und der grösseren Reichiichkeit venöser Gefässe an dieser 
Stelle erklärt. Seine Beobachtungen beziehen Bich vorzugsweise auf 
diesen Abschnitt der Schleimhaut. Wenn er in Fällen, wo die Rhi- 
noskopia post. sich nicht anwenden lässt, aus der Nähe oder Entfer- 
nung eines hohen Nasenexspirationsgeräusches diagnostische Schlüsse 
auf den Sitz des Hindernisses macht, so dürfte er mit viel grösserer 
Sicherheit zu diesem Zwecke die ZaufaTschen Nasentrichter ver- 
wenden (Ref.). In einzelnen (gewiss recht seltenen, Ref.) Fällen hat 
er Schwerhörigkeit bei Vergrösserung des fraglichen Schleimhaut- 
abschnittes ohne gleichzeitigen Mittelohrkatarrh bestehen und bald 
nach Entfernung der hyperplastischen Partie verschwinden zu sehen 
Gelegenheit gehabt. — Als Instrumente benutzt er einen Drahtschlin- 
genecraseur, ein mit einem Zuugenspatel combinirtes Rhinoskop und 
ein paar A-förmige Vorrichtungen zur Befestigung des um den wei- 
chen Gaumen gelegten Bandes. — Der Ecraseur besteht aus zwei 
Metallcanüleu , einer grösseren, biegsamen, sechs Zoll langen, und 
einer kleinen, vierzölligen , frei auf dem Theil der Hauptcanüle be- 
weglichen, welche dem Operateur am nächsten ist. Die Oberfläche 
der Hauptcanüle, welche von der secundären eingenommen wird, ist 
mit einem Gewinde versehen, um mit Hülfe einer sogenannten Nuss 
Bewegung zu ermöglichen. Der durch die Hauptcanüle geführte 
Draht wird an ein paar Retentionsknöpfen an^ Ende der kleinen 
Ganüle befestigt. Diese ist an der, der grösseren entsprechenden 
Fläche leicht gezahnt, um die Drehung derselben zu verhüten und 
der Tendenz des Drahtes sich zu winden und von der Geschwulst 
abzuweichen entgegenzuwirken. Die Nuss bewegt die Aussencanüle 
mit jeder von dem Operateur beliebten Geschwindigkeit. — '- Die Com- 
bination von Zungenspatel und Rhinoskop macht eine Hand für die 
Operation frei, zumal dem Spiegel durch ein Charniergelenk jede 
beliebige Stellung gegeben werden kann. — Die . Application der 
Schlinge ist bei Geschwülsten, die in den Nasenrachenraum hinein- 
reichen dadurch erleichtert, dass sich an ihnen, an der Grenze beider 
Räume gewöhnlich eine Einschnürung bildet. — Nachdem der Draht 
durch die Hauptcanüle geführt und um die Retendonsknöpfe gewun- 



XXY. Wissenschaftliche Bandschau. 297 

den ist, wird die Schlinge gebildet, unter Controlle des Rhinoskopes 
in eine passende Lage gebracht, und .in dieser durch einige Drehun- 
gen der Nuss befestigt. — Beim Zurtlckziehen der Schlinge, bezw. 
Durchschneiden der Geschwulst hat man langsam und absatzweise zu 
verfahren, um Schmerz und Blutung, die gewöhnlich sehr unbedeu- 
tend sind, zu vermeiden. Auf diese Weise hat J. Geschwülste der 
verschiedensten Grösse entfernt. — Glatt, fest und mit breiter Basis 
aufsitzende Verdickungen eignen sich für das Verfahren nicht. Hei- 
lung soll stets prompt erfolgen und Narbenconstriction Recidive ver- 
hüten. Zur Nachcur empfiehlt er bei Fortdauer reichlicher Secretion 
den Pulverisateur. Dass die Galvanokaustik bezüglich der Vermei- 
dung von Schmerz und Blutung weniger leistet ist ein Irrthum seiner- 
seits., Ausserdem schneidet die galvanokaustische Schlinge viel glatter 
als ein Ecraseur, wie er an jedem Glacehandschuh vergleichsweise 
studiren kann. Ein nicht gering zu schätzender Vorzug seines Ver- 
fahrens besteht darin, dass man mit Sicherheit die Schlinge in 
der erforderlichen Lage befestigen kann (Ref.). Jacoby. 



86. 

Bericht über die Verhandlungen der Boston med. Gesellschaft vom 20. Jan. 
1880. 

Dr. Green hielt einen Vortrag über das Audiphon und Denta- 
phon, in dem er der Gesellschaft auf Grund einer anatomisch-physio- 
logischen Skizze die Bedeutung der Schallleitung durch die Kopf- 
knochen im Vei'gleich zu der durch den Mittelohrapparat klar machte, 
die diagnostische Verwendung der Stimmgabel erörterte, und zum 
Schluss zu dem, den Specialisten schon bekannten Resultate kam, 
dass der Gebrauch des Audiphon oder Dentaphon nur in den seltensten 
Fällen und auch in diesen nur von sehr geringem Nutzen ist; des- 
wegen zwar, weil die Integrität der Endausbreitung des Acusticus 
höchst selten besteht neben hochgradiger pathologisch - anatomischer 
Beeinträchtigung des intratympanischen Apparates und weil auf Vor- 
aussetzung der ersteren die Wirksamkeit der fraglichen Apparate 
überhaupt beruht. Jacoby. 

87. 
Revue mensuelle de laryngologie, d*otologie et de rhinologie. 

Nr. 1. Januar 18S1. 

Dr. Moure erzählt einen Fall von recidivirender Furunkulose 
beider Gebörgänge, die, nachdem sie den Kranken, einen im allge- 
meinen gesunden Landwirth fast ein paar Jahr durch Schmerzen etc. 
geplagt hatte, unter Anwendung antiphlogistischer und ableitender 
Mittel und dem schliesslichen Gebrauche des Arseniks definitiv heilte. 

Nr. 2. Februar 1881. 

Dr. Noquet erzählte in dem Bulletin med. du Nord Nr. 10, 1880, 
dass sich bei einem 23jährigen Tischler von kräftiger Constitution 



298 XKY. Wissenschafdiche Rondschaa. 

am 13. Juni 1880 eine reichliche Blntnng aus dem linken Gehörgange 
eingestellt habe, ohne dass derselbe frtlher an Ausflnss aas dem Oe- 
hörgange gelitten hatte. Functionen fand N. das Ohr normal; bei 
Spiegelbesichtigang an der vorderen oberen Oehörgangswand in der 
Nähe des Trommelfells eine kleine warzenförmige Oeschwulst Yon 
rosiger Farbe , die die vordere Hälfte des Trommelfells zam Theil 
verdeckte und anf derselben einige kleine Blutgerinnsel, Perforations- 
geräusch durch V a l s a 1 V a 'sches oder Politzer 'sches Verfahren nicht 
zu entdecken, operative Behandlung abgelehnt. 

Kr. 3. März 1881. 

Unter der Ueberschrift: ,,£in Zeichen von Scrophulose " bemüht 
sich Dr. Baraton die von Dr. Paul in einer Sitzung der medic. 
Gesellschaft der Hospitäler als neu! bezeichnete Thatsache, dass nach 
Durchstechnng der Ohrläppchen bei Disponirten ein mehr weniger 
verbreitetes Ekzem sich entwickelt, durch literarische Citate als be- 
kannt und erwiesen darzuthun. Auch widerlegt er zum Schluss durch 
. Anführung entsprechender Beispiele die von Hinton und Knapp 
gegebene Erklärung der fraglichen Thatsache, welche dahin ging, 
dass die Schwere der Ohrringe die Entwicklung von Ekzem oder 
Fissur vermittle. 

Aus den Vorlesungen des Dr. Gel^.über normale und verglei- 
chende Anatomie, Entwicklungsgeschichte, Physiologie, Pathologie des 
Ohres und Behandlung der Ohrkrankheiten (im Buchhandel erschie- 
nen Paris 1881 bei Delahaye und Lecrosnier) gibt Baraton ein 
kurzes Resum6 der wichtigsten Kapitel, das wesentlich Neues nicht 
bietet. — Für den Katheterismus der Tuba empfiehlt er behufs siche- 
rer Auffindung des Ost. phar. die Entfernung der S^ina nasalis ant. 
inf. von dem abgerundeten Knochenvorsprunge zu berücksichtigen, 
von dem der Jochbogen entspringt, weil dieselbe gleich ist der bis 
zum Ost. phar. Nachdem er sie am Katheter markirt, erfolgt die 
Ausführung des Verfahrens ohne wesentliche Abweichung vom ge- 
wöhnlichen. Jacoby. 



88. 

Prof. Dr. A. Politzer (Wien), Behandlung der chronischen Mittelohreiterung. 
(Uorrespondenzblatt für Schweizer Aerzte. Jahrgang X. 1880.) 

A) Lufteintreibungen in das Mittelohr. Wo die gewöhnliche 
Luftdouche zur Hervortreibung von Secret nicht genügt, verwendet 
P. zeitweilig ein vorn abgerundetes Gummiröhrchen , durch welches 
er unter Benutzung eines Ballons besonders bei grösseren Perfora- 
tionen Luft in das Mittelohr treibt und Schleim aus demselben ent- 
fernt. Um solchen aus dem hinteren obern Trommelhöhlenabschnitt 
zu beseitigen, verwendet er. in analoger Weise ein leicht nach hinten 
und oben gebogenes 5 — 6 Cm. langes Röhrchen, namentlich da, wo 
es sich um dünnflüssiges Secret handelt. Gegen zähes zieht er die 
in gleicher Weise ausgeführten Einspritzungen vor. 

B) Ausspritzungen des Gehörganges. Gewöhnlich bedient sich 



XXY. Wissenschaftliche Bundschau. 299 

Politzer einer Borsäurelösung (Messerspitze Pulver auf 0,2 Liter 
Wasser). Bei profuser blennorrhoischer Secretioo, welche die medi- 
camentöse Behandlung vom äusseren Oehörgange aus unmöglich macht, 
bedient er sich eines Zusatzes von 4 — 5 Tropfen Oleum Terebinth. 
zu 0,2 Liter warmen Wassers, für 2 — 3 mal tägliche Einspritzungen, 
deren Wirkung er sehr rühmt. 

C) Herausbeförderung eingedickter Massen aus dem Mittelohr. 
Hierzu verwendet Politzer gleichfalls das sub A erwähnte, 5 bis 
8 Cm. lange, 4 Mm. weite, vorn abgerundete Gummiröhrchen, dessen 
unteres trichterförmiges Ende auf den Spritzenansatz aufgesteckt wird. 
Dasselbe wird 2 Cm. tief in den Oehörgang eingeführt. Bei Ver- 
engerung des Gehörganges benutzt er an Stelle desselben ein 5 bis 
6 Cm. langes elastisches Paukenröhrchen zum Einschieben durch die 
Perforationsöffnung. Besonders geeignet ist die Anwendung kurzer 
dünner Röhrchen auch zur Entfernung eingedickter Secrete aus dem 
jenseits der perforirten Shrapneirschen Membran gelegenen Räume 
oder bei partiellen Verlöthungen des Trommelfelles mit der inneren 
Trommelhöhlenwand. — Dass P. Durchspritzungen purificirender etc. 
Flüssigkeiten mittelst Katheters durch die Tuba auf die Fälle be- 
schränken will, wo wegen Verengerung des Gehörganges von diesem 
aus die Reinigung unausführbar ist, ist auf Grund vielfacher Erfah- 
rung über den unzweifelhaften Nutzen derselben nicht berechtigt. 
Wo das Spritz wasser aus dem Gehörgange ström weise abfliesst, kann 
man auf die heilsame Wirkung des fraglichen Verfahrens mit Sicher- 
heit rechnen, um so mehr zwar^ je reichlichere Quantitäten Flüssigkeit 
und je consequenter man aie verwendet. Schwindel kommt bei solchen 
Einspritzungen fast niemals vor. Für Einspritzungen in das Antr. 
mastoid. von einer hinteren Trommelfellperforation aus wären die 
Toynbee 'sehen von Schwartze modificirten Röhrchen, weil viel- 
fach bewährt, erwähnenswerth gewesen (Ref.)« Jacoby. 



89. 

Prof. Dr. A, Politzer, Fulverbläser neuer Construetion. (Wiener med. Wo- 
chenschrift. Nr. 47. 1880.; 

Durch den unteren Theil eines mit einem Deckel verschliessbaren 
Pulverbehälters (4 Cm. hoch, 2 V2 Cm. breit) verläuft ein Kanal zur 
Aufnahme einer Röhre. Diese enthält an einer Seite eine Oeffnung, 
welche in ihrer Lage und Grösse einem Loche am Boden des Be- 
hälters entspricht. Nachdem durch Klopfen auf letzteren etwas Pulver 
in die Röhre befördert worden, dreht man dieselbe entsprechend den 
beiden Marken des Instrumentes um die Längsaxe. Hierdurch wird 
die erwähnte Communication aufgehoben. — Das Einblasen des Pul- 
vers in den Gehörgang wird entweder durch einen kleinen Ballon 
oder eine Gummiröhre mit Mundstück besorgt. Der Nutzen dieses 
Instrumentes soll in Zeitersparniss beruhen. Jacoby. 



300 XXY. Wigsenschaftliche Rondscliaa. 

90. 

Prof, Br, A, Politzer, Ein kleines Instrument für Schwerhörige. (Wiener 
med. Wochenschrift Nr. 18. 1881.) 

Die CoDstruction des Instrumentes beruht auf der durch P. ex- 
perimentell nachgewiesenen Thatsache, dass die von der Concha re- 
flectirten Schallwellen sich vorzugsweise in der von dem Tragus durch 
sein Vorspringen nach hinten gebildeten Mulde sammeln , und von 
hier aus in den Gehörgang geworfen werden ; und dass eine bedeutende 
Schaliverstärkung stattfindet, wenn die Fläche des Tragus durch An- 
legen einer kleinen festen Platte nach hinten vergrössert wird. Da 
nun nicht sämmtliche, in die Concha gelangenden Schallwellen in 
den bezeichneten Raum reflectirt werden, bezw. für das Gehör theil- 
weise verloren gehen, so soll das fragliche Instrument diesen Ver- 
lust verringern, also dem Gehörgang eine grössere Quantität Schall- 
wellen zuführen, als ohnedies der Fall wäre. — Aus rosafarbenem 
vulkanisirtem Hartkautschuk gearbeitet gleicht es der Form nach 
einem Jagdhorn mit schmalem, an der concaven Seite behufs Volu- 
menverminderung ausgeschnittenem, innerem und grösserem äusserem 
Ende. — Beim Einführen wird das letztere zuerst nach oben und 
dann nach hinten gegen die Concha gerichtet. Für die verschiedenen 
Grössen des Gehörganges gibt es drei verschieden grosse Instrumente. 
Die stärkeren Instrumente sind 2V2 Cm. lang und haben an der 
inneren Oeffnung 5, an der äusseren 12 Mm. im Durchmesser. — 
Günstige Wirkung hat das Instrument, wenn der Schall gegen das 
Gesicht des Schwerhörigen gerichtet ist; beim Einfallen desselben von 
der Seite her findet eher eine Hemmung der Perception statt. — Bis 
jetzt hat P. das Instrument bei 115 Schwerhörigen verwandt, von 
denen ein Drittel die Sprache (en face und bei gegen den Boden ge- 
richtetem Blicke) vor der Einführung des Instrumentes auf V4 — V2 M. 
vernahm, die übrigen progressiv bis zu 2V2 M. — In 32 Fällen hatte 
das Instrument keinen, in 12 sogar einen verschlechternden, bei allen 
übrigen einen mehr weniger bessernden Einfluss bis zum Doppelten 
der früheren Hörweite und darüber. Jacoby. 



91. 

Dr. Weil, Ohrenarzt in Stuttgart, Ueber Ohreneiterung und ihre Behandlung. 
.(Betz, Memorabilien. 1881. 2. Heft.) 

I. Bei einem jungen Mädchen mit linksseitiger chronischer 
Otorrhoe wurde wegen Mastoidalaffection die operative Eröflfhung mit 
dem Meissel vorgenommen. Die vorhandenen Symptome ermässigten 
sich, aber einige Tage nachher erfolgte der Tod. Section ergab: 
Im Receptaculum cerebelli freien, gut aussehenden Eiter, graugelbe 
Entfärbung der Dura mater in der Umgebung des Sulcus transversus 
sin.; im linken Kleinhimlappen einen wallnussgrossen Abscess, der 
nach unten in die Gehirngrube durchgebrochen ist. Trommelhöhle voll 
Granulationen, Hammer und Ambos fehlt ; Trommelfell zum grössteu 
Theil zerstört; im Antrum mast. Granulationen; von hier aus der 



XXV. Wissenschaftliche Rundschau. aOl 

Knochen bis znr Peripherie und bis zum Snlcus transversus stark 
verfärbt. — 

IL Ein älterer Herr mit reichlicher linksseitiger Otorrhoe, die 
schon einige Zeit gedauert hatte, hat spontan und bei Druck starke 
Schmerzen am Proc. mast. Auf Anwendung von Politzer 's Ver- 
fahren, Reinigung und Einstäubung mit Borsäure ermässigten sich 
die Symptome. Am 10. Tage der Behandlung diffuse Kopfschmerzen, 
drei Tage nachher Tod. Section: Eitrige Meningitis als Folge von 
Caries des Felsenbeines, bezw. der Decke des Antrum mast. Der 
Process in der Paukenhöhle war beinahe abgelaufen. Wenn Weil 
zum SchlusET sagt, dass die üblen Ausgänge der Mittelohreiterung 
nicht häufig seien, so stimmt dies mit dem, was innerhalb der letzten 
Jahrzehnte in der Literatur verzeichnet ist, nicht überein, noch we- 
niger wahrscheinlich mit dem Verhältniss, wie es sich in der Wirk- 
lichkeit gestaltet. Ebenso wenig dürfte es schon gerechtfertigt er- 
scheinen, von der Borsäure zu behaupten, dass sie zur Heilung chro- 
nischer Mittelohreiterung ausgezeichnetes leistet (Ref.). Jacob y. 



92. 

Dr, Weil in Stuttgart, Gircumscripte desquamative Entzündung des äusseren 
Gehörganges. (M.f.O. 3. 1881.) 

Bei einem Manne von 56 Jahren, der zur Zeit der ersten Con- 
sultation über intensive Schmerzen im linken Ohre und der gleich- 
namigen Eopfhälflie klagte, die in progressivem Fortschritt seit acht 
Wochen bestanden, zeigt sich ein sich derb anfühlender Polyp, der 
das Lumen des Gehörganges verlegt und an der vorderen Wand des- 
selben, bezw. am Uebergange des knorpligen in den knöchernen Theil 
mit breiter Basis aufsitzt. Hinter und neben demselben vorbei sieht 
man weisse Massen, epidermisähnliche Zellen (nach Maassgabe mikro- 
skopischer Untersuchung), deren Ausspritzung nicht gelingt. Gleich- 
zeitig bestand eine leichte linksseitige Facialisparalyse. Nach mecha- 
nischer Entfernung des Gehörgangsinhaltes dauerte die Secretion noch 
etwa acht Tage. Perforationsgeräusch war bei Katheterismus nicht 
zu entdecken. — Was sich Weil dabei vorstellt, wenn er unter «o 
bewandten Umständen die Facialisparalyse, die allmählich zurückging, 
als Folge einer Stauung ansieht, ist nicht ersichtlich (Ref.). 

Jacoby. 

93. 

Dr, Weil in Stuttgart, Beitrag zur Lehre von der Aetiologie der Retropha- 
ryngealabscesse. (M. f. 0. 3. 1881.) 

Bei einem an beidseitiger fötider Otorrhoe leidenden Kinde fand 
sich hochgradige Dyspnoe; als vermeintlichen Grund derselben ent- 
deckte Weil eine prallgespannte, nicht fluctuirende Geschwulst an 
der hinteren Rachenwand. Nach Incision derselben und reichlicher 
Eiterentleerung verschwand die Dyspnoe, kehrte aber wiederholt zu- 

ArchiT f. Ohrenheilkiinde. XYII. Bd. 20 



302 XXV. Wissenschaftliche Rundschau. 

rück und wich zuletzt dem angewandten Mittel (Incision) nicht mehr. 
Als Grund derselben nahm man jetzt secundäres Glottisödem an. — 
Den Tag nach der dritten Incision starb das Kind. Die Section be- 
stätigte den vermutheten Grund der Dyspnoe. — Beide Trommel- 
höhlen waren mit Eiter erfüllt. — Die Entstehung des retropharyn- 
gealen Abscesses glaubt Weil auf die Mittelohreiterung, bezw. die 
Resorption eitriger Elemente in die Lymphgefässe, die Erregung einer 
DrüscBcntzündung und Vereiterung derselben zurückführen zu dürfen. 
Er vermuthet, dass ein solcher Zusammenhang häufig stattfindet. 

Jacoby. 



LITERATUR. 

1881. 

1. Walb — Zar Behandlung der Mittelohreiterung. Deutsche med. 

Wochenschrift. Nr. 31, 32. 

2. Bezold — Vierter Bericht aus der Privatheilanstalt für Augen- 

und Ohrenkranke in München. Aerztliches Intelligenz -Blatt. 
Nr. 26. 

3. Lange — Sur Pemploi de la m^thode galvanocaustique dans le 

nez et le pharynx. Copenhague. 

4. Knapp — Höllensteinbehandlung des Ekzems des Ohres. Zeit- 

schrift f. 0. X. 3. 

5. Schwabach u- Pollnow — Die Ohrenkrankheiten der Loco- 

motivführer und Heizer, ibid. 

6. Loewenberg — Untersuchungen über Auftreten und Bedeu- 

tung von Coccobacterien bei eitrigem Ohrenflusse etc. 1. Ca- 
pitel. ibidem. 

7. De Rossi — lieber die Anwendung des Resorcin bei Ohren- 

kranken, ibidem. 

8. 0. Wolf — Mittheilungen über die nekrotische Exfoliation der 

Gehörknöchelchen, ibidem. 

9. Brunner — Kleinere Mittheilungen : a. Complete Taubheit nach 

Fall gegen die Stirn, b. Commotio labyrinthi durch Stock- 
schlag auf die Ohrgegend, c. Durch Muskelaction hervorge- 
rufene Binnengeräusche im Ohr. ibidem. 

10. Gruber — üeber Verdichtung und Verdünnung der Luft im 

äussern Gehörgang als Heilmittel bei Ohrenkrankheiten. AU- 
gem. Wiener med. Ztg. Nr. 1 u. 2. 

(Den Nachlass subjectiver Ohrgeräusche durch Luftver- 
dünnung im äusseren Gehörgange bezieht Gruber auf Ent- 
lastung des Labyrinths und die Depletiön der Labyrinthgeftsse.) 

11. Gruber — Ueber einige neuere Behandlungs weisen des Ohren- 

flusses. Allg. Wiener med. Ztg. Nr. 28, 29, 30. 

12. Charles Sedgwick Minot — Vergleichende Morphologie 

des Ohres. Amer. Journal of otology. Vol. lü, 3. 

13. Spencer — Schwindel und Mittelohrerkrankung, ibidem. 

14. Blake — Behandlung des Othaematom mittelst Massage, ibidem. 



304 Literatur. 

15. Spear — Neues und einfaches Verfahren zur Entfernung von 

Fremdkörpern, ibidem. 

16. Burnett — Fall von wahrscheinlich syphilitischer Taubheit auf 

einem Ohr. ibidem. 

17. Schell — 3 Fälle von Warzenfortsatzkrankheiten bei Kindern. 

ibidem? 

18. Bück — Plötzlicher und vollständiger Verlust des Gehörs auf 

einem Ohr nach Mumps, ibidem. 



Druck von J. B. Uirsclifeld in Leipzig. 



1881. Frospeot IL 



VERLAG VON F. C. W. VOGEL in LEIPZIG. 

(NEW-YOBK bei E. B. TBXSAT. 757 Broadway.) 

Im October d. Ja. wird erscheiDOn: 

PHOTOGRAPHISCHER ATLAS 

DEB 

SYPHIUS DER HAUT 

VON 

Dr. GEOEÖE HENBY FOX in NEW-YORK. 

In deutscher Bearbeitung und mit Zusätzen versehen 

Yon 

db. albert neisseb 

DOCKST AH DBft ÜHIYBBSITXT LBIPZIO. 

48 colorirte photographisehe Tafeln 4<> 

nach der Natur, mit Text. 



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12 monatliche Lieferungen 

zu S Mark. 



Die nach dem Lebenden, auf eine neue, unvergängliche, photo- 
graphische Manier (,,Artotypie^O meisterhafk ausgeführten und von einem 
Schüler Hebra's (Dr. J. Gaebtneb) auf das Sorgfältigste mit der Hand 
colorirten Abbildungen geben characteristischC; vollkommen treue Bilder 
der SyphiUtisehen Eirankheiten. 

Der dem Atlas beigefügte Text bietet zugleich einen vollständigen, 
in sich abgeschlossenen GnmdriBS der Syphilislehre. 

Klinikern und Aerzten wird dieser Aflas der Haut-Syphilis, der 
nach der Beurtheilung hervorragender Deutscher Fachgelehrter und nach 
dem einstimmigen Urtheile der amerikanischen Facl\journale alle vorhan- 
denen ähnlichen Werke weit übertrifft, willkommen sein, um so mehr, als 
der angesetzte Preis (8 Mark pro monatl. Lieferung = complet 96 Mark) 
ein im Verhältniss zu der Ausstattung des Werkes niedriger ist. 

Monatlich werden 1 — 2 Lieferungen mit 4 Tafeln und Text erscheinen. 

Es kann aber der Tafel- Atlas, da die 48 Tafeln fertig vorlie- 
gen, auch schon nach Ausgabe der 2. Lieferung vollständig, 
zu dem Gesammtpreise von 96 Mk., durch jede Buchhandlung bezogen 
werden. Den dazu gehörigen Text liefert alsdann die Verlagshandlung 
nach Erscheinen der letzten Lieferung unberechnet nach. 

i^iPm, i.,- .88.. p_ ^_ ^_ ^^^^ 



1881. Prospect HL 



VEBLAG VON F. C. W. VOGEL in LEIPZia 

(NEW-YOSK bei XU B. TKBAT. 757 Broadway.) 

Im Januar 1883 wird erscheinen: 

PHOTOGRAPfflSCHER ATLAS 

DEB 

HAUT -KRANKHEITEN 

VON 

DK GEORGE HEMY FOX m NEW-YOEK. 

DEUTSCHE AUSGABE 

VON 

Db. alhebt neisseb 

Docairr ab dbb uviykbsitIt zjupzio. 

48 eoloirirte photographlsche Tafeln 4^ 

nach der Natur, mit Text. 



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1 2 monatliclie Lieferungen 

zu 8 Mark. 



Die, wie in Fox's Atlas der Syphilis, auch hier nach dem Lebenden, 
auf eine neue unvergängliche photographische Manier (,,Artotypie'0 
meisterhaft ausgeführten und von einem Schüler Hebra's (Dr. J.Gaertner) 
auf das Sorgfältigste mit der Hand colorirten Abbildungen geben 
characteristischey vollkommen treue Bilder der Hautkrankheiten. 

Den Tafeln ist der die Ej*ankheitsfälle behandelnde Text beigefügt. 

Klinikern undAerzten wird dieser Atlas der Hautkrankheiten, 
der nach der Beurtheflung hervorragender Deutscher Fachgelehrter und 
nach dem einstimmigen Urtheile der amerikanischen Fachjournale alle vor- 
handenen ähnlichen Werke weit übertrifft, willkommen sein, um so mehr, 
als der angesetzte Preis (8 Mark pro monatl. Lieferung = complet 96 Mark) 
ein im Verhältniss zu der Ausstattung des Werkes niedriger ist. 

Monatlich werden 1 — 2 Lieferungen mit 4 Tafeln und Text erscheinen. 

Die 48 Tafeln liegen fertig vor; es ist also das regelmässige 
Erscheinen der Lieferungen gesichert. 

Die 1. Lieferung (Tafel I — IV mit Text) wird schon im Octo- 
ber d. J. ausgegeben und werden dann Bestellungen auf den vollständigen 
Atlas der Hautkrankheiten von jeder Buchhandlung angenommen. 

LKIPZ.O, A^ .S8.. ^_ 



Verlag von F. C. W. VOGEL in Leipzig. 

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1881 wird in meinem Verlage erscheinen: 

HANDBUCH 

BEB 

HYGIENE 

UND DER 

GEWEßBEKRANKHEITEK 

Herausgegeben yon 

Dr. A. Baeb in Berlin, Dr. Ebismann in Moskau, Dr. G. Flüooe in Göttingen, 
Prof. J. FoBSTBB in Amsterdam, Prof. A. Gbigbl in Würzburg, Prof. F. Gbübbb in 
Wien, Prof. L. Hibt in Breslau, Prof. A. Hilgbb in Erlangen, Dr. A. Kükkbl in 
Würzburg, Dr. G. Mebkel in Nürnberg, Prof. v. Pbttbnkofbb in München, Dr. F. 

Bbmk in München, Dr. J. Soyba in München, Dr. A. Schüstbb in München, 
Dr. G. WdiiFFHüGEL in Berlin und Prof. H. y. Ziemssxn in München. 

Bedigirt toil 

Prof. Dr. H. VON ZIEMSSEN in München. 

3 Theile in 7 Abtheilungen. 

Erster Theil. 

/. Abthlg, EINLEITUNG. Prof. v. Pbttbmkopeb. — SPECIELLER THEIL. 

A. IndiYiduelle Hygiene« Ernährung, Nahrungsmittel von Prof. Fobstbb — 

Nahrungsmittelfölschung von Prof. Hilgbb. 
//. Abthig, Fermente voi^Dr. Flügge — Luft von Dr. Rbiik — Boden von Dr. Sotka 
— Kleidung von Dr. Bbnk — Wohnung von Dr. Flügge. 

Zweiter Theil. 

///. Abthlg, B. Sociale Hygiene. I. Grössere Gemeinwesen: Anlage von Ort- 
schaften von Dr. Flügge — Massenemährung von Dr. Wolffhügel — Abfuhr 
von Dr. EsisuAin? — Beerdigungswesen von ä*. Schüstbb. 

IF, Abthlg, TL Specielle sociale Einrichtungen: Schulen von Dr. Ebismann — 
Kasernen von Dr. Sohüsteb — Fabriken von Dr. Mebeel — Gefängnisse von Dr. 
Baeb — Krankenanstalten von Prof. v. Zlbmssen und Prof. Gbübbb — Oeffent- 
liche Bäder von Dr. Benk — Yerkehrsanstalten von Dr. Kunkel. 

V. Abthlg. C. Tolkskrankheiten von Dr. Sotka. 

VL Abthlg. ANHANG : Die Gewerbekrankheiten von Prof. Hibt und Dr. Mebkbl. 

Dritter TheiL 

ril. Abthlg. ALLGEMEINER THEIL von Prof. Geigbl. 

Dieses, unter der Redaction der Herren Professoren v. ZIEMSSEN und 
y.PETTENKOFER von den anerkanntesten Fachmännern herauszugebende, 
{\iT praktische Aerzte, Behörden^ Beamte öffentlicher Anstalten, Techniker , 
Bibliotheken etc. wichtige und unentbehrliche 

Handbiicli der Hygiene 

wird in 3 Theilen oder 7, sich rasch folgenden; Abtheilungen erscheinen. 

Jede Abtheilnng wird auch einzeln känflioh sein. 

Das Handbuch der Hygiene erscheint zugleich als Dritte nmgear- 
beitete Auflage des L Bandes von v. Ziemssen's Handbuch der 

Speciellen Pathologie und Therapie. 

Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen entgegen. 



MEDICINISCHER VERLAG VON F. C.W. VOGEL IN LEIPZIG. 

HANDBUCH 

DER 

ALLGEMEINEN THERAPIE 

bearbeitet von 

Prof. J. BAUER in München, Prof. F. BUSCH in Berlin, 

Prof. W. ERB in Leipzig, Prof. A. EULENBURG in Greifswald, Dr. C. FABER in 

Stuttgart, Prof. TH. jtTRGENSEN in Tübingen, Prof O. LEICHTENSTERN in 

Köln, Prof. C. LIEBERMEISTER in Tübingen, Prof. J. OERTEL in München, 

Dr. HERM. WEBER in London, Dr. W. WINTERNITZ in Wien und 

Prof. H. V. ZIEMSSEN in München. 

Herausgegeben 
Ton 

Prof. H. VON ZIEMSSEN in München. 

gr. 8. 4 Bände (in lo TheilenJ. Mit Holzschnitten. 1880. 1881. 



ERSTER BAND. 

LTbell. Einleitung Prof. v. Zibmssbn. 

Kranken - Diätetik, künstliche Ernährung, diäte- 
tische Heilmethoden etc 4Prof. J. Baubr. 

2. 3* Theil. Antipyretische Heilmethoden (Wärmeentziehung) Prof. Libbermrister . 
Antiphlogistische Heilmethoden, Allgem. Blut- 
entziehungen, Transfusion Prof. Th. Jürobnsbn. 

Percutane, intracutane und subcutane Arznei- 

application Prof. A. Eulenburo. 

4.Thetl. Respirationstherapie Prof. J. Oertbl. 

ZWEITER BAND. 

LTbeil« Klimatotherapie (incl. Höhenklima) .... Doct. H. Webbr. 

Allgemeine Balneotherapie Prof. O. Lbichtbnstbrn. 

2.Tbeil. Seereisen DoctC.FABBR. 

3.Tbeil. Hydrotherapie Doct.W.WiNTBRNiTZ. 

DRITTER BAND. 
Elektrotherapie Prof. W. Erb. 

VIERTER BAND. 

Heilgymnastik, Orthopädie, Massage Prof. F. Busch. 

Allgemeine Therapie örtlicher Kreislaufsstörungen (anti- 

hydropische, diaphoretische u. a. Heilmethoden) . . Prof. v. Ziemssen. 

Ersehienen sind: LBand« 2. 3. Theil. 9M. 

II. Band. 1. Theü. 9 M. — 3, Theü. 6 M. 

V. ZIEMSSEN'S Handbuch der Allgemeinen Therapie wird in 10 
abgeschlossenen; rasch nach einander erscheinenden Theilen^ von welchen 
jeder einzeln käuflich sein wird, erscheinen,. 



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