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ARCHIV
FÜR
OHRENHEILKUNDE
BEGRÜNDET 1864
VON
Dr. A. V. TROLTSCH Dr. ADAM POLITZER
WBILAND PbOF. IN WÜRZBURO. IN WiKN.
UND
Db. HERMANN SCHWARTZE
IN Halle ▲. S.
IM VEREIN MIT
Pbop. C. hasse in Breslau, Prof. V. HENSEN in Kiel, Prof. A. LÜCAE
IN Berlin, Prof. E. MACH in Wien, S.R. Dr. A. MAGNUS in Königsberg i/Pr.,
Prof. E. ZAUFAL in Prag, Prof. J. KESSEL in Jena, Prof. F. TRAÜT-
MANN IN Berlin, Prof. V. ÜRBANTSCHITSCH in Wien, Prof. F. BEZOLD
IN München, Prof. K. BÜRKNER in Göttingbn, Dr. E. MORPÜRGO im
Triest, Dr. L. BLAU in Berlin, Prof. J.BÖKE in Budapest, G. S.R. Dr. H.
DENNERT in Berlin, Prof. G. GRADENIGO in Turin, Prof. J. ORNE
GREEN in Boston, Prof. J. HABERMANN in Graz, Privatdoobnt und
Prof. Dr. H. HESSLER in Halle, Privatdooent und Professor Db. L.
JACOBSON IN Berlin, Prof. G. J. WAGENHAÜSER in Tübtogen, Prof. H.
WALB in Bonn, Privatdooent und Professor Dr. C. GRÜNERT in Halle.
Privatdooent Dr. A. JANSEN in Berlin, Privatdooent Dr. L. KATZ in
Berlin, Prof. P. OSTMANN in Marburg, Db. L. STACKE, Prof. in Erfurt,
Dr. 0. WOLF in Frankfurt a. M., Prof. A. BARTH in Lbgpzig, Prof.
V. COZZOLINO in Neapel, Prof. L. HAÜG in München, Dr. F.
KRETSCHMANN in Magdeburg, Prof. E. LEÜTERT in Giessen, Privat-
dooent Dr. V. HAMMERSCHLAG in Wien, S. R. Dr. F. LüDEWIG in Ham-
burg, Dr. f. matte in Köln, Dr. HOLGER MYGiND, Prof. in Kopen-
hagen, Dr.W. ZERONI in Karlsruhe.
herausgegeben von
Prof. ADAM POLITZER und Prof. H. SCHWARTZE
IN WIEN IN halle A. S.
Unter yerantwobtucheb Redaktion
VON H. SCHWARTZE seit i878.
FÜNFÜNDFÜNFZiaSTER BAND.
Mit 5 AbbOdungen im Text und 4 Tafeln.
LEIPZIG,
VERLAG VON F. C.W. VOGEL
1902.
^Ski
JAN SS 1905
^- H. B.
Inhalt des fünfandfunMgsten Bandes.
Erstes und zweites (Doppel-) Heß
(ausgegeben am 20. März 1902).
8«ite
I. Ueber die Exenteratio cavi tympani za akustischeD Zwecken.
Von Prof. 6. Gradenigo (Turin). (Mit 4 Abbildungen.) (Scblnss
aus Bd. LIV. S. 264 ) 1
IL Ueber Diplacusis monauralis. Vortrag, gehalten auf der 73. Ver-
sammlung der Naturforscher und Aerzte in Hamburg in der
Section für Ohrenheilkunde. Von Prof. £. Berthold in Kö-
nigsberg i. Pr 17
III. Aus der Ohrenabtheilung der Kgl. Universit&tspoliklinik zu
München. Arrosion des Gehirns in Folge von Cholesteatom,
Durchbruch cholesteatomatöser Massen in den Seitenventrikel.
Von Prof. R. Hang in München . . . ; 26
IV. Zu Prof. 6runert*s Aufsatz: Beitrag zur operativen Behand-
lung der otogenen Sinusthrombose, insbesondere zur operativen
FreileguDg des Bulbus venae jugularis. (Dieses Archiv Bd. LIIl.)
Von Prof. E. Za Ufa 1 30
V. Aus der Abtheilung für Ohrenkranke in der Königl. Charit^ in
Berlin (dirigirender Arzt: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Traut-
mann). Eine fötale Erkrankung des Labyrinths im Anschluss
an eine Encephalitis haemorrhagica. Von Dr. H. Haike,
Assistenten der Klinik. (Mit Tafel I. II.) 36
VI. Aus der kgl. Universitäts-Ohrenpoliklinik zu München. Ueber
die Verwendung local an&sthetisch wirkender Mittel bei Ein-
griffen am Trommelfell und Gehörgang. Von Prof. Dr. Hang
(München) 49
VII. Aus dem I. anatomischen Institut in Wien. Ueber atypische Ge-
websformationen im häutigen Labyrinth. Von Dr. G. Ale-
xander, Assistent der Universitätsohrenklinik in Wien. (Mit
Tafel III.) 54
VIII. Unzulängliche Stützen von Zimmermann 's Theorie der Mecha-
nik des Hörens und ihrer Störungen. Vo% Privatdocent Dr.
Eschweiler-Bonn 59
IX. Jahresbericht über die im Jahr 1900 auf der Ohrenabtheilung der
kgl. Universitätspoliklinik in München zur Behandlung ge-
langten Ohrenkrankheiten. Erstattet von Prof. Dr. Hang und
Dr. H. Laubinger 67
X. Ueber die durch Tuberculose der nächsten Blutsverwandten ge-
schaffene Disposition zu Ohrerkrankungen bei Kindern. (Auf
Grund meiner Schuluntersuchungen im Kreise Marburg.) Von
Prof. Ostmann, Marburg a. L 72
lY Inhalt des fünfandfOnfzigsten Bandes.
Seite
XI. Beitrag zur pathologischen Anatomie der Gehörknöchelchenkette.
Von Dr. Victor Hammer schlag, PriYatdocenten für Ohren-
heilkunde (Wien). (Mit Tafel IV.) 82
XII. Ein Fall von Garotisblutung. Von Dr. Heermann, Essen- Ruhr 86
XIII. Bericht tlber die Verhandlungen der Berliner otologischen Ge-
sellschaft. Von Dr. Haike in Berlin 90
XIV. Besprechungen.
1. J. Hegen er. Theoretische n. experimentelle Untersuchungen
der Massagewirkung auf den Schallleitungsapparat (Ost-
mann) 96
2. Prof. Dr. W. Okada in Tokio, Diagnose und Chirurgie des
otogenen Kleinhimabscesses (Braunstein) 113
3. Dr. C. Chauyeau, Histoire des maladies du pharynx
(Schulze) 115
4. Dr. G. Schmorl, Die pathologisch - histologischen Unter-
suchungsmethoden (Schulze) 117
5. International Directory of Laryngologists and Otologists.
Compiled by Richard Lake (Schulze) 117
6. G. Alexander, Ueber Entwicklung und Bau der Pars in-
ferior labyrinthi der höheren S&ugethiere. Ein Beitrag zur
Morphologie des Ohrlab^^rinths (Peter) 118
7. Hasslauer- Würzburg, Die Bakteriologie der acuten Mittel-
ohrentzündung (Schulze) 121
XV. Wissenschaftliche Rundschau.
1. Urbantschitsch, Ueber methodische Hörübungen. 1 22 . —
2. A. Jansen, Die Entzündungen des Mittelohrs und ihre Be-
handlung. 123. — 3. Hinsberg, Ueber Labyrintheiterungen.
124. — 4. E reib ig, Die fünf Sinne des Menschen. 125. —
5. Spira, Ueber Erschütterung des Ohrlabyrinths (Commotio
labyrinthi). 125. — 6. Piffl, Ein Fall von durch Operation
geheiltem otitischen Himabscess. 126. — 7. Hecht, Die Heiss-
luftbehandlung bei chronischen Mittelohreiterungen. 126. —
8. Denker, Hühnereigrosser otogener Hirnabscess, extraduraler
und subperiostaler Abscess in der Schläfengegend, durch Ope-
ration geheilt. 126. — 9. Eitelberg, Glossen zur operativen
Behandlung der eitrigen Mittelohrentzündung. — 10. Eitel -
berg. Die psychische Beeinflussung als unterstützendes Moment
bei der Behandlung Ohrkranker. 127. — 11. Peltesohn,
Ueber die Angina lacunaris des Nasenrachenraums. 127. —
12. Treitel, Ueber functionelle Herabsetzung der Hörf&higkeit.
127. — 13. Dench, The Advisability of Early Operative Inter-
vention in Acute Mastoiditis. 128. — 14. Dench, The Result
of the Surgical Treatement of Inflammation of the Mastoid Pro-
cess. 128. — 15. Fink, Die Behandlung der Ohreiterungen
durch den praktischen Arzt 128. — 16. Dench, The Dia-
gnosis and Treatement of Mastoiditis. — 17. Dench, Report
of Three Gases of Ligation of The Internal Jugular for Septic
Thrombosis, Following Purulent Otitis Media. — Recovery.
129. — 18. Dench, The Importance of the early Recognition
of an Inflammation of the Middle Ear by the General Prac-
titioner. 129. -^ 19. 0. R. Holmes and H. S. Garlick, Ac-
cidents attending Adenoid Operations. 129. — 20. Bulletin de
la Sociöt^ Beige d'Otologie, oie Laryngologie et de Rhinologie.
129. — 21. £. Amberg, A normal acoumeter. 130. — 22.
A. Wiebe, Ueber hysterische Taubheit. 131. — 23. Hins-
berg, Ueber den Infectionsmechanismus bei Meningitis nach
Stirnhöhleneiterung. 131. — 24. Haläsz, Zur Lehre von der
Labyrinthverletzung. 132. — 25. J. William Watson, Re-
port of a series of cases of mastoiditis with Operations. 132. —
26. Hunter Tod, Atresia auris congenita. 132. — 27. Dench,
Inhalt des fanfundfOnfoigsten Bandes. V
Seite
Reflex aural Symptoms dependent upon dental caries. 133. —
28. F. Rohr er, üeber die entzandliche Reizung der Kiefer-
gegenden bei Erkrankungen des äusseren Ohres, besonders des
GrSiörganges. 133. — 29. J. Kühn lein, Zur Aetiologie der
acuten Mittelohrentzandung. 133. — 30, 31. Perez, Reeher-
ches sur la Bact^riologie de Toz^ne. 133. — Perez, L*oz§ne.
Rhinosinusite atrophique f^tide. Bact6riologie, Ätiologie, pro-
phylazie. 133. — 32. £tude anatomique des gronpes cellulaires
post^rieures de la Mastoide. — Gellnles jnxtasinusales, par MM.
Stancul^nu et Depontre 134. — 33. Stancul^anu und De-
pontre, £tude anatomique et pathologique des groupes cellu-
laires post^rieurs de la mastoide. Gellnles juztasinusales. 135.
— 34. Charles, Menstruation compitoentaire de Toreille
gauche. 136. — 35. Mangakis, Un cas de flux supplämentaire
de menstrnation par les oreilles. 136. — 36. Brunei, De la
Perforation du tympan comme moyen de diagnostic et de pro-
fQOsdc dans les surdit^s. 136. — 37. Du bar, Thrombo-phl^-
ite isol^e de la jugulaire interne ä forme septico-pyoh^mique
d*origine otique sans participation du sinus laterale, sans mas-
toidite. Gu^rison. 136. — 38. Dezon, Surdi-mutit^ temporaire
chez une myxoed^mateuse ä type fruste. 137. — 39. Lafa-
relle, Gurieuse anomalie du rocher. Diverticulum de la caisse
du tympan. 137. — 40. Molinie, Utilisation en oto-rhinologie
des propriätös d^collantes de l'eau oxyg^n^. 137. — 41. Bürge r,
Ohrenerkrankungen und Lebensversicherung. 137. — 42. Eitel -
berg, Chronische eiterige Mittelohrentzündung mit Garies des
Felsenbeins bei einem Diabetiker. 138. — 43. Eitel berg, Oto-
logie und Mastalgie bei Neurasthenikern , bezw. bei Hyste-
rischen. 138. — 44. Alexander, Ueber die operative Eröff-
nung des Warzenfortsatzes in Schleie bischer Localanästhesie.
138. — 45. Zalewski, Beitrag zur Lehre über die postopera-
tive Behandlung nach der Atticoantrotomie. 139. — 46. J. S^d-
ziak, üeber Ulcus induratum syphiliticum in der Mund-,
Nasen-, Rachenhöhle und in den Ohren. 140. — 47. Th. Hei-
man, Ueber die Perlgeschwulst (Cholesteatom) des Obres. 140.
— 48. Zalewski, Ueber die Behandlung der Ohrpolypen. 141.
— 49. Sedziaky Ueber den günstigen Einfluss des Erysipels
auf den Verlauf einer schweren acuten Mittelohrentzündung.
141. — 50. Poli Camillo, I Progressi della Otologia nel Se-
colo XIX. 141. — 51. Charles König, Sur un nouveau pro-
c^d^ simple et pratique de rendre le massage direct de la chatne
des osselets de Toreille au moyen de la sende a ressort de
Lucae moins douloureux et partout plus efflcace. 142. — 52.
H. HalÄsz, Ueber den Werth einiger neuerer Heilverfahren
in der Ohrenheilkunde (Pneumomassage, Hydropneumomassage,
Lucae 'sehe pneumatische Sonde). 142. — 53. Reimar, Ein
Fall von Fremdkörperabscess in der Ohrgegend. 142. — 54.
Löhnberg, Zwei Fälle von Fremdkörpern in den Nasen-
nebenhöhlen. 143. — Hugo Frey, Experimentelle Studien über
die Schallleitung im Sch&del. 143.
Personal- und Fachnachrichten 144
VI Inhalt des fünfundfünfzigsten Bandes.
Drittes und viertes (Doppel-) Heft
(ansgegeben am 6. Jani 1902).
Seite
XYI. Luft- und Knochenleitung. Von Dr. Leiser, Ohrenarzt in
Hamburg 147
XVIL Die Zahl der Ohrenkranken in den einzelnen Ortschaften des
Kreises Marburg in ihrer Beziehung zu der örtlichen Lage
dieser Orte. (Zweiter Nachtrag zu meinen Schuluntersuchungen
im Kreise Marburg.) Von Professor Ost mann, Marburg.
(Mit 1 Abbildung) 152
XVIIL Aus der Königl. Uni versitäts- Ohrenklinik zu Halle a. S. (Geh.
Med.-Rath Prof. Dr. Schwartze). Zur Frage des Vorkom-
mens von Glykosurie in Folge von Otitis. Von Prof. Dr.
Grunerty erstem Assistenten der Klinik 156
XIX. Aus der Kgl. Universitäts-Ohrenklinik zu Halle a. S. (Geh. Med.-
Rath Prof. Dr. Schwartze). Ueber extradurale otogene
Abscesse. Von Dr. Iwan Braunstein, Hülfsassistenten der
Künik 168
XX. Besprechungen.
S. Dr. T. Hei man, Krankheiten des Gehörorgans (Spira) . 258
9. Carlo Secchi, La finestra rotonda S la sola via deisuoni
dair aria al labirinto (Das runde Fenster ist der einzige
Weg für die Schallwellen durch die Luft zum Labyrinth)
(Morpurgo) 265
10. Carlo Secchi^ La finestra rotunda h la sola via dei suoni
dair aria al labirinto (Pause) 271
11. Bernhard Kawitz, Neue Beobachtungen über das Ge-
hörorgan der japanischen Taozmäuse und Dr. G. Ale-
xander und Prof. A. Kreidl, Anatomisch-physiologische
Studien über das Ohrlabyrinth der Tanzmaus (Pause) . 274
12. Transactions of the American otological Society (Schulze) 275
13. Körner, Die Veräaderungen au der Sehnervenscheibe bei
den otogenen Erkrankungen des Hirns, der Hirnhäute und
der Blutleiter (Hansen) 287
XXI. Dr. Heiman, Erwiderung an Dr. Iwan Braunstein auf seine
Besprechung meiner Arbeit: „Ueber letale Ohrerkrankungen'' 293
XXII. Dr. Braunstein, Antwort auf vorstehende Erwiderung . . . 302
Personal- und Fachnachrichten 306
l
üeber die Ezenteratio cavi tympani zn akustischen Zwecken.
Von
Prof. G. Gradenigro (Turin).
(Mit 4 Abbildungen.)
(Schluss aus Bd. LIV. S. 264.)
I. Kategorie.
Otosklerosen,
I. Beobachtung. G. A., 16 Jahre altes Mädchen. (Privatklinik.)
Progressive bilaterale ächwerh5ris:keit seit ungef&hr 4 Jahren. Von derselben
Zeitdauer ist das Ohrensausen. Ein Bruder der Kranken ist schwerhörig, ein
anderer litt an tuberculöser Gonarthritis, ein Onkel (väterlicher Seite) starb
an Lungentuberculose.
1. Juni 1900. Glanz und Krümmung beider Trommelfelle fast normal.
Rechts : Hammergriff wenig beweglich ; das hintere Segment des Trommelfells
Atrophisch und sehr beweglich bei Beobachtung mit dem Si egle 'sehen Spe-
culnm. Links das Trommelfell und der Hammer fast unbeweglich.
Die Untersuchung des Nasenrachenraumes ergiebt fast negative Resul-
tfate. Offener Mund beim Schlafen.
Functionelle Prüfung^).
AD v«0 V « 0,50— prope. H = 0.
AS v = prope V = 2— 0,50. H««c.
Es werden intramuscul&re Injectionen von täglich 1—3 Centigr. Jod
gemacht und locale Medication der Nasenrachenböhle, Massage des Trommel-
fells mit dem elektrischen Motor u. s. w.
3. Juni. Explorative Paracentese rechts. Gleich nach dieser Operation
V= 0,50 für Worte des gewöhnlichen Sprachgebrauchs, auf der operirten Seite.
13. Juni. Die künstliche Oeffnung im Trommelfelle geschlossen; rechts
-v wieder = 0.
20. Juni. Exenteratjo cavi tympani rechts in der Ghloroform-
jiarkose, geringfügige Hämorrhagie; die Operation war trotz der Enge des
-Gehörganges leicht auszuführen. Das Trommelfell war sehr verdünnt, atro-
1) Ich werde hier die Abkürzungen gebrauchen, die ich in meiner Me-
thode der Notirung der functionellen Prüfung vorgeschlagen habe. AD, AS
s» auris dextra, auris sinistra, v »» Flüstersprache, F» Gonversationssprache.
^ SS Ohr, Bc SB Uhr ad concham, JJi, Hm Uhr an der Schläfe, am Warzen-
fortsatz (Ä = Rinne, S =« Schwabach, W = Weber). In der Angabe der Hör-
weite für die Stimme bezieht sich die erste Zahl auf die Entfernung für die
Zahlen von hoher Tonalität (im Italienischen sessanta, cinquanta), die zweite
&uf die Entfernung für Worte des gewöhnlichen Sprachgebrauchs (auf Italie
11 isch Lampada, Camera, Giardino, Strada, Finestra etc.).
Archiv f. Ohrenheilkonde. LY. Bd. \
2 1. GRADENIGO
phiscb. EDtfemung des HftmineTs und des AmboateB mitteUt Pincette ohne
einen abnorcoen Wident&nd. Leicbte Curettage der Insertion det Trommel-
fells riugB um den tjmpanaleD R&nd. Tamponade.
21. Juni. Das Ohrensausen rechts ist gans geschvanden. EntferoODK
des Tunpons (nach 24 St.); v für Zahlen V'^^^'"': gewöhnliche Worte = prope.
V~2Vt m (Zahlen). GewObolicbe Worte—l'/i.
22. Juni. AllgemeinzuitaDd sehr gut. Andauernd das Fehlen dea Obren-
GauaeuB und die Besserung des GehOrs. Die Schleimhaut der Labjrintb-
«and gerOthet,
24. Juni. Reactife Schwellang in der Tiefe des GebQrgauges namentlich
im hinteren unteren Abschnitte.
25. Juni. Abnahme der Beaction. Geringgradige serOse Eisudatioo.
V — 0,au T_S-4 m für Zahlen, 3,5U m fUr leicbte Worte. Du Gehör kuch
links Bebesaert. t — U,5U V — 3 m.
27. Juni Die Getöse in Begleitung des Nervus Jacobson!, auf der
LabTriuthvaud injicirt. £b b^innt die Regeneration des Trommelfells au
der Peripherie.
29. Juni. » — 0,75 fUr leicbte Worte. V— 3,50.
1. Jnli. Man hOrt auf mit der tiefen Tamponade und legt eine dOnne
Gazesdiicbt in den äusseren Theil des QebOrganges. Essudation immer
sehr gering.
V — 0,75 für Worte, 4 m fUr hohe Zahlen. T ^ >4 m fQr hohe Zahlen,
S'/s m fflr leicbte Worte.
b. JuE Das ObrensaDsen rechts ist wieder erschienen, links ist es
hingegen vermindert. Das Trommelfell ist blasser geworden und mehr als
die Haltte desselben igt schon regenerirt. Fat.
^ Juni Juli musste die Stadt verlassen. Gemäss einer brief-
S 'i — äl — äü — ST liehen Mittheilung jedoch, die 14 Monate nach
der Operation eintraf, besserte sich das GehOr
auf der operirten Seite bedeutend, wahrend es
auf der nicht operirten Seite stationär blieb.
Epikrise. Wichtig Bind im voiliegen-
den Falle folgende Umst&nde: a) Grosse
PrädispoeitioDen zur Tuberoulose in der
Familie mit hereditärer Otopathie.
b) Die Besserung des Hörrermögens
nach der Exenteratio war gleich der Bes-
serung nach der einfachen Paraoentese.
Dies ISsst vermuthen, dass die Besserung
in beiden Fällen einzig nnd allein dem
direeten Eindringen der Schallwellen ,in
Fig. 2- die Trommelhöhle zuzugehreihen sei.
Z,"! ^, c) Das Aufholen dea Ohrensausens
V (ConveraBlj ^ '
gleich nach der Operation und das Wie-
derauftreten desselben nach dem Schwunde der localen Re-
actionserscheinungen , als die Ferforationsöffnung Jedoch noch
nicht geschlossen war, was daran denken läast, dass das Auf-
boren des Ohrensausens nicht durch die freie Communication
der Trommelhöhle mit der äusseren Luft bedingt war, sondern
einfach vor der Hyperämie der Gewebe in der Trommelhöhle ab-
Ueber die Exeuteratio cavi tympani zu akustiscbeD Zwecken. 3^
hing, und dass diese wie eine eollaterale Ableitung der Hyperämie
im inneren Ohre wirkte.
d) Die Langsamkeit der Regeneration des Trommelfelles^
als deren Ursache die Atrophie der Theile und das Fehlen von
intensiven ßeaetionserscheinungen angesehen werden muss.
IL Beobachtung. 29. Mai 1900. E., Fräulein, 46 Jahr alt (Privat-
klinik). Tuberculose ist in der Familie nicht nachweisbar. Die Mutter ist
an einem Ohre taub, angeblich in Folge von Trauma. Bei einer Schwester
ist eine wesentliche Abnahme des Uörvermögens vorhanden, wovon noch
später die Rede sein wird. Im Ganzen sind in der Familie 4 Schwestern
und zwei Brüder; bei den 2 älteren Schwestern ist das Hörvermögen normal,
die zwei jüngeren sind schwerhörig; bei den zwei Brüdern, welche dann
dem Alter nach folgen, ist das Uörvermögen ganz gut (bei dem einen ist
jedoch chronische Rachenentzündung vorhanden). Es konnte nicht eruirt
werden, was für schädliche Umstände auf die beiden schwerhörigen Schwestern
eingewirkt haben, denn alle vier lebten unter denselben Verhältnissen, wurden
in gleicher Weise erzogen und erlitten in der Kindheit dieselben Krankheiten
(Keuchhusten). Beide schwerhörige Schwestern erinnern sich jedoch mit Be-
stimmtheit, in den ersten Lebensjahren an beiden Ohren an starken Schmerzen
gelitten zu haben, aber ohne dass äusserlich eine Suppuration vorhanden
gewesen wäre.
Bei der Schwester der Kranken, die den Gegenstand der nun zu be-
schreibenden Beobachtung bildet, und die an Arthritis leidet, nimmt die
Taubheit von Jahr zu Jahr progressiv zu. Links ist die Taubheit fast voll-
ständig und ist sowohl auf das mittlere wie auf das innere Ohr zurückführ-
bar. Conversationssprache prope, Uhr 0; Politzer *s Ilörn^sser 0; da&
Trommelfell ist glanzlos, 64 Doppelschwingungen werden auf dem Luftwege
nicht percipirt Rechts hingegen hängt die Taubheit fast ausschliesslich von
einer Alteration des inneren Ohres ab; das Trommelfell ist hier glänzend,
Rinne positiv, 64 Schwingungen werden fast auf die normale Dauer per-
cipirt, dagegen hat die Perceptionsdauer für hohe Töne stark abgenommen;
Ü » 0. Es handelt sich also hier auf einer Seite um eine gemischte Form,
auf der anderen um einen Process im Labyrinthe.
Bei unserer Kranken nun manit'estirte sich die Taubheit im 26. Jahre
und nahm progressiv, trotz der gemachten Kuren, immer zu. In Folge einer
vor Jahren vorgenommenen Paracentese des rechten Trommelfells stellte
sich einseitige Otorrhoe ein. Ohrensausen beiderseits und gegenwärtig noch
Ausgänge von hypertrophischer Rhinitis und Rhinopharyogitis. Das Trommel-
fell ist weniger glänzend, ein wenig retrahirt und sehr beweglich; das rechts-
seitige zeigt eine kleine Narbe vorn und unten (in Folge von vorausgegangener
künstlicher Perforation).
AD: V = 0; V = 0,25 (bohe Zahlen) H «=
AS; V = ; V «= prope für hohe Zahlen (sessanta) ;
1 m für tiefe Zahlen ; H »= 0.
2. Juni. Fzplorative Paracentese links: Trommelfell atrophisch. Keine
bemerkenswerthe Besserung des Hörvermögens.
11. Juni. Die Perforationsöifnung im Trommelfell ist geschlossen. Nach
der gewöhnlichen Localbehandlung nahm das Ohrensausen auf beiden Seiten
bedeutend ab.
26. Juni. Exenteratio cavi tymp. dextri. Die Entfernung des
Ambosses gelang schwer. £s luxirte sich derselbe im oberen Abschnitte des
Operationsfeldes, sodass die äussere Wand des epitympanalen Raumes zum
Theile mit der Osteotom -Pincette von Faraci demolirt werden musste.
Massige Hämorrhagie. Versuche zur Mobilisirung des Steigbügels.
27. Juni. Das Ohrensausen hat rechts fast ganz aufgehört. Die Tam-
pons werden entfernt (nach 24 Stunden), v = , V = V2 — Im für tiefe
Zahlen, V^ ^ ^^^ gewöhnliche Worte und hohe Zahlen.
4 I. GRADENIGO
30. Jani. Das OhreDsaasen hat stark abgenommen; es Ist eine gering-
fügige seröse Secretion vorhanden.
1 . Juli. Man bemerkt eine geringgradige Eiterung der Wunde, und es
werden antiseptische Waschungen gemacht. Es stellt sich Autophonie ein,
die die Kranke mehr als das früher dagewesene Ohrensausen belästigt. Die
Schleimhaut der Trommelhöhle ist geröthet und geschwollen.
20. Juli. Die Secretion hat aufgehört. Das neugebildete Trommelfell
lässt noch eine centrale Perforationsöffnung von ungefähr 2Vs mm Durch-
messer mit verdünnten und narbigen Rändern erkennen. Das frühere Ohren-
sausen ist rechts geschwunden, ebenso die Autophonie, und statt dessen ist
ein Geräusch mit rhythmischer Verstärkung aufgetreten, das jedoch gleichfalls
von Tag zu Tag sich vermindert.
5. August. Die Perforationsöffnung rechts scheint sich eher vergrösser t
als verkleinert zu haben. Auf dem oberen Saume derselben persistirt eine
ungefähr 1 Va mm breite Zone, die geröthet ist.
Die Ohrgeräusche (von verschiedener Tonhöhe) sind verschwunden. Es
persistirt aber rechts ein tiefes Geräusch, das zuweilen spontan, zu-
weilen bei Gompression der rechten Carotis, oder bei starker Beugung des
Kopfes nach der rechten Seite verschwindet. Auch links sind die Geräusche
vermindert und fehlen zuweilen längere Zeit hindurch.
AD: y 3 m f ür tiefe Zahlen , prope für hohe. 1 m für gewöhnliche
Worte mit Sicherheit. Untere Grenze 90, obere fast normal.
AS: y 2 m für tiefe Zahlen, bis V^ ^ ^^^^ gewöhnliche Worte. Untere
Grenze 100, obere fast normal.
Tiefe Stimmgabeln werden ungefähr in gleicher Weise percipirt auf
beiden Seiten; solche der 4. und 5. Octave rechts (operirte Seite) besser.
Pat. empfindet Besserung an der operirten Seite und verlässt die Anstalt.
Es sind 14 Monate nach der Operation verflossen. Pat. giebt an, mit
dem Erfolge derselben sehr zufrieden zu sein. Das tiefe Geräusch, welches
nach der Operation an die Stelle des gewöhnliqhen intensiven Ohrensausens
trat, nahm allmählich ab und wird jetzt nur in intermittirender Weise und
zwar namentlich dann vernommen, wenn Pat. im Bette liegt. Es moditicirt
sich dasselbe gegenwärtig nicht wie früher bei Bewegungen des Kopfes oder
bei Gompression der Carotis an der entsprechenden Seite. Auch links, wo
keine Operation gemacht worden ist, ist das Ohrensausen fast ganz ge-
schwunden, die Taubheit jedoch hat, wie gezeigt werden wird, zugenommen.
Rechtes Ohr. Man sieht bei der otoskopischen Untersuchung, dass
das Trommelfell sich nach dem yerlassen der Anstalt nicht nur in unvoll-
ständiger Weise regenerirt habe, sondern im Gegentheil atrophisch geworden
ist, sodass die Perforationsöffnung, weiche im vorigen Jahre, als Pat. die
Anstalt verliess, central gelegen war und einen Durchmesser von ungefähr
3 mm hatte, gegenwärtig wieder fast total ist ; von der narbigen Membran
ist nur ein peripherischer, verdünnter, atrophischer, vollständig freier Saum
übrig geblieben.
An der mit dünner blasser Schleimhaut ausgekleideten Labyrinthwand
ist das Promontorium und die Nische des runden Fensters, aber nicht der
Steigbügel zu erkennen.
Linkes Ohr. Trommelfell atrophisch, nicht glänzend, beweglich. Die
functionelle Prüfung ergiebt:
AD: y « 1 m, mit Sicherheit, für gewöhnliche Worte; 2 m für tiefe
Zahlen. Die Ziffer sessanta wird wie settanta auf die Distanz von t m ver-
nommen, Zahlen von tiefer Tonhöhe bis auf 3 m. Uhr und Politzer's
Hörmesser «s o. Obere Grenze fast normal. Auf dem Luftwege werden 96
Doppelschwingungen nicht percipirt.
AS: y prope für leichte Worte und für einige Ziffern. Auch auf dieser
Seite wird 6ü wie 70 vernommen, v, Politzer und Uhr = 0. Pat. ist mit
dem Erfolge so sehr zufrieden, dass sie angiebt, nach der Operation wie zu
neuem Leben erwacht zu sein; ihr Appetit ist wieder zurückgekehrt, sie hat
an Körpergewicht zugenommen und wünscht auch auf der linken Seite
operirt zu werden.
Ueber die Ezesteratio cavi tympani zu akustischen Zwecken. 5
Epikrise. Es ist diese Beobachtung ans verschiedenen
Gründen instructiv, und deshalb habe ich in der Beschreibung
einige Details hervorgehoben. Vor Allem ist das relativ sehr
gute fiesultat der Operation bemerkenswerth : bei einer Kranken
nämlich, die mehr als 30 Jahre an progressiver Taubheit litt,
bei der die Affection des Gehörorgans schon in der frühesten
Kindheit begann und bei welcher die Krankheit alle Charaktere
einer hereditären Otosklerosis zeigte, konnte die Conversations-
sprache, welche vor der Operation für gewisse Zahlen kaum auf
die Distanz von 0,25 gehört wurde, nach derselben, und zwar
für Worte im Allgemeinen, auf die Entfernung von 1 — 1^/2 m.
vernommen werden« Dieses Resultat erhielt sich mehr als ein
Jahr hindurch, während der Zustand des nicht operirten Ohres
immer schlechter wurde. Bei Vergleichung der Charaktere,
welche die Defecte im Gehör der beiden Schwestern darbieten,
lassen sich einige Folgerungen über die Natur der Otosklerose
machen. In den beiden Ohren der Operirten und auch im linken
Ohre der Schwester derselben sind die Charaktere der typischen
Otosklerose vorhanden: der hochgradige fnnctionelle Defect ist
in diesen Fällen, gemäss unserer gegenseitigen Kenntnisse,
hauptsächlich von dem Schallleitungsapparate und zum Theile
auch von dem Perceptionsapparate abhängig. Im rechten Ohre
der Schwester handelt es sich hingegen um eine typische
echte Labyrintitis. Andererseits müssen wir die gegenwärtige
trockene Form als die Folge eines Exsudationsvorganges in
der Kindheit ansehen, während das dauernd gute Resultat
der Exenteratio darauf hinweist, dass der Defect in der Lei-
tung, wenigstens in einem Ohre diesseits der Labyrinthfenster
seinen Sitz hatte. Alle diese Thatsachen sind schwer mit der
Theorie zu vereinbaren, die heutzutage, auf Grund von patho-
logisch-anatomischen Kenntnissen, über die Natur der Oto-
sklerose herrscht. Nach dieser Theorie nämlich würde, wie be-
kannt, die Sklerose einen eigenartigen Krankheitsprocess dar-
stellen, welcher durch primitive Läsionen des Knochens der
Labyrinthkapsel charakterisirt ist. Die typische Sklerose nähert
sich dagegen hier innig der typischen Labyrinthentzündung und den
Ausgängen einer exsudativen Otitis, sodass wir annehmen müssen,
dass die functionellen Charaktere allein nicht das Wesen de&
Krankheitsprocesses bilden können. Es wird immer mehr wahr-
scheinlich, dass mit dem klinischen Namen „Sklerosis^ verschie-
dene, ätiologisch ungleiche Processe bezeichnet werden und dass-
€ I. QRADENIGO
andererseits eine uad dieselbe Krankheitsnvsaohe klinische
Formen mit verschiedenen functionellec Eigenschaften hervor-
rufen könne. Bemerkenawerth ist bei unserer Kranken die
Antophoaie, welche in der Keaetionsperiode der Wnnde auftrat
und wahrsoheinlioh von der Sohwellnng der Sehleimhant der
Trommelhöhle abhängig war, weil sie beim Anthöreii der ent-
zündlichen ErBcheinnngen gesehwandea ist. Orössere Schwierig-
keiten bietet die Erklärnog des Geräusches, welches einen
vasculären Charakter hatte und nach der Operation an die Stelle
des gewöhnlichen Ohreasansemi getreten^ist.
11. Kategorie.
Chronheke katarrkalacke MiUelohrentsünilung.
III. Beobachtung. O. A, M&dchen 16 Jahre alt (Privatklinik).
4. Juli. Die aDamneBtigcheD Daten sehr unsicher. Beiderseits bocb-
eradige Schwerbörigkeit, angeblich erst seit einem Jahre bestehend, ohne
Schmerzen und Otorrhoe. Es scheint, dass Pat. an Malaria gelitten habe.
Es waren Affectioneo der Hornbaut vorhanden. Otopathische Heredität aus-
geschlossen. Ohrensausen fehlt. Die Hornhaut ist beiderseits opak. Das
Trommelfell beiderseits glanzlos, stark retrahirt, beweglich.
AD 0,50 prope 2— 1 m 14- -}-prope
S J«« A'B » V P HtHm H
I i — 7~~1~^ i AS 0^0— prope 0,50 l -f + prope
H '•■_J'; '■ "■ ■*■ 5, Juli 1901. Eienteratio cavi tymp. sin.
Das Trommelfell nicht normal, sondern eher
tfiO atropliisch. Der Steigbügel nicht sichtbar.
6. Juli. 1. Medication.
Betrftchtliche Beaaerung des UörrermOgeng auf
,u der operirteo Seite; v bis auf ein Meter percipirt
' , für Zahlen, auf D,3U fQr gewöhnliche Worte. V
S ' 3 m für Zahlen, 1 ,50 für gewöhnliche Worte, P 3 m.
7. Juli. Die Besserung ist noch evidenter.
1^ V — 0,20 (Camera)
- 0,30 (Finestral
0,5U [gewühnlicbe leicht verst&ndliche
iM Worte)
0,6ü (Zahlen mit liefer Tonalität)
1 >4 m {Zahlen mit hoher Tonalitftt)
V — 2 (gewöhnliche Worte)
m P>4m.
12. Juli. Fat. war gezwungen, die Cur ambu-
latoriscb fortzusetzen. Die Medicationen wurden
^>K' 3. daher in uaregelrnftsaiger Weise ausgeführt: ea ent-
V Convarsationaspr. Stand Suppuration am operirten Ohre und es traten
T PlüBiBnprmhe — auch Schmerzen auf.
P Foiibet's HOrm. - . - - 25. Juli. Die nach der Operation aufgetretene
Besserung ist ganz geschwunden. Das Trommel-
fell hat sich regenerirt, ist beweglich, aber noch getöthet. Secretion ganz auf-
gehört.
A 3 (operirte Seite) v bloss in der Nähe für hochtönende Zahlen, V un-
gefähr Im. P. = 1 m.
4. August. Trotz der elektrischen Massage ist das linke operirte Ohr
wieder schlechter geworden als das rechte:
lieber die Exenteratio cavi tympanl za akastischen Zwecken. 7
Untere Grenze 45
AD— ad concham -) — |- 1>^^
W? R H HmBt P
A S-D ad concham -f -|- 1,25
Untere Grenze 55
AD Bloss hohe Worte und Zahlen
prope 17« — 0,75
V V
AS. prope 1 72 — 0,75
bloss hohe Worte und Zahlen.
Epikrise. Trotz des brillanten unmittelbaren Erfolges war
der definitive Effect der Operation ein negativer. Die einge-
tretene Eiterung hat unzweifelhaft zur Versohlimmerung des
fanetionellen Resultates beigetragen, hat auch die rasche Regene-
ration des Trommelfelles befordert.
Auch der Charakter des Processes ist in diesem Falle un-
sicher. Wahrscheinlich handelt es sich um eine leichte Form
von hereditärer Syphilis.
IV. Beobachtung. C. £. Ingenieur, 40 Jahre alt (Privatklinik).
17. October 1900. Keine otopathische Heredität. Vor einigen Jahren
litt Fat. in Amerika an gelbem Fieber; viele Jahre hindurch befand er sich
unter Verhältnissen, welche schwere rheumatische Processe begünstigten: er
war auch malariakrank und machte Missbrauch vom Chinin. Seit einigen
Jahren ist beiderseits progressive Aboahme des Hörvermögens mit Ohrensausen
vorhanden, die eine Periode von ausserordentlicher Intensität hatten, sich
aber in letzterer Zeit verminderten. Es wurden verschiedene Mittel aber
ohne irgend ein Resultat, angewendet.
Das Trommelfell ist opak, stark retrahirt, wenig beweglich. Es sind
Ausgänge einer hypertrophischen Rhinitis und Nasen- RachenentzUndung
vorhanden.
v ssO beiderseits.
Y«2 m, beiderseits, für Zahlen.
U«0.
22. October 1900. Exenteratio cavi tymp.' dextri.
Gleich nach der Operation war keine Besserung des Hör Vermögens
nachweisbar. In der Trommelhöhle bildete sich ein Blutgerinnsel bei der
ersten Medication, das nicht entfernt werden konnte, Eiterung der Wunde und
Schmerzen hervorrief, di^ 4 Tage lang andauerten.
4. November. Das Ohrensausen ist an beiden Seiten geschwunden, auch
die Exsudation hat fast aufgehört, das regenerirte Trommelfell zeigt eine
runde Perforationsöffnung.
AD V prope (Zahlen und leicht verständliche Worte)
V bis 2Va m (tieftönende Zahlen und leichte Worte)
bis 1 m (tieftönende leichte Worte)
prope (hochtönende leichte Worte)
AS (nicht operirte Seite) v prope
V = 2— 1 m, niedere Zahlen.
Es wird auf beiden Seiten die gewöhnliche Localbehaadluog vorgenommen.
10. November 1900. Pat. verlässt die Anstalt. Es persistirt eine kleine
Perforationsöffnung im Trommelfelle. Angeblich ist auf der operirten Seite
(rechts) keine Besserung im Gehöre erfolgt, dagegen hat sich dasselbe, nach
Angabe des Kranken, links gebessert.
AD»v prope bloss far tieftönende Zahlen und für einige gewöhn-
liehe ^^orte
V =- 1- 72 m fttr Worte, fUr Zahlen 2-1.
Wieder Ohrensausen wie vor der Operation.
8 I. GRADENIGO
Epikrise. Die katarrhalische Mittelohrentzündung ist in
unserem Falle in einem weit vorgerückten Stadium gewesen
und war, in Folge des Missbrauehs von Chinin, durch Altera-
tionen des inneren Ohres, die eine in der Anamnese angeführte
Periode von acuter Verschlimmerung mit sehr starkem Sausen
hatten, complicirt. Bemerkenswerth ist auch in diesem Falle
der günstige aber nur vorübergehende Einfluss der Operation
auf das Ohrensausen. Trotz aller aseptischer Maassregeln konnte
die Suppuration, welche durch das in der Trommelhöhle ge-
bliebene Blutcoagulum veranlasst wurde, nicht verhindert werden»
y. Beobachtung. C. L. 35 Jahre alte Frau, Weberin (Universit&tsklmik).
4. Juni 1901. Keine otopathische hereditäre Anlage. Beiderseits pro-
gressive Schwerhörigkeit seit nngef&hr 10 Jahren und Ohrensausen, intensiver
auf der rechten Seite. Fat. lebte immer unter Verhältnissen, die Rheumatismen
begünstigten. Die unteren Nasenmuscheln sind hypertrophisch, und es ist
Nasen-BiachenentzQndung vorhanden.
Die Trommelfelle sind ohne Glanz, mit atrophischen Abschnitten, retra-
hirt, der Hammer rechts, mit Siegle, unbeweglich, links beweglich.
A D : V -B 0,50 — prope P -» 0,40 H -» 0,15
AS: V = 2 m — prope P — 1 Va m H « 0,20
7. Juni. Exenteratio cavi tympani d.
Massige Hämorrhagie. Die Entfernung des Hammers und des Ambosses
war wegen ihrer Fizirung im epitympanalen Baume etwas schwierig. Der
Hammer konnte nicht auf einmal extrahirt werden, weil der Griff desselben
während der Extractionsversuche brach. Der Steigbügel war nicht sichtbar.
10. Juni. Rechts wesentliche Besserung des Gehörs.
VB=r4 m (tieftönende Zahlen, auch novanta)
-» 1,50 (sessanta)
— 1 (leichte Worte).
15. Juni. Geringgradige Secretion. Das Trommelfell im Stadium der
Regeneration an der Peripherie. Die Besserung des Hörvermögens, welche
in den ersten Tagen constatirbar war, fast ganz geschwunden.
A D V » 0,20 (Zahlen) — prope leichte Worte.
y » 3,50 (tieftönende Zahlen)
«"3 (sessanta)
= 1 (leichte Worte)
P ^ 0,30 H ad concham.
AS (nicht operirte und auch nicht behandelte Seite)
V=:l — 0,50
V — 5 — 3
P«3 m.
21. Juni. Die geringe seröse Secretion ist geschwunden; das regenerirte
Trommelfell zeigt noch eine centrale Perforation söffnung, durch welche hin-
durch die glatte, rosenrothe Schleimhaut der Yestibularwand sichtbar ist.
Durch Introduction eines Baumwollstückchens in das rechte Ohr, das wie
ein künstliches Trommelfell wirkte und die Perforationsöfinung schloss, besserte
sich das Gehör wesentlich; die Flüsterstimme statt V^ ^ (sessanta) prope
(gewöhnliche Worte) stieg bis auf 5 m für Zahlen und auf 3 m f ür gewöhn-
liche Worte. Ohr von ad concham bis auf 0,10.
1. Juli. Die PerforationsöffnuDg punktförmig. Das Ohrensausen dauert
fort; das Hörvennögen jedoch ist gebessert.
A D : V » 1,50 (Zahlen). Gewisse hochtönende Zahlen auf 4 m hörbar.
V == 5 — 2,50 m — P « 0,30 H = 0,10.
16. Juli. Die Perforationsöffnung ist geschlossen, das Trommelfell re-
generirt, beweglich.
Ueber die Ezententio c&ri tjmp&Di zu akastischen Zwecken.
AD: F = 0,so— prope
V -c 5—2,60
P = 0,25
H — 0,10
AS: V — 1 m— prope
P — 3 m
V = 5— 3 H — 0,10
Untere Grenze beideraeits 40 DoppelBcbwinguDgen.
25. Juli. Täglich Massage des rediteD Obres i
Täglich Massage des rechteo Obres mit dem elektrischeo
Motor, 2 Minuten lang-
Das r^eneriite Trommelfell weiss, ohne Glanz, beweglich. Das Obren-
sansen rechts dauert zwar fort, allein es ist geringer als vor der Operation.
Links ist es angeblich geschwunden.
S+
AD — 0,U2 + + 0,25 (Zahlen) prope Z—i'lt
W?RflHmHtP V T
AS — 0,05 4- 4- 1,50 Ö,50-prope 4,00
untere Grenze 50 beiderseits.
Obere Grenze fast normal.
0. AuRust. Trotz der FortsetzuDg der Massage behauptet die Kranki^
eine Verscmimmernng auf der rechten Seite zn bemerken, und im G«(entbeil
eine Besserung links, wo auch das Ohrensauseu Terschwuoden ist. Ich be-
merke, dass am linken Ohre und auch in der Nasen- Kachen heble gar k«oe
Bebandlnng vorgenommen worden ist.
AD — ad conch. -1- 4- 0,tO prope 3—1
W ? R H Hm Ht P V V
A8 — 0,10 4- + 1,50 prope 4—1,50
Untere Grenze rechts 60, links 50.
Epikrise. Die soeben mitgetlieilte BeobachtDDg ist wich-
tig wegen der beträchtlichen Differenzen, welche im Gehöre in
verschiedenen Perioden nach der
Operation eonstatirt worden sind.
Unmittelbar nach derselben zeigte
dasGebör eine bedeutende BesserODg
und zwar vorwiegend för Worte von
tiefer Tonhöhe. Nach nngefähr einer
Woche iBt die Beeserang schon viel
geringer gewesen ; die tiefen Töne
wurden jedoch immer besser perei-
pirt als die hoben. Nach dem kllnst-
Jicbeo Verscblnsse der Perforations-
öfTattng im Trommelfelle tritt neuer-
dings Bessernng des HörvermOgens
anf. Ungefähr 3 Wochen nach der
Operation und zwar ehe noch das
Trommelfell vollständig gesehlossen
war, ist eine Andeutung einer neuer-
lichen Bessernng bemerkbar gewesen,
die jedoch hei Verschluss der PerforationsöfTnung verschwand,
Fig. 4.
V CoDveisitionsspraihB
P Politiai'B Hörm. ■ -
10 I. GRADENIGO
um einer progressiven Versohlimmerang Platz zu machen. Zwei
Monate naoh der Operation war das Gehör rechts etwas sohlech-
ter als früher, während im Gegentheil eine namentlich sabjeotive
Bessernng auf der linken Seite, welche keiner therapeutischen
Behandlung unterlag, auftrat. ^
III. Kategorie.
Chronische katarrhalische ^ secundar nach eitriger Mittelohr-
entzündung entstandene Otitis,
VI. BeobachtuDg. 2. März. B. F., Dienstmagd, 20 Jahr alt. (Uni-
versitätsklioik.) Fat. kannte ihre Eltern nicht. Als Kind litt sie häufig an
beiderseitiger Otorrhoe, an Schmerzen an den Obren und auch an Lymph-
drüsenentzandungen am Halse, die in Eiterung übergingen. Das Gehör blieb
jedoch bis zum 16. Jahre ziemlich gut; seit einigen Jahren jedoch hat es
stark abgenommen, und es ist auch Ohrensausen vorhanden. Links scheint
die Schwerhörigkeit jüngeren Datums zu sein. Es ist hochgradige chronische
Nasenrachenentzündung mit reichlicher Secretion vorhanden.
7. März. S +
A D — ad c + + 0,05 prope 0,20
W ? R H HmHt P v V
AS — ad c + + 0,05 prope 0,20
7ioo 14 33 40 49 48 ^ey^o^
Ut UtUt^Ut* Ut3 Ut* Ut5
'o/ioo 50 45 60 58 60 ««/loo
Das Trommelfell mässisr retrahirt, glanzlos, im Centrum verdünnt, beweglich,
ohne Kalkflecken und Narben.
20. März. Exenteratio rechts. Geringe Hämorrhagie. Da das
Köpfchen des scheinbar beweglichen Steigbügels gut sichtbar war, so wurde
auch die Extraction desselben versucht und zwar nach vorausgegangener
Durchschneidung des M. stapedius. Die Operation gelang mit Ausnahme
eines kleinen hinteren Stückchens der Platte und dem daran endigenden
hinteren Schenkel.
23. März. Es fehlen Reactionssymptome von irgend welcher Bedeutung.
Die erste Medication wurde am dritten Tage gemacht. Die Schleimhaut der
Labyrintbwand erschien geschwollen. Ein kleiner Gazetampon, der tief ein-
geführt wurde, imprägnirte sich nach wenigen Minuten mit einer reichlichen
serösen Secretion (perilymphatische Flüssigkeit?) Schwindelanfälle fehlen,
allein das Stehen auf einem Fusse auch mit geöffneten Augen schwierig.
Das Gehör scheint gebessert zu sein.
S +
C + + 0,30 0,50 2—1
AD H Hm Ht P v V
13. Mai. Das Trommelfell vollständig regenerirt. Die Besserung noch
mehr ausgesprochen, v »= 4 m (Zahlen) ; 1 m (leichte Worte).
Pat., sehr zufrieden mit dem auf der rechten Seite erhaltenen Resultate,
wünschte mit lusistenz auch auf der linken Seite operirt zu werden.
14. Mai. Exenteratio links. Bei den Extractionsversuchen brach
der lange Fortsatz des Ambosses und dieser wurde dann mit der Pincette
entfernt. Beim Anfassen des Steigbügels brachen die Schenkel desselben und
die Platte blieb an Ort und Stelle.
16. Mai. I. Medication. (Zweiter Tag.) Massige Reaction. Ohrensausen
fortdauernd. Gehör sehr gebessert.
1) Anmerkung bei der Correctur: üeber die Fortsetzung dieser Be-
obachtung wird von mir später berichtet werden.
üeber die Exenteratio cavi tympani zu akustischen Zwecken. 11
y = bi8 4 m (niedere Zahlen); 3 m (tieftönende leichte Worte, z. B.
Lampada)
22. Mai. Secretion aufgehört Gehör links noch besser, v (Zahlen
und gewöhnliche Worte 4 m); dagegen beginnt eine Abnahme desselben auf
der rechten Seite, wo v = 3—4 m (Zahlen), 1—0,50 (leichte Worte).
3. Juni. Das Trommelfell beiderseits regenerirt, rechts noch geröthet.
Ohrensausen rechts aufgehört, lioks vermindert, das Gehör aber in Abnahme
begriffen :
AD » 0,50 (Zahlen und gewöhnliche Worte),
A S *- 2 m (tieftönende Zahlen) — 1 m (leichte Worte).
10. Juni. AD— 0,10 + + 0,25 2,50-0,50 5,00
W ? R fl Hm Ht P V V
AS— 0,15 + -f 0,40 1,00-0,35 5,00
A D »V»oo
ut»
A S »Vi 00
AD: V =^ 2Va m (niedere Zahlen: trenta quaranta)
0,50 (hohe Zahlen: sessanta)
1 m (gewöhnliche tieftönende Worte: Lampada
Camera)
AS: Y = 1 m (niedere Zahlen)
0,50 (sessanta)
0,35 (tieftöaende gewöhnliche Worte)
Untere Grenze AD 34 AS 36
Obere Grenze 4,5 4,6 (0,2 normal).
21. Juni. In den vorangehenden Tagen wurde elektrische Massage
gemacht
S--
AD — 0,02 + -- 0,25 2-1 >5
W?RHHmHtP v V
AS — 0,05 + + 0,75 4— P/a >5
Untere Grenze AD = 40 AS 32
Obere Grenze (Edelmann) 3,5 2,5
AD: V = 2 m (hohe und niedere Zahlen) 1 m (gewöhnliche
Worte)
AS: y ^= 4 m (niedere Zahlen) 3 m (60); 1 m 7s (gewöhnliche
Worte)
11. Juli. S +
AD — 0,02 + -f 0,25 0,75 >5
W?RHHmHtP v V
AS — 0,02 + + 0,25 0,50 >5
Untere Grenze AD 26 AS 30.
30. Juli. 0,02 0,10 0,50 >5
HP V V
C 0,10 0,50 >5
Untere Grenze AD = 34 AS = 55.
Links noch Ohrensausen, rechts das Ohrensausen geschwunden.
Epikrise. Obgleich die unmittelbar nach der Operation
vorhanden gewesenen brillanten Erfolge sich nicht dauernd er-
hielten, so ist doch functionell eine derartige Besserung erzielt
worden, dass Patientin die Beschäftigung, die sie wegen des
Gehörleidens hätte aufgeben müssen, wieder fortzusetzen im
Stande war. Bemerk enswerth ist das Resultat namentlich be-
zQglich der Gonversationssprache und speciell auf der rechten
Seite (mehr als 5 Meter), wenn auch der Steigbügel entfernt
wurde.
12 I. GRADENIGO
VII. Beobachtung C. P., Spezereihändler, 26 Jahre alt. (Privat-
klinik). 26. April 190t.
In der Kindheit war, l&ngere Zeit hindurch, beiderseits Otorrhoe vor-
handen, die, wie es scheint, nicht behandelt worden ist, und in deren Folge
im äusseren Gehörgange Ekzeme und Ulcerationen auftraten, von denen noch
gegenwärtig, rechts, Residuen in Form von Synechieen im Meatus vorhanden
sind. Seit 5 Jahren besteht eine progressive Abnahme des Hörvermögens auf
beiden Seiten, die zur gegenwärtig constatirbaren starken Schwerhörigkeit
führte. Beiderseits ist hochgradiges Ohrensausen vorhanden, ferner chro-
nische Pharyngitis, Crista septi nasi nach links. Schwester etwas schwerhörig.
Trommelfell ohne Glanz auf beiden Seiten und gut beweglich. Er vernimmt
bloss die Couversationssprache und zwar nur beim Schreien in der Nähe ; Uhr,.
p»iO; Schwabach positiv. Es wurden Quecksilber-Jodpräparate und lokale
Behandluupen angewendet, die aber resultatlos blieben. Der Kranke wünschte
die Operation, die ohne Aussicht auf Erfolg bloss zur Befriedigung des-
Wunsches des Kranken vorgenommen wurde.
2. Mai. Ezenteratio rechts. Trommelfell verdickt; beträchtliche Hämor-
rhagie. Schleimhaut gelblich, verdickt, lässt die Details der Configuration der
Labyrinthwand nicht erkennen.
Gleich nach der Operation Y^ V» ^' ^^^ gewöhnliche Worte und
niedere Zahlen. Pat. verlässt jedoch die Anstalt und kommt zur Nachbe-
handlung nur in unregelmässiger Weise. Trotz aller Vorsicht stellt sich
Eiterung der Wunde ein, die Schleimhaut der Trommelhöhle granulirt, und
das Trommelfell regenerirt sich rasch. Resultat negativ.
Links, wo nur Massage und Luftduche gemacht wurde ¥»0,4 0.
Epikrise. Die schweren Alterationen des inneren Ohre»
contraindicirten in diesem Falle die Operation.
IV. Kategorie.
Eifrige Otitis bei perjbrirlem Trommelfelle und ihre Ausgänge.
Bekanntlich sind Fälle von eiteriger Otitis bei perforirtem
Trommelfelle die günstigsten für Operationen in der Trommelhöhle
sowohl zu chirurgischen wie aach zu akustischen Zwecken.
Die Hörschärfe zeigt nach der Operation gewöhnlich eine
mehr oder minder bedeutende Besserung je nach der Qualität
und Ausdehnung der Läsionen, welche eventuell an den Labyrinth-
fenstern und im inneren Ohre vorhanden sind. Die Entfernung des
Ambosses, welche in chirurgischer Hinsicht, d. h. fttr die Sisti-
rung der Otorrhoe von grosser Wichtigkeit sein kann, ist hin-
gegen in akustischer Beziehung nur von geringer Bedeutung,
weil ja ohnehin der lange Fortsatz desselben mehr oder weniger
defect und ohne Verbindung mit dem Steigbügel ist.
Ich halte es für überflüssig, hier einzelne Fälle anzufahren,
in denen es, wie bekannt, häufig vorkommt, dass die Flüster-
sprache, welche vor der Operation bloss in der Nähe percipirt
wird, nach derselben in einer Entfernung von mehr als zwei
Metern gehört werden kann.
Ueber die £xeDteratio cavl tympani za akustischen Zwecken. 13
Verschiedenartige Operationen.
In einigen Fällen von chronischer katarrhalischer Otitis ver-
suchte ich statt der Exenteratio andere operative Eingriffe, die
im Folgenden kurz beschriehen werden sollen.
Extraction des Ambosses.
Es wurde an Stelle der Exenteratio die Entfernung des Am-
bosses allein vorgeschlagen und zwar auf Grund der Erfahrung,
4ass nach der Exenteratio sich gewöhnlich das Trommelfell
regenerirt *) und dass die Unterbrechung der Kette der Gehör-
knöchelchen und in Folge dessen die Befreiung des Steigbügels
von einem abnormen Drucke auch bloss durch die Extraction
jenes Knöchelchens allein bewirkt werden könne.' Die Ent-
fernung des Ambosses allein hat den Vortheil, dass sie weniger
-eingreifend ist als die Exenteratio und dass auch die Reaction
nach derselben weniger intensiv ist.
Selbstverständlich kann die in Rede stehende Operation nur
<iann ausgeführt werden, wenn die anatomische Lage des Am-
bosses eine derartige ist dass die Extremität des langen Fort-
satzes derselben vom Gehörgange aus gesehen und gefasst werden
kann. Im folgenden Falle von chronischer katarrhalischer Otitis
v^aren die Resultate sehr zufriedenstellend.
VIII. Beobachtung. 13. April 1901. P., Angela, 28 Jahr alt. (Privat-
klinik.) Vater etwas schwerhörig. Bei der Pat. ist progressive Taubheit
vorhanden mit beiderseitigem Ohrensausen seit mehr als 5 Jahren, und zwar
trat das Leiden erst am rechten, dann am linken Ohr auf. £8 ist auch
-chronische Nasen-Rachenentzündung vorhanden. Das Trommelfell ist retra-
hirt und glanzlos.
Das Ohrensausen modificirte sich durch die Behandlung gar nicht, das
•Gehör jedoch besserte sich io geringem Grade.
21. April. (Zahlen)
AD-D prope + + 0,30 0,20
W ? R H Hm Ht P v
AS —30 0,10 + + 4m 1-0,30.
22. April. £xtraction des Ambosses alleio, rechts, ohne Zwischenfälle
in der Ghloroformnarkose.
30. April. Rechts ist das Gehör bedeutend gebessert. Der Politzer-
sche Hörmesser wird auf 2,40 m percipirt, Flüstersprache 0,30 (verschiedene
Worte) — 5m (hochtönende Zahlen), im Mittel 1 m. (sessanta auf 5 m,
-ottanta auf Va m« Giardino, Camera auf 0,75, Lampada auf 0,30).
Das Ohrensausen ist, wenn auch nicht vollständig geschwunden, doch
bedeutend geringer. Zwei Wochen später verliess Pat. die Anstalt, und diu
Besserung hielt noch an. Es fehlen weitere Nachrichten über dieselbe.
Foroirte Reduction des Hammers.
In Fällen von starker Retraction des Trommelfells mit
hochgradiger Taubheit in Folge von chronischer katarrhalischer
1) £s sind auch Beobachtungen bekannt, welche beweisen, dass dies
nicht immer der Fall ist (I. und II. Beobachtung).
14 I. 6RADENI60
Mittelohrentzündung yersachteioh den Hammer, nach vorausgehen-
der Tenotomie, zu reponiren. Mit der einfachen Tenotomie nämlich
erzielte ich nur transitorische Erfolge und auch die Operation
nach Grüner t, d. h. die Luxation des Hammergriffes nach
aussen ergab nach meinen Erfahrungen keine zufriedenstellenden
Resultate. Ich verfahre in folgender Weise:
Ich incidire in der Chloroformnarkose das Trommelfell un-
mittelbar nach vorn und hinten des Griffes und zwar in der
Höhe des mittleren Theiles desselben, und mache dazu mittelst
eines zweckmässig gekrümmten Tenotoms die Durchschneidung
der Sehne and der eventuellen Verwachsungen. Dies ist wegen
der excessiven Neigung des Hammergriffes gewöhnlich schwer
durchführbar. Sodann fasse ich mit einer starken Pincette, deren
Enden in die Incisionsöffnung eingeführt werden, den Hammer-
griff und fUhre an demselben einen progressiv steigenden Zug
aus, bis der Griff die natürliche Lage einnimmt, bez. etwas
mehr als normal nach aussen vorsteht. Gewöhnlich empfindet
die Hand des Operateurs einen Ruck im Momente, wo der Hammer
dem Zuge nachgibt. Schliesslich wird ein Verband angelegt.
Gewöhnlich sind die Erfolge dieser Operation zufriedenstellend,
aber nicht dauernd. Ich werde einen solchen Fall als Beispiel
anführen:
IX. Beobachtung. K. Domenico, 24 Jahre alt. (Universitätsklinik).
20. October 1900. Keine otopathische hereditäre Anlage. Progressive
Abnahme des Gehörs seit ungefähr 4 Jahren, chronischer Nasenrachenkatarrh.
Hypertrophie der unteren Nasenmuscheln. Trommelfell beiderseits glanzlos,
stark retrahirt, wenig beweglich.
AD — 0,05 + + 0,80 — 0,30 3
R H Hm Ht V P
AS — 0,10 + + 1,20 — 0,z0 3
22. October. Operation rechts : Forcirte Reduction des Hammers. Ope-
ration wie oben ; bei der Einführung des Tenotoms wurde der vordere Ab-
schnitt des Trommelfelles eingerissen.
25. October. Gar keine bemerk enswerthe Keaction nach der Operation.
Geringe blutig-seröse Secretion.
V a= 1 m (gewöhnliche Worte).
27. October. Die Sekretion hat vollständig aufgehört.
29. October. v = 3 m (Zahlen), t m (gewöhnliche Worte).
14. April 1901. Die durch die Operation erzielte Besserung hat sich
nicht erhalten, das Gehör ist wieder wie früher. Der Pat. jedoch ist mit
den in den ersten Monaten erzielten Erfolgen so zufrieden, dass er die
Wiederholung der Operation wünscht.
Alle diejenigen, welche heutzutage endotympanale Chirurgie
zu akustischen Zwecken üben, sind darüber einig, dass nicht
nur unsere klinischen und pathologisch-anatomischen, sondern
Ueber. die £xenteratio cavi tympani zu akustischen Zwecken. 15
sogar unsere physiologischen Kenntnisse rfloksiohtlich des Gehör-
organs auf sehr unsicherem Boden stehen. Die gegen die
Helmholtz'sche Theorie über Schallleitung mittelst der Gehör-
knöchelchen erhobenen Einwände (Secchi, Zimmermann),
scheinen in der That auch durch einige der Resultate der intra-
tympanalen Chirurgie, welche in gewissen Beziehungen das
Werth eines klinischen Experimentes haben, verstärkt zu sein.
Ich selbst habe zu wiederholten Malen die Erfahrung ge-
macht, dass der gute Effect auf das Hörvermögen, der durch
die einfache Perforation des Trommelfells erzielt wird, durch
gar keine Operation, welche die Mobilität der Gehörknöchelchen
zu befordern vermag, übertroffen wird. Andererseits kann, wie
ich in einem Falle beobachten konnte, das Hörvermögen sich
sehr gut erhalten, d. h. mehr als 5 Meter fllr die Flüsterstimme
betragen, wenn der Hammer entfernt wird, und zwar auch dann,
wenn nur eine kleine Perforationsöffnung in Membrana flaccida
zurückbleibt. Es kann ferner das Hörvermögen ziemlich gut
erhalten bleiben nach Eztraction des Ambosses allein, d. h. also
bei Unterbrechung der Kette der Gehörknöchelchen und Integrität
des Trommelfelles.
Diese Thatsachen nebst anderen, die angefahrt werden
könnten, vermindern ganz bestimmt den functionellen Werth der
Gehörknöchelchen.
Schlussfolgerungen.
Bei Beurtheilung der definitiven akustischen Erfolge der
Exenteratio cavi tympani in unseren Fällen kommen wir zu
folgenden Schlussfolgerungen :
L Die Erfolge der chirurgischen Operationen in der Trommel-
böhle sind um so besser, je vollständiger die Integrität des inneren
Ohres ist.
II. Die günstigsten Resultate bei der Exenteratio cavi tym-
pani — d. h. bei Entfernung des Trommelfelles, des Hammers,
des Ambosses und möglicherweise auch des Steigbügels —
werden bei den Ausgängen der eiterigen Mittelohrentzündung,
in denen eine partielle Zerstörung des Trommelfelles und der
Gehörknöchelchen stattfindet, erzielt. Gute Resultate erhält man
auch in einer nur wenig bekannten Kategorie von Fällen, in
denen gleichfalls Ausgänge einer eiterigen Mittelohrentzündung
bestehen, aber ohne charakteristische Alterationen des Trommel-
16 I. GRADENIGOy Ueber die Exent. cavi tymp. zu akust. Zwecken.
felis und der Gehörknöohelehen. Es scheint in solchen Fällen eine
gewohnliche chronische katarrhalische Otitis vorhanden zu sein,
und bloss die Anamnese lässt erkennen, dass es sich hingegen
um eine vorausgegangene Otorrhoe handelt.
IIL In den trockenen Formen der Mittelohrentzündung
«ind die Erfolge gewöhnlich weniger zufriedenstellend, und auf-
fallender Weise sind sie in der Sklerosis günstiger als bei der
chronischen katarrhalischen Mittelohrentzündung. Dies wider-
spricht allerdings der Thatsache, dass sich bei der Sklerosis das
innere Ohr gewöhnlich häufiger und in intensiverer Weise als
bei der katarrhalischen Otitis, an dem Erankheitsprocesse be-
iheiligt. Es lässt sich jedoch diese Erscheinung dadurch er-
klären, dass bei der Sklerosis eine Atrophie der Trommelfells
statthat, dass in Folge dessen die Ausbildung einer narbigen
Membran behindert wird und dass die Labyrinthwand folglich
direct den Schallwellen zugänglich ist. Bei der katarrhali-
schen Otitis hingegen pflegt sich das narbige Trommelfell neu
zu bilden.
IV. Einen sehr bedeutenden Einfluss auf den definitiven
Ausgang hat die postoperative Behandlung.
V. Wenn die Schwerhörigkeit vornehmlich den Charakter
einer Labyrintherkrankung hat, dann sind die operativen Ein-
griffe in der Trommelhöhle contraindicirt, weil die consecutive
Reaction den Process im Labyrinthe verschlimmert.
VL Die Erfahrungen der intratympanalen Chirurgie zei-
gen, dass unsere Kenntnisse über die Physiologie und Patho-
logie des Gehörorgans noch zum grossen Theile mangelhaft und
oinsicher sind.
II.
lieber Diplacasis monaiiralis.
Vortrag, gehalten auf der 73. Yersammlang der Naturforscher und Aerzte
in Hamburg in der Section für Ohrenheilkunde.
Von
Prof. E. Berihold in Königsberg i. Pr.
Doppelhören, Diplaousis nennen wir diejenige pathologisohe
Erscheinung im Gehörorgan, bei welcher ein erregender objeo-
tiver Ton zwei Gehörsempfindungen in verschiedener Höhe er-
zengt, von welchen die eine zu der richtigen Wahrnehmang des
objeotiven Tones führt, die andere dagegen zu einer Sinnes-
täuschung Veranlassung giebt. Wir unterscheiden zwei Arten
von Doppelhören, die Diplaousis binauralis, bei welcher das ge-
sunde Ohr den objectiven Ton wahrnimmt, das kranke Ohr die-
sen Ton aber falsch empfindet, und die Diplaousis monauralis,
bei der beide Töne von ein und demselben Ohre empfunden wer-
den. Die Diplaousis monauralis ist von beiden Arten die seltenere.
Im Anschluss an einen Fall, den ich in diesem Sommer zu
untersuchen Gelegenheit hatte, will ich die Diplaousis monauralis
zu erklären versuchen.
Der betreffende Kranke war ein Musiker von 47 Jahren aus
Ostpreussen. Der Mann war von untersetzter Gestalt, guter Er-
nährung und blühender Gesichtsfarbe. Am 18. März dieses Jahres
kam er nach Königsberg, um hier einen Cursus im Orgelspiel
durchzumachen. Er erkrankte hier am Abend des 6. April mit
Fieber und Schmerzen im linken Ohr. Am Tage darauf hatten
sich die Schmerzen vermehrt, Hessen jedoch auf Bähungen mit
Kamillenthee etwas nach. In der Nacht vom 9. zum 10. April
kam es nach vorausgegangenem empfindlichen Druck im linken
Ohr zu Ausfluss aus demselben.
Am 13. April trat Patient in meine Behandlung. Ich fand
eine Otitis media exsudativa mit kleiner Perforation des Trommel-
fells, die in ca. 3 Wochen ablief. Während dieser Zeit machte
Aichiv f. OhienheUlnmde. LV. Bd. 2
18 IL BERTHOLD
der Patient die Beobaehtung, zuerst beim Pfeifen mit den Lippen,
dann auch beim Hören von Musik und Gesang, dass er mit dem
linken Ohr allein ausser dem objeetiven Ton noch einen zwei-
ten, etwas schwächeren Ton hörte, dessen Höhe zwischen der
höhern Secunde und der höhern Terz schwankte. Bei der Unter-
suchung fand ich nun, dass Patient ein sehr gutes musikalisches
Gehör besass, welches ihn befähigte jedes Intervall, auch in den
höchsten Octaven mit Sicherheit anzugeben. Das war fbr die
Untersuchung von grosser Wichtigkeit, denn nur die Angaben
von Musikern, musikalischen Aerzten und Physikern lassen sich
zur Beantwortung unserer Frage verwerthen.
Bevor ich jedoch auf die Gehörsprüfung unseres Patienten
genauer eingehe, möchte ich einige anamnestische Punkte über
seinen Gesundheitszustand vorausschicken. Patient hat vom
ISi. Lebensjahre an bis zu seiner Verheirathung im 32. Lebens-
jahre Onanie getrieben. In der Ehe wurden ihm 3 Kinder ge-
boren, um einer weiteren Vergrösserung seiner Familie vorzu-
beugen, übte er von nun an den Coitus interruptus aus. Trotz
dieser Schädigungen seines Nervensystems kennt Patient keine
anderen nervösen Erscheinungen als Schlaflosigkeit. Sein Be-
nehmen war allerdings etwas absonderlich. Er hatte stets eine
verlegene Miene und lächelte, wenn er eine an ihn gerichtete
Frage nicht gleich verstand. Ihm lachte wirklich die Dummheit
aus den Augen. Sonst schien er aber [eine gesunde Natur zu
haben. Er war nicht schreckhaft oder zitternd in seinen Be-
wegungen geworden, auch hatte er nie über Herzklopfen ge-
klagt. Sein Appetit war stets rege und seine Verdauung normal
geblieben.
Von seinen Angaben über die Doppeltöne seines linken Ohres
war mir zuerst die Mittheilung aufl&llig, dass er sie am deutlich-
sten beim Pfeifen mit dem^ Munde wahrnahm, und dass er den
objeetiven Ton mit seinem kranken linken Ohre lauter als mit
seinem gesunden rechten Ohre hörte. Diese Erscheinung lässt
sich nur durch die Annahme erklären, dass gleichzeitig die linke
Tuba Eustachii erkrankt war und offen stand. Hierzu stimmte
auch die Angabe des Kranken, dass er den Ton seiner eigenen
Sprache eigenthümlich näselnd fand. Es bestand also die patho-
logische Besonanz der eigenen Stimme (Autophonie), diese machte
sich weniger bemerkbar, wenn das kranke Ohr mit Watte fest
verstopft wurde.
Bei der Prüfung des Doppelhörens wurde selbstverständlich
lieber Diplacusis monauralis. 19
das gesunde rechte Ohr mit Watte verstopft, fest zugedrückt,
und so vom Hören ansgesohlossen. Ich benutzte eine Violine und
die Daltonpfeife zur Untersuchung. Der Kranke selbst stellte
dieselbe in der Weise an, dass er sich die Tonleiter vorpfiff oder
auf der Orgel vorspielte und zu jedem Ton den etwaigen Doppel-
ton auf einem Stückchen Notenpapier aufsehrieb. Die Resultate
seiner und meiner Untersuchung stimmten im Ganzen gut mit-
einander überein. Anfangs traten die Doppeltöne im Gebiete der
ein- bis viergestrichenen- Octave auf, in den nächsten Wochen
wurden sie schwächer und nur in einem geringeren Umfange
hörbar, und am 17. Juni hörte Patient nur noch einen einzigen
Doppelton, nämlich die höhere Octave von dem eingestrichenen a.
Kurze Zeit darauf war der Kranke von seinem Doppelhören
befreit.
Von den Untersuchungen will ich Ihnen nur eine anf&hren,
als der Process noch auf der Höhe stand, gegen Ende April.
Er hörte damals
bei dem objectiven Ton a^ den Doppelton e^
dl a'2
bei diesen beiden Tönen also die höhere Quinte,
bei dem objectiven Ton fis^ den Doppelton g^
0*3 fl.3
jf 71 ji 7, f* dagegen d^
also die kleine tiefere Terz, bei diesem Ton trat aber schon eine
Unsicherheit in der Bestimmung des Doppeltones ein, ebenso
sehwankte er bei g^ und glaubte bald die tiefere Quart d^ oder
die höhere Secunde zu hören.
Bei den anderen Tönen in diesen vier Octaven wurde ein
Doppelton entweder nicht empfunden oder konnte nicht mit
Sicherheit angegeben werden.
Gehen wir jetzt zur Erklärung dieser Erscheinung über, so
werden wir zuerst die Frage nach dem Sitz der Erkrankung zu
beantworten haben. Anseheinend könnte wohl die Paukenhöhle
ia diesem wie in manchen anderen Fällen der Locus morbi sein,
da ja dem Doppelhören eine Entzündung derselben voranging.
Und in der That hat Gradenigo (Schwartze's Handbuch,
Bd. II. S. 551) neben anderen Erklärungen der Diplacusis mon-
auralis auch gemeint, sie könnte in einer doppelten Schwin-
gungsweise des Trommelfells wegen Spannungsdifferenzen der
einzelnen Segmente desselben gesucht werden. Diese Erklärung
2*
20 IL BERTHOLD
ist aber sohon von Jacobson zurückgewiesen und tbatsächlicb
nicht sticbbaltig, weil ein elastiscber Körper, der durch
«inen Ton in Mitschwingung versetzt wird, immer in der Schwin-
gungszahl des erregenden Tones mitschwingt.
In der Sehwingungszahl seines eigenen Tones schwingt ein
elastischer Körper erst dann, wenn der erregende Ton zu klingen
aufgehört hat. Beide Töne treten also nicht gleichzeitig, son-
dern unmittelbar nach einander auf. Solche Fälle können also
zur Diplacusis eigentlich nicht gerechnet werden. In der Regel
wird die Ursache des Doppelhörens im Labyrinth oder im Cen-
tralorgan zu suchen sein. Unter der Voraussetzung, dass bei
einer Entzündung in der Paukenhöhle das benachbarte Labyrinth
gewöhnlich nicht ganz unbetheiligt bleiben wird, ist bei der
Kleinheit der Gebilde im Corti'schen Organ es eigentlich wun-
derbar, dass bei der grossen Zahl von Mittelohrentzündungen es
80 selten zu Ausfällen von Tonlücken und Doppelhören kommt,
da doch ein ganz geringes Exsudat im Labyrinth immer gleich-
zeitig auf mehreren Sinnesepithelien lasten wird. Seit circa
40 Jahren sind wir daran gewöhnt, die H e Im holtz'sche Theorie,
welche auf die einfachste Weise die Vorgänge der peripherischen
Oehörleitung erklärt, auch in pathologischen Fällen zu verwen-
•den. Wenn dieselbe heute Dank der Fortschritte in der mikro-
skopischen Anatomie auch einiger Modificationen bedarf, so ist
-es doch zweckmässig, die Erklärung der Diplacusis zuerst auf
Orund der Helmholt zischen Theorie zu versuchen.
Helmhol tz sagt in seinen Tonempfindungen vom Jahre
1863, S. 198: „Könnten wir nun jede Saite eines Klaviers mit
«iner Nervenfaser so verbinden, dass die Nervenfaser erregt würde
und empfilnde, so oft die Saite in Bewegung geriethe, so würde
in der That genau so, wie es im Ohre wirklich der Fall ist,
jeder Klang, der das Instrument trifft, eine Reihe von Empfin-
dungen erregen, ganz genau entsprechend den pendelartigen
Schwingungen, in welche die ursprüngliche Luftbewegung zu
zerlegen wäre....*' Hieran knüpft nun Helmholtz folgende
Bemerkung: „Nun lassen in der That die neueren Entdeckungen
4er Mikroskopiker über den inneren Bau des Ohres die Annahme
zu, dass im Ohre ähnliche Einrichtungen vorhanden sind, wie
wir sie uns eben erdacht haben. Es findet sich nämlich das Ende
jeder Nervenfaser des Gehörnerven verbunden mit kleinen ela-
stischen Theilen, von denen wir annehmen müssen, dass sie durch
Schallwellen in Mitschwingung versetzt werden."
Ueber Diplacusis monauralis. 21
Nehmen wir nun an, dass bei unserem Kranken durch eine
exsudative Trübung der LabyrinthflQssigkeit oder durch eine
leichte Schwellung der Basilarmembran eine Verstimmung der
Cortrschen Fasern derart stattgefunden hat, dass z. B. bei dem
Ton c auch die Faser mitschwingt, die für den Ton e bestimmt
ist, so muss nach dem Gesetz der speoifischen Sinnesenergie nicht
nur der Ton o, sondern auch der Ton e zur Empfindung gelan-
gen, eine Erscheinung, die wir eben mit dem Ausdruck „Dipla-
cusis monauralis^ bezeichnen. So einfach ist nun aber der Vor-
gang nicht, weil die Verbindung der Endigungen der Aousticus-
fasern mit dem Corti'schen Organ in anderer Weise stattfindet,
als es Helmholtz damals annehmen musste. Hans Held hat in
seiner Arbeit: „Zur Kenntniss der peripheren Gehörleitung** die
Resultate der Untersuchung anderer Forscher, wie His, Retzius,
van Gebuchten, Ramon y Cajal, Ayers kritisch be-
leuchtet und durch eigene Arbeiten vervollständigt. Hiernaob
wird „die periphere Gehörleitung, welche das in der Schnecke
gelegene Gorti'sche Organ mit dem Hirnstamm verbindet, von
den aus dem Ganglion cochleare hervorgehenden Sinnesleitungen
gebildet**. „Die hier vorhandenen bipolaren Nervenzellen sind
es, welche, wie His zuerst gezeigt hat, periphere Fortsätze in&
Cortfsche Organ und centrale Nervenfasern in graue Endkerne
des Hirnstammes hineintreiben.^ Das Ende dieser im Ganglion
cochleare entsprungenen Fasern verzweigt sich und umfasst
den Leib der Haarzellen. Die Beschreibung der Nervenzellen
des Ganglion spirale und des Ringplexus des Ganglion cochleare^
so interessant sie auch ist, müssen wir hier übergehen.
Uns interessirte ja zur Erklärung der Diplacusis hauptsäch-
lich die Schlussfolgerung, welche aus den mikroskopischen Be-
funden gezogen werden muss. Diese können wir mit wenigen
Worten so formuliren: „Es können verschieden hohe Töne
dieselbe e i ne Nervenfaser erregen**, da eine Nervenfaser, der
periphere Fortsatz der bipolaren Cochleariszellen, durch vielsei-
tige Verzweigung mit mehreren im Umfange des Sinnesepithels
vertheilten Haarzellen, die also je nach ihrer Entfernung 'auf ver-
schieden langen Corti'schen Saiten der Basilarmembran stehen
zusammenhängt.
Es fragt sich nun, wie sich bei diesem Modus der Erregung
unsere Fähigkeit, sehr kleine Tondifferenzen zu unterscheiden,
erklären lässt? Die Schwierigkeit dieser Frage ist nur eine
scheinbare. Wir dürfen nur annehmen, dass eine Combination.
22 II. BERTHOLD
von verschiedenen Nervenverzweigun^en dieselbe Function
ausübt, wie die einzelne Nervenfaser, welche nach der Helm-
holtz'schen Theorie an ein Gorti'sches Fäserchen treten sollte,
dann kann nach der Lehre von den specifischen Sinnesenergien
die Sehallübertragung ebenso genau stattfinden, wie wir es bis-
her angenommen haben. Selbstverständlich müssen ebenso viele
verschiedene Nervencombinationen wie Sinnesepithelien vorhan-
den sein.
Die geschilderte Nervenverzweigung hat flQr die Oekonomie
der Schnecke noch besondere Vortheile, die denen entsprechen,
welche Bethe (Archiv f. mikroskop. Anatomie. 1895. XLIV. Bd.)
an den Nervenhügeln der Froschzunge nachgewiesen hat.
Mit den Combinationen der vielfach verzweigten Nerven-
fasern ist nämlich eine grosse Ersparniss an Nervenfasern und
Centralganglienzellen verbunden, worüber uns die Formel der
Combinationen ohne Wiederholungen jeden gewünschten Auf-
schluss giebt.
Bezeichne ich mit G die Combinationen, mit n die Anzahl
der Elemente, mit k die Klasse der Combinationen, so ist be-
kanntlich :
^^ ^ n(n — l)(n — 2) (n— k + D
(n) 1.2 . 3 k
Durch die Einsetzung der uns hier interessirenden Zahlen
in diese Formel lassen sich alle Fragen über die etwaige An-
zahl von Nervenfasern und deren Verzweigungen, über die Zahl
der Centralganglienzellen und die Innervationsverhältnisse der
Corti'schen Fasern mit Leichtigkeit beantworten.
Nennen wir x die Anzahl der Nervenfasern des Acusticus,
t, die Anzahl von Theilen, in die sich jede einzelne Nerven-
faser verzweigt, so wird die Summe sämmtlicher Verzweigungen
S = t . X sein.
Mit diesen t . x -Verzweigungen sollen a Cort^sche Fasern in
der Weise versorgt werden, dass jede derselben v Verzweigun-
gen erhalt, jedoch so, dass erstens nicht zwei oder mehr Ver-
zweigungen von derselben Nervenfaser an ein und dieselbe Corti-
sohe Faser treten dürfen, und zweitens, dass nicht zwei oder
mehr Corti'sche Fasern mit denselben Nervenverzweigungen in
Beziehung treten. Es muss demnach auch die Summe aller Ver-
zweigungen S = a . V sein. Aus den
beiden Gleichungen S = t . x und
Ueber Diplaeosis moBauralis. 23
S = a . V folgt,
dass t . X «=» a . V ist (Gleichung 1),
also ist X = —7—
X
In dieser Gleiehnng ist a eine bekannte Grösse, denn nach
Kölliker beträgt die Anzahl sämmtlicher Cortf sehen Fasern
circa 3000.
In der Gleichung x =« 3000 • -r- hängt also der Werth von x
V V
von dem Bruch -p ab. Es kann nun v «« t sein, dann ist —- ™ 1
und X =» 3000. In diesem Falle ist von einer Ersparniss von
Nervenfasern nicht die Rede. Es werden ebenso viele Nerven-
fasern wie Corti'sche Fasern gebraucht. Ist — dagegen ein ech-
ter Bruch , dann mnss x < 3000 werden. Nehme ich z. B. an,
4
dass V = 4 und t = 1 1 ist, so ist x «- 3000 —r = circa 1 090,
d. h. ich kann jedes der 3000 Gortrschen Fasern 4 mal mit 1090
Nervenendigungen auf verschiedene Art innerviren, und das be-
deutet doch schon eine erhebliche Ersparniss an Nervenfasern
und Centralganglien Zellen.
Wollen wir nun die Frage beantworten, wie gross die
kleinste Zahl von Nervenfasern bei einer vierfachen Innervation
der Gorti'schen Fasern ist, jedoch so, dass den oben aufgestell-
ten Bedingungen genUgt wird, so müssen wir in die obige For-
mel fbr die Gombinationen ohne Wiederholungen
^^ _n(n — l)(n-2) (a— k + 1)
(n) 1.2.3 k
unsere Bezeichnungen setzen, also statt n = x, statt k = v, dann
erhalten wir
/jj 1.2.3.... <x>
(Gleichung 2).
Nehmen wir nun wieder an, dass v =» 4 ist, so erhalten
wir die Gleichung
qnan - x(x-l)(x-2)(x-3)
^^^ - 1 .2 . 3 .. 4 •
Die Auflösung dieser Gleichung giebt für x den Annäherungs-
werth 18, denn
24 II. BBKTBOLD
18 . 17 . 16 . 15 ,__-
1.2.3.4 "" ^^^^^
d. h. die kleinste Zahl von Nervenfasern, mit denen ich eine
yierfaohe Innervation von 3060 Gorti'schen Fasern herstellen kann^
ist 18. — Diese 18 Fasern können aber ihre Aufgabe nur er-
fhllen, wenn jede derselben sich in eine grössere Zahl von Ver-
zweigungen theilt. Es fragt sich nun, wie oft muss sich hierzu
jede Nervenfaser theilen? oder mit anderen Worten, wie gros»
ist unter den angenommenen Bedingungen die Zahl t? Dieselbe
lässt sieh nun aus den obigen Gleichungen 1 und 2 berechnen.
1. av =- xt, also a = —
' V
^ ^ _ x(x— l)(x— 2) (x-v + 1)
^- * ~ 1.2.3 V
Hieraus folgt
xt ^ x(x — l)(x — 2) (X— v + 1) ,
v"^1.2 . 3 V
Dividire ich nun beide Theile der Gleichung mit — ? so er-
halte ich
^^ (x— 1)(x-2) (X— v+i)
1 .2.3 (v — 1)
Für X haben wir die Zahl 1 8 gefunden, für v die Zahl 4 an-
genommen, es ist also
_ 17.16. 15 _
d. h. bei einer vierfachen Innervation müsste sich jede der 1&
Nervenfasern 680 Mal theilen, um sämmtliche Cortrsche Fasern
nuf verschiedene Art zu umspinnen.
Eine so grosse Verzweigung der Nervenfasern würde aber
keine Ersparniss bedeuten, denn wie Bethe bereits für die
Froschzunge ausgeführt hat, würde das, was an der Masse der
Nervenfasern erspart bliebe, zum grossen Theil an den Nerven-
verzweigungen wieder zugesetzt werden. Diese Beispiele zeigen
aber, dass bei einer passenden Theilung der Nervenfasern die
Natur wie überall auch hier ihren Zweck erreicht und mit den
kleinsten Mitteln die grössten Aufgaben zu lösen vermag.
Bei der geringen Zahl von genauen Beobachtungen über die
hier in Rede stehende pathologische Gehörsempfindung will iob
nicht unterlassen zu bemerken, dass einige Autoren, unter ihnen
mein Freund Professor Barth in Leipzig, dem Vorkommen der
Diplacusis monanralis skeptisch gegenüberstehen. Diese Gollegen
möchte ich an die analoge Erscheinung am Auge an die Diplopia
Ueber Diplacasis monaaralis. 25
monoeularis erinnern, deren Vorkommen eine feBtstehende That-
Sache ist, die nach den Principien des So he in er 'sehen Yersuches
erklärt werden kann . (Siehe Helmholtz, physiologische Optik,
1867. S. 93.)
Die Bedingungen zam Zastandekommen dieses Symptom»
sind bekanntlich eine ungenaue optische Einstellung des Auge»
auf den fixirten Punkt, und das Vorhandensein von Unregel-
mässigkeiten in der Structur der brechenden Medien in der
Art, dass von einem objectiven Lichtpunkte 2 oder mehrere ver-
schiedene Stellen der Netzhaut erregt werden. Es scheint mir
darum der Skepticismus, selbst die Wahrscheinlichkeit zu be-
zweifeln, dass im Ohre ein analoger Process vorkommen, dass
also durch einen objectiven Ton zwei verschiedene Sinnesepithelien
gleichzeitig erregt und daher doppelt empfunden werden könnte,
zu weit gehend zu sein, wenn wir auch tlber den Vorgang des
Proeesses noch nicht volle Klarheit besitzen und uns daher vor-
läufig noch mit Hypothesen, die aber doch grosse Wahrschein-
lichkeit für sich haben, begnügen müssen.
Wie aber im Gentralorgan aus den verschiedenen vorhin
geschilderten Nervencombinationen das Bewusstsein der kleinsten
Tonintervalle zu Stande kommt, das lehrt unsere heutige Auf-
fassung von der peripheren Gehörleitung ebenso wenig wie die
frühere Vorstellung von Helmholtz.
Es muss daher auch der Phantasie jedes Einzelnen Spiel-
raum gelassen werden, die Vorgänge, welche bei etwaigen
Störungen der Gehirnfunction Diplacusis zur Folge haben, nach
seinem Belieben zu erklären. Darum enthalte ich mich aucli
jedes Einwandes gegen die Erklärung der Diplacusis von
Gradenigo, der sie in einem Excess des physiologischen Factums
sucht, wonach die Reizung der percipirenden Elemente, welche
einem Fundamentalklang entsprechen, sich der Beizung einer
andern Gruppe von Elementen zugesellt, welche mit den ersten
in irgend einer Beziehung stehen (z. B. Gonsonanz- Gewohnheit).
Eine derartige Ausbreitung der Reizung könnte auch, wie
Gradenigo annimmt, in den Gehirncentren Platz haben. Einen
Beweis für dergleichen Hypothesen werden wir aber nie liefern
können. — Die von mir versuchte Erklärung der Diplacusis
monauralis zeigt von Neuem, wie jede Erklärung einer patho-
logischen Erscheinung abhängig ist von dem Fortschritt in der
Erkenntniss der betreffenden anatomischen und physiologischen
Verhältnisse.
III.
Ans der Ohrenabtheilnug der Kgl. Universitätspoliklinik zu
München.
Arrosion des Gehirns in Folge von Cholesteatom, Dnrch-
brnch cholesteatomatSser Hassen in den Seitenventrikel.
Von
Prof. B. Hang* in Manchen.
Knabe von 8Vs Jahren, leidet seit über 4 Jahren an linksseitigem Ohren-
flass. Vor 10 Tagen fing, nach Aussage des behandelnden Arztes, der Patient
an über heftige Kopfschmerzen auf der linken Seite zu klagen an, verbunden
mit Schmerzen im Ohre und in der Umgebung desselben. Trotzdem musste
er zur Schule gehen, jedoch steigerten sich die Schmerzen und die Allgemein-
erscheinungen derart, dass er vom nächsten Tage ab zu Bette liegen musste.
Hohes Fieber, Schüttelfröste, Erbrechen, Benommenheit des Sensoriums,
Gonstipation waren die Erscheinungen, die der behandelnde Arzt w&hrend
dieser Zeit wahrgenommen hatte. Eine besondere Behandlung des Ohren-
leidens scheint bisher nicht stattgefunden zu haben. Die in der letzten Zeit
angewandte Therapie — von Seiten des Arztes — bestand in Eisbeutel und
Verabreichung von Salzsäure innerlich nebst localen Ausspritzungen mit Bor-
wasser. Gegen die in der letzten Zeit sehr hochgradig gewesenen Schmerzen
war nichts weiter gethan worden, da keine Röthung und Schwellung vor-
handen gewesen sei.
Am 11. Tage nach Beginn der stürmischen Erscheinungen konnte ich,
zum ersten Male zugerufen, folgenden Befund erheben: Stark abgemagerter
Junge wälzt sich unter fortwährendem unarticulirten Stöhnen hin und her,
bleibt jedoch oft in der Rückenlage. Puls 62, klein, nicht intermittirend.
Temperatur 40,2 ^ Haut glühend heiss. Patient erscheint comatös und ist
kaum durch bis 4— 5 maliges lautes Anrufen zum Versuche, seinen Namen zu
nennen, zu bringen. Die Sprache ist ein undeutliches, langsam schleppendes
Lallen, unarticulirt, unverständlich. Vorgezeigte Gegenstände wurden nicht
mehr erkannt. Kniee angezogen und gebeugt, Abdomen weich. An den
Thorax- und Bauchorganen inchts nachzuweisen, mit Ausnahme einer Dämpfung
des rechten Unterlappens der Lunge. Bewegungen des rechten Armes scheinen
aufgehoben. Linke Pupille enger als rechts. Beide Pupillen reagiren sehr
träge auf scharfen Lichteinfall. Der Gornealglanz ist verstärkt, und linker-
seits scheint an der Gorneoscleralgrenze eine leichtere hyperämische Röthung.
Augenmuskellähmung scheint nicht vorhanden, bis auf den Levator palpebr.
sup., der linke Augendeckel hängt herab; auch ist durch eine deutliche Vor-
ziehung der Gesichtszüge die Facialislähmung schon documentirt.
Aus dem Ohre rinnt gelblich-grüne stinkende Jauche, nach deren Ent-
fernung nichts zu sehen ist, als eine ganz kolossale Senkung der hinteren
Gebörgangswandung , so dass von den tieferen Partien kaum Einsicht ge-
nommen werden kann. Aus der Tiefe lässt sich mit Sonde und Watte blutig
tingirter Eiter von demselben Fötor wie vorher entfernen.
Warzenfortsatzgegend in keiner Weise geschwollen und geröthet, aber
gegen jeden Druck, sowohl an den typischen Stellen als im Ganzen offenbar
ausserordentlich empfindlich, da sofort das immerwährende Stöhnen in
einen deutlichen, typischen, unwillkürlichen Schmerzensschrei sich umwandelt.
Arrosion des Gehirns in Folge von Cholesteatom u. s. w. 27
Die Percassion ergibt eine ganz ausgesprochene Abd&mpfnng der Pars
mastoidea. Ganz besonderen Schmerz scheint das Klopfen direct aber der
Basis des Warzenfortsatzes, über der Linea temporalis zu venirsachen,
Die Region unterhalb des Warzenfortsatzes im Warzenwinkel, offenbar
ebenfalls ziemlich empfindlich, obschon sich an der Jngalaris keine deutlich
vermehrte Resistenz nachweisen l&sst, ebenso wie keine DrQsen gefanden
werden können. Schwellung oder Oedem ist weder hier noch in der Tempore-
Frontalgegend vorhanden.
Die eigentliche Nackenregion scheint nicht so sehr der Sitz der Schmerzen
zu sein, da Patient hier in seiner stöhnenden Indolenz verharrt; auch ist
keine Steifigkeit im Nacken da. Die ophthalmoskopische Untersuchung des
Angenhintergnindes ergiebt: die linke Pupille tief ounkelroth mit vollständig
verwaschenen Rändern nach oben zu, der untere Rand scharf; nach unter-
halb des oberen Randes eine streifenförmige Blutung; Venen stark geschlängelt
und pulsirend.
Rechts ist die Pupille ebenfalls dunkelroth mit allseits verwaschenen
Rändern, jedoch sind die Venen nicht so prall gefallt und geschlängelt wie
anderseits und Pulsation kann an der Venatemporalis inferior wahrgenommen
werden.
Da es nach dem vorliegenden Symptomenbilde absolut keinem
Zweifel unterliegen konnte, dass hier eine schwerste intraeranielle
Gomplication — es wurde die Diagnose gestellt auf otitische Sinus-
thrombose mit perisinuösem Äbscesse neben Eiterretention in
der Pauke, Empyem des Warzenfortsatzes und wahrscheinlich
auch intracerebrale Eiterung — so wurde den Eltern eröffnet,
dass eine Rettung, wenn sie überhaupt noch möglich sei, nur
durch schleunigsten operativen Eingriff zu erreichen sei, bei der
Sachlage jedoch eine Rettung sehr zweifelhaft und eher ein un-
günstiger Ausgang zu erwarten stehe.
Operation. Patient fast moribund. Hautschnitt wie bei Radical-
operation, Blutung ziemlich stark. Weichtheile nicht im Mindesten iafiltrirt.
Periost nicht sehr fest adhärent
Die Knochen der Pars mastoidea äusserlich völlig intact, fest gelbweiss.
Die Corticalis erweist sich beim Abtragen mit dem grossen Meissel hart.
Nach Abmeiseluog der ganzen vorderen Warzenfläche kommt in der Tiefe
das gut bohnengrosse erweiterte Antrum zum Vorschein, in dem stinkender
Eiter mit Cholesteotomfetzen vermischt sichtbar wird. In der Umgebung
des Antrums findet sich ein sehr eigenthüroliches Verhalten des Eiters zum
Knochen, wie wir es von da ab nun weiter bis zur Dura verfolgen können:
stinkender, käsiger Eiter ist allseits in den Knochen, in die Knochenräume
bineiogepresst, so dass wir ein Bild bekommen, sehr ähnlich dem der fou-
droyanten Osteomyelitis.
Es wird nun successive die hintere Gehörgangswand abgetragen, wobei
sich herausstellt, dass die klinisch vorhanden gewesene Senkung der hinteren
Wand nicht nur von der Schwellung und dem Herabtreten der Weichtheile
derselben herrührte, sondern dass der Knochen selbst zu einem grossen
Theile an der Verwölbung in das Gehörgangslumen hinein betheiligt war, es
war hier offenbar eine hyperostotische Knochenwucherung eingetreten.
Es folgt weiter die Wegnahme der lateralen Wand des Recessus epitym-
panicus, und man kann jetzt beim Beginne der Exenteration der Trommel-
höhle, die von Eiter, Granulationsmassen und Cholesteatom ausgefüllt ist,
— von den Gehörknöchelchen lässt sich keines mehr finden — wahrnehmen,
dass die ganze Paukenhöhle und das vorher schon eröffnete Antrum maatoideum
durch das Cholesteatom ohne jede Kunsthülfe in eine grosse Höhle umge-
wandelt ist.
i
28 III. HAU6
Direct nach hinten and etwas nach oben zu — vom ehemaligen Antrum
— ist die ganze hintere Knochenwand morsch, während die noch etwas
festeren Knochenpartien wieder mit demselben stinkenden Eiter und theiU
weise mit krQmeligen Gholesteatommassen geradezu imprftgnirt sind.
Wegnahme der Knochenwand, bis Dura und Sinus freiliegen. Eiteran-
sammlung zwischen Dura und Knochen nicht yorhanden, aber die Dura er*
weist sich, soweit freigelegt, graugran verfärbt. Sinus als gut bleistiftdicker
Strang derb fest, ohne Pulsation. Incision ergiebt denselben gefallt mit con-
sistenten gelbgrauen, sehr abel riechenden Massen. Hart am Sinus war die
Dura in Pfennigstückgrösse perforirt brandig, in der Umgebung weiter grau-
grün Ter färbt. Es wurde deshalb noch weiter Knochen abgetragen, wobei
immer noch nicht im gesunden Knochen gearbeitet werden konnte, und dann
das Stück Sinus sammt Dura ezcidirt, wobei sich dann Pia und Arachnoides
innig yerklebt erwiesen mit der Dura. Blutung trat nicht ein.
Nun lag das Gehirn selbst vor, ebenfalls an der Oberfläche bereits
graulich grün verfärbt und in einer ausgehöhlten ca. 20 pfennigstückgrossen
Mulde tief ausgefressen von durchgebrochenen Gholesteatommassen.
Ich wollte eigentlich jetzt noch weiter gehen — eine Probepunction und
-incision hatten zwar absolut kein Resultat ergeben, aber das Allgemeinbefinden
war derartig beängstigend geworden, dass der Patient bei längerer Dauer nur
noch als Leiche den Operationstisch verlassen hätte. Es ergab übrigens die
Section, dass jedes weitere Vorgehen auch nichts mehr hätte nützen können.
Es war zu spät gewesen, wie es dem Collegen vorausgesagt worden war.
Auszug aus dem Seotionsprotokoll.
(Bloss Schädelsection gestattet.)
Schädeldach von normaler Dicke, Gefässfurchen stark ausgeprägt,
Knochen hyperämisch.
An Stelle des Warzenfortsatzes findet sich eine durch Wegmeisselung
desselben und der hinteren Gehörgangswand entstandene grosse Höhle arti-
ficieller Natur.
Die Paukenhöhle zeigt sich völlig ausgeräumt und stark erweitert ; keine
Gehörknöchelchen mehr. Am Promontorium und der Labyrinthwand keinerlei
Zerstörungen, mit Ausnahme der einen Stelle an der Deckwand des Facialis;
hier ist der Knochen durchbrochen. — Ebenso findet sich weder in der
Schnecke noch im Utriculus, noch in den Bogengängen etwas, was makro-
skopisch auf eine Mitbetheiligung des Labyrinthes schliessen Hesse. (Felsen-
bein ist durch zwei Sägeschnitte auseinandergelegt).
Neben dem Defect im Suicus sigmoideus zeigt sich die Dura mater, von
hier beginnend über die Felsenbeinkante und das Jugum petrosum hinüber
bis zur Gegend des Aquaeductns vestibuli in der Breite von 2 cm innen und
aussen stark verdickt, mit einer ziemlich derb adhärenten gelblichen schmierigen
Auflagerung bedeckt, ausserdem Yerlöthungen zwischen Dura und Pia.
Der Sinus sigmoideus zeigt nur noch auf kurze Strecken wenig derb
adhärente thrombotische Massen von der ausgeräumten Stelle aus; in seinem
sonstigen Verlauf ist er leer.
Am Gehirn ist zunächst die gut 20 pfennigstückgrösse ausgefressene
Mulde, etwa 1 cm tief, zu constatiren. Es setzen sich dann weiterhin breiige,
mit Blutungen stellenweise vermischte Gholesteatommassen, umgeben von in
Erweichung begriffener Hirnsubstanz fort in die linke Hemissphäre des Gross-
hirns zwischen Gyrus fusiformis, hyppocampi, Gyrus lingualis entlang den
Gefässinterstitien, mit anderen Worten zwischen Temporal- und Occipital-
lappen in das Unter- und Hinterhirn. Dabei ist zu constatiren, dass in d e m
Ventric. lateral, selbst Gholesteatommassen als Fremdkörper sieb
nachweisen lassen.
Anatomische Diagnose: Otitis media chronica perf. purul. chron.
mit Gholesteatom. Excavation der Trommelhöhle durch Gholesteatom. Sinus-
thrombose. Uiceröse Zerstörung der Gehirnoberfläche durch Gholesteatom.
Gircumscripte Meningitis. Durchbruch von Gholesteatommassen in den Seiten-
ventrikel.
Arrosion des Gehirns in Folge von Cholesteatom u s. w. 29
Epikrise.
Wenn ich diesen Fall hier anführe, so geschieht es selbst-
verständlich nicht wegen der Sinusthrombose und ihrer Begleit-
erscheinungen an und für sich. Vielmehr sind es zwei Neben-
erscheinungen, die unsere Aufmerksamkeit erregen. Einmal die
eigenthttmliche Anordnung des Eiters im Knochen, das Hinein-
gesprengtsein desselben in die Knochenzwischenräume und dann
zweitens die Art und Weise der Verbreitung des Cholesteatoms.
Während wir ja Arrosionen von Knochen und Weichtheilen
durch Cholesteatom zur Gentige kennen, ist, soweit ich mich
erinnern kann, ein Vordringen von Cholesteatommassen bis in
die Binnenräume der Ventrikel hinein noch nicht beschrieben
worden. Wir lernen damit eine neue, wenn ja auch gewiss
sehr seltene, aber jedenfalls auch sehr unerfreuliche Eigenschaft
des mit Recht gefbrchteten Cholesteatoms kennen.
IV.
Zq Prof. Grunert's Aufsatz: Beitrag zur operativen Behand-
lung der otogenen Sinusthrombose, insbesondere znr ope-
rativen Freilegnng des Bnlbns venae jngnlaris.
(Dieses Archiv Bd. LIIL)
Von
Prof. E. Zanfal.
Prof. Grunert schreibt in diesem Aufsatze S. 287^):
„Die Unterbindung der Vena jugularis interna
ist indicirty nicht in dem Zaufarschen Sinne, um
den Hauptweg, auf welchem die Metastasirung er-
folgen kann, auszuschalten, sondern um die Haupt-
gefahr der Sinustamponade zu beseitigen, als Vor-
operation des Eingriffes am Sinus und zwar dann,
wenn er bei seiner Freilegung äusserlich unver-
ändert ist.*^
Dieser Ausspruch Grunert's könnte zu der Annahme ver-
leiten, dass ich den Nutzen der Unterbindung der Vena
jugularis int. nur in dem von Grunert angedeuteten Sinne ge-
funden hätte. Das wäre irrig und widerspräche meiner in dieser
Frage seit 1880 über den Werth der Unterbindung der lugularis
in meinen Pnblicationen ausgesprochenen Ueberzeugung. Ich
empfahl die Unterbindung vor dem operativen Eingriff am Sinus
zu machen und zwar einmal, um den Hauptweg, auf welchem
die Metastasirung erfolgt, auszuschalten, aber auch, und das war
für mich ein nicht minder schwerwiegender Grund, als Vor-
operation für die directen Eingriffe am und im Sinus selbst
z. B. bei der Eröffnung und Ausräumung des Sinus mit
dem scharfen Löffel, bei Desinfection mit desinficirenden In-
jectionen u. s. w.
1) Nach seinem Aufsatz, Münchnermed. Wochenschrift 1897. Nr. 49 u. 50.
Beitrag zur operatiTen Behandlong der otogenen SinuBtfaromboBe n. s. w. 31
Ich empfahl sie aber auch zu dem Zwecke, um, falls durch
die Erschütterungen beim Aufmeissein grössere Partikel vom
Thrombus sich loslösen sollten, deren Fortschwemmung in die
Blutbahn zu verhüten. Der von Grunert gewählte Ausdruck
„ Voroperation '^ findet sich auch schon in meiner 1896 erfolgten
Mittheilung, auf die ich noch ausführlicher zurückkommen
werde.
Schon in meiner Arbeit: Zur Geschichte der operativen
Behandlung der Sinusthrombose in Folge von Otitis media —
Prager med. Wochenschrift 1891 Nr. 3 — sind diese zwei Hauptauf-
gaben der Unterbindung der Jugularis int. bei der otogenen
septischen Sinusthrombose streng auseinandergehalten und heisst
es dort wörtlich:
„Die Unterbindung der Jugularis empfahl ich aus zwei
Gründen, einmal um der Ueberwanderung infectiöser Keime in
die Blutbahn überhaupt die Hauptstrasse zu verlegen, anderer-
seits aber auch, um dadurch zu verhindern, dass bei Eingriffen
ia den thrombosirten Sinus z. B. bei Injectionen grössere Elümp-
chen oder die Injectionsflüssigkeit in das Herz und in den Kreis-
lauf gelangen.^
Als Fussnote heisst es dann: „Die Benützung des scharfen
Löffels schliesst diese Gefahr nicht aus, daher es gewiss zweck-
mässig sein wird, auch vor der Ausräumung des Sinus die Ju-
gularis zu unterbinden.^
Scharf und entschieden kommen meine Grundsätze in der
Frage der Unterbindung der Vena jugularis in meiner Mittheilung :
Ein durch Operation geheilter Fall septischer Sinusthrombose
zum Ausdrucke. Der Fall wurde von mir im Vereine der deutschen
Aerzte in Prag vorgestellt uud ist publicirt in der Prager med.
Wochenschrift XXI, Nr. 40, 1896 als Eigenbericht über die
Demonstration, welche in der Sitzung des Vereins deutscher
Aerzte in Prag 13. November 1896 abgehalten wurde.
Ich erlaube mir hier wörtlich die epikritischen Bemerkungen
und die kurze Geschichte des Falles mitzutheilen :
„Der Vortragende hat bereits seine Ansicht in den Jahren
1880 und 1884 in dieser Frage in unserem Vereine publicirt.
Er empfahl damals|[schon die Unterbindung in allen jenen Fällen
zu machen, wo der jauchige Thrombus noch nicht centralwärts
(gegen das Herz zu) durch einen organisirten Thrombus, der ge-
wöhnlich im Foramen jugulare sitzt, abgeschlossen ist. Von der
Nothwendigkeit der Jugularisunterbindung war Z. damals schon
32 IV. ZAUFAL
durchdrungen, und zwar durch die vielfache Erfahrung des Ver-
laufs in jenen Fällen von Sinusthrombose, wo er die Trepanation
des Warzenfortsatzes damals nach Schwartze gemacht hatte. Da
konnte er nun fast regelmässig die Beobachtung machen, dass
die Fälle rapid dem letalen Ende zugingen, es erfolgte nach der
Operation Schlag auf Schlag Schüttelfrost auf Schüttelfrost der
schwersten Form, und bei der Section konnten in den Lungen
ausgebreitete Metastasen nachgewiesen werden. Diese Be-
obachtung war es, die ihn nöthigte, die Unterbindung der Jugu-
laris int. in Vorschlag zu bringen, da es ihm unbestreitbar er-
schien, dass in derartigen Fällen durch die Erschütterungen des
Knochens bei der Aufmeisselung infectiöse Partikel losgerissen
und auf dem Wege der Jugularis in den Kreislauf geschwemmt
werden. Er glaubte daher auch das Auftreten der Metastasen
vor der Operation nur durch das Losgelöstwerden von solchen
infectiösen Partikeln, sei es durch die Bewegungen des Kopfes,
oder durch die Bewegung des noch freien Blutstroms, oder durch
ein zufälliges Trauma u. s. w. erklären zu müssen, und deswegen
machte er schon damals den Vorschlag, die Hauptheerstrasse,
die Jugularis durch Unterbinden zu versperren.
Das Eigenthümliche des vorgestellten Falles bestand nun
darin, dass bei der Aufnahme weder anamnestisch noch objectiv
Symptome, die für eine septische Sinusthrombose gesprochen
hätten, erhoben werden konnten. Es fand sich eine acute eitrige
Mittelohrentzündung rechts , und eine Reihe schwerer Symptome,
die aber eine bestimmte Localisation nicht ermöglichten : Fieber^
keine Schüttelfröste, halbseitige Kopfschmerzen, allgemeine Pro-
ßtration der Kräfte, leichte Unbesinnlichkeit, Nackensteifheit,
träge Reaction der erweiterten Pupillen, Paralyse der Blase,
negativer Befund im Augenhintergrund; Pulsverlangsamung bis
46 und 52, Schmerzen in der rechten unteren Extremität ohne
bestimmte Localisation. Für eine septische Sinusthrombose sprach
nichts, am ehesten sprachen die Symptome noch fbr die Annahme
einer Pachymeningitis suppurativa externa. Bei der Aufmeisse-
lung des Warzenfortsatzes fand sich neben einem perisinuösen
Abscess eine jauchige Thrombose des Sinus sigmoideus von der
Umbiegungsstelle des Sinus sigmoideus in den transversus an bis
ins Foramen jugulare. Bei der Blosslegung des Uebergangs des
Sinus sigmoideus in die Vena jugularis int. konnte die Gegen-
wart eines obturirenden festen organisirten Thrombus nicht con-
statirt werden, es musste also angenommen werden, dass die
Beitrag zur operaÜTen Behandlung der otogenen Sümsthrombose u. s. w. 33
jaaohige Phlebitis bis über das Foramen jugnlare hinaus in den
Anfangstheil der Vena jugnlaris fortgeschritten ist. Deswegen
nahm der Vortragende die Unterbindung der Vena jugnlaris vor,
und zwar in der Höhe der Gartilago thyroidea unter der Ein-
mündung der Vena facialis communis.
Die ersten 3 Tage nach der Operation stellte sich nun eine
Beihe von Metastasen ein: Schmerzen in dem linken Sterno-
claviculargelenke, in der linken Schulterblattgegend, im linken
Hüftgelenke und in der Glutäalgegend, Schmerzen in der rechten
Brustgegend, und es kam zur Bildung eines grossen inter-
museulären Glutäalabscesses und zur rechtsseitigen eitrigen
Pleuritis.
Die Thatsache nun, dass vor der Aufmeisselung des Warzen-
fortsatzes und der Ausräumung des Sinus jede Metastase fehlte,
und nach der Operation es rasch zur Entwicklung von Metastasen
kam, seheint Z. mit der Beweiskraft eines Experimentes fhr die
Abhängigkeit dieser Metastasenausbildung von der Operation,
und zwar durch Loslösung infectiöser Partikel durch die Schädel-
erschütterungen und durch die Ausräumung des Sinus u. s. w. mit
Fortsohwemmung der Infectionsträger durch die Vena jugnlaris
in die Blutbahn zu sprechen.
Es kam auch nur zur Ausbildung jener Metastasen, die direct
durch den Einfluss der Operation erzeugt worden waren. Neue
traten nicht mehr dazu, ein Beweis, dass durch die Unterbindung
der Jugnlaris die Aufnahme neuer infectiöser Partikel verhütet
worden war.
Es lässt sich aber weiter mit ziemlicher Sicherheit behaupten,
dass die Metastasen in diesem Falle verhütet worden wären
wenn die Unterbindung der Vena jugnlaris schon vor der Bios-
legung und Ausräumung des Sinus gemacht worden wäre.
Dieser Fall giebt Z. Veranlassung, seine Stellung in der
Frage der Jugularisunterbindnng dahin zu präcisiren:
Es solle in den Fällen, wo v o r der Operation die Diagnose
septische Sinusthrombose gemacht wird, immer die Vena jugnlaris
unterbunden werden, bevor noch der Sinus blossgelegt und aus-
geräumt wird. Trifft man erst während der Blosslegung des
Sinus eine septische Sinusthrombose, so soll, sobald man einen
sicheren Anhalt zur Diagnose : septische Thrombose hat, sogleich
die Jugnlaris unterbunden und dann erst die weitere Blosslegung
und Ausräumung des Sinus vorgenommen werden.
Es ist ja richtig, dass in dem Falle, wo ein fester organi-
AxohiTf. Ohrenheilkmide. LV. Bd. 3
84 lY. ZAUFAL
sirter ThrombiiB im Foramen jngulare existirt, die Unterbindung
der Jugnlaris entfallen kann, wie Z. dies schon im Jahre 1884
verlangt hat. Aber es kann die Diagnose, ob ein solcher Schlnss-
thrombns hier ist, erst dnreh Blosslegnng des Sinns bis in das
Foramen jngnlare hinein gemacht werden, und findet man einen
solchen nicht, so liegt die Gefahr vor, dnreh die Ersehtttternngen
bei der Operation schon lebensgeffthrliohe Metastasen erzengt
zn haben, und dann könnte die Unterbindung der Jugnlaris
leicht zu spät kommen.
Es ist auch gar nicht einzusehen, was die Unterbindung
der Jugnlaris, falls ja einmal ein organisirter Schlussthrombns
im Foramen jugulare da ist, schaden soll, da dem Vortragenden
diese Operation nicht nur leicht auszuführen, sondern unter den
gegebenen Verhältnissen auch unschädlich zu sein scheint und
es unsere Pflicht ist, bevor wir die Blosslegnng und Ausräumung
des Sinus, also eine Operation vornehmen, die, wie der vorge-
stellte Fall lehrte, lebensgefährliche Metastasen hervorruft, eine
Voroperation der eigentlichen Operation vorauszuschicken,
die bei gehöriger Vorsicht nicht schadet, wie es die Chirurgen
ja sonst auch zu thun pflegen.
Der vorgestellte Fall betrifft den 17 Jahre alten Kerker-
sträfling J. S., welcher nach Abbttssung einer neunmonatlichen
Kerkerhaft direct an die Klinik Z. gebracht wurde, 22. April
1896. Seit 8 Wochen starke rechtsseitige Ohren- und Kopf-
schmerzen, seit 4 Wochen eitriger Ausfluss aus dem rechten
Ohre. Die wichtigsten Symptome, die er bei der Aufnahme
bot, sind bereits früher angeführt worden. Die Temperatur
schwankte die ersten 4 Tage zwischen 39 u. 36,4 ^ Schlaflose
Nächte wegen rechtsseitiger Kopfschmerzen. Schmerzhaftigkeit
des rechten äusserlich unveränderten Proc. mast. bei Percussion»
Dicker gelber eitriger Ausfluss aus dem rechten Ohre, Perforation
im vorderen unteren Quadranten. Den 27. Operation. Es findet
sich Eiter in den tieferen hinteren Zellen des Warzenfortsatzes.
Beim Abmeisseln des Sulcus sig. wird ein perisinuoser Abscess
aufgedeckt. Die Zitze des Warzenfortsatzes wird mit einem
Meisselschlag entfernt und der Sinus von der Umbiegung des
Sinus transversus in den Sinus sigmoid. blossgelegt, der Sinus
mit der Schere geöffnet, die laterale Wand ausgeschnitten, und
die jauchigen Massen an seinen Wänden entfernt. Da ein ob-
turirender Schlussthrombus sieh nicht vorfand, Unterbindung der
Vena jugul. in der Höhe des Schildknorpels.
Beitrag zar operativen Behandlung der otogenen Sinasthrombose u. b. w. 35
Mehrere Stunden naoh der Operation Temperaturanstieg auf
40,7^. Die folgende Zeit unter wechselnden hohen Temperaturen
Ausbildung der Metastase zwischen den linken Olutäen. Spaltung
dieses fast kindskopfgrossen Abscesses am 4. Mai. Erste Function
des rechten Thorax 8. Mai mit negativem Erfolge. Die zweite
Function an der Wolf 1er' sehen Klinik 8. Juli, es werden
300 g Eiter entleert, darnach normale Temperatur. Die Operations-
wunde der Jugularisunterbindung heilte in 8 Tagen, die der
Trepanation in 6 Wochen. Die Secretion aus dem Ohre hörte
auf — gegenwärtig befindet sich Fatient ganz wohl; die
Trepanationsstelle zeigt eine feste Narbe, an einer kreuzergrossen
Stelle ftlhlt man das Gehirn pulsiren. Die Ferforation ist ver-
heilt; Hörfähigkeit fbr Flttsterstimme 10 m. Auch der Glutaeus-
abscess sowie der Fyothorax vollständig geheilt.
Schliesslich möchte ich noch betonen, dass auch in jenen
Fällen hoher Temperatur von 38,5 o bis über 39,5 o ohne voraus-
gehende Schüttelfröste und Metastasen, wenn durch Ausschliessung
die hohe Temperatur nur auf eine Erkrankung des Sinus be-
zogen werden muss, die Unterbindung der Jugularis int. aus-
geführt werden soll, bevor noch der erste Meisselschlag
fällt.
An meiner Klinik wurden 2 Fälle nach dieser Indication
mit Erfolg operirt.
3*
V.
Ans der Abtheilnng ftlr Ohrenkranke in der Königl. Charit^ in
Berlin (dirigirender Arzt: Geh. Med.-Bath Prof. Dr. Trantmann).
Eine fötale Erkrankung des Labyrinths im Anschlnss an
eine Encephalitis haemorrhagica.
Von
Dr. H. Haike, Assistenten der Klinik.
(Biit Tafel I. II.)
Die entzündlioben Erkrankungen des Hirns und seiner Häute,
welche eine wesentliche Betheilignng des Gehörorgans zn ihren
häufigen Begleit- oder Folgeerscheinungen zählen, haben uns
einen grossen Theil der pathologischen Prooesse am Labyrinth
kennen gelehrt, welche die schwersten Schädigungen der Functionen
des Ohres herbeiführen. Einerseits gaben diese das Leben schwer
gefährdenden Grundleiden häufig Gelegenheit, derartige frische
Processe am Labyrinth zu untersuchen, andrerseits lehrten uns
die späteren Sectionen der von jenen Erkrankungen unter völligem
oder theilweisem Verlust des Hörvermögens Genesenen, welehen
Ausgang die Betheiligung des Ohres an der primären Erkrankung
des Gerebrum zu nehmen pflegte.
Diese pathologischen Veränderungen am Gehörorgan wurden
der Gegenstand besonders eingehenden Studiums nicht nur wegen
des hohen wissenschaftlichen Interesses, sondern auch weil die
betroffenen Individuen, mit seltenen Ausnahmen auf beiden
Seiten befallen, taub oder, soweit es sich um Kinder in den
ersten Lebensjahren handelt, taubstumm werden. Somit bilden
diese Processe den wesentlichsten Theil der Pathologie resp.
pathologischen Anatomie der erworbenen Taubstummheit.
Seitdem das Studium der pathologischen Veränderungen des
Labyrinths durch die vervollkommneten Untersuchnngsmethoden
sich vertieft hat, und durch eine erhöhte sociale Würdigung der
Taubstummheit auch die Aufmerksamkeit der Aerzte mehr auf
Fötale £ikrankuDg des Labyristbs im Anschluss an Encepb. haem. M
die DurchforschiiDg ihrer Ursaehen gelenkt worden ist, haben
wir reichere Ergebnisse auf diesem Gebiete erhalten.
Grade die Seetionen Taubstummer sind eine reiche Fund-
grube pathologischer Labyrinthveränderungen geworden und
' haben uns die Mannigfaltigkeit der Endausgänge labyrinthärer
Erkrankungen kennen gelehrt.
Ein weiterer Schritt in der Erkenntniss dieser Frocesse be-
seitigte die Annahme, dass gewisse Veränderungen am Labyrinthe
Taubstummer angeborene Bildungsfehler sein ipüssten, wie Fehlen
des Lumens von Sohnecke und Bogengängen oder eines Theiles
Yon ihnen durch Ausfallung mit knöcherner oder kalkartiger
Substanz, ferner Höhlenbildung oder Defect eines Labyrinththeiles
dadurch dass die Seetionen solcher Taubstummer die gleichen
Befunde ergaben, von denen eine zuverlässige Anamnese Datum
und Verlauf der Krankheit, die zur Ertaubung geführt habe,
mittheilte, deren Taubheit also keiner Entwicklungsstörung zu-
geschrieben werden konnte. Aus diesen Beobachtungen musste
geschlossen werden, dass entweder bei anscheinend Taubge-
borenen primäre oder secundäre Labyrintherkrankungen im
frühesten Eindesalter sich abgespielt haben und der Beobaehtung
entgangen sind, oder dass die gleichen Erkrankungsprocesse
intrauterin am Labyrinth spielen können mit denselben Aus-
gängen, wie sie im postfotalen Leben beobachtet werden.
Wollte man bei der Häufigkeit solcher Befunde an den Gehör-
organen „Taubgeborener^ nicht ein gleich häufiges Uebersehen
einer doch meist sehr heftig das Allgemeinbefinden alterirenden
primären Erkrankung des Labyrinths annehmen, oder der schweren
cerebralen Leiden, die jenes secundär in Mitleidenschaft ziehen,
so musste man auf die Wahrscheinlichkeit schliessen, dass sich
die Processe auch intrauterin abspielen können.
Doch hat es bisher an einer anatomischen Be-
stätigung dieser Annahme gefehlt. Diese Lücke auszu-
füllen, sollen die nachstehenden üntersuchungsergebnisse dienen-,
Sie sind an den Gehörorganen eines Kindes gemacht worden,
das am vierten Lebenstage verstorben war und dessen Section
eine ausgedehnte Erkrankung der Cerebrums ergab. ^)
1) Wegen dieser in solcher Ausdehnung zuvor noch nicht beobachteten
cerebralen Erkrankung, einer Encephalitis haemorrhagica foetalis, wurde der
Schädel mit seinem Inhalte in der Berliner medicinischen Gesellschaft (Sitzung
vom 1. November tS99) von Herrn Prof. 0. Israel demonstrirt. In der An-
nahme, dass der Acusticus auch in seinen Endigungen im Labyrinth mög-
S8 V. HAIKE
Seotionabefuad (Prof. Israel): Out genährtes m&nnliches
53 cm langes Kind mit regulärem aber sehr schlaffem Schädel.
Hantfarbe stark ikterisch. Euoohenknorpelgrenze zeigt ein wenig
verbreiterte provisorische Verkalkung. Nabelschnur vertrocknet.
Herz von regulärer Grösse mit intacten Klappen und Häuten.
Musculatur ikterisch. Lungen blutreich, durchweg lufthaltig.
Unter der Pleura einzelne Gruppen punktförmiger und etwas
grössere Blutungen.
Thymus unge^wöhnlich gross, hellroth von gewöhnlicher
Consistenz.
Schädelknochen bieten keine Abweichungen.
Die Dura zeigt neben dem sin longitudinalis ebenso auf der
Falx zahlreiche feinste Venen.
In den mittleren Schädelgruben ganz kleine feine linsen-
grosse, zarte rothe Auflagerungen, lose anhaftend, ebensolche
an der Falx an vereinzelten Stellen. Die Schädelhöhle enthält
sehr viele klare Flüssigkeit und ist auf beiden Seiten der Falx
durchzogen von sehr zarten vascularisirten durchscheinenden
Strängen, die beiderseits an der Dura dem Parietalbein anhaften.
Diese Stränge sind dicht besetzt mit zahllosen kleinsten, bis
knapp hirsekorngrossen Knötchen von dunkelgraugelblicher Farbe.
Dem Grosshirn fehlen die Hemisphären gänzlich; beider-
seits den Clivus überragend an die Sella turcica anstossend
nur ein paar scheinbar den grossen Ganglien entsprechende
Körper, an die jederseits nach hinten ein schmaler länglicher
Wulst anstösst, von dem die vorhin geschilderten Stränge strahlen-
förmig ausgehen.
Milz: 5:3,4:7,9, derb, dunkelroth; glatte Pulpa, zarte
Trabekel.
Nieren blutreich, besonders die Markhügel. — üratstreifen.
Leber ein wenig gross, massig derb.
Hydrocephalus. Defeotus hemisphaereum cere-
bralium. Hepatitis interstitialis. Induratio lienis.
Infarctus urici renum.
Mikroskopischer Befund am Gehirn:
1. Bei der frischen Untersuchung fanden sich in den
lieber Weise wie in analogen postfötalen Processen in Mitleidenschaft ge-
zogen sei, erbat icb mir die Schläfenbeine zur Untersuchung, die mir von
Herrn Prof. Israel zugleich mit dem Gehirnbefunde, den ich der Vollständig-
keit wegen hier auch mittheile, bereitwillig überlassen wurden, wof&r ich ihm
auch an dieser Stelle meinen Dank ausspreche.
Fötale Erkrankung des Labyrinths im Anschlass an £nceph. haem. 39
erweichten Theilea neben zerfallener Oehirnsubstanz Lenkooyten
und sehr zahlreiche Fettkörnchenkngeln sowie fettig meta*
morphosirte Gefässe und emulgirtes Fett Ueberall in dem
stark gelblieh gefleckten Erweichungsbrei hämatogenes Pigment.
2. Die Untersuchung des gehärteten Präparates ergab: die
erweichten Hirntheile zeigen neben vollständiger Undentlichkelt
der nervösen Einrichtungen herdweise Anhäufungen von Leuko-
cyten und überall — stellenweise sehr dicht liegende — Pigment-
schollen und -körner.
Die Schläfenbeine waren im Zusammenhang mit dem
Schädel und dessen Inhalt in Müller 'scher Flüssigkeit fixirt worden
behufs Untersuchung des Gehirns, ohne dass die besondere Be-
handlung, welche die genaue Untersuchung des Gehörorgans
notfawendig macht, berücksichtigt worden war, weil die Absicht
einer Untersuchung der Gehörorgan^ ursprünglich nicht be-
standen hatte. Deshalb sind manche Veränderungen besonders
an der Sehnecke nicht ganz eindeutig in Hinsicht auf ihren
etwaigen pathologischen Ursprung, worauf ich an entsprechender
Stelle zurückkommen werde. Ich erhielt die Schläfenbeine
mehrere Wochen nach dieser Fixirung und behandelte sie nach
Entfernung alles lateral vor der Labyrinthwand gelegenen in der
üblichen Weise bis zur Einbettung in Gelloidin.
Die Zerlegung in Serienschnitte erfolgte senkrecht zur
Längsaxe der Pyramide. Die Färbung habe ich theils mit
Hämatoxylin-Eosin vorgenommen theils nach Weigert (Mark-
seheidenfärbung).
Rechter Nervus acusticus.
Vor der Zerlegung des Schläfenbeins an den Nerven ge-
machte Querschnitte ergaben grosse Lücken in den Faserbündeln
und zum Theil eine mangelhafte Färbung der Markscheide. Auf
den Serienschnitten des Schläfenbeins sehen wir einen grossen
Theil der Nerven besonders im Fundus des Meat. au dito r.
int. durch Blutungen vollständig z er trümmert(Taf. I. II,
Fig. 2, S. 2), ausserdem sind Blutungen an den verschiedensten
Stellen zwischen den Bündeln (Taf. I. II, Fig. 2, S.) ; einzelne
Strecken des Nerven fehlen ganz, an andern sind dünne Bündel-
reste. Es blieben nur wenige Fasern, die bis in die Cochlea ein-
treten. Das Blut ist theils frisch, die Contouren der Blutkörperchen
gut erkennbar, an andern Stellen sieht das Blut schlecht gefärbt
(mit Eosin) aus, und vielfach ist scholliges Pigment von hellgelb
40 V. HAIKE
bis brannroth zwischen denNervenbündeln, an Stelle desganz fehlen-
den Nerven im Fnndns, wie anch besonders an den Wänden des
Meatns aud. int. siehtbar, nahe dem Periost, auch zwischen
diesem nnd dem Knochen.
Das Ganglion vestibuläre ist gnt erhalten, die einzelnen
Ganglienzellen haben sieh mit Weigert gnt geftrbt nnd zeigen
deutliche Kerne. Die zum Ganglion führenden Nervenfasern sind
zum Theil zerstört; der erhaltene Theil hat sich nach Weigert
gut geflirbt, die peripher von ihm abgehenden Fasern sind im
Wesentlichen erhalten. Sie sind nach Weigert gut gefärbt
und lassen sich bis zu den Nervenendstellen verfolgen.
Rechte Schnecke.
In allen Windungen finden wir kleine Blutungen, deren
grösste in der Basalwindung und zwar in der Scala tympani.
Sie liegen hier in den meisten Schnitten im Winkel zwischen
Ligam. Spirale undAussenwand, und zwischen Lamina spiralis ossea
und modiolus (Taf. I. II, Fig. 2, S3), in anderen Schnitten liegt
eine dünne Schicht Blut rings an der ganzen innern Peripherie
der scala tympani. Ganz minimale Blutungen finden sich in
der zweiten und dritten Windung in beiden Scalen.
Das Periost des vestibulären Blattes der Lamina spiralis
ossea ist stellenweise breiter als normal und aufgelockert (Taf. I. II,
Fig. 3, P.).
Die Scala tympani der zweiten Windung hat eine
Formveränderung und Verkleinerung erfahren durch eine con-
vexe Ausbiegung der membranösen wie auch eines Theiles der
knöchernen Scheidewand der beiden Scalen (Taf. I. II, Fig. 2,
Lsp. u. St.), die in manchen Schnitten auch die Grista basilaris
mitbetheiligt, auch in der Spitzenwindung sehen wir diese Ver-
änderung (Taf. I. II, Fig. 2, Lgsp. 3.)
Der Ductus cochlearis ist nirgends normal erhalten;
alle seine Wände sind pathologisch verändert.
Die Membrana vestibularis ist aufgelockert und sieht
bandartig verbreitert aus (Taf. I. II, Fig. 2, Mv. P. Fig. 3, W.),
einzelne Zellen sind daran nicht zu erkennen. Sie ist an einzelnen
Stellen an ihrem Ansatz am Ligam. spirale abgerissen und liegt
der Basilarmembran so dicht auf, dass sie mit ihr einen Wulst
bildet, an welchem Gewebselemente nicht zu erkennen sind
(Taf. I. II, Fig. 3 W.). An anderen Stellen ist das centrale An-
satzende losgerissen, in weiteren Schnitten ist ein Einriss in
Fötale Erkrankung des Labyrinths im- Anschlass an Enceph. baem. 41
der Mitte der Membran, in der Spitzenwindung erscheint sie
am centralen Ansatz aufgerollt.
Wo sie noch erhalten ist, liegt sie nach dem Ductus cochlearis
zu unregelmässig bogenförmig hineingedrängt (Taf. I. II, Fig. 2,
MV2).
Die Grista spiralis ist als solche kaum noch zu erkennen,
ihr Labium vestibuläre und Labiüm tympanicum sind entweder
fiberhaupt nicht einzeln zu erkennen oder liegen so dicht an
einander, dass nur ein Spältchen zwischen ihnen bleibt (Taf. I. II,
Fig. 3, Csp.).
Die Membrana basilaris bildet einen undifferenzirten
Strang, an welchen Zellen oder auch nur grobe Conturen des
Sinnesepithels nicht vorhanden sind.
Das Ligamentum spirale ist in seiner Form und seinen
Einzelheiten noch am besten erhalten ; nur an einzelnen Schnitten
ist es ganz oder theilweise von der knöchernen Unterlage los-
gelöst, an andern Stellen zu einem schmalen Strang zusammen-
gerollt (Taf. I. II, Fig. 2, Lgsp2).
Das Ganglion spirale weist nur vereinzelte Ganglien-
zellen auf, an einzelnen Stellen sind vollständige Lücken
(Taf. I, II, Fig. 2, Gsp.), an anderen ist der Kanal mit Binde-
gewebe ausgefällt.
Die Nervenendigungen zwischen den Blättern der Lamina
spiralis ossea haben sich nach Weigert nur in sehr spärlichen
Fädchen, in den meisten Schnitten gar nicht gefärbt.
Yestibulum und Bogengänge.
Blutungen sind weder im Yestibulum noch in den Bogen-
gängen zu sehen.
Das Epithel an den Gristae und Maculae acusticae ist auf-
gelockert und zerfallen.
Die Nervenendstellen in Sacculus, ütriculus und den
Ampullen sind erhalten und nach Weigert gut gefärbt.
Linke Schnecke.
Im linken Schläfenbein sind die Veränderungen nicht viel
von denen des rechten verschieden: Im Meatus auditor. int.
sind neben frischen Blutungen grosse Mengen Pigmentschollen
von braungelber bis brauner Färbung.
Ganglien und Nervenendigungen sind in demselben Um-
fange wie rechts zerstört.
Die Blutungen sind sowohl im Meatus wie in der Schnecke
42 y. HAIKE
kleiner als rechts, doch auch hier so gross, dass sie im Fandns
den Nervus oochlearis fast in seiner ganze Dicke unterbrochen haben.
Nur in der mittleren nnd oberen Windung sind minimale
Blutungen.
Eine Ausbuchtung der Scheidewand der beiden Scalen ist
nb^pends zu sehen.
Der Ductus cochlearis ist in seiner äusseren Configuration
im Ganzen erhalten: Die Membrana vestibularis weist wenigstens
in der zweiten Windung — in der Basalwindung und in der
Spitzenwindnng fehlt sie an manehen Schnitten — keine patho-
logischen Veränderungen auf und ist in ihrer gewöhnlichen Lage
d. h. in der meist in Präparaten angetroffenen,^ mit einer Con-
Ycxität nach dem Lumen des Ductus ausgebuchtet, erhalten ; an
vielen Schnitten eingerissen (Taf. L £1, Fig. 1, Mv.), auch ihre
Gewebebestandtheile, selbst das Epithel, sind gut sichtbar.
Ebenso weist das Ligamentum spirale in dem den Ductus
cochlearis begrenzenden Theil keine Veränderungen auf, ist
aber fast überall von der knöchernen Wand in grösserer oder
geringerer Ausdehnung losgelöst (Taf. L II, Fig. 2, Lgsp.).
Die tympanale Wand zeigt die Crista spiralis gut erhalten
(Taf. I. II, Fig. 1, Csp.)
Das Corti'sche Organ fehlt, an seinem Standort finden wir
einen kleinen in Zerfall begriffenen Zellhaufen (Taf. I. II, Fig. 1, Z.),
dem ein Gewebsstrang aufliegt, der zum Labium vestibuläre der
Crista spiralis hinzieht nnd mit dieser ein etwa stumpfwinklig-
dreieckiges Lumen bildet. Eine Structur dieses Streifens ist
nicht zu erkennen (Taf. I. II, Fig. 1, Mc).
Bevor wir die oben beschriebenen Veränderungen im Laby-
rinth zusammenfassend betrachten, sei vorweg bemerkt, dass ein
Theil derselben als Leichenveränderungen oder durch die Prä-
paration bedingt bei der Bewerthung des pathologischen Pro-
cesses ausscheiden muss, ein anderer Theil jedenfalls mit Bttck-
sicht auf die Möglichkeit des postmortalen Zerfalls anzusehen
ist, was wir bei der Besprechung der einzelnen Erscheinungen
thun wollen, unter Würdigung der begleitenden Verhältnisse, da
wir noch immer nicht mit aller Sicherheit die rein postmortalen
Gewebsveränderungen am Labyrinth kennen, und deshalb die
Grenze zwischen ihnen und den pathologischen Erscheinungen
nicht immer ohne Weiteres zu ziehen möglich ist. Doch bleiben
ftlr die Beurtheilung des Processes uns noch die zweifellos pa-
thologischen Veränderungen.
Fötale Erkrankung des Labyrinths im Anschluss an Enceph. haem. 43
Die Gesammtheit der in den beiden Qehörorganen erhobenen
Befunde zerfällt in zwei Hanptgmppen :
1. Blutungen,
2. Degenerationserseheinungen.
Die Blutung ist am umfangreichsten im Meat auditor. int.
beiderseits und hat besonders im Fundus den Nervus oochlearis
bis auf geringe Reste, rechts noch mehr als links, fast in seiner
ganzen Continuität zerstört, sodass nur wenige Nervenbündel in
die Cochlea eintreten. Die Blutmassen fbUen an Stelle des Nerven
auf grosse Strecken den Meatus fast völlig aus, und von dem
zertrflmmerten Nerven ist nichts mehr zu sehen, sodass man an-
nehmen muss, er ist nach seinem Zerfall resorbirt worden. Denn
dass ausser den vorhandenen Blutmassen, welche ihrem Aussehen
nach noch nicht lange liegen können, auch filtere Blutungen
stattgefunden haben, davon zeugen die zahlreichen Pigment-
schollen und Pigmen&ömer, die wir an verschiedenen Stellen
des Meatus gefunden haben.
Entsprechend diesen Veränderungen am Nervenstamme ver-
hält sich das Ganglion spirale. Es weist stellenweise grosse
Lttcken auf, in denen sich weder mit Hämatoxylin-Eosin, noch
mit der Weigert'schen Färbung Gewebselemente haben nach-
weisen lassen, in dem ttbrigen mit Bindegewebe erf&Uten Baum
sehen wir ganz vereinzelt nur Ganglienzellen, und zwar am
wenigsten in der unteren Windung, etwas mehr in der mittleren.
Darum sind auch die Nervenenden der Gochlearis nirgends nor-
mal erhalten. Die Weigert'sehe Markscheidenfärbung zeigt
zwischen den Blättern der Lamina spiralis ossea nur spärliche
Fädchen.
Dies gilt für beide Schläfenbeine.
In weit geringerem Umfange ist der Nervus vestibularis durch
die Blutung zerstört worden. So ist das ganze Ganglion vesti-
buläre unversehrt geblieben und ein grosser Theil der zu ihm
fährenden und von ihm abgehenden Fasern, sodass die Maculae
und Cristae acusticae bis auf das wahrscheinlich durch postmor-
talen Zerfall zerstörte Epithel in ihren nervösen Bestandtheilen
vollkommen normal erscheinen. Die schwersten Veränderungen
zeigt die häutige Schnecke. Ein deutliches Lumen des Ductus
cochlearis besteht in der rechten Schnecke überhaupt nicht mehr.
Die Membrana vestibularis ist, aufgelockert zu bandartiger Breite,
bald an ihrem centralen, bald am peripheren Ansatz losgerissen
und liegt der Basilarmembran dicht auf; eine Grista spiralis ist
44 Y. HAIKE
kaum zu erkennen, und von dem Corti'sohen Organ ist nichts er-
halten geblieben. An seiner Stelle liegt ein Wulst, der aus der
Basilarmembran und der ihr aufliegenden Membrana vestibularis
besteht, in welchem einzelne Bestandtheile nicht zu erkennen
sind. Für dieses Tollständige Fehlen des Sinnesepithels in bei-
den Schneeken ist wohl vor Allem die Degeneration der zu ihm
fahrenden Nerven als Ursache anzusehen. Auch Böttcher i) hat
bei Zerstörung des Nervus acusticus durch Druckatrophie Schwund
in den Nervenfasern und Ganglienzellen im Endapparat des La-
byrinths und völlige Degeneration der inneren und äusseren
Hörzellen beobachtet. In unserem Falle hat mit grosser Wahr-
scheinlichkeit die nach sicheren Anzeichen, auf die ich unten
noch zurückkomme, wirksam gewesene aussergewöhnliche Druck-
steigerung im Labyrinth zn dieser Degeneration im Endorgan
beigetragen, eine Annahme, welche durch die von Schwartze^)
ausgesprochene Anschauung noch gestützt wird, dass es „in hohem
Grade wahrscheinlich ist, dass durch andauernde intralabyrin-
thäre Drucksteigerung Ernährungsstörungen im Nervenendapparat
involvirt werden*.
Auf diese Ernährungsstörung darf auch die Auflockerung der
Membrana vestibularis zurückgeführt werden. Dass sie nicht etwa
eine Leichenerscheinung ist, erhellt daraus, dass die Membran
im linken Labyrinth in ihren Gewebstheilen völlig normal ge-
funden worden ist und beide Schläfenbeine unter vollständig
gleichen Bedingungen bei der Fixirung und der weiteren Be-
handlung gestanden haben.
Die Lageveränderung der Membrana vestibularis
erfordert eine besondere Erörterung, weil das Abreissen der Mem-
bran wie einEinreissen oder eine Einbuchtung nach dem Lumen des
Ductus cochlearis gewöhnlich als Leichenerscheinung oder durch die
Behandlung mit Reagentien entstanden, im Allgemeinen mit gutem
Grunde angesehen wird (Steinbrügge, Z. f. 0. Bd. XIL S. 178).
Der gleiche von uns oben beschriebene Befund an der Mem-
bran ist aber nach meiner Ansicht hier ein Theil des pathologischen
Processes. Er ist die Folge einer Drucksteigerung im perilym-
phatischen Saum. Dafbr spricht das Verhalten der Lamina ba-
silaris der mittleren Windung. Diese ist nämlich bogenförmig
mit ihrer Convexität nach der Scala tympani ausgebuchtet, so-
dass sie deren Lumen beträchtlich verkleinert (Taf. I. II, Fig. 2 St).
1) Citirt bei Schwartze, Pathologische Anatomie des Ohres. S. 129.
2) 1. c. S. 122.
Fötale Erkrankung des Labyrinths im Anschluss an Enceph. haem. 45
Das ist nur durch die Annahme einer aussergewöhnliohen
Druckerhöhung im periljmphatisehen Baum zu erklären, der
natürlich die sehr viel zartere Membrana vestibularis erst recht
durch Abreissen oder Einreissen nachgeben musste. Dieser hohe
Druck innerhalb des Labyrinths entstand wahrscheinlich durch
eine intracranielle Druckerhöhung während des Verlaufes der
Encephalitis, wobei jedoch auffllllig erscheint, dass er sich so
intensiv nur in einer Windung und nur in der Schnecke der
einen Seite bemerkbar gemacht hat.
Die Blutungen in der Schnecke haben keine nennenswerthe
Ausdehnung erlangt und irgend eine directe Zerstörung nicht
angerichtet.
Yestibulum und Bogengänge zeigen weder Blutungen noch
sonst Pathologisches. Ihre Nervenendstellen sind normal bis auf
den Zerfall des Epithels, den wir als Leichenerscheinung anzu-
sehen haben.
Die pathologischen Veränderungen am linken Schläfenbein
sind im Wesen dieselben wie rechts und nur graduell verschieden.
Erwähnt sei nur, dass der bandartige Gewebsstreifen, wel-
cher das Labium vestibuläre der Grista spiralis mit einem Zell-
häufchen auf der Lamina spiralis membranacea verbindet, seiner
Lage nach vielleicht die pathologisch veränderte, verdickte Mem-
brana tectoria sein könnte; doch ist eine Structur an ihm nicht
zu erkennen. Die Ablösung des Ligamentum spirale von der
knöchernen Wand ist wohl als Leichenerscheinung oder durch
die Präparation entstanden anzusehen (Taf. I, II, Fig. 1 Lgsp).
Für die Aetiologie der primären Erkrankung des Gere-
brum hat der Sectionsbefund keinerlei Anhalt gegeben. Für
die Möglichkeit einer Lues war weder in der Anamnese der
Mutter, noch in der Beschaffenheit der kindlichen Organe ein
Verdachtsmoment zu finden.
Die Entwickelung der Encephalitis hat jedenfalls erst nach
völliger Ausbildung der Schädelkapsel stattgefunden, da diese
gut entwickelt und normal erscheint.
Die Miterkrankung der Gehörorgane war eine secundäre,
deren Entstehung und Fortschreiten sich an der Hand des mikro-
skopischen Untersuchungsbefundes ziemlich genau verfolgen lässt.
Im Meatus auditorius internus haben mehrfache starke Blu-
tungen stattgefunden zu verschiedenen Zeiten, wie die
ziemlich frischen iBlutmassen und andererjseits das an vielen
Stellen vorhandene Pigment -beweisen. Durch diese Blutungen
46 y. HAIKE
ist der Nerrns aeustions nnd besonders sein nnterster Theil, der
Nerms eoehlearis, in weitem Umfange zerstört worden. Eine
rüeklftnfige Degeneration hat nieht stattgefunden, denn wir sehen
den centralen Theil der Nerven gut nach Weigert geftrbt
Der Nerms vestibnlaris hat nicht wesentlich dnrch die Blu-
tung gelitten; sein Ganglion ist gat erhalten, nnd die von ihm
ausgehenden peripheren Fasern nnd Nervenendstellen zeigen keine
pathologischen Yerändernngen. Doch ist durch die Zerstörung des
Gochlearis das Ganglion spirale fast vollkommen degenerirt und
naturgemftss auch die von ihm peripherwftrts ziehenden Fasern.
Wahrscheinlich hierdurch veranlasst, vielleicht unter Mitwirkung
einer durch den Entzündungsprocess des Cerebrum bestehenden
Drucksteigerung im ganzen Schädelraum und auch innerhalb des
Labyrinths ist das Sinnesepithel der Schnecke dem vollkommenen
Schwunde anheimgefallen ; es sind auch nicht einmal Spuren des
Organen spirale mehr vorhanden.
Die kleinen Blutungen in der Schnecke sind wohl als Folgen
von Stauung aufzufassen, woftr die strotzende Blutf&lle in den
Gefässen der Schnecke spricht und der Umstand, dass die einzig
wesentliche Blutung in dem Gebiet der hinteren Spiral vene
stattgefunden hat, welche die innere Peripherie der Scala tym-
pani der Basalwindung umkreist.
Sichere Zeichen einer Entzündung sind im Bereiche der
Schnecke nicht vorhanden; ihre pathologischen Veränderungen
sind durch die fortschreitende Degeneration im Wesentlichen er-
klärt.
Ein vollkommenes Analogen aus dem postfotalen Leben
finden wir weder fllr die primäre Cerebralerkrankung, wenig-
stens insofern nicht, als' so ausgedehnte Zerstörungen — der De-
fect beider Hemisphären — niemals beobachtet worden sind, noch
Gut die secundäre Labyrintherkrankung. Doch finden wir in den
entzündlichen Erkrankungen des Hirns und seiner Häute im
Wesen gleichartige Afi^ectionen, und die sie begleitenden Mit-
erkrankungen des Labyrinths weisen manche Aehnlichkeiten mit
unserem Befunde auf. So fand Lucae^) in einer von verschie-
denen Gesichtspunkten aus wichtigen Untersuchung einer Laby-
rintherkrankuug nach Meningitis cerebrospinalis, die mit völliger
Taubheit beiderseits endete, in Vorhof und Bogengängen beider-
1) üeber H&morrhagie und hämorrhagische Entzündang des kindlichen
Ohrlabyrinthes. Virchow's Archiv Bd. LXXXYIII. 1882. S. 556.
Fötale ErkrankuDg des Labyrinths im AnBchlnss an Eneeph. haem. 47
seits hämorrhagiBohe Entzündung, grosse Blutungen in den Bogen-
gängen, sehr viel geringere in der Schnecke. Sein Befund hat
mit dem unserigen gemeinsam die Blutungen und eine, sonst
nirgends erwähnte, Verdickung der Corti'sohen Membran (Taf. I. II,
Fig. 1 Mc).
Ein andrer hierher gehöriger Fall ist vonMoos^) berichtet
über Veränderungen des Labyrinths bei der hämorrhagischen
Pachymeningitis : Blutungen, die theils dem Verlauf der venösen
Gef&sse, theils den Nervenfaserbündeln folgten, besonders ausge-
prägt auf der Auskleidung desMeatus auditorius internus — soweit
ein dem unsrigen recht ähnlicher Befund — ferner an der Aussen-
wand des utriculus, zwischen den Blättern der Lamina spiralis
und in einer Ampulle Pigment ; die Veränderungen betrafen mehr
den Vestibularapparat als die Schnecke. Nur in einem Labyrinth
nachweisbar zellige Infiltration, im andern mehr Atrophie
undDegeneration; dieser letztere Befund gleicht dem unsrigen .
Ein anderes sehr ausführliches üntersuchungsergebniss von
einer durch Gerebrospinalmeningitis verursachten Labyrinther-
krankung theilt Schwab ach 2) mit: Die eitrige Entzündung
hatte sich längs des Acusticus und aller seiner Zweige ausge-
breitet und neben Infiltration und Granulationsbildung Blutungen,
Zerstörung des Knochens und Atrophie der Nervenfasern gesetzt;
im Ductus cochlearis waren ausser Leichenveränderungen keine
Zerstörungen.
Durch diesen wie die beiden vorher angeführten Befunde
dürften die wesentlichen pathologischen Veränderungen am Laby-
rinth bei Mitbetheiligung an entzündlichen Processen des Hirns und
seiner Häute charakterisirt sein. Sie unterscheiden sich alle
von dem unsrigen dadurch, dass der Entzündungsprocess als
solcher auf das Gehörorgan übergegangen ist und also entzündliche
Veränderungen gesetzt hat, die wir in unserem Falle nicht nach-
weisen konnten; nur an dem einen Labyrinth in dem Falle von
Moos waren auch nur Degeneration und Atrophie ohne eigent-
liche Entzündungserscheinungen vorhanden.
Jedenfalls ist der pathologisch-anatomische und functionelle
Effect am Ende gleich in jenen postfotalen Processen; wie bei
1) Ueber die histologischen Veränderungen des Labyrinthes bei der
hämorrhagischen Pachymeningitis. Z. f. 0. Bd. IX. 1880. S. 97.
2) Ueber Gehörstörnngen bei Meningitis cerebrospinalis und ihre ana-
tomische Begründung. Zeitschr. f. klinische Medicin. 1891. S. 273.
48 V. HAIKE, Fötale Erkrankung des Labyrinths u. s. w.
dem unsrigen : die fnnctionswiohtigen Theile sind zerstört durch
Blutungen und Degeneration.
Wenn wir uns nun ferner unseren fötalen Proeess extrauterin
naeb den allgemeinen pathologischen Gesetzen und ihrer er-
fahrungsgemässen Einwirkung am Labyrinth weiter wirkend
Yorstellen, so hätten wir ein Fortsohreiten der Degeneration
eventuell auf den Knochen und durch die Blutung wahrschein-
lich eine Entzündung zu erwarten.
Je nach dem Vorwiegen jener degenerativen oder eines
entzündlich productiven Processes könnte es zu einer Höhlen-
bildung oder Bindegewebs- und Enochenneubildung im Labyrinth
kommen.
Soloher Art sind aber die häufig erhobenen Befunde an den
Gehörorganen Taubgeborener, wie sie besonders Mygind^)
' in seinem Buche über die angeborene Taubheit zusammengestellt
hat: sie sind also die Endausgänge von Processen am
Labyrinth, deren intrauterines Anfangsstadium die
in dieser Arbeit mitgetheilten Untersuchungen uns
kennen gelehrt haben, und deren Analogie mit ex-
trauterinen secundären Labyrintherkrankungen und
ihren primären Grundkrankheiten am Hirn dadurch
erwiesen ist.
Zeichenerklärung.
Gsp Crista spiralis.
Gsp Ganglion spirale (Lücken in demselben).
Lgsp Ligamentum spirale.
Lgspa Ligamentum spirale der zweiten Windung.
Lgsps Ligamentum spirale der Spitzenwindung.
Lsp Lamina spiralis ossea.
Mc Membrana tectoria.
Mv Membrana vestibularis
Mvi Membrana vestibularis der zweiten Windung, in ihrer Gontinuit&t erhalten.
Na Nervns acusticus.
P Periost
S Blutungen zwischen den Nervenbündeln des Acusticus.
Ss Blutungen im Meatus auditorius internus.
Ss Blutungen der Scala tympani der Basalwindung.
St Scala tymi)ani.
W Undifferenzirter Wulst, bestehend aus der Lamina spiralis membranacea
und der Membrana vestibularis.
Z Häufchen von Zerfallsproducten von Zellen.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel L IL
Fig. 1 Abschnitt der zweiten Schnecken windung; linkes Schläfenbein. Zeiss.
Oc. 2, Obj. D. Tub. 16 cm.
Fig. 2 Längsdurchschnitt der rechten Schnecke. Zeiss. Oc. 2, Obj. A. Tub.
16 cm.
Fig. 3 Peripherer Abschnitt der Basalwindung der rechten Schnecke (s. Fig. 2)
in stärkerer Yergrösserung. Zeiss. Oc. 2, Obj. D. Tub. 16 cm.
1) Die angeborene Taubheit. Beitrag zur Aetiologie und Pathogenese
der Taubstummheit. Berlin tS90.
Archiv f. Ohrenhrilkunde Bd. DT.
Plg-.2.
'ViTogeJm Leipzig:
LiinlnswtAFunfe:«^
Tl.
Aus dex kgL Umveraitäts-ObrenpolikUnik zu Mttaoheo.
Heber die Verwendug loeal sn&fitlietiBcli wirkeBderVittel 9
bei Eingriffen am Trommelfell nnd €eb5rgang«
Von
Prof. Dr. Hanir (Manchen).
Die am Troiamelfell uad im Gehörgauge oder in der Paukeu-
hohle yojß vorne her vorzunehmenden Eingriffe aind, wenn wir
Yon dex Extraotion der Gehorknöehelehen absehen, zumeist ope-
rative Vornahmen, die nnr relativ sehr kurze Zeit in Anspruch
nehmen. Aber alle diese Operationen, Paracentese, Furunkel-
ineision, Polypen- nnd Granulationaentfernung sind gewöhnlieh
aasserardentlich schmerzhaft. Es lag daher natttrlioh sehr nahe,
aneh unseren Patienten die Wohlthat der Scho^rzlosigkeit zu
erweisen bei Vor^uthme der Edngriffe.
Die allgemeine Narkose duüch Chloroform oder Aether eignet
sieh in Ansehung der kurzen Zeitdauer nicht oder nur sehr selten
zu diesen durchschnittlieb kurz dauernden Operationen. Nur fbr
l&nger dauernde Operationen, wie die Extraotion der Gehör-
knöehelehen vom Gehörgange her, kommt diese in Frage. Ausser-
dem standen noch zur Verfügung die zu den zahnärztlichen Ver-
richtungen gebr&uchUehen Lachgas- und Bromäthylnarkosen.
Am einfachsten und zweckmässigsten ßXr unsere Zwecke
wäre nun zweifellos die looale Anästhesirung, wenn sie die
zwei Cardinalpunkte : 1. eine wirkliche Unempfindlieb-
keii während der Operation, und 2. keine irgendwie
unangenehmen oder schädlichen Neben- oder Folge-
erseheinnngen garantirt, sodass der Verlauf der Erkrankung
dureh ihre Anwendung in keiner Weise nach der schlechten Seite
hin beeinflusst wird.
Nach diesen Gesichtspunkten haben wir die Anwendung der
localen Anästhetica flir den Gehörgang, Trommelfell und Pauken-
höhle zu prüfen. Es muss aber auseinander gehalten werden,
ob das Anästheticum auf die Schleimhaut — bei Perforationen,
1) Nach einem in der München. Laryngo-Otologischen Gesellschaft ge-
haltenen Vortrage.
Azehir f. Ohreaheilknnde. LV. Bd. 4
50 VI. HAUG
Granulationen — oder auf die bisher noch nndnrehbrochene Epi-
dermislage des Gehörgangs nnd Trommelfells wirken soll.
Zunächst ist es natflrlich [das verbreitetste Loealanästheti-
cum, das Cocain, das seine Verwendung zu solchen Zwecken
fand und findet.
Es werden hier in Anwendung gezogen Cocainlosungen von
5 — 20 Proc. ; zur Erhöhung der Wirkung wird auch eine Mischung
Ton 5 proc. Cocain- mit 5 proc. Morphiumlösung genommen.
Thatsächlich lässt sich durch die Einträufelung solcher So-
lutionen bei perforirtem Trommelfell und bei der Entfernung von
Granulationen eine recht erhebliche Schmerzlinderung erreichen,
so dass der Eingriff wenig;..«fiipfhndaM^ Auch bei der nach
der Badicaloperation iiil^nmnge' voT2ti|ie^enden Drucktämpo-
nade der ausgeräum|ei^l^aukenhöhle ist oftj^ine vorausgehende
Cocainisirung von
Anders aber steUli^sich die Sache, wqj^eA wir bei imperfo-
rirtem Trommelfell und^^haliener Cntis^ di» Cocain anwenden;
hier ist seine Wirkung emc^dSu^^^Mematische , labile nach
meinen Erfahrungen. Es kommt gar nicht selten vor, dass trotz
genügend langer Einwirkung starker Lösung entweder gar keine
oder ungenügende Anästhesie auftritt, so dass die Patienten den
Eingriff nahezu oder wirklich so empfinden wie ohne Anästhesie.
Dieses häufige Fehlschlagen der Wirkung ist ja durchaus nicht
zu vermeiden, wenn wir uns vor Augen halten, dass wir eben
zur Zeit keine dem Arzneimittel freigelegte Schleimhaut fläche
vor uns haben, sondern die resistenteren Oberhautgebilde.
Um ein leichteres Eindringen der wässerigen Lösung zu er-
möglichen und zugleich der mit der Einführung der wässerigen
Lösung verbundenen Quellung der Oberhaut wenigstens etwas
vorzubeugen, habe ich Versuche gemacht mit Cocain, gelöst in
Wasser und dann vermengt mit Alkohol und Glycerin zu gleichen
Theilen.
Also z. B. Cocain muriatic.
1,5 — 3,0
Aq. destillat.
Glycer. ää 10,0
Steril,
adde Alkoh. 10,0.
Aber auch diese Lösung war in ihrer Wirksamkeit nicht
viel, wenn auch etwas verlässlicher. Offenbar ist auch von An-
deren dieser üebelstand empfunden worden, undBonain^) em-
1) Kevue hebdomad. de Laryog. 2. Juli 1898.
Yerwendg. local anästhet. wirkend. Mittel b. Eingr. am Trommelfell u. s. w. 61
pfahl deshalb ein Gemenge von reiner Carbolsäare und Menthol
mit Cocain.
Er sehlug vor:
Acid. carbolie. pur. liquef. 2,0
Menthol pur.
Cocain hydrochlorio. Sä 0,5.
Diese pastenartige Mixtur wird auf Wattebäuschchen auf
das Trommelfell aufgelegt, und nun soll schon nach 1 Minute
vollkommene Anästhesie ohne unangenehme Nebenerscheinungen
vorhanden sein. Hierauf wird mit einem in gekochtes Wasser
getauchtes Wattebäuschchen ausgewischt.
Eine weitere Modifieation der Cocainmethode wurde von dem
Engländer Albert GrayO veröflfentlicht:
Cocain muriatic. 0,5
Ol. anilin.
Alkohol, absolut, ää 5,0.
Auf einem Wattebäuschchen durch 5 — 10 Minuten auf das
Trommelfell aufzulagern; dann vollkommene Anästhesie ohne
üble Nachwirkung.
Ich habe diese verschiedenen Modificationen von Cocain-
anästhesie zur Paracentese hintereinander eingeftlhrt, um sie an
der Hand der von mir in der Privatpraxis und Poliklinik ange-
stellten Versuche vergleichsweise beurtheilen zu können.
Was die erste von mir angewandte Cocainsolution anbelangt,
so habe ich schon erwähnt, dass sie weit davon entfernt ist, ein
sicheres Anästheticum ftir das Trommelfell und den Meatus zu sein.
Und wenn auch die Quellung der Oberhautlager durch den
Alkohol- Glycerinzusatz sehr beschränkt war, so war sie doch
nicht ganz aufgehoben. Dazu kommt noch die Gefahr einer In-
toxication, sowie man mit stärkeren Lösungen bei disponirten
Individuen arbeitet; übrigens genügen oft auch hier schon merk-
würdig kleine Dosen, um Intoxicationen herbeizuführen.
Aber auch die anderen Compositionen können nicht Anspruch
auf absolute Sicherheit der Anästhesie machen. Die Wirkung
der Carbol-Menthol-Cocainpaste ist wohl eine ziemlich, aber auch
nicht immer, anästhesirende, wenn auch der Zeitpunkt der An-
ästhesirung häufig etwas länger dauert als eine Minute. Aber
diese Zusammensetzung ist durchaus nicht so unschädlich und
frei von Nebeneinwirkungen, wie sie Bonain schilderte. Es
treten in Folge des starken Carbolgehaltes directe Anätzungen
1) British medic. Journ. 1901.
52 VI. HAUG
und Verbrennungen des Trommelfells nnd der znnftehst liegen-
den Oehörgangspartien auf, die zu sehr unerwUnsohten FlSfChen-
und Tiefeneiterungen fbliren können. Das kann sehen beim Ver-
weilen während 1 Minute der Fall sein, und selbstverständlich
bei dem so wenig als möglich anzuwendenden längeren Ver-
bleiben im Meatus. Auch ist die weisse Verfärbung nicht von
Vortheil und hindert sehr bei den Eingriffen.
Bessere Resultate hat mir die Gray 'sehe Cocain- Anilinöl-
Alkoholmischung gegeben. Sie anästhesirt nach 5, 10—15 Mi-
nuten — es ist das sehr verschieden — ziemlich prompt, so dass
man Incisionen im Trommelfell und Gehörgang recht ordentlich
ausführen kann.
Auch hier tritt eine Verfärbung der berührten Partien ein,
die das Bild beeinträchtigen kann. Die Nachwirkung ist zweifel-
los keine so schädliche wie bei der Garbolmixtur, aber immerhin
treten auch hier consecutive Beizungserscheinungen auf. Und
absolut verlässlieh ist auch diese Lösung nicht.
In Anbetracht dieser Begleit- und Folgeerscheinungen aller
dieser Cocainoompositionen , in Ansehung ihrer nicht abso-
luten Sicherheit der Wirkung habe ich mich entschlossen, wo
irgend es durch den Patienten zugelassen wird, von jeder loealen
Anästhesie völlig Abstand zu nehmen und speciell die Paracen-
tese immer ohne sie auszufahren. Der ja momentan starke
Schmerz wird bald geringer, um dann meist ganz aufzuhören,
und es fehlt bei diesem Verfahren jede, auch nur geiingste con-
secutive Beizwirkung ; die Heilung geht viel prompter von stat-
ten, als bei jeder loealen Anästhesie.
Es gilt das Gleiche auch für die Eingriffe, die bei schon
offener Paukenhöhle, also bei Polypen u. s. w. vorgenommen wer-
den sollen, bezüglich der Beizwirkung und Heilung, jedoch wer-
den wir hier in Ansehung des Umstandes, dass derartige Ein-
griffe oft etwas längere Zeit in Anspruch nehmen, doch zu einem
loealen Anästheticum die Zuflucht nehmen müssen.
Ausser den schon oben genannten Gocainzusammensetzungen
— mit Ausnahme der Carbol-Menthol-Cocainpaste, die bloss für
Parazentese gilt — lassen sich zu diesen Zwecke verwenden das
A c oi n 1) in wässeriger Lösung zu 2 Proc. ; es kommt einer 5proc. Co-
cainlösung annähernd gleich, soll aber angeblich weniger giftig sein.
Von nicht ungünstiger Einwirkung ist das Orthoform, das
einige Zeit vor der Operation auf die Partie aufgeblasen wor-
1) Gomperz, Monat, f. Ohr. 1899. Nr. 6.
Yerwendg. local aD&sthet wirkend. Mittel b. EiDgr. am Trommelfell u. 8. w. 53
den war; jedenfalls ist die Wirkung, wie das auch Urban-
tsohitsoh constatirt, eine viel nachhaltigere, sodass die durch
die Operation selbst hervorgerufenen Schmerzen auf ziemlich
lange Zeit gedämmt werden. Auch sind üble Nachwirkungen
mir nicht bekannt geworden; bloss ist es unangenehm, dass man
kein freies Gesichtsfeld hat und sich das erst wieder schaffen
muss. Als sehr günstig wirkend und schmerzstillend habe ich die
Orthoformeinblasungen bei einer Anzahl von Ohrfurunkeln gefun-
den — nicht immer — , bei welchen entweder durch einen unge-
nügenden Spontandurchbruch oder durch eine Incision eine bessere
Resorptionsfähigkeit heryorgernfen worden war.
Wir haben zum Schluss noch der Infiltrationsmethoden und
des Aethers und Chloräthyls betreffiei ihrer Anwendung, wenig-
stens im Gehörgang, zu gedenken.
Gewöhnlich wird schon der erste Nadelstich bei der
Schleich'schen Infiltration im geschwollenen Meatus so schmerz-
haft empfunden, dass die Patienten lieber darauf verzichten und
sieh die Incision ohne diese Vorbereitung machen lassen. Ein
weiterer Uebelstand ist die durch die Infiltration selbst herbei-
geführte Quaddelbildung, die das Gesichts- und Operationsfeld
ausserordentlich einengt.
Mit Nirvanin verhält es sich genau ebenso.
Auch erweist sich die Anwendung des Chlor äthylsprays
und Aethers als ausserordentlich schmerzhaft im Meatus. Die
Reaction ist bei allen eine oft nicht unerhebliche. Wir dürfen
also die Infiltrationsmethoden als für den Gehorgang völlig un-
brauchbar bezeichnen. Anders verhält es sich mit der Brauch-
barkeit derselben für die Operationen eventuell an der Ohrmuschel
und speciell an der Regio mastoidea, wo deren Verwendbarkeit
durch mancherlei Beispiele erhärtet ist.
Nachtrag: Neuerdings hat Gray (TheLancet9.Märzl90t)
noch eine weitere Modification zur Anästhesirung angegeben:
Man hält sich zwei Stammlösungen:
I. 20^/0 Cocain muriatic. in Alkoh. absolut.
II. 15 — 20^/0 Eucain in Anilinöl. — Vor dem Gebrauche
werden je 20 Tropfen der beiden Lösungen miteinander ver-
mischt. Ausreichende Erfahrungen über dieses Verfahren habe
ich noch nicht bisher gesammelt, es scheint jedoch der Sicherheit
der Wirkung nach den anderen etwas überlegen zu sein.
VII.
Aus dem I. anatomisohen Institut in Wien.
üeber atypische Gewebsformationen im häutigen Labyrinth.
Von
Dr. O« Alexander,
Assistent der üniTersitätsohrenklinil in Wien.
(Mit Taf. III.)
Die im Folgenden zu sohildernden Befunde beireffen eigen-
thümliohe bisher nur theilweise bekannte Bildungen im Vesti-
bularabschnitt des häutigen Labyrinthes. Bei genauer Durchsieht
meines Serienmateriales durch Labyrinthe embryonaler und er-
wachsener Säuger fielen mir nicht selten von der Norm ab-
weichende und in ihrem Aufbau von ihrer Umgebung wesent-
lich verschiedene Epithelregionen auf, welche zweifellos als
normale Bildungen gedeutet werden müssen.
Später habe ich auch Labyrinthserien vom Menschen ver-
schiedenen Alters auf das Vorkommen solcher atypischer For-
mationen geprüft. Dabei ergab sich, dass manche dieser
Bildungen nicht allzuselten vorkommen, und dass manche Ob-
jecte an derartigen abweichenden Gewebsstellen reicher sind als
andere.
Wenn ich meine Befunde topographisch ordne, so ergiebt
sich Folgendes:
1. Befunde an den epithelialen Wänden.
Die rein epitheliale (im Gegensatz zur neuroepithelialen)
Wand des häutigen Labyrinths besteht bekanntlich aus einem
platten bis cubischen Epithel, unter welchem sich in meist ein-
facher Zelllage ein bindegewebiges, perilymphatisches Stratum
ausbreitet, welches ich als subepitheliale, perilymphatisohe
Ueber atypische Gewebsformationen im h&atigen Labyrinth. 55
Sohieht bezeichnet habe, i) Aa maachen Stellen schiebt sich
zwischen beide eine homogene, stractarlose, eosinrothe Zone ein.
In diesem Abschnitt findet sich manchmal dadurch ein vom
Gewöhnlichen abweichendes Verhalten, dass umschriebene
Epithelstellen knötchenförmig (im Längsschnitt spindel-
förmig) verdickt, agglomerirt erscheinen. Die Verdickung
fand sich nur ein einziges Mal durch die Epithelzellen selbst in
Form eines mehrschichtigen Epithelhügels erzeugt, sonst gehörte
die verdickte Stelle stets dem perilymphatischen Gewebe an. Es
ergiebt sich dann im Schnitt ein oblonger Zellhaufen, der nach
dem endolymphatischen Baum hin von Epithel, nach dem peri-
lymphatischen von der subepithelialen Zone des perilymphatischen
Gewebes begrenzt erscheint.
Die Flächenausdehnung dieser Knötchen beträgt im Durch-
messer 20 — 40 f4^ ihre Höhe 15—20 ^.
Im Ductus endolymphaticus finden sich besonders an
Embryonen umschriebene, in den endolymphatischen Baum vor-
ragende Epithelzellhaufen, die dadurch zu Stande kommen, dass
daselbst die Epithelzellen in mehrfacher Schichte übereinander ge-
lagert sind. Gewinnen diese Zonen, was nicht selten der Fall ist,
grössere Ausdehnung, so entstehen hierdurch in das Lumen des
Ductus endolymphaticus vorspringende Falten (Boettcher) der
membranösen Wand, die dadurch charakterisirt sind, dass sie
nur aus Epithel bestehen, die Bindegewebsschicht der mem-
branösen Wand dagegen an der Faltung nicht theilnimmt und
gestreckt darunter hinwegzieht. An Meersohweinembyronen von
20 mm SS-Länge an habe ich diese Falten und Vorsprünge stets
nachweisen können.
Einen besonders interessanten, hierher gehörigen Befand ver-
danke ich Herrn Doc. H. Joseph: An der Serie eines 80 mm
langen Meerschweinembryo ergiebt sich ein im Epithel
selbst gelegener cystenähnlicher, röhrenförmiger Hohlraum
(Taf. in., Fig. 1) von ungefähr 30 ^ Länge und 10 fx Liohtungs-
weite. Er ist in der Ampullenwand des hinteren Bogenganges
gelegen, allseits geschlossen und erstreckt sich, im Epithel selbst
entspringend, nach aussen bis in die intermediäre perilymphatische
Zone, Seine Wand besteht aus einer einfachen Lage cubischer
Epithelzellen, die in ihrer Gestalt mit den Epithelzellen der
Ampullenwand vollständig übereinstimmen.
1) Ueber Labyrintbpigment nebst ßemerkungen über den Bau des peri-
lymphatischen Gewebes. Archiv f. mikrosk. Anatomie. 1901.
56 TU. ALEXANDER
In der Nahe seines bmalen, blinden Endes lie^ ein allteits
isolirter kugeliger Zellhavfen, dessen Wand, ein geringes, een-
trales Lamen umfassend, gleiehfalls ans enbise&en Epiiiliekellen
aufgebaut ist (Taf. III, Fig. 1, e, e). Ein besonderer Inhalt kommt
naeb der vorliegenden Färbung (Eisenhämatosylin) den beiden
Bftumlichkeiten nicht zu.
2. Befunde an den Nervenendstellen (Macula utriculu
saeouli, Cristae ampullares).
Einen xumal beim Menseben nicht sehr seltenen Befund
stellen Neuroepithellücken dar: Im Neuroepithel ist dann
ohne Aenderung der Epithelhohe ein vaeuolenähnlieber, rnndlicber
Bohlraum sichtbar, der die ganze Höhe des Neuroepitbels durch*
setzend einen Durchmesser von 30 — 50 fi zeigt.
Das betreffende Gebiet erscheint bei H&natoxylin-Eosin-
Färbung zumeist hell, nicht tingirt ; die Sttttzzellen der unmittel-
baa*en Umgebung lassen die gewöhnliche oder eine leiterförmige
Anordnung erkennen. Manchmal findet sich der Hohlraum vou
einem linearen Saum begrenzt, der den ZelUeibem der an-
grenzenden StOtzzellen angehört; in manchen Fällen besitzt er
endlich einen schwach eosinrothen Inhalt.
Ist die Epithellücke klein, so zeigt sich in der betreffenden
Segion keine Störung oder Veränderung in der Anordnung der
Haarzellen, der Haarfortsfttze, der Otolithenmembran oder der
Otolithen, eine Thatsache, welche den Schluss zulässt, dass die
Zwischenschiebung von Epithellücken den regelmässigen Bau
des Neuroepitbels nicht nothwendig stören muss; es erscheinen
dann nur die Stützzellen durch die Epithellücken verdrängt.
Sind die letzteren jedoch gross, so fehlen über ihnen die Haar-
fortsätze, und die Haarzellen erscheinen durch die Etablirung
des Hohlraumes seitlich verdrängt oder sind zu Grunde gegangen.
Seltener scheint im Neuroepithel das Auftreten von Epithel-
zellen zu sein, die einen hohlen, nach der Basis des
Neuroepitbels gerichteten Fortsatz formirend nach Art
der Embryonalanlage eines Drüsenalveolus angeordnet sind.
Ich verftge über zwei hierher gehörige Befunde:
So fand ich an einem Meerschweinembryo von 38,5 mm
Länge einen hohlen Epithelzapfen (Taf. III, Fig. 2), der das Neuro-
epithel nach seiner ganzen Dicke durchsetzt und an der Basis
desselben sogar ein wenig in das perilymphatische Gewebe vor-
ragt. Er zeigt 30 ^i Flächendurchmesser, besteht aus einer ein-
fachen Lage oylindrischer Zellen und besitzt einen centralen
Ueber atypiaefae Gewebsfonnatioiieii im häutigen Labyrinth. 57
HoUraum. Eine Commfinicatioii diefles letzteren mit dem endo*
lymphaftisehen Raum des Saeenlns konnte ich niefat mit Sieher-
heit naebweisen. Der Zapfen grenzt »ich vom Nenroepitfael
seiner Umgebung sefaarf ab. Das Protoplasma seiner Zellen ist
auffallend hell gef&rbt, desgleichen erseheinen die kugeligen
Kerne daselbst nieht so stark tingirt, wie die Kerne der Um-
gebang. Der centrale Hohlraum des Fortsatzes lässt keinen
färbbaren Inhalt erkennen.
Die Nenroepithelzellen (Stfttzzellen), welche an die Wand
dei^ Epithelzapfens grenzen, erseheinen nach dem Schnittbild
durch den Zapfen seitlich yerdr&ngt und comprimirt, die Kerne
stehen daselbst dicht und die Zellen zeigen ein Geflige, das man
als leiterformige Anordnung der Epithelzellen bezeichnet.
Die Haarf(Hrt8&tze des ganzen Gebietes sind in Gestalt nnd
Lage nieht verändert.
Einen ftbnlichen Befnnd ergiebt ein 57 mm langerMeer-
sebweinembryo. Hier fand sieh im Nenroepithel des Sacculns
eine Epithelkagel (Taf. III, Fig. 3) mit centralem Hohlraum. Ihr
Durchmesser beträgt 3/4 der Neuroepitiielhöhe. Nach dem
Lumen des Saceulus hin ist das Kttgelchen von Nenroepithelzellen
überlagert und reicht nach abwärts bis an den Basalrand des
Sinnesepitbels. Die Wand des Kügelchens wird (wie im obigen
Fall) von Gylinderzellen gebildet, die helles Protoplasma und
kugelige Kerne besitzen und schwächer gefärbt erscheinen als
die Stfltzzellen der Umgebung. Der centrale, allseits geschlossene
Hohlraum der Epithelkugel ist von einem homogenen, blauroth
(Hämalaun-Eosin) gefärbten Inhalt erfüllt.
Bei Durchsicht der einschlägigen Literatur scheinen mir die
oben beschriebenen Bildungen mit den zuerst von Rttdinger
in den membranösen Bogengängen älterer Personen gefundenen
Höckern verwandt zu sein. Diese Höcker springen zumeist
halbkugelig in das Bogenganglumen vor und bestehen in einer
ciroumscripten Vermehrung der subepithelialen, homogenen Zone.
In jüngster Zeit habe ich an einer Labyrinthserie eines 65 jährigen
Mannes neben den Büdinger'schen Höckern mächtige, halb-
kugelige Vorragungen in der Wand des Ductus endolymphaticus
getroffen, die gleichfalls eine proliferirte, perilymphatische
Zwischenschicht erkennen lassen.
Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den oben mitge-
th eilten Befunden und den Büdinger'schen Höckern ist aber
dadurch gegeben, dass sich die letzteren nur am Menschen und
58 VII. ALEXANDER, Ueber atypische Gewebsformationen n. s. w.
nur an älteren Individuen finden, während die ersteren an ver-
schiedenen Sängern und aneh an Sängerembryonen nachweisbar
sind. Ueber die Genese dieser eigenthfimlichen Bildungen ver-
mag das mikroskopische Präparat kaum einen Anfsohluss zu
geben. Was besonders die alveolaren Epitheleinsenkungen in-
mitten des Neuroepithels anlangt, möchte ich an einen Befund
Schaffer'sO an den Vasa efferentia des menschlichen Hodens
erinnern. Allerdings handelt es sieh bei Schaffer nicht um
Neuroepithel, sondern um Drüsenepithel; immerhin ist aber die
Aehnlichkeit beider Befunde eine so grosse, dass ich die Arbeit
Schaffer's nicht unerwähnt lassen möchte. Schaffer fand im
cylindrischen Flimmerepithel der Vasa efferentia „beeren- oder kurz-
schlau chformige, allseitig begrenzteRäume, die bei günstiger Schnitt-
richtung im Flächenschnittt an das Bild der Dickdarmdrüsen erin-
nern*'. Die Fig. 3 seiner Abhandlung zeigt fast vollständige üeber-
einstimmung mit den Verhältnissen meiner Fig. 2, wenn man davon
absieht, dass bei S c h a f f e r in der Umgebung des DrüschensNeben-
hodenepithel, in meinen Fällen dagegen Sinnesepithel vorhanden
ist. Schaffer konnte auch das Vorhandensein der in das
Lumen des Vas efferens f&hrenden Grübchenmündung überall
constatiren, während mir das Analoge bei meinen Beobachtungen
am Gehörorgan nicht gelungen ist. Zieht man in Betracht, dass
die Schnittdicke meiner Serien 20 /u, der Durchmesser der
Bläschen 30 — 50 // beträgt, so ist es möglich, dass eine vor-
handene kleine Mündnngsöffnung, in die Mitte der Schnittdicke
fallend, ihre mikroskopische Erweisbarkeit eingebüsst hat.
Ich möchte endlich nochmals darauf hinweisen, dass sich
die beschriebenen abweichenden Bildungen von erwachsenen
Thieren abgesehen, auch an Embryonen gefunden haben. Dies
erscheint mir aus dem Grunde wichtig, weil hierdurch ihre
intraembryonale Entstehung gesichert ist, und weil sie danach
als Ergebniss eines atypischen Wachsthumsvorganges nicht aber
als pathologische Bildungen angesehen werden müssen.
Figuren- und Zeichenerklärung auf Tafel III.
Fig. 1. Meerschwelnembryo von 80 mm SS-Länge, ap. »» Membranöse
Wand der hinteren Ampulle, f «= Epithelfortsatz. e « Wand, c =* Lumen des
Epithelkörperchens. 0«==KnöcherneAmpullenwand. Eisenhämatoxylin.Vergr. 400.
Fig. 2. Meerschweinembryo von 38,5 mm SS- Länge. Ms « Neuro-
epithel der Macula sacculi. per BS perilymphatisches Gewebe (subepitheiialeZone).
e=»Wand, c»« Lumen des Epithelkörperchens. Hämalaun- Eosin. Yergr. 400.
Fig. 3. Meerschweinembryo von 57 mm SS-Länge. Bezeichnungen
wie in Fig. 2. Hämalann-Eosin. Yergr. 350.
1) Schaff er, Ueber Drüsen im Epithel der Vasa efferentia testis beim
Menschen. Anatom. Anzeiger. Bd. VII, 1892.
Archiv f. Ohrenheilkunde. Bd. LV.
VIII.
Unznlängliche Stntzen von Zimmer mann 's Theorie der
Hecbanik des Hörens nnd ihrer Stömngen.
Von
Privatdocent Dr. Esehweiler-Bonn.
Zimmermann hat in seinem Baohe ^Die Mechanik des
Hörens und ihre Störungen, Wiesbaden J. F. Bergmann 1900'^
aus der von ihm an Helmholtz und Bezold geübten Kritik
das Facit gezogen und eine eigene Theorie der Schallübertragung
aufgestellt. Von der Fachpresse ist das Werk theils zustimmend
begrtisst *) theils mit kurzen Worten abgelehnt worden ; eine ein-
gehende Kritik ist nicht erschienen. So könnte es den Anschein
gewinnen, als ob sich weite Kreise der Otologen Zimmermann
angeschlossen hätten, zumal da noch Alt auf einer Otologenver-
sammlung 1901 sich in zustimmendem Sinne geäussert hat.
Zimmermann 's Buch zerfällt gewissermaassen in einen
negativen und einen positiven Abschnitt. In ersterem sucht er
nachzuweisen, dass der sogenannte schallleitende Apparat diese
Function gar nicht ausübt ; im zweiten begründet er die Theorie
von der accomodativen Thätigkeit der Gehörknöchelchenkette.
Wenn auch beim Leser dieser Zeilen das Zimmermann-
sehe Buch als bekannt vorausgesetzt werden muss, so ist doch
wohl eine kurze Zusammenfassung der neuen Theorie hier am
Platze: Nach Z. erleidet der von der Schallquelle zum Gehör-
organ gelangende Schall beim Passiren des äussern Gehörgangs
eine Abschwächung. Unter weiterem Energieverlust durchsetzen
die Wellen das Trommelfell, welches in toto unbewegt bleibt
und nur in longitudinalen Molecularschwingungen kleinster Am-
plitude schwingt. Am Promontorium angelangt, gehen die Schall-
wellen auf den hier besonders gut leitenden Knochen über und ver-
setzen die am Knochen angehefteten Resonanzfasern der Mem-
brana basilaris im Gorti'sehen Organ in stehende Schwingungen.
Durch die Schwingungen der Saiten geräth das Labyrinthwasser
1) Vor Allem in der „Zeitschrift far Ohrenheilkuode'^ von Asher, der den
Ausführungen Zimmermannes das Prädicat ^^ausserordentlich klar" giebt.
60 VUl. ESCHWEILER
in Wellenbewegung, yoransgesetzt, dass ein intactes Schneeken-
fenster als Ausweichstelle dient Wenn keine Wasserwellen
entstehen können, so können anch keine Schwingungen der
Saiten entstehen. Der Druck, unter welchem das Labyrinth-
wasser steht, beeinflusst die Leichtigkeit der Wellenbewegung
und damit die Schwingbarkeit der Fasern der Basilarmembran.
Yor Allen bedürfen die tief gestimmten Fasern eines regulirbaren
Drucks behufe Dftmpfnng. Diese Druckanpassong, die Ein-
stellung der Schwingungsweite der Labjrinthfasern auf den je-
weils besten Grad der Perception besorgt der sogenannte schall-
leitende Apparat auf zweierlei Weise:
Erstens wird durch Schallwellen von grosser Amplitude und
Wellenlänge eine Massensehwingung des Trommelfells und damit
eine Bewegung nach Innen veranlasst; dadurch wird der Stapes
ins Yorhoffenster gedrückt, noch ehe die betreffende Welle das
Promontorium erreicht hat. Zweitens wird reflectorisch eine
Action des Tensor tympani und des Stapedius hervorgerufen,
welche die Accomodation des intralabyrinthären Drucks auf den
besten Grad der Perception besorgen. Die erste Art der Accomo-
dation ist eine Schutzvorrichtung, die zweite mehr eine Präcisions-
Vorrichtung, welche auch das Lauschen ermöglicht. Soweit Z.
Es soll an dieser Stelle nicht geprtLft werden, inwieweit
eine Kritik an den Helmholtz 'sehen Anschauungen über die
Schallzuleitung berechtigt ist; es soll nur darauf hingewiesen
werden, dass die Zimmermann'sche Theorie nicht triftig be-
gründet ist und keine bessere Erkl&rung für die normale und
pathologische Physiologie des schallleitenden Apparated^ giebt
Anatomisch legt Z. grossen Werth darauf, dass das Promon-
torium den einfallenden Schallwellen gerade gegenüber liegt
(S. 12). Die vergleichende Anatomie aber lehrt, dass eine derartige
Stellung keine Beziehungen zur Gehörsschärfe haben muss, weil
bei gut hörenden Thieren, z. B. Pferd, Sehwein, Rind, durchaus
keine Gegenüberstellung vom Promontorium zur Einfallsrichtung
der Schallstrahlen vorhanden ist.
Dass der Gehörgang schallschwächend wirkt (S. 48), dürfte
unrichtig sein. Seine Biegung und verschieden grosse Weite
hebt nicht das gute Leitungsvermögen auf, welches dem Grehör-
gang als Bohre eigen ist. Allerdings würde er noch besser
leiten, wenn er einem graden glattwandigen Cylinder gliche.
Grösseren Raum verwendet Zimmermann auf den Nach-
weis, dass das Trommelfell und die Ossioula nicht in einer
Zimmermann's Theorie der Mechanik des Hörens und ihrer Störungen. 61
Phase sehwingen könnten (S. 50 ff.)* Durch theoretische £r-
w&gangeiL Ifisst Bicfa aher unseres Eraehtens nieht die Beweis-
krafi der bekannten Politzer 'sehen Experimente anfechten.
Der Einwand, dass nur bei starkem Sehallreis eine Phasen-
«ehwingnng nachzuweisen war, beweist nicht, dass bei schwächeren
Schalleinwirkungen eine solche fehlt. Die angewandten Methoden
sind doch im Verhältniss zu den hier in Betracht konsmenden
minimalen Erftften viel zu grob, als dass man sie bei negativem
Untersnchungsresultat ftr beweisend halten könnte.
Auf S. 63 ff. bemüht sich Z. den Nachweis zu f&hren, dass
es zur Empfindung von Sehall weniger Jiuf ein intactes ovales,
als auf ein gesimdes rundes Fenster ankomme. Die stehenden
Schwingungen der Basilarfasern seien nur möglich, wenn ^n
bewegliches Sohneckenfenster ein Ausweichen des Labjrinth-
wassers ermögliehe.
Diese Ausführungen enthalten einen unlösbaren Widerspruch.
Nach der Helmholtz'schen Schallleitungstheorie ist eine Aus-
weichstelle für die im Labjrinthwasser erzeugte Pulsionswelle
nöthig« Wenn wir aber mit Zimmermann annähmen, dass
die Schallwellen sich an der Anheftungsstelle der Basilarfasern
auf diese ttbertragen und sie direct in stehende Schwingungen
versetzen, so bedarf es zum Zustandekommen dieser
Schwingungen gar keiner Ausweichstelle für etwa
entstehende Flüssigkeitswellen. Die Schwingungen der
Faser machen keine Yolumvermehrung, denn was eine Saite im
Maximum der Elongation an Länge gewinnt, bttsst sie an Dicke
ein, abgesehen von einem minimalen aber bei den Dimensionen
der Basilarfasern wohl zu vernachlässigenden Yolumzuwachs
durch mdeculare Elasticität. Es nimmt daher die nach Zimmer-
mann's Theorie schwingende Basilarfaser eine Ortsver-
Underung vor, ohne das Labyrinthwasser in Wellen versetzen zu
müssen. Auf S. 68 sucht Zimmermann den Eintritt Ton
Labjrinthwasserwellen dadurch verständlich zu machen, dass
er sagt: „Verursacht man in einer Flüssigkeit auf- und ab-
gehende Bewegungen irgend eines hineingetauchten Körpers,
z. B. Transversalschwingungen einer Feder, so sieht man an der
Oberfläche leichte wellenförmige Kräuselungen entstehen.^ Die
Siehtigkeit dieses Satzes ist nur fUr gewisse Fälle an-
zuerkennen. Sobald der im Wasser sich bewegende Gegen-
stand in eine gewisse Entfernung von der Oberfläche
kommt, gleichen sich die entstehenden Bewegungen der
62 VIU. ESCHWEILER
umgebenden WasBermasse ans, ohne Oberfl&ehenyeränderungen
zn machen, und zwar ist in diesem Falle keine grössere Kraft-
anfwendnng nöthig, als wenn der Ausgleich durch Oberflächen-
yerftnderung des Wassers geschieht; man denke nur an die
Flossenbewegung der in verschiedenen Tiefenzonen des Meeres
lebenden Fische.
Mit der Annahme oder Verwerfung der secundären Wellen-
bewegung des Labyrinthwassers, hervorgerufen durch die primäre
Schwingung der Basilarfaser steht und fällt die Zimmermann-
sehe Theorie.
Aber selbst bei Einräumung dieser Möglichkeit verwickelt
sich Zimmermann im weiteren Ausbau seiner Theorie in
Widersprüche. Er sagt: (S. 68) es „ist für ein möglichst feines
Spiel resonirender Schwingungen eine Ausweichstelle ein unbe-
dingtes Erforderniss, und diese Forderung erftillt allein durch
Einführung des zarten Häutchens der Schneckenfenster membran/
und vorher (S. 67): „Und die Membran des Schneckenfensters
bewegt sich ganz selbstständig wie ein zartes Häutchen, welches
die Flüssigkeit in einem Gefässe abschliesst. Auch dieses be-
antwortet die Plätscherbewegungen, die in der Flüssigkeit irgend-
wie hervorgerufen werden, für sich durch leichte wellenförmige
Kräuselungen seiner Oberfläche^.
Also das wesentliche Erforderniss ist nach Zimmermann
eine den allerfeinsten Wasserwellen nachgebende Beweglichkeit
des Schneckenfensters..
Zunächst ist hier zu bemerken, dass schon anatomisch ein
Widerspruch besteht zwischen der Wellengrösse, erzeugt durch
die Schwingung einer 0,04 bis 0,4 mm langen Faser und den
correspondirenden „Kräuselbewegungen" einer sehnigen, relativ
dicken Membran, welche durchaus kein „zartes Häutchen^ ist.
Vor allem aber passt zu dieser Function nicht die von
Zimmermann dem Schneckenfenster zugewiesene Aufgabe bei
der Regulation des Labyrinthdrucks. Er sagt S. 77: „Rückt die
Steigbügelplatte maximal nach innen, so wächst der intra-
labyrinthäre Druck so stark, dass die Membrana secundaria des
Schneckenfensters übermässig belastet, ihre Federkraft paralysirt
wird und sie dem Druck nicht mehr ausweichen kann. Damit
ist die Grundbedingung für das Zustandekommen stehender
Schwingungen aufgehoben.*' und ferner S. 78: „Rückt nun die
Steigbügelplatte nicht maximal, sondern abstufbar veränderlich
nach innen, so werden die Schwingungen der gleichstimmigen
Zimmermann's Theorie der Mechanik des Hörens und ihrer Störungen. 63
Fasern nieht völlig unmöglich gemaoht, sie werden in ihren
Schwingungen nnr beschränkt.^ Änf diese Weise soll dann der
Mnskelzug der Mittelohrmuskeln oder die Versohiebnng des
ganzen Trommelfells durch starke Schallwellen den Labyrinth-
druck accomodiren.
Wie ersichtlich, soll also nach Zimmermann die Membran
des Schneckenfensters zweierlei besorgen. Sie soll erstens auf
die allerfeinsten Wellenbewegungen des Labyrinthwassers mit
entsprechenden Ausweichbewegungen antworten. Sie soll zweitens
die Abstufung des intralabyrinthftren Drucks dadurch ermöglichen,
dass sie dem vom Stapes nach Innen gedrückten Labyrinthwasser
einen elastischen Widerstand bietet. Beide Functionen
können unseres Erachtens nicht von derselben Mem-
bran ausgeübt werden. Denn beim Einpressen des Stapes
ins ovale Fenster wird -^ abgesehen von der Wirkung der nach
Zimmermann nur langsam wirkenden Aquäducte — solange
das Labyrinthwasser nicht unter erhöhtem Druck stehen, als
eben die Schneckenfenstermembran ausweichen kann. Erst wenn
sie über ein gewisses Maass und unter Ausnutzung ihrer Elastici-
tät nach Aussen vorgebaucht ist, wird thatsächlich auf der
Perilymphe ein erhöhter Druck lasten. Wenn das eintritt, so
ist aber die Schneckenfenstermembran in ihrer Schwingbarkeit
so geschädigt, dass sie keinesfalls mehr als eine passende Aus-
weichstelle für die äusserst feinen von Zimmermann ange-
nommenen Wasserwellen dienen kann. Man denke sich nur,
dass ein sehr lauter tiefer Schall und ein hoher Ton aus dem
Orchester heraus gleichzeitig das Ohr treflfen. Von diesen Tönen
ist der erste nach Zimmermann besonders geeignet, die
Aecomodation auszulösen. Es wird also — nach Zimmermann
— der Stapes einwärts gedrückt und die Schneckenfenstermembran
gespannt. Wie soll nun aber der hohe Ton percipirt werden,
dessen entsprechende Basilarfaser — nach Zimmermann ■—
nur schwingen kann, wenn die Schneckenfenstermembran durch
Kräuselung ihrer Oberfläche der entstehenden Labyrinthwasser-
welle Spielraum giebt?
Der Einfluss des Valsalv ansehen und Gellö'schen Ver-
suches oder der willkürlichen Action des Tensor tympani darf
hier nicht zum Beweise herangezogen werden, weil dabei der
schallzuleitende Apparat unter ganz besondere, mit der physio-
logischen Thätigkeit nicht übereinstimmende Bedingungen ge-
bracht wird.
64 ?m. £BCHW£IL£R
Als Beiq[U6l für die Wirkung des BohalUeitenden Apparstes
als Aottommodatur fuhrt Z. den PbomogTaphen an und sagt S. 81 :
^Im Phonographen werden von einer möglidist genäherten Bohall-
qnelle Sehalbtrahlen in grosser Menge darcAi den mächtigen
Sehalltrichter aufgefangen und alle durch Reflexion Ton d^
WimdeiL geg«n das verjüngte innere Ende susammengebracht.
Dnreh die Baperposition der gleichen Wellen eitsteht hier eine
erhebliehe Yergrösaerung ihrer Amplituden, so dass die ßchall-
weUen, mit jedem molecnlaren Ausschlag die Sehallplatte durch-
setaend, den angelagerten Hebel gegen die rotirende Walze an-
drücken und mit grosster Treue sich hier eingraben. Trotsdem
ist die Anaahl der Schwingungen, welche das Hebelwerk aus-
lösen, eine nur geringe, weil alle aus weiter Eittfemung kom-
menden, oder von vornherein sehr schwachen, durch den Scfaall-
trichta: doch nicht auf die genllgende* Stärke gebracht werden
können, um den Hebel zu bewegen. Noch geringer ist natür-
lich die Zahl, welche den Mittelohrapparat in Thätigkeit ver-
setsst.^
Auch hier dürfte Z. von unrtcfat^n Voraussetzungen aus-
gehen; die Schwingungen, welche das Hebelwerk des Phono-
graphen auslösen, sind nicht gering an Zahl, d. h. eine Auswahl
von denen, welche in den Schalltrichter gelangen, sondern alle
Wellen partioipiren an der Bildung derjenigen Wellenform,
welche den Stift des Phonographen in die Walze drückt; eben
daher reproducirt der Phonograph auch wieder alle ihm über-
gebenen Wellen, eben daher lässt er sogar die Stimme dessen
wieder erkennen, der in den Aufnahmetrichter gesprochen hat.
Gerade der Umstand, dass die anscheinend roh in das Wachs
eingedrückte Furche die Membran des Phonographen zur Wieder-
gabe einer so complicirten Tonmasse nöthigt, wie die mensch-
liche Sprache ist, dient zum Beweis dafür, dass wir es bei der
Schallübertragung mit unmessbar kleinen Grössen und äusserst
complicirten Formen zu thun haben, die wir in ihren Einzelheiten
nicht sehen, obschon sie sicher vorhanden sind.
Ebensowenig wie die Theorie an sich, befriedigt ihre An-
wendung zur Erklärung pathologischer Zustände des Ohres. Z.
beginnt das entsprechende Oapitel mit den Worten: „Reine Schall-
leitungshindemisse im Ohr machen bei der hohen Empfindlichkeit
des Endorgans keine oder nur geringe Störungen der Hörfthig-
keit.^ Hat sich denn Z. nie davon überzeugt, wie viel man noch
mit fest verschlossenen Ohren hört?
Zimmermann's Theorie der Mechanik dei Hörens und ihrer Störungen. G5
Ebensowenig darf man den Satz gelten lassen (S. 88) : ^Es
ist bekannt, dass langsam entstandene grosse Cernminalpfrople,
die das Lumen verstopfen, keine ihrem Träger aoffidlende
Oehörsversdilecbterang verarsaehen; erst mit dem Moment, wo
die cernminösen Massen das Trommelfell fixiren, werden
sie l&stig dnreh Anssohaltnng der Aeoommodationsmögliohkeit.^
Es tritt bekanntlich eine bedeutende Gehörsstomng dann schou
ein, wenn das (Lumen des Gehörgangs völlig verlegt wird.
Ein Druek auf das Trommelfell ist hierfhr nicht nöthig.
Subjeetive Geräusche entstehen nach Z. dadurch, dass das
erkrankte Ohr in seiner Aocommodationsfähigkeit beeinträchtigt
ist, so dass hier die Schneckenfasern in Folge objectiver Ge-
räusche viel ausgedehnter, in weiteren Amplituden schwingen
und nachschwingen können. Wenn in der Nacht eine Ab-
schwächung der Geräusche nicht erfolgt, so erklärt Z. dies aus
der Yerharrung im „Reizzustand^.
Wenn Z. Secht hätte, so mttssten ftr den Sklerotiker die
subjectiven Geräusche in gewisser Abhängigkeit von den in sei-
ner Umgebung herrschenden objectiven Oeräuschen stehen, was
bekanntlich durchaus nicht immer der Fall ist Häufig fllhlen
sich diese Patienten in geräuschvoller Umgebung sogar erleich-
tert, weil ihnen die subjectiven Geräusche weniger zu Bewusst-
sein kommen.
Wie sollen wir uns femer das Beharren im Beizzustahd in
der Nacht bei einer Faser denken?
Wenn wir uns, wie Z., den Höract als einen physikalischen
Vorgang — Schwingen einer Saite — vorstellen, so kann Ver-
harren im Reizzustand nichts anderes heissen als: Verharren in
der Schwingung. Dass aber eine schwingende Faser von den
Dimensionen und der lebendigen Kraft einer Basilarfaser auch
nur Minuten lang in der Schwingung beharren soll, wird nicht
anzunehmen sein.
Die Theorie vom Nachschwingen der nicht acoommodirten
Faser gipfelt in der Behauptung (S. 105): „Die verlängerte Hör-
daner des Stimmgabelstiels vom Knochen ist nur der gleiche
Ausdruck und für den Arzt gewissermaassen die mehr objective
Bestätigung der subjectiven Geräusohempfindungen, über welche
der Kranke klagt,*' (!)
Hiernach sollte man annehmen, dass jeder Patient mit ver-
längerter Knoehenleitung, resp. einer Störung am schallleitenden
(acoommodirenden) Apparat subjeetive Geräusche habe. Z. scheint
Archiv f. OhronheUkande. LV. Bd. 5
66 Till. £SGHW£IL£R
auf diesem Standpunkte zu stehen, denn er sagt S. 102: ^Ist
die Aecommodation durch Unterbrechung oder Unbeweglichkeit
ausgeschaltet , so ist allemal ein Ausfall in der exaoten Wahr-
nehmung der tiefen Tone zu constatiren und das Auftreten von
subjectiven Geräuschen/ Diese Behauptung widerspricht direet
der Erfahrung bei Patienten, denen Hammer und Amboss oder
gar der Steigbtlgel fehlt. Diese haben keinen ,, Aooommodations-
apparat'^ mehr und trotzdem nur selten subjective Geräusche.
Am ehesten könnte Zimmermann 's Theorie zur Erklärung
des Umstandes dienlich scheinen, dass bei Sklerotikern vielfach die
Sprache zwar gehört, abär nicht verstanden wird. Wenn indess
Z. Secht hätte, so mttssten diese Patienten die Sprache successive
schlechter percipiren im Verlauf ihrer Krankheit, gleichgültig,
ob laut oder gedämpft gesprochen wird; es müsste nämlich —
nach Z. — die laute Sprache die nicht accommodirten Fasern
zu überstarken Schwingungen bringen, welche die Perception
der akustischen Wortbilder besonders leicht zudecken würden.
Dem entgegen zeigt die Erfahrung, dass ein Sklerotiker zwar
geschrieene Worte nicht besser hört, als laut gesprochene, dass
aber bis zu einer gewissen Grenze die Hörfähigkeit um so besser
ist, je lauter gesprochen wird.
Die Bemühungen, gewisse Schwierigkeiten im Yerständniss
der Gehörswahrnehmung, welche die Helmholtz'sche Theorie
nicht hebt, durch Aufstellung neuer Hypothesen aus der Welt
zu schaffen, sind gerechtfertigt und dankenswerth. Wenn aber
eine neue Theorie die alte ablösen soll, so muss sie die dort
herrschenden Unklarheiten beseitigen, ohne dafür neue und
grössere heraufzubeschwören. Zimmermannes Theorie be-
deutet keinen Fortschritt in der Erkenntniss des Höracts.
s.
IX.
Jahresbericht fiber die im Jahr 1900 anf der Ohrenabtheilnng
der kgl. Universit&tspoliklinik in Hflnchen zur Behandlung
gelangten Ohrenkrankheiten.
Erstattet 7011
Prof. Dr. Hangr und Dr. H. Lanbingr^r.
In der Ohrenabtheilang der Egl. Univeraitätspoliklinik ge-
langten, wie in den Vorjahren, nur Ohrenkranke znr Behand-
lung. Von Nasen -Kaehenaffectionen wurden lediglieh die mit
den Ohraffeotionen im innigsten Gonnex stehenden, wie aden.
Yeg. und Tonsillarhypertrophie einer operativen Behandlung
unterzogen. Alle sonstigen Nasen-Baehen-Eehlkopferkranknngen
wurden an die Nasenabtheilung verwiesen.
Auf der Abtheilung waren während des Berichtsjahres fol-
gende Herren als Assistenten, Yolontaire und Goassistenten thätig:
DDr. Laubinger, I. Assistent, Gmeinder und Rensch, Assi-
stenten; Dr. Linder, Dr. v. Sohönebeek, Dr. v. Poschinger,
Dr. Obermeyer, Dr. Herrlen, Dr. Mayer, Dr. Sepulveda,
Dr. Hörn, Dr. Hirt; ferner die Herren Gand. med. Scherer,
Seifhardt, Schmechel, Albreeht, Frauendorfer, Hil-
ler, Heitz, Nidhammer, Pitsch. Allen diesen Herren sei
an dieser Stelle gedankt fßr ihre arbeitsfreudige Thätigkeit.
Die 12 Arbeitsplätze waren, wie immer, so auch im Be-
richtsjahr jederzeit besetzt, so dass bloss sehr frühzeitig erfolgte
Anmeldungen Berücksichtigung finden konnten.
Während die grösseren Operationen (Radicaloperationen
u. s. w.) entweder — zumeist — von mir selbst oder den Herren
Assistenten ausgeführt wurden, wurden alle kleineren Operationen
(Paraeentesen, Polypenextractionen, aden. Vegetationen — , Ton-
sillotomien u. s. w.) ausnahmslos von den verschiedenen Herren der
Abtheilung, auch von Gursisten vorgenommen, so dass jeder län-
gere Zeit auf der Abtheilung arbeitende Herr in die Lage kam,
die einzelnen Operationen genügend oft selbstständig zu wieder-
holen. Auch sonst war an dem sehr reichen Material Gelegen-
heit zur Ausbildung in jeder Beziehung gegeben.
5*
68
IX. HAUG und LAUBINGER
OhrmuBoheL
Eczema aurionUe
Phlegmone
Absoen am Lobolas
Erysipel
Herpes
Congelatio*
Othaematom
Periohondritis aenta
„ ohrosica
Impet^^ contagiosa aurioolae
Lupus Tulgaris
Scropholuderma
Atheroma aaricvlae
„ postaurioalar
Ghondroma
Congenitale Missbildnngen
Fiatala anris congenita
Verletzungen
Meatns.
Geramen obtnrans
Eozeme
YerbrennuDgen des Meatns
Verletzungen
Fissur des Meatus bei Schädelbasisfraotur
Otitis externa diffusa
„ „ luetioa (Papel)
„ „ mycotica
„ „ haemorrhagioa
„ „ granulosa
„ „ circumscripta « .
Coipora aliena
Pruritus
Impetigo
Exostosen
Atresia congenita
„ meatus acquisit
„ cum otitide med. perf. chronica
Papilloma
Trommelfell.
Myringitis acuta
„ haemorrhagioa
„ chronica
Ruptura traumatica . . * •
Sonstige Traumata
Verbrennungen
Paukenhohle.
Otitis media oatarrhalii acuta
„ „ „ subacuta
„ „ „ chronica:
1. Simplex
2. mit Trübungen und Verdickungen .
3. mit Atrophie . . . .
4. mit Verkalkung
Acuter Tubenkatarrh
Beider-
seitig
24
1
l
5
2
2
1
98
14
1
4
1
56
1
3
1
5
50
23
2
2
2
1
1
1
9
l
12
5
6
1
74
24
21
l
1
1
l
1
1
1
2
4
l
1
1
143
12
2
l
47
1
2
3
48
25
2
2
1
2
8
9
4
11
4
1
65
34
16
Summa
2
2
3
1
1
172
11
26
6
4
1
2
39
47
6
11
18
22
21
18
22
33
2
4
1
50
19
114
12
12
6
19
61
2
2
1
l
3
2
1
4
12
2
1
2
1
1
2
1
3
413
37
3
5
1
129
2
10
3
8
104
52
4
5
4
1
3
1
2
19
10
20
16
11
2
189
177
200
29
52
45
74
Jahresbericht d. Ohrenabtheiliuig d. kg). UniTersit&tspolikUnik München. 69
Summa
Chronischer Tnbenkatarrh
Antophonie
Sklerosen (reine)
Otitis media aonta exsudativa
„ „ t» cum perforatione
„ „ „ haemorrhagica
„ „ „ haemorrhagica cum perforatione
„ „ „ perforat. blenorrhoioa
Haematotympanum träum
Acuter Tubentrommelhöhlenkatarrh
Subaouter „
Chronischer „
mit secundärer Retraotion
Residuen von Otitis media perfprat
Otitis media perforat, chronica purulenta
„ ,, „ „ granulosa . . .
„ „ „ „ poljposa . . .
yj j, ,f „ tubercolosa . .
„ „ „ „ mit Perforation
der Membrana flacc.
H „ „ „ mit Senkung der
hinteren und oberen Wand (zum.Theil mit
Cholesteatom)
Mastoiditis acuta
„ chronica
„ fistulosa
„ ausgeheilte
Snbperiostaler Abscess
Cholesteatom (von vom zu erkennende)
Labyrinth (InclusiTe nervOse Krankheiten).
Labyrinthtrauma
Labyrinthlues %
Lues hereditaria tarda
Sonstige Labyrintherkrankungen
Surditas
Surdomutitas
Simulatio surditatis
Nervöse Schwerhörigkeit
» « e typho
„ ,y ex inflnenza
„ „ e graviditate
Bynkusis nerrosa (hysterica)
Snbjeotiye Geräusche (ohne objectiren Befund) .
Meni^re'scher Symptomencomplex
Traumatische Neurose
Neuralgia tympanica
„ mastoidea .
Facialisparese (ex Otitide purulenta)
Otalgia e carie dentium
Berufsschwerhörigkeit
Nasenerkrankungen.
Corpora aliena
Mnsehelhypertrophien
Nasenpolypen
Sonstige Nasenerkrankungen
Adenoide Vegetationen ....
50
l
6
79
149
13
4
2
3
6
17
8
124
174
30
14
4
13
3
15
11
1
9
6
3
2
1
1
3
1
1
2
28
3
3
84
1
7
67
141
7
3
6
36
15
US
143
26
10
5
13
3
17
5
2
11
5
6
2
1
1
5
7
1
2
2
1
1
6
16
1
2
129
1
38
23
57
3
1
1
1
1
15
79
7
78
97
2
1
4
1
1
2
1
10
4
3
4
9
2
1
25
1
1
2
5
2
4
1
1
5
2
2
1
13
142
263
3
51
169
347
23
5
1
3
7
27
132
30
320
414
58
25
13
27
6
32
7
3
22
10
10
14
6
3
7
14
2
2
35
1
1
1
5
8
3
1
15
l
3
49
2
3
6
1
16
142
70
IX. HAU6 und LAUBINGER
Summa
Rachenerkrankungen.
Raohenlues — — 1 1
Pharyngitis granulosa — — 4 4
Tonsillitis — — 16 16
Tonsillarhjpertrophie * 6 4 58 68
Congenitale Missbildung — — 1 1
Varia.
Senile Involution — 3 6 9
Lymphadenitis der Pars mastoidea 8 8 2 18
Vereiterte Lymphdrüse der Pars mastoidea .... 1 3 — 4
Parotitis 1 — — 1
Osteosarkom Ton der rechten Highmorshöhle aus-
gehend 1 — — 1
GeBammtsamme der £[rankheiten 4189.
Operationen.
Furunkelincisionen
Paracentese
Polypeneztraction
Operationen an der Ohrmuschel
Incision einer yereiterten Lymphdrüse unterh.d.Ohrs
Extraction eines Sequesters des Meatus
,y Yon Gehörknöchelchen .........
Wilde'sohe Incision
Radicaloperation*)
Sohwartze*s Operation*) : . . . .
Herausnahme der adenoiden Vegetationen . . . .
Tonsillotomien
'
22
24
—
29
28
—
14
4
9
3
3
1
2
—
5
2
^--
11
5
—
17
11
—
—
128
11
2
26
46
57
24
4
3
3
2
7
16
28
128
39
Altersklassen
Kranke
Männliche Weibliche
«
Summa
0—1 Jahren
2-10 „
11-20 „
21-30 „
31-40 „
41—50 „
51-60 „
61—70 „
über 70 „
77
254
256
444
299
142
95
60
25
51
288
232
256
154
91
63
31
13
128
542
488
700
453
233
158
91
38
Summa
1652
1179
2831
Handwerker u. Gewerbetreibende .
Arbeiter und Tagelöhner
Hausirer und Colporteure
Städtbohe u. staatliche Angestellte
Kinder, Schüler und Studirende .
841
218
4
142
447
Handwerker und Arbeitersfrauen . 217
Fabrikarbeiterinn. u. Tagelöhnerinn. 7 5
Dienstmädchen, Ladnerinnen u. s« w. 167
Frauen von Angestellten 102
Kinder, Schülerinn., weibl. Angest 618
*) Inclasiye der Operation intracrameller Gomplicationen.
Jahresbericht d. Ohrenabtheilang d. kgl. üniTersit&tspoliklinik Manchen. 71
fMünchen 1079
Ober-Bayern 625
Nieder-Bayern 331
Pfalz 25
Ober-Pfalz 166
Mittel-Franken 70
Ober-Franken 39
Unter-Franken 35
^Schwaben . 141
Deutschland ausser Bayern 175
Nicht-Deutsche . 145
Summa 2831
244 Patienten waren nicht wohnhaft in Manchen.
Corpora aliena.
Bleistif tepitze 2, Blatta germanica 4, Cimex lectularius 1, Erbse
1, Filzstück 1, Fliege 1, Grassamen 1, Glasperle 1, Gerstengranne 1,
Haferkorn 1, Haare 1, Johannisbrotkern 2, Enoblaaoh 7, E^ee-
bohne 1, Kohle 1, Kieselsteinohen 8, Motte 1, Modellirwaohs 1,
Naehtfalter 1, Fapierpfropf 2, Badirgummi 1, Blilthe von Salix
oaprea 3, Stoffstück 1, Zündholztheil 1, Wattepfropf 7, cariöse
Zahnkrone 1.
Zwei Corpora aliena mussten in Narkose entfernt werden
(Kaffeebohne und Blüthe von Salix eaprea).
X.
Ueber die durch Tnbercnlose der nächsten Blntsverwandten
geschaffene DisiMsition zn Ohrerkranknngen bei Kindern.
(Auf Grund meiner SchulnnterBUchungen im Kreise Marburg.)
Von
Prof. Ostmann, Marburg a. L.
Im Verlanfe meiner Sebnlnnt^saelinngen im Kreise Mar-
bnrgi) gewann ich mehr und mehr den Eindruck, dass nicht
wenige von den ausserordentlich zahlreichen Ohrenkrankhehen
unter den Volkssohulkindern in einem gewissen Zusammenhang
mit der in Oberhessen gleichfalls ungewöhnlich verbreiteten
Tuberculose stehen dürften.
Ich habe deshalb diesem Funkte meine besondere Aufinerk-
samkeit zugewandt und zunächst flir 1679 schwerhörige Yolks-
schulkinder des Kreises festgestellt, ob bezw. wie viele von ihnen
Familien entstammen, in denen unter den nächsten Blutsver-
wandten der Kinder Todesfälle an Tuberculose vorgekommen
sind. Als nächste Blutsverwandte wurden bezeichnet: Gross-
eltern, Eltern, Onkel, Tanten, Geschwister.
Meine Yermuthung wurde durch das Ergebniss der Sammel-
forschung, bei der ich in dankenswerthester Weise von den Leh-
rern des Kreises unterstützt worden bin, in hohem Maasse ver-
stärkt; denn die Zahl der aus tuberculös belasteten Familien 2)
stammenden schwerhörigen Kinder war eine überraschend grosse,
wenn auch für die einzelnen Ortschaften procentuarisch erheblich
wechselnde.
um nun aber mehr als eine Yermuthung hinsichtlich des
inneren Zusammenhanges zwischen der Tuberculose der nächsten
Blutsverwandten und den Ohrerkrankungen der zugehörigen
1) Dieses Archiv, Bd. 54.
2) Ich hezeichne in dieser Arbeit als tuberculOs belastete Familien
solche, in denen Todesfälle an Tuberculose bei £ltern, Grosseltern, Onkel,
Tanten oder Geschwistern vorgekommen sind.
Die durch Tabercnlose d. Blntsvenrandten geschaffene Disposition a. s. w. 73
Kinder aussprechen zu können^ mnsste die Gegenprobe gemacht
werden, indem festgestellt wurde, wie viele von den normal
hörenden Kindern tuberculös belasteten Familien angehörten. i)
Bei der sehr grossen Zahl dieser — 5395 — musste ich auf
eine Beantwortung dieser Frage f&r alle verzichten; schon aus
dem Grunde^ weil ich nicht erwarten konnte, dass diese erneute,
sehr bedeutende Arbeit von allen Lehrern würde übernommen
werden. Ich habe mich deshalb nur an die Lehrer gewandt,
von denen ich wusste, dass sie ein lebhaftes Interesse an diesen
Untersuchungen gewonnen hatten und zumeist, Dank ihrer lang-
jährigen Thätigkeit in der Ortschaft, mit den persönlichen Ver-
hältnissen der Kinder gut vertraut wären.
Die Erhebungen sind somit auf nachstehende acht, räumlich
zum Theil weit auseinander liegende Landgemeinden: WoUmar,
Weitershausen , Michelbach , Amönau , Bürgein , Niederwetter,
Wenkbach und Roth beschränkt worden ; doch ist meines Erach-
tens trotz dieser nothwendigen Beschränkung eine noch hin-
reichend umfangreiche und dabei möglichst sichere Unterlage ftir
die nachstehenden Ausftlhrungen gewonnen worden.
Die Tabelle I fasst das Ergebniss der Untersuchungen und
Erhebungen ftlr jedes der 8 Dörfer zusammen. (S. Tabelle I S. 74 f.)
In den 8 Landgemeinden wurden 676 Kinder vom 5. bis
13. Lebensjahr untersucht; 162 "= 23,9 Proc. derselben waren
schwerhörig, d. h. hörten auf einem oder beiden Ohren nur auf
etwa ein Drittel der normalen Entfernung oder weniger.
Diese 676 Kinder gehörten 375 Familien an, von denen
251 Familien (Gruppe a)^) nur normalhörende (404) Kinder,
70 « (Gruppe b)^) normalhörende (110) und schwerhörige (82) Kinder,
64 « (Gruppe c)') nur schwerhörige (80) Kinder hatten.
Unter den Familien der einzelnen Gruppen waren tuberculös
belastet :
Ton Gruppe a 69 ^ 25,8 Proc. mit 1 19 normalhörenden Kindern,
« t^ b 33 = 49,5 Proc. mit 54 normalhörenden und 37 schwer«
hörigen Kindern,
« « c 41 -B 73,4 Proc. mit 52 schwerhörigen Kindern.
1) Als weitere Ergänzung habe ich die Fragestellung darauf ausgedehnt,
wie viele schwerhörige Kinder nicht tuberculös belasteten Familien ent-
stammen. Ueber das Ergebniss dieser Untersuchungen wird unter Erweiterung
der hier mitgetheilten an anderer Stelle berichtet werden.
2) Die Bezeichnung als Gruppe a, b, c für die wie oben charakterisirten
Familiengruppen werde ich der Vereinfachung halber im weiteren Verlauf
der Arbeit stets anwenden.
74
X. OSTMANN
EH
1
inenFamilie,
nicht Todes-
Tabercolose
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rankt.
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7a X. OSTMANN
Der Zusammenstellang entnehmen wir als erstes Ergebniss :
Unter denjenigen Familien, welche die relativ
meisten schwerhörigen Kinder haben, findet sich
auch relativ am häufigsten tnberoulöse Belastung
der Kinder.
Diese Thatsache machte es an sieh sehr wahrscheinlich, dass
zwischen der Tuberculose der nächsten Blutsverwandten in auf-
steigender Linie und den Ohrerkrankungen der diesen tuberculös
belasteten Familien angehörenden Kinder ein, wenn auch nur
indirecter ursächlicher Zusammenhang besteht. Ist dies that-
sächlich der Fall, so muss angenommen werden, dass dieser Zu-
sammenhang um so schärfer hervortritt, je näher die an Tuber-
culose verstorbenen Familienmitglieder dem obrenkranken Kinde
verwandtschaftlich standen, d. h. mit andern Worten: es muss
erwartet werden, dass bei Tuberculose der Eltern und Gross-
eltern eine stärkere Disposition der Kinder zu Ohrerkrankungen
im Allgemeinen hervortritt, als bei Tuberculose von Onkel, Tanten
und Geschwistern.
In Tabelle II (S. 77) habe ich nach dieser Richtung hin die Er-
gebnisse der Erhebungen über die tuberculös belasteten Familien
der 8 Ortschaften zusammengestellt, und zwar enthält die Ta-
belle einerseits die 33 tuberculös belasteten Familien der Gruppe b,
andererseits die 41 tuberculös belasteten Familien der Gruppe o.
Zur Erläuterung der Tabelle bemerke ich, dass, sofern meh-
rere Todesfälle an Tuberculose in einer Familie vorgekommen
waren, stets der dem Kinde nächststehende Blutsverwandte fUr
die Einreihung in die Rubriken maassgebend war, so dass z. B.
beim Tode des Vaters und eines Onkels an Tuberculose nur der
Vater in Betracht gezogen wurde u. s. w. (S. Tab. II S. 77.)
Die Tabelle ergiebt:
Todesfälle an Tuberculose in directer, aufsteigender Linie
(Eltern und Grosseltern) waren vorgekommen unter den tuber-
culös belasteten Familien der:
Gruppe b bei 20 -= 60,5 Proc. der 33 Familieo,
c - 30 o« 73,1 - - 41 - .
Die schwerhörigen Kinder der tuberculös belasteten Fami-
lien der Gruppe c sind somit relativ schwerer tuberculös belastet, als
die Kinder der tuberculös belasteten Familien der Gruppe b.
Der relativ schwereren tuberculösen Belastung entspricht
also auch hier wiederum das relativ häufigere Auftreten von Ohren-
krankheiten bei den belasteten Kindern.
Die darch Tuberculose d. Blutsverwandten geschafifene Disposition u. s. ▼. 77
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78 X. OSTMANN
Die Sohlussfolgerung , die wir ans der Annahme eines in-
neren Zusammenhanges zwischen der Tnberculose der nächsten
Blutsverwandten und den Ohrerkranknngen der ihnen zuge-
hörigen Kinder ziehen mussten, hat sich somit durch die That-
Sachen als richtig herausgestellt, wodurch umgekehrt die Rich-
tigkeit der Annahme selbst wesentlich gestützt wird.
Wir können demnach als weiteres Ergebniss feststellen:
Unter den tuberculös belasteten Familien findet
sich bei denjenigen, welche die relativ grösste Zahl
schwerhöriger Kinder haben, auch relativ am häu-
figsten die schwerste Form der tuberculösen Be-
lastung des Kindes.
Wir können den geheimnissvollen Faden zwischen tuber-
culöser Belastung des Kindes und Entstehung von Ohrenkrank-
heiten noch weiter spinnen.
Bei den 89 schwerhörigen Kindern aus tuberculös belasteten
Familien der 8 Ortschaften waren 118 Gehörorgane erkrankt,
und zwar wurde bei:
6 Erkrankung des äusseren Ohres;
49 Einziehung des Trommelfells mit und ohne Verkalkung und Trübung;
19 Trübung, Glanzlosigkeit zumeist mit geringer Einziehung;
1 acute Entzündung;
9 chronische Eiterung;
15 kein krankhafter Trommelfellbefund;
19 Narbe oder umschriebene Atrophie des Trommelfells
festgestellt.
Die Hörprüfung ergab ftr:
39 Gehörorgane eine Hörschärfe v. — 4 m für zugeflüsterte Zahlen v. 1—100
79 - - - - 4— 8 m - - - - 1—100
Stellt man das Frgebniss der Hörprüfung dieser Gehörorgane
dem Gesammtergebniss der Hörprüfungen bei den Schulunter-
suchungen gegenüber, so ergiebt sich:
Bei den Schuluntersuchungen wurden von den insgesammt
untersuchten 15074 Gehörorganen 2922 schwerhörig befunden.
Von diesen 2922 Gehörorganen hörten:
770 = 26,4 Proc. 0—4 m; 2152 — 73,6 Proc. 4-8 m,
Von den IIS Gehörorganen hörten:
39 = 33,0 Proc. 0—4 m; 79 = 67,0 Proc. 4—8 m.
Wenn die Zahlen auch sehr verschieden gross sind, so dürfte
doch auch hier die ungünstigere Stellung der belasteten Kinder
gegenüber dem Durchschnitt aller schwerhörigen Volksschul-
kinder des Kreises nicht auf reiner Zufälligkeit beruhen, um so
mehr als sich des Weiteren zeigen lässt, dass unter den belaste-
Die durch Tabercalose d. Blutsverwandten gescbaffeDe Disposition n. s. ▼. 79
ten Kindern wieder die am schwersten belasteten prooentuarisch
die meisten erheblich schwerhörigen stellen.
Zur Führung dieses Nachweises habe ich ans den 8 Dörfern
die schwerhörigen Kinder aus den tuberculös belasteten Fami-
lien einerseits der Gruppe b, andererseits der Gruppe c nach
dem Orade der Schwerhörigkeit der bei ihnen erkrankten Ge-
hörorgane zusanmiengestellt. Tabelle in bringt die auf die ein-
zelnen Dörfer entfallenden Zahlen.
Tabelle III.
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der 76 Gehörorgane
71 — 69,6^0
der 102 Gehörorgane
Das Ergebniss der Zusammenstellung ist:
die 38 Kinder der Gruppe b hatten 47 erkrankte Gehörorgane — 61,8 Proc.
der 76 unters. Gehörorgane,
die 51 Kinder der Gruppe c hatten 71 erkrankte Gehörorgane — 69,6 Proc.
der 102 unters. Geliörorgane.
Somit weisen die Kinder, welche den erwiesenermaassen durch-
schnittlich stärker tuberculös belasteten Familien der Gruppe c an-
gehören, procentuarisch auch die grössere Zahl von erkrankten Ge-
hörorganen auf; und nicht allein dies, die erkrankten Gehörorgane
zeigen auch relativ häufiger eine erhebliche Hörstörung, denn
▼on 47 erkrankt. Gehörorganen d. Gruppe b hörten 12 b» 25,5 Proc. O— 4 m;
35 =.74,5 Proc. 4— 8m;
-71- - --c- 27 -=38,0 Proc. 0—4 m;
44 — 62,0 Proc. 4—8 m.
Das heisst nichts anderes als:
Die tuberculöse Belastung fördert die Entstehung
und übt einen ungünstigen Einfluss auf den Ablauf
der entstandenen Ohrenkrankheit aus und zwar um
so mehr, je schwerer die Belastung ist«
80 X. OSTMANN
Wenn man bedenkt, dass die Ohrerkranknngen der tnb«-
cnlös belasteten Kinder nicht tuberenlös waren i), und weiter,
dasB aneh die Kinder keine sichtbaren Zeichen von Tnbercalose
boten, so mnss die deutlich zu Tage getretene enge Beziehung
zwischen tuberculöser Belastung und dem gehäuften Auftreten
von Ohrenkrankheiten durch ein von der Tuberculose der näch-
sten Blutsverwandten ausgehendes und bei dem Kinde die Ent-
stehung von Ohrenkrankheiten forderndes Bindeglied erklärt
werden.
Ich finde dieses Bindeglied in der erhöhten Vulnerabilität
der Schleimhäute der oberen Luftwege sowie in der geringeren
Widerstandskraft des Organismus dieser Kinder gegenüber schädi-
genden Einflössen.
Bei den aus tuberoulSs belasteten Familien stammenden Kin-
dern zeigen die Schleimhäute der oberen Luftwege, der Nase,
des Rachens, des Kehlkopfes und der Bronchien sehr häufig
eine auffallende Beizbarkeit, so dass sie einerseits leicht katarr-
halisch erkranken, andererseits, einmal erkrankt, schwerer ab-
heilen. Insbesondere scheint das adenoide Gewebe der Baohen-
schleimhaut zur Hypertrophie und Hyperplasie bei diesen Kindern
geneigt.
Auch bei der Abheilung kleiner operativer Eingriffe in der
Nase — wie galvanokaustische Aetzung der Schleimhaut und
Abtragung störender Schwellungen — ist es mir zu wiederholten
Malen aufgefallen, wie ungleich bezüglich der nachfolgenden Be-
action und Schnelligkeit der endgültigen Abheilung anscheinend
ganz gleichartige Fälle verlaufen, und wenn man dem Grunde
dieser anseheinend unerklärlichen Ungleichheit nachging, zeigte
sich sehr häufig, dass die Kinder mit übermässig starker Beaction
und langsamer Abheilung belastet, und zwar yomehmlich tuber-
eulös belastet waren.
Unter den 89 schwerhörigen Kindern aus tuberenlös belas-
teten Familien unserer 8 Dorfgemeinden waren 22, also V^ aus-
gesprochene Mundathmer und hatten sehr starke Katarrhe der
Nase und des Rachens mit Schwellung des adenoiden Gewebes.
Eine grössere Zahl der übrigen hatte gleichfalls selbst in
den ausnahmsweise schönen Sommermonaten Katarrhe der Nase
und des Rachens, und bei Vielen wurde mir bestätigt, dass sie
zu Zeiten der Steigerung der Katarrhe Mundathmer seien.
1) Nur für die eine oder andere der 9 chronischen Eiterungen könnte
ein Zweifel bestehen.
Die durch Taberculose d. Blutsverwandten geschaffene Disposition u. s. ▼. 81
Wir wissen, dass diese chronischen Katarrhe der Schleim-
häute der oberen Luftwege der Tuberculoseinfection den Boden
bereiten, und da bei den sehr beengten Wohnnngsrerhältnissen
auf dem Lande, dem Schmutz in und ausser dem Hause, dem
oh völlig unhygienischen Verhalten tuberculös erkrankter
Familienmitglieder die Gelegenheit zur Infection für das Kind in
ausgiebigstem Maasse gegeben ist, so kann es nicht Wunder
nehmen, dass die Tuberculose sieh in so erschreckender Weise
von Generation auf Generation fortpflanzt.
Nun sehen wir, dass die Taberculose der nächsten Bluts-
verwandten für das Kind noch andere Folgen hat, die anscheinend
weit vom Gebiet der Taberculose als solchem abliegen.
Das Bindeglied zwischen der Taberculose d^ nftehsten Bluts*
verwandten und der Neigung der tuberculös belasteten Kinder
2Q Erkrankungen des Schallleitungsapparates muss in der er-
höhten Reizbarkeit der Schleimhäute der oberen Luftwege , ins*
besondere der Nase und des Rachens, gesucht werden, und die
weitere Thatsache, dass bei ihnen die Ohrerkrankungen durch-
sehnittlich zu einer erheblicheren Hörstömng führen, als dies
im Allgemeinen bei gleichartigen Erkrankungen der Fall ist, dürfte
sieh nur dadurch erklären lassen, dass ihr Organismus eine
geringere Widerstandskraft gegen schädigende Einflüsse besitzt.
Diese Thatsachen zeigen den richtigen Weg ftlr die Behand-
lung dieser Kinder. Neben der localen Behandlung der Ohr-
erkrankung ist Gesundung und Verminderung der Vulnerabilität
der Schleimhaut der oberen Luftwege neben allgemeiner
Kräftigung des Organismus durch zweckentsprechende Er-
nährung, körperliche Uebung, Land- und Seeaufenthalt wie
andere zweckentsprechende Maassnahmen, unter denen eine
milde Hydrotherapie wohl in Betracht zu ziehen sein würde,
anzustreben. Die Kinder für längere Zeit dem elterlichen Hause
and damit der unmittelbaren Gefahr der Tuberculoseinfection
2u entziehen, wird wohl für die Meisten ein unerf&Ubarer
Wunsch bleiben.
Archiv f. Ohrenheilkimde. LV. Bd.
X!.
Beitrag zur pathologischen Anatomie der GehSrknSchelchen-
kette.
Von
Dr. TIctor Hammerschlaur^
myatdocenten ffir OhrenheUknnde (Wien).
(Mit Tafel lY.)
I. Synostose des Hammer-Ambossgelenkes.
Den pathologisehen Befhnd, über den ich hier berichten will,
habe ieh gelegentlieh meiner Operationsübnngen gemacht ; dem-
selben entspricht demgemäss anch kein intra vitam aufge-
nommener Fnnetionsbefiind. Es handelte sich um die Leiche
eines etwa 35 Jahre alten Mannes, dessen linkes Mittelohr voll-
ständig intact war. Bei der Untersnchnng des rechten Ohres
ging bei der Entfernung des Hammers der Amboss mit und
erwies sich mit dem ersteren fest verbunden. Die Schleimhaut
des Mittelohres war sonst allenthalben vollkommen normal. Das
Amboss- Stapesgelenk löste sich leicht, und auch der Stapes liess
sich mühelos und vollkommen intact aus dem ovalen Fenster
auslösen. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Hammer-
Ambosses zeigte es sich, dass das Hammer- Ambossgelenk an
einer Stelle aufgehoben war (Fig. 1). An dieser Stelle sieht
man eine Enochenbrücke, die an verschiedenen Präparaten der
Serie verschieden breit ist und stellenweise deutliche Havers'sche
Kanäle zeigt, welche Knochenbrttcke die beiden Gehörknöchel-
chen mit einander verbindet. Im Uebrigen ist die Gelenkhöhle
an einzelnen Stellen noch vollkommen erhalten und der Gelenk-
knorpel grösstentheils deutlich wahrnehmbar.
Eine derartige knöcherne Ankylose des Hammer-Amboss-
gelenkes gehört nach Pause (Die Schwerhörigkeit durch Starr-
heit der Paukenfenster, Jena 1897, und Encyklopädie der Ohren-
heilkunde, Leipzig 1900, Capitel Gehörknöohelchen-Erkrankun-
gen, I. Ankylose, S. 141) zu den selteneren Vorkommnissen. Unter
174 Fällen von Starrheit der Paukenhöhlenfenster konnte Pause
nur neun Mal Steifigkeit des Hammer-Ambossgelenkes notirt
finden, und auch in diesen 9 Fällen ist es ziemlich zweifelhaft^
ob es sich wirklich um Synostosen oder nur um syndesmotische
Ankylosen gehandelt haben mag.
Zwei dieser Fälle rühren von Toynbee her und betrefifen
Beitrag zar pathologischen Anatomie der GehörknOchelchenkette. 83
die Nummern 575 und 591/92 des Toynbee'schen Eataloges.
Diesen beiden Fällen entspricht kein mikroskopischer Befund.
Zwei Fälle wurden von Lucae beschrieben (Virchow's
Archiv, XXIX, 1864). Hier scheint der Autor selbst nur eine
Syndesmose des Gelenkes angenommen zu haben, da er glaubt,
„dass die Steifigkeit durch chronische Entzündung und all-
mähliche Verdichtung der Schleimhaut der Trommelhöhle be-
wirkt war**.
Ein Fall wird von Politzer (Archiv für Ohrenheilkunde,
L, S. 351) kurz erwähnt, und zwar spricht der Autor an dieser
Stelle einfach von Ankylose sämmtlicher Knöchelchen, ohne
genauere Angaben beizuftigen.
Die weiteren Fälle beziehen sich auf: einen Fall von
Sohwartze (Archiv fftr Ohrenheilkunde, V. S. 261) und drei
Fälle von Moos (Zeitschrift fllr OhrenheilkuDde, VIL, 1878,
S. 245 und Zeitschrift für Ohrenheilkunde, IIL S. 92).
In einem 10. Falle, der von Pause selbst herrührt, ergab
die histologische Untersuchung nur bindegewebige Verwachsungen
zwischen Hammer und Amboss und eine theilweise erhaltene
Gelenkhöhle. 1)
Die Frage nach der vermuthlichen Hörstörung, die durch
eine isolirte Ankylose des Hammer- Ambossgelenkes gesetzt wird,
lässt sieh vermuthungsweise dahin beantworten (Pause), dass eine
auf das Hammer-Ambossgelenk beschränkte Rigidität wohl nur
eine geringfügige Herabsetzung des Hörvermögens bedingen mag.
Denn wir wissen aus der Physiologie des Schallleitungsapparates,
dass die beiden grossen Gehörknöchelchen bei der Scballfort-
leitnng immer nur als Ganzes schwingen.
Ob in unserem Falle der geschilderte Befund als Residuum
einer vorausgegangenen Entzündung aufzufassen ist, lässt sich
nicht mit Sicherheit entscheiden. Die Schleimhaut der Trom-
1) Hinsichtlich der Häufigkeit der Hammer-Ambossankylose müssen
wir, besonders nach den Erfahrungen der letzten Jahre, *^die Angabe Panse's
corrigiren, insofern die Synostose der Ossicula sich als eine relaliv häufige
Folgeerscheinung der Garles der beiden äusseren Gehörknöchelchen darstellt.
Schwartze (A. f. 0. Bd. 41, S. 205) hebt die „relative Häufigkeit
knöcherner Ankylose des Hammer- Ambossgelenkes bei sonst oft
weit Torgeschrittener cariöser Zerstörung an beiden Knochen^*
heiTor, und Ferreri (Annal. des maladies de Toreille, du larynx. etc. 1899.
Ref. dieses Archiv Bd. 50, S. 138) macht die Garies der Qelenkflächen für die
sp&tere Entwicklung von Ankylosen verantwortlich.
6*
84 XI. HAMMERSCHLAG
melhoble war, wie erwähnt, überall frei von Entz&ndangspro-
doeten. Man rnttaete also annehmen, dasB in unserem Falle
irgend einmal eine isolirte Erkrankung des betreffenden Ge-
lenkes stattgefunden hätte, oder eine Entzündung, welche bloss
in dem erwähnten Gelenke Residuen zurüokliess.
m
IL Bildungsanomalie des Steigbügels.
Auoh in diesem Falle handelt es sich um einen zuf&lligen
Leichenbefund. Er betraf ein zwerghaft gewachsenes, etwa 20
Jahre altes Mädchen, das, wie ich nachträglich aus der zuge-
hörigen Krankengeschichte ersah, an einer internen Abtheilung
des allgemeinen Krankenhauses mit multipler tuberculöser Garies
in Behandlung gestanden und an Erschöpfung zu Grunde ge-
gangen war. Die Leiche bot deutliche Anzeichen der cretinoiden
Degeneration dar, und auch zu Lebzeiten hatte die Patientin in
mancher Hinsicht den Eindruck eines Cretins gemacht. Es war
schwierig, sich mit ihr zu verständigen; denn einerseits war
ihr Sprachverständniss sehr mangelhaft, andererseits ihre eigene
Sprache sehr arm und undeutlich gewesen. Die Patientin hatte
den Anschein einer, wenn auch nicht tauben, so doch schwer-
hörigen Person gehabt: eine dahin gerichtete Untersuchung der
Gehörorgane intra vitam hatte allerdings nicht stattgefanden.
Das rechte Mittelohr der betreffenden Leiche war vollständig
normal. Auf der linken Seite war die Trommelhöhle und ebenso
der Attic und das Antrum in sämmtlichen Dimensionen ver-
kleinert. Die Dura d6s Schläfenlappens stand abnorm tief, und
dementsprechend war die obere knöcherne Gehörgangswand viel
dünner als normal. Das ovale Fenster war durch den horizon-
talen Abschnitt des Nervus facialis vollständig überdeckt. Bei
der Entfernung des Hammers löste sich der Stapes leicht aus
dem ovalen Fenster und blieb mit dem Hammer fest verbunden.
Diese Verbindung war, wie ich gleich bemerken will, nicht
knöchern, sondern nur starr bindegewebig. Der Amboss und
der Hammer waren nach Form und Grösse normal. Der Stapes
zeigte nun, wie aus Fig. 2 und 3 ersichtlich, eine Missbildung.
Die beiden Stapesschenkel bilden grösstentheils nur eine einzige,
ziemlich dicke, knöcherne Spange; dieselbe ist in Fig. 2 im
Profil, in Fig. 3 en face dargestellt. Erst von dem der Stapes-
platte zugewendeten Dritttheile an zeigt sich eine mangelhafte
Difierenzirung in zwei Schenkel, welche aber miteinander durch
ein ganz dünnes Knochenblatt verbunden sind, so dass ein freier
Archiv f. Ohrenheilkunde LV. Bd.
Beitrag zar pathologischen Anatomie der GehörknOchelchenkette. 85
Zwischenraum zwischen den beiden Schenkeln nicht existirt.
Die Stapesplatte selbst ist auf etwa den dritten Theil der nor-
malen Grösse reducirt, nnd entsprechend ist auch das ovale
Fenster in allen Dimensionen kleiner als in der Norm. Im
Uebrigen ist das Mittelohr intact und speciell frei von ßesidnen
einer etwaigen vorausgegangenen Entzündung. Die mikrosko-
pische Untersuchung des linken, der erkrankten Seite ange-
hörigen Felsenbeines ergab keinen verwerthbaren Befund. Der
Zeitraum vom Tode der Patientin bis zur Entnahme des Präpa-
rates war ein zu langer gewesen, so dass sich die Schnitte zur Fest-
stellung etwaiger histologisch-pathologisoher Details nicht eigneten.
Bildungsanomalien des Steigbügels gehören gerade nicht zu
den Seltenheiten. So hat Bürkner (Bericht über die Y. Ver-
sammlung der deutschen otologischen Gesellschaft, Archiv für'
Ohrenheilkunde, XLL, 1896) einen derartigen Fall besehrieben,
in dem der Steigbügel missgebildet und fest im ovalen Fenster
haftend gefunden wurde. Tomka (Areh. fQr Ohrenheilkunde,
XXXVIIL, 1895) berichtet über zwei Fälle von Entwieklungs-
störungen am Steigbügel und bringt an dieser Stelle auch einen
Theil der einschlägigen Literatur. Missbildungen des Stapes
worden neben Bildungshemmungen des Labyrinthes bei con-
genitaler Taubstummheit beschrieben von Maokeprang
und Ibsen, Hyrtl, Mansfeld und Römer (citirt bei
H. Mygind, Die angeborene Taubstummheit, Berlin 1890).
Ich möchte meine Ausftlhrungen mit dem Hinweise darauf
sehliessen, dass eine systematische, pathologisch- anatomische
üntersnehung der Gehörorgane cretinoid entarteter Individuen
wohl häufig Bildungshemmungen am Schallleitungsapparat, sowie
am Labyrinthe zu Tage fördern würde. Es wäre daran zu er-
innern, dass die endemische Taubstummheit einen integrirenden
Bestandtheil der cretinoiden Degeneration bildet (Bi reher:
Der endemische Kropf und seine Beziehungen zur Taubstumm-
heit und zum Cretinismus, Basel 1883), und dass die meisten
Cretinen mehr oder minder hochgradige Hörstörungen aufweisen,
die aller Wahrscheinlichkeit nach auf Bildungshemmungen des
Gehörorgans zurückzuführen sind.
Eine genaue Kenntniss des Gehörorgans der Cretinen wäre
sonach geeignet, auch unsere Kenntnisse über die pathologische
Anatomie der sogenannten congenitalen Taubstummheit zu be-
reichern.
Xll.
Ein Fall von Carotisblntnng.
Von
Dr. Heermutn, Essen-Ruhr.
Der folgende Fall dürfte dadarch einiges Interesse bean-
spruchen, weil bei ihm zum ersten Male der Versuch gemacht
wurde, durch die Totalauftneisselung der Blutung beizukommen.
Christine Neu, 3Vs Jahre alt, wurde mir von ihrer Mutter am
28. Januar 1901 zugeführt. Anamnese ergiebt, dass die Patientin bis zu ihrer
vor 8 Wochen begonnenen Scharlacherkrankung stets sesund gewesen ist. In
den ersten Tagen der Erkrankung stellte sich eine linksseitige Mittelohreite-
rung und einige Tage später eine L&hmung der linken Gesichtshälfte ein.
Die Absonderung aus dem linken Ohr war sehr reichlich ; seit einigen Tagen
wiederholte heftige Blutung.
Status: Sehr an&misches Mädchen, fieberfrei; vollständige Lähmung
der linken Gesichtshälfte. Rechtes Ohr zeigt normalen Befund. Linker Ge-
hörgang enthält schmutzig-graue, fötide Massen. Nach Ausspritzen des Ge-
hörganges profuse, arterielle Blutung, die auf feste Gehörgangstamponade
stand. Denselben Abend nahm ich im Krupp'schen Krankenbaus nach Unter-
bindung der Carotis communis die Freilegung der Mittelohrräume vor, mit
Fortnahme der oberen .und hinteren Gehörgangswand; Caries der inneren
Faukenhöhlenwand : am Boden der Paukenhöhle ein dreieckiger, sehr scharf-
kantiger Sequester, der sich mit Pincette entfernen lässt. Der knöcherne
Boden der Paukenhöhle fehlt; hier Granulationen und Eiter. Während nun
ein assistirender College mit Tampon zur sofortigen Blutstillung sich bereit
hält, kratze ich mit dem scharfen Löffel den Boden der Paukenhöhle gründ-
lich aus. Starke arterielle Blutung, die auf Tamponade steht. Verband.
29. Januar 1901. Patientin ist fast taub — in Folge Labyrinthanämie
des bisher gesunden rechten Ohres. Die sichtbaren Schleimhäute blutleer;
ohne Fieber. In den folgenden Tagen stellt sich sehr grosser Appetit ein:
Kind erholt sich rasch; am dritten Tag nach der Operation ist es munter,
spricht, lacht und spielt in seinem Bettchen. Das Gehör rechts bessert sich
täglich, und am sechsten Tag ist keine Schwerhörigkeit mehr wahrzunehmen.
4. Februar. Erster Verbandwechsel der Paukenhöhle ; keine Blutung. Die
Verbände werden alle in leichter Narkose gewechselt, damit nicht durch
Schreien eine Blutung erregt wird. Verbandwechsel jeden zweiten Tag ; trotz-
dem schwindet der Foetor nicht. Patientin bleibt fieberfrei bis zum 23. Fe-
bruar. Am 12. Februar stellt sich plötzlich Benommenheit, Erbrechen und
Lähmung der rechten oberen und unteren Extremität ein. Des Nachmittags
ist Patientin wieder munter, sitzt in ihrem Bettchen, spielt und spricht. Arm-
ünd Beinlähmung besteht weiter.
16. Februar. Geringe Bewegung im linken Facialisgebiet ; rechtes Bein
wieder gebrauchsfähig.
18. Februar. Entfernung der schwammigen Granulationen aus der Pau-
kenhöhle, keine Blutung.
Ein Fall von Carotisblatang. 87
'20. Febraar. Patientin bewehrt den rechten Arm, vermag mit der Hand
zu greifen; Facialisl&hmung fast beseitigt; Iceiae Kopfschmerzen.
23. Febraar. Abends erste Temperatarsteigerung, 38,2^.
24. Febraar. Morgens Erbrechen. 25. Febraar. Erneutes Erbrechen h&It
den ganzen Tag mit kleinen Unterbrechungen an. Somnolenz. Dieser Zustand
bleibt bis zum Exitus am 1. März nnver&ndert.
KopfsectioD.
Eitrige, nicht fStide Flüssigkeit in der linken hinteren
Sehädelgrnbe. Oonvexität des Gehirns zeigt keine entzündlichen
Veränderungen; an der Gehirnbasis, in der Umgebung der mit
einem missfarbigen Thrombus erfüllten Carotis interna einiger
Belag der Pia, des Pons und des Cerebellum. Der Carotisthrom-
bns erstreckt sich bis zum Oirculus WillisiL Der linke Ventrikel
mit grünlich verfilrbtem, äusserst fStidem Eiter erfüllt ; das linke
Corpus striatum vorgewölbt. Ineision in dieses fährt auf einen
fast wallniissgrosten, mit grünlich verfärbtem, f5tidem Eiter er-
ftlhea, abgekapselten Absoess.
Linkes Felsenbein: Caries der Promontorial wand; Vorhof mit
Granulationen und Eiter erfbUt; Boden der Paukenhöhle fehlt;
hier liegt die Carotis, von schwammigen Granulationen umgeben.
An der der Paukenhöhle zugekehrten Seite eine kleine, fbr eine
Hohlsonde durchgängige Perforation. Carotis im Verlaufe ihres
Kanals von eitrigen Massen umgeben. Die Ca^otiswand verfärbt,
leicht zerreisslich; das Lumen der Carotis von einem eitrig
durchsetzten Thrombus erfüllt.
Die Blutung bei der ersten Untersuchung war eine derartige,
dass ich über die Herkunft nicht in Zweifel sein konnte. Da im
vorliegenden Falle nicht, wie bei den bisher beobachteten,
Tuberculose, sondern die längst abgelaufene Scharlacherkrankung
Ursache der Mittelohreiterung und durch diese die Ursache der
Carotisblutung war, so machte ich noch denselben Abend den
Versuch, durch die Totalaufmeisselung der Mittelohrräume dem
Krankheitsherde beizukommen. Jedoch zeigte der weitere Ver-
lauf, dass es nicht allein genügt, Herr der Blutung zu werden,
sondern dass wir auch die Bedingungen fbr eine solide, nicht
eitrige Thrombosirung der Carotis schaffen müssen. Denn hier
führte der inficirte Carotisthrombus den letalen Ausgang herbei.
Zur Erreichung einer gesunden Thrombosirung hätte man nach
denselben Grundsätzen vorzugehen, wie bei der Erkrankung des
Sinus: Freilegung des erkrankten Blutgefässes. Das ist natür-
lich hier mit kaum überwindbaren Schwierigkeiten verbunden,
88 XIL H££RMANN
da die mit der theilweisen oder ganzen Entfernung des Felsen-
beines nothw endiger Weise verbundene Zerrung der CarotiB leioht
eine erneute Blutung erregen i/vflrde. Immerbin wäre in einem
geeigneten Fall ein vorsiebtiger Versuch zu machen, da eine
eyentuelle Blutung sofort durch Tamponade gestillt werden kann.
Eignen würden sieh natflrlieh nur Fälle mit prognostisch gtln-
stiger Grundkrankheit, bei denen also eine im UelM*igen gesunde
OefiLsiwand anzunehmen ist Es ist nieht einzusehen, was mit
dieser weiteren Freilegung zu erreichen ist in solchen Fällen,
wo eine tubereulöse E«rkrankung der Garotiswand zu Ruptur der-
selben fllhrte.
In allen Fällen von üarotisblutung aber möchte ich die Total-
aufmeisselung empfehlen, und zwar nach voraufgegangener Ca-
rotisunterbindung.
Die Nothwendigkeit dürfte sich ergeben aus der Betrachtung,
dass bei allen Carotisblutungen , so auch bei der yorliegenden,
die Perforation immer an der Umlnegungsstelle des aufsteigen-
den in den horizontalen Garotistheil gelegen ist. Unterbleibt die
Unterbindung, so findet also bei jedem Pulssehlag ein kräftiger
Anprall der Blutwelle gerade gegen diese defecte Stelle statt. Eine
Wiederkehr der Blutung muss also das Natürlichere sein. So
war es denn aueh jn den beiden zuletzt beobachteten Fällen aus
der Ohrenklinik in Halle und Berlin^ trotzdem die OarotisperfO"
ration der directen Tamponade zugänglich war, — die erste Blu-
tung war in beiden Fällen einige Zeit nach Freilegung der
Mittelohrräume aufgetreten. Freilieh erhält der perforirte Ca-
rotisabschnitt, auch nach der Unterbindung, dnrdi ihre Anasto-
mosen mit der Carotis der anderen Seite und der Yertebralis noeh
Blut zugeführt; jedoch wird die Blutsäule jetzt unter einem be-
deutend niedrigeren Druck stehen, so dass eine erfolgreiche Tam-
ponade eher zu erwarten ist Der Billroth 'sehe Fall ist meines
Erachtens nicht gegen eine Carotisunterbindung zu verwerthen,
weil bei ihm das zweite Postulat, die directe Tamponade, fehlte.
Beides muss aber zusammenwirken: Unterbindung und direete
Tamponade.
Der weitere Yerlairf bot nichts Auffallendes. In Folge der
bei der Operation aufgetretenen Blutung musste der Verband
einige Tage liegen bleiben; das war der Bildung eines gesun-
den Thrombus in der Carotis auch nicht förderlich.
Die Embolie am 12. Februar konnte nach der stattgefundenen
Unterbindung überraschen, fand aber bei derSection durch den
Ein Fall ¥on Garotisblatuiig. 89
bis zum Girculns Willisii reichenden Thrombus seine Erklärung.
Da der Embolus als infeetiös anzunehmen war, so war der Abs-
oess die natürliche Folge. Er machte allerdings während des
Lebens keine Erscheinungen. Die plötzliche Verschlimmerung
am 24. Februar ist wohl durch den Durchbrach des Abscesses
in den linken Ventrikel verursacht ; nachdem dieser sich gefüllt
und die Spannungsverhältnisse sieh ausgeglichen hatten, konnte
sieh die Durchbruohsstelle wieder sohliessen, so dass bei der
Seetion eine solche nicht zu finden war.
Die Garotisperforation ist im vorliegenden Fall wohl dadurch
zu Stande gekommen, dass sich ihre Wandung an dem scharf-
kantigen Sequester durchgerieben hat. Dieser Umstand berech-
tigt zu der Annahme, dass eine frühzeitig vorgenommene Total-
aofmeisselung die Blutung verhütet hätte. Die seit 6 — 7 Wochen
bestandene Facialislähmung hätte Veranlassung genug bieten
können, zeitiger ohrenärztliche Hilfe aufzusuchen.
XIII.
Bericht Aber die Verhandlnngen der Beriiner otologischen
Gesellschaft.
Von
Dr. Haike in Berlin.
Sitzung vom 12. November 1901.
Vorsitzeader: Herr Luoae.
Sohriftftlbrer : Herr Sohwabach.
1. Herr Schwabaeb berichtet unter Vorftfaning von Prft-
paraten mittels des Epidiaskops über die üntersnebungen
eines Soblftfenbeines von einem an Miliartnbercalose ver-
storbenen Taubstummen. Die Präparate zeigen als wesent-
liebste patbologisohe Veränderung eine hauptsäcblieh die Basal-
windung der Scbneoke einnehmende Knochen- resp. Bindege-
websneubildung, welche ihre grösste Ausdehnung in der mittleren
Partie der Basalwindung findet. Hier füllt sie den peri- und
endolymphatischen Hohlraum so vollständig aus, dass von den
häutigen Gebilden keine Spur mehr zu erkennen ist. In ge-
ringerer Ausdehnung ist die hintere Partie entsprechend der
Gegend des runden Fensters, wenigstens soweit es sich um
Enochenneubildung handelt, afficirt ; die von der letzteren freien
Stellen sind von neugebildetem Bindegewebe erftillt. Gegen die
vordere Partie der Basalwindung hin nehmen sowohl Enochen-
wie Bindegewebsneubildung an Ausdehnung ab, sind in der
Mittelwindung nur noch spärlich vorhanden und fehlen in der
Spitzenwindung ganz. Hier sind die häutigen Gebilde: Mem-
brana Beissneri, Lamina spiralis membranacea, Ligament, spirale
noch wohl erhalten, während das Gortrsche Organ grobe Ver-
änderungen zeigt, von denen nicht mit Sicherheit zu sagen ist,
ob sie pathologischen Processen oder postmortalen Veränderungen
ihre Entstehung verdanken.
Die Veränderungen am Nervus acusticus und seinen End-
ausbreitungen entsprechen dem obigen Befunde: sie sind am
Bericht über die Yerhandlungen der Berliner otologischen Oesellschaft. 91
stärksten in der Basalwindnng ausgeprägt, während sie in Mittel-
und Spitzenwindung unbedeutend erscheinen resp. ganz fehlen.
Die auffallendsten Veränderungen am Nerven sind: Verringe-
rung resp. Fehlen der Ganglienzellen des Gangl. spirale in den
eoncentrisch verengten, zum Theil mit neugebildetem Binde-
gewebe erfUllten, zum Theil ganz leeren Canalis ganglionaris,
seeundäre Degeneration zahlreicher Nervenfasern im Nervus coch-
learis. Im fi&mus vestibuli dagegen ist nur geringfügige Degene-
ration an Nervenfssern nachzuweisen. Im Vorhof und den halb-
cirkelfDrmigen Kanälen sind die knöchernen Theile normal, die
häutigen zeigen Veränderungen, die d>enso Leichenerscheinungen
wie pathologisch sein können.
Die pathologischen Veränderungen an der Selinecke sind
offenbar Residuen einer Otitis intima, die mit hoher Wahrschein-
liehkeit postfötal, und zwar im Ansehluss an eine Gerebrospinal-
meningitis entstanden sein dürften. Für diese Annahme spricht,
dass gerade in der dem Aquaeductus Cochleae entsprechenden
Partie der Basalwindung die Enochenneubildung sich am meisten
ausgeprägt fand, durch welchen der Process von den Meningen
sich erfahrungsgemäss häufig auf die Schnecke fortsetzt.
Der Nebenbefund einer seit Langem abgelaufenen Mittel-
rohreiterung (Überhäutetes defectes Trommelfell) war ebensowenig
wie die durch recente Tuberculose des Mittelrohres bedingten
Veränderungen mit dem in der Schnecke zum Ablauf gekom-
menen Process in Zusammenhang zu bringen.
Herr Haike bemerkt zu den Ausführungen des Vortragen-
den, dass die erwähnte Annahme von der Möglichkeit einer
intrauterinen Entstehung solcher pathologischen Veränderungen
der Schnecke bisher eines directen Beweises entbehrt habe.
Haike hat einen solchen durch eine soeben beendete Unter-
Buehung erbracht von den Gehörorganen eines Kindes, das im
vierten Lebensjahre verstarb, und dessen Section eine ausge-
dehnte Encephalitis haemorrhagica ergab. Die Vermuthung, dass
durch diese das Gehörorgan in Mitleidenschaft gezogen sein
könnte, veranlasste ihn zu der Untersuchung, welche Blutungen
und Degenerationserscheinungen ergab. Diese könnten nach
Haike 's Ansicht im weiteren Verlauf zu ähnlichen Verände-
rungen, wie sie Schwabach demonstrirt hat, führen, und sie
sind sehr ähnlich den Befunden, die wir bei frischen Erkran-
kungen des Labyrinths, die durch Meningitis oder Encephalitis
hervorgerufen werden, antreffen.
92 XIU. HAIKE
Herr Eats hat die SeUäfenbeine von 6 meist erwachsenen
Personen mit angeblieh angebomer Taubstummheit nntersueht»
Bei diesen fand er theils leichtere, theils schwerere atrophische
Veränderungen des N. Cochleae mit entsprechender Verdünnung
bezw. VerschmUerung der Lamina spiral. ossea, die nach ihm
ftr Congenitalit&t des Processes spricht. In einigen F&Uen fand
er die Paukenköhle, besonders das Ligament, annulare ganz in-
taet bei yorhandenen pathologisch*atrophischen Zuständen am
häutigen Labyrinth. In einem Falle fehlten dabei die Bogen-
gänge, in anderen waren sie von neugebildeter poröser Knochen-
masse erfüllt u. s. w. Katz glaubt, dass es sieh in seinen Fällen
um laugst abgelaufene intrauterine, theils vom Gehirn fortgeleitete
entzflndliche Processe, theils um angeborne Bildungsanomalien
handle. Seine klinischen und anatomischen Beobachtungen fbhren
ihn £U der Ansicht, dass die angeborne Taubstummheit wesent-
lich häufiger ist, als die in den ersten Lebensjahren durch Menin-
gitis resp. Otit. interna oder Paukenhöhlenproeesse erworbene*
Herr Schwab ach (Schlusswort) kann für die Vermuthnng
des Herrn Haike, dass in seinem (Schwabach's) Falle eine
Blutung die Veränderung verursacht haben könnte, keine ge-
nügenden Anhaltspunkte finden. — Bezüglich der von Herrn Eatz
erwähnten Verdünnung der Lamina spiralis ossea betont Schwa-
bach, dass in seinen Präparaten eine solche nicht vorhanden
sei, vielmehr sich als breiter dunkler Streifen erkennen lasse,
der eher auf eine Verdickung derselben schliessen lasse.
2. Herr Haike: Zur Anatomie des Sinus caroticus
und seinen Beziehungen zu Erkrankungen des Ohres.
(Dieser Vortrag erscheint unter den Originalien dieses Archivs.)
Herr Heine schlägt zur Vermeidung einer falschen An-
schauung über die Grösse und Ausdehnung der die Carotis in-
terna umgebenden Venenräume vor, die Bezeichnung Sinus caro-
ticus ganz zu vermeiden und dafür statt Plexus venosus caroticus
ganz kurz Plexus caroticus zu sagen. Denn es handelt sich ja
in Wahrheit nicht um einen Sinus, einen mit Blut gefällten
Hohlraum, der die Carotis umgibt, sondern um ein Geflecht von
einzelnen Venen, von denen jedenfalls nur ausnahmsweise die
eine oder die andere ein etwas grösseres Kaliber hat.
Herr Trautmann berichtet über die von ihm geübte Me-
thode der Injection der Kopfgefässe. Die Leiche wird mehrere
Stunden lang erwärmt. Danach wird die Jugularis interna frei-
gelegt und nach Zerstörung der Venenklappen zur Entfernung^
Bericht über die Verhandlangen der Berliner otologischen Gesellschaft. 93
der Blntcoagula dnrehgespritzt , darauf werden die Oeffnangen
mit Kork yersehlossen. Unterhalb dieser wird der Hahi mit
festem Bindfaden abgesehnürt und nach festem Aasstopfen
des Wirbelkanals mit Wollwatte der Kopf unterhalb der Um*
schnüning abgetrennt. Danach wird noeh einmal mit Salewasser
dnrehgespritzt und die in gew&rmten Spritzen bereit gehaltene
Masse injieirt.
Sitzung vom 10. Deeember 1901.
Vorsitzender: Herr Lucae.
Schriftführer: Herr Jacobson.
1. Herr Sonntag zeigt Schläfenbeine, deren interessante
anatomische Verhältnisse zufällig bei der Präparation entdeckt
wurden. Das erste zeigt bei bis zur Höhe des Meat. acust. int.
heraufreichender Fossa jugularis eine wohl die HäUie der medialen'
Paukenhöhlenwand einnehmende Dehiscenz, sodass die Jugularis,
nur von Pankenhöhlensehleimhaut überzogen, dem Trommelfelle
direet anlag. Bei Druck auf den Bulbus wölbte sich das Trom-
melfell in seinem hinteren Theile deutlieh vor. Bei einer even-
tuellen Paracentese wäre wohl höchst wahrscheinlich eine Ver-
letzung der Vene zu Stande gekommen. Das zweite Präparat
zeigt ähnliche Verhältnisse.
Bei der Präparation des dritten wurde statt des Trommel-
felles eine von einer kleinen Oeffnung durchbohrte knöcherne
Platte gefunden, von welcher EnochenbrUcken zur medialen
Paakenhöhlenwand zogen. Schnecke, Bogengänge und die luft-
haltigen Bäume des Mittelohres zeigten keine Verknöoherung.
Herr Trautmann erinnert daran, dass ähnliche Schläfen-
beine, wie das zuerst von Herrn Sonntag demonstrirte, von seiner
Klinik aus durch Herrn St eng er in der Gesellschaft der Charitö-
Arzte vor einiger Zeit demonstrirt worden sind. Er theilt einen
Fall mit, bei dem gelegentlich einer Paracentese eine starke
Blutung aus dem in die Paukenhöhle hineinragenden Bulbus
der Vena jugularis eintrat, aber durch schnelle Tamponade stand
und so nur geringen Blutverlust — etwa 200 Gramm — verur-
sachte, da die Ursache zur Blutung sogleich erkannt worden
war, während früher von Anderen berichtete Fälle zu sehr schlim-
mem Blutverlust geführt hatten. Trautmann betont, dass die
in vivo am Trommelfell gesehenen Erscheinungen nicht immer
mit Sicherheit die Diagnose auf einen durch Dehiscenz in die
Paukenhöhle hineinragenden Bulbus stellen lassen. Ein solcher
94 XIII. HAIKE
seltener mit Sioherheit geführter Beweis ist bei dem oben er-
wähnten M&dohen, das in seinem siebenten Lebensjahr inoidirt
worden, nnd seit damals in dauernder Beobachtnng geblieben
ist, nur dnrob die gelegentliche Paraoentese nnd ihre Folgen
erbracht worden.
Herr Heine theilt die Beobachtung einer Patientin mit, deren
beide Trommelfelle symmetrisch einen nach oben convexen dunkel-
blauen, vom unteren Eande aufsteigenden Schatten zeigen, den
er f&r den durchschimmernden Bulbus halten möchte; allerdings
fällt das Experiment der Gompression der Jugularis negativ aus.
Herr Jacobson weist darauf hin, dass die von Sonntag
demonstrirten Pr¶te doch recht selten seien, da bisher wohl
erst etwa 6 F&Ue in der Literatur mitgetheilt sind, in welchen
bei der Paracentese der Bulbus venae jugularis verletzt wurde.
2. Herr Tr eitel hielt einen Vortrag über zwei Fälle von
Yerbrtthung des Ohres. Er betonte den Unterschied in der Ent-
stehung und im Verlauf der traumatischen Verletzungen und
der Verbrühung oder Verbrennung. Bei letzterer bewirkte die
Hitze Nekrose des Trommelfelles, welche in den meisten Fällen
zu Eiterung führen; häufig komme es zur Zerstörung des ganzen
Trommelfelles bis auf den Limbus, doch könne die Regeneration
in wenigen Wochen erfolgen. In einigen Fällen von Bezold
ist eine Wiedervergrösserung des Defectes oder ein Wiederauf-
brechen der Narbe erfolgt. Charakteristisch ist ferner die Her-
absetzung des Gehörs in den ersten Tagen nach der Verletzung^
welche bis zu vollkommener Taubheit f&r Sprache führen kann»
Die Hörfähigkeit kann auch nach der Ausheilung herabgesetzt
bleiben. In dem einen Falle des Vortragenden erfolgte die Ver-
brennung durch flüssiges Eisen von etwa 700^. Nach Analogie
des Leidenfrost 'sehen Phänomens nimmt Vortragender eine
Verbrühung durch Dampf an, da nur dieser ins Ohr gelangt
sein kann, kein Metall. Im zweiten Falle entstand die Ver-
brühung durch überhitzten Dampf bei einem Heizer. Im ersten
Fall war das Trommelfell total zerstört und verheilte in zwei
Monaten, im zweiten gesellte sich eine Eiterung im Warzen-
fortsatz hinzu.
Herr Trautmann erinnert an einen von Deutsch publi-
cirten Fall von schwerer Zerstörung des Ohres durch Lange
und theilt selbst einen Fall von Verbrennung des Ohres mit
aussergewöhnlichem Verlaufe mit. Dem Patienten war heisser
Theer über Kopf, Nacken und Arme geflossen und dabei in beide
Bericht über die Yerbandlungen der Berliner otologischen Gesellschaft. 95
Ohren gekommen. Ein Kopfverband, der mehrere Wochen an-
gelegt wurde, liess ihn erst naoh dessen Ablegnng wahrnehmen,
dass beide Ohren eiterten. Während das rechte bald heilte,
nahm auf dem linken die Hörfähigkeit unter Weiterbestehen
der Eiterung ab, und es stellten sich subjeotive Geräusche, an-
dauernde Kopfschmerzen und zeitweilig Schwindelgef&hl ein. In
der Tiefe des Gehörganges war eine granulirende Wundfläche
sichtbar, an deren Stelle bei späterer Vorstellung des Patienten in
der Tiefe von 3 Gentimeter eine zum Theil durchscheinende Mem-
bran entstanden war, die sich bei Eatheterisiren vorwölbt. Da
Kopfschmerzen, Schwindel und subjective Geräusche dauernd
zunahmen, wird die Operation vorgenommen, welche folgendes
ergiebt: Die hintere Gehörgangswand ist durch Caries im oberen
Drittel zerstört. Der Labyrinth wand lag ein dickes, mit der
Pincette abhebbares Polster auf, das sich als eine- Membran, der
Granulationen aufgelagert sind, ergab und sich mikroskopisch
als Cholesteatom erwies. Auf der darunter liegenden Labyrinth-
wand ist die Schleimhaut erhalten. Die Wundheilung ging gut
von statten, das Hörvermögen wurde sehr erheblich gebessert.
Herr Heine* hat eine Verbrennung des Ohres durch Ein-
fliessen von heissem Letternmetall bei einem Buchdrucker be-
obachtet, die zu Mittelohreiterung und Erkrankung des Warzen-
fortsatzes gefbhrt hat, nachdem zuvor zur Entfernung eines Me-
tallstfickes, das zum Theil im Gehörgange, zum Theil in der
Pauke gelegen hatte, Ablösung der Ohrmuschel und theilweise
Freilegung des Kuppelraumes hat vorgenommen werden müssen.
Herr Schwabach hat vor mehreren Jahren einen Fall ge-
sehen, bei dem eine Verbrennung des Trommelfelles durch den
elektrischen Funken, und zwar in Folge von Eurzschluss zu
Stande gekommen war. Sohwabach sah den Kranken erst
mehrere Tage nach dem Unfall und constatirte einen nahezu
vollständigen Defect des Trommelfelles. Nur der vordere obere
Theil desselben mit dem Hammergriff war erhalten. In der
Paukenhöhle geringe Mengen eitrigen Secrets. Patient gab an,
dass er unmittelbar nach dem Unfall neben intensivem Schmerz
Sausen im Ohr bekommen habe; später habe er gemerkt, dass
er schlecht hörte. Die Eiterung wurde durch die Behandlung
beseitigt, eine Regeneration des Trommelfells trat nicht ein.
Genaue Angaben über den Grad der Hörstörnng kann S c h w a-
baeh aus der Erinnerung nicht machen.
XIV.
Besprechungen.
1.
J. Hegener; Theoretisohe und experimentelle Unter-
«nohnngen der Massagewirkung auf den Schalllei-
tnngsapparat. Habilitationsschrift 1901. 58 Seiten.
Besproohea von
Prof. Ostmann, Marburg.
Motto: „ünier Lebensnerv ist die voraoBietziuigs-
iose FonBhimff, diejenige Fonehnng, die
nioht das findet, was sie naoh Zweek-
enrlgimna und BüokiiohtBatoeii fiadsn
soll nnd finden m&chte, was andwen ansser-
halb der Wlssensohaft liegenden praktfsohisn
Zielen dient , eondem was lonsch. und hi-
■totlsöh dem gewissoihaften J'oraeh.er als
das Richtige erscheint, in ein Wort zn-
satninengelint: die Wahrhaftigheit"
Mom msen.
Wenn man die Arbeit von Hege ner zum ersten Male über-
liest, so ist man frappirt von der Sicherheit, mit der He gen er
«eine Ansichten vorträgt und die anderer Untersucher ver-
dammt; wenn man sie zum zweiten Male aufmerksam liest und
durch Nachlesen einiger angezogener Stellen der Berechtigung
seiner Behauptungen auf den Grund geht, so ist man betroffen
von der Leichtfertigkeit vieler seiner Behauptungen; wenn
man sich dann Zeit und Mühe nicht verdriessen lässt, der Ar-
1)eit ein noch längeres Studium zu widmen, so legt man die Ar-
beit mit Bedauern aus der Hand.
So ist es mir gegangen, und so dürfte es Jedem gehen, der
ein gleich sorgfältiges Studium auf dieselbe verwendet.
Wie kommt es nun, dass man, je tiefer man in diese Arbeit
eindringt, zu einer immer geringeren Werthschätzung derselben
gelangt, ja zu einem Missvergnügen, welches eine tagelange Be-
schäftigung mit derselben in hohem Maasse erschwert?
Das Missvergnügen entspringt aus dem immer klarer her-
vortretenden Widerspruch zwischen der Werthschätzung, die He-
gen er sich selbst und seiner Arbeit angedeihen lässt, und der-
jenigen gegenüber den Arbeiten Anderer, die er in flüchtigster
Weise liest; dadurch dann zu falschen Annahmen und falschen
XIY. Besprechungen. 97
Schlussfolgerungen geftthrt wird, welche er mit der ihm eigenea
Sicherheit widerlegt, nnd so zu einer ebenso nngaehgemässen
wie unbedingten Verurtheilung dieser Arbeiten geführt wird.
Die Werthschätzung wird weiter dadurch immer mehr her-
abgedrückt, je klarer man den Widerspruch zwischen der „un-
bedingten*' und „enormen" Sicherheit der Vortragsweise Hege-
ner's und der bisher von ihm erworbenen, thatsächliehen
Befähigung zur saehgemässen Beurtheilung und Abwägung ohren-
ärztlicher Fragen erkennt ; und die Werthschätzung wird weiter
sehliesslich dadurch beschränkt, dass man bei eingehendem Stu-
dium der Arbeit erkennt, wie wenig er noch im Sinne des der
Arbeit vorangestellten Sprüchleins geistig frei ist. Opportunis-
mus soll und darf man in der reinen Wissenschaft nicht kennen.
Das, was die Arbeit beim ersten Ueberlesen weit über ihren
wahren Werth schätzen lässt, ist, dass sie, wie nicht verkannt
werden soll, gute physikalische Kenntnisse und auch eine nicht
unerhebliche Geschicklichkeit in der Anstellung physikalisch-
physiologischer Experimente verräth.
Im Grunde bedaure ich es, nochmals in Sachen der Vibra-
tionsmassage auf dem Kampfplatz erscheinen zu müssen; denn
nach den in den letzten 2V2 Jahren gesammelten Erfahrungen
hatte ich beschlossen, aus Selbstachtung vor der Hand von einer
weiteren Bearbeitung einschlägiger Fragen Abstand zu nehmen.
Ich habe deshalb auch auf die höchst anfechtbaren Arbeiten von
Lueae im „Laryngoskope" und in diesem Archiv nichts er-
widert.
Nun wirft aber die Habilitationsschrift von Hegener der-
artig mit Steinen des Anstosses um sich, dass man die gröbsten
Irrthflmer mit alF ihren irrthümlichen Schlussfolgerungen mit dem
Schein der Berechtigung in die Welt ziehen lassen würde, wenn
man nicht die Steine des Anstosses zu etwas näherer Besichtigung
aufheben und untersuchen würde. Dabei wird es ihnen ergehen
wie dem Stein, den der Geologe zur Prüfung seines Inhaltes und
Gefbges mit dem Hammer zerschlägt; er wirft die meisten Bröckel
fort, nachdem er ihre Werthlosigkeit erkannt hat.
Ich darf mich der kritischen Besprechung und Sichtung ge-
rade dieser Arbeit aber um so weniger entziehen, als dieselbe
in hohem Maasse geeignet ist, durch die verblüffende Sicherheit,
mit der unrichtige Anschauungen vorgetragen werden, Unheil zu
stiften, indem die durchi meine Arbeiten erreichten, praktisch von mir
und Schwabach als brauchbar erprobten Anhaltspunkte für eine
Arebir f. Ohrenhefllnmde. LV. Bd. 7
98 XIV. Besprechanges.
zweekmftssige und ungefährliche Art und Weise der Anwendung
and saehgemässen Umgrenzung der Indieationen der Vibrations-
massage in nnzweckm&asiger, ja gefährlicher Weise zu erweitern
versueht und angerathen wird.
Ich will zunächst den Inhalt der Arbeit, soweit dies im
Rahmen einer Besprechung möglieh ist, kurz wiedergeben, um
dann einzelne Hauptpunkte näher zu sichten.
Abgesehen von einer kurzen Einleitung, gliedert sich die
Arbeit in drei Theile: einen theoretischen, experimentellen und
einen der Wirkung der Drucksonde auf den SchallleitangB-
apparat gewidmeten Theil.
In der Einleitung bezeichnet He gen er als Zweck seiner
Untersuchungen, „die Wirkungsweise der die Luftdrucksohwan-
kungen erzeugenden Instrumente klarzulegen, und dann die Ar-
beitsleistungen derselben am Schallleitungsapparate, untef Weg-
lassung von Fehlerquellen schaffenden Zwischengliedern, durch
directe Beobachtung und Messung festzustellen. Auch die Wir-
kung der unmittelbaren Bewegung der Kette durch die Druck-
sonde wurde auf directem Wege bestimmt*^.
Diesem Programm wird He gen er insoweit nicht gerecht,
als er, abgesehen von theoretischer Berechnung dreier Instru-
mente, allein den Hirschmann'schen Apparat benutzt (S. 19).
Die mit demselben gewonnenen Untersuchungsresultate sind aber
nach Hegener's Anschauung nicht einmal vergleichbar mit
denen, welche man bei Benutzung des sehr gleichartigen Appa-
rates von Reiniger, Gebbert und Schall erhält, wie er
S. 6 in dem an sich unlogisch gefassten dritten Absatz ausfuhrt.
Diese Behauptung ist wieder nur mit Bezug auf die Messung
und Yergleichung der entstehenden Druckschwankungen zutref-
fend. Hinsichtlich dieses Punktes kann aber eine Yergleichung
meiner und Lucae's Arbeiten, deren ünvergleiohbarkeit He-
gener an derselben Stelle eben aus der Benutzung dieser ver-
schiedenen Apparate folgert, gar nicht erfolgen, weil Lucae
überhaupt keine Druokuntersuohungen angestellt hat.
Der Absatz 3 auf S. 6 der Einleitung giebt uns ein weiteres
Beispiel, wie Hegen er durch die ganze Arbeit hindurch die
Arbeiten Anderer in einer Weise benutzt, die an Leichtfertigkeit
nicht leicht übertroffen werden kann, wobei allerdings die ver-
sehiedenen Persönlichkeiten verschieden gut oder schlecht weg-
kommen.
Er behauptet, dass man „in den Abhandlungen Ost mann 's
XIV. Besprechungen. 99
sowohl, wie Lncae's, vollkommen eine genauere Darlegung
der Mechanik der Druokseh wankungen vermisst: die Factoren,
welche die Bewegung erzeugen, sind unbeachtet gelassen, da-
gegen werden ihre Wirkungen auf den Schallleitungsapparat
genau beschrieben^^
Für die Lucae'schen Arbeiten trifft dieses Urtheil zu: Der
ganze 1. Tbeil meiner experimentellen Untersuchungen zur Mas-
sage des Ohres (dieses Archiv. Bd. XLIV. S. 201—237) handelt
von dem, was Hegen er vollkommen in meinen Arbeiten ver-
misst! „Prüfung der zur Massage dienenden Instrumente^ ist seine
üeberschrift.
Wie hat denn Hegen er meine Arbeiten gelesen? Solche
Einblicke sollte er nicht gewähren.
In dem theoretischen Theil, welcher die zu seinem In-
halte nicht passende üeberschrift „Die Bewegung des SchalUei-
tungsapparates durch Luftdruckschwankungen vor dem Trommel-
fell" führt, und von dem man weiter nicht recht weiss, weshalb
er im Gegensatz zu dem experimentellen Theil gerade der theo-
retische heisst, weil in ihm auch experimentirt wird (S. 14), und
von dem es, so gut einzelne Ausführungen sein mögen, doch
schliesslich heisst: „Grau, alter Freund, ist alle Theorie!"; in
diesem theoretischen Theil werden zunächst die bisher gebrauch-
ten Massageapparate nach ihrer Leistungsfähigkeit in 4 Stufen
gegliedert, d. h. es wird ein ganz kurzer geschichtlicher Abriss
der Entwicklung dieser Heilmethode gegeben, wie er ausführ-
licher in meiner Arbeit (1. Theil) zu lesen ist.
Es folgt dann die Besprechung „der Theorie des Entstehens
der Luftdruckschwankungen, wobei die Annahme Hegener's
dass der äussere Gehörgang dem Druck der massirenden Wellen
gegenüber als starrer Theil zu gelten habe, nur für den knö-
ehernen Abschnitt, aber nicht ftlr den knorplig-membranösen zu-
trifft, wie man sich vielfach überzeugen kann.
Es wird dann im Einzelnen die Arbeitsleistung des Kolbens
besprochen und hier des Näheren auf die Bewegungsform des
Kolbens, auf den Einfluss seiner Anfangsstellung, auf die Volum-
änderung des Gesammthohlraums, auf die Bedeutung der Un-
dichtigkeit des Hohlraumes auf die Arbeitsleistung des Kolbens
sowie auf diejenige der Ausdehnung des Gummischlauches auf
die erzielte Druckhöhe, sowie endlich auf die der Stellung (I) der
Hubhöhe auf die Arbeitsleistung des Kolbens eingegangen. Es
100 Xiy. BesprechuDgen.
folgen Auseinandersetzungen ttber die Bestimmung der Grösse
der Drucksehwankungen, Begulirung ihrer Höhe durch Verände-
rung des Hohlraumvolumens , ttber die Arbeitsleistung der Luft-
drucksehwankungen am Trommelfell und schliesslich über dea
Einflnss der Trommelfellbewegungen auf die Ossicula.
Diese theoretischen Erörterungen sind an sich gewiss daii-
kenswerth; aber sie gehen, wie dies He gen er mit Recht selbst
hervorhebt, von Annahmen aus — völlige Luftdichtigkeit der
Massageapparate -^^ welche bei den dem praktischen Gebrauch
dienenden Apparaten nicht zutreffen; sie sind deshalb auch in
praktischer Hinsicht belanglos. Praktisch wichtig ist allein, dass
^bei irgend welcher Undichtigkeit des Hohlraums, auch wenn
sie noch so klein ist, es nicht möglich ist, einen bestimmten
Typus der Druckschwankungen durch bestimmte Anfangsstellung
der Kurbel zu erzielen, vielmehr müssen über kurz oder lang
positive und negative Phase gleich werden^. Und weiter ist
praktisch wichtig die von mir experimentell gefundene und von
He gen er ursächlich erklärte Thatsache, dass ebenfalls in Folge
der unvermeidbaren Undichtigkeit der Apparate, bei gleichblei-
bender Hubhöhe der Druck mit wachsender Zahl der Luftstösse
in der Zeiteinheit wächst; denn mit diesem Factum haben wir
bei der praktischen Anwendung zu rechnen.
Hinsichtlich der bei verschiedenen Hubhöhen des Kolbens
ausgelösten Druckhöhen kommt He gen er zu dem Schlass, dass
sich „theoretisch eine genaue Bestimmung der thatsächlich er-
reichten Druckhöhen nicht geben lässt*' (S. 20). Wir sind auf
die Messung angewiesen; die thatsächlich gemessenen Werthe,
die zudem in He gener 's Curve offenbar nicht richtig eingetra-
gen sind, weil die Druck werthe bei Steigerung der Hubhöhe
nicht gleichmässig, sondern sprungweise wachsen, wie dies auch
meine Messungen zeigen, diese thatsächlich gemessenen Werthe
bleiben namentlich bezüglich der positiven Schwankung erheb-
lich hinter den berechneten zurück. Eine praktische Bedeutung
kommt aber auch diesen von Heg euer gemessenen Werthen
nicht zu, weil sie unter Verhältnissen gemessen wurden, wie sie
bei Anwendung der Massage nicht bestehen. Bei so unsicheren
Werthen dürfte es sich für den praktischen Gebrauch des Mas-
sageapparates gewiss nicht empfehlen, wie He gen er dazu ge-
neigt ist, zu schliessen: das menschliche Trommelfell kann so
und so viel aushalten, darum können wir bis zu dieser oder
jener thatsächlich beim praktischen Gebrauch iganz unzulässigen
XIV. BesprechuDgen. 101
Hubhöhe vorgehen; sondern bei der Verschiedenartigkeit der
zum praktischen Gebrauch bestimmten Instrumente und unter
Berücksichtigung der Thatsache, dass die auch durch Messung
geAindenen Druckwerthe nur Annäherungswerthe sind, muss für
den praktischen Gebrauch die praktische Erfahrung in erster
Linie entscheiden, und diese hat bisher jedem Einsichtigen ge-
zeigt, dass es sich nicht empfiehlt, über Druckhöhen hinaus zu
gehen, wie sie durch eine Verschiebung \ des Kolbens von 2 mm
bei circa 600 — 1 000 Umdrehungen in der Minute erzeugt werden.
Der von He gen er selbst auf Grund seiner theoretischen
Ausführungen gegebene praktische Rath zeigt deutlich, wie wenig
bedeutsam diese Ausführungen praktisch sind. Er beschränkt
sieh auf die Empfehlung, „zur Massage sich stets eines Schlauches
von gleichem Volumen, Elasticität und Länge zu bedienen, wenn
man annähernd dieselben Druckhöhen unter sonst gleichen Um-
ständen erreichen will^ ; ein _Rath , den aus sehr einfachen
Gründen wohl Jeder befolgt; nur ändert sich leider die Elasti-
cität der Schläuche sehr bald.
Ob dem Regulator, welchen Hegen er in die Schlauchlei-
tung einschalten will, um bei gleichbleibender Hubhöhe des
Kolbens „durch willkürliche bestimmte Aenderung des Ge-
sammthohlraumvolumens eine Regulirung der Höhe der Druck-
schwankungen herbeizuführen*', sich praktisch brauchbar erweist,
muss die Erfahrung lehren. Man dürfte vor den gefährlichsten
Zwischenfällen nicht gesichert sein, wenn man z. B., wie Heg euer
seiner Darlegung zu Grunde legt, mit 12, bezw. 14 mm Hub-
höhe massirt und nun versuchen wollte, durch allmähliches Ein-
oder Ausziehen des Regulatorkolbens den Gesammthohlraum so
zu vermindern, dass die für den therapeutischen Erfolg wün-
sehenswerthe Druckhöhe herauskommt.
Es wäre noch mancherlei im Anschluss an die Erörterungen
des 1. Theiles zu erwähnen; indess muss ich bei der Fülle von
Erörterungen, die der 2, Theil herausfordert, darauf verzichten.
Dieser 2., experimentelle Theil zerfällt in 2 Unterabthei-
lungen:
1. Messung der entstehenden Druckschwankungen;
2. Untersuchung der Wirkung der Luftdruckschwankungen
auf den Schallleitungsapparat.
In dem ersten Abschnitt werden zunächst meine Messungen
der Druckschwankungen einer Kritik unterzogen, die von völlig
missverstandener Versuchsanordnung ausgehend, so unsachgemäss
102 XIY. BetprechuDgen.
wie nur möglich ist. loh werde anf diese Punkte später zu-
rttckkommen.
Sodann wird die Zuverlftssigkeit der Angaben des Knndt-
schen Manometers geprüft und in dem Capitel über Messung der
UmdrehungsEahl der Motoraehse auch das Ergebniss der Druek-
messungen mitgetheilt. Es folgt die Darlegung, wie Hegener
eine ausschliesslieh negative Drncksehwankung erzielt.
In dem 2. Unterabschnitt beschreibt Hegener seine völlig
untrüglichen Beobachtungen, die er bei der Massage mittelst
des Mikroskops an den Gehörknöchelchen angestellt hat; ver-
dammt die graphische Methode in Grund und Boden und bringt
seines Erachtens den Beweis, „dass die Sonde vollkommen andere
Bewegungen aufzeichnet, als sie der Hammerkopf, auf dem sie
befestigt ist, ausführt^.
„Sie ist daher unbedingt zu verwerfen; die von Ost mann
auf (!) der Form der Curven gezogenen Schlüsse haben keine
Gültigkeit, und die von Lueae gegebene Erklärung, dass es
sich um Nachschwingungen handle, ist durch die directe Be-
obachtung bewiesen.^ Punctum; nun wissen wir wenigstens,
woran wir sind; aber ich darf vielleicht in bescheidenster Weise
anfragen, wo Hegener denn gelesen hat, das Lucae die Eigen-
art meiner Curven mit Nachschwingungen erklärt? Die unregel-
mässigen Schwingungen am unteren Ende einiger seiner Curven
erklärt er damit, und ich will Hegener auch verrathen, wes-
halb mit Recht; Lucae benützt eine aus einer Nähnadel, einer
Glasröhre und einer Feder zusammengesetzte Schreibfeder (!)
und steckt sie, um die Bewegungen des Hammerkopfes zu be-
stimmen, in das Hammer- Ambossgelenk (!). Meine solide und relativ
kurze Glassonde sitzt unverrückbar auf dem Hammerkopf. Ich darf
vielleicht weiter Hegener fragen, wo er denn den directen Beweis
erbracht hat, dass meine solide Glassonde ganz wo anders herum-
spaziert ist als der Hammerkopf, auf den sie festgekittet war?
Sie hat sehr langsam geschwungen, und dabei beschreibt sie,
wie er selbst beweist, ruhige Pendelbewegungen. Er sa^:
durch meine negative Beobachtung bei der stroboskopischen Be-
trachtung des schwingenden Hammerkopfes.
Ist denn aber eine negative Beobachtung seinerseits, zumal
wenn diese negative Beobachtung durch eine offenbar falsche
Vorstellung von der Schwingungsphase des Hammerkopfes bei
Ueberdehnung der Trommelfellfasern bei den an und fllr sich
XIV. BeiprechttDgen. 103
sehon bestehenden, ansserordentliehen Schwierigkeiten direoter
Beobachtung fast mit zwingender Nothwendigkeit herbeigef&hrt
werden muss, vielleicht ein directer Beweis gegen die Auslegung
der Bedeutung einer meiner Curven, wenn diese Auslegung durch
eine Zahl gewichtiger Gründe gestützt wird? Ich glaube^
He gen er wird mit einer derartigen Beweisführung bei Ein-
sichtigen nicht viel Vertrauen einflössen.
Ich komme auf diese Punkte bei Besprechung einzelner
Sonderfragen, die ihm gewiss besonders interessant sein werden,
noch zurück.
Es wird dann im weiteren Verlauf der Arbeit die Exour-
sionsgrösse des Hammerkopfes, die Messung derStapesexcursionen,
die stroboskopische Beobachtung der Bewegungserscheinungen
besprochen und unter letzterer Rubrik werden auch die Ergeb-
nisse der Arbeit nochmals kurz zusammengefasst.
Die Arbeit beschliessen Ausführungen über die Wirkung der
Drucksonde auf den Schallleitungsapparat.
Ich reihe dieser Inhaltsangabe die Besprechung einzelner
wichtiger, in der Arbeit discutirter Fragen an, weil wir hier-
durch am besten die praktischen Ergebnisse der Arbeit und den
G^eist, in dem sie geschrieben ist, kennen lernen werden.
1. Welche praktischen Vorschläge machtHegener
bezüglich der Anwendung der Vibrationsmassage
auf Grund seiner Untersuchungen?
2. Was ist von dem von Hegener angeblich ge-
brachten directen Beweis, dass eine Ueberdehnung
der Trommelfellfasern bei der Vibrationsmassage
nicht zu Stande komme, zu halten?
3. Wie benützt Hegener die Arbeiten Anderer?
1. Welche praktischen Vorschläge machtHegener
bezüglich der Anwendung der Vibrationsmassage
auf Grund seiner Untersuchungen?
Hegener theilt in der Einleitung mit, dass er durch zahl-
reiche Beobachtungen, die er an dem poliklinischen Material
der Heidelberger Ohrenklinik machte, zu seinen Untersuchungen
veranlasst worden sei. „Es fand sich nämlich, dass, obschon
mit demselben Apparat, wie Ostmann ihn benützte, gearbeitet
wurde, ich ohne Schaden viel höhere Druckschwankungen bei
intactem (!) Schallleitungsapparat anwenden konnte, als dies
Ost mann physiologisch für zulässig erklärt hatte. Dies liess
sich eigentlich nur dadurch erklären, dass die Versuchsanordnung
104 Xiy. Besprechungen.
Ostmann 's keine exaoten Besnltate geliefert hatte, nnd daBS
in Folge dessen die auf diesem unsicheren Fundament aufge-
bauten theoretisohen Schlüsse nicht richtig waren/
Was Hegen er unter den Worten „ohne Schaden*' ver-
steht, erfahren wir aus No. 8 seiner Schlussfolgerungen. Es
heisst da: ,,Da bei nur negativer Druckphase die Gefahr für
das Gehörorgan nur in dem Entstehen von kleinen Blutergüssen
in Trommelfell und Paukenschleimhaut liegt und diese, nach
den in der Literatur vorliegenden Beobachtungen relativ sehr
selten sind (mir ist bei vielen Hunderten von Fällen nie etwas
derartiges vorgekommen) und keinen grösseren Schaden anrichten,
so wird man unter fortwährendem Beobachten des Trommelfells
während der Massage stärkere Druckschwankungen auf das
Trommelfell wirken lassen können. Die Ostmann'schen Thier-
versuche brauchen uns nicht abzuschrecken, sie sind bis auf
einen bei Hunden angestellt. Hunde scheinen aber ein leicht
lädirbares Gehörorgan zu haben. Schmiedekam und Hensen
haben wenigstens gefunden, dass ein Hundetrommelfell bei 68 om
Hg zerreisst, ein menschliches Trommelfell jedoch 143 cm Hg
aushält. Die von Ost mann benutzte Katze kam dagegen ohne
schwerere Schädigungen davon.^
Auch in die therapeutischen Ziele, die Heg euer mit der
Vibrationsmassage verfolgt, lässt er uns einen dankenswerthen
Einblick thun, wenn er schreibt:
;, Will man den therapeutischen Werth der Massage aus-
nutzen, so muss man ev. auch zu grösseren Druckschwankungen
greifen. Ein retrahirter Tensor tympani bedarf zu seiner Mobi-
lisirung erheblicher Zugkräfte, und die störende Wirkung von
Bindegewebssträngen kann nur durch Ueberdehnung derselben
über ihre Elasticitätsgrenze hinaus beseitigt werden. Schliess-
lich wird das Entstehen energischer intratympanaler Druok-
schwankungen nur durch die Anwendung stärkerer Druckschwan-
kungen vor dem Trommelfell zu erzielen sein." He gener fügt
hinzu, „dass jedoch die Anwendung derartig energischer Mittel
nur dem vollkommen mit den Krankheiten des Gehörorgans ver-
trauten Arzt gestattet ist." Ich meinerseits glaube, dass ein
mit den Krankheiten des Gehörorgans vollkommen vertrauter
Arzt weder bei intactem Schallleitungsapparat massirt, noch
ernstlich auf den Gedanken kommen wird, einen retrahirten
Hammer mit der Vibrationsmassage herunterziehen zu. wollen,
noch der Ansicht sich wird anschliessen können, dass eine massen-
XIV. Besprechungen. 105
hafte Durchsetzung, insbesondere der Pankensohleimhaut, nnr
mit Blutextravasaten — siehe meine Sectionsberiehte — nicht
weiter zu beachten ist, weil sie keinen grösseren Schaden an-
richten.
Dies ist das praktische Ergebniss der Arbeit, welches sich
dem erfahrenen Leser gegenüber von selbst richtet. Ich brauchte
deshalb auch kaum noch Gründe für dieses ürtheil anzugeben,
wenn es nicht auch zahlreiche Leser gäbe, welchen der Ueber-
blick zur eigenen sachgemässen Beurtheilung der Unrichtigkeit,
ja Oefährlichkeit der Heg euer 'sehen Vorschläge fehlte. Für
diese sei Folgendes hinzugefllgt.
He gen er hat „durch zahlreiche Beobachtungen^ festge-
stellt, dass er „ohne Schaden viel höhere Drucksoh wankungen
bei intactem ScbalUeitungsapparat anwenden konnte^, als ich
f&r zulässig erklärt habe.
Ich habe erklärt, dass bei der therapeutischen Anwendung
der Yibrationsmassage die Excursion des Kolbens nicht mehr als
2 mm betragen darf, weil sonst ganz unzulässige Druckhöhen
erreicht werden. Bei meinen Untersuchungen an Kranken habe
ich, wie dies im 3. Theil meiner Arbeit erwähnt ist, auch ver-
einzelt bei langsamem Gang des Apparates Hubhöhen bis 4 mm
angewandt; eine derartige Massage aber wieder verlassen, weil
sie unzweckmässig erscheint. Ein Jeder, der den Kitzel ver-
spüren sollte, weiter im Sinne Hegener's zu probiren, der
massire mit den „viel höheren Druckschwankungen^ als 2 und
4 mm Hubhöhe seinen eigenen „ intacten SchalUeitungsapparat^.
Er dürfte dann jeden derartigen Versuch, insbesondere an Kranken,
bei denen die Vibrationsmassage ihrem Wesen nach durchaus
eontraindicirt ist, unterlassen, und anders über Hegener's
„ohne Schaden" denken. Therapeutisch verwendet Hegener
die viel höheren Druckschwankungen, um den retrahirten Tensor
tympani, also doch den retrahirten Hammergriff, zu mobilisiren
und die störende Wirkung von Bindegewebssträngen zu be-
seitigen.
Um sinngemäss zu handeln, müsste man bei einem solchen
Beginnen zuvor wissen, welche Bedeutung der Retraction des
Tensor, welche wir doch allein durch die Verlagerung — Ein-
ziehung — des Hammergriffs diagnosticiren, für die Schädigung
der Eörfunction im Einzelfall zukommt. Ich selbst, wie alle
sachgemäss Urtheilenden vermögen dies nicht zu bestimmen,
weil genau das gleiche Trommelfellbild der pathologischen Ein-
106 XIV. Besprechangen.
Ziehung sich in Hunderten von Fällen, insbesondere bei Kindern,
mit einer kaum nach weisbaren Hörstörung verknüpft, in anderea
hundert F&llen wieder bei hochgradiger Hörstömng besteht.
Man hat deshalb im Einzelfall keinen sicheren Anhaltspunkt,
zu entscheiden, ob bezw. in wie weit die Hörstörung durch die
Betraotion des Tensor bezw. Hammers bedingt ist, und vermag
deshalb auch nicht abzuschätzen, welchen Nutzen man durch
eine ev. Reposition erzielen wQrde. Alle Ueberlegungen lassen
es aber höchst wahrscheinlich erscheinen, dass, wenn eine solche
dauernde Reposition des Hammers überhaupt möglich wäre, man
dadurch keine Besserung, sondern eher Verschlechterung der
Hörschärfe erzielen würde; das Hammer- Ambossgelenk würde
gewaltsam gelockert, nnd der Amboss in Folge der eigenartigen
Einrichtung des Hammer-Ambossgelenkes den) Hammer nicht
nachfolgen.
Den retrahirten Tensor tympani, dessen Retraction, um es
behufs Vermeidung von Missverständnissen nochmals hervorza-
heben, wir doch allein durch die Verlagerung — Einziehung —
des Hammergriffs diagnosticiren, durch die Vibrationsmassage
mobilisiren zu wollen, ist aber auf Grund noch anderer
Ueberlegung unzweckmässig. Vor Anstellung dieser Ueber-
legung muss man zunächst fragen, was Heg euer darunter ver-
steht, einen Muskel zu „mobilisiren^. Man kann ein Grelenk
mobilisiren, d. h. beweglich machen; einen retrahirten Tensor
beweglich zu machen, ist ein unklarer Ausdruck, der offenbar
einer unklaren Vorstellung entspringt. Ich kann mir nur denken,
dass der Sinn des Ausdruckes sein soll, den Tensor zu dehnen,
was man unter der wohl kaum zutreffenden Annahme, dass die
Einziehung des Hammers allein auf der Retraction des Tensor
beruht, also erkennen würde an der Verminderung der patholo-
gischen Wölbung des Trommelfells.
Nun stelle man sich vor, welch' eine Gewalt man mittelst
der Vibrationsmassage auf die Trommelfellfasern ausüben mflsste,
um einen so überaus kräftigen Muskel wie den Tensor, dessen
Sehnenscheide durch entzündliche Veränderungen wohl zumeist
noch verdickt ist, dauernd zu dehnen. Dabei ist das Trommel-
fell bei länger bestehender Einziehung zumeist noch verdünnt.
Der Erfolg einer solchen mit abnorm hohen Druckschwankungen
ausgeführten Vibrationsmassage würde allein der sein, dass der
Hammer liegen bleibt, wo er liegt, die Hörschärfe aber durch
eine übermässige Dehnung der Fasern des Trommelfells höchst
Xiy. Besprechungen. 107
wahrscheinlich verschlechtert wird, und der Patient zahlreiche
höchst unerquickliche und keineswegs ungefährliche Stunden
erlebt hat.
Ich gebe He gen er den wohlgemeinten Bath, in Zukunft
seine zahlreichen Beobachtungen an Privatpatienten vornehmen
zu wollen; er wird dann mit Recht bald weniger Beobachtungen
zu machen Gelegenheit haben.
Mit dieser Art der Vibrationsmassage ist es also nichts, und
68 sei an dieser Stelle davor gewarnt, derartigen Bathschlftgen
zu folgen.
Meine und Schwabach 's Untersuchungen an Kranken,
welcher die von mir empfohlene Methode der Yibrationsmassage
anwandte, haben den Beweis erbracht, dass diese Methode den-
jenigen Nutzen zeitigt, welcher von der Yibrationsmassage über^
haupt zu erwarten ist.
2. Was ist von dem von Hegener angeblich ge-
brachten directen Beweis, dass eine Ueberdehnung
der Trommelfellfasern bei der Vibrationsmassage
nicht zu Stande kommt, zu halten?
Hegener sagt: Alle hervorragenden Beobachter haben „fbr
ihre fundamentalen Untersuchungen über die Bewegung des Schall-
leitungsapparates bei Erregung durch Schallwellen von grossen
Amplituden die Sonde vollkommen verworfen^. Selbstverständ-
lich ich auch. Lucae hat zwar auch die Sonde benutzt; aber
er hat auch erkannt, dass sie Nachschwingungen macht; ich,
Hegener, habe ausserdem nicht gesehen, dass der Hammerkopf
sich so bewegt, wie Ostmann 's Sonde geschrieben hat; ergo
sind Ost man n's Curven total falsch, alle aus ihnen gezogenen
Schlussfolgerungen durchaus zu verwerfen; denn ich, Hegener,
habe bewiesen, dass Ostmann 's „Sonde vollkommen andere
Bewegungen aufzeichnet, als sie der Hammerkopf, auf dem sie
befestigt ist, ausführt^.
Von dieser FtLlle der Argumente ist man zunächst ganz be-
täubt; sehen wir sie uns ein wenig näher an.
Mit grossen Herren „zu spazieren, ist ehrenvoll und bringt
Grewinn^ ; doch muss man nicht mit ihnen gehen, wenn man einen
anderen Weg gehen kann.
Sie haben die Bewegung des Schallleitungsapparats bei Ein-
wirkung von Schallwellen untersucht, also unter Bedingungen,
die ungleich viel schnellere und kleinere Bewegungen der Knö-
chelchen bedingten, als die bei meinen Versuchen durch Vibra-
108 Xiy. BesprechaDgen.
tionsmasBEge hervorgerufenen (4 — 5 Schwingungen in der Se-
eunde) waren. Bei sehr schnellen Bewegungen bildet die Sonde
Knoten, wie He gen er gesehen hat; bei langsamen dagegen
nicht; sondern sie fahrt gleich massige, hebelartige Bewegungen
aus. Deshalb kann man das verwerfende ürtheil nicht ohne
Weiteres auf meine Untersuchungen ausdehnen.
Noch viel weniger aber lassen die Untersuchungsergebnisse
Lucae's und seine Erklärung einen Rückschluss auf meine
Untersuchungen zu.
Sein Prachtstück von SchreibhebeP), mit welchem die
Bewegungen aufgeschrieben wurden, war circa 9 cm lang und
setzte sich zusammen aus einer „ganz fein ausgezogenen Glas-
röhre**, einer daran befestigten „feinen Spitze einer Gänsefeder-
fahne** und einer „in die Glasrohre eingeschobenen feinen Näh-
nadel**, und diese Mustersonde wurde dann, um die Bewegungen
der Knöchelchen aufzuschreiben, in das Hammer- Ambossgelenk (!)
gesteckt. In anderen Versuchen wurde der noch zweitheilige
Schreibhebel unter Fortlassung der Nadel auf den Amboss auf-
gekittet.
Wenn nun He gen er sich die Curven auf S. 5, Fig. 1 und 2
der Lucae 'sehen Arbeit vergleichsweise angesehen hätte, so
hätte er sofort erkannt, worauf Lucae überdies noch hinweist,
dass die Nachschwingungen sich wesentlich bei den Curven be-
merklich machen, welche mit dem dreitheiligen Schreibhebel
vom Hammer- Ambossgelenk geschrieben sind ; sehr viel weniger
schon, an einzelnen Stellen kaum merklich, beim Schreiben mit
der zweitheiligen, circa 9 cm langen Sonde direct vom Amboss.
Ich habe nun mit einer 5 cm langen, soliden, eintheiligen
Glassonde gearbeitet und habe sie unter allen Cautelen den
Knöchelchen aufgekittet.
Hat Heg euer unter diesen Verhältnissen irgend ein Recht,
zu behaupten, die Lucae 'sehen Curven mit ihren Erklärungen
könnten irgend einen Beweis erbringen, dass meine Curven nicht
im Geringsten die eigentlichen Bewegungen des Hammerkopfes
anzeigten, und jede an ihre Bewegungsform anknüpfende Er-
klärung total verkehrt sei.
Es wäre gewiss sehr erfreulich und fÜrHegener auch er-
spriesslich gewesen, wenn er sich vor Niederschrift seiner ful-
1) Kritisches und Neues zur Vibrationsmassage des Gehörorgans. Dieses
Archiv Bd. LI, Seite 2.
XIV. Besprechungen. 109
minanten Beweise solche Unterschiede mit ihren Consequenzen
klar gemacht hätte.
Soweit die angeblichen Beweise, die er aus den Unter-
suchungen Anderer gegen die Beweiskraft meiner Untersuohun*
gen herleitet.
Nnn sein eigener negativer Beweis; ein negativer Beweis
hat an sich schon eine sehr geringe Beweiskraft, besonders aber
in diesem Falle gar keine.
He gener beobachtete die Schwingungen des Hammerkopfes
während der Vibrationsmassage stroboskopisch. ,,Die strobosko-
pische Beobachtung des Hammerkopfes während der Daner der
Schreibarbeit der Sonde ergab auch bei grösseren Kolbenhüben
keinerlei Anhalt für die Annahme, dass der Hammerkopf nach
Erreichung der weitesten Aussenstellung in Folge von Ueber-
dehnnng der Radiusfasern wieder kurz einwärts ging und erst
beim Nachlass der zu hohen Spannung wieder die
Endlage nach aussen hin erreichte.^
Ich bin in berechtigtem Zweifel, ob Hegener überhaupt
eine richtige Vorstellung von der Schwingungsphase des Hammer-
kopfes bei Ueberdehnung der Trommelfellfasern hat; aber ganz
klar ist, dass er nach ihr unter Bedingungen — nämlich bei
grösseren Kolbenhüben — gesucht hat, wo eine Ueber-
dehnung überhaupt nicht vorkommt. Wodurch dies ge-
schieht, darüber kann sich Hegener ja ,noch nachträglich in
meinen Arbeiten in diesem Archiv ,und auch in meiner Arbeit
im Archiv für Anatomie und Physiologie orientiren.
Schon bei 3 mm Kolbenhub verschwindet sie fast vollstän-
dig, wie dies Hegener ebenfalls aus meinen Arbeiten hätte
lernen können.
Nehme ich nun aber selbst an, er hätte auch mit 2 mm
Kolbenverschiebung massirt; was will dann sein negativer Be-
weis besagen?
Die durch Ueberdehnung der Fasern dem Hammerkopf mit-
getheilte Bewegung ist nach innen gerichtet; an sie schliesst
sich, durch einen unmessbar kurzen Zeitraum getrennt, fast un-
mittelbar die gleich gerichtete Bewegung des medianwärts
schwingenden Hammerkopfes an. Zwischen diesen beiden gleich
gerichteten Bewegungen, die in unmessbar kurzer Zeit aufein-
ander folgen, schwingt der medianwärts gedrängte Hammerkopf
in die der Streckung der Trommelfellfasern entsprechende Aussen-
stellung zurück ; aber diese Bewegung ist, wie auch meine Cur-
110 XIV. Betpreebmigeii.
Ten zeigen, noeh sehr viel kleiner als die dnreh Deberdehnnng
der Fasern medianwftrts geriehtete Bewegung; nnd zwar ist sie
deshalb kleiner, weil die Stosswirknng nnd Gesohwindigkeit der
Lnftwelle in letzterem Falle fehlt oder kleiner ist Es wird
also niemals ein Znrfloksehwingen des Hammerkopfcs
aber den Anfangspunkt der medianwftrts geriohteteii
Bewegung, sondern im günstigsten Falle ein nnend-
lieh knrzes Anhalten oder anseheinendes Erzittern
des Hammerkopfes zn sehen sein.
Hegener hat eine ganz falsehe Yorstellnng von der Be-
wegnngsphase nnd den Bedingungen, unter denen die üeberdeh-
nnng auftritt, und deshalb hat er nichts gesehen, wenn fiberhanpt
etwas zu sehen ist
Der angebliehe negative Beweis von Hegener ist
demnach kein Beweis, nnd deshalb bleibt bis auf
Weiteres die Erkl&rung meiner Gnrven mit der dar-
aus gezogenen Sehlnssfolgerung von der Ueberdeh-
nung der Trommelfellfasern zu Recht bestehen.
Nun noch ein Wort von den angeblichen Naohschwingnngen
meiner Gnrven.
Nachschwingnngen eines Sehreibhebels werden um so schär-
fer nnd ausgiebiger hervortreten, je grösser die Kraft ist, mit
der derselbe bewegt wird.
Wenn nun Hegener meine Gnrven vergleichsweise ansieht
(Gurve 1 A, S. 44, nnd Gnrven 3 bis 7 auf S. 51 nnd 52 Bd. XLV
dieses Archivs), so wird er zu seinem Erstannen wahrnehmen,
dass die angeblichen Eigenschwingungen der Sonde bei relativ
schwach bewegtem Hammer fehlen, dann bei 2 mm Eolben-
verschiebnng auftreten und nun, je grösser die Hubhöhe wird,
immer mehr und schliesslich ganz verschwinden.
Dieses Verhalten der Gnrven zeigt mit voller Deut-
lichkeit, dass es sich nicht um Nachschwingnngen,
sondern um veränderte Scbwingungsphasen des Ham-
merkopfes handelt; wie sie zn erklären sind, kann Hegener
in meiner Arbeit in diesem Archiv und in der im Archiv f&r
Anatomie und Physiologie nachlesen.
Aber es wäre ihm sehr anzurathen, dass er sich mit den
Arbeiten Anderer in Zukunft nicht mehr in so leichtfertiger
Weise beschäftigt, wie dies in seiner Habilitationsschrift leider
geschehen ist. In welchem Maasse dies der Fall ist, soll uns
nun der 3. Abschnitt noch besonders zeigen.
XIY. Besprechungen. 111
3. Wie benutzt Hegener die Arbeiten Anderer?
Einige bedauerliche Einblicke haben wir ja schon gethan.
Ich kann aber mit Leichtigkeit mehr erbringen.
Einzelne Sätze meiner Arbeiten, mit denen Hegener sieh
ja besonders eingehend beschäftigt, werden ans dem Znsammen-
hange herausgerissen; ihnen durch Zusammenstellung mit an-
deren Gedankengängen ein falscher Sinn untergelegt; andere
Sätze wieder als meine Behauptungen mir untergeschoben und
durch Citiren von Seiten noch der Anschein der Berechtigung
solcher unwahren Behauptungen verstärkt, die ich. nie geschrie-
ben habe; trotz klarster Darlegung in meinen Arbeiten werden
Versnchsanordnungen falsch gedeutet, auf diese falsche Deutung
hin dann Schlussfolgerungen gezogen und auf Grund dieser
Schlnssfolgerungen das 'Ergehniss meiner Untersuchungen ad ab-
surdum geführt.
Ich mttsste Bogen fUlen und wichtigeren Dingen Zeit und
Arbeitskraft entziehen, wenn ich durch die ganze Arbeit hin-
durch dies fast an Methode grenzende Verfahren Hegener 's
verfolgen wollte.
Hier nur einzelne krasse Beispiele.
1. Hegener schreibt S. 28 unter Anftihrung von 7 Seiten
meiner Arbeiten: „Es wirkt aber durchaus nicht ein Druck von
0,4 Atm. auf das Trommelfell ein, wie dies Ost mann überall
annimmt.^
Ich fordere Jeden auf, durch Nachlesen der 7 Seiten sich
von der YöUigen Unwahrheit einer solchen Behauptung selbst zu
überzeugen.
2. Hegener untersucht lediglich den Hirse hmann'schen
Apparat ; um meine Druckmessungen mit diesem zu discreditiren,
reisst er unter Anderem Theile eines Satzes meiner Arbeiten her-
aus „unter der allerdings wohl nicht ganz zutreffenden Annahme,
dass die saugende Wirkung stets der Druckwirkung entsprach^,
welcher von der stossenden und saugenden Wirkung des Mundes
etwas aussagt.
3. Hegener behauptet weiter, dass ich „den Druck bei
gleichem Kolbenhübe in einem ganz anderen Hohlraum gemessen
habe, als in dem, womit ich experimentirte^.
Bei einer solchen Behauptung zeigt er aber nur, dass er
sich nicht darüber klar geworden ist, dass die Verbindung des
zweiten Abflnssrohres in gar keiner inneren Beziehung zur Druck-
messung, also zu dem vorzunehmenden Experimente, stand. Die
112 XIV. Besprechungen.
Draekmessangen sind znnftehst ohne jede Beziehnag znr Einwir-
knng der Lnftwellen anf den SohalUeitnngsapparat lediglich nm
ihrer selbst nnd für sieh angestellt, nm eine* Vorstellung zn be-
kommen, womit man denn eigentlich arbeitet.
Es h&tte ihm dies aber sofort klar werden müssen, wenn er
die Arbeit nnr mit einiger Aufmerksamkeit gelesen hätte.
4. Hinsichtlich der Wirkung der Drucksonde auf den Steig-
bflgel behauptet Hegener — S. 57 — weiter: „die von Lucae
mitgetheilten Curven, die bei jedesmaligem Auf- und Absetzen
der Sonde auf den Processus brevis erhalten wurden, geben ein
klares Bild der Ausgiebigkeit der Steigbttgelbewegungen^.
Diese Behauptung ist unwahr; Lucae ^) hat gar keine Gnr-
ven vom Steigbügel aufschreiben lassen, sondern „durch den am
Ambosskörper befestigten Schreibhebel ^.
Die Curve 4 von Lucae giebt aber zudem ein völlig falsches
Bild von der beim praktischen Gebrauch der Drucksonde that-
sftchlich obwaltenden Bewegung des Ambosses, weil kein Mensch
— auch Lucae thut das nicht nach alF seinen Schilderungen,
wie er die Drucksonde am Kranken gebraucht — weil kein Mensch,
sage ich, einen Kranken absatzweise mit 200 gr. Stosswirkung
auf den Proc. brevis massiren wird. Deshalb gelten allein die
unter Fig. 5, den meinigen sehr ähnlichen Curven hinsichtlich
der 2nr Geltung kommenden Wirkung.
Richtig ist allein das, dass bei der Drucksonde die Anfangs-
belastung und die während der Massage fortbestehende Belastung
durch Bänderspannung ganz, die während der Massage auftre-
tende Druckverminderung und Verstärkung dagegen zum Theil
durch weitere Bänderspannung aufgehoben, zum Theil auch zur
Bewegung der Kette benutzt wird, und zwar je nach der Stoss-
richtung der Sonde in wechselndem Yerhältniss, wie ich dies in
meinen Arbeiten dargelegt habe.
Die Leser des Archivs sind nunmehr über den eigentlichen
Werth der Arbeit von Hegener im Allgemeinen orientirt.
Bedauerlich bleibt es, wenn Jemand in seiner Habilitations-
schrift neben gutem Können auf dem einen Gebiet so erhebliche
Lücken auf anderen Gebieten der wissenschaftlichen {Arbeit
1) Dieses Archiv Bd. LI, S. 10 und Bd. XLIV, S. 245 u. f. Bei seinen
«rsten Versuchen, über die Lucae auf meine Anregung nach langen Jahren
aus der Erinnerung berichtet hat, wurde die Bewegung des in das Steigbflgel-
köpfchen gesteckten Fühlhebels nicht aufgeschrieben, sondern direet be-
obachtet.
XIV. Besprechangen. 113
teigt, und namentlieh diejenige Sorgfalt in der Arbeit vermissen
lässt, welche erforderlich ist, um auch der Arbeit Anderer gleich-
massig gerecht zu werden.
2.
Prof. Dr. W. Okada in Tokio: Diagnose und Chirur-
gie des otogenen Eleinhirnabscesses. Klinische Vor-
trftge aus dem Gebiete der Otologie und Pharyngo-Bhinologie.
Herausgegeben von Prof. Dr. Haug-München. Bd. III, Heft 1 0.
BMproohoit yon.
Dr. Iwan Braunstein, Halle.
Die sehr fleissige und für einen Ausländer in klarem Deutsch
geschriebene Abhandlung umfasst folgende Abschnitte: I. Ent-
wicklung der Lehre des otogenen Kleinhimabscesses, II. Kranken-
geschichten, IIL Ursächliche Momente^ welche zur Diagnosestel-
lung einigermaassen nöthig sind, IV. Symptomatologie, V. Diffe-
rentialdiagnose , VI. Zur operativen Behandlung des Kleinhim-
abscesses.
Die Entwicklung der Lehre des otogenen Kleinhimabscesses
theilt Verfasser in drei Perioden ein: Vom 15. Jahrhundert bis
zur Mitte des 19. Jahrhunderts, von der Mitte des 19. Jahr-
hunderts bis zum Ende der achtziger Jahre und von 1890 bis
zur Gegenwart. Diese Eintheilung ist keine gekünstelte, sondern
eine wohlbegrflndete, indem sie sich auf die wichtigsten Fort-
sehritte in der Erkenntniss und Behandlung des Kleinhim-
abscesses gründet.
Die Krankengeschichten betreffen 5 in der Ohrenabtheilung
der Berliner Charitö (Prof. Trautmann) operirte Fälle von
Eleinhirnabscess, von denen zwei geheilt wurden. Im III. Ab-
schnitte bespricht Verf. die statistischen Verhältnisse der Klein*
hirn- und Grosshimabscesse und des Lebensalters der Kranken
mit Kleinhirnabscessen. Er findet, dass Kleinhirnabscesse ebenso
häufig vorkommen wie Grosshimabscesse, und bestreitet die An-
sicht Körner's, wonach die Seltenheit der Kleinhirnabscesse
bei kleinen Kindern typisch sein soll. Bezüglich der Beziehungen
zwischen otitischen Kleinhirnabscessen und dem Gesohlecht der
Kranken kommt der Verf. zu dem Resultat, dass auf 3 männ-
liche Kranke eine weibliche Kranke kommt. Hinsichtlich der
Beziehungen zwischen den Kleinhirnabscessen und den ursäch-
lichen Ohrerkrankungen weicht die Berechnung von den An-
gaben Grunert's, Jansen's, Alport's und Koch 's insofern
Aichiy f. Ohrenheilkande. LV. Bd. 8
114 XIY. Besprecbangen.
ab, als die Statistik des Verfassers 17 <>/o Eleinbirnabscesse naeh
acuter ObrentzUndnng aufweist. In dem Unterabschnitt ,,018-
Position für Kleinhirnabsoesse je nach der Seite des Kleinhirns'^
findet Verf. entgegen der Ansicht Körn er 's den Abscess in der
linken Eleinhirnhemisphftre häufiger als in der ]:eohten, und
er schliesst sich der Annahme Koch 's an, dass die Siehtigkeit
der Körn er' sehen Angaben bezweifelt werden müsse, da
thatsftcblieh Kleinhirnabsoesse nicht nnr auf dem Wege über den
Sinus, sondern auch sehr oft vom Labyrinth aus entstehen.
Den grössten Baum der Arbeit nimmt die Besprechung der
Symptomatologie in Anspruch, und hier verwirft Verf. die
bisherige Eintheilung der Symptome nach v. Bergmann
in 3 oder 4 Gruppen, und empfiehlt folgende Eintheilung:
1. allgemeine Symptome, 2. Symptome am und im Kopfe,
3. Symptome an und in den Augen, 4. Symptome am Gehör-
organ, 5. Symptome an Nerven und Muskeln, 6. Symptome an
den Verdauungsorganen, 7. Symptome an den Bespirations-
Organen, 8. Symptome an den Urogenitalorganen.
Es folgt nun eine sehr grundliche Würdigung des dia-
gnostischen Werthes der einzelnen Symptome, ohne dass sieh
dabei neue Gesichtspunkte ergeben. Wenn (S. 54) Yerf der
Ansicht zu sein scheint, dass kleine Abscesse keine intracra-
niellen Druckerscheinungen verursachen können, so ist dem-
gegenüber zu bemerken, dass diese Eigenschaft doch ebenso sehr
von dem Sitze des Abscesses wie von der Grosse desselben ab-
hängt. (Bef)
Verf. hält es ftir erwiesen, dass in mehr als V» der Klein-
hirnabscesfifälle Veränderungen am Augenhintergrunde vorkom-
men. Unter den von ihm gesammelten 160 Fällen von Klein-
hirnabscessen sind 46, in denen der Augenhintergrund unter-
sucht worden war, und Verf. meint, „wenn man bei den 160
Fällen nicht nur bei der ersten Untersuchung, sondern auch im
ganzen Verlauf von Zeit zu Zeit den Augenhintergrund unter-
sucht hättet, so würde man sicher positive Fälle von Neuritis
optica noch bedeutend mehr gefunden und durch das Vorbanden-
sein derselben einen diagnostisch wichtigen Anhaltspunkt ge-
wonnen haben^.
Hierzu glaubt Bef. aber bemerken zu müssen, dass die An-
gaben über den Augenhintergrund nicht von einem Beobachter,
sondern von vielen herrühren und daher keine grosse Zuver-
lässigkeit besitzen. Daher sind auch die Fälle von Kleinhirn-
Xiy. Begprechangen. 115
abseegsen mit Verftnderungen des Angenhintergrundes nach den
Erfahrungen in der EgL Universitäts-Ohrenklinik zu Halle a. S.
weit weniger zahlreich (». dies. Arohiv Bd. LIII. S. 196 ff.).
In dem 1. Falle von Eleinhirnabseess , dessen Krankenge-
sebichte mitgetheilt wird, wurde wegen Kreuzsehmerzen und
IsehiaB die Lumbalpunction drei Mal ausgeführt, weil man die
Symptome f&r Spinalmeningitis charakteristisch hielt und an-
nahm, dass der Kleinhirnabscess mit Spinalmeningitis complicirt
sei. Es wurde jedesmal 40—50 g klare FltUsigkeit entleert,
die viel Leukocyten, nach den Angaben der Krankenge-
sohiohte sogar mikroskopisch Eiterkörperehen enthielt Der
therapeutische Erfolg war nur ein vorübergehender. Leider ent-
hält der Sectionsberioht keine Angabe, ob eine Spinalmeningitis
tbatsftchlich vorhanden war.
Differentialdiagnostisch ist die Lumbalpunction in keinem
Falle angewandt worden, und der Satz (S. 98) „dass man, um
im Sinne v. Bergmannes den operirten Kranken nicht auf den
Seetionstisch zu bringen, sondern ihn zu retten, möglichst früh-
zeitig stets, selbst in verdächtigen F&Uen, zur Operation schreiten
soll, so lange man noch die allgemeine Leptomeningitis und die
loeale Meningitis mit oder ohne Hirn- resp. Kleinhirnabscess
nicht mit aller Sicherheit klinisch unterscheiden kann^, Iftsst
darauf schliessen, dass Verf. von dem Werthe und der Bedeutung
der Lumbalpunction als diagnostisches Hilfsmittel bei intra-
craniellen Erkrankungen noch keine Kenntniss hatte. (Bef.)
Im VIL Abschnitte werden sämmtliche bisher bekannten
Operationsmethoden mitgetheilt und die topographisch-anato-
mischen Verhältnisse des Operationsfeldes durch drei Zeichnungen
klar gelegt.
Den Schluss der Arbeit bilden vier Tabellen mit den vom
Verf. gesammelten Fällen von Kleinhirnabscessen, in denen mit
oder ohne Erfolg operirt oder der Abscess nicht gefunden wurde.
Jedoch sind die Tabellen unvollständig.
3.
Dr. C. Chauveau: Histoire des maladies du pharynx.
T. I. Paris. J. B. Bailli^re et fils. 1901.
Besprochen von
Dr. Walther Schulze, HaUe.
Der bisher erschienene erste Band des vorwiegend histo-
risches Interesse bietenden Werkes, dessen Autor uns schon durch
8*
116 XIY. Besprechungen.
einen Theil seines umfangreiohen Handbuches über den Pharynx
bekannt ist; umfasst die grieohisoh-römisohe , die byzantinische
und die arabische Periode.
Aus der vorzüglichen Darstellung Ghauveau's geht hervor,
dass die medieinische Wissenschaft des hier behandelten Zeit-
raums über recht mangelhafte Vorstellungen bezüglich der patho-
logisch-anatomischen Vorgänge verfügte, und dass für die oft
sehr dürftigen anatomischen Kenntnisse durch einen nicht zu
leugnenden Beichthum an Phantasie Ersatz geboten wurde. Das
z&he Festhalten an humoralpathologischen Grundsätzen, der
krasseste Aberglaube, gepaart mit speculativer Unwissenheit,
machen sich sowohl durch die falschen pathogenetischen An-
schauungen als auch durch den Wust therapeutischer Thätigkeit
geltend. Glaubt man sich doch beinahe in des Teufels Hexen-
küche versetzt, wenn man liest, dass von den angesehensten
Aerzten allen Ernstes Schwalben-, Hunde- und Einderkoth als
Mittel gegen Angina empfohlen worden sind. Aus der grossen
Anzahl der gegen Ohrgeräusche und Schwerhörigkeit angeführten
Mittel , z. B. Lauch mit Ziegengalle y Zwiebel mit Frauenmiloh
u. s. w. lässt sich wohl sohliessen, dass jene Leiden schon da-
mals eine Crux der Aerzte gebildet haben mögen. Doch haben
einzelne Aerzte in jener Zeit sowohl in der Diagnostik als aueh
auf therapeutischem Gebiete recht Bemerkenswerthes geleistet.
So hat z. B. Celsus zur Eenntniss der Mandelhypertrophie bei-
getragen ; er rieth, die hypertrophischen Tonsillen mit dem Scal-
pell oder mit dem Finger zu entfernen. Galen verdient des-
halb eine besondere Erwähnung, weil er die bis dahin vielfach
zusammengeworfenen Erkrankungen von Kehlkopf und Bachen
trennte und nachwies, dass der Larynx speciell der Phonation
dient. Um die schon seit Hippocrates geübte Behandlung der
Angina mit Gurgelungen hat sich namentlich die Alexandrinische
Schule — dieAegypter waren gute Chemiker — verdient gemacht.
Die Medicin der Araber steht, ohne selbst ganz frei zu sein
von Originalität], doch im Grossen und Ganzen auf dem Boden
der griechisch-römischen und byzantinischen Schulen. Beieh
ausgestattete Bibliotheken, Universitäten und Krankenhäuser
erleichterten die wissenschaftliche Forschukig und den medici-
nischen Unterricht. Der chirurgischen Bichtung in der Behand-
lung der Baohenaflfeotionen scheinen die Araber im Allgemeinen
wenig hold gewesen zu sein.
Von besonderem Werthe sind eine ganze Eeihe ausführlicher
XIV. Besprccbujigen. 117
Citate ans der einßchlägigen Literatur theils in französischer
üebersetzuDg, theils — die Araber betreflFend — in lateinischer
Sprache. Das Werk bietet einen nennenswerthen Beitrag zur
Geschichte der Medicin ; es kann Jedem, der für die historische
Entwickelnng der medicinischen Wissenschaft Interesse hat, zum
Studium empfohlen werden.
4.
Dr.G.Scbmorl: Die pathologisch-histologischen Unter-
such ungsmethoden. Zweite, neu bearbeitete Auflage. Leipzig,
F. C. W. Vogel. 1901. 263 Seiten. Preis 6 Mark.
Besprochen von
Dr. Walther Schulze, Halle a. S.
Die anfänglich als Anhang zu Birch - Hirschfeld's
Lehrbuch der Pathologischen Anatomie verfassten „ünter-
suchungsmethoden^ sind jetzt von Schmorl in Gestalt eines
stattlichen Bandes gesondert herausgegeben worden. Kleine
äussere Mängel, z. B. nicht durchweg richtige Angaben der
Seiten im Register, sind bei einer Neuauflage leicht zu ver-
bessern und können den Werth des Buches keineswegs beein-
trächtigen. Die Darstellung ist präcis und doch in jeder Hin-
sieht klar und übersichtlich. Auch die neuesten Verbesserungen
der Technik haben Berücksichtigung gefunden. Es verdient be-
sonders hervorgehoben zu werden, dass bei der Beschreibung
der einzelnen Technicismen äusserst exacte Vorschriften gegeben
werden, welche auch dem weniger Geübten die Ausführung
anatomischer Arbeiten ermöglichen. Jedem Abschnitt ist ein
vollständiges Literaturverzeichniss beigefügt.
Wenn auch die anatomische Untersuchung speciell des Ge-
hörorgans keine besonders eingehende Bearbeitung erfahren hat,
so dürfte doch Jeder, der nach den klaren Anleitungen SohmorTs
arbeitet, auch hierbei zum gewünschten Ziele kommen.
5.
International Directory of Laryngologists and Oto-
logists. Compiled by Richard Lake. London, Rebman
limited. 1901.
Besprochen von
Dr. Walther Schulze, Halle a. S.
Wenn der Herausgeber im Vorwort sagt: The list is still
far from complete, so müssen wir ihm in diesem Punkte leider
beistimmen. Die Angabe der Namen und Adressen ist theil-
118 XIV. fiespreehungen.
weise recht Iflekenhaft und, soweit controUirbar, keineswegs
immer richtig. Druck and sonstige Ansstattang des handliohea
Bttohelohens sind gut.
6.
G. Alexander: Ueber Entwicklung und Bau der pars
inferior labyrinthi der höheren Sftugethiere. Bin
Beitrag zur Morphologie des Ohrlabyrinths. Denksohr.
d. math.-phys. Klasse d. Kais. Akad. d. Wiss. Bd. LXX. Wien 1900.
BefpitMlien von
Dr. K* Peter, Breslau.
Der Verfasser benutzt fllr seine Untersuchungen ein reich-
haltiges Material von Meerschweinchenembryonen und verfolgt
die Entwicklung vom Embryo von 2,75 mm Länge bis zum Er-
wachsenen. An einer grossen Zahl (19) von Wachsplattenmodel-
len erläutert er den Werdegang der Pars inferior labyrinthi, be-
schränkt sich indes nicht auf dieses Gebiet, sondern berücksichtigt
zugleich die Entstehung des oberen Theils des inneren Ohrs. Er
behandelt sowohl die Formgestaltung, als auch die Gewebsent-
wicklung der einzelnen Theile.
Die inhaltsreiche Arbeit gliedert sich in einen speciellea
Abschnitt, welche die einzelnen Embryonen auf den Bau ihres
Gehörorgans untersucht, und einen vergleichenden Theil, der sach-
gemäss geordnet ist.
Die Formentwieklung der Pars inferior kann in 3 Pe-
rioden geschieden werden.
Die erste reicht bis zum Beginn des Auftretens definitiver
Formen (2,75 mm bis 11 mm Länge).
Zuerst wird die Absehnürung des Ohrgrttbohens zum Ohr-
bläsehen geschildert, welches erst noch durch dlinnen Stiel mit
der Epidermis zusammenhängt. Dieser Stiel lässt, wie Alexan-
der in Uebereinstimmung mit K ei bei betont, den Ductus endo-
lymphaticus hervorgehen. Dies bestätigte später Krause (Auat.
Anz. XIX. 1901) ftlr das Kaninchen; bei Reptilien legt sich da-
gegen der Ductus unabhängig von der Sohlussstelle an.
Der ventrale Pol des Bläschens ist spitzer als der obere, von
welchem der endolymphatische Gang ausgeht, und trennt sich
beim 7,5 mm langen Embryo durch eine seichte Furche als Pars
inferior von der Pars superior ab. Während diese Abgrenzung
schärfer wird, zerfällt der untere Abschnitt (10 mm) in einen
proximalen und einen distalen Theil. Letzterer wächst in die Länge,
XIV. BeBprechuDgeii^. 119
krfimmt sich und bald (11 mm) ist die definitive Gliederung der
Pars inferior in ihre 3 Absehnitte kenntlich: proximal soheidet
sieh durch eine Furche der erweiterte Saeculns ab, eine stumpf-
winkelige Knickung lägst die distale Partie in die Anlage des
Ductus reuniens und den blind endigenden Schneckenkanal
zerfallen. Diese 3 Theile bezeichnet Alexander als Abschnitte
erster Ordnung, welchen als eben solche der Pars superior lab.
die beiden Bogengangsfalten und der Recessus utriculi gegen-
überstehen.
Am Ende der zweiten Periode (Embryonen von 11,5 bis
16,5 mm Länge) sind alle diejenigen Abschnitte in charakteristi-
scher Form erkennbar, die am erwachsenen Labyrinth daselbst
unterschieden werden.
Der Ductus reuniens, die mittlere Portion, wächst in die
Länge und geht in stumpfem, später rechtem Winkel in den
Schneckenkanal ein, an welchem sich jetzt eine Spaltung voll-
zieht in einen distalen sich weiter windenden Körper und einen
stumpfwinkelig gegen denselben abgeknickten Vorhofttheil. In
letzteren mündet der Ductus reuniens. Abschnitte zweiter Ord-
nung der Pars inferior ist allein die Pars vestibularis Cochleae,
während sich gleichzeitig am oberen Theil die drei Bogengänge
mit ihren Ampullen, die Sinus utriculi und der Saccus endolym-
phaticus das erweiterte Ende des Ductus, differenziren.
In der dritten, letzten Entwicklungsperiode verlängern und
krümmen sich Ductus reuniens und Pars vestibularis Cochleae.
Am proximalen Ende der letzteren, jenseits der Einmündung des
Ductus reuniens, legt sich selbständig ein Anfangs scharf be-
grenzter Yorhofsblindsack an (21 mm), der später (34,5 mm) an
Selbständigkeit verliert und nur ein „über die Mündungsstelle
des Ductus renn, hinaus nach hinten innen verlängertes Ende^
des Vorhofstheils der Schnecke darstellt. Dies Caecum vestibu-
läre ist mit dem Caecum cupulare die einzige Neubildung drit-
ter Ordnung.
AI ex an de r's Hauptbefunde sind also: 1. dass an der Pars
inferior labyrinthi drei gleichwerthige Abschnitte unter-
schieden werden müssen: Sacculus, Ductus reuniens und
Canalis Cochleae — der Ductus renn, ist demnach nicht als
ein Theil der Schnecke aufzufassen — , und 2. dass der Yorhofs-
blindsack der Schnecke sich ebenfalls selbständig anlegt, wenn
auch bedeutend stärker.
Fttr die Pars superior labyrinthi betont Alexander, dass
120 XIV. BespreclrangeD.
die gemeinsame Tasche des oberen und hinteren Bogengangs sich
bereits beim Embryo von 10 mm Länge in ihre beiden Theile
abknickt, welche Krause erst beim Sohweinsembryo von 30 mm
Länge getrennt finden konnte.
Genau wird sodann die Gewebsentwieklung in den ein-
zelnen Abschnitten der Pars inferior besprochen. Alexander
hebt auf Grund genauer Messungen hervor, dass das spätere
Sinnesepithel nicht durch Verdickung des noch indifferenten ent-
steht; letzteres behält seine anfängliche Höhe von 27 f^ im Be-
reiche der Maculae durchaus bei, während das niedrige Elpithel
sich durch Verdünnung des indifferenten h;erau8bildet. „Die Ab*
grenzung undFormirung der Nervenendstelletigebiete ist das Er-
gebniss des Auftretens der rein epithelialen dünnen Wandab-
schnitte als Umgebung der dicken.^ Aehnliches konnte Referent
fßr die Entwicklung des Geruehsorgans nachweisen.
Wichtig ist der Befund einer Macula duetus reunientis.
Alexander beschreibt, dass Sacculus und Duct. renn. Anfangs
eine zusammenhängende Macula besitzen, die sich bereits beim
34,5 mm langen Embryo in ihre beiden Theile spaltet. Doch geht
der Sinnesbezirk des Duct. renn, bereits während der Embryonal-
zeit zu Grunde. Der Bau desselben stimmt mit dem der Macula
sacculi ganz überein.
Dagegen entwickelt sich der Vorhofsblindsack rein epithelial
ohne Nervenendstellen. Die Elemente des Corti'schen Organs hören
im ßadiärschnitt der Einmündung des Duct. renn, in den Canalis
Cochleae auf (das Gaeoum vestibuläre ist ja später äusserlich nicht
mehr deutlich abzugrenzen); dort schwinden die Härchen- und
Pfeilerzellen, dort hört auch die Scala tympani auf und wird die
Membrana basilaris durch Fixation auf knöcherner Basis schwin-
gungsunfähig.
In einem kurzen Endabschnitt vergleichend -anatomischer
Natur findet Alexander das Homologon der von ihm aufge-
fundenen Macula duct. renn, in der Papilla lagenae der Fische
und Amphibien, welche sich in gleicher Weise von der Papilla
sacculi sondert, wie es das rudimentäre Gebilde des Meer-
schweinchenohrs thut. Somit ist der Ductus reuniens der Säuger
der Lagena sacculi der Amphibien gleichzusetzen.
An die Papilla lagenae schliesst sich bei letzteren die Pa-
pilla basilaris an. Da sich aber bei Sauropsiden die Lagena
distal von der Papilla basilaris findet, so betrachtet er diese als
ein Gebilde, welches von dem gleiohbenannten der Anamnier
XIY. Besprechungen. 121
yersehiedea ist;' jedenfalls fordern seine Befunde zu einer Nen-
nntersnchnng dieser interessanten Verhältnisse heraus.
Das Caecum vestibuläre dagegen ist nicht als Rest eines
Sinneselemente tragenden Abschnitts anzusehen.
Alexander fand also die Pars inferior labyr. aus drei
gleiehwerthigen Abschnitten aufgebaut (Saoculus, Ductus
reuniens, Canalis Cochleae), welche alle drei wenigstens embryonal
Sinnesbezirke aufweisen.
7.
Hasslauer (Würzburg): Die Bakteriologie der acuten
Mittelohrentzündung (Klinische Vorträge aus dem Gebiete
der Otologie etc. von Hang).
Besprochen von
Dr. Walther Schulze, Halle a. S.
Hasslauer hat die bisher veröffentlichten Untersuchungs-
ergebnisse auf dem Gebiete der Bakteriologie der Otitis media
acuta zusammengestellt und durch eigene Untersuchungen zur
Klärung der Aetiologie jener Erkrankung beizutragen versucht.
Die Leutert'sche Arbeit ist wenigstens, was die Eintheilung
des Stoffes anbelangt, vorbildlich gewesen. Der erste Theil der
Arbeit enthält eine Statistik und Kritik dessen, was bisher über
die Bakteriologie der Mittelohrentzündung bekannt ist. Der
zweite Theil bringt die Resultate der bakteriologischen Unter-
suchungen, welche von Hasslauer selbst angestellt sind. Es
folgt dann ein Abschnitt über den Bakteriengehalt der norma-
len Paukenhöhle des Menschen. Den Schluss bildet ein Lite-
raturverzeichniss.
Wenn Hasslauer auf Grund seiner statistischen Uebersicht
sich zu dem Schlüsse berechtigt glaubt, dass dem Staphylococcus
die Fähigkeit; selbständig eine acute Mittelohreiterung hervorzu-
rufen, nicht abgesprochen werden könne, so sei nur darauf hin-
gewiesen, dass diese Möglichkeit an sich wohl nie in Zweifel
gezogen worden ist. Ferner erscheinen die vom Verfasser an-
gefahrten Gründe keineswegs beweiskräftig, um die L e u t e r t 'sehe
Annahme, „dass es die Secundärinfection mit Staphylokokken ist,
welche die Chronicität einer Ohreiterung bedingt", zu widerlegen.
Die Hasslauer'schen Untersuchungen Hessen zunächst auf-
fallend häufig Diplokokken erkennen, während das Gulturverfah-
ren, bezw. der Thierversuch nur in einem Theil der Fälle die mikro-
skopische Diagnose bestätigte, meist aber nur Staphylokokken
oder Streptokokken gezüchtet wurden. Die Erklärung für diese
eigenthümliche Beobachtung liegt vielleicht in der bisher noch
mangelhaften Differenzirung des Diplococcus, der auch nach
Anderen zu Streptokokkenarten Beziehungen zu haben scheint.
Was den Bakteriengehalt der normalen Paukenhohle anbe-
trifft, so kommt Hasslauer auf Grund seiner Untersuchungen
zu demselben Resultat wie Zaufal.
XV.
WissenschaftliGhe Rmdschan.
1.
ürbantschiisch , Ueber methodische Hörübd^gen (in „Die deutsche
Klinik am Eingange des zwanzigsten Jahrhunderts in akademischen Yor-
lesungen'S herausg. von v. Leyden u. Klemperer); bei Urban u.Schwar-
zenberg; Berlin and Wien 1901.
Den UrbantBchitsch'schen HörAbungen ist von vieler Seite mit einem
f rossen Skepticismus entgegengetreten. Diesen Skeptikern empfehlen wir die
lectüre dieses Vortrags; sie werden sich überzeugen, dass jenen humanitären
Bestrebungen des Verfassers mehr wie ein Körnchen Wahrheit innewohnt.
In der Einleitung geht Verfasser von der Thatsache aus, dass bei sonst glei-
cher Hörf&higkeit das Hören von der Pflege und Ausbildung abh&ngig ist,
die wir auf die Üörempfindnngen verwenden, „und so ist das Hören gewisser-
maassen als eine Fertigkeit zu betrachten, die durch Uebung und Aufmerk-
samkeit weiter gefördert werden kann. Ein gut hörendes Ohr erhält gewöhn-
lich starke Schalleindrücke und damit reichliche akustische Anregung, die
seine Ausbildung leicht ermöglichen. Bei aboehmender Hörfähigkeit findet
dagegen theils ein von dem Grade der Schwerhörigkeit abhängiges, erschwer-
tes Hörverständnlss statt, theils ein Entfall verschiedener, bei einem gut
hörenden Ohr sonst auftretender Gehörsemptindungen und damit eine einge-
schränkte akustische Uebung. Dazu tritt häufig noch die zunehmende Gleich-
gültigkeit der Schwerhörigen gegen die verschiedenen Gehörseindrücke, da
diese der früher gewohnten Sicherheit entbehren, und ihr Erkennen besondere
Mühe erheischt. So wird die Hörschwäche durch Mangel an akustischer An-
regung und Aufmerksamkeit, sowie durch Theilnahmlosigkeit noch weiter
verschlimmert, und immer mehr und mehr umfängt den Schwerhörigen eine
lähmende Stille'*. Als Aufgabe der Hörübungen bezeichnet es Verfasser: »Sie
sollen den Schwerhörigen aus seinem akustischen Stumpfsinn aufrütteln, die
damiederliegeude Aufmerksamkeit auf Höreindrücke beleben, das bestehende
Gehör ausbilden und verfeinern und ein geschwächtes Gehör wieder stärken.*"
Die Erfolge, über welche Verfasser an der Hand einer Reihe von Kranken-
geschichten berichtet, sind dadurch zu verstehen, dass in vielen Fällen das
klinische Bild der Schwerhörigkeit, resp. Taubheit viel weniger bedingt ist
durch eine Schädigung des physischen als psychischen Hörens (sensorielle
Störungen beim Verstehen von Sätzen und Wörtern, verzögertes Eintreten
von Gedächtnissbildern u. a.) , und dass jene Schädigungen durch die Hör-
übungen bis zu einem gewissen Grade ausgeglichen werden können. Wir
sehen mithin, dass des Verfassers Bestreben nicht illusorisch ist, son-
dern dass derselbe durchaus auf dem festen Boden des wissenschaftlich Er-
wiesenen stehen bleibt. Freilich theilen wir, und zwar auf Grund der Kranken-
geschichten des Verfassers selbst, nicht seinen Optimismus, dass die Hör-
übungen von wirklich praktisch bedeutungsvollem Erfolge b^leitet sein
werden, glauben vielmehr, dass die erzielten Erfolge sich immer in beschei-
denen Grenzen halten werden. Grüne rt.
XV. Wissenschaftliche Rundschau. 123
2.
A. Jansen, Die Entzündungen des Mittelohrs und ihre Behand-
lang (in „Die deutsche Klinik am Eingänge des zwanzigsten Jahrhunderts
in akademischen Vorlesungen''« herausg. von v. Leyden und Klemperer);
bei Ürban und Schwarzenberg, Berlin und Wien 190 1.
Verfasser beschreibt im t. Gapitel die acute Mittelohrentzandung und
-Eiterung, im 2. den Tubenkatarrh und exsudativen Paukenhöhlenkatarrh,
im 3. die chronische Mittelohreiterung. Die Beschreibung ist fliessend and
erschöpfend und trägt überall den Stempel reicher persönlicher Erfahrung des
Autors. Auf einzelne Punkte sei besonders hingewiesen. Zunächst seine
Stellungnahme zur Paracentese, welche wir deshalb hervorheben, weil der
Werth derselben neuerdings in einer mit dem chirurgischen Denken nicht in
Einklang zu bringenden Weise wiederholt herabgesetzt worden ist. »Wenn
man, sagt Verfasser, vielfach Zeuge gewesen ist der grossen Erleichterung,
welche die Kranken sofort nach dem Durchbruch des Trommelfells erfahren
haben, so kaun man seine Aufgabe nicht darin suchen, den Spontandurch-
brach zu verhüten und die künstliche Perforation nach Möglichkeit einsu-
schr&nken» ja womöglich ganz zu vermeiden.'' Seinen Standpunkt zu der
so modern gewordenen sogenannten trockenen Reinigung des Ohres in Fällen
von Ohreiterung kennzeichnet er folgendermaassen: »Ich kann mich nicht
denea beigesellen, welche die Spülungen auf die Proscriptionsliste gesetzt
haben, erblicke vielmehr in dieser Methode der Reinigung die schonendste,
die schonend auch für den Kranken insofern ist, als er nicht täglich vom
Arzte besucht zu werden oder zum Arzt zu gehen braucht, und bei einer
profusen Eiterung wohlthuender, als wenn er die ganze Menge Eiters während
24 Stunden im Gehörgaagstampon und in dem nur ungenügend aufsaugenden
Verbände mit sich herumtragen muss.** Die Bluten tziehnngen und Eisbeutel
will Verfasser im schmerzhaften Stadium des acuten Katarrhs durch heisse
Umschläge ersetzt haben: „Von Leiosamenmehl wird ein Brei gekocht, der
Brei in ein kleines Tuch eingeschlagen, um dieses kleine Päckchen kommt
eine Hülle von Billroth battist oder Wachstaffet. Je nach dem Sitze der
Schmerzhaftigkeit wird der Umschlag auf oder hinter die Ohrmuschel gelegt.
Die Ohrmuschel schützt man vor dem Verbrennen durch Bedecken mit Watte.
Der Umschlag bleibt 20 — 30 Minuten warm, wird dann durch einen frischen
ersetzt.** In der Nacht soll der Umschlag ersetzt werden durch einen Priess-
nitzumschlag von 3 — bproc. essigsaurer Thonerde. Zur localen Anästhesie
zwecks Ausführung der Paracentese empfiehlt Jansen, einen in 10 proc. Co-
cainlösung (Spiritus und Anilinöl zu gleichen Theilen) getränkten Wattebausch
für die Dauer einer Viertelstunde gegen das Trommelfell zu drücken. Voo
grossem Interesse ist folgender Passus: „Auch wenn wir durch die Lumbal-
punction Eiter nachgewiesen haben, so sollen wir nicht alle Hoffnung auf-
geben. Ich verfüge über eine Reihe von Fällen (etwa 6), bei denen nach
Entfernung des Eiterherdes im Mittelohr und im Warzenfortsatze, nach Aus-
schaltung einer Sinusthrombose oder einer Labyrintheiterung eine eitrige
Cerebrospinalmeningitis (durch Lumbalpunction nachgewiesen) zur Ausheilung
gekommen ist**. In unverständlichem Widerspruche zu dieser Auffassung
schreibt er sonderbarer Weise einige Zeilen weiter: „Nur die sicher nach-
gewiesene diffuse eitrige Meningitis giebt eine absolute Contraindication ab*",
d. h. gegen die Vornahme der Mastoidoperation. Was die semiotische Be-
deutung der Perforationen der Membrana Shrapnelli bei chronischen Eite-
rungen anbetrifft, so steht Verfasser auf dem Boden der Anschauung der
Halle*schen Ohrenklinik. An dieser Stelle mag hervorgehoben werden, dass
aus Verfassers Darstellung über die Beziehung jener Perforationen zur Ge-
hörknöchelchen caries hervorgeht, dass er seine früher ausgesprochene Mei-
nung, die als charakteristisch für Hammer-, resp. Ambosscaries bezeichnete
Lage der Perforation am oberen Pol werde „häufig bei gesunden Gehör-
knöchelchen gefunden** (vgl. dieses Arch. Bd. XLIII. S. 159 und Zeitsch. f. 0.
Bd. XXXV. S. 162), corrigirt hat.
Bemerkungen des Referenten:
Wenn auch die Schrift des Verfassers für unsere Leser nichts wesent-
lich Neues bringt, so ist dieselbe doch von Interesse, weil der Verfasser an
124 XV. Wissenschaftliche Rundschau.
die herrschenden theoretischen wie praktischen Anschauungen über die ein-
schlägige Materie den Maassstab seiner eigenen Erfahrung angelegt hat. Hier-
durch hat die Darstellung naturgemäss eine gewisse subjective Färbung er-
halten, welche indessen den Reiz der Leetüre eher erhöht als beeinträchtigt.
Rühmend muss hervorgehoben werden, dass sich Verfasser nirgends durch
modern gewordene Schi agworte blenden lässt, dass er niemals auf Grund theo-
retischer Speculation andere von ihm selbst bewährt gefundene Behandlungs-
methoden aufgiebt. Das zeigt er z. B. in seiner oben skizzirten Stellungnahme
zur Frage der Paracentese sowie auch zur Frage der ^ trockenen* Reinigung
des eiternden Ohres. Wir theilen im Allgemeinen seine Anschauungen sowohl
nach der Seite der Theorie wie des praktischen Handelns, weichen aber in
folgenden Punkten von seiner Auffassung ah: 1. in Hinsicht auf die geringe
Werthschätznng, welche er Blutentziehungen und der Anwendung der Eisblase
bei der Therapie des acuten Katarrhs entgi^enbringt, welche er ja, wie oben
beschrieben, durch heisse Umschläge ersetzt 'haben will; diesem Vorschlage
in seiner Verallgemeinerung müssen wir durchaus opponiren. Ks
kommt gerade hier auf den einzelnen Fall an; in dem einen Falle ist die An-
wendung des Eisbeutels das zweckmässigste Mittel, die Anwendung der heissen
Umschläge dagegen contraindicirt, in anderen Fällen wieder wird den heissen
Umschlagen vor dem Eisbeutel der Vorzug zu geben sein; 2. in Hinsicht auf
seine ablehnende Haltung den Durchspülungen durch den Katheter gegenüber;
3. hinsichtlich seiner Meinung von der Entbehrlichkeit der kaustischen Lapis-
behandlnng in der Therapie der chronischen Mittelohreiterung. Wir sind der
Meinung, dass die scheinbare Nutzlosigkeit der letzteren, von Seh war tze in
die Therapie eingeführten Behandlungsmethode besonders darauf zurückzu-
führen ist, dass äre Anwendung oft über den Rahmen der von Schwärt ze
genau präcisirten Indicationen hinaus ausgedehnt worden ist. Grunert.
3.
Hinsher g, Ueber Labyrinth ei terungen. Breslauer Habilitationsschrift,
bei J. F. Bergmann. Wiesbaden 1901. (Separatabdruck aus Z. f. O.,
Bd. XL, S. 117—203.)
Verfasser hat es unternommen, auf Grund der ziemlich reichhaltigen,
aber sehr zerstreuten Literatur sowie einer Anzahl interessanter Beobachtun-
gen aus der Breslauer Ohrenklinik den jetzigen Stand der Lehre von den
Labyrinth eiterungen zu skizziren. Wenn das gewonnene Bild uns auch noch
viele Lücken unseres Wissens und Könnens zeigt, so wird doch der Hinweis
auf die Probleme, welche der Lösung noch harren, insofern fördernd sein für
den wissenschaftlichen Ausbau der in Rede stehenden Lehre, als er dazu
anregen wird, in Zukunft etwas systematischer auf diesem Gebiete zu arbei;
ten, als es bisher geschehen ist. Im 1. Kapitel wird in erschöpfender Weise
die Aetiologie der Labyrintheiterungen besprochen. Das zweite, der patho-
logischen Anatomie gewidmete Gapitel, zeigt uns, wie lückenhaft im Allge-
meinen unser Wissen noch in der Hinsicht ist, unter welchen Bedingungen
es zur isolirten Erkrankung einzelner Labyrinthabschnitte bei völligem In-
tactsein des übrigen Labyrinthes kommt. Der vom Verfasser aas der Bres-
lauer Klinik mitgetheilte diesbezügliche Fall bedeutet ebenfalls nur eine quan-
titative Bereicherung der Casuistik. Der 3. Abschnitt umfasst die Symptoma-
tologie. Im 4. Abschnitt werden Verlauf und Ausgänge der Labyrintheiterungen
beschrieben. Verfasser kommt bei der Besprechung der von den Labyrinth-
eiterungen aus inducirten intracraniellen Eiterungen zu dem Resultat, dass
die FortleituDg entlang den Nervenbahnen viel häutiger zu erfolgen scheint,
als die Infection auf den anderen Wegen zusammengenommen. Aus dem der
Diagnose gewidmeten 5. Gapitel sei der Hinweis des Verfassers hervorgehoben,
dass Bogengangfisteln leicht durch kleine pneumatische Zellen in der Gegend
des Bogengangwulstes vorgetäuscht werden können, sowie auch, dass oft mit
Sicherheit nicht leicht entschieden werden kann, ob eine Fistel in den Bogen-
gang oder in den Facialiskanal führt. (Diese Thatsachen kann Referent auf
Grund seiner Erfahrungen in der Schwartze'schen Klinik vollauf bestä-
tigen.) Das 6. Capitel handelt von der Therapie und Prognose. Wir theilen
XV. Wissenschaftliehe Rundschau. 125
den Standpunkt des Verfassers, dass wir die gutartigen Formen von Laby-
rintheiterung nicht von den bösartigen zu unterscheiden vermögen, und dass
man daher jede Labyrintheiterung als sehr gefährlich betrachten muss. £ine
Anzahl beigefügter Krankengeschichten, Labyrinthoperationen betreffend,
können, so bemerkenswerth einzelne sind, hier im Einzelnen nicht referirt
werden. Verfasser erörtert schliesslich an der Hand der bisherigen in der
Literatur niedergelegten Erfahrungen den therapeutischen Werth der opera-
tiven Eingriffe am Labyrinth, dabei die bisher gewonnenen Erfolge in kriti-
scher Weise gegenüber den auf Conto der Operation selbst zu setzenden Ge-
fahren (Lösung von schützenden Adhäsionen, Mobilisirung von im Labyrinth
deponirten virulenten Keimen u. A.) abwägend. Obwohl er sich von jedem
Optimismus in der Beurtbeilung der einzelnen einschlägigen Fälle fernhält,
kommt er doch zu dem Resultat, dass die Eröffnung des Labyrinthes einen
durchaus berechtigten Eingriff darstellt, und dass die bisherigen Erfolge zu
weiteren Versuchen ermuntern**. Was die Operationstechnik anbetrifft, welche
durch instructive Skizzen erläutert wird, so wird der Fraise dem Meissel
gegenüber der Vorzug gegeben. Die Technik selbst ist die folgende:
1. Radicaloperation. Dabei ist der mediale Theil des Facialissporns
soweit als irgend möglich zu entfernen; durch möglichst ausgiebige Abtragung
seines lateralen Theiles wird die Gegend der Fenestra ovalis bedeutend über-
sichtlicher gemacht. In zweiter Linie ist die Freilegung des Recessus epi-
tympanicus von Wichtigkeit. Dieselbe wird erreicht durch theilweise Abtra-
gung der oberen Gehörgangs wand und eventuell durch möglichste Verdünnung
des Tegmen tympani.
2. Freilegung der Fenestra ovalis und eventuell, wenn Eröffnung der
Schnecke beabsichtigt ist, Abtragung des Promontoriums. Dabei ist an die
von Grub er und Körner beschriebene Abnormität im Verlauf des Garotis-
canals zu denken.
3. Unter Leitung einer von der Fenestra ovalis eingeführten Sonde Er-
öffnung des Vestibulums vom horizontalen Bogengang aus und zwar, wenn es
die räumlichen Verhältnisse gestatten, von vorne oben her, sonst von hin-
ten her. Grunert.
4.
Kreibig, Die fünf Sinne des Menschen. (Aus Natur und Geisteswelt.
Sammlung wissenschaftl.-gemeinverständlicher Darstellungen aus allen Ge-
bieten des Wissens. 27. Bändchen.) Leipzig 190L Bei B. G. Teubner.
Der Hörsinn ist in populärwissenschaftlicher Weise von S. 52 bis 79
dargestellt. Wir weisen auf die Darstellung hin, weil die Lehre von der Aku-
stik in einer so klaren Weise dargestellt ist, wie sie manchem Lehrbuch der
Physik und Sinnesphysiologie zur Ehre gereichen würde. Grunert.
5.
Spira, lieber Erschütterung des Ohrlabyrinthes (Commotio laby-
rinthi). Klinische Vorträge aus dem Gebiete der Otologie und Pharyngo-
Rhinologie, herausg. von Prof. Dr. Haug- München. 5. Band, fleft 1.
Jena 1901, bei G. Fischer.
Verf. hat die reichhaltige Literatur eingehend verwerthet und ein Bild
von der Lehre der Ohrlabyrintherschütterung skizzirt, welches wir als ein
gelungenes bezeichnen können, auch wenn wir nicht mit allen Meinungs-
äusserungen des Verf. einverstanden sind; hervorheben wollen wir, dass er
der Erklärung der Erschütterungsphänomene die Neuronenlehre zu Grunde
zu legen versucht hat. Grunert.
136 XY. WissenBchafiliche Randschau.
6.
Piffl^ Ein Fall Yon durch Operation geheiltem otitischen Hirn-
abscess. Wiener klin. Wochenschr. 1901. Nr. 16.
Linkss. Schl&fenlappenabscess bei einem 6jährigen M&dchen, dessen
Symptome sich in der zweiten Woche nach der Totalaufmeisselung entwickel-
ten. Der Fall ist, was die Entwicklung der allgemeinen und Herdsymptome
anbetrifft, als Schulfall zu bezeichnen. Ausgang in Heilung. Bemerkens-
werth ist^ dass der Verf. den Abscess nur ?on der Schädelbasis aus eröffnet
hatte, weil ein starker Gollaps weitere operative Maassnahmen unmöglich
machte Er hat übrigens solche Schwierigkeiten bei der Nachbehandlung ge-
habt, dass er auf Grund dieser Erfahrung für die Anlegung einer Gegenöffnung
in der Schläfenbeinschuppe plaidirt. Grunert.
7.
Heeht, Die Heissluftbehandlung bei chronischen Mittelohreite-
rungen. MOnch. med. Wochenschrift.
Ausc[ehend von der einschlägigen Literatur beschreibt Verf. seine eigenen
diesbezüglichen Versuche. £r hat zu denselben das Holländer'sche, zum
Zweck der Lupusbehandlung construirte, Heissluftgebl&se in der Weise modi-
ficirt, dass er durch eine Metallcanüle die Luft direct in die Paukenhöhle
bringt. Den Nutzen dieser Therapie erblickt Verf. darin, dass t) durch die
möglichst beste Austrocknung der Paukenhöhle der Nährboden für die Ent-
wicklung der Bakterien verschlechtert wird, 2) dass durch das Einströmen
heisser Luft in die Paukenhöhle eine wenn auch nur transitorische, active
Hyperämie mit ihren sanitären Folgezuständen hervorgerufen wird. Verf.
ist mit der Beurtheilung des therapeutischen Werthes dieser Methode auf
Grund seiner bisherigen Erfahrungen sehr zurückhaltend und verfolgt nur den
Zweck, diese Methode den CoUegen zur Prüfung zu empfehlen. Grunert.
8.
Denker^ Hühnereigrosser otogener Hirnabscess, extraduraler
und s üb periostaler Abscess in der Schläfengegend, durch Ope-
ration geheilt. Deutsche med. Wochenschr. 1901. Nr. 2.
7 jähriges Mädchen mit acutem Recidiv einer chronischen rechtsseitigen
Mittelohreiterung. Starke, nicht genau localisirte Kopfschmerzen, locale
Schmerzempfindlichkeit in der Schläfengegend, Erbrechen, Pulsverlang-
samung kurz vor der Operation. Schwankender Gang, Herabsetzung der
geistigen Regsamkeit, die später in Theilnahmlosigkeit und Somnolenz über-
ging. Neuritis optica auf der kranken bei normaler Papilla n. optici auf der
gesunden Seite. An Herdsymptomen war nur eine partielle Oculomotorius-
lähmung vorhanden — rechtsseitige Mydriasis ohne Ptosis. — Ausserdem
bestand unwillkürliche Urinentleemng. Die Operation stellte ein zerfallenes
Cholesteatom fest mit Osteosklerose des das Antrum umgebenden Knochens.
Eine Communication mit der Schädelhöble bestand nicht. Die mittlere Schädel-
grube wurde von der Schuppe aus sowie durch Fortnahme des Tegmen adi-
tus et antri freigelegt. Zwischen Knochen und der schmutzig verfärbten mit
Granulationen leicht bedeckten Dura quoll etwa ein Theelöffel stinkenden
Eiters hervor. Weiterhin wurde ein etwa 70—80 ccm fötiden Eiters enthal-
tender, mit einer dünnen Membran ausgekleideter, Schläfenlappenabscess ent-
leert. Ausgang in Heilung mit vollständigem Zurückgehen aller durch die
intracranielle Complication bedingt gewesenen Symptome. Auch das ursäch-
liche Ohrenleiden wurde geheilt. Grunert.
9.
Eitetberg, Glossen zur operativen Behandlung der eitrigen Mittel-
ohrentzündung. Wiener medicinische Blätter. 190t. Nr. 29.
„Ich selbst habe vor mehreren Jahren ein tragisches Ereigniss miterlebt,
das sich unauslöschlich in mein Gedächtniss eingegraben hat. Das Opfer
XY. Wiasenschaftliche Bondschftu. 127
war ein tSijftbriges, blühend schönes Mädchen. Wegen einer acuten eitrigen
Mittelohrentzündung, welche ihm im Uebrigen keine Beschwerden verursachte,
wurde es ambulatorisch behandelt Nun war im weiteren Verlaufe eine un-
bedeutende Granulation aufgeschossen. Ein junger, noch unerfahrener Col-
lege beeilte sich, dieselbe mit an das Köpfchen einer Silbersonde angeschmol-
zener Chroms&ure „energisch** au fttzen. Sofort stellten sich Gehirnreizerschei-
Dungen ein, und 8 Tage sp&ter weinten die bedauernswerthen Eltern an der
Bahre ihres Jiieblings*^ Piese und ähnliche lebenswarme Schilderungen,
welche uns Verf. giebt, werden aar Folge haben, dass sein empfundener „Ehr-
geiz'*, durchwegs gelesen zu werden, befriedigt werden wird. Mit voller Ueber-
leugung stimmen wir mit der Ansicht des Yerf. überein, dass Göttinnen
nicht im Contor, sondern auf dem Olymp zu thronen haben. Grün er t.
10.
Eitelberg, Die psychische Beeinflussung als unterstützendes Mo-
ment bei der Behandlung Ohrkranker. Wiener med. Presse. 1901.
Nr. 29.
„Dass der Gegenstand, an den ich mich jetzt heranwage, besonders
heikler Natur ist, bin ich mir vollkommen bewusst. Man bewegt sich da
fortwährend knapp am Bande eines gefährlichen Abgrundes. Ein kleiner
Fehltritt, und stracks liegt man mit zerschmettertem Verstände in der unheil-
grinsenden Schlucht des Mysticismus. Glücklicherweise mangelt mir jedwede
Fälligkeit zur Lösung von Problemen der vierten Dimension.*' Diese Ein-
leitung erregte in uns die Lust, nachzusehen, ob Verf. mit zerschmettertem
Verstände in die unheilgrinsende Schlucht des Mysticismus gestürzt seh wir
konnten aber mit Freude constatiren, dass er sich nicht „vom Dämon Eitel-
keit hat in*8 metaphysische Dickicht locken lassen**. Wie weit er indess
dieses Dickicht gestreift, das zu entscheiden, mag dem Scharfblick unseres
Lesers überlassen bleiben. Grün er t.
11.
Peltesohn, Ueber die Angina lacunaris des Nasenrachenraums.
Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Nasen-, Ohren-i
Mund- und Baiskrankheiten. Herausg. von Bresgen. V. Bd. Heft 5.
Ausgehend von der Anatomie des Nasenrachenraums beschreibt Verf.
Pathologie und Klinik der Angina lacunaris der Bachenmandel, immer die
entsprechende Erkrankungsform der Gaumenmandeln in Parallele ziehend.
Wenn er auch die sichere Diagnose der in Bede stehenden Krankheit nur
mit Hilfe der Postrhinoskopie für möglich hält, so betont er jedoch die wich-
tige diagnostische Bedeutung der ohne Einführung des Rachenspiegels sicht-
baren mit geschwollenen Follikeln besetzten, entzündlich gerötheten und ge-
schwollenen Seitenstränge. Im Gegensatz zu der relativen Häufigkeit der
sich an die lacunäre Entzündung der Gaumenmandeln anschliessenden periton-
sillitischen Abscesse hält er die Bildung von Abscessen in dem Bindegewebe
der Umgebung der BaohenmaDdel nur für wahrscheinlich vorkommend. Verf.
giebt an, nur einen einzigen Fall dieser Art bei einem Erwachsenen gesehen
zu haben. „Derselbe verlief sehr merkwürdig und führte zu einer äusserst
schmerzhaften Entzündung der zwei ersten Wirbel und des Atlanto-occipital-
Gdenks**. Grün er t.
12.
Treitel, Ueber functionelle Herabsetzung der Hörfähigkeit. Neu-
rologisches Centralblatt. 1901. Nr. 15.
Ausgehend von der Differenz der subjectiven Hörfäbigkeit und der ob-
jectiv festgestellten Hörweite, deren Ursache bei Kindern zuweilen auf unge-
nügender Aufmerksamkeit beruht, welche indess bei Erwachsenen auch trotz
vorhandener Aufmerksamkeit nicht selten bei den verschiedensten Ohrer-
kraÄkungen vorkommt, bespricht Verf. unter Berücksichtigung der ein-
128 XY. WiBsenschaftlicbe Rundschau.
schl&gigen Literatur die Eigentbamlichkeiten der hysterischen Hörstörnngen and
kommt im Gegensatz zu anderen Autoren wie z. B. Gradenigo, welche
meinten, ans dem Ausfall der qnalitati?en Hörprüfung bestimmte Scblasse
auf die hysterische Natur derselben ziehen zu können, zu dem Resultat, dass
man sich 'bei der Beurtheilung einer Hörstörung mehr an allgemeine die
Hysterie kennzeichnende Erscheinungen halten masse. Nur den auffallen-
den spontanen Schwankungen im Gehör von grösserem Umfange misst er
eine wichtige diagnostische Bedeutung bei. Er erwähnt ein interessantes Ex-
periment, welches er an einer hypnotisirten Dame gemacht hat, und welches
uns das Yerst&ndniss der hysterischen, ieder Hörprüfung sich entziehenden
und den Gesetzen derselben spottenden Hörstömug n&her bringt. Verf. giebt
uns ausserdem in seiner kurzen aber sehr lesenswerthen Abhandlung zwei
eigene Beobachtungen, denen ein kurzes Referat nicht gerecht zu werden
vermag und welche daher besser nachgelesen werden. Grunert.
13.
Deneh, The Advisability of Early Operative Intervention in
Acute Mastoiditis. Report of a Gase. Ifew York Medical Journal for
Octobre 19, 1901.
Yerf. moUvirt seine Mittheilung mit der „Einzigartigkeit'' des von ihm
beobachteten Falles. FQr unsern deutschen Leserkreis sind derartige F&Ue,
in welchen nach einem l&ngeren Latenzstadium und nach Abheilung des
acut entzündlichen Processes in der Paukenhöhle sich ausgedehnte Zerstörung
im Warzenfortsatz findet, aus der Literatur wohl bekannt. Schon vor Jahren
ist darauf hingewiesen worden, dass diese Eigenthümlichkeit des Verlaufes
besonders h&ufig bei Pneumokokkenenotitiden angetroffen wird. Grunert.
14.
Deneh^ The Result of the 8urgical Treatement of Inflammation
of the Mastoid Process. Journ. Americ. Med. Association. March2,
1901.
,,Unter 273 operirten Fällen konnte nicht in einem einzigen der Tod
auf die Operation bezogen werden. F&Ue, welche schon vor der Operation
an intracraniellen Gomplicationen litten, sind natürlich von dieser Liste ans-
geschlossen/' Den Beweis, dass die F&lle schon vor der Operation an Er-
krankungen des Sch&delinhalts litten, bleibt uns Verf. schuldig ; nicht einmal
die Zahl dieser als tödtiich verlaufenen F&lle nennt er uns. Grunert.
15.
Finkj Die Behandlung der Ohreiterungen durch den praktischen
Arzt. Berlin-Sadeade und Leipzig, bei Vogel u. Kreienbrück.
Die kleine fliessend und prägnant geschriebene, für unsern Leserkreis
nichts Neues bietende Schrift ist der löblichen Absicht entsprungen, „dem
praktischen Arzt ein Wegweiser bei der Behandlung der Ohreiterungen sein
zu wollen**; uns jedoch fehlt der Glaube an den erhofften Erfolg, werden doch
in der Schrift zu viel Kenntnisse in der Otoskopie beim allgemein prakti-
cirenden CoUegen vorausgesetzt. Glaubt denn der Herr Verf., dass der prak-
tische Arzt an der Hand der Indicationen für die „Radicaloperation, wie sie
der Altmeister Politzer in dem letzten internationalen Otologencongress
begründet*^ wirklich in der Lage ist, zu entscheiden, ob diese Indicationen
vorliegen? ^ Grunert.
16.
Dench, The Diagnosis and Treatment of Mastoiditis. Journ. of
the American Medical Association. July 27. 1901.
Der kurze Artikel des Verf. enthält nur Bekanntes. Von Interesse ist
für unseren Leserkreis höchstens die Angabe, dass Verf. unter 316 Mastoid-
XV. Wissenschaftliche Raadschau. 129
Operationen 14 Todesfälle gehabt hat. Davon starben t an Gesichtserysipel,
1 an septischer Pneumonie, t an acuter Nephritis, 1 an Diabetes, 1 an Ma-
rasmus. In allen anderen Fällen waren intracranielle Gomplicationen die Todes-
ursache, welche eintraten „before the mastoid Operation was done''.
Grunert.
n.
Dench, Report of Three Cases of Ligation of The Internal
Jugular for Septic Thrombosis, Foliowing Puruient Otitis
Media. — Recovery. Archives of Otol. Vol. XXIX. Nr. 6. 1900.
Im ersten der drei F&lle ist bemerkenswerth, dass die py&mischen Sym-
ptome 4 Tage nach der Gehörknöchel chenentfernang und dem Gebrauch des
scharfen Löffels in der Paukenhöhle, wobei eine breite Dehiscenz am Boden
der Paukenhöhle mit Prolaps des Bulbus venae jugularis entdeckt wurde, auf-
traten. Die beiden anderen Fälle bieten nichts Bemerkenswerthes dar. Nicht
Bailance war der Erste, welcher die Jugularisunterbindung aasgefahrt
hat, diese Ehre gebührt vielmehr Zaufal. Grunert.
18.
Detich, The Importance of the Early Recognition of an Inflam-
mation of the Middle Ear by the General Practitioner. Transact.
of the Med. Soc. of the State of New York. 1900.
Enthält nur allgemein Bekanntes. Grnnert.
19.
€. R, Holmes and ff. S, GarUck, Accidents Attending Adenoid Ope-
rations. The Laryngoscope. St. Louis. May 1901.
Bericht über zwei Fälle, bei denen bei der Adenoidoperation der Ring
des Gottstein 'sehen Messers zum Theil abbrach. In dem einen Falle
wurde das im Schlund festsitzende Stück mittelst des Fingers und Zange mit
Mühe und Noth entfernt, im anderen wurde es verschluckt und entleerte sich
nach 3 Tagen per vias naturales. Grunert.
20.
Bulletin de la Society Beige d'Otologie, de Laryngologie et de
Rhino logie. Sixiöme Ann^e. Bruxelles 1901.
Der Bericht giebt zunächst eine Anzahl von Gedächtnissreden auf
C. Delstanche, welche anlässlich der Aufstellung der Büste desselben, im
Hospital St. Jean in Brüssel, von verschiedenen Aerzten gehalten worden
sind. Aus allen diesen Ansprachen geht deutlich hervor, welcher Werth-
schätzung als Mensch und als Arzt sich der Verstorbene erfreut hat. — Was
die wissenschaftlichen Gegenstände anbetrifft, welche in den einzelnen Sitz-
ungen verhandelt worden sind, so beschränken wir uns bei der Wiedergabe
auf das Referat des otologischen und rhinologischen Theiles.
M. Capart (fils): Quelques cas de Chirurgie de l'oreille
Ein Fall von ausgedehntem Cholesteatom, welcher indess nichts Bemerkens-
werthes enthält, wird ausführlicher mitgetheilt.
M. H. Huybreghs; Pseudomastoidite suppur^e. Nichts Be-
merkenswerthes darbietender Fall von Cholesteatom.
M. Labarre: Thrombo-phlöbite du sinus lateral reconnue
^ Tautopsie. Das demonstrirte Präparat entstammt einer 30jährigen Frau,
welche an einem „schweren typhoiden Fieber'' gelitten hatte, und bei welcher
erst durch die Autopsie als Ursache jenes Fiebers ein infectiöser Thrombus
im Sinus lateralis aufgedeckt wurde.
Delsaux: Seringue aseptique pour Toreilie. Delsaux
spricht sich gegen die sogenannte trockne Behandlung der Ohreiterungen aus.
Nach verschiedenen mehr oder weniger fehlgeschlagenen Versuchen, eine
Aichiy f. Ohrenheilkunde. LV. Bd. 9
130 XV. WisseDSchaftliche Rundscbau.
ObreDspritze za eoDstrnireD, welche dnrcb das Aoskocbeo nicht undicht wird,
bat er BcbliessUch eine modificirte Spritze von Delstanche ais zweckmässig
schätzen gelernt. Dieselbe besteht nur aus zwei Stücken, einem Metall cy linder
und einem Metallkolben. Durch das Auskochen würden die reciproken Durch-
messer des Kolbens und des Cylinders nicht mehr geändert, als bei der Sterili-
sation im Trockenraum.
M. Broeckaert: Accideuts rhumatismaux h la suite de
Top^ration des v^g^tations adenoides. Dass der acute Gelenk-
rheumatismus in vielen Fällen durch eine infectiöse Angina eingeleitet wird,
and dass daher der Gedanke nahe liegt, in dem Hals die Eingangspforte für
die rheumatische Infection für viele Fälle zu suchen, ist längst bekannt.
Aus der fieobachtung, welche uns Br. mittheilt, scheint hervorzugehen, dass
die zum acuten Gelenkrheumatismus führende Infection auch vermittelt werden
kann durch Verletzungen der Schleimhaut, wie sie bei der Adenoidoperation
unvermeidlich sind. Dass die in diesem Falle im Anschluss an die Adenoid-
entfemung aufgetretene Erkrankung wirklich echter Gelenkrheumatismus
und nicht etwa eine metastatische Pyämie gewesen ist, geht aus der Schilde-
rung des Falles mit Sicherheit hervor.
M. Gaudier (Lille): Notes zur l'emploi du gaz ozyg^ne
dans le traitement de certaines otites moyennes chroniques
suppur^es. Verf. will das Sauerstoffgas nur angewandt wissen in frischen
wie alten Ohreiternngen mit grosser Perforation, bei denen keine Knochen-
erkrankung der Paukenhöhlenwände vorhanden ist und die Nebenhöhlen der
Paukenhöhle an der Eiterung nicht betheiligt sind. Das Gas wird sowohl
durch den Gehörgang als auch durch den Katheter in die Paukenhöhle ge-
bracht. Die Einwirkung des Gases dauert 5 Minuten. Der für das Ein-
strömenlassen des Gases durch den Gehörgang nothwendige Apparat ist ein-
gehend geschildert.
M. Buys: Absc^s c^r^bral otique. Chronische linksseitige Eiterung
bei einem 11jährigen Patienten. Doppelseitige Stauungspapille, rechts aus-
gesprochener als links. Keine LäbmungserBcbeinungen, Puls 60, unregel-
mässig. Zunächst Totalaufmeissluug und Eröffnung eines perisinuösen Ab-
scesses. Nur vorübergehende Besserung des Allgemeinzustandes. Mit Rück-
sicht auf die bei der Totalauf meisseluog gefundene Eiterung in der hinteren
Schädelgrube wurde auf einen Kleinhirnabscess gefahndet, indessen aber dasKlein*
hirn erfolglos punctirt. Als 3 Tage später sich eine rechtsseitige leichte Facialis-
parese bemerkbar machte, wurde V(in der Squama aus auf den linken Schläfen-
lappen trepanirt und ein 150 g fötiden Eiters enthaltender Schläfenlappen-
abscess entleert. Zur Zeit der Mittheiluog lebte das Kind, indessen l&sst
dieser Umstand noch keinen Schluss in Bezug auf das Endresultat zu, da
B. bereits vier Tage nach der Abscessoperation über den Fall berichtet bat.
Wenn wir aus dem Verhältniss der das Gebiet der Laryngologie be-
treffenden Mittheilungen zu den otologischen, wie es uns in obigem Bericht
entgegentritt, eine Scblussfolgerung auf das Interesse zu ziehen berechtigt
sind, welches man in Belgien beiden Disciplinen entgegenbringt, so scheint
der Schwerpunkt dieses Interesses nicht auf Seite der Otologie, sondern auf
Seite der Laryngologie zu liegen. Grün er t.
21.
E, Amberg, A normal acoumeter. The Journal of the american medicäl
association. Vol. XXXVI. Nr. 1.
Der nach des Verfassers Angaben von Heele in Berlin hergestellte
Apparat ist so constrnirt, dass eine Stahlkugel von einem bestimmten Ge-
wicht aus einer bestimmten Höhe auf einen Metallklotz fällt. Die Hörprüfung
findet in der Weise statt, dass entweder der Apparat in verschiedenen Ent-
fernungen vom Ohr aufgestellt wird, bei gleichbleibender Fallhöhe der Kugel,
oder dass an dem in einer bestimmten Entfernung vom Ohr stehenden In-
strument die Fallhöhe der Kugel verändert wird. Ais besonderen Vorzug
rühmt der Erfinder selbst, dass das Instrument nach Construction und Ma-
Xy. WiBsenschaftliche Rnodschau. 131
terial überall einheitlich hergestellt werden kann und in Folge dessen in der
Hand der yerschiedensten Untersucher gleichmässige Resultate ermöglichen
soll. Walther Schulze, Halle.
22.
A. Wiebe (Dresden), Ueber hysterische Taubheit. Deutsches Archiv
für klin. Medicin. LXXI.
Bringt die Beschreibung von drei Fällen von Hysterie des Gehörorgans,
von denen der eine Fall eine rein hysterische Taubheit darstellt, während die
beiden anderen mit Mittelohraffectionen combinirt sind.
Nach der Ansicht des Referenten sollte man mit der Diagnose Hysterie
gerade in denjenigen Fällen recht vorsichtig sein, wo Zeichen einer vorauf-
gegangenen oder noch bestehenden organischen Erkrankung vorhanden sind.
80 wird hier ein Fall als Hysterie bezeichnet bei einem Manne, welcher
3 Monate vor der Untersuchung ein schweres Trauma (Verbrennung des Ge-
sichts, Fall von der Treppe) erlitten hatte. £s blieben danach Schmerzen
tief im Kopf. Vier Wochen nach dem Unfall plötzlich Stechen tief im Kopf
und hochgradige Schwerhörigkeit. Schwitzcur. Elektrische Behandlung. Da-
nach Besserung des Gehörs. Bald darauf völlige Taubheit auf beiden Ohren.
3 Wochen lang fortgesetzte elektrische Behandlung ohne £rfolg. Unter-
suchungsbefund: Beide Trommelfelle zeigen in der vorderen Hälfte eine Narbe.
Es wird weder durch Luft, noch durch Knochenleitung gehört. Nystagmus
und Blepharospasmus. Tod nach einem Jahre an einer „intercurrenten''
Krankheit. Keine Section. Ob nicht Folge des Traumas?
Walther Schulze, Halle.
23.
Binsberffy U eb er den Inf ectionsmechanismus bei Meningitis nach
Stirnhöhleneiterung. Verhandlungen der deutschen otologischen Ge-
sellschaft, X. Versammlung, Breslau, 24. u. 25. Mai t901.
Bei einem an doppelseitiger chronischer Stirn- und Kieferhöhleneiterung
leidenden 26 jährigen Manne wurde wegen heftiger Schmerzen über dem rech-
ten Auge die Eröffnung der rechten Stirnhöhle vorgenommen. Dieselbe ent-
hielt Kiter und geschwollene Schleimhaut; cerebrale Wand anscheinend in-
tact. 36 Stunden nach der Operation Tod an Meningitis. Bei der Section
fand sich viel Eiter im Subduralraum der rechten vorderen und mittleren
Schädelgrube, während die hintere Schädelgrube beiderseits und die linke
vordere und mittlere Schädelgrube vollkommen frei waren. Die Dura der
rechten vorderen Schädelgrube war von einer dicken eitrigen Fibrinschicht
bedeckt. Das knöcherne Stirnhöhlendach sowie die Dura über demselben
waren sehr hyperämisch. Die mikroskopische Untersuchung liess im Knochen
zahlreiche Gefässe erkennen, die zum Theil die Stirnhöhlenschleimhaut mit
der Dura Yerbanden; einzelne derselben waren thrombosirt. An der dem
Stimhöhlendach entsprechenden Stelle der Dura fanden sich zwei kokkenhal-
tige Herde, von denen der eine mit dem Subduralraum frei communicirte.
Die Entstehung der Meningitis erklärt der Verfasser in der Weise, dass
die Infection durch die erkrankten Khochengefässe auf die Dura fortgeleitet
wurde, in welcher es zur Bildung kleiner Entzündungsherde kam. „ Der eine
Herd blieb gegen den Subduralraum abgekapselt, der andere, wahrscheinlich
ältere, dagegen durchsetzte die ganze Dura, anscheinend kam es zunächst zu
Verklebungen zwischen Dura und Arachnoidea, die eine Infection des Sub-
doralraums verhüteten. In diesem Zeitpunkt erfolgte die Operation, durch
die bei derselben kaum vermeidlichen Erschütterungen wurden die Verkle-
bangen zerrissen, und nun gelangten die Eitererreger frei in den Subdural*
raom.** Demgegenüber verdient hervorgehoben zu werden, dass laut Sectious-
bericht überhaupt keine Zeichen von Verklebungen zwischen Dura und
Arachnoidea erkennbar waren. Wenn der Verfasser der durch den Meissel
hervorgerufenen Erschütterung die Hauptschuld an dem ungünstigen Ausgang
bdmisst, so möchte Referent doch bezweifeln, dass die Erschütterung bei
▼orsichtigem Gebrauch des Meisseis derartig ist, dass dadurch „schützende
132 XY. Wissenschaftliche Rundschau.
Adbteionen'* gesprengt werden können. Hingegen möchte viel mehr als diese
problematische und durch den angeführten Fall keineswegs bewiesene Meissel-
erschtttterung die Gefahr einer Duraver letzung durch die Fraise zu
farchten sein, welch* letzterer der Verfasser freilieh nur den Vorwurf zu
machen scheint, dass dieselbe «in hartem Knochen zu langsam arbeitet ''.
Gegenüber der Forderung, welche Hinsberg aus dem angefahrten Falle
zieht, „dass wir in allen FMlen, in denen wir das Vorhandensein eines In-
fectionsherdes in den Hirnhäuten auch nur yermuthen können, diesen direct
ai:^snchen, auch wenn der Knochen zwischen prim&rem Eiterherd und Dura
makroskopisch gesund erscheint**, sei nur auf die diagnostische Bedeutung
der Lumbalpunction hingewiesen, welche im vorliegenden Falle trotz des Ver-
dachtes einer intracranieUen Gompllcation leider nicht in Anwendung gekommen
zu sein scheint. Walther Schulze, Halle.
24.
Haldsz (Hödmezö-V4särhely), Zur Lehre von der Labyrinthverletz-
ung. Wiener medicinische Wochenschrift 19Ü1. Nr. 33.
Ein Fall von directer Labyrinthverletzung durch Schuss ins rechte Ohr.
Die Erscheinungen bestanden in Erbrechen und Schwindel, subjectiven Ge-
räuschen, Empfindlichkeit gegen das leiseste Ger&usch in der Nähe; ins Ohr
gesprochene Worte wurden nicht gehört, Binne negativ, Weber ergab
starke Lateralisation nach der beschädigten Seite. Das Projectil lag in der
Paukenhöhle. Nach Entfernung desselben Eiterung, welche nach 20 Tagen
geheilt war. Patientin blieb taub für Stimmgabeln und Taschenuhr (Sprache
leider nicht angegeben. Ref.), Rinne — , Weber -{-; Empfindlichkeit gegen
lautes Sprechen in der Nähe dauerte fort, Ohrgeräusche verschwunden,
Schwindel im Liegen bei Bewegungen des Kopfes.
Der Ausfall der Hörprüfung veranlasst den Verfasser zu der Annahme,
„dass die Weber*schen uDdRiiine*schen Versuche nicht als sichere Grund-
lage dienen, um mit unbedingter Gewissheit entscheiden zu können, ob irgend
ein Leiden im schallleitenden oder schallempfindenden Theile des Gehörappa-
rates seinen Sitz hat*". Walther Schulze, Halle.
25.
/. William Watson (Baltimore), Report of a series of cases of mas-
tolditis with Operations. Journal of eye, ear and throat diseases.
Baltimore 1901. Nr. 3.
Enthält eine Anzahl recht allgemein gehaltener Krankengeschichten,
aas welchen über die angewandten Operationsmethoden und die Art der Nach-
behandlung nicht viel zu ersehen ist. Die Resultate sind überraschend ganstig
und beneidenswerth ausser in einem Falle von Sinusthrombose, in welchem
die Unterbindung der Vena jugularis leider nicht ausgeführt worden ist.
Walther Schulze, Halle.
26.
Hunier Tod, Atresia auris congenita. Journal of Laryngology, Rhino-
logy and Otology. March 1901.
Tod beschreibt in seiner fleissigen Arbeit drei von ihm selbst beob-
achtete Fälle von Atresia auris congenita. In zwei Fällen war die Erkran-
kung doppelseitig, das Labyriuth war in allen Fällen intact. Im Anschluss
hieran bespricht der Verfasser die Anatomie und Entwicklungsgeschichte
dieses BilUungsfehlers, ferner das Verhalten des Hörvermögens und schliess-
lich die Therapie. Es folgt dann noch eine Statistik über 57 zum Theil
schon in der Literatur veröffentlichte Fälle. Tod kommt zu folgendem
Schluss:
1. Die Deformität ist nicht erblich, die Ursache derselben ist unbekannt.
2. Dieselbe findet sich viel häufiger bei weiblichen Individuen und ist
öfter einseitig als doppelseitig.
XV. WisseDschaftliche Randschan. 133
3. Man findet dabei Deformit&teD, welche besonders auf Entwickeluogs-
fehler der mit dem ersten und zweiten Kiemenbogeu in Verbindung stehen-
den Partieen zurückzuführen sind.
4. Das Labyrinth ist selten betheiligt.
5. Embryologiscbe« pathologische und klinische Beobachtungen zeigen,
dass eine operative Behandlung nützlos ist. Walther Schulze, Halle.
27.
Dench, Reflex aural Symptoms dependent upon dental caries.
Read before the New- York Odontological society and reprinted from the
Dental Cosmos. June 1901.
In der vor einem zahnärztlichen Forum gehaltenen Rede betont Dench
die Wichtigkeit einer gründlichen Untersuchung der Zähne nicht nur in allen
Fällen von Ohrenschmerzen, welche ihre Ursache nicht in acuten Entzün-
dungen des äusseren oder des mittleren Ohres haben, sondern auch in allen
Fällen von Ohrgeräuschen oder progressiver Schwerhörigkeit ohne sonst er-
kennbare Ursache. Walther Schulze, Halle.
28.
F. RohreTy Ueber die entzündliche Reizung der Kiefergegenden
bei Erkrankungen des äusseren Obres, besonders desOehör-
ganges. Schweizerische Viertel jahrsschrift für Zahnheilkunde 1901 , Bd. X I,
Heft 111.
Kach kurzer Darlegung der Entwickelungsgeschichte der hierbei in
Betracht kommenden Theile des Gehörorgans, wobei sich Verfasser theilweise
wörtücli an frühere Autoren hält, wird das Verhältnlss der vorderen Gehörgangs-
wand zum Gelenkkopf des Unterkiefers erörtert. iSodann folgt ein Hinweis auf die
Wichtigkeit der Eenntniss der Santorini'schen Spalten, auf die Anordnung
des Lymphgefässsystems und auf die' Vertheilung der Venen und Arterien
des äusseren Ohres und seiner Umgebung. Im Schlusspassus der für Zahn-
ärzte bestimmten Arbeit betont der Verfasser, dass nicht nur die Kiefer in
hohem JMaasse durch Affectionen des äusseren Ohres in Mitleidenschaft ge-
zogen werden können, sondern dass auch im Gefolge von Zahnerkrankungen
Störungen am Ohr beobachtet werden, welche nicht selten zu verkehrten,
manchmal nicht ungefährlichen therapeutischen Maassnabmen Veranlassung
geben. Walther Schulze, Halle.
29.
Johannes Kühnlein, Cand. med., Zur Aetiologie der acuten Mittel-
ohrentzündung. Monatsschrift für Ohrenheilkunde, November 1901.
Die M. f. 0. füllt ihre Spalten mit einer aus dem Gerber*schen Am-
bulatorium stammenden Arbeit, in welcher es sich „sicherlich um eine Frage
von eminent praktischer Bedeutung'* handelt, keineswegs „um die Entschei-
dong einer academischen Doctorfrage", wie Herr Cand. med. Kühnlein sehr
richtig betont. Zur Ergründung der Aetiologie der Otitis media acuta ist
ausser dem bisher Bekannten nichts wesentlich Neues beigebracht.
Walther Schulze, Halle.
30. 31.
Pa-ez (Buenos-Aires), Recherches sur la Bact^riologie de Toz^ne.
Annales de Tinstitut Pasteur. December 1899.
Perez, L'ozäne. Rhinosinusite atrophique fötide. Bact^rio-
logie, Ätiologie, prophylaxie. Buenos-Aires 1901.
Die erste Arbeit berichtet von der Entdeckung eines noch nicht be-
schriebenen, bei Ozaena vorkommenden Bacillus, den Verf. bei zahlreichen
Untersuchungen des menschlichen Nasensecretes aufgefunden hat und den er,
wenn auch nicht als alleinigen Erreger der Ozaena, so doch als wahrschein-
lich häufigste Ursache der dabei auftretenden Muschelatrophie und des Fötors
134 XY. Wissenschaftliche Rundschau.
ansieht. Er fand den neuen Bacillus unter 22 Ozaenaf allen zwar nur acht
mal, doch waren von diesen 22 Fällen 11 ohne Gestank. Unter letzteren
fand sich nur einmal der neue Bacillus, dagegen unter den mit Gestank ein-
hergehenden 1t Fällen 7 mal. Der Loewenberg*sche Bacillus wurde unter
diesen 22 Ozaenafällen 17 mal gefunden, 7 mal unter H2 Fällen von gewöhn-
licher chronischer Rhinitis und einmal in gesunder Nasenschleimbaut. Der
Bacillus, der den Namen Coccobacillns foetidus Ozaenae erhielt, färbt sich
nicht nach Gram, aber gut mit Anilinfarben. Er ist polymorph und er-
scheint bald als Goccus von verschiedener Grösse, bald als langes oder kurzes
Stäbchen. Er wächst gut auf verschiedenen Nährböden. Am bemerkens-
werthesten ist. dass die Culturen, besonders die in Bouillon-Serum in ver-
schlossenen Tuben einen starken, an Ozaenasecret erinnernden Fötor ent-
wickeln. Die Malignität des betreffenden Bacillus wurde durch Impfuas; ver-
schiedener Thiere festgestellt, die bald nach der subcutan oder intraperitoneal
vorgenommenen Injection starben. Ein Kaninchen, das eine Injection in die
Ohrvene erhalten hatte, bekam am dritten Tage Nasenausfluss. Nach dem
Tode fand sich im Nasensecret der Coccobacillns vor. Ein anderes Kanin-
chen, das die Injection überstand, hatte Anfangs Nasenausfluss, und es ent-
wickelte sich nach etwa 4 Wochen ein Abscess über der Nase. Nach 6 Mo-
naten wurde es getödtet, und es fand sich Atrophie der Nasenmuscheln vor.
In der zweiten Arbeit beschäftigt sich der Verf. weiter mit der Beweis-
führung, dass der Coccobacillns thatsächlich als Erreger der Ozaena, meist
vereint mit dem Loewenberg*8chen Bacillus zu betrachten sei. Einerseits
berichtet er über weitere Thierversuche, und es gelang ihm bei Thieren, die
die Injection überstanden und nach Verlauf längerer Zeit (ca. 16 Monate) nach
der Injection getötet wurden, ausgesprochenste Atrophie der Muscheln zu
finden. Andererseits legte die Mittheilung seiner Lehrers Ligni^res, der
den Coccobacillns in der Lunge eines an anderer Krankheit gestorbenen
Hundes vorfand, dem Verf. nahe, über das Vorkommen des Coccobacillus
bei Thieren Untersuchungen anzustellen. Diese hatten das Ergebniss, dass
im Speichel und im Nasensecret der verschiedensten Thiere sich eine Menge
von Mikroorganismenarten nachweisen Hessen, jedoch der Coccobacillus sich
nur bei Hunden fand. Eine Befragung von 50 Ozaenakranken, betreffend
ihre Umgebung, ergab, dass 19 davon grosse Hundeliebhaber waren, bei 20
konnte die gleiche Erkrankung von Familienmitgliedern oder Personen ihres
Umganges festgestellt werden. Hieraus folgert Verf. die Contagiosität der
Ozaena. Als analog der schweren allgemeinen Reaction, die Kaninchen im
Anschluss an die Impfung zeigen, fasst Verf. auch bei einem wahrscheinlich
durch seine ozaenakranke Amme inücirten Säugling die auftretenden fort-
dauernden Krankheitserscheinungen als Zeichen einer Allgemeininfection durch
den Coccobacillus auf. Die Häufigkeit der Erkrankungen der Nebenhöhlen
bei Ozaena leugnet Verf. nicht, glaubt aber, dass sie weniger die Ursache,
als die Folge des im Cavum vorhandenen Krankheitsprocesses sind.
Zeroni.
32.
£tude anatomique des groupes cellulaires post^rieures de la
Mastoide. — Cellules juxtasinusales, par MM. Stanculeanu et
Depoutre. (Bulletins et mömoires de la Societö anatomique de Paris,
LXXVIe annöe. — 6me S6rie, Tome III, Nr. 5. Mai 1901.)
Die Autoren haben an 100 Schläfenbeinen von Individuen jeden Alters
Lage und Art der hinteren Mastoidzellen studirt, die bisher nicht genügend
classificirt worden seien.
Es wurden Schnitte parallel dem absteigenden Teil des Sinus lateralis
2—3 mm von diesem entfernt augelegt. Eine zweite Schnittserie, parallel mit
der ersten, wurde hinter dem Sinus ausgeführt, um die retrosinusalen Zellen,
die sich nach dem Os occip. hin erstrecken, zu studiren. Beim Kind wurden
fast nur diploetische Warzenfortsätze gefunden. Deutlich ausgeprägte hintere
Zellen sah man erst am Schläfenbein eines 9 jährigen Kindes.
Es lassen sich 3 Gruppen unterscheiden:
XY. Wisseaschaftliche Rundschau. 135
1. Die Gruppe der hiaterea oberen Zellen.
Sie ezistirt h&ufig ohne die beiden anderen Gruppen, selbst bei sonst
diploStischen Warsenfortsätzen. Sie liegt im oberen, hinteren Winkel des
Warzenfortsatzes nahe dem Scheitelbein und steht bezüglich des Sch&del-
innero in Beziehung zu den Meningen und dem Sinuswinkel. In deren Niveau
ist ihre Bedeckung häufig papierdUnn. Die oberen Zeilen sind Cellulae
squamosae. die unteren Gell, mastoideae.
2. Die Gruppe der eigentlichen hintern Mastoidzellen.
Sie liegen ungefähr im Niveau des Antrums und erstrecken sich nach
hinten bis zur Sinus rinne, ja in gewissen Fällen bis hinter den Sinus hinaus.
(Cellules rötro-sinusales).
Die schönsten derartigen Fälle fanden sich an Schläfenbeinen, bei denen
die Sinusrinne sehr tief und der Sinus selbst der hinteren Gehörgangs wand
sehr nahe lag. Hie und da gehen diese Zellen bis zur Sutura occip., aber
niemals bis zum Os occip. selbst. (Auch die erste Gruppe gebt nahe an das
Scheitelbein, aber nicht in dasselbe hinein.) Sie stehen in innigem Zusam-
menhang mit dem Sinus, von dem sie häufig nur eine dünne Enochenlanelie trennt.
3. Die Gruppe der hinteren unteren Mastoidzellen.
Sie liegen über und längs derlncisura digastrica, folgen dem untern Theil
der Sinusrinne und gehen hie und da bis zum Bulb. ven. jugul. £s handelt
sich dann um Geil, petrosae.
40 mal wurden ausgesprochene hintere Zellengruppen gefunden;
12 mal fanden sich die 3 Arten zusammen vor, meistens ezistirte aber
nur eine allein.
27 mal fanden sich die hinteren oberen Zellen,
13 „ „ „ „ hinteren „
12 „ ,, „ ,, hinteren unteren „
8 „ „ „ ,, Retrosinusalzellen
6 „ waren die Zellen durch eine 1—3 mm dicke Knochen-
lamelle von der hinteren Antrumswand getrennt.
Die Autoren schreiben den hinteren Zellen einen grossen Einfluss auf
das Entstehen der Sinusthrombose zu. Der Gedanke sei sehr natürlieh, dass sie
die Vermittler einer Eiterung seien, die vom Antrum auf den Sinus übergehe.
Die erste Gruppe ferner steht, wie schon oben angedeutet, in einer ge-
wissen Beziehung zu den Meningen und hat sonach wohl auch eine gewisse
pathologische Bedeutung.
Was die Entfernung der hinteren Zellen von der Spina Healei oder
dem hinteren Gehörgangsrand (bord) angeht, so können sie sich nach
oben bis zum Angulus suturae parietalis erstrecken, d. h. 2 — 2V2 cm von der
Spina entfernt liegen; sie können nach hinten und unten bis zum Occiput
reichen, also in dieser Richtung ungefähr 3 cm weit von der Spina unoi 2
bis 272 cm hinter dem Antrum liegen. Stern-Metz.
33.
Stancule'anu und Depontre, Etüde anatomique et pathologique des
groupes cellulaires post^rieurs de la mastoide. Gellules
jaxtasinusales. Annales des maladies de Toreille etc. 1901. Nr. 10.
Die umfangreiche Arbeit (61 Seiten) wiederholt zunächst die Beschrei-
bnng von 100 Schläfenbeinen verschiedener Altersstufen, wie sie im vor-
stehenden Referat Nr. 32 enthalten sind. Zehn Schläfenbeine sind zur De-
monstration von pneumatischen Räumen, welche weit entfernt vom Antrum
mastoideum liegen, abgebildet.
Von klinischen Beobachtungen bei Empyem solcher Warzenfortsätze
geben die Verfasser drei neue Fälle. (Auch der in Band LH dieses Archivs
Nr. 29 der wissenschaftlichen Rundschau referirte Fall wird erwähnt.)
1. 27 jähriger Patient wird somuolent ins Krankenhaus gebracht. Acute
Ohreiterung rechts. Meningitische Symptome. Paracentcse des Trommelfells
und Lumbalpunction zwischen dem zweiten und dritten Lendenwirbel. Aus
dem trüben Liquor cerebrospin. werden Pneumokokken in Reincultur
gezüchtet. Tod nach 2 Tagen. Bei der Section fand sich „im oberen Theil
136 XY. WisBeDScbaftliche Buodschan.
des Warzenfortsatzes oahe der Satar zwischen Schl&fen- und Scheitelbein,
zwischen der Wand des Sinus lateralis und der äusseren Corticalis eine grosse
eitererfflllte Zelle. Diese etwa erbsengrosse Zelie ist vom Antmm durch eine
ungefähr 12 mm dicke Schicht diploetischen Knochens getrennf*. DasAntrum
mastoideum und das MitteJohr enthielten £iter. Die sonstigen unter der
äusseren Corticalis liegenden Zellen waren dagegen frei von £iter.
2. 42 jährige Patientin. Acute Mastoiditis. Breite Eröffnung desAntrums
schafft trotz reichlichen Eiterabflusses keine Besserung. Sechs Tage nach der
Operation legt man den Warzenfortsatz weiter nach hinten hin frei und findet
eine «eitererfüllte, halbnussgrosse Zelle. Diese Zelle liegt höher als der Aditus
und das Tegmen antri". fieiluog.
3. 13jährige Patientin. Acute Influenza-Mastoiditis. Bei der Operation
findet sich ein Herd eitriger Ein Schmelzung in der Spitze des Warzenfort-
satzes; ein zweiter nach hinten oben vom ersteren und durch völlig gesunden
Knochen von ihm getrennt. Von beiden unabhängig war das kleine tief in ge-
sunder Umgebung liegende und wenig Eiter enthaltende Antrum. E schwelle r.
34.
Charles (Grenoble), Menstruation complementaire de l'oreille
gauche. Bevue bebdomadaire de laryngologie etc. 1901. Nr. 37.
Der Aufsatz enthält im Wesentlichen nur die Angaben einer hysterischen
Patientin. Im Augenblick der Blutung hat Charles die Kranke nicht beob-
achtet. Eschweiler.
35.
Mangakis (Athen), Un cas de'flux suppl^mentaire de menstruation
par les oreilles. Ibidem Nr. 43.
Mangakis beobachtete bei einer 18jähri(!en Patientin zweimal Anfälle
von Ohrschmerz, verbunden mit tropfenweiser Entleerung von Blut aus dem
Gehörgang oder aus der Nase. Bei normalem Gehör war otoskopisch keine
Anomalie am Trommelfell und Gehörgangswand festzustellen. Die Quelle der
Blutung wurde nicht entdeckt. Eschweiler.
36.
Brunei (Paris), De la Perforation du tympan comme moyen de dia-
gnostic et de prognostic dans les su^rdit^s. Ibidem Nr. 43.
Um die Schwerhörigkeit bei Paukenfensterstarre und Otitis interna von
derjenigen bei Fixation der schallleitenden Kette durch Adhäsionen u. s. w.
zu unterscheiden, räth Brunei eine grosse Trommelfellin cision zu macfaeo.
Wenn danach das Gehör sich bessert, so ist der Fall prognostisch günstig
und erfordert die Entfernung der Gehörknöchelchen, des Trommelfells oder
sogar noch der lateralen Wand des Kupjpelraums. Mit drei unvollständigen
Krankengeschichten glaubt Brunei seine Behauptungen beweisen zu können.
Eschweiler.
37.
Dubar (Paris), Thrombo-phUbite isol^e de la jugulaire interne k
forme septico-pyoh^miqued^origine otique sans participation
du Sinus laterale, sans mastoidite. Gu^rison. Ibidem Nr. 45.
Der Titel zeigt den Inhalt an. Weil nach Paracentese und conservativer
Behandlung der Mittelohreiterung Heilung erfolgte, glaubt Dubar, dass der
Warzenfortsatz und der Sinus nicht betheiligt gewesen sei. Er nimmt Infec-
tion des Bulbus durch den Paukenboden hindurch an. Eschw eiler.
XV. Wissenschaftliche Rundschau. 137
38.
Dezon (P^rigueux), Snrdi-mutit^ temporaire chez une myxoed^-
mateuse ä type fruste. Ibidem.
Die achtjährige Patientin entwickelte sich bis zum 3. Jahre fast normal,
dann trat ein Stillstand in der körperlichen und geistigen Entwicklung ein..
Das Kind schien taub zu sein und stumm zu werden. Eine energische robo-
rirende Behandlung, verbunden mit Hör- und Sprachunterricht, führte Heilung
herbei, indessen blieb eine gewisse Hörschwäche zurück (Uhr auf 10 cm Ent-
fernung). Es ch weil er.
39.
Lafarelle (Bordeaux), Curieuse anomalie du roch er. Diver ticulum
de la caisse du tympan. Ibidem Nr. 48.
Aus der Beschreibung und Abbildung des betreifenden Schläfenbeins
geht hervor, dass es sich um einen ausnahmsweise grossen Recessus hypo-
tympanicus gehandelt hat. Lafarelle spricht diese Varietät als Missbil-
dung an. Eschweiler.
40.
Molinie (Marseille), Utilisation en oto-rhinologie des propri^t^s
d^coliantes de Teau oxyg^n^e. Ibidem.
Malini^ räth, den Tampon beim ersten Verbandwechsel nach der Total-
aufmeisselung unter Bespülung mit Wasserstoffsuperoxyd herauszuziehen, da
dann keine Schmerzen und keine Blutung entständen. Auch in mehreren an-
deren, weniger wichtigen Fällen braucht Verfasser dasselbe Mittel mit gutem
Erfolge. Eschweiler.
41.
Burger, Ohrenerkrankungen und Lebensversicherung. Klinische
Vorti^e aus dem Gebiete der Otologie und Pharyngo-Rhinol., herausg.
von Prof. Haug-München. V. Bd. 4. Heft. Jena, bei G. Fischer. 1901.
Ausgehend von einer kurzen Historie der in Rede stehenden Frage be-
spricht Verf. die Bedeutung der einzelnen Erkrankungsformen des Ohres für
die Frage der Aufnahme Ohrenkranker in Lebensversicherungen. Besonders
eingehend erörtert er das Unzweckmässige und übertrieben Rigorose des
jetzigen Verhaltens vieler Lebensversicherungen, jeden Fall von chronischer
Ohreiterung principiell abzulehnen. Er erklärt, wie die Lebensversicherungen
in dieses Extrem gefallen sind von ihrem früheren Standpunkte vollkommener
Gleichgültigkeit Obrenleidenden gegenüber. Seine Ansichten hat Verf. nieder-
gelegt in folgenden Sätzen :
• 1. Es liegt im Interesse der Lebensversicherungsgesellschaften, dass mehr,
als es bis jetzt geschieht, der Zustand der Ohren der Versicherungskandidaten
berücksichtigt wird.
2. Bei acuten Entzündungen des äusseren und des mittleren Ohres wird
man erst den Ablauf der Krankheit abwarten, bevor man zur Abschliessung
der Versicherung schreiten wird.
3. Auch in einigen besonders schweren Fällen von Otitis externa chro-
nica ist es rathsam, die Versicherung zeitweise zurückzustellen.
4. Die verschiedenen Formen von Otitis media chronica simplex s. car
tanhalis können ohne Anstand angenommen werden.
5. Die Otitis media chronica suppurativa soll unbedingt zurückgewiesen
werden, wenn mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit eine der folgenden Er-
scheinungen festgestellt wird:
a) eine Entzündung im Kuppelraum oder im Warzenfortsatz,
h) Tuberculose oder Cholesteatom,
c) eine Enochenaffection,
d) eine Facialislähmung, oder wenn
138 XV. WisseoBchaftliche Rundschau.
e) die Otitis von Schwindel oder halbseitigem Kopfschmerz begleitet
ist oder eine erhebliche Verengerung des Gehörganges den freien Abflass des
Secretes hemmt
6. Andere F&lle chronischer, eiteriger Mittelohrentzündung brauchen
nicht immer zurückgewiesen zu werden.
7. üeber die Möglichkeit der Annahme derselben unter erschwerendeQ
Bedingungen soll in jedem Falle für sich, nach einer Untersuchung durch
einen competenten Sachkundigen, entschieden werden.
8. Folgezustände g&nzlich geheilter Obreiterungen (miss verstand lieh
D. Ref.!) können ohne Bedenken zugelassen werden. Nur die persistente
Trommelfellperforation motivirt eine geringe Pr&mienerhöhung.
9. Durch die „Radicaloperation** geheilte chronische Eiterungen können
ungeachtet grösserer Knochendefecte resp. retroauriculärer Oeffnnng in Folge
der Operation, unter Prämienerhöhung angenommen werden.
10. Doppelseitige hochgradige Taubheit und schwere Fälle von Ohr-
schwindel können erschwerende Aufnahmebedingungen motiviren.
Anmerkung des Referenten. Die 11. Schlussfolgerung haben wir
wegen ihres zu lockeren Zusammenhanges mit der einschläsrigen Materie nicht
wiedergegeben. Wenn wir uns auch mit obigen Schlussfolgerungen einver-
standen erklären, so leuchtet uns nicht ein, wodurch bei durch die Total-
aufmeisselung mit Epidermisation der ganzen Operationshöhle wirklich
geheilten Fällen die geringe Prämienerhöhung (cf. Schlussfolgerung 9) mo-
tivirt ist. Grunert.
42.
Eiielberff, Chronische eiterige Mittelohrentzündung mit Garies
des Felsenbeins bei einem Diabetiker. Wien. med. Presse 1901.
Nr. 51 u. 52.
Die im feuilletonistischen Style geschriebene Arbeit, welche auch, wenn
sie anonym erschienen wäre, sofort ihren Verf. erkennen Hesse, hat für den
Leser das Gute, ihn nach des Tages Müh* und Last ein wenig zu zerstreuen.
Aus der Welt des Ernstes, an die ihn sein Beruf fesselt, wird er in eine
Welt freiwilligen und unfreiwilligen Humors geführt. G runer t.
43.
Eiielberg , Otologie und Mastalgie bei Neurasthenikern, bezw.
bei Hysterischen. Wiener med. Blätter 1901. Nr. 50.
Die mitgetheilte Casuistik bietet für den Leserkreis dieses Archivs nichts
Neues dar. Grunert.
44.
Alexander, Ueber die operative Eröffnung des Warzenfortsatzes
in Schleich'scher Localanästhesie. (Aus der Univ.-Ohrenklinik
in Wien.) Wien. klin. Wochenschr. 1901. Nr. 33.
Aus der spärlichen bisherigen Literatur über obigen Gegenstand wagt
Ref. eher den Schluss zu ziehen, dass die von den einzelnen Gollegen an-
gestellten diesbezüglichen Versuche wenig befriedigend ausgefallen sind, als
dass überhaupt so gut wie keine Versuche, die Schleich* sehe Localanästhesie
für die Mastoidoperation zu verwenden, gemacht worden sind. Um so er-
freulicher ist es, dass hier eine grössere Versuchsreihe — 11 Fälle — vorliegt.
Fall 1. 25 jährig, weiblich; acuter Fall; Dauer der Operation 1 Stunde;
70 ccm der starken Schi eich -Lösung verwandt. „Im Beginn des Meisseins
wird das Hämmern am Schädel unangenehm empfunden, sonst vollkommene
Analgesie.*"
Fall 2. 33 jährig, weiblich ; acuter Fall; Dauer der Operation ^4 Stunden;
40 ccm der Schleich -Lösung L „Die ersten Meisselschläge werden un-
angenehm empfunden, im Uebrigen vollkommene Analgesie.*'
Fall 3. 67 jährig, weiblich; einfache Aufmeisselung; Dauer der Operation
Xy. Wissenschaftliche Bundschaa. 139
^/4 Stunden; 40 com der starken Schleich -Lösung. „Die Patientin verh<
sich während der Dauer der ganzen Operation ruhig, die ersten Meisselschläge
werden als unangenehme Erschütterung empfunden. Sonst ist die Analgesie
durchaus zufriedenstellend.*
Fall 4. 17 jährig, weiblich; acuter Fall; Dauer der Operation ^4 Stunden;
70 ccm starker Schi eich- Lösung. „Die Patientin, die eine Viertelstunde
Yor der Operation 0,01 Morph, hydrochl. subcutan erhalten hat, reagirt nur
ungern auf an sie während der Operation gerichtete Fragen, verhält sich
ruMg und giebt nur vorübergehende Schmerzempfindung an, welche jeweilig
durch Infiltration rasch beseitigt wird; die Hammerschläge werden unangenehm
empfanden.*'
Die übrigen Fälle zeigten das entsprechende Verhalten.
Hervorzuheben ist, dass sämmtliche Fälle, in einem Alter von 17 bis
67 Jahren, weibliche Personen betrafen, und dass in keinem Falle die Total-
aofmeisselung gemacht worden ist Verf. empfiehlt die Anwendung der
Sc hl eich -Lösung I (Cocain, hydrochl. 0,2, Morph, hydrochl. 0,02, Natr.
chlorat. 0,2, Aq. dest. ad 100,0). Besonderen Werth legt er auf die sorg-
fältige Infiltration' der membranösen hinteren Gehörgangswand, des sehnigen
Ansatzes des M. sternocleidomastoideus, sowie des Antrum. Das Innere des
Warzenfortsatzes infiltrirt er von der ersten Meissellücke aus mittelst einer
Canüle, die tangential zur Corticalis auf 2—4 mm eingeführt wird. „Nach
Bedarf werden während der Operation die tieferen Knochenpartien wieder
mit Schi eich* scher Lösung infiltrirt, wobei es sich lediglich um Analgesirung
der vorhandenen Granulationen und des geschwollenen und verdickten £n-
dosts, bei diploetischem Warzenfortsatz um die Infiltration des Markgewebes
handelt. **
Anmerkung des Referenten. Die Erfahrungen des Verf. fordern
zur Nachprüfung auf. Es wäre von unschiU;zbarem Gewinp, wenn das Ver-
fahren es uns ermöglichte, in solchen Fällen, in denen man sich nur ungern
zü einer allgemeinen Narkose entschiiesst, die letztere zu umgehen. Nicht
einverstanden sind wir aber mit dem Vorschlag des Verf., den Patienten
durch ein Gespräch, welches eventuell eine Wärterin mit ihm führen kann,
abzulenken von dem Opera tionsact. Durch dieses Gespräch könnte auch
leicht der Operateur abgelenkt werden, der doch bei den ganz unberechen-
baren Verhältnissen, welche ihm in jedem Stadium der Operation entgegen-
treten können, in jedem Moment all seine Gedanken auf das, was er thut,
zu concentriren hat. Auffallend ist uns, dass nach Verf. 's Mittheilungen
grade das Meissein am Knochen „ unangenehm'' empfunden ist, was nach
unseren diesbezüglichen Erfahrungen schmerzlos ist. Grüne rt.
45.
ZcUewski, Beitrag zur Lehre über die postoperative Behandlung
nach der Atticoantrotomie (Preglad Lekarski 44, 45. 1901).
Unrichtig ist die Ansicht des Verf., dass der Steigbügel, insofern er
nicht im Zusammenhange mit den anderen Gehörknöchelchen ist, für*s Gehör
gleichgültig, ja hinderlich sei, und deshalb bei der Radicaloperation zugleich
mit der Schleimhaut der Paukenhöhle entfernt werden könne, ohne befürchten
zu müssen, dadurch eine Verschlimmerung des Gehörs herbeizuführen; ferner
unrichtig, dass das gewöhnliche Loos der mit permanenter retroauriculärer
Oeffnung ausgeheilten Patienten das sei, dass die in der Operationshöhle sich
anhäufenden Schuppen durch Zerfall zur Entzündung der Weichtheile und
des angrenzenden Knochens und schliesslich zu derselben oder zu noch
schwererer Krankheit führen, als die, wegen welcher die Operation ausge-
führt worden war. Nicht originell ist der Vorschlag, die Ausfüllung des
hinteren Theiles der Operationsböhle und den Verschluss der retroauriculären
Oeffnung anzustreben durch festere Tamponade nur vom Gehörgange aus und
durch rechtzeitiges Einstellen der hinteren Tamponade in der Nachbehandlung.
Das Ausbleiben von Recidiven nach dieser Methode ist jedenfalls zweifelhaft.
Spira.
140 XY. WisBenBchafUiche Rundschau.
46.
J.Seäziak (Warschau), lieber Ulcus induratum syphiliticum in der
Mund-, Nasen-, Rachenhöhle und in den Ohren. (Gazeta Le-
karsha 23. 1901.)
S^dzlak stellte aus der Literatur 3767 Fälle von hartem Schanker der
oberen Luft- und Speisewege zusammen. 1. Davon entfallen die meisten
(2471 F&lle) auf die Mundhöhle. Die «rösste Zahl lieferte Frankreich (1151
F&lle), dann kommt Russland mit 443 Fällen. Frauen waren häufiger afficirt
als Männer. Am meisten betroffen waren die Lippen (2189 Fälle), dann kom-
men Zunge (204 Fälle), Zahnfleisch, Mundwinkel, Wangen, harter Gaumen und
Zungentonsille. Die häufigsten Ursachen waren Kuss, Speise-, Trink- und
Rauchgeräthe, dentistische Instrumente, Zahnbürste, inficirte Ammen, Tele-
phon, Papiermesser, Sacktücher, Servietten, seltener Speichel, Zahnstocher,
rfadel, Zerstäuber, Lippenfarbe, Banknoten. 2. Auf den Pharynx entfallen
790 Fälle, davon lieferte die grösste Zahl Russland (288 Fälle). Am häufig-
sten ergriffen waren die Gaumenmandeln (599 Fälle), seltener der weiche Gau-
men, die Gaumenbögen und die hintere Rachenwand. Als häufigste Ursachen sind
angegeben Löffel, Kuss, Ohrkatheter, Gläser, seltener Coitus praeternaturalis,
Glasbläser, unreine Finger, Gigaretten, Cigarren, Zahnbürsten, Pinsel, Blei-
feder u. a. 3. Für die Nase entfallen 118 Fälle. Die grösste Zahl liefert&
wieder Frankreich. Am häufigsten afficirt waren: Nasenflügel, -rücken,
-spitze,— Septum und der Naseneingang, 1 mal war die untere Nasenmuschel Sitz
der Helkose. Als Ursachen sind angegeben: Bohren in der Nase mit den
Fingern, Biss, Sacktuch, Schnupftabak, Kuss a. a. 4. Auf die Nasenrachen-
höhle entfallen 88 Fälle. Auch hier wird das grösste Contingent von Frank-
reich gestellt. Sitz der Affection waren: Tubenmündung, hintere Pharynx*
wand und die L u sc hk ansehe Tonsille. Fast in allen Fällen ist Katheteri-
siren der Tuba als Ursache angegeben. 5. Auf das Ohr entfallen nur 28 fälle.
Die meisten Fälle stammen wieder aus Frankreich. Am öftesten waren affi-
cirt die Ohrmuschel, viel seltener der äussere Gehörgang und der Warzen-
fortsatz. Als Ursachen sind am häufigsten notirt: Biss, Katheterismus, Kuss,
Stochern in den Ohren. 6. Syphilitische Primäraffectionen im Larynx fanden
sich am seltensten, nämlich nur in 2 Fällen, angeblich in Folge eines
Kusses. Zum Schlüsse giebt der Verfasser ein klinisches Bild des Ulcus durum
an den genannten Stellen. Die RückschiOsse auf die nothwendigen hygieni-
schen und prophylaktischen Yorsichtsmaassregeln ergeben sich aus den an-
geführten Daten von selbst. Spira.
47.
Th. Heimann (Warschau), Ueber die Perlgeschwulst (Cholesteatom)
des Obres. Vortrag, gehalten in der Warschauer ärztlichen Gesellschaft
am 5. März 1901 (Medycyna 21, 22, 23. 1901).
Kritische Besprechung der über die Genese des Cholesteatom im Schlä-
fenbeine herrschenden Ansichten. Obgleich sämmtliche von Hei mann beob-
achteten Fälle von Cholesteatom als Folge von Mittelohrentzündung aufgetreten
sind, schliesst er dennoch die Möglichkeit einer primären Entstehung dessel-
ben als heteroplastisches Neoplasma im Sinne Virchow*s nicht aas, und
weist darauf hin, dass keine der bekannten Ansichten die Frage der Ent-
stehung des Cholesteatoms in befriedigender Weise zu lösen geeignet ist.
Auch die Frage, warum manche Fälle von chronischer Mittelohreiterung zur
Cholesteatombildung führen, andere nicht, harrt noch einer plausiblen Be-
antwortung.
Da einerseits Heilung ohne chirurgische Eingriffe, andererseits Recidiv
trotz sogenannter radicaler operativer Behandlung vorkommt, kann man nach
Hei mann versuchen, auf conservativem Wege zum Ziele zu kommen, wenn
der Gehörgang hinreichend weit ist, durch Einspritzungen Cholesteatommassen
mit Leichtigkeit herausbefördert werden und der Patient einer systematischen
ärztlichen Controlle untersteht. Hingegen ist auf die Operation zu drängen,
wo diese Bedingungen nicht vorhanden sind, und besonders bei cerebralen
XY. Wissenschaftliche Rundschau. 141
and meningealen Reizerscheinungen, wie halbseitigen Kopfschmerzen, Schwin-
delu. 8. w. Spira.
48.
Zalewski (Lemberg), Ueber die Behandlung der Ohrpolypen (6a-
' zeta Lekarska 28, 29, 30, 31. 1901).
Verfasser giebt eine ausgedehnte Darstellung der gebräuchlichen Mittel
und Methoden zur Behandlung der Obrpolypen, ohne Neues zu bringen.
Zur Beseitigung kleiner Polypen, Polypenreste und der diffusen Schleimhaut-
hypertrophie der Paukenhöhle empfiehlt er ein eigenes Instrument, welches
nichts Anderes als die von Schrötter angegebene, von Pieni^zek modi-
ficirte Kehlkopfpolypenzange darstellt, nach Form und Grösse den räumlichen
Verhältnissen des Ohres angepasst. Spira.
49.
Sedziak (Warschau), Uebcr den günstigen Einfluss des Erysipels
'auf den Verlauf einer schweren acuten Mittelohrentzündung
(Kronika Lekarska 22. 1901).
In einem Falle von Otitis acuta med. sin. und Rhinopharyngitis acuta
trat einige Zeit nach der Paracentese des Trommelfelles Verschlimmerung
der Krankheit ein. Hochgradige Schmerzen in der Gegend des sehr druck-
empfindlichen Warzenfortsatzes, heftige Kopfschmerzen, unruhiger Schlaf,
copiöse Eiterung. Die Eröffnung des Warzenfortsatzes wurde dem Patienten
vorgeschlagen, aber von ihm verweigert. Etwa 5 Wochen nach Beginn der
Ohrenkrankheit trat auf der entsprechenden Gesichtshälfte ein Erysipel hinzu.
Eine Woche später stellte sich der Patient geheilt vom Erysipel und mit voll-
ständig normalem linken Gehörorgan vor.
Nach Ansicht des Verfassers unterliegt es keinem Zweifel, dass die Hei-
lung der Ohrenkrankheit, die zuvor progressiv war und sogar einen chirur-
gischen Eingriff indicirt erscheinen liess, nach dem Hinzutreten des Erysipels
im Verlaufe einer Woche vollständig zurückging. Verfasser meint, dass liier
durch eine neue Invasion derselben Parasitengattuna; (Streptokokken) frische
Kräfte des Organismus zum Vorschein gebracht wurden, denen die alten im
Kampfe mit dem Organismus bereits abgeschwächten Mikroorganismen nicht
mehr Stand halten konnten. Spira.
50.
PoÜ Camillo, I Progressi della Otologia nel Secolo XIX. Genova
1901. Massuno.
Zum Verständniss der heutigen wissenschaftlichen Otologie ist die Kennt-
niss ihrer historischen Eutwickelung nöthig. Eine lange Periode des krassen
Empirismus ohne anatomisch - pathologische Basis ging ihr voraus und erst
spät erstand sie, obwohl schon zu Zeiten des Hipp ok rate s gewisse Krank-
heiten des Ohres bekannt waren. Bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts be-
herrschen die Errungenschaften der Anatomie das Gebiet der Ohrenheil-
kunde: Fallopia, Eustachius, Vesal, Ingrassia (Steigbügelentdecker),
Fabricius ab Aquapendente, dann später Morgagni (Scbleimpolster
der Pauke der Neonaten). Im 17. Säculum Valsalva; im 19. Jahrh. Mor-
gagni stellt die Bedeutung der Eiterung für die intracraniellen Complicationen
fest; Cotugno entdeckte das Labyrinth wasser, Scarpa die Endolymphe, die
Macul. cribr. anterior und die Membr. tymp. secund. Daher ist die wis-
senschaftliche Otologie in Italien geboren. Im 17. Jahrhundert
baut de Verney auf anatomisch-pathologischer Basis ein rationelles thera-
peutisches System auf. Im 18. erkannte Losch e vi n zuerst den Infections-
weg vom Rachen zum Ohre, Guyot schlug den Katheterismus vor, J. L.
Petit die Eröffnung des Warzenfortsatzes, die aber dann durch Jasser sehr
eingeschränkt wurde und durch den Tod des Dr. v. B e r g e r völlig in Miss-
eredit kam. Sims und Gunningham Saunders bereiteten wissenschaft-
lich das 19. Jahrhundert vor. 1800 macht Astley Cooper die erste Per-
142 XV. Wissenschaftliche Rundschau.
foration des Trommelfells, und zwar zum Zwecke der HörTerbesserung, und erst
1803 schlägt AI ard das diBcreditirte Verfahren neuerdings bei £iterretention
vor. In Deutschland geringer Fortschritt am Ende des 18. Jahrhunderts mit Aus-
nahme von Lentin, Löffler. Obwohl schon im 15. Jahrhundert Pietro
de la Gertata vorschlug, das Ohr bei Sonnenlicht mit einem Speculum zu
untersuchen, und obschon FabricinsHildanusim 16. Jahrhundert ein zwei-
klappiges Speculum vorschlug, erstand doch erst im tO.dieÜDtersuchuDgsmethode
mit Spiegel und Trichter (Itard- Kramer). In Frankreich wurde die neue
Zeit eingeleitet durch Itard, durch die Arbeiten von Deleau, Meni^re,
Bonnafont. In England basirt die Wissenschaft auf Sims. Saunders,
Buchanan, Swann, die Praxis auf Wilde, Toynbee, dessen patholo-
gisch-anatomische Studien zu vergleichen sind mit den Leistungen von Yal-
saiva und Morgagni. Toynbee erkennt die Wichtigkeit des Mittelohres
für die Schwerhörigkeit, die Bedeutung des Cholesteatoms, Wilde betont die
klinische Wichtigkeit des Mittelohrs sds Propagationsweg nach der Schädel-
höhle. Erfindung der Polypenschlinge. In Deutschland stand man unter
Itard*s Einfluss (Linke, Schmalz, Frank, Beck); auch Kramer hielt
eigensinnig an der Idee der vorzugsweise nervösen Ohrerkrankungen fest.
Sein Lebenslauf zeigt, dass Genie und Arbeitskraft ohne Selbstkritik und
eifrige Beobachtung nicht zum Ziele führen. In der 2. Hälfte wirkt v. Tröltsch,
Schwartze und Politzer. 1864 Gründung des Archivs für Ohrenheilkunde.
Seit V. Tröltsch basirt die Otologie 1. auf pathologischer Anatomie, 2. auf
physiologischer Analyse, 3. auf gründlicher und einfacher Untersuchangs-
methode. — Erst im letzten Drittel tritt Italien wieder mit in den Strom
wissenschaftlicher Bewegung auf diesem Gebiete. Gründung der italienischen
Fachzeitschriften u. s. w. Hau g.
51.
Charles König , Sur un nouveau proc^dö simple et pratique de
rendre la massage direct de la chaine des osselets deroreille
au moyen de la sonde a ressort de Lucae moins douloureux
et partout plus efficace. Archives internationales de Laryngologie,
d*Otologie et Bhinologie Septembre-Octobre 1901.
Der Verfasser verwendet, um die Anwendung der Lucae'schen Druck-
sonde möglichst schmerzlos zu gestalten, flüssiges erwärmtes Paraffin, in wel-
ches die kleine Pelotte für den Proc. brevis eingetaucht wird, so dass also
die Höhlung mit Paraffin ausgefüllt ist, das nach dem Erkalten ein völlig
freies und schmerzloses und in Folge dessen viel wirksameres Manipulireo mit
der Sonde gestatten soll. Haug.
52.
H. Baldsz, Ueber den Werth einiger neuerer Heilverfahren in
der Ohrenheilkunde (Pneumomassage, Hydropneumomas-
sage, Lucae'sche pneumatische Sonde). Centralblatt für die ge-
sammte Therapie u. s. w. Heft YIII u. IX.
Haldsz verficht ausserordentlich energisch die von Stetter aufgestellte
Theorie der Myringitis chronica sicca und sucht sie an der Hand seiner eigenen
Erfahrungen von Neuem zu erhärten. Bezüglich der Erfolge der Behandlang
sowohl dieser Myringitis chronica sicca, als auch der anderen chronischen
Formen der Beweglichkeitsstörung des Schallleitungsapparates kommt der Ver-
fasser zu dem Schlüsse, dass die Pneumomassage ein ausserordentlich zu em-
pfehlendes Verfahren sei. Insbesondere die Lucae'sche Hydropneumomas-
sage und die federnde Drucksonde erzielen oftmals geradezu frappante Er-
folge. Haug.
53.
Beimar, Ein Fall von Fremdkörperabscess in der Ohrgegend.
Berliner klin. Wochenschr. 190t. Nr. 46.
Es handelt sich in diesem Falle um einen durch das Eindringen eines
Fremdkörpers in eine Wunde der Stirnscheitelgegend vor geraumer Zeit ent-
XV. Wissenschaftliche Rundschaa. 14S
standenen Abscess der rechten Schl&fengegend ; vor 11 Jahren war dem Pa*
tienten gelegentlich eines Unfalles ein Steinstückchen (Quarz) unter der ver-
letsten Haut zurückgeblieben. Zwei Mal traten in der Zwischenzeit schwerere^
drei- oder vier Hdal leichtere Eotzündungserscheinungen auf, während in den
langen Pausen dazwischen der unter der Haut befindliche Stein sich durch
keinerlei Beschwerden bemerkbar machte. Bei dem ersten Anfalle hatte sich
ein ausgedehnter subcutaner Abscess gebildet, der scheinbar völlig ausheilte,,
nachdem durch Einschnitt unter den Proc. mastoid., ziemlich weit weg vom
Ursprnngsorte, der Eiter entleert worden war. Die anderen Male gingen die
Entzündungserscheinungen bald spontan zurück. Erst mit Entfernung der Ur-
sache trat definitive Heilung ein. Hang.
54.
Löhnherg, Zwei Fälle von Fremdkörpern in den Nasenneben-
höhlen. Manch, med. Wochenschr. 1901. Nr. 45.
Fall I. Bei einem mit enormer Entwicklung von Nasenpolypen behaf-
teten Patienten faod sich nach Extraction derselben in der Gegend der vor-
deren Siebbeinzellen rechts ein harter Körper, der sich als ein 2 qcm grosses
und 2 mm dickes Eisenstück erwies. Es war dies ein Stück eines Gewebr-
laufes, der dem Patienten vor 20 Jahren geplatzt war; das Stück Eisen hatte
das Auge durchschlagen — Patient trug ein Glasauge — und war durch die
Lamina papyracea eingedrungen.
Fall 11. Bei einem 7 Wochen vorher gelegentlich einer Rauferei mit
einem Schraubenschlüssel vorn auf den Kopf geschlagenen Patienten (Stirn-
wunde mit Blutung durch die Nase) fand sich gelegentlich der Operation dea
traumatischen rechtsseitigen Stirn böhlenempyenis ein 1,9 cm langes, 0,9 cm
breites und 0,3 cm dickes Stück Filz. Das Filzstfick stammte vom Hute des
Patienten und war mit der Verletzung in den Sinus frontalis hineingerathen.
Haug.
55.
Hugo Frey, Experimentelle Studien über die Schallleitung im
Schädel. Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane.
Bd. XXVIII, Heft 1.
Durch interessante experimentelle Untersuchungen hat es Verfasser unter-
nommen, das Phänomen der »Knochenleitung" auf eine solide physikalische
Basis zu bringen. An der Hand eines historischen Ueberblickes giebt er dem
Leser ein Bild vom bisherigen Stand der Frage, schildert dann die im Original
Dachzulesende Methode der Untersuchung, wobei er das den wesentlichsten
Theil des Untersuchungsapparates bildende Mikrophon genau beschreibt, und
schildert schliesslich eingehend seine zahlreichen Versuche und ihre Anord-
nung. Zuerst hat er die Fragen zu beantworten gesucht: 1. In welcher Weise
wird der Schall überhaupt im menschlichen Knochen fortgeleitet, und welchen
Einfluss nimmt die Structur des Knochengewebes auf den Leitungsvorgang?
und 2. Wie verhält sich in dieser Beziehung der macerirte Knochen zum
frischen? Seine diesbezüglichen Versuche hat Verfasser am Femur des Men-
schen vorgenommen, und zwar sowohl am macerirten Oberschenkelknochen^
als auch am frischen, seiner Weichtheile beraubten. Das Gesammtergebniss
seiner Experimente ist bezüglich obiger beider Fragen das folgende: I. Der
Femur leitet einen auf ihn direct übertragenen und in der Längsrichtung ein-
tretenden Schallwellenzug hauptsächlich in der compacten Substanz fort; diese
Fortleitung geschieht vorwiegend in der ursprünglichen Richtung, demnach
bei den gegebenen Bedingungen in der Längsaxe des Knochens. II. Die Schall-
äbertragung auf das Mikrophon als Maass für die in Betracht kommende
lebende Kraft genommen, geschieht je nach der wechselnden Structur des
Knochens bald besser von der Gompacta, bald von der Spongiosa. Sie ist in
der Compacta gegenüber der Spongiosa um so besser, je mächtiger jene
dieser gegenüber entwickelt ist. III. Dieser Satz gilt gleichmässig für den
macerirten, trockenen, wie für den die Weichtheile enthaltenden feuchten
Knochen; er wird voraussichtlich auch für den lebenden Knochen zutreffen.
144 XY. WigseaschafUiche Rundschau.
Weiterhin hat sich Verfasser an die Lösung folgender beider Fragen
herangemacht: 3. In welcher Weise werden den Sch&delknochen zugeführte
Schallwellen in diesen fortgeleitet; in welchem Ausmaasse geschieht dies und
aof welchem Wege? und 4. Wie verh< es sich diesbezüglich a) beim mace-
rirten Schftdel, b) bei einem nicht macerirten Kopfe? Wir müssen die Schil-
derung der Schwierigkeiten übergehen, welche Verfasser zu überwinden hatte,
bia er eine geeignete Versuchsanordnung gefunden, und beschränken uns auf
die Mittheilung seiner diesbezüglichen Versuchsresultate : 1. Die Richtung,
welche auf den Kopf übertragene Schallwellen in dem knöchernen Theile des-
sdben einschlagen, ist wesentlich abh&ngig von der Knochensubstanz in Be-
zug auf ihre Dichte. 2. Wenn daher von dem Gehörgang der einen Seite
Schallwellen ausgehen, so verbreiten sich dieselben wohl im ganzen Schädel,
sie werden aber vorzugsweise nach den symmetrischen Punkten der anderen
Schädelhälfte, also zur gegenüberliegenden Pyramide geleitet. 3. £s besteht
demnach eine Schallübertragung von Ohr zu Ohr auf dem Wege der Knochen-
leitung. Diese wird durch den knöchernen Schädel allein vermittelt, ohne
dass die sogenannte Schallleitungskette hierbei eine wesentliche Rolle spielen
mflsste. 4. Diese Verhältnisse finden sich schon am macerirten Schädel, sie
werden durch die Weichtheile des frischen Schädels in ihrer Wesenheit
nicht alterirt und bestehen voraussichtlich in gleicher Weise am leben-
den Kopf.
Zum SchluBS macht Verfasser noch auf die Bedeutung seiner Versuchs-
ergebnisse für die Physiologie des Gehörorgans aufmerksam, insbesondere aaf
den neuen Gesichtspunkt, den sie für die Lösung des Problems der soge-
nannten Schwebungen erbringen. Was die Nutzanwendung seiner Versuchs-
ergebnisse für die Frage der Schallleitung von Ohr zu Ohr anbetrifft, so
spricht sich Verfasser darüber folgendermaassen aus: „Der Umstand, dass ge-
rade die Pyramiden es sind, welche die härtesten Knochenmassen aufweisen,
die wir am Körper finden, zeigt, dass hier eine Vorrichtung geschaffen ist,
welche die auf den Schädel irgendwie auftreffenden Schallwellen vor Allem zu
den Gehörorganen leitet und diese selbst in eine zweckdienliche Verbindung
unter einander setzt. "^ Granert.
Personal- und Faehnaehriehten«
Im ki^l. Central-Taubstummeninstitut zu München, Goethestrasse 70, wird
vom 21. Mai bis 3. Juni ein Cursus für Ohrenärzte und Taubstummenlehrer
abgehalten werden, in welchem Berr Hofrath Professor Dr. Bezold die
Kinführuog in die Untersuchung des Taubstummenohres, Herr Dr. Wann er
die Einführung in die Anatomie und Physiologie der Sprechwerkzeuge und
Herr Director Koller die Einführung in den Sprechunterricht für die par-
tiell hörenden Taubstummen übernehmen wird.
Beginn des Gurses Mittwoch den 21. Mai Morgens 8 Uhr.
In der Versammlung „Westdeutscher Hals- und Ohrenärzte in Köln*"
(Sitzung vom 29. April 19UÜ) nahmen ausser den Mitgliedern eine Anzahl
von Taubstummenlebrern und ein Vertreter der Regierung theil. Auf der
Tagesordnung stand in erster Linie die Frage des Taubstummenunterrichtes.
Als Hauptredner sprachen Keller- Köln über die Untersuchungsmethode
mittelst der Bezold* sehen Tonreihe, und Denker- Hagen über die Unter-
suchungsresultate in Taubstummenanstalten. Letzterer plädirte für getrenn-
ten Unterricht der vollständig Tauben und derjenigen mit Gehörresten. An
der folgenden Discussion betheiligten sich auch Taubstummenlehrer. Die-
selben betonten, dass auf vorhandene Gehörreste bisher beim Unterricht immer
geachtet und dieselben auch benutzt worden seien. Ob eine Trennung der
Schüler in dem von den Ohrenärzten geforderten Sinne möglich sei, schien
einem Redner zweifelhaft. Auch wurde auf die finanziellen Schwierigkeiten
hingewiesen, die eine solche Neuorganisation im Gefolge haben würde. Im
Allgemeinen trat eine erfreuliche Uebereinstimmung in den Ansichten der
Ohrenärzte und Taubstummenlehrer zu Tage.
Personal- und Facbnachrichten. 145
30. Januar 1902. Als Nachfolger des am 16. September 1900 Terstorbenen
Prof. Abraham Kuhn in der Direction der Ohrenklinik in Strassborg im
Elsass ist der Privatdocent Dr. Paul Manasse daselbst (approblrt als Arzt
1S91), unter gleichzeitiger Beförderung zum Extraordinarius in der medicini-
schen Facultät ernannt worden. Die interimistische Vertretung in der Direc-
tion der Klinik, mit welcher Manasse bisher betraut war, dauerte unge-
wöhnlich lange (lys Jahre), weil die Verbandlungen mit den zur Nachfolge
Euhn*s zunächst in Aussicht genommenen Klinikern sehr lange Zeit in An-
sprach genommen und die definitive Erledigung derVacanz verzögert haben.
Der 14. internationale medicinische Gongress wird in Madrid vom 23.
bis 30. April stattfinden. Far die Otologie ist eine besondere Abtheilung
in Aussicht genommen unter dem Präsidium von Dr. Juan Gisneros.
Dem Dr. Piffl in Prag ist die Venia legendi als Privatdocent für
Ohrenheilkunde an der Universität ertheilt.
Prof. Adam Politzer in V^Tien wurde zum k. k. Hofrath ernannt.
Aus einem BegrOssungstelegramm vom 2t. Januar d. J. an mich aus
Moskau, unterzeichnet von den Geschäftsführern B e 1 a j e f f und Stepanpw
geht hervor, dass auf dem lachten Pirog off* sehen Gongresse russischer
Aerzte eine oto-laryngologiscbe Section in mehreren Sitzungen getagt
hat. Den Bericht über die Sectionsverhandlungen werden wir demnächst
unsem Lesern zu bringen nicht verabsäumen. Schwartze.
ArehiT f. Ohrenheilkunde. LV. Bd. 10
«•
ENCYKLOPADIE
DER
OHRENHEILKUNDE
Heransgegeben
von
Dr. Louis Blau in Berlin
Bearbeitet von
Doc. Dr. alt, Wien. Privatdocent Dr. ASRER, Bern. Prof. Dr. B. BAGINSKY, Berlin. Dr. BARNICK,
Graz. Prof. Dr. BBRTHOLD, Köniosrbro i. P. Doc. Dr. BING, Wien. Dr. BLAO, Berlin. Primärarzt
Dr. BRIBQBR, Breslau. Prof. Dr. bOrkner, Göttingen. Dr. DENKER^ Hagen i. W. Privatdocent Dr.
DREYFU8S, Strassboro i. E. Dr. EITELBERO, Wien. Dr. EULBNSTEIN, Frankfurt a. N. Dr. FREY,
Wien. Prof. Dr. FRIEDRICH, Kiel. Dr. gOrkb, Breslau. Prof. Dr. GRADENIGÖ, Turin. Privatdocent
Dr. GRDNERT. Halle a. 8. Dr. GXJTZMANN. Berlin. Prof. Dr. HABBBMANN, Graz. Dr. HAMMER-
SCHLAG, Wien. Dr. HANSBERO. Dortmund. Privatdocent Dr. HAUO, München. Prof. Dr. HESSLER,
Halle a. S. Prof. Dr. JACOBSON, Berlin. Dr. JANKAU, München. Privatdocent Dr. JANSEN, Berlin.
Dr. J0£L, Gotha. Privatdocent De. KATZ, Berlin. Dr. KAYSER, Breslau. Dr. KELLER, Köln. Prof.
Dr. KIESSELBACH, Erlangen. Privatdocent Dr. KRAUSE, Berlin. Dr. KRETSCHMANN, Magdeburg.
Prof. Dr; KÜMMEL, Breslau. Privatdocent Dr. LEUTERT, Königsberg i. p. Sanitätsrath Dr. LUDEWIG,
Hamburg. Dr. MYOIND, Kopenhagen. Dr. NOLTENIUS, Bremen. Prof. Dr. OSTMANN, Marburg. Dr.
PANSE, Dresden. Prof. Dr PASSOW, Heidelberg. Prof. Dr. POLITZER, Wien. Doc. Dr. POLLAK,
Wien. Dr. REINHARD, Duisburo. Sanitätsrath Dr. ROLLER, Trier. Dr. SCHUBERT. Nürnberg.
Sanitätsrath Dr. SCHWABACH, Beruh. Dr. SCHWIDOP, Kari.sruhe. Dr. SEUQMANN, Frankfurt a. M.
DR,r SPIRA, Krakau. Prof. Dr. STEINBRÜGOE, Giessen. Db. STERN, Hetz. Prof. Dr. STETTER, Königs«
8EEG X. P. Prof. Dr. URBANTSCHITSCH, Wien. Dr. VOHSEN, Frankfurt a. M. Dr. VULFIUS, Weimar.
Prof. Dr. WAGENHÄUSER, Tübingen. Prof. Dr. WALB, Bonn. Dr. WEIL, Stuttgart. Dr. WOLF,
Frankfurt a. M. Dr. ZERONI. Halle a. S. Prof. Dr. ZUCKERKANDL, Wien.
LEIPZIG
VERLAG VON F. C.W.VOGEL
1900.
Gr. Lex% 8^ Preis: broschiert Jk 20 — ; gebunden Jk 23. — .
XVI.
Lnft- nnd Knochenleitnng.
Von
Dr. Leiser, Ohrenarzt in Hamburg.
Es ist eine bekannte phyBikalisohe Thatsache, dass feste
Gegenstände die Sohallwellen besser leiten, als die Luft. Immer-
hin ist es vielleicht nicht überflüssig, einige Versuche, die mit
ganz einfachen Mitteln herzustellen sind, zum Beweise des
obigen Gesetzes anzuführen.
Man nehme die tiefe Stimmgabel a oder o und stelle
zunächst fest, in welcher Entfernung man diese bei stärkstem
Anschlage durch die Luftleitung hört. Es werden etwa 20 —25 cm
sein. Nun nehme man einen Holzstab von 1 oder mehr Metern
Länge, halte das eine Ende an die Ohrmuschel, während man
den Stiel der stark angeschlagenen Stimmgabel an das andere
Ende des Holzstabes halten lässt. Man wird den Ton deutlich
hören. Statt des Stabes kann man auch einen mehrere Meter
langen Bindfaden nehmen, dessen eines Ende man um den
Stimmgabelstiel schlingen lässt, dessen anderes Ende man um eine
Fingerspitze gewickelt fest in den Gehörgang presst, wobei man
den Faden straff anspannt. Wird jetzt die Stimmgabel ange-
sehlagen, so hört man den Ton auf viele Meter weit. In dieselbe
Kategorie gehört die Erfahrung, dass wir das Geräusch der im
Winde schwirrenden Telegraphendrähte oft nicht mit blossem
Ohre vernehmen, dagegen es stark hören, wenn wir das Ohr
an den Telegraphenpfahl legen. Hierher gehört auch das be-
sonders von wilden Völkern ausgeführte Experiment, das Ohr
auf den Boden zu legen, um mit Hilfe der Erdleitung Geräusche
wahrzunehmen, die man mit blossem Ohre nicht hören würde.
Auch Shakespeare kennt diese Naturerscheinung. In Romeo
und Julia, letzter Act 3. Scene, sagt Paris zu seinem Pagen:
Archir f. Ohreaheilkunde. LV. Bd. 1 1
148 XTI. LEIS£R
^Dort unter jenen Ulmen streck' dich hin,
Und leg dein Ohr dicht an den hohlen Grund:
So kann kein Fnss auf diesen Kirchhof treten,
Der locker anfgewfihlt von vielen Gräbern,
Dass dn's nicht hörest; pfeife dann mir zu,
Znm Zeichen, dass da etwas nahen hörst.
Wenn man nun von der Enochenleitnng bei dem mensch-
lichen Ohre noch nichts wissen würde, so mflsste man auf Gmnd
des oben erwähnten, bekannten Naturgesetzes a priori annehmen,
dass der feste Knochen den Ton der Stimmgabel besser zum
Labyrinth leitet, als die Luft. Und thatsächlich ist anch, wie
die nachfolgenden einfachen Yersnche klar beweisen werden, die
Knochenleitnng der Luftleitung weit überlegen und nicht umge-
kehrt, wie man es in den Lehrbüchern liest.
Wenn ich nach starkem Anschlage die tiefe Stimmgabel
senkrecht und dicht fiber dem Scheitel halte, ohne ihn jedoch
zu bertthren, so werde ich den Ton durch die Luftleitung nur
kurze Zeit yernehmen. Die Tonquelle, das offene, schwingende
Ende der Stimmgabel, befindet sich dabei in einer Entfernung
von ca. 35 cm von der Ohrmuschel entfernt. Setze ich nuii
das Stielende auf den Scheitel, nachdem der Ton durch die
Luftleitung verklungen ist, so höre ich den Ton verstärkt
wieder. Die Schallwellen machen den Weg vom offnen Stimm-
gabelende durch Sti'mmgabelstiel und Schädelknochen zur Laby-
rinthkapsel.
Wenn ich die Stimmgabel, noch bevor der Ton vom Scheitel
aus verklungen ist, vor die Ohrmuschel in eine Entfernung
von 35 cm bringe, so höre ich den Ton nicht mehr. Wenn
wir, wie Weber es vorschreibt, nach Verklingen des durch die
Kopfknochenleitung vernommenen Tones die Zinken der Stimm-
gabel dicht vor die Ohrmuschel bringen, um den Ton wieder
zu vernehmen, so haben wir die Tonquelle, die sich vorher
35 cm von der Ohrmuschel entfernt befunden hatte, um diese
Strecke dem Ohre genähert. Wir haben somit einen Fehler
begangen, indem wir für einen Vergleich zwischen Knoohen-
und Luftleitung ganz verschiedene Bedingungen zu Grunde gelegt
haben. Wollen wir gleiche Bedingungen schaffen, so müssen
1) Dass der stählerne Stimmgabelstiel auch ein vorzüglicher Leiter ist,
beweist die Thatsache, dass man c vom Scheitel fast ebenso deutlich hört,
wenn man zwischen Stimmgabelstiel und Schädel eine andere Stimmgabel
zwischenschaltet, z. B. das hohe c.
Luft- and Enochenleitung. 149
wir nach dem Verklingen des vom Scheitel peroipirten Tones
die Stimmgabel, wie oben erwähnt, 35 om von der Ohrmnsohel-
entfernt halten; dann aber hören wir nichts mehr.
Ebenso geht aitch ans dem Rinne 'sehen Versuche die
Ueberlegenheit der Enochenleitung über die Luftleitung hervor,
sobald wir auch hier [gleiche Bedingungen zu Grunde legen.
Halten wir nach starkem Anschlage den Stiel der tiefen Stimm-
gabel dicht vor den Warzenfortsatz, ohne jedoch ihn oder die
Ohrmuschel zu berühren, so hören wir den Ton durch die Luft-
leitung in einer Entfernung von ca. 20 cm, soviel wie die Länge
der Stimmgabel beträgt. Setzen wir nach Verklingen des Tones
den Stiel der Stimmgabel auf den Warzenfortsatz, so hören wir den
Ton[noeh lange durch die Knochenleitung, oder genau genommen.
Stiel- und Enochenleitung. Wenn ich nach Verklingen desselben
die Stimmgabel nach Rinne dicht vor die Ohrmuschel halte,
so habe ich wiederum einen Fehler begangen, indem ich die
Tonquelle um die ganze Länge der Stimmgabel dem Ohre ge-
nähert habe. Bleibe ich dagegen, um gleiche Bedingungen für
den Vergleich der Knochen- und Luftleitung zu schaffen, um
ca. 20 cm von der Ohrmuschel entfernt, so höre ich nichts mehr.
gWir wissen, [dass bei acuter Otitis media, bei chro-
nischen einseitigen Processen im Mittelohr, so lange das Corti-
sehe Organ noch intact ist, bei Cerumen obturans C vom
Scheitel im erkrankten Ohre verstärkt gehört wird. Ich habe
nun die Erfahrung gemacht, um dies gleich voran zu schicken,
dass dieses Phänomen auch eintritt, wenn man den Stiel der
tiefen Stimmgabel auf andere Knochenpunkte des menschlichen
Körpers setzt, wie z. B. Dornfortsätze der ganzen Wirbelsäule,
Kreuzbein, Brustbein, äusseren Patellarrand, bei gebeugtem Knie,
Malleolen^ Olecranon, überhaupt von allen Knochenpunkten aus,
wo der Knochen nur eine dünne Bedeckung hat. Es ist sehr
frappant, wenn der Patient, der z. B. an einer linksseitigen
Mittelohrentzündung leidet, auf der kranken Seite den Ton der
tiefen Stimmgabel vernimmt, sobald man den Stiel auf den
Malleolus externus der entgegengesetzten Seite fest aufsetzt.
Ehe wir in die Erklärung dieser Erscheinung eintreten,
halte ich es flir richtig, an das physikalische Gesetz der Resonanz
zu erinnern. Wenn ich nämlich den Stimmgabelstiel auf einen
leicht mitschwingenden Körper, wie z. B. Tisch und Stuhl auf-
setze, wird der Ton objectiv ganz bedeutend verstärkt. Diese
Resonanz tritt nicht oder nur in schwachem Maassstabe ein,
150 XVI. LEISER
wenn es sieh um einen schwingnngsunf&higen Körper handelt
z. B. eine Steinmauer. Folgender einfacher Versuch macht die
Sache klar. Man setze den Stiromgabelstiel bei einem Normal-
hörenden auf den äusseren Patellarrand bei rechtwinklig ge-
beugtem Knie, und man wird sofort die Stimmgabel laut ertönen
hören. Dagegen tritt diese Verstärkung des Tones nicht ein,
wenn ich die Stimmgabel auf die Muskelmasse des Quad'riceps
setze. Aber der, bei dem ich die Stimmgabel aufgesetzt habe,
vernimmt den Ton nicht nur durch die Luftleitung, sondern
auch durch die Knochenleitung und zwar verstärkt, wenn er
sich die Ohren zuhält.
Der hohe diagnostische Werth des Web er 'sehen und Rinne,
sehen Versuches wird durch meine Versuche nicht berührt. Nur
glaube ich nicht, dass die Tonverstärkung auf der erkrankten
Seite nur „durch den verhinderten Abfluss der Schallwellen aus
dem kranken Ohre** hervorgerufen wird. Die Ursachen hierfür
sind jeweilig verschiedene. Bei Mittelohrentzündungen handelt
es sich nach meiner Ansicht um eine Beizung des Gorti'schen
Organs. Ebenso wie bei gewissen Augenerkrankungen die Be-
tina, ohne selbst erkrankt zu sein, lichtempfiadlicher wird-, so
wird auch bei Entzündungen im Mittelohr das Labyrinth hyper-
ämisch und sensibler werden. Nur so ist es erklärlich, dass so-
gar vom Malleolus aus der tiefe Stimmgabelton im erkrankten
Ohre mit grosser Deutlichkeit vernommen wird, während ihn ein
normal Hörender von diesem Paukte aus nach meinen Versuchen
nicht vernimmt. Dass diese Hypersensibilität nicht auch durch
die Luftleitung zur Erscheinung gelangt, dafür geben die Hinder-
nisse im Mittelohr, verdicktes Trommelfell, Exsudat, gequollene
Schleimhaut, eine genügende Erklärung. — Die Verstärkung des
vom Scheitel percipirten Tones nach derjenigen Seite, auf der
ich den Meatns mit dem Finger schliesse, kann bei dem normal
Hörenden ebenfalls nicht auf behindertem Sohallabfluss beruhen,
sondern beruht darauf, dass ich durch das Schliessen des Gre-
hörgangs diesen zu einer allseitig geschlossenen, resonanzfähigen
zweiten „Trommelhöhle*' umgestalte. Man setze z. B. den Stiel
der Stimmgabel auf denjenigen Punkt, von wo aus man den Ton
durch die Knochenleitung am stärksten vernimmt, das ist dicht
vor und etwas über den Tragus, ohne jedoch zunächst den Tra-
gus in den Meatus hineinzudrücken. Sobald der Ton hier am
Verklingen ist, versohliesse man durch einen kleinen Druck nach
hinten mit dem Tragus und Stielende die Ohröflfnung. Man höre
Luft- und Enochenleitung. 151
den Ton jetzt in bedeutend verstärktem Maasse, so wie man
ihn durch die Enochenleitung überhaupt nicht mehr hören würde.
Auf demselben Gesetze der Besonanz geschlossener Höhlen be-
ruht es auch, wenn der Patient bei Cerumen obturans C vom
Scheitel nach der erkrankten Seite lateralisirt.
Ich glaube durch meine Versuche bewiesen zu haben,
1. dass die Knochenleitung der Luftleitung überlegen ist;
2. dass die Lateralisation bei dem Webe raschen Versuche
nicht auf behindertem Abflüsse der Schallwellen beruht, sondern
einerseits auf erhöhter Sensibilität, andererseits auf erhöhter Re-
sonanz;]
3. dass bei dem Binne'schen Versuche die verlängerte
Enochenleitung in derselben Weise zu erklären ist.
XVII.
Die Zahl der Ohrenkranken in den einzelnen Ortschaften
des Kreises Harburg in ihrer Beziehung zn der örtlichen
Lage dieser Orte.
(Zweiter Nachtrag zu meineii Schalantersaohangea im Kreise
Marburg.)
Von
Professor Ostmann, Marburg.
(Mit 1 Abbildaog.) 1 !
In meiaer Arbeit über die Krankheiten des Gehörorgans
unter den Volksschulkindern des Kreises Marburg habe ich zur
Erklärung der sehr verschieden hohen Frocentzahlen von schwer-
hörigen Kindern in den verschiedenen Schulorten des Kreises
wesentlich zwei Momente herangezogen : die Verschiedenheit der
socialen und localen Verhältnisse der einzelnen Ortschaften.
Es hatte sich gezeigt, dass sich vier Gruppen von Ortschaf-
len mit hohen und höchsten Procentzahlen (von den übrigen
Landgemeinden absondern Hessen; eine centrale, eine südöst-
liche, südwestliche und nordwestliche; erstere gebildet von den
Ortschaften in unmittelbarer N&he Marburgs, die übrigen drei
in den entferntesten Ecken des Kreises.
Wenn fttr die erste, centrale Gruppe vornehmlich |die un-
günstigen socialen Verhältnisse dieser vorwiegend von Arbeitern
bewohnten Dörfer zur Erklärung für die besonders hohe Zahl der
ohrenkranken Schulkinder herangezogen werden mussten, so
schien bei den weiteren 3 Gruppen die ungünstige örtliche Lage
der Ortschaften nicht ohne wesentlichen Einfluss auf die Höhe der
Erkrankungsziffer zu sein; denn diese Landgemeinden, welche
durch billige und schnelle Verkehrsmittel mit Marburg nicht ver-
bunden sind, befinden sich in besonders ungünstiger Lage hin-
sichtlich der Ausnutzung der in Marburg gebotenen, freien spe-
oialärztlichen Behandlung. So bleiben in diesen Dörfern von
Die Zahl der Ohrenkranken in den Ortschaften des Kreises Marburg. 153
BetheQigung der einzelnen Ortschaften des Kreises Marburg am poliklinischen
Krankenzagang während der ersten 10 Jahre des Bestehens der Poliklinik,
1890—1900, in Proc. zum Durchschnitt der Einwohnerzahl.
154 XVn. OSTMANN
den einmal am Ohr erkrankten Kindern eine besonders grosse
Zahl nnbehandelt nnd nngeheilt.
Diesen 4 Gruppen von Ortschaften mit hohen nnd höchsten
Procentzahlen stand die grosse Zahl der Dörfer mit mittleren,
selbst relativ niedrigen Erkranknngsziffern gegenüber, welche in
den Flnssthftlern des Kreises Marburg gelegen sind, nnd ich hatte
darauf hingewiesen, dass ftlr dieses eigenartige Verhftltniss wohl
die örtliche Lage dieser Landgemeinden von erheblicherer Be-
deutung sein dürfte, da die leichte und schnelle Yerbindnng
dieser Orte mit Marburg den Bewohnern es gestattet, einen re-
lativ ausgiebigen Gebrauch von der freien, ärztlichen Hilfe in
Marburg zu machen.
Es war mir indess bis zur Drucklegung meiner Schulunter-
suchungen nicht möglich gewesen, selbst oder durch einen An-
deren zahlenmässig fflr die ersten 10 Jahre — 1890 bis 1900 — des
Bestehens der Poliklinik fflr Ohren-, Nasen- und Halskranke zu
Marburg nachweisen zu lassen, in welcher Weise die einzelnen
Dörfer des Kreises Marburg dieselbe in Anspruch nehmen. loh
hole das Versäumte nach, indem ich in dieser Arbeit die zahlen-
mässigen Unterlagen bringe.
Die beigegebene Karte (S. 153), in welche gemäss der beige-
f>en Zeichenerklärung das procentuarische Yerhältniss des Zu-
ganges an Ohrenkranken aus den einzelnen Ortschaften einge-
zeichnet ist, ist in folgender Weise entstanden.
Es wurde aus den Journalen der Poliklinik fflr eine jede
Ortschaft des Kreises Marburg fflr die 10 Jahre (1890—1900) die
Zahl der neuzugegangenen Ohrenkranken ermittelt und fflr diese
das procentuarische Yerhältniss zur durchschnittlichen Bevölke-
rungsziffer dieser Ortschaften berechnet. Die durchschnittliche
Einwohnerzahl wurde gefunden, indem das Ergebniss der Volks-
zählung von 1895 und 1900 addirt und durch 2 dividirt wurde. So-
fern mehrere Ortschaften zu ein und demselben Sohulort gehörten,
wurden diese gemeinsam in Rechnung gezogen, um so wieder
auf die 70 Schulorte des Kreises zu kommen.
Wenn man in Betracht zieht, dass die örtliche Lage eines
Dorfes nur ein Moment ist, welches fflr die Erklärung des Vor-
kommens von Ohrenkrankheiten unter der Bevölkerung von Be-
deutung ist, ein Moment, neben welchem eine Beihe anderer
von mehr oder weniger grossem Belange stehen, so muss die
Gleichartigkeit der Gruppenvertheilung auf dieser und der mei-
Die Zahl der Obrenkracken in den Ortschaften des Kreises Marburg. 155
nen Schulnntersuchuogen beigegeben en Karte bemerkenswerth in's
Auge fallen.
Aus denjenigen Ortsebaften, welebe die boben und höchsten
Procentzablen an schwerhörigen Schulkindern aufwiesen, sind
die relativ wenigsten Einwohner zur Behandlung in der Poliklinik
erschienen, ohne indess die Ausnahmen dieses allgemein ausge-
sprochenen Satzes tibersehen zu wollen.
Insbesondere bildet eine solche Ausnahme die centrale Gruppe
hoher und höchster Erkrankungsziffern, die von den in nächster
Umgebung Marburgs gelegenen Dörfern gebildet war.
Ich hatte bei der Erklärung der Zahlen dieser Gruppe schon
in meiner Schuluntersuchung mich dahin geäussert: „Ich möchte
glauben, dass die Procentzahlen der Schwerhörigen in den Mar-
burg umgebenden Arbeiterdörfern [noch höher sein würden, als
sie es thatsächlich sind, wenn nicht die besonders gflnstige Ge-
legenheit, die sich den Bewohnern 'zu einer freien, sachgemässen
Behandlung in Marburg bietet, doch von einer ganzen Zahl aus-
genutzt würde. So wird wenigstens ein Tb eil der Erkrankten
mit guter Hörschärfe geheilt.**
Unsere Karte bringt einen zahlenmässigen Beleg für die
Bichtigkeit dieser Worte.
Während sich die in den äussersten Ecken des Kreises ge-
legenen 3 Gruppen mit hohen und höchsten Erkrankungsziffern
in unserer Karte wiedererkennen lassen als Gruppen niedriger
und niedrigster Zugangsziffer, ist die centrale Gruppe verschwun-
den ; denn aus den Dorfgemeinden dieser Gruppe ist eine relativ
grosse Zahl von Erkrankten zugegangen«
Wenn diese Ortschaften mit ihren besonders ungünstigen
socialen Verhältnissen somit nicht durch die örtliche Lage beson-
ders bevorzugt wären hinsichtlich freier, ärztlicher Hilfe, so ist
mit Becht anzunehmen, dass die Erkrankungsziffer unter den
Schulkindern eine noch erheblich höhere gewesen wäre, als sie
es thatsächlich war.
Aus diesen Verhältnissen erhellt die Bedeutung einerseits
der örtlichen Lage eines Ortes, soweit von dieser die Erlangung
freier ärztlicher Hilfe abhängig ist, andererseits der socialen Lage
seiner Bewohner für die Häufigkeit der Ohrenkrankheiten in die-
sen Ortschaften.
Die Ortschaften des Lahnthaies mit relativ niedrigen oder mitt-
leren Erkrankungsziffern unter den Schulkindern weisen fast aus-
schliesslich mittlere oder hohe Zugangsziffern von Kranken auf.
XVIII.
Ans der Eönigl. Universitäts - Ohrenklinik zu Halle a. S. (Greh.
Med.-Ratli Prof. Dn Schwartze).
Zur Frage des Vorkommens von Glykosnrie in Folge von
Otitis.
Vonl
Prof. Dr. E. Crrunert, erstem Assistenten der Klinik.
So bekannt der Einfiass des Diabetes mellitus auf den Ver-
lauf entzündlicher Ohrerkrankungen ist, so wenig Sicheres weiss
man bisher darüber, ob durch entzündliche Erkrankungen des
Gehörorgans, bezw. ihre intracraniellen Folgezustände eine pa-
thologische Zuckeraussoheidung im Harn bedingt sein kann ; sei
es, dass es sich um eine vorübergehende Glykosurie handelt, sei
es, dass jene tiefgreifende chronische Stoffwechselanomalie, für
welche allein von Mering (1)*) die Bezeichnung Diabetes gelten
lässt, als Folge der Otitis auftritt.
Nach den spärlichen Notizen, welche bisher über diesen
Gegenstand in der Literatur zu finden sind, ist 'die genannte
Frage zur Zeit eine offene; die wenigen, im Sinne ihrer Bejahung
bisher mitgetheilten Fälle sind keineswegs beweiskräftig.
So sei es gestattet, zwei Beobachtungen aus unserer Klinik
mitzutheilen, welche Einiges zur Klärung der hier schwebenden
Frage beizutragen im Stande sind. Es handelt sich in beiden
Fällen um intracranielle Folgezustände von Otitis, in deren Ver-
lauf eine vorübergehende Glykosurie auftrat, deren ursächlicher
Zusammenhang mit jenen otogenen Hirncomplicationen nicht gut
in Abrede gestellt werden kann.}
Bei der bekannten „bunten^ Aetiologie der durch Insnlte
und Erkrankungen des Nervensystems bedingten Glykosurieen
sollte man von vornherein annehmen, dass auch öfters bei den
intracraniellen Folgezuständen der Otitis Glykosurieen vorkom-
men müssten, und zwar um so mehr, als gerade bei dieseaEr-
*) Die in Klammern beigefügten Zahlen beziehen sich auf den Litera-
turnachweis am Schlüsse der Arbeit.
Zur Frage des YorkommenB von Glykosurie in Folge yon Otitis. 157
krankungsformen das Gehirn in der yerschiedenartigsten Weise
und an den verschiedensten Stellen Schädigungen erleidet. In-
dessen erbrachte uns eine Durchsicht der einschlägigen Literatur
keine Bestätigung dieser Annahme.
Indessen ist aus dem Fehlen diesbezüglicher Literaturanga-
ben noch nicht der Schluss gerechtfertigt, dass Glykosurie in
Folge von otogenen Hirnaflfectionen ein so enorm seltenes Ereig-
niss sei, wie es erscheint. Vielmehr neigen wir der Annahme
zu, dass die transitorische Zuckerausscheidung im Harn bei die-
sen Erkrankungen öfter Mangels genügender Urinuntersuchung
übersehen worden ist. Viele der mitgetheilten Krankengeschich-
ten lassen überhaupt eine Urinuntersuchung vermissen, andere
wiederum lassen deutlich erkennen, dass die Urinuntersuchung
eine unzulängliche war, weil nur einmal eine solche stattgefun-
den hatte, beim Eintritt des betreffenden Kranken in die klinische
Behandlung.
Und was speciell die wenigen bisher publioirten Fälle intra-
cranieller Gomplication der Otitis anbetrifft, bei denen Zucker im
Harn beobachtet worden ist, so starben die Kranken so schnell
an der Gehirnerkrankung, dass die dadurch bedingte Unzuläng-
lichkeit der Beobachtung die Frage offen lassen musste, ob die
festgestellte Zuckerausscheidung in ursächlichem Zusammenhange
stand mit dem otogenen Hirnleiden, oder ob es sich um einen
rein zufällig neben dem Hirnleiden einherlaufenden Diabetes
handelte.
Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Hirnerkrankung
und Zuckerausscheidung können wir nur für diejenigen Fälle an-
nehmen, welche folgende zwei Bedingungen erfüllen: erstens den
Nachweis, dass vor der Himerkrankung kein^ Zuckerausschei-
dung bestand, zweitens die Beweisftlhrung, dass die während der
Hirnerkrankung aufgetretene Zuckerausscheidung nach der Hei-
tung der Hirnaffection vollständig verschwunden ist. Der Nach-
weis des zweiten Postulates berechtigt uns im Einklang mit der
Anschauung des bekannten Diabetesforschers v. Mering (1. c.)
von der Unheilbarkeit des Diabetes zu der Annahme, dass die
Kranken, bei denen eine Zuckerausscheidung vollständig ver-
sehwindet, nicht an schon länger bestehenden, vielleicht latent
gewesenen diabetischen Störungen gelitten haben. Den Nach-
weis, dass die Zuckerausscheidung „vollständig^ verschwunden
ist, halten wir dann für erbracht, wenn bei mehreren Unter
Buchungen (v.Mering,Naun7n[ll>]) nach dem Einfahren grösserer
168 XVm. GRÜNERT
Mengen Traubenzuckers neben der gewohnlioben gemischten Nab-
rang im Urin keine Spur von Zucker nachzuweisen ist.
Wenn wir uns nun der bisher vorliegenden einschlägigen
Literatur zuwenden, so erheben unsere aus der Literatur zu-
sammengesuchten Angaben keineswegs den Anspruch auf Voll-
ständigkeit; indessen ist schon aus dem Umstände, dass in den
Monographieen von v. Mering (1. c.) und Naunyn (1^), in dem
Schwartze'schen Handbuche der Ohrenheilkunde (2), in dem
bekannten Buche von v. Bergmann (3), in den das Verhältniss
von Ohr und AUgemeinmedicin behandelnden Monographieen von
Hang (4) und von Friedrich (5), sowie auch in den Artikeln
„Diabetes^, ^Gehirnabscess^ und „Meningitis purulenta^ in der
Blau'schen Encyklopädie der Ohrenheilkunde (6) kein Wort zu
finden ist über die uns hier interessirende Beziehung zwischen
Ohr und Zuckerausscheidung, der Schluss berechtigt, dass man
bisher auf diese Beziehung keinen Werth gelegt hat. Und dazu
hatten die Autoren ein volles Recht, weniger wegen der abnor-
men Seltenheit diesbezflglicher Beobachtungen, als wegen des
Umstandes, dass die bisher mitgetheilten Fälle eine mehrdeutige
Auffassung zuliessen. Nur in den Büchern von Körner (7) so-
wie Macewen (8) finden wir kurze diesbezügliche Notizen.
Körner (1. c.) erwähnt das Vorkommen der Glykosurie bei Auf-
zählung der Symptome der otogenen eitrigen Leptomeningitis,
Macewen (1. c.) berfthrt kurz das Auftreten von Glykosurie unter
den Symptomen des otogenen Hirnabscesses.
Aus der Literatur haben wir über folgende zwei einschlägige
Fälle zu berichten:
1. Fall, von Ulrich (9) mitgetheilt.
Bei einem 25 jährigen Patienten, welcher seit früher Jagend an chro-
nischer linksseitiger Ohreiterung litt, entwickelten sich, acute pyämische Er-
scheinungen mit Hirndrucksymptomen (Pulsverlangsamuiag); am 13. Tage nach
Beginn der acuten Symptome fing Fat. plötzlich an, laut zu schreien, warf
sich unruhig im Bette hin und her, ward bald nachher völlig bewusstlos mit
dilatirten, nicht gegen das Licht reagirenden Pupillen ; der Puls wurde klein,
am Abend erfolgte der Tod in tiefem Sopor.
Sectionsbefund: Die Sinus der Dura mater sind stark gefüllt, ebenso
die Gefässe der Pia; die untere Fläche des hinteren Lappens der linken
grossen Hemisphäre ist von dünnflüssigem, übelriechendem Eiter umspült;
am unteren Rande desselben findet sich eine linsengrosse Oeffnang, welche
in eine weit ausgedehnte, vielfach zerklüftete, am hinteren £nde^ des Corpus
callosum mit dem linken Seitenventrikel communicirende Abscesshöhle führt.
Beide Ventrikel enthalten dünnflüssigen Eiter, die innere Fläche des linken
zeigt eine gelblicbgrüne Färbung; die Wandungen des Abscesses sind mit
schwärzlichen Blutpunkten besetzt, die umgebende Hirnmasse ist erweicht.
In der Marksubstanz der linken Hemisphäre des kleinen Gehirns findet sich
ein haselnussgrosser Abscess, welcher bis zum mittleren Theil des kleinen
Gehirns sich erstreckt und mit dem 4. Ventrikel communicirt. Am linken
Zur Fra$(e des Vorkommens von Glykosurie ia Folge von Otitis. 159
Felsenbein ist die Dura mater verfärbt und abgelöst, die Oberfl&che des
Knochens rauh, der Sinus transv. sinist. bis zum Bulbus venae jugul. durch
ein festes, von dünnflüssigem Eiter umspültes Faserstoffgerinnsel ausgestopft.
Ton dem übrigen Befunde ist ausser einer bedeutenden Yergrösserung und
Erweichung der Milz nichts zu erwähnen. Der nach dem Tode aus der
Blase gelassene Urin wurde in Bezug darauf, dass möglicher
Weise durch den in den 4. Ventrikel eingedrungenen Eiter
eine Reizung ähnlich wie bei dem bekannten Experiment be-
wirkt worden sei, auf Zucker untersucht und das Vorhanden-
sein desselben sowohl durch die Trommer'sche Probe wie durch
Gährung auf das Deutlichste constatirt.
Nach unseren obigen Ausführungen betrachten wir die An-
nahme des Autors, dass in diesem Falle das Vorhandensein
von Zucker im Urin in ursächlichem Zusammenhang steht mit
dem in den vierten Ventrikel eingedrungenen Eiter, als vollkommen
in der Luft schwebend.
Ein zweiter Fall, von Truckenbrod (10) mitgetheilt, Hesse
sich schon eher in dem Sinne deuten, dass die während einer
otogenen eitrigen Leptomeningitis in vita beobachtete, rasch
zunehmende Glykosurie (1 V4 Proc. bis 2 Proc.) auf ein in autopsia
ausser der diffusen Meningitis im erweiterten vierten Ventrikel
gefundenes serös-eitriges Exsudat zu beziehen sei. Wenn auch
der Autor, der sich im Uebrigen recht zurückhaltend über diesen
Zusammenhang ausspricht, immerhin für die Annahme eines solchen
ursächlichen Zusammenhanges den Umstand in die Wagschale
legt, dass eine zwei Jahre zuvor zwecks Aufnahme in eine Lebens-
versicherung ausgeführte Untersuchung des Urins ein negatives
Resultat ergeben habe, sowie ferner den Umstand, dass vor der
letalen Ohrfolgeerkrankung alle anderen Symptome des Diabetes
(Polydipsie, Polyurie u. s. w.) vollständig fehlten, so vermögen wir
doch beide Argumente nicht als stichhaltig zu betrachten.
Zu diesen beiden Fällen, bei denen die Kritik nur zum
Resultat des non liquet kommen kann, gehört auch ein weiterer,
welcher nur als Auszug aus der Krankengeschichte bereits
aus unserer Klinik mitgetheilt worden ist (11). Freilich sind die
Notizen der Krankengeschichte, welche die Zuckerausscheidung
betreffen, in dem kurzen Krankenbericht nicht vermerkt. Es
handelt sieh hier um ein fÜnQähriges Mädchen, welches an einer
eitrigen otogenen Basilarmeningitis zu Grunde ging; dieselbe
war von einem Schläfenlappenabscess induciert worden. Daneben
stellte die Kopfsection fest: Oedem des Gehirns, Hydrocephalus
internus und die Anwesenheit gelblicher dickflüssiger
Eitermassen im 4. Ventrikel. Während dieses Kind bei
seiner Aufnahme in die Klinik zuckerfreien Urin hatte, wurde
160 XVIII. GRÜNERT
einige Tage vor dem Tode Zucker im Urin nachgewiesen, dessen
Menge von der medioinisohen Klinik auf 2 bis 3 Proc. be-
stimmt wurde.
In diesem Falle sind wir schon eher berechtigt, einen
nrs&chlichen Zusammenhang der festgestellten Znckeransscheidnng
mit einer der in antopsia festgestellten Gehirnläsionen — welche,
mag dahingestellt bleiben — anzunehmen, weil die Urinunter-
suchung etwa 14 Tage vor dem Nachweis von Zucker ein bezüglich
der Anwesenheit von Zucker negatives Besultat ergeben hatte.
Dem Einwände, dass eine einmalige Urinuntersuchung oft nicht
gentigt, um einen bereits vorhandenen Diabetes festzustellen,
können wir damit begegnen, dass das zur Zeit der Aufnahme
fieberfreie und wohlgenährte Kind noch keine Appetitstörung
zeigte und die gewöhnlichen Mengen gemischter amylaceenreicher
Kost zu sich genommen hatte, weiterhin mit dem Hinweis der
relativen Seltenheit des Diabetes im früheren Kindesalter. Schon
die Notiz der Krankengeschichte, dass es sich um ein „gut-
genährtes, kräftig entwickeltes*' Kind handelte, entkräftigt den
Verdacht, dass dieses Kind bereits zur Zeit des Eintritts in die
klinische Behandlung an einem Diabetes gelitten habe.
Immerhin genügt auch dieser Fall noch keineswegs unsern
oben an diejenigen Fälle gestellten Anforderungen, bei welchen
wir den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen
einem otogenen Gehirnleiden und einer auftretenden trans-
storischen Glykosurie för erbracht halten.
Um so einwandsfreier erscheinen uns folgende beide
Beobachtungen aus unserer Klinik:
Albert Becker, 19 Jahre alt, Schiffer aus Aken a. d. £lbe. Aufgenom-
men am 25. September 1901 wegen chronischer linksseitiger Mittelohreiterung.
Anamnese: Ohreiterung links seit Kindheit; jedoch stets beschwerde-
frei gewesen. Am 18. dies. Mts. .bekam Patient Morgens beim Aufstehen
einen so heftigen Schwindelanfall, dass er gegen den Ofen fiel. Es stellten
sich zugleich sehr heftige Kopfschmerzen ein im ganzen Kopfe, aber stärker
in der linken Kopfseite, die bis zum Aufnahmetage anhielten. Wiederholte
Schwindelanfälle und im Anschlnss an dieselben oft Erbrechen, auch bei
nüchternem Magen. Verstopfung, kein Frost, angeblich kein Fieber dage-
wesen.
Status praesens: Kräftiger Mann. Patient ist so schwindlig, dass
er geftlhrt werden muss. Pupillen gleichweit, reagiren prompt auf Lichtein-
fall. Geringe Abducenslähmung rechts. Zunge belegt, Foetor ex ore, Lippen
trocken. Kopf nach hinten gehalten, Nackenmuskeln gespannt. Sensibilität,
Motilität und Beüexe normal. Dynamometer rechts 120, links 124. Keine
Sprachstörung. Papulae n. optici beiderseits stark geröthet, Grenzen undeut-
lich, starke Gefässfüllung. Die Neuritis ist links stärker ausgeprägt als rechts.
Urin ohne Zucker und Eiweiss.
Umgebung des Ohres: Links: Geringe Druckempfindlichkeit der
Spitze. Kein Oedem der Haut, keine Infiltration.
Zor Frage des Vorkommens von Oljkosurie in Folge von Otitis. 161
Gehörgang- und Trommelf ellbefund: Links: Schlitzförmige Ste-
nose des Gehörgangs, die Tiefe nicht zu beurtheilen. Fötide Eiterung. Rechts:
Trübung des Trommelfells.
Hörprüfung: Flüstersprache links nicht unmittelbar am Ohre, rechts
in der Entfernung von mehreren Metern verstanden.
Temp. 38,1^ (Rectalmessung), Puls 66, von mittlerer Spannung.
Aus diesem Symptomenbild schlössen wir auf das Vorhanden-
sein eines von dem kranken Ohre ausgehenden intracraniellen
Leidens, und zwar in erster Linie auf einen Hirnabscess. Um
uns aber davor zu sichern, die vorzunehmende Operation nicht
bei schon bestehender diffuser eitriger Leptomeningitis auszu-
führen, schritten wir zur Lumbalpunction, deren Ergebniss —
Liquor unter hohem Druck stehend, getrübt, sehr viele, auch
mehrkernige Leukocyten enthaltend — uns auf die Vornahme
eines operativen Eingriffes verzichten Hess, weil es nach unseren
bisherigen Erfahrungen uns das Bestehen einer diffusen eitrigen
Meningitis, jwelcbe jeden operativen Eingriff contraindicirt, zur
Gewissheit machte. Der weitere Verlauf war der folgende:
26. September. Temp. 37,7- 38,9 <>. Morgens 10 Uhr heftige Schmerzen
im Kopf; Patient schreit laut auf, Morph, subcutan.
27. September. Temp. 37,9 — 38,7 <^. Yiel Schlaf, aber Sensorium klar.
Abends Klage Ober unerträgliche Kopfschmerzen (Morph.). Sensibilität des
rechten Armes scheint etwas herabgesetzt; leichtes Frösteln; Nahrungsauf-
nahme geringer.
28. September. Temp. 37,6—38,8^. Reichliche Eiterung aus dem linken
Ohre. Massige Infiltration unter der Spitze. Polyurie.
29. September. Temp. 37,9—39,7 <*. Polyurie, Urinmenge 3— 4 Liter.
Im Urin Zucker. Anhaltende Verstopfung, Appetit gut. Klage über ab
und zu exacerbirende Kopfschmerzen in der Stirn und linken Kopfseite.
30. September. Temp. 37,7— 39,3 ^ Heftige Kopfschmerzen in der Stirn,
so dass wiederholt Morphium- Injectionen nothwendig sind. Zucker im Urin
(1 Proc). Reine Fleischfettdiät.
1. October. Temp. 37,2—39,1®. Reichliche Eiterung aus dem Ohre; Ge-
hörgangstenose geringer. In der Tiefe des Gehörganges eine Granulation
sichtbar. Rechtsseitige Abducenslähmung. Keine Sprachstörung. Puls an-
dauernd sehr gespannt und dikrot. Urinmenge ca. 4 Liter, Urin zuckerhaltig.
2. October. Temp. 36,6— 39,4 <>.
™v Es gehört nicht in den Rahmen dieser Abhandlung, ausein-
anderzusetzen, weshalb wir uns in Folge des bisherigen Krank-
heitsverlaufes jetzt doch noch zu einem operativen Vorgehen ent-
schlossen. Vor demselben wurde noch einmal die Lumbalpunction
vorgenommen, bei welcher es indess nicht gelang, Liquor zu be-
kommen. Bei der nun folgenden Totalaufmeisselung fand sich
bei normalen Weichtheilen die hintere knöcherne Gehörgangs-
wand fistulös durchbrochen, der Knochen war an der Durch-^
bruchssteile [schwarz verfärbt. Im Warzenfortsatz bestand aus-
gedehnte Caries. Antrum und Paukenhöhle waren mit Granu->
lationsmassen erfüllt, von Gehörknöchelchenresten war nichts
mehr vorhanden. Eine Wegleitung der Eiterung nach der Schä-
162 XVIII. GRÜNERT
delhöhle (Fistel) wurde nicht anfgefanden. Es wurde nun auf
den linken Sohläfenlappen trepanirt in der Annahme, daselbst
auf einen Abscess zu stossen. Horizontaler Schnitt 1 V2 Finger
breit oberhalb des Ansatzes der Ohrmuschel; Ausmeisselung eines
Knoohenparallelogramms aus der Squama ossis temporum ia
5 : 3 cm Ausdehnung. Dura stark gespannt, pulsirend. Bei
der breiten Spaltung derselben entleert sich eine reichliehe
Menge klaren Liquors. Geftsse an der Himoberfläche stark
gefüllt Beim Einstechen in das Gehirn eine ungewöhnlich
starke Blutung. Dilatation der Einstichstelle mittelst der ge-
spreizten Eornzange, ohne dass pus sichtbar wird. Einführen
mehrerer Gazestreifen.
Wir unterlassen einen Erklärungsversuch des auffälligen
Widerspruches zwischen der trttben Beschaffenheit des etwa eine
Woche vor der Trepanation durch die Lumbalpunction gewon-
nenen Liquors und der klaren serösen Flüssigkeit, welche sich
bei der Hirnoperation entleerte, gehen auch nicht auf die Er-
örterung der Frage ein, ob die Gehirnaffection den Namen Me-
ningitis serosa in dem Quinoke'schen Sinne verdient oder
nicht, nicht weil wir diese Erörterung fbr die hier in Rede
Rede stehende Frage der Beziehung von otogenen Hirnaffectionen
zur Glykosurie für belanglos halten, sondern weil uns Mangels
einer bakteriellen Untersuchung der entleerten Hirnflüssigkeit jede
Unterlage für die Entscheidung der Frage der Meningitis serosa
ex otitide fehlt.
Uns interessirt nur die Thatsache, dass nach dieser Opera-
tion die cerebralen Erscheinungen sofort zurückgingen, dass die
Urinmenge sofort wieder in die Norm überging und der Urin bis
zum heutigen Tage, d. h. 4^/4 Monate nach der Operation, dauernd
bei der gemischten amylaceenreichen Nahrung der L Diätform
zuckerfrei geblieben ist. Auch bei der Hinzufügung reichlicher Dex-
trosemengen (200 gr pro Tag) zu dieser gemischten Kost konnte
bei mehreren diesbezüglichen ControUversuchen niemals eine Spur
von Zucker im Urin nachgewiesen werden,
Recapituliren wir diesen Fall nach der Seite der
uns hier interessirenden Frage noch einmal kurz, so
•liegen hier folgende Thatsachen vor: Bei einem
Kranken wird am Aufnahmetage der Urin bei ge-
mischter Kost zuckerfrei gefunden. Während der Zu-
nahme der schon bei der Aufnahme bestehenden Ce-
rebralsymptome in den nächsten Tagen entwickelt
Zur Frage des Yorkommens Yon Glykosurie in Folge von Otitis. 163
sieh Polyurie und eine durohEntziehung der Kohlen-
hydrate nicht unterdrückbare Glykosurie. Die letz-
tere Tersohwindet gänzlich, nachdem operativ aus der
Schftdelhöhle eine reichliche Menge eines serösen Er-
gusses entleert ist.
Welches Moment die Ursache der Glykosurie in diesem Falle
gewesen ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die patholo-
gische Anatomie lehrt uns, dass ein derartiger Hydrocephalus
externus mit einer Vermehrung der Yentrikelflflssigkeit, einem
Hydrocephalus internus, verbunden ist. Ob die mit letzterem
verbundene Druoksteigerung in den Ventrikeln, speciell auch im
4. Ventrikel, als dasjenige Moment anzusehen ist, welches die
Glykosurie ausgelöst hat, mag dahingestellt bleiben. Diese An-
nahme basirt auf der Erfahrung der „Piqüre^ GL Bernard's;
indessen macht schon Naunyn (1&) darauf aufmerksam, dass
für den Menschen die grössere Bedeutung der Gegend des 4. Ven-
trikels für das Zustandekommen von Glykosurie nicht ganz sicher
ist. Es „scheint auf die besondere Stelle, an der die Erkrankung
im Hirne sitzt, wenig anzukommen, und es giebt Fälle, in denen
zwar die Abhängigkeit der Glykosurie oder des Diabetes von
der Hirnerkrankung klar scheint, aber keinerlei Anhaltspunkt
ftlr eine Herderkrankung vorliegt oder bei der Section gefunden
wird^. Jedenfalls ist soviel sicher, dass diese supponirte Druck-
steigerung nicht die alleinige Ursache der Zuckerausscheidung
sein kann, da nicht in jedem Falle solcher intraventriculären
Drucksteigerung Glykosurie beobachtet wird. Vielleicht vermag
man auf dem Wege des Thierexperimentes der Entscheidung
dieser Frage näher zu kommen.
Die zweite Beobachtung aus unserer Klinik ist die folgende :
Ferdinand Boost, 47 Jahre alt, landwirthschaftlicher Arbeiter aus
Pouch. Aufgenommen am 29. October 1901 wegen rechtsseitiger acuter Mittel-
ohreiterung.
Anamnese: Vor 2 Monaten Schmerzen in dem bis dahin stets gesun-
den rechten Ohr und Yerschwellung des Gehörgangs. Unter der Anwendung
▼on Eataplasmen sei nach einiger Zeit das „GeschwClr'* aufgegangen unter
Nachlass der Schmerzen; 14 T&%e lang eiterte das Ohr, dann hörte die Eiterung
aufy es stellten sich heftige Schmerzen im Hinterkopfe ein unter Fieber-
erscheinungen (Fröste). Zugleich trat eine Anschwellung hinter dem rechten
Ohre auf, welche draussen incidirt wurde. Seit Beginn der Erkrankung Klage
aber Sausen im Ohr. Patient wird wegen der Schmerzen aufgenommen.
Status praesens: Massig kräftiger Mann ; innere Organe ohne nach-
weisbare Veränderungen; keine Oerebralerscheinungen; Augenhintergrund nor-
mal. Urin ohne Zucker und Eiweiss.
Umgebung des rechten Ohres: Ohrmuschel in Folge retroauricu-
lärer ödematöser Schwellung abstehend vom Schädel. Hinter dem Ohr, etwa
der Mitte des Warzenfortsatzes entsprechend, eine circa 2 cm lange Narbe,
AxehiTf. Ohienheilkimde. LY. Bd. 12
164 XVnL 6RUN£RT
in deren Mitte sich eine Fistel befindet. Auf Druck wird aus der Fistel etwas
dünner blutiger £iter entleert. Warzenfortsatz nicht druckempfindlich.
GehOrgang- und Trommelfellbefund: Der rechte Gehörgang
etwas entzfindlich verengt; kein Eiter sichtbar. Das Trommelfell, soweit es
sichtbar ist, erscheint etwas getrübt.
Das linke Ohr otoskopisch normal.
Hörprüfung: Flüstersprache rechts V« Meter, links 5 Meter,
C Yom Scheitel nach rechts,
Fi84 rechts wenig herabgesetzt.
Beim Katheterismus tnbae rechts z&hes Rasseln.
Am 31. October vor der Operation wurde Zucker im Urin nachgewiesen
(über V« Proc).
Temperatur normal.
31. October. Operation (AufmeisseluDg w^en Mastoiditis und extra-
sinuösen Abscesses).
Schnitt durch die alte Incisionsnarbe, Weichtheile speckig infiltrirt, Cor-
ticalis des Warzenfortsatzes auf dem Planum mastoideum von kleiner Fistel
durchbrochen. Im Antrum kein Eiter, wohl aber in der Spitze des Warzen-
fortsatzes. Eine Wegleitung — Enochenfistel mit Granulationen darin — führt
in die hintere Schädelgrube auf einen kirschgrossen abgekapselten extra-
sinuösen Abscess. Der Sinus sigmoideus, hier mit schmutzigen Granulationen
bedeckt, wird weiter nach unten freigelegt nach Resection der Spitze. Eiter
zwischen Knochen und dem theils entzündlich gerötheten, theils mit lappiger
Schwarte bedeckten Sinus. Nach oben reichte der pachymeningitische Herd
bis zum Sinusknie.
Der weitere HeilnngSTerlanf bot keine Störungen dar ; nach
ea. 4 Wochen wurde Patient mit vollkommen geheiltem Ohr
und fast normalem Gehör entlassen.
Was die vor der Operation constatirte Zaekeransscheidang
anbetrifft, so war dieselbe schon am 3 Tage nach der Operation
Tersohwunden. Dass dieses Verschwinden ein Tollkommnes war,
wurde dadurch erwiesen, dass Patient in den nächsten Wochen
bei mehreren diesbezüglichen Versuchen jedesmal vollkommen
zuckerfreien Urin entleerte, auch wenn ihm zu seiner reichlich
stärkehaltigen gemischten Kost pro die noch 100 — 200 g Trauben-
zucker zugeführt wurden.
Kecapituliren wir kurz noch einmal das That-
sächliche dieses Falles in Bezug auf die Zuckeraus-
soheidung:
Bei einem an einem otogenen Extraduralabseess
erkrankten 47jährigen Manne wird bei der Aufnahme
in die Klinik bei gemischter Kost zuckerfreier Urin
festgestellt. Zwei Tage später zeigt derselbe Kranke
bei derselben Kost vor der operativen Entleerung des
intracraniellen Eiterherdes Zucker im Urin. Nach
d erE n tl eeru ng d es A bs cessesvers oh windet dieZucker-
ausscheidung vollkommen.
Die Deutung des ursächlichen Znsammenhanges zwischen
der Glykosurie und dem Ohrleiden resp. der intracraniellen
Zur Frage des Yorkommens von GlykoBorie in Folge von Otitis. 165
Complioation desselben stösst in diesem Falle auf noch grössere
Sehwierigkeiten wie in dem vorigen. Liess in jenem die bei
der Operation eonstatirte, durch einen starken Hydrocephalns
bedingte Dmckerhöhung in der Schftdelhöhle immerhin die Mög-
lichkeit der Erklärung der Znckerausscheidung durch die An-
nahme einer auch im 4. Ventrikel vorhanden gewesenen ver-
mehrten Flttssigkeitsansammlung zu, so ist der hier gefundene
extradurale Eiterherd so klein gewesen — kirsehgross — , dass
man von einer dadurch bedingten nennenswerthen Drucksteige-
rang im Schftdelinnern nicht gut reden kann. Es fehlt uns
mithin in diesem Falle jede Möglichkeit einer Deutung der Glu-
kosurie. Wenn wir trotzdem per exclusionem an dem ursäch-
lichen Znsammenhange zwischen der vorübergehenden Zucker-
ausscheidung und dem Eiterherde in der Schädelhöhle festhalten
und annehmen, dass vielleicht gewisse toxische, von der Eiter-
ansammlung ausgehende Einflüsse die vorübergehende Stoff-
weehselstörung verursacht haben, so stützt uns in dieser An-
nahme die ebenfalls gemachte Erfahrung, dass hin und wieder
im Verlauf acuter eitriger Otitiden vorübergehende Zuckeraus-
Scheidungen auftreten, als deren Ursache wir auch toxische
Wirkungen des Eiterungsprocesses so lange anzunehmen bereit
sind, bis uns eine plausiblere Erklärung dafELr erbracht wird. Dass
phlegmonöse und septische Processe auf ihrer Acme transitorische
Glykosurie hervorrufen können, ist den Chirurgen längst bekannt.
Auf diese Thatsache hat Redard (12) bereits im Jahre 1S86
hingewiesen. Und auch bis in die Neuzeit ist diese Thatsache
anerkannt; im Artikel „Diabetische Phlegmone^ in der Ency-
klopädie der gesammten Chirurgie von Kocher und Quer-
vain (13) findet sich der Passus, „dass Glykosurie und Al-
buminurie gelegentlich auch ohne das Bestehen von Diabetes in
der Acme acut entzündlicher Vorgänge auftreten können^. Was
unsere bisherige Kenntniss über die Möglichkeit der Auslösung
einer Glykosurie von entzündlichen, auf der Acme befindlichen
Ohrerkrankungen anbetrifft, so sind unsere Erfahrungen nicht
neu, ist uns doch aus der Literatur ein (allerdings einziger) Fall
bekannt, in welchem ein derartiger Zusammenhang behauptet
worden ist. In diesem von Gorham Bacon (14) mitgetheilten
Falle handelte es sich um eine 25 jährige Patientin, bei welcher
während einer schweren linksseitigen acuten Otitis mit Masto-
iditis — bei der Operation wurde im Warzenfortsatz eine grosse
von erweichtem Knochen und Granulationen erfüllte Höhle frei-
12*
166 XYIII. OBUNERT
gelegt — eine vorttbergehende Glykosarie auftrat. Dieselbe
war sohon vor der Operation constatirt worden, war mithin keine
von der Narkose herrührende Intoxioationsgljkosnrie ; sie heilte
nach der Operation vollkommen und dauernd.
Wenn wir die auf der Höhe aeut entzündlioher Ohrprocesse
zuweilen beobachtete Glykosnrie als durch toxische Einflüsse
hervorgerufen betrachteten, so müssen wir auch die Möglich-
keit offen lassen, dass vom Ohr aus auf reflectorischem Wege
Gljkosurien entstehen können. Für diese Möglichkeiten spre-
chen, wenn auch nur in sehr eingeschränktem Sinne, die experi-
mentellen Untersuchungen Masini's und Tolimanti's (15),
welche bei Hunden durch Verletzung der Bogengänge eine
Veränderung des Stoffwechsels hervorrufen konnten, wenn auch
aus ihren Mittheilungen nicht hervorgeht, dass sie die uns hier
interessirende Stoffwechselanomalie hervorzurufen vermochten.
Wenn die hier aus unserer Klinik mitgeth eilten Thatsachen
keinen andern Zweck verfolgen, als den, das Augenmerk der
Fachgenossen auf diesen Gegenstand zu richten, wenn es ins-
besondere der Zukunft überlassen bleibt, eine einwandfreie
Deutung dieser Verhältnisse zu erbringen, so beanspruchen die-
selben doch ein allgemeineres Interesse schon insofern, als sie
eine neue Wechselbeziehung der Ohrenheilkunde zur Gesammt-
medicin kund thun. Sie lehren , dass eine Specialdisciplin auf
Erscheinungen stossen kann, deren Deutung nur in engster
Fühlung mit der AUgemeinmedicin zu erwarten ist, und dass
anderseits der AUgemeinmedicin von einem Specialfaohe aas
Fragen zufliessen können, die auf ihre Aufgaben vielleicht be-
fruchtend einzuwirken vermögen.
Literatur.
1. von Mering, Die Behandlang des Diabetes mellitus. Handbuch der
Therapie inaerer Krankheiten von Penzold und Stintzing. Jena,
bei Gr. Fischer, 1902.
la. Naunyn, Der Diabetes mellitus. Wien, bei Alfred Holder, t89S.
2. Schwartze, Handbuch der Ohrenheilkunde. Leipzig, bei F. G. W. Yogel,
1892.
3. V.Bergmann, Die chirurgische Behandlung von Hirnkrankheiten. Berlin,
bei August Hirschwald, 1899.
4. Hang, Die Krankheiten des Ohres in ihrer Beziehung zu den AUgemein-
erkrankungen. Wien u. Leipzig 1893.
5. Friedrich, Rhioologie, Laryngologie und Otolof^ie in ihrer Bedeutung
zur allgemeinen Medicin. Leipzig, bei F. C. W. Vogel, 1899.
6. Blau, Encyklop&die der Ohrenheilkunde. Leipzig, bei F. G. W. Vogel,
1900.
7. Körner, Die otitischen Erkrankungen des Hirns, der Hirnhäute and
der Bluüeiter. 2. Aufl. 1896.
Zur Frage des Vorkommens von Glykosurie in Folge von Otitis. 167
8. Macewen, Die infectiOs eitrigen Erkrankungen des Gehirns und Rücken-
marks. Antorisirte deutsche Ausgabe von Rudi off. Wiesbaden, bei
J. F. Bergmann, 1898.
9. Ulrich, Aerztlicher Bericht aus dem St. Hedwigs-Erankenhause zu
Berlin über die Jahre 1854—1858. Deutsche Klinik, Bd. XI, S. 35t.
10. Truckenbrod, Zeitschr. f. Ohrenheilkunde, Bd. XXI, 91.
11. Grunert u. Zeroni, Jahresbericht über die Th&tigkeit der Egl. üni-
versit&ts-Ohrenklinik zu Halle a. S. vom 1. April 1899 bis 31. M&rz 1900
(8. Fall Lina Pech). Arch. f. Ohrenheilk., Bd. XLIX^ S. 209.
12. Redard, De la glycosurie 6phtoäre dans les affections chirurgicales.
Revue de Chirurgie 1886, Nr. 8 u. 9.
13. Kocher u. Quervain, Encyklopädie der gesammten Chirurgie. Leipzig,
bei F. C.W. Vogel, 1901.
14. Gorham Bacon, Cas d*otite moyenne suppurative aigue et d'affection
mastoidienne compliqu6 de glycosurie etc. Rev. de laryng., d*otol. et de
rhinol. 1895, Nr. 8.
15. Masini, Ueber Verletzungen des Gehörorganes und ihre Beziehungen
zum allgemeinen Stoffwechsel; in Szenes* Bericht über den 5. internatio-
nalen Otologencongress zu Florenz. Archiv f. Ohrenheilkunde, Bd. XLIII,
S. 228.
XIX.
Ans der Egl. UniTersitäts-Ohrenklinik zu Halle a. S.
(Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Sehwartze).
Ueber eztradnrale otogene Abscesse.
Von
Dr. Iwan Braunstein,
Hfllfsaaaisttntoa der Klinik.
Seitdem Grnnert (1)*) aus der Halle'schen Ohrenklinik seine
Arbeit über extradurale otogene Absoesse und Eiterungen im
XLIII. Bande dieses Archivs und die sich hierauf stützende Be-
schreibung beider intracraniellen Erankheitsformen in der Enoy-
klopädie der Ohrenheilkunde veröffentlicht hat, ist keine zusam-
menfassende Darstellung dieser sich an Otitis media anschliessen-
den Erkrankungen weiter erschienen. Casuistisehe Mittheilungen
über diesen Gegenstand sind zwar von einer Reihe von Beob-
achtern gebracht und in vereinzelten Fällen auch epikritische
Betrachtungen daran angeknüpft worden, aber bisher ist in kei-
ner Arbeit, ausser in der von Grunert (1), eine aus einem grossen,
einheitlich beobachteten Material kritisch gewonnene Ge-
sammtdarstellung der Erscheinungen versucht worden, welche
durch eine Eiteransammlung zwischen Schläfenbein und Dura
mater herbeigeführt werden. Während Grunert (l) aus den Be-
obachtungen von nur 20 Fällen von uncomplicirten Extradnral-
abscessen seine Schlüsse ziehen musste, dienen der vorliegenden
Arbeit die Erfahrungen zur Unterlage, die an weiteren 88 Fällen
von echtem Extraduralabscess in der hiesigen Klinik gemacht
wurden.
Unter echtem, uncomplicirtem Extraduralabscess verstehen
wir eine Eiteransammlung zwischen Dura und Schläfen-, resp.
Felsenbein, die für sich gänzlich abgeschlossen ist und weder
mit dem intraduralen Räume, noch mit den Mittelohrräumen in
Verbindung steht oder mit letzteren höchstens durch eine feine
Fistel communicirt. Diese Definition wird deshalb hier festge-
*) Die in Klammern beigefügten Zahlen beziehen sich auf das Litera-
torverzeichniss am Schlüsse der Arbeit.
üeber extradarale otogene Abscesse. 169
legtj weil in der Literatur mehrfaoh Fälle unter der Bezeichnung
^Extraduralabscess^ mitgetheilt worden sind, die unserer Auffag*
8ung nach nicht diesem Begriff entsprechen. Ja, selbst intra-
durale Abscesse sind mit extraduralen verwechselt worden (2).
Die 88 Fälle von reinen, uncomplicirten Extraduralabsces-
sen, welche die oasuistische Grundlage fttr diese Arbeit bilden,
theilen sich in 43 chronische und 45 acute.
Unter diesen 88 Fällen von Eiteransammlung zwischen Dura
und Schläfenbein sind keine Fälle von extraduralen Eite-
rungen enthalten, deren scharfe Trennung wir bei der Ver-
schiedenheit der pathologisch -anatomischen Grundlage beider
Krankheitsformen aufrecht erhalten müssen.
Diese 88 Extraduralabscesse fanden ;sich bei 87 Patienten.
Bei dem Kranken 27 der Tabelle A wurden durch die Operation
zwei Extraduralabscesse, ein extrasinuöser und ein tiefer an der
hinteren Seite der Felsenbeinpyramide aufgedeckt.
Die betreffenden Krankengeschichten sollen am Schluss im
Auszuge mitgetheilt werden.
Vorliegende Arbeit theilt sich in folgende Abschnitte:
1. Allgemeines.
2. Pathogenese.
3. Pathologische Anatomie.
4. Symptome.
5. Diagnose.
6. Prognose.
7. Behandlung.
8. Krankengeschichten.
Allgemeines.
Unter den Erkrankungen der Schädelknochen, die einen
Extraduralabscess zur Folge haben, stehen die eitrigen Processe
des Warzenfortsatzes, der Paukenhöhle und des Labyrinths in
erster Reihe. Dass der extradurale Abscess sich an eine Er-
krankung dieser Theile des Schläfenbeins anschliessen kann, ist
seit Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt. Eine grössere Auf-
merksamkeit schenkten die Otologen dieser Gomplication der
Otitis erst, seitdem Hoff mann (Greifs wald) (6) im Jahre 1888
eine ausführliche Beschreibung dieser vom Ohr ausgehenden
intracraniellen Erkrankung veröffentlicht hatte, wo aber keine
scharfe Trennung zwischen dem uncomplicirten Extraduralabscess
und seiner Verbindung mit Complicationen gemacht wird. An
L.
170 XIX. BRAUNSTEIN
diese Publioation schlössen sich späterhin ausser kleineren Mit-
theilnngen meist easnistischen Inhalts (Hess 1er [7], Hecke [8],
Jansen [9] n. A.) die Arbeiten von Körner (3)^), Grrnnert
G. e.) und von Bergmann (4).
Das Vorkommen des echten, nncomplieirten, in sieh abge-
schlossenen Extradnralabscesses ist keineswegs so hänfig, wie
es nach den auf die Mittheilnngen Jansen's (11) gestützten
Angaben Körn er' s erscheinen muss. Die in den zehn Jahren
1891—1901 in der Halle'schen Ohrenklinik operirten Extradnral-
abscesse bilden 8,2 ^/o der gesammten in diesem Zeitranm vorge-
nommenen Mastoidoperationen. Die a c n t e n Fälle betragen 4,2 ^o.
die chronischen 4,0 <^/o. Wenn Körner anf Grund der Jans en'sohen
Mittheilungen das Vorkommen des acuten Extradnralabscesses auf
32,90/0 und das des chronischen auf 15,5^/0 berechnet, so sind
diese hohen Zahlen nur dadurch erklärlich, dass Jansen in
seine Fälle von Extraduralabscessen die extraduralen Eiterun-
gen und Entzündungen sowie die Gomplicationen der-
selben mit eingerechnet hat, was bei unserer Berechnung ver-
mieden worden ist.
Unter den acuten Fällen von Otitis media purulenta mit
Entzündung des Warzenfortsatzes wurden in dem genannten
Zeitabschnitt 1,8^/0 Extraduralabscesse gefunden, während l^/o
der entsprechenden chronischen Fälle eine Gomplication mit
Extraduralabscess aufwies. Bei beiden Erkrankungen des
Mittelohrs mit Entzündung des Warzenfortsatzes zusammen ge-
nommen betrug das Vorkommen des Extradnralabscesses 1,3^0*
Die bedeutend grössere Disposition der acuten Mittelohrentzün-
dung zur Bildung eines Extradnralabscesses wird noch klarer,
wenn man bedenkt, dass in den angeführten Jahren in der hie-
sigen Klinik ca. 3 mal soviel Mastoidoperationen in chronischen
Fällen ausgeführt als in acuten, und dass ca. 40<>/o mehr chro-
nische als acute Fälle im Allgemeinen behandelt wurden.
Bezüglich der Häufigkeit der Erkrankung der beiden Ge-
schlechter an otogenem Extraduralabscess ergeben die in
dieser Arbeit aufgestellten Tabellen ein anderes Verhältniss als
das von Hessler (1. c.) berechnete. Von den 43 chronischen
Fällen sind 32 Patienten männlich (ein Patient hatte 2 Ab-
1) Alle hier citirten Angaben Körner' s sind der zweiten Auflage
seines Buches : „Die otitischen Erkrankungen des Hirns, der Hirnhäute und
der Blutleiter'' entnommen. Vorliegende Arbeit befand sich bereits im Druck,
als die dritte Auflage des Körn er 'sehen Werkes erschien.
Ueber extradarale otogene AbsceBse. 171
scesse) und 10 weiblich; Ton den 45 aenten F&llen gehören
34 Erkrankte dem männlichen und 11 dem weibliehen
Glesohlechte an. Im Glänzen fand sich der extradurale Abseess
67mal (76 ^/o) beim männlichen und 2t mal (24 o/o) beim weib-
lichen Geschlechte. Indessen wurde bei den weiblichen
Patienten, an denen überhaupt die Mastoidoperation in der hie-
sigen Ohrenklinik vorgenommen wurde, im Ganzen das Vor-
kommen des Extraduralabscesses in 5,4^/0, bei den männlichen
Kranken unter denselben Verhältnissen in 9,5 <^/o bemerkt. Diese
Beobachtung wurde an dem Erankenmaterial der Jahre 1891
bis 1901 gemacht. Von der Gesammtsumme aller Patienten, bei
denen eine Aufineisselung des Warzenfortsatzes vorgenommen
wurde, bilden die Weiber mit Extraduralabscess ca. 2^/0, die
Männer mit derselben intracraniellen Complication ca. 6,2^0.
Jedenfalls ist auch nach allen anderen Veröffentlichungen das
männliche Geschlecht vom Extraduralabscess bei Weitem häufiger
befallen als das weibliche.
Auf die verschiedenen Lebensalter vertheilen sich nach un-
seren Tabellen die Patienten folgendermaassen :
a) chronische Fälle.
0—1 I—IO 10—20 20-30 30—40 40—50 50—60 60-70 J.
Kranke: — 8 15 9 64 — 1
b) acute Fälle.
Kranke: 1 4 7 6 10 12 3 2
Sa. 1 12 22 15 16 16 3 3
Nach dieser Zusammenstellung wird demnach in chronischen
Fällen das zweite Decennium, in acuten das fünfte, im All-
gemeinen aber wiederum das zweite Decennium von Extra-
duralabscessen am meisten befallen.
Von den 43 chronischen Extraduralabscessen sassen 20
auf der rechten und 23 auf der linken Seite, von den 45 acuten
Fällen 24 rechts und 21 links. Im Ganzen kamen demnach die
Extraduralabscesse 44 mal rechts und 44 mal links vor. Hier-
durch wird die Körner' sehe Angabe (1. c.) nicht bestätigt, dass
der extradurale Abseess „wie alle durch Krankheiten des
Sehläfebeins inducirte intracranielle Eiterungen^ öfters auf der
rechten als auf der linken Seite gefunden wird, sondern der
Beweis geliefert, dass der Extraduralabscess auf beiden Seiten
gleichmässig oft vorkommt. Nach den Berechnungen
Körner' s fanden sich unter den 79 Fällen von Jansen 47
rechts- und 32 linksseitige Extraduralabscesse. Aber abgesehen
davon, dass von den 32 chronischen Extraduralabscessen in
172 XIX. BRAUNSTEIN
Jansen's (11) Mittheilnngen 17 links und 15 reohts sassen,
worüber Körner keine Mittbeilung macht, halte ich ans oben
angeführten Gründen das Jansen 'sehe Material nicht fbr ein-
wandsfrei.
Für dieLocalisation des Extradnralabscesses im An-
schlnss an eine Erkrankung innerhalb des Sehlftfenbeins kommen
nnr die mittlere und hintere Sehädelgmbe in Betracht. Die
letztere ist in unseren FftUen die bevorzugtere. Bei den Pa-
tienten mit chronischer Otitis sass der Abscess 30 mal Inder
hinteren, 12 mal in der mittleren Sehädelgmbe, und in 1
Falle waren beide Sohädelgruben betheiligt Unter den acuten
Fällen wurde der Extradnralabscess 33 Mal in der hinteren
und 10 Mal in der mittleren Schädelgrube gefunden, während
er sich in 2 Fällen in beide Schädelgruben erstreckte. Der
Unterschied zwischen chronischen und acuten Fällen mit
Rücksicht auf ihre Vertheilung auf die beiden Schädelgmben
ist demnach nur gering und in Procenten ausgedrückt:
Der chronische Extraduralabscess beschränkte sich in ca.
70^0 auf die hintere, in ca. 28% auf die mittlere
Schädelgrube, der acute in ca. 73% auf die hintere, in oa.
22 % auf die mittlere Schädelgrube. 6runert(l) hat bereits
aus diesem Verhalten der Extradnralabscesse die Schlussfolgerung
gezogen, dass Atticuseiternngen, welche in der Regel extradurale
Abscesse über dem Tegmen tympani, also in der mittleren
Schädelgrube Tcrursachen, überhaupt keine autfallende Dis-
position zur Bildung extraduraler Abscesse zeigen. Unsere Auf-
stellung bestätigt die Richtigkeit dieser Annahme, und zur Er-
klärung des selteneren Vorkommens von Extraduralabscessen in
der mittleren Schädelgrube sei es gestattet, auf den leichteren
Eiterabfiuss aus dem offenen Atticus hinzuweisen gegenüber der
in Folge des meist sehr erschwerten Austritts unter hohem Druck
stehenden Eiterung im Innern des Warzenfortsatzes. In einem
der gesammelten Fälle (Tabelle B 29) sass der Abscess am
Sinus-sigmoideus-transversus-Enie, während in Fall 32 der-
selben Tabelle der Abscess sich auf den Bereich des Oceipnt
beschränkte. Obschon er der hinteren Sehädelgmbe angehörte,
war der Sulous sigmoideus frei, der Abscess lag weiter zurück.
Bei dem Patienten 27 der Tabelle A fanden sich zwei
Extradnralabscesse in der hinteren Schädelgrube, der eine sass
extrasinuös, der andere an der hinteren Seite der Felsenbein-
Pyramide.
Ueber eztradarale otogene Abscesse. 173
Pathogenese.
Der otogene ExtradnralabBeess entsteht fast nnr dann, wenn
der die harte Hirnhaut im Bereich des Sehläfenbeins bedeckende
Enoohen pathologisch verändert ist. Der Abscess selbst ist die
Folge einer eitrigen Entzündung der Dura mater an ihrer Aussen-
fläche, die ihrerseits wiederum durch Fortleitnng einer Ent-
zündung der Mittelohrräume oder des Labyrinths in das Schädel-
innere verarsacht wird (Pachymeningitis purulenta externa).
Die Verschiedenheit der Pathogenese in chronischen und in
acuten Fällen macht eine gesonderte Besprechung derselben
nöthig.
A. In den chronischen Fällen war fast stets schon oto-
skopisch ein schweres Ohrenleiden festzustellen. Eb fanden sich
reichliche, fotide Eiterung, Verengerung des Gehörgangs, Defect
des Trommelfells, Granulationswucherungen, Gholesteatommassen,
Caries der Gehörknöchelchen und meistens eine mehr oder minder
ausgedehnte, meist schmerzhafte, oft fluctuirende Anschwellung
über dem Warzenfortsatz. Eine tiefergreifende Erkrankung des
Schläfenbeinknochens war in allen Fällen vorhanden, oft eine
völlige Zerstörung der ganzen Mittelohrwandungen meistens
durch eitrig verjauchte Cholesteatome oder cariöse Prooesse, in
einem Falle auch durch Tuberculose (Fall 29).
In der Mehrzahl der Fälle war eine Wegleitung zu dem
extraduralen Abscesse nachzuweisen, besonders oft Fistelgänge.
Solche eiternden Wegleitungen führten auch durch das Labyrinth
in die m it tl er e Schädelgrube (Fall 6). In diesem Falle wurde durch
Verfolgung der Fisteln ein tiefer extraduraler Abscess aufgedeckt,
der sich durch seine Lage an der vorderen Seite der Pyra-
mide auszeichnete, während die von Jansen (9) beschriebenen
tiefen extraduralen Abscesse alle an der hinteren Seite der Py-
ramide sassen. Uncomplicirte tiefe extradurale Abscesse
scheinen sehr selten zu sein. Nur drei Beispiele befinden sich
unter den in der hiesigen Klinik beobachteten Extraduralabscessen,
und nur in einem der angefahrten Fälle wurde die Ver-
breitung des Eiters auf dem Wege durch das Labyrinth und den
Aquaeductus vestibuli zur hinteren Felsenbeinwand beobachtet
(Tabelle A Nr. 27).
Es muss dahingestellt bleiben, ob diese Wegleitungen stets
den Hinweg darstellen, auf dem die Entzündung ins Schädel-
innere gedrungen ist, oder den Rückweg, durch den die Eiter-
ansammlung zwischen der harten Hirnhaut und dem Knochen
174 XIX. BRAUNSTEIN
naoh Aussen entweichen will In Nr. 1 der tabellarisch ver-
zeichneten chronischen Fälle (Pohl) wurde bei der ersten Auf-
meisselung des Antrnms keine Wegleitnng nach der Schädelhöhle
entdeckt. Erst 6 Wochen später wurde eine eiternde Fistel in
der Aufmeisselungswunde bemerkt, und ihre Verfolgung fbhrte
zur Freilegung eines Extraduralabscesses.
In anderen Fällen dienten einzelne, kleine pneumatische
Zellen, die mit eitrig infiltrirter Schleimhaut ausgekleidet waren,
als Führer, seltener graugefärbte Oranulationen von einer pneu-
matischen Zelle zur andern reichend oder cariöse Defecte am
Tegmen tympani und antri.
In den meisten Fällen reichte die Erkrankung des Knochens,
wenn auch nur in Gestalt einer Fistel bis an die harte Hirn-
haut hinan, und nur in wenigen Fällen schien der den Ab-
scess nach Aussen abschliessende Knochen makroskopisch gesund
zu sein. Wenn trotz sorgfältigster Untersuchung ein erkrankter
Herd oder eine Fistel nicht gefunden wird, so ist die Annahme
wohl berechtigt, dass entweder der vor Entstehung des Extradural-
abscesses erkrankte Knochen wieder ausgeheilt ist (L entert [13]),
oder dass die vielleicht noch bestehende Wegleitung nur bei mi-
kroskopischer Untersuchung wahrzunehmen gewesen wäre. In
allen angeführten Fällen von Cholesteatom war eine Verbindung
zwischen dem Extraduralabscess und den erkrankten Räumen des
Schläfenbeins vorhanden, sie fehlte nur in einigen Fällen von Garies.
Die Entstehung eines Extraduralabscesses durch Infection der
Dura von der erkrankten Schleimhaut der Paukenhöhle und der
Warzenräume allein aus, d. h. ohne Erkrankung des Knochens,
ist bei den hier mitgetheilteu Fällen nicht beobachtet worden. '
Von den aufgezählten chronischen Extraduralabscessen
Sassen 20 in der Fossa sigmoidea, 22 ausserhalb derselben,
d. h. 12 in der mittleren Sohädelgrube und 10 zwar in der
hinteren Schädelgrube aber ausserhalb des Sulous sigmoidens
und 1 theils innerhalb, theils ausserhalb derselben, d. h. sich
über beide Sehädelgruben erstreckend. Zu den in der Fossa
sigmoidea sitzenden Abscessen fbhrten nicht in allen Fällen
Fisteln, sondern auch andere Wegleitungen und die Verfolgung
der bei den operativen EingriflFen gefundenen Fisteln liess ebenso
oft einen ausserhalb des Sulcus sigmoideus sitzenden Extra-
duralabscess wie einen innerhalb desselben entstandenen ent-
decken. Hieraus darf daher wohl geschlossen werden, dass nur
ein Theil dieser Fistelgänge periphlebitisch erkrankte Gefäss-
Ueber extradarale otogene Abscesse. 175
kanälchen darstellen und dass die Ansicht Ton Grün er t (1)
eher berechtigt ist, wonach ^ diese Fistelgänge in der Weise zn
Stande kommen, dass die einzelnen Enochensepta der mit eitrig
infiltrirter Sehleimhaut ausgekleideten und perlschnurartig an-
einander gereihten kleinen Zellen einschmelzen*^.
B. In den acuten Fällen stand im Allgemeinen der Ohr-
befund im Gegensatz zu der Grösse des intracraniellen Befundes.
In mehr als einem Drittel der Fälle war otoskopisch
keine Eiterung aus dem Ohr nachzuweisen. In 11 Ton
diesen Fällen hatte zwar kurze Zeit eine Ohreiterung bestanden,
aber zur Zeit als die Patienten meistens wegen heftiger Schmer-
zen hinter oder in dem Ohr zur klinischen Behandlung kamen,
war die Eiterung ausgeheilt. Die Ohreiterung hatte in meh-
reren Fällen nur 4 — 5 Tage, in anderen 14 Tage angehalten.
Die Spuren der vorübergegangenen Ohreiterung waren wohl in
allen Fällen noch zu entdecken: Röthung des Trommelfells und
leichtes Rasseln beim Eatheterisiren. Aber dass eine Eiteransamm-
Inng in der Paukenhöhle nicht zurückgehalten wurde in Folge
eines Perforationsverschlusses im Trommelfell, bewies das nega-
tive Ergebniss der in mehreren Fällen probatorisch ausgeführten
Paracentese. In 5 Fällen hatte überhaupt keine Eiterung be-
standen. Eine Erklärung für die oft über Erwarten schnelle
Ausheilung einer acuten Mittelohreiterung und das bald darauf
folgende Auftreten eines Extraduralabscesses ist nach den bis-
herigen Beobachtungen und Erfahrungen in den Eigenschaften
und dem Verhalten eines bestimmten specifiscben Erregers der
Otitis media acuta zu finden, des Diplococcus pneumoniae
Fränkel-Weichselbaum. In Folge seiner Gutartigkeit und
seiner geringen Virulenz heilen die von ihm hervorgerufenen
Entzündungen leichter spontan aus als die von andern patho-
genen Mikroorganismen verursachten Otitiden. Bereits Zaufal
(12) beobachtete, dass der Diplococcus sich nach Ausheilung
der Paukenhöhlenentzündung im Antrum einkapseln und dort
latent bleiben kann, bis er plötzlich eine Mastoiditis verursacht.
Diese Angaben ZaufaTs wurden von Leutert (13) bestätigt,
und Leutert nimmt an, dass der Diplococcus eben wegen
dieser Eigenschaften der Erreger der Extraduralabscesse sei. Die
Virulenz des Diplococcus ist meist nicht gross genug, um die Zellen
und Zellwände^des Warzenfortsatzes zum Einschmelzen zu bringen,
wie es z. B. der Streptococcus vermag, aber er kann in ihnen
einen Entzündungszustand hervorrufen und so kann eine Eiterung
176 XIX. BRAUNSTEIN
in den peripheren Warzenfortsatzzellen naeh Ausheilung der
zuerst verursachten Erkrankung der Paukenhöhle und des
Antrums fortbestehen ohne irgend eine Verbindung mit den
letzteren (Leutert [13]). Auch Barniek (44) beschrieb einen
derartigen Fall aus der Ohrenklinik in Graz (Ha her mann).
Unter den mitgetheilten Fällen wurde der Diplococcus pneumo-
niae von Leutert bei den Patienten Jantke (11), Eiehr
(15), Eskan (16), Schneider (30), Ehring (31) und Hensel
(44) gefunden. In den meisten Fällen wurde keine bakterio-
logische Untersuchung des Eiters vorgenommen. Wenn in ein-
zelnen Fällen neben dem Diplococcus der Streptococcus und
Staphylococcus oder diese allein gefunden wurden, so beweist
dies nichts gegen die Ansicht^ dass der Diplococcus der Erreger
der Extraduralabscesse nach acuter Otitis media sei; denn der
Diplococcus pneumoniae kommt bei der Züchtung auf unseren
Nährböden schwerer fort als die beiden anderen Mikroorganis-
men. Er wird daher von diesen leicht überwuchert und verdrängt
(Hasslauer [14]).
Eine solche Beobachtung wurde auch schon von Zaufal
(15) gemacht in einem Falle, bei dessen bakteriologischer Unter-
suchung sich nach 8 Wochen keine Mikroorganismen mehr
fanden. Vier Tage später erkrankte der Patient wieder mit
heftigen Schmerzen im Warzenfortsatz. Bei der nunmehrigen
mikroskopischen Untersuchung des Ohrsecrets wurden Diplo-
kokken und Staphylokokken entdeckt, während auf den Gulturen,
die mit demselben Secret angelegt wurden, nur der Staphy-
lococcus pyog. albus aufging. Der Bacillus pyocyaneus, der
nach Eossei (48) und Gradenigo-Pes (49) eine Otitis media
acuta hervorrufen kann, wurde bei unseren Patienten im Eiter
der Extraduralabscesse nicht gefunden.
Neuerdings ist mehrfach behauptet worden (Hasslauer [l.c.]^
Fridenberg[55]), dass in vielfachen Angaben eine Verwechse-
lung der Diplokokken und Streptokokken vorgekommen sei.
In wenigen Fällen fand sieh bei der Ohruntersuchung eine
reichlichere Eiterung. In einem Falle (37 Haipaus) war die-
selbe so stark, dass sofort angenommen wurde, sie stamme nioht
lediglich aus der Paukenhöhle.
Während der otoskopische Befund in den bei weitem meisten
von den acuten Fällen nicht der Bedeutung der intracraniellen
Complication entsprach, zeigte sich die Umgebung des Ohres
fast in allen Fällen krankhaft verändert. In 40 Fällen war
Ueber extradurale otogene Abscesse. 177
Sobwellnng, Röthung, Oedem und Druckempfindliohkeit über dem
Warzenfortsatz deutlich ausgeprägt, in 3 Fällen schien die Um-
gebung des Ohres unverändert, in einem Falle wurde bei Druck
auf den Proc. mast. über „innerlichen** Schmerz geklagt, wäh-
rend bei einem Patienten die Angaben fehlen. Die grösste
Mehrzahl der Fälle litt nach dem Operationsbefunde an einer
theilweisen cariösen Zerstörung des Schläfenbeins, in drei Fällen
(22, 42, 43) war nicht nur der Warzenfortsatz durch Caries
krankhaft verändert, sondern die Zerstörung war bis tief in die
Pyramide gedrungen. Bei den meisten Patienten waren die
Hohlräume des Warzenfortsatzes im Gegensatz zu den Angaben
Grün er t 's (1) in Höhlen umgewandelt mit viel Eiter und Gra-
nulationen. In einer Reihe von Fällen wurden im Antrum eben-
falls Eiter und Granulationen gefunden. Dagegen bildete eine
Fistel nur bei 11 Patienten die Wegleitung zu dem Extradural-
abseess. Von diesen Abscessen sassen 6 im Sulcus sigmoideus,
während die 5 andern mit der Sinuswand nicht in Bertlhrung
standen. Demnach findet auch fbr die acuten Extradural-
abseesse die Körner 'sehe (3) Ansicht keine Bestätigung, dass
die meisten Extraduralabscesse dort gefunden werden, wo die
meisten Gefässe aus dem Warzenfortsatze austreten, d. i. in der
Fossa sigmoidea des Sulcus transversus. Ebenso oft wie Fistel-
gänge wurden andere Wegleitungen gefunden analog denen bei
chronischen Extraduralabsoessen. In mehreren Fällen führten
mit Eiter gefällte Becesse in's Schädelinnere.
Unter den zusammengestellten Beispielen von acuten Extra-
daralabseessen findet sich ein tiefer Abscess, der in der Gegend
des Foramen lacerum sinistrum seinen Sitz hatte. Zwischen der
Paukenhöhle und dem carotischen Kanal wurde eine feine Fistel
durch Sondirung festgestellt. An der Spitze der linken Felsen-
beinpyramide fand sich eine olivengrosse, mit rahmigem Eiter
erftUte Höhle mit glatten Wänden. Die Knochenpartie der Py-
ramidenspitze, welche die hintere Wand des Canalis oarotic. ho-
rizont. bildet, fehlte. An dieser Stelle fand sich noch ein kleiner
Sequester (Fall 11). Der Abscess brach in den Subarachnoideal-
ranm durch und f&hrte zu einer tödtlichen Leptomeningitis pu-
rolenta. Dieser Fall ist von Grunert (I.e.) ausführlich mit-
getheilt.
Die Angabe Körn er 's (I.e.), dass extradurale Abscesse
aaeh dadurch entstehen können, dass bei otitischer Phle-
bitis und Thrombose eines Sinus die Entzündung auf die
178 XDC. BRAUNSTEIN
AuflseoBeite der Sinnswand fibergeht, ist ftir nnoomplioirte
Eztradnralabfloesse nicht gflltig.
Pathologische Anatomie.
Nachdem die Localisation des Extradnralabscesses bereits
besprochen ist, erübrigt noch. Einiges fiber die Grösse desselben
nnd das Verhalten der harten Hirnhaut bei dieser intracraniellen
Erkrankung zu bemerken.
Uncomplicirte Extradnralabsesse werden sehr selten bei
Obductionen gefunden. Unter den in dieser Arbeit aufgezählten
kam es nur im Falle Jantke (Tabelle B, Fall 11) zur Entdeckung
eines tiefen Extradnralabscesses durch die Section.
Obschon Jantke circa 4 Wochen nach der Aufnahme einer
Meningitis purulenta diffusa erlag, wurde derselbe doch
unter die in dieser Arbeit behandelten Fälle von uncomplicirten
Extraduralabscessen aufgenommen, weil zur Zeit, als die Ma-
stoidoperation vorgenommen und nach einer intracraniellen Com-
plication gesucht wurde, noch keine Meningitis, sondern nur der
tiefe Extraduralabscess bestand. Die Entzündung der weichen
Hirnhäute trat erst ca. 8 Tage vor dem Tode des Patienten ein.
Weil demnach die meisten dieser circumsoripten Eiteransamm-
lungen operativ freigelegt werden, so ist es sehr schwierig, die
Grösse derselben auch nur annähernd richtig zu bestimmen. Da
die Dura sich nach Entleerung des Abscesses wieder vorwölbt,
so giebt auch die Ausdehnung der Granulationen auf der harten
Hirnhaut oder ihrer sonstigen Veränderungen kein genaues Bild
von der Grösse des entleerten Abscesses. Bei unseren Patienten
war die Eiteransammlung in den chronischen Fällen im All-
gemeinen grösser als in den acuten; die Angaben fbr die
grössten der ersteren lauten „walnussgross^, .„so gross, dass
kleiner Finger in die Höhle versenkt werden konnte^, „dass die
Dura in Handtellergrösse frei lag^, oder „der Abscess enthielt
50 g Eiter^. Nach den Angaben enthielt der grösste acute Extra-
duralabscess zwei Esslöffel Eiter. In den meisten Fällen bilden
die Granulationswuohernngen der harten Hirnhaut, die Paohy-
meningitis externa circumscripta, einen Wall fbr die Ausdehnung
der Eiterung zwischen Dura und Knochen und schliessen die-
selbe auf einen engen Bezirk ein. Aber trotzdem kommen Ex-
traduralabscesse von grösserer Ausdehnung vor, so dass die Behaup-
tung von Bergmannes (4), „die abgeschlossenen, epiduralen Eiters
ansammlungen sind niemals bedeutend, meist wenig voluminös, in
Ueber ezliftdarftlo otogen« Abscesse. 179
engem Besirke^ aieht als zittreffesä anerkannt werden kann.
Ein Absoes» mit 50 g Inhalt innerhalb des Sehftdels ist
sidierliek e]ne bedeutende Eit^raniamnälnng (Tabelle A^ Fall 1 6X
Ebensa wurde im Fall 23 derselben Tabelle eine Yolns&intee
Eiteransammlnng aufgedeckt, die sieb ans der hinteren Seb£del-
gmbe weit tber das Oebiet der Fossa mgmoidea ausgebreitet
hatte. Wegen der Ausdehnung des Abaeesaes mnsste die Dura
mater in Handtellergrosse naeh hinten und oben vom Warzen-
fortsatze ans freigelegt werden. Erst dann konnte die ausgebrei-
tete Anaammlnng Ton Janebe zwischen Dnra undEnoehen ToUig
entleert werden. Hieran sebliessen sieh noeh in der Tabelle A
die FUle 3 und 22. Aehnliehe Fälle haben bereits frtther Zaufal
(L e) u. A. beschrieben. Körner Q. c), der auch y. Bergmann
citirty sehreibt: ^ Die Eiterungen gehen aus der Kleinhirn- in die
Sohlftfengrube über und umgekehrt, sie wandern an d^ Schilfen-
sobuppe hinauf unter dem Seitenwandbein hin bis sur Sagittal-
und Kur Coronarnaht, und yerbreiten sieh in der Kleinhimgrnbe
bis unter die Hinterhauptschuppe, namentlich aber längs des
Sinus transversus bis gegen das Torcular Herophili oder zum
Foramen jugulare.'^ Aehnlieh drückt sich Jansen (I.e.) aus:
„Sowohl bei den acuten wie bei den chronischen Extradnral-
abaoessen dehnte sich die Eiteransammlung oft ttber grosse
Fl&ehen aus, bis tief in das Sch&delinnere hinein, bis zum For.
jugul. oder llber die Eminentia arcuata hinaus, so dass bei der
Operation die untere Fläche vom Scbläfenlappen oder die vor-
dere, laterale Fläche des Kleinhirns weit freigelegt werden
musste.^ — Grunert (1) hat in seiner Arbeit noch den Fall
Heiter ausführlich veröffentlicht, in dem sieh ebenfalls bei der
Operation ein voluminöser Extraduralabscess fand. „Bei Frei*
legnng des Herdes zeigt sich eine ausgedehnte eitrige Pachj-
meningitis ext. Die Dura ist nach vorn bis über die Wurzel des
Jochbogens hinaus, nach oben etwa 2 Finger breit auf der seit-
lichen Hirnfiäehe mit eitrig fibrinösem Exsudat bedeckt.^ Dann
tbeilte Lernt er t (1. c.) den Operationsbefund im Fall 71 (Albert
Slogsnat) mit: „Beim weiteren Wegnehmen der Corticalis in der
Richtung nach hinten und oben überfluthet plötzlich ein Schuss
Eiter das ganze Operationsfeld, nach dessen Entfernung Pulsation
siebtbar wird. Die Dura ist mit einem dichten Granulationspol-
ster bedeckt; der Knochen granulirt an der dem Abscess zuge<*
wandten Innenseite ebenfalls stark und muss in fast Handteller-
grosse — naeh unten zu bis an die Basis der Spitze, naeh hinten
Archiv f. OhienheUkiinde. LV. Bd. ^3
180 XIX. BRAUNSTEIN
oben bis oa. 10 om vom Ansatz der Ohrmnsehel entfernt — weg-
genommen werden.^ In letzter Zeit hat Bertelsmann (16)
einen ausgedehnten otogenen Extradnralabseess beschrieben, der
sich an der Schläfenschnppe hinanf unter dem Seitenwandbein
hin bis zur Sagittalnaht ausgebreitet hatte.
In seltenen Fftllen bilden die circumsoripten Eiteransamm-
lungen zwischen Dura und Knochen einen Senkungsabsoess,
besonders wenn sie in der Nähe des Torcular Herophili oder des
Foramen jugulare sitzen. Solche Fälle sind von Bossi (17) und
Kessel (18) mitgetheilt worden. Unsere Tabelle B enthält den
Fall 1 1 ( Jantke), in dem der tiefe Extraduralabscess in der Nähe
des Foramen lacerum sinist. sass und einen retropharyngealen
Senkungsabsoess verursacht hatte. ,,Die Carotis war an dieser
Stelle ganz nach vorn gedrängt und zu einem dünnen Bohr mit
stecknadelkopfgrossem Lumen zusammengeschrumpft. Die Sonde
gelangte nach unten in einen von dem ursprünglichen Herd an
der Pyramidenspitze ausgehenden retropharyngealen Senkungs-
absoess.^ Ein ähnlicher Fall ist meines Wissens bisher aus kei-
ner anderen Klinik veröffentlicht worden. —
Bezüglich des Verhaltens der Dura geht aus den An-
gaben der beiden Tabellen hervor, dass die Veränderungen der
harten Hirnhaut in den chronischen Fällen oft sehr bedeutend
sind. Sie war bedeckt in mehr als der Hälfte von unseren
Fällen mit schmutzigen, schwammigen, matschigen, zottigen,
eitrig infiltrirten oder nekrotischen Granulationen. In anderen
Fällen wird die Dura „schwartig verdickt" oder „mit dunkel-
rothem Exsudat von Gallertsubstanz überzogen" bezeichnet. In
einem Falle war die Sinuswand so erweicht, dass sie beim Be-
tupfen einriss ; in einem anderen war die Dura mit plastischem,
grau aussehendem, fibrinösem Exsudat bedeckt, nach dessen Ab-
ziehung eine rothe, frische, leicht granulirende Fläch^ freilag.
Einmal wurde auf der Dura eine Abscessmembran gefunden. Bei
mehreren Patienten war die harte Hirnhaut verfärbt oder mit
plastischem Exsudat besetzt. Mit Ausnahme eines Falles, f&r
welchen Angaben über den Befund der Dura bei der Operation
fehlen, war dieselbe bei allen anderen Kranken mit chronischem
Extraduralabscess pathologisch verändert. Nach diesen Befunden
kann die Angabe Körner's (1. c), dass „bei den chronischen
Ostitiden die Dura vom kranken Knochen selten durch üppig
wuchernde Granulationen, sondern meist durch mehr oder weniger
reichlichen Eiter abgehoben ist", nicht bestätigt werden.
Ueber extradurale otogene Abscesse. 181
Auch bei den extraduralen Abseessen nach acuter Otitis
media war die harte Hirnhaut in den meisten Fällen pathologisch
verändert. Regel ist auch hier, dass Granulationen den Abscess be-
grenzen. Nur in wenigen Befunden zeigten sich die Granulationen
als schmierige, schlaffe, nekrotische Wucherungen oder als ent-
zündliehe lappige Schwarten. Sie hatten meistens ein frisches
Aussehen, bildeten in wenigen Fällen ein dickes rothes Polster
und waren öfters eitrig infiltrirt. Bei mehreren Patienten war
die Dura mit plastischem Exsudat bedeckt oder verfärbt, in einem
Falle war sie verdickt und in einem anderen nekrotisch. Einmal
wurde ein nicht pulsirender Sinus gefunden. Fall 26 der Tabelle B
zeigt, dass die Dura, auch wenn ihr einExtraduralabscess auflagert,
makroskopisch wenigstens unverändert aussehen kann. Der Be-
fand lautet in diesem Falle: „Der Sinus pulsirt, zeigt auffallend
deutliche Bespirationsbewegungen. Sinuswand nicht verändert.'^
Der Inhalt der Extraduralabscesse birgt in acuten Fällen,
wie schon früher bemerkt wurde, meistens den Diplococcus pneu-
moniae Fränkel-Weichselbaum, der bisher für den ursprüng-
lichen Erreger der acuten Mittelohrentzündung gehalten wird,
wenn die Untersuchungen auch noch nicht zu einer abschliessenden
Feststellung gediehen sind. Der Eiter war hier gewöhnlich geruchlos,
sehleimig oder rahmig, aber niemals übelriechend oder jauchig.
Bei der bakteriologischen Untersuchung der chronischen
Eiteransammlungen zwischen Dura und Schläfenbein wurde der
Diplococcus pneumoniae in keinem Falle gefunden, sondern der
Staphylococcus oder Streptococcus, und in einem Falle Tuberkel-
bacillen. Die Veröffentlichungen von Zaufal (15), Moos (19),
Netter (20), Leutert (1. c.) und Hasslauer (1. c.) lehren uns,
dass der Streptococcus am häufigsten Complicationen bei Otitis
chronica hervorruft, weil er unter den Entzündungserregern die ge-
fährlichsten pathogenen Eigenschaften besitzt, mehr schleichende
Erkrankungen verursacht und leicht Nekrosen herbeiftihrt. Daher
kommen mehr Warzenfortsatzerkrankungen zur Operation, die durch
den Streptococcus hervorgerufen worden sind, als solche durch an-
dere Eokkenarten entstandene, weil dieser Mikroorganismus die er-
^ffenenWarzenfortsatzpartieen leicht zumEinschmelzen bringt. Der
Inhalt der vom Streptococcus verursachten Extraduralabscesse be-
findet sich deshalb auch meist in einem weit fortgeschrittenen Zer-
setzungsprocess. Der Eiter ist gewöhnlich missfarben, fotide, dünn-
jauchig oder durch Beimischung von Blut bräunlich oder schmutzig-
grau verfärbt.
13*
182 XIX. BRADN8T£IN
In Beltenen Fällen, wenn eine Wegleitnng zwisoben dem
ExtradnnilabgeeM und dem nrsprflngliehen EriEntnkiiDssherd in
den Mittelohrräumen niebt mebr Yorhanden igt, kiuin der Inbalt
des Abseeises Yon dem Obreiter Teraehieden sein und andere
Mikroorganiunen enthalten. -*-«
Obsobon bei den hier snsammengestellten Eztradnralabeees-
aeni mit alleiniger Ausnahme des Falles 11 der Tabelle B, der
operative Eingriff den natürlichen spontanen Ausgang der Er-
krankung EU Gunsten des Patienten YerbindertOf so lässt sieb
doeh im Hinbliek auf das ansgesproebene Streben des Extra-
duralabseessesy sieh einen Weg naeh Aussen zu babnen, und an-
derersdts anf seine Neigung zu Complieationen ein Scbluss auf
den anatomischen Ausgang der Eiteransammlnng zwisoben
Knochen und harter Hirnhaut ziehen. Bei fast der Hälfte von
unseren Patienten erfolgte eine spontane Entleerung des Absoess-
eiters durch die Mittelohrräume oder durch Fisteln in der Schlä-
fenschnppe. In diesen Fällen war der Knochen bis zur Dura
cariös oder nekrotisch erkrankt, es fanden sich Defecte im Teg-
men antri oder tympani, Fisteln im Promontorium oder in den
Bogengängen, oder der Eiter hatte die Corticalis des Warzenfort-
satzes durchbrochen oder sich einen Weg durch die hintere Ge-
hörgangswand nach Aussen gesucht. Wenn hiernach auch eine
relative Gutartigkeit dieser intraeraniellen Gomplication und eine
bedeutende Widerstandsfähigkeit der harten Hirnhaut gegenttber
der Neigung des Eiters, nach Innen durchzubrechen, angenom-
men werden kann, so besteht doch bis zur vollständigen Ent-
leerung des Extraduralabscesses stets die Gefahr einer weiteren
Gomplication, besonders einer Affection des Sinus» Von den intra-
eraniellen Complieationen, die im Anschlüsse an einen Extra-
dnralabsoess entstehen können, sind nach den Erfahrungen in
der hiesigen Klinik die Sinusphlebitiden die häufigsten. Die
spontane, immer nur geringfügige Entleerung des Abscesseiters
erfolgte ausser bei den Fällen, in denen er seinen Weg durch
das Ohr nahm, meistens durch eine Fistel hinter dem Planum
mastoideum oder in der Nähe der Spina supra meatum. Bei
einer in der letzten Zeit wegen eines grossen extrasinuösen Abs-
cesses operirten Patientin, die in die Tabellen nicht aufgenom-
men wurde, beobachteten wir die spontane Entleerung des Eiters
durch die Sutura mastoidea-ocoipitalis, wie dies auch schon von
Charles A. Thigpen (22) gesehen wurde. Die Behauptung
Körner's (1. c): „Liegt der Absoess in der hinteren Schädel-
Ueber eztraduralB otogene Abscesse. 183
grobe, wo er fqq diekeren Ksioofaen uoigeben ist, so kann er
nickt darohbreehen, wohl aber findet der Eiter bisweilen einen
Ausweg dnreh das Emissarium mastoidenm^, wird darch diese
Beobachta&gen kinftllig.
Symptome.
Die bei misem Patieoien am känfigsten beobachteten Sym-
ptome sind die loealen Vertnderangen des Ohres nnd
seiner Umgebung. In fast allen FUlen war die Warzen-
forteatzgegend krankhaft Terftndert, und bei den meisten Pa-
tienten zeigte der Warzenfortsatz dae dentliehe Druekenpfeid-
liefakeit, seine Bedeckung ein oft ausgebreitetes Oedem od^
ULFerkeBaibare Abseessbildung. Aber keines dieser Symptome
kann als diagnostisches Merkmal für eine intraerimielle
CoBpUcatikm Jtngeseben werden, seodera sie müssen in der Begel
als Folge^Bcheinang der nrsprllngliehen nnd nrsäohli^en Erkran-
kongdes Ohres anfge&sst werden. Aneh t. B e r g m a n n (1. e.) ist von
adner früheren nniichtigen Ansicht, ,;dass bei den Eiteransamm-
lu^en zwischen Knochen nnd Ehira mehr die drtliehenVer&ndenin-
gen über der afficirten Knoehenpartie Handhaben lier Diagnose ge-
wesen sind^, in der neneren Aaflage seines angeführten Werkes
zniltokgekommen. Bei unseren Patienten wur^n in Fällen von
extrasinnösem oder Abscess der hinteren Sofaädeigrnbe viel
häufige Ver&Eulernngen des Ohres gefanden, als bei Abseessen
der mittleren Sehädelgrnbe. Und für erstere kann sichtlich
in ^elen Fällen die intracranielle Erkrankung als Ursadie an-
^seben werden, wenn die Eiterang oder Entzündung aus dem
Sehädelinnern nach Aussen durchbricht und Oedeme oder Ab-
scesse hinter dem Processus mastoideus hervorruft, die in der
Gegend 4es Emissarium mastoideum gelegen sind. Jansen (1. c.)
hat wohl zuerst diese Symptome zusammengefasst als:
1. Knochenauftreibung, subperiostaler Abscess und Phleg-
mone hinter dem Warzenfortsatze am angrenzenden Theile des
Occiput und am hinteren Abschnitt des Warzenfertsatzes selbst.
2. Schmerz bei Druck und Pereussion an derselben Stelle
auch ohne Schwellung, Infiltration oder Auftreibung.^
Indessen bringen unsere Tabellen auch Angaben, die mit
diesen Beobachtungen nicht übereinstimmen, z. B. Fall 1 1 der
chronischen Extraduralabscesse, in dem hinter dem kranken Ohr
geringes Oedem bestand, dabei Druokempfindliehkeit besonders
auf dem Planum und hinter dem Processus mastoideus, wäh-
184 XIX. BRAUNSTEIN
rendderExtraduralabseess nicht extrasinnSs, sondern in der mitt-
leren Sohädelgrnbe sass. Ebenso finden wir im Fall 14 der
Tabelle B die Gegend des Warzenfortsatzes frei, nach hinten
davon, dem Ooeipnt zu, Oedem, aber den Abscess in der
mittleren Schädelgrnbe: In mehreren Fällen von extrasinuösem
Absoess zeigte die Umgebung des erkrankten Ohres keine Ver-
änderungen. Auch bezüglich der Druckempfindliohkeit
hinter dem Warzenfortsatze am angrenzenden Theile
des Oeciput muss bemerkt werden, dass dieses Symptom in
der hiesigen Klinik nur in vereinzelten Fällen von extrasinuösen
Abscessen beobachtet worden ist. ^) In den allermeisten An-
gaben ist die Druckempfindlichkeit auf den Warzenfortsatz be-
schränkt und in einer Reihe von Fällen sogar auf die Spitze
desselben, während bei fast ebensovielen Beobachtungen von
Druckempfindlichkeit über dem Planum und nach dem Oeciput
zu der Abscess der mittleren Schädelgrube angehörte.
Unter den tabellarisch angeführten Symptomen findet sich
bei zwei Patienten (Tabelle A 3 und B 29) die Klopfem-
pfindlichkeit Im ersten Falle wird angegeben: „Weich-
theile hinter dem rechten Ohr geröthet« Starke Druckempfind-
lichkeit auf dem Planum und hinter demselben, Schmerz und
Klopfempfindlichkeit in der rechten Stirn- und Schläfen-
gegend.^ DerExtraduralabscess beschränkte sich auf die mittler e
Schädelgrube. Im zweiten Falle berichtet die Krankengeschichte:
,,Keine Anschwellung, kein Oedem hinter dem Ohr, Klopf-
empfindlichkeit über dem grössten Theilder linken Schädel-
hälfte bis zum Tuber parietale besonders in der vorderen Schläfen-
gegend und am hinteren unteren Parietalbeinwinkel.^ DerExtra-
duralabscess fand sich in der hinteren Sohädelgrube über dem
Sinus-sigmoideus-transversus-Knie. Hier bezeichnete demnach
der Bezirk der Klopfempfindlichkeit die Gegend der intra-
craniellen Complication.
Da nur in diesen beiden Fällen Beobachtungen über die
Klopfempfindlichkeit notirt wurden, so sind wir nicht in der
Lage, über den Werth dieses Symptoms für die Diagnose eines
extrasinuösen Abscesses ein Urtheil abzugeben.
Im Falle 39 Tabelle A war Caput obstipum vorhanden bei
extrasinuösem Abscess.
Auch der Extraduralabscess der mittleren Schädelgrube
1) Es kann also nicht als charakteristisch für Extraduralabscesse
der hinteren Schädelgrube angesehen werden.
üeber extradarale otogene Abscesse. 185
kann seine Anwesenheit durch einen fistulösen Durchbruoh
an die Sehädeloberfläche verrathen. Diese Fisteln münden
meistens in der Nähe der Spina supra meatum an der linea
temporalis oder im knöchernen Gehörgang. In einem Falle
(Nr. 10 der Tabelle A) befand sich die Fistel oberhalb der Linea
temporalis und fährte direct in die Schädelhöhle. Indessen sind
auch derartige Vorkommnisse selten, und im Allgemeinen muss
daran festgehalten werden, dass selbst bedeutende Eiteransamm-
lungen zwischen Knochen und harter Hirnhaut längere Zeit be-
stehen können, ohne durch locale Veränderungen des Ohrs und
seiner Umgebung diagnostisch sichere Symptome eines Extra-
duralabscesses heryorzurufen.
Nächst vorstehenden Symptomen kehrt am meisten bei un-
seren Patienten mit Extraduralabscessen die Klage über
Schmerzen im Ohr und Kopfschmerz wieder. Der-
selbe scheint in allen möglichen Stärkegraden aufzutreten, be-
sonders als „heftiger Schmerz^, „schwerer Kopf, „Reissen**,
„Stechen*' und „Bohren**. In allen unseren Fällen war die
Seite des kranken Ohres auch der Sitz der Kopfschmerzen.
Nur wenige Kranke konnten den Kopfschmerz genauer locali-
siren, dem Sitze des intracraniellen Leidens entsprechend, in
anderen Fällen ergab der Operationsbefund, das den anamnesti-
schen Angaben zufolge der Kopfschmerz ein irradiirter war, z. B.
beim Patienten 34 der Tabelle B, der als Sitz der Kopfschmerzen
Mittelkopf und Stirngegend bezeichnete, während der Extra-
duralabscess der hinteren Schädelgrube angehörte. Die grössere
Hälfte unserer Kranken klagte nicht über Kopfschmerz, sondern
nur über Schmerzen im Ohr, und von 8 Patienten wurde jede
Schmerzempfindung verneint, obschon z. B. in den Fällen 12,
39, 40 der Tabelle A sowie 8 und 9 der Tabelle B die Eiter-
ansammlung zwischen Dura und Schläfenbein keine unbe-
deutende war.
Für die Diagnose einer intracraniellen Erkrankung kann
der Kopfschmerz ein wichtiges Symptom sein unter der Vor-
aussetzung, dass jede andere Ursache für denselben mit Sicherheit
ausgeschlossen werden kann. Diese Anforderung wird bei Pa-
tienten mit otogenem Extraduralabscess sich nur äusserst selten
erfüllen lassen. Bei der Durchsicht unserer Tabellen findet sich
unter den acuten Fällen nur Nr. 29, bei dem die Heftigkeit der
Kopfschmerzen und die Schwere anderer allgemeiner Krank-
heitserscheinungen mit der geringfügigen pathologischen Ver-
166 XDL BftAUmTfilK
isdeniBg d«t Ohres aieht im Sinidaiig m bringen war. EiAe
Eiteitetention Im Ohre fehlte, die Unigdbiinf des Ohres zeigte
kein« Spnr toq Oedem, PeriostitiB oder subpenoftuleBi Abeeem,
wodurch das Auftreten der sobon tagelang anhaltenden inten«-
fliven Schmerteii in der gannen linken Kopfhftlfte eine genügende
Erklinng finden konnte. Es bestand nur noch ein leidrter
Mittelohrkatarrh, der nach seinen «nbedentenden Ersoheinnngen
zn nrtheik»,, iai Abheilen zn sein sehien. Indessen wurde amoh
hier irots der heftigen subjeetiven Besohweiden and obseiion
die Aanahiae einer Simulation nnbegrttndet war, zmnftofaat
nioht die Diagnose anf ein intraeninielles Leiden gestellt.
Nach den hiesigen Erfahrungen ist der Eof^hmerz bei
Kindern öfters Torhanden als bei Erwachsenen^ besonders in
chronischen Fällen.
Fieber fehlte in '^/i aller FiUe. Bei der Beweithung des
Fieb^s als Sympt^n der hier behandelten intracranidlen Oom-
plieation der Otitis media nt zunftehst die Frage zu bertteksioh-
tigen, ob die krankhafte Umgebung des Ohres als Fieb^-
qu^le aasgeschlossen werden kann. Bei den f i e b^e r n d e n Patienten
wurden Temperaturen bis 4(\5<^ beobachtet. Es handelte sieh
bei den acuten Erkrankungen mit T^ip^ntumteigeningen um
extrasinudse Absoesse mit Ausnahme des Falles 13, bei d^n ein
extraduraler Abseess der mittleren Schftdelgrube anigedeekt
wurde, der die Sinuswand nicht berührte. In diesem Faüe war
die höchste Temperatur 3S,7o. Unter den Patienten mit chro-
nischer Otitis media fanden «ich vier, Nr. 1, 6, 33 und 87,
bei denen das Fieber nicht auf den extrasinudsen Sitz des Ab-
seesses znrückgeftlhrt werden konnte. In diesen Fällen von
extraduraler Eiteransammlung in der mittleren Sehidelgrube
stieg die Körpertemperatur bis 39,8 \ Aber dieses seltene Vor-
kommen v<m Temperaturerhöhung bei Extraduralabsoessen der
mittleren Schädelgrube, deren Inhalt also die Wand des Siaw
nicht umspült, beweist, dass wir es nur mit Ausnahmefällen zu
thun haben, und der Befund des Ohres und seiner Umgebung
macht es höchst wahrscheinlich, dass das Fieb^ durch die dort
vorhandenen Entzttndungs- und Eiterungsprooesse verarsaelit
worden war. Ebenso wonig ist es Regel, dass der extra-
sinn Öse Abseess Fieber yerarsacht, wenn seine Nmgung daea
auch grösser erseheint. In solchen Fällen wird die Temperatur-
steigening dadurch hervorgerufen, dass durch Einwirkung des
Abscesses die Sinuswand entzündlich erweicht und Bak-
Ueber estradnxttte «togeoe Abscesse. 187
teiiea oder ihren f/yogenen. ProdnoteiL den Eintritt in die Blnt-
leiter gestattet. Hierauf wurde bereits Ton L entert (21) hin-
gewiesen. Es darf wohl angenommen werden, dass dieser
Vorgang von dem Dmek abhängig ist, unter dem der Inhalt des
Abseesses steht, und von d<er Daner der Einwirkung desselben
Ulf die Sinmswand (Leutisrt 21). Bei unsem Patienten mit
chronisch emExtradntalabseess wurde h&ufiger Fieber beobaefatet
als in den acvten F&Uen.
Bei der Patientin 7 d«r Tabelle B ist wohl die wahrsehein-
lieh fichon Tor der Operati<in bestehende Pytaiie filr die erhöhte
EdrpertempersaAnr Tenuitw(Milich sn machen.
Von unseren Erkrankten gaben 25 an, Schwindelanf&lle
gehabt zu haben oder noch darunter zu leiden, und unter diesen
konnten bei 8 objectiy Gleiehgewiehtsstörnngten beobachtet wer-
det» Abgesehen davon, dass die subjectiT^n Angaben in Folge
der meist mangeUMifteai Ffthigkeit der Patienten, sieh selbst za
beobaehten, oft reoht unzuverlissig sind^ ist nach den mi^-
theilten Tabellen das Vorkommen des objeetiv festgesMlten
S<Awindels so selten, dass er nicht als vom otogenen Extradnral-
absoesse abhftngig angesehen werden kann, sondern von der ir-
säehliohen Otitis, durch welche ein inadäquate Reiz auf den
Ramas vestibnlaris Nervi aeu stiel ausgelost werden kann«
£s darf wohl angenomoien werden, dass die Entzttndang
des Mittelohrs, auch wenn die knödierne UmhfiUmng der Bogen-
gänge und des Vestibulnms intaet erscheint, eine pathologisohe
Beeinflussung des Vestibalarapparates herbeiführen kann. Die
Wahrnehmung dieses Vorganges hängt einmal von der Sensibi-
lität der fk'krsunkten, dann aber aueh ven der Plötzlichkeit der
Einwirknng auf das statische Organ ab. Nach vielen Beobaeh-
tungen tritt zmweilen sowohl allmählich ein Ausgleieh auch An-
fimgs stttrmischer Erscheinungen von Oleiehgewichtsstörungeai, ^h
audi andererseits die Schädigung des Vestibularapparates so wenig
belästigend ein, dass die Patienten trotz tiefgehender Zerstörungen in
demselben nur vorübergehend oder nie überSchwindelanfäUe klagen .
In «nseren Fällen nun von objeetiv sicher beobachtetem
Schwindel ergab entweder der Operationsbefund oder die Hör-
prttfang den Beweis, dass die normale Function des Labyrinths
gestört war, sodass nach obigen Ausführungen wohl nur die
Annahme statthaft ist, dass unsere Patienten an labyrinthärem
Sehwindel litten. Diese Auffassung wird bestärkt durch die
Angaben mehrerer Erkrankten über das vorübergehende
188 XIX. BRAUNSTEIK
Auftreten von Gleiehgewichtsstörangen^ welches bei Schädigung
des Yestibularapparates öfter beobachtet worden ist, wie oben
schon bemerkt wurde.
Pathologische Veränderungen an den Augen wur-
den nur bei wenigen von unseren Patienten mit uncomplicirten
Extraduralabscessen beobachtet. Die Untersuchung der Augen
wurde bei allen Patienten nach denselben Grundsätzen ausgeführt
und das Ergebniss in zweifelhaften Fällen von Aerzten der hiesigen
Universitäts- Augenklinik nachgeprüft. Das hier mitgetheilte Resul-
tat er Augenuntersuchung ist daher stets ein völlig zuverlässiges.
Eine unzweifelhafte Erkrankung des Augenhintergrundes, eine
Neuritis optica liess sich nur in drei chronischen Fällen ent-
decken (3, 6, 10), während bei den Kranken mit acuter
Eiteransammlung zwischen Knochen und Dura sich zweimal
eine geringe Hyperämie des Augenhintergrundes, aber niemals
eine Undeutlichkeit oder ein Verwaschensein der Grenzen der Pa-
pilla nervi optici nachweisen liess. Nach Hansen (26) kommt
Neuritis optica bei uncomplicirtem Extraduralabscess in 9 ^/o der
Fälle vor. Nach dem vorliegenden, bei weitem grösseren Ma-
terial beschränkt sich das Auftreten der Erkrankung des Seh-
nerven auf ca. 5,50/0, das einer leichteren Hyperämie des
Augenhintergrundes auf ca. 7,4 ^jo , bei acuten und chronischen
Extraduralabscessen zusammengenommen, wobei das Vorkommen
einer Veränderung des Augenhintergrundes in chronischen Fällen
überwiegt. Bei dem Patienten 30 der Tabelle A fand sich
das rechte Auge bei rechtsseitigem Sitz des extraduralen Ab-
scesses in Convergenzstellung und beim Patienten 42 derselben
Kategorie wurde Nystagmus rotatorius beim Fixiren und beim
Sehen nach oben, nach links und nach unten beobachtet, wäh-
rend der Abscess den rechten Sinus sigmoid. umspülte. Unter
den Erkrankten der Tabelle B zeigte Nr. 8 hervortretende Bnlbi,
Strabismus divergens, die linke Pupille weiter als die rechte —
beide reagirten aber richtig — und normalen Augenhintergrund,
während der Extraduralabscess der hinteren Schädelgrube an-
gehörte, und die Patienten 27 und 40 geringe Hyperämie des
Augenhintergrundes resp. der Papille links bei einer Eiteran-
sammlung zwischen Warzenfortsatz und Sinus, die durch eine
rechtsseitige Mittelohreiterung verursacht war. Es wurden also
bei unseren Erkrankten mit Extraduralabscessen im Ganzen ia
ca. 18,50/0 der Fälle pathologische Veränderungen an dea
Augen beobachtet. Hieraus ergiebt sich, dass dieses Symptom,
Ueber eztradurale otogene Abscesse. 189
wean es überhaupt als ein solches des Extraduralabscesses be-
zeichnet werden kann, ein seltenes ist.
In den drei chronischen Fällen mit Neuritis optica sass der
fixtrad aralabscess in der mittleren Schädelgrube. Es handelte
sich im Fall 6 um einen tiefen Extraduralabscess, und in den
beiden anderen Fällen war die Eiteransammlnng zwischen
Knochen und Dura eine bedeutende, oder die pathologische Ver-
änderung der harten Hirnhaut eine weit ausgedehnte. Bei den
Patienten 3 und 6 bestand noch nebenbei eine Facialisparese,
bei dem letzteren der Seite des Abscesses entsprechend, bei dem
ersteren umgekehrt. Bei dem Patienten 3 mit rechtsseitigem
Extraduralabscess waren am Tage der Aufnahme die Papillen-
grenzen beiderseits nicht ganz scharf; links die nach oben
gehende Vene geschlängelt und etwas erweitert; am folgenden
Tage die Papillengrenzen rechts im umgekehrten Bilde oben
eine Strecke weit undeutlich, links die Papillengrenzen scharf,
eine nach unten gehende Vene etwas mehr geschlängelt als
tags zuvor. Bei dem Falle 6 mit ebenfalls einem Abscesse in der
rechten mittleren Schädelgrube zeigte sich links ein voll-
ständiges Verwasehensein der Papilla nervi optici bei vollstän-
dig normalem Augenhintergrund rechts, während tags zuvor
noch beiderseits auf dem Augenhintergrund die « Papillen-
grenzen deutlich erkannt worden waren. Am folgenden Tage
wurde beiderseits ausgesprochene Neuritis optica festgestellt
mit Schlängelung der Gef&sse bis in die Peripherie. Vom
nächsten Tage an besserte sich der Befund des Augenhinter-
grundes rechts, während die linke Papille unverändert blieb.
Erst mehrere Tage nach der Operation konnte der normale
Befund des Augenhintergrundes beiderseits wieder festgestellt
werden. Bei dem 3. Erkrankten Nr. 10 derselben Tabelle waren
bei linksseitigem Sitze des Extraduralabscesses die Papillen-
grenzen beiderseits nasalwärts verwaschen. In allen unseren
Fällen von pathologischen Veränderungen am Augenhintergrunde
auch bei den leichten Hyperämieen waren stets beide Augen be-
theiligt, wenn die Veränderungen auch nicht immer auf beiden
Augen gleichzeitig auftraten. Der Fall 40 der Tabelle B wider-
spricht dieser Angabe nur scheinbar, da das rechte Auge ein
grosses Staphyloma posticum und viele weisse atrophische
Stellen der Netzhaut aufwies.
Für die Lösung der noch schwebenden Fragen über das
Entstehen der Neuritis optica bei intracraniellen Erkrankungen
190 XIX. BRAUNSTEIN
bietea oiMere F&Ue keine Anbahi^imkie, da aveli der SeetioaB-
bericht der beiden zur Obduetion gekommeiifen Pjitieiiteii 3 der
Tabelle B und 11 der Tabelle A, keinen Aaftefaloss giebt über
den Weg, auf dem die Yer&ndernng des AagenbiniergrnndeB vbl
Stande gekomoiea war. Dt^gen eprieht der Fall von Njstag-
nuHi rotatoriiM für die Aoffastiimg, dass es sieh hierbei nm eine
Felge von oortiealer SeUdignng handelt Weil hier coiyngirte
und aseoeürte Angenmuskelbewegangen in IVage kommen, s»
mofls eine Beizung oder Hemmung von Seiten des optiseh-
molorisohen Rindeneentrnins im Oeoijutalla{)pea verliegen. Da
es sieh in unserem Falle um eine ironische Mittelohreiterung
mit Extraduralabseess der hinteren Seh&delgrnbe reehts ha&deH;^
so könnte eine Wirkung auf das Assooiationseentrum für die
Angenmuskelbewegangen stattgefunden haben entweder direet
durch Druck auf den Oooipitallappen oder ia Folge von BeAez-
Wirkung duroh Vermittlung des Labyrinths dnreh Druek auf die
Blut- und Lymphbaliaen des Aquaeduct. vestib. und daduroh be-
dingte Stauung im Labyrinth. Naeh dem Opemtionabe&nd
befand sich dicht neben dem Facialis eine nach unten reichende
Zelle, die mit Eiter gefüllt war und zum Extraduralabseess
führte. Da aber auch nach dem übrigen Befund (Schwindel,
Hörprüfung) eine Läsion des Labyrinths angenommen werden
darf, so ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass das Ursprung-
liehe Ohrenlddea durch Beflex Wirkung vom Labyrinth her den
Nystagmus rotat^ius verursacht hat, während der Exttmdural-
abscess daran unschuldig oder erst secundär betheiligt ist. Die
Krankengeschichte enthält weder Zeitangaben über das Ent-
stehen der osdllatorischen Augenbewegungen noch Mittfaeilungen
ftber die Wirkung der AbscessenÜeerung auf dieselben.
Wilbrand (36) nimmt an, dass der Nystagmus zu Stande
komme, wenn die Thätigkeit der willkürlieh-motorischeo
Augencentren der Grosshirnrinde gegenüber der refleetorisefa-
motorischen Thätigkeit des Mittel- und Kleinhirns beeinträieb-
tigt sei bei intacter eeatrifugaler Leitungsbahn von hier eu den
Augenmuskeln. Das Kleinhirn und Mittelhirn (Yierhügel) darch
die sensiblen Reize vom Auge, von der Haut sammt Korper-
musculatur und vom Gehör (halbzirkelformige Bogengänge) be-
ständig angeregt, bewirke durch Bttckwirkung auf die Be-
wegungen an Kopf, Augen und Extremitäten die Erhaltung
des Gleichgewichts des Körpers. Die rechte Kleinhimhälfte
hindere Gleichgewichtsstörungen nach links, bewirke Drehung
Ueber extfadux«!« otogena Abscesse. 191
an Kopf und Äugen naeb reehts — nnd omgekebit. Auch
Ober-* und Unterwurm stehen in antagonistiaeheiii Yerhältniss.
Ebenso darf in den beiden Fällen Ton Strabisnuts, 30 der
Tabelle A und 8 der Tabelle B, eine Befiexwirknng seitens des
Labyrinths auf die Augenmuskelkeme nicht a priori abgewiesen
werden, i)
1) Nach Edinger (27) ist der Haubentheii der Brücke daa Hirugebietr
in welcheg der Acusticua eindringt, und aus welchem der Facialis und Ab-
ducens entspringen. Der Nervus cochlearis tritt in den ventralen Acusticus-
kem ein, zweigt sich um die mächtigen Zellen dieses Kernes zu feinen £nd-
b&aa^chen auf und begiebt sich zum kleineren Theüe in ein Gangtion, das
zwischen Kleinhirn und BrUeke dorso-laleral vom Gochleariskera gelagert ist«
das Tuberculum acusticum. Aus den beiden prim&ren £ndst&tten, dem ven»
tralen Acusticuskern und dem Tuberculum acusticum, entspringt ein neuer
Faserzug, der in secundärer und tertiärer Verlängerung die laterale Schleife
hauptsächlich bildet. Die Zellen der Nucleus ventrahs senden ihren Azen-
cyhiider medialwarts und bilden das Corpus trapezoidenm, direct dorsal von
der Brückenfaserung, welcher die Nuclei trapezoidei (KöUiker) enthält.
Beide ziehen mit ihrer Fazermasae zum Nucleus olivaris superior und zwar
sowohl aaf der gleichen, wie auch zu demjenig^i der gekreuzten Seite. In
die obere Olive tauchen mit massenhaften Endverzweigungen die Fasern der
huteralea Schleife, und durch diese ist eine Verbindung des Acusticus mit
den hinteren und wahrscheinlich auch den vorderen Vierhügeln hergestellt. —
Der grössere Thell des im Tuberculum acusticum endenden Cochlearis
tritt direct in die secundäre Aensticusbahn ein^ in die gekreuzte Schleife, und
diese Fasern bilden die Striae acusticae, den Klangstab (Bergmann). Es ent-
sendet also der Nervus cochlearis, nachdem er einmal im Cochleariskeme und
im Tuberculum acusticttm geendet hat, seine höheren Bahnen weiter zu den
hinteren Hügeln. Sie verlaufen auf dem Wege der Schleifenfaserung. Doch
geht nnr ein Theil direct via Striae in die Schleife, ein zweiter, recht be-
trächtlicher todet zunächst in den oberen Oliven. Die oberen Oliven, welche
so in die centrale Hömervenfaserong eingeschaltet sind, müssen wichtige
Centren darstellen. Ihre Constanz durch die ganze Säugerreihe, ihre oft
mächtige Entwicklung und vor Allem die zahlreichen Fasern, welche zu ihnen
in Beziehung treten, sprechen daftkr. £& sind darunter Züge aus dem Cere-
beUum, die noch wenig bekannt sind, und ein mächtiger Zug zu dem
Kerne des Nervus abducens. Da in ebendiesem Kerne aber Fasern
enden, welche durch das hintere Längsbündel zu den anderen Augenmuskel-
kemen und in den Thalamus gelangen, so besteht hier offenbar ein zu-
sammengehöriger, wohl organisirter Apparat, der wohl einmal experimentelle
Durcharbeitung verlangte.
Weniger bekannt als der Nervus cochlearis ist der Nervus vestibularis.
Aber auch der Nucleus n. vestibularis ist durch eine Bahn mit der oberen
Olive und durch lateral von ihm abgehende Züge mit dem Cerebellum ver-
bunden. Lateral vom Nucleus nervi vestibularis liegt das Feld der directen
sensoriaehen Kleinhirnbahn. Die Bahn wendet sich in dieser Höhe als innere
Abtheilang des Corpus restiforme kleinhirnwärts. Hier liegt der Deiters* sehe
192 XIX. BRAUNSTEIN
Habermanu (50) beriohtet über einen Fall von rechts-
seitiger Entzündung des Pars petrosa mit Lähmnng einzelner
Zweige des linken Oonlomotorius, die von den Augenärzten als
eine Eernl&hmung anfgefasst wurde. Die Lähmung ver-
schlimmerte sich mit Verschlimmerung der Ohrsymptome, und
mit der Besserung derselben schien sie sich zu bessern. Da die
Lähmung nicht das der Ohrerkrankung gleichseitige Auge be-
traf, so glaubt Habermann, eine KefiexstSrung vom Ohre
aus nicht annehmen zu können, sondern hält es fbr wahrschein-
licher, dass diese Lähmung mit dem Leiden des rechten Ohres
in keinem directen Zusammenhang steht. Nach Kessel. (53)
kommt es vor, dass ein Extraduralabscess auf die andere Seite
übergreift und dort eine Oculomotorius- und Abducenslähmung
hervorruft, während die der kranken Ohrseite entsprechenden
Nerven frei bleiben.
Preysing (45) theilt einen Fall mit, in dem nach Ent-
Kem in sie eingebettet. ZahUose Gollateralen aus der Vestibalarwurzel um-
spinnen die mächtigen ZeUen dieses Kernes. Der Deiters*sche Kern ver-
bindet Theile der Wurmrinde und Eleinhirnkerne mit Centren für den
statischen Nerven und mit solchen, welche der Augenstellnng
dienen. Letztere sind die Bahnen des dorsalen Längsbündels, welche die
Augenmuskelkerne untereinander und mit dem Rückenmark verknüpfen. Man
darf desshalb wohl annehmen, dass der Deiters *sche Kern für die Körper-
haltung und die Znsammenordnung der statischen Functionen von besonderer
Wichtigkeit ist
In den Schnittebenen, welche den ventralen Acusticuskern enthalten, ist
auch der motorische Kern des Nervus facialis bereits sichtbar. Die
aus demselben dorsalwärts entströmenden Fasern sammeln sich allmählich zu
einem kräftigen Bündel, das, unter dem Boden des Ventrikels angelangt,
plötzlich eine scharfe Wendung in frontaler Bichtung macht, um dann ebenso
scharf abbiegend sich ventralwärts nach der Aussenseite der Oblongata zu
wenden. Die Facialiswurzel macht also ein doppeltes Knie. In dieses Knie
ist der Kern des Abducens eingelagert.
Die Wurzeln des Abducens gelangen in mehreren Bündelchen,
welche die Haube und Brücke durchsetzen, an der Brückenbasis nach aussen.
Der Kern steht medial durch Fasern mit dem hinteren Längsbündel in Ver-
bindung. Ob diese Fasern oben in den gekreuzten Oculomotorius eintreten,
steht noch nicht fest. Ganz sicher bewiesen ist aber eine merkwürdige Ver-
bindung des Abducenskernes mit der oberen Olive. Dieser Zag,
der parallel der Facialiswurzel dahinzieht, muss den Acusticus in Ver-
bindung mit den Augenbewegungsnerven setzen und ist daher
vielleicht wichtig für die Aufrechterhaltung unserer Orien-
tirung im Räume.
Bei einem der hier in Frage kommenden Patienten bestand eine Facialis-
parese, bei dem andern ergab die Hörprüfung eine Störung im Labyrinth.
Ueber extradurale otogene Abscesse. 193
leerung eines reohtsseitigen Extradaralabsoesses eine rechtsseitige
Abducenslähmung auftrat, die vor der Operation nicht bestanden
hatte. Wie lange die Lähmung dauerte, ist nicht angegeben.
Bei der Entlassung, 37 Tage nach der Operation, war sie nicht
mehr nachweisbar, dagegen bestand damals noch beiderseits
eine Stauungspapille, über deren Beginn keine Angaben gemacht
werden. Auch in dem von Muck (46) beschriebenen Falle
bestand die mit einem tiefen Extraduralabscess gleichseitige Ab-
ducensparese noch ca. 3 Wochen nach der Entleerung des Ab-
seesses, aber bei normalem Augenhintergrunde, während bei dem
Patienten, dessen Krankengeschichte Witte und Sturm (47)
veröffentlicht haben, erst nach der Operation eines acuten extra-
sinuösen Abscesses eine Neuritis nervorum opticorum sich aus-
bildete, die 5 Tage zunahm und sich dann in ca. 20 Tagen
zurüokbildete. In diesen Fällen können die Veränderungen am
Auge wohl nicht auf eine durch den Extraduralabscess hervor-
gerufene intracranielle Druckerhöhung zurückgefdhrt werden.
Habermann (51) beobachtete folgenden Fall: Bei einem
Knaben mit Otitis media purulenta, Oedem des Warzenfort-
satzes und Neuritis optica führte er die Mastoidoperation aus.
Hierauf trat keine Besserung ein, sondern 3 Tage später eine
Abducenslähmung. Den folgenden Tag wurde der schon theil-
weise freiliegende Sinus weiter aufgedeckt und die hyperämi-
sche Dura in grösserem Umfange blossgelegt. Da die Granu-
lationen sich weit in die Pars petrosa zwischen die Bogengänge
erstreckten, wurde mit einem feinen Meissel bis gegen den in>
nerwi Gehörgang vorgedrungen, wobei eine stärkere Blutung
eintrat. Habermann ftihrte die Abducenslähmung auf eine
krankhafte Veränderung der Hirnhäute zurück. Jansen theilte
in der Discussion mit, dass er ähnliche Krankheitsbilder mit
Abducenslähmung bei Arachnitis serosa oder serofibrinosa ge-
sehen habe. Der Nachweis der Arachnitis gelang meist durch
Dural- oder Lumbalpunction. Besonders bei Labjrinthbetheili-
gung und perisinuösem Abscess hat Jansen diese Complication
beobachtet. Jürgensmeyer theilte einen entsprechenden Fall
mit. Auch Brieger (52) hält eine Augenmuskellähmung ohne
vermittelnde Meningitis ftlr unwahrscheinlich.
Mehr und häufiger als unter den pathologischen Verände-
rungen an den Augen hatten unsere Patienten mit Extradural-
abscess durch gastrische Erscheinungen zu leiden. Die-
selben traten als Appetitlosigkeit, Stuhlverstopfiing, Uebelkeit,
IM XIX. BRAUNSTBIN
£rbre«lien vnd danui tAA BeUiessende Mattierkeit auf. Diese
Eraakheitssjmptonie leigtea sieh stetg ebne naekweiabare Ur-
saehey Uebelkttt und Erhreehen iseitt msammeB mit 8ehwiDdel->
anfiUleB. Eine Ausnahme bildet Fall 10 der Tabelle A^ bei dem
das Erbreeben rielleieht auf eine dnreb Fall T^rorsaehte Cem-
motia ea-ebri sartcknfllhTen ist. Bei diesem und einem zweiten
Patienten, der an Erbreehen litt, sass der Extradnralabseess in
der mittleren, bei den fbnf anderen in der binteren Sehidel-
grobe.
Unter unseren Erkrankten litten drei an Naekensteifig-
keit. Bei ibnen war der Sits des Extradnralabseesses die hin-
tere Sohädelgmbe. Diese drei F&Ue beweisM, dass entgegen
der Ansieht ren Lane (28) Nackensteifigkeit aaeb vorkommen
kann bei Abwesenheit von Araehnitis.
Bei 7 von unseren Erkrankten mit Extraduralabsoessen
wnrdoi Faeialisparesen beobaehtet Während bei 6 die
Lähmung des Gemebtsnerren der Seite des kranken Ohres und
des Sitzes der intraeraniellen Complioation entspraeh, fand sieh
im Falle 3 der Tabelle A die Fonetionsstömng des Facialis auf
der Seite des gesunden Ohres, und der Nerr der Gesiehts-
musculatur, den das kranke Schläfenbein beherbergte, fnne-
tionirte völlig normal. Unmittelbar nach der Entleerung der
extraduralen Eiterung ging die Lähmung des Gesiehtsnerven
zurtlek, und den folgenden Tag war sie gänzlieh versohwunden.
Eine gekreuzte Faeialislähmung durch Druck des nur haselnuss-
grossen Abseesses auf das motorisohe Oentrum des Gesiehts-
nerven anzunehmen, ist, da die Parese vollständig zurückging,
den physiologischen Anschauungen widersprechend, nnd eine
directe Beeinflussung des linken Nervenstammes durch die
Eiteransammlung war in Folge ihres Sitzes an der rechten
Kopfseite unmöglich. Eine intraoranielle Drucksteigerung musste
aber« angenommen werden, und als ihr klinisches Symptom gab
sieh der bald nach der Trepanation auf den Sehläfenlappen ein«
tretende Hirnprolaps zu erkennen. Jedoch liess sieh nicht be-
stimmen, welcher Art der intraoranielle Process war, und eine
Complioation des Extradnralabseesses mit einer Paehymeningitis
interna oder einem Yentrikelhydrops konnte nioht nachgewiesen
werden. Bei der Trepanation floss kein Liquor ab. Jedenfalls
ist der Extraduralabsoess nioht die Ursache der gekreuzten Fa-
eialisparese gewesen.
Grunert (29) hat den Fall ausführlich veröffentlicht. In
Ueber extradurale otogene Abscesse. 195
dem Fall 30 der Tabelle B theilt die Erankengeschichte über
den Einflass der Operation auf die Faeialisparese keine Be-
obaehtungen mit, während die Patientin 7 derselben Tabelle B
am Tage nach der Operation wahrscheinlich an den Folgen
einer Diphtherieinfeetion starb. Bei den Übrigen 4 Patienten 6,
37) 42 der Tabelle A nnd 8 der Tabelle B hatte die Operation
keinen so günstigen Einflass auf die Rückbildnng der Lähmung
des Gesichtsnerven wie in dem oben mitgetheilten Falle. Bei
dem Kranken 6 bestand die Faeialisparese nach der Operation
unverändert fort und zeigte auch ca. 1 Jahr, nachdem der Pa-
tient im Uebrigen als geheilt entlassen war, nicht die ge-»
ringste Rückbildung. In den anderen Fällen vollzog sich die
Besserung der Lähmung des Gesichtsnerven nach der Operation
langsam, unterstützt durch die Anwendung des elektrischen In^
dnctionsstromes. Der Patient 42 der Tabelle A litt bei seiner
Entlassung nach 106 Behandlungstagen noch an einer Lähmung
des rechten Mundastes des Facialis. Bei den beiden andern
war die Function des Gesichtsnerven am Tage der Entlassung
wieder normal. Es darf wohl angenommen werden, dass in
keinem dieser Fälle, auch nicht in dem oben zuerst besprochenen
Falle 3 der Tabelle A die Lähmung des Facialis durch den
Extraduralabscess verursacht worden ist, dass die Eiteransamm-
lung zwischen Dura und Knochen in keinem Falle durch Raum-
verengerung des Schädelinnern auf mechanischem Wege eine
gekreuzte oder gleichseitige Faeialisparese bewirkt hat. Obsohon
Patient 3 der Tabelle A zeitweise auch an psychischer Un-
klarheit, Pulsverlangsamung und Veränderung des Augenhinter-
grundes litt, so können dennoch weder diese Erscheinungen noch
die Faeialisparese aus oben angeführten Gründen als Folge
des Extraduralabscesses betrachtet werden.
Nach Kocher (35) ist allerdings der Hirndruck entgegen der
Lehre von Bergmann und Griesinger im Anfang stets nur
local; erst später treten durch Verbreiterung des Drucks auf die
Naehbargegend allgemeine Hirndrucksymptome auf. Jedoch
wird auch hierdurch der obige Fall nicht aufgeklärt. In den anderen
Fällen können wohl für die Paresen nur Entzündungs- resp. chemisch-
toxische Vorgänge innerhalb des Nerven selbst verantwortlich ge-
macht werden, die wiederum als eine Fortleitnng der Entzüadungs-
nnd Zersetzungsvorgänge in der Paukenhöhle anzusehen sind. Wir
haben demnach pathogenetisch zwei Arten von Faoialisparesen zu
niiter8cheiden,die mechanische und die entzündliche. EineBedeutung
AtcMv f. Ohrenheilktuide. LV. Bd. ]^4
196 XIX. BRAUNSTEIN
bat diese Unterscbeidnng wenigsteoB für die Prognose, da die durch
einen Extradaralabscess verursaehte Lähmung des Gesichtsnerven
wohl sehr selten auf einer tiefgreifenden Druckatrophie im Nerven
beruht und daher nach Entleerung des Abscesses gewöhnlich zur
Norm zurückkehrt, während die durch Entztlndungsvorgänge her-
vorgerufene Parese meist die Folge einer Degeneration von Nerven-
fasern bedeutet, so dass öfter die Functionsfähigkeit einzelner
Aeste oder des ganzen Nervenstammes vernichtet ist.
Ein Beispiel von gekreuzter Parese, wie sie ein Extradural-
abscess der mittleren Schädelgrube besonders bei Kindern verur-
Sachen soll, wurde unter unsern Fällen nicht beobachtet.
Eine Pulsverlangsamung fand sich in 4 Fällen, 3 der
Tabelle A und 11, 15 und 29 der Tabelle B. Bei keinem dieser
Patienten, mit Ausnahme von 29 der Tabelle B wurde eine Eiter-
ansammlung gefunden von einer Grösse, dass sie als Ursache
dieses Hirndrucksymptoms erklärt werden könnte. Auch fehlten
bei diesen Kranken andere Hirndrucksymptome; nur Patient 3
der Tabelle A litt an Veränderung des Augenhintergrundes und
Facialisparese. Im Falle 29 der Tabelle B stieg während
eines Fieberanfalles (39,5 ^) die Pulszahl auf 90 Schläge, wäh-
rend in den anderen Fällen überhaupt nie Fieber beobachtet
wurde. Unregelmässigkeit des Pulses fand sich in 4 Fällen von
Extraduralabscessen der hinteren Schädelgrube.
Sensibilitäts- und Sprechstörungen wurden in kei-
nem Falle beobachtet, ebensowenig melaneholiscbe Wahnideen als
Folge des otitischen Extraduralabscesses, wie sie Biehl (54) be-
schreibt; Störungen des Sensoriums und derPsyche nur
einmal (Fall 3 der Tabelle A).
Diagnrose.
Bei der Besprechung der Symptome, die ein uncomplicirter,
in sieh abgeschlossener Extraduralabscess machen kann, hat sieb
bereits ergeben, dass von den aufgezählten Erscheinungen keine
als charakteristisch ftir die hier bebandelte Complication der
Otitis media angesehen werden kann.
Die localen Veränderungen des Ohres und seiner
Umgebung sind in bei weitem den meisten Fällen kein diagno-
stisches Merkmal für die intracranielle Erkrankung, sondern
unabhängig von dieser eine Folge der zerstörenden Wirkung des
ursprünglichen Ohrenleidens. Nach den Aufzeichnungen unserer
Tabellen machen sich bei extrasinuösen Abscessen und bei Abs-
cessen der hinteren Schädelgrube Veränderungen in der Um-
Ueber extradarale otogene AbscesBe. 197
gebung des Ohres viel häufiger bemerkbar, als beim Sitz derselben
Erkrankung in der mittleren Sohädelgrnbe, und der Verdacht auf
das Vorhandensein eines Extraduralabscesses ist sicherlich be-
rechtigt, wenn sich Oedeme oder Abscesse hinter dem Processus
mastoideus in der Gegend des Emissarium mastoidenm oder der
Sutura mastoideo-occipitalis finden. Dasselbe gilt f&r Extradural-
abseesse der mittleren Schädelgrube, wenn dieselben in der Nähe
der Spina supra meatum, an der Linea temporalis oder in den knö-
chernen Gehörgang durchbrechen. Ausser diesen Symptomen lässt
noch ein sehr reichlicher Eiterfluss, dessen Menge nicht aus den
Mittelohrräumen allein stammen kann, den Schluss auf eine intra-
cranielle Eiteransammlung zu (Fall 37 der Tabelle B). Differential-
diagnostisch muss dann aber das, wenn auch seltene, Vorkommen
eines Schläfenlappenabscesses berücksichtigt werden, der sich durch
eine Fistel in der Schuppe des Schläfenbeins nach Aussen ent-
leeren kann.
Die Druckempfindlichkeit ist in der Regel eine Be-
gleiterscheinung der localen Veränderungen des Ohres und seiner
Umgebung und auf ihren Bezirk beschränkt. Bei ihrer Aus-
nutzung als Handhabe f&r die Diagnose eines Extraduralabscesses
ist daher grosse Vorsicht geboten.
Unter welchen Umständen der Kopfschmerz das Bestehen
eines Extraduralabscesses wahrscheinlich machen kann, ist be-
reits bei der Besprechung dieses Symptoms erwähnt. Die genaue
Localisation der Kopfschmerzen, deren Heftigkeit in keinem
Verhältniss zur Geringfügigkeit der objectiven Erscheinungen
steht, kann ein Wegweiser fär die Diagnose sein (Fall 12 u. 29
der Tabelle B). Im letzteren Falle wurde der anfänglich diffuse
Kopfschmerz allmählich auf eine handtellergrosse Stelle hinter
dem Planum mastoideum, welche genau dem Sitz des Extradural-
abscesses entsprach, eingeschränkt. Diese Fälle lehren aber,
dass Kopfschmerz das einzige oder doch am deutlichsten her-
vortretende Symptom eines Extraduralabscesses sein kann, einer
intracraniellen Erkrankung, die ohne operativen Eingriff wohl
stets zum Tode fbhrt. Bei Patienten, die keinen Verdacht auf
Simulation erregen und keine Krankheitserscheinungen bieten,
durch welche die Herkunft heftiger Kopfschmerzen erklärt wird,
muss daher die Untersuchung des Ohres eine überaus gewissenhafte
sein und bei dem geringsten auch nur anamnestischen Befunde
mnss die weitere Beobachtung mit dem Bestehen eines Extra-
duralabscesses rechnen. Die Erklärung fQr das latente Vor-
14*
198 XIX. BRAUNSTEIN
kommen dieser intraeraniellen Erkrankung auch naoh völliger
Ansheilang der ursftchlioben Mittelohrentzündung wurde bei Be-
spreebuDg der Patbogenese der extraduralen Eiteransammlung
mitgetheilt. — Wichtig ist es also, zu wissen, dass bei Patienten
mit otogenen Extraduralabsoessen zwischen dem objectiven
Obrbefunde und den subjectiven Klagen über Kopfschmerz ein
auffallender Widerspruch bestehen kann.
Auch die Facialisparese bildet kein Symptom, worauf
sich die Diagnose eines Extraduralabscesses mit Wahrscheinlich-
keit stützen kann. In den meisten Fällen lässt sich die Läh-
mung des Gesichtsnerven auf Entzündungsvorgänge zurückfuhren,
die nch aus der Paukenhohle durch Dehiscenzen oder cariöse
Lücken der Wand des Fallopischen Kanals in die Nervenscheide
fortgepflanzt haben. Eine durch Druck hervorgerufene mecha-
nische Parese des Nervus facialis scheint sehr selten bei Extra-
duralabsoessen vorzukommen. Unter unseren Fällen findet sich
keine. Ist dieselbe jedoch gegebenen Falles eine gekreuzte, so ist
die Diagnose auf eine intracranielle Gomplication begründet, aber
auch dann kommt diflferentialdiagnostisch der Hirnabsoess in Be-
tracht. Auch bei unserem Patienten 3 der Tabelle A wurde die
Diagnose auf einen Sohläfenlappenabscess gestellt, aber weder
durch die Operation, noch durch die Section wurde die An-
nahme bestätigt. Die Ursache für die gekreuzte Facialisparese
wurde in diesem Falle nicht festgestellt; jedenfalls war aber der
Extraduralabscess daran unschuldig.
Ebenso wenig Werth für die Entscheidung der Frage, ob
eine Mittelohrentzündung mit einem Extraduralabscess complicirt
ist oder nicht, haben die pathologischen Veränderungen
am Auge. In einer sehr geringen Anzahl von Fällen wurden
solche beobachtet. Aber abgesehen davon, dass dies verein-
zelte Vorkommen von Neuritis optica, Hyperämien der Netzhaut
und Augenmuskellähmungen verschwindet gegenüber der grossen
Anzahl der Kranken, deren Augenhintergrund völlig normal war
und deren Augenbewegungen keine Störungen zeigten, muss bei
der Diagnose stets erwogen werden, dass sowohl einHirnabscess wie
eine Meningitis pathologische Veränderungen am Augenhinterg^^nd
hervorrufen und eine Functionsstörung der motorischen Angen-
nerven auch vom Labyrinth aus reflectorisch ausgelöst werden kann.
Immerhin deuten aber die krankhaften Veränderungen des Augen-
hintergrundes auf eine Vermehrung des intraeraniellen Druckes.
Kocher (35) hält die Pupillensymptome für wichtige Anhalts-
Ueber extradurale otogene Abscesse. 199
paukte bei der Diagnose des Hirndrucks. Wenn der Himdmck
noch keine gefährliche Höhe erreicht hat, macht sich derselbe
dnroh Verengerung der Papillen bemerkbar, auf dem Hohen-
stadinm aber, wenn es sich dem Lähmungsstadinm nähert, tritt
eine Erweiterung derselben ein. Die Verengerung entspricht
der regelrechten Innervation seitens der Centren im Hirnstamme,
wenn die wechselnden Erregnngseinflttsse von anderer Seite weg-
gefallen sind ; die Erweiterung mit Pupillenstarre entspricht der
Lähmung. Man beobachtet daher bei intracraniellen Leiden ge-
wöhnlich zuerst Verengerung, dann Erweiterung der Pupillen
dem Druck entsprechend einseitig. Wenn in frühen Stadien der
Erkrankung eine Erweiterung der Pupillen eintritt, so deutet dies
auf reflectorische Erregung. Bei einseitiger Fupillenerweiterung
muss aber bedacht werden, dass dieselbe nicht selten Folge einer
direeten Läsion des Oculomotoriusstammes an der Schädelbasis
ist. Auch diese Erweiterungen entsprechen in der Kegel der
Seite der Verletzung, resp. des Druckes im Schädel und sind
eharakterisirt durch Betheiligung aller Oculomotoriusfasern, zu-
weilen auch des Abducens. In unseren Fällen mit Pupillenver-
änderung bestand einmal (Nr. 8 der Tabelle B) Erweiterung auf
der dem Druck entgegengesetzten Seite und im anderen Falle 11
derselben Tabelle muss die der Druckseite entsprechende Erwei-
terung auf die beginnende Meningitis bezogen werden.
Dieselbe Bedeutung haben die Erscheinungen der Pulsver-
langsamung und der Nackensteifigkeit, deren Vorkommen bei
Patienten mit Extraduralabsces^ noch seltener zu sein scheint, als
die eben besprochenen Symptome.
Während die bisher angeführten Symptome in, wenn auch
seltenen Fällen einen Extraduralabscess als Ursache haben und
daher zuweilen diagnostisch von Werth sein können, giebt es
eine Anzahl von Erscheinungen, die zwar vielfach als abhängig
von dem Bestehen einer extraduralen Eiterung gehalten worden
sind, aber nach den Erfahrungen in der hiesigen Klinik in kei-
nem ursächlichen Zusammenhang mit der intracraniellen Erkran-
kung stehen, sondern nur Begleiterscheinungen derselben
sind. Hierher gehören die Schwindelanfälle, die gastri-
schen Erscheinungen und das Fieber.
Wenn man den Entwicklungsgang des otogenen Extradural-
abscesses berücksichtigt und dazu die Befunde der Hörprüfung
und der Operation bei denjenigen Patienten, die objectiven, und
bei manchen, die subjectiven Schwindel zeigten, in Betracht zieht,
200 XIX. BRAUNSTEIN
80 liegt auf Grand der oben mitgetheilten und jetzt wohl allge-
mein gttltigen Theorie ttber das statische Organ die Annahme
nahe, dass es sich bei unseren Patienten lediglich um labyrin-
thären Schwindel gehandelt hat, und nicht um die Erscheinungen
der cerebellaren Ataxie, wie sie ein Kleinhirnabscess hervorrufen
kann. Hierbei soll nicht verkannt werden, dass das Kleinhirn
als Goordinationscentrum für die Muskelbewegung anzusehen ist,
und dass durch Affectionen dieses Centralorgans ebensowohl wie
durch nicht adäquate Beizung der peripheren Endorgane und
der zuleitenden Bahnen, die sich in ihm vereinigen, Schwindel-
erscheinungen hervorgebracht werden können. Solche Beobach-
tungen wurden aber bisher nur gemacht bei Tumoren, die im
Wurm oder hauptsächlich im Wurm des Kleinhirns sassen, bei
Syphilis, multipler Sklerose, Blutungen und Erweichungen, ab-
gesehen von dem Schwindel bei functionellen Gehirnkrankheiten,
Vergiftungen und anderweitigen Veränderungen der Blutmisohung.
Und es steht fest, dass das Centralorgan fElr die Coordination
nicht in der Hirnrinde liegt, sondern dass es subcorti-
cale Organe sind, die den coordinatorischen Functionen vor-
stehen; der auf das Kleinhirn ausgeübte Druck müsste daher,
um eine Störung dieser tiefliegenden Organe herbeizuführen, viel
bedeutender sein, als die meist geringe Eiteransammlung zwi-
schen Dura und Knochen erwarten lässt. Hitzig (1. c.) ist der
Ansicht, dass Schwindel ebenfalls durch Affection des Grosshirns
direct entstehen kann, und zwar, auch in soweit die das Klein-
hirn durch den Bindearm passirenden Bahnen in Betracht kom-
men, in gekreuzter Richtung. Unter unseren Fällen findet sich
auch hierfür kein Beispiel. Oppenheim (33) bezeichnet den
Schwindel als ein Symptom von geringem diagnostischen Werthe,
und er lässt z. B. die Erscheinungen der cerebellaren Ataxie für die
Diagnose eines Kleinhirnabscesses nur dann gelten, wenn keine
Labyrinthaffection besteht, und an anderer Stelle (34) nennt er den
Schwindel ein durchaus vages Symptom, das besonders bei otogenem
Eiterherde kein zuverlässiges Merkmal der Hirnerkrankung bildet.
Die gastrischen Erscheinungen können ebenfalls nur
als Begleiterscheinungen des Extraduralabsoesses betrachtet wer-
den, sie sind nicht charakteristisch für das intraoranielle Leiden,
sondern nur Zeichen des krankhaften Allgemeinzustandes. Er-
brechen oder Uebelkeit sind meist die Folge des Schwindels,
wie sie die Ursache der Stuhlverstopfung und der Mattigkeit sind,
und sie treten oft mit so grosser Heftigkeit bei der unoompUcir-
Ueber extradarale otogene AbscesBe. 201
ten eitrigen EatzUndang der Paukenhöhle auf, dass ihre Fort-
daner fbr das Leben bedrohlich erscheinen kann. Ebenso tritt zu-
weilen üebelkeit und Erbrechen ein, wenn der übelriechende
Eiter der Paukenhöhle per tubam in den Bachen gelangt. —
Fieber wurde nur bei einem Drittel der dieser Arbeit als
easuistische Grundlage dienenden Krankheitsfälle beobachtet.
Aber es zeigte sich, dass auch die Steigerung der Körpertempe-
ratur bei dieser kleinen Zahl von Patienten mit Extraduralab-
soess nicht diedntracranielle Erkrankung zur Ursache hatte. Bei
allen unseren Erkrankten mit Fieber konnte letzteres auf die
EntzündungSYorgänge im Ohr und in seiner Umgebung zurück-
geführt werden, mit Ausnahme des Falles 29 der Tabelle B. Bei
diesem Kranken handelte es sich um einen extrasinuösen Abscess,
der, den heftigen Kopfschmerzen nach zu urtheilen, unter hohem
Druck stand, so dass pjogene Stoffe durch die erweichte Sinus-
wand gepresst wurden und das Anfangsstadium einer Pyämie
erzeugten, deren erstes Alarmsignal die Temperaturerhöhung
war. In allen Fällen von extrasinuösem Abscess mit febrilen
Temperaturen, die nicht auf die krankhaften Veränderungen im
Ohr oder in seiner Umgebung zurückgeführt werden können,
haben wir ein pyämisches Fieber vor uns. Hierfür spricht auch
der von Schenke (43) mitgetheilte Fall von tiefgelegenem, vom
Saccus endolymphaticus ausgehendem Extraduralabsess. Streng
genommen ist dann das Krankheitsbild nicht mehr der reine
otogene Extraduralabscess, sondern dasselbe ist ein complicirtes
geworden durch den Hinzutritt der beginnenden Pyämie. Auch
in dem angezogenen Falle, der von Grün er t (1) ausführlicher
mitgetheilt worden ist, wurde nach Eintritt der Temperaturstei-
gerung (bis 39,5 <)) ein extrasinuöser Eiterherd, eine Erkrankung
der Sinuswand oder eine Sinusphlebitis als Ursache des pyämi-
sehen Fiebers angenommen.^
In einem solchen Falle, wenn bei auffälliger Incongruenz
der subjectiven Beschwerden und des objectiven Befundes plötz-
lich hohes Fieber eintritt, kommt differentialdiagnostisch noch
beginnende Meningitis in Betracht, da aus früher mitgetheilten
anatomischen und pathogenetischen (xründen die Annahme einer
intracraniellenComplication am nächsten liegt. Einen otogenen
nncomplicirten Hirnabscess können wir ausschliessen bei der
Diagnose, weil er in der Regel kein Fieber verursacht. Um
nun in einer derartigen Lage über die Zweckmässigkeit eines
operativen Eingriffs sich Sicherheit zu verschaffen, wird in der
202 XIX. BRAUNSTEIN
hiesigen Obrenklinik mit Erfolg dieLumbalpunctioa angewandt wie
dies von Lentert(37) und vom Verfasser (38) bereits veröffentliebt
worden ist. Kann auf Grund des negativen Befundes der Gerebro*
spinalfiüssigkeit das Vorhandensein einer Meningitis purulenta
diffusa ausgesehlossen werden, so hesohränkt sich die Differential-
diagnose auf eireumscripte Meningitis, Sinnsphlebitis oder extra-
sinuösen Abscess, Erkrankungen, bei denen ein operativer
Eingriff die aussiehtsvollste Therapie bildet, wenn auch meistens
zwischen diesen Zuständen eine sichere Diagnose nicht möglich ist»
Auf Grund vorstehender Darlegungen ist die ex-
aeteDiagnose einesuneomplioirten, otogenen extra-
duralen Absoesses unmöglich. Es kann stets nur eine
Wahrscheinlichkeitsdiagnose gestellt werden. Von den oben an-
gefahrten subjectiven und objectiven Erscheinungen besitzt keine
an sich einen diagnostischen Werth für die Annahme eines
Extraduralabscesses als Ursache, ja mehrere von ihnen können
nicht mal als sicheres Merkzeichen fKr eine der bei der Diffe-
rentialdiagnose concuiTirenden Erkrankungen des Schädelinnern
angesehen werden, obschon sie in uns den Verdacht auf ein
intracranielles Leiden erwecken können. Je mehr von diesen
Symptomen sich nun in dem Erankheitsbilde vereinigen, um so
grösser wird die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Ursache fbr
diese Merkmale innerhalb der Schädelhöhle zu suchen haben.
Aber hiermit sind wir auch an der Grenze unserer diagnosti-
schen Leistungen angelangt. Fall 29 der Tabelle B zeigt, dass
zu dieser Wahrscheinliohkeitsdiagnose zuweilen wenige Sym-
ptome erforderlich sind: ein im Abheilen begriffener Mittelohr-
katarrh, circumscripter Kopfschmerz und eine einmalige, plötz-
liche Temperatursteigerung.
Die sichere Diagnose wird erst durch die Operation ge-
wonnen, die bei den meisten Patienten mit Extraduralabscess zur
Beseitigung eines Mittelohrleidens angezeigt ist. Auch in den von
Jansen (39) mitgetheilten Fällen von Extraduralabscess konnte v or
der Operation keine sichere Diagnose gestellt werden, wie sich
trotz der gegentheiligen Behauptung Jansen's aus den beigefügten
Krankengeschichten ergiebt. In unseren Fällen wurde meistens
vor der Operation ein Extraduralabscess überhaupt nicht ver-
muthet, sondern es brachte während oder nach der Operation
eine eiternde Fistel den Gedanken an eine solche Complication
nahe, oder ein plötzlicher Eiterschwall offenbarte bei derVerfolgung
des erkrankten Knochens die extradurale Erkrankung. Beson-
Ueber eztradariüe otogene Abscesse. 203
ders schwierig ist die Diagnose bei den tiefen Extradnral-
abseessen wegen ihres versteckten Sitzes (wie im Falle 11 der
Tabelle B), und dies ist um so bedauerlicher, weil ihre Neigung,
eine diffuse eitrige Leptomeningitis herbeizuf&hren, besonders
gross erscheint.
Auch in den glücklich operirten Fällen von tiefem Extra-
duralabscess, z, B. Fall 6 der Tabelle A, dienten äussere Weg-
leitungen, hier Labyrinth -Mittelohrfisteln als Führer zur Eiter-
ansammlung.
Prognose.
Theoretisch mag die Ansicht zu rechtfertigen sein, dass ein
Extraduralabscess, der sich durch das Ohr oder durch eine
Fistel nach Aussen entleeren kann, auch ohne operative Hülfe
ausheilt. Aber ein solches Vorkommniss ist wohl niemals be-
obachtet worden. Und da die aus einem Extraduralabscess sich
erfahrungsgemäss entwickelnden Folgezustände im Schädelinnern
letal sind, so ist, um die Gefahr weiterer Gomplicationen
auszuschliessen, in jedem Falle von Verdacht auf eine Eiteran-
sammlung zwischen Knochen und Dura die Freilegung der-
selben durch Eröffnung der Sohädelkapsel angezeigt. Die recht-
zeitig unternommene Operation verbürgt nach den Erfahrungen
der hiesigen Klinik nnd nach anderen Berichten eine günstige
Prognose. Von unseren Patienten der Tabelle A erlag Nr. 15
einer Lungenphthise, und Nr. 25 einer Meningitis tuberculosa,
nachdem sie bereits seit Wochen aus der Behandlung der Ohren-
klinik entlassen waren. Nr. 3 starb ca. 5 Wochen nach der
Operation eines Extraduralabscesses an Meningitis purulenta
diffusa und Nr. 4 6 Monate nach der Operation, nachdem wäh-
rend dieser Zeit sich ein Kleinhirnabscess gebildet hatte und
durchgebrochen war, ebenfalls an Meningitis. Unter den Kranken
der Tabelle B befinden sich drei, die nach der Operation eines
Extraduralabscesses starben : Nr. 7 an Pyämie, die wahrscheinlich
schon vor der tags zuvor ausgeführten Operation bestanden
hatte, Nr. 11 in Folge von Meningitis, die sich an einen nicht
diagnostioirten und daher nicht operirten tiefen Extraduralabscess
angeschlossen hatte, und Nr. 26 ebenfalls an Meningitis purulenta
diffusa. Als Folge der Abscessentleerung trat demnach niemals
der Exitus letalis ein, auch kann fQr die drei Fälle, in denen
sich eine tödtliche Entzündung der weichen Hirnhäute nach der
operativen Aufdeckung der extraduralen Eiteransammlung aus-
bildete, die von der Aufineisselung herrührende Erschütterung
204 XIX. BRAUNSTEIN
des Soh&dels nicht yerantwortlich gemacht werden, da die Me-
ningitis erst lange Zeit nach der Operation eintrat, sodass wohl
angenommen werden darf, dass es sieh hier entweder nm eine zweite
Infection oder um das Wiederaufleben latenter Entzündungs-
erreger gehandelt hat. Gegenüber der grossen Anzahl von Hei-
lungen fallen diese drei allein in Betracht kommenden Todesfälle
nicht in's Gewicht.
Behandlung.
Die Behandlung des Extraduralabscesses kann
nur eine operative sein. Ebensowenig wie auf die Spontan-
heilung eines Hirnabscesses durch Besorption oder Verkalkung
seines Inhaltes oder in Folge Durchbruchs nach Aussen zu
rechnen ist, ebensowenig tritt nach den bisherigen Erfahrungen
ein solcher günstiger Ausgang bei einem Extraduralabsoess
ein, und dies um so weniger, weil bei einer grossen Zahl
der chronischen Eiteransammlungen zwischen Dura und Knochen
die bei chronischen Hirnabscessen fast stets vorhandene Abs-
cessmembran fehlt, der Propagation des extraduralen Eiters
also keine Schranke gesetzt ist. Eine exspectative Behand-
lung wird, wegen der grossen Neigung des Extradural-
abscesses zu letalen Gomplicationen die Prognose daher ver-
schlechtern. Indessen kann die Schwierigkeit der Diagnose
einer extraduralen Eiteransammlung, wie wir gesehen haben,
eine sehr grosse sein, sodass die Lösung der Frage, ob ein ope-
rativer Eingriff angezeigt ist, längerer Beobachtung des Patienten
bedarf. Dies tritt besonders dann ein, wenn die ursächliche
Ohrerkrankung die Vornahme einer Operation nicht erfordert.
Die meisten Fälle von Pneumokokkenotitiden, bei denen die
Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf eine Complication mit Extra-
duralabscess gestellt wird, bieten diese Schwierigkeit der In-
dicationsstellung zur Operation. Wenn die Entzündungs- und
Zerstörungsvorgänge im Ohre und in seiner Umgebung in Folge
des ursprünglichen Ohrenleidens derartige sind, dass sie eine
Freilegung der Mittelohrräume verlangen, so ist der Entschluss
zur Eröffnung der hinteren oder mittleren Schädelgrube er-
leichtert, zumal wenn auf dem Operationsfeld eine Wegleitung
zu Tage tritt, die das Bestehen eines Extraduralabscesses ver-
räth. Bei vielen von unsern Patienten wurde auf diese Weise
die extradurale Eiteransammlung aufgedeckt. Zeigt sich jedooh
bei der Aufmeisselung des Warzenfortsatzes keine äussere Weg-
Ueber eztradurale otogene Abscesse. 205
leitung, 80 ist die explorative Eröffnung der hinteren und mitt-
leren Sehädelgrabe aber trotzdem geboten, wenn die klinisehen
Erscheinungen auf das Vorhandensein einer intraeraniellen Er-
krankung hinweisen.
Und auch bei den Kranken, deren Ohrenleiden die opera-
tive Eröffnung der Mittelohrrftume nicht zu fordern scheint, ist
die Mastoidoperation stets angezeigt, wenn die Wahrscheinlioh-
keitsdiagnose auf Extraduralabscess gestellt ist. Ein grosser
Theil der in der Tabelle B mitgetheilten Krankengeschichten
ist ein Beweis ftlr die Richtigkeit dieser Erfahrung. Wenn dann
auch der operative Befund des Warzenfortsatzes den chirurgi-
schen Eingriff nicht immer rechtfertigt, so deckt er doch er-
fahrungsgemäss häufig eine äussere Wegleitung auf, die zum
Sitz des extraduralen Abscesses führt. Fehlt aber auch diese,
so ist, selbst wenn keine pathologischen Veränderungen in den
Zellen des Warzenfortsatzes und im Antrum vorhanden sind,
trotzdem auf Grund der Wahrscheinlichkeitsdiagnose die Er-
öffnung der Schädelhöhle vorzunehmen (Fall 13 der Tabelle B).
Wenn dann, nach Freilegung der Mittelohrräume und Er-
öffnung der Schädelhöhle in diesen kein Eiter gefunden wird,
die Symptome, die als Stützen für die Wahrscheinlichkeits-
diagnose eines intraeraniellen Leidens dienten, aber fortbestehen,
so muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass ein tiefer
Extraduralabscess die Ursache dieser Erscheinungen ist. Bisher
sind drei Localisationen fbr die tiefen Eiteransammlungen
zwischen Dura und Knochen bekannt geworden : an der hinteren
Fläche der Pyramide (Jansen 9), an der Spitze derselben
Fall 11 der Tabelle B (Grunert 1) und an der vorderen Py-
ramidenfläche Fall 6 der Tabelle A (Grunert 40). Fehlt jeg-
liche Wegleitung, so ist wohl die von v. Bergmann (4) an-
gegebene Methode zu versuchen, die in der hinteren und mitt-
leren Schädelgrube vergeblioh gesuchte Eiteransammlung durch
Eröffnung der Schädelhöhle unmittelbar über dem knöchernen
G^hörgang und Abhebung der Dura von der Felsenbeinpyramide
zu entleeren. Sind Fisteln z. B. an der medialen Antrumwand
oder im Promontorium oder im horizontalen Bogengang vor-
handen, so sind dieselben als Wegleitungen zu benutzen (Jan-
sen 9, Grunert 40) Fall 6 der Tabelle A. Bei dem Patienten
11 der Tabelle B war nach der Mastoidoperation keine Besse-
rung des Allgemeinbefindens zu beobachten, dagegen stellten
sich deutliehe Merkzeichen einer intraeraniellen Gomplioation
206 XIX. BRAUNSTEIN
ein. Bei der dann vorgenommenen Eröffnung der Schädelhöhle
wurde kein extraduraler Abscess gefunden und die Diagnose
dann auf einen Schläfenlappenabseess gestellt. Die Trepanation
ergab keinen Eiter. Als dann die Zeichen der Meningitis immer
deutlicher hervortraten, wurde kein Operationsversuch mehr ge-
macht. Die Section ergab dann einen tiefen an der Spitze derFelsen-
beinpyramide sitzenden Extraduralabscess, der in den Subaraeh-
noidealraum durchgebrochen war und die tödtliche Meningitis
verursacht hatte. Ein Gehirnabsoess wurde nicht gefunden.
Die von Jansen und Orunert veröffentlichten Fälle zeigen
aber, dass die tiefgelegenen Extraduralabscesse durch geeignete
Operationsmethoden freigelegt werden können. J. E. Shep-
pard (41) hat einen Fall mit tödtlichem Ausgang mitgetheilt^ in
dem der Extraduralabscess an der Spitze der Felsenbeinpyramide
saas. Die Fropagation des Eiters war durch den Ganalis caro-
ticns von der Paukenhöhle her erfolgt. Nach der Mastoidoperatlon
wurde die Schädelhöhle nach der von Bergmännischen Methode
eröffnet, aber die Dura, obgleich sie deutlich entzündet war^ nicht
bis zur Pyramidenspitze abgehoben, daher auch kein Eiter
gefunden. Die der Mittheilung beigefügte Bemerkung : „Heilung
eines Epiduralabscesses in dieser Gegend, so nahe dem Mittelpunkt
des Kopfes, scheint mir auf operativem Wege die Grenzen unserer
gegenwärtigen Hülfsmittel zu übersteigen^ war wohl 1898, nach-
dem die Veröffentlichungen von Jansen 1893 und Grüne rt
1897 voraufgegangen waren, nicht mehr berechtigt.
Ist der extradurale Abscess gefunden, so ist durch mög-
lichst breite Eröffnung desselben für vollständigen Eiterabflnss
zu sorgen. Soweit die Dura krank erscheint, ist dieselbe dureh
Wegmeissein des überhängenden Knochens oder Wegbrechen
desselben mit der Lüer'sehen Zange frei zu legen. In manchen
Fällen deckt sich der Entzündungsbezirk der Dura nicht mit
dem Ausbreitungsgebiet der Eiteransammlung, sondern der
erstere überragt die Grenzen der letzteren. Der Knochen muss
daher soweit entfernt werden, bis die harte Hirnhaut ihr nor-
males Aussehen zeigt.
Nach Freilegung der Dura ist ein aufmerksames Absuchen
derselben nach Fisteln geboten, die sich zwischen den die harte
Hirnhaut bedeckenden Granulationen hindurch in die Hirnmasse
erstrecken. Hierbei sollen nach den Grundsätzen und Erfahrungen
in der hiesigen Klinik die Granulationen möglichst wenig
berührt werden, und vor einem Abschaben oder Abkratzen der
Ueber extradurale otogene Abscesse. 207
Anflagernngen , auch wenn dieselben krankhaft, missfarben
aussehen, ist ansdrttcklieh zu warnen. Macewen (42) giebt
zwar die entgegengesetzte Anweisung, indem er die Entfernung
der vorhandenen Granulationen anräth, aber dieser Rath steht
im Widerspruch zu der wenige Zeilen später verlangten Vorsicht
beim Abspritzen der harten Hirnhaut: „Spritzt man durch einen
kleinen Defeet im Tegmen, ohne zuvor die freigelegte Dura
untersucht zu haben, in forcirter Weise Flüssigkeit ein, so kann
die erweichte Dura, soweit die Schuppe und die angrenzende
Partie der Schädelbasis reicht, von der inneren Schädeloberfläche
abgelöst und das ganze Gebiet inficirt werden. Ist aber die
Dura an einer Stelle zerfallen, dann dringt die Irrigationsflüssig-
keit in die weichen Hirnhäute und die Hirnsubstanz selbst ein
und fährt dorthin entzündliche Producte mit sich fort.*' Viel
grösser ist doclT jedenfalls die Gefahr, beim Abkratzen der die
Dura bedeckenden Granulationen mit dem scharfen Löffel durch
eine erweichte Stelle der harten Hirnhaut in die Meningen oder
die Hirnsubstanz zu dringen, und die in der Granulationsmasse
angehäuften Entzündungserreger dorthin zu verbreiten. Die Ent-
fernung dieser Granulationen ist aber auch völlig überflüssig, da
sich die Abscesshöhle erfahrungsgemäss schnell reinigt, wenn
für genügend freien Abfluss des Secrets durch leichte Tamponade
derselben gesorgt wird. Die harte Hirnhaut zeigt dann oft schon
beim ersten Verbandwechsel dasAussehen einer frischen Wundfläche.
Der Raum gestattet nicht, ausführlich darzulegen, wie diese
Grundsätze, nach denen in der hiesigen Klinik operirt wird, in den
einzelnen Fällen angewandt worden sind. Jedoch ist dies aus
den Veröffentlichungen Grunert's (I.e.) deutlich zu ersehen.
Die Nachbehandlung erfolgt nach allgemein chirurgi-
schen Grundsätzen und ist in vielen, besonders chronischen Fällen
lediglich ein Theil der Nachbehandlung des operirten Ohres.
Die bei dieser Behandlung erzielten Erfolge sind durch-
aus günstige und erläutern wohl am besten die Richtigkeit und
Zweckmässigkeit der Anschauungen, von denen die Behandlung
der Extraduralabscesse in der hiesigen Ohrenklinik geleitet
wurde. Von den Patienten mit einer chronischen Eiteransamm-
lung zwischen Dura und Knochen starben 2 an Meningitis puru-
lenta diffusa, 1 an Lungenphthise und 1 an Meningitis tuber-
culosa; 2 befinden sich noch in Behandlung. 32 Patienten wurden
geheilt, während das definitive Resultat der Behandlung von 4 nicht
bekannt ist. Heilung wurde also in ca. 76 Proc. der chronischen
208
XIX. BRAUNSTEIN
FftUe erzielt, und die Bebandlungsdaner betrug im Dnrobsohnitt
78 Tage, im Einzelfalle 30 bis 127 Tage.
Von den aeuten F&llen erlagen 2 einer Meningitis purn-
lenta di£fnsa, 1 einer Pjämie; 1 befindet sieh noeh in Behand-
lung. Von den üebrigen ist in einem Falle der Heilungsausgang
nieht bekannt, während 40 YöUig geheilt wurden. Von den Er-
krankten mit acutem Extradnralabscess wurden demnach circa
89 Proc. geheilt Im Einzelfalle beanspruchte die Behandlung
26 bis 190 Tage, im Durchschnitt 59 Tage.
Diese Erfolge lehren auch, dass die in der hiesigen Klinik
Krankei
A. ChroüisolH
s
B
Name,
Alter,
Geschlecht
SuhjectiTe
Sjrniptome
Otoskopiseher Befand,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls.
Augenhinter-
grund •
Schwindel
=^
3
Pohl,
August,
20 Jahre.
M.
Aufgen.
12. Nov.
1891.
Hartmann,
Auguste,
16 Jahre.
W.
Aufgen.
16. Nov.
1897.
Ludley,
Richard,
9^4 Jahre.
M.
Aufgen.
7. Oot.
1897.
Seit frühester
Kindheit Eiterung
links. Schwerhö-
rigkeit, Schmer-
zen und Sausen
bestanden stets ;
letsteres besonders
beim Bücken. Kei-
ne cerebralen Sym-
ptome. Vor 5 J.
Schwellung hinter
demlink. Ohr. Da-
mals bestand viel
Schwindel. 14. No-
vemb. Operation.
16. Nov. Schwin-
del auch bei ru-
higer Lage.
Schmersen. Un-
wohlsein, Appetit-
losigkeit, Schwer-
hörigkeit.
Heftige Schmer-
zen, Kopfschmer-
zen , Mattigkeit,
Appetitlosigkeit,
Verstopfung. Ein-
mal Somnolenz v.
Ys stUndig. Dauer.
Hinter dem linken Ohr
eine diffuse, schwappende
Schwellung von Handteller-
grOsse u. Oedem ttber den
halben Kopf. Eine Narbe
in der Insertion der Ohr-
muschel, eine zweite, dem
Knochen adhttrente 4 cm
weiter zurück.
Der linke GehOrgang ste^
noiirt. Aus demselben stin-
kende profuse Eiterung.
39,2»
39,8«.
Vom
26/11.
bis
1./2.92
36,5—
37,3*».
Vacat.
Narbe mit wulstigen
Rändern hinter dem linken
Ohr. Unten fluctuirend, auf
Druck stets zuweilen spon-
tan schmerzhaft. Warzen-
fortsatzgegend infiltrirt.
Oedem nach dem Ocoiput zu.
Dort auch Schmerzhafüg-
keit.
Weichtheile hinter dem
rechten Ohr geröthet.
Starke Druokempfindlichkeit
auf dem Planum und hinter
demselben. Schmerz und
Klopfempfindlichkeit in der
rechten Stirn- u. Schläfen-
39,0»
39,1«
40,1«.
128—
120,
zieml.
klein,
aber
regel-
mässig.
37,6«.
54—62
nicht
aus-
setzend
Pupillen gleich Vacat
weit, reagirenj
normal.
Augenhinter-
grund normal.
7. Oct. Pa-
pillengrenz.
beiderseits
nicht ganz
scharf. Papil-
len nicht ge-
röthet. Links
Vacat.
Ueber extradurale otogene Abscesse.
209
bei der Eröffnung der Schädelhöhle zur Entleerung eines Extra-
duralabsoesses angewandte Technik eine durchaus zweckent-
sprechende ist. Als Instrumente werden lediglich derMeisselund die
Lttersche Knochenzange benutzt, aber niemals die Fraise. Und da
unbeabsichtigte Verletzungen, von denen Mac e wen (42) meh-
rere Seiten lang zu erzählen weiss, ja meist nur auf die Un-
geschicklichkeit des Operateurs zurückzuführen sind und in der
hiesigen Klinik bisher nicht beobachtet wurden, so scheint seine
Furcht vor dem Gebrauch obiger Instrumente doch unbegründet
zu sein. —
beschichten.
r»le.
Loealisir-
btreHini-
fTinptome
Hörprüfung
Diagnose
Befand der War-
zen- resp. Mittel-
ohrräume
Sitz des
Abscesses
Angaben über
Grösse d. Absces-
ses, Besohafifen-
heit d. freiliegen-
den Dnra eio.
Heilung
Tacant.
FlUsterzahlen
links 30 cm.
Ci unbestimmt.
Fi84 links kaum
herabgesetzt.
Vacant.
Flttstersprache
links 25 cm.
Ci Tom ganzen
Scbsdel nach
links. Rinne
links — .
Fi84 links nor-
mal.
PrOfung nicht
Chron.
Eiterung
links,
Mastoidit.
Von der früheren
Aufmeisselungs-
stelle ( An trumer-
Öffnung am 20. De-
cemb. 1891) Fistel
nach dem extra-
duralen Absceas
(früher nicht vor-
banden).
Mittlere
Sohädel-
grube.
Extraduraler
Absoess ca. klein-
fingerbreit und
lang. Abscessmem-
bran auf der Dura.
Chron.
Eiterung
links.
Ausge-
Iproeh. 'möglich,
'tcialis-
ftrese
^mtlich.
Aeste
ks. Un-
^
Chron.
Eiterung
rechts.
Mastoidit.
Mittelohrräume
mit Cholesteatom
in Tumorform an-
gefüllt. Knochen
nach dem Sulcus
gelbgrünlioh yer-
färbt. Eiternde
Fistel.
Mittelohrräume
von schmierigen,
höchst fötid. Cho-
lesteatommassen
erfüllt. Eine Fistel
führt in die Schä-
delhöble.
Extra-
sinuös.
Hintere
Schädel-
höhle.
Hintere
Schftdel-
grube.
Extra-
dural.
Geheilt
nach 127
Tagen, 47
Tage nach
der Ope-
ration des
Extra-
dural-
abscesses.
Sinus verdickt,
graugrünlich ver-
färbt.
Haselnussgross.
Dura mit Granu-
lationen bedeckt.
Die Veränderung
der Dura geht
weit über das Ge-
biet des extra-
Geheilt
nach 31
Tagen.
Exitus le-
talis an
Meningitis
purul. dif-
fusa am
17. Nov.
XIX. BRA.tINSTEIN
umgekehrtsa Bilde oben eine Strecke weit nndtntlUb
Hier BQob feii»treifige Trübung der Netibaat. Nacb anten neben einer Vene eiDi
■triohfSmige Blntung. Linke PnpillengrenieD aohuf, eine nach anten gchoid
Vene etwas mehr geuhlangelt alt gratern.
Narben hinter dem i.|31,t*>. 1 Papillen gleich, Vwit.
Obr. GehOrgHUgabant reebtsi 102, reagiren gatanf
ärtbmann.
Wilbelm,
32 Iahte.
Oft .aobwerer
Kopf* nach Auf-
boren der seit dei
Eindbe Itbcetebe n-
Ohreiterung
reabta. Eiugenom'
menbeit d. Eonfea
in der letcten Zeit.
SmalfrahSchwin-
deUnfUle. NieEr-
Sohmerzen im t.
Ohr; abron. rhen-
mauBeeohwerden.
Sobmenen bin-
ter dem link. Ohr.
Allgemein. Debel-
befinden. Appetit-
losigkeit, leitweisc
Kopfecbmerzen.
Zeitweise Obren •
84lueD.Seitl4Ta'
gen Unwahleein,
oft Flimmern vai
d. Augen. Sebnere
im Kopf.
mscerirt. Gianulation inder|reg«lm.j Licbteiofall.
Tiefe von oben kommend,
HammeTBtnmmel oben noht-
Ketroauricnlärer AUoesa.
Wegea atarken Eiterflntiet
der Tiefe de« O^bOrgangi
niobte zu aeben. Sonde dringt
laob hinten durch die Wand
lea Snaceren GebOrganga.
Rechter äuiaerer GebSr'
gang mit Eiter gefUlIt. Ie
der Tiefe Poljp.
30. Sept. Die Seoretioi
dea rechten Übrea nimmt in.
Im Antrum «ine kleine Stelle,
aoa der Eiter flieaat.
1. üoL Eine weiter«
Fietel BD der Labjrinthwand
hinten unten. Sonde dringt
hier auf rauben Kaoehen.
kräftig.
8./9.
37,4"
Elerat,
reagiren
ihne Beaonder-
8./9. Jugtn
hintwrgrund l.
volUtänd. Fer-
toatchtntein der
PapilU.
9-/9. Büideri
aiugetpi: NeJt-
Orieitii
B. Kek
Schlängelung der Gefaiia bii in die Peripherie, äti^'
nii>geü nicht bemerkbar herabgeMdt. (Dr. Sandmani
13./9. 0er Befund de> Augenhintergruadei recht« bea>
BJcb vom lü./O. an, Link« noohatarke Neuritia optica.
19,/9. Papille rechte etwas deullioher, linkt nocA i(a
Neuritii.
l./IO. Augenhintergrund tmverändert.
Ueber eztradarale otogene Abscesse.
211
localisir-
Ire Hirn-
fmptome
Hörprttfang
Dia^^ose
Befand der War-
zen- refip. Mittel-
ohrränme
Sitz des
Absoesses
Angaben aber
Grösse d. Absees-
ses, Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dnra etc.
Heilung
nittelbar
noh der
)peration
war die
FaciaUs-
parese
idit mehr dentlich.
8./ 10. Facialisparese ver-
(hwanden.
Tacant.
Taeant.
fMdaHs-
hin rechts
Bringer
pi links.
^i.i^, Fa-
^ "ispar.
iteht
tjlO. Fa-
iiliiläh-
Nag be-
^t noch.
Leise Flttster-
spraohe rechts
handbreit. Ci
▼. Seheitel nicht
lateralisirt. Fi84
rechts kaam
herabgesetzt.
Flttstersprache
nicht zu prtlfen
(Idiotie). Weber
nach links, Fis4
links b. starkem
Fingerkuppen-
anschlag.
13./8. RechU
nur liiute Fltts
tersprache.
Weber nicht
deutlich nach
rechts. Fi84
rechts bei star-
kem Fingeran
schlag.
I./IO. Weber
unbestimmt.
Fis4 wie oben.
Flttsterworte
rechts nicht
durch Httr-
schlauch gehört.
Ohron.
Eiterung
rechts.
Betroauri-
cul. Absc,
chron. £i-
terg.m.Ca-
ries u.Cho-
lest. Extra-
sin. Absc. 1.
Chron.
Eiterung.
Polypen;
rechts. Fa-
cialispa-
rese.
I./IO. Ex-
traduraler
Abscess.
duralen Abscesses
hinaus.
Mittelohrräume Mittlere
mit einzelnen Jau- Schädel-
che enthaltenden grübe.
Zellen erfüllt. Im
Antrum grosses,
zerfallenes Chole-
steatom. Carles d.
ganzen Mittelohr -
Wandungen. De-
fect im Tegmen
antri fahrt zum
Extraduralabs-
cess.
Dura freiliegend.
Extrasi-
nuös. Hin-
tere Sohä-
delgrube.
Warzenräume in
eine grosse , mit
Cholesteatommas -
sen u. Granulatio-
nen erfüllte Höhle
umgewandelt. Sulouswana
cariös. Im Sulcus freier Eiter
2. Oct. Eiternde
Fistel am Pro-
montorium u. ho-
rizontalen Bogen-
gang. Labyrinth
grosse, von Granu-
lationen erfüllte
Höhle mit 2 Seque-
stern, Theile der
Schnecke. Seque-
ster an Spitze der
Pyramide.
Am 27./1.
1899 ope-
rative Ent-
leerung ei-
nes Klein -
himabsc.
Exitus le-
taUs 28/1.
1899.
Sinus und Dura
weithin mit Gra-
nulationen
bedeckt.
Extra-
dural.
Mittlere
Schädel-
höhle.
Dura der Yor-
deren inneren Py-
ramidenfläche ent-
sprechend freige-
legt, mit reichl.
Granulationen be-
deckt.
GeheUt
nach 95
Tagen.
Geheilt
nach t27
Tagen.
ArchiT f. Ohrmheilkonde. LV. Bd.
15
212
XIX. BRAUNSTEIN
In
«
s
s
Name,
Alter,
Gesohleoht
Sabjectiye
Symptome
Otoskopischer Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Pols
Aogenhinter-
grund
Schwind
8
9
10
Schreiber,
Paul,
19 Jahre.
M.
Anfgen.
10. Mai
1899.
Schmidt,
Oskar,
21 Jahr.
M.
Aufgen.
30. Aug.
1898.
Koch,
Hans.
13 Jahre.
M.
Aufgen.
4. Nov.
1898.
Richter,
Wilhelm,
26 Jahre.
M.
Aufgen.
18. Aug.
1898.
Angebl. Influen-
za seit 10 Tagen.
Gestörtes AÜge-
meinbefinden,star-
ke Kopfschmerzen.
Heftifte, rechtssei-
tige Kopfsohmer-
zen nach d. Schläfe
ausstrahlend; we-
nig Appetit, wenig
Schlaf. Obstipat.,
einmal Schwindel
beim Aufstehen.
Frostanfall mit
folgend. Schweiss-
ausbruch. Seit ge-
stern Zunahme d.
Schmerzen u. An-
schwellung hinter
dem rechten Ohre.
Zeitweise gering-
fügige Schmerzen.
Taubheit auf dem
linken Ohr. Kein
Schwindel.
Seit \ Va Woche
wieder heftige
Schmerzen hinter
dem linken Ohr,
auch Kopfschmer-
zen. Dabei Fieber
(38,5 <>). Kein Er-
brechen , kein
Schwindel. In letz-
ter Zeit kein Aus-
fluss.
Am 1. Juli ge-
fallen. Darnach
Schwindel und
Erbrechen. Vom
nächsten Tag bett-
lägerig. Starke
Schmerzen, beson-
ders Nachts. An-
haltend Frösteln, Appetit mas-
sig. Stuhl regelmässig, aber
hart. Schluf immer schlecht.
14 Tage nach dem Fall hoch-
gradige Schwerhörigkeit.
Unterhalb der rechten
Ohrmuschel eine massige
Anschwellung, die die Spitze
des Proc. mast. bedeckt,
Druekschmerzhaftigkeit auch
unterhalb der Anschwellung
in der nicht infiltrirten Ju-
gularisg^gend.
Profuse rechtsseitige fb-
tide Eiterung. Verengerang
des in seiner Tiefe geröthe-
ten rechten Gehörganges.
Tronunelfell fehlt. Von
oben eine schmierige Gra-
nulationswucherung. Da-
runter dringt die Sonde
nach oben in einen Krater.
12. Mai Gehörgangsste-
nose stärker.
Unter dem linken Ohr
an der Spitze d. Proc. mast.
eine feine Fistel, aus der sich
etwas Eiter drücken läset.
In der Umgebung geringe An-
schwellung der Haut.
Links Granulationen aus
dem lateralen Theil des
äusseren Gehörgangs kom-
mend. Hintere knöcherne
Wand nicht zu fühlen.
Gegend hinter dim lin-
ken Ohr stark geschwollen,
Hautdeckegeröthet-Sohmerz-
haftigkeit. Fluctuation.
Links kleine Perforation
des Trommelfells unten.
Hinten oben Schwellung.
Lttcke im Knochenrand da-
raus eine Spur Eiter b.
Sondiren. Paukenschleim-
haut,soweit sichtbar, hellroth.
Hinter und ttber dem
Ohr eine pralle, fluctuiren de
Anschwellung, die druck-
empfindlich ist. Nach hinten
erstreckt sich dieselbe fast bis
zur Mittellinie,nach Yorn über
d. ganze Temporalgegend un
39,3—
39,5<>
41,0».
96,
regelm.
u. kräf-
tig.
12./5.
40,40-
104,
kleiner
fre-
quent.
37,1 0,
regelm.
Keine
erhöh-
te Fre-
quenz.
38,0».
104,
▼oll,
regelm
38,7«.
108.
Pupillen gleich
weit, reagiren
gut, keine Au-
genmuskelstö-
rungen. Augen-
hintergrand
normal.
Vacat.
Vacat
Totale ange-
borene Blind-
heit. Bulbi atro-
phisch.
Keine Augen
muskelstOr. Pu
pill.gl.weit,reag.
normal. PapilL-
grenzen nasal-
wärts nicht
scharf.
Vaci
Taumf
Gao
ge^Üir im Bereich der Faaoia temporalis. Beiderseits pra
stinkende Eiterung. Bechts Defect der Attikwand, Hat^
mit granulirender Labyrinthwand verwachsen. Aus
Antrum oholesteatomatöse Massen. Links der äussere Gehöi)
in der Tiefe durch Granulationen verlegt. Hintere G«
gangswand im medialsten Theil offenbar fehlend.
Ueber extradiirale otogene Abscesse.
213
UcaMi-
Iveflirn-
Ijmptome
Hörprttfang
Diagnose
Befand der War-
zen- resp. Mittel-
ohnäume
Sitz des
Abscesses
Angaben ttber
Grösse d. Absces-
ses, Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
Heilang
> Yacant.
taeant.
k
ttant.
^nt.
Leise Flüster-
spraohe am Ohr
rechts unsicher.
Ci Yom Scheitel
nach rechts.
Hinne beider-
seits negatiy.
Fis4 rechts bei
starkem Finger-
knppenanschlag.
Flttstern links -,
Weber, Ci un-
bestimmt. Fis4
wahrscheinlich
links — . Galton
ebenso unsicher.
Flüstern links
ca. 10 cm. Binne
links— .Fi84 bei
leisem Finger-
kuppenan-
schlag, Ci vom
Scheitel nicht
localisirt.
Laute Worte Ghron.
beiders. unsich., Eiterung
geschrieene links
sicher , links (beiders.)
schiechter als r.
Laute Sprache
beiders. durch
fiörschlauoh
Terstanden. Gi 1.
nicht durch die Luft aber
y. Xnochen. Fi84 b. stärkst.
Metallanschl. Galton 1. 8.
Ghron.
Eiterung
rechts.
Ghron.
Eiterung
links.
Ghron.
Eiterung
links.
Retroauri-
culärer
Abscess.
Garies der Mit-
telohrräume. Im
Antrum Gholeste-
atom. Keine Weg-
leitung zum Abs-
cess gefunden.
Diffuse Garies
der Mittelohrräu-
me. Knochen lässt
sich leicht fort-
kratzen. Eiternde
Fistel , die zum
Extraduralabsoess
fuhrt.
In den Mittel-
ohrräumen zer-
fallenes Gholeste-
atom. Von der hin-
ter. Antramwand
führt eine Fistel
in die Fossa sig-
moidea.
Hintere
Sobädel-
grube.
Extrasi-
nuOs.
Mittlere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Mittelohrräume Mittlere
von jauchig zer- Schädel-
fallenem Gholeste- grübe,
atom erfüllt. Fistel
oberhalb d. Linea temporalis
führt direct in die Sohädel-
höhle. Der im Aditus freilieg.
Theil des Gan. semicircul.
horiz. zeigt ein. ca. 1 cm lang,
schwärzlich verfärbten Spalt.
Neben der eingeführt. Sonde
quillt kein Eiter hervor.
Sinuswand nach
unten hin geröthet
und theilweise mit
plastischem Exsu-
dat bedeckt.
Dura liegt in
1 0-Pfennigstück-
grösse bloss mit
schmutzigen Gra-
nulationen be-
deckt.
Geheilt
nach 90
Tagen.
Nach' XX2
Tagen ge-
bessert mit
noch ge-
ringer Ei-
terung im
Cav. hypo-
tympan.
entlassen.
Nach 102
Tagen
geheilt.
Geh. nach
116 Tagen.
Die Heiig.
wurde d.
Auftreten
eines Ery-
sipels Terz.
Dura in 2- Mark-
stUckgrösse frei-
gelegt. Jauche
zwischen Dura und
Knochen. Dura
theilweise mit ei-
trig fibrinösem Ex-
sudat, theilweise
mit frischer rother
Granulations-
sohicht bedeckt.
Grosser extra-
dural. Abscess. Die in 2 - Mark-
stückgrösse freigelegte Dura
des Temporallappens ist mit
schwärzl. verfärbt. Granulat.,
die d. Squama entsprech.Partie
mit einem plastischen, grau
aussehenden, fibrinösen Exsu-
dat bedeckt, nach dessen Ab-
ziehung eine rothe, frische,
leicht granulirende Fläche
freiliegt.
15*
214
XIX. BRAUNSTEIN
n
a
It
12
13
14
15
Name,
Alter,
Geeohleeht
Taioh-
mann,
Karl,
62 Jahre.
M.
Aufgen
16. Juni
1898.
Starowick,
Karl,
8 Jahre.
M.
Anfgen.
3. März
1897.
Zejmer,
Willy,
12 Jahre.
M.
Aufj^en.
10. Not.
1898.
Krämer,
Albin,
16 Jahre.
M.
Aufgen.
18. Oct.
1896.
Hellmuth,
Karl,
46 Jahre.
M.
Anfgen.
20. Aug.
1895.
Subjectiye
Symptome
Seit 14 Ta^n
Steoben im rech-
ten Ohr. Sohlech-
ter Schlaf. Appe-
tit naehgelaaaen.
Rechts pulsiren-
des Geräu6ch.
Eiterung angeb-
lich erst seit 3 Wo-
eben. Anschwel-
lung hinter rech-
tem Ohr. Kein
Schmerz , kein
Schwindel. Polyp
entfernt.
6. NoY. plötzlich
heftige Schmerzen
im Ohr und Kopf-
schmerzen. Schlaf-
losigkeit. Fieber.
Appetitlosigkeit.
Seit 10 Tagen
wieder Schmerzen
im linken Ohr und
Anschwellg. hin-
ter demselben.
Otoskopiacher Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls.
Schwerhörigkeit
seit 16 Jahren. Ei-
terung angebl. seit
74 Jahr. Seit 8 Ta-
gen Schmerzen u.
Anschwellung der
ganzen linken Ge-
sichtshälfte, d. Ge-
gend hinter und
unter d. Ohre. Seit
8 Tag. Schwindel.
Hinter dem rechten Ohr
geringes Oedem. Druckem-
pfindlichkeit, beaonders auf
dem Planum und hinter dem
Proc. mastoid.
Gehürgang rechts weit.
Trommelfell hochroth, ge-
schwollen. Paracentesewunde
im hinteren unteren Qua-
dranten, aus der yiel Eiter
fliesst.
Oedem über dem ganzen
Warzenfortiatze. starke
Druckempfindlichkeit beson-
ders an der Spitze des Proc.
mast. Der medianste Theil
der hinteren Gehörgangs-
wand ist sackartig vorge-
wölbt. Im Gehörgangsspalt
7on oben kommender Po-
lypenrest. Trommelfell
scheint zu fehlen, Pauken-
Bohleimhaut epidermisirt za
sein.
Starke Druckempfindlich-
keit des rechten Warzen-
fortsatzes. Spitzengegend
auch infiltrirt. Im rechten
Gehörgang Eiter, in d*er
Tiefe Epithelmasscn. Hin-
ten oben dringt Sonde in
den Aditus.
Druckempfindliche, fluc-
tuirende Anschwellung hin-
ter dem linken Ohr. Druck-
empfindlichkeit hinter der
Anschwellung bis lur Mittel-
linie reichend. Der linke Ge-
börgang ist schlitzförmig
verscbwoUen.
Oedem über dem ganzen
Proc. mast. Starke An-
schwellung unter u. vor der
Spitze des Proc. mast. mit
Fluctuation. Oedem der
linken Gesichtshälfte. Links
starke Senkung der hinteren
oberen häutigen Gehörgangs-
wand. Durchbrnch in dieser
Wand dicht am Eingang des
Meatus. Vom Trommelfell
nichts zu sehen.
37 ®
norm.
38,8«
39,2«
39,8«.
120.
38,7«.
19./10.
38,0«.
96.
39,0«.
Augenhinter-
grund
Schwiu
37,8—
38,5«.
Augenhinter-
grund normal.
Pupillen gleich
weit , reagiren
gut.
Vacat.
Vaeai
Pupillen gleich
weit, reagiren
normal. Augen- 1
hintergrund
normal.
Yacal
Augenhinter-
grund beider-
seits normal.
Kanal
aaf ^
stell
Geht
rade
gesell
Ang
Ueber eztradurale otogene Abscesse.
215
iocalisir-
Ire Hirn-
fmptome
Hörprüfnng
Diagnose
Befand der War-
zen- resp. Mittel-
ol^rränme
Sitz des
Absoeases
Angaben ttber
Grösse d. Absces-
ses, Bescbaffen-
beit d. freiliegen-
den Dura eto.
Heilung
facant.
facant.
heant.
heant.
iMant.
Laute Flüster-
spracbe rechts
am Ohr. Rinne
beideraeits — .
Fis4 rechts bei
starkem Finger-
kuppenanschl.
Ci rechts — .
Flttsterspraohe
rechts dicht am
Ohr. Fi84 rechts
sehr herabge-
setzt. Gl vom
Scheitel nach
rechts.
Rinne beider-
seits — . Gl V.
Scheitel nach r.
FU4 rechts bei
starkem Finger-
kuppenanschl.
Galton beider-
seits normal.
Flüstersprache
links aufge-
hoben , hohe
Töne stark
herabgesetzt.
Pitts tersprache
beiderseits nicht
gehört. Stimm-
gabeln 1. nicht
gehört. Gl vom
Scheitel nach
rechts.
Ghron.
Eiterung
rechts
(beiders.).
Ghron.
Eiterung
rechts.
Mastoidit.
Ghron.
Eiterung
rechts.
Ghron.
Eiterung
links.
Ghron.
Eiterung
links.
Im Antrum kein
Eiter, keine Gra-
nulationen. Fistel
ca. 1 cm hinter der
gewöhnlich. Ope-
rationsstelle des
Proo. mast. nach
hinten.
Mittelohrräume
von Gholesteatom
u. Granulationen
erfüllt. Vom hin-
teren unter. Theil
d. Höhle aus Weg-
leitung nach der
Schädelhöhle io
Gestalt einer haar-
feinen Fistel.
Die ganzen Mit-
telohrräume er-
füllt von Ghole-
steatom. Tiefer
cariöser Recess am
Boden d. Pauken-
höhle. Fistelnach
der Fossa sigmoi-
dea.
Mittelohrräume
von Gholesteatom
erfüllt. In der
gelblich verfärb-
ten Wand d. Sulc.
sigm. zwei kleine
Fistelöffnungen,
aus denen Eiter
hervorquillt.
Der ganze War-
zenfortsatz ist er-
füllt von käsigen,
fötiden Massen ;
ausgedehnte Ga-
ries der Mittelohr-
wandungen. Zu
dem Sinus führt
ein Fistelgang.
Mittlere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grttbe.
Aus der eröffne-
ten Schädelhöhle
kommt im Schwall
pulsirend, reichl.,
dicker Schleim-
eiter. Dura mit
missfarbenen Gra-
nulat, bedeckt, in
lO-Pfennigstück-
grösse freigelegt.
Walnussgross;
Sinus sigmoideus
und Dura mit
schmutzigen Gra-
nulationen be-
setzt.
Sinus sigmoid.
in 2-Mark8tück-
grösse freiliegend.
Dura mit dicken,
theilw. schwärz-
lich verfärbten
Granulationen be-
deckt.
Den Fond der
Abscesshöhle bil-
dete die in 2 qcm
freigelegte Wand
des Sulc. sigm. Die
Wand des vom Ei-
ter oomprimirten
Sinus ist verdickt.
Sinus von Eiter
umspült, aber an-
scheinend nicht
thrombosirt. Im
Eiter Staphylo-
coccus.
Geheilt
nach 32
Tagen.
Geheilt
nach
Tagen.
Geheilt
nach 97
Tagen.
Geheilt
nach 115
Tagen.
Am2l./10.
verlegt
nach der
medicin.
Klinik
wegen
Lungen-
phthise.
Exitus le-
talis.
216
XIX. BRAUNSTEIN
e
B
J5
16
17
18
19
Name,
Alter,
Gesohleoht
SnbjeotiTe
Symptome
Sehnlze,
Franz,
38 Jahre.
M.
Aufgen.
17. Deo.
1895.
Brankau,
Marie,
22 Jahre.
W.
Aufgen.
5. Febr.
1896.
Schuft,
Hermann,
14 Jahre.
M.
Aufgen.
21. März
1895.
Hecht,
Franz,
9 Jahre.
M.
Aufgen.
20. Juli
1898.
Seit 14 Tagen
heftige Schmerzen
in und hinter dem
linken Ohre. Seit
14 Tagen schlaflos
Tor Schmerz.
Seit 2 Monaten
Stechen im linken
Ohr und Kopf-
sohmerzen anfaUs-
weise (Stirn).
Schwindel beim
Bücken.
Seit 5 Tagen
starke Schmerzen
zugleich mit hef-
tiger Anschwellg.
der Gegend hin-
ter dem Ohre.
Otoskopischer Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Schwind
Ohreiterg. links
seit angebl. V^ J-
Seit vorgestern
Anschwellg. hin-
ter dem Ohre. Ap-
petit gut. Manch-
mal Schmerzen.
Kein Frost, kein
Erbrechen. Keine
Obstipation.
Spur von Oedem hinter
dem Ohr, enorme Druckem-
pflndlichkeit des Warzen-
fortsatzes gleichmäasig.Trom-
melfell roth, Fistel über
Proc. brev., an deren Band
kleine Granulation; pulsi-
rendes Secret in der Fistel.
Umgebung des Ohres nor-
mal. Hammer deutlich, vor-
dere Trommelfellhälfte fehlt,
hier Paukenschleimhaut epi-
dermisirt. Hinten oben
grosser Krater, aus dem
Granulationswncherungen
hervorkommen.
Die retroauriculäre Ge-
gend rechts leicht geschwol-
len, fluctnirend. Insertions-
linie der Muschel ödematös,
in ihrem oberen Drittel eine
narbige Einziehung, an de-
ren tiefster Stelle sich eine
feine Fistelöffnung findet.
Senkung der oberen Ge-
hörgangswand. Gehörgangs-
lumen mit beweglichen Gra-
nulationsmassen angefüllt.
Linke Ohrmuschel ab
stehend. Ueber dem Proc-
mastoid. eine ziemlich pralle,
fluctuirende Anschwellung;
die verdünnteHaut lässt Eiter
durchschimmern. Druck-
empflndlichkeit am stärksten
an der Spitze.
Norm.
Norm.
Norm.
78,
regelm.
krftft.
Ophthalmosko-
pischer Befund
normal.
Ophthalmosko
pischer Befand
normal.
Ophthalmosko
pischer Befund
normal.
36,4-
37,0«.
Norm.
Augenhinter-
grund normal.
Vacat.
Vacat,
Vacaf
Vacs
Ueber extradurale otogene Abscesse.
217
iocaliflir-
JKre Hirn-
i^ptome
HörprOfang
Diagnose
Beiand der War-
zen- resp. Mittel-
ohrräume
Sitz des
Abscesses
Angaben ttber
Grösse d. Absces-
Besohaffen-
ses.
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
Heilung
Yaeant.
iT&eant.
Tioant.
i Tacant.
Flüstersprache
links ansicher
direct. Fis4 1.
stark herabge-
setzt. Ci vom
Scheitel nach
links.
Flttstersprache
links handbreit.
Rinne — . Fi84
bei leisestem An-
schlag. Gl Yom
Scheitel nach
rechts.
GrehOryermüg. r.
sehr erheblich
herabges. Diese
Herabsetzung ist
nach dem Ergeb-
niss der Funo-
tionsprüfungauf
eine Läsion des
schallpercipir.
Apparats zu be-
ziehen.
Flnstemr. halb-
laut direct am
Ohr. FiB4 bei
starkem Finger-
kuppenanschlag,
Ol bei stärkstem
unsicher. Gi y.
Scheitel nach 1.
Flttstersprache
direct ins Ohr.
Ol vom Scheitel
nach 1. Binne
links — . Fis4
normal.
Ghron.
Eiterung
links.
Ghron.
Eiterung
links.
Ghron.
Eiterung
rechts.
Ghron.
Eiterung
u. Ghole-
steatom 1.
Grosses, central
zerfallenes Ghole-
steatom. Kleine
Fistel im Tegmen
tympani. Dasselbe
ist wie das Teg-
men aditus, blau-
schwarz verfärbt.
In allen Mittel-
ohrräumen zer-
fallenes Gholeste-
atom. Ein Fistel-
gang führt zum
Sinus sigmoid.
Diffuse Garies
des Schläfenbeins.
Fistelgang nach
der mittl. Schädel-
grube fahrend.
Mittlere u.
hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Mittlere
Schädel-
grube.
Abscess über dem
blausohwarz ver-
färbt. Tegm. antri
sitzend enthält
50 g Eiter. Dura
mit zottigen, z. Th.
eitrig infiltrirten
Granulationen be-
setzt. Sinus trans-
vers. mit Granu-
lationen u. Fibrin-
auflagerungen be-
deckt. Im Eiter
Staphyloc. albus.
Der Sinus trans-
versus ist mit
schwärzlich ver-
färbt., nekrotisch
zerfallen. Granu-
lationen bedeckt
und von Eiter um-
spült.
»Grosser Abs-
cess. *" Im Fond
des Abscesses die
colossal verdickte
Dura liegend.
Geheilt
nach
Tagen.
Hintere
Schädel-
grube.
Die ganzen Mit-
telohrräume er-
füllt von Eiter u.
jauchig zerfalle-
nem Cholesteatom.
Hintere Wand des
Antrums schwärz
lieh verfärbt und erweicht. Fistel im horizon-
talen Bogengang, in die sich mit der Tenotom
sende tief eindringen lässt. Gariöse Ezcavation
am Canal. Fallopiae. Fistulöser Durchbruch
der hinteren knöchernen Gehörgangswand-.
Sinus in Zehn-
pfennigstück-
grOsse freiliegend
mit schmutzigen
Granulationen be
setzt.
Geheilt
nach 54
Tagen.
Hat sich
der Be-
handlung
entzogen.
1 9. Oct. ge-
bessert,
später ge-
heilt.
Geheilt
nach 40
Tagen.
218
XIX. BRAUNSTEIN
u
E
S
Name,
Alter,
Gesohlecht
Subjeetive
Symptome
Otoskopisoher Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls.
Augenhin ter-
grund
Sohwindo
20
21
22
23
Voigt,
Emilie,
37 Jahre.
W.
Aufgen.
7. Juli
1899.
Hempel,
Frans,
13 Jahre.
M.
Aufgeo.
17. Oct.
1899.
Schweng-
1er, Wil-
helm,
26 Jahre.
M.
Anfgen.
5. Dec.
1895.
Müller,
Willi,
6 Jahre.
M.
Aufgen.
26. Dec.
1896.
Seit 2. Mai im
AnsohluBs an In-
fluenza ohren-
krank , Brausen,
Schmerzen u. dann
Eiterung. Nach
3 Wochen hOtten
d. Schmenen auf.
Anschwellung seit
Beginn d. Erkran-
kung. Ami 6. Juli
heftige Schmerlen
in und hinter dem
link. Ohre. Links
Kopfschmerzen.
Als Kind Schar-
lach u. öfters Ohr-
eiterg, rechts. Seit
1. Oktober Kopf-
schmerzen und
Schmerzen im Ohr.
Anschwellg. hin-
ter dem Ohr inci-
dirt, ohne dass sie
zurückging. Ap-
petit sohlecht.
Stuhl angehalten.
In den letzten
Wochen viel
Schmerzen in und
hinter dem r. Ohr,
im Genick und in
der rechten Kopf-
httlfte. Schlaflosig-
keit. Viel Schwin-
del seit 14 Tagen.
Matrosengang.
Kann auf einen
Bein nicht stehen.
In der letzten
Zeit Ohrschmer-
zen. Vor 2 Tagen
Delirien. Appetit-
los. Seit 1 Tag
Anschwellg. hin-
ter dem Ohr.
Gegend hinter linkem
Ohr stark Ödematös und ver-
dickt. Spitzengegend druck-
empfindlich. Weichtheile
unterhalb der Spitze derb
infiltrirt und druckempfind-
lich.
Links reichliche Eite-
rung. Hintere Wand des
häutigen , äusseren Gehör-
gangs halbkugelig Torge-
wölbt. Dahinter blasse Gra-
nulationen.
Hinter linkem Ohr aus-
gedehnte Infiltration ' der
Weichtheile bis zum Hals.
Oedem der Umgebung be-
sonders am Hinterkopf
Ueber dem Processus eiternde
Incisionswunde.
Gehörgang weit. Auf
Trommelfell macerirtes Epi-
thel. Hammer nicht zu
sehen. Vom unten kleine
Perforation.
Schmerzhafte Schwellung
hinter dem Ohr, geringes
Oedem, am empfindlichsten
auf Druck ist die Spitze des
Froc. mast.
Schwellung der oberen
Gehörgangswand, erbsen-
grosser Polyp kommt von
vorn oben und füllt fast
das ganze Geljörgangslumen
aus.
Rechte Ohrmuschel steht
vom Kopfe ab; hinter der-
selben Röthung der Haut,
fluctuirende Anschwellung
an der infiltrirten Spitzen-
gegend. Trommelfell in sei-
ner hinteren Hälfte leicht
geröthet; über dem Proc.
breTis Krater mit herans-
gewachsener Granulation.
38,0».
80,
kräft.,
regelm.
Pupillen gleich
weit, reagiren
normaL Augen-
hintergrund
normal.
Vaeat.
37,3«^.
80—
100,
zeitw.
aus-
setzend
37,4».
Norm.
37,6—
39,2«.
78-
120,
un-
regelm.
Augen- und Ge-
sichtsmuskeln
fnnctionireL
normal. Augen-
hintergrund
normal.
Augenhinter-
grund normal
Augenhinter-
grund normal.
Yacat.
Vaeat.
Vacat.
Ueber extradarale otogene Absoesse.
219
Localisir-
liK Hira-
qmptome
Hörprttfnng
Diagnose
Befand der War-
fen- resp. Mittel-
ohrränme
Siti des
Absoesses
Angaben ttber
Grosse d. Absoes-
ses, Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
Heilung
YacsBt.
Yacant.
Vaeant.
Links laute
Worte durch
HOrsohlauoh.
Gl vom Scheitel
Dach links.
Rinne links — .
Fi84 links bei
stärkstem
Fingerkuppen-
ansohlag.
Ghron.
Eiterung.
Empjemd.
Spitze 1.
FlQstersprache
rechts 50 cm.
Gl Tom Scheitel
unbestimmt.
Fis4 beiderseits
normal.
Rechts absolute
Taubheit.
Yacant. | Gehörprüfung
.nleht ausfuhr-
I bar.
Chron.
Eiterung
rechts.
Chron.
Eiterung
rechts.
Chron.
Eiterung
rechts.
Durchbruch auf
dem Planum. We>
gen Sinusblutung
konnte d. Antrum
nicht eröffnet wer-
den.
Hintere
Schädel-
grube.
Spitze entzün-
det, kein freier Ei-
ter. Im Antrum
nur geschwollene
Schleimhaut. Fi-
stel nach oben
zum Extradural-
abscess.
Caries. Fistel-
gang führt nach
den Sinus.
Grosses, zerfal
len. Cholesteatom.
Fistelöffnung in
der grauTOrfUrb-
ten Sulcuswand.
Mittlere
Sehädel-
grube.
Kleiner extra-
sinuöser Abscessi
Dura mit matschi-
gen Granulatio-
nen besetzt. Die
erweichte Sinus-
wand reisst beim
Betupfen ein.
Hintere
Schädel-
grnbe u.
benachb.,
dem Os oc-
cipitale u.
parietale
entsprech.
Bezirk.
Hintere
Schädel-
grube; sich
ausdehn.
nach oben
in die Pa-
rietalge-
gend, nach
hinten in
die Occipi-
talgegend.
Dura in Thaler-
grösse freiliegend
mit z. Theil miss-
farbigen Granula
tionen bedeckt.
Geheilt
Geheilt
nach 76
Tagen.
Der Abaoess ist
so gross, dass man
nach seiner brei-
ten Eröffnung den
kleinen Finger in
die Absoesshöhle
versenken kann.
Dura mater und
Sinus von Granu-
lationen besetzt.
Im Eiter Staphylo-
coocus alb., Strep-
tococcus und ein
Fäulnissbacillus.
Sehr grosser
jauchiger Abscess.
Sinus und Dura
mater nach hinten
und oben von der
Spitze d. Warzen-
fortsatzes iuHand-
tellergrOsse theils
mit eitrig fibrinö-
sem, theils dunkel-
rothem Exsudat
V. Gallertsubstanz
bedeckt.
Gebessert
entlassen
8./1. 1896
(35 Tage),
später ge-
heilt.
In den fol-
genden ,
Wochen
Fieber
pyämlsch.
Charak-
ters.
GeheUt
nach
Tagen.
220
XIX. BRAUNSTEIN
a
e
24
25
26
27
Name,
Alter,
Geschlecht
Suhjectlve
Symptome
Otoskopisoher Befund,
Umgebung des Ohres
Augenhinter-
grund
Schwindel
Schreck,
Vor Weihnach-
Emü;
ten 1899 Beginn
42 Jahre.
mit stark. Schmer-
M.
zen. 3 Tage sptt-
Aufgen.
ter Ohrenlaufen
26. Febr.
rechts. Gleichzei-
1900.
tig Sohwellg. hin-
ter rechtem Ohr.
Während der er-
sten Wochen auch
Frost. Ohrensaus.
Schwerhörigkeit.
Franke,
Ohreiterg. rechts
Frida,
seit mehreren Jah-
5 Jahre.
ren. Ursache un-
W.
bekannt.
Anfgen.
23. Jan.
1900.
Scheutzel,
Ohreiterg. rechts
Bertha,
seit 4 Jahren. Seit
11 Jahre.
5 Tagen Schmer-
W.
zen im recht. Ohr,
Aufgen.
so dass Kind nicht
7. April
schlafen konnte.
1900.
Seit Yorgestern
Kopfschmerzen.
Allgemeinbefin-
den nicht gestOrt.
Barthel,
Ohreiterg. rechts
Christian,
seit dem 6. Jahre.
39 Jahre.
Links früher an-
M.
gebl. stets gesund.
Aufgen.
Erst seit 3 Woch.
3. Dec.
Eiterg. links. Be-
1900.
ginn mit Fieber,
Krankheitsgefühl.
Einmal Erbre-
chen. Kopfschmer-
1
zen. Schwindel.
Hinter dem rechten Ohr
Schwellung und starkes
Oedem, die sich fast bis zur
Mittellinie, nach unten bis
unter die Spitze des Proc.
matoid. erstrecken. Druck-
schmerzpunkt unterhalb der
Spitze und hinten oben.
Senkung der oberen hin-
terenGehörgangswand.Trom-
melfell blauroth , Zapfen
hinten oben,sonst plan.Grenie
zwischen Gebörgang und
Trommelfell TCrwaschen.
Warzenfortsatz druck-
empfindlich. Etwas Oedem
der Haut.
Rechts Gehörgang weit,
reichliche ftttide Eiterung.
In der Tiefe sind Granula-
tionen SU sehen.
37,50.
76.
Hinter dem rechten Ohre
eine pralle, fluctuirende Ge-
schwulst. Hautdecke ge-
rOthet.
Rechts Granulationen aus
d. Gehörgang herausragend.
Stinkende profuse Eiterung.
Granulationen entspringen
scheinbar an der hinteren
knöchernen Gehörgangs-
wand.
GeringeDruckempfindlich-
keit des Warzenfortsatzes
und längs der Halsgefitasc
links. Sonst Umgebung der
Ohren beiderseits normal.
Links Gebörgang normal.
Oben Trommelfellrest mit
Hammer. Von hinten oben
und vorn unten eine Eiter-
strasse. Hinten unten Gra-
nulation auf der Labyrinth-
wand.
Pupillen gleich
weit, reagiren.
KeinNystagmus,
keine Muskel-
lähmungen.
38,6^
39,70.
160,
regelm.
kräft
39,40.
90.
Augenhinter-
grund normal
Pupillen rea-
giren normal.
Kein Nystag-
mus , keine
Augenmuskel-
lähmungen. Pu-
pillen mittelw.
u. gleich, rea-
giren gut.
Augenhinter-
grund normal.
Papillen etwas
geröthet , aber
scharfe Umrisse.
Venen nicht ek-
tat.
Yaoat.
Yaoat.
Vscai
Ueber extradurale otogene Abscesse.
221
liocalisir-
bareHirn-
ijmptome
Yaetot.
Vseant.
Ticant.
Hörprüfung
Diagnose
Befand der War
zen- resp. Mittel-
ohrräume
Sitz des
Abflcesses
Angaben Über
Grösse d. Absces-
ses, Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
Heilung
Uhr bei Luft-
leitung — , bei
KDoohenleitung
kaum gehört.
Flttstenprache
rechts 2 m.
Keine Angaben.
Flüsterspraehe
rechts direct,
Gl Tom Scheitel
nach rechts.
Fis4 rechts bei
stärkst. Finger-
kuppenansohl.
Flttstersprache
links — , ebenso
laate Sprache.
Gl links gar
nicht durch
Luft, T. Knoch.
stark herabge-
setzt Fis4 links
wenig herabge-
setzt. Ci vom
Scheitel unbe-
stimmt.
Ohron.
Mittelohr-
eiterung.
Mastoiditis
reehta.
Chron.
Eiterung
rechts.
Mastoi-
ditis.
Chron.
Eiterung
rechts.
B,etroauri-
culärer
Abscess.
Chron.
Eiterung
links.
Im Antrum eitrig
infiltrirte Schleim-
haut. Wegleitung;
disseminirte, mit
Eiter erfüllte Zel-
len fuhren nach
der hinteren Sehft-
delgrube.
Caries der Mit-
telohrrftume. In
der Paukenhöhle
ausser Eiter auch
blasse Granulatio-
nen. Aus d. Sinus-
gegend Eiterung.
Diffuse Caries
sämmtlich. Mittel-
ohrwandungen.
Fistulöser Durch
bruoh der hinteren
knöchernen und
häutigen Gehör-
gangswand. Der
ganze Froc. mast.
erfUUt von jauchi-
gem , zerfallenem
Cholesteatom.
Mittelohrwan-
dungen cariös er-
weicht. Tegmen
aditus fehlt. Kno-
chen nach der
mittleren Schädel-
grube ausgedehnt
erweicht, an einer
Stelle quillt Eiter
vor. Beim Auf-
suchen des Sinus
Eiter von hinten
unten.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Auf dem ober-
sten Theil des Sin.
descendens ein
kirschgrosser ex-
trasinuöser Abs-
cess. Sinus mit
dickem blassroth.
Granulationspol-
ster bedeckt.
Der in Bohnen-
grösse freigelegte
Sinus mit flachen
Granulationen be-
setzt.
Hintere
Sohädel-
grube.
Im Fond d. Ope-
rationshöhle lag
der mit dickem
Granulationspol-
ster bedeckte Sin.
sigmoid. in Mark-
stlickgrösse frei.
Heilung
nach
Tagen.
Nach 13
Tagen zur
ambulant.
Behandig.
entlassen.
Fieberfrei.
Wund-
höhle ttber-
häutetsich.
13./4. Ex.
letal, an
Meningitis
tubercul.
Nach 26
Tagen ent-
lassen,
später
geheilt.
Dura dem Teg
men aditus und
antri entsprechend
mit schwärzlichen
Granulationen bedeckt, frei-
liegend. 1. Kirschgrosser,
extrasinuöser Abscess. Sinus
entsprech. entzündlich gerö-
thet, theils mit schwammigen
Granulat, besetzt. Knochen
bis z. Dura erweicht. 2. Beim
Abheben der Dura von der
Felsenbeinwand flieset Eiter
hervor.
Noch in
Behandig.,
Heilung in
kurzer Zeit
zu erwart.
222
XIX. BRAUNSTEIN
^
a
i
28
29
30
31
Name,
Alter,
GflBohleoht
Lehmftnn,
Hermine,
16 Jahre.
W.
Aafgen.
8. Aug.
1900.
Brzinska,
Marianne,
5 Jahre.
W.
Aufgen.
12. Jan.
1894.
findiger,
Hermann,
13 Jahre.
M.
Aufgen.
5. Juni
1900.
Prophet,
Bertha,
12 Jahre.
W.
Aufgen.
16. Juni
1900.
Suhjeetive
Symptome
Otoekopisoher Befund,
Umgehung des Ohres
Temp.
Pub.
SeitMttrsOhren-
laufen links. Sau-
sen. £eineSohmer-
sen im Ohr, aher
anfallsweise auf-
tretende Schmer-
sen in heid. Sehlft-
fen. Einige Male
Schwindel heim
Arbeiten. Kein
Fieber oder Er-
breehen. Sohwer-
hOrigkeit.
Seit 5 Monaten
ohne bekannte ür-
saehe Eiterung
links. Nach 14
Tagen Anschwel-
lung hinter dem
Ohre, vor 3 Mo-
naten inddirt.
Seitdem Eiterung
hinter dem Ohr.
Rechts Ohreitc-
rung seit yielen
Jahren. Vor 8
Tagen Schmerzen
hinter dem Ohr,
bald darauf An-
schwellung da-
selbst, zugleich
Fieber, Appetit-
losigkeit, Kopf-
sehmerzen.
Im 8. Jahre
Diphtherie und
Influenza,
seitdem Ohreite-
rung rechts.
Manchmal treten
sehr heftige
Sehmeizen auf im
Ohr und im Kopf.
Seit Weihnachten
1899 andauernde
Schmerzen,
Schwindel, oft Er-
brechen. 18. IV.
1900 Hammer am-
bossentfernung.
Schmerzen bestan-
den weiter.
Umgebung des Ohres
links ohne Befund. Rechts
Narbe hinter dem Ohr.
Im linken Oehttrgang ob-
turirender PoWp von hinten
oben kommend. '
Gegend hinter dem Ohr
geschwollen. Daselbst eine
eiternde FisteL
Die Gegend hinter dem
rechten Ohr über den Proc.
mast. zeig^ eine starke
Schwellung, aber welcher die
Haut geröthet ist. Ohr-
muschel abstehend.
In der Tiefe des rechten
Gehörgangs leicht beweg-
liche Granulationen. Keine
Fistel nachweisbar.
Druckempfindlichkeit de»
Warzenfortsatzes, besonders
der Spitze.
Rechts grosse Trommel-
fellperforation fast Yollstän-
dig epidermisirt; Ton hinten
oben viel Eiter.
36,3—
36,7».
80.
36,2—
37,0«.
120.
36,6—
37.6«.
112.
37,0«.
84.
Augenhinter-
grund
Schwindel
Pupillen gleich
weit, reagiren
normal. Keine
Lähmung, kein
Nystagmus.
Yaeat.
Pupillen gleich
weit , reagiren
normal auf
Lichteinfall.
Rechtes Auge
befindet sich in
Convergenz-
stellung.
Papillen rea-
giren, kein Ny-
stagmus, keine
Lähmung.
Schwinde]
Ueber extradorale otogene Abscesse.
223
Localisir
baieHiro-
lymptoine
Ytcant
Taeant.
Hörprüf ang
Diagnose.
Befand der War-
zen- resp. Mittel-
ohrräume
Sitz des
Angaben über
Gxitaae d. Absces-
ses, Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dnra etc.
Flttstersprache
links kanm 7a m.
Ci Yom Scheitel
meist nach 1. ;
Gin. Fi84 beider-
seits wenig her-
abgesetzt. Rinne
beiders. negativ.
Flüsterspraohe
rechts dicht am
Ohr. Ci rechts
bei sehr kräft.
Anschlag. Fi84
b. Nagelansohl.
Ci vom Scheitel
nach rechts.
Rinne rechts —
Flüstersprache
rechts handbreit
vom Ohr. Ci
vom Scheitel
nach links. Ci
bei sehr starkem
Anschlag, Fis4
bei starkem
Fingeranschlag
rechts. Rinne
rechts — .
Ghron.
Eiterung
links.
Chron.
Eiterung
links.
Fistel auf
Proo.mast.
Ghron.
Eiterung
rechts.
Chron.
Eiterung
rechts.
In den Mittel-
ohrränm. diffuse
Caries. Dickes
Orannlationepol-'
ster u. wenig Eiter
imAntrnm« Fistel
in den hinteren
Bogengang füh-
rend. Fistel im
Tegmen tjmpani.
Käsige Ostitis
des ganzen Proc.
mast. Gegend des
Antrums seque-
strirt Knochen
überallso erweicht,
dass er mit dem
scharfen LOffel
entfernt werden
kann.
ImAntrum Cho-
lesteatommassen .
Im Proc. mast.
Eiter. Weglei-
tung zum Sinus
sigmoid.
Warzenfortsatz
erfüllt von brauner
Jauche.
Knochen beson-
ders an Spitze
grünlich verfUrbt.
Mittlere
Scbädel-
grube.
Mittlere
Schädel-
grube.
Hintere
Sohädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Dura dem Teg-
men tympani ent-
sprechend gerO-
thet, theilweisemit
fibrinösen Belägen
bedeckt.
Heilung
Naeh 53
Tagen ge-
bessert; in
die chirur-
gische Kli-
nik verlegt.
Dura in 3 cm
Länge und 1 7s cm
Breite frei gelegt,
mit schmutziger
Granulation be-
setzt. Zwischen
ihr und dem Kno-
chen käsiger Eiter.
ImEiterTuberkel-
bacillen.
Sinus liegt frei
mit schlecht aus-
sehenden Granu-
lationen bedeckt.
Sinus liegt in
Fünfpfennigstück-
grösse frei. Eiter
geht bis zum Si-
nus.
Nach 20
Tagen ge-
bessert
entlassen.
Naoh 48
Tagen un-
geheilt ab-
geholt.
Geheilt
nach 87
Tagen.
224
XIX. BRAUNSTEIN
T
s
s
Name,
Alter,
Geschlecht
Subjeotive
Symptome
Otoikopischer Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Schwindel!
32
33
34
Srech,
Christian,
16 Jahre.
M.
Aufgen.
25. April
1896.
Beimann,
Louis,
23 Jahre.
M.
Aufgen.
8. Oct.
1894.
Hoefer,
Emil,
14 Jahre.
M.
Aufgen.
17. Nov.
1891.
Seit 4 Jahren
Ohrenfluss rechts;
seit 1 Jahr auch
links. 8. IV. Er-
kttltung,8ofort hef-
tige Schmerzen im
linken Ohr. Seit
3—4 Tagen Ge-
gend hinter dem
linken Ohre dick.
Schwerhörigkeit
seit Beginn der
Eiterung.
Objeotiye Un-
sicherheit bei ge-
schlossen en Augen
gering, seit 6 Ta-
^en Schmersen in
der linken Eopf-
hälfte.
Eiterung links
seit 2 Jahren, seit
4 Wochen stärker
geworden. Seit
Donnerstag stär-
kere Schmerzen
im linken Ohr u.
in der linkenKopf-
seite.EeinSchwin-
del, kein Erbre-
chen, keine Schüt-
telfröste. Kürz-
lich poliklinisch
obturirenden Po-
lypen entfernt.
Vor 4 Jahren
Typhus, darnach
Eiterung. Schwin-
del. Seit einigen
Tagen Zunahme
Yon Sausen,
Schmerzen und
Schwindel, keine
Schwerhörigkeit.
Links Schwellung und
Röthnng hinter und Über
dem Ohr, fast Tom Orbital-
rand bis fast 2ur Mittellinie.
Ocdem in der Umgebung.
Infiltration unter der Spitze.
Druckempfindlichkeit auf
dem Plan, und an der Spitze.
Links: Senkung der oberen
hinteren Gehörgangswand.
Trommelfell geröthet, ver-
dickt. Keine Perforation
zu sehen. Vorn zapfenför-
mige VorwOlbung des Trom-
melfells. Eiter pulsirt von
unten her, wo die geschwol-
lene untere Gehörgangswand
den Blick aufs Trommelfell
hindert.
38,3—
38,4<>.
104.
Vacat.
Links Druckempfindlich-
keit hinter dem Ohre, keine
Schwellung,keineInfiltration
unter der Spitze.
Links Gehörgang gleich-
massig hochgradig stenosirt.
In der Tiefe Polypenwurzel
zu sehen. Perforation nicht
zu sehen.
Rechts Umgebung des
Ohres geschwollen. Oedem
and Druckempfind iichkeit.
Gehörgang concentrisch
entzündlich verengt. In der
Tiefe schmieriges Secret und
pulsirender Reflex. Trommel-
fell nicht deutlich. 18. XI.
Trommelfell sichtbar, per-
forirt.
39,6«.
Pupillen gleich
weit, reagiren
gut auf Licht.
Keine Muskel-
lähmungen.
Augenhinter-
gründ normal.
Vacak
38,9°.
1^/11.
39,6—
40,3«.
Vacat
Ueber extradarale otogene Abscesse.
225
LoealiBir-
binflim-
ijmptome
Hörprüfung
Diagnose
Befand der War-
zen« resp. Mittel-
obrräume
Sitz des
Abscesses
Angaben Über
Grosse d. Absces-
ses , Bescba£fen-
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
Heilung
Yacant.
Vacant.
Ticant.
FlOstersprache
direct unsicber,
Binne — . Ci v.
Sobeitel nach
links. Für tiefe
Töne stark her-
abgesetzt. Fi84
bei starkem
Fiugerknppen-
anschlag.
Flttstersprache
links direkt. Ci
vom Scheitel
nach links. Fi84
wenig herabge-
setzt.
Flttsterzahlen
rechts 15 cm.
Fis4 rechts nur
bei starkem An-
schlag.
Chron.
Eiterung
links.
Mastoidit.
Ohron.
Eiterung
links mit
Cholestea-:
tom.
Chron.
Eiterung
rechts.
Mastoi-
ditis.
In der Spitze
des Proc. mastoid.
Zellen mit eitrig
infiltrirter
Schleimhaut und
Granulationen an-
gefüllt. Eiter-
durchbruch durch
Oorticalis und hin-
tere Gehörgangs-
wand.
Jauche quillt so
reichlich herror,
dass sie unmög-
lich aus dem Mit-
telohr allein stam-
men kann. Im
Antrum käsig zer-
fallene Choleste-
atommassen und
Granulationswu-
cherungen, ebenso
inAtticu. Pauken
höhle.
Deutliches An-
trum nicht gefun-
den. Knochen -
Zellen von Eiter
uDgefllUt.
Hintere
Schädel-
höhle.
Mittlere
Schädel-
grube.
Hintere
Scbädel-
grube.
Sinus liegt frei
mit Granulationen
besetzt.
Dura am Teg-
men antri in 2 : 2
cm AusdehnuDg
frei liegend, weiss-
lich verfUrbt und
mit Eiter bedeckt
Nach 32
Tagen ge-
bessert
entlassen,
später ge-
heilt.
Geheut
nach 30
Tagen.
Sinus lag ab
norm weit nach
vorn. Zwischen
derSinuswand und
dem Knochen
drang Eiter her-
vor. Sinus stark
verf^bt.
Nach 58
Tagen ge-
bessert
entlassen,
später ge-
heilt.
226
XIX. BRAUNSTEIN
«
B
B
Name,
Alter,
G^Bohleeht
Subjeetive
Symptome
Otoskopieoher Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Sckwindc
35
36
37
Jungmann
Friedrieh,
43 Jahre.
M.
Aufgen.
29. Nov.
1901.
Römer,
Antony ,
39 Jahre.
M.
Aufgen.
6. Aug.
1897.
Schmidt,
Karl,
7 Jahre.
M.
Aufgen.
11. Juli
1896.
AlsJuDgeOhren-
schmersen. An-
geblich niemals
Eiterung. Vor 9
Wochen plötzlich
sehr heftige
Schmerzen im lin-
ken Ohr, schlaf-
lose Nacht. Star-
kerAusfluBs.Nach-
lass der Schmer-
zen. Vor 4 Wo-
chen Frost und
Hitze, auch Brech-
reiz. Schmerzen in
der linken Kopf-
seite, besonders
in der Schläfe und
dem Auge; auch
im Hinterkopf.
Appetit und Stuhl-
gang in Ordnung.
SeitAugu8tl896
Eiterung links
nach Influenza.
Paraoentese; zu-
weilen Druokem-
pfindlichkeit hin-
ter dem Ohr. Hör-
fähigkeit herab-
gesetzt. In der
letzten Zeit viel-
fach Xopfsohmer-
zen, links beson-
ders heftig in der
linken Stirn- und
Hinterhauptge-
gend, hartnäckige
Verstopfung.
Seit 2 Jahren
Eiterung rechts
nach Masern. Seit
einigen Tagen
Schmerzen in und
hinter dem rech-
ten Ohr. Kopf-
schmerzen.
SchwindelgefUhl
seit 8 Tagen.
Umgebung des linkes
Ohres ohne Befund. Keine
Klopfempfindliohkeit. Linker
Gehörgang steht toU Eiter,
der gleich naoh Abtupfen
aus einer vom unten gele-
legenen Perforation wieder
nachquilli. Trommelfell stark
geröthet. Sonde gelangt
vorn unten auf rauhen
Knochen.
Augenhinter-
grund normaL
Vacat.
Erscheinungen von Peri
Ostitis hinter dem linken
Ohr.
Gehörgang nicht steno-
sirt, aber entittndet.
37,6<>.
Hinter dem rechten Ohr
massige Schwellung. Starke
Druckempfindlichkeit des
Proc. mastoid. und des
Tragus.
Bechts schlitzförmige
Stenose des Gehörgangs durch
Senkung der oberen hinteren
Gehürgangswand.
Senkungsabsoess am
Halse.
38,3-
39,8».
120,
un-
regel-
mässig
aus-
setz-
end.
Ophthalmosko
pischer Befund
normal.
Vacat.
Augenhinter-
grund normal.
Vacat.
Ueber eztradurale otogene Abscesse.
227
Loealisir-
■reHira-
lymptome
Hörprüfung
Diagnose
Befund der War-
zen- resp. Mittel-
ohrräume
Sitz des
Absoesses
Angaben ttber
GrOase d. Absoes-
seSf Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dura eto.
Heilung
Tacant.
Fltteterspraohe
links handbreit.
Ci Yom Scheitel
nach links. Ci
u. Fis4 links
herabgesetzt.
Yacant.
FlUsterspraohe
direot am Ohr.
Gl Tom Scheitel
und ttber die
Bdittellinie hin-
aus nach links
▼erstarkt. Hohe
TOne gut.
Ezacerbat.
chronisch.
Eiterung
links
Chron.
Eiterung
links.
ImAntrumEiter.
Eine grosse mit
lappigen Granula-
tionen erfüllte
Zelle nach hinten
oben dem Ocoipat
zu, aus welcher
Eiter hervorquillt
Hintere
Schädel-
grube.
Leichte
iFacialis-
Ureae des
kiindwin-
k«lastes r.
13. Jali
Faeialia-
ipaamen
rechts.
Flttstersprache
rechts direct.
Ci vom Scheitel
nach rechts (un-
sicher).
Fis4 u. Ci r.
etwas herabge-
setzt.
Chron.
Eiterung
rechts mit
Mastoi-
ditis.
ImAntr um Eiter
und eitrig infil-
trirte Schleim-
haut. Einzelne
mit eitrig infil-
trirter Schleim-
haut ausgekleidete
Zellen lassen sich
bis in die hintere
Sohädelgrnbe ver-
folgen. Die ganze
Spitze voll Eiter.
Cholesteatom in
Paukenhöhlie, im
Aditus u. Antrum.
Tegmen tympani
fehlt. Direct hin-
ter Spina supra m.
eiternde Fistel.
Wallnussgrosser,
extrasinuöser Abs-
cess.
Sinus mit
schwärzUehen
Granulationen be-
setzt.
Hintere
Sohädel-
grnbe.
Koch in
Behandig.
Haselnussgrosser
extrasinui^ser Abs-
cess. Sinus mit
schwartigen Gra-
nulationen besetzt.
Im Eiter Staphy-
lokokken und ein
polymorpherFäul-
nissbacillus.
Mittlere
Schädel-
grube.
Nach 30
Tagen ent-
lassen zur
ambulato-
rischen Be-
handlung.
Geheilt.
Dem tegmen an-
tri entsprechend
lag Dura in gros-
ser Ausdehnung
frei mit Granula-
tionen bedeckt.
Nach 17
Tagen zur
ambulato-
rischenBe-
handlung
entlassen.
Geheilt.
Arehiv f. Ohienheflknnde. LV. Bd.
16
228
XIX. BRAUNSTEIN
s
s
Name,
Alter,
Oetohleeht
Snbjective
Symptome
Otoskopisoher Befand,
Umgebung dee Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grnnd
Schwindel
38
39
40
41
Loohefeld,
Minna,
11 Jahre.
W.
Anfgen.
17. Oot.
1891.
ZUlioh,
Martin,
11 Jahre.
M.
Aufgen.
28. Aug.
1892.
Beyer,
Otto,
23 Jahre.
M.
Anfgen.
29. Nov.
1892.
Franke,
Franz,
26 Jahre.
M.
Anfgen.
23. Nov.
1892.
Seit Vs Jalire
links Ohrenlanfen
ohne Schmerlen
und Schwerhörig-
keit. Später hörte
das Laufen auf,
und es traten
Schmerlen im Ohr
auf. Keine Kopf-
schmenen, kein
Erbrechen, kein
Schwindel.
Früher mehr-
fach Ohreiterung
links. Seit län-
gerer Zeit Ohr
trocken. Im An-
schluss an Schar-
lach vor oa. 4
Wochen Recidiv.
Vor 3 Tagen An-
schwellung hinter
dem Ohr. Abends
Pulsbeschleuni-
gpingy aber kein
Schüttelfrost. Ob-
stipation.
Seit 10 Jahren
Eiterung links.
Keine SchmerzeD,
keine Anschwel-
lung hinter dem
Ohr. Zeitweise
Schwindel mit der
Neigung nach 1.
lu fallen, seit 2
Jahren hiervon
frei. Schwachhö-
rigkeit.
Seit 3 Monaten
Ohrenlaufen links.
Vor etwa 3 Wo-
chen hörte nach
Behandlung mit
weissem Pulver die
Eiterung auf. Vor
5 Tagen schmerz-
hafte Anschwel-
lung hinter dem
linken Ohr.
Umgebung des Ohres o. B.
Gehörgang links voll stin-
kenden Eiters: nach hinten
Gehörgang vorgewölbt und
ein Durchbruch.
Links: Caput obstipum.
Der ganze Warzenfortsatz
auf Druck sehr schmerzhaft,
aber nicht geschwollen. Ju-
gulariagegend auf Druck
nicht schmenhaft.
Links : Senkung der hin-
teren, oberen Gehörgangs-
wand massig. Trommelfell
geröthet, vorgewölbt, Perfo
ration nicht sichtbar.
Gebörgang links obturirt
durch eine Anzahl Polypen
Hinter dem linken Ohr
handbreite Anschwellung,
geröthet; auf der Höhe Fluc-
tuation.
Links : Senkung und Rö-
thung der oberen hinteren
Gehörgangswand. AufTrom-
melfell macerirte Epider-
mis. Perforation nicht zu
sehen.
37,2<».
38,3«.
124,
regelm.
37,0».
70.
37,1».
Pupillen gleich
weit, kein Ny
stagmus , keine
Muskelläh-
mungen. .
Pupillen gleich
weit, reagiren
gut. Kein
Doppelsehen,
keine Neuritis,
die fUr Menin-
gitis spräche,
und geringe
Venendilatat.
(D. Braunschw.)
Pupillen gleich
weit, reagiren
prompt auf
Lichteinfall.
Kein Nystag-
mus.
Pupillen gleich
weit. Kein Ny-
stagmus , keine
Muskelläh-
mungen.
Yacat.
Ausgespr.
Schwindel
nach rechts
b. Gehen
mit geschl.
Augen.
Vacat.
Yacat
Ueber eztradurale otogene Abscesse.
229
Looalisir-
bare Hirn-
Symptome
Hörprüfung
Diagnose
Befund der War-
zen- resp. Mittel-
ohrräame
Sitz des
Abscesses
Angaben über
Grösse d. Absces-
ses, Beschaffen-,
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
Heilung
Vacant.
Vacant.
Vacant.
Vacant.
Flttsterspracbe
links 30 cm.
Fis4 deutlich,
Ci unbestimmt,
FlOsterzahlen
links handbreit,
rechts 1 m. Ci
nach links Tom
Scheitel. Fis4
beiders. deutl.
Flllstersprache
links nicht di-
rect. C] Tom
Scheitel nach r.
Fi84 links bei
verstärktem
Anschlage.
Flllstersprache
links 1 Ya m.
Rechts 6 m.
Ci vom Scheitel
verstärkt nach
links.
Fis4 beiderseits
deutlieh.
Ghron.
Eiterung
rechts.
ßecidiy.
Ghron.
Eiterung
links.
Mastoidit.
Ghron.
Eiterung
links.
Ghron.
Eiterung
links.
Mittelohrräume
Yoll Granulation
und cariös er-
weicht. Eine
eiterhaltige Zelle
führt zum extra-
sinuösen Absoess.
ImAntrumkein
Eiter. In der
Spitze pulsirender
Eiter.
ImAntrum käs.
Massen u. blut-
reiche Granulat.
Ebenso in der
Paukenhöhle. In
der Spitze ein mit
käsigen Massen er-
füllter Recessus.
Im Antrum kein
Eiter. Nach hin-
ten grosse mit
Granulationen er
füllte Höhle.
Hintere
Schadel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Zwischen Sinus
und Knochen
dringt Eiter her-
vor.
Geheilt
nach 68
Tagen.
Sinus lag in
1 72 cm Länge
bloss. Zwischen
ihm und dem Kno-
chen pulsirte
reichlich Eiter
hervor; er war
mit gelblicheitrig
infiltrirten Granu-
lationen besetzt.
Sinus lag in 2
MarkstUckgrösse
bloss. Zwischen
ihm und Knochen
freier Eiter.
Eiter zwischen
Dura und Kno-
chen. Dura in 20
MarkstUckgrösse
frei.
Geheilt
nach 72
Tagen.
Nach 90
Tagen ge-
bessert
entlassen,
später ge-
heilt.
Geheilt
nach 42
Tagen.
16*
230
XIX. BRAUNSTEIN
»4
8
i
Name,
Alter,
Geschlecht
Subjective
Symptome
Otoskopischer Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Schwindel
42
Franke,
Karl,
23 Jahre.
M.
Aufgen.
20. Mars
1900.
Ohreiterung
rechts seit dem
16. Jahre. Seit
14 Tagen Schmer-
zen im rechten
Ohr. In letzter
Zeit Schmerz sehr
heftig.
Schwindel, unsi-
cherer Gang, Er-
brechen. Schlaf-
losigkeit. Appetit
schlecht.
Hinter dem rechten Ohr
auf d. Planum mastoid. eine
Narbe, Druckempfindlichkeit
in der Narbe und besonders
am vorderen Band der Spitze
u. Occiput. Becht. GehOrgang
Tollständig stenosirt durch
kugelige Vorwölbung der
hinteren häutigen Wand des
knöchernen Gehörgangs. Im
Spalt Granulationen und
weisse schmierige Massen.
37,6—
39,7«.
80,
regelm.
kräftig.
Augenhinter-
grund normal.
Pupillen beide
mittelweit, rea-
giren gut auf
Lichteinfall.
Nystagmus ro-
tatorius beim
Fixiren u. beim
Sehen nach
oben, nach links
u. nach unten.
Gang un-
8icher,fällt
b. Gehen
mit ge-
schlossen.
Augen
nach
rechts.
Jung,
Ernestine,
63 Jahre.
W.
Aufgen.
31. Jan.
1899.
Föllner,
Anna,
19 Jahre.
W.
Aufgen.
29. März
1899.
Seit 17 Wochen
Ohreiterung. Vor
Weihnachten be-
reits Anschwellg.
hinter dem 1. Ohre
und Eiterduroh-
bruch. In letster
Zeit öfters Kopf-
schmerzen, Nacht-
ruhe gestörtyHitze,
Erbrechen, Stuhl-
gang träge,
Schwerhörigkeit.
Seit 18. Febr. in
poliklinischer Be-
handlung wegen
acuter Eiterung
rechts. Dieselbe
war schon geheilt.
Donnerstag Yor 14
Tag. Adenotomie.
Sonntag vor 8 Tag.
Schmerzen im r.
Ohr u. hinter dem-
selben. Nachts oft
kein Schlaf, die
Eiterung begann
wieder.
Umgebung des linken
Ohres nach hinten und oben
in weitem Umfange ödema-
tös. Druckempfindlichkeit
auf dem Planum und nach
dem Occiput zu. Auf Pla-
num ulcerirte Stellen, aus
denen auf Druck Eiter quillt.
Die Sonde dringt ti^ ein
und stösst auf Knochen.
Die Gegend des rechten
Proc mastoid. etwas ge-
schwollen. Massiges Oedem.
Druckempfindlichkeit.
Beohtes Trommelfell in-
jicirt und geschwollen ; klei-
ne runde Perforation hinten
unten.
37,0—
37,30.
37,60.
96.
30./3.
36,9—
39,1 —
39,6«.
124.
31./3.
39,4,
39,2,
39,3,
38,5,
38,70.
86.
Pupillen gleich
weit, reagiren.
KeinNystagmus,
keine Lähmung.
B. Acut!
Vacat.
Augenhinter-
grund normal.
Vacat.
Ueber extradarale otogene Abscesse.
231
Localisir-
bare Hirn-
symptome
HOrprüfang
Diagnose
Befund der War-
zen- resp. Mittel-
ohrräume
Sitz des
Absoesses
Angaben über
Grösse d. Absoes-
ses, Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dura eto.
Heilung
Parese des
r. Facialis.
I Kann
nicht pfeif.
Rechtes
Auge kann
geschloss.
werden,
doch nicht
so gut als
1. Zunge
wird ge-
rade her-
rausgeatr.
Bechts : Laute
Worte durch d.
Hörschlauch.
Gl vom Scheitel
nach links. Fi84
rechts b. stark.
Nagelanschlag.
Chron.
Eiterung
rechts.
Warzenfortsatz
mit Cholesteatom
angefüllt. In der
Paukenhöhle Gra-
nulationen. Den
horizontalen Bo-
gengang heraus-
präparirt; darun-
ter liegt der Fa-
cialis firei.
Dicht neben dem
Facialis eine nach
unten reichende
Zelle, die mit Eiter
^'efallt ist und zum
extraduralen Abs-
cess fuhrt.
Hintere
Schädel-
grube.
Dura und Sinus
sigmoid.theilweise
mit schmierigen
dtlnnen Granula-
tionen bedeckt.
Geheilt
nach 106
Tagen.
Mundast
des Facia-
lis noch
gelähmt.
fälle.
Vacant.
Yaoant.
Links laute
Worte direct.
Gl Tom Scheitel
nach 1. Rinne
beiderseits — .
Fi84 links bei
Fingerkuppen-
anschlag.
Flüstern rechts
am Ohr. Gi y.
Scheitel nach r.
Rinne reohts — .
Fis4 normal.
Acute
Eiterung
links.
Acute
Eiterung
rechts.
Durchbruch der
Gorticalis am hin-
teren Rande des
Planum. Die Ver-
folgung dieses
Durchbruchs führt
zu einem Extra-
duralabscess. Eiter
im Antrum u. den
Zellen der Spitze.
Im Antrum Ei-
ter und granu-
lirenda Schleim-
haut. Warzenfort
satzzellen mit gra-
nulirend. Schleim-
haut. In d. Spitze
grosser Herd gra-
nulärer Massen.
Fistel an der me-
dialen Seite der
Spitze zu einem
perisinuösen Abs-
cess.
Mittlere
Schftdel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Dura liegt in
Markstttckgrösse
frei mit Granula-
tionenbesetzt. Ex-
traduralabscess
reicht bis an den
Sinus.
Kleiner perisi-
nuös. Abscess. Si-
nuswand erscheint
mit Granulationen
besetzt.
Nach 75
Tagen ent-
lassen. Es
bestand
nochGaries
der Laby-
rinthwand
und des
Pauken-
höhlenbod.
u. geringe
Eit., später
geheilt.
Nach 67
Tagen ge-
heilt ent-
lassen.
232
XIX. BBAUNSTEIN
I
Name,
Alter,
Gesohleoht
Subjective
Symptome
Otoskopisoher Befand,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Angenhinter-
grund
Schwindel
6
Pnphal,
Gustay,
27 Jahre.
M.
Aufgen.
4. April
1899.
Gaudig,
Hermann,
29 Jahre.
M.
Aufgen.
23. März
1899.
Liebezeit,
Friedrich,
40 Jahre.
M.
Aufgen.
8. April
1899.
Frömmig,
Hermann,
29 Jahre.
M.
Aufgen.
1. Mai
1899.
Seit Mitte Fe-
bruar Sehmerzen
in der recht. Kopf-
seite. Keine Ohr-
dterung , aber
Schwerhörigkeit.
Sitz d. Schmerzen
nach dem Hinter-
kopf zu. Seit 8 T.
Schwellung hinter
dem Ohre.
Seit kurzer Zeit
Eiterung aus dem
linken Ohr u. An-
schwellung hinter
demselb. Schmer-
sen. Kein Schwin-
del.
Vor 12 Tag. Er-
krankg. mit Frie-
ren, Appetitlosig-
keit. Aml.Oster-
tag „Rucken* im
r. Ohr, kurz dar-
nach Ausfluss mit
Nachlass der hef-
tigen Schmerzen.
Anschwellg. hint.
dem rechten Ohr.
Appetit schlecht,
StuhWerhaltung.
Mitunter etwas
Schwindel u. Ge-
fühl Y. tJebelkeit,
aber kein Erbrech.
3 Wooh. T.Ostern
Influenza mit so-
fortigen Schmer-
zen im linken Ohr
ohne Ausfluss; bis
dahin stets 'ohrge-
sund. Vor 3 Woch.
Anschwellung u.
Schmerzen hinter
dem Ohr, das jetzt etwas ge-
nässt haben soll. Seit 8 Tagen
schlaflos vor Schmerzen. Kein
Erbrechen, kein Frost, kein
Schwindel.
Hinter dem rechten Ohre
eine massige, weiche fluctu-
irende Schwellung. Druck-
empfindliohkeit an der Spitze
und unter derselben.
Rechts: Paraoentesen-
schnitt. Trommelfell matt,
kein Eiter.
Anschwellung hinter dem
linken Ohr über dem Proc.
mastoid. Druckempfindlich-
keit.
Hinten unten Perforation
des Trommelfells.
Geringe Infiltration am
Ansatz des Sternocleidoma-
stoideus.
Spitze druckempfindlich,
sonst unverändert.
Rechts keine Stenose des
Gehörgangs. Trommelfell
hinten oben zapfenförmig
vorgewölbt. Darunter dringt
pulsirend Eiter hervor.
1. V. Oedem und Druck-
empfindliohkeit stärker. .
Brettharte Infiltration
hinter dem Ohr und am
Halse herab. Flnctuation
nicht nachweisbar. Leb-
hafte Schmerzempflndung bei
Berührung.
3. Mai deutliche Flnctu-
ation an der Infiltrations-
stelle.
Linker Gehörgang durch
Schwellung der Wände
gleichmässig verengt. In
der Tiefe eine Spur von Se-
cret, keine Perforation.
37,1«,
norm.
5./4.
37,40.
76.
Augenhinter-
grund normal.
Yaeat.
37,00,
80.
Pupillen gleich,
reagiren. Kein
Nystagmus,
keine Läh-
mungen.
Vacat.
37,00,
norm.
Ophthalmosko-
pisch normaler
Befund.
Vacat.
39,30.
128.
37,20,
norm.
Ophthalmosko-
pisch keine Be-
sonderheiten.
Vacat.
üeber extradurale otogene Abscesse.
233
Angaben über
Localisir-
Befund der War-
Sitz des
Abseesses
Grösse d. Absees-
bare Him-
Hörprüfung
Diagnose
zen- resp. Mittel-
ses, Beschaffen-
Heilung
svmptome
ohrräume
heit d. freiliegen*
1
den Dura ete.
Yacant.
Flttstem rechts
Retroauri-
Corticalisdirect
Hintere
Sinus in V/i cm
Nach 45
10 cm. Ci Tom
culärerAb-
aber Spina s. m.
Schädel-
Länge u. fast 2 cm
Tagen ge-
Scheitel nach
scess. Ab-
fistulös durchbro-
grube.
Breite freigelegt;
heilt ent-
rechts. Fis4
gelaufene
chen. Im Antrum
war theilweise
lassen.
rechts b. starkem
Mittelohr-
nur geschwollene
durch den extra-
Anschlage.
eiterung
rechts.
Schleimhaut, im
hinteren Theil des
Warzenfortsatzes
ostltischer Herd,
bei dessen Verfol-
gung der extra-
sinuöse Abscess
aufgedeokt wird.
sinuösen Eiter Tom
Knochen abgeho-
ben, mit missfar-
benen Granulatio-
nen bedeckt.
Yaeant.
Angaben fehlen.
Acute
Durahbruch di-
Hintere
Sinus in 3 zu
Geheilt
Biterung
rect hinter d. Spina
Schädel-
l '/t cm Grösse frei-
naoh 64
1
links.
u. durch die Mitte
grube.
liegend, Yon pla-
Tagen.
Mastoidit.
der hinteren, knö-
chernen GehOr-
gangswand. Der
ganze Warzenfort-
sati erfüllt Ton
pulsirendem Eiter
u. Granulationen.
stischem Exsudat
bedeckt.
Yacant.
Normale Yer-
Acute
Die ganze Spitze
Hintere
Sinus u. Dura
Nach 81
hältnisse.
Eiterung.
umgewandelt in
Schädel-
im Fond der Abs-
Tagen ge-
eine grosse mit
grube.
eesshöhle weit frei-
heilt.
,
Eiter und blassen
liegend.
Granulation, aus-
•
xetmite Höhle, in
deren Fond die
Dura, resp. Sinus
1
weit frei liegt.
1
Yacant.
Keine Angaben.
Acute
Proc. mastoid. in
Hintere
Dura in Mark-
GeheUt.
Mastoidi-
eine grosse Höhle
Schädel-
stttokgrösse frei-
tis mit
umgewandelt, die
grabe
liegend, mit dun-
Abscess
bis in die Spitze
kelrothen Granu-
nach acut.
reicht, aber nicht
lationen bedeckt.
EntzUndg.
mit dem Antrum
links.
communicirt, mit
eitrig infiltrirter
Schleimhaut und
1
1
Yiel Eiter.
234
XIX. BRAUNSTEIN
E
S
10
Name,
Alter,
Gescbleoht
Subjective
Symptome
Otoskopisoher Befnnd,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Rothe,
Anna,
5 Jahre.
W.
Aufgen.
6. Juli
1899.
Kind,
Hermann,
13 Jahre.
M.
Aufgen.
6. Sept.
1899.
Wüllner,
Klara,
11 Jahre.
W.
Aufgen.
23. März
1900.
Cyliaz,
Friedrich,
28 Jahre.
M.
Aufgen.
17. Aug.
1897.
Vor 6 Wochen
Diphtherie, seit
4 Wochen Ohrei-
ternng rechts. An-
schwellung hinter
dem rechten Ohre.
Seit 14 Tag. Süll
das r. Ohr eitern,
ohne dass Schmer-
zen vorhergegan-
gen seien. Als
Kind will Fat. Ge-
hirnhauten tzQn-
dung gehabt ha-
ben; sonst nie
krank. Seit 14 Ta-
gen Gesicht schief.
Kein Schwindel,
kein eKopfschmer-
zen.
Vor ca. 14 Ta-
gen Ohreiterung
plötzlich aufgetre-
ten. Seit einigen
Tagen Anschwel-
lung hinter dem
Ohre.
Vor 5 Wochen
Wasser beim Ba-
den ins linke Ohr.
Sofort Schmerzen,
nach einigen Ta-
gen heftige Otor-
rhoe. Anhaltende
heft. Kopfschmer-
zen. Vor ca. 14 Ta-
gen Anschwellung
hinter d. Ohre. Jn-
cision. Keine Er-
leichterung.
Hinter dem rechten Ohre
ist die Haut schlaff. Ein
Absoess daselbst entleert auf
Druck den Rest seines In-
halts durch den ttuaseren
Gehörgang. Attikwand rechts
fehlend. Steigbügel frei-
liegend. Vollständiger De-
feet des Trommelfells. An
der medialen hinteren Gehör-
gangswand stellenweise Kno-
chen freiliegend. Pauken-
schleimhaut roth und gra-
nulirend. —
. Leichte Druckempfind-
lichkeit am Planum.
Rechts hinten Trommel-
fellhälfte vorgewölbt. Auf
derKuppe granuläre Schleim-
haut.
40,5®.
Hinter dem rechten Ohr
Anschwellung und Fluctu-
ation. Trommelfell geröthet,
hinten vorgewölbt. Perfo
ration vorn unten, Eiterung.
Kleine Incisionswunde
Ober Spitze des Proc mast.
Starke Druckempfindlichkeit
über der ganzen Warzen-
fortsatzgegend. Massige
Schwellung. Oedem weit
nach hinten und oben über
die linke Kopfhälfte sich er-
streckend.
Linkes Trommelfell stark
geröthet und geschwollen.
Centrale Perforation, aus der
reichlich Eiter pulsirt.
38,R
17/9.
38,0».
1 8./9.
37,2-
38,6®.
120.
39,6«.
108.
38,3®.
94.
Keine Angaben.
Vortretende
Bulbi. Leichter
Strabismus di-
vergens. Augen-
hintergrund
normal. Linke
Papille etwas
weiter als die
rechte. Beide
reagiren g^t auf
Lichteinfall.
Augenhinter-
grund normal.
Augenhinter-
grund normal
Pupillen gleich
weit, reagiren
prompt auf
Lichteinfall.
Keine Augen-
muskelstörung.
Schwindel
Vaoat.
Vacat.
Vaoat.
Vacat.
Ueber extradurale otogene Abscesse.
235
Localisir-
bare Hirn-
gymptome
Hörprüfung
Diagnose
Befand der War-
zen- resp. Mittel
ohrräume
Sitz des
Abscesses
Angaben ttber
Grösse d. Absces-
ses, Besohafifen-
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
Heilung
Facialis-
parese r.
Mund-
muskeln
werden
gar nicht
bewegt.
Das rechte
Auge kann
Dur halb
geschloss.
werden.
Faoial.par.
r. Auge
kann nicht
geschloss.
werden.
Mundbe-
|weg. kaum
wahrzun.
Zunge
.weicht b.
Herausstr.
pachl. ab.
l2l./10.ra-
leialislähm.
linachElek-
.{tris-gebess.
;8./10. Fa-
' Cialis
normal.
Yacant.
Hörprüfung un-
möglich wegen
Benommenheit.
Flüstern rechts
direct am Ohr.
Ci Tom Scheitel
nach rechts.
Rinne beider-
seits — . Fis4
rechts bei leich-
tem Finger-
kuppenanschl.
Yacaift.
Flttstersprache
rechts ca. hand-
breit. Ci vom
Seheitel nach
rechts. Fi64
rechts normal.
Leise Flttster-
sprache links
unsicher direct.
Ci Tom Scheitel
nach links.
Rinne links ne-
gatiy. Fis4 bei
starkem Nagel-
anschlag.
Otitis me-
dia acuta.
Mastoiditis
rechts.
Acute
Eiterung
rechts
Facialis-
lähmung.
Acute
Eiterung
rechts mit
Mastoidi-
tis.
Acute
Eiterung
links mit
Mastoidi-
tis.
Die ganze Ober-
flftche d. Schläfen-
beins nekrotisch.
Der grOsste Theil
des Proo. mastoid.
und der Schuppe
bereits sequestrirt,
in mehrer.Stücken
zu entfernen. Ope-
ration musste we-
gen schlechten
Pulses abgebro-
chen werden.
Cortioalis ab-
normblutreich. In
der Spitze eine
grosseEitermenge,
im Antrum eitrig
infiltr. geschwol-
lene Schleimhaut.
Knochen sehr
hyperämisch.
Gorticalis von
einer Granulation
durchwachsen. Ei-
ter im Antrum.
Die ganze Spitze
an der medialen
Wand cariOs und
nahezu in toto se-
questrirt. Nach
Wegnahme d. Se-
questersgrosse mit
Granulation, aus-
gekleidete Höhle.
Mittlere
und hin-
tere Scha-
delgrube.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grabe.
Hintere
Schädel-
grube,
Dura liegt in
grosser Ausdeh-
nung frei, naoh
d. Sinus zu schmie-
rig verfärbt und
mit Granulationen
bedeckt.
Exitus le-
talis 8. Juli
anPyämie.
In der Fossa
sigmoid. ein eztra-
sinuOser Abscess.
Sinus sigmoid. in
MarkstttckgrOsse
freigelegt, mit
dickem roth. Gra-
nulationspolster
bedeckt.
Grosser, extra-
sinuöser Abscess.
Sinus sigmoid. u.
transv. in 2-Mark-
stttckgrösse frei-
liegend, T. schmut-
zigen Granulatio-
nen und fibrinösen
Belägen bedeckt.
Der nicht pul-
sirende Sinus lag
mit schmutzigen
Granulationen be-
deckt in der Höhle
frei.
Geheilt
naoh 32
Tagen ent-
lassen.
Facialis
normal.
Gebessert
nach 23
Tagen,
dann ge-
heilt.
Ohreiterg.
nach 37
Tagen ge-
heilt.
236
XIX. BRAUNSTEIN
a
a
11
12
13
14
Name,
Alter,
Geschlecht
SubjectiTe
Symptome
Otoskopisoher Befand,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Jantke,
Ludwig,
44 Jahre.
M.
Anfgen.
24. Febr.
1896.
Hass,
Gustav,
41 Jabre.
M.
Aufgen.
7. Juli
1896.
Köhler,
Christian,
54 Jahre.
M.
Aufgen.
17. Oot.
1893.
Walter,
Franz,
7 Jahre.
M.
Aufgen.
15. Jan.
1895.
Seit 8. Februar
Schmerzen im 1.
Ohr;seit10.Febr
Otorrhoe; seit
1 1 . Febr. linkssei-
tig. Kopfsohmerz.
Seit 8 T. Sobwin-
delgefübl. Grosse
Mattigkeit.
Seit ca. 8 Woch.
SchwerbOrigkeit
n. Schmerzen des
rechten Ohres und
der Gegend des
Proc. mastoid. Pa-
raoentese entleert
Eiter. Profuse Ei-
terung, dabei stets
Scbmerzen.
Seit 8 Wocben
heftige Schmerzen
im I.Ohr. Oefters
Ausfluss. Bei Si-
stirung wieder
Schmerzen. Viel
Kopfschmerzen.
Seit 8 Wochen
ohrleidend. Be-
ginn mit Schmer-
zen. Keine Eite-
rung. Schwerhö-
rigkeit rechts.
Kopfschmerzen
rechts.
Links geringe Schwel-
lung hinter dem Obr. Druck-
empfindlichkeit 3-^4 Quer-
tinger breit hinter der Ohr-
muschel.
GehOrgang links normal.
Trommelfell intensiv ge-
röthet. Yorwölbung der hin-
teren Trommelfellbälfte.
ParacentesenOffnung, reich-
liche Eiterung.
Die Umgebung des rech-
ten Ohres ohne jede Schwel
lung und Druckempfindlich-
keit. An einer circumscripten
Stelle nach dem Occiput zu
wird «innerlicher Schmerz**
angegeben.
Rechter Gehörgang ge-
röthet, nicht stenosirt ; Trom-
melfell geröthet, hinten unten
blasig vorgewölbt, mehrere
kleine Perforationen, reich
lieh dttnnfltlssiger Eiter.
Ueber und hinter aem|38,0 —
Ohre starke ödematöse' 38,7^
Schwellung ohne ausgespro-
chene Fluctuation. Schmer-
zen spontan, bei Druck sehr
zunehmend. Trommelfell
sehr geröthet, leicht convex,
kleine Perforation hinten
unten. Eiterung.
38,4«.
60-90.
29./2.-
15./3.
Temp.
norm.
PnU
56-90.
36,6«.
Die Gegend des rechten
Warzenfortsatzes frei: nach
hinten davon zum Occiput
Oedem; einen Zoll hinter
Muschelinsertion deutliche
Fluctuation.
Rechter Gehörgang kaum
verengt. Trommelfell in der
hinteren Hälfte sichtbar, ge-
röthet, vorgewölbt. Die
Grenze zwischen Trommel-
fell und Gehörgang hinten
oben nicht markirt wegen
leichter Schwellung.
37,6«.
90,
klein.
Augenhintergr.
beiders. normal.
15. März. Linke
PupiUe weiter
als die rechte
u. trägere Re-
actionaufLicht-
einfalL.
Augenhinter-
grand itets
normal.
Augenhinter-
grund beider-
seits normal.
Schwindel
Ophthalmosko-
pischer Befund
normal.
Ophthalmosko''
pischer Befund
normal.
Yacat.
Vaoat.
Yacat.
Yaoat.
Ueber extradorale otogene Abscease.
237
Localisir-
bare Him-
symptome
1
Hörprüfung
Diagnose
Befand der War-
zen- resp. Mittel-
ohrränme
Sitz des
Abeceases
Angaben Über
Grösse d. Absoes-
ses, Besobaffen-
heit d. freiliegen-
den Dura eto.
Heilung
Yaeant.
Yaoant.
Vacani.
Yaoant.
Flttsterspraohe
links eben noch
diobt am Ohr.
Ci vom Scheitel
u. aueh Tom r.
Wanenfortsatz
aus nach links.
Rinne — . Gi 1.
b. mittl. Ansohl.
FiB4 bei mittel-
starkem Nagel-
ansohlag.
Flnsterspracbe
rechts 4 --5 cm.
Ci Tom Scheitel
naoh rechts.
PerceptionsTer-
mögen für hohe
Töne rechts er
heblich herab-
gesetzt.
Acute
Mittelohr-
eiterung
links.
Acute
Mittelohr-
eiterung
rechts.
Flttsterspraohe
links 0,25 m.
Ci Tom Scheitel
naoh links.
Fis4 deutlioh
links.
Mastoiditis
nach acut.
Mittelohr-
eitemng
links.
Flttsterspraohe
rechts handbreit,
Ct vom Scheitel
nach rechts.
FiB4 deutlich.
Acuter
Mittelohr-
katarrh
rechts.
28. Febr. Die
ganzen Warzen*
Zellen erfttllt von
Eiter. ImAntrum
Eiter. Den kran-
ken Knochen bis
an die Dura frei-
gelegt.
Im Antram kein
Eiter, nur ge-
sohwoU. Schleim-
haut, keine Weg-
leitung nach der
SohädelhOhle.
Im Antrum und
den Gellul. mast.
Schleimhaut nor-
nuil; keine Weg-
leitnng nach der
SohädelhOhle.
In den Cellul.
mast. eitrig infil-
trirte Sohleim-
haut; ein Tropfen
oonfluirten Eiters.
Keine Wegleitg.
Mittlere
Schädel-
grnbe.
Mittlere
Sohädel-
grube ttber
dem Teg
men tym
pani.
Mittlere
Schädel-
grube.
Mittlere
Schädel.
grübe.
Erst durch die
Section gefunden.
Extraduraler Abs-
oess in der Gegend
des Foram« lac.
sin. Im Eiter Ba-
cillus pneumoniae
Fraenkel.
Walnussgross;
Dura mit Granu-
lationen besetzt.
Keine Gommuni-
cation mit d. Mit-
telohrräum., Kno-
ohenwand zwisch.
Abscess u. Antrum
makroskop. ohne
Yerttnderungen.
AbscesshOhle Ton
Eiter u. Granula-
tionen erfüllt , der
Dura in 5 cm
liängsausdehnung
aufsitzend. Nach
dem Antrum zu,
aber gegen das-
selbe abgesohlos
sen, führt ein mit
eitrig infiltrirter
Schleimhaut aus-
gekl. Fistelgang.
Basis des Abs-
cesses ö-Pfennig-
stttckgross, deuÜ.
Abscessmembran.
Im Eiter Strepto-
kokken.
Exitus le-
talis in
Folge von
Menin^tis
purul.
23. März
1896.
Nach 28
Tagen ge-
bessert
entlassen.
Nach 75
Tagen ge-
heilt.
Gehellt
naoh 27
Tagen.
238
XIX. BRAUNSTEIN
u
B
B
Name,
Alter,
Geflohleoht
Subjeotive
Symptome
Otoskopischer Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augen hinter«
grund
Schwindel
15
16
17
IS
Kiehr,
Karl,
46 Jahre.
M.
Aufgen.
14. Jan.
1895.
Eskan,
Hermann,
46 Jahre.
M.
Aufgen.
26. Not.
1895.
Träger,
Otto,
48 Jahre.
M.
Anfgen.
3. April
1900.
Lenz,
Adolf,
37 Jahre.
M.
Aufgen.
26. April
1900.
Vor 7 Wochen
pl6tzlich reissende
Schmerzen, Ohren-
sausen u. Schwer-
hörigkeit rechts.
EeinAusflnss; zu-
weilen Schwindel.
Seitl2.Noy.Ge-
fllhl von Versto-
pfung des 1. Ohres
nach Schnupfen.
Am nächsten Tage
Otorrhoe. Zeit-
weise Stechen in
1. Kopfhäute vom
Ohr ausgehend.
Seit 24. November
schmerzh. Schwel-
lung hint. d. Ohre.
Seit 8 Tag. keine
Eiterung mehr.
Vor wenigen
Wocheninfluenza.
Im Anschluas da-
ran Schmerzen im
linken Ohr. Eite-
rung. Fieber.
Vor 4 Wochen
plötzlich Sausen
und Beissen im
rechten Ohr. Da-
bei Schwindel,
Frost und Hitze.
4 — 5 Tage später
Ausfluss. Schmer-
zen wurden all-
mählich besonders
Nachts stärker.
Das rechte Plan, mastoid«
nnd der angrenzende Theil
der Warzenfortsatzgegend
nach dem Oooiput druck-
empfindlich. Leichtes Oedem.
Stenose des rechten Ge-
hörgangs durch Senkung der
hinteren oberen Gehörgangs-
wand. Trommelfell nur im
hinteren unteren Quadran-
ten sichtbar, geröthet, mit
macerirter Epidermis be-
deckt.
Böthung und Schwellung
der Umgebung des linken
Ohres, sehr weit nach hinten.
Flnctnation.
Links Senkung der obe-
ren Gehörgangswand. Trom-
melfell nur zum Theil zu
sehen. Am Tage nach der
Aufnahme Gehörgang weiter.
Trommelfell stumpfgrau, ab-
geflacht.
Die Gegend über und
hinter d. linken Ohr entzünd-
lich geschwollen. Gehörgang
besonders von oben her ver-
engt.
Trommelfell nur im un-
teren Theil sichtbar perfo-
rirt. Eiterung. Am Beginn
des knöchernen Gehörgangs
eine Fistel.
Oedem über dem Warzen-
fortsatz. Starke Druckem-
pflndlichkeit über. dem Pla-
num.
Die hintere obere Hälfte
des 'Trommelfells stark ge-
röthet und geschwollen. Ueber
die unteren Quadranten
verläuft ein Paracentesen
schnitt.
37,6«.
56,
kräft.
21./1.
50.
36,7—
37,2«.
66.
30./11.
70-90.
5./12.
66-90.
37,3°.
86.
37,4«.
Augenhinter-
grund normal.
Vacat.
Augenhinter-
g^und normal.
Vacat.
Augenhinter-
grnnd normal.
Vacat.
Pupillen gleich
weit, reagiren
richtig. Kein
Nystagmus,
keine Lähmung.
Vacat.
Ueber extradurale otogene Abscesse.
239
Looaliiir-
bare Him-
symptome
Hörprüfung
Diagnose
Befund der War-
zen- resp. Mtttel-
ohrräume
Sit! des
Abioesses
Angaben ttber
Grösse d. Absces-
ses, Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dura ete.
Heilung
Vacant.
Yaoant.
Vaeant.
Yaoant.
■I
Flüstersprache
rechts 5 cm.
Ci Yom Scheitel
nach rechts.
Fis4 rechts her-
abgesetzt.
Flttstersprachc
links 30 cm.
Gl yom Scheitel
nach links.
Fi84 links wenig
herabgesetzt.
Links : Uhr vom
Knochen herab-
gesetzt , per
Luft —.
Flüstersprache
links dicht am
Ohr. Gl vom
Scheitel nach
links. Fi84 links
bei Nagelan-
schlag schwach.
Massig leises
Flüstern rechts
74 m. Gl Tom
Scheitel nach
rechts. Gi bei
kräftigem An-
schlag. Fis4
nicht gehört.
Rinne rechts — .
Acuter
Mittelohr-
katarrh
rechts.
Acute
Mittelohr-
eiterung
links ab-
gelaufen.
Acuter
Mittelohr-
catarrh
links.
Otitis me-
dia puru-
lenta acuta
post in-
fluenxam
links.
Acute
Fiterung
rechts.
Im Antrum eitrig
infiltrirte Schleim -
haut. In d. Spitze
grosser Eiterherd,
von dem aus ein
stecknadeldünner
Fistelkanal nach
hinten oben in die
hintere Schädel-
grube führt.
Schleimhaut des
Antrums und der
Gellul. mast. eitrig
infiltrirt. Keine
Begleitung.
Hintere
Schadel-
grube.
Extra-
dural.
Ausgedehntes
Empyem des gan-
zen Froc. mast.
bis tief in die
Spitze. Fistulöser
Dürchbruch im
Beginn des knö-
chernen Gehör-
gangs. Jochbogen
nekrotisch.
Im Antrum ge-
schwollene u. eit-
rig infiltrirte
Schleimhaut. Aus
einer haarfeinen
nach der hinteren
Schädelgrube füh-
rendenFistelquillt
viel Eiter hervor.
Hintere
Sohädel-
grube.
Mittlere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Zwei Theelöffel
Eiter enthaltend.
Dura Ton Granu-
lationen bedeckt.
Im Eiter lancett-
förmige Diplo-
kokken.
Dura in 1 bis
2 qcm freiliegend
mit fibrinös. Auf-
lagerungen u. Gra-
nulation, bedeckt.
Im Eiter Bacil-
lus pneumoniae
Fraenkel.
Geheilt
nach 51
Tagen.
Geheilt
nach 32
Tagen.
Grosser Extra-
duralabsoess .Dura
mit dickem, theil-
weise fibrinösem
Polster bedeckt.
Nekrotische Stelle
in der Dura, da-
selbst Dürchbruch
derselben, aber
keine Eiterung
aus dem Dürch-
bruch.
Walnussgrosser,
extraduraler und
extrasinuöser
Abscess. Dura
mit dickem Gra-
nulationspolster
besetzt.
Nach 100
Tagen ge-
heilt ent-
lassen.
Nach 47
Tagen ge-
bessert ent-
lassen,
später ge-
heilt.
240
XIX. BRAUNSTEIN
»4
S
s
Name,
Alter,
Geschlecht
Snbjective
Symptome
Otoekopiflcher Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Schwindel
19
20
21
22
Ringleb,
Minna,
5 Jahre.
W.
Anfgen.
4. April
1900.
Eule,
Wilhelm,
18 Jahre.
M.
Aufgen.
23. Jan.
1901.
Gross,
Andreas,
29 Jahre.
M.
Aufgen.
18. Juni
1901.
Am Montag vor
Weihnachten Oh-
renschmerzen und
Schwerhörigkeit
rechts ; bis je^t an-
dauernd. Nie Aus-
fluss. Anschwel-
lung hinter dem
Ohre.
Kurz Tor Ostern
Inflaenza. Acht
Tage später
Schwerhörigkeit,
Sausen im rechten
Ohr. Nach eini-
gen Tagen wieder
verschwunden. Am
23. Mai plötzlich
heftige Schmerzen
im rechten Ohr,
zugleich Mattig-
keit in den Glie-
dern, Frost. Seit
14 Tagen Eiterung; seit 10
Tagen Schmerzhaftigkeit im
Proc. mast. Kopfschmerzen
besonders im Hinterkopf.
Früher angebl.
stets ohrgesund.
Mitte Juli a. c.
Scharlach. Anfang
August Ohrenlau-
fen rechts. Nie-
mals Schmerzen.
Vor 8 Tagen An-
schwellung hinter
dem Ohr. Sonst
Allgemeinbefin-
den gut. Kein
Frost, kein
Schwindel.
Renner,
Hildegard,
14 Jahre.
W.
Aufgen.
26. Sept.
1900.
Rechts Warzenfortsats in
ganzer Ausdehnung druck-
empfindlich. Infiltration.
Fluctuation. Oedem. Rechts
keine Stenose. Trommelfell
hinten vorgewölbt.
38,7^
sehr
frequ,
und
klein.
Hinter dem rechten Ohr
auf dem Planum Anschwel-
lung. Der ganze Warzen-
fortsati druckempfindlich.
Haut OdematOs. Dicht hinter
der Insertion slinie der Mu-
schel Fluctuation.
G^hOrgang weit, viel Eiter,
TrommelfellgerOthet. Hinten
oben Paracentesenschnitt.
Rechts Warzenfortsatz
auf Druck schmerzhaft.
Leichtes Oedem der Haut.
Rechter GehOrgang ver-
engt durch Vorspringen der
hinteren oberen Wand. Trom-
melfell stark gerOthet, theil
webe vorgewölbt, hinten
unten pulsirender Reflex.
Profuse blutig tingirte Eite
rung.
Hinter dem rechten Ohre
eine von der Spitze des Proc.
mastoid. nach oben bis zur
Hohe des oberen Randes der
Ohrmuschel reichende pralle
Geschwulst, über der die
Haut gerOthet ist. Fluctu-
ation. Bei Druck auf An-
schwellung entleert sich
Eiter aus dem GehOrgang.
Untere Hälfte des Trom-
melfells durch polypöse Gra-
nulation verdeckt, hinter der
Eiter hervorquillt. Perfo-
ration vorn unten.
37,0—
37,5^
92.
Ophthalmosko-
pisch normaler
Befund.
37,3«.
80.
38,0«.
Vacat
Ophthalmosko-
pisch normaler
Befund.
Yacat.
Pupillen gleich
weit, reagiren
normal. Kein
Nystagmus,
keine Ltiimung.
Vacat
üeber extradurale otogene Abicesse.
241
p 1
Angaben über
Localisir-
Befund der War-
Sitz des
Abscesses
Grösse d. Absces
bare Him-
Hörprüfung
Diagnose
zen- resp. Mittel-
ses, Beschaffen-
Heilung
lymptome
ohrräume
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
__
Angaben fehlen.
Acute
ImAntrumEiter
Hintere
Perisinuöser Ab-
Geheilt
^7
Eiterung
und geschwollene
Schadel-
scess. Sinuswand
nach 80
rechts.
SchleimhautNach
hinten Durch-
brach. Grosse
eiterhaltige Zelle
unter der Linea
temporalis. Spitze
enthalt grosse Zel-
len mit Schleim-
eiter.
grube.
hell, vererbt.
Tagen.
Taoant.
Finstersprache
Acuter
In Antrum und
Hintere
Kirschgrosser,
Geheilt
rechts hand-
Mittelohr
Warzenfortsatz
Schädel-
extrasinuöser Ab-
. nach 60
breit.
katarrh
recht^.
nur eitrig infiltrir-
te Schleimhaut.
Fistel hinter dem
Plan, mastoid.
grnbe.
scess. Hahnen-
kammartig Sassen
misafarbene Gra-
nulationen auf d.
Sin. sigmoid.
Tagen.
Vacant.
Flttttersprache
Acute
Im Antrum we-
Hintere
Kirschgrosser,
Geheilt
rechts nicht ge-
Eiterung
nig Schleimeiter.
Schädel-
extrasinuöser Abs-
nach 35
hört. Ci vom
rechts.
In d. Spitze grosse
grube,
oess. Der rothe,
Tagen.
Scheitel nach r.
Eifcer und polypös
entzündete Sinus
Ci u. Fi84 rechts
entartete Schleim-
sigm. mit schlaf-
stark herab-
haut enthaltende
fen Granulationen
gesetzt.
Zelle. Fistel hin-
besetzt.
ter dem Planum
i
mastoid.
Vacant.
Finstersprache
Acute
Der Gegend der
Hintere
Kirschgrosser,
Geheilt
rechts ca. im.
Eiterung
Fosaa sigm. ent-
Schädel-
extrasinuöser Abs-
nach 48
1
i
rechts.
sprechend eine Fi-
stel in der Corti-
oalis. Knochen
grube.
cess. Der Sinus
sigmoid. theil weise
mit Granulationen
Tagen.
*
1
sehr weich, eiter-
durchsetzt. Aus
dem aufgemeissel-
ten Antrum reich-
lich Eiter. Kno-
chen oben bis an
die Dura reichend.
bedeckt.
Entfernung der
Spitze nöthig.
1
242
XIX. BRAUNSTEIN
E
S
23
24
25
26
Name,
Alter,
Geschlecht
Subjective
Symptome
Otoskopidcher Befund,
Umgebung des Ohres
Schäfer,
Gostay,
19 Jahre.
M.
Anfgen.
27. AprU
1900.
Vogt,
Henriette,
42 Jahre.
W.
Attfgen.
7. Aug.
1893.
Batzlaff,
Marie,
36 Jahre.
W.
Anfgen.
28. Oct.
1893.
Heiner,
Friedrich,
46 Jahre.
M.
Aufgea.
28. Dec.
1893.
Vor 4-5 Wo-
chen Influensa.
Darauf Sohmenen
im linken Ohr.
Eiterung.
Anfang April
nach Schnupfen
Eiterung aus dem
rechten Ohr. 14
Tage nach Beginn
Anschwellg. hin-
ter demOhr . Mehr-
malige Unterbre-
chung der Eite-
rung. Vor ca. 8
Tagen nach war-
men Umschlilgen
plötzlich Zunahme
der Anschwellung.
Hefiige Kopf-
schmersen. Kein
Schwindel, kein
Erbrechen.
In der Kindheit
wiederholt Ohren-
laufen.Vor5Woch.
Influenza. Nach
einigen Tagen
Schmerzen i. rech-
ten Ohr und Eite-
rung. Spontan und
bei Druck Schmer-
zen hinter und
über dem rechten
Ohr. Schlaflosig-
keit Starkes
Pfeifen und Sau-
sen im Kopf. Nie
Schwindel od. Er-
brechen.
Vor 4 Wochen
Influenza, darauf
Stechen im linken
Ohr. Seit 10 Ta-
gen Eiterung. Vor
etwa 3 Wochen
mehrtägiges Er-
brechen mit
Schwindel und viel
Kopfschmerzen.
Ueber der Spitze des
Proc. maatoid.Dmckempfind-
iichkeit.
Gehörgang weit. Vor-
wölbung des Trommelfells.
Gegend hinter dem rech-
ten Ohr geschwollen und
erysipelatös geröthet. Auf
Druck sehr schmerzhaft.
Ueber der Höhe des Warzen-
fortsatzes Flnctuation. Bei
Druck auf diese Stelle Eite
rung aus dem Gehörgang.
Eeohts profuse Eiterung.
Starke Senkung der hinteren
oberen Gehörgangswand.
Temp.
Puls
Nor-
mal.
36,4—
37,7«.
Hinter und über dem
rechten Ohre ödematöse An-
schwellung. Druckempflnd
lichkeit. Flnctuation nicht
deutlich zu fühlen.
Rechts : Senkung der
oberen Gehörgangswand
Haut geröthet. Oberer Theil
des Trommelfells verdeckt.
Hinten unten Perforation
Profuse Eiterung.
36,6—
37,70.
Umgebung des linken
Ohres o. B.
Trommelfell abgeflacht.
Gehörgang geröthet, Ueber-
gang auf Trommelfell ver-
waschen. Centrale kleine
Perforation.
Augenhinter-
grund
36,7—
38,8«.
Pupillen gleich
weit, reagiren
richtig. Kein
Nystagmus,
keine Augen-
muskellähmung.
Augenhinter-
grund normal.
Schwindel
Pupillen gleich
weit, reagiren
prompt auf
Lichteinfall.
Keine Störung
in den Augen-
bewegungen.
Augenhinter-
grund normal.
Strabismus oon-
vergens seit
Kindheit.
Vacat.
Vacat.
Vacat.
Vacat.
Ueber extradurale otogene Abscesse.
243
Localisir-
bare Hirn-
symptome
Hörprüfung
Diagnose
Befund der War-
zen- resp. Mittel-
ohrräume
Sitz des
Abscesses
Angaben ttber
Grösse d. Absoes-
Bescbaffen-
863,
heit d. freiliegen-
den Dura eto.
Heilung
Yacant.
I ■
Vacant.
Yacant.
Yacant.
Flttstersprache
rechts 15 cm.
Ci Yom Scheitel
nach rechts.
Fi84 etwas her-
abgesetzt.
FlUsterspraohe
rechts 15 cm.
Gl vom Scheitel
nach rechts
Fi84 rechts deut-
lich.
Flttstersprache
links handbreit.
Ci vom Scheitel
meist nach
rechts. Fi84
beiderseits
deutlich.
Otitis me-
dia pnru-
lenta acuta
sinistra.
Acute
Eiterung,
Mastoidi-
tis, Absoess
rechts.
Acute
Eiterung
rechts.
Mastoidi-
tis.
Acute
Eiterung
links.
Im Antrum eitrig
infiltr.y stark pro-
labirte Schleim -
baut. In d. Spitze
des Froc. mastoid.
Empyem, Weglei-
tung. Disseminirte
kleine, mit Eiter
erfüllte Zelle.
Bei Eröffnung
der Spitze gelangt
man in eine grosse
mit Eiter u. Gra-
nulat, ausgefüllte
Höhle; Wandun-
gen deutl. cariös.
Spitze communi-
cirt mit dem mit
Granulationen er
füllten Antrum.
Aus dem An-
trum quillt eine
Menge Eiter un-
ter hohem Druck
hervor.
In den oberfläch-
lichen Zellen des
Proc. mast. Eiter.
Aus Antrum pul-
sirt bei der Eröffnung viel
Eiter hervor. Antrum u. Zellen
d. Proc. mast. strotzend m.Eiter
und Granulationen an geftlUt.
Mediale Seite der Sulouswand
reichl. mit Granulat, besetzt.
Hintere
Schädel-
gmbe.
Hintere
Schadel-
grube.
Mittlere
Schadel-
grube.
Hintere
Schädel-
grnbe.
Kirschgrosser,
extrasinuöser Abs-
cess. Sinus roth,
mit Granulationen
und plastischem
Exsudat bedeckt.
Der pulsirende
Sinus mit Granu-
lationen besetzt
liegt hint. in Pfen-
nigstttckgrösse in
der Höhle frei.
Dura liegt an
zwei Stellen frei
in weiter Ausdeh-
nung und ist ver-
dickt. Zwischen
Dura und Kno-
chen quillt Eiter
hervor.
Archiv f. Ohrenheüknnde. LY. Bd.
Sinus pulsirt,
zeigt auffallend
deutliche Bespira-
tionsbewegungen.
Sinuswand nicht
verändert. Zwi-
schen Sinus- und
S Ulcus wand reich
lieber Eiter.
17
Geheilt
nach 76
Tagen.
Nach 39
Tagen ge-
heilt.
Geheilt.
Exitus le-
talis 5./3.
1894 durch
Meningitis
purul.
244
XIX. BRAUNSTEIN
a
E
Name,
Alter,
Geschlecht
Sabjeotiye
Symptome
Otoskopischer Befand,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Schwindel
27
2S
29
Poland,
Friedrich,
38 Jahre.
M.
Anfgcn.
19. Juni
1895.
Acute reehtisei-
tige Ohreiterung
seit oa. 4 Wochen.
Zuweilea Schwin-
del. 25. VI. Er-
brechen. 5. YII.
Schnttelfrott.
Schwindel beim
Gehen.
Thieme,
Emil,
32 Jahre.
M.
Aufgen.
6. JuU
1897.
Früher nie
ohrenleidend. Im
Februar plötzlich
Schmerlen im lin-
ken Ohr, die nach
Eintritt von
Ohrenflnss
schwanden. Nach
14 Tagen sistirte
OhreiteruDg. Zeit-
weise Schwer-
hörigkeit und
Ohrensausen. Vor
8 Tagen Anschwel-
lung hinter dem
linkenOhr. Druck-
gchmerzhaftig-
keit.
Stets ohrgesund.
Nach Pneumonie
Ohrschmerzen
links, Ohrenlaufen
ca. 1 4 Tage lang.
Keine Schmerzen
mehr. Vor 4 Wo-
chen wieder
Schmerzen. An-
fang April sehr
heftig. Blutegel
vorübergehende
Wirkung. Seit
9. IV. intensive
Schmerzen in lin-
ker Kopfhttlfte,
besonders in der
vorderen Schläfen-
gegend und im
Hinterkopf. Seit
3 Wochen Appe-
titlosigkeit und
Mattigkeit Stuhlgang seit 3—
4 Tagen angehalten. Viel
Schwindelgefühl u. Uebelkeit.
Busch,
Karl,
35 Jahre.
M.
Aufgen.
14. Aprü
1897.
Infiltrirte Ljrmphdrttse
auf der Spitze des Proc.
mast. Oedem auf der Hohe
desselben gegen das Oociput
zu. Starke Druekempfind-
liehkeit daselbst.
Das rechte Trommelfell
gerOthety die hintej e untere
Partie desselben vorgewölbt.
Auf der Spitze der Vor-
wOlbung kleine Perforation.
Hinter linkem Ohr eine
kleinapfelgrosse, fluctnirende
Schwellung. Oedem in der
Umgebung der Anschwel-
lung.
Trommelfell in der hin-
teren unteren Partie abge-
flacht, lässt Exsudat durch-
schimmern. Leichte Hyper-
ämie. Keine GehOrgang-
stenoae. 7./8. Juli Nachts
spontane Schmerzen hinter
dem linken Ohr.
KeineAnschwellung, kein
Oedem hinter dem Ohr.
Klopfempfindlichkeit über
dem grössten Theil der lin-
ken Schädelhttlfte bis zum
Tub. parietale, besonders in
der vorderen Schläfengegend
und am hinteren unteren
Parietalbeinwinkel.
GehOrgang links normal.
Trommelfell in der hinteren
Hälfte blassgrau-rOthl. ver-
färbt, leicht abgeflacht ; Ham-
mergefässe iojicirt, im vor-
deren, unteren Quadranten
einige radiäre Gefässe.
36,6—
37,2«.
5. Juli
39,6»,
in der
Nacht
Frost
36,8».
72.
37,8«.
64,
ver-
langs.,
etwas
ge-
spannt,
zeitw.
aus-
setzd.
16./4.
39,5«.
90.
Augenhinter-
gmnd gering
hyperämisch, be-
sonders links.
5. Juli
Schwindel
beim
Gehen.
Vacat.
Pupillen beider-
seits gleich eng,
reagiren prompt.
Angenhinter-
grund normal.
(Dr. Sandmann.)
Vacat.
Ueber extradurale otogene Abscesse.
245
Angaben über
Localisir-
Befund der War-
Sitz des
Abscesses
Grösse d. Absces-
bare HiTn-
Hörprüfung
Diagnose
zen- resp. Mittel-
ses, Beschaffen-
Heilung
sjmptome
ohrräume
heit d. freiliegen-
1
den Dura etc.
. Yacant
Flüstersprache
Aeute
Schleimhaut der
Hintere
Zwei Theelöffel
Nach 92
reohts direct.
Ohreite-
Cellul. mast. eitrig
Schädel-
Eiter enthaltend.
Tagen
Fi84 rechts er-
rung
infiltrirt. In der
grube.
Granulationen im
geheilt.
heblich herab-
reohts.
Spitze wenig freier
extra sinuösen
gesetzt. Ci vom
Mastoidi-
Eiter. Wegleitg.:
Herde. Sinus nicht
(
Scheitel nach
tis.
einzelne sich an-
verfärbt./
rechts.
einanderreihende
Zellen bis z. Schä-
delhöhle mit eitrig
infiltrirt. Schleim-
haut ausgekleidet.
j
Vacant.
Flttstersprache
Mastoidi-
Im Antrum eitrig
Hintere
Taubeneigross;
Geheilt
■
links 1,50— 2 m.
tis nach
infiltrirte Schleim-
Schädel-
Dura grau, mit
nach 32
Ci Yom Scheitel
aouterOhr-
haut; ebenso Cel-
grube.
Granulationen be-
Tagen.
nach links. Fis4
eiterung
lul. mast. bis zur
deckt.
links normal
links.
Sohädelhöhle hin
Kinne links — .
mit eitrig inflltrir-
ter Schleimhaut
ausgekleidet.
Vacant.
Flttsterworte
Acuter
Im Antrum nur
Hintere
Ca. 2 Esslöffel
Geheilt
links nahe am
Mittelohr-
geschwollene
Schädel-
Eiter entleert.
nach 45
Ohr. Ci vom
katarrh
Schleimhaut, kein
grube über
Dura in 2-Mark-
Tagen.
ganzen Schädel
links.
Eiter. Wegleitg.;
dem Sinus
stttckgrösse frei-
nach links ver-
Eztradu-
grau verfärbte
sigm.
liegend, von Gra-
,
stärkt. Fi84
ralabscess.
Granulationen von
transv.
nulation, besetzt.
i
links beträohtl.
Zelle zu Zelle bis
Rinne.
)
herabgesetzt.
zur Schädelhöhle
•
1
verfolgbar.
17»
246
XIX. BRAUNSTEIN
» Name, I
I I Alter, '
^ Gesebleeht.
Subjective
Symptome
OtoskopiBoher Befand,
Umgebung des Ohres
Schwindel
30 .' Schneider, ' Acute Eiterung
31
32
I
Ida,
V» Jahr.
W.
Aufgen.
Ehring,
Karl,
28 Jahre.
M.
Aufgen.
7. Nov.
1898.
Polzin,
Martin,
42 Jahre.
M.
Aufgen.
23. Oet.
1S93,
dann
28. Febr.
1894.
nachScharlach seit
4 Wochen. Seit
dieser Zeit Fa-
eialisläbmnng
rechts. Anschwel-
lung hinter dem
rechten Ohre.
Acute Eiterung
nachScharlach seit
September 1895.
Linksseitiger
Kopfschmerz, An-
schwellung hinter
dem linken Ohr,
kein Schwindel.
Subacuter Ka-
tarrh mit Entzün-
dung am Proc.
mast. links.
28. Febr. 1894
Caries occipitalis
Abscessus subdu-
ralis. Linkes Ohr
soll früher stets
nur wenige Tage
geeitert haben. Vor
8 Wochen wiede-
rum Eiterung,
Schmerzen in und
hinter dem Ohr,
starke Kopf-
schmerzen links,
besonders im Hin-
terkopf. Nach 8
Tagen hörte Eite-
rung auf, doch
Kopf- und Ohr-
schmerz blieben.
28. IL 1894 in den
letzten 5 Wochen
Anschwellunghin-
ter dem Ohr. In
den letzten 14 Ta-
gen hat Fat. nicht
schlafen können.
Hinter der Ohrmuschel, 3S,1®
Oedem, Druckempfindlich-
keit.
Links Schwellung der
oberen Gehörgangswand.
Trommelfell stumpfgrau, miti
Epidermisschuppen bedeckt ;j
Vorwölbung des hinteren,
oberen Quadranten, keine
Perforation, kein Eiter.
Druckschmerz auf der Norm.
Spitze des Proc. mastoid.
Links: Gehöigang weit,
Trommelfell grauroth, ab-
geflacht, in den oberen Par-
tien hochroth, ohne deutliche
Grenze gegen die obere
Gehörgangswand. Verkal-
kungen.
i 28. IL 1894. Links keine 37,6—
I Eiterung, keine Senkung 38,3®.
lund Röthung im Gehörgang. 88.
Trommelfell blass; vorn un-
ten Narbe.
Hinter dem linken Ohr
breitbasige, sehr starke Infil-
tration.
5. III. Geschwulst ver-
grössert; tiefe Fluctuation
fühlbar.
Ophthalmosko- I Yacat.
pischer Befund
nichtsAbnormes. '
Links Leukoma
adhaerens.
Pupillen prompt
reagirend.
Vacat.
Ueber extradurale otogene Abscesse.
247
' Localisir-
,bare Hirn-
Symptome
Hörprüfung
Diagnose
Befand der War-
zen- resp. Mittel-
ohrräume
Sitz des
Abscesses
Angaben Über
Grösse d. Absces-
ses, Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
Heilung
Facialis-
parese
reohtt.
Yacant.
Yacant.
Acute
Eiterung
rechts.
Mastoidi-
tis.
FlUstersprache
links 1,25 m.
Ci Tom Scheitel
nach links.
Acuter
Mittelohr-
katarrh
links.
Mastoidi-
tis.
Links FlUster-
sprache 35 cm.
Ci Yom Scheitel
nach links.
Fis4 deutlich.
28. Febr. 1894.
Flüstern links
1 Va m.
Links :
Caries oc-
cipitalis.
Abscessus
subduralis.
Im Antrura we-
nig Eiter; keine
Wegleitung.
Mastoidealräume
nicht eröffnet.
Mastoidealräume
nicht eröffnet.
Mittlere
Schädel-
grabe auf
dem late-
ralsten I
Theile der|
oberen Py-i
ramiden- !
fläche. '
Hintere
Schadel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube an
der Schä-
delbasis im
Bereich d.
Ocoipat.
Nekrose d. Kno-
chens zwisch. Abs-
cess und Warzen-
räumen. Dura in
20-FfenDigstttck-
grösse freiliegend
mit Granulationen
bedeckt. Im Eiter
Bacillus pneumo-
niae Fraenkel.
Taubeneigross ;
Dura in 10-Pfen-
nigstttckgrösse mit
Granulationen be-
deckt. Im Eiter
Bacillus pneamo-
niae Fraenkel.
Knocben in der
Mitte zwischen
Crista occipit. ext«
und Margo mast.
in 2-Markstttck-
grösse zerstört. Die
graublaurothe,
leicht pulsir. Dura
liegt vor. Ränder
d. Enochendefects
zackig.
?
Nach 23
Tagen
ambulant
behandelt.
Geheilt.
Nach 74
Tagen
geheilt.
N
248
XIX. BRAUNSTEIN
s
e
Name,
Alter,
Geschlecht
Subjective
Symptome
OtoskopUcher Befund,
Umgebung dei Ohres
Temp.
Puls
Angenhinter-
grund
Schwindel
33
34
35
Oettel,
34 Jahre.
M.
Aufgen.
24. Nov.
1892.
Zinke,
Johann,
38 Jahre.
M.
Anfgen.
14. Aug.
1896.
VOldicke,
Richard,
51 Jahre.
M.
Anfgen.
1895.
Vor 15 Wochen
starke Schmerzen
im rechten Ohr.
Eiterung. Naoh-
lass.- Vor 10 Wo-
chen hOrte Eiterg.
nach Einblasen
eines weissen Pul-
Ters ganz auf. Vor
8 Wochen An-
schwellung hinter
d. Ohr. Abschwel-
lung nach warmen
Umschlägen. Seit
14 Tagen Recidiv.
Vor 6 Wochen
nach Erkältung
plötzlich ReiBsen
im linken Ohr,
bettlägerig, schlaf-
los. Schiittelfrost
NachlasB der
Schmerzen, aber
zeitweise Schmer-
zen in der Mittel-
kopf- und Stirn-
g^end. Ohren-
sausen, kein
Schwindel, keine
Schwerhörigkeit.
Seit 3 Tag. druck-
schmerzhafte An-
schwellung hinter
dem linken Ohr.
Eiterun^^ links
seit 8. VI. mit
heftigstenSchmer-
zen begonnen. Ur-
sache unbekannt.
Zeitweise links
Kopfschmerzen.
Obstipationsnei-
gung, Appetit-
losigkeit, belegte
Zunge.
Rechts Anschwellung hin-
ter dem Ohr. Druokempfind-
lichkeit, keine Fluctuation.
Schlitzförmige Stenose, Sen-
kung der hinteren oberen
Gehörgangswand. Trommel-
fell nicht sichtbar.
Haut vor dem linken
Ohr bis zum Proc. zygom.
ödematös, hinter und tlber
dem Ohr deutliche Schwel-
lung und Oedem. Quer-
flngerbreit hinter dem Mu-
sohelansatz Druokempfind-
lichkeit und Fluktuation.
Links: Hintere, obere
und untere Gehörgangswand
im medialen Theil geschwol-
len. Trommelfell rosa, mit
Epidermisschuppen bedeckt,
hinten abgeflacht.
Links Druckempflndlioh-
keit und Oedem hinter dem
Ohr, besonders an der Spitze.
Links Stenose des Ge-
hörgangs, in der Tiefe Blut.
36,3—
37,6».
Ophthalmosko
pischer Befand
normal.
Yacat.
37,8«.
100.
37,60.
118.
Pupillen gleich,
reagiren richtig.
Kein Nystag-
mus, keine Läh-
mung.
Yacat.
An den Augen
keine Besonder-
heiten.
Yacat
üeber extradarale otogene Abscesse.
249
Angaben ttber
Looalisir-
Befand der War-
Sitz des
A hap ASAAfl
Grösse d. Absces-
bare Hirn-
Hörprüfung
Diagnose
zen- resp. Mittel-
ses, Beschaffenheit
Heilung
Symptome
ohrräume
A UBU VSOoB
der freiliegenden
Dura etc.
Vacant. Fittsterspraehe
Mastoidi-
Im Antrum nur
Hintere
Haseln ussgrosser
Geheilt
rechts 30 cm.
tis nach
geschwollene
Schädel-
extrasinuöser Abs-
nach 190
Ci Tom Scheitel
acuter
Schleimhaut. In
grube.
cesB.
Tagen.
nach rechts.
Eiterung
der Spitze d. Proc.
FiB4 b. starkem
links.
mast. Eiter. Von
Fingerkappen-
hier aus Fistel in
ansohlag.
die hintere Sehä-
delgrube.
*
•
■
Yacant.
Tiinks Fittster-
Acutes
Im Antrum nur
Hintere
Dura liegt in
Geheilt.
spraehe 25 cm.
Empyem
eitrig infiltr. pro-
Schädel-
Markstttokgrösse
Rinne — . Ci
des Proo.
labirte Schleim-
grabe.
in der Eiterhöhle
vom Scheitel u.
mastlinks.
haut. Spitze des
frei, ist mit Gra-
der rechten
Proc. mast. ganz
nulationenbesetzt.
•
'
Seite nach links.
m. Eiter angefüllt.
1
Gehör für
Grössere pneuma-
/
hohe und tiefe
tische Enoohen-
f
Töne nicht her-
hohlräume nach
abgesetzt.
oben bis weit in
die Schuppe und
nach hinten bis
weit in das Occi-
put mit Eiter und
eitrig infiltrirter
•
Schleimh. erfüllt.
Vacant.
Fittsterspraehe
Acutes
Die ganze Spitze
Mittlere
Dura resp. Sinus
Geheilt.
direct unsicher.
Empyem
voll Eiter u. Gra-
u. hintere
hinten freiliegend,
Rechts normal.
des linken
nulation. Im An-
Schädel-
mit Granulationen
Ci Yom Scheitel
Proc. mast.
trum ist Eiter, un-
grube.
bedeckt. Im Eiter
nach links. Fi84
ter seinem Boden
Staphylococcus al-
kaum herab-
ein grosser , mit
bus in zahlreichen
gesetzt.
Eiter erfüllter Re-
cessus. Ausge-
dehnte Osteoma-
lacie.
Colonien.
250
XIX. BRAUNSTEIN
u
o
s
s
Name,
Alter,
Geschlecht
Subjective
Symptome
Ototkopiscber Befand,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Schwindel;
36
Boost,
Ferdinand,
47 Jahre.
M.
Aufgen.
29. Oot
1901.
Haipaus,
32 Jahre.
M.
Aufgen.
19. Nov.
1901.
38
Enkel-
mann,
Friedrich,
30 Jahre.
M.
Aufgen.
30. Jan.
1893.
Vor 2 Monaten
Schmerlen im
rechten Ohr und
Versehwellung des
Gehörgangs. Nach
UmschlKgen Eite-
rung w&hrend 14
Tagen. Darauf
heltige Schmerzen
im Hinterkopf u.
Genick und An-
schwellung hinter
dem Ohr. Damals
Freiste. 18. X.
Incision. Nachlass
der Schmerzen.
Ohrensausen seit
2 Monaten.
Beständig eitriger
Ausfluss aus der
Nase. Im An-
schluss an den
Gebrauch der Na-
sendouche vor 6
Wochen heftige
Schmerzen im 1.
Ohr. Seit den
letzten 9 Tagen
schlaflos vor
Schmerzen. Kein
i^ohttttelfrost,
keine cerebralen
Erscheinungen,
aber Appetitlosig-
keit und Ver-
stopfung.
Niemals Ohrei-
terung. Im Sep-
tember 1S92 An-
schwellung hinter
dem linken Ohr,
die nach kalten
Umschlägen zu-
rückging. Seit 3
Wochen wieder
eine Anschwel-
lung hinter dem
linken Ohr,
Schmerzen,Sausen
im Ohr. Schwer-
hörigkeit.
Rechte Ohrmuschel ab-
stehend. Hinter dem Ohr,
ungefähr auf der Mitte d(s
Warzenfortsatzes eine ca.
2 cm lange fistulöse Narbe,
in deren Umgebung die
Haut ödcmatOs ist. Auf
Druck dünner blutiger Eiter.
Warzenfortsatz nicht druok-
empfindlich.
Rechter Gehörgang et-
was verengt. Trommelfell
erscheint etwas getrübt.
Kein Eiter im Gehörgang.
Hinter dem linkt n Ohr
enorme Druckschmerzhaftig
keit, besonders auf der
Spitze des Proc. mast., un-
terhalb der Spitze leichte
Infiltration.
Gehörgang normal weit,
macerirte Epidermis darin,
Trommelfell blauroth, stark
vorgewölbt. Perforation nicht
sichtbar. Nach Paracentese
enormer Eiterausfluss, der
bei seiner Reichhaltigkeit
nicht aus der Paukenhöhle
allein stammen konnte.
2 1 . XI. Schmerzen imOhr,
ausstrahlend in die Schläfen-
gegend.
Hinter dem linken Ohr
eine Anschwellung, die auf
der Rttckfläche der Ohrmu-
schel beginnt. Die Haut
geröthet. Ueber der Spitze
des Proc. mast. eine zweite
fluctuirende Anschwellung.
Links schlitzförmige Ste-
nose durch Senkung der
hinteren, oberen Gehürgangs-
wand.
37,0».
82.
37,50.
37,Ö<>.
Augenhinter-
gruttd normal.
Augenhinter-
grund normal.
Augenhinter-
grund normal.
Vacat.
Vacat.
Vacat.
üeber eztradorale otogene AbBcesse.
251
Localisir-
bare Sim*
Symptome
Hörprüfung
Diagnose
Befand der War-
zen- resp. Mlttel-
ohrräame
Sitz des
Abscesses
Angaben Über
Grösse d. Absoes-
Beschaffen-
ses.
heit d. freiliegen-
den Dura eto.
Heilung
Vacant.
Vacant.
Flnsterspraohe
rechts 74 m.
Ci vom Scheitel
nach rechts. Ci
u. FiB4 wenig
herabgesetzt.
Yaoant.
Acute
Eiterung
rechts.
Acute
Mittelohr-
eiterung
links.
Flttstersprache
links handbreit.
Ci vom ganzen
Schädel nach
links. FiB4
deutlich.
Acute
Mastoidi-
tis links.
Im Antrum kein
Eiter, wohl aber
in d. Spitze Weg-
leitung: Fistel mit
Granulation, führt
zum eztrasinuösen
Abscess.
Die ganze Spitze
d. Wanenfortsatz.
besteht aus einer
einzigen grossen,
mit Eiter erf tili ten
Höhle. Beim Aus-
räumen der Spitze
Weglfcitung ent-
deckt in Gestalt
einer haarfeinen
Fistel, aus d. Eiter
hervorquillt.
Antrum u.War-
zenfortsatzhöhle
bilden eine Höhle.
Viel Granulation,
aber wenig con-
fluirter Fiter.
Hintere
Sohädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Sohädel-
grube.
Kirsohgrosser,
extrasinuOser Abs-
cess. Sinus liegt
mit schmutzigen
Granulationen be-
deekt hier frei.
Weiter unten Ei-
ter zwisohen dem
theils entzündlich
gerötheten, theils
mit lappiger
Schwarte bedeck-
ten Sinus und
dem Knochen.
Haselnussgroa-
ser, mit Eiter und
Granulationen er-
füllter Abscess, in
dessen Grund die
Dura frei lag.
Geheilt
nach 30
Tagen.
Noch in
Behandig.
Der mit Granu-
lationen bedeckte
Sinus lag in 10-
PfennigstUek-
grösse frei. Zwi-
schen ihm u. Kno-
chen Eittr.
Gebessert
nach IS
Tagen,
später ge-
heilt.
252
XIX. BRAUNSTEIN
«
6
E
p
Name,
Alter,
Geschlecht
SubjectiTe
Symptome
Otoikopischer Befand,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
g^nd
Schwindel
39
40
41
42
Heike,
Friede-
rike,
43 Jahre.
W.
Aofgen.
22. Sept.
1892.
Dähne,
Christian,
65 Jahre.
M.
Anfgen.
22. Sept.
1898.
ClauBs,
Ernst,
4 Jahre.
M.
Anfgen.
18. Nov.
1897.
Rosahl,
Lina,
10 Jahre.
W.
Aufgen.
8. Oot.
1898.
Linkes Ohr soll
früher gelaufen
haben. Jetst An-
schwellung hinter
dem seit langer
Zeit trockenen
Ohre. Kopf-
schmerzen.
Nach Erkältung
vor 10 Wochen
Schmerzen im
rechten Ohr und
Ohrensausen. Ei-
terung, Nachlass
der Schmerzen.
Tor 14 Tagen
wieder heftige
Schmerzen , be-
sonders Nachts.
Mattigkeit. Seit
gestern Anschwel-
lung hinter dem
rechten Obre. Ap-
petitlosigkeit,
Schwerhörigkeit.
Stuhlgang immer
gut.
Vor 5 Wochen
Scharlach und
Diphtherie. Dar-
nach Taubheit.
Längs., fast vollst.
Besserg. Seit 14
Tagen Eiterung
beiders. Seit Mon-
tag stärk.Sohmerz.
Anschwellg. hint.
d. r. Ohr. Obstipat.
Vor einem Jahr
Masern. Seit 14
Tagen Unlust z.
Arbeiten. Seit
Sonntag Ohr-
schmerzen. Darauf
Eiterg. 1. Appetit
schlecht, Stuhl
träge,wenigSchlaf,
Kopfschmerz. Fat.
sollseit2Tag.nioht
mehr geschlaf. hab.
Seit gest. Anschw.
hinter dem Ohre.
Hinter dem linken Ohre
prall-elastische fluctnlrende
Geschwulst.
Linkes Trommelfell ab-
geflacht, etwas getrttbt,
schwach blaurother Schim
mer.
Starkes teigiges Oedem
hinter dem rechten Ohr, das
sich Ober den ganzen Hinter-
kopf erstreckt.
Druckempfindlichkeit über
dem Proc. mastoid., beson-
ders hinten. Direct am
Muschelansatz geringe F luc-
tuation.
Bechts : Senkung der hin*
teren6ehOrgangiwand.Trom-
melfell nicht zu sehen. Beich-
liche, schleimig-eitrige Se-
cretion.
Hinter dem rechten Ohre
eine Anschwellung, Fluotu-
ation. Druckempfindlich-
keit besonders Ober der
Spitze.
Starke Schwellung der
rechten,äusseren6ehörgangs-
wand in der Tiefe. Trom-
melfell nicht zu sehen. Viel
pulsirender Eiter im Gehör-
gang.
Linke Ohrmuschel steht
vom Kopf ab. Hinter dem
Ohr starkes Oedem und
Schwellung.
Im linken äusseren Ge-
hörgang Eiter. In der Tiefe
fetzige Massen. Starke Em
pfindlichkeit derGehörgangs
Wandung. Senkung der obe-
ren hinteren Gehörgangs-
wand. Vordere Gehörgangs-
wand geschwoll. Dazwischen
Granulationen, die leicht
bluten.
37,0«.
8Ö.
37,5^
88.
5./6.
38,1«.
37,0—
37,50.
120-
140.
38,8».
120,
regelm.
Augenhinter-
grund normal.
Pupillen eng,
reagiren auf
Lichteinfall.
Bechts grosses
Staphyloma po-
sticum. Viele
weisse atrophi-
sche Stellen der
Netzhaut. Linke
Papille etwas
hyperämisoh,
stark pigmen-
tirt. Grenzen
scharf.
Pupillen gleich
weit, kein Ny-
stagmus , keine
Muskellähmung.
Pupillen gleich
weit, reagiren
normal.
Augenhinter-
grund normal.
Vacat.
Vacat.
Vacat.
Taumelt b.
Gehen mit
geschloss.
Augen.
Drehen m|
geschloss.
Augen
ohne ob-
jectiven
Schwindel
Ueber eztradurale otogene Abscesse.
253
Localisir-
Bymptome
Hörprüfung
Diagnose
Befand der War-
zen- resp. Mittel-
ohrräume
Sit! des
Abscesses
Angaben Über
Grösse d. Absces-
ses, Beschaffen-
heit d. freiliegen-
den Dura etc.
Heilung
Yacant.
Yacant.
Yacant.
Yaoant.
Flttstersprache
links handbreit.
Cx vom Scheitel
nach links. Fis4
beiderseits deut-
lich.
Rechts laute
Worte, Rinne
beiderseits — .
Ci vom Scheitel
nach rechts.
Fi84 bei starkem
Fingerkuppen-
anschlag rechts.
Ci Tom gansen
Schädel nach
links. Rinne
links — . Fis4
links bei leisem
Fingerkuppen-
anschlag.
Acutes
Empyem
des Proc.
mast.links.
Acute
Eiterung
rechts.
Mastoidit.
Acute
Eiterung
rechts.
Mastoidit.
(Schar-
lachotitis.)
Acute
Eiterung
links,
Mastoidit.
Spitze des Proc.
mastoid. in eine
grosse, mit Gra-
nulationen erfüllte
Höhle umgewan-
delt. Im Antram
kein Eiter. Reces-
sus nach hinten,
der zumExtradu-
ralabsoess führt.
Im Antr lim reich-
licher schleimi-
ger Eiter. In der
Spitze wenig Ei-
ter. Schleimhaut
der Warzenzellen
stark geschwollen.
Bei Erweiterung
d. Höhle nach' hin-
ten dringt gelber
Eiter hervor.
Im Antrum so-
wie in der Spitze
nur eitrig infil-
trirte Schleim-
haut, kein freier
Eiter.
Ausgedehnte
Osteomalacie und
eitrige Infiltration
des ganzen War-
zenfortsatzes bis
tief in die Pyra-
mide herein.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grübe.
Hintere
Schädel-
grube.
Hintere
Schädel-
grube.
Der grau ver-
färbte nicht pul-
sire'nde Sinus liegt
in 3 cm Länge frei.
Zwischen ihm u.
d. Knochen quillt
pulsirend Eiter
hervor.
Auf der Dura
sitzen dunkel ge-
färbte Granula-
tionen.
Kleiner extra-
duraler Abscess
hinten oben.
Extrasinuöser
Abscess. Der Sinus
mit eitrig fibrinö-
sem Belag bedeckt,
ebenso die umlie-
gende Dura.
Nach 62
Tagen
geheilt.
Geheilt
nach 56
Tagen.
GeheUt
nach 60
Tagen.
Geheilt
nach 75
Tagen.
254
XIX. BRAUNSTEIN
Kl
s
B
Name,
Alter,
Geschlecht
Subjectiye
Symptome
Otoskopisoher Befund,
Umgebung des Ohres
Temp.
Puls
Augenhinter-
grund
Schvind^
43
44
45
Hildenha-
gen,
Theodor,
35 Jahre.
M.
Aufgen:
13. Febr.
1901.
Hensel,
Ernst,
41 Jahre.
M.
Aufgen.
6. ^pril
18%.
Winde,
August,
51 Jahre.
M.
Aufgen.
25. Aug.
1897.
Vor 3 Wochen
nach starker Er-
kältung Schwer-
hörigkeit, Ohren-
sausen rechts.
Sohmenen beson-
ders Nachts. Aus-
fiuss seitdem in
reichlicher Menge,
ibtid. Angeblich
Fieber,Sohwindel,
Kopfsohmeri. Ap-
petit gering.
Schlaflosigkeit,
kein Frost, kein
Erbrechen.
Früher beide
Ohren gesund.
Ende Januar
Schmerzen im r.
Ohr, Naohlass
nach Eintritt der
Eiterung Mitte
Februar. Seit ca.
10 Tagen An-
schwellung hinter
dem Ohr. Im Be-
ginn der Erkran-
kung Schwindel,
jetzt nicht mehr.
Im Frühjahr
angeblich Ohreite-
rung rechts nach
Lungenentzttndg.
Vor 3 Wochen
Ohrenschmerzen
und Ohrensausen
rechts ; seitweise
Schwerhörigkeit.
Oedem der Haut und
Infiltration auf dem Warzen-
fortsatz. Spitze stark druck-
empfindlich.
Schlitzförmige Stenose
des rechten Gehörgangs. In
der Tiefe quillt reichlich
pulsirender Eiter hervor.
39,4°.
92.
RöthuDg und Schwellung
hinter dem rechten Ohr.
Deutliche Fluctuation ttber
Plan. mastoid. Starke
Druckempfindlichkeit an der
Spitze.
Rechts: Gehörgang weit,
beginnende Senkung der
hinteren oberen Wand.
Trommelfell wenig geröthet,
▼erdickt. Keine Perforation
za sehen.
25, VIIIj Hinter rechtem
Ohr pralle, nicht fluctuiren-
de Anschwellung. Vor dem
Tragus ebenfalls eine harte
SteUe. Druckempfindliehkeit
nur an der Spitze des Proc.
mast. Senkung der hinteren
oberen Gehörgangswand.
Spitze der Senkung offen,
kleine Granulation auf der
Kuppe. Trommelfell nur in
seinem Yorderen Theile sicht-
bar, grauweiss trttbe. Aus
der Paukenhöhle keine Eite-
rung.
13. X. Trotz Aufmeisse-
lung am 27. VIII. Secretion
der Wunde unverändert.
Geringe Anschwellung hin-
ter dem Warzenfortsatz und
Eiterung von hinten durch
eine feine Fistel.
Pupillen gleich,
reagiren. Kein
Nystagmus,
keine Lähmung.
Vaoat.
37,4«.
100.
36,7—
37,0^.
78.
Augenhinter-
grund normal.
VacatJ
Ueber eztradurale otogene Abscesse.
255
/oealisir-
ireHim-
fmptome
Hörprüfung
Diagnose
Befand der War-
zen- resp. Mittel-
ohrränme
Sitz des
Abseesses
Angaben über
Grösse d. Absees-
ses, Besohafifen-
heit d. freiliegen-
den Dura eto.
Heilun«:
Taoant.
Vacant.
Flüsteraprache
rechts — . Ci
vom Scheitel
nach rechts. Ci
u. Fis4 rechts
stark herabge-
setzt. Rinne
rechts — .
Fllistersprache
5 m rechts.
Rinne -\-. Fis4
normal. Ci Yom
Scheitel gleich-
massig.
Flttstersprache
rechts 10 cm,
nach Katheter
30 cm. Fis4
rechts wenig
herabgesetzt.
Rinne rechts -|-.
Weber nach r.
Acute
Eiterung
rechts.
Empyem
des Proc.
mast. r.
nach acut.
Ohreiterg.
Acutes
Empyem
des War-
zenfort-
satzes r.
Warzenfortsatz
in eine grosse Ei-
ter enthalt. Höhle
umgewandelt, mit
nekrotisch. Wan-
dungen. Ein tiefer
Eiter enthaltender
Reoess. erstreckte
sich nach innen
der Schädelbasis
entlang und tief
in die Pyramide
hinein.
In der Spitze
des Proc. mastoid.
▼iel Eiter. Extra-
duralabscess.
IS.Oct. Warzen
Zellen am oberen
Rande des Proc.
mastoid. mit Gra
nulationen ange
ftait. Fistelgang
hinter der alten
Narbe , die zum
Extraduralabs oess
führt.
Mittlere
Schadei-
gruhe.
Sinus sigm. lag
frei mit schmutzi-
gen Granulatio-
nen bedeckt.
Geheilt
nach 39
Tagen.
Mittlere
Schädel-
grube.
Dura und Sinus
in 2-Markstück-
grösse freiliegend,
normal. Aussehen.
Im Eiter Bacillus
pneumon. Fraen-
kel in Reincultur.
Geheilt
nach 26
Tagen.
Hintere
Schädel-
grube.
Geheilt
nach ö8
Tagen.
256 XIX. BRAUNST£m
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kunde, Bd. XXXIII, S. 8.
46. Muck, Acute Osteomyelitis der Felsenbeinpyramide mit retropharyngealem
Senkungsabscess und Extraduralabscess auf der Felsenbeinpyramide. Zeit-
schrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXXYII, S. 191.
47. Witte und Sturm, Perisinuöser Absccss durch acute Mastoiditis, Neu-
ritis nervorum-opticorum etc. Zeitschr. f. Ohrenheilk., Bd. XXXIX, S. 68.
48. Kossei, Ueber Mittelohreiterung beim Säugling. Baumgarten*s Jahres-
bericht, Bd. IX, S. 626.
49. Pes und Gradenigo, Beitrag zur Lehre der acuten Mittelohrentzün-
dung in Folge des Bac. pyocyaneus. Zeitschr. f. Ohrenheilk., Bd.XXyi,S.137.
50. Habermann, Ueber Erkrankungen des Felsentheils und des Ohrlaby-
rinths u. B. w. Archiv für Ohrenheilkunde, Bd. XLII, S. 163 ff.
51. Hab ermann, Ueber Augenmuskellähmung als Gomplication der eitrigen
Mittelohrentzündung. Archiv für Ohrenheilkunde, Bd. XLY, S. 120.
52. B rieger, Meningitis otitischen Ursprungs s. Blau*8 Encyklopädie, S.244ff.
53. Kessel, Bürkner's* Bericht über die 7. Yersamml. d. Deutschen otolog.
Gesellschaft 1898. Archiv f. Ohrenheilkunde, Bd. XLV, S. 121.
54. Biehl, Ebenda: Melancholische Wahnideen als Folge eines otitischen
Extraduralabscesses, S. 128.
55. Fridenberg^ Transactions of the american otolog. society 1900, p. 400.
Ausserdem: Müller im Archiv für Ohrenheilkunde, Bd. L, S. 19.
Swain, Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXXI, S. 347.
Heim an, Ebenda, Bd. XXXII, S. 13—21.
Lehr, Ebenda, Bd. XXXY, S. 21.
Muck, Ebenda, Bd. XXXY, S. 218.
Sporleder, Ebenda, Bd. XXXYII, S. 37.
Muck, Ebenda, Bd. XXXYII, S. 176-181.
Monre, Revue de laryngologie etc. 1897, Nr. 43, p. 1268.
Moure, Ebenda 1900, Nr. 1.
Molinie, Ebenda 1900, Nr. 28.
Broca, Gazette hebdomadaire etc. 1899, N. 59, p. 702.
Depage, Ebenda 1900, Nr. 48, p. 568.
Baker, Annales of otology 1897, Nr. 1, p. 46-48.
Lewis, Transactions of the american otolog. society 1898, p. 87.
Orne Green, Boston med. and surg. Journ. 1897, Nr. 25, p. 533.
Milligan, Journal of laryngol. etc. 1899, Nr. 1, p. 25.
Ogston, Brit. med. Journ. Jan. 22. 1898, p. 208.
Gradenigo, Archive italian. di otologia, Bd. VIII, Heft 1-3, p. 156.
Arslau, 11 policlinico lY, 11, p. 242-244. 1897.
Röpke, Archiv für Ohrenheilkunde, Bd.XLIX, S. 283.
Hammerschlag, Monatsschrift f. Ohrenheilkunde, Bd. XXXI Y, S. 126.
Politzer, Ebenda S. 130.
XX.
Besprechungen.
8.
Dr. T. Heiman, Krankheiten des Gehörorgans (pol-
nisch). Handbuch für Aerzte und Studirende. Mit 161 Zeich-
nungen im Texte. 722 Seiten. Warschau 1902. Preis 3 Rubel.
Besprochen von
Dr. R. Spira in Erakau.
Der Verfasser ist den Lesern dieses Archivs kein ^Homo
novus^. In mehr als 60, in verschiedenen Sprachen publicirten
Artikeln und Monographien hat er sich als äeissiger Arbeiter
auf unserem Gebiete erwiesen. Als vieljähriger ordinirender
Arzt an einem Militärspitale hatte Heiman Gelegenheit, eine
grosse Erfahrung zu sammeln. Durch dieses erste polnische
Lehrbuch der Otiatrie hat Verfasser eine empfindliche Lücke der
polnischen Literatur ausgefüllt und sieh Anspruch auf den Dank
der studirenden polnischen Jugend und der polnischen Aerzte
erworben. Diesen jenes Maass von Kenntnissen zu verschaffen,
welches fQr die allgemeine ärztliche Praxis nothwendig ist, ist
des Buches Hauptzweck. Gleichzeitig aber giebt der Verfasser
für den Fachmann ein Gesammtbild über den gegenwärtigen
Zustand. Was in den letzten Jahren Neues auftauchte, ist ver-
werthet.
Nach einem kurzen historischen Ueberblick über die Ent-
Wickelung der Lehre von den Ohrenkrankheiten, von den älte-
sten Zeiten bis zur Gegenwart folgt ein Abschnitt über „Die
Bedeutung und die Wichtigkeit der Ohrenkrankheiten*', in wel-
chem auf die bestehende Lücke in der ärztlichen Ausbildung hin-
gewiesen wird und die verderblichen Folgen, die daraus für
das leidende Publikum resultiren, mit Nachdruck betont werden.
Diese Ausführungen, welche wir ganz besonders der Aufmerk-
samkeit des ärztlichen Publikums und noch mehr jener der maass-
gebenden Schul- und Sanitätsbehörden empfehlen möchten, ver-
XX. Besprechungen. 259
dienen vor Allem Dank. — Der erste allgemeine Theil ent-
hält aasführlieh die Anatomie, Physiologie, Statistik, üntersuchnng
und Therapie. Bei der Anatomie der einzelnen Abschnitte des
Oehörorganes finden sieh überall kurze Hinweise auf die Ent-
wiokelungsgesehichte. — Heim an theilt nicht die Ansicht von
V. Tröltsoh und Btlrkner über die Häufigkeit der Ohren-
krankheiten. Er fand bei Soldaten nur 1 Proc. Ohrenkranke und
meint, dass geringfügige, nicht progressive Beeinträchtigung des
Gehöres oder Veränderungen am Trommelfell ohne Schädigung
der Gehörschärfe vom klinischen Standpunkte nicht als Krank-
heit anzusehen sind. Auf 8862 Ohrenkranke im Alter von 20
bis 26 Jahren fand er Affectionen des äusseren Ohres bei 8,31 Proc,
des mittleren bei 85,31 Proc, des inneren Ohres bei 6,37 Proc —
Bei der operativen Behandlung empfiehlt er zwar scrupulöse
Antiseptik, polemisirt jedoch gegen die modernen übertriebenen
Auswüchse derselben, wie die Anwendung von Masken, Hand-
schuhen u. dergl. (S. 150). — Der Lucae'sohen Drucksonden-
massage werden zwar positive Eigenschaften zuerkannt, doch
konnte He im an eine Gewöhnung der Patienten an den dabei
verursachten Schmerz nicht bestätigen. Von der Massage nach
der Methode Ostmann 's hat er keine günstige Wirkung ge-
sehen. Seit 6 Jahren verwendet er den statischen Strom und
erzielte damit manchmal Besserung der nervösen Schmerzen und
des Ohrensausens, jedoch keine verbessernde Wirkung auf das
Gehör (S. 1 78).
Besondere Capitel sind der Hygiene des Ohres und der
Sectionstechnik des Gehörorganes gewidmet. Diese in den son-
stigen Lehrbüchern zumeist nur wenig berücksichtigten oder auch
ganz übergangenen Gegenstände heben den Werth des Werkes
und werden manchem Arzte sehr willkommen sein. Besonders
der Abschnitt über die Hygiene des Ohres bildet seiner Wich-
tigkeit wegen eine Zierde des Werkes und eine Bereicherung
der auf diesem Gebiete noch ziemlich armen Literatur.
Aus dem speciellen Theil wäre zu erwähnen, dass 90 Proc.
der vom Verfasser beobachteten Stenosen und Atresien des äusse-
ren Gehörganges von Verknöcherungen und Verätzungen des
äusseren Gehörganges mit Mineralsäuren bei militärpflichtigen
Personen herrührten. In der Behandlung derselben erhielt Hei-
man die besten Resultate von der Anwendung der Galvanokau-
stik und naehti-äglieher Application von Bleinägeln, während sich
alle anderen Methoden unwirksam erwiesen (S. 251). — Sowohl
Archiv f. Ohrenheilkimde. LV. Bd. lg
260 XX. BesprechuDgen.
gestielte als auch breit aafsitzende Exostosen entfernt H e i m a n
mit Hohlmeissel und Hammer naeh Ansschneidnng der decken-
den Haut in tiefer Chloroformnarkose. — Als Ursache einer Trom-
melfellruptar hat er einmal das Anlegen des Ohres an das Te-
lephon beobachtet. — Eine sehr ansf&hrliche Besprechung wird
den Trommelfellperforationen nnd ihrer Behandlung zu theil. Als
Prothese benutzt Verfasser Scheibchen aus elastischem Gummi
oder das Miot'sche Häutchen. Bei der Wirkung derselben spielt
nach ihm der Druck auf das Stapesköpfchen die Hauptrolle, selbst
beim Fehlen des Hammers.
Die entzündlichen Erkrankungen der Paukenhöhle werden
eingetheilt in katarrhalische (acute, chronische und Sklerose) und
entzündliche Formen (acute, acute eitrige und chronische eitrige).
Hei man ist Anhänger des Carbolglycerins, das er bei verschie-
denen acuten Affectionen des äusseren und mittleren Ohres em-
pfiehlt. Aus seiner eigenen Beobachtung berichtet Verfasser einen
Fall von acutem Mittelohrkatarrh mit letalem Ausgang in Folge
von Meningitis (S. 314). Auffallen muss es, dass Heim an bei
manchen acuten Processen der Tuba und der Paukenhöhle die
Luftdouche empfiehlt. „Das beste Heilmittel bei acutem Pauken-
höhlenkatarrh ist die Luftdouche^ (S. 320). Bei entzündlichen Pro-
cessen in der Nasenrachenhöhle und nach der Paracentese des
Trommelfelles soll die Luftdouche mit schwachem Drucke aus-
geführt werden (?Ref.). Hingegen ist die Durchspülung der
Paukenhöhle per tubam . hierbei nicht gestattet. — Bei chroni-
schem Mittelohrkatarrh ist Hei man von der Anwendung des
Zinc. oleinic. nach der Methode von Delstanche zufrieden. —
Die echte primäre Sklerose betrachtet Verfasser als eine
Krankheit sui generis, die mit Katarrhen nichts gemeinsam hat.
Von dieser Form unterscheidet er die secundäre auf Grund
von chronischen, katarrhalischen und eitrigen Processen in der
Paukenhöhle sich entwickelnde Sklerose und die Alterssklerose.
Von der Anwendung des Thyreoidins hat er unter 9 Fällen ein-
mal Verminderung des Ohrenrauschens beobachtet. — In acuten
Entzündungen des Mittelohres ist die Anwendung der Luftdouche
erst nach Abnahme der entzündlichen Erscheinungen gestattet.
Hei man bekämpft die Ansicht, dass die Luftdouche oder der
Katheterismus eine Entzündung der gesunden Paukenhöhle
durch Infection hervorrufen könnte (S. 364). — Im Verlaufe der
acuten eitrigen Entzündung hat Verfasser 2 Mal Facialisparese
gesehen, die einige Tage nach der Perforation zurückging. Die
XX. BesprecbuBgen. 261
bei der aonten eitrigen Otitis zur Beobachtung kommende Stau-
ungspapille ist Heiman geneigt nicht als auf reflectorischem
Wege zu Stande gekommen, sondern als Folge einer Hyperämie
oder einer circumscriptem serösen Transsudation in die Meningen
aufzufassen. Unter 812 Spitalpatienten hat Heiman 3,74 Proe.
Mortalität bei dieser Krankheit gesehen. Auch bei der acuten
eitrigen Entzündung räth Heiman, nach der Paraoentese die
Luftdouche unter schwachem Drucke auszuftlhren. Im Uebrigen
theilt er die Ansicht jener Autoren, die im Beginn dieser Krank-
heit sich auf die trockene Reinigung des Ohres beschränken.
Nur bei zähem und sehr copiösem Secrete kann der äussere Ge-
hörgang, jedoch höchstens 2 Mal des Tages, und zwar nur durch
den Arzt, ausgespritzt werden. Bei hartnäckigem Verlaufe und
reichlicher Secretion ist die Durchsptllung per tubam zu em-
pfehlen. Bleibt auch diese ohne Erfolg, dann ist die Eröffnung
des Warzenfortsatzes indicirt. Bei massiger Eiterung und Fehlen
von Schmerzen können adstringirende, antiseptisehe und ätzende
Tropfen instillirt werden. Von Pulvern darf nur die Borsäure
bei massiger Eiterung zur Anwendung kommen.
Chronische Mittelohreiterung hat Heiman bei 40 Proc. unter
9000 Spitalpatienten gehabt. Er hat zwar oft bei alten Leuten
Jahrzehnte dauernde Otorrhoe, die im reifen Alter entstanden ist,
gesehen, hingegen nicht solche, bei denen die Krankheit seit der
Kindheit datirte, und ist der Ansicht, dass Patienten der letzteren
Art frühzeitig an den Folgen der Eiterung zu Grunde gehen und
daher kein höheres Alter erreichen (S. 391). Unter seinen Pa-
tienten erlagen 3,29 Proc. dieser Krankheit. Verfasser spricht sich
gegen die Ansicht Politzer 's aus, dass kleinere Perforationen
eine günstigere Prognose gestatten als grosse, da er lebensge-
fährliche Complicationen gerade öfters bei kleinen, das Zustande-
kommen einer Retention begünstigenden TrommelfelUüoke be-
obachtet hat. —
Wenn Heiman auch die Ausspritzungen möglichst einge-
schränkt wissen will, so ist er doch kein Anhänger der sogenannten
Trookenbehandlung, die er als unzureichend betrachtet, um eine
gehörige Reinigung der Paukenhöhle zu bewirken (S. 399).
Als Folgekrankheiten der eitrigen Mittelohrentzündungen
behandelt Heiman I. intratympanale (Otitis desquamativa, Cho-
lesteatom, Caries und Nekrose des Schläfenbeines) ; IL allgemeine
(Sepsis) und intracranielle. Unter den letzteren nimmt in der
Statistik des Verfassers die erste Stelle in Bezug auf die Häufig-
18*
262 XX. Besprechungen.
keit Meningitis, die nächste die Sinnsphlebitis ein. Seine auf
ein Spitalmaterial von 2808 Ohrenkranken gestützte Statistik weist
eine Mortalit&t von 39 «« 1,38 Proo. auf. Davon entfallen auf
eitrige Processe überhaupt 2,09 Proc., auf acut eitrige 3,74 Proo.,
chroniseh eitrige 3,29 Proo., katarrhalisohe 1,43 Proc. (S. 443).
He im an plaidirtfttr frühzeitige Eröffnung der Schädelhöhle bei
bestehendem Verdacht auf intraoranielle Gomplicationen. Seröse
Meningitis hat Verfasser 4 Mal beobachtet. Unter 5 von ihm
operirten Fällen von Gehirnabscessen ist einer zur Ausheilung
gelangt. — Auf Grund seiner Erfahrungen nimmt Hei man zwei
Formen von otitischer Pyämie an; eine phlebitisohe und eine
nicht phlebitische (S. 487). Die Probepunotion des Sinus ist un-
schädlich, in entsprechenden Fällen angezeigt, und ihr Resultat
fftr den weiteren Vorgang und für die Prognose maassgebend.
Ohrenpolypen werden unter den Neubildungen des Mittelohres
abgehandelt (S. 503). Nach Abtragung eines grossen Polypen
hat er einmal den Ausbruch einer bis dahin latenten Lungen-
tuberculose , 1 Mal Meningitis und 2 Mal unheilbare Facialispa-
rese beobachtet. —
Eine primäre Ostitis des Proc. mast. erkennt Heim an nicht
an (S. 514), auch nicht bei Diabetes. Zur Eröffnung des Warzen-
fortsatzes zieht er Trepan, Hand- oder mit elektrischem Motor
betriebenen Bohrer vor Hammer und Meissel vor, besonders bei
sklerotischem Knochen. Verfasser ist ein entschiedener Gegner
der ambulatorischen Eröffnung des Warzenfortsatzes (S. 550) und
operirt im Allgemeinen nach Schwartze und Zaufal und nur,
wo eine Affection des Warzenfortsatzes ausgeschlossen werden
kann, nach Stacke und die Plastik nach Pause. Auffallender-
weise behält Hei man den Ausdruck „Radioaloperation^, der
den neuesten Erfahrungen auf diesem Gebiete nicht mehr ent-
spricht, beharrlich bei. Er hat diese Operation 47 Mal ausge-
führt, davon 23 mit Eröffnung der Schädelhöhle. In 24 Fällen
erfolgte Heilung, in 23 Fällen dauerte die Eiterung fort (das beste
Argument gegen die Bezeichnung „Radicaloperation", Ref.). —
Nach Darstellung der Krankheiten des Labyrinthes und des
Aousticus wird die Taubstummheit besprochen. Von 303 zur
Untersuchung gekommenen „taubstummen^ Recruten war die
Krankheit in 18 Proo. congenital, in 62 Proc. acquirirt, in 20 Proc,
gar nicht vorhanden, resp. simulirt (S. 604). Merkwürdig er-
scheint folgender Fall. Hei man hat einen 9 jährigen, deutlich
sprechenden, die Sprache auf 3 m hörenden Knaben beobachtet,
XX. BesprechuDgen. 263
den er 5 Jahre zuvor als vollkommen taubstumm gesehen hatte.
Nach Ang«.be der Eltern lief dem Patienten vor 3 Jahren plötz-
lich Eiter aus dem Ohre, und seitdem begann das Gehör zurück-
zukehren. Leider giebt Verfasser keine näheren Daten über den
Befund vom Ohre dieses Patienten.
Von den Hörübungen hat Hei man in einigen Fällen posi-
tive Erfolge gesehen, die aber nach Aussetzen der Uebungen zu-
rückgingen. Doch erachtet er die Wiedererlangung des Gehöres
bei vollständiger Taubstummheit für ausgeschlossen (S. 625).
In einem besonderen Abschnitte ist das Verhältniss zwischen
den Ohrenkrankheiten einerseits und den sonstigen AUgemein-
und Organerkrankungen andererseits eingehend dargestellt. In-
teressant und entscheidend fftr die Frage der primären Tuber-
culose des Ohres ist die vom Verfasser angeführte Beobachtung
einer durch ein Trauma entstandenen Otitis media, die zu einer
allgemeinen Tuberculose geführt hat (S. 645). — H e i m a n bestä-
tigt die Wirsamkeit der Pilocarpinbehandlung bei syphilitischen
Ohrenkrankheiten. — In einem Falle ging die Labyrinthtaub-
heit bei Diabetes nach einem 14 tägigen Gebrauch des Karlsbader
Wassers ganz zurück (S. 657). — In 2 — 4 Proc. der croupösen
Pneumonie bei Erwachsenen fand Heim an eitrige Mittelohr-
entzündung (S. 667).
Interessant und reich an praktisch wichtigen Bathschlägen
und treflflichen Winken ist der Abschnitt XXII. Derselbe zer-
föUt in 4 Theile unter dem Titel: Die Bedeutung der Erkran-
kungen des Gehörorganes a) für den Militärdienst, b) in gerichts-
ärztlicher Beziehung, c) fftr die Lebensversicherung und d) für
den Eisenbahndienst. Hier vor Allem schöpfte der Verfasser aus
dem reichen Borne eigener Erfahrung, und überall leuchtet der
humane Standpunkt hervor, von dem er sich in seiner Hand-
lungsweise und bei der Beurtheilung schwieriger Fragen leiten lässt.
Eine kurze Pathologie und Therapie der Nasen- und Nasen-
rachenkrankheiten mit besonderer Berücksichtigung ihres Ein-
flusses auf die Entstehung und den Verlauf von Ohrenkrankhei-
ten beschliesst das Werk.
Die Bearbeitung des soeben skizzirten reichhaltigen Inhaltes
zeichnet sich durch klare Darstellung und gute Disponirung aus.
Der Stoff ist in leichtfasslicher und anregender Weise behandelt.
Allenthalben fallen Streiflichter auf die verschiedensten Tages-
fragen der einschlägigen Fachliteratur. Auf langjährige Er-
fahrung sich stützend, der klinischen Betrachtungsweise treu und
264 XX. Besprechangen.
stets auf dem Boden der klinischen Thatsachen sieh bewegend,
versteht es der Autor, das gesammte Material in einer solchen
Naturwahrheit und Anschaulichkeit vorzulegen, dass das Buch
bei der ihm eigenen Klarheit einen hervorragenden Platz in der
polnischen Literatur behaupten wird. Die Erankheitsbilder sind
plastisch und erschöpfend geschildert. Die manchmal schwierige
Differentialdiagnose ist durch Hervorhebung der wichtigsten dia-
gnostischen Merkmale erleichtert, wie z. B. zwischen otitischer
und tuberculöser Meningitis, bei Oehirnabscess u. s. w. Trotzdem
wird allenthalben der Bestimmung des Buches, dem Mediciner
eine Einführung in das Studium derOtiatrie zu liefern, im voll-
stem Maasse Rechnung getragen. Die Meisterhand zeigt sich
nicht nur in der Darstellung der pathologisch-anatomischen Vor-
gänge und der klinischen Erscheinungen, sondern auch in der
Schilderung der operativen Behandlung, welche erkennen lässt,
dass der Autor alles selbst geübt und die in der Literatur an-
gegebenen verschiedenen Verfahren selbst erprobt hat. Die intra-
tympanalen Operationen sind ebenso, wie die am Warzenfortsatz
auszuf&hrenden ftlr den praktischen Arzt und den Studirenden
gewiss viel zu ausführlich mitgetheilt. In noch höherem Grade
gilt dieser Vorwurf der allzubreit und umfassend angelegten Darstel-
lung der anatomischen Verhältnisse, besonders der „anatomischen
Veränderungen^. Es muss aber zugestanden werden, dass auch der
Specialist sich dieses Buches mit Nutzen bedienen und aus demselben
Bath und Aufklärung schöpfen kann. Es gelang dem Verf, in allen
Gapiteln den modernsten Standpunkt unserer Disciplin zu prä-
cisiren.
Wir haben also das Product eigener Erfahrung und guter
Literaturkenntniss vor uns, und Referent steht nicht an^ das
Buch als ein hervorragendes zu bezeichnen, welches unstreitig
in der polnischen Literatur eine dominirende Stellung einnehmen
wird. Er erblickt jedoch das Hauptverdienst des Verfassers
darin, durch dieses Werk den modernen Lehren der Ohrenheil-
kunde unter den praktischen Aerzten polnischer Zunge grössere
Verbreitung gesichert zu haben.
XX. Besprechangen. ^62
9.
Carlo Secchi, La finestra rotonda ö la sola via dei
suoni dair aria al labirinto (Das runde Fenster ist
der einzige Weg für die Schallwellen durch die Luft
zum Labyrinth). Torino. Unione tipografiea editrice 1902.
Besprochen von
Dr. Eagrenio Morpnrj^o.
Die Behauptung, dass der einzige Weg ftir die SohalUei-
tung zum Labyrinth durch die Luft auf dem Wege des runden
Fensters stattfinde, macht Secchi nicht zum ersten Male.
Schon im Jahre 1 890, beim Berliner medicinischen Gongresse i),
brachte er einige darauf bezügliche Thatsachen vor, nicht
in der Absicht, um sich die Priorität zu sichern, als viel-
mehr in der Hoffnung, eine Discussion anzuregen. Später, im
Jahre 1894, beim internationalen medicinischen Gongress in Rom,
konnte er neue Thatsachen bekannt geben; ebenso besprach er
das Thema im Jahre 1895 bei Gelegenheit des internationalen
ohrenärztlichen Gongresses in Florenz, wobei die vorgeführten
Experimente auf die Anwesenden (Referent war auch unter die-
sen) einen lebhaften Eindruck machten. Aber, meint der Autor:
„Meine Hoffnungen blieben stets unerfüllt, d. h. die Discussion,
welche zur Gontrolle meiner eigenen Ansichten hätte führen
sollen, blieb aus.'' „So lange aber eine breite Discussion nicht
zur Bestätigung meiner Ansichten führt, finde ich mich nicht be-
rechtigt, selbige chirurgisch zur functionellen Besserung am Men-
schen zu verwerthen.*' — Referent will mit dieser Besprechung
dem Verfasser womöglich den Weg zur Erlangung der erwünsch-
ten Nachprüfung seiner Experimente und Anschauungen ebnen,
welche berücksichtigt zu werden gewiss verdienen. — Die vor-
liegende Schrift fasst zusammen Alles, was Verfasser an Expe-
rimenten, physiologischen und klinischen Beobachtungen im Ver-
lauf von 15 Jahren, zur Bekräftigung seiner Anschauungen ge-
sammelt, und zwar folgendermaassen gegliedert: 1. Physikalische
Vorbegriffe; 2. Anatomie der Trommelhöhle; 3. Vergleichende
Anatomie; 4. Physiologisches; 5. Thierexperimente ; 6. Experi-
mentelle und klinische Beobachtungen am Menschen; 7. Kriti-
sche Analyse der verschiedenen Theorien des Gehörsinnes;
8. Physikalische Untersuchungen; 9. Schlüsse.
In dem 1. Gapitel (Physikalische Vorbegriffe) bringt Ver-
1) Bericht Bd. lY, 2. Theil, S. 122. Berlin 1892.
266 XX. Besprechungen.
fasser ans der Physik die wichtigsten Momente über den Schall;
im Vergleich unseres Hörorganes mit physikalischen Apparaten
spricht er die grössere Aehnliohkeit der Eönig'schen Kapsel
und nicht dem Phonoantographen zu, da bei jener ein innerer
Ueberdmck vorherrscht Er schliesst diesen Abschnitt mit dem
Satze: ^In unserem Hörorgane muss grosse Gleichgewichtslabi-
lität mit ausgesprochener Stabilität und Unveränderlichkeit in
der Structur gepaart sein.^ — Aus dem 2. Abschnitt (Anatomie
der Trommelhöhle) ist nichts Besonderes hervorzuheben. — Das
4. Capitel (Physiologie) bildet eine abweisende Kritik der
Helmholtz'schen Theorie. Verfasser drückt sieh folgender-
maassen aus: „Es lohnt sich nicht, länger bei den von Helm-
holtz, resp. Hensen, Bück, Burnett und Schmidekam
vorgebrachten, experimentellen Beweisgründen zu verweilen,
erstens weil alle nur an der Leiche, folglich unter Verhältnissen,
die weit weg von dem Zustande während des Lebens abstehen,
experimentirt und einige als Tonquellen gar zu energische un-
natürliche Mittel angewendet haben. — Uebrigens habe Hensen
selbst zugegeben, dass die gewonnenen Resultate nur einen re-
lativen Werth besitzen, da bei allen Experimenten es sich um
sehr intensive Schalleinwirkungen, um todte Organe oder um
ungünstige Lage des lebenden Trommelfelles, bei eröffneter
Labyrinth- oder Trommelhöhle, unter ungewöhnlichen Resonanz-
bedingungen, hier und da bei Belastung der Theile mit Fühl-
hebeln, gehandelt habe. — Zum Schlüsse dieser Betrachtungen
citirt er einige Widersprüche von Helmholtz selbst, und an-
dere von Bezold und Weber-Liel betonten der Helmholtz-
schen Theorie widersprechenden Thatsachen. Das 5. Capitel
(Thierexperimente) ist wohl das wichtigste. Secchi hat an Katzen
und Hunden experimentirt: nach ausgeffthrter Tracheotomie
wurde eine Canüle sowohl nach oben als nach unten eingeführt,
um constatiren zu können, ob die Nasengänge frei wären ; dann
wurde die Bulla ossea eröffnet und in dieselbe eine Röhre luft-
dicht eingeschraubt, welche mit einem Alkoholmanometer ver-
bunden war. Die Resultate, wie sie von Secchi auf obenge-
nannten Congressen und in vorliegender Schrift kundgegeben, lau-
ten: 1 . Die Luft der Paukenhöhle steht nicht im Gleichgewicht mit
dem Drucke der äusseren Luft, sondern unter einem etwa 4 mm
Alkohol höheren Druck. 2. Beim Schluckacte, wenn das
Manometer auf steht, kommt es im ersten Momente zu einem
negativen Druck von ungefähr 1 mm, der aber sofort und plötz-
XX. BesprecbuDgen. 267
lieh durch einen Ueberdruek, gewöhnlich von 4 mm, aasgegliehen
wird. 3. Der Ueberdruek wird gewöhnlich durch den Schluck*
act, kann aber unter Umständen auch durch die Thätigkeit der
Paukenhöhlenmuskeln hervorgerufen werden. 4. Der Panken-
höhlendruck erhöht sich bei jedem, auch dem leisesten Tone,
welcher die Aufmerksamkeit des Thieres fesselt, während er un-
verändert bleiben kann bei selbst lauteren, aber dem Thiere
wohlbekannten Gehörseindrttoken. Die Druckerhöhung dauert
beiläufig so lange an, wie der erregende Ton. 5. Der Pauken-
höhlendruck steigt am höchsten, bis zu 7 — 8 mm, unter der Ein-
wirkung acuter oder sehr intensiver, zumal unerwarteter Töne.
6. Wenn gleichzeitig mit dem Ton, der die geschilderte Druck-
steigerung hervorgerufen, in Intervallen andere intensivere und
sich schneller folgende Töne hervorgebracht werden, so zeigt das
Manometer ebensoviele entsprechende Erhebungen. 7. Der Taet-
messer verursacht die nämliche Anzahl von Drucksteigerungen,
als es Schläge waren; aber über 80 hinaus werden die Mano-
meterschwankungen immer undeutlicher, bis sie in eine einzige
zusammenschmelzen. 8. Die Drucksteigerung durch Töne findet
auch statt, wenn der Druck in der Paukenhöhle ein negativer
oder ein viel höherer als der normal positive ist, sie wird aber
um so augenscheinlicher und bedeutender, wenn sie unter dem,
dem Thiere eigenthümlichen positiven Druck stattfindet. 9. Der
Druck erhöht sich auch durch die verschiedenen Vocale, und
zwar mehr durch a, e, o als durch i und u, 10. Wird die Sehne
des Tensor tymp. durchschnitten, so nimmt der Druck unter der
Einwirkung hoher und intensiver Töne ab. 11. Das Eintreten
des positiven Druckes wird gewöhnlich durch „ Automatismus^ der
Tuba bedingt, kann aber auch durch die Paukenhöhlenmuskeln
hervorgebracht werden. 12. Die Druckschwankungen bei Einwir-
kung von Tönen erfolgt durch Reflexcontractionen der Binnen-
muskeln des Ohres, wie ihr Ausbleiben nach Durchschneidung
der Sehnen derselben beweist. 13. In tiefer Chloroformnar-
kose sind diese Reactionen erhalten, wenn auch weniger aus-
giebig; bei Ghloralnarkose nahmen dieselben entsprechend
ab, ohne jedoch zu erlöschen; unter Gurareeinwirkung nimmt
die Seaction immer mehr ab; bei Strychnin nahm sie zu. —
14. Wurde die Varel sbrttcke durchschnitten, so erfolgte
die Beaetion prompter, jedoch bei weniger ausgiebiger, mano-
metrischer Schwankung.
In dem 6. Gapitel bringt der Autor einige klinische Beob-
268 XX. Besprechungen.
achtangen, die für seine Ansiebt sprechen sollen. So z. B. meint
er, dass TrommelfelUttcken, von den kleinsten bis zu den sebr
grossen, das Gebor fttr tiefe Töne constant herabsetzen; für die
anderen Töne bleibt die Beeinträchtigung aus, je mehr die Per-
foration nach vorne gelegen ist, und je weniger der Hammer
Ton seiner Normalstellung abweicht. Hingegen können grosse
Narben bei gutem Gehör vorkommen, wenn sie nur beweglieh
sind und so die Unbeweglichkeit der übrigen Membran ersetzen
können; wenn aber unter diesen Umständen kleine Narben
vorhanden sind, ist das Gehör schlecht. Aetzt man, behufs Ver-
narbung, die Perforationsränder mit Trichloressigsäure, so tritt
die Gehörsbesserung erst nach completer Schliessung der
Lücke ein. An einem normalen Ohr bringt die künstliche Per-
foration, selbst in der Pars flaccida, eine Herabsetzung des Ge-
hörs flir die tieferen Töne hervor. — Bei Bestehen von gutem
Gehör sind die Trommelfellnarben nach aussen ausgebaucht;
sind diese eingezogen, so ist das Gehör schlecht. Betrachtet
man eine bewegliche Narbe während des Schluckactes, so
tritt im ersten Momente eine Einziehung derselben ein, und nach
vollbrachter Schluckbewegung sofortige Ausbauchung derselben.
— Was die Gehörknöchelchen betrifft, hebt der Autor her-
vor, dass alle Autoren darüber einig sind, dass Fixation des
einen oder des anderen derselben (wohl nicht des Steigbügels,
Referent) oder deren Verlust mit sehr gutem Gehör einhergehen
kann, so zwar, dass behauptet wird, selbige seien einzig da, um
die Leitung der tiefen Töne zu übermitteln. Die Binnenmus-
keln des Ohres lassen sich beim Menschen in ihrer Wirkung
nicht so untersuchen, wie es dem Autor beim Thierexperiment
gelungen ist.
Liegen bei abgelaufenen eiterigen Mittelohrentzündungen
die Fenster frei, so lässt sich das runde mehr oder weniger
leicht tamponiren, wobei eine bedeutende Herabsetzung des
Hörvermögens eintritt. Durch ein spitz zulaufendes Glasröhrchen
übergeleitete Stimmgabeltöne (128 V.), so dass das spitze Ende
bald dem runden, bald dem ovalen Fenster entgegengehalten
wurde, brachten im ersteren Falle eine intensivere Perception
hervor. — Secchi hält fest daran, dass die Tuba im Ruhe-
zustand geschlossen sei, und referirt in vorliegender Schrift über
eigene klinische Fälle zum Beweise, dass durch den „Tuben-
automatismus^ der für die Hörfunotion nothwendige positive
Druck hervorgebracht wird. — Im 7. Capitel werden die ver-
XX. BeBprechungen. 269
sehiedenen Theorien der Hörfanotion zusammengestellt und er-
örtert. Seoehi zählt deren vier auf u. zw.: 1. die der mole-
culären Schallfortpflanzung (Koyter, Mttller); 2. die
mechanische Theorie (Valsalva, Helmholtz); 3. die
Theorie^ welche nur die Transmission durch die Luft in der
Trommelhöhle mit Ausschluss der Kette der Gehörknöchelchen
annimmt (Schelhammer, Yieussens, Secchi, Sapolini
U.A.); 4. die Theorie, die eine Schallfortpflauzung durch die
Luft und die Gehörknöchelchen zulässt (Laurenti, Boer-
have, Cotugno). — Secchi bekämpft die zwei ersten
und die vierte und tritt, wie gesagt, fttr die dritte ein. Die
neueste Theorie von Zimmermann und die allerletzte von
Kleinschmidt werden kritisirt. Die erstere besagt, dass der
Gehörgang den Schall nicht verstärkt, sondern abdämpft, dass
das Trommelfell moleculär schwingt; dass die Schallwellen
durch dieses und durch die Luft in der Trommelhöhle auf die
Promontorialwand und so schliesslich aufs Labyrinth übergehen.
Da Zimmermann diese Ansichten nicht experimeutell erhärtet,
will Secchi sich nicht weiter damit beschäftigen. Mit Klein-
schmidt stimmt er überein, aber mit Recht hält er ihm vor,
die Theorie sei eigentlich seine eigene, da er schon auf dem
intern, ohrenärztlichen Congress in Florenz genau dasselbe
vorgetragen habe, ja auch den Vergleich mit der König'sehen
Kapsel vorgebracht habe. Es widerspräche der Annahme, dass
Kleinschmidt von Secchi nicht gewusst habe, nicht nur
die Thatsache, dass letzterer wiederholt mit seinen Ansichten
aufgetreten ist, sondern dass Kleinschmidt die Arbeit Zimmer-
mannes bespricht, wo doch Secchi erwähnt ist. Kur mit
einer Angabe Kleinsohmidt's kann Secchi sich nicht einver-
standen erklären, nämlich mit der, dass die hohen Töne direct
durch das Promontorium und die tiefen durch das runde Fenster
sich fortpflanzen. Im 8. Capitel bringt er physikalische
Experimente zum Beweise der Richtigkeit seiner Theorie.
Daran festhaltend, dass das PascaTsche Princip der gleich-
massigen Druckvertheilung in einer flüssigen oder Gasmasse,
bei der Schallleitung im Ohre angenommen werden muss, und
andererseits dass die Resultate der Thierexperimente, d. h. die
so leicht sich einstellenden Veränderungen der Druckverhältnisse
nur als Accommodationserscheinungen aufzufassen seien, da keine
physikalische Erklärungsweise für ihr Eintreten herangezogen
werden konnte, wollte Secchi doch noch die Sache auf dem
270 XX. BesprechQDgen.
Wege des physikalischen Experiments prüfen. Es wurde von
maassgebender Seite behauptet, dass die manometrisehen Kapseln
fbr alle Töne gleichmftssig empfindlich seien. Er nahm eine
Eon ig 'sehe Kapsel, f>e ein Alkoholmanometer, wie beim
Thierexperiment, ein und liess eine Stimmgabelserie erklingen.
Das Resultat war, dass die tiefen Töne bei niederem Dmeke
gut geleitet wurden, w&hrend bei Druckzunahme die Fortleitung
immer schlechter sich gestaltete und schliesslich versagte; das
entgegengesetzte Verhalten zeigten die hohen Töne.
Im letzten Capitel resflmirt Verf. die Ergebnisse seiner
Untersuchungen in folgender Weise:
„Aus den übereinstimmenden Resultaten des physikalischen
und physiologischen Experiments und der klinischen Beobachtung
habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass die Fortleitung der
Schallwellen zum Labyrinth einzig und allein durch die in der
Trommelhöhle eingeschlossene Luft erfolgt, wobei das Trommel-
fell einerseits als Abschlnss dient, andererseits passiv als Regulator
des Druckes wirkt. — Der Eingang zum Labyrinth liegt in der
Fenesta rotunda, und der dabei wirkende Mechanismus
entspricht dem schon erwähnten Pasoarschen Princip!^ • . .
„Den Gellul. mastoid. kommt die Wirkung zu, die Resonanz-
phänomene aufzuheben, gerade wie es die Logen in den Theatern
bewirken. Die Gehörknöchelchenkette unter der Action der
Binnenmuskeln> regelt den intratympanalen Druck beim bewussten
aufmerksamen Höracte, weckt die Aufmerksamkeit beim unbe-
wnssten und schützt so das Organ gegen Detonationen oder bei
andauerndem Getöse. Auf diese Weise lässt sich der Nutzen,
der unterbrochenen Kette begreifen, d.h. alsAccommodationsorgan,
während jene Disposition für die Transmission hinderlich wäre. ** . . .
Im Ruhezustande ist das Ohr fttr alle Töne accommodirt, da bei
4 mm Druck, wie ihn die automatische Tubenwirknng hervor-
bringt, alle Töne gleichmässig percipirt werden. Kommen jetzt
aber specifische Reize (Schallwellen) zur Wirkung, so wendet
sich die psychische Thätigkeit (Aufmerksamkeit) der Ursache
zn und hat so einen bewussten Sinneseindruck, u. zw. einen
bestimmten in Folge der Reizeinwirkung auf die Muskeln, die
den Luftdruck regeln.**
Ein Urtheil über Secchi's Theorie ist so lange nicht
möglich, bis nicht andere Forscher den experimentellen Theil
seiner Arbeit nachgeprüft und sich sowohl über diesen, als auch
über die vom Autor gezogenen Schlüsse geäussert haben. Der
XX. BeBprechungen. 271
Eeferent hat es, wie schon gesagt, als seine Aufgabe angesehen,
durch einen reichlichen Auszug aus dem Aufsatze und Veröffent-
lichung desselben in einem verbreiteten Fachblatte dem Autor
die bis jetzt ungerechter Weise ausgebliebene Berücksichtigung
seiner langjährigen, fleissigen Arbeit zu verschaffen. Möge es
gelungen sein — !
10.
Carlo Secchi, La finestra rotunda ö la sola via dei
suoni dair aria al labirinto. Turin 1902.
BoBprochen von
Dr. Rudolf Pause, Dresden. ^}
Secchi setzt zunächst auseinander, dass ihm die übliche
Anschauung über die Schallleitung durch die Gehörknöchelchen
nicht zur Erklärung genügt habe bei einem Fall, wo durch Luft-
eintreibung sich nur ein kleiner hinterer Theil einer Trommel-
fellnarbe vorgewölbt habe und doch Hörverbesserung eingetreten
sei. In solchen Fällen erfolge die Schallleitung durch das runde
Fenster, da die Kette unbeweglich fest geblieben sei. —
Ich 2) habe bereits früher darauf hingewiesen, dass in sol-
chen Fällen die runde Fensterhaut durch die Besorption der
Paukenluft nach aussen gesaugt und dadurch am weiteren Aus-
weichen vor den Stössen des Steigbügels gehindert wird. —
Das physikalische Beispiel für diesen Vorgang findet Secchi
in der Eönig'schen Kapsel, die aus einer Aufnahmehaut —
hier das Trommelfell — einer starren Kapsel — die Pauke —
und einer nachgiebigen Stelle — der Fen. rot. besteht. Nach
einem physikalischen und anatomischen Abschnitt setzt er in
einem vergleichend anatomischen Theil auseinander, dass mit
der ersten Anlage einer Schnecke ein Fenster in der Labyrinth-
kapsel auftritt, das mit der Columella verbunden ist. — Aber schon
dadurch ist dieses einzige Fenster als Vorhoffenster gekennzeich-
net. Vom Frosch sagt Hasse^) ausdrücklich: „Ausser dem Fo-
ramen ovale und der Durchtrittsstelle des Nervus acusticus ist
es mir nicht gelungen, eine Oeffnung in dem Gehäuse zu ent-
1) Um dem Yom Verf. ausdrücklich ansgesprocheDen Wunsche nach
mehrseitiger kritischer Beurtheilung seiner Versuche nachzukommen, bringen
wir unseren Lesern ausser der vorstehenden Besprechung ?on Morpurgo
ausnahmsweise noch eine zweite Kritik der Secchi 'sehen Arbeit. Red.
2) Rudolf Panse, Schwerhörigkeit durch Starrheit der Faukenfenster.
Jena 1897. S. 39.
3) Das Gehörorgan der Frösche. 6. 6.
272 XX. Besprechungen.
decken, und somit glaube ich auch fUr die Frösche den Mangel
eines Foramen rotnndnm statniren zn mtlssen*', und weiter: ^Ich
habe, wie gesagt, niemals Andeutungen eines Foramen rotundum
bei unseren Fröschen zu finden vermocht." Retzius nennt ein
nach dem Schftdelinnern f&hrendes Loch Foramen rotund. und
giebt dadurch ebenso wie bei den früheren Thierklassen Anlass
zu grossen Irrthümern.
Auch der Mangel eines Trommelfells und einer Paukenhöhle
bei den Schlangen, die gegen die Luftkapseltheorie sprechen
würde, wird von Secchi wohl erwähnt, aber nicht gewürdigt.
Bei den bisherigen physiologischen Versuchen tadelt Secchi
mit Recht, dass sie mit zu starken Tönen angestellt sind, und
weist auf Weber-Liers undBezold's Beschreibung der grossen
Beweglichkeit des runden Fensters hin, das den leisesten Luft-
druckschwankungen folgt, während der Stapes nur bei starkem
Hineinsprechen beweglich ist. Im folgenden Abschnitt erörtert
Secchi, dass das Trommelfell durch einen üeberdruck der
Paukenluft zwar gespannt, aber nicht elastisch sei. Diesen Üeber-
druck von 4 mm Alkohol in einer Glasröhre von 2 mm Lichtung
wies er an Hunden nach, denen er einen Manometer in die Bulla
eingesesetzt und die Paukenhöhle durchschnitten hatte. Der
Druck kommt nach Secchi dadurch zu Stande, dass sich beim
Schlucken erst die Tube öffnet, dann das Rachenende der Tube
schliesst und dann die Luft durch den Salpingopharjngeus in die
Pauke gepresst wird. Bei Angabe von Tönen konnte Secchi
nachweisen, dass bis 70 Mal in der Minute die Flüssigkeit im
Manometer emporzuckte, über 80 sich die Bewegungen zusam-
menzogen. Diese Drucksteigerungen wurden niedriger nach
Durchschneidung der Tensorsehne und blieben weg, nachdem
auch der Stapedius durch trennt war. Die Reaction bestand fort
nach Durchschneidung des Pons.
Beiläufig fand Secchi bei diesen Versuchen, dass die Druck-
schwankungen in der Pauke die Chorda gereizt und vermehrte
Speichelabsonderung aus dem Ductus Wartonianus erzielt wurde.
— Der reichliche Speichel würde so wieder zum Schlucken und
zur Druckregelung in der Pauke führen. — Bei den klinischen
Beobachtungen nimmt Secchi an, dass Trommelfelllöcher von
beliebiger Grösse stets die tiefen Töne abschwächen. Accom-
modationsmangel sieht Secchi darin, dass sich entfernende Töne
nicht weiter gehört werden als sich nähernde. Ein, leider nur
ein vorzüglicher Versuch : durch ein spitzes Glasrohr einen Ton (c)
XX. BesprechuDgen. 273
naeh dem ovalen, dem runden Fenster und dem Prom. zu rich-
ten, bewies die längere Daner der Hörbarkeit durch das runde
Fenster, Verschluss desselben durch flüssige Gelatine schwächte
das Gehör bedeutend. Bei solchen Defecten habe auch ich
die Schallleitung durch das runde und ovale Fenster ftlr gleich
möglich erklärt 1), das beweist aber nichts für gesunde Ohren«
Abheben einer Trommelfellnarbe über dem runden Fenster be-
wirkte Hörverbesserung für die Uhr von auf 40 cm. Durch Ein-
führen eines Böhrchens durch den Katheter bis in die Pauke
und damit Aufhebung des Ueberdruckes konnte Seochi das Ge-
hör schwächen. Ebenso soll Klaffen der Tube schwerhörig
machen. Weiter betont See chi, dass die gleitenden Kettentheile
zum Fortleiten der Töne ungeeignet sind, besonders da die End-
glieder durch die Muskeln festgestellt werden.
Demgegenüber möchte ich einen Versuch erwähnen: Ver-
stopfte ich mir die Ohren und nahm eine schwingende Stimm-
gabel c in die Hand, so war sie durch den ausgestreckten Arm
deutlich zu hören, wenn die Faust fest den Griff umschloss und
die Gelenke festgestellt waren. — Der Einwand Secchi's, dass
der Steigbügel die Schallwellen auf den Gleichgewichts-, nicht
den Hörtheil des innneren Ohres übertrage, ist entschieden zu
beachten.
Beim Gähnen ist das Trommelfell erst gespannt, das Gehör
durch den Gehörgang vermindert, aber im Augenblick der Tuben-
öffnung hört man durch die Nase, also durch das runde Fenster
folgert Secchi. An den freiliegenden Hammergriff befestigte
Secchi mit einer Gollodinmfadenschlinge 5 gr, das Gehör für
Flüstern minderte sich nicht. Einmal führte Secchi einen Ka-
theter so ein, dass der Betreffende gut durch ihn hörte. An
diesen und in den Gehörgang legte er Schläuche, deren Längen
bis zum Trommelfell gleich waren. Obwohl so die gleichen
Schwingungsphasen auf die entgegengesetzten Trommelfellseiten
trafen, trat keine Interferenz für c^ ein, sondern besseres Gehör;
bei Schlauchlängen, die entgegengesetzte Phasen auf die beiden
Trommelfellseiten brachten, trat Verschlechterung ein. Die
Schwingung des Trommelfells sei demnach gleichgültig für das
Gehör. Ferner berechnet Secchi mitzählen, dass die winzige
Kraft, die zum Hören in der Entfernung genügt, unmöglich im
Stande ist, die riesige Gewichtsmenge zu bewegen, die sich er-
1) 1. c, S. 253.
274 XX. Besprechungen
giebt, wenn man sich in die Kngeloberflftoke von dem Halb-
messer der Hörweite Trommelfelle mit Kette eingetragen denkt.
Hier liesse sieh dooh an eine Hänfang der einzelnen Stösse den-
ken, wie bei der Resonanz entfernter mitsehwingender Stimm-
gabeln n. s. w. Aehnlieh klirrten neulich in meiner Klinik die
auf einer etwa 5 mm dicken Glasplatte liegenden Instrumente
im verschlossenen Instmmentenschrank beim Vorbeiziehen der
Waohtparade mit Pauke trotz der Doppelfenster. — Auch dass
das mit der Kopfhaltung wechselnde Gewicht der Kette ohne Ein-
flnss wäre, sei unverständlich.
Die Auffassung Kleinschmidt's in der Z. f. 0. XXXIX
hält Secchi fftr völlig gleich mit der seinen, für die er die
Priorität gesetzt wissen will. Mit Königes Kapsel wies Secchi
nach, dass sich die tiefen Töne gut bei niederem Druck, schlecht
bei hohem fortpflanzen; die hohen umgekehrt, die tiefen Töne
von einer gespannten Haut mehr zurückgeworfen werden, ihre
lebendige Kraft deshalb geringer sei, als die der mittleren und
hohen. Eine Aenderung der Luftkapsel, die die Ebene des runden
Fensters senkrecht zum Trommelfell stellte, verminderte die Em-
pfindlichkeit nicht.
Ausser vielem Persönlichen, spricht Secchi die Hoffnung
auf eine Discussion aus; ich weise deshalb gern hiermit auf die
fesselnde Arbeit hin, die für die alte Meinungsverschiedenheit
über die Schallleitung in der Pauke eine Fülle neuer anregen-
der Gesichtspunkte bietet.
11.
Bernhard Rawitz, Neue Beobachtungen über das Ge-
hörorgan der japanischen Tanzmäuse. Archiv f. Ohren-
heilkunde, Bd. LIV, Heft 3 u. 4 (S.-A. aus Pflügers Archiv 1901)
und Dr. G. Alexander und Prof. A. Kreidl, Anatomisch-
physiologische Studien über das Ohrlabyrinth der
Tanzmaus. II. und III. Mittheilung. (S.-A. aus Archiv für
die gesammte Physiologie, Bd. LXXXVIII.)
Besproohen ron
Dr. Rudolf Pause, Dresden.
Es war mir eine Freude, in der liebenswürdigen Zusendung
des Verfassers fast alle meine Einwände i) gegen die Arbeit von
Bawitz bestätigt zu finden. Auch in Betreff der neuen ünter-
1) Münchener med. Wochenschrift Nr. 13, 1901.
XX. Bespreehnngen. 275
Buchungen Rawitz', zu denen er wieder im Ganzen, also yüWig
ungenügend, fixirte Tanzmausköpfe benutzte, und mit der er unsere
Einwände als erledigt betrachtet, stimme ich mit den Verfassern
überein. Sie hoffen, dass Rawitz, nachdem er in der zweiten
Arbeit schon zwei normale Bogengänge gegen den einzigen der
ersten Arbeit annimmt, später vielleicht auch den dritten Bogen-
gang noch normal finden wird.
Das ist um so mehr zu hoffen, als die neuen Beobachtungen
Rawitz', dessen frühere Untersuchungen „mit Evidenz gegen
die Annahme eines statischen Sinnes^ sprachen, seine
Angaben und Polgerungen derart „ erweitern und stützen*', dass
er jetzt behauptet: „Die Bogengänge sind, der Sitz des Orien-
tirungsvermögens, sind die Organe des Raumsinnes**.
Die Befunde in obigen Arbeiten Alexander's und Kreidrs
sind folgende: Knöchernes Labyrinth der Tanzmaus völlig nor-
mal, nur mikroskopisch erkennbar kleiner als das der GontroU-
thiere. In den perilymphatischen Räumen Gerinnsel, welche
Verfasser als pathologisch auffassen Häutiges Labyrinth und an
der Macula utriculi statt 2, 4 — 5 Kernreihen. Sinneszellen, Haare
der Otholithenmembrau und Otholithen durchaus normal, ebenso
Bogengänge, Ampullen, Utriculus und Gristae acusticae der Am-
pullen. Pars inferior. Die Höhe des Neuroepithels der Ma-
cula sacculi ist in allen Fällen vermindert, 6— 10 ju gegen
17 ^, die Menge der Sinneszellen bedeutend herabgesetzt, zum
Theil fehlend, meist abgeplattet, Haarmenge herabgesetzt.
Otolithen der Macula sacculi klein, bisweilen fehlend. Ein-
mal waren die Otolithen von einer, an der Macula entspringen-
den kernhaltigen Bindegewebshülle umgeben und schlössen ver-
einzelte leukocytenähnliche Zellen ein.
Papilla basilaris Cochleae. In 2 Schnecken eines Falles Er-
satz der Pfeiler im Vorhofsabschnitt durch cubisches Epithel.
Haarzellen fast ganz fehlend oder vermindert und unregelmässig.
„Zwischen den Pfeilern und den Zellen des Sulcus spiralis int.
und ext., manchmal sogar im Tunnelraum netzförmige Binde-
gewebszüge oder cubische, ja spindelförmige, unregelmässig ge-
lagerte Zellen. Epithel des Sulcus spiralis ext. und int. einige
Male fehlend oder unregelmässig. Der Hensen'sche Bogen ist
nirgends entwickelt, Gorti'sche Membran nirgends verwachsen
(wie bei einer tauben Katze), selten aufgelockert. Stria vascu-
laris ist öfters durch plattes, stellenweise cubisches Epithel er-
Archiv f. Ohrenheilkunde. LV. Bd. 1 9
276 XX. Besprechangen.
setzt. In einem Ohr Schwund des Bindegewebspolsters des
Ductus renniens.^
Bechter Himnerv zeigt flberall Verdünnung und „minder
feste Faserbfindelung'^. N. cochlearis hat etwa Ve der normalen
Dicke. Vestibularis undAeste etwa ^/s, beide Vestibularganglien
verkleinert und zellärmer. Nervenzellen des Ganglion spirale
sehr vermindert« An den Mednllarkernen des Octavus wurden
keinerlei Abweichungen gefunden.
Am Sohneckennerv ist die Atrophie eine so hochgradige,
dass die functionelle wie die trophische Wirksamkeit des Gan-
glion erloschen ist. Die beiden Vestibularganglien haben ihren
functionellen, nicht aber ihren trophischen Einfluss auf die peri-
pheren Nervenendzellen verloren.
Abweichende Befände an meinen Präparaten sind: Ganglion
spirale weist keine Verminderung der Zellen auf, die Corti'schen
Pfeiler überall vorzüglich erhalten, Labyrinthe haben nur ^s der nor-
malen Grösse, lieber die sonstigen Abweichungen gestatten mir
meine zunächst fbr gröbere Untersuchungen angefertigten Schnitte
kein Urtheil, doch möchte ich auf eine Fehlerquelle hinweisen,
der die ungemein zarten Haarzellen möglicher Weise zum Opfer
gefallen sein können. Von allen Untersuchera sind die Laby-
rinthe uneröffnet fixirt und eingebettet. Ich habe bei vergleichend-
anatomischen Arbeiten nur dann gute Haarzellen der Pars basi-
laris gefunden, wenn ich die Hohlräume eröffnet, lebend frisch
in Ueberosmiumsäure fixirte. Die Haarzellen der Ampullen und
Säcke sind widerstandsfähiger und auch an menschlichen Prä-
paraten oft gut erhalten.
Im physiologischen Theil kommen die Verfasser zum Schluss^
dass wegen des Fehlens des Drehschwindels der Bogengangs-
apparat bis auf die Faserarmuth der Nerven zwar histologisch
unverändert, aber functionell untüchtig sein kann. Das mangel-
hafte Balancirvermögen entspreche der Atrophie der Utriculus-
und Sacculus-Nerven und der Vestibularganglien, die Verände-
rungen in der Schnecke dem Nichtzeicbnen auf Töne. Ferner
wenden sie sich gegen Cyon, der auf Grund von Rawitz* un-
haltbaren anatomischen Untersuchungen die gewagtesten Hypo-
thesen aufgebaut hat.
Auf die Ursache des Drehens gehen die Verfasser in weiser
Zurückhaltung nicht ein. Vielleicht giebt eine Beobachtung
etwas Aufklärung, die Kämmerer in einem Hefte des „Zoo-
logischen Garten^, Jahrgang 1900 veröffentlichte. Eine gefangene
XX. fiesprechuDgen. 277
normale Waldmaus war vergessen worden und wurde halbverhun-
gert mit ganz ausgetrockneter Nase und röthlich unterlaufenen
Füssen liegend gefunden. Naohdem sie sich erholt, benahm sie sich
ganz wie Tanzmäuse. ,,Sie umkreiste jeden Gegenstand in ihrem
Käfig, drehte sich auch in ihrem Schlafkästohen sofort um sich
selbst und war, so lange sie nicht schlief, ununterbrochen in
hastiger Bewegung. Versuchte sie einmal gerade aus zu gehen,
so geschah dies langsam, unbeholfen und torkelnd, als ob sie
betrunken wäre. Auch ihre Kletterfähigkeit war vollständig
verloren gegangen, wie ebenfalls bei den echten Tanzmäusen,
ferner auch ihr zahmes Verhalten, das mit Scheu und Bissigkeit
abwechselte.^ Hier ist wohl ein centrales Leiden anzunehmen.
Kämmerer beschreibt tlbrigens auch eine senkrecht dre-
hende, radschlagende Tanzmaus.
12.
Transactions of the American otological Society.
Thirty-third annual meeting. Vol. VII. Part. III. 1900.
Besprochen von
Dr. Walther Scbnlze, Halle a. S.
I. Knapp (New-York), Ausgedehnte acute Garies des
Warzenfortsatzes und der Pars petrosa des Schläfen-
beins. Operation. Heilung mit Wiederherstellung
des vollständigen Gehörs unter Erhaltung des äusse-
ren Gehorgangs und der Paukenhöhle.
30 jähriger Mann. Vor 4 Monaten Schmerzen im rechten Ohr,
welche ungefähr einen Monat dauerten. Darauf Ohreiterung und
Anschwellung hinter dem Ohr. Operation damals verweigert.
Wegen heftiger Kopfschmerzen und Fortdauer ,der Anschwellung
wurde Verfasser consultirt, welcher folgenden Befund feststellte:
Keine Eiterung, Trommelfell nicht perforirt, Gehör gut; der
ganze Warzenfortsatz und die Umgebung geschwollen, geröthet,
bei Berührung schmerzhaft, ohne Fluctuation. Hinter dem äusse-
ren Gehörgang war eine feine, dünnen Eiter entleerende Fistel.
Die Sonde gelangte hier auf Granulationen und rauhen Knochen.
Klage über Schmerzen hinter dem Ohr und im Kopf Operation.
Nach Ablösung des Periostes zeigten sich zwei Fisteln im Kno-
chen. Bei Verfolgung derselben mit dem Meissel fand sich der
ganze Warzenfortsatz erfüllt mit Granulationen, morschem Kno-
chen und Eiter. Besection der Spitze. Ausräumung des Warzen-
fortsatzes, Dura der hinteren Schädelgrube und Sinus freigelegt,
19*
278 XX. Besprechungen.
nicht verfärbt. Antrnm voll Granulationen. Die Wandungen des
Antmm and Aditüs waren nicht cariös. Canalis Fallopiae in-
tact, Knochen der Umgebung blutreich und nekrotisch. Horizon-
taler Bogengang gesund, nach oben und innen von demselben
bis zum oberen Bogengang reichend, erweichte Enochensubstanz.
Entfernung des kranken Knochens mit dem scharfen Löffel. Nach
4 Wochen Heilung mit normalem Gehör und erhaltenem Trom-
melfell. In der Discussion wies Dench darauf hin, dass es in
solchen Fällen nicht möglich ist, fbr die Art der vorzunehmen-
den Operation ein- für allemal gültige Regeln aufzustellen. Es
käme hauptsächlich darauf an, den kranken Knochen vollständig
zu entfernen; zu dem Zwecke mtlsste aber der Operateur den
kranken Knochen vom gesunden unterscheiden können. Darin
liegt, wie er sich ausdrückte, das ganze Geheimniss der erfolg-
reichen operativen Otologie.
2. Hiram Woods (Baltimore). Ein tödtlicher Fall von
septischer Sinusthrombose mit Metastasen.
13jähriger Knabe. Rechtsseitige Ohreiterung nach Masern
im 9. Lebensjahre. Vor 1 V2 Jahren wurde „eine kleine Opera-
tion** vorgenommen. Die Ohreiterung bestand weiter mit kurzen
Unterbrechungen. Anfälle von Kopfschmerzen. 4 Tage vor der
Aufnahme Frost, seitdem täglich wiederholt mit Fieber. Bei der
Aufnahme Temperatur 38,8 0, Puls 106. Der ganze Warzenfort-
satz schmerzhaft bei Berührung. Kein Oedem, keine Infiltration,
auch nicht längs der grossen Gefässe am Halse. Im Gehörgang
^ein grosser Polyp, spärliche Eiterung. Innere Organe gesund.
An den Augen nichts Pathologisches. Urin ohne Zucker und
Eiweiss. Operation. Der Knochen sklerotisch. Auf dem Wege
nach dem Antrum in der Tiefe von 6 — 8 mm stürzte plötzlich
von hinten oben ein Strom fotiden Eiters hervor. Wegnahme der
hinteren Gehörgangswand, woselbst der Knochen erweicht war,
und von der der Polyp ausging. Von den Gehörknöchelchen nur
ein Hammerrest vorhanden. Dura vor und hinter dem Sinus ge-
sund, über dem Sinus nekrotisch. Sinus selbst gelb vei'ßlrbt,
äussere Sinuswand ulcerirt, innere Wand intact. Das Lumen des
Sinus war mit einem gelben Thrombus ausgefüllt. Beim Aus-
löffeln der Massen kam Blut von oben und von unten. CoUaps,
bekämpft mit subcutanen Strychnininjectionen und Kochsalzinfu-
sionen ins Rectum. Tamponade des Sinus. Am Abend Temp.
37,10, Puls 90. Am nächsten Tage Temp. 38,5 », darauf Abfall
XX. BesprechaDgen. 279
zum Normalem, während der Nacht Temp. 40,0^, Puls 112. Am
anderen Tage Verbandwechsel, die Wunde sah gut aus. In den
folgenden Tagen intermittirendes Fieber, keine Fröste, keine
Seh weisse, Puls zwischen 80 und 90. Nach 3 Tagen wiederum
Verbandwechsel, stärkere Secretion, beginnende Granulationsbil-
dung. Am nächsten Tage Entfernung der Sinustampons ohne
Blutung. In der folgenden Zeit Temperaturen zwischen 36,8 und
37,5^. Klage über Schmerzen am Hals. Am 13. Tage nach der
Operation bei normaler Temperatur und einem Puls zwischen
80 und 90 Anschwellung am inneren Sande des Sternooleido.
Bei Druck auf diese Partie entleerte sich Eiter aus der Gegend
des Jugularisendes des Sinus. Eröffnung einer grossen, fast bis
zur Clavicula reichenden Eiterhöhle; dabei wurde die Carotis
freigelegt, die Jugularis wurde nicht gesehen. 24stttndige Sohluck-
lähmung, bald vorübergehende rechtsseitige Gesichtslähmung.
Am 18. Tage nach der ersten Operation wurde ein linksseitiges
pleuritisches Exsudat nachgewiesen. Steile Curven mit Frösten
und Schweissen. Multiple Abscesse. Tod 4 Wochen nach der
Operation. Die Section ergab Pericarditis, Pleuritis, Abscesse in
der Leber und in der Milz. Das untere Ende der Jugularis war
durch einen septischen und theilweise organisirten Thrombus ab-
geschlossen, der Kest der Vene stellte einen fibrösen Strang dar.
Septischer Thrombus im Torcular Herophili. In der Umgebung
des Sinus longitudinalis circumscripte Paehy- und Leptomeningitis.
Die Diagnose Sinusthrombose wurde erst bei der Operation
gestellt, wenn auch die Möglichkeit einer solchen schon vorher
erwogen worden war. Das einzige ftr Thrombose verwerthbare
Zeichen waren die Fröste, während locale Erscheinungen voll-
ständig fehlten. Woods vertrat die Ansicht, dass die hier be-
obachteten Temperatursteigerungen trotz ihrer zum Theil gerin-
gen Höhe und trotzdem völlig fieberfreie Zeiten dazwischen lagen,
doch von vornherein als ein septisches, durch die Thrombose
bedingtes Fieber aufzufassen waren. (Nach neueren Beobach-
tungen gehört das Vorkommen fieberfreier Intervalle bei schon
bestehender Sinusthrombose keineswegs zu den Seltenheiten, Ref.)
Bei der Erörterung der Frage, ob hier nicht die Jugulai*is
hätte unterbunden werden sollen, führte Verfasser für die Untere
lassung der Unterbindung folgende Gründe an: 1. Die lange
Dauer der Operation bei der Schwäche des Patienten. 2. Das
Fehlen äusserer Zeichen einer Erkrankung der Jugularis; 3. die
Blutung bei der Entleerung der Thromben , erklärte ab^
280 XX. Besprechungen.
schliesslich, dass die beiden letzteren Momente, wie dieser Fall
lehrte, keine absolute Gontraindication für die Jngularisunter-
bindnng abgeben könnten. Den Abscess in der Umgebung der
Jngularis war Woods geneigt als einen Senkungsabscess viel-
leicht von einer „nicht entfernten Nekrose^ ausgehend aufzufas-
sen, der Eiter wäre lediglich auf mechanischem Wege in das
Lumen der Vene abgelaufen. Von diesem Standpunkte aus hätte
auch die Jugularisunterbindung in Frage kommen können, um
die Aufnahme des Eiters in die Blutbahn zu verhüten. (Referent
kann sich mit dieser naiven Ansicht nicht einverstanden erklä-
ren. Es handelt sich bei der ausgebreiteten Jugularisthrombose
doch offenbar um einen durch die Erkrankung des Yenenrohres
selbst hervorgerufenen periphlebitischen Abscess, dessen Entstehung
bei frühzeitiger, das Fortschreiten der Thrombose auf die Jugu-
laris hemmender Unterbindung mit Wahrscheinlichkeit hätte ver-
hütet werden können.)
3. Dench (New- York). Ein Fall von Sinusthrombose,
complicirt mit Kleinhirnabscess.
In der Einleitung fuhrt Dench aus, dass beide Erkran-
kungen zwar häufige Folgeerscheinungen von Mittelohreiterungen
sind, dass aber das Zusammentreffen beider keineswegs häufig
wäre. In den meisten Fällen würde die Diagnose erst bei der
Autopsie gestellt. (Nach den Erfahrungen der Hallenser Klinik
scheint das gleichzeitige Yorkommen von Sinusthrombose und
Hirnabscess gar nicht so selten zu sein, wie Verfasser annimmt,
^uch wurde hier die Diagnose meistentheils in vita gestellt, wenn
leider auch mancher der Fälle durch die Autopsie Gelegenheit gab,
die früher gestellte Diagnose zu bestätigen. Bef.) Es handelte sich
im vorliegenden Falle um ein Sjähriges Kind mit Entzündungs-
erscheinungen des Warzenfortsatzes nach Ohreiterung. Bei der Ope-
ration fand sich eine ausgedehnte Zerstörung des Knochens bis
zur Dura und bis zum Sinus. Freilegung des Sinus, Entfernung
eines Thrombus, Blutung. Darauf zwei Tage lang Temperatur
zwischen 38,9 und 41,1^. Keine Zeichen von Ausdehnung der
Thrombose nach der Jugularis. Das Kind machte keinen septi-
schen Eindruck. Nach 4 Tagen stellte sich continuirliches Fie-
ber ein. Dench nahm an, dass es sich um einen acuten Hirn-
abscess] oder wahrscheinlicher um das Einsetzen einer frischen
Entzündung in einem bisher latent gewesenen Abscess handelte.
Localisationserscheinungen fehlten. Trepanation der mittleren
XX. Besprechungen. 281
Sohädelgrnbe dieht über dem äusseren Gehörgang nach Ver-
längerung des Hautschnittes über den Ansatz der Ohrmuschel
hinaus. Wegnahme des Knochens nach hinten und unten, sodass
mit der Ohroperationswunde eine einheitliche Höhle gebildet
wurde. Hinter und unter dem Sinus lateralis war die Dura ver-
dickt und verfärbt (also doch wohl die Dura des Kleinhirns.
Ref.) Function mit Hülfe einer Aspirationsnadel in der Richtung
nach oben vorn und innen ohne Resultat. Nach Einstechen der
Nadel in die hintere Schädelgrube, und zwar in der Richtung
nach unten, hinten und innen wurde eine geringe Menge „Flüs-
sigkeit^ aspirirt. Es wurde mit einem Messer in der oben bezeich-
neten Richtung in die Gehirnsubstanz des Kleinhirns einge-
stochen. Beim Eingehen mit dem kleinen Finger wurde in ^k Zoll
Tiefe eine mit nekrotischer Hirnsubstanz angefüllte Abscesshöhle
gefunden. Tamponade der Höhle. Abfall der Temperatur für die
nächsten 24 Stunden. Am Tage darauf schnelles Ansteigen der Tem-
peratur. Tod 36 Stunden nach der Abscessoperation. Keine Section.
D e n c h glaubte die Ursache für das nach der Sinusoperation
noch weiter bestehende Fieber zunächst in der Ausbreitung der
Thrombose suchen zu müssen; da aber die darauf hin gerichtete
Untersuchung nichts Abnormes ergab, so nahm er an, dass der
Hirnabseess allein die Fieberursache gewesen, und [zog daraus
den Schluss, dass Hirnabscesse otitischen Ursprungs mit Fieber
und erhöhter Pulsfrequenz einhergehen können. (Für die Frage
des Fiebers beim uncomplicirten Hirnabseess lässt sich aus
dem vorliegenden Falle gar nichts ableiten, da eine Heilung der
den Abscess begleitenden Sinusthrombose durch die Section nicht
constatirt ist, das Fehlen äusserer Zeichen aber nicht als bewei-
send angesehen werden kann gegen das Vorhandensein, bezw.
die Weiterausbreitung einer Thrombose. Ref.) Bei Gelegenheit
der Discussion empfahl Bacon die Entscheidung der Frage, ob
die Jugularis unterbunden werden solle oder nicht, vom Kräfte-
zustand des Patienten abhängig zu machen. Ferner bezeichnete
derselbe wegen der Gefahr einer Blutung die Benutzung eines Scal-
pells zum Einstich in die Gehirnsubstanz für bedenklich. Im Anschluss
hieran berichtete Gruening über folgende Fälle : 1. Acute Eite-
rung nach Typhus, Temperatur über 41,0 o. Sinus ganz fest.
Wegen der Schwäche des Patienten wurde weiter nichts gemacht,
als die Aufmeisselung des Warzenfortsatzes mit Freilegung des
Sinus. Am nächsten Tage war Patient fieberfrei. Schnelle Hei-
lung. Gruening nahm einen nicht infectiösen Thrombus an.
282 XX. BesprecboDgen.
2. Kind mit chroDischer Eiterung, seit einigen Tagen FröBte. Im
Sinns ein weit nach hinten reichender Thrombus. Ausräumung
der Thromben, welche nach der bakteriologischen Untersuchung
als nicht infectiös zu betrachten waren. Deshalb keine Jugu-
larisunterbindung. Heilung. 3. 1 9 jähriges Mädchen mit chroni-
scher Eiterung. Perisinuöser Abscess. Sinns anseheinend nicht
thrombosirt, bei der Function Blut aspirirt. Hohes Fieber und
Fröste. Bei der Incision des Sinns kam Blut von beiden Sei-
ten. Jugularisnnterbindnng in der Annahme einer auf den Bulbus
beschränkten Thrombose. Nach 2 Tagen fieberfrei. 4. 14 Tage
nach der Aufineisselung bekam ein Patient Fieber bis 40,5 o, dar-
auf wieder Abfall der Temperatur. Der freigelegte Sinus sah
gesund aus, deshalb wurde eine Fyämie ohne Thrombose ange-
nommen. Keine Unterbindung. Dann wieder intermittirendes Fie-
ber, Anschwellung eines Eniees, Entzündung der Extensoren-
sehnen an der Hand und am Fuss. Tod.
Gruening fasste schliesslich seine Ansicht bezüglich der
Jugularisnnterbindnng dahin zusammen: Es lässt sich ffir die Ju-
gularisnnterbindnng keine für alle Fälle gültige Regel au&tellen.
In jedem Falle zu unterbinden, ist ebenso falsch, wie die Unter-
bindung principlell zu unterlassen. Die Indication ftir die Jugu-
larisunterbindung muss für jeden einzelnen Fall besonders ent-
schieden werden. Randall berichtete, dass von den mit Ligatur
behandelten Fällen 57 Proc, von den ohne dieselbe behandelten
Fällen 51 Proc. geheilt worden wären, was zu Gunsten der Unter-
bindung spräche, betonte aber die nicht seltene Unsicherheit der
Diagnose an der Hand eines Falles mit hohem Fieber, in wel-
chem trotz gesund aussehender Sinuswand und trotz des Fehlens
yon Frösten doch durch die Section ein obturirender Thrombus
im Sinus nachgewiesen wurde.
4. Fridenberg (New-York). Ein Fall von perisinuöser
Pneumokokkeneiterung.
4 jähriges Mädchen erkrankte vor einigen Tagen an rechts«
seitiger acuter Otitis unter Fieber. Trommelfell blauroth, blasen-
ähnliche Yorwölbung des hinteren oberen Quadranten. Warzen-
fortsatz dicht über der Spitze etwas druckempfindlich. Paracen-
tese, heisse Umschläge. Nachlass der Schmerzen. Geringer,
serös- eitriger, später rein-eitriger Ausfluss. Nach einigen Tagen
Klage über Kopfschmerzen, Druckempfindlichkeit des Warzen-
fortsatzes ohne Röthe der Haut, ohne Oedem. Am 27. Tage der
/
XX. BesprecfauDgeii. 283
Erkrankung Anfmeisselung. Periost yerdiekt, Knochen weich
nnd hyperäfflisoh. Nach Entfernung einer ungefähr 2 mm dicken
Enocbengchicht zeigte sich etwas Eiter. Die Sonde gelangte in
eine grosse Höhle und stiess nach der Spitze zu auf einen wei-
chen elastischen Widerstand. Wegnahme des Knochens mit der
Knochenzange nach unten bis zum Bulbus yenae jugularis, nach
hinten auf ein Drittel der Entfernung bis zum Torcular. Der
Sinus lag pulsirend frei, ganz bedeckt mit einer grau-gelben
Membran, welche stückweise entfernt wurde. Nach Entfernung
der Pseudomembranen zeigte sich die Sinuswand gesund, ausser
an einer Stelle von der Grösse einer Kaffeebohne, wo Granulationen
sassen. Die Palpation des Sinus ergab flüssigen Inhalt. Schnelle
Heilung. Bei der bakteriologischen Untersuchung der Membranen
wurde der Pneumococcus Fraenkel in Beincultur gefunden.
In der Discussion stellte Gruening das yerhältnissmässig
seltene Vorkommen der Pneumokokkenotitis fest, während Ba*
con auf die Möglichkeit der Verwechselung einer centralen
Pneumonie mit einer Sinusthrombose in Fällen, in denen die
letztere keine localen Erscheinungen verursacht , aufinerksam
machte. Schliesslich wies Fridenberg noch auf eine gewisse
Aehnlichkeit zwischen Streptokokken und in Ketten angeord-
neten Pneumokokken hin.
5. GorhamBacon (New- York). Ein Fall van chronischer
Alittelohreiterung, gefolgt von Abscessen im Tem-
porosphenoidallappen und im Kleinhirn.
32jährige Frau, hatte im Alter von 10 Jahren rechts-
seitige Ohreiterung. Einen Monat vor der Aufnahme Sehmerzen
in demselben Ohr, welche in die Schläfe, in den Scheitel und
Hinterkopf ausstrahlten. Angeblich keine Ohreiterung bis 3 Tage
vor der Aufnahme. Vor 14 Tagen Schwindel und allgemeine
Schwäche. Vor 9 Tagen zwei Fröste verbunden mit Erbrechen.
Bei der Aufnahme benommen und schläfrig (Pat. hatte viel
Morphium seitens des Hausarztes erhalten). Temp. 38^6, Puls 80,
Resp. 20. Bechts Trommelfell defect, Eiterung. Anfmeisselung,
Entfernung von erweichtem Knochen, Granulationen und Eiter.
Es Hess sich keine Wegleitung durch das Tegmen tympani finden.
Wegen der Morphiumwirkung war die Diagnose einer intra-
craniellen Complioation unmöglich. Nach 3 Tagen Abfall der
Temperatur auf 37,3, Puls 72, Resp. 18. Am Abend desselben
Tages wieder Anstieg auf 38,6, Puls 86. Klage über heftige
284 XX. Besprechongen.
Schmerzen im Ohr und im Kopf. Linksseitige Abdueenslähmnng,
linksseitige Faoialisl&hmnng, linksseitige Hemiparese, massige
linksseitige Hemianästhesie, linksseitige Hemianopsie, doppel-
seitige Stauungspapille. Es wnrde ^e Diagnose auf rechts-
seitigen Sehl&fenlappenabscess gestellt. Trepanation 5 Tage naeh
der ersten Operation, Freilegnng der Dura der mittleren Schädel-
grabe. Dura verdickt, vorgewölbt. Mit einer Sonde wurde eine
kleine Oefifhnng in der Dura gefunden, ungefähr IV2 Zoll über
dem äusseren Gehörgang, welche nach innen, oben und r&ckwärts
führte und eine Abscesshöhle aufdeckte. Erweiterung der Oeffnung
in der Dura und Entleerung von 3 — 4 Unzen fotiden Eiters und
nekrotischer Hirnsubstanz. Tamponade der Höhle mit Jodoform-
gaze. Nach 3 Tagen Muskelzuckungen im Gesicht und in den
Beinen, Delirien, Fat. reisst am Verband. Muskelzuckungen im
Bein von der Hüfte bis zum Knie, in der rechten Gesichtshälfte, im
rechten Arm. Puls unregelmässig und schwach. Erbrechen,
Goma. Fat. liess Stuhlgang und Urin unter sich. Lähmung
der linken Eörperhälfte. Gheyne-Stokes'sches Athmen.
Tod. Section : An den Meningen nichts Abnormes. Hirnprolaps.
Dura mit dem Schläfenbein und der anliegenden Hirnsubstanz
^verwachsen. Grosse Abscesshöhle im Schläfenlappen. Basis
des Gehirns ohne Veränderung. In der rechten Kleinhirnhemisphäre
fand sich ein Abscess, welcher eine halbe Unze fotiden Eiters
enthielt. Zwischen den beiden Abscessen bestand keine Com-
munication. Ventrikel ohne Veränderung. (Aus dem Sections-
bericht ist nicht ersichtlich, ob es sich um alte oder um frische
Frocesse im Gehirn handelte. Das Vorhandensein von Fieber
und das Bestehen der schweren Erscheinungen erst seit 4 Wochen
machen es wahrscheinlich, dass hier acut entstandene Abscesse
vorlagen. Freilich es steht nirgends etwas von einer Unter-
suchung des Sinus. Es liegt demnach die Möglichkeit vor,
dass eine Sinusthrombose nebenbei bestand, durch welche das
Fieber bedingt wurde.)
6.Burnett(Fhiladelphia). ChronischerOhrschwindel, sein
Mechanismus und seine chirurgische Behandlung.
Nach B. wird der chronische Schwindel in den meisten
Fällen hervorgerufen durch einen chronischen Katarrh des Mittel-
ohrs, welch letzterer zur Sklerose der Schleimhaut; Bigiditdt
der Membran des runden Fensters, Fixation der Gehörknöchelchen,
Unbeweglichkeit des Steigbügels im ovalen Fenster führt. Die
XX. Besprechungen. 285
Compression der Endolymphe und der dadurch erzeugte Druck
auf die Nervenendigungen in den Ampullen der Halbcirkelkanäle
löst die Reflexerscheinung des Schwindels aus. In BetreflF der
Mechanik der Entstehung des Schwindels setzte B. folgendes
auseinander : Die Labyrinthflüssigkeit ist in zwei Systeme einge-
theilt 1. die Endolymphe, welche das Innere des membranösen
Labyrinths ausfüllt und 2. die Perilymphe, welche sich im Hohl-
raum des knöchernen Labyrinthes befindet. Die Endolymphe
kommt nach Hasse aus einem epicerebralen Lymphraum, und
wird auf dem Wege des Aquaeductus vestibuli zugeleitet. Jede
Vermehrung oder Verminderung des Druckes im Subarachnoideal-
räum muss sich längs des Aquaeductus vestibuli auf das Innere des
membranösen Labyrinths fortpflanzen. Die Perilymphe stammt
aus dem Subarachnoidalraum, gelangt durch die Foramina aoustica
in das Labyrinth und verlässt dasselbe durch den Aquaeductus
Cochleae. Bei Steigerung des intralabyrinthären Druckes werden,
wie B. durch eigene Versuche im Helm hol tz'schen Labora-
torium beobachtet haben will, der Steigbügel und das runde
Fenster fest nach aussen gedrängt. Da nun in den späteren
Stadien des chronischen Katarrhs die Labyrinthfenster mehr oder
weniger starr werden, wodurch eine Ausgleichung des intra-
labyrinthären Drucks erschwert wird, so kommt es durch Com-
pression der häutigen Halbcirkelkanäle zur Entstehung von
Schwindel. Das Hörvermögen kann früher verloren gehen als
die Gleichgewichtsfunction des inneren Ohres. Jedenfalls stellt
der Schwindel die chronologisch letzte unter den durch den
chronischen Mittelohrkatarrh hervorgerufenen Erscheinungen dar.
Auf dem von Schwindel befallenen Ohr bestehen gewöhnlich
hochgradige Schwerhörigkeit beziehungsweise Taubheit und Ohr-
geräusche. Der erste Schwindelanfall ist in der Regel mit einer
Zunahme der subjectiven Geräusche verbunden. Die Dauer des
Anfalls schwankt zwischen einigen Minuten und einer halben
Stunde. Nausea wird bei den ersten Anfällen, namentlich wenn
dieselben von kurzer Dauer sind, nicht regelmässig beobachtet.
Werden die Anfälle häufiger und heftiger, so tritt auch Nausea
und Erbrechen ein, häufig verbunden mit Gollapszuständen, aber
ohne Verlust des Bewusstseins. Der letztere Umstand dient in
zweifelhaften Fällen zur differentiellen Diagnose zwischen Ohr-
schwindel, Apoplexie und Epilepsie. Der Pat. hat die Neigung,
bei dem Anfall nach dem kranken Ohr zu fallen, sind beide
Ohren erkrankt, so besteht vollständige Unfähigkeit zu gehen.
286 XX. Besprechaogen.
Der erste Anfall wird vielfach in seinem Wesen nicht erkannt
nnd anf Yerdaunngsstörnngen bezogen. Bei näherer Nachfrage
lässt sich aber feststellen, dass der betreffende Patient schon
l&ngere Zeit an Taubheit nnd Ohrgerftnsohen leidet. Das oto-
skopische Bild lässt in den meisten Fällen Trübung, Verdickung
und Einziehung des Trommelfells erkennen. Die Einziehung
ist hier die mechanische Ursache ftlr die Entstehung des
Schwindels; infolge der Retraction der Gehörknöchelchenkette
wird der Steigbügel nach innen in das ovale Fenster gedrückt.
Während nun unter normalen Verhältnissen bei stärkerem Ein-
wärtsdrücken des Steigbügels in das ovale Fenster oder bei
einer durch Lymphstauung bedingten intralabyrinthären Druck-
steigerung eine Gompensation stattfindet durch Ausweichen
des runden beziehungsweise des ovalen Fensters nach der
Paukenhöhle zu, ist bei abnormer Fixation des Steig-
bügels und bei Regidität des runden Fensters dieser Aus-
gleich nicht möglich, die Compression der Endolymphe führt
durch Reizung der Ampullennerven zur Entstehung von
Schwindel.
Das Zustandekommen des Schwindels bei chronischer Mittel-
ohreiterung erklärte B. in derselben Weise wie beim chronischen
Katarrh, durch mechanischen Druck auf das Labyrinth und
dadurch hervorgerufene Reizung der Nervenenden in den halb-
cirkelförmigen Kanälen. Hammer und Amboss sind oft mit
geschwollener Schleimhaut und Granulationen bedeckt und durch
Synechien unter einander und mit der inneren Paukenhöhlenwand
verbunden. Die Blutgefässe der Paukenhöhlenschleimhaut sind
bei chronischen Eiterungen stark gefüllt, und da diese (befasse
mit den Blutgefässen des Labyrinths eng verbunden sind (? Ref.),
so greift die Hyperämie auch auf die letzteren über und führt
durch Steigerung des intralabyrinthären Drucks zur Entstehung
von Schwindel. Reizung und Hyperämie des Labyrinths mit
folgendem Schwindel und Nystagmus kann ferner auch bedingt
sein durch Fortleitung der Entzündung aus der Paukenhöhle
durch, cariöse Stellen im horizontalen Bogengang oder an der
Labyrinthwand.
In der Annahme, dass die Ursache des Schwindels eine
rein mechanische wäre, entfernte Burnett den Amboss in der
Absicht, dadurch eine Entlastung des Steigbügels zu erzielen,
eine Operation, die er auch in Verbindung mit der Excision des
Hammers und des Trommelfells in Fällen chronischer Eite-
XX. Besprechungen. 287
rung zur Verhütung und Heilung von Antrum- und Mastoid-
erkrankungen empfahl. Die Operation selbst beschrieb Burnett
in folgender Weise: Aethernarkose, Deslnfeotion des äusseren
Gehörgangs. Wenn das Trommelfell nicht perforirt ist (beim
chronischen Katarrh), beginnt der Einschnitt dicht hinter dem
Processus breyis, führt längs der Peripherie nach hinten unten
bis unterhalb einer horizontal durch den Umbo gezogenen Linie.
Die Blutung fehlt gewöhnlich ganz oder ist gering. Der so ge-
bildete Lappen wird mit Hülfe einer Sonde nach innen gegen das
Promontorium geschlagen. Auf diese Weise wird das Amboss-Steig-
btigelgelenk sichtbar gemacht. Nun folgt die Trennung der Grelenk-
verbindung zwischen Amboss und Steigbügel. Die Entfernung des
Amboss erfolgt in der Weise, dass der lange Ambossschenkel mit
einer besonders dazu construirten Zange gefasst und vorsichtig
nach unten und aussen gezogen wird. Bei chronischen Eiterungen
sollte gleichfalls zuerst der Amboss entfernt und dann erst der
Trommelfellrest mit dem Hammer excidirt werden. Burnett
hat die Operation in 27 Fällen von Ohrschwindel ausgefllhrt,
und zwar meist bei chronischem Katarrh; immer mit gutem
Erfolg. Er habe nur bei hochgradigem und schon lange be-
stehendem Schwindel operirt. Theobald war der Ansicht,
dass der Fixation des Steigbügels im ovalen Fenster vielfach
ein übertriebener Einflass auf das Zustandekommen von intra-
labyrinthärem Druck und dadurch ausgelöstem Schwindel bei-
gemessen würde.
7. Bandall (Philadelphia). Klinische Anatomie der Tuba
Eustachii.
lieber das topographisch-anatomische Verhalten der Tube
^sollen nach R. vielfach falsche Ansichten verbreitet sein.
Manche hätten sogar eine variabele Lage des Tubenmundes
Angenommen, ohne einen anatomischen Beweis dafür erbracht
2U haben, ausgehend allein von der klinischen Erfahrung b^m
Katheterisiren. Eine Erklärung hierfür erblickte Band all in
den mannigia,ltigen Bildungsanomalieen gewisser als Richtschnur
beim Katheterisiren benutzter Nasen- und Bachenpartieen. In
Anbetracht der Thatsache, dass die die obere und seitliche
Begrenzung des Bachens bildenden Theile der knöchernen
Schädelbasis in ihrer Configuration grosse Gonstanz erkennen
Hessen, glaubte Verf. etwaige Varietäten in der Lage des Tuben-
mundes lediglich auf Anomalien in der Structur des Ostium
288 XX. BesprecbuDgen.
tubae selbst zurückfahren zu müssen, und v^ies in dieser Hinsicht
auf die Verschiedenartigkeit des Tubenknorpels und der auch
nach der Menge des eingelagerten Drüsengewebes individuelle
und Altersunterschiede zeigenden Schleimhaut hin. Den Schluss-
satz bildete die Behauptung, dass anatomische Varietäten der
Tuba Eustachii relativ selten und klinisch unwichtig wären.
13.
Körner, Die Veränderungen an der Sehnervenscheibe
bei den otogenen Erkrankungen des Hirns, der Hirn-
häute und der Blutleiter. 73. Bd. des deutsehen Archivs
f&r klinische Medicin.
Besprochen von
Dr. E. Hansen in Hamburg.
Wie die Halle'sche Ohrenklinik im LIII. Band dieses Archivs
ihr Material in Bezug auf das Verhalten des Augenhintergrun-
des bei den otitischen endocraniellen Erkrankungen veröffent-
licht hat, so sind nun auch von Eoerner an oben genannter
Stelle seine diesbezüglichen Beobachtungen bekannt gegeben.
Was die Nomenclatur betrifft, so spricht Eoerner nicht
mehr wie in der II. Auflage seines bekannten Buches nur von
Neuritis optica und Stauungspapille, sondern bedient sich im
Allgemeinen des nichts präjudicirenden Ausdrucks „Verände-
rungen'^ an der Sehnervenscheibe. Ob Eoerner neben Neu-
ritis optica und Stauungspapille noch eine 3. Eategorie unter-
scheidet, die wir als „leichte Papillenveränderung^ bezeich-
nen möchten, ist uns nicht recht ersichtlich gewesen. Nach
unseren Erfahrungen halten wir diese Unterscheidung fllr zweck-
mässig, weil der begutachtende Augenarzt — wenigstens bei uns
in Halle — oft deutliche ophthalmoskopische Veränderungen con-
statirte, ohne dass er dieselben bereits als Neuritis optica hätte
bei^ennen wollen, und weil diese leichten Papillenveränderungen
eine grosse praktische Bedeutung besitzen.
Die Eoerner 'sehe Casuistik umfasst 34 Fälle, von denen
9 Fälle, also 26,5 Proc, abnormen Augenhintergrund zeigten,
während unter den 97 Halle'schen Fällen 45, also 46,4 Proc, sol-
chen aufwiesen. Es würde zu weit führen, die Resultate der
beiden Untersuchungen hier im Einzelnen zu vergleichen, aber
zwei Ansichten Eoerner 's, die er in der Einleitung seiner Ar-
beit ausspricht, die eine betreffs der Dignität seines Materials,
XX. Besprechungen. 289
die andere betreffe der Methode der Gruppirung der Fälle, ver-
langen, so seheint mir, eine eingehendere Besprechung.
In Bezug auf die Dignität seines Materials sagt Eoerner
S. 571 1. c. wörtlich: „Die hierzu brauchbaren Fälle sind nicht
so zahlreich wie die der Schwartze'schen Klinik; ihre gerin-
gere Zahl wird dadurch aufgewogen, dass die Augenunter-
suchungen ausschliesslich von geübten und erfahrenen Augen-
ärzten vorgenommen und in nicht wenigen Fällen bis zur völligen
Heilung oder bis zum Tode regelmässig wiederholt worden sind.*'
Dasselbe lässt sich ohne Einschränkung von dem Halle'schen Ma-
terial sagen, und da Eoerner meine Arbeit gelesen hat, so ist
mir die Entstehung seines Irrthums nicht verständlich.
In Bezug auf die Mitwirkung der Augenärzte in der Halle-
schen Ohrenklinik bei Erhebung der ophthalmoskopischen Be-
funde habe ich in der Einleitung wie folgt geschrieben: „Die
Notizen in den Erankengeschichten über den Augenhintergrunds-
befund wird man vielfach recht spärlich finden, dafür sind die-
selben , ich darf wohl sagen , ausnahmslos, von augenärzt-
licher Seite controllirt und dürfen somit als besonders zuver-
lässig gelten.^ Es ist mir nicht erinnerlich, ophthalmoskopische
Notizen gebracht zu haben, bei denen nicht der Name des con-
troUirenden Augenarztes verzeichnet gewesen wäre. Des Wei-
teren habe ich Seite 278 auseinandergesetzt, welchen grossen
Werth der Chef der Halle*schen Ohrenklinik der ophthalmosko-
pischen Untersuchung zumisst, und welche Forderungen er in
dieser Richtung an seine Assistenten stellt.
Was nun die Fortführung der ophthalmoskopischen Unter-
suchung betrifft, so, glaube ich, hält auch hier das Halle'sche
Material den Vergleich mit dem Eoerner 'sehen aus. Das
Halle'sche Material ist so publicirt, dass eine Nachprüfung Jedem
überall leicht möglich ist« Die ophthalmoskopischen Notizen sind
alle, wie ich sie in den Erankengeschichten fand, jede mit dem
Datum der Erhebung des Befundes, in der Liste der Fälle leicht
auffindbar, mitgetheilt, und überdies sorgen die überall im Text
beigefügten Tabellen für die Erleichterung dieser Feststellungen.
Ich darf mich deswegen hier der Aufzählung der nicht wenigen
Fälle enthalten, in denen auch in Halle die Augenuntersuchun-
gen „bis zur völligen Heilung oder bis zum Tode regelmässig
wiederholt worden sind''.
Wenn ich bei Abfassung meiner Arbeit die Spärlichkeit der
ophthalmoskopischen Notizen bedauerte, so kann dies doch nicht
290 XX. BesprechiiDgen.
missverstanden werden. Die Erankengescbiohtea werden nirgends
beständig im Hinblick anf eine später vielleicbt einmal vorzn-
nehmende obliegende Untersnchang gesobrieben; jeder bält sieh
an die Hauptsacbe und befleissigt sich der Eflrze, und manehe
thatsächlieh erfolgte Feststellung, die nichts Besonderes bot, wird
nicht gebucht. Die Lücken der Unterlagen werden sich bei dieser
wie bei jeder anderen Untersnchnng immer dem o£fenbaren, der
tiefer in den Gegenstand einzudringen sich bemüht, sie behin-
dern ihn in seinen Schlussfolgernngen und werden darum sein
Bedauern erregen.
Wenn ich mir das Koerner'sche Material ansehe, soweit
das bei der kurzen Zusammenfassung desselben möglich ist, so
habe ich nicht den Eindruck, dass dasselbe höher einzuschätzen
wäre. Eoerner selbst muss die Lücken seines Materials em-
pfunden haben; wenn nicht, so würde ich mir dies nur durch
die mehr summarische Bearbeitung desselben erklären können«
In manchem Fall ist „oft^ ophthalmoskopirt, wo die Untersuchung
meines Erachtens eher unterbleiben durfte, als in anderen Fällen,
wo nur einmal untersucht worden ist. Im Fall 30 (uncompli-
cirter Extraduralabscess) ist einmal, aber erst am Tage nach der
Operation ophthalmoskopirt, im Fall 4 (uncomplicirter Extra*
duralabscess) trotz der schon am Operationsiag bemerkten Ab-
ducenslähmung gar erst am 37. Tage nach der Operation und
nur einmal trotz des abnormen Befundes; im Fall 12 (Phlebitis
und Thrombose des Sinus transversus mit Pyämie) ist nur ein-
mal und zwar am 1. Tage nach der Operation untersucht, im
Fall 31 (Phlebitis und Thrombose des Sinus transversus) nur ein-
mal am Tage vor der Operation, obwohl bei der Operation der
incidirte Sinus stark blutete und tamponirt wurde, und im Fall 2
(Sinusphlebitis mit Extraduralabscess und Leptomeningitis) nur
einmal am 5. Tage nach der Operation, 2 Tage vor dem Auf-
treten der meningitischen Symptome trotz des vorhandenen ab-
normen Befundes ; endlich ist im Fall 9 (uncomplicirter Schläfen-
lappenabscess) zweimal untersucht und zwar beide Male erst
nach der Entleerung des Abseesses. Am häufigsten und am
regelmässigsten ist in den Fällen Nr. 21, 25 und 29 untersucht
worden, nämlich 5, 7, bezw. 9 mal. 2 dieser Fälle gehören zu
den räthselhaften Fällen unserer Gruppe Y, bei denen natürlich
überall besonders oft ophthalmoskopirt wird. Ich bitte, diese
Fälle unserer Liste anzusehen: in den Fällen 19, 23, 57, |46 ist
4, 7, 5, bezw. 6 mal untersucht.
XX. Besprechungen. 291
Soviel hierüber — und nun noch einige Worte zur Frage,
wie bei Bearbeitung des vorliegenden Themas das Material zu
gmppiren ist. Diese methodologische Frage ist nicht unwichtig;
denn von der Art ihrer Lösung hängt es meines Erachtens nicht
am wenigsten ab, ob solche Untersuchungen zu brauchbaren Re-
sultaten führen. Je grösser das Material, um so schwieriger ist die
Gruppirung, aber auch um so nothwendiger.
Ich bin bei der Gruppirung, wie ich Seite 252 auseinander-
gesetzt habe^ so vorgegangen, dass ich nach der zur Zeit der
Feststellung des ophthalmoskopischen Befundes vorhandenen und
diesen also wohl bedingenden otitischen Hirnkrankheit den Fall
in die entsprechende Krankheitsgruppe einreihte. Wo mehrere
otitische Hirnkrankheiten vorlagen, habe ich diejenige Hirn-
krankheit, die im Hinblick auf Verlauf und Ausgang die
grössere Bedeutung besass, für die Wahl der Gruppe entschei-
dend sein lassen, natürlich unter Aufstellung der erforderlichen
Unterabtheilungen bei den verschiedenen Gruppen. Wenn nun
Koerner bei Besprechung meines Vorgehens statt „Hirn-
krankheit**, wie da deutlich zu lesen ist, „Krankheit" citirt,
so lässt er mich etwas vertreten, was Niemand vertreten kann ;
denn eine Lungenmetastase bei einem Fall otitischer Pyämie,
die entscheidend für den Verlauf und Ausgang des Falles ge-
wesen ist, kann natürlich nicht als Ursache von etwa vorhanden
gewesenen Papillenveränderungen angesehen werden, wohl aber
jede otitische Hirnerkrankung; bei dem derzeitigen Stande un-
seres Wissens sind wir nicht berechtigt, irgend eine der otitischen
endocraniellenOomplicationen in dieser Beziehung auszuschliessen.
Wie verfährt nun Koerner? — Er sondert seine Fälle in
2 Hauptgruppen, die der uncomplicirten und die der complicirten
Fälle. Die uncomplicirten Fälle sondert er dann allerdings nach
der vorhandenen Hirnkrankheit, dagegen werden die complicir-
ten Fälle ohne jede Gruppirung — „die Reihenfolge in der Nen-
nung der gleichzeitig vorhandenen Erkrankungen ist dabei", so
sagt Koerner, „willkürlich" — in eine Liste gebracht.
Bei einer kleinen Zahl von Fällen mag dabei die Ueber-
sicht noch möglich bleiben, aber was, frage ich, will der Unter-
suchende gegenüber einer solchen kunterbunt zusammengewür-
felten Liste von 40 oder mehr complicirten Fällen beginnen? —
Da kommt man nicht weiter ohne Classification; man hat zu
unterscheiden und zusammenzustellen wie überall, wo man vor
einer verwirrenden Fülle von Einzelerscheinungen nach Erkennt-
Archiv f. OhrenheQknnde. LV. Bd. 20
292 XX. BcsprechaBgen.
niflg strebt. Jedes Eintheilangsprincip ist mehr oder minder will-
ktlrlieh und fehlerhaft, aber es gilt aueh nur so lange, bis ein
besseres gefunden ist. Dass das Koernen'sehe das bessere ist,
das mnss ich bestreiten. Eoerner weieht auch selbst davon ab in
Bezug auf die Leptomeningitis und den Himabsoess; denn dort er-
scheinen aueh eoroplioirte FAlle, nicht aber bei der Sinnstbrombose.
Auch sonst im Einzelnen ist in dieser Biehtnng Manches zu
beanstanden. In Bezug auf Fall Nr. 4, 25 und 29 äussert er ja
selbst Bedenken. Die Fälle Nr. 4 und 29, bei denen erst nach
der Operation des Extraduralabseesses, im Fall 4 am 37. Tage
nach der Operation, im Fall 29 am 13. Tage nach der Operation
Papillenyerändemngen eonstatirt wurden, werden zu den uncom-
plioirten Extraduralabscessen gezählt. Ebenso ist die Zugehörig-
keit des Falles 25 zu dieser Gruppe zweifelhaft; denn die erste
ophthalmoskopische Untersuchung scheint auch hier nach der
Fassung der Notiz — es wird von der nicht operirten Seite ge-
sprochen — wohl am Operationstage, aber erst nach der Opera-
tion erfolgt zu sein, und die bei dieser ersten Untersuchung be-
reits constatirten leichten Papillenveränderungen nehmen in den
nächsten Tagen zu. Diese Fälle gehören doch wohl in eine be-
sondere Gruppe; sie entsprechen unserer Gruppe V.
Unter den eomplicirten Fällen von Leptomeningitis pnrn-
lenta wird Nr. 2 — Sinusphlebitis mit Extraduralabscess in der
hinteren Schädelgrube und Leptomeningitis — geführt, der nur
einmal 5 Tage nach der Operation und 2 Tage vor dem Auf-
treten der meningitischen Symptome ophthalmoskopirt wurde.
In 4 Fällen (Seite 252) habe ich nicht anders verfahren zu
können geglaubt, als dass ich dieselben in 2 Gruppen gefbhrt
habe. Eoerner scheint das nicht zu billigen; denn er schreibt:
„Von den eomplicirten Fällen wird in der Tabelle jeder nur ein-
mal angeführt.^ Trotzdem hat Eoerner hernach seinen Fall
Nr. 1 zweimal gef&hrt, einmal als complicirte Leptomeningitis,
und einmal als eomplicirten Schläfenlappenabscess. Dies letzte
Mal hätte er aber dann als uncomplicirter Schläfenlappen-
abscess geführt werden müssen.
Zum Schluss habe ich zusammenfassend zu sagen, dass E Ger-
ne r's Ansicht von dem höheren Werth des Bostocker Materials im
Vergleich mit dem Halle'schen gänzlich unbewiesen geblieben und
darum unberechtigt ist. DieArt, inderEoerner sich Material grup-
pirt hat, erscheint mir nicht glücklich gewählt und nicht nach-
ahmenswertb.
XXI.
Erwiderung an Dr. Iwan Braunstein auf dessen Be-
sprechung meiner Arbeit: „lieber letale Ohrerkran-
kungen" (8. d. Arch. Bd. LIV. S. 307).
Von Dr. Heiman.
Eine sti'eng objective und auf wissenschaftliche Grundsätze
gestützte Kritik, mag dieselbe den sie Betreffenden noch so un-
angenehm berühren, verdient jede Achtung und Würdigung.
Wenn aber Jemand fast ausschliesslich seinen subjeetiven Em-
pfindungen freien Lauf giebt, wenn eine Besprechung in der Art
und Weise durchgeführt wird und in dem Tone gehalten wird,
wie es der Herr Braunstein bei der Besprechung meiner Ar-
beit: „lieber letale Ohrerkrankungea" thut, in solchem Falle
scheint jede Erwiderung tiberflüssig zu sein; eine solche Kritik
verdient höchstens ein verächtliches Achselzucken. Wenn ich
mich trotzdem zu einer Erwiderung entschlossen habe, so thue
ich es hauptsächlich deshalb, um den Lesern dieses Archivs einige
Proben von dem wissenschaftlichen und ethischen Werthe der
Besprechung zu liefern. Gleichzeitig bitte ich die geehrten Leser
um Entschuldigung, ihnen ihre Zeit mit bekannten Dingen zu
rauben, die aber dem Kritiker meiner Arbeit fremd zu sein
scheinen. —
Sollte doch vor Allem der Kritiker wissen, dass Vorwürfe
unrichtiger Anflichten, ohne entsprechende Begründung ihrer Un-
richtigkeit überhaupt werthlos sind. Es genügt nicht dazu, ein-
zelne, willkürlich aus dem Zusammenhange gerissene Sätze zu
citiren und sie für unrichtig zu erklären. Solche apodiktische
Aeusserungen sind noch bis zu einem gewissen Grade zu ent-
schuldigen, wenn von allgemein bekannten wissenschaftlichen
Ansichten die Rede ist und wenn solche Aeusserungen von For-
schern und Gelehrten gemacht werden, welche die Wissenschaft
gefördert haben. Aber in einem Abschnitte der Medicin, wie die
letalen Ohrerkrankungen, der noch lange kein abgeschlossenes
Capitel bilden wird, wo noch sehr verschiedene Meinungen herr-
20*
294 XXI. HEIMAN
sehen und weitere Beweise nnd Ergänzungen in mehreren
Pankten erforderlich sind, da reichen die leeren durch nichts
bewiesenen Yersicheningen eines Arztes, der bis jetzt meines
Wissens fast noch nichts] fiir die Wissenschaft gethan hat, in
keinem Falle ans. —
Als Beispiele ans der Menge vermeintlicher unrichtiger An-
sichten, Behauptungen und Darstellungen giebt Kritiker Folgen-
des an.i)
Ist ein ganz gesundes Individuum mit chronischer
Ohreiterung behaftet, so dringt der Erankheitspro-
cess in die Tiefe, und wenn er sich dahin sogar ver-
breitet, zeigt er mehr Tendenz zur schützenden, als
zur zerstörenden Wirkung.
Dieser Passus, der bei der Beschreibung der Ursachen der
letalen Complicationen sich befindet, steht in unmittelbarer Ver-
bindung mit dem von ihm citirten Satze, wo es heisst: „Ob-
gleich die letalen Ohrerkrankungen entschieden bei ganz gesun-
den Individuen sich entwickeln können und auch zur Entwicke-
lung kommen, begegnen wir ihnen jedoch häufiger bei anämischen,
kachektischen , tuberculösen, syphilitischen, scrophulösen Perso-
nen, häufig auch bei Alkoholikern. — Wenn also in meiner Be-
schreibung die Bede von ganz gesunden Individuen war, so ist
es doch sehr begreiflich, dass darunter nur die mit den eben
erwähnten krankhaften Zuständen nicht belasteten Personen ge-
meint waren.
Albert Robin (Des affections G6r6brales conseoutives aux
läsions non traumatiques du rocher et de Fappareil auditif. 1883.
p. 62) drückt sich in folgender Weise über diesen Punkt aus:
En effet, chez un individu normal, une otite, mSme chronique,
n'attaque le rocher que dans des cas relativement rares, si eile
Tatteint, si mSme Tinflammation va plus haut toucher la dure-
möre, le processus tendra, du cötö de Tos et de la meninge, a
une Organisation presque defensive; si au contraire le malade
est scrofuleux ou tuberouleux, Totite devient facilement ulc6reuse
et näcrosique etc.
Politzer (Handbuch der Ohrenheilkunde, 4. Ausgabe. 1901.
S. 404) schreibt: „Dass trotz ausgedehnter, bis knapp an die
harte Hirnhaut reichender Zerstörungen im Felsenbein, häufig
keine letal endenden Complicationen eintreten, wird nur dadurch
1) Jedem citirten Beispiele wird eine entsprechende Erwiderung beige-
legt. Die Beispiele des Referenten sind gesperrt gedruckt.
Erwiderung an Dr. Iwan Braunstein. 295
möglieh < dass während des Andringens . der Knoehenulceration
gegen die Dura mater, Bindegewebs Wucherungen um den Se-
qnestrationsherd sieh entwickeln, welche einen Schutzwall
^egen den Eiterungsprocess bilden .... Aehnliche Veränderun-
gen: Neubildung von Bindegewebe, Hyperostose und Osteoskle-
rose finden sich auch an anderen Stellen des Felsenbeins ....
Steinbrügge (Gitat nach Jacobson 's Handbuch der Ohren-
heilkunde, 2. Ausgabe. S. 340): In derselben Weise, wie der in
der Nachbarschaft des cariösen Herdes gelegene Knochen, wer-
den in Folge reactiver Entzündung auch die vom Durchbruch
bedrohten Partien der Dura mater, der Gefässe . . . . , welche in
der Nähe liegen und daher in den ulcerativen Process leicht
hineingezogen werden können, verdichtet und hierdurch bis zn
einem gewissen Grade geschützt u. s. w.
Körner (Die otitischen Erkrankungen des Hirns u.s.w. 2. Auf-
lage. 1896. S. 23): Die eburnisirende oder sklerosirende Otitis,
welche man fast stets neben chronischen Eiterungen im Antrum
und in der Paukenhöhle findet, kann ebenfalls ein Hinderniss
ftir die Entleerung des Knocheneiters nach aussen finden
In anderen, und wie es scheint, in viel häufigeren Fällen,
gebietet sie jedoch dem Fortschreiten der Eiterung auch nach
Innen Halt.
Ist der extradurale Abscess in Folge Zerstörung
der Knochenwände entstanden, oder zeigt sich der
Knochen intact, die Dura ist imm'er alterirt, sie ist
hyperämisch, trübe, schmutzig, grünlich, oder
schmutziggrau, wie der ihr aufliegende Knochen.
Politzer (1. c. S. 473): „Am häufigsten erfolgt die Infection
des Schädelinhaltes direct durch die fistulös durchbrochenen
Knochenwände des Schläfenbeins gegen die Dura und den Sinus
transversus, seltener ohne nachweisbare Läsion des Kno-
chens auf dem Wege der Blut- und Lymphbahnen ^ Dass
bei intaetem oder wenig alterirtem Knochen, gewöhnlich auch
die Veränderungen an der Dura mater schwach ausgesprochen
sind, das ist ja selbstverständlich, und es ist wirklich schwer zu
verstehen, um was es dem Referenten in diesem Satze geht. Er
wird es mir doch wohl nicht zumuthen, dass ich der Meinung
bin, dass bei intaetem Knochen die Dura mater grünlich oder
schmutziggrau sei. —
Und oft befindet sich diePia mater in unmittelbarer
Berührung mit der Trommelhöhlenschleimhaut. —
296 XXI. HEIMAN
Albert Robin (I. c. p. 32): On a mgme vn la dure-mßre
gangrenäe, decoll6e oa detroite dans nne grande ätendtte de sa
Burfaee, et s'il n'j a pas de coileetion pnrnlente entre Tos et la
dnre-mSre, Farachnoide viendra se mettre en eontaet direct avec.
la maquense de roreille moyenne, eomme Fa va Toynbee.
Körner (1. c. S. 107): Bei der anatomiseh festgestellten di-
recten Commnnieation zwischen dem Hirnabscesse und der Panken-
oder Warzenhöhle ....
leh habe einige Mal bei nlcerös-nekrotischen Processen am
Tegmen tympani und am Tegmen mastoidei gesehen, dass der
Knochen und die Dura auf einer recht grossen Strecke zerstört
sind, die Dura ist durch adh&sive Entzündung mit der Arach-
noidea verklebt, und letztere communicirt unmittelbar mit der
Trommelhöhle.
Hirndxuckerscheinungen sind selten, kommen nur
bei Kindern vor. Ich habe sie bei Erwachsenen in dem Sinne,
dass man sie entschieden vom Extraduralabseess machen könnte,
bisher nicht beobachtet.
K ö r n e r (1. c. S. 34) : Auch Erscheinungen gesteigerten Hirn-
drucks und localisirbare Hirnsymptome fehlen den extraduralen
Abscessen am Schläfenbeine häufig. Bei Kindern sind sie öfters
vorhanden oder stärker ausgebildet, als beim Erwachsenen ,
viel wichtiger, aber selten vorhanden, sind äussere locale Sym-
ptome. —
Grün er t (Encyklopädie der Ohrenheilkunde von Blau.
S. 103): Wenn wir die an früherer Stelle aufgezählten Allgemein-
symptome, sowie auch die beim Extraduralabseess beobachteten
Gerebralerscheinungen Überblicken, so sehen wir, dass kein ein-
ziges Symptom etwas Pathognostisches bot. —
Der Hirnabschnitt, welcher mit dem Eiter in Be-
rührung sich befindet, ist auf seiner Oberfläche
dunkler als die nicht afficirten Theile und mit rothen
Pünktchen besät; auch ist die Hirnsubstanz auf um-
schriebener oder mehr diffuser Strecke erweicht.
Jürgensen (Lehrbuch der speciellen Pathologie und The-
rapie. S. 98, 99) : Entzündungen der weichen Hirnhäute beschrän-
ken sich kaum je auf diese. Das Hirn selbst, in erster Linie
seine Rinde zeigt sich mindestens functionell, gewöhnlich auch
nachweisbar geweblieh betheiligt. Die Ursache liegt darin, dass
die Bltttversorgung eine gemeinschaftliche ist, und die enge Nach-
barschaft üebertragung entzündlicher Vorgänge ausserordentlich
Erwiderang an Dr. Iwan Braanstein. 297
begünstigt, ja kanm yermeidlieh macht. Ea ist daher im Grunde
stets eine Meningoencephalitis Die Bindensnbstanz des Ge*
hirns ist an den von der Entzündung betroffenen Theilen ent-
weder serös durohfenehtet oder sie nimmt in höherem Grade
an der Entzündung theil — Eneephalomeningitifi« Man findet
dann Herde rother und weisser Erweichung in den yersehiedenen
Stadien der Entwiokelung — vielleicht auch Abscesse.
Maoewen (Die infeotiös- eitrigen Erkrankungen des Ge-
hirns u. s. w. Deutsche Ausgabe) : Ferner treten im Gefolge der
eitrigen Meningitis häufig Blutungen auf, und zwar kleinere in
den periyasoul&ren Seheiden, grössere in der fiimsubstanz selbst,
letztere sind gewöhnlich von einer Erweiohungszone umgeben
(S. 89).
Die Ausdehnung des Exsudats ist anfSElnglich auf das Ge-
webe der Arachnoidea und auf die Spalten und Zwischenräume
der Pia mater beschränkt. Weiter kann es die Hirnoberfiäche
erreichen Die darunter liegende Hirnsubstanz ist dann teigig
und weich (S. 88).
Die auf Infection beruhende Leptomeningitis zieht die Hirn-
substanz stets in Mitleidenschaft, besonders die Rinde, welche
dadurch bedeutenden entzündlichen Veränderungen unterliegt ....
Ferner treten im Gefolge der eitrigen Meningitis häufig Blutun-
gen auf, und zwar kleinere in den perivasculären Scheiden,
grössere in der Hirnsubstanz selbst (S. 89). —
Brieger (Encyklopädie der Ohrenheilkunde. S. 245) : Häufig,
mikroskopisch vielleicht immer findet sich bei eitrigen Meningi-
tiden Oberflächenerweichung der Rinde .... Die PiagefiLsse sind
bei der Meningitis meist stark gefüllt.
Bei Leptomeningitis convexitatis kommen mono*
und hemiplegische Lähmungen und Paresen zum Vor-
schein. Fast ohne Ausnahme ist vor allen anderen
Symptomen Nackenstarre vorhanden. In dem letzteren
Satze ist wirklich ein Gorrecturfehler , und zwar sollte es statt
vor, neben heissen.
Jacobson (Handbuch der Ohrenheilkunde, 2. Aufl. S. 418):
Ausser diesen allgemeinen Hirnsymptomen beobachtet man häufig
mitunter bereits früh Lähmungs* und Reizungserscheinungen im
Gebiete der Hirnnerven ferner als Ausdruck einer Erkran-
kung des Gehirns, und zwar vorzugsweise der Gehirnrinde Zuck-
ungen mono- oder hemiplegische Lähmungen Bei Ba*
salmeningitis kommen halbseitige Lähmungen (Hemiparesen und
298 XXI. HEIMAN
Hemiplegien), wie sie bei der Meningitis der Convexität mitunter
schon sehr früh auftreten, nicht vor.
Politzer (1. c. S. 479, 480): Schliesslich kommt es zu Läh-
mungen, und zwar entweder zur L&hmung einzelner Extremitäten
oder zur Hemiplegie Die Ausbreitung der Meningitis auf
die entgegengesetzte Hirnhemisphäre erklärt es, dass manchmal
Lähmung der Extremitäten an der dem erkrankten Ohre ent-
sprechenden Eörperhälfte auftreten.
Körner (1. c. S. 45): Bei Betheiligung der Convexität kommt
es oft zu gekreuzten Reizungs- und Lähmungserscheinungen.
Was die Nackenstarre betrifft, sagt Körner (1. e. S. 44): Die
übrigen Symptome .... Unruhe, Aufregung Nackenstarre,
halbseitige Lähmungen
Joil (Enoyklopädie der Ohrenheilkunde. S. 61): Zu unter-
scheiden von dem Caput obstipum ist die Nackensteifigkeit, die
wir bei den verschiedenen Erkrankungen des Hirns und seiner
Häute, besonders gewöhnlich bei der Leptomeningitis puruL
auftreten sehen.
Ich persönlich habe die Nackenstarre in jedem Falle von
Leptomeningitis neben anderen Symptomen beobachtet.
Entsteht die diffuse Leptomeningitis in Folge
von Berstung eines Hirnabscesses auf die Oberfläche
oder in einen Seitenventrikel, so ist der Verlauf blitz-
artig — die Kranken sterben in einigen Stunden;
höchstens leben sie noch einen Tag.
Körner (1. c. S. 124): Der Einbruch des Abscesseiters in den
Arachnoidealraum erfolgt da, wo der Abscess der Hirnoberfläche
gewöhnlich am nächsten kommt Der Durchbruch ftlhrt zur
Leptomeningitis purulenta, die jedoch selten erhebliche Ausdeh-
nung gewinnt, da der Tod meist bald nach dem Durchbruche
eintritt.
Maoewen (1. c. S. 146): Dieses Stadium kann innerhalb 6 bis
12 Stunden von den ersten Anzeichen des Abscessdurchbruches
an bis zum Exitus letalis verlaufen.
Der acute oder chronische Eiterungsprocess im
Ohre, der normale oder krankhafte Zustand des Schlä-
fenbeins, ist ohne Bedeutung für die Entwickelung
der Leptomeningitis diffusa.
Körner (\. e. S. 46): Die Art der ursächlichen Knochen-
krankheit hat für die Erkennung der Meningitis keine grosse
Bedeutung, da acute wie chronische Eiterungen mit und ohne
Erwiderung an Dr. Iwan Braunstein. 299
Betheiligung des Knochens, ja Entzündungen der Paukenhöhle
mit serösem Secrete zur Meningitis fähren können.
Bei Eleinhirnabscessen wird ausserdem in man-
chen Fällen plötzliche Zunahme der Schwerhörigkeit
des Ohres der entgegengesetzten Seite, wie auch
plötzliche Verbesserung des Gehörs auf der kranken
Seite beobachtet (Lucae, Herpin). —
Lucae (A. f. 0. Bd. II. S. 81): Herpin, Abc6s du cervelet
consecutif a une lesion du rocher, Bulletin de la Soc. anat. de
Paris 1875, Faso. I. — Referent hält diese Angaben fftr unrichtig,
ich verweise ihn deshalb auf Okada's Diagnose und Chirurgie
des otogenen Eleinhirnabscesses (Klinische Vorträge von Hang,
3. Bd. 10, Heft. S. 65—67), wo noch ein Fall von Schwartze
erwähnt wird. Ich habe nur wiederholt, was Okada in dieser
Hinsicht angegeben hat. Derselbe sagt: Ferner sind noch zwei
Punkte über eigenthümliche Gehörsalterationen bei Eleinhirn-
abscessen zu erwähnen. Der erstere davon ist die plötzliche Zu-
nahme der Schwerhörigkeit u. s. w.
Nicht selten werden Sprachstörungen beobachtet.
Okada (1. c. S. 49, 50): Bei Eleinhirnabscessen können auch
Sprachstörungen vorkommen ..... Es kann auch ausserdem beim
Eleinhirnabscess ein vorübergehender vollständiger Verlust der
Sprache oder ausgeprägte Articulationsstörung vorkommen. —
Der Hirnabscess unterscheidet sich vom extra-
duralen Abscess bei Erwachsenen dadurch, dass letz-
terer fast nie von allgemeinen oder localen Sympto-
men eines erhöhten intracraniellen Druckes begleitet
wird. Das ist derselbe Vorwurf, der schon beim Extradural-
abscess gemacht wurde.
üebBigens kann sich der Eritiker von der Unrichtigkeit
seiner Vorwürfe aus jedem grösseren Handbuche der Ohrenheil-
kunde tiberzeugen. —
Nun macht mir der Eritiker den Vorwurf, dass ich die Vena
'jugularis interna mit der externa verwechsle, und von einem
Bulbus und der Unterbindung der letzteren spreche.
Möchte der Eritiker meine Arbeit nicht mit einer gewissen
Idea praeconcepta besprechen, würde er es doch sehr leicht be-
merken, dass externa statt interna ein reiner Druckfehler ist«
Im ganzen Eapitel tiber die Sinusthrombose, wie in meiner gan-
zen Arbeit überhaupt, ist ja doch nur die Rede von der V. jugu-
laris interna. Wie könnte der Eritiker so naiv sein und mir
300 XXI. HEIMAN
zumuthen, dass ich von einem Bulbus der V. jugularis externa
und einer Unterbindung der letzteren sprechen werde I
Den mir vom Kritiker gemachten Vorwurf lückenhafte Li-
teraturkenntniss weise ich zurück.
Der Kritiker hält es sogar für komisch , dass ich mir er-
laube, meinen Namen neben Bergmann, Schwartze, Jan-
sen u. A. zu stellen, er versch'^eigt es aber, bei welcher Ge-
legenheit ich das thue. — Auf Seite 25 meiner Arbeit erwähne
ich: in vereinzelten Fällen entsteht er (der Hirnabseess) bei in-
taetem Trommelfell, und gebe die Autoren, die Aehnliches ge-
sehen haben, an, unter denen auch ich einen Fall beobachtet
habe. Auf S. 45 befindet sich der Satz: das Messer ist deshalb
der Function vorzuziehen, denn beim Stich kommt es oft vor,
dass der Abscess verfehlt wird Zwar können solche Miss-
griffe auch beim Anwenden des Messers vorkommen (v. Berg-
mann, Heiman). Unterricht in Bescheidenheit werde ich in
keinem Falle beim Kritiker nehmen, der diese Tugend nicht zu
kennen scheint.
Mit derselben tendenziösen Subjectivität bespricht der Kri-
tiker die von mir angegebenen Krankheitsgeschichten, indem er
sagt, „dass ich bei 50 Eröffnungen des Warzenfortsatzes 8 Mal
den Sinus transve^sus zufällig verletzt habe^. Würde der Kri-
tiker meine Bemerkungen auf S. 103 gelesen haben, möchte er
mir so etwas nicht zumuthen. —
Zum Schluss will ich nur noch die sprachlichen Unrichtig-
keiten und Fehler, die in meiner Arbeit vorkommen, erwähnen.
Für mich, iils Ausländer, sind dieselben schwer oder fast un-
möglich zu vermeiden. Um jedoch in dieser Hinsicht nicht zu
Verstössen, pflege ich jedesmal, wenn ich eine Arbeit in deut-
scher oder französischer Sprache veröffentliche, die entsprechende
Redaction darauf aufmerksam zu machen, dass sprachliche Fehler
in derselben vorkommen können, und bitte zugleich, etwaige Un-
richtigkeiten in dieser Richtung verbessern zu lassen. Es ist
deshalb mehr als wahrscheinlich, dass die sprachlichen Unrich-
tigkeiten, die sich auf vereinzelte Worte beschränken, wie z. B.
Hirnleiter, statt Hirnblutleiter, oder die zufallig ein einziges Mal
gebraucht wurden, wie: hyperämirt (S. 18) und sensitive
(S. 15), der Kritiker von seinem Standpunkte aus, so wie die
übrigen Vorwürfe mit sehr starken Vergrösserungsgläsern betrachtet
hat. Dass diese meine Annahme nicht unbegründet ist, beweist z.B.
das Wort „perisinusal*', welches der Kritiker für fehlerhaft hält.
Erwiderung an Dr. Iwan Braunstein. 301
Ans all dem Gesagten komme ich zu der Ueberzeugung; dass
der Kritiker meine Arbeit sehr oberflächlich gelesen hat. Ich
glaube, dass Dr. Iwan Brannstein noch ein sehr junger, theo-
retisch und praktisch wenig ausgebildeter, aber desto mehr ein-
gebildeter Herr ist auf dem Gebiete der intracraniellen Compli-
cationen der Ohrenkrankheiten. Derselbe scheint sich, weil er
bei einer der tfichtigsten und bertlhmtesten Ohrenkliniken beschäf-
tigt ist, schon dadurch selbst für sehr gelehrt zu halten. Das
ist aber ein grundsätzlicher Fehler. Die Halle'sche Ohrenklinik
hat eine Reihe tüchtiger und hervorragender Forscher und Spe-
cialisten ausgebildet, aber Herr Braunstein muss noch Vieles
sehen, entsprechend beobachten, literarisch sich ausbilden, um
Andere belehren zu wollen und zu können. Seine bisherigen
wissenschaftlichen Leistungen, wie auch seine Stellung, geben
ihm einstweilen in keinem Falle ein Becht dazu. Die Rolle des
Frosches aus der Fabel zu spielen, ist am wenigsten entsprechend
für einen Arzt, der auf einer Klinik beschäftigt ist. —
Damit schliesse ich meine Erwiderung. Etwaige neue Aus-
fälle des Herrn Braunstein werden jetzt, wie in der Zukunft
von mir vollständig unbeachtet gelassen werden.
Dr. Theodor Hei man.
XXH.
Antwort auf vorstehende Erwiderung.
Der seltsame Angriff des Herrn He im an in Warschau gegen
meine Besprechung seiner Arbeit: ^Ueber letale Ohrerkrankungen ^
zwingt mich zu einer Antwort , die aber lediglich zu seiner
Belehrung dienen soll, da für jeden sachkundigen und unpar-
teiischen Beurtheiler obiger Arbeit, meiner Besprechung und des
Hei manischen Versuchs, sich zu vertheidigen, die Sachlage
klar ist.
Zunächst will ich bemerken, dass die Halle'sche Ohrenklinik
in keinem Zusammenhang mit der hier in Frage kommenden
Besprechung steht, wie dies vielleicht nach dem Schlusspassus
der Heim aussehen Erwiderung vermuthet werden könnte.
Bezüglich der von Hei man angeführten Sätze, die seines
Erachtens von mir grundlos und unrichtig kritisirt worden sind,
muss ich vorab feststellen, dass der erste: „Ist ein ganz gesun-
des Individuum u. s. w.*' in der Erwiderung anders lautet, als
im Original und in meiner Besprechung, daher ein Beweis ist
fftr die mangelhafte Correctheit meines Gegners. Dann aber ent-
hält der Satz auch in Verbindung mit dem vorhergehenden Unrich-
tigkeiten, die dadurch nicht entschuldigt werden können, dass
irgend ein anderer Schriftsteller schon früher solche falsche An-
schauungen vertreten hat. Indem aber Heiman diesen Ansich-
ten Kobin's gefolgt ist, liefert er den Beweis von Kritiklosig-
keit, die er auch durch die Heranziehung der nicht hierher ge-
hörigen Sätze aus Politzer, Steinbrügge und Körner nicht
verschleiern kann.
Zu dem folgenden Satze: ^Ist der extradurale Abscess u. s. w.^
und der von Heiman dazu versuchten Vertheidigung bemerke
ich, dass sich der Kritiker nur an die aus dem Text sich deut-
lich und ungezwungen ergebende Ansicht halten kann, und weder
ein Becht noch die Pflicht hat, Meinungen und Anschauungen
zu errathen, denen der Autor keinen Ausdruck verliehen hat.
Antwort auf yorstefaende Erwiderung. 303
Die kritisirten Sätze enthalten Unrichtigkeiten und sind unlogisch
construirt.
Etirdie folgende Behauptung: „und oft befindet sich u. s. w.**
führt Hei man wieder Robin als Helfer in der Noth an, der
sich aber selbst nur auf Toynbee fttr seine Angaben berufen
kann. Die Citation Körn er 's enthält kein Wort, das die An-
gaben Heiman's auch nur wahrscheinlich machte. Also, von
einem Vorkommniss, das einmal beobachtet worden sein soll,
behauptet Heim an, dass es oft eintrete. Die zu dem bean-
standeten Satze von Heiman aus seiner eigenen Praxis an-
gefiihrten Beobachtungen aber beweisen, dass er „eine unmit-
telbare Berührung der Pia mater mit der Trommel-
höhlenschleimhaut^ nie gesehen hat. '
Auch bei der Vertheidigung der unrichtigen Behauptungen:
„Hirndruckerscheinungen sind selten, kommen nur bei Kindern
vor'', und „der Hirnabschnitt, welcher mit dem Eiter in Berüh-
rung sich befindet, ist auf seiner Oberfläche dunkler als die nicht
afficirten Theile u. s.w.**, beweisen die herangezogenen Gitate
seiner Gewährsmänner das Gegentheil von dem, was er durch
sie bewiesen wissen will. Sowohl Körner wie Grüner t wissen
ganz genau, dass Hirndruckersoheinungen in Folge von Extra-
duralabscess nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwach-
senen vorkommen. Und weder Jürgensen noch Macewen
behauptet, dass der Hirnabschnitt, welcher mit dem Eiter in Be-
rührung sich befindet, auf seiner Oberfläche dunkler als die nicht
afficirten Theile isf. Dass diese Veränderung der Hirnoberfläche
vorkommen kann, soll nicht bestritten werden, sondern nur, dass
es stets so ist, wie Heiman annimmt.
Dass fast ohne Ausnahme bei Leptomeningitis convexitatis
vor oder (wie Heiman corrigirt) neben allen anderen Sym-
ptomen Nacken starre vorhanden ist, wie H^eiman in folgen-
dem Satz behauptet, ist falsch und wird auch weder von Ja-
cobson, noch von Politzer oder Körner gelehrt. Nacken-
starre kommt bei Leptomeningitis convexitatis nicht mal in
der Mehrzahl der Fälle vor und kann gerade bei otogener Me-
ningitis vollständig fehlen(Brieger,Encyklopädie,S. 247).
Die nun folgende Anschauung Heiman's: „Entsteht die
diffuse Leptomeningitis in Folge von Berstung u. s.w.**, ist des-
halb beanstandet worden, weil sie in ihrer Allgemein-
heit falsch ist, wie ja auch die Citate von Körner und
Macewen ergeben.
304 XXU. BRAUNSTEIN
Wahrscheinlieh wird auch He im an, wenn sieh seiner Ent-
rüstung Sturm gelegt hat, nicht bestreiten wollen, dass der Satz:
„Der acute oder chronische Eiterungsprocess im Ohr u.s.w.* von
Anfang bis Ende sinnlos ist.
He im an verweist mich nun wegen des von mir für unrichtig
gehaltenen Abschnittes: „Bei Kleinhimabseessen wird ausserdem
in ma neben FftUen u. s. w.^ auf Okada: „Diagnose und Ghir*
urgie des otogenen Kleinhimabscesses^ mit der Begründung, dass
er nur die Angaben k ada's wiedergegeben habe. (!) Zunächst ist
diese Angabe nicht richtig. Okada schreibt allerdings S. 65 im
Abschnitt über Symptome am Gehörorgan: „Ferner sind noch
2 Punkte über eigenthümliche Gehörsalterationen bei Eleinhirn*
absoessen zu erwähnen. Der erstere davon ist die plötzliche Zu-
nahme der Schwerhörigkeit des Ohres der entgegengesetzten Seite,
und der zweite ist die plötzliche Verbesserung des Gehörs auf der
kranken Seite.^ Er führt dann die Beobachtungen Schwartze's
und Lucae's an und h< die Ansicht Luoae's, wonach die
plötzliche Zunahme der Schwerhörigkeit des Ohres der entgegen-
gesetzten Seite auf Hyperämie des Labyrinths beruht, für
die wahrscheinlichere Erklärung. Hiemach ist sie also
nach Okada kein Symptom des Eleinhimabscesses.
Dieser Versuch, sieh hinter einen fälschlich angeführten und im
Original nicht einmal genannten Autor zu verkriechen, giebt Rechen-
schaft über den wissenschaftlichen Standpunkt des Herrn H e i m a n.
Ausserdem scheint Heim an nicht mehr zu wissen oder nicht
mehr zu verstehen, was er selbst geschrieben hat. Denn in dem
Abschnitt, dem obige unrichtige, angeblich nur nachgeschriebene
Behauptung über den Eleinhimabscess entstammt, folgt später die
echt Heim an'sche Erklärung: „Alle diese Erscheinungen finden
statt, wenn derAbscess im linken Temporallappensich befindet,
und im rechten bei denen, die ihre linke Hand gebrauchen.^ (!)
Weiterhin sucht Herr Heim an Deckung hinter dem Druck-
fehlerteufel. Solche Vertheidigungsmittelehen sind ja sehr be-
quem, aber nicht berechtigt, wenn ein Druckfehler sich durch
einen ganzen Abschnitt zieht, wie in der von mir beanstandeten
Besprechung über die Entzündung der Vena jugularis externa
statt interna. Solche sogenannten Druckfehler kommen auch
in dem jetzt erschienenen, von Heim an in polnischer Sprache
verfassten Lehrbuch der Ohrenheilkunde vor, in dem er z. B. zu
schreiben pflegt : meati auditorii, statt meatus; Hydrargyrium
statt Hydrargyrum. Wenn solche Fehler regelmässig gemacht
Antwort auf Yorstehende Erwiderung. 305
werden, so hat man das Recht, die Ursache derselben nicht bei
dem Drncker zu suchen.
Vollste Anerkennung aber gebührt dem Geständniss des Herrn
Heiman, dass er die deutsche Sprache nicht beherrscht und
wohl auch ^trotz aller Bemühungen nie lernen wird". In schreien-
dem Widerspruch aber mit dieser bescheidenen Werthschätzung
seiner Fähigkeiten steht die Anmaassung, mit der er den deut-
schen Aerzten zumuthet, das von ihm verhunzte Deutsch zu ver-
dauen. Und eine solche dreiste Aufdringlichkeit energisch zu-
rückzuweisen, ist jedes Deutschen Becht. Möchte sich doch
Heiman über eine correcte deutsche Ausdrucksweis^ von andern
Ausländern, Spira, Sendziak, Okada, Gradenigo, Mor-
purgo u. A. belehren lassen.
Charakteristisch für den Autor scheint es mir auch zu sein,
dass er mit der Schuld für die Veröffentlichung auch der sprach-
lichen Unrichtigkeiten in seiner Arbeit die Redaction be-
lasten will. Der Verfasser ist fftr seine Arbeit allein verant-
wortlich, nicht die Redaction. Die Redaction hätte, um die Arbeit
auch nur lesbar zu machen, eine vollständig neue Bearbeitung
des Themas vornehmen müssen.
Wenn ich in meiner Besprechung irrthümlicher Weise ange-
nommen habe, dass der Autor bei 50 Mastoidoperationen 8 Mal
den Sinus transversus zufällig verletzte, so trägt die Schuld hier-
für die Angabe auf S. 71 (141) vierte Zeile von oben. Aus den
unklaren Bemerkungen auf S. 103 (173) ist nichts zu ersehen.
Aus den Krankengeschichten geht aber hervor, dass der Autor
bei höchstens 50 Mastoidoperationen wenigstens 3 Mal den Sinus
und 1 Mal die mittlere Schädelgrube zufällig eröffnet hat.
Ich bin gern bereit, der Unkenntniss der deutschen Sprache
und der darauf beruhenden mangelhaften Kenntniss der älteren
und neueren Fachliteratur einen grossen Theil der Schuld an den
unrichtigen Anschauungen zu geben, die Heiman in seiner Ar-
beit und in seiner Replik niedergelegt hat; aber es erweckt seine
Replik doch den Anschein, dass Heiman in letzterer durch die
Heranziehung der in jedem Falle unpassenden Citate den
Versuch unternommen hat, sich mit Waffen zu vertheidigen, welche
in einem wissenschaftlichen Streite nicht üblich sind, t—
Die gegen mich persönlich gerichteten Angriffe betrachte
ich als den Ausbruch einer durch mangelhafte Objectivität ver-
schuldeten und gänzlich unberechtigten Eitelkeit. —
Dr. Braunstein.
Personal- und Faehnaehriehten«
Trautmann f ^^ ^* Mai 1902.
Wiederam ist ein Veteran unserer 'Wissenschaft und ein treuer Mit-
arbeiter dieses Archivs durch den Tod von seiner Arbeit abgerufen worden.
Wir beklagen in ihm den Verlust eines langjährigen Freundes, der mit un-
ermüdlichem Eifer seiner Lehrthätigkeit und ärztlichen Praxis obgelegen hat
und specieli für den Unterricht der preussischen Militärärzte in der Ohren-
heilkunde sich bleibende Verdienste erworben hat.
Robert Ferdinand Trautmann, geb. 20. März 1833 in Wittenberg
im Regierungsbezirk Merseburg, besuchte die Gymnasien in Wittenberg und
Torgau, wurde 1853 Zögling der Akademie des Friedrich- Wilhelm-Instituts in
Berlin und als solcher 1857 zum Doktor der Medicin promovirt. Seine mili-
tärärztliche Lantbahn begann als Unterarzt in der Charit^ (1857). Etwa
10 Jahre später wurde er als Bataillons- und Stabsarzt nach Halle a.S. ver-
setzt und fasste hier zuerst den Entschluss, sich specieli mit dem Studium
der Ohrkrankheiten zu beschäftigen. Er benutzte eifrigst die Gelegenheit zur
Aneignung der Anfangsgründe in meiner Poliklinik, assistirte an derselben
und ging später zu H. Wendt und A. Wagner nach Leipzig, wo er aus-
schliesslich anatomischen und histologischen Studien oblag. Aus diesen
Arbeiten und Plänen riss ihn der Krieg gegen Frankreich 1870/71, in welchem
er ein Feldlazareth des 4. Armeecorps als Chefarzt zu führen hatte. Es war
dies der 3. Krieg, welchen er als Militärarzt mitmachte. Nach seiner Heim-
kehr nahm er seine specialärztlichen Studien wieder auf und begann seine
ohrenärztliche Thätigkeit zuerst 1873 als Oberstabsarzt in Breslau. Nach
seiner Versetzung zum Eisenbahnregiment nach Berlin habilitirte er sich 1876
als Privatdocent für Ohrenheilkunde, schied 1887 aus seinem militärärzt-
lichen Verhältnisse unter Verleihung des Charakters als Generalarzt 2. Klasse,
wurde 1888 zum Extraordinarius Defördert und 1894 dirigirender Arzt einer
neu eingerichteten Abtheilung für Ohrenkranke in der Charitä. Als solcher
wurde ihm 1895 der Charakter als Geheimer Medicinalrath zu Theil. Im
Jahre 1900 siedelte er mit seiner Abtheilung aus der alten Charit^ in den
Neubau der 2. Ohrenklinik an der Luisenstrasse über und war dort bis zum
Ende April 1902 mit ungebrochener Kraft in eifrigster Arbeit thätig. Seit
1878 wurden von ihm durchschnittlich jährlich 50 Zöglinge der Kaiser
Wilhelms-Akademie in der Ohrenheilkunde unterrichtet. Dadurch ist seine
Lehrthätigkeit für unseren Staat von Bedeutung geworden und wird in ihren
segensreichen Folgen in Zukunft noch mehr erkannt werden. Die seiner
Person zu Theil gewordenen äusseren Anerkennungen und hohen Auszeich-
nungen förderten die Schätzung unserer Disciplin in Kreisen, welche ihr
bisher mit Indifferenz oder Missachtune gegenüberstanden. Die Bedeutsam-
keit der literarischen Leistungen des Verstorbenen wird an anderer Stelle
gewürdigt werden.
Ehre seinem Andenken! Schwartze.