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Full text of "Archiv für Ohrenheilkunde"

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I 



J 



ARCHIV 

FÜR 

OHEENHEILKUNDE 



BEGRÜNDET 1864 

VON . 

Dr. A. V. TBÖLTSCH Dr. ADAM POLITZER 

wBiLAHo Prof. in Wübzbvbo. in Wien 

UNO 

Dr. HERMANN SCHWARTZE 

Df Haixjb ▲. 8. 
IM VEREIN MIT 

Pbof. C.HASSE IN Bbxslau, Pbov. V. HE;NSS;N in Kisl, Pbof. A. LÜGAE in Bbrlin, 
Prof. E. ZAÜFAL in Präs, Prof. J. KESSEL in Jena. Prof. V. (JBBANTSCHITSGH » 
Wien , Prof. F. BEZOLD in München, Prof. K. BÜBENEB in QOrnNaEN, Dr. E. 
MOBPÜBOO IN Triest, S. R. Dr. L. BLAÜ in Berlin, Prof. J. BOKE in Budapest, 

0. S. B. Dr H. DENNERT in Berun, Prof. a. GRADENIGO in Turin. Prof. J. ORNE 
OREEN IN Boston, Prof. J. HABERMANN in Graz, Privatdocent und Professor Dr. H. 
HESSLER nr Halle, Prof. Q. J. WAQENHAÜSER in TÜEnroEN, Prof. H. WALB in Bonn, 
Privatdocent Dr. A. JANSEN in Berlin, Privatdocent und Prof. Dr. L. KATZ in Berlin, 
Prof. P. OSTMANN in Marburg, Dr. L. STACKE, Prof. in Erfurt, Dr. 0. WOLF nr 
Frankfurt a. m., Prof. A. BARTH in Leipzig, Prof. V. C0ZZ0L[N0 in Neapel, Prof. L. 
HAÜQ IN MÜNCHEN, S.R.DR. F. KRET80HMANN, Prof. in Magdeburg, Prof. E. LEUTERT in 
OiESSEN, Pbivatdocbnt Dr. V. HAMMERSOHLAG in Wien, S. R Dr. F. LÜDEWIG nr 
Hamburg, Dr. F. MATTE in Köln, Dr. HOLGEB MTGIND. Prof, in Eopemhaoen, Dr. W. 
ZERONI IN Karlsruhe^ Privatdocent Dr. G. ALEXANDEB in Wien, Prof. E. BEBTHOLD 
IN KÖNIGSBERG I. Pr., Dr. O. BRIEGER in Breslau, Prof. A. DENKER in Erlangen, Dr. 
R. ESCH WEILER, Privatdocent in Bonn, Dr. A. de FORESTIEB in Libau Russl., Dr. 
H. FRET IN Wien, Dr. H. HAIKE, Privatdocent in Bbrun, Dr. RUDOLF PANSE in 
Dresden, Prof. K. A. PASSOW in Berlin, Prof. 0. PIFFL in Prag, Dr. WALTHER 
SCHULZE IN Mainz, Dr. E. DALLMANN in Halle, Prof. P. H. GEBBER in Königsberg 

1. Pr., Prof. B. HEINE in KOniosbebg i. Pr., Privatdocent u. Prof. De. P. STENGER 

IN Königsberg i. Pr., Dr. S. SZENES in Budapest. 

ubbausgegbben von 

Prof. ADAM POLITZER und Prof. H. SCHWARTZE 

IN WIEN IN HALLE A. S. 

Untbb yerantwobtiiIohiib Bbdaktion 

VON H. SCHWARTZE seit i878. 



SIEBZIGSTER BAND. 

Mit 14 Abbildungen im Text und 2 Tafeln. 




LEIPZia, 
VERLAG VON F. C. W, VOGEL 

1907. 



^^V\ / CATALCGUEO 

^ AUG 6 1907 ^ j I AI/R fi 1907 

Inhalt des siebzigsten Bandes. 



Erstes und zweites (Doppel-) Heft 

(ausgegeben am 21. Dezember 1906). seit« 

I. Über die otitische Dyspepsie der Säuglinge. Von Dr. E. Kishi, 

Professor an der medizinischen Schule auf Formosa ... 1 
II. Aus der Universit&ts-Ohrenklinik zu Freiburg i. Br. (Direktor : 
Prof. Dr. E. Bl^och). Noma des Ohres. Ein Beitrag zur 
Kasuistik und Ätiologie. Von Dr. Julius Hechinger, 
I. Assistenten. (Mit 1 Abbildung im Text und Tafel I. II.) . 7 
III. Klinische nnd pathologische Mitteilungen YIII. Von Dr. Rudolf 
Pause in Dresden -Neustadt. (Mit 9 Abbildungen nach Zeich- 
nungen des Verfassers) 15 

lY. I. Das Vorkommen von Persistenz der arteria stapedia beim 
Menschen und die vergleichend-anatomische und phylogenetische 
Bedeutung dieses Phänomens. II. Eigentümliche Excreszenzen 
am Trommelfelle und Follikel bUdung in der Paukenschleim- 
haut. Von Dr. med« Leo Lewin in St. Petersburg. (Mit 7 

Abbildungen) 28 

V. Aus der Abteilung für Ohren-, Nasen- und Halskranke am Aller- 
heiligenhospital zu Breslau (Primärarzt: Dr. Brieger). Bei- 
träge zur Anatomie des musculus stapedius. Von Dr. W. 

Steinitz 45 

VI. Einige Bemerkungen über den Weberschen Versuch. Von N. 
Rh. Blegyad, Assistenten an der Ohren- und Halsklinik des 
^ Kommunehospitals zu Kopenhagen 51 

VII. Über die Grenzen der Perzeptionszeiten von Stimmgabeln durch 
Luftleitung und Knochenleitung bei normalem Gehörorgan. 
Von N. Rh. Blegvad, Assistenten an der Ohren- und Hals- 

klinik des Kommunehospitals zu Kopenhagen TS 

VIII. Über die Funktion und die mikroskopische Anatomie des Gehör- 
organs bei totaler Aplasie der Schilddrüse. Von Prof. Sieben- 
mann. (Mit Tafel III) 83 

IX. Aus der Universitätsklinik für Ohren-, Nasen- und Halskrank- 
heiten zu Leipzig. Über Proteus vulgaris bei Ohreiterungen. 

Von Dr. med. J. Lauffs, I. Assistenzarzt 90 

X. Aus der Kgl. Uni versitäts- Ohrenklinik zu Halle a. S. -(Direktor: 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr H. Schwartze.) Zur Kasuistik der 
Tumoren des äusseren Gehörgangs. (Melanom ) Von Dr. Erich 
Dalimann, Assistent der Klinik 98 

XI. Unzulässige Benennungen in unserer Literatur. Eine historisch- 
kritische Erörterung. Von H. Schwartze 100 

XII. Tod durch Meningitis nach fehlerhaften Versuchen, einen Stein 
aus dem Ohre zu entfernen. Sektionsbefund. Von H. 
Schwartze. (Mit einer Temperaturkurve) HO 

XIII. Aus der Universitäts- Ohrenklinik in Wien (Vorstand: Hofrat 
Prof. Politzer). Zur Technik des plastischen Schlusses re- 
troaurikularer Lücken. Von Privatdozent Dr. G. Alexander, 
klin. Ass. (Mit 5 Figuren) 117 



Inhalt des siebzigsten Bandes. III 

Seite 
XIY. Die üniTersit&ts-Poliklinik ftlr Obren-, Nasen- und Halskrank- 
heiten zu Marburg a. L. Von P. Ost mann. (Mit 2 Ab- 
bildungen) . 121 

XY. Besprechungen. 

1. Die Anatomie der Taubstummheit. 127. — 2. Operative 
- Otology, surgical pathology and treatment of diseases of the 
ear. By Clarence John Blake, M. D., professor of otology in 
Earvard University and Henry Ottridge Reik, M. D., associate 
in ophthalmology and otology Johns Hopkins üniversity. 131. 

— 3. Klang und Tonhöhe der Sprechstimme, von Dr. Adolf 
Barth, Prof. e. o. und Direktor der Universitätsklinik für 
Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten zu Leipzig. 137. — 
4. F. Bezold, Lehrbuch der Ohrenheilkunde fflr Aerzte und 
Studierende. 138. — 5. Malattie delPorecchio del naso e della 
gola (Oto-rinolaringoiatria). 140. — 6. Congr^s de la sociöte 
fran^se de laryugolo^e, d*otologie et rhinologie. 140. — 
7. Prof. Vittorio Grazzi und Dr. Ottavio Lunghini: Bericht 
über die 9. in Rom abgehaltene Jahresversammlung der Societä 
italiana di otologia, laringologia e rinologia, vom 24.-26. Ok- 
tober 1905 (Siena, Tip. e Lit. Sordomuti di L. Lazzeri 1906). 
151. — 8. Heine, Operationen am Ohr. Die Operationen bei 
Mittelohreiterungen und ihren intrakraniellen Komplikationen, 
157. — 9. Alexander, Chirurgische Krankheiten des Ohres. 160. 

— 10. Dr. Teofll Zalewski. Badania nad wytrzymaloscia Blony 
Bebenkowei. (Versuche über die Widerstandsfähigkeit des 
Trommelfells.) 161. 

XVI. Wissenschaftliche Bundschau. 

1. Hang, Stoß auf die Obrgegend und den Warzenfortsatz 

— Mittelohreiterung — ist diese eine Folge eines Betriebs- 
unfalles oder nicht? 162. — 2. Derselbe, Sturz auf das 
Gesäß — Bluterguß in beide Paukenhöhlen 162. — 3. Der- 
selbe, Haematotypanum traumaticum durch Sturz auf das 
Gesäß. 162. — 4. Derselbe, Entwicklung von Impfpusteln an 
beiden Ohren bei einem Kinde infolge Badens in infiziertem 
Badewasser. 163. — 5. Derselbe, Verbrennung des Gehör- 
gangs und Trommelfells durch starke Karbolsäure. 163. — 
6. Derselbe, Quetschung der Ohrmuschel, Zerreißung des 
Gehörganges — völlige narbige Verwachsung desselben. 163. 

— 7. G. Spiess, Die Bedeutung der Anästhesie in -der Ent- 
zündungstherapie. 163. — 8. St. Schoengut, Zur Therapie 
der Otitis externa circumscripta und verwandter Affektionen. 
164. — 9. Denker, Die Membrana basilaris im Papageien ohr 
und die Helmholtzsche Resonanztheorie. 164. — 10. E. Ur- 
bantschitsch, M^ni^rescher Symptomenkomplex nach Mumps 
bei hereditärer Taubstummheit. 165. — 11. Küppers, Schall- 
dämpfer. 166. — 12. Fr 4t öp, Volumineux abscös du cerveau 
cons^cutif ä une otite moyenne purulente. 166. — 13. Mulert, 
Ein neuer Ohrmassageapparat. 166. — 14. Gesellschaft 
sächsisch-thüringischer Ohren- und Kehikopf- Arzte zu Leipzig, 
Sitzung am 3. November 1906. 168. 



IV Inhalt des Biebzigsten Bandes. 

Seite 

Drittes und viertes (Doppel-) Heft 

(ansgegeben am 18. März 1907). 

XVII. Ans der Abteilang für Ohren-, Nasen- und Halskranke im 

k. k. Qamisonspitale Nr.^1 in Wien (Vorstand: Regimentsarzt 
Privatdozent Dr. G. Biehl). 

Zemann, Bericht über die Tätigkeit w&hrend der Jahre 1903, 
1904 u. 1905 169 

XVIII. Aas der üniTersit&tsklinik far Ohren-, Nasen- und Halskrank- 

heiten in Leipziff (Direktor: Prof. Dr. Barth). 

Lauffs. Über Proteus vulgaris bei Ohreiterungen (Schluß) 187 

XIX. Kishi, Anatomie des Ohres der Japaner L Die Drüsen des 

äußeren Gehörsaiigs. (Mit '6 Abbildungen) 205 

XX. Gerber, Über Tubenabschluß nach den Totalaufmeißelung . 2 11 

XXI. y.Török, Verschluß beider Gebörgänge und partielle knöcherne 

Obliteration der Paukenhöhle 213 

XXII. y. Török, Karies des horizontalen Bogenganges in Verbindung 

mit ungewohnten klinischen Erscheinungen 219 

XXIII. Aus der königl. Universitätsklinik für Ohren-, Nasen- und 

Kehlkopfkrankheiten in Erlangen (Prof. Denker). 
Brock, Untersuch engen über die Funktion des Bogengangs- 
apparates bei Normalen und Taubstummen 222 

XXIV. Gerber, Tamponlose Nachbehandlung und Tnbenabschlufi . 263 

XXV. Stein, Die Nachbebaudlung der Totalaufmeißelung ohne Tam- 

ponade » . . 271 

XXVI. Besprechungen: 

11. Transactions of the American Otological Society, thirty- 
ninth annual meeting. Vol. X part. II (Pröse) 283 

12. Denker, Das Gehörorgan und die Sprachwerkzeuge der 
Papageien. Eine vergleichende anatomisch - physiologische 
Studie (Itemer) 304 

13. Siebenmann, Krankheiten des inneren Ohres. Vorträge 

28 — 31 in Bezolds Lehrbuch der Ohrenheilkunde. (Ostmann) 307 

14. Wojatschek, Die Diagnose der adenoiden Vegetationen 

mit Hilfe der vorderen Rhinoskopie (de Forestier) .... 307 

15. Ferreri, Atti della Clinica oto - rinolaringo • iatrica della 
Universitä di Roma. Anno III. (Morpurgo) ....... 309 

Fach- und Personalnachrichten 312 

Berichtigung 312 



<\ 



^ 



t) 




I. 

über die otitische Dyspepsie der Sänglinge. 

Von 

Dr. K. Kishi, 

Professor an der medizinischen Schule auf Formosa. 



Karl Grunert^) betonte schon einmal:,, Ich habe ausdrück- 
lich von Wechselbeziehungen gesprochen nnd möchte damit her- 
vorheben, daß im letzten Jahrzehnt nicht nur die pathologische 
Anatomie des Ohres durch die enge Fühlung mit der Allgemein- 
medizin eine große Förderung erfahren hat, sondern daß auch 
die Allgemeinmedizin von der otologischen Spezialforsehung viel- 
fach befruchtet und gefördert worden ist**. So hat sich die 
Ohrenheilkunde einerseits durch die Entwickelung der modernen 
Otochirurgie ein umfangreiches Gebiet der Kopfchirurgie erobert, 
andererseits wird sie durch die klinischen Erfahrungen ein hoch 
nützliches Fach für die klinische Medizin. Es ist bewiesen, daß die 
Otitis media der Säuglinge eine große Rolle in den Kinderkrank- 
heiten spielt, eine interessante Aufgabe für die Kinderheilkunde ist. 

y. Tröltsch hat schon darauf aufmerksam gemacht, daß 
bei der Sektion die Paukenhöhle im frühen Kindesalter fast 
immer eine pathologische Veränderung hat. Aber unsere Kennt- 
nisse über diese Tatsache sind bis vor zehn Jahren im Unklaren 
geblieben. Erst Ponfik hat durch seine systematischen Unter- 
suchungen klar gestellt, daß Otitis media im Kindesalter nicht 
nur eine lokale Krankheit, sondern auch eine Allgemeinerkran- 
kung ist. Auch die klinischen Untersuchungsergebnisse von 
Haltmann und Gomperz haben darauf hingewiesen, daß die 
Otitis media der Säuglinge einen sehr schädlichen Einfluß auf 
die Verdauungsorgane ausüben kann. 

1) K. Grunert, Arch. f. Ohrenbeilk. Bd. LX, 3./4. Heft, S. 174. 

Archiv f. Ohrenheilknnde. LXX. Bd. 1 



2 I. KISHI 

So ergibt sich jetzt, daß die Otitis media der Säuglinge nicht 
nur für die Otologen, sondern auch für die Kinderärzte von Be- 
deutung ist. Deshalb muß diese Aufgabe eigentlich von der 
Kinderheilkunde aus als eine otologische Spezialforschung ver- 
folgt und gefördert werden, da gerade die Behandlung der 
Dyspepsie der Säuglinge zu den wichtigsten Kapiteln der Kinder- 
heilkunde gehört. Trotzdem Otitis media der Säuglinge einen 
breiten Raum in der Ohrenheilkunde einnahm, blieb sie in der 
Kinderheilkunde unbeachtet. 

Seit Jahren habe ich gerade diesen Berührungspunkt der 
Otologie mit der Kinderheilkunde mit besonders großer Auf- 
merksamkeit verfolgt. Dadurch konnte ich mich überzeugen, 
daß die otitische Dyspepsie eine große Rolle bei der Ernährungs- 
störung der Säuglinge spielt. So sind im letzten halben Jahre 
15 Fälle von otitischer Dyspepsie unter meine Behandlung ge- 
kommen. 

Ich will hier nur einige davon als Beispiele hervorheben 
und dazu eine Epikrise hinzufügen. 

1. Fall. Am 15. September in der inneren Abteilung aufgenommen 
und am 23. Oktober nach der Ohrenabteilung gebracht. 

Patient T. Y. 10 Monate alt. 

Anamnese (zitiert aus der Krankengeschichte der inneren Abteilung). 

Eltern ganz gesund. Kind in Taihoku geboren, bat noch keine Ge- 
schwister, ernährt mit Muttermilch. Vor einem Monat einen Tag wenig 
Fieber gehabt, sonst ganz gesund. Masern noch nicht vorgekommen, Impfung 
noch nicht geschehen. 

Seit vier Tagen bekam das Kind allmählich ein blasses Gesicht, verlor 
die gewöhnliche Stimmung; täglich öfteres Erbrechen ohne Husten. Das 
Fieber stieg gestern plötzlich auf 39,1° C. und besteht bis jetzt. Heute Vor- 
mittag 8 Uhr hatte das Kind einige Minuten lang einen Krampfanfall; die 
Mutter beschrieb den Krampfanfall folgendermaßen: Beide obere Extremi- 
täten an den Ellbogen stark zusammengebogen, beide untere Extremitäten 
ausgestreckt, die Gesichtsmuskeln zeigten schwache Zuckungen. Trotzdem 
hatte das Kind guten Appetit, auch täglich einmal Stuhlgang, der etwas 
schwarz gefärbt und mit Schleim gemischt war. 

Status praesens. Der Körperbau normal. Die Ernährung mittel- 
mäßig. An der Brust keine Veränderung bemerkbar. Der Bauch ist etwas 
aufgetrieben. Die Milz ist unbedeutend vergrößert. Die Leber stark ver- 
größert und sehr leicht fühlbar, ihre Konsistenz sehr hart. Die große Fonta- 
nelle nicht gewölbt und zeigt keine Pulsation. Die Pupille und Hornhaut- 
reaktion normal; auch Sehvermögen nicht gestört. 

Sehnenreflex normal. Diagnose : Sogenannter Meningismus. 

Das Kind wurde bis zum 23. Oktober in der inneren Abteilung be- 
handelt. Inzwischen hatte man jedoch bemerkt, daß es fortwährend die 
Zähne knirschte; so brachte man es zur Besichtigung zu mir. 

23. Oktober. Status praesens. Schlecht ernährtes Kind mit blasser 
Hautfarbe. Der Bauch etwas aufgetrieben. Die Leber stark vergrößert und 
leicht fühlbar, ihre Konsistenz hart. Diarrhoe täglich 4 — 6 Mal, stark mit 
Schleim gemischt. 

Otoskopisch das rechte Trommelfell stark verdickt, getrübt, nach der 
Außenseite gewölbt. Lichtkegel glänzt nicht. Linkes Trommelfell erscheint 
istark verdickt und nach außen gewölbt, ist etwas diffus gerötet. !Nasen- 



über die otitische Dyspepsie der Säuglinge. 3 

rachenraam und hintere Wand des Pharynx haben starke follikuläre 
Wucherung und sind hyperftmisch entzündet. 

24. Oktober. An beiden Trommelfellen wurde Paracentese ausgeführt. 
Aus der rechten Paukenhöhle kam viel gelber schleimiger Eiter; yon links 
weniger Eiter mit viel Blut. 

25. Oktober. Diarrhoe bedeutend weniger als gestern. Das Kind ist 
etwas munterer. Ohrausfluß aus beiden Ohren sehr stark, Beschaffenheit 
schleimeitrig. 

Trotzdem sich die Ohreiterung objektiv gar nicht Yermindert, ist schon 
fünf Tage nach Einführung der Paracentese die Diarrhoe Yollst&ndig auf- 
gehoben, auch der Ernährungszustand wieder ganz normal. Das Kind 
knirscht nicht mehr die Zähne. Durch einmonatliche Behandlung ist die 
Ohreiterung gehoben, der Paracenteseschnitt an dem Trommelfell hat sich 
durch 'Narbenbildung vollständig geschlossen. 

2. Fall. 9 Monate alt. 

Aufgenommen am 10. November 1905 in die Ohrenabteilung. 

Anamnese. Eltern ganz gesund. Als erstes Kind im Februar 1905 
in Anping (Südformosa) geboren, immer wohl und mit Kuhmilch ernährt. 
Vor zwei Monaten kam das Kind mit seinen Eltern von Anping nach Tamsui 
(Nordformosa). Bald nach dem Klimawechsel litt das Kind an chronischer 
Bronchitis, wurde sofort von einem Arzte mit gutem Erfolge behandelt. 
Der Husten weicht jedoch nicht, zuweilen stellt sich leichtes Fieber ein. 
Das Kind litt früher an Verstopfung, nunmehr ist der Stuhlgang grün und 
breiig; täglich mehrere Mal. Wegen Dyspepsie drei Wochen ärztlich be- 
handelt, aber ohne Erfolg. Das Körpergewicht nimmt immer mehr ab. 
Diarrhoe wird stärker. Die Eltern glaubten, das Kind habe vielleicht eine 
Ohrenkrankheit, und brachten es zu mir. 

Statuspraesens. Körperbau normal ; Ernährung schlecht. Die Haut- 
farbe anämisch blaß, besonders im Gesicht. Fortwährend Zähneknirschen. 
An der Brust ist durch Perkussion nichts Besonderes bemerkbar, nur bei 
der Auskultation ist an der Kückengegend Giemengeräusch hörbar. Der Bauch 
ist etwas aufgetrieben; kein Druckschmerz. Die Milz nicht vergrößert, die 
Leber deutlich fühlbar. Der Stuhlgang weich-breiig, grünfarbig, unverdaut 
gemischt mit vielem Schleime. Körpertemperatur 36,7°. 

. Otoskopisch. Beide Trommeltelle gewölbt nach außen, deutlich ver- 
dickt, glanzlos getrübt, Der Lichtkegel reflektiert nicht, keine Kongestion 
an den Trommelfellen, nur in der tieferen Gegend der äußeren Gehörgänge 
gerötet. Die Nasenrachenschleimhaut ödematös angeschwollen, Gaumen- 
mandeln sind etwas vergrößert. 

U. November. Nachmittags 3 Uhr Paracentese an beiden Trommel- 
fellen ausgeführt Von links kommt dicker stinkiger Eiter heraus. Von 
rechts kommt mehr Blut als schleimiger Eiter. 

12. November. Körpertemperatur 39,2 C. Eiterabsonderung aus beiden 
Paukenhöhlen sehr stark. Stuhlgang noch unverdaut, gemischt mit Schleim. 

14. November. Seit gestern Abend bleibt die Körpertemperatur unter 
37,0 C. Diarrhoe täglich 4 Mal. 

16. November. Körpertemperatur bleibt seit dem 14. immer unter 
37,0 C. Diarrhoe täglich 4—5 mal, Stuhlgang ziemlich viel mit Schleim ge- 
mischt. Allgemeinbefinden nicht gut. Ohreiterung von der linken Seite noch 
außerordentlich stark, an der rechten Seite immer schwächer. 

26. Ijpvember. Rechtes Trommelfell ist durch Narbenbildung ganz ge- 
schlossen; links dagegen, trotzdem die Entzündung in der Paukenhöhle 
ziemlich abnimmt, fließt viel schleimiger Eiter aus. Seit einigen Tagen täg- 
lich 3 mal Stuhlgang, gemischt mit wenig Schleim. 

27. November. Beide Ohren haben keinen Ausfluß. 

28. November. Körpertemperatur 38,2^ C. Das Kind ist unruhig. 
Nachmittags Fieber abgenommen, ebenso der Ausfluß vom linken Ohr. ^ Viele 
Lymphdrüsen sind angeschwollen an der mastoiden Gegend. Diarrhoe immer 
noch täglich 3 mal. 

2. Dezember. Seit gestern stieg die Körpertemperatur auf 38,5° C. 
Diarrhoe 4—6 mal, der Stuhlgang gemischt mit vielem Schleim. Eiterausflaß 

1* 



4 I. KISHl 

aus dem linken Ohr bedeutend Termehrt. Nachmittags wurde typische Auf 
mcisselung nach Schwartze ausgeführt; bei der Öffnung des Warzenfort- 
satzes kam eine große Menge dicker schleimiger Eiter heraus. 

3. Dezember. Nach der Operation ganz fieberfrei. Diarrhoe 5 mal, 
Stuhlgang nur gering mit Schleim gemischt. 

4. Dezember. Körpertemperatur bleibt normal. Das Kind bekam nor- 
malen Stuhlgang. 

Nach H Wochen war die Operationswunde vollständig geheilt, ebenso 
gleichzeitig die Dyspepsie vcrschwoinden. 

III. Fall. E. T., 9 Monate alt. Aufgenommen am 27. August 1905 in 
der Ohren abt eilung. 

Anamnese: Die Mutter ist sehr gesund; der Vater ist Asthmatiker. 
Das Kind hat drei Geschwister und wurde mit Muttermilch ernährt. Im 
Juni d. J. litt das Kind an Masern. Seitdem bekam es Verdauungsstörun- 
gen, Erbrechen, grünen Stuhlgang Dies wurde durch ärztliche Behandlung 
gehoben. Von dieser Zeit an wurde das Kind mit Kuhmilch ernährt. Seit 
Anfang August täglich 4— 5 mal Diarrhoe; anfangs war der Stuhlgang mit 
Schleim vermischt, allmählich stellte sich immer höheres Fieber ein, zuletzt 
noch Erbrechen. Der Appetit ist sehr vermindert, allmählich Abmagerung, 
jetzt hat das Kind täglich 1 5 — 25 mal Diarrhoe mit vielem Schleim. 

Status praesens am 28. August 1905. Körperbau normal, schlechte 
Ernährung. An der Brust nichts Besonderes bemerkbar. Auf dem Bauch 
überall Druckschmerzen. Die Leber zweifingerbreit unterhalb des unteren 
Rippenbogens vergrößert, ihre Konsistenz ist sehr hart. Der Stuhlgang stark 
mit Schleim und unverdauter Milch gemischt. Ferner fortwährend Zähne- 
knirschen Das Fieber bleibt 9 Tage auf 38,0 -38,5 «. 

Otoskopisch sind beide Trommelfelle glanzlos nach außen stark gewölbt, 
sonst keine bedeutende Kongestion bemerkbar. 

29. August. An beiden Ohren die Paracentese ausgeführt, worauf sich 
viel Eiter entleert. Das Fieber fiel auf 37,S -38,8^. 

30. August. Körpertemperatur 37,«*^. Die Leber ist etwas verkleinert. 
Diarrhoe 6 mal. Der schleim im Stuhlgang etwas weniger. Aus beiden 
Paukenhöhlen entleert sich dicker schleimiger Eiter in großer Menge. 

1. September. Der Bauch wird etwas weicher, keine Druckschmerzen. 
Die Leber bedeutend verkleinert. Der Stuhlgang ziemlich gut verdaut, wenig 
mit Schleim gemischt. Der Paracentenseschnitt an dem linken Trommelfell 
fast geschlossen. 

4. September. Seit zwei Tagen wieder etwas Fieber 38,5° C, ebenso 
Diarrhoe täglich 10 mal. Nachmittags an dem linken Trommelfell nochmals 
Paracentese ausgeführt, worauf viel Blut, mit Eiter vermischt, herausfließt. 

6. September. Trotzdem vorgestern zum zweitenmal Paracentese an 
der linken Seite ausgeführt wurde, bleibt dennoch die Körpertemperatur hoch, 
fortwährendes Zähneknirschen. Diarrhoe täglich mehr als 10 mal, Stuhlgang 
(gemischt mit großer Menge Schleim. Der Bauch ist wieder stark aufgetrie- 
ben. Die Leber wieder etwas vergrößert. 

20. September. Das Fieber etwas gesunken, sonst keine Besserung, öfter 
Diarrhoe. Allgemeinbefinden sehr schlecht. Der Körper fühlt sich kalt an. 
Hautfarbe cyanotisch. Ohrausfiuß gestern plötzlich aufgehört. Seit einigen 
Tagen sind in der Warzenfortsatz- Gegend die Lymphdrüsen angeschwollen. 

So habe ich wegen drohender Gefahr nachmittags 2 Uhr eine Mastoid- 
operation gemacht. Fünf Tage nach der Operation Diarrhoe vollständig be- 
seitigt. Fieber allmählich abgenommen. Der Ernährungszustand bedeutend 
gebessert. Am 20. Oktober hat das Kind vollständig geheilt das Hospital 
verlassen. 

IV. Fall. M. Y., 1 Jahr alt. Aufgenommen am 3. Juli 1905 in die in- 
nere Abteilung des Hospitals. 

Anamnese (citiert aus der Krankengeschichte der Abteilung der in- 
neren Medizin): Das Kind ist geboren in Taihoku, hat einen Bruder. Eltern 
sind gesund. Seit zwei Wochen hat das Kind starken Husten; allmählich 
stellte sich höheres Fieber ein; sehr wenig Appetit; keine Diarrhoe. 

Status praesens: Körperbau normal. An den Lungen überall Gie- 



Über die otitische Dyspepsie der Säuglinge. 5 

mengeräusch hörbar. Die Leber und Milz etwas vergrößert, Konsistenz 
weich. Beide Augenlider sind etwas ödematös angeschwollen. Pbarynxwand 
stark gerötet. Zunge nicht belegt. Körpertemperatur 3S,8^. Mutter von 
Beri-Beri befallen, stellt die Ernährung mit Muttermilch ein und verabreicht 
Kuhmilch. 

7. Juli. Frühmorgens der ganze Körper mit Masernausschlag bedeckt. 
Allgemeinbefinden sehr schlecht. Körpertemperatur 39/2^ G. Bei der Aus- 
kultation verschiedenes Rasseln an den unteren Teilen beider Lungen hörbar. 

11. Juli. Körpertemperatur 38,0^0. Der Hautausschlag ist fast ganz 
verschwunden, der Husten etwas vermindert, nur an der hinteren Fläche der 
Lungen ein großblasiges Rasselgeräusch zu hören. 

12. Juli. An den Lungen nichts Besonderes bemerkbar, trotzdem nimmt 
das Fieber nicht ab. 

20. Juli. Körpertemperatur 39,6^ C , wieder das großblasige Geräusch, 
nur am unteren Teile der linken Lunge etwas hörbar. Stuhlgang unverdaut, 
mit vielem Schleim gemischt. 

An diesem Tage habe ich zum ersten Male Gelegenheit gehabt, das Ohr 
zu untersuchen, und gefunden, daß beide Trommelfelle stark getrübt, glanz- 
los und nach außen gewölbt sind. Eine schwache Kongestion findet sich 
nur in der tieferen Gegend des äußeren Gehörgangs. Die Paracentese an 
beiden Trommelfellen ausgeführt; dabei fand sich eine starke Verdickung der 
Trommelfelle; aus beiden Seiten kamen große Mengen dicker Eiter. 

21. Juli. Körpertemperatur 37,6^ C. Allgemeinbefinden nicht gut. Kei- 
nen Appetit. Diarrhoe 5 mal. Ernährungsklystier 200 g 1 mal. Obrausfluß 
sehr stark. 

22. Juli. Körpertemperatur 37,9 ®C. Diarrhoe 6 mal. 

23. Juli. Körpertemperatur 37,5^ G., ebenso wie gestern, aber das Kind 
ist ganz teilnahmslos, Puls sehr schwach, aber regelmäßig. Ernährungsklystier 
4 mal 100 g. 

24. Juli. Vormittags 9 Uhr Exitus letalis durch Herzlähmung. 

Epikrise. Die otitisehe Dyspepsie der Säuglinge ist eine 
nicht selten vorkommende Krankheit; im letzten halben Jahre 
kamen 15 Fälle in meine Behandlung. Nur 4 Fälle kamen nach 
Masern, 1 Fall nach Bronchitis; bei den anderen 10 Fällen war 
keine Ursache herauszufinden. Wenn nach den Masern die oti- 
tische Dyspepsie vorkommt, so ist gewöhnlich das Masernfieber 
nicht rechtzeitig verschwunden und bald oder erst nach einigen 
Tagen kommt Dyspepsie zum Vorschein, entweder allein oder 
mit Bronchitis. Der Stuhlgang ist gewöhnlich mit Schleim, zu- 
weilen auch mit blutigem Schleim gemischt. 

Über die Symptome der otitischen Dyspepsie habe ich außer 
den allbekannten (Verstimmung, Appetit Verminderung, Verdau- 
ungsstörung, Diarrhoe, Erbrechen, Abmagerung) noch Leber- 
vergrößerung und Zähneknirschen als besonders wichtige 
Erscheinungen gefunden. Solange Otitis media mit intaktem 
Trommelfelle vorhanden ist, nimmt die Lebervergrößerung nicht 
ab, auch ihre Konsistenz bleibt sehr hart. Ebenso knirscht das 
Kind mit den Zähnen, sobald der Eiter in der Paukenhöhle sich 
zu stauen anfängt. Diese beiden Symptome sind also eigen- 
tümlich für die otitische Dyspepsie und von anderen Symptomen 



6 I. KISHI 

am meisten charakteristisch und immer Anzeichen, daß Otitis 
media der Säuglinge vorhanden ist. Ferner kommen bei der 
otitischen Dyspepsie nie starke entzündliche Erscheinungen am 
Trommelfell vor, sondern nur starke Trübung und Wölbung. 
Nach meiner Ansicht entsteht die otitische Dyspepsie dadurch, 
daß in der Paukenhöhle entstandene Produkte durch die Tubae 
Eustachii in den Yerdauungskanal gelangen. 

Die Vergrößerung der Milz bei der Otitis media der Säug- 
linge wurde von Po nfik pathologisch-anatomisch besonders her- 
vorgehoben ; klinisch ist sie nicht immer nachzuweisen. Ich habe 
Milzvergrößerung nur 3 mal in 15 Fällen gefunden. 



II. 

Aus der Universitäts-Ohrenklinik zu Freiburg i. Br. (Direktor: 

Prof. Dr. E. Bloch). 

Noma des Ohres. 

Ein Beitrag zur Kasuistik und Ätiologie. 

Von 

Dr. Julius HechiDger, ]. Assistenten. 
(Mit 1 Abbildung im Text und Tafel I. II ) 



Gertrud W., Taglöhnerskind, 1 Jahr, wurde am 2*2. November 1904 in 
die Freiburger Universitäts-Ohrenklinik gebracht mit einer seit den ersten 
Lebensmonaten bestehenden beiderseitigen Ohreiterung. Deutliche Zeichen 
von Rhachitis. Beide Gehörgänge mit lötidem Eiter erfüllt, stark verengt 
und entzündet; die Trommelfelle nicht zu übersehen. Eine Behandlung 
konnte damals nicht durchgeführt werden, und wir bekamen das Kind erst 
nach 2 Jahren wieder zu sehen. 

Am 21. XII. 1905 wurde das Kind in das Hilda- Einderhospital ') auf- 
genommen. Das Kind war einige Tage zuvor an Masern erkrankt Bei 
der Aufnahme war das Exanthem bereits abgeblaßt, jedoch machte das Kind 
einen schwerkranken Eindruck: Temp. 39,8, Respiration beschleunigt, R. u. 
L. IL U. Rasselgeräusche bei normalem Lungenschall Herz in normalen 
Grenzen, Herztöne rein. 

Diese anamnestischen Erhebungen und Untersuchungsbefunde verdanke 
ich der von Herrn Dr. Schelble geführten Krankengeschichte. 

Die linke Gesichtshälfte ist stark angeschwollen. Die 
Schwellung beginnt am Kieferwinkel und verbreitet sich von hier entlang 
dem unteren Kieferrand über die Parotisregion und die ganze Wange bis 
zum linken unteren Augenlid, das selbst von der Schwellung nicht ergriffen 
ist. Die Farbe der Geschwulst ist blaßrot. Bei der Palpation ist in dieser 
ganzen entzündlich intiltrierten Partie Fluktuation nicht nachweisbar. 

Aus dem linken Ohr entleert sich reichlich grün-schwarzer Eiter 
von fäulnisartigem Geruch. Der äußere Gehörgang ist konzentrisch verengt 
und zeigt geschwürige Defekte; das Trommelfell ist nicht zu sehen. 
Die Warzenfortsatzgegend ist frei von Schwellung und nicht druckempfindlich. 

Im rechten Gehörgang gelbgrüner fötider Eiter, doch ist der Fötor 
nicht so penetrant wie links. Das gerötete verdickte Trommelfell zeigt einen 
großen, kreisrunden zentralen Defekt; die Paukcnhöhlenschleimhaut ist ge- 
rötet und geschwollen. 



1) Herrn Hofrat Prof. Dr. Thomas, dem Direktor dieser Anstalt, bin 
ich für die gütigst gewährte Beobachtung und Veröffentlichung des Falles- 
dankbar. 



8 n. HECUINQER 

In Rachen und MundbOhle keine Beson derbe! (en. ConjunctiTae Btark 
injiziert. EitriereB Sekret verklebt die Lider. 

22. XII. Trotz Umscblägen mit eBsigaaurer Tanerde ist die Schwellung 
nicht zurückgegangen. Temp. 40,0. 

23. XII. moi^euB. In der Qeeend des TraguB zeigt sich eine bräunlich- 
schvarze Verfärbuns' ohne scharfe Begrenzung. Temp. 39,6. Nachmittages: 
Die braunschwarze Verf^bungszone hat nun auch das Ohrläppchen ergriSen. 
Auch hinter dem Ohre in der Gegend der Spitze des Processus mastoideus 
zeigt sich eine ungefähr Vä cm breite und 2'/i cm lange schwarzTerf&rbte 
Partie. Temp. 39,3. 

24. SU. morgen». Die gangtäuöse Partie hat weiteren Umfang ange- 
nommen, Sie iBt scharf abgegrenzt; an der Grenzlinie zeij^ sich keine 
RGtnng. Die Schwellung ist nach stärker; das Gewebe fühlt sich brettbart 
an. Das 1. Auge ist von der Schwellung ergriffen, so daS es kaum mehr ge- 
öffnet wird. Temp. 39,5. 



Fig. 1. 

Nachmittags: die gangrlkntisc Partie ist etwa '/i cm weiter nach oben 
vorgeschritten. Die Schwellung erstreckt sich auf die rechte Stirnseite. 
Aus dem GehCrgang entleeren sich schwarzbraune, iftkulent riechcnile Massen. 
Rapider Eräfteverfall, Somnolenz, Kahrungsverweigeiung. Temp. 39,3. Respi- 
ration 5+, Puls 15S. 

25, XII. Die gangrftnOse Partie hat sich weiter ausgedehnt, ist scharf 
gegen die gesunde Haut abgegrenzt (Fig. 1). Von dem gan^rändsen Gewebe 
aus verbreitet sich eia derart aashafter Geruch, daß ein Aufenthalt im 
Zimmer für andere fast unmBglich ist Temp. 3T,8; Respiration unregel- 
mäßig, oberflächlich, bescblennigt (60), Puls kaum zu fühlen. Exltns. 

Auszug aus dem Sektionsprotokoll. 
Leichendiagnoae: Otitis media suppurativa beiders 
Noma im linken Ohrgebiet. Thrombose des linken Sinu) ^ 
troBUB sup., Sigmoideus und longitudinalis sup, und mehrerer Pjal' 
venen. Punktförmige Blutungen in einigen Hirnwindungen, Eitrige Pachy- 
meningitis und Loptomeningitia im Gebiet des linken Felsen- 
beins. Eitrige Broncnitis und BronchopneiimonieD in beiden Unterlappen, 
iljperplasie der Milzfollikel. Anämie von Milz und Nieren. 



Noma des Ohres. 9 

Das Gebiet vor, unter und hinter dem linken Ohr, sowie die untere 
Hälfte der Muschel selbst ist dunkelbraun verfärbt, ungefähr in einem Um- 
fange von 5 cm ßrcite und Länge. Die verfärbten Partien sind durch eine 
scharfe Linie gegen die gesunde Haut abgegrenzt. In der Gegend des Ohres 
schmierig bräunlicher Belag, äußere Obröffnung durch schmierige Massen 
verschlossen. Auch im rechten äußeren Gehörgang liegt schmutzig bräun- 
liches Sekret. Die grünlich schwärzliche Verfärbung durchsetzt die ganzen 
Weichteile und reicht bis auf den Knochen. Hinter dem Ohre ist die Ab- 
grenzung weniger scharf, nach unten dagegen deutlich. In der Nähe des 
äußeren Gehörganges ist die Maceration der Haut am stärksten, aber auch 
noch in den übrigen verfärbten Partien vorhanden (vgl. Abbildung). 

Cerebrospinalflüssigkeit leicht getrübt. Die Innenfläche der basalen 
Dura zeigt in der Gegend des linken Os petrosum kleine Hämorrhagien und 
in der mittleren Scbädelgrube gelben eitrigen lielag. Der Meatus acusticus 
internus ist auffallend weit, ebenfalls mit eitrigen Massen bedeckt. Sinus 
sigmoideus und petrosus superior sind durch einen Thrombus ausgefüllt. 
Nach Entfernung der Dura zeigt sich der Knochen rauh, grünlich verfärbt. 
Die Thrombose des Sinus sigmoideus setzt sich in den Bulbus venae jugu- 
laris fort. 

Die Paukenhöhle mit eitrigen Massen erfüllt; das Trommelfell ist zer- 
stört, von den Gehörknöchelchen läßt sich nur der völlig losgelöste Hammer 
vorfinden. Die Tuba Eustachii und der äußere Gehörgang sind mit grün- 
lich-schwärzlichen Massen völlig ausgefüllt. 

Die rechte Paukenhöhle ist mit grünlich-eitrigen Massen erfüllt» in 
welche die gut erhaltenen Gehörknöchelchen lose eingebettet sind. Das 
Trommelfell zeigt eine große zentrale Perforation, im äußeren Gehörgang und 
in der Tube Eiter. 

Auf der Unterseite des linken Schläfenläppens und am linken Flocculus 
ein leichter eitriger Belag der Pia. Die Hemisphären sind überall zart und 
spiegelnd, zeigen leicLte punkttörmige Blutungen. Die Pialvenen sind zum 
Teil stärker gefüllt. Auf der Höhe der rechten Hemisphäre und etwas tiefier 
auf der linken Seite sind die Pialvenen vollständig tbrombosiert ; besonders 
eine über den linken Schläfenlappen laufende Vene ist in einen weißen, sich 
hart anfühlenden Strang umgewandelt. Die Thrombose setzt sich in den 
linken Sinus rectus und in den Sinus sagittalis superior fort. Der rechte 
Sinus rectus ist frei. In der Gegend der thrombosierten Venen zeigen sich 
in der oberflächlichen Rindenschicht kleine punktförmige Hämorrhagien. Ven- 
trikel nicht erweitert, ohne abnormen Inhalt. 

Herzbeutelflüssigkeit leicht vermehrt, aber klar, linke Lunge im Unter- 
lappen verhärtet, rechts frei. 

Herz: Muskel scbr blaß. Wandendokard leicht verdickt, sonst ohne 
Besonderheit. 

Linke Lunge: Pleura des Unterlappens leicht getrübt, mit einigen 
Ekchymosen, Oberlappen lufthaltig, blaß. Unterlappen dunkelblaurot, von 
etwas festerer Konsistenz, durchsetzt von zahlreichen herdförmigen Broncho- 
pneumonien. Aus den IJroncbien kommt eitriger Schleim. Die über höhnen- 
ffroßen Bronchialdrüsen zeigen im dunkelroten Parenchym zentrale gelbe 
Herdchen. 

Rechte Lunge zeigt ebenfalls bronchopneumonische Herde im ganzen 
Unterlappen und hinteren Teil des Oberlappens, während die übrigen Teile 
lufthaltig sind. Die pneumonischen Stellen zeigen teilweise gelblich eitriges 
Aussehen. 

Hals: Vena jngularis interna links frei. Carotis ebenfalls ohne Be- 
sonderheit. Die Bachen- und Wangenschleimhaut ist überall intakt, nur auf 
der rechten Rachenseite leicht grünlich verfärbt. Die ganzen Weichteile 
zwischen linkem Ohr und linker Tonsillargegend grünlich -schwärzlich ver- 
färbt und völlig nekrotisch. Die Drüsen am Hals ein wenig geschwollen, 
rot und weiß gesprenkelt. In den Trachealdrüsen leichte Blutungen. 

Milz leicht vergrößert, hell- und dunkelrot gefleckt, auf dem Durch- 
schnitt sieht man deutlich die Follikel als weiße Punkte mit hämorrhagi- 
schem Saum. 



10 II. IJECHINGER 

Nebennieren ebne Besonderbeit. 

Nieren sehr blaß. 

Beckenorgane, Magen-Darm normal. 

Leber ziemlich groß. Acinuszeichnang deatlicb, Zentrum leicht gelb- 
lich, Peripherie rosa gefärbt. Am unteren Bande findet sich eine umschrie- 
bene Stelle von gelblicher Verfärbung. 

Um den linken Unterkiefer windet sich ein durch einen Thrombus 
verschlossenes Gefäß in das Gebiet der gangränösen Weichteile hinein. 

Histologische Untersuchung. 

Diese wurde von Herrn Dr. Sehrt, Assistenten der chirur- 
gisohen Klinik, vorgenommen. Für die freundliche Überlassung 
des Befundes bin ich ihm zu aufrichtigstem Dank verpflichtet. 

Das zur Untersuchung benutzte Präparat wurde in lOproz. 
Formalin fixiert. Sowohl in der Warzenfortsatzgegend als auch 
vor dem Ohre finden sich noch Weichteilbedeckungen vor, die 
einen schwärzlichen Belag zeigen und auf dem Durchschnitt 
von schwarzen Streifen und Zügen durchsetzt sind. Schon ma- 
kroskopisch sieht man, daß auch das übrige Gewebe nekro- 
tisch ist. 

Mikroskopische Untersuchung, Schnitt aus den nekrotischen 
Weichteilen der Warzenfortsatzgegend: Der nach der Oberfläche 
zu -gelegene Teil des Schnittes zeigt eine ca. 1 V2 mm breite, 
sohwarze Zone; in der Mitte findet sich ein größeres, thrombo- 
siertes Gefäß, eine feinere Struktur ist nicht mehr zu erkennen* 

Par affin seh nitt-Hämatoxyl in -Eosinfärbung. Die 
schwärzliche, oberflächlich gelegene Zone färbt sich verwaschen 
bläulich. Eine feinere Gewebsstruktur ist hier wie fast in dem 
ganzen übrigen Schnitt nicht mehr zu erkennen. Das reichlich 
vorhandene Fettgewebe, wie auch die Gefäßwandungen kleiner 
Arterien und Venen zeigen keine Kernfärbung mehr auf. An 
einer Stelle findet sich jedoch ein Lymphknoten vor, dessen Zell- 
elemente noch wohl erhalten sind. Die quergetroffene Vene 
zeigt nun im Gegensatz zu den anderen Gefäßen im Durchschnitt 
wohl erhaltene Wandelemente, die fast überall von Leukocyten 
durchsetzt sind. Ziemlich scharf schneidet die Adventitia gegen 
das nekrotische Gewebe ab, an einigen Stellen jedoch ist die 
Nekrose auch auf die Wand des Gefäßes übergegangen und an 
einer Stelle findet sich völlige Nekrose der Wand vor. Das 
Gefaßlumen ist erfüllt von einem mit Leukocyten durchsetzten, 
teilweise schon Fibroblasten aufweisenden Thrombus. 

Derselbe Schnitt: Lubarschsche Modifikation der 
Weigertfärbung^). Die oberflächlich gelegene, schwärzliche 

1) Schmorl, Die path.-hist. Untersuchungsmeth., Leipzig 1901, S. 113. 



Noma des Ohres. 11 

1 ^2 mm breite Zone des Schnittes zeigt sieh durchsetzt von dicht 
nebeneinander liegenden Kokken, zwischen denen sich hier und 
da ein mehr oder minder gebogenes Stäbchen und feinste fädige 
Bildungen finden. Bei dieser Färbung entspricht die mit diesen 
Mikroorganismen versehene Zone genau der makroskopisch 
schwärzlich aussehenden. Bei schwacher Vergrößerung beginnt 
nach innen zu eine scheinbar keine Mikroorganismen aufwei- 
sende Gewebspartie. Aber schon bei starker Vergrößerung, Zeiß, 
Obj. D, Ac. IV, und noch deutlicher bei Olimmersion (Taf.I, Fig.l) 
erscheint das ganze Gewebe durchsetzt von stärkeren und fei- 
neren fädigen Gebilden, die neben sich feine, teilweise leicht 
gebogene Stäbchen aufweisen. Viele der außerordentlich langen, 
vielfach verschnörkelten und gewundenen Fäden zeigen eine 
Einteilung in hinter einander gereihte Stäbchen von verschie- 
dener Länge. Dies ist besonders gut bei den stärkeren Fäden 
zu sehen. Besonders fallen auch hier an diesen fädigen Bildun- 
gen spindelaitige Anschwellungen auf. An manchen Stellen 
(Fig. 2), wo man trotz der Nekrose noch deutlich die Struktur 
von Gewebszügen beobachten kann, sind diese langen Fäden den 
Gewebsztigen scheinbar folgend und in ihnen verlaufend, in die 
Länge gestreckt. Auch hier sind die schon vorhin genannten 
Abteilungen dieser langen fädigen Gebilde, besonders bei den 
stärkeren, gut zu sehen. Daneben finden sieh massenhaft auch 
kleinere fadenförmige Gebilde und kleinere leicht gebogene Stäb- 
chen vor (Fig. 2). 

In der Umgebung der großen thrombosierten Vene findet 
sich schärf mit der Adventitia derselben abschneidend ein Wall 
dicht gedrängter, den vorigen völlig gleicher Stäbchen, zwischen 
denen sich auch einige längere fUdige Bildungen zeigen. Jene 
feinsten Fädchen und Stäbchen dringen jedoch nicht weiter in 
die nekrotischen Teile der Venenwandungen ein, und können 
auch nicht zwischen den erhaltenen Wandelementen, ebenso wie 
in dem das Venenlumen flillenden Thrombus nachgewiesen wer- 
den. In allen übrigen Teilen des Schnittes finden sich dagegen 
in mehr oder minder reichlicher Anzahl jene feinsten Stäbchen 
und Fäden vor. 

Schnitt durch nekrotisches Fettgewebe der Warzen- 
fortsatzgegend. Hier und da finden sich noch Kernreste 
zwischen den Lücken des ausgefallenen Fettes vor, die von Leu- 
kocyten abstammen. Das Gerüst des nekrotischen Fettgewebes 
ist auch hier durchsetzt von kleinen gebogenen Stäbchen und 



12 II. HECHINGER 

auch von längeren und kürzeren fädigen Gebilden. An einer 
Stelle fallen besonders starke und kräftige, leicht gebogene und 
kurze Windungen auf, die eine deutliche Einteilung in stark und 
wieder kaum gefärbtö Abschnitte zeigen (Fig. 3). Es gleichen 
diese letzteren außerordentlich den von Perthes^) angegebenen. 
Schnitte aus dem nekrotischenGewebederWarzenfort- 
satzgegendmit derLevaditischenFärbung. DünneStUek- 
chen des nekrotischen Gewebes wurden nach kurzem Wässern in 
1,5 proz. Argentum nitricum-Losung gebracht und ftlr 3 Tage im Brut- 
schrank belassen. Nach kurzem Wässern gelangten sie ftlr 48 
Stunden bei Zimmertemperatur in Acidum pyrogallol. 4,0, For- 
mol 5,0, Äqu. dest. ad 100,0 in braunem Fläschchen. 

Nach weiterem Wässern Entwässerung in Alkohol, dann Paraf- 
fineinbettung. Eine besondere Eernfärbung war nicht nötig, da die 
Kerne, soweit sie noch vorhanden sind, sich durch eine dunklere 
Färbung und die scharfe Kontur gut von der diffusen hellbraunen 
des nekrotischen Gewebes abheben. Bei dieser Färbung zeigten 
sich die langen verschnörkelten und stark gewundenen Fäden in 
außerordentlich deutlicher Weise. Die Maschen des nekrotischen 
Fettgewebes sind gleichsam substituiert durch ein Gewirr dieser 
verschlungenen Fäden, zwischen denen sich mehr oder minder lange 
gebogene Stäbchen finden (Fig. 4). Auch in dem übrigen nekroti- 
schen Gewebe konnten durch die Levaditifärbung außerordent- 
lich lange fädige Bildungen deutlich gemacht werden. An einer 
Stelle findet sich ein Knäuel von derartigen Fäden vor, von denen 
man bei Verstellen der Mikrometerschraube den Eindruck ge- 
winnt, als ob es sich um einen einzigen langen Faden handele 
(Fig. 5). Gerade zur Darstellung dieser bei Noma schon wieder- 
holt gefundenen Mikroorganismen dürfte sich die für unsere 
Zwecke von Sehrt zum erstenmal angewandte Levaditifär- 
bung außerordentlich brauchbar erweisen. 

Eine Anstellung von Kulturversuchen mußte leider unter- 
bleiben, da das Präparat bis zu seiner Bearbeitung schon längere 
Zeit in Formalin lag. 

Epikrise. Wenn wir unseren Fall mit den von Per- 
thes2), Bezold^) und Rudolf Hoffmann*), Arthur Hof- 

1) Perthes, Ober Nomia und ihre Erreger. Archiv für klinische 
Chirurgie Bd. 59, 1899. Taf. II Fig. 4. 

2) Perthes, Arch. f. klin. Chirurgie, Bd. 59, 1899. 

8) Bezold, Lehrbuch der Ohrenheilk. S. 112. Wiesbaden 1906. 
1) Rudolf Hofmann, Zeitschrift f. Ohrenheilk. Bd. 51, Heft 4. 



Noma des Ohres. 13 

mannO, Hofmann und Küster 2) und Schmidt, 3) beschriebenen 
vergleichen, so tritt uns, nicht nur klinisch betrachtet, überall der- 
selbe Krankheitsprozeß entgegen, sondern wir finden in all den 
mikroskopisch untersuchten Fällen stets dieselben Mikroorganis- 
men vor. Es sei hier nochmals auf die geradezu frappante Ähn- 
lichkeit der hier wieder gegebenen Abbildungen mit jenen von 
Perthes hingewiesen. Wenn man aber bei einem so charak- 
teristischen Krankheitsbild wie der Noma immer wieder so cha- 
rakteristische Mikroorganismen findet, so liegt die Annahme nahe, 
daß diese Organismen für die Noma pathognomonisch seien. 
Di(i von Ranke^) im Jahre 1888 gestellte Frage: „Haben wir 
es bei Noma mit einer einfachen Gangrän, einem marastischen, 
resp. anämischen Brand zu tun oder mit einer spezifischen mikro- 
parasitären Afi'ektion?" kann daher mit Perthes wohl dahin 
beantwortet werden, daß die Noma eine Mykose sei, die zu- 
stande komme auf dem Boden einer besonderen, durch Infektions- 
krankheiten, schlechte Ernährungsverhältnisse und kindliches 
Alter geschaflFene Prädispositiou. Die Mikroorganismen reiht 
Perthes in die Gruppe der Streptothricheen ein und nimmt an, 
daß diese fädigen Gebilde in das noch lebende Gewebe vordrin- 
gen, die Zellen umspinnen und ihren Tod verursachen. 

Von den Bezold sehen Fällen unterscheidet sich der unse- 
rige dadurch, daß die Mittelohrräume von nomatösen Verände- 
rungen nicht frei geblieben sind. 

Als im Mai dieses Jahres (Zeitschrift f. Ohrenheilk. Bd. LI, 
Heft 4) der gleichbetitelte Aufsatz von R. Hoff mann erschien, 
war vorstehende Arbeit schon fast zum Abschluß gebracht. Um 
Wiederholungen zu vermeiden, sei bezüglich der Literatur auf 
obige Arbeit hingewiesen. 

Bei der großen Seltenheit der Erkrankung scheint die Ver- 
öffentlichung des geschilderten Falles gerechtfertigt. 

Zur Ergänzung der von R. Hoff mann angegebenen Lite- 
ratur kann noch folgende hinzugefügt werden. 

1) Schwartze, Beiträge zur pathologischen Anatomie des Ohres. Dieses 
Archiv 1867. Bd II. 



1) Höfmann, Untersuchung über die Ätiologie der Noma. Beiträge 
zur klin. Chirurgie. Bd. 44, Heft I. 

2) Hofmann und Küster, Ein Beitrag zur Ätiologie der Noma. 
Münch. Med. Wochenschr. 1904, No. 43. 

3) Schmidt, Über Noma. Jahrb. für Kinderheilkunde, 1898, Bd. 48. 

4) Eanke, Zur Ätiologie und pathol. Anatomie des nomatösen Brandes. 
Jahrb. f. Kinderheilkunde, 1888, Bd 27, S. 315. 



14 IL HECHINGER 

2) Wre den,. .Otitis gangraenosa. Monatsschr. f. Ohrenheilk. Bd. II. S. 16S. 

3) Straeh, Über Noma und deren Pilze. Inaug.-Dlss. Göttingen 1872. 

4) Schwartze, Chirurgische Krankheiten des Ohres. Stuttgart 1885. S. 75. 

5) Eitelberg, Gangrän der Ohrmuschel. Wiener med. Wochenschr. t885. 

Nr. 21, ref. in diesem Archiv, Bd. XXII. S. 286. 

6) Schwartze, Handbuch der Ohrenheilkunde. 1892. Bd. I. S. 222. 

7) Henoch, Vorlesungen über Kinderkrankheiten. Berlin 1892. S. 471. 

8) Schmidt, Über Noma. Jahrb. f. Kinderheilk. 1898. Bd. XLVIII. 

9) Longo, Keperto batteriologico in un caso di Noma. Policlinico Vol. YIII. 

1901, ref. Centralbl. f. Bakter. 1903. Bd. XXXIII, 1. 

10) Durante, Sulla batteriologica del Noma. La Pediatria 1902, No .5, ref. 

ibidem. 

11) Strada, Süll* eziologia del Noma. Bolletino della Society, Med.-Chir. 

di Pavia 1903. No. 2, ref. ibidem 1904, Bd. XXXV, 1. 

12) Rayenna, Noma e localizzazioni rare del bacillo del tifo. Lo Speri- 

mentale 1903. Fase. 6. ref. ibidem 1905, Bd. XXXVI, l. 



Erklärungen der Tafelabbildungen. 

Fig. 1. Schnitt durch die nekrotischen Weichteile der Warzenfortsatz- 

gegend. Zeiß-Ölimmersion. Lubarschsche Modifikation der Weigertfär- 
ung. Zahlreiche, außerordentlich lange verschnörkelte, dickere und feinere 
Fäden, von denen die ersteren deutliche Einteilung in Stäbchen erkennen 
lassen. An manchen Stellen dieser Fäden spindlige Anschwellung, zahlreiche 
gebogene Stäbchen. 

Fig. 2. Derselbe Schnitt. Färbung wie oben. Zeiß-Ölimmersion. Die 
fädigen Bildungen, einem nekrotischen Gewebszug folgend, daneben zahl- 
reiche Stäbchen. 

Fig. 3. Zeiß-Ölimmersion. Nekrotisches Fettgewebe. Gröbere Fäden 
mit deutlicher Einteilung in stark und kaum gefärbte Abteilungen (vergl. 
Perthes Tafel II, Fig. 4). 

Fig. 4 und 5. Dieselben Schnitte nach der Levaditifärbung. 



V 



Archiv f. Ohrenhdlknnde ßd.LXX. 



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^1 













III. 
Klinische und pathologische Hitteilangen VIII. 

Von 

Radolf Panse in Dresden-Neustadt. 
(Mit 9 Abbildungen nach Zeichnungen des Verfassers.) 



Je ein Fall von Groß hirntaubheit, von Kleinhirntaubheit 

von Aousticastaubheit. 

Krankengesohiohte und Gelegenheit zur Untersuchung und 
Hörprüfung verdanke ich Herrn Prof. Dr. Adolf Schmidt, Sek- 
tionsprotokoll Herrn Obermediziniulrat Prof. Dr. Sohmorl. Beiden 
Herren sage ich auch hier meinen verbindlichsten Dank. 

Franz, K. 39 Jahre alt, stets gesund, Ende 1902 etwas Schwindel 
und Kopfschmerz hinter dem linken Ohr, mußte öfters stehen 
bleiben, um nicht umzufallen, allmählich schlechtes Sehen, öfters Erbrechen. 
Retinitis haemorrhagica. Entlassen blind auf dem dem linken Auge. Mitte 
Februar 1903. 

Später Ohrensausen, allmählich schwerhörig. Vor 4 Wochen noch 
mehrmals Erbrechen, bis dabin heftige Kopfschmerzen, seitdem nicht mehr, 
allmählich völlig blind, fast völlig taub. 6. Mai 1903. Gut genährt, 
etwas blaß, teilnahmlos, Kopf auf Druck und Klopfen kaum em- 
pfindlich, kein deutliches Scbettern. Papillen weit, ungleich, rechts 
weiter, völlig lichtstarr. Beiderseits nicht einmal Lichtschein vor- 
handen. Starke Stauungspapille, nicht mehr abzugrenzen, ganze 
Gegend verwachsen, getrübt, Arterien sehr eng. Venen bedeutend erweitert 
und teilweise korkzieherartig geschlängelt, manchmal in die aufgelockerte, 
von Blutungen und großen, glatten Herden durchsetzte Schleimhaut unter- 
tauchend. In der Maculagegend große, gelbe und auch streifenförmig an- 
geordnete punktförmige Flecken. Fat. fixiert nicht. Bisweilen geringe 
Divergenz und Konvergenz. Außwärtsbewegungen der Bulbi wurde nie be- 
obachtet. Warzenfortsatz nicht druckempfindlich. Gehörgang undTrommel- 
feU etwa normal. Bisweilen mittellaute Sprache, ca. SO-^AO cm vom Ohr 
leidlich verstanden. Bittet darum so zu reden. Laute Sprache sei unver- 
ständlich und verursache Sausen Fast ständig Ohrensausen von wechselnder 
Stärke. Uhr an Ohrmuschel und Warze nicht gehört. Stimmgabeln Fi84 
und Gl auch nicht mit Metallan ^schlag, Knochenleitung 0. Sprache normal. 
Zunge wird gerade herausgestreckt. Schlucken gut, P. ißt seine Mahlzeiten 
bne Hülfe. 

Lungen- und Herzbefund normal. Puls regelmäßig, krätig, nicht 
sonderlich verlangsamt. Der Leib ist weich, Leber und Milz nicht fühlbar. 
Grobe Kraft in Händen, Armen und Beinen, gut. Corneal — Cremaster— Bauch- 
decken, Patellar - und Fußsohleureflexe sind normal. Sensibilität und 



16 III. RUDOLF PANSE 

SchmcrzempfinduDg scheint überall normal zu sein. Wenig Romberg, Gang 
wenig schwankend, mehr unsicher. Stuhlentleerung normal, Harn klar mit 
Spur Biweiß, keinem Zucker. 

12. Mai. Mitunter leicht nystagmische Zitterbewegungen der Bubi. 
Romberg und unsicherer Gang etwas stärker, Pupille stets ungleich, sehr 
wenig auf Licht reagierend. 

14. Mai Ili. Interlumbalraum punktion 720 mm Druck. Nach Ablaufen 
Yon 8 ccm Druck nur noch 380 mm. Flüssigkeit klar, keine pethologischen 
Bestandteile. 

IG. Mai. Seit gestern einige Male Urin unter sich gelassen, verspricht 
sich mitunter: „Schwamm^ statt „Uringlas*', 2 mal gestern Erbrechen. 
Erkennen von in die Hand gegebenen Gegenständen unsicher und langsam, 
mitunter falsche Benennung oder Umschreiben Glas: „wo man draus trinkt". 
Uhr mit Kette erkannt, zuweilen Paraphasie. Hörprüfung Dr. Pause: Laute 
Sprache und Zahlen, links bis 6V2 m, rechts 2 m. Flüstern links IV2 m 
(18) rechts 20 cm (17). c. S. und c. W. 0. C2 c^ beiderseits 0, c*— c* ge- 
hört. Verständnis der gewöhnlichen Sprache nur wenig erhalten bei einfachen 
Fragen Gchörshallucination: rjctzt trommelts". 

t9. Mai. Jetzt öfters auftretende Paraphasis, läßt nachts Urin unter 
sich. Romberg jetzt stärker. 

Später auf der chirurgischen Abteilung treponiert. Gestorben 7. Juni 
1903, Wji Uhr Vormittag. 

Sektionsdiagnose: Fibrosarcom an der Innenseite des linken 
Hinterhauptlappens im Bereich des Gyrus fusiformis. Prolaps der Gehirn - 
Substanz der linken Großhirnhemisphäre infolge Trepanation. Beginnende 
Meningitis. Multiple Schluckpneumonieherde im linken Ünterlappen. dcircum- 
Scripte tuberculöse Herde in d. r. Spitze, kleines Fibrom in der linken 
Niere. Nebennierentumor. 

Mittelkräftige, mittelgroße männliche Leiche von mäßig gutem Er- 
nährungszustand, Haut im allgemeinen blaugelb, glatt, etwas feucht, auf dem 
Rück« n zahlreiche, livide Flecken 

Bei Besichtigung des Kopfes fällt ein ungefähr der oberen Grenze des 
linken Schläfenlappens, entsprechender bogenförmiger, etwas klaffender Schnitt 
ca. 15 cm lang aut, der durch zahlreiche Nähte zusammengehalten wird. In 
der Tiefe auch an einzelnen Stellen hervorgebaucht, sieht man graurötlichc 
bis graugelbliche, sehr matsche Hirnsubstanz, mißfarben und von höchst 
unangenehmem Geruch. Weiche Kopfbedeckung in dieser Umgebung der Wunde 
dunkelrot injiciert Schädel ziemlich dick und schwer ohne Besonderheiten. 
Harte Hirnhaut, an der linken Schläfenbeinschuppe mit dem Schädel ver- 
wachsen, ist verdickt, weißgrau, undurchsichtig. Gefäße ziemlich injiciert. 
Gehirn blaßgraugclb mit Ausnahme der der linken Schläfenbeinschuppo 
entsprechenden Partie, wo die Hirn Substanz in eine mißfarbene, übelriechende^ 
schmutzig-graue, rötlich -gelbe, sehr weiche Masse verwandelt ist, die un- 
gefähr Kleinbandtellerumfang groß ist und sich ziemlich weit in die Tiefe 
erstreckt. Windungen sonst flach abgeplattet, Sulci flach, Gehirnsubstanz 
sehr weich. Gehirn im ganzen symmetrisch gebaut, mit Ausnahme des 
linken Oceipitllappens, der bedeutend vergrößert ist. Auf Einschnitten ist 
die sonst stark durchfeuchtete, mäßig bluthaltige blasse Hirnsubstanz in eine 
graugelbe von weißgelben Bindegewebszügen durchsetzte Masse von der 
Größe eines kleinen Apfels verwandelt. Diese Masse entspricht ungefähr 
dem Gyrus fusiformis und greift auf den Gyrus lingualis und hippocampi 
über. iSeine Oberfläche ist mit der harten Hirnhaut ziemlich derb verwachsen. 

Mich interessierte beim vorliegenden Fall vor allem die Hör- 
prüfung und die subjektiven Geräusche. Während der Kranke 
die tiefen und mittleren Töne C2— c* nicht hörte, gab er an^ 
c5_c8 zu hören, also das entgegengesetzte Verhalten wie bei 
Nerventaubheit, mit der aber der völlige Ausfall der Knochen- 
leitung gemeinsam war. Daß der Nerv noch ganz gut erhalten, 



Klinische und pathologische Mitteilungen Vlll. 17 

war, bewies auch die Fähigkeit, Fiüsterzahlen links (18) lV2m 
rechts (17) 20 cm weit zu hören und nachzusprechen, laute 
Zahlen sogar links bis 6V2 m, rechts 2 m. Beim Nachsprechen 
war auffallend, daß andere Worte und Fragen, deren Verständnis 
eine gewisse geistige Aufnahmefähigkeit voraussetzt, nicht nach- 
gesprochen resp. beantwortet wurden. Die Zuleitung zu den 
höheren Hirncentren war also geschädigt. Daß sie noch nicht tot 
war, bewies die Fähigkeit, hohe Töne, Zahlen und das zufällige 
Geräusch eines Wagens zu hören, daß sie oder das Gentrum ge- 
stört war, der Umstand, daß diese Geräusche falsch gedeutet 
wurden, als Trommeln und daß diese falsche Deutung nicht als 
solche erkannt und zurückgewiesen wurde. 

2. 

Die Krankengeschichte verdanke ich der Liebenswfirdigkeit 
des Herrn Dr. Mann, Sektionsprotokoll und Präparat Herrn 
Prof. Schmor Li 

Karl Seh., 45 Jahre. Einige Fehlgeburten unter seinen Kindern. 

Januar 1901. Beginn mit Kopfschmerzen von kolossaler Heftigkeit, 
beiderseits in den Schl&fen, besonders nachts, Erbrechen. Trotzdem bis 
März gearbeitet, dann 3 Wochen ausgesetzt, wieder 10 Tage gearbeitet. 
22. April ins Krankenhaus, auf Jodkali Besserung der Kopfschmerzen und 
des Brechens. 30. Mal wieder gearbeitet. Ende August wieder langsam 
Kopfschmerz, Schwindel, Erbrechen beginnend. Patient stürzte öfters hin 
und verlor für einige Minuten das Bewußtsein, manche Tage 2 — 3 mal. 
Dabe iZuckungen im ganzen Körper. Die Anfälle bestehen, wenn auch jetzt 
seltener, fort, sie beginnen mit Kriebeln in Händen und Füßen. Dann Zucken. 
Das Bewußtsein bleibt jetzt erbalten. Seit 26. Dezember kein Erbrechen 
mehr. Ohrenrauschen schon von April 1901 an. Seit Juli 1901 völlig taub 
auf einem Ohr. Jetzt statt des lauten Hauschens nur noch minimales Singen. 
Juni, Juli vorübergehend Doppeltsehen, dann sekundenweise ganz blind, 
besonders links. Das Blindsein wurde anhaltender, keine Lichterscheinungen, 
im rechten Auge zeitweilig eine Figur sichtbar, seit 25. November 1901 ganz 
blind. Die Blindheit trat in der Nacht auf. Seitdem Kopfschmerzen erträg- 
lich, nicht mehr in den Schläfen, sondern im Hinterkopf lokalisiert. Damals 
auch Geruchsstörung riecht später nur gelegentlich etwas. Jetzt empfindet er 
gar nichts außer Senfspiritus, Salmiak, d. h. mit sensiblen Nerven, Qeschmack 
nur noch für sauer, süß, bitter. Tod Ende 1905. 

Sektionsdiagnose: Garcinom des Magens, Metasta- 
sen in den regionären Lymphdrüsen sowie in der Leber 
nnd derLunge. Tumor in der hinteren Sohädelgrube 
Multiple Hirnhernien. Frische Tuberkulose in den 
Halsdrüsen. Atrophie der Nervi optici. Nebenpan- 
kreas im Mesenterium. Hjdrocele links. 

Kopfhöhle. 
Weiche Kopfbedeckung und Schädel ohne Besonderheiten. 
Durainnenfläche glatt und glänzend.^ 

Archiv f. OhrenheUkQDde. Bd. LXX. 2 



18 III. RUDOLF PANSE 

Weiche Häute leicht getrübt. 

Gefäße der Hirnbasis und HirnnerTen ohne Besonder- 
heiten. 

Großhirn , Gehirnhöhlen , Gehirnknoten und Hirnsehenkel 
ohne besonderen Befund. 

In der Rinde der rechten Kleinhirnhemisphäre sitzt ein ca. 
walnußgroßer graurötlich gefärbter, ziemlich blutreicher Tumor 
von weicher Konsistenz. 

Rflckenmark nicht seziert. 

Das Schläfenbein entkalkte sich schlecht besonders hinten 
unten unter dem Labyrinth. 

Trommelfell, Gehörknochen und Steigbügelvorhofgelenk ohne 
Veränderungen, zur runden Fensterhaut zieht ein Bindege- 
websband. 

Im Peri- und Endolymphranum überall eine trübe mit Eosin 
stark gefärbte Gerinnungsmasse, die sich auf den Häuten, Bändern 
und Knochen aufgelagert hat und in den Ampullen die cupulae 
nicht deutlich erkennen läßt, indem sie ohne Streifung die Nerven- 
stellen überzieht und bei der Ampullae sup. nach dem Dach zieht. 
Das Sinnesepithel der drei Ampullen ist ohne Veränderungen. 
In den Gerinnungsmassen sind kleine strahlige aktinomycesähn- 
liche Hohlräume als Zeichen ungleichmäßiger Gerinnung durch 
das Formalin, an anderen Stellen zeigen sich Streifnngen ähn- 
lich der Cupula. Die Kanäle der Ampullanerven sind wie ge- 
wöhnlich gefüllt. Im Epithel der Macula utricularis sind Stütz- 
und Haarzellen nicht deutlich zu unterscheiden. Die Nerven im 
Kanal ohne Besonderheiten. Von Otolithen und Deckmembran 
nichts deutlich sichtbar. Aquaed. vestibuli hat im Anfang etwas 
braunes Pigment. Sacculusform normal^ Epithel in der Gerinnungs- 
masse nicht deutlich zu erkennen, Nerv atrophisch mit Spalten 
und Rnndzellen. 

Aquaeductus Cochleae ohne Besonderheiten, ebenso Schnek- 
kenkapsel. Im Ligamentum spirale osseum viel Pigment. Blutge- 
fäße gefüllt. 

Reißnersche Membran außer in der unteren Hälfte der Basal- 
windung Überall den Basalgebilden aufliegend und mit ihnen 
durch die Gerinnungsmassen verklebt. Aber ihre Epithel ist 
deutlich bis zu beiden Anhaftungsstellen zu verfolgen (Abb. 1). Ein 
eigentlicher Ductus cochlearis fehlt somit, auch die Stria vascu- 
laris ist überall wie flach gedrückt außer in der freien Stelle 
Basal unten. Lig. spirale zeigt an einigen Stellen Spalten parallel 



Kliniscbe und pathologische Hilteilongen Till. 19 

derÄnßenwandwohldarohSchrampfung nach dem Tode. Eiaedent- 
lich gestreifte Membrana Corti ist nirgenda zu erkennen, nirgends 



i 



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Spuren von Pfeilern nnd ßonetigen Zellen des Cortisoben Organs, 
dessen Bnndzellen nur durch eine homogene Zone von den wobl- 



20 m. RUDULF PANSE 

erhaltenen Zellen des ganz niedrigen Suicus spiralis inl. getrennt 
Bind (Abb. 2j. 1d der Membrana basilaris kein Spiralgefäß. 

Im GanaliB spiralis nur ganz vereinzelte Ganglienzellen (Abb. 3 ) 
in einzelnen Ebenen zu finden, statt ihrer HohlrAnme und vielleicht 
vermehrtes Bindegewebe. Die Ganglienzellen fehlen gleichmäßig 
von der Basis bis zur Spitze. An der Lamina eribrosa einige Cor- 
pora amylacea. Vom Aensticus ist nur ein kleines Restchen am 
Präparat erbalten , an dem mit Haematoxylin - Eosinfärbnng 
keine sicheren Veränderungen, mit van Giesontärbung starke Ver- 
mehrung des (roten) Bindegewebes aber auch einige normale 



ii'/ ^ / 



Ganglien (vom Vestibularis) zu sehen sind. Der Facialis fehlt 
im inneren Gehörgang auch, in seinem sonstigen Verlauf im 
Schläfenbein zeigt er keine Besonderheiten. 



Krankengesohiohte uml Schläfenbeine des folgenden Falles 
verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Dr. 
Eretzsebmaun in Magdeburg. 

Otto Seh. Gl J. kam zum erstenmal in meine Behandlung 1S96. Er 
bat die FeldzQge 1^66 und 7ü/Tl mitgemacht, in letzterem den Mittelfinger 
der rechten Hand verloren. Er i»t Diabetiker und bat zeitweilig bis b" o 
Zucker, Es fand sicli beiderseits Otitis externa, die in knizer Zeit heilte 



Elinische und pathologiscbe Mitteilangen YIII. 21 

Vs r. 2 m, 1. 5 m. Am 29. März 1S97 rechts acuta media, in 8 Tagen 
Heilang. 

23. 11 Ol seit fünf Tagen r. ganz taub Vs Knochenl. U. c. bis c' 
starkverktlrzt vom Knochen und Tom Gehörgang wahrgenommen. Behand- 
lung ohne Resultat. März 1904 rechts totale Taubheit, auf dem linken Ohr 
£iterung Perforation in der Shrapnellschen Membran. Breitbasige Granu- 
lation an der unteren Gehörgangswand \ cm vom Trommel/ell entfernt. Die 
histologische Untersuchung ergibt typische Epithelnester. Ätzung mit Mono- 
chloressißsäure. Die Granulation verkleinert sich. Eiterung sehr gering, 
nach 4 Wochen bricht Patient die Behandlung ab. Im Oktober erscheint er 
wieder. Granulatiun gewachsen, Eiterung stärker. Gehör 1. V]s iV^ ni 
G bis c^ verkürzt Vergeblicher Versuch mit alumen ustum und Pulvis Sa- 
bin ae aa. Monochloresslgsäure in Substanz verkleinert den Tumor und ver- 
mindert die Eiterung. November 04 bis Mai 05 blieb P. aus. Am 12. Mai 
Granulationstumor mit Ausnahme der oberen Wand den Gehörgang um- 
greifend, ist noch einige mm von der Trommelfellebene entfernt. Granu- 
lation brQchig, leicht blutend 1. Vs dicht am Ohr, c bis c^ gehört. Mit 
Epirenen und austrocknendem Pulver etwas Besserung; bleibt von Anfang 
Juli bis Ende August aus. Ende September entschloß sich Patient zu einer 
gröJ^eren Operttion, die am 29. September ausgeführt wurde. In der Kon- 
kavität wird eine die ganze Peripherie des Gehörgangseinganges umrahmende 
Linie vorgezeichnet, die 1 cm von dem lateralen Rande der Neubildung im 
Gesunden verläuft. Nun wird an der Rückseite der Ohrmuschel die Wurzel 
derselben bis auf eine vorn gelegene 3 cm breite Brücke rings umschnitten 
und dieser Schnitt bis in den anfangs vorgezeichneten an der Innenseite der 
Muschel geführt. Dadurch wird die Muschel nach vorn umgeklappt. Der 
knorplige Gehörgang mit Teilen des an seiner Unterwand haftenden Parotis- 
lappens, die häutige Auskleidung des knöchernen Gehörganges werden in 
toto ausgeschält, vom knöchernen Gehörgang suspcct erscheinende Teile mit 
dem Meißel entfernt. Das Trommelfell erscheint frei von Neubildung. Aus 
der Halshant wird ein 2V2cm. breiter zungenförmiger Lappen die Basis 
nach oben gebildet und zur Bekleidung der oberen hinteren und unteren 
Fläche des Wundtrichters verwendet. Die vordere Wand erhält ihre Be- 
kleidung durch einen Lappen, der gewonnen ist aus dem Rest der Haut, welche 
die der Concha zugewandte Seite der Tragusplatte bedeckt, nach dem diese 
durch Auslösung der knorpligen und durch zwei horizontale nach der Kieferge- 
lenkgegend zu verlaufende Schnitte mobilisiert und zu einem zungenförmigen 
Lappen umgebildet ist. Die Lappen werden an die Unterlage tamponiert, 
die Muschel zurückgeklappt und mit Ausnahme der Partie, welche der 
Basis des hinteren Lappens entspricht und wegen dessen Unterführung frei- 
bieiben muß, die entsprechenden Wundrinder durch Naht vereinigt. Der 
Halsdefekt läßt sich nach Unterminiernng der Hautränder linear vereinigen. 

In den ersten drei Wochen war der Heilungsverlauf durchaus be- 
friedigend. Die Halswunde heilte per primam. Die Lappen wuchsen fest 
und die zwischen den Lappenrändern befindlichen nicht epithelbedeckten 
Streifen füllten sich mit guten Granulationen. Sekretion gering. Nach 
dieser Zeit aber wurden die Granulationen brüchig, leicht blutend, die Lappen 
wurden unterminiert, von den Rändern aus zerstört. Die Sekretion wurde 
reichlich bräunlich verfärbt, es stießen sich mehrfache Knochensequebter ab, 
langinierende Schmerzen traten auf und es bildete sich eine große von zer- 
klüftetem Granulationsgewebe ausgekleidete Höhle aus. Die Schmerzen 
wurden durch Veronal wirksam beeinflußt. Mitte Dezember wurde eine 
flnctuierende Stelle in der Warzengegend inzidiert. Die Temporalgegend 
vorgetrieben pseudofluktuierend. In der Höhle sieht man bei Kaubewe- 
gnngen den angefressenen Gelenkkopf der Mandibula. Gehör ist fast das 
gleiche wie zur Zeit der Operation geblieben. Starker Kräfteverfall. 

10. Jan. 06. Linkes Auge kann nicht geschlossen werden, linker Mund- 
winkel hänet herab. 12. Jan. Auge kann geschlossen werden. Die Funktion 
usque ad finem erhalten, Mundwinkel bleibt hängen. Es werden jauchige 
Massen öfters herausgewürgt. 17. Jan. Schlingen erschwert, nur mit Mühe wer 
Flüssigkeiten geschluckt. 19. Jan. Exitus im Koma. Die Temperaturen 



22 III. RUDOLF PANSE 

fiberschritten in den letzten 12 Wochen nur zweimal 38® (38,8 and 38,6), 
der Puls war regelmäßig?, schwankte zwischen 72 — 94. Bis zum Bewußt- 
seinsverlust hörte Patient laute Sprache noch vollständig. 

Kopfsektion 4 Stunden port mortem. Schädeldach auf der linken 
Seite mit der Dura ziemlich fest verwachsen. Im Sinus longit fibrinöses 
Gerinsel. Erhebliches Oedem der Arachnoidea, besonders über der linken 
Hemisphäre, dabei Gehirnsubstanz ziemlich konsistent. Nach Entfernung 
des Cerebrums erscheint entspiechend der vordem Seite der linken Pyra- 
mide die Dura pilzförmig durchwachsend ein medullärer Tumor in Mark- 
stückgröße. Die dem Tumor entsprechende Partie des Hirns ist etwas abge- 

Slattet, sonst gesund. Außer der erwähnten Stelle ist die Dura gesund und 
ie Sinus der Basis sämtlich blutführend. Gehirn normal. Nach Entfernung 
der Dura von der Basis zeigt sich die linke vordere Pyramidenfläche aus 
Tumormassen bestehend. In diesen Tumormassen eine Anzahl loser Se- 
quester. Der Tumor zum Teil in Zerfall. In derartig zerfallenen Massen 
erscheint der Gelenkkopf des Unterkiefers oberflächlich zerfressen und ohne 
KnorpelQberzug. Die Schläfenschuppe ist in großer Ausdehnung durch 
Tumormasse eribetzt. Bei der Herausnahme des Schläfenbeins ergibt sich, 
daß die vordere und untere Circumferenz durch die zum Teil exulzerierten 
Tumormassen von der Umgebung gelöst ist. Durch die Tumormassen ge- 
langt man vermittelst einer 1 cm im Durchmesser betragenden Öffnung in 
den Nasenrachenraum. 

Die Schläfenbeine kommen in 10 7o Formel. 

Die Schläfenbeine sind ganz vorzüglich erhalten. Für ge- 
sonderte Nervenfarbung schnitt ich die beiden Gesichtsnerven 
und den rechten Hörnerven vor der Entkalkung ein Stück ab, 
der linke Hörnerv fehlt am Präparat. 

Rechtes Ohr. Trommelfell, Mittelohr, Gehörknochen mit allen 
Gelenken, beide Fenster völlig normal, nur etwas mehr mit Blut 
gefüllte Gefäße und in der runden Nische etwas Exsudat mit 
spärlichen Leukocyten. 

Kanäle, Ampullen ohne Besonderheiten, im Epithel des sonst 
normalen Ultriculus sind durch Schrumpfung der Haarzellen, deren 
Kern mit einem schmalen . Protoplasma oben in ihnen liegt, 
tonnenähnliche (Alexander) Hohlräume entstanden. Haare, Deck- 
gallerte und Otolithen erhalten. Äußere Sacculuswand liegt in 
der Nähe der inneren eingestfilpt durch eine Luftblase im CoUoi- 
din. Haarzellen und Otolithen erhaltCD. 

Nervenkanäle mit normalen Fasern für die Vorhofsteile ge- 
füllt, Aquaeducte ohne Besonderes. 

Schneckenkapsel ohne Besonderes, ebenso Wände des Ductus 
coohlearis. Im Vorhof blindsack der Basalwindung fehlt das Gortische 
Organ völlig trotz guter Celloidinausfüllung des Ductus. Statt 
der Papilla zieht eine sehr gut erhaltene Lage Plattenepithels 
über die Membrana basilaris vom Limbus bis zur Stria vas- 
oularis. Cortis Membran ist im Vorhofsteil und der Basalwin- 
dung vorzüglich erhalten (Abb. 4). Prominentia spiralis und 
Stria vascularis in allen Windungen gleich gut sichtbar. In den 



Klinische und pathologische Mitteilungen YlII. 23 

oberen Windungen ist die Form der Papilla basilaris, die Pfeiler, 
die Hensensehen und Claadiasschen Zellen wohl erbalten. Die 
Haarzellen fehlen zum Teil (Abb. 5). Ich lasse dahingestellt, ob ihr 
Mangel als pathologisch zu betrachten ist oder als Eunstprodukt. 






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Fig. 4. 



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\ ^ 'l-^ *.. Fig. 5. 






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In dem Yorhofs- und Basalteil des Ganglion spirale sind die 
Ganglienzellen an Zahl gering, zum Teil geschrumpft, zum Teil wie 
ausgefallen, einen fettzellenähnlichen Hohlraum bildend (Abb. 6). 
Der Nervus acusticus zeigt bei Hämato^ylin-Eosinfärbung^ 
vermehrte Eernzahl gegenüber dem normalen Facialis. Nach 
van Gieson gefärbt ist er röter als der Facialis, in dem sich 



24 III. BCDOLF PANSE 

die gelben Nerveoteile von dem roteu endo- nnd perinenralen 
Bindegewebe scharf abheben. Bei Weigertttrbung aoheint der 
Facialis — bis anf das Bindegewebe schwarz — der Acaaticus 






Fig. 7. 

braun-gelb Mikroskopisch sind nnr vereinzelte schwarze Mark- 
scheiden zu erkennen (Abb. 7). 

Es handelt sieh also wohl um eine parenchymatöse Neuritis 
des Acnstieus mit sekundärer Degeneration des spiralen Ganglion 



Klinische und patbol. Mitteiltmgon Till. 25 

und des Cortisoheu Organes, das in den Basalteilen völlig ge- 
sohwanden ist. Auffallend ist trotz der ü Jahre beeteheuden 



:/\ 



VerwÄchsnng des 
Schleimhint d. prom. 



Ejpertr. Schleimhaut - 



Taubheit das verhältnismäßig gute Erhaltensein der Papilla 
basilaris in den oberen Windnngen. 



26 III. RUDOLF PANSE 

Linkes Ohr. 

Die Erebsgesohwulst fällt das Mittelohr fast völlig aus, doch 
so, daß sie mit der papillenformig gewuoherten Sohleimhaut des 
Promontoriums nur streckenweise verwachsen ist und die Fenster, 
in denen etwas seröses Exsudat liegt, freiläßt, nirgends in das 
Labyrinth eindringt. Der Facialkanal ist bis auf einen kleinen 
Nervenrest unten leer. Im absteigenden Teil zwischen Gang- 
lion geniculi und innerem Gehörgang hat er seine normale Stärke 
und mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt auch Aussehen. Bei van 
Giesonfärbung ist er rötlicher, er enthält viel nach Weigert nicht 
färbbare Nervenfasern. In den Vorhof ist das Celloidin nicht 



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Fig. 9. 

gut eingedrungen, soweit die Gebilde erhalten, zeigen sie keine 
Abweichung. Die Vena aquaeductus Cochleae ist strotzend gefüllt. 
Schneckenknochen, Membrana Reißner, Prom. spiralis, Stria vas- 
cularis, Lig. spiral. ohne Besonderes. Membrana Gorti zieht sich 
ganz schmal über die Papilla basilaris hin. Diese ist auf dem 
bis zum Tode hörenden Ohre schlechter erhalten als auf dem 
seit 5 Jahren tauben, obwohl die Zubereitung ganz die gleiche 
war. Haarzellen sind nirgends deutlich zu erkennen, nirgends 
mit Haaren versehen, die Hensenschen Zellen meist klar sicht- 
bar, die Teile niedrig, wie zusammengedrückt und längsgestreift. 
Der Nuelsche Tunnel meist nicht deutlich zu erkennen, in der 
ganzen Papille vermehrte Kerne. Der Membrana Reißner liegt, 
in der Rückenlage gerechnet; oben eine, mit Eosin stark ge- 



Klinische und pathologische Mitteilungen VIII. 27 

färbte körnige Gerinnnngsmasse auf, die gleiche zieht an einigen 
Schnitten über das Cortische Organ und an anderen unterhalb 
der Basilarmembran hin. Sie ist deutlich von den auch bei Nor- 
malen vorhandenen zarten Gerinnungen zu unterscheiden. 

Vom Acusticus sind nur an der Lamina cribrosa einige Keste 
erhalten, die keine Besonderheiten erkennen lassen, der Stamm 
fehlt am Präparat. Die Ganglienzellen der Basalwindnng sind 
spärlicher, oben in gewöhnlicher Zahl vorhanden. In der Axe 
der Spitzenwindung viel Pigment. 



IV. 

I. Das Vorkommen von Persistenz der arteria stapedia 
beim Menschen nnd die vergleichend-anatomische nnd 

phylogenetische Bedentnng dieses Phänomens. 

II. Eigentflmliche Ezcreszenzen am Trommelfelle nnd 

Follikelbildnng in der Pankenschleimhant 

Von 

Dr. med. Leo Lewin in St. Petersburg. 

(Mit 7 Abbildungen.) 



Im Laufe meiner zu anderweitigen Zwecken vorgenommenen 
pathologisch-anatomischen Untersuchungen am Schläfenbein stieß 
ich in einem Falle auf einen Befund, der nicht nur als eine in 
der Literatur fast vereinzelt dastehende Rarität, sondern auch 
als ein in entwicklungsgeschichtlicher und phylogenetischer Hin- 
sicht bedeutungsvoller Vorgang verzeichnet zu werden verdient. 
Es handelt sich nämlich um die Persistenz der Arteria stapedia 
beim Menschen. Nebenbei fanden sich in demselben Schläfen- 
beine noch andere merkwürdige Bildungen in der Mittelohr- 
schleimhaut, die meines Erachtens schon allein einer Beachtung 
wert sind. 

Der Fall gehörte einem an Diphtherie verstorbenen neun- 
monatlichen Mädchen, welches sonst sowohl intra vitam als auch 
am Sektionstisch keine Bildungsanomalien aufwies. Die Unter- 
suchung des linken Schläfenbeins ergab weder makro- noch mi- 
kroskopisch irgend welche nennenswerten Veränderungen. Die 
fraglichen Erscheinungen fanden sich somit lediglich am rechten 
Schläfenbein, an welchem makroskopisch, abgesehen etwa von 
zwei noch zurückgebliebenen größeren Ossifikationslücken in der 
vorderen unteren knöchernen Gehörgangswand und leichten Ent- 
zttndungserscheinungen am Trommelfell, auch nichts Besonderes 
auffiel. Schon aber bei der ersten oberflächlichen Durchmuste- 



Das Vorkommen von Persistens der arteria stapedia usw. 29^ 

rang der aus diesem Schläfenbeine gewonnenen mikroskopischen 
Serienschnitte konnte ich in einer gewissen Reihe derselben ein 
bei durchfallendem Lichte auch dem unbewaffneten Auge sehr 
auffallendes, über das ganze Promontorium hinziehendes, stark 
entwickeltes arterielles Gefäß bemerken, welches nach näherer 
Betrachtung und Verfolgung seines Verlaufes sich unzweifelhaft 
als eine zurückgebliebene, auffallend entwickelte Steigbügel- 
arterie herausstellte. 

Um nun die Bedeutung dieses Vorkommnisses verständlich 
zu machen, muß zuerst eine kurze Übersicht der bisher in der 
Literatur vorliegenden Angaben über die Arteria stapedia beim 
Menschen und Tiere vorausgeschickt werden. 

Die richtige Deutung der Rolle der Steigbügelarterie unter 
den Kopfarterien der Säugetiere ist neuesten Datums. Die frü- 
heren Angaben beschränkten sich fast durchweg auf einzelne Be- 
obachtungen bei dieser oder jener Tierspezies in embryonalem 
oder extrauterinem Leben eines im Gebiete des Steigbügels vor- 
gefundenen, daher Arteria stapedia benannten, Gefäßes, dessen 
Stammung bald nach der Art. carotis communis, oder der Art. 
carot. int., bald nach der Art. maxill. int. verlegt wurde. 

Der erste, der überhaupt einer Arteria stap. gedenkt, war 
Otto (1), der in seinen Untersuchungen über den Bau des Ge- 
hörorgans bei den Winterschläfern auf dieses Gefäß aufmerksam 
machte. Fast zu gleicher Zeit und unabhängig von Otto kam 
auch Hyrtl bei seinen ähnlichen Untersuchungen an verschie- 
denen Tieren zum selben Resultat. So sah er (2) beim Myrme- 
eophaga tomandura die Carotis interna in die Paukenhöhle durch 
ein Loch eintreten, welches in der Naht zwischen Bulla und 
Hinterhauptbein angebracht ist, und auf einer Furche des Pro- 
montoriums frei durch die Paukenhöhle zur Schädelhöhle hinauf- 
laufen. Noch genauer beschreibt er (3) dieses Gefäß beim Oryc- 
teropus capensis. Die Arterie tritt hier durch ein Loch in der 
hinteren Paukenwand in die Trommelhöhle hinein, steigt auf dem 
Promontorium in einer ziemlich tiefen Furche zum Steigbügel 
empor, um das obere der zwei sich hier im Intracruralraume be- 
findenden, durch ein zwischen den Schenkeln eingebrachtes 
fibröses Ligament gebildeten Löcher hindurch zu treten und durch 
die obere Trommelhöhlenwand in die Schädelhöhle einzudringen. 
Das Resultat seiner Untersuchungen an Tieren gibt Hyrtl (4> 
an einer anderen Stelle wieder, wie folgt: „Die Schlagader, 
welche bei einigen Nagern, Insectivoren und Erdwühlern durch 



30 IV. LEWIN 

den Steigbügel verläuft, ist entweder frei (bei den Mäusen, Igel 
und Fledermaus), oder in einem knöchernen Kanal eingeschlossen, 
der selbst wieder entweder in seinem ganzen Verlauf geschlossen 
(Fledermaus), oder an der Stelle, wo er den Steigbügel passiert, 
offen erscheint, wie bei Talpa, Seiurus, Meerschweinchen usw* 
Das Gefäß selbst ist gewöhnlich der stärkste Ast der Carotis 
communis, indem es zum Teil das Gehirn, die Augenhöhle und 
ihren Inhalt, die Schläfengegend und den ganzen Oberkiefer ver- 
sorgt und somit füglich Trnncus communis arteriae carotidis et 

maxillaris genannt werden könnte*^ y,Ich habe gefunden, 

daß, wenn diese Arterie in einem knöchernen Kanal einge- 
schlossen ist, dieser sich jenseits des Steigbügels mit dem Fal- 
lopisehen Gange durchkreuzi, so daß diese Arterie und der Ant- 
litznerv sich an diesem Punkte berühren.^ 

Hyrtl (1. c.) setzte seine vergleichend anatomischen Unter- 
suchungen über diese Frage auch beim Menschen fort und fand 
tatsächlich, daß diese Arterie auch beim Menschen, als „inter- 
essante Tierähnlichkeit* vorkommen kann. So fand er ein ein- 
ziges Mal bei einem achtmonatlichen Mädchen auf der rechten 
Seite eine Art. stapedia, als eine anomal verlaufende Art. roe- 
ning. media accessoria, wobei sie aus der Art. maxill. int. ent- 
sprang, den Paukenboden durchbohrte, über das Promontorium 
zum Steigbügel und dann zwischen beiden Schenkeln des letz- 
teren verlief, um durch ein eigenes Loch am Tegmen tjmpani, 
neben der knieförmigen Biegung des Fallopischen Kanals in die 
Schädelhöhle einzudringen und sich dort in der harten Hknhaut 
zu verzweigen. Die Tieranalogie wurde in diesem Falle noch 
dadurch vervollständigt, daß auch hier die Art. stap. in einem 
Knochenkanal eingeschlossen war. Dieses seltene Präparat fiber- 
gab Hyrtl der anatomischen Sammlung des Prof. Czermack. 
So weit Hyrtl. 

Bis zu den 80 er Jahren des vorigen Jahrhunderts finden 
wir wiederum, von einer ganz oberflächlichen Erwähnung bei 
Arnold (5) und Langer (6) abgesehen, über die AH. stapedia 
keine Angaben mehr. Erst die zu jener Zeit in Aufschwung 
geratenen Untersuchungen der Anatomen und Otologen über die 
Morphologie des Gehörorgans brachten es mit sich, daß im An- 
schluß an die Studien der Entwicklungsgeschichte der Stapes bei 
den verschiedenen Tieren und beim Menschen auch die durch 
den letzteren beim Embryo durchziehende Arterie nicht übersehen 
werden konnte. Salensky(7) beobachtete [sie beim Schäfern- 



Das Vorkommen von Persistenz der arteria stapedia usw. 31 

bryo und benannte] sie Art. mandibalaris, Fräser Alex (8) beim 
Sehwein, beim Hund, beim Kalb und beim Menschen, Tand- 
1er (9) beim Kaninchen und beim Meerschweinchen, Sieben- 
mann (10) beim Menschen in der 4. — 6. Woche von der Arter. 
earot. int. abstammend, Hegetschweiler (11) konnte sie beim 
Katzenembryo genau verfolgen, wobei sie bei den Embryonen I 
und II (13 bezw. 18 mm Seh. St. L.) ganz deutlich hervortrat, 
beim Embryo III (18 mm Seh. St. L.) in Kückbildung begriffen 
und schließlich bei den Embryonen IV — VI (21—28 mm Seh. St. 
L.) bereits versehwunden war. Beim Menschen beobachtete der- 
selbe Autor die Art. stapedia bei einem Embryo (VIII) von 18 mm 
Seh. St.L. ( — etwa 7 — 8 Wochen) aus der Art. carotis entspringen; 
beim 2. (IX) Embryo von 1 2 Wochen wird die Art. stapedia 
nicht mehr erwähnt. Nach den Angaben Brom ans findet man 
eine Art. stapedia beim menschlichen Embryo bis zu einer Länge 
von 55 mm, bei 70 mm Länge ist sie bereits atrophiert. 

Eine erschöpfende Darstellung und volle Aufklärung über 
die entwicklungsgeschichtliche und vergleichend anatomische Be- 
deutung der Art. stapedia finden wir aber erst in der neuesten 
Zeit in der Arbeit Tandlers(12). Die eingehendsten Unter- 
suchungen an sämtlichen Klassen der Mammalia führten diesen 
Forscher zum Schluß, daß sich bei den Säugern ein gewisser 
Grundtypus in der Kopfgefäßversorgung eruieren lasse, unter 
dessen Grundlegung die einzelnen Varianten bei den verschie- 
denen Tierordnungen leicht verständlich werden. Diesem Grund- 
typus zufolge spiele die Art. stapedia unter den Kopfarterien der 
Mammalia eine besonders hervorragende Rolle, indem sie, als 
ein sämtlichen Säugetieren in ihrem embryonalen Leben zukom- 
mendes primäres Kopfgefäß, die Aufgabe habe, den Oberkiefer, 
die Orbita und die Dura mater zu versorgen. Sie wird demnach 
von Tan dl er auch Art. maxillaris int. primaria genannt. Diese 
Aufgabe wird von zwei Asten ausgeführt, einem Ramus superior, 
der zur Entwicklung der Art. meningea med. und der Orbital- 
arterie, und einem Ramus inferior, der zum Aufbau der Arteria 
maxill. interna (secundaria) dient. Der eigentliche Aufbau dieser 
Gefäßregionen aus den genannten Asten der Art. staped. wird 
naturgemäß bei den verschiedenen Gattungen der Säugetiere von 
ganz variablen sekundären Vorgängen begleitet, die Tandler 
in geistvoller Weise bei einzelnen Tierarten illustriert und auf 
die wir hier nicht näher einzugehen brauchen. Von Wichtigkeit 
ist für nns die Tatsache, daß bei der weiteren Entwicklung des 



32 IV. LEWIN 

Tndividaums die embryonale Art. stapedia bei den verschiedenen 
Ordnungen der Mammalia den eingreifendsten Metamorphosen 
unterworfen ist, von fast vollständigem Sehwund oder Rudimen- 
tation ihres Stammes und einzelner Abschnitte bis zu voller Per- 
sistenz der ursprünglichen Art. stapedia durchs ganze extraute- 
rine Leben hindurch. Letzteres Verhältnis findet, nach Tand 1er, 
bei einer ganzen fieihe von Säugern statt, und zwar unter den 
Monotremen — beim Ornithorhynchus, von den Rodentia — beim 
Mus rattus und Arctomys, von den Insectivoren — beim Eryna- 
ceus und Talpa, unter den Chiropteren — beim Rhinolophus, unter 
den Prosimieren — beim Chiromys und Lemur. 

Diese wichtigen Tatsachen der Persistenz der Steigbtigel- 
arterie bei so vielen Säugern einerseits und das nachgewiesene 
frühzeitige Auftreten dieses Gefäßes bei den verschiedensten Ord- 
nungen der Mammalia (s. oben) andererseits sind es gerade, wor- 
auf Tandler mit Recht seine Ansicht stützt, daß die Art. stap. 
als primäres Kopfgefäß, und die Verhältnisse, wie sie die höhe- 
ren Säuger bieten, als sekundäre zu betrachten seien. 

Er definiert daher die Art. stapedia folgendermaßen: 

„Unter Art. stapedia oder stapediales Gefäß ist die aus der 
Carotis int. stammende, beim Embryo die Stapesanlage durch- 
brechende, späterhin zwischen den Stapesschenkeln durchziehende 
Arterie zu verstehen, gleichgültig, ob diese in speziellem Falle 
vollständig erhalten, rudimentär geworden, oder abschnittweise 
verschwunden ist." 

Was nun den Mensehen anbelangt, so lassen sich, nach 
Tandler, auch hier die in den fraglichen Gefäßbezirken vor- 
kommenden Varietäten auf vergleichend anatomischen und ent- 
wicklungsgeschichtlichem Wege im Sinne des obigen allgemeinen 
Grundtypus leicht erklären. 

Wie wir nämlich aus den oben angeführten Untersuchungen 
Siebenmanns, Hegetschweilers und Browmans gesehen, 
besitzt auch der Mensch in einer bestimmten sehr frühzeitigen 
Epoche seines Embryonallebens, gleich allen anderen Säugern, 
eine Art. stapedia, die aber normaliter in ihrem Stammteile auch 
sehr bald zugrunde geht. Dagegen geht der Entwicklungsvor- 
gang ihrer zwei Aste in bekannter Weise vor sich, indem diese 
letzteren zum Aufbau bleibender Gefäßabschnitte verwendet wer- 
den. Im Endresultate dieses, von Tandler aufs eingehendste 
verfolgten, Entwicklungsprozesses verbleiben nun beim Menschen, 
als normal persistierende Derivate der Steigbügelarterie, folgende 



Dbb Vorkommen von PersiEtenz der arterl& stapedia usw. 33 

Absebnitte: vom naterea Aste — dessen distal vom Erenztiogs- 
punkte mit dem 3. Trigeminnsaste gelegener Absohnitt — als Art. 
maxillaris int. (seonndaria), vom oberen Aste — der orbitale Teil, 
als Art. laorjmalis, frontalis nnd etbmoidalis, welohe Gefäße 
sieb, anstatt des sugrande gegangenen proximalen Absobnitls des 
Ram. snperior, der Art. opbthalmiea ausohließen (vergl. Fig. 1, 
Scbema). 

Es sei bier der Vollständigkeit halber noch eines Falles 70n 
Persistenz der Art. stap. gedacht, der neuerdings von Alexan- 
der (13), allerdings nicht bei einem normal entwickelten Indi- 



Fig. ] (oaeb Taadler). 
C.i ^ CarotU int.; C.a •— Carotu ext; AjL ^ Art. lUp-i r.i. ^ ram. guper.; 
T.i. ^ ram. infer.; o ^ Art. ophtalm. ; A.m •— Art, men. med,; N.tr.III ^ 
3. Ast. d. NetT. trig.j die doppelt Vanlonriert. Linien bedeaten die nicht ausge- 
bildeten «d. mdiment. OeßlBe, die einfach aohwaize Linie die peniitenten Abaobnitte. 

vidanm, sondern bei einer menschlichen Doppelmißbildnng (Syn- 
cephalas janiceps asymetros) beobachtet wurde. Die Arterie, 
welche aus der Carot. int. entsprang, dorehbobrte den Pauken- 
boden Und zog, in einem Enoobenkanal eingeschlossen, vor dem 
Promontorium hinweg durch den Steigbflgel zum Tegmen tjm- 
pani, am durch eine vor dem Bialtis spnrius gelegene Öffnung 
auf die Schftdelbaais zu gelangen. 

Fassen wir nun all das bisher Angettlhrte kurz zusammen, 
ao steht vor allem die Tatsache fest, daß eine große Reibe von 
Saagetierarten eine Art. stapedia tatsftohlich besitzt, daß femer 

AnhiT t OhmhaiUnnda. LZX. Bi. 3 



34 IV. LEWIN 

dieses Gefftß in einer bestimmten sebr frübzeitigen Epocbe des 
Embryonallebens sä mt lieh en Sängern gemeinsam zu sein 
soheint Während aber dieses ursprünglich so wichtige Gefäß bei 
den einen Tiergattungen durchs ganze Leben hindurch persistent 
bleibt, bildet es sich bei den anderen schon sehr frühzeitig zu- 
rück, und bloß einzelne Derivate bezeugen noch ihre Abstammung 
von dieser längst verschwundenen Kopfarterie. Zu dieser letz- 
teren Klasse gehört auch der Mensch, bei dem sie schon in der 
4. — 6. Woche zu verschwinden pflegt, und daher normalerweise 
in extrauterinem Leben keine Steigbügelarterie mehr existiert. 
Es kann somit dieses Gefäß in eine Reihe mit jenen so vielen 
anderen embryonalen Bildungen gestellt werden, die bei den 
höheren Tieren und Menschen ebenso nur noch in bestimmten 
embryonalen Entwicklungsperioden existieren, während sie bei 
den niedriger stehenden Wirbeltieren lebenslang erhalten blei- 
ben. Die Persistenz derartiger Organe bei den ersteren spielte 
bekanntlich in der Entwicklungsgeschichte der Tierstämme eine 
hervorragende Rolle, als lebendige Dokumente, die zur Erkennt- 
nis der vergleichend anatomischen und phylogenetischen Vor- 
gänge den Weg bahnten. In diesem Sinne wird auch unserem 
Falle nicht nur das Interesse der außerordentlichen Seltenheit 
(trotz der zahllosen und während der letzten Dezennien ununter- 
brochenen Untersuchungen am Schläfenbein seitens der Anatomen 
und Otologen — der 2. an einem normal entwickelten Indivi- 
duum verzeichnete Fall) zukommen, sondern auch jenes eines 
phylogenetisch bedeutungsvollen Phänomens, eines weit zurück- 
blickenden Atavismus, welcher an jene unsere entferntesten Vor- 
fahren erinnert, die, gleich den oben zitierten Mammalia, eine 
Art. stap. als primäres Eopfgefäß lebenslang besaßen. 

Zur Beschreibung meines Falles nun übergehend, möchte ich 
vor allem bemerken: was die Abstammung der Art. »tap. und 
ihres weiteren Verlaufs außerhalb des Schläfenbeins anbelangt, 
so muß leider von einer genauen Angabe dieser Tatsachen in 
unserem Falle Abstand genommen werden, da, wie schon ein- 
gangs erwähnt, meine Untersuchungen ganz andere Zwecke ver- 
folgten, und weil die in Rede stehende Anomalie gar nicht ver- 
mutet werden konnte, nicht nur keine Injektion der Gefäße vor- 
genommen, sondern auch das Schläfenbein von vornherein in 
toto in mikroskopische Schnitte zerlegt wurde. Hingegen fällt 
es nicht schwer, da vom ganzen Präparate Serienschnitte ge- 
wonnen wurden, aus der Durchmusterung der ganzen Reihenfolge 



Das Vorkommen von Persistenz der arteiia Btnpedia usw. 35 

der letzteren den Verlauf des Gef&ßes innerhalb der Grenzen dea 
Schläfenbeine mit Genauigkeit zn verfolgen. 

loh lasse zuerst die Beschreibung einiger durch die beige- 
gebeuen Photogramme illustrierten, die Hauptwendepunkte der 
Art. Btap. darstellenden Schnitte folgen. 

Sftmtliohe Schnitte wurden in eiuer der Achse der Pyramide 
senkrechten Richtung geführt. Verfolgt man dieselben in der 
Richtung von der Fyramidenspitze zn der Pyramidenbasis hin, 
so erscheint die Art. stap. zuerst in den den hinteren Ahscbnitt 
der Schnecke treffenden Schnitten, und zwar auf dem Tegmeu 
tympani im Längendurchschnitt, lateralwärts verlaufend, d. h. in 



Fig. 2. 

der Richtung von der Pyramide zu der Pars equamosa zn. Sie 
tritt hier ans einer großen rundliehen Öffnung in der Pauken- 
deoke heraus nnd legt sich frei auf derselben zwischen Knochen 
und Dura mater (Fig. 2). In den weiteren Schnitten sehen wir 
das Gefaü bereits im Querdurohschnitte im Knochen eingeschlos- 
sea oberhalb des Mnsc. tensor tymp. und vorn vom Nerv, faeial. 
verlaufen, ungefähr an der Stelle, wo letzterer aus dem inneren 
Gehörgange in den Fallopisohen Kanal eintritt (Fig. 3). Noch 
weiter rückwärts taucht in den Schnitten noch ein zweiter schräg 
getroffener DurcIiBohnitt des Gefäßes auf, nnd zwar in dem 
Pankenboden durch den Knochen durchziehend in derselben Rich- 
tung, wie auf dem Tegmen tymp. (Fig. 4). Sehr bald aber er- 
scheint die Arterie, nachdem sie den Paukenhoden durchbrochen 



IV. LEWIN 

ait itit[i. 



Fig. 3. 

ort. atap. 



Du ToTkommen Ton PeraiBienz der arteria stapedla nsw. 37 

hat, in der Pankenhöble selbst hinter dem hinteren untereo Ab> 
hange des Promontoriamg nnd in der rnaden Feasternische, am 
schon in den aäcbsten Schnitten in ihrer ganzen LSDge dem 
Promontorium entlaog hinaufzusteigen und nach Durchtritt durch 
den Steigbtlgel am unteren Rande des Canalia faeialia atige- 
laogt, durob eine große Euoebenlüoke in diesen einzatreten 
(Fig. 5). 



Fig. 5. 

Atta diesen, einzelne Etappen der Gefäßroute darstellenden 
ächaittreiben im Verein mit den Zwischenserien läßt sich der ganze 
Verlaof des Art, siapedia etwa folgendermaßen aufzeichnen. 

Das Gefäß tritt in die Paukenboble ein, den Paukenboden 
in schräger Richtung durchbohrend. Ob es, den Angaben Tand- 
lers entsprechend, seine Abstammung von der Art, oarot. int. 
hatte, oder ob in unserem Falle eine Analogie mit dem Falle 
Hyrtls bestand, also die Art. stap. ans der Itlazillaris int. ent- 



38 IV. LEWIN 

sprang, mnß, wie schon gesagt ^ dahingestellt bleiben. In der 
Pauke angelangt, wendet sich das Gefäß gegen die Nische des 
runden Fensters, tritt unter den hier stark entwickelten muschel- 
artigen Vorsprung des hinteren unteren Abhanges des Promon- 
toriums und gelangt durch diesen hindurch auf die Oberfläche 
des letzteren, dem entlang es im sanften, nach hinten konvexen 
Bogen zieht, streckenweise sich in den Knochen einbohrend und 
wieder unter der Schleimhaut auftauchend. In diesem also mehr- 
fach unterbrochenen Enochenkanal eingeschlossen, gelangt die 
Arterie an den Steigbügel, dessen Intracruralraum durchziehend ; 
und tritt jenseits desselben durch eine «breite rundliche Öffnung 
in den Facialiskanal hinein. Nachdem sie hier eine Strecke 
lang neben und unter den Nerven gezogen, kreuzt sie sich mit 
dem letzteren, so daß sie beim Durchtritt durch das Tegmen tym- 
pani vor dem Facialisnerv zu liegen kommt. In der Schädel- 
höhle angelangt, nimmt das Gefäß, frei auf dem Knochen liegend, 
eine Richtung lateralwärts gegen die Schuppe zu, an. Der wei- 
tere Verlauf des Gefäßes innerhalb der Schädelhöhle bleibt uns 
freilich unbekannt, jedoch kann auch hier, aus den obigen ver- 
gleichend anatomischen Angaben ausgehend, die Verzweigung 
der Art. stap. in den Meningen mit Bestimmtheit angenommen 
werden. 

Die Goincidenz mit den oben zitierten Darstellungen Hyrtls 
über den Verlauf der Art. stap. bei den Tieren tritt in unserem 
Falle nicht nur darin hervor, daß das Gefäß in einem Knochen- 
kanal eingeschlossen ist, sondern auch vorzüglich in der Kreu- 
zung der Art. stapedia mit dem Fallopischen Kanal jenseits des 
Steigbügels. 

Der hier mitgeteilte Fall bietet, wie schon eingangs erwähnt, 
noch ein weiteres Interesse, indem sich neben dem eben beschrie- 
benen Phänomen noch andere auffallende Bildungen in der Pauke 
verzeichnen lassen. 

Auf der Schleimhautfläche des Trommelfells, dessen vordere 
zwei Drittel einnehmend, befindet sich eine sehr große Anzahl 
eigentümlicher Auswüchse, die bald eine rundliche oder kugel- 
förmige, an die Zungenpapillen erinnernde, bald eine fingerför- 
mige, den Darmzotten ähnliche Gestalt haben (Fig. 3). Die 
Größe dieser Hervorragungen ist so bedeutend, daß man sie 
leicht mit unbewaffnetem Auge wahrnehmen kann. Im vorderen 
Drittel des Trommelfells ist die Zahl dieser Gebilde so groß, 



DftB Vorkommen Ton Fereistenz der arteiJs Btaped:& ubw. 39 

daß man ihrer in dea meiaten Schnitten mehr als 10 zählen 
kann; jedoch verringert sich diese Zahl allmählioh nach hinten 
ZQ, BO daß man schon im hintersten Drittel des Trommelfells von 
diesen Gebilden niohts mehr wahrnimmt. Auch der den Hammer- 
griff bekleidende Teil der Schleimbaut bleibt nicht von ihnen 
verschonte In manchen Schnitten findet man diese Gebilde qner- 
nod sobr&ggetrofiren and frei in der Höhle, vom Trommelfelle 
mehr oder weniger weit entfernt liegend (Fig. 3), was anf eine 
Verästelung derselben znrflokzofllhren ist. 

Was die bistologisobe Beschaffenheit dieser Prominenzen an- 
belangt, so bestehen sie in ihrem zentralen Teile ans kleinzel- 



Fig. 8. 

ligen lymphoeytenähnliehen Elementen, die so dicht zusammen- 
gedrängt liegen, daß man stellenweise keine Details naterschei- 
den kann. Diesem Umstände ist es offenbar zu verdanken, daß 
aneb von Bindegewehssubstanz sich sehr wenig wahrnehmen läßt. 
Die der Pauke zugekehrte Oberfläche der Hervorragungen ist 
bald TOD einem mehrschichtigen abgeplatteten, bald von einem 
zwei- bis dreireihigen flachen kuhischen Epithel bedeckt, das 
eine unmittelbare Fortsetzung des Trommelfellepithels darstellt 
(Fig. 6). Geht man dem Zusammenhang der Excreseenzen mit 
dem Boden nach, so ist es leicht zu erkennen, daß sie aus der 
snbepithelialen Schicht der Trommelfellschleimhaut ihren Aus- 
gang nehmen, welche Schicht bei ihrem Übergang in diese Ex- 



40 IV. LEWIN 

erescenzen plötzlich ihre Struktur verändert. Die meisten der 
Auswüchse sind mit einem Kapillar versehen, das durch die 
Achse zur Spitze zieht (Fig. 6), in anderen sieht man mehrere 
Kapillaren, die dann sich an der Spitze verzweigen und radiär 
verlaufen. Nerven konnte ich in diesen Gebilden nirgends wahr- 
nehmen. 

Über die Natur und Herkunft dieser Bildungen lassen sich 
höchstens Vermutungen aufstellen. Die bisher in der Literatur 
vorliegenden Mitteilungen über ähnliche Beobachtungen geben 
uns ebenso wenig Aufschluß darüber. Bezeichnend ist, daß auch 
y. Tröltsch (14), der ähnliche Excrescenzen am Trommel- 
fell erwähnt, deren Bedeutung rätselhaft erscheint. Die von 
Gerlach (15) beschriebenen und abgebildeten Hervorragungen 
scheinen der Form, Zahl und Lage nach den hier beschriebenen 
sehr nahe zu stehen. Auch jene waren sehr zahlreich, saßen 
bloß „im äußeren Drittel der unteren und in beiden äußeren 
Dritteln der oberen Trommelfellhälfte*^, und hatten bald eine 
kugelförmige, bald eine fingerförmige Gestalt. Nur konnten dort 
bloß die ersteren, die einen Durohmesser von 0,10 — 0,12"' bei 
einer Länge von 0,12 — 0,14'" hatten, mit dem bloßen Auge wahr- 
genommen werden. Ein weiterer Unterschied ist darin zu finden, 
daß jene in ihrem zentralen Teile aus gewöhnlichem Bindege- 
webe bestanden, das an der Peripherie mehr homogen aussah. 
Ger lach betrachtete diese Gebilde als Zotten des Trommelfelles, 
da einzelne nur durch Stiele mit der Schleimhaut zusammen- 
hängen, und meinte > sie kämen normalerweise bei den Neuge- 
borenen öfters vor. Diese Auffassung wird von Brunner (16) 
nicht geteilt. Dieser Autor hatte nur sehr selten Gelegenheit, 
eine derartige Erscheinung am Trommelfell zu beobachten, so 
bei einem vierwöchentlichen Kinde, wo die Prominenzen ein Aus- 
sehen von halbkugeligen Anschwellungen der Schleimhaut zeigte, 
aus einem mehr homogenen Bindegewebe, das aus jenem der 
Trommelfellmukosa entstammte, bestanden und offenbar im kau- 
salen Zusammenhange mit der stark geschwellten, hyperämischen 
Schleimhaut standen. Brunner ist deshalb geneigt, die Ger- 
lachschen Zotten für pathologische Produkte zu halten. ' 

Eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den unserigen hatten 
auch die von Wen dt (17) beobachteten und unter dem Titel 
„polypöse Hypertrophie der Schleimhaut des Mittelohres^ be- 
schriebenen Auswüchse an der inneren Fläche des Trommelfells, 
i^ie stellten sich dar teils als rundliche Polypen, breit mit einer 



Das Vorkommen yon Pvrsistenz der arteria stapedia usw. 41 

Fläche oder dünn gestielt aufsitzend, teils als massigere dendri- 
tisch verästelte Wucherungen, die mit einem mehrfachen Platten- 
epithel bedeckt waren und der subepithelialen Schicht, als deren 
Proliferation, angehörten. Sie bestanden aus reichlichen lymph- 
körperchenartigen Zellen, die in den Ltlcken eines Netzwerkes 
vielfach einander durchkreuzender Bindegewebsfasern lagerten, 
über die Art und Weise der Entstehung dieser Wucherungen gibt 
uns auch Wen dt keine Aufklärung. 

Endlich seien noch die von Moos (18) in 2 Fällen — bei 
einem 10 Tage alten Kinde und bei einem viermonatlichen Foetus 
— beobachteten „Trommelfellzotten" erwähnt. Auch diese hiel- 
ten topographisch eine gewisse Grenze ein, indem sie nicht das 
obere Hammergriffdrittel überschritten. Sie hatten ein finger- 
förmiges Aussehen, eine Länge von 0,2 mm und eine Breite von 
0,055 mm. Im Gegensatz zu den unserigen trugen aber diese 
Zotten, die Moos als Ausstülpungen oder Verlängerungen der 
Mucosa betrachtet, an ihrer Oberfläche ein einzelliges flimmern- 
des Zylinderepithel und führten im Innern stets nur eine Ge- 
fäßschlinge, die aus den Gefäßen der Submucosa stammte. Auf 
die Entscheidung der Natur dieser Gebilde geht auch dieser Autor 
nicht näher ein. 

Die Tatsache, daß bei den zahllosen Untersuchungen, die 
am menschlichen Gehörorgane, auch beim Neugeborenen und 
Foetus, über Jahr und Tag vorgenommen werden, über diese 
merkwürdigen Bildungen am Trommelfelle doch verhältnismäßig 
so spärliche Beobachtungen vorliegen, spricht gewiß nicht für die 
Ansicht Gerlachs, daß diese Gebilde als normale Erscheinung 
am Trommelfelle der Neugeborenen und Foetus angesehen werden 
dürfen. Andererseits könnte ich mich — wenigstens was unseren 
Fall anbelangt — auch nicht für die Annahme Brunners oder 
garWendts entschließen, daß nämlich diese Gebilde als patho- 
logische Produkte, bezw. polypöse Wucherungen zu betrachten 
seien. Denn abgesehen davon, daß in unserem Falle keine ent- 
zündlichen Vorgänge vorlagen, die eine derartige Deutung recht- 
fertigen könnten, so wäre schon eine solche Lokalisation von 
Polypen an der Innenfläche des Trommelfells in einer fast nach 
Hunderten zählenden Menge ein Ding, das kaum jemals beob- 
achtet wurde. Schließlich lassen sich diese Bildungen auch nach 
ihrem histologischen Bau unter keine der uns bekannten Typen 
von Polypen einreihen. 

Meines Erachtens mußte, um der Sache näher zu treten. 



42 IV. LEWIN 

mehr als es bisher geschehen, dem Umstand ßechnung getragen 
werden, daß dieser Befund lediglich beim Neugeborenen 
und Poetus angetroffen wurde. Diese Tatsache könnte viel- 
leicht als Fingerzeig zur Vermutung dienen, daß die in Rede 
stehenden Gebilde am Trommelfelle in einem gewissen Zusammen- 
hang mit dem bekannten embryonalen Zustande der Trommel- 
höhle und den bei dem Bückbildungsprozesse sieh hier abspie- 
lenden Vorgängen stünden. Nimmt man, im Gegensatz zu 
V. Tröltsch (19) mit Wreden (20) und Hertwig (21) an, daß 
das sogenannte Schleimpolster im foetalen Mittelohre nicht bloß 
aus der Labyrinthwand, sondern auch aus dem Trommelfell aus- 
geht, so könnten die Hervorragungen am Trommelfell als disse- 
minierte Reste des in der Rückbildung gehemmten, mit anderen 
Worten, des nicht zur vollständigen und gleichmäßigen Rückbil- 
dung gelangten Schleimpolsters betrachtet werden. Wie es näm- 
lich in allerletzter Zeit Goerke (22) nachgewiesen hat, vollzieht 
sich die Umwandlung des embryonalen Mittelohrgewebes in das 
definitive Schleimhautgewebe derart, daß, nachdem sich die Zell- 
elemente in Bindegewebsfasern differenziert haben, und die mu- 
cinhaltige Zwischensubstanz allmählich aufgesaugt ist, in der 
Umgebung der sich inzwischen in beträchtlicher Menge neubil- 
denden Gefäße kleinzellige Herde sich auszubilden beginnen, die 
offenbar durch Emigration weißer Blutzellen aus diesen Gefäßen 
entstanden sind. „Diese Lymphocyten verbreiten sich nach und 
nach durch das ganze Gewebe, in dessen Maschen sie liegen 
bleiben, so daß die Struktur des adenoiden Charakters der 
Schleimhaut immer deutlicher hervortritt. Ein Teil der emigrier- 
ten Blutzellen wird später von den Blutgefäßen wahrscheinlich 
wieder aufgenommen, resp. von den Lymphgefäßen transportiert^, 
wodurch natürlich allmählich die endgültige Schrumpfung der 
Schleimhaut herbeigeführt wird. Stellt man sich nun vor, daß 
dieser Umwandlungsprozeß ungleichmäßig vor sich geht, so daß, 
während er an einigen Punkten vollendet, das Sehleimpolster 
also bereits verschwunden ist, und die Schleimhaut ihre normale 
Dicke erhalten hat, einzelne andere Punkte in ihrer Rückbildung 
auf der der Schrumpfung vorausgehenden Etappe der lebhaften 
Vermehrung der Lymphocyten stehen geblieben sind, so bekom- 
men wir das Bild der oben beschriebenen Prominenzen. 

Diese unsere Deutung des Charakters der fraglichen Bildun- 
gen am Trommelfelle als Reste des fodalen Schleimgewebes 
gewinnt besonders in unserem Falle noch dadurch an Wahr- 



Du Vorkommen von PerBistenz der atterla stapedIa qrw. 43 

Bolieinlichkeit, daß auoh andere Stellen der Panke, und zwar 
an der iuneren Wand derselben, bauptBäohtieh in den Nischen, 
mehrere beträohtliehe Wucbernngen der Scbleimbant anfweisen, 
die sich mikroskopisch als mixomatöses Qewebe prSaentieren 
(Fig. 3, 4, 5). Eine weitere Sttltze erhält die Annahme der 
Natnr der Gebilde als Produkte einer Entwickelnngsbemmnng 
Dooli in dem Umstände, daß wir ja hier noch ein zweites Über- 
bleibsel des embryonalen Zuetaodes in der Art. stapedia haben. 
Ein fernerer Befund, der in nnserem Falle eine Beachtung 
verdient, ist eine große Anzahl von typischen, schönen Follikeln, 



die in der Schleimhaut der medialen Paukenwand und der Eu- 
stachischen Röhre, sowohl in der Tiefe, als auch in der Sub- 
epithelialschioht, direkt dem Epithel anliegend (Fig. 7), zerstreut 
sind. Auf die Anwesenheit lymphatischen Gewebes in Form 
von zelliger Infiltration in der Tuba Eustachii bei den Neuge- 
borenen machte schon Anton (23) aufmerksam, erwfthnte aber 
nichts von dem typischen Bau des adenoiden Gewebes. Ob diese 
FoUikelbilduDg in den erwähnten Gegenden des Mittelohres bloß 
bei den Nengeborenen vorkommen, etwa wie sie Haidar Kia- 
mil(24) am Kehldeckel beschreibt, und somit auch dieser Er- 
scheinung in unserem Falle die Bedeutung einer Hemmungsbil- 



44 IV' LEVIN, Das Vorkommen von PersiBtenz usw. 

dang zukommen würde — dies zu entscheiden, muß den weiteren 
Untersaohungen überlassen werden. 

Literatnrrerzeichiils« 

1) Otto, Nova acta acad. Caesar. Leop. T. XIII. S. 662. — 2) Hyrtl. 
Das arterielle Gefäßsystem der Monotremen. Denkschrift der Kaiserl. Aka- 
demie der Wissensch. T. Y. Ib53. — 3) Derselbe, Zur vergleichenden Ana- 
tomie der Trommelhohle. £benda 1848. — 4) Derselbe, Neue Beobach- 
tung aus d. Gebiete der menschlichen und vergleichenden Anatomie. Mediz. 
Jahrb. des k. k. Osterreich. Staates. Neue Folge. Bd. X. S. 457. — 5) A r- 
nold, Handbuch, 1851. S. 11 00. — 6) Langer, Jahrb. der Anatomie. Wien 
1865. S. 725. — 7) Salensky, Morpholoff. Jahrbuch. Bd. VI. 1880 u. Zoolog. 
Anzeiger. 1879. — 8) Fräser, Alex., On the Development of the ossicula 
auditus in Higher Mammalla. Philosophical Transactions of the Royal So- 
ciety. London 1883. Vol. 173. — 9) Tandler, vgl. unter Nr. 12. — 10) Sie- 
benmann, Die ersten Anlagen des Mittelohres .und der Gehörknöchelchen 
des menschUchen Embryo. Arch. fQr Anatotaie u. Entwicklungsgesch. 1894. 

— 11) Heget seh Weiler, Die embryonale Entwicklung des Steigbügels. 
Arch. fOr Anatomie u. Physiolog. (anat. Abteil.), 1898. S. 37. — 12) Tand - 
1er, J., Zur vergleichenden Anatomie der Kopfarterien der Mammalia. Denk- 
schrift der Kaiserl. Akademie der Wissensch. in Wien. Bd. LXVII. 1898. — 
13) Alexander, Ein Fall von Persistenz der Art. staped. beim Menschen 
Monatsschr. f. Ohrenheilk. Nr. 7, 1899. — I4)v. Tröltsch, Ohrenheilkunde, 
3. Aufl. S. 296. — 15) Gerlach, Mikroskopische Studien aus dem Gebiete 
der menschlichen Morphologie. Erlangen 1858. S. 61 u. 62. — 16) Brunner, 
Beitrag zur Anatomie und Histologie des Mittelohres. Leipzig 1870. S. 10. — 
17) Wendt, Polypöse Hypertrophie der Schleimhaut des Mittelohres. Arch. 
fQr Heilkunde, Jahrg. 14. S. 262. — 18) Moos, Ober gefäßfahrende Zotten 
der Trommelhöblenschleimhaut. Zeitschn f. Ohrenheilk. Bd. XIV. S. 4. 1885. 

— 19) V. Tröltsch, Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 5. Aufl. 1875. S. 162. — 
20) Wreden, Die Otitis med. neonatorum. Berlin 1868. — 21) Hertwig, 
Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. 
1898. S. 498. — 22) Goerke, M., Die exsudativen und plastischen Vorgänge 
im Mittelohre. Dieses Archiv. Bd. LXV. S. 239. 1905. — 28) Anton. W., 
Studien über das lymphatische Gewebe in der Tuba Eustach. beim Kinde. 
Manch, med. Wochenscbr. 1901. Nr. 2. S. 43. — 24) Haidar Kiamil, Mit- 
teilungen aus dem embryologischen Institut der k. k. Universität Wien. V. L 
S 51. 1880. 



V. 

Aus der Abteilung für Ohren-, Nasen- und Halskranke am Aller- 
heiligenhospital zu Breslau (Primärarzt: Dr. Brieger). 

Beiträge znr Anatomie des rnnscnlns stapedins. 

Von 

Dr. W. Steinitz. 



Bei Gelegenheit von Untersuchungen ttber die Nervenendi- 
gungen in quer gestreiften Muskeln kam ich dazu, den Bau des 
Musculus stapedius bei verschiedenen Säugetieren, sowie beim 
Menschen näher zu prüfen. Meine Untersuchungen erstrecken 
sich auf den Musculus stapedius des Menschen, der Katze, des 
Meerschweinchens und der Ratte. 

Obwohl der Musculus stapedius beim Menschen erst aus seinem 
Enochenkanal herausgeholt werden muß, während er bei den 
übrigen Säugetieren nur in eine offene Rinne eingebettet ist, 
gestaltet sich seine Präparation bei den genannten Tieren, be- 
sonders bei der Ratte, wegen seiner minimalen Größe weit 
schwieriger. 

Beim Menschen geht man zweckmäßig folgendermaßen vor: 
An der ausgemeißelten Schläfenbeinpyramide wird mit der 
Enoobenzange die vordere Gehörgangswand, das Trommelfell, 
die laterale Atticuswand und das Paukendach abgetragen. Dann 
werden Hammer und Amboß entfernt und der Stapes mit der 
Insertion der Stapediussehne bloßgelegt. Nun wird ein scharf- 
geschliffener Meißel dicht hinter dem Facialkanal parallel der 
hinteren Paukenwand auf den lateralen Bogengang aufgesetzt, 
und mit kräftigen Hammerschlägen der Warzenfortsatz abgetrennt. 
Dabei springt gewöhnlich die laterale Wand des Facialkanals 
und der Eminentia pyramidalis mit ab; andernfalls wird sie mit 
der Knochenzange abgetragen. Der freigelegte Muskel wird 
nun mit der Pincette an der Sehne gefaßt und ans dem Knochen - 



46 V. STEINITZ 

bett heryorgezogen, fast immer müssen jedoch zuvor noch seine 
fibrösen Adhärenzen an die Enochenwand mit einem feinen 
Sl^alpell dnrohtrennt werden. 

Ungleich schwieriger gestaltet sich die Präparation des 
Musculus stapedius bei den kleinen Säugern. Ich will sie Air 
das präparatorisch schwierigste unter den von mir untersuchten 
Objekten, die Hatte, schildern. 

Zunächst wird das knöcherne Ohr mit einer starken Schere 
aus dem Schädel herausgeschnitten und alle anhaftenden Weich- 
teile sorgfältig entfernt. Dann wird das Trommelfell mit dem 
Hammer entfernt und vom Annulus tympanicus aus das Tegmen 
tympani abgetragen. Nunmehr dient der makroskopisch noch 
gut erkennbare Amboß zur Orientierung. Die weitere Präparation 
ist nur auf dem Objekttische eines (binocularen) Präpariermikro- 
skopes möglich. Man entfernt mit einer Pincette den Amboß und 
sieht jetzt den Steigbügel liegen, neben dem als weißer Strang 
der Nervus facialis verläuft. Über das Promontorium hinweg 
zieht durch die Schenkel des Steigbügels hindurch ein starkes 
Blutgefäß. Am hinteren Schenkel sieht man die Sehne des 
Musculus stapedius inserieren ; sie verliert sich unter den nervus 
facialis. Nun klappt man diesen mit der Spitze einer haken- 
förmig gebogenen Nadel nach oben und legt auf diese Weise 
den unter ihm versteckten Muskelbauch des Stapedius bloß. Um 
ganz sicher zu gehen, daß das zum Schluß herauspräparierte 
Gebilde auch wirklich der Musculus stapedius ist, empfiehlt es 
sich, ihn im Zusammenhang mit dem Stapes zu lassen. Man 
durchtrennt daher am besten das durch die Schenkel des Steig- 
bügels ziehende Gefäß, mit der krummen Nadel, führt eine 
Nadel zwischen die Schenkel und hebt den ganzen Stapes aus 
der Nische des ovalen Fensters. Dadurch spannt man die 
Sehne und den Musculus stapedius selbst an, präpariert dann den 
Stumpf vom anhaftenden Bindegewebe frei, durchschneidet mit 
der Schere seinen Ursprung am Knochen und isoliert ihn im 
Zusammenhang mit dem Nervus facialis. Will man ihn auch 
von diesem trennen, so geschieht das nachträglich auf einem 
Objekttäger, wo man auch die Sehne direkt an ihrer Insertion am 
hinteren Schenkel durchschneidet. — Der Musculus stapedius 
ist der kleinste, quergestreifte Muskel ; dementsprechend sind die 
Primitivbündel außerordentlich dünn. Sein charakteristisches, 
für ihn geradezu spezifisches Gepräge erhält er durch die über- 
reichliche Bindegew ebsent Wickelung. Diese studiert man am 



Beiträge zur Anatomie des maBCulus stapedius. 47 

besten an Schnitten, die mit Picrinsäure-Säurefuchsin gefärbt 
sind. Hier kann man deutlich sehen, daß das Bindegebe ge- 
radezu reichlicher vorhanden ist als die Muskelfasern. 

Das Verhältnis vom Muskel- und Bindegewebe im Musculus 
stapedius des Menschen unterliegt großen, individuellen Schwan- 
kungen. Um ZQ entscheiden, ob diese Schwankungen wirklich 
rein individuelle, oder ob sie von Alter und Geschlecht abhängig 
seien, wurden an neun Leichen diesbezügliche Untersuchungen 
angestellt. 

Es wurden Schnittserien, hauptsächlich Querschnitte, ange- 
fertigt, und an diesen durch Giesonfärbung beide Gewebsarten 
deutlich zur Anschauung gebracht. Um nun zu einem zahlen- 
mäßigen Ausdruck für den Anteil des Muskelgewebes zu kommen, 
wurde am einzelnen Schnitt der muskulöse Anteil abgeschätzt 
und durch einen Bruch ausgedrückt (z. B. Vs wenn der dritte 
Teil des Querschnittes von Muskelfasern, 2/3^ vom Bindegewebe 
eingenommen wurde). Das arithmetische Mittel aus der Summe 
dieser Brüche ergab dann einen Ausdruck für den Gesamtanteil 
der Muskulatur am Bau des ganzen Muskels. 

Die so erhobenen Befunde ergaben, daß bei einem und dem- 
selben Individuum rechter und linker Steigbügelmuskel annähernd 
gleiche Verteilung von Muskel- und Bindegewebe darbieten. 
Hingegen ließ sich eine Beziehung zwischen der Struktur des 
Muskels und dem Alter oder Geschlecht des betreflfenden Indi- 
viduums nicht nachweisen. Am reichsten fand sich nämlich das 
Muskelgewebe entwickelt (und zwar etwas mehr als V2) d. h. 
das Muskelgewebe überwog um ein geringes das Bindegewebe) 
bei einem Manne von 27 Jahren, einem Mädchen von 19 Jahren 
und einem 78jährigen Greise. Den geringsten Anteil, nämlich 
nur V^} zeigte das Bindegewebe im Musculus stapedias einer 
29jährigen Frau. 

Die reichliche Bindegewebsentwiekelung im Steigbügel- 
muskel des Menschen ist auf Eechnung des Perimysium internum 
zu setzen. Das entgegengesetzte Verhalten, nämlich Bindegewebs- 
reichtum infolge außerordentlich starker Entwickelung des Peri- 
mysium externum finden wir bei der Ratte. Wähend hier der 
Muskel selbst nur von relativ wenigen Bindegewebssträngen 
durchsetzt wird, ist er von einer dicken Bindegewebsscheide 
umhüllt. Während ferner, wie erwähnt, die Primitivbündel im 
Stapedius des Menschen außergewöhnlich dünn sind, sind sie bei 
der Ratte von ziemlich erheblicher Dicke. 



48 V. STEINITZ 

In der Mitte zwischen diesen beiden Typen steht der Musculus 
stapedius der Katze. Hier haben wir ebenfalls erheblich dickere 
Primitivbündel) das Perimysium extemum ist ebenso reichlich 
wie bei der Ratte, das Perimysium internum ist etwa ebenso 
reichlich wie beim Menschen entwickelt. 

Die bei weitem dünnsten Primitivbündel weist der Stapedius 
beim Meerschweinchen auf. Sie sind hier so dünn, daß sie nur 
bei Ölimmersion als quergestreifte Muskelfasern zu agnoscieren 
sind. Die Entwickelung des interstitiellen Bindegewebes ist hier 
eine relativ geringe. 

Die überreiche Entwickelung des Bindegewebes, das in 
vielen Fällen den Muskelanteil im Stapedius an Mächtigkeit 
sogar übertrifft, könnte vielleicht den Gedanken nahe legen, 
daß der genannte Muskel ein in Degeneration begriffenes, nicht 
mehr funktionsfähiges Organ sei: Müssen wir diese Frage schon 
auf Grund der Tatsache, daß bei Facialisparese Ausfallserschei- 
nungen von Seiten des Musculus stapedius im Sinne einer 
Hyperakusis auftreten, verneinen, so ergibt auch die Untersuchung 
der den Muskel versorgenden Nerven, daß dem Muskel wohl 
eine besondere Funktion zukommen müsse. 

Technisch ist eine derartige Untersuchung allerdings enorm 
schwierig: Während man die Nerven und ihre Endigungen in 
den Muskeln stets an Zupfpräparaten untersucht, weil nur 
der Zusammenhang des Nerven mit seinen Endigungen mit der 
wünschenswerten Klarheit darstellbar ist, läßt diese Methode 
hier völlig im Stich. Kein chemisches oder mechanisches Mittel 
vermag die starren Bindegewebsmassen zu lösen — wenigstens 
nicht ohne gleichzeitig die zarten Nervenendorgane mit zu zer- 
stören. Man ist also genötigt, die einschlägigen Verhältnisse 
an Schnittserien zu studieren — ein mühevolles Beginnen, dessen 
Ertrag nicht eben der lohnendste und verläßlichste ist. 

Bezüglich des Baues der motorischen Nervenendigungen findet 
sich im Stapedius keine Abweichung von den motorischen End- 
platten anderer Muskeln. Wohl aber entspricht die Verteilung 
der genannten Endorgane im Stapedius nicht den in anderen 
Muskeln meist beobachteten. 

Dort herrscht nämlich im allgemeinen das Prinzip, daß die 
Innervationsstellen auf einen möglichst kleinen Baum be- 
schränkt sind. Das wird meist so erreicht, daß ein senkrecht 
zur Längsachse der Muskelfasern verlaufender Nervenstamm 
kurze Seitenäste abgibt und sich schließlich in einen Busch 



Beiträge zur Anatomie des musculas stapedius. 49 

kurzer Endäste auflöst. Beim Stapedius scheint dagegen — 
wahrscheinlich wegen der völlig ungleichen Faserlänge — eine 
andere Verteilungsweise stattzuhaben. Es dringen nämlich starke 
Nervenstämmchen zwischen die Muskelfasern ein, verlaufen 
parallel mit ihnen nach der Sehne hin und scheinen in deren 
Nähe ihr Ende zu erreichen. 

Weit interessanter als das Verhalten der motorischen Endorgane 
ist das der sensiblen Nervenendungen. Zwar die gewöhnlichen sen- 
siblen Endfasern verhalten sich hier nicht anders als anderwärts; 
aber es kommen außer diesen feinen und feinsten Ausläufern sen- 
sibler Nerven noch andere sensible Endbildungen zur Beobachtung, 
die sogenannten Muskelspindeln. Ausfuhrlich auf den Bau dieser 
hochinteressanten, in ihrer Bedeutung noch nicht genügend ge- 
würdigten Gebilde einzugehen, ist hier nicht der Ort.^) Nur 
folgendes möchte ich erwähnen: Die Muskelspindeln bestehen 
aus einem spiralig um ein oder mehrere Muskel-Primitivbündel 
gewundenen Nervenende ; innerhalb der Nervenumschlingung 
zeigt die Muskelfaser bei einfaserigen Spindeln (und nur solche 
scheinen flir den Stapedius des Menschen in Betracht zu kommen) 
eine knollige Auftreibung. Diese wird von einer mit Hämatoxylin 
stark färbbaren Substanz gebildet, innerhalb deren die Quer- 
streifiing fast ganz verwischt ist und einer deutlichen Längs- 
streifung Platz macht. Die erwähnte Veränderung der Form 
und Struktur der Primitivbündel ist so charakteristisch, daß man 
die Spindeln auch auf Längsschnitten, in denen doch die Haupt- 
sache, nämlich die Nervenspirale, natürlich nicht zu sehen ist, 
erkennen kann. 

Derartig charakteristisch veränderte Muskelfasern habe ich 
im Stapedius häufig beobachtet: Sie sehen genau so aus wie 
die Längsschnitte der ebenfalls einfasrigen Muskelspindeln in 
den Augenmuskeln. Ich halte mich daher fUr berechtigt, die 
erhaltenen Schnittbilder als Längsschnitte von Spindelfasern zu 
deuten. 

Dieser Befund ist nun weit wichtiger, als es zunächst den 
Anschein haben mag. Die neueren Untersucher der Muskelspindeln 
neigen fast ausnahmslos der Ansicht zu, daß die Muskelspindeln 
die Organe des Muskelsinnes bilden; eigene eingehende Unter- 
suchungen lassen mir selbst jede andere Anschauung unhaltbar 

1) Nähere Angaben darüber finden sich in meiner Dissertation: 
„Beiträge zur Kenntnis der Nervenendigungen in den quergestreiften Mus- 
keln der Sängetiere^^ Rostock 1905. 

Arohiy f. Ohrenheilktuide. LXX. Bd. 4 



50 V. STEINITZ, Beiträge zar Anatomie des musculaB stapedius. 

erscheinen: Die Mnskelspindeln sind es, die uns über den je- 
weiligen Eontraktionsznstand unserer Muskeln unterrichten. So 
tragen sie in den Augenmuskeln, wo sie nach meinen Unter- 
suchungen am zahlreichsten anzutreffen sind und die gleiche 
Struktur wie im Stapedius haben, in erster Linie zum Zustande- 
kommen der sogenannten Konvergenzempfindung bei und gewähren 
uns so die Möglichkeit der Entfernungsschätzung. Für die 
Augenmuskeln mit ihrem eminent fein ausgeprägten Muskelsinn 
ist die Anwesenheit der Muskelspindeln leicht erklärlich. Beim 
Stapedius stößt die Erklärung auf zur Zeit unüberwindliche 
Schwierigkeiten oder vielmehr: sie vermehrt die Schwierig- 
keiten, die dem Versuche einer einwandfreien Deutung der 
Funktion des genannten Muskels zur Zeit entgegenstehen. 
Jedenfalls aber werden die Vorstellungen von der Funktion des 
Musculus stapedius in Zukunft mit dem zahlreichen Vorhanden- 
sein von Organen des Muskelsinnes zu rechnen haben. 




VI. 

Einige Bemerkungen ftber den Weberschen Versnob. 

Von 

X. Rh. Blegrad, 

Assistenten an der Ohren- und Halsklinik des KommunehospitaU zu Kopen- 
hagen. 



Der Web ersehe Versuch, der in seiner jetzigen Form von 
E.H. Weber 1834 angegeben wurde, wird bekanntlich folgen- 
dermaßen ausgeführt: Man bringt eine tönende Stimmgabel 
irgendwo in der Mittellinie vom Kranium des zu Untersuchen- 
den (gewöhnlich auf dem Scheitel) an^ und erkundigt sich, in 
welchem Ohr der Schall am stärksten empfunden wird. Wird 
angegeben, daß der Ton ausschließlich oder am stärksten in 
einem Ohre gehört wird, sagt man, daß Lateralisation nach 
dem betreffenden Ohre stattfinde, und der Versuch sollte die 
diagnostische Bedeutung haben, daß Lateralisation nach dem 
kranken Ohre ein Zeichen einer Affektion des schallleitenden 
Apparates sei, während Lateralisation nach dem gesunden Ohre 
ein Zeichen eines Leidens des schallpercipierenden Apparates des 
kranken Ohres sei. — Als dieser Versuch in den sechziger Jah- 
ren unter den otologischen Funktionsproben erschien, gewann er, 
namentlich seiner einfachen Ausführung wegen, rasch große Aus- 
breitung. Besonders warm empfahl Politzer den Versuch. 
Bekanntlich hat Mach '^) folgende *— gewiß unrichtige — Theorie 
aufgestellt: Lateralisation des Tons nach einem verstopften Ohre 
(und nach einem Ohre mit Affektion des schallleitenden Appa- 
rates) wird durch verhinderten Sehallablauf vom Mittelohr ver- 
ursacht. Dieser Theorie huldigte Politzer, und er meinte, daß 
es keine Ausnahmen von der Regel gäbe, daß die Stimmgabel 
nach dem kranken Ohre lateralisiert wird, wenn es sich um Lei- 

1) Wiener med. Wochenschr. 18. Jahrg. 1868. S. 679. 

2) Moleschotts Untersach. etc. 1865. S. 298. 

4* 



52 VI. BLEGVAD 

den des Schallleitungsapparates, und nach dem gesunden Ohre, 
wenn es sich um Leiden des schallpercipierenden Apparates 
handelt. 

Jedoch kam der Versuch bald unter Otologen in Verruf, und 
auch Politzer mußte später auf diesem Punkte den Rückzug 
antreten. Lucae^) spricht schon 1870 aus, daß die isolierte 
Untersuchung der Enochenleitung einen sehr unsichern Halt für 
die Diagnose der Ohrenleiden abgibt, weil die Enochenleitung 
von Ohrenleiden, die ihren Sitz in ganz verschiedenen Gegenden 
des Gehörorgans haben, in gleicher Weise beeinflußt werden 
kann, und 1886 sagt Lucae^) über den Web ersehen Versuch: 
„Diagnostisch ist diese Erscheinung für mich schon lange von 
sehr geringer Bedeutung, da ich mich schon vor Jahren durch 
klinische und anatomische Untersuchungen überzeugt habe, daß 
sie uns durchaus keine Sicherheit bietet für die Annahme einer 
Intaktheit des inneren Ohres.** Jacobson 3) schreibt 1884 über 
den Web ersehen Versuch: „Wenn man dies alles unbefangen 
erwägt, so wird man, glaube ich, sich kaum der Ansicht erwehren 
können, daß eine Verstärkung der Perception von den Eopf- 
knochen aus nicht nur, wie die meisten Autoren behaupten, 
durch Erkrankung des Schallleitungsapparates, sondern auch 
durch pathologische Veränderungen im Labyrinth, oder andere 
bisher noch unbekannte Verhältnisse bedingt sein kann." — 
Schwartze^) fand: „Überwiegen der Enochenleitung** bei einer 
Verletzung mit einer Stecknadel, wo das Labyrinth sicher ge- 
schädigt war, und erwähntes) 2 Fälle von Taubheit nach Ver- 
letzung des Schädels, welche ausgeprägte Lateralisation nach 
dem geschädigten Ohre zeigten. In dem einen Falle war eine 
Verletzung des schallleitenden Apparates ausgeschlossen. — Sie- 
benmann^) fand — allerdings bei Untersuchung von nur 26 In- 
dividuen mit normalem Gehör — Lateralisation in Vs der Fälle, 
und mehrere Beobachter (Lucae, Hartmann, Schwartze, 
Jacobson u. a.) haben Lateralisation nach einem Ohre gefun- 
den, dessen Cochlea sequestriert war. Schwab ach') findet bei 



1) Dieses Archiv. Bd. V, S. 82 ff. 

2) Dieses Archiv. Bd. XXIII, S. 125. 

3) Dieses Archiv. Bd. XXI, S, 299. 

4) Dieses Archiv. Bd. XVII, S. 117. 

5) Lehrb. d. Chirurg. Krankh. d. Ohres. S. 382. 

6) Zeitschr. f. Ohrenheilkunde. Bd. XXII, S. 285 ff. 

7) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XIV, S. 61 ff. 



Einige Bemerkungen über den Weberschen Versuch. 53 

unkomplizierten, peripheren Ohrenleiden (sowohl bei positivem, 
wie bei negativem Rinne), daß der Stimmgabelton beim Weber- 
sehen Versuche nur bei 55,17 Proz. der Untersuchten nach dem 
kranken Ohre lateralisiert wurde, und nur in 87,27 Proz. der 
Fälle war die Enoohenleitung verlängert. — Steinbrügge i) 
spricht aus, „daß der Web er sehe Stimmgabelversuob am kran- 
ken Ohre nicht mehr im früheren Sinne differentielldiagnostisch 
verwertet werden könne." 

Wegen dieser und mehrerer AngriiBfe, die hier nicht näher 
besprochen werden sollen, hat der Web er sehe Versuch im letz- 
ten Dezennium viel Terrain verloren, so daß er sich keines 
großen Ansehens mehr unter den Otologen erfreuen kann. An- 
ders verhält es sich gewiß bei den übrigen Ärzten, die der Ent- 
wicklung der otologisehen Funktionsuntersuchungen nicht bestän- 
dig haben folgen können. Unter diesen sind viele, die noch fest 
an die Zuverlässigkeit des Weberschen Versuches als Dififeren- 
tialdiagnosticum glauben. So verwendet Bloch^) in seiner kürz- 
lich erschienenen Chirurgie den Weberschen Versuch, um fest- 
zustellen, ob bei einer Fractura baseos cranii Verletzung des 
Nervus acusticus stattgefunden habe. Da beim betreflFenden Pa- 
tienten Lateralisation nach dem kranken Ohre stattfindet, meint 
der Verfasser, daß man daraus auf eine Afifektion des Leitungs- 
apparates schließen kann, jedoch kaum auf eine des Labyrinths 
oder des Nervus acusticus. Doch sagt der Verfasser später, daß 
diese Ohrenfunktionsuntersuchungen bei Fractura baseos cranii 
nur geringen praktischen Wert haben; es fällt dem Patienten oft 
schwer, in seinen Angaben korrekt zu sein; eine Entzündung im 
Cavum tympani oder eine Sklerose der Membrana tympani mit 
Betraktion oder ein Ohrenschmalzpfropfen im hinteren Teile des 
Meatus auditorius können bewirken, daß der Patient den Stimm- 
gabelton am stärksten im angegrifPenen Ohre hört; um sicher zu 
sein, müßte man also andere Krankheiten ausschließen können. 
Bloch meint also darin „Gewißheit" zu haben, daß Laterali- 
sation nach dem kranken Ohre pathognomonisch für ein Leiden 
des Schallleitungsapparates sei. Und es gibt gewiß viele an- 
dere, nicht speziell ausgebildete Arzte, die gleicher Meinung 
sind. Um möglicherweise einen Beitrag zur Beurteilung der 
Frage über den diagnostischen Wert des Web ersehen Versuches 
geben zu können, benutzte ich die Gelegenheit, eine genauere 

1) ZeitBChr. f. Ohrenheilkunde. Bd. XVIII, S. 15. 

2) Chirurgien Bd. la. 1905. S. 74. 



54 VI. BLEGVAD 

Prttfang desselben anzustellen, als ich im Winter 1904—1905 
eine Ohrennntersaohnng und akustische Funktionsprobe bei 450 
Telephonistinnen unternahm, um den Einfluß des berufsmäßigen 
Telepbonierens auf das Gehörorgan festzustellen. 

Zur Ausfbhrung des Versuchs verwandte ich zwei Stimm- 
gabeln, ai (435 y. d.) und A (108 v. d.). Um die zu Untersuchende 
daran zu gewöhnen, Lateralisation wahrzunehmen, fing ich da- 
mit an, die Stimmgabel auf dem Scheitel anzubringen, und ließ 
sie den Finger erst in das eine, dann in das andere Ohr stecken. 
Grewöhnlich gab die Betreffende an, daß der Ton dadurch am 
stärksten im zugestopften Ohre empfunden werde. Darauf habe 
ich mit jeder Stimmgabel den Versuch von folgenden 4 Punkten 
des Eraniums aus vorgenommen: 1) vom Kinn, 2) von der Gla- 
bella, 3) vom Scheitel im Mittelpunkte der senkrechten Verbin- 
dungslinie zwischen den äußeren Ohröffnungen, und 4) von der 
Protuberantia occipitalis externa. Wie in einer anderen Arbeit ^) 
erwähnt, ist es von großer Bedeutung, daß die Stimmgabel so- 
weit möglich genau in der Mittellinie des Kraniums angebracht 
wird. Dagegen spielt es keine Bolle, ob sie senkrecht auf der 
Oberfläche oder mehr oder weniger schräg steht. Das Besultat 
der Untersuchung wurde auf vier Teilstrichen notiert, so daß ein 
+ über dem Teilstrich (+) Lateralisation nach dem rechten Ohre, 
ein + unter demselben (+) Lateralisation nach dem linken Ohre 
und «== keine Lateralisation bezeichnet. Auf dem ersten Teil- 
strich wird das Ergebnis des Versuchs vom Kinn aus notiert, 
auf dem zweiten das von der Glabella, auf dem dritten das vom 
Scheitel, und auf dem vierten das vom Hinterkopfe. Ferner 
wurde jeder eine Art von Zensur für die Sicherheit und Ge- 
nauigkeit gegeben, mit der sie den Ort der Schallempfindung an- 
gab, in der Weise, daß 6 die beste Zensur bezeichnet , 1 die 
schlechteste, 2, 3, 4 und 5 zwischenliegende Grade. 

Der Webersche Versuch bei Telephonistinnen mit 
normalen oder fast normalen^) Trommelfellen und 
normalem Gehör 3). Unter 371 Telephonistinnen, die zur 

1) Dieses Archiv. Bd. LXYII. 1906. S. 280 ff. 
^ 2) Als „fast normal^* sind Trommelfelle bezeichnet, die retrahiert oder 
verdichtet waren oder Ealkablagerungen oder kleine und zweifelhafte Narben 
enthielten, aber keine Perforationen, größere Narben oder ähnliche grobe 
pathologische Veränderungen zeigten. 

3) D. h. Hörweite ftlr FlQsterstimme in diffusem Tageslirm bis Aber 
9 Meter. 



Einige Bemerkungen über den Weberschen Versuch. 



55 



obenerwähnten Kategorie gehören, ist der Web ersehe Yersach 
bei vier nur mit A ausgeführt ; sie sind deshalb ausgelassen. Bei 
einer ist es nicht möglieh gewesen, ein einigermaßen zuver- 
lässiges Besultat zu erhalten. Übrig bleiben also 366 Telepho- 
nistinnen. Das Ergebnis der Probe bei diesen ist in folgender 
Tabelle referiert. 

Tabelle I. 

Das Ergebnis des Webersohen Versuches bei 366 
Telephonistinnen mit normalem Gehör. 





Kinn 


Stirn 


Soheitel 


Hinterkopf 


ai s« A *a 


208 


206 


190 


183 


ai — A ± 


24 


33 


84 


20 


ai — A ip 


15 


10 


15 


17 


ai ± A « 


26 


15 


20 


27 


ai :F A = 


25 


23 


14 


23 


at ± A± 


34 


41 


58 


45 


at =F A T 


13 


20 


19 


34 


ai ± A T 


9 


4 


8 


10 


at T A ± 


12 


14 


8 


7 




366 


366 


366 


366 



Werden die Fälle gesammelt, wo sich Lateralisation fand, 
80 erhält man: 

Tabelle IL 

Anzahl von Fällen mit Lateralisation bei 366 Tele- 
phonistinnen mit normalem Gehör. 





Kinn 


Stirn 


Soheitel 


Hinterkopf 


- ± 


69 — 18,9 Froz. 
50 — 13,7 « 


60 — 16,4 Froz. 
57 — 15,6 • 


86 — 23,5 Froz. 
41 — 11,2 - 


82 — 22,4 Froz. 
64—17,6 - 




119 — 32,6 Froz. 


117 — 32,0 Froz. 


127 — 34,7 Froz. 


146 — 40,0 Froz. 




70— 19,1 Froz. 
37—10,1 - 


88 — 24,0 Froz. 
34— 9,3 » 


100 — 27,3 Froz. 
42—11,5 


72 — 19,4 Froz. 
61 - 16,7 ^ 



107 — 29,2 Froz. 122 — 33,3 Froz. 142 — 38,8 Froz. 133 — 36,1 Froz. 



Man ersieht hieraus, daß ai in 34,7 Proz. und A in 38,8 Proz. 
der Fälle lateralisiert waren, wenn man den Weberschen Ver- 
such Yom Scheitel, von wo er am häufigsten ausgeführt wird, 
rechnet. 



56 VI. BLEGVAD 

Man wird ferner bemerken, daß ai ebenso oft nacb rechts 
wie nach links lateralisiert wird, wenn es sieh um das Kinn, 
die Stirn und den Hinterkopf handelt, wogegen es vom Scheitel 
aus doppelt so viel Fälle von Lateralisation nach rechts (86) wie 
nach links (41) gibt. In Bezug auf A findet Lateralisation nur 
vom Hinterkopf aus gleich oft nach beiden Seiten statt, wogegen 
vom Kinn, von der Stirn und vom Scheitel aus ungefähr doppelt 
so viel Fälle von Lateralisation nach rechts wie nach links vor- 
kommen. Dieses Verhältnis scheint auf zufälligen Umständen 
zu beruhen. 

Die Stellen, von wo aus am seltensten Lateralisation statt- 
findet, sind bei ai die Stirn, bei A das Kinn. 

Unter sämtlichen 366 Untersuchten waren nur 142 = 38,8 
Proz., bei denen weder Lateralisation mit ai noch mit A von 
irgend einem der 4 Punkte des Schädels aus gefunden wurde. 

Von den übrigen 224 gaben 66 Lateralisation nach verschie- 
denen Seiten von den verschiedenen Stellen des Schädels an, 
z. B. vom Kinn aus nach rechts, von der Stirn nach links, vom 
Scheitel gar nicht usw. Bei 32 von diesen (= 8,7 Proz. der gesam- 
melten Anzahl) wurde diese „unregelmäßige^ Lateralisation mit 
Bestimmtheit (Zensur: 6 Points) angegeben, und die Untersuchung 
gab bei wiederholten Versuchen dasselbe Ergebnis ; ich habe das 
Resultat des Versuches bei diesen 32 als „Weber unregel- 
mäßig'' bezeichnet und werde später darauf zurückkommen. 
Die anderen 34 dagegen haben nur eine geringere Zensur (5 Points 
und darunter) für die Sicherheit ihrer Angabe erlangt, und man 
darf wohl mit Recht in ihrer Unsicherheit einen Ausdruck dafür 
sehen, daß in Wirklichkeit keine Lateralisation stattgefunden 
habe, oder daß sie jedenfalls sehr wenig ausgeprägt gewesen 
sei. Man kann darum rechnen, daß alles in allem 142 + 34 = 
176 oder 48,0 Proz. von 366 Individuen mit normalem 
Gehör weder ai noch A deutlich lateralisieren. 

Bei 30 der Untersuchten (= 8,2 Proz.) fand sich völlige La- 
teralisation, indem sowohl ai wie A nach derselben Seite von 
allen 4 Punkten des Schädels aus lateralisiert wurden. 23 von 
diesen lateralisierten sowohl ai wie A nach rechts, die 7 anderen 
nach dem linken Ohre. Bei verschiedenen der anderen Untersuchten 
war Lateralisation von einem oder mehreren Punkten des Schä- 
dels aus nach dem einen Ohre vorhanden, keine Lateralisation 
von den anderen Punkten aus. In folgender Tabelle ist eine 
Übersicht über das Verhältnis der Lateralisation gegeben. 



Einige Betrachtangen über den Weberschen Versuch. 



57 



Tabelle IIL 

Das Resultat des Weberschen Versuches bei 366 Tele- 
phonistinnen mit normalem Gehör. 







Lateralisation 

von allen 

4 Punkten 


Lateralisation 

von 3 Punkten, 

keine vom 

vierten 


Lateralisation 

von 2 Punkten, 

keine von den 

andern 


Lateralisstion 

von 1 Punkt, 

keine von den 

andern 


ünregelmäß. 
Lat. (Lat. nach 
versch. Seit. v. 
versch. Punkt. 


Keine 
Lateralisation 


B 

S 

CA 




a. ± 


29 


8 


20 27 


32 


200 


366 


ai 


ai q: 


13 


7 


14 


16 






42 = 
11,5 Proz 


15 « 
4,1 Proz 


34 = 
9,3 Proz 


43 — 
11,7 Proz 


1 32 — 
8,7 Proz. 


200 = 
54,7 Proz. 


366 




A± 


32 16 


19 


20 


1 

j 32 


210 


366 


A 


A T 


11 


3 


7 


16 




Summa 


43 — 
11,7 Proz. 


19 ~ 
5,2 Proz. 


26 = 
7,1 Proz. 


36 « 
9,9 Proz. 


32 
8,7 Proz. 


210 — 
57,4 Proz. 


366 



Rechnet man, um sagen zu können, daß ein Individuum den 
Ton lateralisiert, daß wenigstens von zwei Punkten des Schä- 
dels aus Lateralisation stattfinden soll, wird man bemerken, daß 
sieh unter 366 Telephonistinnen mit normalem Ge- 
hör 91 = 24,9 Proz. finden, die ai lateralisieren, und 
88 = 24,0 Proz., die A lateralisieren. 

Unter den 91, die ai lateralisieren, finden sich 57, die den 
Ton nach rechts, und 34, die nach links lateralisieren, und unter 
den 88, die A lateralisieren, sind 67, die nach rechts, und nur 
21 die nach links lateralisieren. 

Versucht man eine Ursache dieser Lateralisation des Tons 
zu finden, muß man erst fragen, ob sie möglicherweise mit dem 
berufsmäßigen Telephonieren in Verbindung stehen sollte. 

Untersucht man, um diese Frage zu beantworten, an wel- 
chem Ohre die 91 Telephonistinnen, die aj lateralisieren, den Hörer 
tragen, zeigt es sich allerdings, daß von 34, welche nach links late- 
ralisieren, 31 = ca. lö/ii den Hörer am linken Ohre^) haben; aber 
von den 57, die nach rechts lateralisieren, tragen nur 6 = ca. 
Vio den Hörer am rechten Ohre; die übrigen 51 tragen ihn am 
linken Ohre, oder abwechselnd vor dem linken und rechten Ohre. 
Es gibt also kein konstantes Verhältnis zwischen dem Ohre, 



1) Mehr als 7S Proz. sämtlicher untersuchter Telephonistinnen tragen 
den Hörer am linken Ohre. 



58 VI. BLEGVAD 

nach dem diese Untersnohten den Ton lateralisieren , und der 
Seite, wo sie den Hörer tragen. Und die Annahme, daß Late- 
ralisation eine Folge des Telephonierens sei, wird ferner ge- 
schwäeht, wenn man das Resultat des Web ersehen Versuches 
bei Frauen betrachtet, die nie telephoniert haben (siehe unten). 
Lateralisation kann also keine Folge der Hjperaesthesia aous- 
tica sein, die sich bisweilen infolge des Telephonierens ent- 
wickelt. Deren Ursache liegt zweifellos auch im Zentralnerven- 
system, und nichts deutet darauf hin, daß sie immer an dem 
Ohre, welches zum Telephonieren angewandt wird, am stärksten 
sein sollte. 

Sollten denn Lateralisationen nicht etwa eine Folge von 
pathologischen Veränderungen im schallleitenden Apparat sein? 

Untersucht man das Verhältnis des Trommelfelles bei den 
oben erwähnten 91 Frauen, die ai lateralisierten, so findet man, 
daß beide Trommelfelle bei den meisten gleich waren, durch- 
gehend ganz normal. Nur bei 33 fanden sich geringere patho- 
logische Veränderungen des Trommelfelles, wie Verdickungen, 
Betraktion, Kalkablagerungen und dergleichen. Bei zwölfen 
war das rechte Trommelfell pathologisch; aber von diesen late- 
ralisierten drei den Schall nach links, die anderen neun nach 
rechts; und von 21 Frauen, wo das linke Trommelfell patho- 
logisch verändert war, lateralisierten nur 6 nach links, 15 nach 
rechts. In all diesen Fällen waren die Veränderungen des 
Trommelfelles ganz leichter Art, und in einigen Fällen war 
das Trommelfell also pathologisch verändert an dem Ohr, nach 
welchem lateralisiert wurde, in anderen Fällen war das Gegen- 
teil der Fall. 

Auch anamnestische Auskünfte geben keinen Anlaß, die 
Lateralisation gerade an der Seite, wo sie sich findet, zu er- 
warten. Bei 5 von diesen Untersuchten finden oder fanden sich 
früher Schmerzen, Ohrensausen, Klappengef&hl, Ausfluß oder 
Autophonie des linken Ohres, aber von diesen lateralisierten drei ai 
nach rechts, zwei nach links; und bei dreien der Untersuchten, 
wo sich eins oder mehrere der erwähnten Symptome am rechten 
Ohr noch finden oder früher vorhanden waren, sind nur zwei, 
die nach rechts lateralisieren, die dritte gibt Lateralisation nach 
dem linken Ohre an. Also auch auf diesem Wege läßt sich 
keine Ursache der Lateralisation nachweisen. 

Daß diese aber eine Bealität ist, darauf deutet die große 
Bestimmtheit hin, mit welcher diese Frauen durchgängig ihr 



Einige Bemerkungen über den Weberschen Versuch. 59 

Vorhandensein angegeben haben, sowie daß ich in mehreren 
Fällen bei zwei Bestimmungen mit mehrmonatlichem Zwischen- 
raum entweder genau oder ungefähr dasselbe Resultat erhal- 
ten habe. 

Bei sieben Telephonistinnen wird der Schall ausschließlich in 
dem Ohr gehört, wozu lateralisiert wird, und bei anderen findet 
Lateralisation statt, auch wenn die Stimmgabel an den entgegen- 
gesetzten Processus mastoideus angebracht wird. So gibt es eine, 
die sowohl a^ wie A nach rechts lateralisiert, selbst wenn die 
Stimmgabel am linken Processus mastoideus angebracht wird, 
eine andere lateralisiert in gleicher Weise ai dagegen A nicht, und 
bei einem sehr nervösen und anämischen Mädchen findet sich 
das merkwürdige Verhältnis, daß sowohl at wie A nach dem 
rechten Ohr lateralisiert wird, wenn die Stimmgabel in der 
Mittellinie angebracht wird, aber daß A nach links lateralisiert 
wird, wenn die Stimmgabel an den rechten Processus mastoideus 
gesetzt wird. (Dies ist eine Andeutung von ^gekreuzter*^ 
Lateralisation, wie sie EitelbergO bei einem Mädchen 
mit Mittelohrkatarrh und Pietro^) bei 50 o/o von Individuen mit 
normalem Gehör fanden, und die darin besteht, daß die Stimmgabel 
von einem oder mehreren Punkten der einen Hälfte des Schädels 
nach dem contralateralen Ohre lateralisiert wird. Das Phä- 
nomen läßt sich leicht durch Iwanoffs ^) Untersuchungen 
erklären, die klarlegen, daß der größte Teil des Schalles sich auf 
dem Enochenwege durch den Schädel direkt nach einem Punkte 
hin verpflanzt, welcher der Stelle, wo die Stimmgabel winkel- 
recht oder tangentiell am Knochen angebracht ist, diametral ent- 
gegengesetzt ist). 

Es ist mir bei der Untersuchung auffallend gewesen, daß 
mehrere der Telephonistinnen , die angaben, daß der Schall 
lateralisiert wurde, über Kopfschmerzen und Nervosität oder 
über Beschwerden durch das Kopftelephon oder durch den 
Schall des Rufstromes und bei „der Prüfung auf Besetztsein der 
Leitung^ klagten, oder anämisch waren. Unter den 42 Unter- 
suchten, die Lateralisation von ai von allen 4 Punkten des 
Schädels angaben, klagten 35 darüber, daß das Kopftelephou 
sie beschwere, 17 sogar in hohem Maße; während so von der 
gesamten Anzahl der Telephonistinnen nur 54,1 Proz. über Be- 

1) Zeitschr. f. OhrenheUkunde. Bd. XVI. 1886 S. 50. 

2) Archiv, italian. Bd. XIII. 1902. S. 279. 

3) Medizinskoje Obosreoje. Nr. 15. 1903. Moskau. 



60 VI. BLEGVAD 

sohwerden seitens des Kopftelephons klagten, sind unter diesen 
ca. 83 Proz., die das Telephon besehwerte, und nicht weniger 
als 7 »» ca. 17 Proz. machten einen anämischen Eindruck. Und 
unter denjenigen der Untersuchten, die Lateralisation des Schalles 
angaben, finden sich die nervösesten Individuen, die ich unter 
den Telephonistinnen getrofiFen habe, und von diesen hörte ich 
auch die schärfsten Ausdrucke in der Beschreibung der Beschwer- 
den seitens des Kopftelephons, des Schalles des Rutstromes und 
des „Prüfens**, welche Klagen unzweifelhaft als ein Zeichen der 
Nervosität angesehen werden müssen. Welches aber der tiefere 
Zusammenhang zwischen Anämie, Nervosität etc. und Laterali- 
sation ist^ läßt sich natürlich nicht leicht sagen. 

Unter den 32 Telephonistinnen, wo der Web ersehe Versuch 
als „unregelmäßig" bezeichnet ist, und wozu nur Unter- 
suchte gerechnet sind, deren Angaben den Eindruck großer Zu- 
verlässigkeit machten, finden sich viele merkwürdige Fälle und 
sonderbare Variationen von Lateralisation. 

Als Beispiel hierzu kann folgendes erwähnt werden. 

2.ai+ = :j:T A^+ --± 5.ai=+±±A + +:r± 
j^ -j j_ _j ^ 

3. ai-q^;p = A = = 6'^iq:q::j::|:-^ = '=== 

Irgend eine Regel oder Formel, wonach die Lateralisation 
stattfindet, habe ich nicht entdecken können. Nur handelt es 
sich. hier auch oft um nervöse Individuen. Unter diesen Tele- 
phonistinnen trifft man häufig die Erscheinung, daß aj nach 
dem einen, A nach dem anderen Ohr lateralisiert wird. Nur in 
zwei Fällen fand dieses von allen Punkten des Schädels aus statt. 
Bei einer derselben wird ai nur im linken, Ä am stärksten im 
rechten Ohre vernommen; doch kann A — wenn auch weniger 
stark — im linken Ohre gehört werden. Beider anderen wird 
ai vom Kinn, von der Stirn und vom Hinterkopf nach links 
lateralisiert, vom Schädel nach rechts, A genau umgekehrt (also 

ai -rni x -^ z: Bei 24 anderen fand solche „ent- 

T TT""!" 

gegengesetzte" Lateralisation von einem oder mehreren 
Punkten vom Sagittalplan des Schädels aus statt; bei 12 von 
diesen nur von einem Punkte des Schädels, bei den 12 anderen 
gleichzeitig von zwei oder drei Punkten aus. Im ganzen fand 
ich bei diesen Telephonistinnen „entgegengesetzte" Lateralisation: 



Einige Bemerkungen über den Weberschen Versuch. 



61 



vom Kinn in 11 Fällen, von der Stirn in 9, vom Seheitel in 10 
und vom Hinterkopf in 7 Fällen. 

Daß es beim Weberschen Versuche eine große Rolle spielt, 
daß die Stimmgabel genau in der Mittellinie angebracht wird, 
habe ich oft Gelegenheit gehabt zu erfahren; wenn die Stimm- 
gabel außerhalb der Mittellinie angebracht wird, so entsteht 
meistens Lateralisation nach dem Ohre, dem die Stimmgabel 
am nächsten ist. Doch verhält es sich nicht immer so (vergl. 
was oben von „gekreuzter^^ Lateralisation gesagt ist). Bei einer 
Telephonistin entsteht zwar Lateralisation, wenn die Stimmgabel 
außerhalb der Mittellinie angebracht wird, aber A wird nach 
links lateralisiert, selbst wenn sie rechts von der Mittellinie an- 
gebracht wird. Bei einer anderen entsteht deutlich Laterali- 
sation, wenn ai von der Mittellinie fortgerückt wird, weniger 
deutlich, wenn es mit A geschieht. Eine dritte lateralisiert ai 
nach rechts, wenn die Stimmgabel rechts von der Mittellinie, 
zeigt aber keine Lateralisation, wenn sie in der Mitte oder links 
am Schädel angebracht wird usw. 

In mehreren Fällen habeich auch ein vonUrbantschitsch^) 
angeführtes Verhältnis konstatieren können, daß sich die Late- 
ralisation verändert, wenn man eine Stimmgabel anwendet, die 
einen oder mehrere Töne höher ist. So fand ich bei einer der 

Untersuchten: 

Q + A H I h nH — I — I — r 

Man erkennt am deutlichsten, eine wie große Rolle die 
Tonhöhe in Bezug auf das Resultat des Weberschen Ver- 
suches spielt, daran, daß der Versuch in vielen Fällen bei dem- 
selben Individuum ein ganz verschiedenes, oft direkt entgegen- 
gesetztes Resultat ergab, je nachdem er mit a, oder A ausgeführt 
wurde. In der folgenden Tabelle IV sind die Fälle gesammelt, 
wo eine solche „entgegengesetzte" Lateralisation stattfand. 

Tabelle IV. 

Fälle von „entgegengesetzter*' Lateralisation bei 366 

Telephonistinnen mit normalem Gehör. 



Kinn 



Stirn 



Schei- 
tel 



Hinter- 
kopf 



Die eine Stimmgabel wird lateralisiert, die andere nicht 

Die eine Stimmgabel wird nach dem einen Ohre late- 
ralisiert, die andere nach dem anderen Ohre 



90 



21 



81 
18 



83 
16 



87 
17 



111 99 



1) Dieses Archiv. Bd. XII, S. 219. 



99 



104 



62 VI. BLEGVAD 

Ans obenstehender Tabelle läßt sich sehen, daß in dnreh- 
schnittlieh 103 F&llen von 366, d. h. 28,1 Proz. das Resultat des 
Web ersehen Versuches bei demselben Individuum verschieden ist, 
je nachdem es mit ai oder mit A ausgef&hrt wird. 

Ferner habe ich oft wie ürbantschitsch^) gesehen, daß 
das Resultat ein anderes wurde, wenn man, sich stets an die 
Mittellinie haltend, den Platz der Stimmgabel in sagittaler Rich- 
tung nur 1 cm veränderte; namentlich sah ich dieses besonders 
ausgeprägt an der Glabella und auf dem Scheitel. 

Daß auch die Intensität des Tons großen Einfluß auf 
das Ergebnis des Web ersehen Versuchs hat (Gradenigo^)), sieht 
man deutlich an 8 Telephonistinnen, bei denen A bei schwachem 
Anschlag der Stimmgabel lateralisiert wird, bei starkem dagegen 
„im ganzen Kopfe" gehört wird d. h. nicht lateralisiert wird. 

Schwabach^) gibt an, daß intelligente Personen bei der 
Ausffthrung des Weber sehen Versuchs angeben, daß sie die 
Stimmgabel zuerst in beiden Ohren, am stärksten im kranken, 
danach nur in diesem hören. Dieses Verhältnis ist zweifellos 
mit dem oben erwähnten analog, daß der Ton bei starker Inten- 
sität nicht lateralisiert gehört wird, sondern erst bei schwächerer. 

Wie früher erwähnt, habe ich die Telephonistinnen gelehrt, 
wie ein lateralisierter Ton klingt, indem ich sie erst das eine 
Ohr, dann das andere zuhalten ließ. Die meisten haben dabei 
auch sofort, wenn auch mit Verwunderung angegeben, daß der 
Ton am stärksten im zugehaltenen Ohre klang. Bei 5 Tele- 
phonistinnen habe ich aber keine Lateralisation hervorbringen 
können, selbst wenn das Ohr ganz fest mit dem Finger oder 
mit Watte zugestopft wurde. Die eine erklärte sogar, daß der Ton 
während des Zuhaltens eher im offenen Ohre am stärksten klänge. 
Bei einer Telephonistin konnte Lateralisation nach rechts, da- 
gegen nicht nach links hervorgebracht werden; bei einer anderen 
umgekehrt nach links, nur in geringem Grade nach rechts. Eine 
dritte endlich , die mit zugehaltenem Ohre ai nach rechts, da- 
gegen A durchaus nicht lateralisierte, gibt an, daß, wenn das 
linke Ohr zugehalten wird, ai in dem Augenblicke gleich stark 
in beiden Ohren klingt, A dagegen am stärksten im linken, zu- 
gehaltenen Ohre, also : b,^ + + + + A -««=«=:«=; bei linkem 
zugehaltenen Ohre ai= = — =»A+ + ++. 

1) Dieses Archiv. Bd. XII, S. 219. 

2) Schwartzes Handbuch. 1893. II, S. 390. 

3) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XIV, S. 61 ff 



Einige Bemerkangen über den Weberschen VersHch. 



68 



Wenn das Ohr zugestopft wird, behaupten die meisten, daß 
der Schall allerdings im geschlossenen Ohre am stärksten sei, 
daB aber dennoch im anderen Ohr ein deutlicher Ton gehört 
werde. Ein Teil der Telephonistinnen hatte aber den Schall 
nur im geschlossenen Ohre hören können. 

Der Webersche Versuch beiFrauenmit normalen 
Trommelfellen und normalem Gehör. Wie obenerwähnt, 
(S. 57 ff.) ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß die Lateralisation, 
die sich bei ca. 24 Proz. unter 366 Telephonistinnen vorfand, 
eine Folge des berufsmäßigen Telephonierens sein sollte; um 
aber völlige Gewißheit zu erlangen, habe ich den Weberschen 
Versuch in der oben erwähnten (S. 54) Weise bei ca. 200 Frauen 
im Alter von 16 — 50 Jahren ausgeführt, die Anstellung bei der 
Kopenhagener Telephongesellschaft suchten, und welche sich nie 
mit berufsmäßigem Telephonieren beschäftigt hatten. Um den 
Versuch sicher zu stellen, habe ich alle diejenigen ausgeschieden, 
deren Gehör subnormal -war, oder deren Trommelfelle auch nur 
geringe pathologische Veränderungen zeigten. Übrig bleiben 100 
Frauen im Alter von 16 — 30 Jahren mit normalem Gehör und 
normalen Trommelfellen. Das Ergebnis des Weberschen Ver- 
suches bei diesen findet sich in folgender Tabelle. 

Tabelle V. 

Das Ergebnis des Weberschen Versuches bei 100 
Frauen mit normalem Gehör und normalen Trommel- 
fellen. 





Sinii 


Stirn 


Scheitel 


Hinterkopf 


ai «B A a« 


63 


61 


57 


58 


81 — A ± 


5 


6 


5 


6 


ai — A :{: 


4 


2 


4 


7 


ai ± A »-> 


6 


8 


8 


5 


ai qp A o- 


3 


9 


4 


7 


ai ± A± 


7 


7 


13 


9 


ai =F A T 


7 


5 


3 


5 


ai ± Alf 


— 




2 


1 


«i =FA± 


5 


2 


4 


2 




100 


100 


100 


100 



Sondert man die Fälle aus, die Lateralisation zeigen, er- 
gibt sich: 



64 



VI. BLEGVAD 



Tabelle VI. 

Anzahl der Fälle mit Lateralisation bei tOO Frauen 
mit normalem Gehör und normalen Trommelfellen. 





Kinn 


Stirn 


Scheitel 


Hinterkopf 


ai 2t 
a. T 


13 «= 13 Proz. 
15 «= 15 * 


15 ^ 15 Proz. 

16 «== 16 « 


23 « 23 Proz. 
11 — 11 * 


15 = 15 Proz. 
14 « 14 * 




28 «= 28 Proz. 


31 =r 31 Proz. 


34 = 34 Proz. 


29 «- 29 Proz. 


A + 


17 -t 17 Proz. 

11 «« 11 - 

1 


15 » 15 Proz. 

7—7 i> 


22 = 22 Proz. 
9 « 9 * 


17 — 17 Proz. 
13 -= 13 * 




28 » 28 Proz. 


22 = 22 Proz 


31 «- 31 Proz. 


30 — 30 Proz. 



Hieraus ergibt sieh, daß ai in 34 Proz. und A in 31 Proz. 
der Fälle lateralisiert wurde, wenn man den Weberschen Ver- 
such vom Seheitel aus rechnet, von wo aus er am häufigsten 
ausgeführt wird. Diese Zahlen erinnern sehr an die entsprechen- 
den bei der Untersuchung von Telephonistinnen (siehe S. 55). 

Ferner wird man auch hier ein ähnliches eigentümliches 
Verhältnis, wie S. 56 erwähnt bemerken, nämlich daß bei ai 
fast ebenso häufig Lateralisation nach rechts wie nach links vom 
Kinn, von der Stirn und vom Hinterkopf stattfindet, wogegen 
sich fast doppelt soviel Fälle von Lateralisation vom Scheitel 
nach rechts (23) wie nach links (11) finden. Was A anbelangt, 
findet von allen 4 Punkten des Schädels viel häufiger Late- 
ralisation nach rechts als nach links statt. Es ist mir nicht ge- 
lungen, eine Erklärung zu diesem Verhältnisse zu finden. Es 
ist keine Folge des berufsmäßigen Telephonierens, da es sich 
auch bei Frauen findet, die nie telephoniert haben. 

Im Gegensatz zum Verhältnis bei Telephonistinnen (s. S. 56) 
findet man hier, daß der Punkt, von wo aus am seltensten Late- 
ralisation stattfindet, bei ai das Kinn ist, bei A die Stirn. 

Nur bei 41 = 41 Proz. fand weder Lateralisation von ai 
noch von A von irgend einem der vier Punkte des Schädels statt. 

Unter den übrigen 59 waren 22, bei denen von den ver- 
schiedenen Punkten des Schädels aus nach verschiedenen Seiten 
lateralisiert wurde („unregelmäßige" Lateralisation, siehe S. 56). 
Bei vier von diesen wurde die „ unregelmäßige" Lateralisation 
mit großer Bestimmtheit (Zensur: 6 Points) angegeben; das Er- 
gebnis der Untersuchung bei diesen wird als Weber „unregel- 
mäßig" bezeichnet. Die Angaben der übrigen 18 waren da- 



Einige Bemerkungen aber den Weberschen Versuch. 



65 



gegen weniger bestimmt (Zensur: 5 und darunter); wie oben 
angeführt (S. 56), kann man deswegen meines Eraehtens, ohne 
einen größeren Fehler zu begehen, diese 18 mit zu den 41 rech- 
nen, die weder A noch ai lateralisieren. Dabei erhält man : es 
gibt 59 oder 59 Proz. von Frauen mit normalem Gehör 
und normalen Trommelfellen, die weder ai noch A 
deutlich lateralisieren. 

Im ganzen lateralisierten also 37 der Untersuchten „regel- 
m&ßig'^, d. h. sie lateralisierten entweder ai oder A oder beide 
von einem oder mehreren Punkten des Schädels nach einem Ohre. 
In der folgenden Tabelle ist eine Übersicht über das Verhältnis 
der Lateralisation bei sämtlichen 100 Untersuchten gegeben. 

Tabelle VII. 

Das Ergebnis des Weberschen Versuches bei 100 
Frauen mit normalem Gehör und normalen Trommel- 
fellen. 







Lateralisation 
von allen 
4 Punkten 


Lateralisation 

von 3 Punkten, 

keine von den) 

vierten 


Lateralisation 

von 2 Punkten, 

keine von den 

andern 


Lateralisation 

von 1 Punkt, 

keine von den 

andern 


Unregelmäß. 
Lat. (Lat. nach 
versch. Seit. v. 
versch. Punkt. 


Keine 
Lateralisation 




GQ 




1 

:ai ± 

1 


6 


1 


3 


7 


4 


66 


100 


at 


lai ^ 


2 


€J^ 2 


3 


6 


1 


1 


8 — 
8 Proz. 


3 « 

3 Proz. 


6 « 
6 Proz. 


13 = 
13 Proz. 


4 » 
4 Proz. 


66 » 
66 Proz. 


100 




A± 


7 


l ' 3 


6 


4 


67 


100 


^ 


AT 


3 


3 

1 


6 




1 

1 

1 


10 » 
10 Proz. 


1 = 
1 Proz. 


6 » 
6 Proz. 


12 « 
12 Proz. 


1 

4 = 
4 Proz. 


67 = 
67 Proz. 


100 



Rechnet man, daß Lateralisation von mindestens zwei Punk- 
ten des Schädels aus stattfinden muß, um sagen zu können, daß 
ein Individuum den Schall lateralisiert, sieht man, daß sich unter 
100 Frauen mit normalem Gehör und normalen Trom- 
melfellen 17 Proz. finden, die ai, und 17 Proz., die A 
lateralisieren. 

Diese Zahlen sind etwas kleiner,, als die entsprechenden bei 
den Telephonistinnen (bezüglich 24,9 Proz. und 24,0 Proz.); dies 
läßt sich vielleicht aus dem Umstände erklären, daß sich unter 

Archiv f. OhrsnheiUnmde. LXX. Bd. 5 



66 VI. BLEGVAD 

den Telephonistinnen mehr nervöse und anämisohe Individuen 
finden, als unter den anderen (vgl. S. 59 ff.)« 

Bei den 4 Frauen, wo Weber „unregelmäßig'' war, er- 
gab die Untersuchung folgendes Besultat: 

^•*iq:qi~q:'^q:q: "q: 3. ai=— — =«A = — q^q^ 

2. aiq: — = = Aq:==± 4. aiq:±±± A ±±±= 

Bei der letzteren wurde A nur bei schwachem Anschlag late- 
ralisiert; wurde die Stimmgabel etwas starker angeschlagen, hörte 
sie den Schall „im ganzen Kopfe''. 



Der Webersohe Versuch bei Telephonistinnen mit 
Otitis media suppurativa chronica. 

Unter den Telephonistinnen fanden sich 8 mit einseitiger 
chronischer Mittelohrsuppuration ohne subjektive oder objektive 
Zeichen einer Labyrinthaffektion; bei 4 war das linke Ohr lei- 
dend, bei den 4 anderen das rechte. Bei 6 von ihnen wurde 
sowohl ai wie A nach dem kranken Ohre lateralisiert. Bei der 
siebenten wurde ai von allen vier Punkten des Schädels aus nach 
dem angegriffenen Ohre lateralisiert, dagegen A vom Kinn aus nach 
dem gesunden, von der Stirn, vom Schädel und vom Hinterkopf 
aus nach dem kranken Ohre. Und daß dieses kein Zufall war, 
sieht man daraus, daß ich dasselbe Ergebnis bei einer Untersuchung 
zwei Monate später fand. Die achte hatte gar keine Lateralisation 
des Schalles, obgleich das Gehör am linken, angegriffenen Ohre 
sehr herabgesetzt war (Hörweite für Flüsterstimme = 0,50 Meter). 

Bei 3 der Untersuchten war Lateralisation nach dem kran- 
ken Ohre vorhanden, sowohl bei ai wie bei A vom Processus 
mastoideus dem gesunden Ohre entsprechend, aber trotzdem ent- 
steht bei der einen keine Lateralisation von der Mittellinie des 
Schädels, wenn die Stimmgabel stark angeschlagen wird. Hier- 
durch wird wiederum illustriert, eine wie große Rolle die Inten- 
sität des Schalles beim Ergebnis des Web ersehen Versuches 
spielt. Bei einer vierten Telephonistin wird A, dagegen nicht 
ai nach dem kranken Ohre lateralisiert, wenn die Stimmgabel auf 
dem Processus mastoideus des gesunden Ohres angebracht wird 

Bei 2 Telephonistinnen wird der Schall ausschließlich im 
angegriffenen Ohre gehört, und bei 2 anderen kann keine La- 
teralisation nach dem gesunden Ohre hervorgebracht werden, selbst 
wenn es zugestopft wird. 



Einige Bemerkungen über den Weberschen Yersach. 



67 



Man sieht also, daß unter 8 Telephonistinnen mit einsei- 
tiger, chronisoher, unkomplizierter Mittelohrsuppuration das Er- 
gebnis des Web ersehen Versuches bei der einen im Gegensatze 
zu den bei den übrigen objektiven Untersuchungen gefundenen 
Resultaten steht, indem keine Lateralisation stattfindet, trotz be- 
deutender Herabsetzung des Gehörs am angegriffenen Ohre. 



Der Webersche Versuch bei Telephonistinnen mit 
Otitidis mediae suppurativae sequelae. Bei 32 Telepho- 
nistinnen fand man unzweifelhafte Spuren von abgelaufener eite- 
riger Entzündung. Bei 1 7 von denselben war das rechte Trom- 
melfelly bei 9 das linke und bei 6 beide Trommelfelle patholo- 
gisch verändert. 

Betrachtet man zuerst das Ergebnis des Weberschen Ver- 
suches bei den 26 Telephonistinnen mit einseitigen Besiduen von 
eiteriger Otitis media, so ergibt sich folgendes Besultat: 



Das 

von 



Tabelle VIII. 
Ergebnis des Weberschen Versuchs in 26 Fällen 
einseitiger Otitidis mediae suppurativae se- 
quelae. 









Lateralisation 
von allen 
4 Punkten 


Lateralisation 

von 3 Punkten. 

keine vom 

vierten 


Lateralisation 

von 2 Punkten, 

keine von den 

andern 


Lateralisation 

von 1 Punkte, 

keine von den 

andern 


Unregelmäß. 
Lateralisation 
(Lat. n. vergeh. 

Seiten von 
vergeh. Punkt. 


keine 
Lateralisation 




"Ö 


ai 

1 


a.± 


8 


! 


1 


2 


6 




p 

TS 


a,+ 





ü 





17 


^ 




8 





l 


2 


6 


17 


o 

IS 


A 


A± 


6 


1 





4 





5 


17 


o 

o3 


AT 


l 













7 


1 





4 





5 


17 


•o 


ai 


a.± 


1 











4 


9 


p 

'0» 


«T 


3 








1 


u 




3 


1 





1 





4 


9 


O 

CD 
O 


A 


A± 














1 


3 


9 


P 


A=F 


4 


1 












4 


1 








1 


3 


9 



68 VI. BLEGVAD 

Im ganzen lateralisierten 7 dieser Frauen weder ai noch A; 
bei einer von ihnen war Herabsetzung des Gehörs vorhanden, 
indem die Flüsterstimme mit dem pathologisch veränderten Ohre 
nur in einem Abstand von 8 Metern gehört wurde, mit dem ge- 
sunden in einem Abstände von ca. 9 Metern. 

In 8 Fällen fand Lateralisation beider Stimmgabeln von allen 
vier Punkten aus statt, und in 2 Fällen konnte der Schall nur in 
dem betreffenden Ohre gehört werden. Bei zweien entstand Laterali- 
sation nach dem gesunden Ohre, wenn es zugestopft wurde, bei 
einer dritten aber wurde der Schall nur im kranken Ohre wahrge- 
nommen, selbst wenn das gesunde fest zugestopft war. Bei vier 
war Lateralisation nach dem kranken Ohre vom Processus ma- 
stoideus des gesunden Ohres sowohl von ai wie von A vorhan- 
den, bei zwei anderen fand dieses nur bei A statt, während ai 
nur von der Mittellinie des Schädels lateralisiert wurde. Bei 
einer Telephonistin, die bei der ersten Untersuchung beide Stimm- 
gabeln von allen vier Punkten des Schädels aus lateralisierte, 
konnte IV2 Monat später durchaus keine Lateralisation nachge- 
wiesen werden, nicht einmal wenn eins der Ohren zugestopft wurde. 

In 9 Fällen fand Lateralisation von einer oder von beiden 
Stimmgabeln von 1, 2 oder 3 Punkten des Schädels aus statt. 
In 4 Fällen wurde A ausschließlich oder tiberwiegend laterali- 
siert, in 4 Fällen ai, und in einem Falle war kein Unterschied 
zwischen beiden Stimmgabeln vorhanden. Bei einer Telepho- 
nistin schwand die Lateralisation später teilweise, indem sie sich 
nur auf dem Scheitel hielt. 

Was zeigt die Lateralisation nun bei diesen Patientinnen? 
Um diese Frage beantworten zu können, muß man das Ergebnis des 
We her sehen Versuches mit den übrigen objektiven Untersuchungen 
vergleichen. — Unter diesen 26 Telephonistinnen finden sich 10, 
deren Gehör am angegriffenen Ohre herabgesetzt ist. Von diesen 10 
haben6 „vollständige" Lateralisation — d.h. Lateralisation von 
allen vier Punkten des Schädels aus und von beiden Stimmgabeln 
— nach dem angegriffenen Ohre. Eine weist gar keine Laterali- 
sation auf (Hörweite für Flüsterstirame: 8 Meter), eine andere 
hatte bei der ersten Untersuchung „vollständige" Lateralisation 
(Lateralisation beider Stimmgabeln von allen vier Punkten aus), 
aber 2 Monate später keine (Hörweite: 7 Meter); eine dritte late- 
ralisierte folgendermaßen: ai+ + + +, A=+==, 2 Mo- 
nate später ai = + ==, A= + =«= (Hörweite: 8 Meter), und 
eine vierte hat zwar Lateralisation nach dem angegriffenen Ohre 



Einige Bemerkaogen über den^ Weberschen Versuch. 69 

von allen vier Punkten des Schädels bei A, aber ai wird unbe- 
dingt vom Kinn nach dem gesunden Obre, von den anderen 
Punkten nach dem angegriffenen Obre lateralisiert (Hörweite: 
7 Meter). Und die Hörweite war bei den letztgenannten 4 Tele- 
pbonistinnen ebenso stark herabgesetzt und das Trommelfell 
ebenso stark verändert, wie bei mehreren der 6, die „vollständige" 
Lateralisation angaben. Da man bei Mittelohrleiden mit herab- 
gesetztem Gehör „vollständige" Lateralisation erwarten muß, ist 
der Web ersehe Versuch also in 4 Fällen im Widerspruche mit 
den bei der übrigen Untersuchung gefundenen Resultaten. 

Unter den 16 Telephonistinnen , bei denen das Gehör für 
Flflsterstimme normal ist, finden sich 6, bei denen keine Late- 
ralisation stattfindet, 7, bei denen Lateralisation nach dem Ohre 
vorhanden ist, dessen Trommelfell pathologisch verändert ist (bei 
einer von diesen findet sich Lateralisation beider Stimmgabeln 
von sämtlichen vier Punkten des Schädels auS; bei den 6 an- 
deren nur von drei oder weniger Punkten aus). Unter den drei 
übrigen (16 -;- [6 -f- 7]) lateralisiert die eine ai nach dem gesun- 
den Ohre von drei Punkten des Schädels aus, während A nicht 
lateralisiert wird^ und die beiden anderen haben „unregelmäßige^ 
Lateralisation, aber überwiegend nach dem gesunden Obre 

(1. linkes Ohr leidend : ai =*= = =, A — ^q: 2. rechtes Ohr 
leidend: ai = jj — t;? A^^qi^^rT:)' Das Ergebnis des Web er- 
sehen Versuches bei diesen drei Letzterwähnten steht also im 
Widerspruch mit den übrigen objektiven Untersuchungen. Bei 
7 von den 13 Erstgenannten findet mithin Lateralisation statt, 
aber nicht bei den 6 anderen. Die Ursache, warum so in einigen 
Fällen Lateralisation entsteht, in anderen nicht, liegt nicht in 
der Beschaffenheit des Trommelfells, da dieses durchgehend 
nicht bei den 7, die Lateralisation aufweisen, stärker patholo- 
gisch verändert ist, als bei den 6, die nicht lateralisieren. Man 
kann auch kaum annehmen, daß der Grund darin liegen sollte, 
daß die 7, die lateralisieren, schwerere pathologische Verände- 
rungen hinter dem Trommelfell im Mittelohre haben sollten, als 
die 6, die nicht lateralisierten. Denn welcher Art sollten die 
Veränderungen sein, die sich nur bei dem Web er sehen Versuche 
zeigen und sich nicht gleichzeitig durch Knochenleitung und Ge- 
hörweite manifestieren? Auch kann man Machs Theorie, daß 
Lateralisation auf verhindertem oder erschwertem Schallablauf 
vom Mittelohre beruhen sollte, nicht anwenden ; denn dann müßte 



70 VI. BLEGVAD 

man erwarten, daß sämtliche 26 Telephonistinnen mit einseitiger 
pathologischer Veränderung des Trommelfells nach diesem Ohre 
Lateralisation aufweisen ; aber von solchen sind 7, die durchaus 
nicht lateralisieren (1 von ihnen sogar bei herabgesetztem Gehör) 
und 2, die nach einem Ohre,d essen Trommelfell normal ist, 
lateralisieren. Machs Theorie über die Ursache der Late- 
ralisation wird außerdem völlig durch die Verhältnisse bei 
Patienten mit trockener Perforation des Trommelfells widerlegt. 
Bei solchen habe ich nämlich, wie unten erwähnt, stets La- 
teralisation beider Stimmgabeln von allen vier Punkten des Schä- 
dels aus nach dem angegriffenen Ohre gefunden, während man 
nach Machs Theorie Lateralisation nach dem gesunden Ohre 
erwarten sollte, da der Schallablauf doch leichter von einem Ohre 
stattfinden muß, wo das Trommelfell perforiert ist. 

Da man auf diese Weise keine Erklärung fUr die Lateralisation 
bei einseitigen Residuen nach suppurativer Mittelohrentzündung, 
wo das Gehör normal ist, finden kann, muß man bei der An- 
sicht stehen bleiben, daß die Lateralisation in diesen Fällen „zu- 
fällig** ist, d. h. auf gleichen Umständen beruht, wie die, welche 
bewirKen, daß unter Telephonistinnen mit normalem Gehör und 
mit. normalen oder fast normalen Trommelfellen bei ca. 24 Proz. 
Lateralisation sattfindet. 

Betrachtet man endlich die Verhältnisse bei den 6 Telepho- 
nistinnen, wo beide Ohren Spuren abgelaufener Suppuration zei- 
gen, so ist bei einer keine Lateralisation (normales Gehör auf 
beiden Ohren); bei zwei anderen, die auch normales Gehör hat- 
ten, ist bei der einen „unregelmäßige** Lateralisation, die den 
Eindruck macht, auf Zufall zu beruhen, indem at vom Kinn nach 
rechts, A von der Stirn nach links lateralisiert ist, und von 
den anderen Punkten keine Lateralisation stattfindet, Zensur: 
4 Points; bei der anderen ist tiberwiegend Lateralisation nach 

links (ai — irn:™? A — = = =, Zensur: 6 Points), obgleich 

man nach dem otoskopischen Befunde das Umgekehrte erwarten 
sollte. Bei der vierten ist ausgeprägte Lateralisation nach links 
von beiden Stimmgabeln von allen vier Punkten des Schädels 
aus, obgleich man nach dem otoskopischen Befunde und den 
Stimmgabeluntersuchungen Lateralisation nach rechts erwarten 
sollte. Endlich findet sich bei der fünften und sechsten „voll- 
ständige" Lateralisation, die in Übereinstimmung mit der übrigen 
objektiven Untersuchung ist. Also steht das Resultat des Weber- 



Einige Bemerkungen über den Weberschrn Yersach. 



71 



«ohen Versnohes bei mindestens einer unter diesen Patientinnen im 
Widerspruch mit den auf andere Weise gewonnenen Resultaten. 

Beobachtet man die Fälle, wo sieh Perforation des 
Trommelfells findet, so sieht man, daß alle Untersuchten (fänf 
im ganzen), bei denen unzweifelhafte, einseitige, trockene Per- 
foration vorhanden ist, Lateralisation nach dem betreffenden 
Ohre von beiden Stimmgabeln von allen vier Punkten des Schä- 
dels aus haben. Bei einer Telephonistin , wo trockene Perfora- 
tionen an beiden Trommelfellen vorhanden sind, findet sich keine 
Lateralisation, und bei einer anderen, bei der am linken Ohre eine 
große trockene, am rechten eine geringere Perforation in der Mem- 
brana flaccida vorhanden ist, findet sich Lateralisation beider Stimm- 
gabeln von allen vier Punkten nach dem rechten Ohre, an dem 
die Hörweite für Flüsterstimme auch geringer ist als am linken. 

In 3 Fällen, wo einie zweifelhafte Perforation vorhanden 
ist (vielleicht Narbe), findet sich keine Lateralisation oder Late- 
ralisation von nur einem der Punkte. 

In folgender Tabelle ist das Ergebnis des Weberschen Ver- 
suches bei den oben erwähnten 8 Telephonistinnen mit einsei- 
tiger, chronischer Mittelohreiterung, sowie bei den 32 mit Resi- 
duen nach Mittelohreiterung aufgezeichnet. Unter „Rechtes Ohr 
leidend", sind außer den Fällen, wo das rechte Ohr allein lei- 
dend war, auch die Fälle von doppelseitigem Ohrenleiden auf- 
geführt, die rechts am stärksten ausgesprochen waren. Dasselbe 
gilt in Bezug auf die Rubrik „Linkes Ohr leidend". 

Tabelle IX. 
Das Ergebnis des Weberschen Versuches in 40 Fällen 

von reinem Mittelohrleiden. 





Rechtes Ohr leidend 


Linkes Ohr leidend 




p 


Stirn 


Scheitel 


Hinter- 
kopf 


c 






Hinter- 
kopf 


ai s» A ^ 


S 


8 


6 


9 


4 


3 


4 


5 


ai = A J: 






1 


— 


2 


l 


1 


2 


ai = A q: 


1 




— 


— 


1 


4 


3 




ai ± A « 


3 


1 


2 


2 


2 


1 


1 




ai -- A = 


— 


1 


1 








— 




ai ± A ± 


10 


12 


12 


11 


— 




— 




ai q: A q: 


1 


2 


l 


2 


6 


7 


7 


9 


ai ± A ip 




— . 


1 


— 


— 




_— 


.^_ 


ai q: A ± 


1 




— 




l 


— 







72 



VI. BLEGVAD 



Im ganzen finden sich 24 Fälle, wo das rechte Ohr aus- 
gchließlieh oder vorherrschend, und 16 Fälle, wo das linke Ohr 
ansschließlioh oder vorherrschend leidend ist. Sondert man die 
Fälle mit Lateralisation aus, erhält man: 

Tabelle X. 
Anzahl von Fällen mit Lateralisation unter 40 Fällen 

von reinem Mittelohrleiden. 





Rechtes Ohr leidend 


Linkes Ohr leidend 






e 

00 


1 


Hinter- 
kopf 




a 


d 

OQ 


2 

•s 

o 


Hinter- 
kopf 


a. ± 
ai ^ 


13 
2 


13 
3 


15 
2 


13 
2 


2 

. 7 


1 • 

7 


1 

7 


9 




15 


16 


17 


15 


9 


8 


8 


9 


AT 


It 
2 


12 
2 


13 
2 


11 
2 


3 

7 


1 
11 


1 
10 


2 
9 




13 


14 


15 


13 


10 


12 


it 


11 



Man ersieht hieraus, daß diejenigen Punkte der Oberfläche 
des Schädels, wo das Ergebnis des Web ersehen Versuches am 
häufigsten mit der objektiven Untersuchung des Trommelfells 
übereinstimmt, der Scheitel (beim rechten Ohre sowohl bei ai wie 
A), und die Stirn (sowohl rechtes wie linkes Ohr bei ai und A) sind ; 
seltener ist es bei dem Kinn der Fall. Dieses Verhältnis stimmt 
nicht ganz mit dem bei normalem Gehörorgan gefundenen über- 
ein (siehe S. 56 und 64). Bei letzterem fand Lateralisation am 
seltensten vom Kinn und von der Stirn aus statt. Man kann hieraus 
schließen, daß es ziemlich gleichgültig ist, von welchem Punkte der 
Mittellinie des Schädels man den Weber sehen Versuch ausfährt. 



Der Webersche Versudh bei Telephonistinnen mit 
obturierendem Cerumen. Bei einer Telephonistin fand sich 
bei der ersten Untersuchung ein wenig Cerumen im Grunde des 
rechten Gehörganges ; sie fand sich später mit obturierendem Ce- 
rumen an diesem Ohre ein, und es wurden von neuem Funk- 
tionsuntersuchung vorgenommen, ehe das Cerumen entfernt 
wurde. Bei vier anderen Telephonistinnen, die bei der ersten 
Untersuchung einseitiges, obturierendes Cerumen hatten, wurden 
Funktionsproben vor und nach der Entfernung des Cerumen- 
pfropfens angestellt. Bei der einen zeigten sich nach dem Aus- 



Einige BemerkuDgen Aber den Weberschen Versuch. 73 

«püIen des Cernmens Residuen nach verlaufener Mittelohrsuppu- 
ration, die drei anderen hatten normale Trommelfelle. Bei sämt- 
lichen Untersuchten mit einseitig obturierendem Gerumen fand 
sieh Lateralisation nach dem zugestopften Ohre von beiden 
Stimmgabeln von allen vier Punkten aus. Bei zwei von ihnen 
waren ai und A nach dem mit Gerumen verstopften Ohre late- 
ralisiert, auch wenn die Stimmgabeln am Processus mastoideus 
des freien Ohres angebracht wurden, bei einer dritten fand sich diese 
Erscheinung nur, so lange der Ton stark war (also gleich nachdem 
er auf dem Schädel angebracht war); wenn der Ton schwächer 
wurde, wurde er am lautesten im freien Ohre wahrgenommen. 

Nach der Entfernung des Cerumens verschwand die Late- 
ralisation vollständig bei zwei der Telephonistinnen ; bei der 
dritten schwand die Lateralisation f&r ai , aber für A nur an der 
Stirn, ohne daß die übrige Funktionsuntersuchung hierüber eine 
Erklärung gab. Bei der vierten, deren Trommelfell nach der 
Ausspülung des Gerumens sich stark verändert und mit Ealkab- 
lagernngen versehen zeigte, und die vor dem Ausspülen „vollstän-, 
dige** Lateralisation (d. h. von beiden Stimmgabeln von allen vier 
Funkten aus) nach dem zugestopften rechten Ohre hatte, zeigte 
der Web ersehe Versuch nach der Ausspülung ai+ + + +; 
A — + = =; Hörweite normal. Dieses Ergebnis des Weberschen 
Versuches istvielleicht ein Resultat des pathologisch veränderten 
Trommelfells, es ist aber wohl wahrscheinlicher, daß die Latera- 
lisation „zufällig" ist (s. oben S. 70). Bei der Telephonistin, wo 
bei erster Untersuchung ein wenig Gerumen im Grunde des rechten 
Oehörganges mit normalem Gehör vorhanden war, zeigte sich 
«chon damals Lateralisation beider Stimmgabeln nach diesem 
Ohre von allen vier Punkten aus, ein Verhältnis, das sich natür- 
lich wiederfand, als der Gehörgang völlig zugestopft und das 
Gehör herabgesetzt war. 

Endlich waren bei einer Telephonistin beide Gehörgänge 
von Gerumen zugestopft, das Gehör war nicht besonders herabge- 
setzt und der Schall wurde „unregelmäßig", jedoch tiberwiegend 

nach rechts lateralisiert (ai t: — = =7 A = i ^ — ); nach der 

Ausspülung zeigte sich das Trommelfell normal und das Gehör 
unverändert; beim Weberschen Versuche wurde gefunden: 

aiq- = = i, A = = = =, also immer noch „unregelmäßige" 

Lateralisation, aber anders als vorher, was zeigt, daß die gefun- 
dene „unregelmäßige" Lateralisation „zufällig", wahrscheinlich 



74 VI. BLEGVAD 

von Zeit zu Zeit wechselnd, vielleicht vom Platz der Stimmgabel 
beeinflußt ist. 

Es fanden sich 13 Telephonistinnen, deren eines Ohr etwas 
Gemmen im Gründe des Gehorganges enthielt, doch nicht mehr, 
als daß man den obersten Teil des Trommelfelles, das bei allen 
normal war, sehen konnte. Bei diesen Untersuchten war in 
7 Fällen keine Lateralisation, „unregelmäßige^ Lateralisation 
in 2 Fällen, in 2 anderen Lateralisation von einem Punkte 
des Schädels aus nach dem freien Ohre und nur in 2 Fällen 
Lateralisation nach dem mit Cerumen zugestopften Ohre. Der 
Gehörgang muß also ganz mit Cerumen angeftillt sein, ehe 
Lateralisation stattfindet. Etwas Ahnliches zeigt sich auch, 
wenn man den Gehörgang mit Watte zustopft; es entsteht näm- 
lich zuerst Lateralisation, wenn das Wattebäuschchen sehr fest 
in das Ohr gestopft wird. Lateralisation entsteht erst am Kinn 
und Scheitel und erst bei festerem Stopfen an Stirn und Hinter- 
kopf. Dagegen konnte in mehreren Fällen Lateralisation beider 
Stimmgabeln von allen vier Punkten aus dadurch erreicht werden^ 
daß der Tragus nur ganz leicht gegen den Gehörgang einge- 
drückt wurde. Dieses zeigt ferner, was für verwickelte Ver- 
hältnisse den Web ersehen Versuch komplizieren. 



Man erhält ein Maß für die Sicherheit und Zuver- 
lässigkeit der Angaben der Untersuchten beim Webe'r- 
schen Versuch, wenn man die Zensuren beti-achtet, die jede 
der Untersuchten für die Sicherheit, mit der das Resultat an- 
gegeben wurde, bekam (siehe S. 54). 

Die folgende Tabelle enthält in der rechten Rubrik die An- 
zahl der Telephonistinen, welche die in der linken Rubrik an- 
geführte Anzahl von Points erlangten. 

(Tabelle s. Seite 75). 

Unter 340 Telephonistinnen mit normalem Gehör und mit 
normalen oder fast normalen Trommelfellen haben also 211 = 
62,1 Proz. Zensur 6 Points, 129 haben 5 Points und weniger; 
darunter sind 72 = 21,2 Proz. mit Zensur 5 Points, d. h. recht 
große Sicherheit, nur 57 = 16,7 Proz. zeigen größeren Mangel 
an Sicherheit (Zensur unter 4 Points). 

Unter 40 Telephonistinnen mit pathologisch veränderten 
Trommelfellen haben 29 = ca. 70 Proz. Zensur 6 Points, 12 
Zensur 5 Points und weniger, darunter 6 = 15 Proz. Zensur 
unter 5 Points, d. b. unzuverlässige Angaben. 



Einige Bemerkungen über den Weberschen Versuch. 



75 



Tabelle XL 

Zensur für die Sicherheit, mit der das Ergebnis des 

Weberschen Versuches angegeben wurde. 



Zensur 


Telephonistinnen 

mit normalen 

Trommelfellen und 

normalem Gehör 


Telephonistinnen 
mit pathologisch 
veränderten Trom- 
melfellen 


6 


211 


29 


5 


72 


6 


4 


29 


2 


3 


15 


2 


2 


3 


■BB^ 


1 


10 


l 


Keine Zensur 


31 




Summa 


371 


40 



Man ersieht hieraus, daß der Web er sehe Versuch eine schwer 
ausführbare Probe ist, auch weil es nur in einer gewissen An- 
zahl von Fällen (ca 62 Proz. bei Individuen mit normalem Ge- 
hör) gelingt, sichere und zuverlässige Angaben über das Ergebnis 
der Probe zu erlangen; das Resultat wird durchgängig häufiger 
von Individuen mit pathologischen Trommelfellen, als von solchen 
mit normalen Trommelfellen mit Bestimmtheit angegeben. 

Resum6. 

Unter 366 Telephonistinnen mit normalem Gehör und nor- 
malen oder fast normalen Trommelfellen fand Lateralisation 
von 2, 3 oder 4 Punkten des Schädels aus statt von ai bei 
24,9 Proz. und von A bei 24,0 Proz; von 100 Untersuchten 
mit normalem Gehör und normalen Trommelfellen lateralisierten 
17 Proz. ai und 17 Proz. A von mindestens 2 Punkten des Schädels 
aus; und bei 40 Telephonistinnen mit Leiden im schallleitenden 
Apparat war das Ergebnis des Weberschen Versuches bei 9 = 
ca 1/4 iui Widerspruch mit den bei den übrigen objektiven Unter- 
suchungen gefundenen Resultaten. Man kann meines Erach- 
tens hieraus schließen, daß der Wert des Weberschen Versuches 
für die Diagnose im schallleitenden Apparat nicht groß ist. 

Bei Individuen mit normalem Gehör ist das Ergebnis des 
Weberschen Versuches sehr wechselnd. Selbst wenn der Ver- 
such mit Wahrnehmung aller Vorsichtsmaßregeln ausgeführt 
wird (es ist von besonderer Bedeutung, die Stimmgabel genau 
in der Mittellinie des Schädels anzubringen), wird das Resultat 
doch abhängig sein 1. vom Platz der Stimmgabel, 2. von der 



76 VI. BLEÖVAD 

Tonhöhe, 3. von der latensität des Tons, 4, von eventueller Ner- 
vosität und Anämie der Untersachten, 5. von einigen Faktoren 
(Pnenmazität des Schädels n. a. m.), die nnbekannt sind nnd 
deren Einfluß auf das Ergebnis des Versuches sich nicht be- 
rechnen läßt. Von den Stimmgabeln ai (435 V. d.) und A 
(108 V. d.) eignet ai sich am besten zum Versuche, unter anderem, 
weil deren Schallintensität schwächer ist als die von A. Von 
den 4 Punkten des Schädels (Kinn, Qlabella, Scheitel und Hinter- 
kopf), von wo aus ich den Versuch ausgeführt habe, kann keinem 
derselben ein besonderer Vorzug erteilt werden. 

Bei teilweiser Zustopfung des Gehörganges mit Cerumen fand 
fast nie Lateralisation statt ; bei obturierendem Gerumenpfropfen 
fand stets sowohl bei ai wie bei A von den 4 Punkten des 
Schädels aus (Kinn, Stirn, Scheitel, Hinterkopf) Lateralisa- 
tion statt. 

Der Webersche Versuch ist eine Untersuchung, bei der es 
schwierig ist, zuverlässige und sichere Angaben von den Unter- 
suchten zu erhalten, indem von 340 Individuen mit normalem 
Gehör nur 62,1 Proz. mit Bestimmtheit das Ergebnis der Unter- 
suchung angeben konnte. Man trifft häufiger, nämlich bei ca. 
70 Proz., sichere Angaben bei Individuen mit pathologischen 
Trommelfellen. 

Schließlich erlaube ich mir, dem Chef der Hals- und Ohren- 
klinik des Kommunalhospitals Herrn Prof. Dr. med. Mygind meinen 
besten Dank für die Liebenswürdigkeit auszusprechen, mit der 
er mir die betreffende Literatur zur Verfügung stellte. 



Literaturverzeichnis. 

Politzer: Neue Untersuchungen über die Anwendung von Stimmgabel 
zu diagnostischen Zwecken bei den Krankheiten des Gehörorgans. Wiener 
medizinische Wochenschrift. 18. Jahrg. 1868. S. 679ff. — Mach: Zur 
Theorie des Gehörorgans. Moleschotts Untersuchungen zur Naturlehre 
des Menschen und der Tiere. Giesen 1865. S. 298 flF. — Lucae: Weitere 
Untersuchungen über die sogenannte Knochenleitung und deren Bedeutung für 
die Diagnose der Ohrenkrankheiten. Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. 5. 
1870. S. 82ff. — Lucae: Kritisches und Neues über Stimmgabeluntersuchungen. 
Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. 23, 1886. S. 122 ff. - Jacobson: Be- 
richt über die otiatrische Universitätsklinik zu Berlin. Archiv für Ohren- 
heilkunde. Bd. 21. 1884. S. 276. — Schwartze: Stichverletzung des Ohres. 
Ausfluß von Liquor cerebrospinalis. Schwere Hirnverletzung. Heilung 
Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. 17. 1881. S. 117 ff. — Schwartze: Lehr- 
buch der chirurgischen Krankkeiten des Ohres — Sieben mann: Zur funk- 
tionellen Prüfung des normalen Ohres. Zeitschrift für Ohrenheilkunde. 
Bd. 22. 1892 S. 285 ff. — Schwabach: Über den Wert des Rinneschen Ver- 
suches für die Diagnose der Gehörkrankheiten. Zeitschrift für Ohren- 



Einige Bemerkungen Aber den Weberschen Versuch. 77 

heilkunde. Bd. 14. 1885. S. 61 f. — Steinbrügge: Über Stimmgabelprüfungen. 
Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. 18. 1888. S. lOff. — Oscar Bloch: 
Chirurgien. Bd. la. Ejöbenhavn 1905. — N. Rh. Blegvad : Bemerkungen über 
Rinn es Versuch sowie über die Bestimmung der Perzeptionszeit von Stimm- 
gabeln. Archiv für Ohrenheilkunde Bd. 67. 1906. S. 280 ff. — Eitelberg: 
Vergleichende Gehörsprüfungen an 100 Individuen mittelst Stimmgabeln, Uhr 
und Flüstersprache. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. 16. 1886. S. 31ff. 
und 87 ff. — Tonietti Pietro: Circa una nuova forma di paracusia in- 
crociata in soggetti normali. Archivio italiano di otologia. Bd. 13. 1902. 
S. 279 ff. — Iwanoff: Über die Schallleitung per os. Medizinskoje Obos- 
renje. Nr. 15. 1903. Moskau. Ref. Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. 62. 
1904. S. 171. — -Urbantschitsch: Kopfknochenleitung abhängig von der 
Höhe des Stimmgabeltons und der Applikationsstelle. Archiv für Ohren- 
heilkunde.' Bd. 12. 1887. S. 207 ff. — Gradenigo: Die Krankheiten des 
Labyrinthes und des Nervus acusticus in Schwartzes Handbuch. Bd. II 
1893. 



vn. 



Ober die Grenzen der Perzeptionszeiten von Stimmgabeln 
pr. Lnflleitnng nnd pr. Knocbenleitnng bei normalem 

Gehörorgan. 



Tob 



N. Bh. Blegrad, 

Assistenten an der Ohren- und Halsklinik des Kommnnehospitals zu Kopen- 
hagen. 



Im Winter 1904 — 1905 unternahm ich ftr die Kopenhageuer 
Telephongesellsohaft eine objektive Untersuehnng der Gehör- 
organe und zugleich eine akustisehe Funktionsprobe bei 130 
Frauen im Alter von 16 — 50 Jahren, die Anstellung als Tele- 
phonistinnen bei der Glesellschaft wünsehten. Unter diesen 130 
Frauen hatten 70 im Alter von 17 — 25 Jahren vollständig nor- 
males Trommelfell und normales Gehör f&r Flfisterstimme (Hör- 
weite mehr als 9 Meter). 

Das Alter dieser 70 Individuen gruppiert sieh folgender- 
maßen : 

16 Jahre im ganzen 3 

17 ^ ^ c i^ 

18 = c 12 

19 ' = ^ 15 

20 5 5 c 10 

21 = ^ ^ 2 

22 :. = ^ 5 

23 ' ^ 5 6 

24 = = ^ 4, 

durohsehnittlioh 19,4 Jahre. 

Bei diesen 70 Frauen habe ich, wie erwähnt, Funktions- 
proben angestellt, indem ieh unter anderem die Perzeptionszeit 
per Luftleitung und per Knochenleitung der Stimmgabel ai (435 
V. dO und A (108 Y. d.) bestimmt habe. Die ai- Gabel war nach 
Bezolds Modell hergestellt, von 13 cm Länge, wovon 4Vi om 



über die Grenzen der Perzeptionszeiten usw. 79 

auf den Stiel kommt, und mit 9 mm breiten Branchen. Die A- 
Gabel war nach Königs Modell hergestellt, von 18 cm Länge^ 
woYon 6 cm auf den Stiel kommen, und mit 5 mm breiten Bran- 
chen, mit zwei verschiebbaren Gewichten und einem Fußstück 
aus Hörn versehen, das unten leicht ausgehöhlt ist, so daß es 
gut auf dem Schädel ruht. 

Die Perzeptionszeit von ai per Luftleitung (Luftleitung ai) 
wird folgendermaßen bestimmt: Die Stimmgabel wird auf freier 
Hand angeschlagen, indem ihre Kante gegen den Rand eines 
Mahagoniklotzes geschlagen wird; gleichzeitig wird das Ghrono- 
skop in Tätigkeit gesetzt. Nach Verlauf von 30 Sekunden wird 
die Stimmgabel vor das äußere Ohr gehalten, so daß sein 
Schwingungsplan mit der Achse des Gehörganges zusammenfällt 
und so nahe der Goncha wie möglich. In dieser Stellung bleibt 
sie, bis die zu Untersuchende mit einem „Jetzt'^ angibt, daß sie 
keinen Ton mehr hört. Es werden stets mindestens zwei Be- 
stimmungen vorgenommen, und falls die dabei erhaltenen Werte 
3 Sekunden oder mehr differieren, wird eine dritte, bisweilen 
eine vierte und f&nfte Bestimmung vorgenommen; aus den dabei 
erhaltenen Zahlen wird der Durchschnitt (die Mittelzahl) genom- 
men, die als „Luftleitung ai^ bezeichnet wird. 

Die „Luftleitung A" wird in ähnlicher Weise bestimmt, 
teils durch maximalen Anschlag der Stimmgabel, d. h. so daß 
die auf der Gabel angebrachten verschiebbaren Gewichte sich 
gerade berühren, teils durch einen von mir konstruierten Fendel- 
apparat i), wodurch kürzere Zeiten und egaler Anschlag erreicht 
wird. 

Die Perzeptionszeit per Knochenleitung wurde vom Pro- 
cessus mastoideus aus bestimmt, von einer dem Antrum mastoi- 
denm entsprechenden Stelle (gerade hinter und über der oberen 
Wand des äußeren Gehörganges). Auch von der Länge der 
Knoehenleitung wurden zwei, eventuell drei bis fünf Bestim- 
mungen vorgenommen, von denen die Mittelzahl genommen 
wurde. 

Von dem in dieser Weise erhaltenen Materiale ist die Mittel- 
zahl für Luftleitung ai, Luftleitung A usw. |berechnet, und zu- 
gleich die „Mittelabweichung der einzelnen Beobachtung^ ^). Die 
Resultate sind in der folgenden Tabelle verzeichnet. 

1) Betreffs der Eonstraktion siehe Archiv f. Ohrenheilk. Bd. LXYII, 
8. 284 ff. 

2) Vgl. Thiele, Elementar lagttagelsesl&re. Kbh. 1897. 



80 



VII. BLEGVAD 



Luftleitung und Enochenleitung bei 70 Individuen 

mit normalem Gehör. 





rechtes Ohr 


linkes Ohr 


Luftleitung ai 


Mittelzahl Ton 70 Obseryationen 
Geringste Zahl 

Größte Zahl 

1 

Mittelabweiehung 

1 


51,33 

41 

62 

l/l8-±4 


52,10 

40 

61 

Vl8-±4 


Enochenleitung 
ai 


; Mittelzahl von 70 Observationen 
Geringste Zahl 
Größte Zahl 

Mittelabweichung 


16,70 
9 
25 

yio — ±3 


16,81 

11 

27 

vTr«±3 


Luftleitung A 
(maximaler An- 
schlag) 

! 
1 


Mittelzahl Ton 12 Obseryationen 

Geringste Zahl 

Größte Zahl 

Mittelabweichung 


109,92 
99 
117 

^/39 — ± 6 


106,83 
95 
115 

l/32«±6 


1 

Luftleitung A 

(Anschlag mit 

Pendelapparat) 


1 Mittelzahl yon 58 Observationen 
1 Geringste Zahl 
Grüßte Zahl 

Mittelabweichung 


53,41 

39 

69 

yb'2 *= ± 7 


53,98 
43 

66 

l/37 = ±6 


Enochenlelt. A 
(maximaler An- 
schlag) 


1 

I Mittelzahl von 70 Observationen 

^ Geringste Zahl 

! Größte Zahl 

Mittelabweiehung 


26,31 

15 

39 

yi9 — ± 4 


25,41 

16 

38 

y25 = ± 5 



Daß die Mittelabweichung für Luftleitung ai = + 4 ist, hat 
folgende Bedeutung: Bei Bestimmung der Luftleitung ai wird 
man bei Individuen mit normalem Gehör erwarten können, Zahlen 
zu finden, die innerhalb der Grenzen fi + i liegen, indem fi die 
für die betreffende Stimmgabel gefundene Mittelzahl ist; aber 
Zahlen, die innerhalb f^+\^ liegen (d. h. die Mittelzahl + 3 mal 
die Mittelabweichung) müssen noch als innerhalb der Grenzen 
des Normalen liegend betrachtet werden, selbst wenn es selten 
vorkommen wird, daß man die extremen Werte findet. 

Nach Thiele^) fallen nämlich 
außerhalb der Grenzen /^ + a ca. Vi 6 sämtlicher Beobachtungen 

** ^ " ^ + 2a ca. V44 f ^ 

^ ^t + 3a ca. V742 ^ ^ 

^ ^ + 4a ca. V32000 ^ ^ 

wobei /£ die Mittelzahl, a die Mittelabweichung bezeichnet. 

1) Elementar lagttagelsesläre. Ebb. 1897. S. 17. 



^ 



<» 



über die Grenzen der Perzeptionszeiten usw. 81 

Da alle Untersacfanngen an Individuen mit normalen Trom- 
melfellen und normalem Gehör im Alter von 16 — 24 Jahren und 
unter gleichen äußeren Verhältnissen angestellt sind, kann man 
in Bezug auf die Funktionsuntersuehung bei solchen Individuen, 
falls Stimmgabeln wie die meinigen benutzt werden, folgendes 
schließen: 

1. Die Grenzen der Perzeptionszeit per Luftleitung ist, wenn 
die Stimmgabel ai (435 Y. d.) benutzt wird, die Mittelzahl +12 
Sekunden (Spielraum 24 Sekunden), und wenn die Stimmgabel A 
(108 V. d.) angewandt wird, + 18 Sekunden (Spielraum 36 Se- 
kunden). 

2. Die Mittelabweichung der Enochenleitung ai ist + 3 und 
der Knochenleitung A ist + 5, und bei 70 normalen Individuen 
wurden als Grenzen der Enochenleitung ai 9 und 27 Sek. gefunden 
(je-T-8 und+ 10 Sek. auf beiden Seiten der Mittelzahl), und för die 
Knochenleitung A waren die Grenzen 15 und 39 Sek. (je 4- 11 und 
+ 13 Sek. auf beiden Seiten der Mittelzahl). Jacobson^) meint, daß 
man die Knochenleitung verlängert nennen kann, wenn sie mehr 
als die Mittelzahl + 5 Sekunden beträgt. Siebenmann ^) hat 
nachgewiesen, daß die Perzeptionszeit ftir Knochenleitung A auch 
bei normalen Ohren in der „auffallenden*' Breite von 10 Sekun- 
den variiert, und Braunstein^) fand, daß sogar ein Spielraum 
von 10 Sekunden zu wenig sei, indem der Spielraum größer sein 
kann, als die Perzeptionszeit bei Schwabachs Versuch über- 
haupt bei Individuen mit normalem Gehör. Bei meinen Unter- 
suchungen bei Individuen mit normalem Gehör variiert Knochen- 
leitung ai, wie erwähnt, innerhalb 18 Sekunden (-r- 8 und + 10 
in Bezug auf die Mittelzahl) und Knochenleitung A innerhalb 
24 Sekunden ( ^- 1 1 und + 1 3 in Bezug auf die Mittelzahl) ; und 
da die Mittelabweichung der Knochenleitung ai und Knochen- 
leitung A je + 3 und + 5 beträgt, darf man infolge des oben 
Gezeigten bei normalen Ohren erwarten^ daß Knochenleitung ai 
durchschnittlich 3 Sekunden auf beiden Seiten der Mittelzahl 
und daß Knochenleitung A durchschnittlich 5 Sekunden um die 
Mittelzahl schwingt, aber man kann nicht mit Sicherheit einen 
sich auf die Knochenleitung ai beziehenden Wert, der innerhalb 
3x3 = 9 Sekunden auf beiden Seiten der Mittelzahl liegt , fttr 
pathologisch erklären, auch nicht einen Wert der Knochenlei- 

1) Lehrbuch der Ohrenheilk. 3. Aufl. S. 65. 

2) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XXII, S. 296. 

3) Dieses Archiv. Bd. LIX, S. 301. 

ArchiT f. Ohienheilkande. Bd. LXX. 6 



82 VIT. BLEGYAD, Über die Grenzen der Perzeptionszeiten usw. 

tung A, der innerhalb 3x5 ^^ 15 Sekunden auf beiden Seiten 
der Mittelzahl liegt, wenngleich wahrscheinlich nur V44 von sämt- 
lichen Beobachtungen außerhalb je 2 >< 3 «» 6 und 2 x 5 = 10 
Sekunden auf beiden Seiten der Mittelzahl fallen wird. 

Infolgedessen wird es in vielen Fällen unmöglich sein, mit 
. Sicherheit festzustellen, ob ein gefundener Wert der Enochenlei- 
tung oder Lufleitung (besonders bei A) verlängert, resp. ver- 
kürzt sei. 

Aus obenstehender Tabelle geht ferner hervor, daß die Zah- 
len des rechten und des linken Ohres durchgehend gleich sind, 
jedenfalls sehr nahe bei einander liegen, ausgenommen bei A mit 
maximalem Anschlag, deren Differenz 3,09 beträgt. Der Grund 
muß in der geringen Anzahl von Observationen und in der großen 
Mittelabweichung (+ 6) gesucht werden. 

Die Mittelabweichung bei A ist größer als die entsprechende 
bei ai und die der Luftleitung größer als die der Enochenleitung. 
Die Ursache muß darin gesucht werden, daß die Observations- 
fehler bei A größer sind als bei ai und größer bei der Luftlei- 
tung als bei der Knochenleitung, weil der Augenblick, wo kein 
Schall mehr gehört wird, bei ai leichter als bei A anzugeben 
ist und bei Enochenleitung leichter als bei Luftleitung, so wie 
es Bezold^) und Schwabach^) gefunden haben. 

1) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XVII, S. 159. 

2) Zeitschr. f. OhrenheUk. Bd. XIV, S. 61 ff. 



VIII. 

Ober die Funktion nnd die mikroskopische Anatomie des 
Gehörorgans hei totaler Aplasie der Schilddrüse. 

Von 

Prof. Siebenmann. 
(Mit Tafel III.) 



Ist es schon an und für sich auffällig, daß die mit Affek- 
tionen des inneren Ohres behafteten Kröpfigen nach unseren ausge- 
dehnten Erfahrungen meistens dem männlichen Geschlechte ange- 
hören, während ja doch die Degeneration der Schilddrüse häufiger 
bei den Frauen gefunden wird, so muß unser Glaube an die „dys- 
thyre Schwerhörigkeit" vollends erschüttert werden angesichts 
der Tatsache, daß viele Menschen trotz ihrem gewaltigen Kröpfe 
ein durchwegs normales Gehör besitzen. In dieser Hinsicht war 
folgender Fall für uns besonders beweisend, weil die ausgedehnte 
kropfige Degeneration, resp. die Kleinheit der noch funktions- 
fähigen Drüsensubstanz hier operativ festgestellt worden war und 
sie im Laufe der folgenden drei Jahre zu strumipriver Kachexie, 
aber nicht zur geringsten Hörstörung geführt hatte. 

Hönickc, Ernst, 13 jährig, trat im Juni 1905 in unsere klinische Abtei- 
lang wegen bedeutender inspiratorischer Dyspnoe. Er war vor 3 Jahren 
wegen beidseitigem großem Kropf und stenotischen Erscheinungen auswärts 
operiert worden. Nach schriftlicher Mitteilung des Spitalarztes war die 
eine Seite der Schilddrüse total, die andere bis auf einen ganz 
kleinen Rest degeneriert. Letzterer wurde bei der Operation geschont, 
scheint aber durch eine sich anschließende tiefe Abscedierung nachträg- 
lich auch noch zugrunde gegangen zu sein. Beim Spitalaustritt, 
welcher einige Wochen später erfolgte, war die Dyspnoe bedeutend gestei- 
gert, und es entwickelte sich nun rasch das ganz charakteristische Bild der 
strumipriven Kachexie : Auffallende Abnahme der geistigen und körperlichen 
Regsamkeit sowie der Intelligenz, Appetitlosigkeit und Anämie, Stillstand 
des Wachstums, gelbliches trockenes, welkes Aussehen der Haut, Ausfallen 
und Struppigwerden der Kopfhaare. Röntgenuntersuchungen ergaben die 
charakteristischen Wachstumshemmungen der Epiphysengegenden. Zudem 
besteht — wabrscheinlig infolge der überstandenen Phlegmone — beiderseits 
Posticuslähmung. — Auf der medizinischen Klinik (Prof. H i s) wurden später 
Stoffwechseluntersuchungen vorgenommen und auf der chirurgischen nlinik 
(Prof. Enderlen) Implantationen von Schilddrüsenstücken versucht. — 

Das Gehör war durchaus normal. Die Hörweite betrug für 
FlQsterspracbe (Zahlen) rechts mindestens 1 8 Meter, links 22 Meter. 

6* 



84 YIII. SIFBENMANN 

Noch wichtiger als die Untersnchnngsresnltate an bloß kli- 
niseh und operativ beobachteten Kröpfigen oder Athyreotischen 
Bind natürlich die Ergebnisse, welche bei solchen athyreotischen 
Individuen gewonnen wurden, deren Schilddrüsenlosigkeit durch 
die Autopsie auf makroskopischem und mikroskopischem 
Wege festgestellt worden ist. Zu einer endgiltigen Entscheidung über 
diese Frage dürfte daher die folgende Abhandlung führen, welche 
auszugsweise in der otologischen Sektion der Naturforscherver- 
sammlung in Stuttgart mitgeteilt worden ist und einen Fall 
betrifft, bei welchem die obgenannten Anforderungen in vollstän- 
diger Weise erfüllt sind. 

Soweit dies durch die klinische Beobachtung festgestellt wer- 
den konnte, haben alle Individuen, bei denen der angeborene 
absolute Schilddrüsenmangel auch anatomisch, d. h. durch die 
Autopsie nachgewiesen worden ist, ein bedeutend herabgesetztes 
Sprachvermögen; in der Regel sind sie aber nicht taub. 
Wie das Erkennen bestimmter Farben, so ist auch das Unter- 
ischeidungsvermögen für akustische Eindrücke bei der in solchen 
Fällen durchwegs beobachteten Herabsetzung der Intelligenz 
selbstverständlich wenig entwickelt. Zudem fehlt es an den 
betreffenden Begriffen und Vorstellungen sowie am Antrieb zum 
Sprechen. Ebenso unvollkommen sind alle irgendwie kompli- 
zierteren Bewegungen; sogar diejenigen des Essens sind meistens 
auffallend langsam und unzweckmäßig ; unter den Athyreotischen 
gibt es solche, die nicht einmal ohne Hilfe ihre Speise zum 
Mund bringen können. Unter diesen Umständen erklärt sich 
die in Langsamkeit und Wortarmut bestehende Mangel- 
haftigkeit der Sprache ungezwungen aus der Idiotie, 
welche diesen kretinenhaften, myxödematösen Individuen eigen- 
tümlich ist. 

Von angeborener Aplasie der Schilddrüse sind nur wenige 
Fälle bekannt, welche Personen betreffen, die eine längere Reihe 
von Jahren gelebt haben, und bei denen die Athyreose auch 
durch die Autopsie sowie durch die mikroskopische Untersuchung 
in unanfechtbarer Weise festgestellt werden konnte. Hierher ge- 
hören zunächst die Kretinen, über welche Poehl und Maresch 
berichten und welche nicht taub waren. 

Unter seinen interessanten sieben Beobachtungen von „Idiotie 
avec cachexie pachydermique ", welche Bourneville (Arch. de 
Neurologie 1886. Bd. XII. S. 137 und Bd. XVI, S. 97) in klini- 
scher und pathologisch-anatomischer Beziehung genau untersucht 



über die Fanktion a. d. mikroskopische Anatomie d. Gehörorgans usw. 85 

und besohrieben hat, wurde totaler Mangel der Schilddrüse, aber 
in keinem Falle Taubheit konstatiert. Es findet sich darunter 
ein 15 jähriger Knabe, welcher sogar beim gewöhnlichen Primar- 
unterricht lesen, schreiben und etwas rechnen lernte, und beim 
Spitaleintritt zwei Briefe schrieb, die man ihm diktierte ; 
doch ist dies allerdings eine seltene Ausnahme, und ich fbhre 
sie nur an als Beweis f&r unsere Behauptung, daß mit an- 
geborener Athyreosis zum mindesten kein höherer 
Grad von Schwerhörigkeit notwendig verbunden sein 
muß. 

In Übereinstimmung damit steht auch die vom nämlichen 
Autor konstatierte Tatsache, daß trotz sehr mangelhafter Sprache 
bei solchen Athyreotischen beide Sohläfenlappen normal gebaut 
und sogar voluminös entwickelt sein können. 

Wie verhält es sich nun mit der Anatomie des Ohres bei 
dem angeborenen totalen Fehlen der Schilddrüse? Die bis jetzt 
in der Literatur niedergelegten Befunde über das Eretinenohr 
geben auf diese Frage keinen bestimmten Bescheid, da in den 
betreffenden Fällen die Untersuchung der Schilddrüse nicht in 
Betracht gezogen oder nur ungenügend ausgeführt worden ist. 
In den am besten beobachteten Fällen von Hab er mann aber 
handelte es sich um zwei Kretinen, deren Schilddrüse mit ihren 
Adnexen^ wie aus dem zugehörenden, an anderer Stelle ausführ- 
licher publizierten allgemeinen Sektionsbefund und der mikro- 
skopischen Untersuchung (siehe Scholz, Untersuchungen über 
den Kretinismus, Berlin 1906) hervorgeht, in beiden Fällen nicht 
wesentlich alteriert war: In dem einen Falle wird das Drüsen- 
gewebe als „gut entwickelt*', in dem anderen als „gehörig be- 
schaffen und entsprechend funktionierend'' bezeichnet. Die von 
Habermann beschriebenen Kretinenlabyrinthe stammen somit 
von Individuen, welche sicher nicht zur thyreopriven Gruppe 
(Athyreoidose Scholz) der Kretinen, sondern sehr wahrschein- 
lich, wie diejenigen von Moos und Steinbrügge, zur Chondro- 
dystrophie (Kaufmann) zu rechnen sind. 

Wir wissen somit bis jetzt über den anatomischen Bau der 
Gehörorgane des Athyreotischen gar nichts ; es ist dieser Mangel 
um so mehr zu bedauern, als gerade hier sich der von anderer 
Seite behauptete Einfluß der Schilddrüse auf das innere Ohr, falls 
ein solcher überhaupt existiert, in der intensivsten Weise geltend 
machen müßte« 

Ich bin nun heute in der glücklichen Lage, Labyrinth- 



86 VIII. SIEBENMANN 

Präparate besohreiben zu können von einem 4 V2 Monate alten Kinde, 
welches an Myxödem litt und im Einderspital Basel kaohektisch 
zugrunde ging; bei demselben hat eine minutiöse makroskopisohe 
und mikroskopische Untersuchung nicht die Spur einer Schilddrüse 
aber auch keine Veränderungen am häutigen Labyrinth 
noch am Hörnerv nachweisen können. Der Fall hat eine ein- 
gehende Bearbeitung gefunden durch Dr. Th. Dieterle, welcher 
bei Prof. Hagenbach im Baseler Kinderspital die klinische^Be- 
obaohtung und bei Prof. Kaufmann an unserem pathologischen 
Institut die betreffenden Untersuchungen gemacht hat. Seine 
Resultate sind teils inVirchows Archiv, Bd. CLXXXIV, S. 56, 
teils (während der Drucklegung dieser Arbeit) im Jahrbuch f&r 
Kinderheilkunde, Bd. LXIV niedergelegt. Diesen Herren ver- 
danken wir auch das seltene Präparat, welches den Gegenstand 
dieser Arbeit (resp. Vortrages) bildet. 

Das uns zur mikroskopischen Untersuchung übergebene Fel- 
senbein war in 4 proz. Formollösung fixiert worden ; bei der Iso- 
lierung des Labyrinthwürfels und bei der Entkalkung fiel die 
elfenbeinerne Konsistenz des Knochens auf: die Decalcinierung 
des kleinen Präparates in 6 proz. Salpetersäure dauerte volle 
14 Tage. Makroskopisch schien jedes spongiöse Gewebe in der 
Umgebung der Labyrinthkapsel zu fehlen. Die weitere Behand- 
lung und Einbettung geschah nach den Angaben von Sieben- 
mann (vgl. Mittelohr und Labyrinth in Bardelebens Handbuch 
der Anatomie und Grundzüge der Anatomie und Pathogenese der 
Taubstummheit 1904). Die Zerlegung erfolgte in Serienschnittea 
vertikal zur Längsachse der Felsenbeinpyramide, ungefähr ent- 
sprechend der Ebene des oberen Bogenganges. 

Trommelfell, Mittelohr und Tube sind normal. An der abgeblaß- 
ten und gehärteten Mittelohrschleimhaut fällt makroskopisch nichts 
besonders auf^ während mikroskopisch sich das Vorhandensein 
einer katarrhalischen Veränderung ergibt. Das Epithel ist überall 
erhalten, aber stark aufgelockert, entzündlich geschwellt, die 
Submucosa bedeutend verdickt, gefäß- und blutreich, ziemlich 
infiltriert mit mononucleären Leukooyten. Infolge der Schleim- 
hautschwellung sind die Nischen der Paukenhöhlenwände — be- 
sonders der ovalen Fensternische — fast ganz ausgefüllt. Es 
fehlt aber eine größere Exsudatansammlung. Dieser Befund ent- 
spricht einer Otitis media catarrhalis acuta, wie sie in 
den letzten Lebenstagen, namentlich bei Kindern mit allgemein 
daniederliegendem Kräftezustand, aufzutreten pflegt. 



über die Funktion u. d. mikroskopische Anatomie d. Gehörorgans usw. 87 

Die Gestalt und Ausbildung der Räume des knöchernen 
Labyrinths weisen keine wesentlichen Abweichungen auf. 
Die Größenverhältnisse und die gegenseitige Lagebeziebnng der 
einzelnen knöchernen Labjrinthteile entsprechen der Norm^ na- 
mentlich gilt dies auch von den Fenstern, der Konfiguration der 
Spindel und den Schneckenwindungen. 

Das häutige Labyrinth weicht nicht von der Norm ab. In- 
folge später Sektion ist die Fixation der epithelialen Gebilde 
nicht ganz vollkommen, doch ist die Eernfärbung durchaus gut 
und die Strukturverhältnisse sind an den meisten Stellen wohl 
zu erkennen. Maculae und Gristae wie auch der Yorhofapparat 
überhaupt gut entwickelt, die Nerven Versorgung reichlich, Oto- 
lithenmembran nicht deutlich. Der Ductus cochlearis ist normal 
weit, Reißnersche Membran überall gut erhalten, Limbus spi- 
ralis und Membrana tectoria sehr gut fixiert, letztere deutlich längs- 
gestreift. — Wo das Cortische Organ erhalten ist, zeigt es keine 
deutliche Abweichung in Größe und Gestalt seiner Zellen. An 
den meisten Stellen ist es aber aufgelockert und durch die her- 
abgefallene Gor tische Membran zerdrückt, so daß die einzelnen 
Zellen abgelöst und mit dem Striaepithel als Trümmer im Ductus 
cochlearis herumschwimmen. Die nervösen Elemente zeigen 
qualitativ und quantitativ keine Abweichung, die Nervenkanäle 
sind überall gut gefüllt mit Nervenfasern; die Ganglienzellen 
haben das gewöhnliche Aussehen, das Volumen des Acustico 
facialis entspricht dem des normalen Neugeborenen. 

Die mikroskopische Untersuchung ergibt somit 
normale Formen und Größenverhältnisse des Laby- 
rinths und seines Inhaltes. Es fehlen alle Verände- 
rungen, die eine wesentliche Funktionsunfähigkeit 
des Gehörorgans bedingen könnten. 

Auch die Labyrinthkapsel zeigt, wie eine Vergleichung 
mit verschiedenen normalen Präparaten gleichaltriger Individuen 
ergibt, einen normalen Knochenbau. Dagegen enthalten die großen, 
spaltfärmigen, konzentrisch angeordneten Markräume ^ abnormer- 
weise fast gar keine lymphoiden Zellen , sondern ein lockeres 
Fasermark, hier und da auch Fettmark (vgl. Taf. III). Der mit 
Eosin-Hämatoxylin sich hellrot färbende, die Labyrinthkapsel um- 
hüllende, periostal gebildete Knochen besitzt die charakteristische 
schwere, dichte Struktur des Skelettes athyreotischer Individuen ; 

1) Vergl. Siebenmann, Corrosionsanatomic des knöchernen Laby- 
rinthes. S. 13—17 und Fig. 3—4. 



88 YIII. SIEBENMANN 

sein mikroskopisches Bild erinnert durehaus an dasjenige, welches 
Dieterle von einem Qaersohnitt durch die Mitte der Femur- 
diaphyse des nämlichen Individuums in der oben zitierten Arbeit 
Virch. Arch. Bd. CLXXXIV Taf. IH, Fig. 3 gibt. — 

In den Havers sehen Kanälen finden sich auch hier nur 
wenige enge Oeftße und kernarmes, lockeres, stellenweise mit 
Fettzellen durchsetztes Fasermark. Die Lamellen sind auffallend 
konzentrisch und dicht um die Labyrinthkapsel angeordnet. Ein 
Verwischen dieser fötalen Struktur, wie es im extrauterinen 
Leben durch Resorption und Apposition um die Haversschen 
Kanäle stattfindet, hat sich noch nirgends geltend gemacht. Auf- 
fallend ist auch der Umstand, daß die Wand der Haversschen 
Kanäle sich nicht so bläut, wie es beim normalen, mit Häma- 
toxjlin- Eosin gefärbten Präparaten in diesem Entwicklungssta- 
dium wenn auch nicht immer, so doch meistenteils der Fall ist. 
In abnormer Weise unverkalkt gebliebene Knorpelreste , wie 
sie Moos und Steinbrügge sowie Habermann im kretini- 
schen Felsenbein antrafen, finden sich nirgends. — 

Die Tatsache, daß die Schilddrüse für die Ent- 
wicklung des häutigen Labyrinthes während des in- 
trauterinen Lebens entbehrlich ist, steht somit, wie 
Dieterle mit Recht betont, durch diesen mitge- 
teilten Befund nun auch anatomisch begründet fest. 

Die klinische Beobachtung aber, wonach selbst totaler 
Schilddrüsenmangel auch im späteren Leben weder Taub- 
heit noch hochgradige Schwerhörigkeit bedingt, sollte uns ver- 
anlassen^ die Angaben der Myxödemkommission , welche ich 
dem Kapitel über die endemische Taubstummheit (vergl. 
Siebenmann, Anatomie und Pathogenese der Taubstummheit, 
1904) zugrunde gelegt habe, bezüglich ihrer Daten über die 
Häufigkeit der Schwerhörigkeit bei Myxödem einer erneuten sorg- 
fältigen Nachprüfung durch erfahrene Ohrenärzte zu unterziehen. 
Daß es viele dem myxödematösen athyreotischen Typus ange- 
hörende Kretinen gibt, welche das Bild der nervösen Schwer- 
hörigkeit bieten, steht sicher fest. Diese Form von kretini- 
scher Schwerhörigkeit wird aber — wegen der Idiotie dieser Indi- 
viduen — bezüglich der Häufigkeit ihres Vorkommens sicher be- 
deutend überschätzt. Sie findet sich zudem mindestens in der 
nämlichen Häufigkeit auch bei Kretinen anderer Gruppen, wie 
z. B. beim rhachitischen Zwergwuchs und bei der Chondrodys* 
tropbie; dafür sprechen unter anderem die in unserer Fach- 



Archiv EOhrenheükiinile. B 



Verlä5 vorLF.CW.Vogelir.Ltifzx 



über die Funktion u. d. mikroskopische Anatomie d. Gehörorgans usw. 89 

literatnr vorliegenden mikroskopischen Labyrinthnntersnehungen 
von schwerhörigen Kretinen, indem gerade die Athyreose nicht, 
die Chondrodystrophie aber überwiegend darunter vertreten za 
sein scheint. — Was schließlich die das Ohr betreffenden Sek- 
tionsbefunde schwerhöriger, resp. tauber idioter Kretinen von 
Niöpce anbelangt, so sind sie derart, daß sie nach unseren 
heutigen Kenntnissen sicher auf überstandene meningitische 
Erkrankung zurückgefUhrt werden müssen. Denn es handelt 
sieh meistens um Knochenaufflillungen im Labyrinth und um 
entsprechende Hirnverändernngen, zum Teil auch um schon ma- 
kroskopisch erkennbare Sklerose des N. acusticus. 

Die klinische Beobachtung, wonach selbst totaler Mangel 
der Schilddrüse in der Regel nicht zu Schwerhörigkeit fährt, 
muß uns daher ferner veranlassen, die „dysthyre Schwerhörig- 
keit (Bloch)^, welche nach diesem Autor auf kropfiger De- 
generation oder Aplasie der Schilddrüse beruhen soll, auf an- 
dere Ursachen zurückzuführen und eine solche Gruppierung zu- 
rückzuweisen. 



ErklSrung zu Tafel III. 

Das vorliegende mikroskopische Biid stellt ein Stück der äußeren 
Schneckenwand von einem Kinde von 47*2 Monaten dar. Dem Schnecken- 
Inmen zunächst liegt die mit £osin-Hämatoxylin sich violett-blau färbende 
Zone der Labyrinthkapsel, links davon schließt sich der rot tingierte 
Bindegewebsknochen der Pyramide an. Die Labyrinthkapsel enthält 
reichlich hellblau gefärbten Knorpel in Form von Interglobularräumen und 
typisch angeordnete große, gefäßfahrende, markarme Lymphräume — Ver- 
hältnisse, wie sie ab und zu auch bei normalen Individuen dieses Alters 
vorkommen. Dagegen ist der rote Bindegewebsknochen auffallend dicht, 
sklerotisch. 



IX. 

Aus der Universitätsklinik flir Ohren-, Nasen- und Halskrank- 
heiten zu Leipzig. 

Ober Proteus vulgaris bei Ohreiternngen. 

Von 

Dr. med. J. Lauffs, 
I. Assistenzarzt. 



Bei den bakteriologischen Untersuchungen, die ich in den 
letzten Monaten im Laboratorium der hiesigen medizinischen 
Klinik im Anschluß an Mastoidabszesse und ihre cerebralen Kom- 
plikationen vornahm, begegnete ich unter 26 untersuchten Fällen 
6 mal dem als Bact. vulgare oder Proteus bekannten, und von 
Haus er in seinem Buche: „Über Fäulnisbakterien und deren 
Beziehungen zur Septicämie" zuerst und ausführlich beschrie- 
benen Fäulniserreger. Auffallend war, daß es sich in diesen 
Fällen stets um otitische Komplikationen gefährlicher Art han- 
delte. Es schien mir deshalb von Wichtigkeit, der Frage näher 
zu treten, ob das Bact. vulgare bei Ohrleiden eine besondere in- 
fauste Prognose bedinge. 

Ich werde zunächst die zugehörigen Krankengeschichten ver- 
kürzt wiedergeben. 

Fall 1. Frieda J., 10 Jahre alt. Schlaf enlappea- und Kleinhimabszeß, 
Exitus. 

Das Kind wurde am 7. November 1905 wegen chronischen Ohrleidens 
im Anschluß an Scharlach operiert, hatte die letzten Tage vorher über 
Schmerzen geklagt, die in der Nacht vom 6. zum 7. sehr heftig wurden. Bei 
der Totalaufmeißelung gelangte man zunächst in eine größere Abszeßhöhle, 
die nach hinten den Sinus und das Kleinhirn begrenzte. Letzteres über- 
granuliert. In dem hiervon durch eine Kapsel getrennten Antrum und der 
Paukenhöhle waren stinkende Atherombreimassen mit [Granulationen. 
Auch am Tegmen, an der Grenze zwischen Antrum und Paukenhöhle, findet 
sich ein kleiner Knochendefekt, welcher einem extraduralen Abszeß 
der mittleren Schädelgrube entspricht. Die Dura ist hier dick übergranu- 
liert. Von weiteren Eingriffen wird zunächst Abstand genommen. 



Ober Proteus vulgaris bei Ohreiterungen. 91 

10. November. Das Kind sieht auffallend verfallen aus, es traten wie- 
der Schmerzanfälle auf. Die Pulszahl beträgt 56 — 60, 1 mal Erbrechen, Fie- 
ber über 39^. Deshalb wird der ächläfenlappen mit dem Hirnmesser punk- 
tiert £8 sttlrzt eine beträchtliche Menge grünlichen, unglaub- 
lich stinkenden Eiters hervor. Puls hebt sich. 

11. November. Beim Verbandwechsel liegt innerhalb vom Sinus ein 
Tröpfchen dicken Eiters. Als die Stelle -sondiert wird, gelangt man durch 
eine kleine fistulöse Öffnung in eine Abszeßhöhle der rechten Klein- 
hirnhemisphäre, aus der Eiter von derselben Beschaffenheit heraus- 
fließt. 

15. Dezember. Zunehmende Verschlechterung. Mittags Exitus. 

Autopsie: Außer den Abszessen starkes Odem des Groß- 
und Kleinhirns rechts. 

Bakteriologische Untersuchung: Es wurde im ganzen 
4 mal Eiter zur Untersuchung entnommen, und zwar 1. während 
der Operation aus der unter der Gorticalis gelegenen Abszeß- 
höhle, welche vom Sinus nach hinten begrenzt wurde, 2. aus 
dem Antrum gleichzeitig mit Atheromschmiere, 3. drei Tage später 
von dem Schläfenlappenabszeß, 4. am Tage darauf von dem Klein- 
hirnabszeß. 

Es fanden sich jedesmal Fäulnisbakterien von derselben 
Beschaffenheit und zwar in Reinkultur. Untersucht wurde 
stets gleich nach der Operation. 

Im hängenden Tropfen fanden sich unzählige kleine Stäb- 
chen mit sehr lebhafter Eigeubewegung. 

Die Bouillon war im Brutschrank nach 24 Stunden stark 
getrübt mit größerem Bodensatz, von widrigem Gestank. Re- 
aktion alkalisch. 

Auf Gelatineplatten waren die tiefliegenden Kolonien 
klein, glattrandig, rund, gelblich, die oberflächlichen dagegen 
zart blau, glänzend, durchsichtig, etwas erhaben, mit dunklerem, 
feingranuliertem Zentrum und hellerer, unregelmäßig gerändeter, 
aber scharf begrenzter Ausstrahlungszone. Es tritt keine Ver- 
flüssigung ein. 

Auf Agarplatten ungefähr dasselbe Wachstum, nur nicht 
80 stark. 

Gelatine-Stich (jedesmal nach mehrtägigem Wachstum): 
Nagelformiges Wachstum, mit verbreiterter Auflage von der Be- 
schaffenheit der Kolonien, keine Verflüssigung. 

Gelatine-Strich: Blauer, fein verästelt in die Breite ge- 
wachsener, scharf begrenzter erhabener Strich mit unregelmäßig 
gezacktem Rand, irisiert wie bei Bact. coli. 

Agar-Stich: In ganzer Tiefe nagelformig gewachsen mit 
schleimig-saftiger, graubläulicher Auflage. 



92 IX. LAÜFFS 

Agar-Strioh: Graublauer, fettiger, in die Breite gewach- 
sener Strieb, wie Gelatine-Stricb. 

Traubenzueker-Agar (Schttttelkultur) : Reichliohe Gas- 
bildung. 

Milcb: Nicht koaguliert, alkalisch. 

Kartoffel: Erhabener, anfangs auf den Strich beschränk- 
ter, dann aber über die ganze Kartoffel sich verbreitender Belag. 

Indolreaktion in Bouillon: Positiv. Bei dem Eiter des 
Kleinhirnabszesses anfangs negativ, nach längerem Wachstum je- 
doch auch positiv. 

Diagnose: Proteus vulgaris. 

Bei der Sektion wurde noch Blut entnommen und Agglu- 
tinationsversuche 1:10, 30, 50, 100, 1000 mit vorgenommen. 
Dieselben fielen jedoch negativ aus. 

Obwohl dieses Bacterium zweifellos zur Proteusgruppe ge- 
hört, unterscheidet es sich doch von dem von Hauser(l) be- 
schriebenen dadurch, daß es die Gelatine auch bei häufiger Über- 
impfung nicht verflüssigt und die Milch nicht zur Koagulation 
bringt. Schon der Name „Proteus" deutet jedoch darauf hin, 
daß, wenn auch eine gewisse Norm aufgestellt ist^ bei dem 
wechselgestaltigen Stäbchen häufig Abweichungen vorkommen. 
Diese Erfahrung machte ja Hauser auch selber, indem er an- 
fangs drei Arten unterschied: Proteus vulgaris, mirabilis und 
Zenkeri; dann aber in ihnen denselben Mikroorganismus erkannte, 
der sich unter verschiedenen Bedingungen, z. B. wechselndem 
Gelatinegehalt, verschieden verhielt. 

Obgleich sich in unserem Falle nur Proteus nachweisen ließ, 
läßt sich natürlich nicht entscheiden, ob er von Anfang an in 
Reinkultur vorhanden war, oder ob er später hinzutrat und die 
vorhandenen anderen Bakterien überwucherte. Aus der Lite- 
ratur ergibt sich jedenfalls, daß er, auch ohne einen von an- 
deren Bakterien vorbereiteten Boden zu finden, entgegen der An- 
sicht von Haus er und anderen, Infektionen verursacht. 

Fall 2. Elsa R., 5 Jahre alt. Perisinuöser Abszeß, Exitus. 

Im letzten Sommer Ohreiterung rechts, die mit Ausspülungen behan- 
delt wurde. Der Ausfluß sei später geschwunden (?) , seit 3 Tagen jedoch 
Anschwellung hinter dem Ohr. Kleine Granulation aus dem Atticus, Eiter. 
Mastoidabszeß, sehr starke Schmerzen, Temperatur 3S,5*^. 

S. Februar 1906. Totale Aufmeißelung. Großer, sehr stark stinkender, 
subperiostaler Abszeß. Ein Eiterherd ebenfalls unter der mit zahlreichen Blut- 
punkten Yersehenen Gorticalis, welcher nach hinten dem Sinus aufliegt. 
Die knöcherne Wand ist in etwa Pfennigstückgröße einge- 
schmolzen, der Sinus mit Granulationen bedeckt und von Eiter 
umspült, weich, eindrückbar. Er wird bis zum Gesunden freigelegt. In dem 



Über Proteus Tulgaris bei Ohreiterangen. 93 

Antrnm ist stinkende cholesteatom&hnliche Schmiere. Von dieser 
irnrde in Bouillon geimpft. 

Nachmittags keine Schmerzen mehr, Temperatur 38, t ^ Viel Erbrechen 
und Durst, Sensorium klar, Kind scherzt mit der Schwester. 

9. Februar. V^^ Uhr morgens plötzlich Dyspnoe und Pulslosigkeit 
Auf künstliche Atmung vorübergehende Besserung. 

Vs6 ühr Exitus. 

Antopsie: Diffuse fettige Entartung desMyooards und der 
Nieren. Erweiterung beider Herzventrikel. Fettleber. 

Bakteriologische Untersuchung: Bouillon stinkt 
nach eintägigem Wachstum faulig, ist sehr stark getrübt. Im 
hängenden Tropfen unzählige kleine Stäbchen mit lebhafter Eigen- 
bewegung. 

Auf Agarplatten starkes Wachstum, und zwar scheinbar 
zweierlei Arten von Kolonien, 

1. tiefliegende, kleine, scharf begrenzte, runde, hellgelbe, 

2. oberflächlicl^e, mehr dunkelgelbe, etwas durchseheinende, 
welche zackige und verästelte Ausläufer aussenden. 

Auf Gelatineplatten nach 2 Tagen kleine graue Kolo- 
nien; es beginnt gleichzeitig Verflüssigung der Gelatine, indem 
bereits eine Delle vorhanden ist, die an den folgenden Tagen 
weiter fortschreitet. Zum Teil Ausschwärmen der Kolonien. 

Die scheinbar verschiedenen Kolonien erweisen sich als von 
derselben Bakterienart stammend. 

Agar-Strich: Glänzender, gelber, etwas erhaBener und 
etwas durchscheinender Strich. 

Gelatine-Stich: Farblos, nagelförmig, in ganzer Tiefe 
gewachsen, mit runder knopfartiger Oberfläche, auf der sich bald 
eine Delle bildet. 

Kartoffel: Schmutzig braun-gelber Belag, der nach 2 Tagen 
die Kartoffel ganz durchwachsen hat. 

Traubenzucker-Agar (Schüttelkultur): Etwas Gasbildung. 

Milch: Sauer, keine Koagulation. 

Indolreaktion: Sehr deutlich positiv. 

Demnach Diagnose: Proteus vulgaris. 

Auch in diesem Eiter ließen sich nur die Fäulnisstäbchen 
in Reinkultur als Eitererreger nachweisen. Der Exitus ist jedoch 
kaum auf eine durch dieselben hervorgerufene Sepsis zurückzu- 
führen. Die Schuld an dem unglücklichen Ausgang ließ sich bei 
der Autopsie nicht sicher nachweisen. Bei dem Fehlen anderer 
Todesursachen kann sie vielleicht der fast zweistündigen Nar- 
kose zugeschrieben werden. Wenn auch das Kind während der- 
selben ruhig schlief und nur wenig Chloroform erhielt, so deuten 



94 IX. LAUFFS 

doch die Degeneration der Herz- und Nierenmuskulatnr auf die 
schädigende Wirkung des Nareoticum hin. 

Fall 3. Kurt F., 18 Jahre alt. Perisinuöser Abszeß, Heilung. 

Vor mehreren Monaten bereits wegen chronischer Ohreiterung rechts 
operiert. Nach seiner Heilung wurde nachträglich die Plastik vorgenommen. 
Links ebenfalls seit vielen Jahren Ohreiterung. In den letzten 14 Tagen hatte 
F. fiber zunehmende Schmerzen und Schwindel zu klagen, zu denen in den 
letzten 2 Tagen noch Temperaturerhöhung bis 38,8 ^ hinzutrat. Die Schmer- 
zen waren zuletzt sehr heftig. Es bestand Totaldefekt, die mediale Pauken- 
höhlenwand war mit Epidermis ausgekleidet. 

26. Februar 1906. Totalaufmeißelung. £iter ist direkt unter der Gor- 
ticalis vorhanden. Durch eine Knochenschicht sind diese Eiterzellen vom 
Antrum geschieden. Im Antrum und Kuppelraum ist stinkender Athe- 
rombrei, Knochen morsch, in den Zellen Granulationen. Nach der Spitze zu 
ist ein Ausläufer der Atheromhöhle prall mit stinkendem Eiter ausgefüllt. Die 
Höhle führt nach hinten, als sie erweitert wird, unmittelbar auf die Mitte 
des Sinuskniees. Der Sinus ist hier an bohnengroßer Stelle mit 
dickem, mißfarbigem Granulationslager bedeckt. Heilung. 

Bakteriologische UnterBuchung: Es wurde zweimal 
während der Operation zum Vergleich in sterilem Reagensgläs- 
chen Eiter aufgefangen und in Bouillon geimpft, und zwar zu- 
nächst von dem Eiter direkt unter der Gorticalis, welcher sich 
nicht durch unangenehmen Geruch bemerkbar machte (Bouillon- 
röhrchen I), und später von dem hiervon vollständig getrennten 
Eiter aus der Tiefe, der mit Cholesteatomschmiere untermischt, 
einen ekelhaften Geruch verbreitete (Bouillouröhrchen II). 

Auch bakteriologisch war der Eiter verschieden. Gleich nach 
der Operation ließen sich im hängenden Tropfen von dem der 
Oberfläche entnommenen Eiter nur Streptokokken nachweisen. 

Die geimpfte Bouillon war am folgenden Tage geruchlos 
und klar, nur mit randständigem Belag und Bodensatz. Stäbchen 
waren nicht zu finden. 

Dagegen waren in Bouillon II neben kurzen Streptokokken- 
ketten kleine, zierliche Stäbchen mit sehr lebhafter Eigenbewe. 
gnng in mäßiger Anzahl gewachsen. Diese Bouillon war stark 
diffus getrübt und stank nach faulem Gemüse, genau wie der 
Eiter am Tage vorher aus der Tiefe. 

Von beiden Röhrchen wurden Agar- und Gelatinplatten 
gegossen. 

Auf den ersten Platten wuchsen nur kleine Kolonien, welche 
sich bei weiterer Untersuchung als Streptokokken erwiesen. 

Auf den zweiten wuchsen außerdem Stäbehenkolonien. 

Gelatinplatten wurden nach Impfung mit diesen Stäb- 
chen in 3 Tagen durch kleine farblose Kolonien vollständig ver- 
flüssigt. 

Auf Agarplatten bildeten sich große, glänzende, nicht 



über Proteus vulgaris bei Ohreiterungen. 95 

erhabene, durchsichtige Eolonien mit mehr oder weniger gezack- 
ten Rändern^ bläulichem Zentrum und hellerer Ausbreitungszone) 
hier und da seesternartige Fortsätze aussendend. Nach Weiter- 
impfung dieser Kolonien zeigte sich: 

Bouillon: Stark stinkend. 

Agar-Stich: In ganzer Tiefe gewachsen mit oberfläch- 
lichem Belag wie auf Agarplatte. 

Agar- Strich: Über den ganzen Nährboden sich ausbreitend. 

Gelatine-Stich und Strich: Farblos, stark verfltlssigend. 

Milch: Sauer, nicht koaguliert. 

Traubenzuckeragar: Keine Gasbildung. 

Demnach Diagnose: Proteus vulgaris. 

Es handelte sich also in diesem Falle um eine Mischinfek- 
tion von Streptokokken und Proteus. Wenn Hauser (1) in seiner 
Arbeit darauf hinweist, daß die Fäulnisbakterien wahrscheinlich 
erst sekundär in Wunden eindringen, nachdem bereits andere 
Eitererreger die Gewebe geschädigt hätten, dann aber durch die 
jauchige Zersetzung und Erzeugung toxisch wirkender Substanzen 
mehr oder weniger bei Resorption derselben Gefahr brächten, so 
könnte man in dieser Krankengeschichte und dem bakteriologi- 
schen Befunde eine Bestätigung hierfür finden. Denn in dem 
direkt unter der Corticalis befindlichen Eiter war nur der Strepto- 
coccus im hängenden Tropfen und in der Kultur nachzuweisen; 
während der hiervon vollständig getrennte perisinuöse, mit der 
Spitze und dem Antrum kommunizierende Abszeß neben den ver- 
hältnismäßig zahlreichen Streptokokken auch die Fäulnisbakte- 
rien, wenn auch nicht in allzu großer Menge aufwies, jedoch 
immerhin schon so zahlreich, daß man während der Operation 
wegen des unangenehmen Geruchs auf das Vorhandensein der- 
selben bestimmt schließen konnte. Bei dem ungeheuer raschen 
Wachstum dieser Stäbchen könnte man wohl annehmen, daß sie 
erst kurze Zeit vor der Operation in den Warzenfortsatz einge- 
drungen waren. Sicherlich würden sie sonst bald die Strepto- 
kokken überwuchert und den ganzen Warzenfortsatz auch bis 
zur Peripherie übervölkert haben. Wenn demnach erst in den 
letzten 2 Tagen die Temperatur von 37,2 auf 37,8 <>, und am fol- 
genden Tage auf 38,8 stieg, so scheint diese Temperaturerhöhung 
mit der Einwanderung und Vermehrung der Bakterien sowie Re- 
sorption ihrer Toxine Hand in Hand zu gehen. 

Nach der Operation fiel die Temperatur sofort auf 37,0 ^ und 
überschritt diese Grenze auch an den folgenden Tagen nicht. 



96 IX. LAÜFFS 

Fall 4. Alfred B., 12 Jahre alt Großer, periainaöser Abszeß, Heilang. 

Seit frühester Jagend Ohreiterang links, recidivierende Polypen, aagen- 
blicklich Senkung der OehOrgangswand und Schmerzen hinter dem Ohr, die 
in den letzten drei Tagen heftig waren. 

31. M&rz 1906. Totalaafmeißelung. Harter Knochen, beim Wegschlagen 
des hinteren Endes der Spitze quillt pulsierend stinkender Eiter hervor. 
Paukenhöhle undAntrum werden von einem großen Atherom, untermischt 
mit Polvpenmassen, ausgefüllt, welches in einen großen perisinuOsen 
Abszeß nach hinten übergeht, der gerade dem Knie entspricht. In der 
Paukenhöhle führen polypöse Massen nach hinten unten, und zwar dringt 
die eingebogene Sonde über 1 cm weit nach hinten und nach innen in der 
Bichtung auf den Bulbus jugularis vor. 

Befinden nach der Operation gut. 

Die Wunde heilte bis auf eine gewulstete Stelle am Boden der Pauken- 
höhle aus. 

Bakteriologisohe Unterguchnng: Im hängenden 
Tropfen gleich naoh der Operation sind Streptokokken mit Mo- 
lekularbewegnng nnd unzählige kleine Stäbchen mit sehr leb- 
hafter Eigenbewegang vorhanden. 

Bouillon ist am folgenden Tage stark getrübt, stinkt naoh 
faulem Gemüse. 

Agarplatten: Nach 2 Tagen große, durchsichtige, glän- 
zende Kolonien mit unregelmäßigem Rand, die sich zum Teil 
schleierartig über einen größeren Bezirk der Platte ausbreiten. 

Gelatinplatten: Unzählige kleine bläuliche , scharf be- 
grenzte, teilweise nach einem Tag schon verflüssigende Kolonien, alle 
von gleichem Aussehen. Nach zwei Tagen vollständige Verflüssigung. 

Agar-Strich: Ein diffus über die ganze Fläche wachsen- 
der, glänzender, erhabener, durchsichtiger Rasen. 

Milch: Nicht koaguliert, alkalisch. 

Traubenzuckeragar: Geringe Gasbildung. 

Kartoffel: Strichformige, erhabene, schmutzig gelbe, glän- 
zende Auflagerung, die nach zwei Tagen die ganze Kartoffel 
umwächst. 

Demnach Diagnose: Proteus vulgaris. 

In diesem Falle ließen sich, obwohl gleich nach der Ope- 
ration im hängenden Tropfen neben den Stäbchen auch Strepto- 
kokken gefunden wurden, diese auf den Platten nicht mehr nach- 
weisen, indem die Kokken infolge ihres langsamen Wachstums 
von den ungeheuer schnell sich vermehrenden Stäbchen jeden- 
falls vollständig überwuchert wurden. Dieselbe Tatsache tritt in 
den folgenden Beschreibungen noch mehrmals hervor (vgl. Fall 5, 
6 und 17), so daß zur sicheren Beurteilung, ob Reininfektion vor- 
liegt oder Mischinfektion, die sofortige Untersuchung naoh der 
Operation unerläßlich ist. (Fortsetzung folgt.) 



X. 

Aus der Kgl. üniversitäts- Ohrenklinik zu Halle a. S. 
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. H. Seh wartze.) 

Znr Kasuistik der Tumoren des äusseren Gehörgangs. ^) 

(Melanom«) 

Von 

Dr.. Erich DaUmann, 

X Assistent der Klinik. 



M. H. Der Tumor des äußeren Gehörganges, von dem ich 
Ihnen berichten will, stammt von einer 44jährigen Patientin. 
Dieselbe war bereits wegen eines Fibroma moUuscum des linken 
Oberschenkels in der Behandlung der chirurgischen Klinik in 
Halle, wo ihr in mehreren Sitzungen, die sich auf eine ganze 
Reihe von Jahren verteilten, über 50 Pfund von dieser Gesehwulst 
entfernt wurden. Außer diesem Fibroma moUuscum besitzt die 
Patientin über die ganze Körperoberfläche verstreut kleinere und 
größere, teils weniger, teils stärker pigmentierte Warzen von 
Linsen- bis Haselnußgröße. 

Am 15. August dieses Jahres suchte die Patientin die Poli- 
klinik der Halleschen Universitäts-Ührenklinik auf. Sie gab an, 
daß sie früher niemals ohrenkrank gewesen sei. Seit ungefähr 
8 Tagen habe sie bemerkt, daß sie mit dem linken Ohr schlecht 
höre; diese Schwerhörigkeit sei ganz plötzlich aufgetreten. Außer- 
dem habe sie seit 3 Tagen starke Schmerzen in der linken Kopf- 
seite. Sie sei zu ihrem Arzt gegangen, welcher eine Verstopfung 
des Gehörgangs durch Cerumen festgestellt und versucht habe, 
diesen Pfropf durch Spritzen zu entfernen. Als ihm dies nicht 
gelungen sei, habe er ihr geraten, die Ohrenklinik aufzusuchen. 

Bei der Untersuchung stellten wir fest, daß die Gegend des 
Warzenfortsatzes und des Tragus leicht druckempfindlich war. 

1) Jtfitgeteilt in der Gesellschaft S&chsisch-thüringscber Kehlkopf- und 
Ohrenärzte. Sitzang am 3. November 1906 in Leipzig. 

Arohir f. Ohrenheükimde. LXX. Bd. 7 



98 X. DALLMANN 

Otoskopisoh fanden wir im äußeren Gehorgange ungefähr an der 
Grenze vom knorpeligen zum knöohernen Gehörgang eine Neu- 
bildung, die das Lumen des Gehörganges vollständig verschloß. 
Dieselbe hatte bläulich-braune Farbe und glänzte leicht, so 
daß für einen weniger Geübten die Verwechselung mit einem 
Cerumenpf ropf sehr leicht möglich war. Die Sondenuntersuchung 
ergab, daß wir es mit einer ziemlich derben Geschwulst zu tun 
hatten, die der ^vorderen unteren Gehörgangswand breitbasig 
aufsaß. 

Das rechte Trommelfell war normal. 

Nach der Hörprüfung handelte es sich bei der Schwerhörig- 
keit um eine reine Schallleitungsschwerhörigkeit; Flüstersprache 
wurde rechts in 6 m', links in V2 m Entfernung gehört. Beim 
Web ersehen Versuch wurde nach links lateralisiert, hohe Töne 
waren beiderseits nicht herabgesetzt, der Rinne sehe Versuch fiel 
links negativ aus. 

Fieber war nicht vorhanden. 

Da sich bei den halbseitigen Kopfschmerzen, über welche 
die Patientin in den letzten 3 Tagen klagte, die Möglichkeit einer 
durch den obturierenden Tumor verursachten Eiterretention nicht 
von der Hand weisen ließ, beschlossen wir, den Tumor zu ent- 
fernen. Wir führten dies mit Hilfe der Glühschlinge aus. 

Nach der Entfernung der Neubildung sahen wir eine leichte 
Injektion am HammergriflF, welche nur sekundär durch die Ma- 
nipulationen am Gehörgang verursacht war; im übrigen war 
das Trommelfell vollständig blaß und nicht entzündlich gereizt. 
Wir konnten also jetzt die Schmerzen allein auf den Druck des 
obturierenden Tumors zurückführen. 

Der Tumor selbst stellte sich als ein über erbsengroßes halb- 
kugelförmiges Gebilde mit unregelmäßiger Oberfläche dar, in der 
Form ähnlich dem Aussehen einer Himbeere. Seine Farbe w^ar, 
wie schon oben gesagt, bläulich-braun, die Konsistenz war von 
fast Knorpelhärte. 

Nach Härtung in Formalin wurde der Tumor in aufsteigen- 
den Alkohol gebracht und in Paraffin eingebettet. Die Schnitte 
wurden mit Hämalaun und Eosin gefärbt. 

Mikroskopischer Befund: Die ganze Geschwulstober- 
fläche ist mit einer Epidermisschicht überkleidet, deren oberste 
Schicht stark verhornt ist. Die Epidermisschicht selbst ist nicht 
verbreitert und entspricht ungefähr normalen Verhältnissen. Dicht 
darunter sieht man zahlreiche ziemlich große, teils rundliche. 



Zar Kasuistik der Tumoren des äusseren Gehörgangs. 99 

teils polygonale Zellen mit großen Kernen. Eine große Menge 
dieser Kerne lassen deutlich Yaknoleii erkennen. Weiter fallen 
besonders nach der Basis des Tumors zu spindelförmige Zellen 
auf. Alle diese Zellen finden sich einerseits in unregelmäßigen 
Haufen angeordnet, andererseits bilden sie deutliche Zellnester. 
Fast regelmäßig sind die einzelnen Zellen durch sehr zarte Binde- 
gewebsstränge von einander getrennt. 

Im ganzen ist der Tumor sehr arm an Bindegewebe, welches 
wenig Kerne aufweist. Dagegen ist derselbe sehr reich an 
Lymphspalten und Lymphgefäßen. Weiter sieht man, besonders 
unter der Epidermisschicht, reichliche Pigmentablagerungen. Die- 
selben bilden mitunter unregelmäßige Anhäufungen, viel häufiger 
sieht man sie aber in dem Protoplasma der Zellen, so daß ein- 
zelne Zellen vollständig mit Pigment durchsetzt sind. An den 
Gefäßen ist nichts Besonderes. Riesenzellen sind nicht vorhan- 
den, ebensowenig findet sich Leukocyteninfiltration. — 

Nach diesem Befunde handelt es sich also um eine papilläre 
Geschwulst, um einen melanotischen Hautnävus. Ob der 
Tumor schon jetzt zu den malignen zu rechnen ist, kann nicht 
mit absoluter Sicherheit gesagt werden. Beachtet man aber den 
außerordentlichen Zellreichtum und die zahlreichen Pigmentein- 
lagernngen in den Zellen, so muß man doch immerhin mit dieser 
Mögliehkeit rechnen. Es käme hier also der Übergang des Pa- 
pilloms in ein Melanosarkom .in Frage. Und erfahrungsgemäß 
ist ja ein derartiger Übergang von einem melanotischen Haut- 
nävus in ein Sarkom ein gar nicht seltenes Ereignis. Selbst- 
verständlich muß die Patientin unter steter Kontrolle bleiben, und 
sollte sich ein Rezidiv des Tumors an der jetzt fast 3 Monate 
nach der Exstirpation vollständig gesund aussehenden Gehör- 
gangswand einstellen, so mflßte 'eine eingreifende Operation in 
Frage kommen. 



1* 



XL 

Unznlässige Benennnngen in nnserer Literatur. 

Eine historisch-kritische Erörterung. 

Von 
H. Schwartze. 



In unserer otologischen Literatur, und zwar nicht allein in 
der deutschen, sondern auch in der ausländischen, finden sich 
seit etwa zwei Dezennien bis in die neueste Zeit hinein Bezeich- 
nungen in Gebrauch für Operationsmethoden, Krankheitsformen 
und therapeutische Technicismen, die unberechtigt sind. Es liegt 
im Interesse der Wissenschaft, deren Ziel doch tiberall die Wahr- 
heit sein soll, solche unrichtige Bezeichnungen definitiv wieder 
auszumerzen. Sie wirken für unsere nachwachsende Generation 
verwirrend, um so mehr, da sie in einigen der neuesten Kom- 
pendien, die ftlr Anfänger im otologischen Studium bestimmt sind, 
immer wieder reproduziert werden, und dadurch in immer wei- 
teren Kreisen dem Gedächtnis eingeprägt und im otologischen 
Sprachgebrauch weiter verbreitet werden. 

Ich will meine kritische und historische Erörterung hier be- 
schränken auf drei unzulässige Bezeichnungen: „Radikalopera- 
tion", „Bezoldsche Mastoiditis" und „Hartmannsche Pauken- 
röhre". 

L 

„Radikal Operation." 

Es ist mir nicht mehr erinnerlich, wer diesen Namen für 
„radikale Freilegung der Mittelohrräume ** zuerst in die otolo- 
gische Literatur gebracht hat. Jedenfalls wird es bekannt sein, 
daß ich schon seit langer Zeit gegen die Beibehaltung dieser 
ganz unpassenden Bezeichnung ankämpfe. Abgesehen davon, 
daß sie nicht einheitlich definiert wird, und diese schwankende 
Definition des Begriffes verwirrend wirken muß, zwingt uns vor 



Unzulässige Benennungen in unserer Literatur. 101 

allen Dingen zur Aufgabe dieses Namens der Umstand, daß die 
duroh ihn erweckten Hoffnungen auf gänzliche und dauernde 
Heilung des die chronische Eiterung veranlassenden Leidens 
keineswegs immer erfttllt werden und auch nicht erfftUt werden 
können. Für den unerfahrenen Arzt und fttr den Patienten wer- 
den durch den stolzen Namen Hoffnungen erweckt, die sich nicht 
selten als trügerisch erweisen. Mindestens erwarten beide, der Pa- 
tient und sein Arzt, daß unsere „Radikaloperation^ ein radikales 
Heilmittel der Eiterung sein müsse. Dies trifft aber keineswegs 
immer zu, wie die Erfahrung sattsam gelehrt hat. Auch wenn die 
Operationshöhle bei dem als „geheilt" entlassenen Patienten trocken 
ist, keine verdächtige Stelle mit einer trockenen Borke zeigt, 
sondern tadellos aussieht, überall mit der erwünschten dünnen 
spiegelnden Epidermis ausgekleidet erscheint, können Spätreci- 
dive der Eiterung kommen, die trotz der anscheinend völlig ge- 
lungenen „Radikaloperation" noch nach Jahren zu letalen 
intrakraniellen Folgeerkrankungen Veranlassung geben können. 

Also auch jener dem Patienten so häufig gegebene Trost, 
daß er nach der „Radikaloperation^ wenigstens vor der Gefahr 
tödlicher Folgezustände des Ohrleidens gesichert sein werde, auch 
wenn die völlige Heilung der Eiterung nicht durch die Operation 
erreicht worden sei, ist eine Hlusion. — 

Von einer wirklichen Radikaloperation für die schwersten 
Fälle von Caries, Cholesteatom und malignen Tumoren des Schlä- 
fenbeins dürfte man nur sprechen, wenn der Krankheitsherd de- 
finitiv ausgerottet werden könnte, und dies wäre nur möglich, 
wenn eine Methode gefanden sein wird für die Resektion des 
ganzen Schläfenbeins. Ob dies je gelingen wird, liegt im Schöße 
der Zukunft. Aber auch wenn es gelingt, liegt immer noch bei 
diesen schlimmsten Fällen als nicht zu unterschätzendes Hinder- 
nis eines radikalen Erfolges die Voraussetzung zugrunde, daß die 
dem Schläfenbein benachbarten Knochen der Schädelbasis nicht 
in Mitleidenschaft gezogen sind; wie dies besonders häufig bei 
malignen Tumoren vorkommt. 

Vorläufig müssen wir also recht zurückhaltend mit dem Aus- 
druck „radikal^ bleiben, und ich ziehe deshalb die Bezeichnung 
„operative Freilegung der Mittelohrräume*' vor, oder kürzer und 
gleichzeitig umfassender „Totalaufmeißelung*', im Gegensatz 
zur partiellen Aufmeißelung, d. h. zur Eröffnung der Mastoid- 
zellen und Freilegung des Antrum mastoideum. Der schon sehr 
lange bei mir gebräuchliche Name Totalaufmeißelung ist bereits 



102 XL SCHWARTZE 

vielfach von anderen Lehrern der Otologie aooeptiert worden. 
Ein wesentlicher Vorzng dieser Bezeichnung vor dem Namen 
„Radikaloperation^ liegt außer den oben angeführten Gründen 
darin, daß sie keine Beschränkung der Operation auf die Mittel- 
ohrräume bedingt, sondern auch eine eventuell als notwendig 
erscheinende Freilegung der Hohlräume des Labyrinthes 
in sich schließt, falls solche mit Eiter erfüllt sind und dieser 
durch fistulöse Wegleitung zu ihnen oder durch partielle Zer- 
störung der Labyrinthwand der Paukenhöhle erkennbar ist. 

IL 

„Bezold'sche Mastoiditis/^ 

Bereits in meiner Operationslehre vom Jahre 1893 ^) habe 
ich darauf aufmerksam gemacht, daß jene Form der Mastoiditis^ 
die zum fistulösen Durchbruch an der Spitze oder an der Innen- 
wand des Fortsatzes führt, schon lange vor Bezold in der Lite- 
ratur bekannt und beschrieben, sogar auch abgebildet worden 
ist. In meiner „pathologischen Anatomie des Ohres^ vom Jahre 
1878 S. 112 hatte ich die Abbildung eines solchen Falles nach 
Kuh wiedergegeben, die aus dem Jahre 1847 stammt. Prof. 
Julius Böke (Budapest) hat 1872 2) auf der deutschen Natur- 
forseherversammlung in Leipzig mehrere Schläfenbeine mit solcher 
Lokalisation des cariösen Durchbruches demonstriert, wo Sen- 
kungsabszesse nach dem Halse bestanden hatten. In meiner ersten 
Kasuistik über 100 Mastoidoperationen habe ich in diesem Archiv 
3 Fälle der Art mitgeteilt, mit ausführlicher Krankengeschichte. 
Trotzdem hat man ohne Rücksicht auf diese Hinweisungen auf das 
öftere Vorkommen der genannten Lokalisation des Knochendurch- 
bruchs bei Empyem und zentraler Caries des Wai-zenfortsatzes den 
Namen Prof. Bezolds damit in Verbindung gebracht und spricht 
von „Bezoldscher Mastoiditis'^ Dieser hat in seinem Aufsatze 
vom Jahre 1881^) irrtümlicherweise geglaubt, einen neuen Weg 
der Ausbreitung der eitrigen Entzündung aus den Bäumen des 
Mittelohres auf die Nachbarschaft entdeckt zu haben, aber da- 
mit doch nur auf eine bereits Jahrzehnte vor ihm längst be- 
kannte Tatsache hingewiesen. Auch die Symptomatologie des 
■ • 

1) Handbuch der Ohrenheilkunde. Bd. II. S. 702. 

2) Referat in diesem Archiv. Bd. VI. S.285. 

3) Deutsche med. Wochenschrift 1881 Nr. 28: „Ein ueuer Weg fttr 
Ausbreitung eitriger Entzündung auf die Nachbarschaft usw.** Referat in 
diesem Archiv. Bd. XVIII. S. 207. 



Unzulässige BeneDnungen in unserer Literatur. 103 

von ihm genauer beschriebenen Krankheitsbildes war bekannt. 
(Harte Infiltration unter der Spitze des Proe. mastoideus, tiefe 
weitreichende Senkungsabszesse in der seitlicben Halsgegend, 
dem Verlaufe der bindegewebigen Scheide des M. sternocleido- 
mastoideus oder der Gefäßscheide der großen Halsgefaße folgend, 
oder nach dem Occiput bis in den Nacken.) Von Senkungsabs- 
zessen bis unter die Clavicula, unter das Sternum in das Mc- 
dastinum und in den Pleurasack hatte Bezold bis zur Publi- 
kation seines Aufsatzes (1. c.) auffallenderweise noch nichts ge- 
sehen, ebenso wenig erwähnt er das so häufige Caput obstipum. 
Bezold selbst hat gegen die mißbräuchliche Verwendung 
seines Namens nie formell Einspruch erhoben, sondern sie still 
geduldet. Jetzt in seinem neuesten Lehrbuche (1906) S. 200 gibt 
er aber zur Begründung dieser Benennung an, daß das Zustande- 
kommen des Erankheitsbildes „das in der Literatur viel- 
fach Bezoldsche Mastoiditis bezeichnet wird", von 
ihm an der Leiche experimentell studiert worden sei ^). Das Ex- 
periment bestand darin, daß Bezold nach der Methode von 
Henke u. A. sich der Injektion einer gefilrbten und in der 
Kälte erstarrenden Gelatinelösung durch einen vorher angelegten 
Bohrkanal in die Incisura mastoidea bediente. Dabei nahm die 
erstarrende Injektionsflüssigkeit einen der Ausbreitung des Eiters 
am Lebenden entsprechenden Weg zwischen die tiefen Hals- 
nnd Nackenmuskeln. Daß der 1. e. angegebene Vorschlag Be- 
zold s, für diese Fälle auch zu therapeutischen Zwecken einen 
solchen Bohrkanal durch den Warzenteil bis in die Incisura 
mastoidea anzulegen, nicht empfehlenswert ist, wird Bezold 
heute wohl selbst zugeben, wenn er auch einen Fall anführt, in 
welchem er nach diesem ganz unzulänglichen und nicht uuge- 
föhrlichen Verfahren (Facialis!) Heilung eintreten sah. Es dürfte 
wohl heute kaum einen Otochirurgen geben, der sich mit solcher 
Maßnahme begnügen würde. Wohl jeder würde den Krankheits- 
herd ganz freilegen und so viel vom Warzenfortsatz resecieren, 
als sich erkrankt zeigte, insbesondere die ganze Spitze, außer- 
dem aber noch die Senkungsabszesse spalten und bis zu ihrem 
Ende verfolgen. Ich halte diese Begründung der Bezeichnung 
„Bezoldsche Mastoiditis'^ durch das beschriebene Leichen- 
experiment für nicht ausreichend, und ich bin vielmehr der Mei- 
nung, daß Bezold eigentlich schon lange die Pflicht gehabt 

1) In dem oben zitierten Aufsatze vom Jabre 1 88 1 , Deutscbe med. 
Wochenscbrift, 1881 Nr. 28. 



104 XI. SCHWARTZB 

bätte, auf Grund der von mir 1. c. gegebenen literarischen Hin- 
weisungen seine Vaterscbaft zu desavouieren und den Irrtum 
seiner Scbüler und Freunde zu beriobtigen. 

leb gebe ja gern zu, daß Bezold durcb seinen Aufsatz vom 
Jabre 1881 dazu beigetragen bat, die allgemeine Aufmerksam- 
keit auf das sobon vor ibm bekannte und besebriebene Krank- 
beitsbild hingelenkt zu baben, und zwar besonders f&r solche 
Arzte, die ihr Studium auf die Tagesliteratnr beschränken. Das 
bindert mich aber nicht, bei aller Anerkennung für die sonstigen 
Bestrebungen und Leistungen des hochgeschätzten Kollegen (ich 
erinnere nur an seine mtlbevoUen und erfolgreichen Untersuchun- 
gen auf dem Gebiete der Hörprüfung und der Taubstummheit) 
nochmals gegen diese historisch nicht gerechtfertigte Bezeichnung 
Protest einzulegen. — 

III. 
„Hartmannsche Paukenröhre." 

Früher hatte ich irrtümlich angenommen^), daß sich Toyn- 
bee zuerst gekrümmter Ansatzröhren zur direkten Einführung in 
das Antrum vom Gehörgange aus bei entsprechenden Trommel- 
felldefekten bedient bätte. Toynbee hat aber weder in seinem 
Aufsatz „Preventing caries of the petrous bone and the for- 
mation of abscess in the brain, in cases of disease witbin 
the ear*'^)^ noch in seinem Lehrbuch (Diseases of the ear) 
ein Wort davon erwähnt, daß er zur direkten Spülung des 
Mittelohres gekrümmte]Eanülen benutzt oder empfohlen habe. Mein 
Irrtum war dadurch herbeigeführt, daß ich den Inhalt des oben 
genannten Aufsatzes früher nur aus einem Referate kannte, welches 
ungenau gewesen ist. Im Original (1. c.) steht nichts weiter, 
als daß Toynbee bei Fällen, wo das Trommelfell fehlt und Eiter- 
retention in den Mastoidzellen besteht, d-en Versuch empfahl, mit 
einer gekrümmten Sonde (curved probe) in der Richtung nach 
dem Warzenfortsatze einzugehen, um dem Eiter einen Weg zu 
bahnen für den Abfluß in die Paukenhöhle, und hinterher dann 
vorsichtig mit warmem Wasser den Gehörgang auszuspülen. 
Wilde 3) erklärte darauf in einer Entgegnung auf diesen Vor- 
fichlag dieses Sondieren für nicht ratsam und gefährlich ; er hätte 
es nie getan und auch nicht bei anderen in Anwendung gesehen. 

Ich lasse, um den Vergleich des nicht überall leicht zugäng- 

1) Dieses Archiv. Bd. XIV. S. 225. 

2) Medical times 1861, 16. März. S. 273. 

3) Medical times 1861, 11 May. 



Unzulässige Benennungen in unserer Literatur. 105 

liehen Originals, für den Leser zu ermöglichen, den Wortlaut der 
betreffenden Stellen ans Toynbee's und Wilde's Aufsätzen hier 
folgen. 

1. Toynbee,. Medical Times 1861, 16. März, S. 274. 

If the membrana tympani be absent and matter is confined 
in mastoid cells, it is desirable by means' of a curved probe 
to endeavour to make an exit for the matter through the natural 
Channel into the tympannm, and to use syringe with warm 
water cautiously; by this means it is possible in some cases 
where the mucous membrane of the tyrapanum is not very 
thick, to secure the withdrawal of matter from the mastoid 
cells etc. 

2. Wilde, ibid. vom 11. May 1861, S. 488 in einem Artikel 
„On aural diagnosis and disease of the mastoid process^: 

To obviate the consequenoes alluded to, Mr. Toynbee re- 
commends, in cases of ruptured membrana tympani „direoting 
the stream of water (in syringing) trough the orifice of the mem- 
brane into the tympanum in Order to vacuate the latter ' cavity 
of its Contents". This is an achievement, J am afraid, we can- 
not always lay claim to, as, in syringing, the stream of water 
fiUs the meatus, no matter how it is directed. The next pro- 
posal is „by means of a curved probe (passed into the mastoid 
cells) to endeavour to make exit for the matter through the na- 
tural Channel into the tympanum. By this means it is possible, 
in some cases, where the mucous membrane is not very thick, 
to secure the withdrawal of matter from the mastoid cells. 
I bave never performed such an Operation, nor seen it perfor- 
med by others; I can however, suppose it possible with te pa- 
tient under Chloroform, although not unattended with risk, if 
the probe could be pushed far enough and was curved suffi- 
oiently, on that the Operator could succeed in thrusting it into 
one or other of the mastoid openings. 

Meine Antrumröhren habe ich zuerst bekannt gemacht. und 
abgebildet in diesem Archiv, Bd. XIV, Heft 3 und 4, S. 225 (aus- 
gegeben am 18. März 1878), nachdem ich solche seit Jahren vor- 
her immer in Gebrauch gehabt und als zweckentsprechend und 
ungefährlich erprobt hatte. Herr Dr, Arthur Hart mann (Berlin) 
hat zuerst in der Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. VIII, S. 28, 
18 79 in einem Aufsatz mit dem Titel: „Über Sklerose des 
Warzenfortsatzes" in einer Anmerkung unter dem Text mitgeteilt, 
y,da& er zum Ausspritzen der Trommelhöhle und des Antrum 



106 XI. SCHWARTZE 

mastoideum, wenn es sich darum handelt, eingedickte Massen zu 
entfernen, eine an ihrem Ende rechtwinklig abgebogene Röhre 
aus Neusilber benutzt, die unter Leitung des Spiegels mit ihrem 
Ende in die Trommelhöhle vorgeschoben wird. Am entgegen- 
gesetzten Ende der Röhre ist ein Gummischlaueh angebracht, 
vermittelst dessen die Röhre mit der Spritze in Verbindung 
steht^. 

Später hat Herr Dr. Arthur Hart mann dann in der 
Deutschen med. Wochenschr. vom 1. November 1879, Nr. 44, 
S. 573 einen besonderen Artikel geschrieben „Über die Aus- 
spülung der Trommelhöhle und ihrer Ausbuchtungen^. Er beginnt 
mit der falschen Angabe, daß ich mein früheres ungünstiges 
Urteil über dieses Verfahren als unbegründet zurückgewiesen 
habe, nachdem er bereits in seinem Artikel über 
Sklerose des Warzenfortsatzes in einer Anmerkung 
von diesem Verfahren gesprochen habe. Der von ihm 
angezogene Artikel erschien, wie oben angegeben, in der Zeit- 
schrift für Ohrenheilkunde, Bd. VIII, 1879, während meine erste 
Publikation über das Antrumröhrchen schon über 1 Jahr vorher 
erschienen war (dieses Archiv, Bd. XIV, Heft 3 u. 4, S. 225, aus- 
gegeben am 18. März 1878). Die Sache verhielt sich also ge- 
rade umgekehrt, wie sie Herr Dr. Arthur Hartmann dar- 
stellt. Nachdem ich mein anfangs ungünstiges Urteil öffentlich 
berichtigt hatte, schrieb ein Jahr später Herr Dr. Arthur 
Hartmann einen Artikel in der Zeitschr. für Ohrenheilkunde 
und noch später einen Artikel in der Deutschen med. Wochenschr., 
worin er ein dem meinigen ähnliches Instrument beschrieb und 
abbildete, ihm statt Antromröhre den Namen „Paukenröhre" gab 
und die Ausführung des Verfahrens der Einführung unter dem 
Reflektor so beschrieb, wie ich es 1. c. angegeben, immer getan 
und gelehrt hatte. Um seiner „Erfindung*' mehr Bedeutung 
zu verleihen, hielt es Herr Dr. Arthur Hartmann für ange- 
messen, zum Schlüsse seines Artikels hinzuzufügen, „das bald 
nach meiner (Hartmanns) ersten Mitteilung über das bespro- 
chene Verfahren, von Schwartze (1. c. dieses Archiv, Bd. XIV, 
S. 225) angegebene Instrument besitzt in dem Teile der Röhre, 
welcher in den äußeren Gehörgang zu liegen kommt, eine starke 
Krümmung und fehlt demselben die Abbiegung im äußeren Teile 
der Röhre, so daß es kaum möglich erscheint, dasselbe 
unter Beleuchtung mit dem Reflexspiegel einzuführen". 

So viel Worte, so viel Irrtümer. Die sehr dreiste Behaup- 



Unzulässige Benennungen in unserer Literatur. 107 

tung aber, daß es kaum möglieb ersebeiot, meine Antrumröbre 
unter dem Reflektor einzuführen, nachdem ieh deren Brauchbar- 
keit seit Jahren erprobt und gelehrt hatte, hätte sich Herr 
Dr. Arthur Hartmann fQglich ersparen können. Seine ftlr 
diese Behauptung angeführten Gr&nde sind falsche Vorstellungen. 
Die „starke Krümmung" der Eöhre ist der Weite des Gehör- 
ganges zu adaptieren, weil die Röhre aus Feinsilber und bieg- 
sam ist und die „fehlende Abbiegung im äußeren Teile der 
Röhre*' ist überflüssig, weil der weiche Gummischlauch, in den 
die Kanüle eingefügt ist, sich von selbst biegt. 

Ich hatte schon früher, vor mehr als 20 Jahren, gegen ein 
derartiges Vorgehen des Herrn Dr. Arthur Hartmann Ein- 
spruch erhoben in meinem Lehrbuche der chirurgischen Krank- 
heiten des Ohres. ^) Dies ist vielfach unbeachtet geblieben, sonst 
wäre es nicht möglich geworden, daß die ;;Hartmannsche 
Paukenröhre" einen Platz in einem Teil der otologischen Lite- 
ratur gefunden und bis in die neueste Zeit behalten hat, den 
sie nicht verdient. 

Jacobson^Xgibt dem von mir als Antrumröbre bezeichneten 
Instrumente den Namen S-förmiges Röhrchen, der nicht glück- 
lich gewählt ist, weil meine Röhre keineswegs eine S-förmige 
Biegung hat. Seine Angabe, daß sich die von mir angegebene 
Antrumröbre besser zu Durchspülungen der Paukenhöhle von 
dem von außen operativ eröffneten Antrum mastoideum aus 
eignen sollte, als zu Spülungen des Antrum und der Pauken- 
höhle vom Gehörgange aus, ist durch meine Erfahrung nicht 
gestützt. Ich habe sie zu diesem Zwecke weder gebraucht 
noch empfohlen. Zu meinem Erstaunen ist diese falsche Angabe 
auch in die neueste Auflage des Jacobsonscben Buches (1902), 
herausgegeben mit Dr. L.Blau, übergegangen, ebenso wie der 
unpassende Name S-förmiges Röhreben. 

A. Politzer (Lehrbuch, 3. Auflage, S. 360) empfiehlt neben 
der „ Hartmannschen Kanüle^ eine lange von ihm ge- 
brauchte, an der Spitze leicht gekrümmte elastische Kanüle von 
Hartkautschuk, die am äußeren Ende stumpfwinklig abgebogen 
ist. Ich habe dieselbe nie zu versuchen Veranlassung gehabt, 
weil ich mit meinem Metallröhrchen mit Gummischlauch stets 
den gleichen Zweck erreicht habe, ohne dem Patienten irgend 

1) Lehrbuch der Chirurg. Krankheiten des Ohres. 1885. S. 325, An- 
merkung. 

2) Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 1. Aufl. 1893. S. US. 



108 XI. SCHWARTZE 

welchen Schmerz oder wesentliche Unbequemlichkeit zu machen. 
Fttr eine mhige und ortskundige Hand ist es bei weitem Gre- 
hörgange in der Tat ganz leicht, dasselbe durch den Ohrtrichter 
hindurch unter Gebrauch des Reflektors bei entsprechend ge- 
legenen Defekten im Trommelfell nach dem Äntrum in den 
Attik einzuführen. 

Die Idee der direkten Irrigation des Antrum und der Pauken- 
höhle stammt nicht von mir, aber auch nicht von Toynbee 
(s. oben), wie ich früher selbst einmal irrtümlich geglaubt hatte, 
denn unter „curved probe^ ist doch nur eine an der Spitze ge- 
krümmte Sonde zu verstehen, nicht eine gekrümmte Röhre oder 
Kanüle. Der erste, welcher dem Gedanken klar Ausdruck ge- 
geben hat, gekrümmte Kanülen unmittelbar in die Hohlräume 
hinter und über der Paukenhöhle einzuführen und zu direkten 
Spülungen zu benutzen, um eingedicktem Eiter usw. Ausweg zu 
verschafl^en, war v. Tröltsch. ^) Ob er am Lebenden diese 
Idee selbst verwertet hat, sagt er dort nicht, und ich weiß auch 
nichts darüber, weder aus privater Mitteilung von ihm, noch 
von seinen Schülern. Die Anregung zur eignen praktischen Ver- 
wertung dieser Idee verdanke ich dieser gelegentlichen kurzen 
Mitteilung darüber in der genannten höchst wertvollen anato- 
mischen Arbeit von v. Tröltsch. — 

Nicht die therapeutische Bedeutsamkeit des Instrumentes 
veranlaßt mich zu dieser literarisch -historischen Erörterung, 
denn ich weiß, daß durch diese intratympanalen Einspülungen 
auch bei der denkbar größten Ausdauer Caries und Cholesteatom 
gewöhnlich nicht zur Heilung gebracht wird. In einem Falle 
meiner Beobachtung war es 23 Jahre lang regelmäßig von einer 
operationsscheuen Patientin auswärts in Anwendung gebracht, 
ohne daß dies andern Erfolg hatte, als daß die Kranke schließ- 
lich wegen Zunahme ihrer Beschwerden um die lange abge- 
lehnte Operation bei mir bat, die dann auch schnell zur Dauer- 
heilung ihres Leidens führte. Sehr wertvoll aber erwies sich 
häufig mein Instrument als diagnostisches Hilfsmittel, um aus 
der Beschaffenheit der aus dem Mittelohr entleerten Massen auf 
die* Natur der vorhandenen Erkrankung des Knochens schließen 
zu können. 

Mein Hauptzweck dieser Zeilen soll sein zu beweisen, daß 

1) Dieses Archiv. Bd. lY. S. 113. Anatomische Beiträge zur Lehre 
von der Ohren-Eiternng. 



Unzulässige Benennungen in unserer Literatur. 109 

Herr Dr. Arthur Hartmann mit seiner Pankenröhre nichts 
Neues gebracht hat, nnd ich hoffe damit zu erreichen, daß die 
Bezeichnung ,,HartmannschePaukenröhre^ endlich aus unserer 
Literatur allgemein wieder verschwindet. Meine diesbeztlgliche 
Bemerkung in meinem Lehrbuch der chirurgischen Krankheiten 
des Ohres (1. c.) ist offenbar vielfach unbeachtet geblieben, 
sonst wäre fQr mich keine Veranlassung gewesen, auf diese an 
sich für die Wissenschaft ziemlich gleichgiltige Sache der 
historischen Treue wegen noch einmal zurückzukommen. 

Wenn ein Bedürfnis vorläge, der Kanüle oder Röhre einen 
besonderen Namen zu geben, so müßte sie den Namen des 
Mannes bekommen , der die Idee ihrer Anwendung zuerst aus- 
gesprochen hat, und das war v. Tröltsch, 



XII. 



Tod dnrch Meningitis nach fehlerhaften Versuchen, einen 
Stein ans dem Ohre zn entfernen. Sektionsbefnnd. 



Von 

H. Schwartze. 

(Mit einer TemperaturknrTe.) 



Der ungewöhnliche und meines Wissens nach instrumentellen 
Fremdkörperextraktionsversuchen noch nicht beschriebene Weg 
der Fortleitung der Eiterung aus der Paukenhöhle zum Labyrinth 
(Fenestra rotunda) veranlaßt mich zur Publikation des nach- 
stehenden Falles. 

Der nach der bestimmten Aassage des Vaters früher nie ohrenkrank 
gewesene kräftig gebaute and in gutem firnäbrungszastand befindliche fünf- 
jährige Knabe F. fi. aus 0. hatte sich beim Spiel im Sande vor etwa drei 
Tagen einen Stein in das linke Ohr gesteckt. Der Vater brachte den Knaben 
am Tage nach dem Ereignis zum Arzte seiner Krankenkasse, der sich be- 
mühte, den Stein mit Instrumenten (der Beschreibung des Vaters nach mit 
Pinzette und Sonde) aus dem Obre zu entfernen. Der Knabe soll dabei, 
da die Eztraktionsversuche ohne Narkose angestellt wurden, sehr geschrieen 
haben, und aus dem Ohr floß Blut. Da der Knabe nach diesen vergeblichen 
ExtraktionsYcrsuchen unaufhörlich schrie wegen heftiger Schmerzen im Ohre, 
brachte ihn der Vater am nächsten Tage (19. Juni 1906) in die Universitäts- 
Poliklinik für Ohrenkranke nach Halle. Er wurde wegen Platzmangels in 
unserer stationären Klinik in eine Filiale derselben aufgenommen. 

Der erste Untersuchungsbefund in der Poliklinik am 19. Juni war 
folgender gewesen: Der Gehörgang des linken Ohres stark gerötet, ge- 
schwollen, sein Lumen verengt, in der Tiefe etwas fötider Eiter. Die Vorder- 
und Hinter wand des Gehörgangs zeigten deutliche Spuren voraafgegangene- 
Verletzung (Kratzefifekte mit oberflächlichen Hautverlusten, teilweisen Blatr 
borken), in der Tiefe des Gehörganges ein weißlicher Stein, fest in dem 
Sinus meatus auditorii externi eingeklemmt und über zwei Drittel des Ge- 
hörgangslumens ausfüllend. Das Trommelfell nur in seinem obern Drittel 
sichtbar, leicht gerötet. Das rechte Ohr normal. Hörprüfung: Flüster- 
worte links knapp auf einen Meter gehört. Ci vom Scheitel nicht sicher 
lateralisiert. Stimmgabel -Fis'^ bei stärkerem Anstrich noch gehört. Der 
Rinnesche Versuch unsicher negativ links. Bei Luftdusche durch den 
Katheter Easselgeräusche in der Paukenhöhle hörbar, kein Perforations- 
geräusch. 

Der Stein hat seine Lage nach der Lufteintreibung durch den Katheter 
nicht verändert. Nach Spritzversuchen keine Lageveränderung des Steins; 



Tod durch Meningitis nach fehlerhaften Versuchen usw 111 

beim Spritzen dringt dabei das Wasser weder in Schlund noch Nase. 
Trotzdem und trotz des fehlenden Perforationsgeräusches bei der Luftdusche 
erschien es mir wahrscheinlich, daß der Stein durch das Trommelfell hin- 
durchgedrückt und zum Teil schon in der Paukenhöhle saß, das Loch im 
Trommelfell luft- und wasserdicht abschließend. 

Da das Kind fieberfrei war, wurde zunächst auf andere Eingriffe ver- 
zichtet und nur ein aseptischer Okklusionsverband angelegt um die Ab- 
schwellung des durch die Verletzung entzündlich verengten Gehörganges 
abzuwarten. 

Die folgende Nacht war ruhig. Erst gegen Morgen begannen yon neuem 
die Klagen über Schmerz im Ohr. 

20. Juni. Das Kind wurde in der klinischen Vorlesung vorgestellt. 
Der Ohrbefund gegen gestern unverändert. Kein Fieber. In Gegenwart 
der Klinizisten wird von mir selbst ein zweiter Spritzversuch zur Ent- 
fernung des Steines angestellt, aber wieder vergeblich. Der Stein rückte 
und rührte sich nicht. Verband. Die folgende Nacht unruhig durch 
Schmerz im Obre. 

21. Juni. Wegen der fortdauernd heftigen Schmerzen im linken Ohr 
und einer Morgentemperatur von 37,4 (Puls 81, regelmäßig, voll) wurde das 
Kind in die stationäre Klinik aufgenommen. Der ophthalmoskopische Be- 
lund war normal. Weder Erbrechen noch eine Empfindlichkeit bei Druck 
im Genick war vorhanden, auch keine Spur von irgend welchen anderen 
11 irnreizungssymptomen. 

Nach einem dritten, vergeblichen Spritzversuche, auch bei hängendem 
Kopfe, wurde in tiefer Narkose zunächst die instrumenteile Entfernung des 
Steins vom Gehörgange aus mit dem Z au falschen Hebel versucht. Der 
Stein war aber so fest eingeklemmt, daß er absolut unbeweglich bei der 
kräftigsten Hebel Wirkung blieb und nicht einmal eine Veränderung seiner 
Lage herbeiführte. Sofort wurde zur operativen Entfernung mit Vorklappung 
der Ohrmuschel und Ablösung der hintern häutigen Gehörgangs wand ge- 
schritten. Auch danach gelang es erst mit einiger Mühe, den Fremdkörper 
mit dem Z au falschen Hebel beweglich zu machen und aus seiner festen 
Einklemmung springend herauszubefördern. Es war ein weißer Kieselstein 
mit scharfen Kanten und Ecken, etwa von der Größe eines sehr großen 
Kirschkernes. Danach sah man eine Perforation im hintern untern Teile 
des Trommelfells, welches sonst in seiner ganzen Ausdehnung leicht gerötet 
und abgeflacht erschien. Einige Nähte m der oberen Hälfte des Haut- 
schnittes; unten Jodoformgaze eingelegt; lose Tamponade des Gehörganges 
mit Jodoformgaze. Trockner Verband. Abendtemperatur 37,3. Nach der 
Operation häufiges Erbrechen, das in der folgenden Nacht seltener wurde 
und deshalb an&nglich auf die Narkose bezogen wurde. 

22. Juni. Auch heute den ganzen Tag über wiederholtes Erbrechen, 
keine Flüssigkeitaufnahme Die Klagen über Schmerzen im Ohre nur gering. 
Kein Fieber. Puls 70, voll. 

23. Juni. Immer wiederkehrendes Erbrechen. *- Morgentemperatur 30,9, 
abends 3S,9. Pupillen beiderseits von gleicher Weite, reagieren prompt auf 
Lichteinfall. Kein Nystagmus. Augenhintergrund normal. Keine Nacken- 
steifigkeit. Haut- und Sehnenreflexe normal. Einmalige spontane Stuhl- 
entleeruDg von normaler Beschaffenheit. Beim Verbandwechsel zeigt sich 
mäßige, nicht fötide Sekretion aus dem Gehörgange und aus dem nicht ge- 
nähten unteren Teile der Wunde hinter der Ohrmuschel. Geringe entzünd- 
liche Schwellung im oberen Teile des Hautscbnittes. Entfernung der Nähte 
und feuchter Verband mit B uro w scher Lösung. Jodoformgazestreifen in 
den Gehörgang. 

24. Juni. Erbrechen dauert fort. Sehr geringe Nahrungsaufnahme. 
Morgen- und Abendtemperatur 38,6. Hustenreiz Über beiden Unterlappen 
der Lunge leichte Schallverkürzung und Knisterrasseln. 

26. Juni. Mehrmaliges Erbrechen am Tage. Morgentemperatur war 
heruntergegangen auf 36,1, stieg im Laufe des Tages auf 37,2. Die Klage 
über Schmerz im Ohre hat aufgehört, nur geringer Schmerz in der Wunde 
hinter dem Ohre. Heaktionsloses Aussehen der Wunde. Eiterung aus der 



112 XIL SCHWARTZE. 

Paukenhöhle gering. Das Trommelfell zeigte geringe Röte, und die 
erbsengroße Perforation im hintern untern Quadranten, Keine Vorwölbung. 

27. Juni. Besserung des Allgemeinzustandes. Lokal keine Veränderung. 

28. Juni. Seit gestern kein Erbrechen mehr. Nahrungsaufnahme 
besser. Gutes Aussehen der Wunde. Gehörgang weit, Trommelfell gut 
übersichtlich im früheren Zustande. Der Knabe ist bei klarem Bewußtsein 
und gibt auf alle Fragen sachgem&ße Antwort. Augenbefund wie früher 
normal. D&mpfung über beiden ünterlappen stärker ausgesprochen; reich- 
liches feinblasiges Rasseln. Schleimig -eitriges Sputum, das leicht aus- 
gehustet wird. Geringe Druckempfindlichkeit der Nackenmusku- 
latur, dabei aber die Bewegung des Kopfes noch ungehindert und nicht 
schmerzhaft. Ansteigen der Temperatur im Laufe des Tages bis auf 39,4 
am Abend. 

29. Juni. Nach sehr unruhiger Nacht (mit einmaligem Erbrechen) 
weiteres Ansteigen der Temperatur bei regelmäßigem und starkgespanntem 
Pulse zwischen 80 und 90. Die Druckempfindlichkeit der Nacken- 
muskulatur dauert fort, aber die Bewegungen des Kopfes sind auch heute 
noch nicht wesentlich behindert. Das Bewußtsein völlig klar. Pupillen 
gleich weit und von guter Reaktion. Augenhintergrund normal. Sebnen- 
reflexe leicht gesteigert, namentlich an der Patella. Zur Sicherung der 
Diagnose wurde Lumbalpunktion gemacht. Dieselbe ergab jedoch, obwohl 
wiederholt und an yerschiedenen Stellen ausgeführt, keinen Liquorabfluß. 
Unter diesen Umständen, wo aus den übrigen Symptomen zwar mit Wahr- 
scheinlichkeit, aber noch nicht mit Sicherheit die Diagnose auf diffuse 
purulente Meningitis gestellt werden konnte, hielt ich es für geboten, sofort 
zur operativen Freilegung der Paukenhöhle zu schreiten, um möglicherweise 
dort die Wegleitung der Eiterung zum Labyrinth, resp. zur Sch&delhöhle 

' aufzufinden und der weiteren Ausbreitung der bis jetzt wohl noch zirkum- 
skripten Meningitis vorzubeugen. In der Paukenhöhle zeigte sich die Schleim- 
haut entzündlich geschwollen; die drei Ossicula in normaler Lage und ge- 
sund, der horizontale Bogengang intakt. 

30. Juni. Nach sehr unruhiger Nacht bei heftigem Erbrechen war 
die Morgentemperatur auf 39,6 herabgegangen, stieg aber im Laufe des 
Tages bis zum Abend wieder auf 40,1; Puls zwischen 90 und 100, teilweise 
aussetzend. Der Lungenbefund und der Allgemeinzustand unverändert. 

2. Juli. Anhaltendes Erbrechen. Spontane Klagen über Schmerzen 
im Genick und zwischen den Schulterblättern. Die Nackenmuskulatur ist 

i'etzt gespannt und bei Druck stark empfindlich. Auch bei Bewegung des 
Copfes jetzt Schmerzen. Temperatur stets über 40. Auffallende Trägheit 
der Pupillenreaktion. Sehr gesteigerter Patellar-Sehnenreflex. 

5. Juli. Im Allgemeinzustand keine wesentliche Änderung bis auf 
eine seit gestern Abend eingetretene leichte Benommenheit des Sen- 
sor ium. Die letzte Nacht V7ar ruhiger gewesen wie bisher. Nahrungs- 
aufnahme wird verweigert; jeder Versuch dazu ruft Erbrechen hervor. 
Nährklystiere. 

8. Juli. Eine leichte Benommenheit des Sensorium besteht fort. Der 
Knabe wird wieder unruhig, schreit öfters auf. Träge Reaktion beider 
Pupillen; die linke Pupille etwas weiter als die rechte. Kein Nystagmus. 
Augen biiit ergrund normal. Zunehmende Starre und Druckempfindlichkeit 
der Nackenmuskulatur. Puls 100 — HO, sehr unregelmäßig, schnellend. Beim 
Verbandwechsel zeigt das Aussehen der Wunde nichts Besonderes. 

10. Juli. Zunehmende Unruhe und Benommenheit. Auf Befragen 
verworrene Antworten. Gegen Abend völlig bewußtlos. Urin unter sich 
gelassen. Temperatur zwischen 39,8 und 40,1. 

11. Juli. Die Unruhe dauert an, wiederholtes Aufschreien, Flocken- 
lesen. Exitus im Coma. 

Sektionsbefund: Leptomeningitis oerebro spinalis 
purulenta. Hydrocephalus internus. Eitrige Infiltra- 
tion der Plexus und tela chorioidea. Erweichung 



Tod durch Meningitis nach fehlerhaften Versuchen usw. 113 

der Hirnsubstanz um das Hinterhorn. Hochgradiges 
Odem des Gehirns. Pneumonie der beiden (Jnter- 
lappen. 

Hirnsinus normal. Spannung der Dura normal. Innen- 
fläche der Dura mater etwas gerötet, ohne Auflagerung. Sub- 
araehnoideale Flüssigkeit stark herabgesetzt. Gyri stark ver- 
breitert, Sulci abgeflacht. Die weichen Häute sind besonders 
linkerseits in der Gegend der Fossa Sylvii mit zähem Eiter 
durchsetzt. Rechte Hemisphäre: An der Konvexität in der Nähe 
der Zentralwindungen und der Fossa Sylvii ebenfalls eitrige 
Infiltrationen. Auf der Hirnbasis spärliche Infiltrationen. Die 
Dura der linken Schädelgrube lebhaft gerötet, voll- 
ständig trocken. Beide Seitenventrikel dilatiert, im Hinterhorn 
ist die Hirnsubstanz vollständig erweicht. Der Inhalt des Ven- 
trikels ist eine trüb -seröse Flüssigkeit. Plexus chorioidei in 
beiden Seitenventrikeln verdickt, bedeckt mit spärlichen Eiter- 
massen. Die Tela chorioidea des 3. Ventrikels sehr lebhaft in- 
jiziert, eitrig infiltriert, der 3. und 4. Ventrikel ebenfalls er- 
weitert. Inhalt klar, Ependym injiziert. 

Gehirnsubstanz weich, feucht auf der Schnittfläche. Stamm- 
ganglien mäßig deutlich gezeichnet, graue Substanz mäßig blut- 
reich. Pons, Medulla oblongata von etwas besserer Konsistenz. 
Das weiße Marklager enthält mäßig reichliche Blutpunkte, Ge- 
hirnrinde lebhafter gerötet, quillt über. 

Linke Lunge von etwas erhöhtem Volumen und Ge- 
wicht, aus dem Bronchus auf Druck etwas Schaum, Schleim- 
haut injiziert» Pleura in ganzer Ausdehnung durchsetzt mit 
älteren und frischeren Ekchymosen. Oberlappen überall luft- 
haftig, Blut- und Saftgehalt besonders an seiner Spitze erhöht, 
ünterlappen in seinen Randpartien luftleer, von vermehrter 
Konsistenz, brüchig; die zentralen Partien sind lufthaltig. 

Rechte Lunge wie links. 

Die Untersuchung des aus dem Schädel entfernten linken 
Schläfenbeines ergab: 

Die Sinus der Dura mater gesund. Schleimhaut der Pauken- 
höhle leicht geschwollen. Steigbügel in normaler Lage und Ver- 
bindung, gesund. In der Schnecke und im Vorhof dickes eitriges 
Exsudat, in den Bogengängen dünnflüssiger Eiter. Die Nerven- 
fitämme im Perus acusticus internus eitrig belegt und infiltriert. 
Die Nische zum runden Fenster von Granulationen 
nmgeben und fast ausgefüllt. Darunter der Knochen 

Arehiv f. OhrenheilkiiDde. LXX. Bd. 8 



114 XII. SCHWARTZE 

gerötet (Periostitis und Ostitis). Totaldefekt der 
Membran des runden Fensters. 

Epikrise. 

Bei den vor der Aufnahme in die Klinik vorgenommenen 
fehlerhaften Entfernungsversuchen des Steines mit Instrumenten 
ohne Narkose (nach Beschreibung des Vaters mit Pinzette und 
Sonde) war der Stein in die Tiefe des Gehörganges gepreßt 
und saß hier fest eingezwängt im Sinus des Gehörganges, war 
aber gleichzeitig durch das Trommelfell hindurchgedrängt, 
so daß er sich zum Teil in der Paukenhöhle befand. Dabei 
muß die Labyrinthwand derselben hinten-unten in der Gegend 
des Foramen rotundum durch die Gewalt der Extraktions- 
versuche verletzt worden sein, wie aus dem Ergebnis des 
Sektionsbefundes in dem aus dem Schädel entfernten Schläfen- 
bein mit Bestimmtheit hervorgeht. Es fand sich zirkumskripte 
Granulationswucherung an der Nische zum runden Fenster auf 
frisch entzündetem Knochen. Da eine direkte Verletzung des 
runden Fensters, bei der Lage desselben auszuschließen ist, so 
kann die Zerstörung resp. das gänzliche Fehlen dieser Membran 
nur durch das Übergreifen der Entzündung und Eiterung auf 
dieselbe infolge des durch den gegengepreßten Stein verhinderten 
Eiterabflusses aus der Nische des runden Fensters herbeigeführt 
sein. Durch diesen Weg (Foramen rotundum) war der Über- 
gang der Eiterung aus der Paukenhöhle auf das Labyrinth her- 
beigefiihrt. Es ist mir nicht bekannt, daß nach Fremdkörper- 
Entfernungsversuchen die Fortleitung der Eiterung auf das 
Labyrinth auf diesem Wege schon einmal beschrieben ist. Vor- 
gekommen mag es gewiß schon öfter sein, aber man hat das 
Schläfenbein nicht genau untersucht und sich bei der Sektion 
damit begnügt, die Tatsache der eitrigen Meningitis zu kon- 
statieren, ohne die Wegleitung der Eiterung vom Ohr zum 
Gehirn zu finden. Das ist selbstverständlich nur möglich nach 
Entfernung des Schläfenbeins aus dem Schädel. Bemerkenswert 
erscheint vielleicht, daß bei den von uns zuerst wiederholt ver- 
suchten Einspritzungen nie Abfluß des Wassers durch die Nase 
resp. den Schlund bemerkt wurde und dadurch die Annahme 
zuerst eine Stütze fand, daß der Stein sich nur diesseits 
des Trommelfells befinden könne. Tatsächlich war aber der 
Stein zur Hälfte durch dasselbe hindurchgepreßt und fQllte das 
Loch im Trommelfell so vollständig aus, daß neben ihm das 



Tod durch HentogitU nach fehlerhaften Versnchen luw. 115 

SpritzwasBer nicht pagsieren konnte. Auch ein Vorkommen, 
auf welches in Zukunft die Aufmerksamkeit gelenkt werden 
muß. Daß das Trommelfell nicht vor der Verletzung schon 
perforiert gewesen ist, .geht aus der Anamnese hervor, die ja 
freilich bei Ohrkrankbeiten oft recht unzuverlässig ist. Das 
länger als drei Tage anhaltende Erbrechen nach der operativen 
Entfernung des Steines mußte den Verdacht einer meningitisohen 
Reizung erwecken. Bestärkt wurde dieser Verdacht durch das 
plötzliche Ansteigen der Temperatur am zweiten Tage naeh 
der Operation, woftlr die Beschaffenheit der Wunde keine Er- 
klärung gab. Vor der Operation am 21. Juni bestanden keine 
Zeichen für eine schon im Anzüge begriffene Meningitis. Es 
bestand kein Fieber; Itforgentemperalur sollte allerdings 37,4 

_^Jnnl Juli 

41,0 " 
40,G 
40,0 
39,5 



38,0 
87,6 
37,0 
3«,S 

36,0 

gewesen sein nach der nicht ganz zuverlässigen Messung in 
der Filiale. Die einzige Klage war und blieb heftiger 
Schmerz im Ohre. Die ophthalmOHkopiBehe Untersuchung 
ergab normale Sesehaffenheit des Augenhintergrundes. Aus der 
HSrprflfnng, deren Resultat bei den Angaben eines 5 jährigen 
Kindes wohl nicht als absolnt verläßlich gelten kann, konnte 
allerdings die Vermutung aufkommen, daß bereits eine Über- 
leitung der Entzündung anf das Labyrinth bestand, jedenfalls 
aber noch keine Eiterung. FlUsterwortc wnrden kaum anf 
einen fifeter und nur unsicher, Fis4 nur bei stärkerem Anstrich 
gehört , dabei keine sichere Lokalisation von C i nach dem 
kranken Ohr beim Aufsetzen auf die Mitte des Schädels. 
Rinnesoher Versuch negativ, unsicher. 

Am zweiten Abend nach der Operation stieg die Temperatur 
anf 3S,9, am dritten Abend anf die gleiche Höhe, um dann am 



116 XII. SCHWARTZE. 

vierten Tage ohne Einwirkung irgend eines Medikamentes auf 
36,1 abzufallen. Von da ab staffelformiges Ansteigen der Tem- 
peratur bis auf 40 ohne wesentliche Remissionen bis zum achten 
Tage nach der Operation. Dann wurde noch der Versuch mit 
Totalaufmeißelung zur Freilegung der Paukenhöhle gemacht 
nach resultatloser Lumbalpunktion. 

Die operative Entfernung des Steins schon frtlher vorzu- 
nehmen, als wir uns dazu entschlossen haben, lag kein zwingen- 
der Grund vor. Als das Kind am 19. Juni in die Poliklinik 
gebracht wurde, bestand kein Fieber und keine Spur von Hirn- 
reizungssymptomen. Nur die Klage über die Schmerzen im 
Ohre, die wir als Folge der instrumenteilen Extraktionsversuche, 
welche draußen angestellt waren, betrachten mußten. Darauf- 
hin sofort zur Operation zu schreiten, wäre nach den bisher 
gültigen Grundsätzen nicht indiziert gewesen. Daß der Stein 
zum Teil in der Paukenhöhle lag, war weder otoskopisch, noch 
auskultatorisch durch Perforationsgeräusch bei der Luftdusche 
durch den Katheter zu konstatieren; auch sprach der wieder- 
holt von uns vorgenommene Spritzversuch, bei dem nie Wasser 
in Schlund und Nase kam, scheinbar dagegen. Als die Tem- 
peratur am 21. Juni morgens 37,4 betrug, schritten wir bei der 
Zunahme der Ohrschmerzen zur operativen Entfernung des 
Steins, obwohl diese Temperatur bei einem Kinde von 5 Jahren 
doch noch nicht als sicher fieberhaft betrachtet werden konnte, 
und obwohl sonst alle Zeichen von Hirnreizung fehlten. Ein 
begründeter Vorwurf, daß wir zu spät zur Operation geschritten 
sind, wird uns also nicht gemacht werden können. Trotzdem 
verschließe ich mich nicht dem Gedanken, daß die Möglichkeit 
nicht ausgeschlossen ist, daß durch frühzeitigere Operation der 
letale Ausgang vielleicht hätte verhindert werden können. 

Ich werde in Zukunft an dem bisherigen Grundsatz nicht 
mehr festhalten, mit der operativen Entfernung zu warten, bis 
Fieber und deutliche Symptome von Hirnreizung vorhanden 
sind, sondern anhaltend heftige Schmerzen im Ohre 
allein, welche nach vergeblichen instrumenteilen Extraktions- 
versuchen eines Fremdkörpers, sobald derselbe fest eingezwängt 
in der Tiefe des Gehörganges sitzt, schon als Indikation für 
die sofortige operative Entfernung desselben betrachten. 



XIII. 

Aus der Universitäts-Ohrenklinik in Wien (Vorstand: Hofrat 

Prof. Politzer). 

Zur Technik des plastischen Schlusses retroanriknlarer 

Lücken. 

Von 

Privatdozent Dr. G. Alexander, 

klin. Ass. 
(Mit 5 Figuren.) 



Die Vermeidung persistenter, retroaurikularer Öffnungen ist 
als ein sehr wichtiges Postulat der Technik der Radikal- 
operation und ihrer Nachbehandlung anzusehen. Das ideale 
Resultat ermöglicht der primäre Wundschluß mit Drainage 
durch den unteren Wundwinkel, der in allen unkomplizierten 
Fällen mühelos erreicht wird. Beim ersten Verbandwechsel, 
acht Tage nach der Operation, werden der drainierende Gaze- 
streifen und die Klammern (wir verwenden fast ausschließlich 
die Mich eischen Nahtklammern) entfernt. Der Nahtschluß 
erfolgt in diesen Fällen durch prima intentio. In Fällen 
von freiliegender Dura oder Sinus hat sich, auch wenn diese 
Teile bei der Operation normal gefunden wurden und keine 
klinische Symptome ihrer Erkrankung bestanden, als ratsam 
herausgestellt, die retroaurikulare Wunde bei reaktionslosem 
Wundverlauf erst gelegentlich des ersten Verbandwechsels 
in Lokalanästhesie yollständig zu schließen. Auch in diesen 
Fällen wird noch eine lineare im Niveau der Haut der 
Umgebung gelegene Narbe erzielt. In vielen anderen Fällen, 
vorzüglich in Fällen von Cholesteatom und Mittelohreiterungen 
mit intrakraniellen Komplikationen, erweist es sieh nötig, die 
retroaurikulare Öffnung durch mehrere Wochen für die Nach- 
behandlung offen zu lassen. Für diese Fälle läßt sich dann 



Fig. 1. 



118 Xlll. ALEXANDER 

mitnoter noeh durch einfache, aeknadäre Naht ein narbiger 
VerechlnS erzielen, oiobt selten jedoofa und besonders in Fällen 
von ansgedebntem Knoohendefekt sobneiden die sekandären Nähte 
im mittleren Teil der Hant- 
wnnde dnroh, da die Hant- 
lappen einer organischen Un- 
terlage entbehren. In diesen 
Fällen bleibt die retroanri- 
kuläre Öffnung bis znr er- 
folgten Ausheilung der Radi- 
kaloperation beateben, and 
' muBS später durch eine Plas- 
tik geaohlossen werden. Die 
Plaatik nach von Moaetig- 
Moorfaofi) macht die An- 
legung einer Hautwunde 
unterhalb der retroauriku- 
lären Öffnung nötig, woraus 
nattlrlieb eine neuerliche Narbe folgt, die in der Region der 
Warzenfortsatzspitze oder unterhalb derselben gelegen kosmetisch 
nicht gleiohgültig ist. Ist die retroaurikniäre Lücke groß, so daß 
der beanspruchte Lappen 
ziemlich umfangreich ist, so 
kann nach der Slosetigseben 
Plastik event. die Deckung 
des neuen Defekts durch 
Heranziehung der Wund- 
ränder unmöglich und eine 
Tbiersohsche Plastik not- 
wendig werden, die den 
kosmetischen Effekt gleich- 
falls ungünstig beeinflußt. 
Ein Nachteil der so vorzüg- 
lichen P aa Bo w sehen Pla- 
atik ^) besteht darin, daß die 
Fig. 2. beiden Nahtetagen direkt 

ttbereinander und in der 
Mitte des früheren Defekts gelegen sind, keine organische Sttttze 
haben und daher leicht durchschneiden. Tal aber das der Fall, 



Zur Technik des plastischen Schiasses retroaurikalärer Lücken. 119 



Ohr- Aeußerer 

muschel. Gehdrgang. 



Tragus. 



Betroauri- 
kulärlUcke. 



SO geht gewöhnlich der ganze Plastikeflfekt verloren und der 
EingriflF muß wiederholt werden. 

Ich glaube daher, daß die Mitteilung der folgenden Plastik, 
die sich in einer Anzahl von 
Fällen bereits gut bewährt 
hat, nicht tiberflüssig er- 
scheint. 

Sie stellt eine Modi- 
fikation der Passow^schen 
Plastik dar,mit deren Grund- 
idee sie fibereinstimmt. Die 
retroaurikulare Öffnung wird 
exzentrisch umschnitten 
(Fig. l), so daß am hinteren 
Contur der Öffnung ein 
schmaler, am Vorderen ein 
breiter Lappen entsteht. Hier- 
durch kommt dann die Naht 




Fig. 3. Mittelohrräume. 
Schematischer Horizontalschnitt. Her- 
stellung der Lappen der tiefen Etage. 



der tieferen Etage in unmittelbare Nähe des hinteren Conturs 
der retroaurikularen Öffnung zu liegen (Fig. 3), und die ober- 
flächlichen Naht wird durch die Wundfläche des umgeschlagenen, 
breiten, vorderen Lappens 

Ohrmuschel. 



Aeußerer 
Gehörgang. 



Tragus. 



und des vorderen, binde- 
gewebigen Randes der frühe- 
reu retroaurikularen Öffnung 
gestützt. Zur Vermeidung 
von Retention wird durch 
den unteren Wundwinkel 
ein Gazestreifchen einge- 
führt, das am vierten Tage 
entfernt wird. Als Naht- 
material ist Gatgut, für 
die oberflächliche Naht sind 
auch die Mich eischen 
Klammern zu empfehlen. 
Das Verfahren hat den Vor- 
teil, daß der Effekt der 
Plastik, selbst wenn einzelne Nähte durchschneiden, nicht verloren 
gebt, da die Lappen durch Flächenkontakt und durch den Rand 
der früheren Retroaurikularöffnung gestützt sind (Fig. 4, 5). Die 
beiden Wund- und Nahtlinien sind fast um die ganze Breite: 




Fig. 4. Mittelohrräume. 

Schematischer Horizontalschnitt. Tiefe 

Etage durch Naht (^) geschlossen. Bildung 

der oherflächlichen Lappen. 



120 



XIII. ALEXANDER 



der früheren KetroaurikularöflFnung voneinander entfernt (Fig. 2), 
während sie, wie erwähnt, bei der Passo wachen Plastik un- 
mittelbar übereinander zu liegen kommen. 

Häufig sind persistente, retroaurikuläre Lücken mit abnormer 
Stellung der Ohrmuschel verbunden, die seitlich absteht und 

nicht selten etwas nach ab- 



Ohrmuschel. Aeußerer Gehörgang. 

Tragus. 



i' 



wärts gesunken ist. Diese 
Stellungsanomalie wird 
durch die oben beschriebene 
Plastik wie auch durch die 
Passow'sche Plastik be- 
seitigt. 

Die Plastik kann in Lo- 
kalanästhesie durchgeführt 
werden. Es ist darauf Rück- 
sicht zu nehmen, daß die 
Plastiklappen der unteren 
Etage bequem dem Um- 
fange der retroaurikularen 
Öffnung entsprechen, so daß 
bei der Nahtanlegung ein 
Zug vermieden werden kann. Beim oberflächlichen Wundschluß 
achte man darauf^ daß der hintere Rand als Hautperiostlappen und 
der vordere in gehöriger Dicke mobilisiert wird. Das Anein- 
anderliegen der beiden Etagen unter dem Verband kann durch 
mäßige Kompression erreicht werden. 




Fig. 5. Mittelohrräume. 

Soliematischer Horizontalschnitt. Lage 

der beiden Nabtlinien QS, ^) zueinander 
nach ausgeführter Plastik. 



XIV. 

Die Universitäts-Poliklinik für Ohren-, Nasen- nnd Hals- 
krankheiten zn Harburg a, L, 

Von 

P« Ostmann. 

(Mit 2 AbbUdungen). 



Nachdem die bauliche Entwicklung der Üniversitäts-Poli- 
klinik flür Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten bis zum Neubau 
einer bereits vor Jahren von der Fakultät beantragten, vorläufig 
aber abgelehnten Klinik einen gewissen Abschluß erfahren hat, 
dürften einige Notizen über ihre Eäumlichkeiten und innere 
Einrichtung die Leser dieses Archives vielleicht interessieren. 

Die Poliklinik wurde im Herbst 1 890 unter der Leitung von 
Prof. Barth eröffnet; es wurden ihr zunächst einige ermietete 
Räume zugewiesen, in denen schon aus rein äußeren Gründen 
eine gedeihliche Entwicklung für die Dauer kaum möglich war. 
In zwei kleineren, zur Verfügung stehenden Räumen stellte Prof. 
Barth vier Betten auf, welche von dem Unterzeichneten Herbst 
1895 bei Übernahme der Direktion der Poliklinik- mit übernom- 
men wurden. 

Von Prof. Barth waren bereits Anträge gestellt worden, 
der Poliklinik das Gebäude der chirurgischen Nebenklinik zur 
Benutzung zu überweisen, welches April 1896 durch den Neubau 
der chirurgischen Klinik frei wurde. Diese Anträge wurden von 
dem Unterzeichneten nach Übernahme des Amtes sofort erneuert 
und führten zur Uberweisnng des Hauses an die Poliklinik April 
1896. 

Damit war es möglich geworden, die Poliklinik im Laufe 
der Zeit auszubauen; denn die isolierte Lage des Hauses in- 
mitten eines großen Gartens gestattete Anbauten. Das Haus be- 
fand sich zunächst in einem für die Zwecke der Poliklinik wenig 
geeigneten Zustande. Es waren sehr schwierige Verhältnisse, 



122 



XIV. OSTMANN 



unter denen sich im Laufe von 11 Jahren der Ausbau und die 
innere Einrichtung der Poliklinik bis zu ihrem jetzigen Umfange 
Schritt für Schritt vollzogen hat. 





!t'*l^P5l5ÜP 



Zur Zeit besteht die Poliklinik aus dem Haupthaus — der 
früheren chirurgischen Nebenklinik — , in welchem neben Ar- 
beits- und Untersuchungsräumen die klinische Abteilung von 12 
Betten in 4 Krankenzimmern untergebracht ist, und zwei Anbau- 



Die Univ.-Poliklinik fflr Ohren-, Nasen- u. Halskrankh. z. Marburg. 123 

ten; einem östlichen, in dem sich der 1905 erbaute Knrs- und 
Hörsaal befindet,) und einem westlichen, 1906 fertig gestellten, 

2^ yf(ar^UTq . 




ifrunJi'iMVonu ^JJOLChqejcneoo . 









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i 

■i 


Y^' J>n.^ 




Sruncmo iM»rtu ^naiew cffockmer^. 




mit vier Räumen zur ersten Abfertigung "und Untersuchung der 
poliklinischen Kranken, mit Waschküche , und Klosett für die poli- 
klinischen Kranken. Skizze I und II ergibt die Verteilung und 



124 XIV. OSTMANN 

Bestimmung der einzelnen Räume vom Erdgeschoß, ersten Stock- 
werk und Dachgeschoß. 

Wie die in die Zeichnungen eingetragenen Abmessungen er- 
geben, ist die Mehrzahl der Räume nicht groß; um die hygieni- 
schen Verhältnisse wenigstens der Haupträume des Hauses mög- 
lichst zu bessern, wurde ihre Höhe durch teilweise Hebung des 
Daches auf 4 m gebracht, und wurden sämtliche Räume durch 
Glasjalousien in den oberen Fenstern ventiliert. 

Das Prunkstück der Poliklinik ist der Kurs- und Hörsaal. 
Wie die Zeichnung erkennen läßt, sind an den beiden Längs- 
seiten 15 feste Arbeitsplätze angeordnet, zu denen das Gas für 
die mit gefenstertem Thonzylinder versehenen Untersuchungs- 
lampen unter dem Fußboden zugeleitet wird. In der Mitte des 
Saales ist durch diese Anordnung noch so viel Raum gewonnen, 
daß in den klinischen Vorlesungen 30 bis 40 Zuhörer gesetzt wer- 
den können. Zu jedem Arbeitstisch gehört ein Instrumentarium, 
welches aus Reflektor mit Stirnband, drei neusilbernen Ohrtrioh- 
tern, Ohrpinzette, Nasenspeculum, Kasensonde, Zungenspatel, zwei 
Rachen- und drei Kehlkopfspiegeln besteht. 

Diese Instrumentarien, von denen die Poliklinik 20 besitzt, 
werden dem Platzinhaber mit der Verpflichtung der ordnungs- 
mäßigen und unbeschädigten Rückgabe leihweise überlassen und 
in besonderem Behältnis in der Schublade des Arbeitstisches auf- 
bewahrt. Sachgemäße Reinigung und Desinfektion der Instru- 
mente liegt dem Diener ob. 

Bisher habe ich nur gute Erfahrungen mit dieser, zuerst 
allerdings etwas kostspieligen Einrichtung gemacht. 

Zur Aufstellung und Demonstration von Präparaten dient 
ein an einer der Schmalseiten erhöht aufgestellter, großer Tisch 
mit Schränken zur Aufbewahrung der notwendigsten Demon- 
strationsobjekte. 

Eine doppelte Schiebetafel zum farbigen Skizzieren der er- 
hobenen Untersuchungsbefunde und zum Entwerfen von Zeich- 
nungen während der Vorlesungen vervollständigt neben 3 Wasch- 
toiletten, Verdunkelungseinrichtungen fbr den ganzen Hörsaal 
und Beleuchtungskörpern die Ausstattung des ebenso schönen 
wie zweckmäßigen Raumes. 

Der westliche Anbau enthält je zwei poliklinische Warte- 
und Abfertigungsräume; der eine zur Verdunkelung eingerieh- 
tete Raum erhält Anschluß an die in Marburg seit kurzem ein- 
gerichtete elektrische Zentrale, so daß die elektrische Kraft für 



Die Uniy.-Poliklinik für Ohren-, Nasen- u. Halskrankh. z. Marburg. 125 



Durohleaehtnng, Galvanokaustik, Elektrolyse, Galvanisation usw. 
direkt vom Schaltbrett abgenommen werden kann. In diesem 
Raum befindet sich auch ein kleines Inhalatorium zur Benutzung 
fttr die poliklinischen Kranken. 

Die vollständige Trennung der Poliklinik im engeren Sinne 
von ihrer klinischen Abteilung war durchaus erforderlich. 

Bei den fast in jedem Jahr bald in diesem, bald in jenem 
Dorf gehäuft auftretenden Masern- und Scharlacherkrankungen 
konnte die Übertragung der Infektionskeime auf die klinische 
Abteilung selbst bei äußerster Vorsicht kaum gehindert werden, 
so lange die poliklinischen Kranken gleichfalls im Haupthaus 
abgefertigt wurden. Bei den immerhin sehr beschränkten Räu- 
men der klinischen Abteilung entstand aber durch das Auftreten 
einer Infektionskrankheit jedesmal eine weitgehende Störung 
des Betriebes. 

Die räumliche Trennung der Poliklinik von dem Hörsaal 
sichert einen ungestörten Unterricht. 

Dieser baulichen Entwicklung der Poliklinik entspricht eine 
steigende Frequenz ihrer Inanspruchnahme. Ich lasse die Fre- 
quenzziflfern von ihrer Eröffnung im Jahre 1890 bis zum April 
1906 folgen, wobei ich bemerke, daß das Jahr stets das Etats- 
jahr bedeutet. 1897 erscheinen die ersten klinischen Kranken. 

Zahl der poliklinischen 
Jahr Zugänge 

1891 229 

1892 405 

1893 490 

1894 774 

1895 671 

1896 808 

1897 932 89 

1898 880 77 

1899 1047 89 

1900 1077 67 

1901 1162 98 

1902 1210 132 

1903 1430 150 

1904 1538 225 

1905 1816 190 

1906 2147 182 



Zahl der klinischen 
Kranken 



Prof. 
Barth 



Prof. 
Ostmann 



Die Sache ist gefordert, wenn auch noch nicht zu dem 



126 XIV. OSTMANN. 

letzten Ziel: einem Neubau für die klinische Abteilung und der 
Anerkennung dieser als Universitätsklinik sowie Bereitstellung 
von Mitteln, um die zahlreichen, ganz unbemittelten Kranken im 
Interesse des Unterrichts und der Erhaltung ihrer Erwerbsfähig- 
keit frei aufnehmen zu können. 

Meine unausgesetzten Bemühungen, solche Mittel fbr die 
Poliklinik zu erwerben, haben bisher nur zu sehr bescheidenen 
Erfolgen geführt. 

Marburg, im November 1906. 



XV. 



Besprechungen. 



1. 

Die Anatomie der Taubstummheit. Im Auftrage der 
Deutschen otologischeu Gesellschaft herausgegeben von Professor 
Dr. A. Denker. Dritte Lieferung mit 5 Tafeln. Wiesbadeu, 

J. F. Bergmann. 1906. 

Besprochen von 

Dr. Fritz Isemer, Halle a. S. 

Diese dritte Lieferung des in Text und Abbildungen sehr 
geschmackvoll ausgestatteten Werkes des bekannten Verlages 
von J. F. Bergmann- Wiesbaden enthält drei Arbeiten: 

1. Bildungsanomalien der Paukenhöhle und Ge- 
hörknöchelchen mit Veränderungen des Ductus coch- 
learis (Typus Siebenmann der angeborenen Taub- 
stummheit). Mit 4 Abbildungen. Verf. Nager (Oto-laryngol. 
Klinik der Universität Basel, Prof. Siebenmann). 

Es handelt sich um die Gehörorgane einer 60jährigen In- 
sassin einer Pflegeanstalt, die wegen angeborener Geistes- 
schwäche, Idiotie und Taubstummheit in die Anstalt aufgenommen 
worden war. Geringe Hörreste sollen bei ihr jedoch noch vor- 
handen gewesen sein. 

Bei der Schädelsektion wurde neben einigen hier unwesent- 
lichen Veränderungen: Pachymeningitis chronica adhaesiva ge- 
funden. Die .Untersuchung der Schläfenbeine ergab folgende 
besonders hervorzuhebende Veränderungen: 

1. Bei normalem Verhalten von äußerem Gehörgang, Trom- 
melfell und Hammer findet sich auf beiden Seiten in gleicher 
Weise eine exzentrische, besonders von der Labyrinthwand aus- 
gehende Verengerung der Paukenhöhle. 

2. Beide Fensternischen sind knöchern verengt, die runde 



128 XY. Besprechungen. 

Fensternische mit Fettgewebe gefüllt, die Wasserleitungen steno- 
siert oder teils knöchern, teils bindegewebig obliteriert. 

3. Es besteht eine abnorme Yerlötung des langen Amboß- 
Schenkels mit der verdickten Wand des Facialiskanals ; diese 
ist knöchern und bindegewebig. 

4. Die dadurch bedingte Gestaltsveränderung des Amboßes 
besteht in einer Drehung und Verlängerung des langen Schenkels. 

5. Die Stapesplatte ist nach außen luxiert , die Ansatz- 
stellen des Ligamentum annulare sind dadurch verändert; es 
bestehen ferner abnorme Strangbildnngen zwischen der Platte 
und dem Utriculus. 

6. Am Gortischen Organ finden sich Atrophie der epithe- 
lialen Gebilde, Adhäsion der Deckmembran, sowie Ektasie oder 
Kollaps der Membrana Reissneri. 

7. Die Elemente des Nervs und der Ganglienmassen sind 
im Vestibularis und Gochlearis nur wenig verändert. 

Da diese Veränderungen beiderseits in gleicher Weise an- 
getroffen wurden, so nahm Verfasser hierfür auch gleiche Ur- 
sachen an, und zwar vermutet er eine intrauterine Labyrintitis 
nach Meningo-encephalitis. Die beigeitlgten 2 Tafeln stellen in 
vollendeter Form Schnitte der Paukenhöhle und der Schnecke dar. 

2. Labyrinthbefund in einem Fall von erworbener 
Taubstummheit. Verf. Stein- Königsberg. 

32jähr]ger an Sepsis verstorbener Taubstummer soll bis zum 
3. Lebensjahr stets gesund gewesen sein, insbesondere gut ge- 
hört haben und auch! der Sprache mächtig gewesen sein. In 
diesem Alter machte [er eine schwere Erkrankung durch (ab- 
wechselnd Frost und Hitze, zeitweise Bewußtlosigkeit, keine 
Krampfanfälle), nach der er Gehör und Sprache verlor. 

Die Sektion der Schläfenbeine ergab auf beiden Seiten 
große Trommelfelldefekte, Eiter in der Pauke und dem Antrum ; 
Paukenschleimhaut in stark gerötetes, dickes Polster verwandelt. 
Hammergriff und langer Amboßschenkel verkürzt, sonst normal. 
Im rechten Antrum dickes sulziges Granulationspolster, links 
mißfarbene Gewebsmassen. Die knöcherne Begrenzung gegen 
das Schädelinnere überall intakt. Die Felsenbeine wurden nach 
der Katzsohen Methode mit Chrom-Osmiumsäure behandelt, in 
3proz. Salpetersäure entkalkt und in der üblichen Weise ein- 
gebettet; Färbung mit Hämatoxylin — vanGieson, Häma- 
toxylin und Saffranin. Das Ergebnis der mikroskopischen Unter- 
suchung: ausgedehnte alte Veränderungen in der Schnecke, die 



XV. Besprechungen. 129 

Verfasser als Residuen früherer Entzündung ansieht, wird sehr 
eingehend mitgeteilt. Diese Entzündungsresiduen und die Ana- 
mnese lassen Verfasser keinen Zweifel, ^daß es sich hier um eine 
erworbene Taubstummheit handelt und zwar, wie man aus dem 
Intaktsein der gesamten Labyrinth wand und der Abnahme der 
Veränderungen von der Basis nach der Spitze hin in der linken 
Schnecke schließen kann, um eine solche meningitischen Ur- 
sprungs.** 

3. Zwei Fälle angeborener Taubstummheit. Verf. 
Goerke- Breslau. 

Fall 1. 73 jähriger taubgeborener Insasse eines Siechen- 
hauses. Gehör für sämtliche Tonqualitäten und Tonintensitäten 
erloschen. Tod an Marasmus. Die Sektion ergab neben starker 
Verkalkung der Aortenklappen multiple Leberabscesse. 

In dem sehr ausführlich mitgeteilten mikroskopischen Unter- 
suchungsbefund beider Schläfenbeine ist in erster Linie be- 
merkenswert das eigentümliche Verhalten der Otholitenmem 
bran. In einem Falle bestand es aus einem Konglomerat von 
hellen homogenen, ovalen oder rundlichen Gebilden, die mosaik- 
artig dicht aneinander gereiht sind und meist ein zentral ge- 
legenes Pünktchen aufweisen. Dieses mosaikartige Band be- 
grenzt nach unten (epithel wärts) eine dünne strukturlose Membran, 
nach oben, dem Lumen zu ein kubisches Epithel, das sich 
stellenweise abgelöst und nach oben umgeschlagen hat. Von 
letzterem ist die äußere, auf die Macula herabgesunkene Wand 
des Saoculus von einem kapillaren Spalt getrennt, der jedoch 
nur in den Randpartien als deutliches Lumen zu erkennen ist. 

Auffallende Abnormität zeigt ferner der Ductus cochlearis 
durch die Einengung seines Lumens infolge Strangbildungen, 
die vom Vorhofsteil bis zur Schneckenspitze in mannigfaltigster 
Weise das Bild komplizieren; daneben treten aber auch Ver- 
änderungen aller drei Wände des endolymphatischen Raumes 
in bemerkenswerter Weise hervor, so besonders die zellige 
Struktur ihrer äußeren Wand. Dieselbe zeigt an keiner Stelle 
normales Verhalten und jist so mannigfach und wechselnd — 
auf jedem Schnitt der Serie ist das Bild anders als auf dem. 
vorangehenden — „so daß es schwer fällt, in Form einer Be- 
schreibung durch Worte ein einheitliches klares Bild zu geben. 
Was überall ins Auge fällt und das ganze Bild beherrscht, ist 
die enorme Verbreiterung der Stria vascularis, die durch ihre 
Wucherung den Ductus cochlearis bald mehr, bald weniger 

Archiv f. Ohrenheilkunde. LXX. Bd. 9 



130 Xy. Besprechungen. 

einengt und ihn auch an Stellen, an denen die Reissnersclie 
Membran nicht herabgesunken ist, bis zur fast völligen Auf- 
hebung seines Lumens erfüllt. ^^ 

Erwähnt sei noch, daß von einem C ort i sehen Organ als 
solchen in beiden Fällen kaum etwas zu erkennen war. Das 
einzige, was in einem der beiden Schläfenbeine an ursprüng- 
liche Bestandteile des C ortischen Organs erinnerte, waren 
„stellenweise auftretende dunklere, schärfer konturierte, halb- 
kreisförmige Linien zwischen den Kernen (vielleicht Pfeilerreste) 
und hier und da sichtbar werdende helle Lücken zwischen den 
Kernen, vielleicht die Reste des Tunnelraums und der als 
Nu bischer Raum bezeichneten ursprünglichen Interzellular- 
spalten. Soweit eine Papilla aoustica andeutungsweise vor- 
handen ist, fällt sie nach dem Sulcus internus steil, nach außen 
hin flach ab**. 

Auf Grund dieses Befundes glaubt Verfasser, daß es sich 
ohne Zweifel um einen Fall angeborener Taubstummheit handelt, 
und zwar hält er in erster Linie das Verhalten der Otolithen- 
raembran, den Befund an der C ortischen Membran und die 
Veränderungen der epithelialen Auskleidung des Ductus cocli- 
learis, speziell der äußeren Wand für Veränderungen, die durch 
Entwieklungsstörungen bedingt sind. Ahnlich liegen die Ver- 
hältnisse auch bei dem zweiten von Goerke mitgeteilten Fall: 

2. Fall: 8 jähriges, nach Angaben der Mutter von Geburt 
an taubes Mädchen. Nach Angabe des Lehrers war das Kind 
vollkommen taub für Vokale, die in das Ohr geschrieen wurden. 
Mit der kontinuierlichen • Tonreihe ist es nie untersucht worden. 
Im Verlaufe einer fieberhaften Erkrankung erblindete es voll- 
kommen. Die Autopsie ergab: Tuberculosis pulmonum, peri- 
tonei, ventriculi, intestina Große Solitärtnberkel des Klein- und 
Großhirns. 

Die Untersuchung der Schläfenbeine, die in Seriensohnitten 
senkrecht zur Pyramidenachse gelegt wurden, ergab, wie schon 
erwähnt, ähnlichen Befund wie im vorigen Fall. Auch hier 
sprechen die Veränderungen für die Annahme, daß es sich um 
angeborene Taubstummheit handele. So muß das Verhalten der 
Stria vascularis, die nirgends ordentlich zur Ausbildung gelangt 
war, und ebenso die BeschafiFenheit der Cor tischen Membran 
für eine Entwicklungshemmung angesehen werden. „Interessant 
ist hier besonders die Beschafl*enheit der Otolithenmembran, die 
deutlich ihre Jugendform bewahrt hat, nach beiden Seiten hin 



Xy. Besprechungen. 131 

von einem deutlichen Epithel bekleidet ist und in ihrem Inneren 
die Form der einzelnen Otolithen, wie sie Schwalbe be- 
schreibt, erkennen läßt. Nur in ihren Randpartien haben sich 
einzelne Otolithen aus dem engen Verbände, den sie innerhalb 
ihres Mutterbodens bilden, losgelöst.^ 

Zum Schluß bringt Verfasser noch 2 Tafeln mit gut aus- 
geführten Zeichnungen mikroskopischer Bilder, die viel zur Er- 
klärung des Textes beitragen. 



2. 
Operative Otology, surgical pathology and treatment 
of diseases of the ear. By Clarence John Blake, M, D., 
Professor of otology in Harvard University and Henry Ottridge 
Reik, M. D., associate in ophthalmologyj and otology Johns 
Hopkins University. New York and London. D. Appleton and 

Company. 1906. 359 S. 

Besprochen von 

Dr. Fröse, Halle a. S. 

Von den Verfassern des vorliegenden Lehrbuches der Oto- 
chirurgie war der an zweiter Stelle genannte, auf otologischem 
Gebiete literarisch bisher wenig bekannt; sein Anteil an dem 
Buche ist nirgends ersichtlich. 

Das Werk wendet sich nicht nur an den Spezialarzt, son- 
dern auch an die Studenten und die allgemein praktizierenden 
Arzte. 

In den ersten beiden Kapiteln werden ziemlich kursorisch 
die chirurgische Anatomie des Schläfenbeins und seiner Um- 
gebung und sehr breit die aseptische Technik besprochen. Die 
folgenden drei handeln von den Krankheiten der Ohrmuschel 
und des äußeren Gehörganges, des Trommelfells und der Pauken- 
höhle, sowie von den Komplikationen der Otitis media puru- 
lenta. Im 6. und 7. Kapitel werden die Operationen am Mittel- 
ohre und Warzenfortsatze einschließlich derer am Labyrinth und 
bei intrakraniellen Folgekrankheiten erörtert. Das 8. Kapitel 
enthält eine Abhandlung über adenoide Wucherungen und die 
Schilderung der Adenotomie, der subkutanen und intravenösen 
Infnsion und der Lumbalpunktion. Den Schluß bildet ein An- 
hang (Appendix), dessen Inhalt sich allerdings größtenteils als 
das geistige Eigentum anderer Autoren darstellt. Einige wichtige 
Teile desselben, besonders Absatz 1, 4 und 8, erscheinen ziem- 
lieh willkürlich aus dem Zusammenhang gerissen und wären 



132 XY. Besprechungen. 

zweckmäßiger an passender Stelle mit dem Texte über die be- 
treffenden Krankheiten verschmolzen worden. 

Ans den einzelnen Kapiteln möge es genügen, folgende 
Punkte hervorzuheben. 

Die Verfasser bezeichnen es als obsolete Indikationsstellang^ 
Exostosen im Gehörgange nur dann operativ anzugreifen, wenn 
sie durch Herbeifährung von Eiterverhaltung das Leben ge- 
fährden oder — bei Taubheit auch des andern Ohres — völlige 
Hörlosigkeit bedingen. Es wird in jedem Falle möglichst früh- 
zeitige Entfernung mit dem Meißel empfohlen. 

Die Entzündungsformen des Mittelohres sind teilweise recht 
kurz abgefertigt. So wird die Allgemeinbehandlung kaum ge- 
streift. Auch daß akute und chronische Prozesse gemeinsam 
besprochen werden, ist ein Grund, weshalb die wechselvollen, 
vielgliedrigen klinischen Krankheitsbilder nicht gleichmäßig 
prägnant und klar hervortreten. Von der Mobilisierung des 
durch Adhäsionsstränge fixierten Steigbügels, der Incudektomie 
und Stapedektomie, versprechen sich die Verfasser trotz der 
bisherigen überaus bescheidenen Erfolge späterhin bei zutreffen- 
derer IndikatioDsstellung noch bessere Resultate. Für die akute 
Eiterung wird grundsätzlich die frühzeitige Paraoentese des 
Trommelfells befürwortet und u. a. auch die Applikation von 
Blutegeln warm empfohlen. Im Appendix gibt der Absatz 1 
über den Wert des Trommelfellschnitts bei akuter Mittelohr- 
eiterung Aufschluß; derselbe enthält die vonBürkner in seiner 
einschlägigen Arbeit, A. f. 0., Bd. 62, gezogenen Schlußfolge- 
rungen. — Die verschiedene Lage, Größe und Gestalt der 
Trommelfellperforationen wird zwar kurz geschildert, ihre Dig- 
nität aber kaum berücksichtigt. Die auf S. 152 abgebildete 
sterilisierbare Glasspritze erscheint wegen ihrer langen, geraden^ 
dünnen und spitzen Kanüle für Kinder und auch tür nicht ganz 
stillsitzende Erwachsene als Mittelohrspritze nicht ungefährlich» 

Im folgenden Abschnitte, der den Komplikationen und Folge- 
zuständen der Mittelohreiterung gewidmet ist, wird einleitend 
auf die Infektionsgefahr hingewiesen, welcher die Schleimhaut 
des Digestions- und Respirationstraktus eines Ohrkranken aus- 
gesetzt ist, und hervorgehoben, daß ein Kind mit Ohreiterung^ 
z. B. in der Schule, auch anderen Kindern (Pneumonie, Strepto- 
kokkeninfektionen des Rachens usw.) gefährlich werden kann. — 
Die Druckempfindlichkeit des Warzenfortsatzes wird sehr aus- 
führlich berücksichtigt. Die Verfasser meinen indessen, das 



XV. Besprechungen. 133 

individuelle Tastgefbhl und die verschiedene Druckintensität 
der untersuchenden ärztlichen Finger ausschalten zu müssen, 
und empfehlen an deren Stelle einen im Appendix, S. 323, ab- 
gebildeten Älgesimeter, der nach Art der Luca eschen Druck- 
sonde konstruiert ist und die Druckempfindlichkeit nach Grammen 
zu bemessen gestattet. — Die Diagnose der Lymphadenitis über 
dem Proc. mastoid. und die klinischen Merkmale der oft so 
tückischen Pneumokokkeninfektion in den Mittelohrräumen sind 
nicht erwähnt. Die Indikationen zur Aufmeißelung bei Mastoi- 
ditis, S. 177 — 178, erschöpfend und klar aufgestellt. — Symptome 
und Diagnose der Thrombose des Sinus transversus werden zum 
Teil in Anlehnung an Whiting (S. 184) erörtert. Bei der Sinus- 
operation wird die präliminare Jugularisunterbindung gefordert. 
Für rigoroses Vorgehen sind die Verfasser bei Labyrintheite- 
rung. Zeigt die Labyrinthwand Caries oder Nekrose, so halten 
sie breite Labyrintheröflfnung für indiziert. Wie hier, so er- 
scheint auch bei Feststellung eines Defektes im horizontalen 
Bogengänge die unterschiedslose und ganz allgemein gehaltene 
Empfehlung breiter Aufmeißelung des Labyrinths unter Fort- 
nahme des Promontoriums (S. 197) für viele Fälle nicht gerecht- 
fertigt. Die Labyrinthoperationen sind nach J. Bourguet 
(Annales des raaladies de l'oreille etc., Sept. 1905, Vol. XXXI, 
No. 9) im Appendix, S. 347 — 349, unter Abbildung eines Facialis- 
schützers und mit mehreren schematischen Zeichnungen be- 
schrieben und erläutert. — In großen Zügen werden Entstehung 
und Symptome der otogenen Meningitiden erörtert. Daß dabei 
eine umschriebene Eiteransammlung zwischen Schläfenbein und 
Dura mater als Subduralabszeß (S. 194) bezeichnet ist, beruht 
wohl auf einem Lapsus calami. Ganz aphoristisch sind Grroß- 
und Kleinhirnabszeß behandelt (S. 205—206), unter Hinweis auf 
Absatz 4 und 5 des Appendix. Im 4. Absatz gibt Dr. 6. A. 
Waterman (Boston) auf 5 Seiten einen Abriß über die Herd- 
symptome von Hirnabszessen. Der 5. Absatz, der nach der dem 
Buche vorgedruckten Inhaltsangabe „Keipers Tabelle der 
klinischen Symptome bei Erkrankung des Warzenfortsatzes und 
seiner Umgebung" bringen soll, fehlt. 

Im Kapitel „Mittelohroperationen" wird ein hinten oben 
durch das Trommelfell geführter Lappenschnitt zur Freilegung 
der Gegend des Amboß-Steigbttgelgelenks als „exploratorische 
Tympanotomie" ausführlich erörtert, mit Hilfe deren die Prü- 
fung der Beweglichkeit der Ossicula, bezw. die Feststellung 



134 XV. Besprechungen. 

etwaiger Bewegangshioderaisse ermöglieht werden soll. Zur 
Beurteilung der Resultate bei Stapedeotomie wird ohne Quellen- 
angabe eine Statistik über 21 Fälle beigebracht. Nur 9 mal 
gelang die völlige Entfernung des Knöchelehens ; 10 mal brachen 
beide Schenkel. In 2 Fällen bestand so feste Ankylose des 
Stapes mit den Wänden seiner Nische, daß sich mittelst einer 
zwischen die Steigbfigelschenkel geführten abgebogenen Sonde 
der Kopf des Patienten aufheben ließ. 6 von den 21 Patienten 
bekamen nach der Operation Schwindel, der vorher nicht be- 
standen hatte und in 3 Fällen über einen Monat, in 1 fast 
ein Jahr anhielt. Nur bei 3 Kranken wurde eine unerhebliche 
dauernde Hörverbesserung erzielt. Alle genaueren Angaben, 
insbesondere über die Indikationen zur Operation und über den 
Ausgang bei den übrigen Fällen, werden vermißt. Mit der Ent- 
fernung des Steigbügels zur Besserung von Ohrschwindel be- 
schäftigt sich Absatz 6 des Appendix, eine 2 Seiten lange Dar- 
legung von E. A. Croekett (Boston), die aus den Annais of 
otol., rhinol. and laryngol., March 1903, abgedruckt ist. — Um 
persistierende Trommelfelloffnungen zum Verschluß zu bringen, 
wird empfohlen, die Ränder derselben anzufrischen und sodann 
eine Scheibe angefeuchtetes dünnes, gut satiniertes Postpapier 
dagegen zu legen, das zugleich einen Schutz abgeben, die Ge- 
websbildung anregen und als Wegweiser für das neu wachsende 
Gewebe dienen soll. Über die eigenen Erfahrungen der Ver- 
fasser mit dieser Methode wird nichts Genaues angegeben. Auch 
zum Ausgleiche von Spanuungsanomalien des Trommelfells wird 
neben der Applikation von Collodium elasticum das Auflegen 
von Papierscheiben angeraten! — Ist bei beweglichem Amboß 
und Steigbügel der Hammer durch Fixation für die Schall- 
zuleitung wertlos, so empfehlen die Verfasser, hinten oben einen 
dreieckigen Trommelfelllappen zu bilden und durch einen pas- 
senden Wattepfropf auf den vorher kürettierten langen Amboß- 
schenkel anzuheilen. Besonders betont wird bei mehreren Ge- 
legenheiten die zirkumskripte Ausschabung der Paukenhöhle, 
für welche becher- und ringförmige Küretten besehrieben und 
zum Teil abgebildet werden. Welche Gefahren ein derartiges 
operationsfreudiges Manipulieren in dem tief gelegenen und 
durchaus nicht gleichmäßig übersichtlichen Baume der Pauke, 
zumal am Canalis caroticus, am N. facialis und am Steigbügel 
auch bei guter Beleuchtung und geringer Blutung heraufbe- 
schwören kann, findet keine Erwähnung. Mag auch die Ge- 



XV. ßesprechungen. J35 

schickliohkeit des länger als 3 Dezennien otologisch geschulten 
Blake die Paukenküretten sieher und zweckmäßig bandhaben, 
60 wäre doch im Hinblick auf viele jüngere und ungeübte Leser, 
für die das Buch auch bestimmt ist, der obige Hinweis und die 
jedem Ohrenarzte geläufige Erfahrung anzuführen gewesen, daß 
granuläre Schleimhautentzündung und oberflächliche Enochen- 
karies an den Paukenwänden, sobald der Eiterabflaß gesichert 
ist, mit weit milderen Mitteln als dem Eürettement, das sicher 
oft auf gut Glück ausgeführt werden müßte, zur Heilung ge- 
bracht werden können. — Auch die Fortmeißelung der lateralen 
Attikwand, wie die Ausräumung von Pauke und Antrum vom 
Gehörgange aus, letztere nach Vorklappung der Ohrmuschel, 
werden bei Karies mit hartnäckiger Eiterung, jedoch ohne Be- 
teiligung des Warzenfortsatzes, empfohlen. Da ein Instrument, 
ähnlich dem bei der Operation vom Warzenfortsatze aus zum 
Schutze des Stapes (!) benutzten im Gehörgange keinen Raum 
findet, soll vor den erwähnten Operationen ein festgedrehter 
Wattetampon als Schützer in den Aditus geschoben werden! Die 
beiden Operationsmethoden gewähren häufig keinen ausreichen- 
den Einblick auf den Krankheitsherd in der Tiefe und können, 
da sie bei der abgesehen von kopiöser Eiterung oft symptomlos 
verlaufenden Antrumkaries über die Beschaffenheit, besonders 
der lateralen und hinteren Antrumwand und die Ausdehnung 
des dort pathologisch veränderten Knochens keinen zuverlässigen 
Aufschluß geben, in manchen Fällen auch keine ganze Arbeit 
leisten. Geradezu bedenklieh erscheint aber im Hinblick auf 
etwaige Karies am Tegraen tympani oder antri der Vorschlag, 
die laterale Attikwand von innen nach außen mit einem starken 
scharfen Löffel fortzubrechen. — Bei der Erörterung der Mastoid- 
operationen nimmt die Technik der Antisepsis und Asepsis, die 
Beschreibung der Instrumente, Tupfer (aus Griswoldville-Gaze), 
der Lagerung des Patienten usw. einen breiten Kaum ein. Ein- 
gehende Sorgfalt wird dem Gebrauche des scharfen Löffels zu- 
gewendet, der ja in erfahrener Hand oft genug fast ein Uni- 
versalinstrument darstellen, andererseits aber, besonders zwei- 
händig (S. 250) geführt, auch an Dura und Sinus viel Unheil 
stiften kann. Art der Meißelführung und topographische Ori- 
entierung über das. Operationsgebiet entfallen gänzlich. Die 
typische Antrumaufmeißelung ist zwar in 4 Etappen durch Zeich- 
nungen veranschaulicht, wird jedoch überhaupt nicht näher ge- 
schildert. Über den Stand der Dura der mittleren Schädelgrube 



136 XV. Besprechungen. 

und dessen äußere Merkmale, über die Varietäten des Sinns- 
verlaufs, tlber den Ort der Gorticaliseröffnung, die Richtung des 
Operationskanals, die Lage und Tiefe des Antrums, die Scho- 
nung der hinteren Gehörgangswand erfährt man nichts. Die 
Topographie des Sinus sigmoideus hätte eine um so genauere 
Berücksichtigung verdient, als empfohlen wird^ in die äußere 
Operationsöffnung den gi'ößten Teil der Warzenfortsatzeorticalis 
einzubeziehen. Der Hautschnitt soll auch oben, also durch den 
M. temporalis hindurch, bis aufs Periost geführt werden. Die 
von Blake in der Literatur schon seit langem empfohlene pri- 
märe Naht über der mit Blut gefüllten Wundhöhle (Heilung 
unter dem Blutschorf nach Schede) wird auch hier wieder 
prinzipiell als die Normalmethode an die Spitze gestellt. Zur 
Stütze derselben wird der Ausfall von Versuchen angeführt, die 
in einem Krankenhause an einer Serie nicht ausgesuchter und 
ausgewählter (guter Allgemeinzustand, relativ frische Erkran- 
kung) Patienten mit Mastoiditis angestellt wurden und bei den 
ersteren 12 — 15 Proz.(!), bei den letzteren 50 — 75 Proz. primäre 
Heilungen aufwiesen. Es könnte höchstens völliger oder teil- 
weiser Zerfall des Blutkoagulums eintreten und nachträgliche 
Drainage zum unteren Wundwinkel hinaus nötig werden; jeden- 
falls wäre eine Anregung zur Granulationsbildung gegeben. Die 
Behauptung, eine Gefahr wäre mit der Methode nicht verbunden, 
ist, zumal wenn die Dura freigelegt wurde, sehr cum grano salis 
^u verstehen, übrigens wird der weitere Verlauf der mißglückten 
Fälle nicht berichtet. Bei allgemeinen oder lokalen Gegen- 
gründen wird geraten, offen zu behandeln. — Die Totalauf- 
meißelung geht von der typischen aus, nach deren Ausführung 
die hintere obere Gehörgangswand mittelst Meißel oder Zange 
fortgenommen wird. Auch hier sind die „gefährlichen" Schläfen- 
beine mit Sinusvorlagerung, Flachverlauf des N. facialis, Tief- 
stand der mittleren Schädelgrube nicht berücksichtigt, und ebenso 
wenig wird der Möglichkeit, daß die Totalaufmeißelung even- 
tuell von innen nach außen (Stacke) vorgenommen werden 
muß, Rechnung getragen. Nach Längsschnitt hinten durch den 
häutigen Gehörgang primäre Naht, Tamponade vom Gehörgang 
aus. Nach 4 Tagen Verbandwechsel und Transplantation 
Thiersch scher Läppchen, gegebenenfalls auch über die Tuben- 
mündung nach Ausschabung derselben. Die retroaurikuläre 
Wunde dem sekundären Verschluß durch Granulationsbildung 
2U überlassen, halten die Verfasser nur dann häufiger für nötig, 



XV. Besprechungen. 137 

wenn es sich um Kinder oder um tuberkulöse, syphilitische oder 
diabetische Patienten handelt, wegen der in diesen Fällen be- 
sonders großen Gefahr nachträglicher Ausbreitung der Osteo- 
myelitis. — Den Schluß des Kapitels bilden kurze klinische 
und technische Darlegungen zu den operativen Eingriffen am 
Labyrinth, bei Extraduralabszeß, Sinusthrombose und Hirn- 
abzessen. 

Die^im 8. Kapitel enthaltenen Abhandlungen über die ein- 
gangs mitgeteilten Themata sind relativ ausführlich. 

Schließlich sei noch erwähnt, daß sich im Appendix der 
7. Absatz mit der Funktionsprüfung des Ohres befaßt. 

Die Ausstattung des Buches ist vorzüglich. Die Abbildungen 
sind zahlreich, qualitativ zwar nicht ganz gleichmäßig, doch 
zumeist schön und deutlich; zu den besten gehören die von 
Politzer entlehnten. In Fig. 8 ist der horizontale Bogengang 
irrtümlicherweise als Facialkanal bezeichnet. 

Am dem Buche spricht wohl zweifellos vorwiegend, ja 
zum allergrößten Teile Blakes Erfahrung, wenn auch von 
eigenen Beobachtungen desselben, soweit Ref. feststellen konnte, 
nirgends die Rede ist. Durch Einfügung genauerer klinischer 
Kasuistik würde der Wert des Buches wesentlich gehoben wer- 
den, und für eine weitere Auflage dürfte unseres Erachtens auch 
an manchen Stellen, so besonders bei Besprechung der Mittel- 
ohroperationeb, reserviertere Indikationsstellung und vorsichtigere 
Empfehlung einiger EingriflTe am Platze sein, um nicht leicht- 
fertiger oder unberufener Polypragmasie Vorschub zu leisten. 



3. 

Klang und Tonhöhe der Sprechstimme, von Dr. Adolf 

Barth, Prof. e. o. und Direktor der Universitätsklinik für 

Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten zu Leipzig. Verlag von 

Job. Ambrosius Barth, Leipzig. 1906. 51 S. 

Besprochen von 

Dr. Fröse, Halle a. S. 

Der Verfasser gibt in der vorliegenden Monographie, welche 
die Ausführung eines am 17. Februar d. Js. in der Gesellschaft 
sächsisch-thüringischer Kehlkopf- und Ohrenärzte zu Leipzig 
gehaltenen Vortrages darstellt, eine erste Ergänzung seiner vor 
2 Jahren erschienenen Schrift über „die Bildung der menschliehen 
Stimme und ihres Klanges beim Singen und Sprechen.*' 

Die interessanten und fesselnd geschriebenen Betrachtungen 



138 XV. Besprechungen. 

und gesohilderten Untersnchungen haben nicht allein für 6e- 
sangy Rhetorik, Stimmhygiene und Spraohforschung, sondern, 
wie u. a. an dem Beispiele eines Patienten mit Doppelthören 
gezeigt wird, auch für die Funktionsprüfung des Ohres eine 
nicht unwesentliche Bedeutung. Der Verfasser gelangt zu dem 
Ergebnis: „Die normale Stimme bewegt sich also beim Sprechen 

1. zwischen c und c^, und zwar 

2. auf c und zu demselben harmonischen Tönen. 

3. Bei dem einzelnen Individuum geht sie beim Heben und 
Senken kaum wesentlich über eine Oktave hinaus. 

4. Die Stimme erklingt und bewegt sich mehr in Akkorden 
als in einzelnen Tönen/' 

Da eine detailliertere Inhaltsangabe der gediegenen Schrift 
hier nicht angängig ist, wird die Lektüre des Originals ange- 
legentlich empfohlen. 



4. 
F, Bezold, Lehrbuch der Ohrenheilkunde für Arzte 
nnd Studierende. In 32 Vorträgen mit 75 Textabbildungen 
und 1 Tafel Trommelfellbilder. Wiesbaden, Verlag v.J. F.Berg- 
mann, 1906. 346 Seiten. 

Besprochen von 

P. Ostmann. 

Ein Akt der Pietät gegen einen Verstorbenen leitet das 
Lehrbuch von Bezold ein; wir glauben nicht zu irren, wenn wir 
die an sieh etwas befremdliche Widmung an v. Tröltsch, der 
zu Lebzeiten zu dem Verfasser keine persönlichen Beziehungen 
gehabt hat, mit der Absicht Bezolds erklären, dem um die 
Ohrenheilkunde hochverdienten Manne ein literarisches Denk- 
mal zu setzen. Wenn Bezold aber v. Tröltsch in der Wid- 
mung „den Begründer der Ohrenheilkunde" nennt, so dürfte 
eine solche Einschätzung historisch unrichtig sein und einer An- 
zahl von Forschern nicht gerecht werden, welche vor v. Tröltsch 
an den Grundlagen der wissenschaftlichen Ohrenheilkunde er- 
folgreich gearbeitet haben, wie Hippocrates, Morgagni, 
Vasalva, Itard, Wilde und Toynbee. 

Das Lehrbuch zerfällt in 32 Vorträge, von denen die ersten 
neun den allgemeinen, die übrigen den speziellen Teil behandeln. 
Von Siebenmann stammen die Vorträge 28 bis 31 über die 
Erkrankungen des inneren Ohres. 

Die fortlaufende Lektüre des Buches erfordert Ausdauer. 



XV. BesprechuDgeii. 139 

Sein Inhalt spiegelt alle die Arbeiten, Referate und Vorträge 
Bezolds wieder, an die er sieh in engster Form, stellenweise 
wörtlich anschließt. Über diese Arbeiten ist im Laufe der Jahre 
so viel für und gegen geschrieben und gesprochen worden, daß 
es sich erübrigt, auf Einzelheiten einzugehen. 

In dem zähen Festhalten an der eigenen Arbeit liegt eine 
Stärke Bezolds und seine Überzeugungskraft für solche, die 
sich gern leiten lassen; aber in diesem Festhalten liegt auch 
seine Schwäche; denn Bezold verharrt im Irrtum, wo ihn seine 
eigene Arbeit zu irrtümlichen Ergebnissen geführt hat. 

Das Buch dürfte auf Studierende wenig wirken; denn es 
läßt hier die für ein Lehrbuch erforderliche Beschränkung im 
Detail und die systematische Anordnung des Stoffes, dort die 
Klarheit der Indikationsstellang und logischen Schlußfolgerung 
ebenso wie die einheitliche Stellungnahme zu bedeutsamen 
Fragen vermissen. 

Das Buch dürfte auch nicht zur wissenschaftlichen Arbeit 
anregen; denn es zeigt weniger das Bestreben, die noch zu lösen- 
den Aufgaben klar zu legen, als sie bereits möglichst als gelöst 
hinzustellen. Wohl aber wird das Buch an sehr vielen Stellen 
zu lebhaftestem Widerspruch auffordern. Man lese die Einleitung; 
man prüfe sachlich die Methode und den Gang der Ohrunter- 
suchung nach den Vorträgen 3, 4, 5 und 10; man erwäge mit 
Sachlichkeit und Kenntnis die Ausführungen Bezolds 
über die funktionelle Prüfung des Gehörorgans und die der 
sogenannten „kontinuierlichen Tonreihe^ zugewiesene Bedeutung 
in den Vorträgen 7, 8, 9, und eine Fülle des Widerspruches 
muß sich erheben. Ebensowenig können wir uns mit zahl- 
reichen Ausführungen in den Vorträgen des speziellen Teils 
einverstanden erklären. 

Diese Fehler des Buches, welche auch den praktischen Arzt 
stören werden, beruhen mit darauf, daß die wissenschaftliche 
Arbeit Bezolds, die uns gesammelt in dem Buche entgegen- 
tritt und die wir in ihrer Bedeutung für den Fortschritt unserer 
Wissenschaft keineswegs unterschätzen, nicht zu einem einheit- 
lichen, neuen Guß zusammengeschmolzen, durch Selbstkritik die 
Spreu der Arbeit nicht vom Weizen, das ünbedeutsame nicht 
vom Bedeutsamen gesondert ist und Bezold im Goetheschen 
Sinne nicht von anderen erworben hat. 

Entgegen der im Vorwort ausgesprochenen Ansicht Bezolds, 
daß das Buch nur das bringe, was er selbst „auf Grund jähre- 



140 XV. Besprechungen. 

langer Prüfung als das Wichtigste und unverlierbare seiner 
Wissenschaft^ erkannt habe, müssen wir die Ansicht vertreten, 
daß bei der ausgesprochen subjektiven Färbung des Buches 
solche Worte befremden könnten, und daß über das „Unverlier- 
bare*' die Nachwelt wohl ein richtigeres Augenmaß haben wird. 
Marburg im Oktober 1906. 



5. 
Malattie delTorecchio del naso e della gola (Oto-rino- 
laringoiatria). Dott. Tomraaso Mancioli, Ajuto-preparatore 
della R. Clinioa Oto rino-laringoiatria di Roma, Otoiatra delle 
ferrovie dello Stato. Con 98 Incisioni. ülrico Hoepli, Milano. 

1907. 540 Seiten. 

Besprochen von 

Dr. Fr(tee, Halle a. S. 
Das von Perreri mit einem empfehlenden Vorworte ver- 
sehene, in Taschenformat hergestellte Buch will, ohne Anspruch 
auf besondere wissenschaftliche Tiefe zu erheben, den praktischen 
Ärzten die notwendigsten Kenntnisse aus der Oto-Rhino-Larya- 
gologie übermitteln. Es ist im wesentlichen eine fleißige und 
geschickt angefertigte, mit zahlreichen ganz guten Holzschnitten 
versehene Kompilation, die wegen der übersichtlichen Anordnung 
des sehr reichhaltig gebotenen Stoffes ohne Zweifel viele Leser 
finden wird. Da insbesondere das praktische Hilfsbuch keines- 
wegs die größeren in Italien erschienenen Spezialwerke zu er- 
setzen bestimmt ist, kann hier füglich verzichtet werden, auf 
seinen Inhalt näher einzugehen. 

6. 
CongrSs de la soci6t6 frangaise de laryngologie, 
d'otologie et de rhinologie. Paris, 14. — 17. Mai 1906. 
Arch. Internat, de laryng., d'otol. et de rhinol., Tome XXI, 

suppl6m. au No. 3. 

Besprochen von 

Dr. Fröse, Halle a. S. 

Der diesjährige Kongreß der französischen Gesellschaft für 

Laryngologie, Otologie und Rhinologie fand unter dem Vorsitze 

von Boulay (Paris) statt. Schriftführer waren A.-R. Salomo 

G. Bassim. 

Sitzung vom 14. Mai. 

Nach der Begrüßungsrede des Präsidenten sprachen: 

Weismann und F i o c r e (Paris) über Kieferhohlen und 

Kieferhöhlenentzündung bei Neugeborenen; 



Xy. Besprechungen. 141 

Brindel (Bordeaux) über festes und flüssiges Paraffin 
als Nasenprothese; 

Broeckaert (Gand) über die Bedeutung von Paraffin- 
injektionen und von chirurgischen Eingriffen bei der 
Behandlung der Ozäna; 

Bicha ton (Reims) über Erblichkeit von Nasenneben- 
höhlenaffektionen. 

Hierauf lieferte Jacques (Nancy) einen Beitrag zum 
Studium des Gradenigoschen Syraptomenkomplexes. 
Er beobachtete zwei Fälle von Abduzenslähmung im Verlaufe 
akuter Mittelohrentzündung bei Kindern im Alter von 6 bis 
8 Jahren. Der erste heilte spontan, wie die Mehrzahl der bis- 
her publizierten Fälle. 

Bei dem zweiten ging der Abduzenslähmung eine Parese 
des gleichseitigen Lidhebers voran. Die Abduzenslähmung setzte 
acht Tage vor den terminalen Erscheinungen ein und ver- 
schlimmerte sich langsam, aber stetig, während die Otitis bei 
mehrfach wiederholter Parazentese auszuheilen schien. Unter 
jähem Ausbruche meningitischer Symptome trat dann ein über- 
aus reichlicher spontaner Abfluß von Cerebrospinalflüssigkeit 
aus dem Ohre auf, und trotz breiter Eröffnung und Drainage 
des Subarachnoidealraumes erfolgte schnell der Tod. In der 
durch Lumbalpunktion gewonnenen Flüssigkeit wurde bakterio- 
logisch der Enterococcus von Thiercelin in Reinkultur nach- 
gewiesen. 

Jacques stimmt Gradenigo in der Annahme eines ent- 
zündlichen, nicht reflektorischen Ursprungs der Abduzenslähmung 
bei. Da es sich um einen auf die hintere Schädelgrube be- 
schränkten meningitischen Herd oder um einen kariösen Prozeß 
an der Spitze der Pyramide handeln kann, rät er, bei den ersten 
Zeichen von Meningitis zu operieren und zwar in der Richtung 
auf die Pyramidenspitze zu. 

Auf eine Anfrage Moures erklärt sich Jacques auf- 
fallenderweise gegen die Vornahme der Lumbalpunktion, da er 
sie als unerheblich für die Diagnose und auch als nicht frei 
von Unzuträglichkeiten ansieht. Mit Recht hebt demgegenüber 
Moure die Harmlosigkeit und den diagnostischen Wert des 
— lege artis vorgenommenen — Eingriffs hervor. 

Sodann bespricht F. Füret (Paris) einen Fall von durch 
Pneumokokken hervorgerufener Cerebrospinal- 
meningitis bei akuter Otitis media, der schnell letal 



142 XY. BesprechuDgen. 

endigte. Nach Einschuitt in das entzündete und vorgewölbte 
Trommelfell trat nnter erheblichem Nachlaß der Ohrschmerzen 
kopiöse Eiterung auf. 12 Tage darauf begannen, ohne patho- 
logische Anzeichen am Warzenfortsatze, Kopfschmerzen und 
Übelkeit, um sich nach weiteren drei Tagen unter Erbrechen, 
Lichtscheu und hohem Fieber aufs heftigste zu steigern. Zwei 
Tage später Exitus im Coma. Die getrflbte Spinalfltlssigkeit 
enthielt Pneumokokken. 

Einen Fall von Fibrosarkom mit Riesenzellen am 
äußeren Ohre teilt Gast ex (Paris) mit. Der klein nußgroße 
Tumor entsprang breitbasig von der vorderen Gehörgangswand 
einer 70 jährigen Frau, war hellviolett, halbhart und schmerzlos. 
Nach Entfernung der Geschwulst und Ausschabung der Weich - 
teile und des benachbarten Knochens wurde innerhalb der 
nächsten sechs Monate kein Rezidiv beobachtet. Den gutartigen 
Verlauf, der bei der Entwicklung des Tumors auffällt, ist C. 
geneigt, dem hohen Alter der Trägerin zuzuschreiben, über 
etwaige Beteiligung der regionären Lymphdrüsen wird nichts 
erwähnt. 

Folgen Mitteilungen von Castex über Lymphosarkom 
eines Stimmbandes, von Moure (Bordeaux) über Tracheo- 
tomie und Thyreotomie und von Collinet (Paris) über 
einen Fall von überzähligem Dens caninus in der 
Nasenhöhle. 

Bouger, Sohn (Cauterets), spricht über akute primäre 
Otitis interna und Meningitis. Er verweist auf das 1882 
von Yoltolini vornehmlich für das Kindesalter beschriebene 
Krankheitsbild der Otitis interna (heftiger Kopfschmerz, Er- 
brechen, Fieber), das späterhin |in die Erscheinungsformen der 
Meningitis eingereiht wurde, und präzisiert unter Berufung auf 
eine eigene Beobachtung seine Ansicht dahin, daß in den. an- 
gedeuteten Fällen die Labyrinthsymptome die zerebralen zu 
überwiegen pflegen, man also die akute Otitis interna als das 
primäre Leiden zu betrachten hat, dem sich weiterhin eine 
meningitische Reaktion zugesellt. 

Der Vortrag von Taptas (Konstantinopel) über ein neues 
Operationsverfahren bei Stirnhöhlenentzündung soll 
in extenso erscheinen. 

Guisez (Paris) bespricht acht Fälle von Eröffnung des 
Höhlensystems von Keilbein und Siebbein von der 
Augenhöhle aus. 



XV. BesprechaDgen. 143 

Die Mitteilung Chavannes (Lyon) über „Zona bilateral isol6 
de Toreille" erscheint ausführlich. 

Folgen zwei kasuistische Vorträge von Delie (Ypres) über 
je einen Fall von Retro- und Lateropharyngealabszeß. 
Der letztere war bei Mastoiditis mit Senkungsabszeß entstanden. 
Eröffnung vom Munde aus und Wegnahme der erkrankten 
Warzenfortsatzteile führten zu baldiger Heilung. 

Sitzung vom 15. Mai. 

Der Vortrag von Toubert (Montpellier) über Chlorealoium 
als Blutstillungsmittel erscheint in extenso. 

Es folgen die Vorträge: 

Larynxödem bei einem zehnmonatigen Kinde. 
Tracheotoraie. Dekanülement nach 18 Monaten nach 
Adenotomie, von Lavrand (Lille); 

Behandlung der Kieferhöhlenentzündung mittels 
Durchspülungen von der Nase aus, von Luc (Paris); 

Heilung des Kieferhöhlenempyems durch Ver- 
käsung des Eiters, von demselben; 

Pathogenese des Kieferhöhlenempyems, von Mahn 
(Paris) ; 

Trockene Stirnhöhlenentzündungen oder Sinus- 
algieen, von Trötröp (Anvers); 

Diagnose gummöser Nebenhöhlenentzündungen. 
Ein aus der histologischen Untersuchung des Eiters 
gewonnenes Symptom, von Veillard (Paris); 

Zwei Stirnhöhlenoperationen. Verfahren von 
Killian und von Jacques, von Vaohez (Orleans); 

Doppelseitiges chronisches Stirnhöhlene mpyem, 
durch einseitige Operation nach Killian behandelt, 
von Mignon (Nizza); 

Doppelseitige Stirnhöhleneiterung mit Osteo- 
myelitis der facialen Wand auf der einen Seite und 
spontaner symmetrischer Dehiszenz der oberen Wand, 
von Jacques (Nancy); 

Infektiöse Stirnhöhlenentzündung, Sequester, 
Lungengangrän, Heilung, von Castex; 

Hysterischer Stirnhöhlenschmerz, von Chavanne 
(Lyon) ; 

Stirnhöhleneiterung mit Nekrose der hinteren 
Wand, von Durand (Nancy). 



144 XV. Besprechungen. 

Hierauf erstatteten Mouret (Montpellier) und Toubert 
(Val-de-6räoe) ihr ausführliches Referate über die Behand- 
lung von Nasenseptumdeviationen. Die Schlußsätze 
desselben lauten: 

1) Die Deviationen des Nasenseptums sind nach Gestalt 
und Ausdehnung mannigfacher und komplizierter Art. 

2) Die betroflFenen Teile des Septumgerüstes sind verschieden, 
je nach dem Sitze der Verbiegung. 

3) Die Einteilung der Deviationen geschieht am zweck- 
mäßigsten nach anatomischen Gesichtspunkten. 

4) Die Deviationen des Septuins sind mit den Verdickungen 
desselben, den Eristen und Spinen, nicht zu verwechseln. 

5) Die Ausdehnung einer Verbiegung läßt sich bei der Schwie- 
rigkeit der Untersuchung nicht immer genau vorher bestimmen. 

6) Wenn auch die meisten der bekannten Operations* 
methoden bei passender Auswahl der Fälle erfreuliche Resultate 
zu liefern imstande waren, ist jedoch nur eine in allen Fällen 
zuverlässig und anwendbar, nämlich die submuköse Resektion. 

7) Diese Operation gibt stets ein ausgezeichnetes Resultat, 
sofern sie nicht ängstlich ausgeführt wird, und man alle außer- 
halb der sagittalen Medianebene befindlichen Teile gut entfernt. 

8) Sie allein ist bei den tiefen knöchernen Verbiegungen 
anwendbar. -, 

9) Es ist ein zierlicher und mühevoller EingriflF, er bringt 
dem Patienten jedoch keine schmerzhaften operativen Folge - 
zustände. Im Hinblick auf die Durchgängigkeit der Nase hat 
er ein schnelles und vollständiges Ergebnis. Vom ästhetischen 
Gesichtspunkte korrigiert er hinreichend günstig gewisse äußere 
Verbildungen und steht hierin keiner anderen Methode nach. 

10) Aus allen diesen Gründen verdient die submuköse Re- 
sektion der verbogenen Teile des Nasenscheidewandgertistes, 
erprobt wie sie heute ist, einen hervorragenden Platz in der 
Chirurgie der Nasenscheidewand einzunehmen und zu behaupten 

Sitzung vom 16. Mai. 

Es werden eine Anzahl Titular- und korrespondierender 
Mitglieder gewählt und sodann neue Themata zur Bericht- 
erstattung festgesetzt. Dieselben lauten: 

1) Symptome, Diagnose und Behandlung der pri- 
mären malignen Tumoren der Highmorshöhle. Bericht- 
erstatter: Jacques und Gaudi er (Nancy). 



XV. Besprechungen. 145 

2) Überanstrengung der Stimme. Berichterstatter: 
Moure (Bordeaux). 

Das hierauf von Guisez (Paris) erstattete Referat über 
die Osteomyelitis der flachen Schädelknochen nach 
Otitiden und Nasennebenhöhlenempyemen soll in ex- 
tenso publiziert werden. 

In der diesem Referate folgenden Debatte weist Luc auf 
eine von ihm beschriebene, von Guisez tlbersehene, schleichende 
Osteomyelitisform hin, mit beträchtlichen Latenzperioden. In 
einem derartigen Falle jüngeren Datums glaubt er zweifellos 
beobachtet zu haben, daß ein alter Staphylokokkenherd plötzlich 
zu voller Virulenz aufflackerte. 

Nach einer kurzen Bemerkung Lau rens' über die Notwen- 
digkeit breiter Freilegung osteomyelitischer Herde erklärt Guisez 
zusammenfassend die Osteomyelitis in den meisten Fällen für 
primär. Oft sei nur ein einzelner Schädelknochen erkrankt. Die 
sehr viel seltenere diffuse Osteomyelitis sei ohne Zweifel auf dem 
Blutwege vermittelt. 

Claouö (Bordeaux) spricht über fortschreitende Osteo- 
myelitis nach Stirn-Kieferhöhleneiterung und demon- 
striert den Schädel des Kranken. Die Affektion setzte 12 Tage 
nach einer Caldw eil- Lu eschen Kieferhöhlenoperation ein, er- 
griff nacheinander den Stirnfortsatz des Oberkiefers, den Augen- 
fortsatz und die Vorderfiäche des Stirnbeins und ließ sich auch 
durch die radikalsten Operationen nicht zum Stillstand bringeu» 

Über einen Fall von Osteomyelitis des Stirnbeins 
nach Operation eines Empyems aller Nebenhöhlen 
berichtet Durand (Nancy). Einen Monat nach der Operation 
trat bei der jungen tuberkulösen Patientin, deren Urin eiweiß- 
haltig war, in der Augenbrauengegend ein schmerzloses Ödem 
auf, zugleich mit Störungen im Allgemeinbefinden, die sich durch 
keine Organaffektion erklären ließen. Eine neue Operation deckte 
Osteomyelitis des ganzen Stirnbeins auf. Zugleich entstand 
rechtsseitiger TorticoUis, und sehr schnell erfolgte unter Lungen- 
erscheinungen Goma und Tod. Bei der Autopsie fand sich Throm- 
bose des Sinus longitudinalis superior und des Sinus cavernosus^. 
mit einem Abszeß am Halset 

Moure t (Montpellier) diskutiert die Frage, ob bei der 
Totalaufmeißelung der Mittelohrräume die retroauri- 
kuläre Wunde zu schließen oder offen zu lassen sei. 
Rückblickend erwähnt er, daß die Wunde zuerst dauernd, dann 

Arohiv f. Ohrenheilkunde. LXX. Bd. 10 



146 XV. BesprechuDgen. 

80 lange ofifen gehalten wurde, bis die Vernarbung der Wund- 
höble beendet war, und daß scbließlieh gleicb bei der Opera- 
tion genäht wurde. Die Mehrzahl der Operateure bevorzugt nach 
seiner Ansieht jetzt die temporäre Ofifnung in der Überzeugung, 
auf diese Weise die Wundhöhle bei der Nachbehandlung leichter 
und sicherer als allein vom Gehörgange aus überwachen zu 
können. Letzterer verdient indes nach Mouret als direkter 
Weg den Vorzug, zumal wenn seine äußere Ofifnung nach dem 
Vorgange von Siebenmann-Luc erweitert ist. Deshalb emp- 
fiehlt Mouret die primäre retroaurikuläre Naht, umso mehr, als 
er fürchtet, daß man, ist der primäre Verschluß einmal unter- 
lassen, den sekundären nicht immer, wenn man ihn wünscht, er- 
reichen kann. Diese Ansicht sucht er unter Vergleich des Ope- 
rationskanals mit einem Tunnel in detaillierter Darlegung zu 
stützen und rät schließlich, wenn auch die hintere Hälfte des 
Warzenfortsatzes hat entfernt werden müssen, auf den ersten 
retroaurikulären Schnitt einen zweiten darauf senkrechten nach 
hinten zu setzen und nur diesen ofiTen zu lassen. 

Bei der u. A. in der Halleschen Ohrenklinik seit langen 
Jahren üblichen, hier nicht von neuem zu begründenden tem- 
porären Oflfenhaltung der Wunde hinter dem Ohre hat sich 
keinerlei Schwierigkeit ergeben, die WundöflTnung, sobald dies 
das Stadium der Nachbehandlung erlaubte, zugranulieren zu 
lassen. Wohl aber ist trotz^Er Weiterung des äußeren Gehörgangs 
in sehr vielen Fällen eine zuverlässige Kontrolle des vorderen 
Paukenabschnittes und des lateralen Teils der Wundhöhle nur 
durch eine kombinierte Betrachtung vom Gehörgange und von der 
retroaurikulären I.WundöflFnung aus gewährleistet worden. Wie 
fatale Folgen übrigens der schematische, vor allem primäre, aber 
unter Umständen auch sekundäre Verschluß der retroaurikulären 
Wunde, zumal nach Cholesteatomoperationen zeitigen kann, lehren 
zahlreiche in der Literatur niedergelegte Fälle. 

Auch Moure (Bordeaux) vertritt in seinem Vortrage über 
die Methoden der Autoplastik bei der Totalaufmeiße- 
lung den schon seit Jahren von ihm eingenommenen Stand- 
punkt, jedesmal retroaurikulär zu nähen, gleichgültig, welcher 
Art das Ohrleiden war. Er modifizierte indes bei den mehr als 
700 von ihm ausgeführten Operationen die Gehörgangsplastik je 
nach Bedarf, resezierte denl knorpeligen Abschnitt teils völlig, 
teils nur in seiner oberen oder unteren Hälfte, oder nähte zwei 
durch T- Schnitt gewonnene Lappen nach unten und oben fest. 



XV. Besprechungen. 147 

Nur bei Cholesteatom pflegt er sich durch teilweise Resektion 
der Concha einen freien und dauernden Überblick über die Ope- 
rationshöhle zu verschaffen. 

Zu der Gefahr unvollständiger Operationen bei 
Warzenfortsatzeiterungen bringt Bonain (Brest) einen 
kasuistischen Beitrag. Eine mit subperiostalem Abszeß einher- 
gehende Mastoiditis war 3 mal durcb bloße Inzision des rezidi- 
vierenden Abszesses behandelt worden. Inzwischen war die In- 
fektion nach dem Cerebrum zu fortgeschritten, und trotz Bonains 
operativem Eingreifen erlag die Kranke zwei Tage darauf einem 
Eleinhirnabszeß mit Meningitis. 

Die Indikation zur Aufmeißelung bei latenter Eiterung 
des Antrum mastoideum bespricht Luc (Paris). Ohne Neues 
zu bringen, dringt er auf Operation bei hartnäckiger kopiöser 
Eiterung, oder wenn nach sorgfältiger Ausspülung der Pauke die 
versiegte Eiterung von neuem auftritt. 

Mouret erörtert sodann übersichtlich Siebenmanns Ver- 
fahren der Gehörgangs- und Conchaplastik bei der 
Totalaufmeißelung. Er hebt hervor, daß es, ursprünglich 
nur für die CKolesteatomoperation angegeben, bei jeder „Radikal- 
operation" anwendbar ist, schlägt jedoch an Stelle der teilweisen, 
bezw. völligen Resektion der Concha folgende Modifikation vor: 
Längsschnitt durch den häutigen Gehörgang an der Grenze 
zwischen hinterer und oberer Wand. Am äußeren Ende Y- for- 
mige Weiterführung des Schnitts in die Concha, derart, daß der 
untere der beiden neuen Schnitte senkrecht nach unten, der 
obere nach der Wurzel der Helix zu geffthrt wird und unter der- 
selben endet. Der so erhaltene Conchalappen wird nach hinten 
unten vernäht. Darin, daß der Defekt der Concha hierdurch in 
den unteren Abschnitt derselben verlegt wird, erblickt Mouret 
vom ästhetischen Standpunkte einen wesentlichen Vorzug seiner 
Methode vor derjenigen Siebenmanns, der für die permanente 
Öffnung den oberen Conchateil benutzt. Er gibt zwar zu, daß 
bei dem Vorgehen nach Siebenmann der Überblick über die 
Operationshöhle freier wird, meint indes, mit Hilfe eines Nasen- 
spiegels könne man, wenn der Patient den Kopf etwas nach der 
anderen Seite neigt, auch vom unteren Teile der Concha aus 
alles genau kontrollieren. — Mouret hebt ferner hervor, daß in 
all den Fällen, wo die hintere Hälfte des Warzenfortsatzes hat 
entfernt werden müssen, keine noch so weit gehende „Verstüm- 
melung" der Ohrmuschel ausreicht, um von der erweiterten Ge- 

10* 



148 XV. Besprechungen. 

börgangsöffnuDg ans den hinteren Abschnitt der Operationshöhle 
zu überblicken, und geht dann nochmals auf die Vorteile ein, 
welche hierfür die Offenhaltung eines zweiten, nach hinten hori- 
zontal geführten Schnittes bei sonstigem retroaurikulären Wunde 
Verschluß bietet. 

Es folgen Vorträge von Garel (Lyon) über Gummige- 
schwulst an der Teilungsstelle der Bronchien, Be- 
trachtungen über den diagnostischen Wert des Hustens 
infolge Kompression bei Mediastinaltumoren; 

von Dupond (Bordeaux) über rhinogene Epilepsie und 
von Texi er (Nantes) über drei B'eobachtungen von ange- 
borenem knöchernen Ghoanenverschlnß. 

Bei dem hierauf von Co 11 in et (Paris) mitgeteilten Falle 
von otogener, durch umfangreiche Totalaufmeißelung 
geheilter Meningitis (25jähr]ges Mädchen), die bei un- 
sicheren Mastoiditissymptomen durch heftige Kopfschmerzea 
durch Erbrechen, Nackenstarre, Verstopfung, sowie Strabismus 
internus und Lidheberlähmung auf der ohrgesunden Seite 
charakterisiert war, scheint die seröse Form vorgelegen zu 
haben. Im Warzenfortsatze fanden sich zahlreiche disseminierte 
Herde von Eiter und Granulationen, die bis zur Hinterhaupts- 
schuppe reichten. 

G. Laurens (Paris) stellte sodann einen 7jährigen Knaben 
vor, bei dem er wegen ausgedehnter Osteomyelitis des 
Warzenfortsatzes und der Hinterhauptsschuppe mit 
Thrombophlebitis des Sinus transversus und Sigmoi- 
deus bis zum Bulbus venae jugul. in viermaliger Sitzung 
ungewöhnlich ausgiebige Knochenresektioii vorzunehmen genötigt 
war. Obwohl noch drei Wochen lang pyämisches Fieber bestand, 
mit Oszillationen zwischen 37 und 41 ö, trat ohne weitere The- 
rapie schließlich Heilung ein. 

Über zwei Fälle von spontaner Ausstoßung des 
Steigbügels berichtet Lannois (Lyon). Bei der ersten 
Patientin, einer 45 jährigen Frau, die an chronischer Eiterung 
mit Facialisparalyse litt, waren einmal Granulationen in der 
Pauke mit Chromsäure geätzt worden. Einen Monat später 
traten Labyrinthsymptome auf, und bei einer Ohrausspülung 
folgte der teilweis kariöse Steigbügel. Hinterher keine bedenk- 
lichen Anzeichen. — Das andere Mal wurde ein 40 jähriger 
Alkoholiker und vorgeschritten Tuberkulöser von schleichend 
verlaufender kopiöser Mittelohreiterung befallen. Gleichfalls 



XV. Besprechungen. 149 

Faeialislähmung und kurz vor dem Tode Ausspülung des wenig 
affizierten Steigbügels. 

Lafite-Dupont (Bordeaux) vernähte, nach seiner An- 
sieht mit vorzüglichem funktionellen Erfolge, den N. facialis 
mit dem N. hypoglossus. Nähere Angaben über diesen 
interessanten Fall fehlen leider. 

Folgt ein Vortrag von Caboche (Paris) über Tuber- 
kulose des unteren Nasenganges. Zwei Fälle von 
„Tuberculosis naso-lacrymalis" 

und von Escat (Toulouse) eine kasuistische Übersicht über 
171 Fälle verschiedenartiger, chirurgisch behandelter 
Deformationen des Nasenseptums. 

Bei einem Patienten sah Henne her t (Braxelles) spontane 
Totalaufmeißelung. Der niemals ärztlich behandelte Kranke 
erinnerte sich nur, zuweilen etwas Ohrlaufen bemerkt zu haben. 
Die Höhle hatte glatte, perlmutterartig aussehende Wände ohne 
eine Spur von Cholesteatom. Die Enöchelchenkette befand sich 
an richtiger Stelle. 

Derselbe Autor fand bei drei Kindern aus derselben Familie 
den Nasenrachenraum durch eine sichelfcSrmig nach hinten 
vorspringende Leiste des Vomer in zwei Hälften geteilt. 
Die Aussprache war gestört und das Hörvermögen — bei gleich- 
zeitig vorhandenen adenoiden Wucherungen — erheblich herab- 
gesetzt. Die Eltern waren Geschwisterkinder, und auch Eltern 
und Großeltern der Mutter waren blutsverwandt gewesen. H. 
sieht daher in der Anomalie ein Zeichen hereditärer Degene- 
ration. 

Sitzung vom 17. Mai. 

Bei einem leider nicht zur Sektion gekommenen jungen 
Manne glaubt Tr6tr6p als die ersten Symptome eines 
vermutlichen Aneurysmas der A. meningea media 
subjektive Ohrgeräusohe festgestellt zu haben. Das an- 
genommene Aneurysma verursachte zuerst das Geräusch eines 
Insektes (?), dann traten Schmerzen im Warzenfortsatze auf, 
schließlich ein Blasen, dem ein erst einfaches, dann doppeltes 
Klopfen folgte. Die überaus quälenden Geräusche trieben den 
Kranken mehrere Male fast zum Selbstmord, und T. hält es für 
wahrscheinlich, daß er sich schließlich in der Tat vergiftet hat. 

Trötröp und Hennebert liefern einen Beitrag zum 
Studium der objektiv wahrnehmbaren entotischen 
Geräusche. In mehreren Fällen haben sie Klopfen, Sausen, 



150 XV. Besprechongen. 

Blasen mit und ohne Girren mittels des Hörsohlaucbs vom Ge- 
hörgange aus oder mit dem Stethoskop an gewissen Stellen des 
Schädels als Geräusche wahrgenommen, welche dem Herzschlage 
isochron waren. Teilweise wurden sie als schmerzhaft bezeichnet. 
In einem Falle brachte die Unterbindung der Carotis dauernde 
Hilfe. 

Delstanche, Sohn (Bruxelles), empfiehlt das Athylo- 
form f&r kurzdauernde Operationen, zumal an Kindern, als 
vorzügliches, harmloses, schnell wirkendes Anästhetikum. 

Zur Vermeidung von Infektionen des eigenen 
Rhino- Pharynx durch den Patienten rät Trötröp den 
Ärzten zum Gebrauche einer leichten, sehr dünnen Gelluloid- 
maske, die mit Augengläsern versehen ist und sich mittels in For- 
malinlösung getauchter Watte durch Abreiben desinfizieren läßt. 

Ferner empfiehlt er einen billig arbeitenden Trans- 
formator für Galvanokaustik. 

Sodann liefert Fiocre (Paris) einen Beitrag zum Adeno- 
karzinom der Nase. 

Über die anatomischen Details der Fossa sub- 
arcuata hat Lafite-Dupont Untersuchungen angestellt. Er 
unterscheidet drei Formen, in denen der frühere Canalis mastoi- 
deo-petrosus beim Erwachsenen zu beobachten ist. 1. Ein per- 
sistierender enger Kanal verbindet das Antrum mit dem hinteren 
Teile der Schläfenbeinpyramide; er enthält eine in Bindegewebe 
gebettete Vene. 2. Der Kanal ist völlig obliteriert und durch 
kompaktes Knochengewebe ersetzt. 3. An die Stelle des Kanals 
ist teilweise oder völlig ein nach der Pyramidenspitze hin 
ziehendes System von Knochenzellen getreten, welches nach 
Art eines Tunnels den oberen Bogengang überbrückt und die 
Zellen der Spitze mit dem Antrum in Verbindung setzt. — Der 
aus dem letztgenannten Befunde deduzierte Vorschlag, gegebenen- 
falls die erkrankten Zellen mit einer feinen Kürette auszukratzen, 
dürfte allerdings wohl mehr theoretisches Interesse finden. 

Es folgen Vorträge von Caboche über Naseneiterungen 
mit Affektion des Os intermaxillare. Caries des 
Zwischenkiefers, in einem Falle mit Septumabszeß, 
in einem anderen mit «iner Nebenhöhlenfistel; 

von Guisez über die Behandlung narbiger Ösophagus, 
strikturen durch Ösophagoskopie 

und von Dirart und Rozier (Paris) über einen Fall von 



XY. Besprechungen. 151 

Reourrenslähmung durch Kompression seitens der 
Schilddrüse. Heilung durch Thyreoideetomie. 

Eine Otitisform mit Druoksteigerung beschreibt 
Lafite-Dupont. Er geht davon aus, daß im ersten Stadium 
der Arteriosklerose der arterielle Druck erhöht ist. Da infolge- 
dessen auch die Labyrinthflüssigkeit unter höherem Drucke 
steht, tritt eine labyrinthäre Hyperästhesie auf, die sich von 
Seiten des Vorhofs und der Bogengänge als Sehwindel, von 
selten der Schnecke als Geräusche und Schwerhörigkeit kenn- 
zeichnet. Hinsichtlich der lokalen Therapie erhofft L.-D. von 
der Yibrationsmassage ein Hineinpressen der Labyrinthflüssigkeit 
in ihre Abflnßwege. Im übrigen empfiehlt er Milch- und vege- 
tarische Diät, Pilokarpininjektionen, Lumbalpunktion und die 
Anwendung hochgespannter Ströme, die, wenn auch nur vor- 
übergehend, den arteriellen Druck herabsetzen. 

Hierauf teilt Royet (Lyon) einige neue Fälle von 
Ohrsohwindel mit, der durch Verwachsungen zwischen 
Tubenmündung und Pharynxwand bedingt war. Nach 
Beseitigung der Adhäsionsstränge verschwand der hartnäckige 
Schwindel. R. betont daher für ähnliche Fälle die Notwendig- 
keit, sorgfältig den Nasenrachenraum zu untersuchen. 

. Nach dem nun folgenden Vortrage von Bar (Nice) über 
die Rhinitis fibrinosa seu membranacea und ihre Be- 
ziehungen zur Nasendiphtherie nehmen zum Schlüsse noch 
mehrere Erfinder Gelegenheit, Instrumente zu demonstrieren. 



7. 
Prof. Vittorio Grazzi und Dr. Ottavio Lunghini: Bericht 
über die 9. in Rom abgehaltene Jahresversammlung 
der Societä italiana di otologia^ laringologia e rino- 
logia, vom 24. — 26. Oktober 1905 (Siena, Tip. e Lit. Sordomuti 

di L. Lazzeri 1906). 

Besprochen von 

Dr. Eugenio Morpnrgo.^) 

Allgemeine These: Über die Veränderungen im in- 
neren Ohre infolge von Mittelohreiterungen (Pyolaby- 
rinthitis). — 

Referenten: Gradenigo und Ferreri. 



1) Nur der otologische Teil ist hier berücksichtigt. 



152 XV. Besprechungen. 

Gradenigo hebt einleitend die noob dunkle Pathogenese 
gewisser intrakranieller Komplikationen, insbesondere der oto- 
genen eitrigen Leptomcningitis hervor; jedenfalls sei die Laby- 
rintheiterung die häufigste Ursache. Es war den neuesten For- 
schungen vorbehalten, sowohl die Pathogenese von derlei Vor- 
kommnissen und die physiologischen Funktionen, als auch die 
pathologisch-anatomischen Befunde des Labyrinthes näher zu be- 
leuchten. Redner hält aus verschiedenen Gründen solche Kom- 
plikationen der Mittelohreiterungen für häufiger, als Friedrich 
angibt (1 Proz.). Er geht auf Ätiologie, Anatomie und Physio- 
logie des Labyrinthes und Verbreitungswege des krankhaften 
Prozesses näher ein. Nicht immer sei ein und derselbe Prozeß 
die Ursache der Invasion des Labyrinthes; so sei z. B. zu be- 
obachten, daß Garcinom oder Tuberkulose die abnorme Kommu- 
nikation verursachen, worauf die Invasion der gewöhnlichen 
Eiterungserreger erfolgt. 

Mit Brieger findet er bei akuten Mittelohrprozessen in der 
Regel minimale, ja mikroskopische Durchbrüche, größere Breschen 
bei chronischen Prozessen. Bei Beteiligung des äußeren Ganal. 
semicircul. handle es sich zumeist um Erosionen, nicht um eigent- 
liche Fisteln; bei genuinen Entzündungen sei eine rarefizierende 
Ostitis das Bedingende, während bei Tuberkulose, Nekrose und 
bei Cholesteatom, Knochenusur durch Granulationen und Druck 
vorherrschen. — Bei Durchbruch der Labyrinthfenster oder des 
Promontoriums kommt] es zu rapider Invasion des perilympha- 
tischen Raumes, während bei Erosion des äußeren halbzirkel- 
formigen Kanals, durch die Resistenz des Endostiums, die Ver- 
breitung des Prozesses langsamer erfolgt. 

Ref. verweilt des längeren bei dem weiteren Verlauf des 
krankhaften Prozesses und seinen verschiedenen Endausgängen. 
Der Übergang auf den Schädelraum erfolgt zumeist durch M. 
and. int., dann kommt der Aquaeduct. vest. mit dem Sacc. endo- 
lymph. und zuletzt der Aquaeduct. Cochleae. — Bei der Sympto- 
matologie sind die durch funktionelle Störung des Labyrinthes 
bedingten Erscheinungen von jenen aus Veränderungen der Neben- 
organe hervorgegangenen zu unterscheiden. Redner verweilt 
länger bei der doppelten Funktion des Labyrinths und ihren 
Störungen, betont aber die Schwierigkeit ihrer Deutung, die 
durch den teilweise subjektiven Charakter derselben und die 
mögliche Vielseitigkeit des Entstehungsmodus bedingt ist. — Nicht 
minder wichtig und zahlreich sind die auf Veränderungen in den 



XV. Besprechungen. 153 

Naohbarorganen und im AUgeraeinbefinden beruhenden Symp- 
tome. Bei der ganz neuen, intensiven Forschung dieser Prozesse 
lassen sich noch keine genauen Verhaltungsmaßregeln in der Be- 
handlung aufstellen. Bei der Aussichtslosigkeit des sich selbst 
überlassenen Verlaufes sei ein häufigeres chirurgisches Eingreifen 
gewiß am Platze, jedoch immer mit genauer Erwägung aller 
Umstände. Redner schließt mit Betrachtungen über die opera- 
tiven Methoden der Labyrintheiterungen sowohl als deren intra- 
kraniellen Komplikationen; geht auf die Leptomeningitis näher 
ein und erwähnt die von einzelnen Autoren beschriebenen guten 
Erfolge der Kraniotomie mit Drainierung, welche gewiß volle 
Berücksichtigung verdienen. — 

Ferreris Referat umfaßt 42 Seiten. Er behandelt Geschichte, 
Ätiologie, pathologische Anatomie, Symptomatologie, Diagnose, 
therapeutische Anzeigen, Prognose und Therapie (chirurgische 
Eingriffe) sehr gründlich und kommt zu folgenden Schlußsätzen: 
1. Jede Komplikation von selten des Labyrinths ist als schwer 
zu betrachten, sei es, daß das Leben durch intrakranielle Diffu- 
sion bedroht wird, sei es, daß es zu totaler Taubheit durch Zer- 
störung der Endfasern des Acusticus kommt. 2. Die Diagnose 
wird durch Berücksichtigung der Symptome, der Funktionsstörun- 
gen und durch Ausschließung festgestellt. 3. Häufig wird die 
Diagnose erst durch einen operativen Eingriff möglich. 4. Die 
Operationsmethode muß vor allem auf gründliche Drainierung des 
inneren Ohres gerichtet sein, ohne dabei die durch die Natur 
gegebenen Schutzprozesse zu stören, besonders aber ängstlich da- 
bei vermeiden, den Eitererregern neue Bahnen in den Schädel- 
raum zu eröffnen. — 



Diskussion. 

Orlandini erwähnt zwei eigene Fälle, von Möniörescher 
Krankheit, welche durch Radikaloperation geheilt wurden. 

Ostino mit Bezug auf Labyrinthnystagmus beruft sich auf 
seine im Jahre 1901 mitTrombetta angestellten Untersuchun- 
gen, wobei beobachtet wurde, daß Faradisation des Acusticus 
vor seinem Eintritt in den inneren Gehörgang Nystagmus rota- 
torius hervorruft, während Läsionen des inneren Ohres Nystag- 
mus horizont. und verticalis zeigen. 

Poli hat in einem Falle von Nystagmus bei Zentralleiden 



154 XY. Besprechungen. 

ausgesproobenen Horizontalnystagmns beobachtet. Was die ope- 
rativen EingriflFe bei Pyolabyrinthitis betrifft, möchte er nicht 
unbedingt bei gestellter Diagnose zur sofortigen Operation raten, 
sondern in Anbetracht des häufigen, latenten und ruhigen Ver- 
laufes in derlei Fällen alles genau erwägen, bevor man zum 
Messer greift. 

Nuvoli bekämpft die Annahme, daß Kleinhirn und halb- 
zirkelf. Kanäle ein Oleichgewichtsorgan seien. 

Gradenigo möchte die Oleichgewichtsstörungen bei M6- 
niör escher Erkrankung von jenen bei Pyolabyrinthitis trennen. 
Das Thema der Oleichgewichtsstörungen erheische übrigens 
noch weitere, eingehendere Untersuchungen. 

Ferreri geht auf die Anzeigen zur Operation vom Antrum 
oder vom Gehörgange aus näher ein. 

Tommasi (Lucoa). Sulla sintomatologia delle labirintiti 
suppurative. — (Eine fleißige auch auf eigenen Erfahrungen 
beruhende Zusammenstellung und kritische Sichtung der Er- 
scheinungen, mit der Geschichte eines eigenen, glücklich abge- 
laufenen operativen Falles.) 

Bugani (Siena): Contributo clinico e sperimentale al tono 
labirintico. (Vorläufige Mitteilung.) 

Die klinischen Untersuchungen betrafen akute und chroni- 
sche Labyrintherkrankungen, akute einfache und eitrige Mittel- 
ohrentzündungen mit Labyrinthreizung. Die angewendeten 
Apparate waren der Ergograph von Mosso, das Dynamometer 
und andere kinesitherapische Behelfe für Brust und Bauch. — 
Besultate der Untersuchung : Bei frischen Labyrinthentzündungen 
merkliche Abnahme der Muskelkraft mit nachfolgender Besse- 
rung, entsprechend dem Abklingen der Labyrintherscheinungen; 
an chronischen Fällen Muskelkraft ziemlich erhalten, jedoch 
mit einigen Unregelmäßigkeiten in den graphischen Aufnahmen. 
Diese Erscheinungen entsprechen den Beobachtungen von Ewald 
bei seinen Tierexperimenten. Die vom Redner am Labyrinth 
verletzten Tiere befinden sich noch in Beobachtung und können 
die Resultate erst später veröffentlicht werden, wobei auch auf 
Schrift, Sprache, Funktion und Respiration der klinisch beob- 
achteten Kranken näher eingegangen werden wird. Vorgreifend 
läßt sich sagen, daß bei Labyrinthstörungen die Schrift ver- 
ändert ist, und zwar desto mehr, je frischer die Labyrinth- 
affektion ist. 



XV. Besprechungen. 155 

Diskussion. 

Geronzi hat bei einem Falle von chronischer katarrhali- 
scher Mittelohrentzündung die Beobachtung gemacht, daß bei 
akuten Exacerbationen des Leidens, bei zunehmendem Ohren- 
sausen, Pat. eine so bedeutende Schwäche der oberen Extremi- 
täten bot, daß ihm das Schreiben unmöglich war. Wurde durch 
einige Tage katheterisiert , so legten sich die subjektiven Ge- 
räusche und verschwand die Schwäche. 

Gradenigo fragt, ob Redner das von Stein an Labyrinth - 
kranken beobachtete, plötzliche, also nicht gradatim, Nach- 
lassen des Druckes am Dynamometer auch gefunden hat. Es 
würde sich auch lohnen, den Chinineinfluß auf Labyrinthotonus 
zu prüfen. Die Versuche mit dem Ergographen sind schwierig 
und nicht fehlerfrei. 

Lunghini (Siena). SulF azione della iodogelatina Sclavo 
nella pratica otoiatrica. 

Dieses Jodpräparat wirkt günstig bei den chronischen Ka- 
tarrhen, welche auf verminderter Resistenz des Organismus be- 
ruhen. Jodismus und sonstige unangenehme Erscheinungen 
kommen dabei nicht vor. 

Lunghini. Resultate delF esame funzionale in un caso di 
panotite tubercolare. (Es handelt sich um Untersuchungen, die 
mit der chromatischen Tonreihe des Klaviers angestellt wurden 
und nach Redner eine neue Stütze fQr die Helmholtzsche 
Theorie abgeben sollen.) 

Diskussion. 

Gradenigo macht darauf aufmerksam, daß Klavier- und 
Stimmgabeltöne bekanntlich ganz verschieden sind, folglich sind 
die gewonnenen Resultate der Hörproben nicht eindeutig; hier 
und da, als Notbehelf, mag das Klavier als Tonquelle benutzt 
werden. 

Dionisio (Turin). Venti casi di otite media suppurativa 
cronica curati con la radiazione. (In diesem Archiv Bd. 67, 
Heft 4, schon rezensiert.) 

Menge tti: La pressione sanguigna neir otite interna. 

Es wurde der Blutdruck und zugleich Atmungs- und Puls- 
frequenz geprüft. Als Sphygmomanometer kam der Apparat 
von Riva-Rocci in Anwendung. Patienten mit gleichzeitigem 
Nieren- und Herzleiden wurden ausgeschlossen. 



156 XV. Besprechungen. 

Vortr. konnte keine direkten Beziehungen zwischen Blut- 
druck und Otitis interna feststellen, auch nicht Änderung an 
ersterem, wenn diese AiFektion deutliche Besserung zeigte. 

Gradenigo: Su un sintomo caratteristico della trombosi 
purulenta del Seno longitudinale superiore. (Diese Mitteilung 
ist unter den Originalen dieses Archivs, Bd. 66, S. 242, 
erschienen.) 

Diskussion. 

De Carli (Rom) hat zwei Fälle auf der römischen Ohren- 
klinik beobachtet; bei dem einen war akute Mittelohreiterung, 
bei dem anderen die chronische Form das Grundleiden. Im 
zweiten Falle kam es zur Bildung einer Blutgeschwulst am 
Scheitel; nach Einschnitt starke Blutung, später Meningitis. Im 
ersten Falle kam es nicht zu äußeren Merkmalen, die auf eine 
Thrombose des Longitudinalsinus gedeutet hätten; erst die Sek- 
tion belehrte darüber. 

Mingazzini (Rom) betont die Wichtigkeit des von Grade- 
nigo hervorgehobenen Stirnödems und die Schwierigkeit der 
Diagnose. 

D'Ajutolo (Bologna): Zur Erklärung der Genese der vom 
Vortragenden beobachteten Erscheinungen könnte man an die 
Facchioni sehen Granulationen denken, welche eventuell durch 
Enochenusur den Weg bahnen könnten. 

Ferreri: Bei einem von De Rossi beobachteten Falle 
ftthrte der fortwährende maniakalische Zustand, bei mangelnden 
Erscheinungen von Sinuserkrankungen, zur Diagnose einer Phle- 
bitis des Sinus longit., die durch die Sektion bestätigt wurde. 

Gradenigo macht darauf aufmerksam, daß auch bei Me- 
ningitis der Konvexität heftige Delirien und Unruhe vorkommen. 

Was die Pacch ionischen Granulationen betrifft, dürften 
dieselben außer Spiel sein, da bei den zwei einzigen bisher be- 
kannten Fällen, wo die äußere Geschwulst zu finden war, der 
Sitz sehr deutlich auf die Foramina Santo r inischer Emissarien 
deutete. 

Gradenigo: Sulla paralisi delV abducente di origine otitica 
Vortragender bespricht wieder die schon früher von ihm 
beschriebene Symptomatologie und Aufeinanderfolge der Er- 
scheinungen und die noch dunkle Pathogenese, neue, von anderen 
Autoren gebrachte Fälle zitierend. 



XV. Besprechungen. 157 

Rugani: II perborato di sodio nella pratica otoiatrica. 
(In diesem Archiv, Bd. 67, Heft 4, sehon referiert.) 

Tommasis: Uacumetro del Prof. Stefanini. (Beschreibung 
des Apparates.) 

Vorteile: Die Intensität des Schalles kann konstant geregelt 
werden; die Untersuchung läßt sich in großen und kleinen 
Räumen, mitten unter Nebengeräuschen, mühelos vornehmen. 
Der Apparat ermöglicht allgemeine Verständigung bei Angabe 
der Untersuchungsresultate; derselbe kann zur Löeupg ver- 
schiedener noch schwebenden akustischen Fragen beitragen. 

Diskussion. 
Gradenigo hat mit dem Apparat an Gesunden und Kranken 
experimentiert. Derselbe bietet zwei Vorteile im Vergleiche mit 
den telephonischen Hörmessern: Angenommen das normale 
Hörvermögen des Untersuchers, läßt sich ganz genau die Hör- 
schärfe des Kranken (pathologische Schwelle) bestimmen ; durch 
die Wahl eines besonderen Materials sind verschiedene Mißstände 
telephonischer Leitungen behoben, und es ist möglich, experi- 
mentell nachzuweisen, welche Intensität der Schall tatsächlich 
erreicht. Die schwache Seite sei noch die Gegenwart des Unter- 
brechers (Interruptor). 

Nuvoli beanstandet an dem Apparat die Unmöglichkeit, 
durch denselben zu bestimmen, ob die Schallfortpflanzung durch 
Luft- oder Knochenleitung stattfindet; dann ist die Tonalität 
sehr beschränkt, und die Töne selbst sind nicht einfach. 



8. 

Heine, Operationen am Ohr. Die Operationen bei 
Mittelohreiterungen und ihren intrakraniellen Kom- 
plikationen. 2. Aufl. Berlin 1906, bei S. Karger. 

Besprochen von 

Dr. Fritz Isemer in Halle a. S. 
Das Erscheinen einer neuen Auflage der „Operationen am 
Ohr" von Heine nach so relativ kurzer Zeit — die erste Auf- 
lage ist 1904 erschienen — ist der beste Beweis für die Be- 
liebtheit des Buches, dessen Vorzug darin besteht, daß Anord- 
nung und Ausführung des stofflichen Inhalts jedem Arzt, der 
sich mehr oder weniger speziell mit der Ohrenheilkun-de be- 



158 XY. Besprechungen. 

schäftigt, wie dem Chirnrgen und Anfänger des Spezialstoffes, 
för die ja nach dem Vorwort das Buch geschrieben ist, in faß- 
licher und anregender Form geboten werden. 

Während Verfasser die erste Auflage des Buches seinem 
Lehrer und Chef Geheimrat Luc ae gewidmet hatte, ist die vor- 
liegende zweite Auflage von Bergmann zu seinem 70. Geburts- 
tage dargebracht. 

Gegentiber der ersten Auflage ist die neue erweitert und 
vielfach ergänzt, einzelne Kapitel sind entsprechend den Fort- 
schritten unserer Kenntnisse vollständig umgearbeitet worden. 

Von Veränderungen bezw. Ergänzungen einzelner Kapitel 
seien folgende erwähnt: In dem Kapitel über die Aufmeißelung 
des Warzenfortsatzes teilt Heine die von Neu mann aus der 
Wiener Klinik angegebene Methode, in Lokalanästhesie typische 
wie totale Aufmeißelungen des Warzenfortsatzes auszuftihren, mit 
und vertritt die Ansicht, daß sie dann in Frage komme, wenn 
die allgemeine Narkose nicht ungefährlich erscheint, also in 
erster Linie bei Diabetikern, schweren Herzfehlern und Lungen- 
affektionen. 

Während ferner Verfasser früher, dem Standpunkt der 
Lucaeschen Klinik entsprechend, die primäre Naht der Haut- 
wunde nach Aufmeißelungen nur selten ausführte^ empfiehlt er 
sie jetzt aufs wärmste. „Ihre Nachteile fallen fort, seitdem wir 
durch Anlegung des senkrechten Gehörgangsschnitts bei der 
Plastik mit Sicherheit auf einen weiten Zugang zur Operations- 
höhle rechnen können und seitdem wir zur Nachbehandlung 
Isoformgaze benutzen." Zum Verschluß der retroaurikulären 
Wunde benutzt Heine die Mi che Ischen Klammern. 

Kontraindiziert erscheint ihm die primäre Naht dann, wenn 
eine intrakranielle Komplikation oder auch nur der Verdacht 
einer solchen vorliegt, ohne daß man sie bei der ersten Opera- 
tion gleich findet, also z. B. bei^Sinuserkrankung und Labyrinth- 
operationen. 

Besonders empfohlen wird bei der Nachbehandlung der Opera- 
tionshöhlen (Totalaufmeißelung) das Isoform^ ei^ von den Höchster 
Farbwerken hergestelltes Präparat, und zwar als 3 proz. Isoform- 
Gaze. „Die Absonderung wird in mäßigen Grenzen gehalten; 
das Sekret bleibt immer mehr serös und wird selten eitrig. Die 
Granulationsbildung geht gleichmäßig vor sich und bleibt be- 
schränkt; schlaflFe, leicht blutende Granulationen wie früher 



XV. Besprechungen. 159 

entwickeln sich kaum." Gewarnt wird vor zu starker Kon- 
zentration des Präparates, da es ätzende Eigenschaften hat und 
so leicht zu Knochennekrosen führen kann. 

Gebührend hervorgehoben wird unter den Gefahren der 
Aufmeißelung die postoperative Meningitis, auf die im Band 66 
dieses Archivs Zeroni in ausführlicher Arbeit hingewiesen hat. 

Vollständige Umarbeitung haben die Kapitel über die Laby- 
rintheiterungen und die Meningitis erfahren, und sind hier die 
gerade in den letzten Jahren so zahlreich gemachten Erfahrungen 
und Mitteilungen in entsprechender Weise berücksichtigt worden. 
Ich erwähne nur die auf dem Gebiete der Labyrintherkrankungen 
gemachten Mitteilungen von Hinsberg, Barany, Friedrich, 
die ja allen Lesern des Archivs bekannt sein dürften; es er- 
übrigt sich deshalb, hierauf näher einzugehen. 

Bei der Feststellung der Indikation für die Labyrinth- 
eröflfnung hat Heine folgende Grundsätze: 

Finden wir einen Bogengangsdefekt, so lassen wir diesen 
zunächst in Ruhe, auch wenn Labyrinthsymptome bestehen. 
Gehen diese nach der Operation nicht zurück, oder nehmen sie 
gar zu, so halten wir uns berechtigt, das Labyrinth zu eröffnen. 

Sehen wir bei der Operation einen großen, mit Granula- 
tionen gefüllten kraterformigen Defekt im horizontalen Bogen- 
gang, der ins Vestibulum führt, ist zugleich die Fenestra ovalis 
mit Granulationen geflillt, der Steigbügel zerstört, oder gelingt 
es uns, letzteren Befund allein festzustellen, kommt womöglich 
gar Eiter aus dem Vestibulum, dann wird ebenfalls sofort die 
breite Freilegung des Vestibulums vorgenommen. 

Nur wenn absolute Taubheit besteht und bei der Operation 
sich gar die basale Schneckenwindung erkrankt erweist, werden 
wir auch an eine Ausräumung der Cochlea gehen. 

Referent kann diesen Grundsätzen für die Eröffnung des 
Labyrinths nicht ganz beistimmen. Er hat mehrfach Gelegen- 
heit gehabt, Fälle zu sehen, bei denen fast der ganze horizontale 
Bogengang zerfressen und mit schlecht aussehenden Granula- 
tionen ausgefüllt war und wo ferner auch aus der Steigbügel- 
gegend Granulationen kamen ; diese Fälle kamen ohne Eröffnung 
des Labyrinths zur Heilung. Die Prognose der Labyrintheröff- 
nungen ist, wie auch Verfasser zugibt, im allgemeinen nicht so 
günstig, wie vielfach behauptet, und hält Referent bei dem er- 
wähnten Befunde eine Labyrintheröffnung nur dann für berech- 



160 XV. Bosprochungen. 

tigt, wenn ausgesprochene Labyrinthsymptome trotz Freilegang 
des erkrankten Bogenganges usw. sich einstellen sollten. 

In dem Kapitel über Meningitis wird der Wert der Lumbal- 
punktion, deren diagnostische Bedeutung früher in der Luc ae- 
schen Klinik bezweifelt wurde, und auf die man in manchen 
Fällen zur Sicherung der Diagnose doch angewiesen ist, ein- 
gehend erörtert, und schließt Heine sich der Ansicht an, daß 
im allgemeinen aus einem eitrigen, bakterienhaltigen Liquor auf 
eine Leptomeningitis purulenta diffusa zu schließen sei. Eine 
diffuse eitrige Entzündung der weichen Hirnhäute hält auch er 
für unheilbar. 

Dem Werk neu hinzugefügt ist eine ausföhrliche Besprechung 
der Behandlung der Mastoiditis mit Stauungshyperämie nach 
Bier. Verfasser selbst hat wenig günstige Resultate mit dieser 
Behandlungsweise erlebt, hält jedoch weitere Versuche für er- 
wünscht. 

9. 
Alexander, Chirurgische Krankheiten des Ohres. 
VL Abschnitt aus dem Lehrbuch der Chirurgie und Operations- 
lehre für Studierende und Ärzte; auf Grund von Alberts 
liChrbuch neubearbeitet von dessen Schülern. Herausgegeben 
von Professor Dr. Hochenegg. Urban und Schwarzenberg,. 

Wien 1906. 

Besprochen von 

Dr. Fritz Isemer, Halle a. S. 

Das vorliegende Werk ist ein Abschnitt aus dem Hochen- 
eggschen Lehrbuch der Chirurgie, das in zwei Bänden erscheint, 
und dessen erster bereits ausgegebener Band die Krankheit des 
Kopfes und Halses, der Brust und Wirbelsäule und des Beckens 
enthält. 

Nach einer klaren, ftlr das Verständnis des Folgenden un- 
erläßlichen Darstellung der topographischen Anatomie des Ohres 
und der gebräuchlichen Untersuchungsmethoden des Gehör- 
organes bespricht Verfasser diejenigen Ohraffektionen, bei denen 
nur durch chirurgisches Eingreifen ein günstiger Ausgang der 
Erkrankung erzielt werden kann. Unter Beifügung zahlreicher 
Abbildungen, die zum großen Teil Beobachtungen der Wiener 
Ohrenklinik wiedergeben, werden zunächst die chirurgische Be- 
deutung der kongenitalen Bildungsfehler des Gehörorganes, die 
Verletzungen und chirurgischen Erkrankungen der Ohrmuschel 
und des äußeren Gehörganges, die Frakturen, Fissuren und 



XV. Besprechungen. 161 

Schußverletzungen des Schläfenbeins kurz behandelt. In zwei 
weiteren Kapiteln folgt dann eine Besprechung der Verletzungen 
und chirurgischen Krankheiten des Mittelohrs und des Labyrinths 
und der vom Gehörorgane ausgehenden endokraniellen, chirurgi- 
schen Erkrankungen. 

Das Buch ist in möglichster Kürze abgefaßt und soll vor 
allem die Zustände und Eingriffe berücksichtigen, deren Beur- 
teilung und Durchführung bei der Dringlichkeit des Falles jedem 
chirurgisch geschulten Arzt obliegt. 



10. 

Dr. Teofil Zalewski. Badania nad wytrzymaloscia 
Blony Bebenkowej. (Versuche über die Widerstands- 
fähigkeit des Trommelfells.) Lemberg 1903. 

Besprochen von 

Dr. Lassen, Halle a. Ö. 

Verfasser hat an Leichen Versuche über die Widerstands- 
fähigkeit des Trommelfells gegen Luftdruck gemacht. Er hat 
dazu einen Apparat konstruiert, mit dem er imstande ist, so- 
wohl durch plötzliches Einwirken des Luftdruckes, als durch 
allmählich sich steigernden Druck das Trommelfell zum Platzen 
zu bringen. Wie schon vielfache frühere experimentelle Ver- 
suche ergeben haben, ist auch Verf. zu dem Resultat gekommen, 
daß die meisten normalen Trommelfelle eine sehr große Wider- 
standsfähigkeit besitzen, während pathologisch veränderte Trom- 
melfelle nur einen geringeren Druck aushalten. 66 Prpz. der 
normalen Trommelfelle seiner Versuchsobjekte platzten bei einem 
Druck von l — 2 Atmosphären, 11 Proz. bei weniger als 1 At- 
mosphäre, und 23 Proz. erst bei mehr als 2 Atmosphären. Der 
durchschnittliche Druck, den ein normales Trommelfell aushielt, 
entsprach 120,9 cm Quecksilber, der größte 160,3 cm, während 
der geringste Druck, bei dem ein normales Trommelfell platzte, 
22 cm Quecksilber entsprach. Verf. machte auch Versuche an 
Präparaten, bei denen vorher Amboß und Steigbügel herausge- 
nommen waren. Bei diesen war die Widerstandsfähigkeit der 
Trommelfelle herabgesetzt, woraus Verf. schließt, daß die Gehör- 
knöchelchen eine Unterstützung der Elastizität des Trommel- 
fells bilden. Verf. bestätigt die bekannte Tatsache, daß Trom- 
melfelle, die klinisch als geplatzt vorkommen, meist schon vorher 
pathologisch verändert waren. Da jedoch auch makroskopisch 
normale Trommelfelle schon bei geringem Drucke nach seiner 

AiehiT r. OhienheUkonde. LXX. Bd. , U 



16 XV. Besprechungen. 

Angabe platzen können, so meint Verf., daß man bei gericht- 
lichen Fällen selbst dann nicht in der Lage sei, ein bestimmtes 
Urteil tlber das Fehlen einer etwaigen Prädisposition des Trom- 
melfells zum Platzen abzugeben, wenn keine pathologische Ver- 
änderung zu konstatieren ist, zumal aus Form und Lage der 
Perforation sich Art und Stärke des ausgeübten Drucks nicht 
bestimmen lasse. 

Dem Buche sind 24 Tabellen, eine Statistik ttber 232 
Leichenversuche und die 232 Trommelfellbilder beigefügt. 



XVI. 

Wissenschaftliche Rundschau. 



1- 

Haug^ Stoß auf die Ohrgegend und den Warzenfortsatz — Mit- 
tel ohr ei terun^g — ist diese eineFolge eines Betriebsunfalles 
oder nicht? Ärztliche Sachverständigen-Zeitung, 1903, Nr. 2. 

35 jährige Bäuerin erhielt vor 6 Wochen, ehe sie in Behandlung des 
Verf. kam, beim Füttern von einer Kuh mit dem Kopfe oder mit einem 
Home einen Stoß gegen die linke Ohrseite, so daß sie bewußtlos nieder- 
stürzte. Zuerst soll Blut, dann £iter aus dem Ohre geflossen sein. In 
letzter Zeit hatten sich Schmerzen hinter dem Ohr, Kopfschmerzen und 
Schwindel dazugesellt. 

Auf dem linken Warzenfortsatz, der druckempfindlich war, fand sich 
eine Fistel, welche 1 Vs cm in die Tiefe des Knochens führte. 

Beiderseits wurde chronische Mittelohreiterung, links mit Granulations- 
bildnnff und Senkung der hinteren oberen Oehörgangswand, festgestellt. 

Zwei Tage später ,,Badikaloperation". Caries und Granulationsbildung, 
extradurale Eiteransammlung und Cholesteatom in Paukenhöhle und 
Warzenfortsatz. Auf Grund dieses Operationsbefundes (Cholesteatom) kommt 
Verf. in seinem Gutachten zu dem Schluß, daß es sich bei dem Ohrenleiden 
der Fat. um ein altes, nicht durch den Unfall hervorgerufenes Leiden han- 
delte, dessen Verschlimmerung aber erst durch den Unfall herbeigeführt war. 

Dallmann. 



2. 

Ders^lbe^ Sturz auf das Gesäß — Bluterguß in beide Pauken- 
höhlen. Ebenda 1903, Nr. 10. 

Stark angeheiterter Rechtskandidat fiel in der Nacht eine ganze Treppe 
herab auf das Gesäß. Am nächsten Morgen eingenommener Kopf, starkes 
Ohrensausen und dumpfer Druck in beiden Ohren. Beide Trommelfelle 
dunkelblaurot, vorgewölbt, links Ekchymose. £s handelte sich also um 
beiderseitiges Hämatotympanon. Allmähliche Resorption des ausgetretenen 
Blutes und funktionelle Wiederherstellung. Verf. nimmt an, daO es sich 
nicht um eine Schädelbasisfissur gehandelt hat, sondern nur um eine Ruptur 
von Gefäßen kleineren Kalibers in der Paukenhöhle, deren Tonus durch 
Alkoholwirkung verändert war. Dallmann. 



3. 

Derselbe, Haematotypanum traumaticum durch Sturz auf das 
Gesäß. Ebenda 1903, Nr. 14. 

Dieser Fall ist ein Analogen zu dem vorher mitgeteilten, nur mit dem 
Unterschiede, daß hier kein Sturz von der Treppe die Ursache war, sondern 
ein Sturz auf das Gesäß, nachdem dem Pat. in unangebrachter scherzhafter 
Weise heimlich der Stuhl, von dem er sich erhoben hatte, fortgezogen war. 

11* 



164 XVI. Wissenscbaftliche Kundschau. 

m 

Commotio cerebri indirecta, Commotio labyrinthi utriugque, Haematotym 
paDum traumaticum lateris utriusque waren die Folgen dieses „Witzes* ^ — 
Wiederherstellung. Dalimann. 



4. 

DcTselbe, Entwicklung von Impfpusteln an beiden Ohren bei 
einem Kinde infolge Badens in infiziertem Badewasser. 
Ebenda 19i)3, Nr. 16. 

Ein sicbcnmonatlgcs Kind, das vorher nicht geimpft war, wurde in die 
Müncbener Ohren -Poliklinik mit typischen Impfpusteln an beiden Ohren 
gebracht. Das Kind, das vorher schon an ziemlich starkem Intertrigo hinter 
beiden Ohren gelitten hatte, war von einer alten Pflegerin in ein Bad ge- 
setzt worden^ in welchem kurz vorher ein Kind mit vollständig entwickelten 
und zum Teil geplatzten Impfpusteln gebadet war. Dallmann. 



5. 

Derselbe, Verbrennung des Oehörgan^s und Trommelfells durch 
starke Karbolsäure. Ebenda 19ii3, Nr. 20. 

Durch eine Verwechselung der Flaschen wurde einem 7 jährigen Kinde 
statt Ohrtropfen starke Karbolsäure in den linken Gehörgang geträufelt. 
Ausgedehnte Verbrennung des Gehörganges und des Trommelfells« sekun- 
däre Mittelohreiterung. Heilung der Eiterung nach 16 Tagen, der Hör- 
störung nach vier Wochen. Dallmann. 



6. 

Derselbe, Quetschung der Ohrmuschel, Zerreißung des üehör- 
ganges — völlige narbige Verwachsung desselben. Ebenda 
1903. Nr. 24. 

Von diesem Falle interessieren besonders die epi kritischen Betrach- 
tungen, die Verf. anknüpft. Verf weist auf die falsche Behandlung hin, 
welche die Durchreißung des Gehörganges zu Anfang von anderer Seite ge- 
funden hatte. Nicht als solche wurden sie behandelt, sondern als einfache 
Oberflächenwunde, indem nur Jodoformgaze auf die W^unde gelegt wurde. 
Die Folgen blieben nicht aus ; während bei exakter Tamponade des Gehör- 
ganges und sorgfältiger Behandlung der Granulationsbildung völlige Wieder- 
herstellung zu erwarten war. Als Folge dieser Verletzung kommen in Frage 
die Verminderung der Hörfähigkeit und besonders später auftretende Ent- 
zündungsprozesse, wobei die Atresie durch Herbeiführung von Eiterretention 
direkt verhängnisvoll werden kann. Dallmann. 



7. 

G, SpiesSf Die Bedeutung der Anästhesie in der Entzfindungs- 
therapie. Münchener med. Wochenschr. Nr. 8. 1906. 
Die zahlreichen Versuche führten zu folgendem Kesultat: 

1. Die Entzündung wird nicht zum Ausdruck kommen, wenn es ge- 
lingt, durch Anästhesierung die vom Entzündungsherd ausgehenden, in den 
zentripetalen sensiblen Nerven verlaufenden Reflexe auszuschalten. 

2. Eine schon bestehende Entzündung wird durch Anästhesierung des 
Entzündungsherdes rasch der Heilung entgegengeführt. 

3. Die Anästhesierung hat allein die sensiblen Nerven zu beeinflussen 
und darf aber das normale Spiel der sympathischen Nerven (Vasomotoren) 
•nicht stören. Isomer. 



XVI. Wissenschaftliche Rundschau. 165 

8. 

Si. Sclioengut, Zur Therapie der Otitis externa circumscripta 
und verwandter Affektionen. Deutsche med. Wochenschr. 1906. 
Nr. 43. 

Verfasser berichtet über eine von ihm seit 10 Jahren mit Erfolg an- 
gewandte Behandlungsmethode der Otitis externa circumscripta (Furunkel) 
durch Druck. Der Uehörgang wird mit Gaze, welche vorher mit einer Lö- 
sung von essigsaurer Thonerde getränkt und kräftig ausgedrückt wurde, 
recht fest austamponiert und zwar analog der Nasentamponade. Diese ganze 
Prozedur erscheint anfangs sehr schmerzhaft, nach 5 bis 10 Minuten soll 
jedoch der Schmerz nachlassen; tritt dies nicht ein, so sei dies ein Beweis, 
daß der Tampon zu fest angelegt wurde und gelockert werden muß. Nach 
24 Stunden wird die Tamponade gewechselt, Ausspülungen werden meist 
vermieden. Unter täglichem Tamponwechsel pflegt in mittel schweren Fällen 
nach 5 bis 7 Tagen die Entzündung zu sistieren, und es bilden sich keine 
frischen Furunkel. Nach gänzlichem Versiegen der furunkulösen Entzün- 
dung empfiehlt Verfasser gegen die oft lange anhaltende leichte Schwellung 
der Cutis, die oft mit heftigem Jucken verbunden sein kann. Eingießungen 
von Bor- oder Salicylalkohol. 

In letzter Zeit hat Seh. auch 34 Fälle von Entzündungen des äußeren 
Gehörganges mit Stauungshyperämie behandelt, 33 der behandelten Fälle 
heilten, in einem Fall mußte die Behandlung als erfolglos aufgegeben werden. 
Gerühmt wird die schmerzstillende Wirkung der Stauung, die in einzelnen 
Fällen im Verlauf von einer halben bis einer Stunde eintrat, Am günstigsten 
gestaltete sich der Heilungsverlauf bei Fällen, welche im allerersten Anfangs- 
stadium zur Behandlung kamen, wo der Furunkel noch das Bild der In- 
filtration zeigte. Auffallend war bei den in Abscedierung begriffenen Fu- 
runkeln die rasche Spontanöffnung des Abszesses, gewöhnlich schon einige 
Stunden nach Anlegung der Stauungsbinde. In keinem der behandelten 
Fälle hatte Seh. incidiert, auch nicht bei vollständig „reifen** Abszessen. 

Auf Grund dieser günstigen Erfolge der Stauungsbehandlung (Binden- 
stauung, den Vorschriften Biers entsprechend) hält Verfasser diese Be- 
handlungsmethode vor allem durch ihre Einfachheit und schmerzstillende 
Wirkung den bisher bei den akut entzündlichen Prozessen des äußeren Ge- 
hörganges geübten Heilmethoden überlegen und fordert zu weiteren Ver- 
suchen auf auch bei anderen Erkrankunji^en des äußeren Ohres, z. ß. ge- 
wissen Dermatitiden der Ohrmuschel, perichondritischen Prozessen und dem 
Othaematom. I semer. 

9. 

Denker, Die Membrana basilaris im Papageienohr und dieHelm- 
holtzsche Resonanztheorie. Aus der Festschrift für J. Rosen- 
thal. Georg Thieme, Leipzig 1906. 

Von großem Interesse sind die vergleichend anatomischen und physio- 
logischen Untersuchungen, die Verfasser am Papageienohr angestellt hat, und 
zwar über die in der Membrana basilaris ausgespannten elastischen Fasern und 
über die Möglichkeit die hier gefundenen anatomischen Verhältnisse in Einklang 
zu bringen mit der Helmholtzschen Resonanzhypothese. An 6 Papageien- 
labyrinthen wurde nach Abtrennung der knöchernen Schneckenkapsel der 
Knorpelrahmen (die Basilarmembran ist im Vogellabyrinth befestigt in einem 
Rahmen von knorpelartiger Struktur, der sich vom oberen Anfang der Schnecke 
bis herunter zur Lagena erstreckt und der knöchernen Labyrinthkapsel anliegt) 
mit dem Ductus cochlearis unverletzt herausgenommen; die Präparate wur- 
den zunächst in TOproz. Alkohol aufgehoben, darauf in 50proz., dann in 
35proz gebracht und schließlich in Aqua dest. Gefärbt wurden die Prä- 
parate in sehr dünner Delafieldscher Hämatoxylinlösung, zur Darstellung 
der Radiärfasern mit einer Iproz. alkoholischen Lösung von Kongorot. 

Die Untersuchung ergab beim Vergleich mit den bekannten Befunden 
Am menschlichen Labyrinth vor allem eine große Differenz in der Länge der 
Alembrana basilaris. Während die Länge der menschlichen Basilarmembran 



166 XVi. Wissenschaftliche Rundschau. 

nach RetziuB 33,5 mm betrftgt, war die Membrana' basilaris im Papageienobr 
nur 2,6—2.7 mm lang, die erstere demnach mehr als das 12 fache der letz- 
teren. Auch die Zahl der Fasern war eine sehr verschiedene, und zwar 
fanden sich beim Papageienohr nnr 1200 Fasern gegen 24 000 nach Retzlns 
beim Menschen, also etwa nnr der 20. Teil der im Menschenohr konsta- 
tierten. Die L&nge der Fasern dagegen war beim Papageienohr dieselbe wie 
die der Fasern der menschlichen Basilarmembran (0,495 mm). Hezüglich der 
zweiten Präge, ob die am Papageiohr gewonnenen Untersuchungsergebnisse 
sich mit der Helmholtzschen Resonanztbeorie in Einklang bringen lassen, 
kommt D. auf Grund seiner Untersnchungen zu folgendem Resultat: Die 
in der Membrana basilaris gefundenen verschieden langen 
elastischen Fasern gestatten die Annahme, daU dieselben 
beim Papagei ebenso wie beim Menschen aufzufassen sind 
als ein mechanischer Uilfsapparat, dessen einzelne Saiten 
beim Erklingen eines Tones mitschwingen. Wesentliche neue 
Stützpunkte lOr die Richtigkeit dieser Hypothese haben sieb 
bei der Untersuchung nicht ergeben; es |[ibt uns im Gegenteil 
das Papageienohr noch weitere R&tsel (die relativ kleine Zahl,, 
die ungleichmäßige Veränderung in derLänge und die Schlän- 
gelung der Fasern) auf, für die wir wohl eine notdürftige Er- 
klärung, aber keine Lösung gefunden haben. Isemer. 



10. 

E, Uröantschiisch , M^ni6rescher[Symptomenkomplez nach 
Mumps bei hereditärer Taubstummheit. Wiener med. 
Wochenschr. Nr. 2ö, 1906. 

Mitteilungen folgenden Falles: 12 jähriges hereditär taubstummes Mäd- 
chen litt seit frühester Kindheit an kontinuierlichen, mehrfachen subjektiven 
liehörsempfindungen und zwar herrschte der kontinuierliche Ton — wie 
ein beständiges sss — vor, dem sich zeitweise anscheinend pulsierende Ge- 
räusche, mitunter auch Pfeifen hinzugesellten, und zwar waren die sub- 
jektiven Geräusche rechts stärker als links. Seit 2 Jahren bestand auch 
Schwindel. Januar 1905 erkrankte das Kind an leichter Parotitis, zuerst 
rechts, später auch links. Nach 8 Tagen war der Prozeß abgelaufen. Un- 
gefähr 14 Tage später trat bei dem Mädchen der erste M^ni^resche Anfall 
auf, und zwar setzte er, wie auch die anderen Anfälle, mit äußerst starken 
Gehörsempfindungen ein, öfters auch mit starkem Pfeifen, worauf der 
Schwindel auftrat, dem Übelkeit und Erbrechen folgten. Meist gegen Ende 
des Anfalls tühlte die Kranke heftiges Ohrenstechen. Die Dauer dieser 
Anfälle schwankte zwischen 10 und 15 Minuten, sie traten anfangs 3 — 4 mal 
im Monat auf, später jedoch wöchentlich, meist zweimal und zwar stets 
ganz unvermittelt zu jeder Tageszeit. 

Die Hörprüfung vor der Parotitis ergab : rechterseits wurden die Töne 
der Stimmgabeln und der Galtonpfeife perzipiert, jedoch wesentlich ver- 
kürzt, links bestand nur Perzeption der Stiromgabeltöne von g^ (90 Schwin- 
gungen) bis hl (4bo Schwingungen). Nach der Erkrankung zeigte sich das 
Gehör der rechten Seite unverändert, links dagegen war die Perzeption von 
Stimmgabeltönen vollständig verloren gegangen. 

Die vom Verfasser angewandte elektrokatalytische Behandlung hatte 
schon nach kurzer Zeit wesentlichen Erfolg. Die Zahl der Anfälle nahm all- 
mählich ab, und vor allem wurde die Heftigkeit der einzelnen Anfälle auf- 
lallend geringer. Etwa 7 Wochen nach Einleitung der Behandlung trat der 
letzte Anfall auf, und zwar bestand er nur in Ohrensausen und geringem 
Drehschwindel. Seither (5 Monate) kein Rückfall. Besonders hervorgehoben 
wird vom Verfasser, daß in der letzten Zeit der Behandlung auch die Per- 
zeptionsfähigkeit für tiefere Töne im linken Ohr wieder nachgewiesen wer- 
den konnte. 

U. ist der Ansicht, daß die erwähnten Anfälle durch einen im Gehör- 
organe gelegenen pathologischen Zustand infolge des Mumpses hervor- 



XVI. WisseuBchaftliche Rundschau. 167 

gerufen waren, und zwar vom linken Ohr aus. Für letztere» führt er 
tolgende Argumente an: 

1. Schädigung der F'unktionsfäbigkeit nur des linken Ohres durch die 
Parotitis Schwinden der Anfälle mit dem Wiederauftreten von Hörresten an 
diesem Ohr. 

2. Vorwiegende Lokalisation der während der Anfälle auftretenden 
btirnkopf seh merzen nach der linken beite. 

3. Fallrichtung bei Prüfung des Rombergschen Phänomens in der 
Regel nach links hinten. Isemer. 



11. 

Kuppers, Schalldämpfer. Münchener med. Wochenschrift Nr. 16. 19o6. 
Seite 754. 

E. empfiehlt einen Schalldämpfer, der aus einem über eine Silberdraht- 
spirale geformten Wachskügelchen besteht und einen aus Silberdraht mit 
beide umsponnenen Hügel als Griif zum Einführen der Kugel trägt. Fol* 
gende Vorzüge des Dämpfers werden angeführt: Billigkeit (Antiphon kostet 
3 Mk). Nicht kalt beim Einführen. Kein Druck bei Seitenlage, da sich 
formend. Wachs reizt den Gehörgang nicht, es ist sozusagen kein Fremd- 
körper, vielmehr mit dem Ohrschmalz verwandt. Es formt sich, im Gehör- 
gang erwärmt, nach diesem, weitet ihn also nicht. Die Form der Kugel 
kann beliebig geändert werden, so daß stets guter Abschluß möi^lich ist. 
Der bügel läßt sich genau nach Form der Ohrmuschel biegen. ^£r kann 
(von Benutzung im Liegen abgesehen) auch nach außen stehen, da er bei 
seiner Leichtigkeit die gut haltende Kugel nicht heraushebelt. Das Heraus- 
nehmen ist im Gegensatz zum Antiphon leicht, da die Fingerkuppe in den 
Bügel greift. Das Instrument wird bei Verwenduug bleichen Wachses wegen 
des hautfarbenen Bügels kaum bemerkt. 

Genannter Schalldämpfer ist zu beziehen durch F. Budde, Berlin W. 15, 
Kurfürstendamm 62, L Preis IMk. Isemer. 



12. 

Freidp, Volumineux abscäs du cerveau consöc utif ä une otite 
moyenne purulente. La Presse oto-laryngologique Beige. Nr. 9. 
September 1906. Bruxelles. 

Mitteilung eines Falles von chronischer Mittele lireiterung, der 6 Tage 
nach Aufmeißelung an einem großen Schläfenlappenabszeß , der in den 
Ventrikel durchgebrochen war, zu Grunde ging. Krankheitsverlauf wie auch 
das Sektionsergebnis bieten nichts besonderes.] Isemer. 



13. 

Mulert, Ein neuer Ohrmassageapparat. Monatsschrift für Ohrenheil- 
kunde. 10. Heft. I9ü6. S. 656 ff. 

Ausführliche Beschreibung eines von der „Elektra*", Gesellschaft für 
Licht- und Kraftanlagen in Berlin vertriebenen Ohrmassageapparnts, bei 
welchem als treibende Kraft der iaradische Strom verwendet wird. Zur Er- 
zeugung der Luftdruckschwankungen werden die Vibrationen des Wagner- 
schen Hammers durch ein Hebelwerk auf einen kleinen, durch eine Gummi- 
membran luftdicht abgeschlossenen Luftkessel übertragen und von hier durch 
einen mit einer Ohrolive oder einem S igle sehen Trichter verbundenen 
Gummischlauch in den äußeren Gehörgang geleitet; auf bequeme Weise kann 
auch der Schwingungsausschlag des Wagn ersehen Hammers reguliert wer- 
den. Für den Hausgebrauch ist in dem den ganzen Apparat umschließen- 
den Kästchen ein Trockenelement untergebracht. Der Preis des Apparates 
beträgt etwa 40 M. Isemer. 



168 XVI. Wissenschaftliche Rundschau. 

14. 

Gesellschaft sächsich-thüringischer Ohren- und Kehlkopf- 
Ärzte zu Leipzig, Sitzung am 3. November 1906. 

Dr. Dalimann (als Gast). Klinische Demonstrationen: 1. Tumor 
des äußeren Gehörganges. 44jährige Patientin mit großem Fibroma 
molluscum am linken Oberschenkel und zahlreich pigmentierten Warzen am 
Körper. Der demonstrierte Tumor saß der vorderen unteren Gehörgangs- 
wand auf und verschloß den Gehörgang vollständig. Seiner Struktur nach 
handelte es sich um eine papilläre Geschwulst, einen melanotischen Haut- 
nävus. (Wird an anderer Stelle ausführlich mitgeteilt.) 

2. Vorstellung eines Falles von traumatischem Stirnhöhlen^ 
empyem. Badikaloperation nach Grün er t. Gutes kosmetisches Resultat. 

3. Mitteilung eines Falles von Ohrfeigenruptur, Pneumokokken- 
eiterung, Sinusthrombose, Pyämie; Heilung durch Jugularisunterbindung und 
Sinusoperation. (Wird an anderer Stelle mitgeteilt.) 

Dr. Isemer (als Gast). Zwei Fälle mit otogenem Schwindel, Heilung 
durch Operation. 

Vortragender teilt nach kurzen einleitenden Bemerkungen zwei Fälle 
von Schwindel bei chronischer Mittelohreiterung mit, die vor einiger Zeit 
in der Hallenser Ohrenklinik operiert wurden. Durch das plötzliche, 
apoplexie ähnliche Auftreten des Schwindels, die Hocbgradigkeit des- 
selben und den prompten Heilerfolg unmittelbar nach der Operation 
(Totalaufmeißelung) sind sie von besonderem Interesse. Ausführliche Mit- 
teilung erfolgt an anderer Stelle. 

Professor Barth: In der hiesigen Klinik steht zurzeit ein Fall von 
Warzenfortsatzerkrankung in Behandlung, bei welchem die nach der Ope- 
ration einsetzenden hochgradigen Gleichgewichtsstörungen mit Nystagmus 
und Frbrechen bei jedem Aufrichten mit größter Wahrscheinlichkeit als 
Folgen des gleichzeitig vom Uhr ausgehenden Erysipels angesehen werden 
müssen. Pat. ist am 15. vorigen Monats operiert, hat seit dem 23. wieder 
normale Temperatur, steht seit dem 26. auf. Alle Beschwerden sind bis auf 
Spuren von Gleichgewichtsstörung und kaum noch bemerkbarem Nystagmus 
völlig verschwunden. 

Geheimrat Schwartze: Mitteilung eines Falles von Tod durch Menin- 
gitis nach vergeblichen Versuchen instrumenteller Extraktion eines Fremd- 
körpers aus dem Ohre, Überleitung der Eiterung auf Labyrinth und Schädel- 
höhle durch das runde Fenster. 

Dr. Lauffs demonstriert einen Fall von Sinusverjauchung bei einem 
13jährigen Mädchen, wo Nackensteifigkeit nnd Schmerzen in Höhe der 
ersten zwei Rippen anfangs auf gleichzeitig bestehenden Gelenkrheumatismus 
bezogen wurden, an welchem das Kind früher schon gelitten hatte. 

Die Operation zeigte, daß es sich neben der Sinusverjauchung um einen 
peribulbären Abszeß handelte, der sich aus dem Bulbus entleerte. Die nicht 
thrombosierte Jugularis interna wurde unterbunden. 

Kind jetzt außer einer kleinen , noch nicht übernarbten Stelleim Ohr 
geheilt. 

Professor Barth stellt einen Fall von kaltem Abszeß des knorpeligen 
Septum nar. vor, welcher entstanden ist im Anschluß an ein vor 3 Wochen 
von der Nase ausgehendes Erysipel. Barth. 



XVII. 

Ans der Abteiinng für Ohren-, Nasen- and Halskranke im 
k. n. k. Gamisonsspitale Nr. 1 in Wien (Vorstand: Regiments- 
arzt Privatdozent Dr. C. Blehl). 

Bericht Über die Tätigkeit wälirend der Jahre 1903, 

1904 und 1905.') 

Von 

Regimentsarzt Dr. W. Zemann, 

Sekundarius der Abteilang. 



I. Übersicht der Krankenbewegang in den einzelnen 

Jahren. 



Jahr 


Neu 
zugewachsen 


Vom Vorjahr 
Terblieben 


Summe 


1903 
1904 
1905 


318 
365 
340 


13 

9 

11 


331 
374 
351 



Von diesen wurden entlassen: 



Jfthr 


dienstfähig 


dienstunfähig 




Summe 


In Prozenten 


Summe 


In Prozenten 


1903 
1904 
1905 


206 
243 
233 


62,24 
66,58 
68,33 


114 

110 

98 


34,44 

30,14 
28,62 



Unter den als „dienstunfähig^ bezeiohneten sind aueh solche 
mit einbezogen, welche nach längerem oder kürzerem Urlaub 
oder Bftdergebrauch wieder als dienstfähig zur Truppe ein- 
rückten. 



1) Fortsetzung des Berichtes 1900 bis 1902, erschienen in diesem 
ArchiY Bd. LIX. 

AtoUt f. Ohrenheilkunde. LXX. Bd. |2 



170 



XYII. ZEMANN 



Gestorben sind: 



Jahr 


Samme 


In Prosenten 


Todeenrtaohe 


1903 

1904 
1905 


3 

1 
1 


0,90 

0,27 
0,20 


1. Meningitis basilaris anigehend yon 
einer ohroniaoben Mittelohreitemng. 

2. Caroinom des Mittelobres. 

3. Carcinom der Zange nnd des Rachens. 

Carcinoma laryngis. 
Sarkom der Schädelbasis. 



Die Zubl der Yerpflegstoge betmg : 

1903 5570 

1904 6375 

1905 6832 

Auf eioeii EjrMketi entfallen mithin im Dnrofasohnitt : 

im JaUtt Yerpilegetage 

1903 16,83 

1904 17 

1905 19,5 

Der Zugang in den einzelnen Monaten verhielt sieh folgen- 
dermaßen: 



•s- 


es 


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2 


1 




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1^ 


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M 
O 


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► 
o 

Ö5 


• 

Q 


1903 


39 


29 


35 


40 


28 


10 


21 


14 


12 


49 


27 


14 


1904 


35 


33 


25 


28 


29 


29 


23 


23 


18 


65 


27 


30 


1905 


38 


33 


20 


27 


29 


21 


25 


23 


20 


45 


22 


28 



Außer der Behandlung der in Spitalspflege befindlichen 
Kranken war überdies ein Ambulatorium zu versehen, dessen 
Protokoll im Jahre 

1903 1903 

1904 1904 

1905 2000 
Besucher aufwies. 

Als Ärzte sind neben dem Vorstand der Abteilung noeh 
tätig ein Sekundarius (seit 1902 Regimentsarzt Dr. Zemann), 
weiters 1 bis 2 eiigährig-freiwillige Mediziner, welche nach Er- 
langung des Doktorgrades das zweite Halbjahr dienten. 

Seit 1900 wird das Erankenmaterial zu Unterrichtszwecken 
in der in jenem Jahre neu geschaffenen k. u. k. Militärärztlichen 
Applikationsschule verwendet. 

Der Unterricht wird in 4 Gruppen erteilt und dauert ftlr 
jede Gruppe 4 Wochen 2 Stunden täglich. 



Bericht über die Tätigkeit w&hrend der Jahre 1903, 1904 und 1905. 171 



Außerdem werden in jedem Semester 2 — 3 Kurse f&r Uni- 
versit&tshörer nnd Doktoren gelesen. 

Tabellarisehe Zusammenstellung der Erankheitsformen der in 

Spitalsbehandlang gewesenen Kranken. 

a) Ohrenerkrankungen. 



Diagnose 




Anmerkung 



Ekzem der Ohrmuschel 
Periohondritis anriculae 
Othämatoma anriculae 



Rißqnetsohwnnde der Ohrmuschel . . . 

Angeborener Defekt der Ohrmuschel und 
Verschluß des äni^eren GtohOrganges 

Corpora aliena in meatu auditorio externo 

Gemmen 

Stenose des äußeren Gehörganges . . . 

Otitis externa circumscripta .... 

Otitis externa diffusa 

Circumscripte Nekrose der knöchernen 
Gehörgangswand 

Myringitis acuta 

Rnptura myringitis traumatica .... 

Bleibende, trockeue Durchlöcherungen 
des Trommelfells 

Akuter Mittelohrkatarrh 

Chronischer Mittelohrkatarrb^) . . . 

Seröser Mittelohrkatarrh ^) 

Akute Mittelohreiterung 

Chron. Mittelobreiterung d. Schleimhaut 

Chron. Mittelobreiterung d. Knochen . 

Tubenkatarrh 

Labyrinthaffektion 

Taubheit nach Mumps 

Taubheit nach Meningitis 

Schwerhörigkeit nach Tabakmißbrauch 

Otalgia neryoea 

Ohrensausen ohne objektiven Befund 

Normaler Befund 



1 




l 


l 


1 


— 




l 


1 

l 


1 


1 


l 


— 


2 


1 


11 


9 


6 


3 


7 


8 


1 
2 


2 


2 


5 


7 


6 


2 


7 


12 


16 


8 


13 


31 


19 


22 


13 


17 


12 


48 


41 


40 


36 


46 


25 


23 


35 


27 
2 
5 


1 


4 


1 


1 


1 


1 


1 
2 


3 

1 
18 


20 


25 



In beiden Fftllen konnte 

ein Trauma nicht nach« 

gewiesen werden. 

Nach Hufschlag. 

Die Hörprüfung ergab 

Taubheit a«f diesem 

Ohre 

WeizenkOrner, Hafer- 
rispe. 

Nach Verätzung mit 
Säuren. 



Nach Otitis externa 
circumscripta 

Ein Fall kompliziert m. 
Fissur d. Schädelbasis. 



u. deren Folgesustände. 



1) Diese Eintellang basiert auf der am Karlsbader Natarforschertage mit- 
geteilten Erörterung. (Siehe Wiener med. Wochenschrift „Milit&rarst'* 1903 
Nr. 3 und 4). 

12* 



172 



XYII. ZEMANN 



Erkrankungen der Nase, des Mundes, des Rachens 

und des Kehlkopfes. 



Diagnose 




Ekzem der Naie 

Erysipel der Nase 

Lues der äußeren Nase 

Furunkel der Nase 

Erweiterte Gefäße am Septum narium . 
Rhinitis chronica atrophicans . . . . 
Rhinitis chron. hypertrophicans diffusa 

Polypen der Nase 

Blutender Septumpolyp 

Deviatio et Luxatio septi narium . . . 

Spina septi 

Septum abssess 

Luxation d. 1. os. nasale 

Papillomata septi narium 

Chronische Eiterungen der Stirnhöhle . 
Akute Eiterungen der Stirnhöhle . . . 
Akute Eiterungen der Oberkieferhöhle . 
Chron. Eiterungen der Oberkieferhöble . 

Ohoanalpolyp 

Sarkom des Raohendaches 

Kiefer-Cysten ........ 

Phlegmone des Mundbodens .... 

Carcinom des Mundes und Rachens . . 

GingiTitis mercurialis 

Karies der Zähne (Epulis Parulis) . . 

Adenoide Wucherungen 

Angina phlegmonosa 

Angina lacunaris 

Angina catarrhalis 

Angina ulcerosa 

Hypertrophie der Tonsillen 

Pharyngitis acuta 

Pharyngitis chron 

Larynxstenose 

Laryngitis acuta catarrhalis 

Laryngitis catarrhalis chronica. . . . 

Laryngitis tuberculosa 

Lues laryngis 

Stimmlippenpolyp 

Papillomata laryngis 

Perichondritis laryngis ...... 

Carcinom der Epiglottis 

Paralytische Aphonie 

Spastische Aphonie 



2 

1 

l 
2 

7 
3 

4 
1 
1 
1 

1 
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Anmerkung 



1. Fall n. Typhus ab- 
dominalis, der 

2. nacheineri.d. Kind- 
heit wegen Diphth. 
d. Larynx ausgef. 
Laryngotomie. 



Beide Fälle n. Typhus 
abdom. 



Bericht über die Tätigkeit während der Jahre 1903, 1904 und 1905. 173 



Übersicht der Operationen. 



BenennuDg der Operation 




Anmerkung 



Operationen an der Ohrmuschel: Eröff- 
nung von perichondritischen Abszessen, 
Entfernung von kleinen Geschwülsten 

Entfernung eines Papilloms aus dem 
äußeren GehOrgang . , 

Entfernung von Granulationen und eines 
Sequesters aus dem äußeren Gehör- 
gang 

Trommelfellsohnitt 

Entfernung von Granulationswacherungen 
aus dem Mittelohr ....... 

Extraktion der äußeren Gehörknöchel- 
chen 

Trepanation d. Proc. mast. — Eröffnung 
des Antrum ad cellulas m 

FreilegUDg sämtlicher Mittelohrräume 

.inklusive der intrakraniellen Kompli- 

plikationen. Extraduralabszeß. Sinus - 

thrombose 

Abtragung von hypertrophischer Nasen- 
schleimhaut an den Muscheln, sowie 
Entfernung der hypertrophischen hin- 
teren Enden 

Entfernung von Nasenpolypen .... 

Entfernung ron Choanalpolypen . . . 

Abtragung von Cristae und Spinae septi 
narium 

Abtragung von blutenden Septumpolypen 

Entfernung eines Nasensteines .... 



Sabmnköse Resektion 
Septumpartien . . 

Faraffininjektion . . 



von deviierten 



Eröffnung der Oberkieferhöhle von der 
Alveole aus 

Badikaloperation nach Galdwell-Luc. 

fiadikaloperation wegen Stirnhöhlen- 
eiterung (Euhnt) 

Operation von Zahncysten 

Adenotomieen 

Tonsillotomieen 

Abtragen von Stimmlippenpolypen . . 

Exstirpation des rechten Stimmbandes . 



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Die Entfernung erfolgte 

m. d. galvanokaustisch. 

Schlinge. 



Der Kern desselben war 
eine Wachholderbeere. 



Zur Korrektion von 
Sattelnasen. 



Nach Laryngofissur 

wegen Ca Entartung 

desselben. 

Zu diagnostischen 
Zwecken. 



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Bericht über die TUigkelt w&hrend der Jabre 1903, 1904 und 1905. 181 



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182 XVII. ZEMAKN 

18 akute Wanenfortsatz-Empyeme wurden genau bakterio- 
logisch untersucht. 

In allen Fällen wurde die mikroskopische Untersuchung vor- 
genommen und Kulturen angelegt, bei einielnen wurde auch der 
Tierrersuch gemacht. 

Diese bakteriologischen Untersuchungen wurden in liebens- 
würdiger Weise vom bakteriologischen Laboratorium des k. und 
k. Militärsanitfttskomitees (Vorstand Regimentsarzt Dr. R. Dörr) 
ausgeführt. 

Gefunden wurden: 

8 mal Streptococcus pyogenes albus in Reinkultur. 

4 c Diplococcus pneumoniae in Reinkultur. 

2 ^ Tuberkelbadllen mit anderen (nicht genau untersuch- 
ten) Mikroorganismen. 

2 mal Staphjloooccus pyogenes albus rein. 

1 s Bacillus pneumoniae Friedl&nder rein usw. 

1 i Bacterium coli commune. 

Am häufigsten waren demnach die Streptokokken-Empyeme. 

Der Verlauf dieser Empyeme war ein ganz charakteristischer, 
und zwar entwickelte sich: 

1. Das Empyem immer im Anschluß an eine Mittelohreiterung. 

Die vorausgehende Eiterung war von Anfang an schwer. 
Die subjektiven und objektiven Erscheinungen derselben ent- 
wickelten sich sehr rasch. Fieber war immer vorhanden. Sehr 
bald, oft schon nach 36 Stunden, kam es zum Durchbruch des 
Trommelfelles, wenn nicht schon frfiher durch Paracentese dem 
Eiter Abfluß geschaffen wurde. 

Von den subjektiven Symptomen waren die Schmerzen be- 
sonders stark. 

2. Sehr bald nach dem Einsetzen der Eiterung kam es zu 
Erscheinungen von selten des Warzenfortsatzes. Es dauerte nur 
4 bis höchstens 10 Tage vom Einsetzen der Mittelohreiterung an 
gerechnet, daß die ersten subjektiven und objektiven Symptome 
eines Warzenfortsatz-Empyems auftraten. 

3. Die durch die Eiterung im Knochen erzeugte Zerstörung 
war in verhältnismäßig kurzer Zeit sehr bedeutend. 

Wenngleich auch sehr bald nach dem Einsetzen der Empyem- 
symptome operiert wurde — es vergingen höchstens 2 Tage — 
so war doch schon der Warzenfortsatz zum größten Teil zerstört, 
in einem Fall war auch ein Teil der Schuppe bis zur Dura ein- 



Bericht über die Tätigkeit w&brend der Jahre 1903, 1904 und 1905. 183 

geflchmoken, der durch die Operation erzengte Defekt war immer 
groß, der Sinns mnBte in fast allen Fällen bloßgelegt werden. 

4. Das Allgemeinbefinden der Kranken wnrde dnreh die 
Eitemng — ohne daß man von einer Allgemeininfektion spreohen 
konnte — sehr nngfinstig beeinflußt. 

Die Kranken kamen sehr herab, erholten sich nnr sehr lang- 
sam, dementsprechend war aneh der Wnndrerlanf sehr protrahiert 

Die Pneumokokken-Empyeme waren in 3 Fällen (von 4) pri- 
märe, bei den Staphylokokken-Empyemen wnrde 1 mal Sequester- 
bildong im Processus mastoidens beobachtet 

Das durch Bacterium coli commune erzeugte Empyem zeigte 
folgende Eigentümlichkeiten. 

Die dem Empyem vorausgehende Eitemng begann am 1 1. Ok* 
tober 1904. Die Sekretion war sehr gering, das Sekret ttbel- 
riechend und serös, Schmerzen waren nie vorhanden. Das Trom« 
melfell war leicht gerötet, die Einzelheiten angedeutet, unter 
dem Umbo ein pulsierender Lichtreflex. Die Hörschärfe in der 
Luftleitung stark (Flüstersprache unter 1 m) herabgesetzt Die 
Temperatur normal. Dieser Zustand verblieb bis zum 30. No- 
vember abends. An diesem Tage — also nach etwa 7 Wochen — 
stieg die Temperatur auf 40,1 <^, gleichzeitig trat Druckschmerz 
an der Spitze auf. Am 31. früh betrug die Temperatur noch 
immer 40,1<>, die Sekretion wurde stärker, auch die Schmerzen 
im Proc. mastoidens hatten zugenommen. Um 9 Uhr vormittags 
wurde operiert. Trepanation des Warzenfortsatzes, Eröffnung 
des Antrum. Die großen Zellen des pneumatischen Warzenfort- 
satzes waren mit serösem Exsudat erfüllt, die Zellwände erhal- 
ten. Nur nach außen* vom Antrum waren einige mit Eiter er* 
füllte Zellen. Nach der Operation Temperaturabfall und weiter- 
hin normaler Verlauf; am 15. Januar konnte der Patient wiederum 
seinen Dienst versehen. 

Die Nachbehandlung der operierten Warzenfortsatz-Empyeme 
war folgende: 

Primäre Empyeme wurden nach sorgfältiger Entfernung aller 
kranken Knoohenteile primär genäht und heilten in kürzester 
Zeit , etwa 3 Wochen , vollkommen aus. Auch bei sekundären 
Empyemen wurde nach Ablauf der Mittelohreiterung nachträg- 
lieh die Vereinigung der Hautränder bis auf einen kleinen Teil 
im unteren Wundwinkel vorgenommen und dadurch eine Ver- 
kürzung der Heilungsdaner erzielt. 

Weniger günstig waren die Versuche ausgefallen, die Knochen- 



184 XVII. ZEMANN 

höhle mit der Plombe nach Mosetig-Moorhof zu füllen und 
darttber zn nähen ^). Zur Füllung wurden teils Original Jodo- 
formknoohenplomben, teils eine Modifikation derselben mit Vio- 
form verwendet. Auf diese Art wurden ein primäres Empyem 
und zwei sekundäre Empyeme behandelt. Es gelang aber in 
keinem dieser Fälle, eine Verheilung der Hautwundränder über 
der Plombe zu erzielen. Immer blieb eine Fistel zurück, durch 
welche allmählich die Plombe wieder ausgestoßen wurde. Die 
Regeneration des Knochengewebes wurde dabei offenbar verhin- 
dert; denn gerade in diesen Fällen war der Defekt im Knochen 
nach der Ausheilung groß. 

Bei 15 Fällen chronischer Mittelohreiterungen wurden vor 
der Operation (Ausräumung sämtlicher Mittelohrräume) sowie 
nach der Ausheilung eine genaue Prüfung der Hörschärfe vor- 
genommen. 

Bei 5 von diesen Fällen war das Hörvermögen nach der 
Operation besser, 5 Fälle bliebiBn bezüglich der Hörschärfe un- 
verändert. Fünf endlich hörten nach der Operation schlechter 
als vor derselben. 

Von den drei letal verlaufenen Fällen kam leider nur einer 
zur Sektion. Von den beiden anderen sei nur erwähnt, daß beim 
(1.) Kontreadmiral M. Ritter von P. (Seite 178, Nr. 15) der Tod 
nicht durch das Ohrenleiden, sondern durch sein Allgemeinleiden 
(Diabetes Nephritis chronica, Vitium cordis) herbeigeführt wurde. 

Er starb im Goma diabeticum. 

2. Fr&ulein J. P. (Seite 176, Nr. 2) kam mit einem akuten Empyem des 
linken Proc. maat nach akuter Mittelohreiterung in Behandlung und wurde 
am 28. Februar 1904 operiert. Der Warzenfortsatz war hochgradig zerstört 
An der Übergangsstelle des Sinus transversus und des Sinus sigmoideus war 
ein kleiner perisinuöser Abszeß, die Sinus wand war mit Granulationen be- 
deckt, der Sinus pulsierte und wurde nicht eröffnet. 

Am 29. März erfolgte der Tod unter ausgeprägt meningitischen Erschei- 
nungen. Die Obduktion wurde nicht gestattet. 

Trotzdem alle erkrankten Knochenteile entfernt wurden, mußte doch 
eine kranke Stelle zurückgeblieben sein, die die Leptomeningitis ver- 
mittelte. 

3. Feuerwerker Josef Holl, 30 Jahre alt Aufgenommen am 4. Septem- 
ber 1903. 

Anamnese. Seit Februar 1903 bestehen angeblich nach einer Ver- 
kühlung leichte Schmerzen und Ausfluß rechts. Patient wurde anderwärts 
bis August 1903 behandelt, es sollen „Polypen entfernt und das Ohr öfters 
durchgeblasen worden sein". 

Da aber das Leiden sich nicht besserte, in letzter Zeit auch heftige 
Kopfschmerzen hinzutraten, wurde der Feuerwerker unserer Abteilung zuge- 
wiesen. 22. August. Schon damals wurde ihm dringend die Notwendigkeit 
einer Operation ans Herz gelegt; doch konnte er sich hierzu nicht ent- 
schließen, sondern verließ am 2. September ungeheilt das Spital, nachdem 

1) Biehl, Münchner med. Wochenschrift 1903 Nr. 34. 



Bericht über die Tätigkeit während der Jahre 1903, 1904 und 1905. 185 

er in einem Revers bestätigte, daß er auf die Folgen dieser seiner Hand- 
lungsweise Yon den Ärzten der Abteilung aufmerksam gemacht wurde. 

Zunehmende Kopfschmerzen, leichte Schwindelerscheinungen, sowie hie 
und da auftretendes Erbrechen veranlaßten ihn, am 4. September wiederum 
das Spital aufzusuchen. 

Status praesens: Mittel^oßer, kräftiger Mann, etwas bleich. Die 
Pupillen gleichweit, prompt reagierend. Facialisinnervation beiderseits gut. 
Der Augenhintergrund normal. Herz, Lunge ohne pathologische Verände- 
rungen. Im Harn kein Zucker, kein Eiweiß. 

In der Umgebung des rechten Ohres keinerlei Veränderungen. Im 
äußeren Gehörgang spärliche Mengen eines tLbelriechenden Sekretes. Das 
Lumen des Gehörganges durch Senkung der hinteren oberen Wand schlitz- 
förmig verengt. Von der Membran ist nur die hintere untere Randzone er- 
halten, die sichtbare Paukenhöhlenschleimhaut ist granulierend. 

Links bestehen annähernd normale Verhältnisse. 

Funktionsprüfung: Die Hörschärfe für die akzentuierte Flüster- 
stimme beträgt rechts knapp 5, links über 6 m. Weber nach rechts, Rinne 
rechts negativ, und zwar 5". 

Die Ubr in der Luftleitung rechts in continuo, links 10 cm. In der 
Enochenleitung an der Schläfe und am Proc. mastoideus wird die Uhr gut 
gehört. 

Nach dem Drehen um die .eigene Eörperachse (Drehstuhl) leichtes 
Schwanken mit der Tendenz, nach links zu fallen. Dabei kein Nystagmus. 
Beim Aufrechtstehen mit geschlossenen Augen merkt man keine Unsicher- 
heit. ^ Die Nasengänge sind mittelweit. Rachendach und Ghoanen sind frei. 
Die linke Tube ist gut durchgängig, die rechte wurde daraufhin nicht unter- 
sucht. Die Temperatur am Abend des Aufnahmetages 37,S ^ Der Appetit ist 
sehr gering, die Zunge belegt. 

5. September. Abends Erbrechen, heftige Kopfschmerzen. Tempera- 
tur 37,8 •. 

6. September. Die Venen des Augenhintergrundes rechts sind stärker 
gefüllt. Temperatur abends 37,8^. Kein Erbrechen. 

7. September. Heftige Kopfschmerzen , kein Appetit, die Nacht wurde 
schlaflos verbracht, Patient ist sehr aufgeregt. 

7. September 9 Uhr 30 Min. vormittags. Aufmeißelung sämtlicher Mittel- 
ohrräume von innen nach außen. (Modifikation von Stake nach Biehl.) 
Die Weichteile über dem Proc. mastoideus sind nicht verändert. 

Die Corticalis des Proc. mastoideus ist sklerotisch sehr dick. Das In- 
nere des Warzenfortsatzes bildet eine einzige große, mit Granulationen und 
Eiter erfüllte Höhle. Der Knochen ist soweit erkrankt, daß der Sinus im 
Bereiche des Warzenfortsatzes freigelegt wird. Die Sinuswand ist normal, 
der Sinus pulsiert. Nach hinten und oben vom Antrum führt medianwärts 
vom Sinus eine Knochenfistel, die bis zur Dura reicht. Nach Erweiterung 
der Fistel kommt man an die hintere Wand der Pyramide. Die den Defekt 
deckende Dura ist mit Granulationen bedeckt, Hammer und Amboß sind 
intakt und werden entfernt. Im Mittelohr sind kleine Granulationen an der 
Promontorialwand. 

7. September. Patient ist 2 Stunden nach der Operation erwacht. Ist 
sehr matt und klagt über Kopfschmerz in der linken Stirngegend. Tempe- 
ratur abends 37,6 ^ 

8. September. Subjektiv wöhler. Temperatur 37,6**. Um 11 Uhr ist die 
Temperatur auf 38,9^ gestiegen. Hochgradige Aufregung, Patient deliriert. 
Schmerzen und Steifigkeit im Nacken, Kernig. 

9. September. Temperatur früh 4 1, 3 ^ vollständige Benommenheit. Die 
Pupillen sind ungleich — die linke sehr weit, die rechte enge und reagieren 
nicnt. — Puls sehr gespannt, 94. Um 9 Uhr vormittags Verbandwechsel. Die 
Wunde ist frisch. Um tO Uhr unfreiwilliger Abgang von Stuhl und Harn. 
Die Atmung aussetzend. Sensorium vollständig benommen; um 1 Uhr 30 Min. 
Exitus. 

Auszug aus dem Sektionsprotokoll. 

Diagnosis post mortem: Meningitis purulenta. Die harte Hirnhaut 

Arohiv f. Ohrenheilkimde. Bd. LXX. 13 



186 XVII. ZEMANN 

ist gespannt, zart, blutreich. Die Gefäße der weichen Hirnhaut sind stärker 
gefält. Die Gyri ziemlich abgeplattet. 

An der Basis, besonders im Bereiche des Chiasmas der rechten Fossa 
SvIyü, des rechten Großhirnschenkels und an der Seite der rechten Elein- 
hirnhemisph&re ist der Subarachnoidealraum mit grünlich-gelbem Exsudat 
erfOllt. Die Sinus sind mit flüssigem Blut gefüllt. An der hinteren Fläche 
der Pyramide, medial vom Sinus, ist die Dura etwas gerötet und löst sich 
hier leichter Tom Knochen ab. Nach Ablösen dieser an der Oberfläche 
intakt erscheinenden Dura trifft man auf einen rundlichen Defekt (?on 
etwa 4 mm Durchmesser). Durch diesen medial vom Sinus liegenden Defekt 
gelangt man in das Antrum. Die Knochenränder des Defektes sind zackig, 
rötlich verfärbt. 

Medialwärts vom Defekt bis zum Perus ac. internus ist die CorticaliB 
der hinteren Pyramidenfläche stärker gerötet, im Porus selbst eine kleine 
Eiteransammlung. Die Labyrinthwand der Paukenhöhle ist mit Granula- 
tionen bedeckt, das innere Ohr ist unverändert. 

Epikrise. Der Mann starb an einer nach der Operation 
rapid verlaufenden Meningitis. 

Schon während des ersten Spitalaafenthaltes waren menia- 
geale Reizerseheinungen bei ihm vorhanden, als er zum zweiten 
Male kam, waren sie schon deutlich ausgeprägt. 

Die Operation sollte dem weiteren Vorschreiten des menin- 
gealen Prozesses Einhalt tun und erzielte gerade das Gegenteil. 
Wie kam die Infektion der Meningen zustande? 

Eine Kontinuität des Prozesses ist nicht nachweisbar. Es ist 
nur denkbar, daß die Eiterung durch den Defekt medial vom Sinus 
an die hintere Pyramidenfläche gelangt war und dort subdural 
bis zum Porus acusticus internus sich verbreitete. Von dort aus 
erfolgte längs des Facialis und Acusticus die Infektion der Me- 
ningen. Sicherlich hätte die Eiterung auch spontan diesen Ver- 
lauf genommen; es kann aber nicht geleugoet werden, das 
durch die Vorgänge bei der Operation, Erschütterung durch die 
Meißelschläge, Narkose, der Prozeß beschleunigt wurde. 

Bei der Operation wurde die Eiterung bis zur Dura ver- 
folgt. Die Dura war an ihrer Unterfläche mit Granulationen, 
-dem natürlichen Schutzwall des Schädelinneren gegen Infektion 
von außen bedeckt. Da die Wegleitung hier endete, lag kein 
Grund vor, dieselben zu reizen oder gar zu entfernen. Auch die 
Sektion bestätigt dies, denn es konnte keine Kontinuität zwischen 
der Erkrankung im Knochen und der Infektion der Meningen 
nachgewiesen werden. 

Über die Behandlung der akuten wie der chronischen Eite- 
rungsprozesse im Mittelohre wird in einer anderen Arbeit be- 
richtet werden, ebenso über die Vornahme und Kesultate der 
Hörprüfungen, durch welche die Standesverhältnisse der Armen 
in ganz bestimmter Richtung beeinflußt werden. 



XVIII. 

Aus der Universitätsklinik für Ohren-, Nasen- und Halskrank- 
heiten zu Leipzig (Direktor: Prof. Dr. Barth). 

Ober Proteus vnlgaris bei Ohreiternngen. 

Von 

Dr. med. J. Lauffs, 
I. Assistenzarzt. 

(Schluß). 



Fall 5. Enrt B., 4 Jahre alt. £xtradaraler Abszeß. 

Vor einem Jahre ist bereits die akute Aufmeißelung gemacht worden. 
Zur Zeit starke fluktuierende Schwellung hinter dem Ohr, Senkung der Oe- 
hörgangswand. 

11. Mai 1906. Spaltung des stark stinkenden Abszesses durch 
0?alär8Chnitt, Knochen muldenförmig. In der Mitte der Mulde, etwa der An- 
trumgegend entsprechend, liegt in Erbsengröße Atheromwandung frei zutage. 
Ausgedehntes Atherom aller Mittelobrräume , das an der mittleren 
Schädelgrube an mehreren Stellen schon der Dura anliegt. 
Letztere ist granuliert. 

Bakteriologische Untersuchung: Im hängenden Tro- 
pfen nach der Operation kurze Stäbchen mit sehr lebhafter Eigen- 
bewegung und kurze Streptokokken. 

Bouillon ist am folgenden Tage stark getrübt und riecht 
faulig. 

Drei Agarplatten und drei Gelatineplatten werden 
gegossen. 

Gelatineplatten: Kleine farblose Kolonien, welche die 
Platten innerhalb zweier Tage vollständig unter starkem Ge- 
stank verflüssigt haben. 

Agarplatten: Große graugelbliche, glänzende, erhabene^ 
durchsichtige Kolonien, die oberflächlich zahlreiche Ausläufer 
bilden und ineinander wachsen. Es wird von diesen weiter 
geimpft. 

Agar-Stich: Am folgenden Tage in ganzer Tiefe gewach- 
gen mit oberflächlicher Ausbreitung von der Art der Kolonien. 

13* 



188 XVIII. LAÜFFS 

Agar-Strioh: Verbreiteter glänzender, durchsichtiger Strich, 
im unteren Teil über die ganze Fläche verbreitet. 

Gelatine- Stich: In ganzer Tiefe gewachsen, Oberfläche 
verflüssigt. 

Milch: Nicht koaguliert, alkalisch. 

Traubenzuckeragar: Keine Gasbildung. 

Demnach: Proteus vulgaris. 

Streptokokkenkolonien waren hier ebenso wie bei dem vorigen 
Fall in der Kultur nicht zu finden, obwohl sie gleich nach der 
Operation im hängenden Tropfen nachgewiesen worden waren« 

Fall 6. Gertrud R., 9 Jahre alt. Sinusverjauchung, Kleinhirn- und 
Hinterhauptlappenabszeß, Exitus. 

Linkes Ohr soll schon seit Jahren gelaufen haben, so daß bereits früher 
die akute Aufmeißelung gemacht werden mußte. Vor 8 Tagen ging Pat. noch 
in die Schule, wurde aber wegen Übelkeit aus derselben entlassen. Bei der 
Aufnahme Schüttelfröste, Totaldefekt des Trommelfells, Granulation in der 
Paukenhöhle. Hinter dem Ohr fluktuierender Abszeß. Odem der linken Ge- 
sichtsh&lfte. Puls stets über 100. Kind gibt klare Antworten, Kopfschmer- 
zen, Übelkeit, Kackensteifigkeit fehlen. Kein Erbrechen, Nystagmus oder 
Schwindel. Temperatur 40,5°. 

16. Mai 1906. Totalaufmeißclung. Bei der Incision tritt stark stin- 
kender jauchiger Eiter aus, der Knochen ist durchbrochen von einer 
Fistel, aus der bei Freiiegung eben falls Jauche bis zu 1 Vs Eßlöffel austritt. 
Antrum ist mit stinkendem Cholesteatom ausgefüllt, ebenso Pauken- 
höhle und Recessus epitympanicus. Dura der mittleren Sch&delgrube ist 
gesund, die den Sinus und das Kleinhirn bedeckende Yitrea ist dagegen ne- 
krotisch, schmutzig-grau aussehend. Knochen wird in großer Ausdehnung 
in der Richtung nach dem Hinterhaupt und nach dem Bulbus zu fortgenom- 
men. Die dadurch aufgedeckten Partien des Sinus und Kleinhirns sehen 
schmutzig-gelb aus (Pachymeningitis). Die Sinuswand bildet einen festen 
Strang. 

18. Mai. Jauche tritt aus der Gegend des Bulbus aus. Des- 
halb Unterbindung der Jugularis int. und Y. facialis. Sinus wird nach hin- 
ten oben in seinem Verlauf noch weiter freigelegt. Die laterale Sinuswand 
wird gespalten und abgetragen. Hierbei zeigt sich, daß die Wand durch 
septischen Belag erheblich verdickt, das Lumen selbst aber nicht von einem 
Thrombus ausgefüllt ist. 

Beschwerden fehlten, cerebrale Symptome konnten niemals mehr nach- 
gewiesen werden. Wunde sah gut aus, Pieber ließ nach. Dennoch Kräfte- 
verfall. 

4. Juni. Abends Exitus. 

Sektion: Innere Organe ohne Besonderheit. Peripher nach 
der Protub. occip. zu war in dem Sinus transversus ein etwa 
IV2 cm langer Thrombus. Von diesem aus führte eine Fistel 
nach unten in einen Eleinhirnabszeß, eine Fistel nach oben in 
einen Hinterhauptlappenabszeß. Jenseits dieser Fistel war eben- 
falls wieder ein Thrombus. 

Dieser Abszeß hatte also, mit Ausnahme des anfangs hohen, 
zuletzt geringen Fiebers bei Lebzeiten keine Symptome hervor- 
gerufen. 



Tiber Proteus vulgaris bei Obreiterungen. 189 

Bakteriologische Uütersuehang: Oleieh nach der 
Operation im hängenden Tropfen Stäbchen, Diplokokken und 
Streptokokken. 

Bouillon am folgenden Tage sehr stark getrübt^ stinkt faulig 

Drei Agar- und drei Gelatineplatten werden gegossen. 
Es lassen sich nur Stäbchenkolonien nachweisen. 

Auf Gelatineplatten bilden diese kleine bläuliche Kolo- 
nien, welche die Gelatine nach 2 Tagen vollständig verflüssigt 
haben. Diese Platten stinken stark. 

Auf Agar platten wachsen gelbliche, durchsichtige, etwas 
erhabene, fettig glänzende Kolonien mit anfangs strahlenförmigen 
Fortsätzen; dann aber breitet sich flber die ganze Platte der 
Belag aus. 

Agar-Stich: Bei Weiterimpfung in ganzer Tiefe gewachsen 
mit oberflächlichem Belag wie bei Kolonien. 

Agar-Strich: Ebenfalls über die ganze Oberfläche glän- 
zender, erhabener, durchsichtiger Belag. 

Kartoffel: Schmutzig-graue Auflagerung. 

Milch: Nicht koaguliert, alkalisch. 

Traubenzuckeragar: Keine Gasbildung. 

Demnach: Proteus vulgaris. 

Agglutinationsversuche, die mit dem Serum des Kin- 
des und obiger Proteusbouillon in Verdünnungen ' von 1:10, 30, 
50, 100, 1000 nach dem Tode gemacht wurden, fielen negativ aus. 

Bemerkt sei noch, daß das Wachstum und Aussehen dieser 
Kolonien auf sämtlichen Nährböden genau dasselbe wie in 
Fall 5 war. 

Das Bact. vulgare fand ich demnach 6 mal, und zwar 2 mal 
in Reinkultur, 3 mal zusammen mit Streptokokken, und 1 mal 
gleichzeitig mit Streptokokken und Diplokokken. 

Die otitischen Komplikationen, bei denen es vorkam, waren 
1 mal Schläfenlappen-Kleinhirnabszeß, 3 mal perisinuöser, 1 mal 
subdnraler und 1 mal Kleinhirn- und Hinterhauptslappenabszeß 
mit gleichzeitiger Sinusverjauchung. 

3 mal trat der Exitus ein. Die zwei ausgeführten Aggluti- 
nationen fielen negativ aus. 

Nach dem Mitgeteilten scheint die Schlußfolgerung nahe zu 
liegen^ daß eine große Malignität diesen Fäulniserregern anhaftet, 
wenn sie entweder in Reinkultur oder als Mischinfektion bei otiti- 
schen Erkrankungen sich vorfinden. Um jedoch diese Annahme zu 



190 XVIII. LAÜFFS 

klären, war eine weitere Zusammenstellung von Material unbedingt 
erforderlich. Eine wertvolle Bereicherung bei der Zusammenstellung 
der Ergebnisse wurde mir zunächst durch Untersuchungen zu 
teil, die Herr Dr. Bischoff bereits vor mir über die durch Auf- 
meißelung aufgedeckten Mastoideiterungen anstellte, und deren 
Resultate er mir in der liebenswtlrdigsten Weise vor ihrer aus- 
fllhrlicheren Veröffentlichung zur Verfügung stellte. Unter seinen 
52 untersuchten Fällen ist von ihm Proteus 5 mal als Erreger 
angegeben. 

Die Krankengeschichten, ebenfalls der hiesigen Universitäts- 
Ohrenklinik entnommen, sind folgende: 

Fall 7. Eduard S., 2S Jahre alt. Kleinhirnabszeß, Heilung. 

Seit 14 Jahren Ohreiterung links, seit 14 Tagen Kopfschmerzen, seit 
3 Tagen etwas Benommenheit, starke Schmerzen bei Bewegung des Kopfes, 
links Granulation in der Tiefe des Gehörgangs. 

13. April 1904. Typische Totaloperation, großer stinkender epi- 
duraler Abszeß. Atherom. Die ganze Dura der hinteren Schädelgrube 
und des Sinus ist übergranuliert. Große schwarze, schmutzig verfärbte Stelle 
auf der Dura. £in fistulöser Gang läßt sich nicht finden. 

lö. April. Schwere Somnolenz ist unter zunehmendem Schwindelgefflhl 
eingetreten. An der mißfarbigen Durastelle wird eine Punktion des Klein- 
hirns mit dem Hirnmesser vorgenommen. Es quillt unglaublich stin- 
kender, ganz eingedickter Eiter hervor,* im ganzen mindestens ein 
halber Tassenkopf voll. Der Abszeß erstreckt sich etwa SVs cm nach innen 
hinten und unten. — Patient wurde später geheilt entlassen. 

Bakteriologische Untersuchung des Kleinhirneiters: 

Kokken in Diploanordnung undBaot. vulgare. 

(Letzteres zeigt auf Agar reichliches Wachstum, durchsichtig, auf 

Gelatine Fortsätze sendend und den Nährboden verfltlssigend, leb. 

hafte Gasbildung auf Zuckeragar.) 

Fall 8. Ida S., 39 Jahre alt. Kleinhirnabszeß, Exitus. 

Seit Kindheit Ohreiterung, seit 5 Tagen unter hohem Fieber starke 
Schmerzen, häufig Erbrechen. 

Bei der Aufnahme leichte Somnolenz. Im Gehörgang große, von Jauche 
bedeckte Polypen. 

24. Mai 1904. Totalaufmeißelung. Verjauchtes Atherom im An- 
trum. Spitze ist mißfarbig, blutleer, wie der septisch erkrankte Scharlach- 
knochen. Ein Herd zieht sich nach hinten in die Sinusgegend, und als dieser 
freigelegt wird, quillt pulsierend stinkender Eiter aus der hinteren Schädel- 
grube. Der Sinus zeigt entsprechend der Abszeßstelle eine mißfarbige gra- 
nulierende Zone. 

26. Mai. Hohes Fieber, starke Kopfschmerzen. Jauchiger übelriechen- 
der Eiter dringt von der Hinterseite der Pyramide her. Die Sonde dringt 
leicht durch die morsche Dura etwa 4 cm nach hinten und unten in die 
Tiefe des Kleinhirns. Es entleert sich stinkende jauchige Flüs- 
sigkeit, vermischt mit macerierten Teilen von Gehirnmasse. 

29. Mai. Exitus. 

Bakteriologische Untersuchung: Auf Gelatine- und 
Agarplatten: Proteus (Gelatine wurde verflüssigt). 



über Proteus vulgaris bei Ohreiterungen. 191 

Fall 9. Otto S., 6 Jahre alt. Mastoidabszeß. 
Aus dem Gehörgang ragt ein großer Polyp. 

16. Juni 1904. Totalaufmeißelung. Knochen überall morsch. Antrum 
enthält schmierige Atherommassen. 

Bakteriologische Untersuchung: Streptokokken 
und Proteus. (Letzterer verflüssigt die Gelatine, wächst auf 
Agarplatten sehr reichlich. Von den Kulturen geht ein dünner, 
milchiger Schleier über die ganze Platte.) 

Dieser Fall ist demnach besonders bemerkenswert, indem er 
von den bisher mitgeteilten der erste ist, bei welchem sich eine 
cerebrale Komplikation nicht vorfindet. 

Fall 10. Max E., 9 Jahre alt. Sinusphlebitis. Großer Mastoidabszeß. 

1. September 1904. Operation. Großer stinkender, subperiosta- 
ler Abszeß, durchgebrochen durch das £missarium mast. Sinus sigmoid. 
wird in ganzer Ausdehnung freigelegt, die ganze äußere Wand desselben ist 
eitrig eingeschmolzen. Cholesteatommassen in Antrum und Pauken- 
höhle. Die nekrotischen Ballen werden aus dem Sinus heraus- 
gewälzt. Beide Enden des Sinus sind mit. gesunden Thromben verlegt. 

Bakteriologische Untersuchung: Proteus (der die 
Gelatine nicht verflüssigt). 

Fall 11. Elsa B , 13 Jahre alt. Perisinuöser und extraduraler Abszeß. 

Seit früher Kindheit Ohreiternng, jetzt fluktuierender Abszeß auf dem 
rechten Processus mast. 

24. November 1904. Totaloperation. Subperiostaler Abszeß, Knochen- 
fistel führt in eine mit Granulationen ausgefüllte Höhle. 

Sinus liegt in größerer Ausdehnung frei, ist mit Granula- 
tionen bedeckt, verdickt, aber gut eindrückbar. Spongiosa morsch. Der 
kranke Knochen reicht am Tegmen antri bis auf die Dura, die verdickt und 
grau verfärbt ist. 

Bakteriologische Untersuchung: Streptokokken 
und Proteus (der die Gelatine nur sehr schwach verfltlssigt). 

Während in allen bisher genannten Fällen bei dem Ope- 
rationsbefund das Vorhandensein von Cholesteatommassen ange- 
geben ist, ist in der Beschreibung dieses Operationsverlaufes 
hiervon nichts erwähnt. 

Es sei dies an dieser Stelle bereits hervorgehoben, da ich 
noch unten auf diesen Umstand zurückkommen werde. 

Es boten also auch unter diesen 5 otitischen Fällen 4 ein 
sehr ernstes Erankheitsbild, denn 2 mal lag Kleinhirnabszeß, 1 mal 
Sinusphlebitis und 1 mal Extraduralabszeß vor. Mischinfektionen 
waren 3 mal, Reinkulturen 2 mal genannt. 

Vergegenwärtigen wir uns, daß unter den 78 im Anschluß 
an einfache und totale Aufmeißelungen untersuchten Fällen der 
Ohrenklinik demnach 1 1 mal Proteus bakteriologisch nachgewie- 
sen werden konnte, so ist der Prozentsatz doch ein so Verhältnis- 



192 XVllI. LAÜFFS 

mäßig hoher, daß man annehmen mußte, bei den bakteriologi- 
schen Untersnohungen tlber die Ohrerkrankangen diesem Bakte- 
rium sehr häufig zu begegnen. Um so mehr muß man sieh 
wundern, daß bei den vielen und ausf&hrliohen Veröffentlichungen 
sein Name nur in einer sehr kleinen Zahl in der deutschen 
Literatur genannt wird, so daß sich die Fälle leicht noch im An- 
schluß an die mitgeteilten aufzählen lassen. 

Fall 12. Über Mitteilangen eines von Maleschini (2) beschriebenen 
Falles entnehmen wir einem Referate im Zentralblatt für Bakteriologie, daß 
der Verfasser 13 F&lle Ton Meningitis bakteriologisch untersuchte, 8 prim&re 
und 5 mit anderen Krankheiten. Von letzteren war eine mit Otitis kompli- 
ziert. Während sonst stets der Diplococcus lanc. gefunden wurde, war bei 
der otitischen der Strept. pyog. und Prot. vulg. vorhanden . 

Fall 13. Ohlmacher (3), Beferat im Zentralblatt für Bakteriologie. 
Es heißt daselbst: „In einem nach Mittelohreiterung entstandenen Kleinhirn- 
abszeß, wie im Eiter der sich daran anschließenden Meningitis wurde der 
Prot. Tulg. neben dem Strept. pyog. albus und cereus flavus gefunden. "^ 

Fall 14 Yon Leutert(4) wiedergegeben. 

Heinrich Fr., 46 Jahre alt. 

Diagnose: Chronische Obreiterung, yerjauchtes Cholesteatom rechts. 
Thrombose des rechten Sinus transvers., Abszeß im rechten Schläfenlappen, 
Leptomeningitis basilaris. 

Bakteriologische Untersuchung: Prot. vulg. in Rein- 
kultur. 

Fall 15 von demselben Verfasser ebendaselbst 

Joseph W., 22 Jahre alt. 

Diagnose: Chronische Eiterung rechts mit Karies und Cholesteatom. 
Abszeß im rechten Schläfenlappen, Sinusthrombose, Meningitis purul. Meta- 
stasen im linken Kniegelenk. 

Bakteriologische Untersuchung: Streptokokken, Sta- 
phylokokken und Prot. vulg. 

Fall 16, Von Donath (5) beschrieben. Meningitis. 

B. K., 26jähriges Dienstmädchen. Seit 2 Jahren Ohreiterfluß. 2 Wochen 
vor der Aufnahme heftige Kopf- und Nackenschmerzen, seit einer Woche 
Nackensteifigkeit, linker Facialis paretisch, Genickstarre. 

Zweimalige Lumbalpunktion ergibt zunächst sterilen Liquor. 

Radikaloperation. Facialiskanal arrodiert. Punktion von Schläfeniappen 
und Kleinhirn ohne Erfolg. 1 1 Tage später dritte Lumbalpunktion. Diese 
ergab 39 ccm einer trüben, gelblichen, Eiter absetzenden Flüssigkeit. Durch 
Kultur konnte Streptococcus vergesellschaftet mit Bact. vulg. (Haus er) ge- 
wonnen werden. 

Nach sechswöchentlichem Wohlbefinden stellten sich wieder Schwindel, 
Erbrechen, Kopf- und Nackenschmerzen;, Genickstarre und Nystagmus ein. 
7 Tage darauf Exitus. 

Sektion: Hirnbasis mit grünlich-gelblichem Eiter infiltriert. 
An der Unterfläche des Kleinhirn eine intrameningeale Abszeß- 
höhle. Im Duralsack des Rückenmarkes grünlich-gelblicher Eiter. 

Fall 17, veröffentlicht von Lubowski und Steinberg (0). 
Aug. H., 60 Jahre alt, keine otitische Komplikation, Exitus. 
Rechtsseitige chronische Mittelohreiterung. Fiebersteigerung, Diarrhöen 



über Proteas valgaris bei Ohreiterangen. 193 

und septische Erscheinungen. Deshalb RadikaloperatioD. Im Antrum £iter. 
Probepunktion des Sinus liefert frisches Blut. Nach 8 Tagen Jugularisunter- 
bindung wegen Verdachts auf Bulbusthrombose. Eine Woche später Exitus. 

Bakteriologische Untersuchung: In dem Eiter des 
Antrum Proteus in Reinkultur, während im Ausstrichpräparate 
neben den Stäbchen auch Staphylo- und Streptokokken waren. 

Sektionsprotokoll: Hirnhäute und Hirnsubstanz normal, 
Blutleiter frei, nur an der lateralen Sinuswand, entsprechend der 
Explorationsstelle, ein geschichteter Thrombus. 

Eine otitische Komplikation lag also hier nicht vor. Der 
Fall ist auch von Kobrak veröffentlicht wegen des Interesses, 
das er durch seine Agglutinationsergebni^se beansprucht. 

Fall 18 von denselben Verfassern (6). 

Gertrud J., 8 Jahre alt, Uirnabszeß, Exitus. 

Rechtsseitige chronische Mittelohreiteruog. Bei der Operation wurde 
aus dem Sinus ein Thrombus entfernt, aus dem sich Bact. proteus in Bein- 
kultur züchten ließ. Nach zehntägigem Wohlbefinden zeigten sich die Sym- 
ptome eines Hirnabszesses. 3 Tage darauf wird ein abgekapselter Hirnabszeß 
freigelegt (Hinterhauptslappen). 

Eiter stinkend, mikroskopisch nur Stäbchen, kulturell Proteus in Rein- 
kultur. — 3 Tage später Exitus. 

Die Proteusbazillen befanden sich auch in der Blutbahn, da 
sie aus dem Thrombus gezüchtet werden konnten. Dieselben 
Bakterien wurden in dem Hirnabszeßeiter nachgewiesen. Die 
Agglutinationsversuche s. u. 

Fall 19, mitgeteilt von Kobrak (7). 

F. E , 12 Jahre alt, Sinusphlebitis. 

Chronische Ohreiterung rechts, plötzlich Coma, Fieber, Erbrechen. 
Operation. Eiter aus dem Emiss. mast., Sinus thrombosiert, Ausräumung 
der Thrombose. Wegen einer pulmonären Metastase: Unterbindung der 
Jugul. int. Peribulbärer Abszeß; darauf dauernde Besserung. 

Bakteriologische Untersuchung: In dem Sinuseiter 
und dem Senkungsabszeß wurde neben Kokken eine Proteusart 
gefunden. 

Auch in diesem Falle wurden positiv ausfallende Aggluti- 
nationsversuche gemacht (s. u.). 

Fall 20. Kobrak (7) berichtet: „Brieger fand in einem später mit- 
zuteilenden Schläfenlappenabszeß nach chronischer Mittelohreiterung Proteus 
in Reinkultur.'* Der Patient »kam während der Heilung des Abszesses, an 
wahrscheinlich toxischer Herzlähmung ad exitum"". 

Fall 21, angegeben von Jochmann (S). Bulbuserkrankung, Exitus. 

39jähriger Arbeiter. Seit 12 Monaten Otitis med. pur. sin. Zunächst 
ac. Aufmeißelung, Eiterherd in den Mastoidzellen. 27^ Wochen später Tem- 
peratur bis 40 ^ Deshalb Radikaloperation, Unterbindung der Jugularis, 
Freilegung des Sinus, dessen Punktion flüssiges ßlut ergibt. Entnahme von 
20 ccm Blut aus einer Armvene; 10 Stunden später sind auf den Blutaus- 
saaten enorme Mengen von Proteusbazillen und ca. 30 Kolonien Strepto- 



194 XVill. LAÜFFS 

kokken gewachsen. Am folgenden Tage Freilegung des Bulbus jug., aus 
dem schmierige, jauchige Flassigkeit sich entleert. 
An demselben Tage Exitus. 

Sektionsprotokoll: Im Bulbus der Jagularis finden sich 
weiche Thrombusmassen. Im Sin. transvers. bis zur Mittellinie 
ein großer Thrombus. 

Wenn ich nicht mehr als 21 otitische Fälle von Proteus- 
infektion aufzählen konnte, so mag dies verwunderlich erschei- 
nen, da die Zahl der über Ohreiterungen handelnden bakterio- 
logischen Schriften keineswegs klein ist. Ich habe hierbei aller- 
dings zunächst alle Fälle unberücksichtigt gelassen, wo der Eiter 
nach bereits erfolgtem Trommelfelldurohbruch aus dem Gehör- 
gang entnommen wurde, da dieses Sekret zu wenig vor Verun- 
reinigung im Gehörgang geschützt war. Wies doch Leutert (4) 
den Proteus in einem Falle von traumatischer Atresie im Gehör- 
gang nach, wo normales Trommelfell und beim Katheterismus 
normales Blasegeräusch war. Auch die Resultate gleich nach der 
Paracentese wären nur dann zuverlässig, wenn man zweifellos 
sicher das Trommelfell vorher von sämtlichen Bakterien hätte 
reinigen können. Würde man aber dennoch eine genaue Auf- 
klärung über Krankheitserreger der Paukenhöhle dadurch erhal- 
ten, so ist eine zuverlässige Beurteilung der Bakterienwelt im 
Warzenfortsatz, der Verhältnisse, unter denen sie dort vorkommt, 
und der Veränderungen, die sie hervorruft, nur durch die Unter- 
suchung eines durch Operation aufgedeckten Eiterherdes zu ge- 
winnen. Daß Fäulniserreger in den von mir wiedergegebenen 
6 Fällen bei der bakteriologischen Untersuchung sich finden wür- 
den, war schon während der Operation bestimmt anzunehmen, 
denn stets ließ der ekelhafte Geruch des Eiters ihre Gegenwart 
sicher vermuten. Eine nachträgliche Verunreinigung, wenigstens 
durch Fäulniserreger, kann schon deshalb unbedingt ausge- 
schlossen werden. Außerdem wurde stets direkt nach der Ope- 
ration im hängenden Tropfen untersucht und die zierlichen Stäb- 
chen mit ihrer ungeheuren Eigenbewegung nachgewiesen. 

Der Prozentsatz, nach welchem unter den 78 von Bischoff 
und mir untersuchten Fällen der Ohrenklinik das Bact. vulgare 
11 mal gefunden wurde, beträgt also 14Proz., und da unter die- 
sen 11 Fällen 10 cerebrale Komplikationen, darunter 5 Hirn- 
abszesse verzeichnet sind und nur ein Fall erwähnt ist, bei 
welchem diese nicht vorhanden war, so würde der Prozentsatz, 
in welchem Proteus bei Hirnschädigungen im Warzenfortsatz 



über Proteus vulgaris bei Ohreiterungen. 195 

nachgewiesen werden konnte, über 90 Proz. betragen. Dieselbe 
Zi£fer ergibt sich auch bei der Zusammenstellung der übrigen 
10 Beschreibungen von Maleschini, Ohlmacher, Leutert, 
Donath, Kobrak, Jochmann, Lubowski und Steinberg, 
da auch unter diesen nur einmal keine Gehirnkomplikation 
(Fall 17) verzeichnet ist. Gegenüber dem oben angegebenen 
Prozentsatz von 14 otitischen Proteusfällen sei mitgeteilt, daß 
Leutert eine sehr große Anzahl von operierten, bakteriologisch 
untersuchten Fällen bringt, daß er aber in den 68 Warzenfort- 
satz -Empyemen, 12 Epiduralabszessen, 6 Sinusthrombosen und 
7 Hirnabszessen nur zweimal Proteus fand, einmal in Reinkultur, 
einmal als Mischinfektion. Es handelte sich liier um Hirnabs- 
zesse, die als Fall 14 und 15 oben wiedergegeben sind. 

Habe ich aber auch wegen der Möglichkeit der Verunreini- 
gung die nicht operativen Fälle außer Acht gelassen, so möchte 
ich doch erwähnen, daß in der Literatur nicht näher untersuchte 
Fäulniserreger und Saprophyten bei chronischen Ohreiterungen 
öfters erwähnt sind, die Bezeichnung Bact. vulg. oder Proteus je- 
doch von mir nur beiKanthack (9) und Bordoni-Üffreduzzi 
und Gradenigo (10) gefunden wurde. Ersterer fand diesen 
Fäulniserreger viermal als Mischinfektion (ausführlichere Kranken- 
geschichten fehlen), und zwar einmal unter 23 Fällen neben Staph. 
aur. und cereus albus, „wo lange Zeit eine fötide Otorrhoe be- 
stand, als plötzlich akute Erscheinungen eintraten^, und außer- 
dem noch dreimal unter 12 Fällen von chronischer Otitis med. 
(einmal mit Staph. und zweimal mit Staph. und Pyocyaneus). 
Letztere Autoren nennen ihn einmal in Reinkultur und zweimal 
als Mischinfektion bei chronischen Otitiden, heben dabei auch 
gleichzeitig den sehr übelriechenden Eiter hervor. 

Die schon erwähnten Mitteilungen Leuterts zeigen aber 
auch umgekehrt schon zur Genüge, daß natürlich schwere oti- 
tische Cerebralerkrankungen vorliegen können, ohne daß Proteus 
oder andere Fäulnisbakterien gefunden werden, eine Tatsache, 
die ich auch in mehreren Fällen bestätigt fand. 

Eine große Anzahl von bakteriologischen Arbeiten über Ohr- 
eiterungen konnte ich ferner nicht für diese Zusammenstellung 
berücksichtigen, weil die Sekretentnahme erst nach dem Tode 
vorgenommen worden war, und Proteus in der Leiche so häufig 
angetroffen wird, daß er nach den Abhandlungen von Kuhn (11), 
Hauser (1) und Hofmeister (12) wohl als typischer Erreger 
der Leichenfäulnis gelten darf. So findet z. B. nach Döring (13) 



196 XVIII. LAÜFFS 

und Beck (14) gleich nach dem Tode eine Einwanderung der 
Fäulniserreger vom Darme aus statt, und zwar nach letzterem 
zuerst in die Serosa, dann in die Peritonealflüssigkeit und von 
hier in die Organe. 

Soll der Gegenwart des Bact. vulgare flir die Ohrerkran- 
kungen eine Gefahr zugesprochen werden, so ist es notwendig, 
auch in der übrigen Literatur Umschau zu halten und sowohl 
die bisherigen Erfahrungen mit diesem Fäulniserreger beim 
Menschen als auch die Tierversuche zu berücksichtigen. Im 
großen ganzen kann man behaupten, daß die Annahme, dem 
Prot. vulg. komme eine gewisse Malignität zu mehr und mehr 
gestiegen ist. Man hielt ihn anfangs flir einen unschuldigen 
Saprophyten, der als Begleiter anderer Bakterien sich ohne 
Schaden zu stiften im Gewebe ansiedeln und vermehren könne 
Diesem Umstände ist es wohl auch zuzuschreiben, daß früher 
von der Gegenwart dieses Stäbchens wenig Notiz genommen 
und sein Vorhandensein als nebensächliche Begleiterscheinung 
abgetan wurde. Eingehend beschrieb ihn zuerst Hauser (1). 
Nach ihm ist er kaum als eigentlicher primärer Infektionserreger 
aufzufassen, welcher in gesundes Gewebe eindringe und dadurch 
ein typisches Krankheitsbild hervorrufe, sondern, wenn das Ge- 
webe durch andere Bakterien geschädigt sei, trete er sekundär 
hinzu und trage dann wesentlich zur jauchigen Zersetzung der 
Wundsekrete und modifizierten Gewebsteile bei. Seine Schädi- 
gung bestehe in der Erzeugung toxisch wirkender Substanzen, 
deren Resorption dann dem Körper Gefahr bringe und in vielen 
Fällen sogar den Exitus herbeiführe. Daß die Toxine eine Ge- 
fahr bildeten, zeigte er durch Tierexperimente, indem absolut 
bakterienfreie, von Proteus erzeugte Jauche dem Tier eingespritzt 
wurde. „Es genügen schon verhältnismäßig sehr geringe Mengen 
der filtrierten jauchigen Flüssigkeit, um in die Blut- oder Lymph- 
bahn eines Tieres gebracht eine sichtbare Erkrankung desselben 
hervorzurufen, und die Injektion von mehr als 4 — 5 ccm Jauche 
hat eine sehr schwere Erkrankung des Tieres zur Folge, welche 
meistens unter den Symptomen einer akuten septischen Intoxi- 
kation sehr schnell zum Tode fahrt. ^ 

Vertreten wurde Hausers Ansicht von mehreren Autoren, 
z. B. Levy(15), welcher aus seinen Versuchen ebenfalls den 
Schluß zog, „daß die beim Tierexperiment mit diesem Mikrobion 
hervorgerufene Krankheit eine reine Vergiftung sei.'' Die Toxine, 
um die es sich hierbei handelt, sind Schwefelwasserstoff, Indol, 



über Proteus vulgaris bei Ohreiterungen. 197 

Phenol, Ammoniak und Nitrite, nach Garbone (16) auch Cbo- 
Hd, Aethylendiamin, Gradinin nnd Trimetbylamin. 

Naob der Anregung Hausers wurden mit dem Bact. vulg. 
nocb viele Untersuehungen angestellt. Die Zabl der über das- 
selbe veroffentliebten Abbandlungen belief sieb bis zum Jabre 
1898 nach der ausf&brlieben Zusammenstellung Meyerbofs (17) 
bereits auf 152 Scbriften. In diesen wurde jedocb immer mebr 
auf die Tatsache hingewiesen, daß neben der Intoxikation auch 
der Infektion des Proteus eine große Rolle zukomme, ja daß sie 
in vielen Fällen bei weitem das Übergewicht habe. So steht 
nach Meyerhofs Tierversuchen die Giftwirkung von lebender 
Kultur zum Filtrat im Verhältnis von 20: 1, und bestätigt wird 
diese Anschauung durch Wesenbergs (18) Mitteilung über die 
durch Proteus hervorgerufene Fleischvergiftung bei 63 Personen, 
nach der diejenigen Personen von der Krankheit verschont 
blieben, welche gut durchgebratenes oder gekochtes und da- 
durch keimfrei gewordenes Fleisch genossen hatten. Bei seinen 
Tierversuchen gingen Mäuse, die 0,2 ccm Bouillonkultur einge- 
impft erhielten, sicher zu Grunde, während von der erhitzten 
Kultur bei den. Kontrolltieren die fünffache Menge unwirk- 
sam blieb. 

Spätere Abhandlungen bewiesen dann, daß Proteus als 
echter Infektionserreger aufgefaßt werden mußte, gestützt auf 
den Nachweis der durch ihn hervorgerufenen Allgemeininfektion, 
der agglutinierenden Eigenschaften und sehr wahrscheinlich auch 
der Zurücklassung einer Immunität nach überstandener Infek- 
tion. Für die Allgemeininfektion weniger beweisend sind wieder 
die Fälle, wo er postmortal im Blute und den Organen nach- 
gewiesen wurde, wie dies in den Fällen von Kühn au (19) 
Laitinen (2ü) und Großm^ann (21) der Fall ist, dagegen 
fanden ihn Jäger (22) als Proteus fluorescens auch schon bei 
Lebzeiten im Harn und Blut der von Weil scher Krankheit 
befallenen Soldaten der Garnison Ulm, Jochmann (8) den 
vulgaris in dem einer Armvene entnommenen Blute und Len- 
hartz(23) im peritonitischen Eiter und Blut eines geheilten 
Falles von Puerperalfieber. Sidney Wolf (24) machte mit dem 
Serum eines an Weilscher Krankheit leidenden Kindes positive 
Agglutinationsversucbe , desgleichen Kobrak im Fall 19 und 
Lubowski und Steinberg im Fall 18. Bac. proteus ließ sich 
hier aus einer Sinusthrombose in Reinkultur züchten. Das Blut- 
serum dieser Kranken agglutinierte einen andern Proteusstamm 



198 s XVIIL LAUFFS 

in der Verdünnung von 1 : 320. Interesse bietet dieser Fall, 
weil gleichzeitig auch eine Agglutination von Typhusbazillen bei 
1 : 40 stattfand. Im Erankheitsverlauf stieg der Titre. In einem 
zweiten Falle (Fall 17) entnahmen sie wegen Typhusverdaeht 
Blut einer Armvene, dessen Serum die Typhusbazillen bis zu 
achtzigfacher VerdQnnung agglutinierte ; auch die Paratyphus- 
bazillen wurden bis 1 : 40 agglutiniert. Bei der Ohraufmeißelung 
wurde Proteus in Reinkultur im Antrumeiter nachgewiesen. Die 
Sektion lieferte keine auf bestehenden oder abgelaufenen Typhus 
deutenden Merkmale. Jochmann (8) beschreibt ein ähnliches 
Verhalten. Bei Tierversuchen gelang es ihm in Anschluß an 
den beschriebenen otitischen Fall 21 bei 4 von 5 Kaninchen 
eine durch die Anwesenheit von Proteusbazillen im Blute be- 
dingte Agglutinationsfähigkeit des Serums gegenüber den Typhus- 
bazillen hervorzurufen. Der Autor zieht hieraus den Schluß, 
daß die Agglutinationsreaktion nicht eine Reaktion auf eine 
bestimmte Bakterienart, sondern auf gewisse besondere Bestand- 
teile der Bakterienzelle sei. Von dem Gegenteil berichten 
Beco (25) und Rodella (26), die Proteusstämme durch Typhus- 
serum zur Agglutination bringen konnten. Das Entstehen einer 
Immunität nach Proteusinfektion fand Meyerhof (17) bei 
Tieren. 

Wenn demnach auch meistens die Infektion des Bact. vul- 
gare eine Lokalerkrankung im Gefolge hat, so ist doch sicher, 
daß die Bakterien in gewissen Fällen vielleicht bei sehr starker 
Vermehrung auch in die Blutbahn übertreten, eine Allgemein- 
infektion hervorrufen und im Körper Agglutine bilden, die nicht 
nur Proteusstäbchen, sondern auch Typhusbakterien zur Agglu- 
tination bringen können. Da sich hieraus eine Verwandtschaft 
zur Typhus- Coligruppe ergibt, so wird wohl die Proteusinfektion 
sicherlich noch Veranlassung zu vielen Untersuchungen bieten. Er- 
wähnt sei nochmals, daß Agglutinations versuche im Fall 1 und 
6 negativ ausfielen. 

Wenden wir uns noch kurz den einzelnen Organen zu, in 
denen das Bact. vulg. nachgewiesen wurde, so scheint es im 
Verdauungstraktus am unschädlichsten zu sein, was ja auch 
leicht verständlich ist, da unter physiologischen Umständen in 
diesem Millionen von Fäulnisbakterien vorhanden sind. Auch 
bei Tierversuchen gelang Meyerhof (17) eine Infektion vom 
Darmkanal aus nicht Er gab Mäusen wochenlang mit hoch- 
virulenten Bouillonkulturen getränkte Brotstückchen oder ge- 



über Proteus vulgaris bei Obreiterungen. 199 

faultes Herzfleisoh von Kaninchen und Meerschweinchen zu 
fressen, die nach Proteusinjektion zu Grunde gegangen waren, 
ohne daß die Mäuse die geringsten Zeichen yon Krankheit auf- 
wiesen. Von dieser Regel sind aber Ausnahmen bekannt, indem 
zahlreiche Vergiftungen von Menschen nach dem Genuß von 
verdorbenem Fleisch, verdorbener Wurst oder Kartoffelsalat vor- 
kamen, in denen Prot. vulg. nachgewiesen wurde. Über diese 
Vergiftungen berichten z. B. Schumburg (27), Silberschmidt 
(28), Weslenberg (18), Levy (15) und Dieudonnö (29). Die 
Erscheinungen bestanden in heftigen Kopf- und Leibschmerzen, 
Fieber, Erbrechen und Durchfall (zum Teil blutig). Mehrmals 
trat der Exitus unter Kollapserscheinungen ein. Bei der Sektion 
fand sich die Schleimhaut des Magens und Darmes injiziert und 
blutig durchtränkt. Nach den Tierversuchen, dieDieudonnö (29) 
anstellte, ist jedoch zu schließen, daß nicht die Fäulniserreger 
die Gefahr brachten, sondern die aus den Speisen durch die 
Bakterien gebildeten giftigen Substanzen, denn Mäuse und Meer- 
schweinchen blieben gesund, wenn sie mit den Kulturen ge- 
f&ttert wurden; wurden dagegen sterile Kartoffeln mit den Bak- 
terien injiziert und nach 18 Stunden als Nahrung vorgesetzt, so 
starben die Tiere infolge der Intoxikation unter den Erschein- 
ungen heftigen Darmkatarrhs. 

Sehr gefährlich ist die Proteuscystitis wegen der starken 
harnstoffsersetzenden Wirkung dieses Bacteriums. Der Verlauf 
ist nach Meyerhof (17) sehr schwer und oft ungflnstig. 
Schnitzler (30) fand Proteus 13 mal von 20 bakteriologisch 
untersuchten Fällen eitriger Cystitis, und zwar 8 mal in Rein- 
kultur, 5 mal neben anderen Bakterienarten, Krogius (31) 
3 mal unter 10 Fällen in dem eitrigen Urin von Kranken mit 
alten Strikturen, die zu Cystitis und Pyelonephritis geführt 
hatten. Außerdem findet sich das Bact. vulg. bei den verschie- 
densten geschwürigen und jauchigen Prozessen erwähnt, so bei 
Noma: Trambusti (32), Durante Durando (33); Halsdiph- 
therie: Kühnau (19), Nierenabszeß: Wolf (24), Lungengangrän: 
Babes und Eremia (34), Knievereiterung: Bernacchi (35), 
phlegmonöser Entzündung des Unterschenkels: Karlinski (36), 
Fingerphlegmone (37), puerperaler Endometritis, jauchig eitriger 
Peritonitis und Carcinoma uteri: Haus er (1), Scolicoiditis mit 
folgender allgemeiner Peritonitis: Großmann (21), puerperalem 
Exsudat: Hofmeister (38), puerperaler Parametritis (Levy)^ 
jauchiger puei-peralen Parametritis: Kleinknecht (39), ovari- 



200 XVIII. LAÜFFS 

ellem Abszeß bei purulenter Salpingitis: Welsch (40) und an- 
deren Fällen. 

Die schädliche Wirkung des Proteus geht auch aus vielen 
Tierversuchen hervor. Mitteilungen hierüber bringen z. B. 
Schumburg (27), Meyerhof (17), Keisuke Tanaka (41), 
Levy (15), Glücksmann (42), Jäger (22), Großmann (21), 
Babes (43), Laitinen (20), Krogius <31), Wesenberg (18), 
Schnitzler (30), Earlinski (36) und Eühnau (19). 

Die Virulenz der Bakterien schwankt nach ihnen. Meistens 
gingen Mäuse bereits nach Injektion von 0,1 ccm Bouillonkultur 
unter heftigen, vielfach hämorrhagischen Diarrhöen innerhalb 
1 — 2 Tagen ein. Es fanden sich vergrößerte Milz, Injektion 
des Dünndarmes und Entzündung der serösen Häute vor. Kanin- 
chen starben nach 0,5 — 2,0 ccm, die ihnen intravenös in die 
Ohrrandvene, das Unterhautzellgewebe oder das Peritoneum ein- 
gespritzt wurden. Meerschweinchen vertrugen meist, eine noch 
größere Dosis. Die Bakterien ließen sich in der Regel im Blut 
und den Organen nachweisen. Gingen die Tiere nicht zu Grunde, 
so kam es zu erbsen- bis haselnußgroßen Abszessen. 

Aus den Abhandlungen ist wohl der Schluß zu ziehen, 
daß die Gefahr, die Proteus vulgaris mit sich bringt, großen 
Schwankungen unterworfen sein kann. Sie wird einmal von 
der Virulenz der jeweiligen Bakterien abhängen, dann von dem 
Umstände, ob Mischinfektion vorliegt oder nicht, und schließlich 
ganz besonders von manchen gefahrbringenden Umständen. Be- 
sonders aus den Tierversuchen darf aber angenommen werden, daß 
er an und für sich kein gefährlicher Krankheitserreger ist; jedoch 
kommt er im Mittelohr und Proc. mast. unter Verhältnissen vor^ 
die eine Gefahr für das Leben des Kranken bilden, nämlich 
bei Vorhandensein von Cholesteatomen. Auf ihre Gefahr wird 
immer wieder hingewiesen, erwähnen will ich nur, daß 
Lossen (44) die Perlgeschwülste bei 10 Kleinhirnabszessen 
acht mal und L entert (45) bei 9 otitischen Fällen mit Gehirn- 
komplikationen 7 mal vorfand. Auch unter den von mir auf- 
gezählten 11 Fällen der Ohrenklinik, die doch auch bis auf 
einen schwerer Art waren, finden wir 10 mal in der Kranken- 
geschichte Cholesteatom oder Atherom mitgeteilt. (Fall I: stin- 
kende Atherombreimassen, II: stinkende cholesteatomähnliche 
Schmiere, III: stinkender Atherombrei, IV: Atherom, V: Athe- 
rommassen, VI: stinkendes Cholesteatom, VII: Atherom, VIII: ver- 
jauchtes Atherom, IX : schmierige Atherommassen, X : Cholesteatom- 



über Proteus valgaris bei Ohreiterangen. 201 

massen.) Erst im Fall XI ist eine Angabe hierüber nicht vor- 
handen. Ist demnach in einem ' kranken Warzenfortsatz der 
Knochen durch die Atherommassen geschwanden, so daß viel- 
leicht in kleiner oder größerer Ausdehnung das Gerebrum frei- 
liegt, und tritt dann eine Froteusinfektion hinzu, so ist sehr 
wohl anzunehmen, daß eine Zersetzung der Cholesteatome durch 
diesen Fäulnisbazillus eintritt und die Zersetzungsprodukte Ge- 
fahr für das Leben bringen. Mögen auch sonst die Fäulnis- 
bakterien dem Organismus meist wenig Schaden zufügen, so ist 
es doch bei freiliegendem Gerebrum wegen der gefährlichen 
Lokalisation nicht gleichgtlltig, ob hier Infektion und Intoxika- 
tion sich abspielen. Daß unter diesen Umständen bei einer sek. 
Infektion leicht Meningitis, Sinusphlebitis und Hirnabszesse ein- 
treten können, ist selbstverständlich. Durch das Vorkommen 
dieser Fäulnisgruppe bei Gholesteatomen ist denn auch die Tat- 
sache erklärt, daß Proteus bei akuten Ohreiterungen und ihren 
Komplikationen kaum erwähnt wird, während er bei chronischen 
Eiterungen häufiger auftritt. Wenn ich oben mitteilte, daß die 
Zahl der untersuchten Fälle aus der Ohrenklinik, in denen sich 
cerebrale Komplikationen bei Gegenwart von Proteus gefunden 
hätten, über 90 Proz. betrage, so würde das nach dem Gesagten 
ausdrücken, welche große Gefahr die durch Proteus zersetzten 
Gbolesteatome dem Organismus bieten. Daß aber dieser Prozent- 
satz viel zu hoch ist, um verallgemeinert zu werden, ist selbst- 
verständlich. Einmal mag der Zufall bei dieser Zahl mitgespielt 
haben, und dann ist zu berücksichtigen, daß wir in den meisten 
der oben genannten Fälle operiert und demnach diesen mastoi- 
dalen Herd aufgedeckt haben aus vitaler Notwendigkeit, wo 
also durch die zersetzten Atherommassen schon eine so schwere 
Komplikation geschaffen war, daß dies auch nach außen in be- 
sorgniserregender Weise (Schmerzen, Fieber usw.) sich bemerkbar 
machte. Jedenfalls bedürfen die vielen Fälle, in denen in der 
Ohrliteratur von Fäulniserregern und Saprophyten als neben- 
sächlichem Befund gesprochen wird, einer genaueren Unter- 
suchung und Unterscheidung. Wie schon einmal erwähnt, ist 
der an faules Gemüse erinnernde, durch die Bildung von 
Schwefelwasserstoff, Ammoniak und Indol bedingte Gestank, den 
der mit Proteus infizierte Eiter hervorruft, so charakteristisch, 
daß man schon bei der Operation auf die Gegenwart dieser 
Mikroorganismen schließen kann. Für die Diagnose und Indi- 
kation zur Operation ist dieser Umstand demnach nicht ganz 

Arohiv f. Ohrenheilkunde. LXX. Bd. 14 



202 XVIIL LAÜFFS 

wertlos. Zunächst wird, wenn Verdacht auf Cholesteatom vorliegt^ 
dieser duroh den Fftulnisgeruch begründeter^ und liegen Symp- 
tome vor, die eine Komplikation im Warzenfortsatz yermuten 
lassen, so wird die Annahme dureh den Foetor nur berechtigter. 
Hält demnach Jürgens (46) schon die Anwesenheit von Strepto- 
kokken im Paukenhöhleneiter bei der akuten und chronischen 
Otitis media für prognostisch ungünstig, so daß er glaubte, bei 
ihrer Gegenwart schon eine Indikation für die Eröffnung des 
Warzenfortsatzes ableiten zu dürfen, so liegt bei Vorhandensein 
des Bact. yulg. eine größere Berechtigung hierzu vor, auch für 
Fälle, die sonst schwerere Erscheinungen noch nicht bieten. 
Vermutet man bei dem ekelhaften Foetor ihre Gegenwart und 
wollte man eine möglichst baldige Aufklärung gewinnen, so 
käme zunächst die Untersuchung im hängenden Tropfen in 
Frage, die unzählige von meistens ganz kleinen, zierlichen Bak- 
terien mit lebhaftester Eigenbewegung, zum großen Teil in der 
Mitte bereits gefurcht, nachweisen läßt, sodann die Impfung 
in Bouillon, die in 12 Stunden bereits stark diffus getrübt ist 
und infolge der eiweißzersetzenden Wirksamkeit des Proteus 
ekelhaften Geruch verbreitet. Besondere Rücksicht auf Tempe- 
ratur ist zum Wachstum nicht erforderlich, denn Proteus, dieser 
„echte Proletarier der Bakterienwelt*, wie ihn Hofmeister (12) 
nennt, ist nicht sehr wählerisch und wächst reichlich bei allen 
Temperaturen von + 50 bis — 8 o. 



Literatur : 

1. Häuser, Ober Fäulnisbakterien und deren Beziehung zur Sepücaemie. 

Leipzig 1885. 

2. Maleschini, Referat im Centralblatt für Bact. Bd. XVII. 1895. S. 532. 

3. Ohlmacher, Referat im Centralblatt fQr Bact. Bd. XXIII. 1898. S. 707. 

4. Leutert, Bakteriologisch-klinische Studien über Eomi)likation akuter 

und chronischer Mittelohreiterungen. Dieses Archiv. Bd. XLYI. 
S. 190. 

5. Donath, Beiträge zur eitrigen Meningitis cerebrospinalis. Wiener klin. 

Wochenschrift. 1903. Nr. 26 S. 759. 

6. Lubowsky und Steinberg, Über Agglutination von Typhusbazillen 

bei Proteus- und Staphylokokken- Infektion. Deutsches Archiv für 
klin. Medizin. Bd. 79. 1904. 

7. Eobrak, Zur Pathologie der otogenen Py&mie. Dieses Archiv. Bd. LX. 

S. 1. 

8. Jochmann, Mischinfektion des Blutes mit Proteusbaziilen und Strepto- 

kokken, zugleich ein Beitrag zur Frage der Mitagglutination von 
Typhusbazillen bei Proteusinfektion. Zeitschrift für klin. Medizin. 
1905. Bd. 57. S. 27. 



über Proteus vulgaris bei Ohreiterungen. 203 

9. Kanthak, Bakteriologische Untersuchungen der Entzündungsprozesse 
in der Paukenhöhle und dem Warzenfortsatze. Zeitschrift fOr Ohren- 
heilkunde. Bd. XXI. S. 44. 

10. Bordoni-Uffreduzzi und Gradenigo, Über die Aetiologio der Otitis 
med. Gentralblatt fQr Bakt Bd. VII. 1890. 

U. Kuhn, Morphologische Beitr&ge zur Leichenf&ulnis. Archiv f. Hygiene. 
Bd. Xlll. 1891. S. 40. 

12. Hofmeister, Zur Charakteristik des Eklampsiebacillus Gerdes. Fort* 

schritte der Medizin. 1892. Nr. 22 und 23. 

13. Döring, Über Infektion mit Influenzabazillen und mit Bact. proteus. 

Manchner med. Wochenschr. 1900. Bd. 47. S. 1530. 

14. Beck, Die F&ulnisbakterien der menschlichen Leiche (Arbeiten auf dem 

Gebiete der path. Anatomie und Bakt. aus dem path.-anat. Institut 
zu Tübingen). Bd. I. Heft 1 S. 155. 

15. Levy, Experimentelles und Klinisches über die Sepsinvergiftung und 

ihren Zusammenhang mit Bact Proteus. Archiv für ezperim. Pathol. 
und Pharmak. Bd. 31. S. 342. 

16. Carbone, Über die von Prot. vulg. erzeugten Gifte. Gentralblatt für 

Bact. Bd. VIII. 1890. 

17. Meyerhof, Ober einise biologische und tierpathologische Eigenschaften 

des Bact. proteus (Hauser). Gentralblatt für Bact. 1S08. S. 18 u. 55. 

18. Wesenberg, Beitrag zur Bakteriologie der Fleichvergiftuog. Zeitschr. 

f. Hyg. Bd. 28. 1898. S. 484. 

19. Kühnau, Über Mischinfektion mit Proteus bei Diphtherie der Hals- 

organe. Zeitschr. f. klin. Medizin. Bd. XXI. 1896. 8. 567. 

20. Laitinen, Ein Fall von Proteusinfektion mit tödlichem Ausgange. Gen- 

tralblatt f. allgem. Pathol. 1898. S. 292. 

21. Großmann, Beiträge zur Kenntnis der Proteusinfektionen. Beitr&ge 

zur klin. Ghirurgie. Bd. XXX. S. 183. 

22. Jäger, Die Aetiologie des infektiösen fieberhaften Ikterus (Weilsche 

Krankheit). Zeitschr. f. Hyg. Bd. XII. 1892. S. 525. 

23. Lenhartz, Die septischen Erkrankungen. Nothnagels spec. Path. und 

Ther. 1903. 

24. Sidney Wolf, Beiträge zur Lehre der Affglutination mit besonderer 

Bezugnahme auf die Differenzierung der Goli- und Proteusgruppe und 
auf die Mtschinfektion. Gentralbl. f. Bact. Bd. 25. 1899. S. 317. 

25. Beco, Gentralbl. für Bact. Bd. 26. S. 136. 

26. Rodella, Gentralbl. für Bact. Bd. 27. Nr. 16/17. 

27. Sc:humburg, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 40. 1902. S. 183. 

28. Silberschmidt, Ein Beitrag zur Frage der sogenannten Fleischver- 

giftung. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 30. S. 328. 

29. Dieudonn^, Eine Massen Vergiftung durch Kartoffelsalat. Münch. med. 

Wochenschr. 1903. S. 2282. 

30. Schnitzler, Zur Aetiol. der akuten Gystitis. Gentralbl. f. Bact. Bd. 

VIII 1890. S 789. 

31. Krogius, Referat im Gentralbl. f. Bact. Bd. YIII. 1890. S. 527. 

32. Trambusti, Referat im Gentralbl. f. Bact. Bd. 35. 1904. S. 281. 

33. Durante Durando, Referat im Gentralbl. f. Bact. Bd. 33. 1903. S. 398. 

34. Babes und Eremia, Referat im Gentralbl. f. Bact. Bd. 7. 1890. 

S. 243. 

35. Bernacchi, Referat im Gentralbl. f. Bact. Bd. 11. 1892. S. 667. 

36. Karlinski, Ein neuer pathogener Spaltpilz. Gentralbl. f. Bact. Bd. V. 

1.889. S. 193. 

37. Ha US er. Über das Vorkommen von Proteus vulg. bei einer jauch ig- 

phlegmonösen Eiterung. Münch. med. Wochenschr. 1892. Nr. 7. 

38. Hofmeister, Über Mikroorganismen im Urin gesunder Menschen. 

Fortschritte der Med. Bd. XI. 1893. S. 637. 

39. Kleinknecht, Ober Mischinfektion im Pueperalfieber. Dissert. 1894. 

40. Welsch, Zitiert nach Hörn: Über das Vorkommen des Prot. vulg. 

Dissert. 1897. (Erlangen.) 

14* 



204 XYIII. LAUFFS, Ober Proteas TQlgaris bei Ohreiterangen. 

41. Eeisuke Tanaka: Über AetioL nnd Pathogenese der Eedani-Krank- 

beit. Centralbl. f. Bact. 1899. S. 432. 

42. Glücksmann, FleischTergiftung yerursacht durch Bac. prot. yulg. 

Centralbl. f. Bact. Bd. 25. 1899. S. 696. 

43. Babes, Septische Prozesse des Kindesalters. Leipzig. 1889. 

44. Lossen, Beiträge zar Diagnostik nnd Therapie der Eldnhirnabszesse. 

Beitr&ge zur klia. Chirargie. Bd. 39. Heft 3. 1903. 

45. L entert, Über die otitische Pyftmie. Dieses Archiv. 1896. S. 253. 

46. Jürgens, Die eitrigen Prozesse des Gehörgangs, ihre Ursachen nnd 

kfinische Bilder. Monatsschr. f. Ohrenheifk. Nr. 2. 1900. 



XIX. 

Anatomie des Ohres der Japaner. 

I. Die Drüsen des äußeren Gehörgangs. 

Von 

Dr. E. KisM, 

Professor an der medizinischen Schule auf Formosa. 

(Mit 3 Abbildungen.) 



Während bei den Europäern das Ohrenschmalz gewöhnlich 
eine gelbe bräunliche, fettige Masse bildet^ ist dasselbe bei Japa- 
nern gewöhnlich eine weiße getrocknete, nur manchmal wenig 
gelblich gefärbte, schuppenformige Masse. Trotz dieses bemerk- 
baren Unterschiedes des Ohrenschmalzes bei beiden Rassen, kommt 
der Ceruminalpfropf bei den Japanern ebenso oft wie bei den 
Europäern vor. Und die Eigenschaften des Ceruminalpfropfes 
der Japaner sind gleichartig mit denen der Europäer, er besteht 
aus zahlreichen Epithermisschuppen, abgestoßenen Härchen, Fett- 
tropfen und Pigmentkörnchen, und zwar sind letztere manchmal 
sehr wenig enthalten, infolgedessen sieht der Ceruminalpfropf bei 
den Japanern oft etwas schwach gefärbt aus. 

Um die Ursache des Unterschiedes des Ohrenschmalzes der 
beiden Rassen klar zu legen, habe ich zuerst die Drüsen des 
äußeren Gehörganges der Japaner untersucht. Und dann auch 
um das Verhältnis der Funktion der sogenannten Ohrensehmalz- 
drüsen zu der Ceruminalpfropfbildung zu erläutern, habe ich eine 
pathologisch-anatomische Untersuchung an der Haut des äußeren 
Gehörgangs angestellt, die ich von den Leichen, bei denen die 
äußeren Gehörgänge noch mit großem Ceruminalpfropfe fest ver- 
stopft waren, entnommen habe. 

Über die Knäueldrüse der Europäer schrieb Schwalbe in 
Bar de lebens Handbuch der Anatomie des Menschen folgendes: 
Wie jede Enäueldrüse, bestehen auch die Ohrenschmalzdrüsen 



206 XIX. KISHl 

8U8 Drttseoknäael nad AnsftlhrnngBgatig. Der den ersten bil- 
dende Soblanoh ist relativ dick, bat 0,t mm Durohmesaer, wfth- 
rend der etwa 0,5 mm lange Auafthrnngsgaug siob außerordent- 
licb verdünnt, nur 12 n Dicke besitzt. Er mündet mit triohter- 
iormiger Erweiterung (Terminaltrlohter [ÄlEheimer]) in dieselbe 
grnbige, 0,18 bis 0,2 mm weite Verttefnng, welohe die Mttodung 
eiaee benaobbarten Wollhftrobens mit seinen Talgdrttsen auf- 
nimmt. Ferner schrieb er Aber den feineren Ban derselben 
Drüsen folgendes: Ein relativ weites Lnmen ist von einem Zylin- 
derepithel begrenzt; nach anDen davon findet sieh eine einfache 



Fig. 1. 

Lage longitndinal gestellter glatter Unskelfasern von 30 — 90 fi 
Faserl&nge, und nach anßen von dieser eine strukturlose, glas- 
helle Membrana propria. Die einzelnen Zellen des Zylinder- 
epithels besitzen an der freien Überfläche einen Cnticnlarsanm; 
unter ihm folgt eine belle Zone, dann eine solche von körniger 
Bescbafi'enheit, w&hrend der Kern im basalen Drittel sieh be- 
findet." So stimmt der Bau der Ohrensebmalzdrflsen fast Aber- 
ein mit dem der großen EnäneldrUsen in der Achselhöhle. 

Gegen obige Beschreibung ist die Größe und Struktur der- 
selben DrUseoschlftnohe der Japaner ganz anders. Als Unter- 
snohnngsmaterial habe ich die Haut des äußeren Gebörgangs 



Anatomie des Ohres der Japaner. 207 

von Erwachsenen benutzt, die mit subkutanem Gewebe und 
Knorpel zusammen in 4 proz. Formolwasserlösung oder in 1 proz. 
Osmiumwasserlösung fixiert war. Serienschnitte habe ich durch die 
GoUoidineinbettung gemacht und mit Hämatoxylin und Eosin, 
auch mit van G.iesons Lösung gefärbt. 

Die Größe der Knftueldrtlise des äußeren Gehörgangs der 
Japaner ist nicht kleiner als die der Europäer. Ihr Durchmesser 
in ihrer größten, schräg zur Oberfläche gestellten Richtung be- 
trägt sogar manchmal über 1,6 mm, während dieselbe Henle 
0^2 — 1mm, Schwalbe 1|5 mm bei Europäern annahm. Der 



V •.--V. 



P. K. 

P. z. 




Fig. 2. 

Ausftlhrungsgang der Drfise ist auch ebenso [dfinnXund gleich- 
artig geformt, wie der der Europäer. Dagegen ist die Dicke 
des Drttsenschlauches bei Japanern sehr groß, hat sogar manch- 
mal einen Durchmesser von 0,5 mm, während dieselbe bei Euro- 
päern nach Schwalbe nur 0,1mm ist. 

Eine weitere auffallende Eigenschaft ist die Enäuelbildung 
der Drüse. Dieselbe ist bei Japanern nur wenig vorhanden, so 
daß in den großen Drüsen, deren größter Durchmesser über 
1,6 mm betrug, ich nur 16 Querschnitte des Drüsenschlauches 
zählen konnte, während ich bei Europäern in halb so großen 
Drüsen über 20 Querschnitte fand (Fig. 1). 



208 XIX. KI8HI 

Ferner ist ein besonderg bemerkenswerter Untersehied die 
Struktur der Epithelzellen des Drttsenscblauehes. Die Epithel- 
zellen sind meistens nicht mehr zylindrisch, sondern zeigen sich 
vielmehr als platte Epithelzellen (Fig. 2, P. Z.). Der Kern der 
Epithelzellen ist qnerliegend, hat eine ovale Form. Die Dicke 
der Epithelschicht, also die Höhe der Epithelzellen ist 0,018 bis 
0,03 mm, und die Zellen fuhren sehr wenig Protoplasma, wäh- 
rend dieselbep der Europäer 0,054 — 0,13 mm hoch und ganz mit 
körnigem Protoplasma gefüllt sind. Auch in den platten Epithel- 
zellen findet sich kein Guticularsaum. Gelbbräunliche glänzende 
Körperchen finden sich aber sehr viel an dem basalen Teile der 
Epithelzellen (Fig. 2, P. K.). Diese Pigmentkörnohen finden sich 
in hohen protoplasmahaltigen Zellen sehr wenig oder gar nicht. 
Ferner bin ich durch die vielfachen Untersuchungen der festen 
Überzeugung, daß die Epithelzellen der KnäueldrQse des äußeren 
Gehörgangs keine Fetttropfen enthalten. 

Was nun die Funktion der Knäueldrüse des äußeren Gehör- 
gangs anbetrifft, so schrieb Schwalbe im Jahre 1887 in sei- 
nem Lehrbuch der Anatomie des Ohres folgendes: Fett habe ich 
innerhalb ihres Lumens und ihrer Zellen nicht wahrnehmen 
können, kann also nicht zugeben, daß sie die fettigen Bestand- 
teile des Ohrenschmalzes secemieren. Dieses Fett wird vielmehr, 
wie in der übrigen Haut, in den Talgdrüsen der Haarbälge ge- 
bildet, die sich durch eine mehr schlauchförmige Struktur aus- 
zeichnen. Man kennt hier leicht die noch innerhalb der Drüse 
befindlichen Fettmassen. Die Ohrenschmalzdrüsen tragen also 
ihren Namen mit Unrecht; sie sind nur eigentümlich modifizierte 
Schweißdrüsen, welche höchst wahrscheinlich eine mit den gelben 
oder bräunlichen Farbstoffkörnchen des Ohrenschmalzes versehene 
Flüssigkeit liefern, die sich mit dem von den gewöhnlichen Talg- 
drüsen gelieferten Fett vermischt 

Der Ansicht von Schwalbe entgegen behauptet Merkel, 
unterstützt durch die Untersuchung Alzheimers, daß die Ohren- 
schmalzdrüse Fett secerniert und das Ohrenschmalz bildet. Auch 
Ben da sagte, daß in den Knäueldrüsen des äußeren Gehörgangs 
sich nur minimale Spuren von Fett befinden. Brunn schrieb auch, 
daß in den Knäueldrüsen des äußerenGehörgangs bei allen Menschen 
sowohl Fetttropfen wie gelbe und braune Pigmentkörner sich vor- 
finden. Das Vorhandensein des Fettes in den Epithelzellen, wie 
immer noch von eijiigen Autoren behauptet, will ich doch, wie ich 
«s schon oben beschrieb, mit Schwalbe absolut in Abrede stellen. 



ADatomie des Ohres der Japaner. 209 

Wenn ako die KnäneldrUse des äußeren Gebörgaogs eine 
Funktion für die OhrenBohmalzbilduag haben sollte, dann mOßte 
bei den Japanern, bei denen die KnäneldrOsen Überhaupt eine 
verfiaderte Form und Struktur haben, allerdings die Bildung und 
Häufigkeit des Ceiuminalpfropfes etwas anders vorkommen. Aber 
ansere kllnieohe Erfahrung beweist, daß der Ceruminalpfropf bei 
Japanern ebeneo oft wie bei Europäern vorkommen kann. Diese 
Tatsache wird auob durch die statistisebe Untersucbung der 
Sohnlkinder rielfaoh konstatiert. Also es ersoheint mir nun, daß 
die KnäueldrQge des äußeren Gebörgangs Überhaupt fllr Obren- 



Fig. 3. 

scbmalzbildnng keine große Bedeutung haben kann. Dennoch 
bemühte ieh miob, den Vorgang der Ceruminalpfropfbildnng pa- 
thologiach-anatomisoh klarzulegen. Ich habe daher vier äußere 
Gehörgangshänte von zwei Japanern, deren beide Ohren voll 
Ceruminalpfropf waren, untersucht. 

Bei diesen Präparaten habe iob znnäofast gefunden, daß die 
EnftaeldrDse Oberhaupt sehr wenig zu sehen ist. Dagegen finden 
sieh die TalgdrBsen sehr stark hyperplasiert, so daß in der tie- 
feren Gegend des äußeren Gehörgangs das subkutane Gewebe 
fast durch die Talgdrüsen bedeckt ist {Fig. 3, T. 0.), da manch- 
mal in einen kleinen Haarbalg 6 — 7 Talgdrüsenkörper einmttn- 



210 XIX. KISHI, Anatomie des Ohres der Japaner. 

den, während bei dem normalen äußeren Gehorgang nur einige 
DrQsenkSrper bei einem Haarbalg sieb befinden. Durch diesen 
tatsäohlichen Befund will ich hier mit Reebt behaupten, daß der 
Ceruminalpfropf nicht durch die Hypersckretion der Enäueldrttsen 
(sogenannten Obrenscbmalzdrfisen), sondern durch die übermäßige 
Absonderung der hyperplasierten Talgdrüsen entsteht. Von der 
Funktion der Enäueldrüsen des äußeren Gebörgangs nehme ich 
an, daß sie eine pigmenthaltige Flüssigkeit secernieren, dem 
Ohrensehmalze die eigentümliche Farbe geben und gleichzeitig 
das Austrocknen desselben verhindern. Ferner will ich auch mit 
Schwalbe behaupten, daß die Enäueldrüse des äußeren Gehör- 
gangs ihren Namen ^^Ohrenschmalzdrüse^ mit Unrecht trägt. 

Zum Schluß möchte ich auch hier bemerken, obgleich meine 
Untersuchung noch nicht so weit vorgeschritten ist, daß die 
Knäueldrüse der Achselhöhle der Japaner auch ebenso wie die 
Enäueldrüse des äußeren Gehörgangs eine ganz andere Form 
und Struktur wie die der Europäer haben muß, weil sich bei Ja- 
panern nur bei wenigen Leuten eine merklich riechbare Seh weiß- 
absonderung in der Achselhöhle befindet. Es ist besonders be- 
merkenswert, daß letztere Individuen auch gewöhnlich ein gelb- 
lich bräunliches Ohrenschmalz haben. 



Literaturverzeiclmis. 

1) Schwalbe, Lehrbuch der Anatomie des Ohres. t887. 

2) Alzheimer, Über die Obrenschmalzdrüsen. Verhandl. der Würzburger 

physik.-med Gesellschaft Neue Folge. Bd. XXII. 1888. 

3) Ben da. Das Verhältnis der Milchdrüse zu den Hautdrüsen. Dermato- 

logische Zeitschrift. 1893. 

4) Brunn in Bardelebens Handbuch der Anatomie des Menschen, Sinnes- 

organe. Erste Abteilang, Haut. 1897. 

5) Schwalbe, Bardelebens Handbuch, Sinnesorgane. Zweite Abteilung, 

Das äußere Öhr. 1898. 



Erklärung der Abbildungen. 

Fig. 1. Knäueldrüsen des äußeren Gehörgangs der Japaner. Q. D. 
Querschnitte des dicken Drüsenschlauches. 

Fig. 2. Vergrößertes Bild desselben Querschnittes P. Z. Platte Epithel- 
zellen. F. K. Pigmentkörnchen. 

Fig. 3. Horizontalschnitt der Haut des äußeren Gehörgangs eines Ja- 

Saners, der Ceruminalpfropf im Ohr enthält. T. D. Hyperplasierte Talg- 
rüsen. 



XX. 

Ober Tnbenabschhss nach der Totalaafmeissehng. 

Von 
Prof, Dr. Gerber in Königsberg i. Pr. 



In der Sitzung der Berliner otologisehen Gesellschaft vom 
19. Jani 1906 hat Herr Eckstein über die Füllung retroanri- 
knlärer Offnungen mit Paraffin gesprochen, die auch an meiner 
Klinik wiederholt vorgenommen sind und über die seiner Zeit 
von Sokolowskii) berichtet worden ist. 

In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion wurde 
Herr Dr. Eckstein von Herrn Dr. Levy gefragt, ob schon ein- 
mal Versuche von ihm vorgenommen sind^ um den Tubeneingang 
in der Paukenhöhle, aus dem es nach Totalaufmeißelungen noch 
recht oft und lange eitert, durch Paraffin zu verschließen. 

Herr Eckstein erwiderte hierauf, daß er einen derartigen 
Versuch bei der Tube noch nicht gemacht habe und ihn auch 
für technisch nicht gut ausführbar halte. Auch würde, wenn 
wirklich ein mechanischer Verschluß zustande käme, eine even- 
tuelle Infektion durch die Schleimhaut weitergehen. Im übrigen 
könne er die Konsequenzen einer Paraffineinträufelung in eine 
radikal operierte Höhle als Nichtspezialist zu wenig beurteilen« 

Im Anschluß hieran möchte ich nun nicht unterlassen, mit- 
zuteilen, daß ich diesen Versuch schon vor etwa 2 Jahren ge- 
macht habe. 

Der Wunsch, die Tube von der operierten Höhle abzuschließen, 
war bei mir, wie gewiß bei jedem Operateur, ein lebhafter. Nun 
weiß ich nicht, ob es nicht auch anderen so gegangen ist wie 
mir : ich glaube fast, daß die früher empfohlene und geübte feste 
Tamponade wie an mancher verzögerten Epidermisierung über- 



1) Unsere bisberigen Paraffinerfolge. Deutscbe med. Woch. 1903. 



212 XX. Q£RB£R, Ober Tubenabschluß nach der Totalaufmeißelung. 

hanpt, so aueh an manchem Offenbleiben der Tube schuld ge- 
wesen sein mag. Ganz neuerdings habe ich mich zu völlig tampon- 
loser Nachbehandlung entschlossen und glaube, daß diese auch, 
dem Tubenabschluß günstig sein wird, wie sie auf das Tempo 
der Ausheilung in einigen Fällen geradezu zauberhaft 
gewirkt hat. Freilich werden auch dadurch Fälle genug 
nicht beeinflußt werden. Der Vorschlag Heines 0; das Trom- 
melfell nicht ganz zu entfernen, sondern über den Tubeneingang 
zu transplantieren, schien mir von vornherein schwer ausführ- 
bar und ist mir bisher wenigstens nicht geglückt. In den meisten 
in Frage kommenden Fällen sind ja auch vom Trommelfell 
keine oder doch keine brauchbaren Reste vorhanden, und wo 
sie es sind, sind sie während der Operation schwer zu kon- 
servieren. 

Nachdem ich nun das Paraffin bei Nasendifformitäten, retro- 
aurikulären Offnungen und früher auch nach Stirnhöhlenopera- 
tionen wiederholt mit gutem Erfolge angewandt, kam ich eben 
auf den Gedanken, auch die Tube durch einen Paraffin- 
pfropf von der operierten Höhle abzusperren. Selbst wenn ein 
dauernder Verschluß der Tube nicht möglich sein sollte, so 
würde ich auch einen zeitweiligen schon für einen großen Ge- 
winn ansehen, — einen Verschluß, der wenigstens so lange dauert, 
bis die Epidermisierung der Höhle vollendet ist. Ist diese ein- 
mal gänzlich mit fester Epidermis bekleidet, so erscheint es mir 
noch sehr fraglich, ob das Tubensekret, das ja durchaus nicht 
immer ein eitriges ist, ihr noch viel anhaben kann. 

Die Versuche nun, die wir früher in dieser Hinsicht ge- 
macht, sind aber mißlungen. Es gelang nicht, einen festen Ab- 
schluß herzustellen, — vielleicht ist das damals verwendete Ma- 
terial zu weich gewesen, und es gelingt jetzt mit dem festeren 
Paraffin, das die neuen Spritzen mit schraubbaren Kolben in 
fast ganz erstarrtem Zustande herauszudrehen gestatten^ — bessere 
Besultate zu erzielen. 

Ich habe jedenfalls inzwischen andere Wege eingeschlagen, 
um einen Tubenabschluß zu erzielen, und werde, falls einer von 
ihnen zum Ziele führen sollte darüber berichten. — 

Vorläufig scheint mir die primäre Transplantation eines 
Epidermisläppchens über den tympanalen Tubeneingang am ver- 
heißungsvollsten. 

1) Operationen am Ohr. S. 104. 



XXI. 

Verschlnss beider Gehörgänge nnd partielle knöcherne 

Obliteration der Pankenhöhle. 

Von 

Dr. B. Ton Török in Budapest. 



Abgesehen von den Entwioklungsanomalien , die bei Miß- 
geburten beobachtet werden, bei denen die am Gehörorgane vor- 
kommenden Abweichungen im Anschlüsse an andere wichtige Ent- 
wicklungsabnormitäten vorkommen, beschränken sich solche bei 
reifen Früchten hauptsächlich auf das äußere und mittlere Ohr. In den 
von Steinbrtigge zusammengestellten, anatomisch untersuchten 
24 Fällen fand sich nur dreimal eine mehr oder minder ausge- 
prägte Entwicklungsstörung am Labyrinthe vor. Moldenhauer 
sucht die Ursache dieser Erscheinung in der Ätiologie der Ent- 
wicklungsstörungen. Außer der Vererbung, bei der die durch die 
Eltern übertragbaren konstitutionellen Erkrankungen (Lues, Tu- 
berkulose), dann der Alkoholismus, sowie Blutsverwandtschaft 
der Eltern eine Rolle spielen, werden primäre pathologische 
Keimvariationen, sowie schädliche äußere Einwirkungen als ätio- 
logische Momente angeführt. Nach Moldenhauer kommt die 
Keimblase des Labyrinthes schon in einer sehr frühen Entwick- 
lungsphase in eine geschützte Lage und ist nicht so sehr schäd- 
lichen äußeren Einwirkungen ausgesetzt, wie das äußere und 
mittlere Ohr; betrifft aber die Entwicklungsstörung auch den 
Nervenapparat, so sind gleichzeitig anderweitige bedeutende Ver- 
änderungen vorhanden, die die Lebensfähigkeit der Frucht frag- 
lich machen. 

Der enge Zusammenhang der Entwicklung, der zwischen 
dem äußeren und mittleren Abschnitte des Gehörorganes besteht, 
macht es leicht verständlich, daß die anormale Entwicklung des 
einen Teiles von Einfluß ist auf die Entwicklung des anderen. 
Bekanntlich befindet sich am dorsalen Ende der ersten Keim- 



214 XXI. TÖRÖK 

spalte nach Verschluß des ventralen Teiles ein gemeinsamer 
Schlanoh, der Gehörsschlaneh, der später durch die Entwicklung 
einer Teilwand, des primären Trommelfelles, in eine mediane 
und laterale Partie zerfällt: aus der ersteren entwickelt sich die 
Paukenhöhle, aus der letzteren der Gehörgang. Die die Keim- 
spalten bildenden ersten und zweiten Eeimbögen nehmen auch 
einen wichtigen Anteil an der Bildung des Mittelohres, nach der 
Entdeckung Reicherts schnürt sich aus dem proximalen Teile 
des ersteren der Hammer und Amboß ab, aus dem proximalen 
Anteile des letzteren, nach den neueren Untersuchungen von 
Salensky und anderen wenigstens teilweise den Steigbtlgel. 
Auf diese Entwicklungsverhältnisse weist auch Virchow zur 
Erklärung der Tatsache hin, daß Entwicklnngsstörungen des 
Gehörorgans sich häufig nicht nur auf dieses Organ allein be- 
schränken, sondern sich auch an anderen sich aus diesen Keim- 
bögen entwickelnden Gebilden, am Gesichte und Halse, vor- 
finden. 

Größere oder kleinere Entwicklungsanomalien der Ohr- 
muschel, die in neuerer Zeit Gradenigo zum Gegenstande 
einer speziellen Untersuchung gemacht hat, finden sich häufig 
vor, ohne daß sich irgend eine andere Veränderung am Gehör- 
organe zeigen würde. Viel wichtiger sind die an den Gehör- 
gängen vorkommenden Abnormitäten. Kleinere Störungen, wie 
die angeborene Enge des Gehörganges (Schwartze), die Wände 
verbindenden ligamentären Verwachsungen, ein häutiger Ver- 
schluß am Eingange, oder im weiteren Verlaufe, — haben keine 
größere Bedeutung. 

Wichtig aber und mit bedeutender Gehörstörung und mit an- 
deren Entwicklungsanomalien verbunden sind die partiellen oder 
totalen Verschlüsse der Gehörgänge, die Atresien. Dieselben 
können sich auf die ganze Länge des Gehörganges, sowohl auf 
den knorpeligen, als auch auf den knöchernen Teil erstrecken, 
andererseits können sie sich sowohl auf den einen als auch auf den 
anderen beschränken. Die beiden Teile des Gehörganges ent- 
wickeln sich bekanntlich nicht gleichzeitig; während bei Neuge- 
borenen der knorpelige Teil schon gänzlich entwickelt ist, be- 
findet sich am knöchernen Teile nur der Annulus tympanicus, 
aus dem im Laufe der ersten Lebensjahre der knöcherne Gehör- 
gang entsteht. Dementsprechend sind Fälle besehrieben, bei 
denen der knorpelige Teil blind endet und nach demselben der 
knöcherne Teil verödet vorgefunden wird, andererseits findet man 



Yerschlufi beider Gehörgänge und partielle knöcherne Obliteration. 215 

bei normalem knöohemen Gehörgang einen yerschlossenen knor- 
peligen. Bisher ist kein Fall vorgekommen, in welchem bei 
Verschluß des Gehörganges das Trommelfell, wenn auch unvoll- 
kommen entwickelt, vorgefunden wurde, und meistens finden 
sich auch gleichzeitig größere Anomalien an der Paukenhöhle. 
Die Ohrmuschel ist in diesen Fällen verkümmert oder, nur mäßig 
entwickelt', nur einzelne Fälle sind in der Literatur veröffent- 
licht, wo bei Atresie des Gehörganges eine normale Ohrmuschel 
gefunden wurde (Jacobson, Blau, Obertrauffer). 

Die in der Paukenhöhle vorkommenden Entwicklungsanoma- 
lien finden sich mit wenigen Ausnahmen mit gleichzeitiger Atre- 
sie des Gehörganges. In den von Steinbrügge angefahrten 
20 Fällen war nur bei einem ein entwickelter Gehörgang vor- 
handen. In einem Teile der Fälle war vollkommener knöcherner 
Verschluß, meistens aber nur mehr oder weniger entwickelte 
Verengung der Höhle vorhanden. In der größeren Hälfte der 
Fälle waren auch Veränderungen an den Fenstern des Laby- 
rinthes, meistens fehlten sie vollständig (in 8 Fällen unter 20), 
teilweise waren sie verengt. 

Die Gehörknöchelchen können ganz fehlen, sind mitunter 
verkümmert entwickelt, zeigen Gestaltsveränderungen, können 
verwachsen, so im Falle Truckenbrods, bei dem Hammer und 
Amboß zu einem Körper vereint waren, ja sogar alle drei 
Knöchelchen können in Columellenform vereint sein (His^ 
Thomson). 

Die Anomalien der Tuben sind seltener und sind gewöhn- 
lich mit Entwicklungsanomalien des Rachens vergesellschaftet. 
Im Falle Wagenhausers fehlte das Paukenhöhlenostium, Joll 
erwähnt die Verödung des knöchernen Teiles. 

Das Obige vorausgeschickt und mit dem Hinweise auf das 
kombinierte Auftreten der Entwicklungsanomalien, die nicht in 
einzelnen Teilen größere Veränderungen zu zeigen pflegen, ohne 
auf die Entwicklung nachbarlicher Teile von Einfluß zu sein, 
halte ich die Beschreibung des folgenden Falles einer Veröffent- 
lichung wert, da er in mancher Beziehung Abweichung von 
den gewöhnlich in diesen Fällen vorfindbaren Verhältnissen auf- 
weist. 

K. A., 14 Jahre alt, Mädchen aus Kis-Szeben. Eltern und Geschwister 
sind gesund, zeigen normales Gehör. Ihre Eltern bemerkten schon in ihrer 
frühesten Jugend, daß sie schwerhörig sei; sie war immer gesund, ist ihrem 
Alter entsprechend gut entwickelt und senährt. 

Schädel und Gesichtsknochen sind symmetrisch gut entwickelt, Nase, 
iSachen sind normal, beide Ohrmuscheln gut gebildet. 



216 XXI. TÖRÖK 

Bei der Spiegelan tersuchung zeigt der äußere Gehörgang bei normaler 
äußerer Öffnung eine gegen die Tiefe zu konzentrisch stärker werdende Ver- 
engung, der Gehörgang ist überall mit normaler Haut bedeckt, nirgends 
zeigt sich eine Vernarbung, das innere Ende erscheint derart verengt, daß 
es mit freiem Auge nicht übersichtlich ist. Mit der Sonde kann man auf 
2,5 cm vom Tragus durchdringen, bis auf eine knöcherne Resistenz, das 
innere Ende der trichterförmigen Verengung nimmt den Knopf einer mittel- 
dicken Sonde auf. Sowohl rechts wie links zeigt sich symmetrisch dasselbe 
Bild, auch die Maße sind die gleichen. Die Tuben sind für den Eatheteris- 
mus gut durchgänglich, es ist ein gleichförmiges, weiches blasendes Geräusch 
hörbar. Bei der Stimmgabeluntersuchung: Weber ist nicht lateralisiert, 
Rinne ist auf beiden Seiten negativ, Perceptionsdauer bei der Enochenlei- 
tung nicht verkürzt, bei der Schalleitung durch die Luft ist die Perception 
für tiefe Töne beträchtlich vermindert, für höhere weniger. Gehör für 
Flüsterzahlen beiderseits 0,20 m, fUr Eonversationssprache 3,0 m. 

Das bei der Untersuchung gewonnene Bild, so wie die Stimmgabel- 
untersuchung schien als Ursache der Gehörstörung auf eine Verödung des 
Gehörganges, eventuell auf ein Hindernis in der Paukenhöhle hinzuweisen, 
bei wahrscheinlich normalem Schaliempfindungsapparat, weshalb wir uns, 
indem wir gleichzeitig die vom normalen Kaum abweichende Tiefe des 
Gehörganges berücksichtigten, zu einem operativen Eingriffe entschließen 
mußten. 

Operation rechts Chloroformnarkose. Gewöhnlicher Bogenschnitt hin- 
ter der Muschel; die Beinbaut ist nicht verdickt, leicht abziehbar, Warzen- 
fortsatz breit, gut entwickelt, die Spina supra meatum deutlich sichtbar. Die 
Ablösung des häutigen Gebörganges vom knöchernen Teile gelingt im An- 
fange ziemlich leicht, in der Tiefe ist er aber straff befestigt und die Frei- 
machung gelingt nur auf längere, stärkere Manipulationen. Der häutige Ge- 
hörgang erweist sich dann als ein blind endender Schlauch, dessen Wand 
am inneren Ende verdickt ist. Die Wände des knöchernen Gehörganges 
sind glatt, seine Breite und Tiefe zeigt keine auffallende Veränderung, an 
seinem inneren Ende, an Stelle des Trommelfelles, ist er in seiner ganzen 
Breite durch eine knöcherne Wand abgeschlossen Diese knöcherne Wand 
wölbt sich mäßig nach außen vor, ihre Mitte ist rauh, geeen die Ränder ist 
sie glatt, an ihrem Rande an der Verbindung mit den Wänden des Gehör- 
ganges zeigt sich eine seichte, limbusartige Ausbuchtung. Für den Meißel 
erweist sie pich außerordentlich hart von eburnierter Konsistenz, und nur 
vorne gegen die Tube zu gelingt es durch dieselbe in eine nur wenige Mil- 
limeter breite Höhle zu gelangen, von wo aus man mit dem stumpfen Häk- 
chen nach unten und nach oben gegen den Atticus zu gelangen und läng» 
der medianen Wand einige Millimeter vordringen kann. In der Voraus- 
setzung, daß auch die hintere Hälfte nicht ganz obliteriert sei, schritten wir 
zur radikalen Operation vor. Am Warzenfortsatze fand sich unter einer 
3 — 4 mm dicken Gorticalis ein gut entwickeltes Höhlensystem , das Antrum 
war mittelgroß, Aditus verengt, der kurze Stiel des Amboß in demselben 
nicht vorhanden. Der Atticus war nur hinten durch eine kleine Höhle ver- 
treten, nach vorne zeigte er sich knöchern verödet. 

Die in der Paukenhöhle sich vorfindende knöcherne Masse ist gegen das 
ovale Fenster und Promontorium zu gleichmäßig mit der inneren Wand der 
Paukenhöhle verschmolzen und nur gegen hinten unten findet das stumpfe 
Häkchen eine kleine Höhlung. 

Nachdem unter diesen Verhältnissen von einem weiteren 
Eingriffe kein Nutzen zu erwarten war, wurde, um wenigstens 
den Verschluß des häutigen Teiles zu beseitigen, aus dem hin- 
teren Teile desselben ein dreieckiger Lappen nach Körner ge- 
bildet. Bei dieser Gelegenheit war zu sehen, daß die konzen- 
trische Verengung durch die gegen Innen gleichmäßig fortschrei- 
tende Verdickung der Wand verursacht war. Der Körn ersehe 



Verschluß beider Qehörgänge u. partielle knöcherne Obliteration usw. 217 

Lappen wird gegen die hintere Wand der Knochenwunde tam- 
poniert, die Wunde primär vernäht. Nach der ungestörten Hei- 
lung war eine geringe Besserung des Gehörs zu konstatieren und 
zwar auf 0,5 m fttr Flüsterzahlen, die Besserung für Eonversations- 
sprache war noch auffälliger (5,0 m). In Anbetracht der erreich- 
ten, wenn auch nicht bedeutenden, jedoch beträchtlichen Oehörs- 
verbesserung entschlossen wir uns, auch den häutigen Abschluß 
der anderen Seite zu beseitigen. Die anatomischen Verhältnisse 
waren auch auf der anderen Seite dieselben, nur das Bild der 
knöchernen Wand in der Tiefe des Gehörganges war abweichend, 
indem die ganze Fläche derselben rauh und ungleichmäßig war 
und dieselbe in der Mitte eine tellerförmige Vertiefung zeigte, 
deren Ränder wallartig erhalten waren, von einem ausgebuch- 
teten Rande umgeben, so daß das Ganze den Eindruck eines 
aus der Paukenhöhle vorspringenden, rosenartigen Gebildes 
machte. 

In Anbetracht der vollkommen symmetrischen Verhältnisse, 
war auch in der Paukenhöhle keine beträchtliche Abweichung 
gegenüber der anderen Seite zu erwarten, weshalb wir von dem 
Versuche der Beseitigung des knöchernen Verschlusses Abstand 
nahmen. Wir meißelten von der hinteren Wand des knöchernen 
Gehörganges eine Schichte von einigen Millimetern ab, wohin 
wir den aus dem häutigen Teile gebildeten Körner sehen Lappen 
tamponierten. 

Das Resultat näherte sich dem auf der entgegengesetzten 
Seite erreichten Erfolge (0,4 resp. 4,0 m). 

In unserem Falle standen wir, wie wir sehen, einem Ver- 
schlusse des Gehörganges am inneren Ende gegenüber; während 
der knöcherne Gehörgang normal entwickelt war, war der häu- 
tige bei normaler Tiefe gegen Innen zu konzentrisch verengt 
und mit verdickten Wänden blind endend. Die Muscheln waren 
beiderseits normal, der Warzenfortsatz und sein Höhlensystem 
normal, an den Tuben war keine Veränderung vorzufinden, die 
Paukenhöhle zeigte in ihren Maßen vom Aditus, beziehungsweise 
von der vor ihm gefundenen Höhle bis zur TubenöflFnung , von 
der hinteren Wand bis zur vorderen, und in der Tiefe keine Ab- 
weichung, so daß wir den Eindruck gewannen, daß eine Pauken- 
höhle von normaler Größe von einer knöchernen Masse ausgefüllt 
war, während von Gehörknöchelchen keine Spuren vorzufinden 
waren. 

Der Gedanke ist naheliegend, daß wir die vorgefundene 

AnhiT f . Ohronheakünde. LXX. Bd. 15 



218 XXI. TOrOK, Verschlaf beider Qehörgftnge usw. 

Entwicklungsstörung auf Rechnung der Gehörknöehelohen setzen, 
den Verschluß des Gehörganges aber als resultierende, sekun- 
däre Entwicklungshemmung auffassen, wofür die in seiner ganzen 
Länge sowohl den häutigen, als auch den knöchernen Teil be- 
treffende, eigentlich vollkommene Entwicklung des Gehörganges 
spricht, der nur an seinem Ende durch Weich teile verschlossen 
und an die in der Paukenhöhle befindliche und aus derselben 
sich vorwölbende knöcherne Masse befestigt war. Dafür scheint 
auch die normale Entwicklung der Muscheln zu sprechen. 

Daß die Gehörknöchelchen zu einer Masse verschmelzen 
können, das zeigt die oben erwähnte, in einzelnen Fällen gefun- 
dene Anordnung in Columellenform ; in unserem Falle scheinen 
sie eine formlose Masse gebildet zu haben, die mit der Wand 
des Labyrinthes verschmolzen war und fast die ganze Pauken- 
höhle ausfüllte. Wenn man die anfänglichen Entwicklungsver- 
hältnisse in Betracht zieht, daß bei menschlichen Embryonen am 
Anfange des dritten Monates an Stelle der Gehörknöchelchen 
nur ein gemeinsames Knorpelstäbchen vorhanden ist, so werden 
wir in unserer Annahme nur bestärkt. 



Literaturverzeichnis : 

Moldenhauer, Mißbildungen des menschlichen Ohres (Schwartzes 
Handbuch I). — Derselbe, Die Entwicklung des äußeren und mittleren 
Ohres. Morph. Jahrb. III. — Hertwig, Entwicklungsgeschichte des mitt- 
leren Ohres (Schwartzes Handb.). — Steinbrügge, Pathologische Ana- 
tomie des Gehörorgans. — Virchow, Über Mißbildungen des Ohres. Virch. 
Arch. XXX. — Hessler, Kongenitale Atresie. Dieses Archiv. Bd. XVI. — 
Joel, Über Atres. aur. congen. Zeitschrift für Ohrenheilkunde, XVIII. — 
Truckenbrod, Zeitschr. f. Ohrenheilk. XIV. — Michalkovics, Erz^ks- 
zervek. — Lucae, Virch. Archiv. XIX. — Jacobson-BIau, Lehrbuch 
für Ohrenheilkunde. 



XXII. 

Karies des horizontalen Bogenganges in Verbindnng mit 
ungewohnten klinischen Erscheinungen, 

Von 
Dr. B. Yon Török in Budapest. 



Seit den Untersuchungen von Goltz, Cyon und Högyes, 
sowie anderer, kennen wir den Zusammenhang, der zwischen 
dem Labyrinthe und zwar den im ampullaren Teile gelegenen 
Nervenendapparaten und zwischen dem cerebralen Zentrum der 
augenbewegenden Muskel besteht. Durch die Strömung der 
Endolymphe gelangen die ampullaren Endapparate in Reizung^ 
dieselbe wird im vestibulären Teile des Aousticus als centri- 
pentaler Bahn weitergeleitet in in den Corpora quadrigeminai 
nach Högyes zwischen den Corpora quadrigemina und Acusti- 
ouskernen, gelegene Zentrum, von wo aus dieselbe als motori- 
scher Reiz in die augenbewegenden Muskel gelangt. 

Die auf diesem Wege ausgelösten reflektorischen Bewegungen 
der motorischen Muskeln der Äugen zeigen eine gewisse Gesetz- 
mäßigkeit, und zwar entsprechen die in gewissen Ampullen aus- 
gelösten Heize immer der Bewegung gewisser Muskel. „Die 
Gristen der 6 Ampullen reizen reflektorisch die 12 Muskel, und 
wie auf einer Klaviatur folgen die 12 Muskel dem hydrostati- 
schen Spiele der Ampullen.^ Diese Bewegungen sind immer 
antagonistisch, und zwar erfolgt die Bewegung des einen Muskels 
immer im Anschlüsse an die Bewegung des anderseitigen Anta- 
gonisten. 

Die klinischen Erfahrungen stehen im Einklänge mit den 
experimentellen Resultaten. Bei den verschiedenen Labyrinth- 
erkrankungen finden wir den Reizungszustand der entsprechen- 
den An genmuskelbe weger als typisches klinisches Symptom. 

Im Folgenden will ich die kurze Beschreibung eines Falles 

15* 



220 XXII. TÖRÖK 

geben, in welohem im Ansohlusse an die Erkrankung eines 
Bogenganges eine von der gewöhnlichen Gesetzmäßigkeit ab- 
weichende Innervierung resp. Innervationsstörnng zu beobach- 
ten war. 

Der 21 Jahre alte m&nnliche Kranke litt seit seiner Kindheit an einer 
im Anschlasse an Scarlatina aufgetretenen und seit dieser Zeit mit 
Intermissionen bestehenden linksseitigen Mittelohreiternng und war genötigt, 
deswegen zeitweise das Ambulatorium aufzusuchen. Im Laufe des Juli 1905 
meldete er sich abermals mit der Klage, daß seit einigen Tagen wieder 
heftige Schmerzen in seinem kranken Ohre aufgetreten seien in Begleitung 
Yon Schwindelanfällen. Brechreiz und zeitweise auch Erbrechen. Am letzten 
Tage war der Schwindel beständig und solchen Grades, daß der Kranke nur 
mit Hilfe des Stockes und sich zeitweise an die umgebenden Gegenstände 
anhaltend, gehen konnte, der Brechreiz war auch heftiger und nach jeder 
Mahlzeit erfolgte Erbrechen. Bei der Untersuchung zeigte sich der Gehör- 
gang von reichlichem, fötiden eiterigen Sekrete ausgefallt, danebeä be- 
standen auf entzündliche Knochenkomplikationen hinweisende Symptome und 
zwar starke Senkung der hinteren, oberen Wand des Gehörganges, wodurch 
derselbe eine spaltförmige Verengung zeigte, sowie ödematöse Schwellung 
über dem Warzen fortsatze, starke Druckschmerzhaftigkeit über dem Knochen. 
Mit geschlossenen Augen konnte der Kranke nicht stehen: er sank also- 
gleich nach hinten und gegen die gesunde Seite zu; es war lebhafter 
Nystagmus zu konstatieren, der beim Sehen nach der gesunden Seite zu sich 
verstärkte. Dabei war die Temperatur normal, es bestanden keine auf 
Meningitis oder andere intrakraniellen Komplikationen hinweisenden Symp- 
tome. Bei der Untersuchung des Nystagmus war ein eigentümliches Augen- 
symptom auslösbar. Wenn wir den Kranken aufforderten, unseren vorge- 
haltenen Finger zu fixieren, zeigten beide Augen sehr plötzlich und schnell 
eine starke konvergierende Bewegung. In dieser Stellung blieben die Aug- 
äpfel einige Secunden, nachher nahmen sie unter oscillierenden Bewegungen 
wieder ihre alte Stellung ein. Dieses eigenartige Symptom trat bei jedem 
einzelnen Versuche prompt auf, aber nur wenn die Fixierung innerhalb einer 
gewissen Distanz, ungefähr 1 Vs m versucht wurde, d. h. bei stärkerer Inner- 
vierung der M. intern!. 

Zum Zwecke der Untersuchnng dieses Augensymptomes 
ließ ich den Kranken in die hiesige Augenklinik aufnehmen, 
wo Prof. Groß so freundlich war, ihn zu untersuchen. Bei der 
Untersuchung waren die einzelnen Augenbewegungen normal, 
die Pupillen reagierten normal, Gesichtsfeld zeigte sich nicht 
verengt, der Augenhintergrnnd und Visus war normal. Prof. 
Groß sprach den Verdacht aus, daß dieses Symptom vielleicht 
auf hysterischer Basis entstanden sei. Die später vorgenommene 
Nervenuntersuchung zeigte aber keine auf Hysterie hinweisende 
Erscheinung. 

Bei der Operation fanden wir die aus den anderen Symp- 
tomen wahrscheinlich erscheinende Bogengangserkrankung. An 
der Stelle der größten Wölbung der Eminenz des horizontalen 
Bogenganges war der Knochen auf einer stecknadelkopfgroßen 
Fläche mit Granulationen bedeckt, nach deren Entfernung eine 
kleine trichterförmige Vertiefung sichtbar wurde, in welcher der 



Karies des horizontalen Bogenganges asw. 221 

Knochen grauschwarz verfärbt war und von wo aus ein feiner 
fistulöser Gang in die Tiefe in der Richtung des Lumens des 
Bogenganges führte. Im Warzenfortsatze war außerdem ein aus- 
gebreiteter cholesteatomer Prozeß. 

Bei der am Tage nach der Operation vorgenommenen Unter- 
suchung war nur minimaler Schwindel zu konstatieren. Er- 
brechen und Brechreiz hatten aufgehört, und das beschriebene 
eigentümliche Augensymptom war auch nicht mehr auslösbar. 

In Anbetracht des Verlaufes der Erkrankung, in Anbetracht 
der bei der Operation vorgefundenen Veränderung am knöchernen 
Bogengang und des Nexus, der zwischen dem Tonus des Laby- 
rinths und dem Zentrum der Augenbewegung besteht, ist mit 
größter Wahrscheinlichkeit in einem auf das ampullare Ende der 
Bogengänge einwirkenden Reize die Ursache der ungewohnten 
Innervationsstörung zu suchen. 

Jedenfalls ist es ein ungewöhntes Symptom, und ich fand 
in der Literatur nur sehr wenige hierher gehörige Fälle aufge- 
zeichnet und diese sind auch teilweise unaufgeklärt, speziell in 
bezug auf die centripetalen Nervenbahnen. 

Urbantschitsch sah bei einem 6 Jahre alten Kinde im 
Anschlüsse an eine Mittelohreiterung Strabismus, der in seiner 
Intensität mit dem Schlechter- und Besserwerden der ursprüng- 
lichen Erkrankung Schritt hielt. In einem anderen Falle trat 
Strabismus divergens auf, als er einen Polyp aus dem Mittel- 
ohre entfernte. Ostmann ist nicht geneigt anzunehmen, daß 
hier der Trigeminus als centripetale Nervenbahn eine Rolle spielen 
würde, und glaubt eher, daß wir auch in diesem Falle einem 
Reize des Tonus des Labyrinthes gegenüber stehen. 

Gervais erwähnt einen Fall, bei dem ebenfalls im An- 
schlüsse an eine Mittelohreiterung Strabismus auftrat, der nach 
der Eröffnung eines über dem Warzenfortsatze gelegenen peri- 
ostalen Abszesses schwand; die centripetale Bahn versucht Gervais 
in die Nervenbahnen der Dura zu verlegen. Einen ähnlichen 
Fall erwähnt Tibaux. Krepuska sah ebenfalls bei Bogen- 
gangskaries Strabismus entstehen. 

Bei unserem Kranken trat seither Schwindel nicht mehr auf, 
die Augenbewegungen blieben konstant frei. 



XXIII. 

Aus der königlichen Universitätsklinik für Ohren-, Nasen- und 
Kehlkopf krankheiten in Erlangen (Professor Denker). 

Untersuchungen über die Funktion des Bogengangapparates 

bei Normalen nnd Tanbstnmmen. 

Von 

Dr. Wilhelm Brock. 

Assistent an der Klinik. 



Am Schlüsse seiner Abhandlung fiber „Das Hörvermögen 
der Taubstummen", Wiesbaden 1897, gibt Bezold dem Wunsche 
Ausdruck, die bayr. Regierung, die so sehr bedacht sei auf das 
körperliche Wohl und die geistige Ausbildung der Taubstummen, 
möge ihr Interesse auch dem von ihm in der Münchner k. Zen- 
tral-Taubstummenanstalt probeweise eingeführten Unterricht der 
Taubstummen vom Ohr aus zuwenden. Dieser Wunsch sollte 
bald in Erfüllung gehen, denn am 6. Dezember 1896 wurde ein 
Kegierungsbeschluß veröffentlicht, dessen Wortlaut ich wegen 
seiner Bedeutung für den Taubstummenunterricht nicht nur in 
Bayern, sondern auch im ganzen Reich nachstehend anführe: 

1. Dem Antrag des EgI. üniyersitätsprofessors Dr. Friedrich Be- 
zold in München entsprechend wird genehmigt, daß 

a. die in die Taubstummenanstalten neu eintretenden Zöglinge künftig 
alsbald nach dem Eintritte einer eingehenden Prüfung bezüglich der noch 
vorhandenen Hörfähigkeit unterzogen werden, daß 

b. die in diesen Anstalten bereits vorhandenen Zöglinge, soweit sie 
noch Reste des Hörvermögens zeigen, in gleicher Weise näher geprüft 
werden, daß 

c. bei allen Zöglingen die gefundenen Hör- und Sprachreste die ge- 
eignete Verwendung finden, indem sowohl den partiell hörenden als partiell 
sprechenden Zöglingen nach Tunlich keit neben dem gemeinsamen Unterricht 
in besonderen Stunden ein eigener ihr Hör- und Sprechvermögen erhalten- 
der und ausbildender Unterricht erteilt wird. 

2. Diesen besonderen Hör- und Sprech Unterricht sind die in der 
Schrift des k. Universitätsprofessors Dr. Bezold „Das Hörvermögen 4er 
Taubstummen^' (Wiesbaden, Verlag von Bergmann 1 896) enthaltenen Normen 
und Weisungen zugrunde zu legen. 



Untersuchangen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 223 

Als im September 1905 die nenerbaute mittelfränkisohe 
Kreis-Taubstummenanstalt zu Nürnberg eröffnet wurde, wurde 
mein hochverehrter Lehrer und Chef, Herr Professor Denker, 
als ärztlich technischer Berater des Inspektors dieser Anstalt in 
allen das Gehörorgan und die oberen Luftwege betreffenden 
Fragen ernannt und ich selbst als Assistent bei dieser Funktion 
angestellt. 

Es war demnach unsere Aufgabe, an den Insassen der Nürn- 
berger Anstalt diese Untersuchung vorzunehmen. Bei der Aus- 
führung dieser Untersuchung wurde mir von Herrn Professor 
Denker die Anregung, die Zöglinge auch auf ihre Gleich- 
gewichtsstörungen in Anlehnung an die Wann ersehe Arbeit 
„über die Erscheinungen von Nystagmus bei Normalhörenden, 
Labyrinthlosen und Taubstummen*' genauer zu untersuchen. Die 
Resultate dieser Untersuchungen bilden den Inhalt folgender 
Arbeit und liefern zugleich einen kleinen Beitrag zur Lehre von 
der Funktion des Bogengangapparates bei Normalen und Taub- 
stummen. 

Die deutsche Literatur, die sich mit der Physiologie der 
Bogengänge beschäftigt, beginnt mit Autenrieth am Anfang 
des vorigen Jahrhunderts, der zu der Ansicht gelangte: „Die 
Bogengänge scheinen durch ihre Lage angewiesen zu sein, den 
Ort der Herkunft des Schalles zu bestimmen." Ein Teil der 
späteren Autoren schloß sich dieser Ansicht an, ein anderer Teil 
dagegen war anderer Meinung; so hält Stefani die halbkreis- 
förmigen Kanäle für das Sinnesorgann der Richtung des Kopfes, 
eine Anschauung, die der jetzt so ziemlich allgemein geltenden 
schon näher kam. Wieder andere Forscher hielten die Bogen- 
gänge für ein rein akustisches Organ, ebenso wie die Schnecke. 
Hern holt z z. B. war längere Zeit dieser Anschauung; später 
freilich hat er seine Ansicht geändert und diese ist heute die 
von den meisten Physiologen und Otologen vertretene, nämlich 
daß das percipierende Organ für Töne und Geräusche einzig 
und allein die Schnecke ist. 

Solange die Helmholtzsche Theorie nicht widerlegt und 
eine bessere an ihre Stelle gesetzt wird, die die Verhältnisse 
besser zu erklären vermag, sind wir wohl berechtigt, die An- 
sichten Helmholtz's nicht nur als Theorie, sondern als den 
Tatsachen entsprechende Wahrheit zu erachten. Diese Theorie 
erfuhr eine Stütze, als es nach Herstellung der Bezoldschen 
kontinuierlichen Tonreihe gelang, das Hörvermögen vollständig 



224 XXIII. BROCK 

ZU analysieren und nach einseitiger oder doppelseitiger Zerstö- 
rung der Sohneoke vermittels dieses Instramentariams und des 
Galtonpfeifchens einseitige oder doppelseitige Taubheit mit ab- 
soluter Sicherheit festzustellen. Den vollständigen Beweis flir 
die Richtigkeit der Helmholtzschen Theorie würden wir er- 
bringen können, wenn es gelingen sollte, die Übereinstimmung 
der bei Taubstummen mit der kontinuirlichen Tonreihe gefun- 
denen Hörreste mit entsprechenden Defekten in der Membrana 
basilaris bei der Sektion festzustellen. 

Floure ns war es, der zuerst die Funktion der Bogengänge 
richtig erfaßte. 

Derselbe kam auf Grund seiner Experimente an Tieren (an 
Tauben und Kaninchen) zu der Anschauung, daß die Bogen- 
gänge dazu dienen, unsere Bewegungen in den drei Dimen- 
sionen des Raumes zu regulieren: horizontal, frontal und sa- 
gittal; er kam zu dieser Anschauung aus der Beobachtung, daß 
Verletzung eines Bogenganges bestimmte Bewegungsanomalien 
zur Folge hatte, die sich auf die Ebene des betreffenden Bogen- 
ganges lokalisierten. „Diese Bewegungen äußerten sich durch 
Pendelbewegungen des Kopfes, Verdrehung des Kopfes auf die 
operierte Seite und Umstürzen auf dieselbe, „Manögegang" auf 
die verletzte Seite, ebenso auch beim Fliegen, Kreisbewegung 
auf dieselbe, oft aufgehobenes Fingvermögen, Unvermögen die 
Nahrung aufzunehmen, Rollungen um die Längsachse nach 
vorne und rückwärts, je nachdem die Durohschueidung den hori- 
zontalen, frontalen oder sagittalen halbzirkelförmigen Kanal 
betraf. 

In Deutschland war Goltz der Forscher, der die Versuche 
Flourens', die im Laufe der Zeit fast der Vergessenheit an- 
heim gefallen waren, wieder aufnahm. 

Goltz hält auf Grund seiner Studien die Bogengänge für 
eine Vorrichtung, welche der Erhaltung des Gleichgewichts 
dient. Sie sind sozusagen Sinnesorgane für das Gleichgewicht 
des Kopfes und mittelbar des ganzen Körpers. 

Auf alle die .Arbeiten, welche jetzt folgten, welche die 
Funktion der Bogengänge immer mehr klärten, die Unter- 
suchungsmethoden verbesserten, einzugehen, liegt außerhalb des 
Rahmens dieser Arbeit, Wer sich für die Geschichte der Er- 
forschung der Funktion der Bogengänge interessiert, den ver- 
weise ich auf die Wanner sehe Arbeit. 

Breuers Ansicht, die jetzt fast allgemein angenommen ist, 



Untersachungen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 225 

■geht dahiü^ daß wir im Vestibulum ein Sinnesorgan besitzen, 
welches durch den Bogengangapparat Drehungen, durch den 
Otolithenapparat progressive Bewegungen und die Lage des 
Kopfes im Saum zur Wahrnehmung bringt 

Nachdem die Funktion der halbzirkelformigen Kanäle fest- 
gestellt war, war die Frage zu lösen: Welches ist der adä- 
quate Reiz? 

Als den Reiz auslösende Faktoren werden zurzeit von den 
meisten Autoren die Endolymphe und die Otolithen angenommen; 
beide aber nur im Zustande der Erregung. Die Eingriffe, die 
zur Erforschung dieser Frage vorgenommen wurden, waren ver- 
schiedene; alle verfolgten den Zweck, nach Reizung oder Zer- 
störung eines oder mehrerer Bogengänge die JReiz- oder Aus- 
fallserscheinungen, die das betreffende Tier zeigte, zu erforschen. 

Die Symptome, die das Versuchstier im allgemeinen nach 
Zerstörung des einen Bogengangapparates zeigt, sind im wesent- 
lichen Gleichgewichtsstörungen: Pendelbeweguugen des Kopfes 
in der Ebene des verletzten Bogengangs, Neigung zum Fallen 
auf die verletzte Seite, sowie Zwangsbewegungen (Manöge-Roll- 
Zeigerbewegung) nach der operierten Seite, Überschlagen nach 
vorn und hinten, Augenablenkungen. 

Außerdem beobachtete man noch eine eigentümliche 
Schwäche in den Extremitäten der operierten Seite. 

Als sonstiges Symptom, das bei den Tierexperimenten noch 
auftrat, wurde noch gefunden und beschrieben der Nystagmus, 
der besonders für die späteren Untersuchungen wichtig wurde. 

Beobachtet und beschrieben wurden ruckende Bewegungen 
der Augen oder Nystagmus von Kiesselbach, Sewall, Vul- 
pian, Flourens, Bornhardt, Ewald, Cyon, Breuer? 
ebenso konnte Jansen bei einer Reihe von Fällen bei opera- 
tiver Verletzung des Bogengangapparates heftigen Nystagmus 
beobachten. 

Die Frage, wodurch die Endolymphe im Bogengangapparat 
den Reiz verursacht, auf welche Weise der Reiz zustande kommt, 
suchten verschiedene Hypothesen zu beantworten. 

Goltz sucht in der Veränderung des Druckes der Flüssig- 
keitssäule das erregende Moment. „Wir wollen annehmen, daß 
die in der Ampulle vorhandenen Nervenendigungen in ähnlicher 
Weise geeignet sind, durch Druck erregt zu werden, wie etwa 
die dem Drucksinn dienenden Nerven der äußeren Haut. Die 
in den Bogengängen befindliche Flüssigkeit wird nach bekannten 



226 XXIll. BROCK 

physikalisoheu Gesetzen diejenigen Abschnitte der Wandnng am 
stärksten anspannen, welohe am meisten nach abwärts gelegen 
sind. Je nach der Stellung des Kopfes wird die Verteilung des 
Druckes der Flüssigkeit wechseln und einer jeden Kopfhaltung 
wird demgemäß immer eine bestimmte Form der Nervenerregung 
entsprechen/^ 

Breuer bekämpft die Anschauung Goltzs'; er sucht das 
erregende Moment in der Bewegung der Endolymphe. 

Zu ähnlichen Anschauungen wie Breuer kam Mach; die 
hydrodynamische Theorie von Breuer und Mach , die jetzt fast 
allgemein Anerkennung gefunden hat, sagt aus, daß bei Beginn 
jeder Drehung des Kopfes wie auch bei Stillstehen desselben 
nach erfolgter Umdrehung das Trägheitsmoment der Endolymphe 
eine relative Bewegung derselben erzeugt. Diese Bewegung 
muß notwendig eine Yerbiegung der mit der Bogengangswand 
fest verbundenen Härchen der nervösen Endapparate in den 
Ampullen bewirken, wobei die drei nach den drei Dimensionen des 
Baums orientierten Bogengänge Empfindungen vermitteln müssen. 
In seiner Arbeit „Untersuchungen über den vom Vestibu- 
larapparat des Ohres reflektorisch ausgelösten rhythmischen Ny- 
stagmus und seine Begleiterscheinungen gibt Barany die zur- 
zeit herrschende Ansicht über die Physiologie des Bogengang- 
apparates in folgender Weise wieder: 

„Als physiologischer Reiz, der den Ohr-Nystagmus ver- 
ursacht, sind nach der Theorie von Mach und Breuer, die 
heutzutage nahezu allgemein angenommen ist, die durch Stel- 
lungsänderung des Kopfes hervorgebrachte Endolymphbewegung 
resp. die durch diese Endolymphbewegung verursachte Ver- 
schiebung der Cupulae auf den Gristae ampullarum angesehen. 
Dauert eine Drehbewegung nur kurze Zeit, so werden beim An- 
halten infolge der entgegengesetzten Endolymphbewegung die 
Cupulae wieder in ihre normale Lage zurückgebracht; dauert 
die Drehung längere Zeit, so werden die Cupulae allmählich 
durch die elastischen Kräfte der Epithelhaare in ihre Normal- 
lage zurückgezogen. Nystagmus während der Drehung besteht 
nur so lang, bis die Cupulae diese Normallage erreicht haben, 
dann verharren die Augen während der Drehung in Ruhe. Im 
Moment des Anhaltens aber tritt jetzt infolge der Trägheit der 
Endolymphe die entgegengesetzte Endolymphbewegung und da- 
mit die entgegengesetzte Verlagerung der Cupulae ein und diese 
bewirkt den entgegengesetzt gerichteten Nachnystagmus." 



Untersuchabgen über die Funktion des £ogengangapparates usw. 227 

Bar an 7 spricht hier immer davon, daß beim Anhalten der 
Drehung in den Bogengängen eine entgegengesetzte Endolymph- 
bewegnng eintritt; von einer solchen entgegengesetzten Endo- 
lymphbewegung kann jedoch meines Erachtens nicht gesprochen 
werden, sondern die Endolymphe wird sich gerade infolge ihrer 
Trägheit in der der Drehungsrichtung gleichen Richtung noch 
eine Zeitlang weiter bewegen. 

„Wenn ein mit Flüssigkeit gefüllter Ring seine Drehung 
beginnt, so macht die Flüssigkeit eine relative rückläufige Be- 
wegung. Dauert die Drehung an, so wird die lebendige Kraft 
dieser Strömung nach und nach durch die Reibung und Ad- 
haesion an den Röhrenwänden aufgezehrt werden, natürlich um 
so rascher, je enger die Röhre ist, und die Flüssigkeit bewegt 
sich dann mit dem Ring im gleichen Sinne und gleicher Ge- 
schwindigkeit; das System ist dann in innerer Ruhe. Hält der 
Röhrenring nun plötzlich in seiner Drehung inne, so hat doch 
die Flüssigkeit die lebendige Kraft ihrer Bewegung; sie wird 
ihrem Beharrungsvermögen folgend, solange im Sinne der frü- 
heren Drehung des Ringes weiterströmen; bis auch die lebendige 
Kraft dieser nachläufigen Bewegung durch Adhäsion aufge- 
zehrt ist." 

„Die Bewegung des Kopfes bewirkt ein Zurückbleiben der 
Endolymphe in den Bogengängen, also entsprechende Verbie- 
gung der nervösen Endorgane in den Ampullen, demnach eine 
Erregung der entsprechenden Nervenfaser und eine dem Bewußt- 
sein nicht ganz unzugängliche reflektorische Erregung der ent- 
sprechenden Augenmuskeln." Die Untersuchungen Ewalds 
über die Wirkung künstlich erzeugter Bewegungen der Endo- 
lymphe haben eine für alle bei Reizung der Bogengänge be- 
obachteten Erscheinungen sehr wichtige Tatsache ergeben. 
War Ewalds pneumatischer Hammer am horizontalen linken 
Kanal angebracht, so erhielt er bei jeder Kompression des Ka- 
nals die eine Bewegung der Endolymphe vom glatten Ende zur 
Ampulle erzeugte, eine langsame Kopf- und Augenbewegung 
nach rechts, beim Nachlaß der Kompression eine entgegen- 
gesetzte der entgegengesetzten Flüssigkeitsbewegung entsprechende 
langsame Kopf- und Augenbewegung nach links. Die letztere 
Kopf- und Augenbewegung war aber stets wesentlich schwächer 
als die bei Compression des Kanals. Es geht daraus hervor, 
daß die Endolymphbewegung im horizontalen linken Kanal vom 
glatten Ende zur Ampulle, wie sie auch bei der Drehung nach 



228 XXIII. BROCK 

der linken Seite auftritt, eine größere Wirksamkeit hat als die 
entgegengesetzte, vom Utriculus durch die Ampulle gegen das 
glatte Ende zu gerichtete. 

Die Untersuchungen über die Wirkung der Endolymph- 
bewegung, wie sie besonders von Högyes und Ewald ange- 
stellt wurden, haben zur Aufstellung folgender Sätze geführt. 

Die Richtung der hervorgerufenen Augenbewegung ist ab- 
hängig: 1. von der Wahl 'des gereizten Bogenganges. 2. von 
der Richtung der Flüssigkeitsbewegung. Es ergab sich, daß 
die Bewegung der Flüssigkeit sowohl vom glatten Ende zur 
Ampulle zu als vom Utriculus durch die Ampulle zum glatten 
Ende konstante Augenbewegungen hervorruft. Bezüglich des 
horizontalen Bogenganges der Taube stellte Ewald fest: Bei 
Bewegung der Endolymphe im rechten horizontalen Bogengänge 
vom glatten Ende zur Ampulle erfolgt eine horizontale Be- 
wegung beider Augen nach links, die umgekehrte Bewegung 
der Augen bei umgekehrter Bewegung der Endolymphe. Lee, 
der seine Studien an Haifischen machte, bestätigte die Angaben 
Ewalds und konnte weiter feststellen, daß die Augenböwegungen 
bei Flüssigkeitsbewegung in jedem Kanal in einer, der durch 
den Kanal gelegten Ebene parallelen Ebene erfolgen, und zwar 
die langsame Bewegung des Nystagmus in derselben Richtung, 
in welcher die Flüssigkeitsverschiebung stattfindet. 

Die Ergebnisse übertragen auf den Nystagmus nach Dre- 
hungen ergibt folgenden allgemein giltigen Satz: 

* „Die Augenbewegungen während der Drehung erfolgen an 
jedem Auge in einer auf die Drehungsachse des Kopfes senk- 
rechten durch den Bulbus gelegten Ebene, die langsame Be- 
wegung des Nystagmus entgegen der Drehungsrichtung." 

Zur Lösung der Frage, welche Strömung der Endolymphe, 
ob beide, diejenige aus dem Utriculus durch die Ampulle zum 
glatten Ende des Bogenganges und die umgekehrte vom glatten 
Ende zur Ampulle Bewegungsvorstellung erzeugt, oder ob nur 
eine von diesen und welche von beiden wirksam ist, glaubte 
Wann er die einseitig Labyrinthlosen ganz besonders geeignet. 
Wann er untersuchte die Gleichgewichtsstörungen, insbesondere 
das Auftreten oder Fehlen des Naohnystagmus nach Drehen. 
Es standen ihm zu diesen Untersuchungen drei Fälle zur Ver- 
fügung, die ich hier anführen will. 

1. Fall. F. Seh., 53 Jahre alt, rechtsseitige Labyrinthlosigkeit. 
Beim Drehen um die Vertikalachse ergibt sich: 



UntersucliaDgeii Aber die Funktion des Bogengangapparates usw. 229 

Drehen von rechts nach links. 
Blick nach rechts: starker Nystagmus 
» geradeaus: kein ^ 

« nach links: •> * 

Drehen von links nach rechts. 
Blick nach rechts: kein Nystagmus 
^ geradeaus: « « 

« nach links: * « 

2. Fall. I. St., 44 Jahre. Labjrinthlosigkeit links. 
Beim Drehen um die Vertikalachse ergibt sich: 

Drehen von rechts nach links. 
Blick nach rechts: kein Nystagmus 
9 geradeaus: * • 

9 nach links: * • 

Drehen von links nach rechts. 
Blick nach rechts: kein Nystagmus 
9 geradeaus: geringer « 
9 nach links: kein • 

Beim Drehen von rechts nach links zeigt sich bedeutend stärkeres 
Schwanken und heftigerer Schwindel als in der entgegengesetzten Richtung, 
in welcher die Pat ohne besondere Mühe sich wie ein Kreisel dreht. Diese 
unerklärliche und auffällige Erscheinung, daß der subjektive Schwindel ge- 
rade nach der Seite eintritt, wo der Nystagmus fehlt, kehrt auch bei der 
nächsten Pat. wieder. 

3. Fall. K. F., 33 Jahre,' Labyrinthlosigkeit links. 
Beim Drehen um die Vertikalachse ergibt sich: 

Nach Drehen von rechts nach links. 
Blick nach rechts: kein Nystagmus 
« geradeaus: <> * 

s nach links: geringer « 
Nach Drehen von links nach rechts. 
Blick nach rechts: kein Nystagmus 
9 geradeaus: geringer * 
* nach links: starker p 
Außerdem gibt Pat. an, beim Drehen von rechts nach links das^Oe- 
fflhl starken Schwindels zu haben, während dasselbe beim Drehen in um- 
gekehrter Richtung vollständig fehlt, also das gleiche Phänomen wie im 
obigen Fall. 

Wann er kommt auf Grund dieser Beftinde zu dem Schluß, 
daß nach dem Drehen von der hörenden (gesunden) Seite zur 
labyrinthlosen der Nystagmus beim Blick nach allen Richtungen 
vollständig fehlt, während er nach dem Drehen von der laby- 
rinthlosen zur hörenden Seite in der bei den Normalhörenden 
festgestellten Form auftritt. Des weiteren schließt Wann er 
daraus, daß nur die Bewegung der Endolymphe von Bogengang 
zur Ampulle Bewegungsvorstellung erzeugt. 

Die Untersuchungen und Resultate Wann er s, so einleuch- 
tend sie auf den ersten Blick sind, erwiesen sich leider nicht 
als einwandfrei. 

Esohweiler, Sasedateleff, Kümmel und Fassow 
kamen bei ihren Untersuchungen zu anderen Resultaten; die 
genannten Autoren fanden nach Drehung bei einseitig Labyrinth- 
losen beiderseitigen Nystagmus. 



2aO XXIII. BROCK 

Daß nicht allein die Endolymphbewegung vom Bogengang 
zur Ampnlle, sondern auch die umgekehrte Bewegung Nystag- 
mus erzeugt, hätte allein schon aus dem Auftreten des Nach- 
nystagmus entnommen werden können. 

In der neuesten Zeit hat uns Bar an y eine Methode an- 
gegebeo, durch die man Nystagmus, Schwindel . . . kurz alle 
die Symptome, die die Drehung um die Vertikalachse erzeugt, 
und die man unter den Begriff Drehschwindel zusammenfaßt, 
hervorrufen kann. 

Daß bei den Ohrenkranken infolge von Ausspülung des 
Gehorgangs oder der Paukenhöhle Schwindel, üebelkeit ent- 
stehen kann, ist eine den Ohrenärzten längst bekannte Tatsache. 
Versuche, die darauf zurückgingen, hat Baginsky unter- 
nommen. Baginsky kam auf Grund seiner Versuche zu der 
Ansicht, daß der Nystagmus, den er beobachtete, nicht von den 
Bogengängen, sondern vom Gehirn ausgelöst werde. 

Der erste aber, der systematische Untersuchungen mit Ein- 
spritzung von kaltem und warmem Wasser oder Flüssigkeit 
unter und über Körpertemperatur gemacht hat, istBarany; er 
nennt den hierbei erzeugten (durch thermischen Beiz hervor- 
gerufenen) Nystagmus kalorischen Nystagmus. 

Die Ergebnisse der Untersuchungen Barany's seien hier 
kurz angeführt. Ausspritzung des rechten Ohres bei aufrechter 
Körperhaltung mit kaltem Wasser ergab einen nach links ge- 
richteten vorwiegend rotatorischen, fast stets aber auch mit 
einer horizontalen Komponente gemischten Nystagmus, der bei 
Blick nach links am stärksten, bei Blick nach rechts am 
schwächsten ist. 

Nimmt man zum Ausspritzen Wasser über Körpertempera- 
tur, so tritt der entgegengesetzte Nystagmus auf; bei Aus- 
spritzung des rechten Ohres ist der Nystagmus als vorwiegend 
rotatorisch nach rechts gerichtet und wird bei Blick nach rechts 
am deutlichsten. Nicht selten besteht neben der rotatorischen 
eine vertikale oder diagonale Componente. Nimmt man Wasser 
von Körpertemperatur, so tritt bei noch so langem Ausspritzen 
und bei noch so empfindlichen Personen niemals Nystagmus 
oder Schwindel auf. Weiter fand B. bei seinen Versuchen eine 
ausgesprochene Abhängigkeit des kalorischen Nystagmus von 
der Kopfhaltung, im Gegensatz zu dem durch Drehen, Galva- 
nisieren oder Druck hervorgerufenen. 

Die Erklärung, die B. hierfür gibt, ist folgende: B. glaubt, 



Untersuchungen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 231 

daß es sioh um direkte partielle Abkühlung resp. Erwärmung 
des Labyrinthinhaltes und dadurch hervorgerufener Endolymph- 
bewegung handelt Durch diese Versuche und die bisher ge- 
fundenen Resultate ist nun endlich auch für den Menschen be- 
wiesen, daß sowohl die Endolymphströmung vom glatten Ende 
zur Ampulle als auch die umgekehrte Bewegung Nystagmus 
erzeugt. Bei Anwendung dieser Methode ist es jetzt möglich, 
beide Labyrinthe getrennt auf ihre Funktion resp. auf ihr Nioht- 
funktionieren zu prüfen, während bei den Untersuchungen ver- 
mittels des Drehens das andere Labyrinth nicht auszuschließen 
war. In welcher Weise die beiden Labyrinthe nach Drehen 
erregt werden, ist in folgenden Sätzen formuliert. 

1. Bei der Drehung nach links sowohl um die vertikale 
Achse (von oben gesehen entgegen dem Uhrzeiger, als auch um 
die sagittale Achse (gegen die Schulter links) und mithin auch 
um jede zwischen diesen Richtungen gelegene Achse wird das 
linke Labyrinth stärker eiTCgt. 

2. Dort wo sämtliche Nervenfasern einer Ampulle oder des 
gesamten Labyrinths gereizt werden, muß ein Nystagmus zu- 
stande kommen, wie er bei Drehung nach der Seite dieses Laby- 
rinths auftritt. 

Um mich in der Untersuchung zu üben, einen Blick für die 
verschiedenen Formen des Nystagmus zu gewinnen, und auch 
zur Vergleichung mit den Resultaten von Wann er und von 
Barany habe ich, bevor ich an die Untersuchung der Taub- 
stummen ging, eine Anzahl Normalhörender nach Drehen auf 
den Nachnystagmus untersucht. 

Der Gang der Untersuchung war folgender: 

Objektive Untersuchung beider Gehörorgane, Prüfung der 
Hörweite für Zahlen in Flüstersprache, Feststellung der oberen 
und unteren Tongi-enze, Rinnescher Versuch, Prüfung auf spon- 
tanen Nystagmus. Falls diese fünf Punkte den normalen Ver- 
hältnissen entsprachen, wurde das betr. Individuum als normal- 
hörig betrachtet. Die Untersuchung des Nachnystagmus wurde 
ausgeführt nach den Vorschriften, wie sie Wanner gegeben hat: 

10 maliges aktives Drehen um die Vertikalachse. Prüfung 
des Nachnystagmus, wobei der zu Untersuchende einen in ca. 
30 cm Entfernung vom Auge vorgehaltenen Finger fixieren 
mußte. Es wurde untersucht beim Blick nach rechts, geradeaus 
und beim Blick nach links. Die ersten Normalhörigen, die ich 
in dieser Weise untereuchte, finden sich in der Tabelle nicht 



L 



232 XXIII. BROCK 

angeführt. Der Grund, warum ich diese meine ersten Unter- 
suchungen später nicht mehr verwenden konnte, war das Erscheinen 
der Arbeit Baranys. Da ich die früher untersuchten Normalen 
nicht mehr zur Prüfung des kalorischen Nystagmus bekommen 
konnte, so entschloß ich mich, andere Individuen zu finden^ bei 
denen dann sowohl der Nystagmus nach Drehversuch als auch 
der kalorsiche Nystagmus geprüft wurde. 

Bei der Kürze der Zeit war es mir nicht möglich, mehr als^ 
20 Normalhörige in dieser Weise zu untersuchen. 

Das Ergebnis dieser Untersuchungen findet sich in Tabelle I 
S. 234/35). Wann er hat bei seinen Untersuchungen nur drei Grade 
der Intensität des Nystagmus unterschieden, starken Nystagmus, 
geringen Nystagmus und keinen Nystagmus. Ich konnte mich 
nicht entschließen, diese Einteilung anzunehmen; es waren die 
Unterschiede in der Stärke des Nystagmus doch zu groß, icb 
entschloß mich daher zu folgender Einteilung: 

1. Kein Nystagmus 

2. Einzelne Zuckungen 

3. Geringer Nystagmus 

4. Nystagmus 

5. starker Nystagmus. 

Die Untersuchung dieser 20 Normalhörigen mit 40 Gehörorganen ergab 
demnach : 

Nystagmus nach Drehen Ton rechts nach links, bei Blick nach rechts : 
Starker Nystagmus 10 mal 
Nystagmus 8 mal 
geringer Nystagmus Imal 
einzelne Zuckungen Imal 
kein Nystagmus kein mal 

Beim Blick geradeaus und nach links war der Nystagmus schwächer 
oder gar nicht vorhanden. 

Nystagmus nach Drehen von links nach rechts bei Blick nach links: 
Starker Nystagmus 3 mal 
Nystagmus 12 mal 
geringer Nystagmus 5 mal 
einzelne Zuckungen Omal 
kein Nystagmus Omal. 

Beim Blick geradeaus oder nach links war der Nystagmus abge- 
schwächt oder überhaupt nicht vorhanden. 

Umrechnung dieser Zahlen in Prozente, Yergleichung mit den von 
Wanner gefundenen Werten und Yergleichung der Stärke des Nystagmus 
je nach der Drehung beim Blick nach rechts, geradeaus und links ergibt 
folgende kleine Tabelle: 

Drehen von rechts nach links. 
Wanner: Starker Nystagmus beim Blick nach rechts 100 Proz. 
Brock; * * • ** s90* 

Wanner: Geringer und kein Nystagmus beim BUck geradeaus 92 Proz» 
Brock; » « c * ** «55*8 

Wann er.': Kein Nystagmus beim Blick nach links 88 Proz. 
Brock: * ^ * » s 80 » 

Drehen von links nach rechts. 
Wanner: Starker Nystagmus beim Blick nach links 94 Proz. 
Brock; * « » *? *75« 



Untersuchungen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 233 

Wann er; Geringer und kein Nystagmus beim ßlick geradeaus 96 Proz. 
Brock; * *- # * * *85 5 

Wanner: Kein Nystagmus beim Blick nach rechts 100 Proz. 

Brock: * * * * s * lOO * 

„Immer tritt also beim Normalhörigen Nystagmus in der der 
Drehungsriohtung entgegengesetzten Blickrichtung auf, während 
derselbe in der der Drehungsricbtung gleichgerichteten Blick- 
richtung fehlt.*' Ich glaube, eine kleine Einschränkung wird das 
Richtige treflfen. Daß der Nystagmus in der der Drehungsrichtung 
gleichgerichteten Blickrichtung vollständig fehlt, ist nicht richtig; 
ich fand nach Drehen von rechts nach links bei Blick nach links : 

Imal Nystagmus, 

3 mal geringen Nystagmus, 

6 mal einzelne Zuckungen. 

Die letzteren will ich, wie es Wanner auch tat, nicht als 
wirklichen Nystagmus bezeichnen, es fanden sich aber dann 
dennoch in 20 Proz. deutliche Augenbewegungen. 

Die Blickrichtung ist also für den Nachnystagmas nach 
Drehversuch von wesentlicher Bedeutung. 

„Besteht z. B. horizontaler Nystagmus nach rechts, wie er 
nach Drehen von rechts nach links auftritt, so ist derselbe bei 
Blick nach rechts, also beim Blick entgegen der Drehungs- 
richtung und in der Richtung seiner raschen Bewegung am 
stärksten, beim Blick geradeaus geringer und beim Blick nach 
links stark abgeschwächt oder aufgehoben. Fällt also die 
Richtung der langsamen Bewegung des Nystagmus mit der 
willkürlichen Blickrichtung zusammen, so hört der Nystagmus 
auf oder wird sehr stark abgeschwächt. Blick in der Richtung^ 
der raschen Bewegung verstärkt den Nystagmus, die umgekehrte 
Blickrichtung hebt ihn auf oder schwächt ihn ab." Aus den 
Versuchen von Lee an Haifischen wissen wir, daß die langsame 
Bewegung des Nystagmus in derselben Richtung stattfindet, in 
der sich die Endolymphe in dem betreffenden Bogengang: 
bewegt. 

Beim plötzlichen Anhalten einer Drehung von rechts nacb 
links wird sich im linken horizontalen Bogengang die Endo- 
lymphe in der gleichen Richtung nach einiger Zeit fortbewegen ;. 
die Endolymphbewegung hat demnach die Richtung von rechts 
nach links. Nach den Gesetzen von Lee findet die langsame 
Bewegung des Nystagmus demnach nach links hin statt, die 
rasche nach rechts; ein Verhalten, wie wir es auch bei den 
Versuchen durch Drehen finden. Daß Fixation des Blickes- 

Archiy f. Ohronheilkande. LXX. Bd. 16 



234 XXIII. BROCK 

nach reehts Verstärkung des Nystagmus bedingt, ist nach obigem 
leicht zu verstehen und ebenso, daß bei Blickrichtung in der 
Richtung der langsamen Bewegung der Nystagmus fehlt. 

„Willkürliche Fixation des Blickes, die die Augen in einer 
der langsamen Bewegung des Nystagmus entgegengesetzten 
Richtung festzuhalten versucht, ist nicht imstande, diese Be- 
wegung aufzuhalten.^ 

Weitere Versuche, die Barany zu dieser Frage anstellte, 
fahrten ihn zu dem Ergebnis, daß man die Wirkung der laby- 
rinthären Reize auf das Auge durch optische Reize vollständig 
aufheben, ja sogar in ihr Gegenteil verwandeln kann. 

Bei Prüfung des kalorischen Nystagmus war es mir wegen 
Zeitmangels leider nicht möglich, den Nystagmus bei verschie- 
dener Kopfhaltung zu untersuchen; ich mußte mich darauf be- 
schränken, bei aufrechter Körper- und Kopfhaltung den durch 
Einspritzung von Wasser unter Körpertemperatur erzeugten Ny- 
stagmus zu untersuchen. Vor der Einspritzung des Wassers in 
den Gehörgang wurde noch einmal auf spontanem Nystagmus 
bei extremer Bulbusdrehung nach rechts, links nach oben und 
unten gefahndet; doch zeigte keiner der Normalhörigen spontanen 
Nystagmus. 

Die Untersuchung wurde analog den Angaben B. aus- 
geführt. 

Ein gerades Paukenröhrchen wurde unter Spiegelbeleuchtung 
bis dicht an das Trommelfell gebracht; auf ein Zeichen ließ 
eine Hilfsperson das Wasser aus einem etwa V^ !• haltenden 
Ballon, der durch einen längerem Schlauch mit dem Pauken- 
röhrchen verbunden war, ohne Druck in das Ohr einfließen. 
Auf Nystagmus wurde geprüft analog der Prüfung nach dem 
Drehen beim Blick nach rechts, gerade aus und links unter 
Fixation des vorgehaltenen Fingers. 

Die üntersuchungsresulate finden sich ebenfalls in Tabelle I 
(s. S. 236—237). 

Immer wieder konnte ich konstatieren, daß der Nystagmus nach 
Drehen viel stärker war, als der kalorische Nystagmus; d. h. 
die einzelnen Ausschläge des Nystagmus nach Drehen waren 
viel größer als die des kalorischen Nystagmus; dagegen war 
der kalorische Nystagmus bedeutend länger zu beobachten als 
der durch Drehen erzeugte. 

Ein Vergleich der Stärke des Nystagmus nach Drehen und 
des kalorischen Nystagmus ist deshalb unangebracht. 



UntersachoDgen aber die Funktion des Bogengangapparates usw. 235 

Auch hier habe ieh die Einteilung in starken Nystagmus 
usw. beibehalten. 

Nystagmus nach Einspritzen von Wasser von 28 <^ u. darunter in 
den reohtenGehorgang bei Blick nach links. Nystagmus nach links. 

Starken Nystagmus Imal — 5 Proz. 

Nystagmus 6 mal »» 30 Proz. 
Geringen Nystagmus 13 mal — 65 Proz. 
Einzelne Zuckungen Omal » o Proz. 
Kein Nystagmus Omal » Proz. 

Beim Blick nach rechts: 

Starker Nystagmus Omal » Proz. 

Nystagmus Omal » o Proz. 
Geringer Nystagmus Imal «• 5 Proz. 
Einzelne Zackungen Omal «» 30 Proz. 
Kein Nystagmus 13 mal »» 65 Proz. 

Nystagmus nach Einspritzung von Wasser von 28® G und darunter in das 
linke Ohr. Auftreten von Nystagmus nach rechts bei Blick nach rechts: 
Starker Nystagmus Imal »» 5 Proz. 

Nystagmus 8 mal ^ 40 Proz. 
Geringer Nysti^ns 11 mal « 55 Proz. 
Einzelne Zuckungen Omal »» Proz. 
Kein Nystagmus Omal »» Proz. 

Beim Blick nach links: 

Starker Nystagmus Omal -■ Proz. 
Nystagmus Omal s- Proz. 
Geringer I^ystagmus Omal — Proz. 
Einzelne Zuckungen 3 mal » 15 Proz. 
Kein Nystagmus 17 mal » 85 Proz. 

Auch hier ist die Einwirkung der Blickrichtung auf den Nystagmus 
sehr deutlich. Beim Blick geradeaus ist der Unterschied nicht so auffallend, 
cfr. Tafel II. 



Tabelle IL 

Augenbewegungen nach Drehversuoh und Ausspritzung der 

Ohren mit Wasser unter Körpertemperatur bei verschiedener 

Blickrichtung in absoluten und in Frozentzahlen. 

Nystagmus 
nach Drehen von links nach rechts beim Blick nach 





1) in absoluten Zahlen 


2) in Prozentzahlen 




rechts 


geradeaus 


links 


rechts 


geradeaus 


links 


Kein Nystagmus 


18 


2 




90^0 


10 «/o 




Einzelne Zuckungen 


2 


6 




1070 


3070 




Geringer Nystagmus 




9 


5 




450/0 


26*>^ 


Nystagmus 




3 


12 




16«/o 


60 7o 


Starker Nystagmus 






3 






16 0/0 






l^ortsetzung s! 238. 












16* 





236 






XXIII. BROCK 












Tabelle I. Erscbeinangen von Nystagm 


US bei 20 Normalhörigen nach Drehversuck 


Lfd. 






obere 


Nystagmus nach 
Drehen von 




Nystagmus nach 
Drehen von 


Name 


< 


Ton- 
grenze 


linki 


nach rechts 


Schwindel 


rechts nach Uni 


Nr. 


beim 


Blick nacn 


heim Blick nach 




rechts 


gerade 
aus 


links 


rechts 


gerade 
aus 


linki 


1 


Dtlrr, Katharina 


23 


rechts 0.2 
links 0.2 





N 


starker 

N 


Schwindel 


starker 

N 


N 





2 


Gleißner, Therese 


16 


rechU 0.3 
links 0.3 





gering. 

N 


N 


Schwindel 


starker 

N 


N 


geria 

Nl 


3 
4 


Wildermann, 
Magdalena 

Blum, Margarethe 


21 
16 


rechts 0.2 
links 0.2 

rechts 0.3 
links 0.3 




einzeln 
Zuck. 


N 

gering. 

N 


starker 

N 

N 


starker 
Schwindel 

Schwindel 


gering. 

N 

N 


einz. 
Zuck. 

N 




N 


5 


Hof mann, Kaspar 


27 


recht 25 
links 0.25 





einzeln 
Zuck. 


N 


geringer 
Schwindel 


starker 

N 


N 


Zuel 


6 


Schiener, Johann 


19 


rechts 0.3 
links 0.3 





gering. 

N 


N 


geringer 
Schwindel 


N 


gering. 

N 


einz 
Zuel 


7 


Böhner, Georg 


19 


rechts 0.3 
links 0.2 





1 
1 

! N 

1 


kein 
Schwindel 


N 


eins. 
Zuck. 





8 


Gutweil, Johann 


30 


rechts 0.2 
links 0.3 





gering. 

N 


N 


geringer 
Schwindel 


N 

• 


einz. 
Zuck. 





9 


Trapp, Johann 


25 


rechts 0.2 
links 0.3 





einzeln 
Zuck. 


gering. 

N 


kein 
Schwindel 


N 


gering. 

N 





10 


Stahl, Caroline 


20 


rechts 0.2 
links 0.2 








gering. 

N 


kein 
Schwindel 


starker 

N 


^ ' N 


11 


Sprattler, Wolfg. 


18 


rechts 0.3 
links 0.2 





gering. 

N 


N 


kein 
Schwindel 


starker 

N 


N 


gerii 
K 


12 


Schäfler, Kiinig. 


22 


rechts 0.3 
links 0.2 





gering. 

N 


N 


starker 
Schwindel 


N 


gering. 

N 


d 


13 


Sechser, Bahette 


19 


rechts 0.2 
links 0.2 





gering. 

N 


N 


kein 
Schwindel 


starker 

N 


N 


a 


14 


Sturm, Elise 


20 


rechts 0.2 
links 0.3 





gering. 

N 


N 


kein 
Schwindel 


N 


gering 

N 


ein 

Zuc 


15 


Rahner, Bahette 


16 


rechts 0.2 
links 0.2 





N 


starker 

N 


geringer 
Schwind 


starker 

N 


N N 

1 


16 


Stahl, Bahette 


24 


rechts 0.2 
links 0.25 





einzeln 
Zuck. 


N 


geringer 
Schwind. 


starker 

N 


N 


ein. 

Zuc 


17 


Gentner, Johann 


17 


rechts 0.2 
links 0.2 


einzeln 
Zuck. 


gering 

N 


N 


kein 
Schwind. 


starker 

N 


gering. 

N 


ein 
Zuc 


18 


Frischholz, Joh. 


33 


rechts 0.2 
links 0.2 





einzeln 
zück 


gering. 

N 


geringer 
Schwind. 


starker 

N 


gering. 

N 


ein 
Zuc 


19 


Weiß, Paul 


18 


rechts 0.2 
links 0.2 





einzeln 
Zuck. 


gering 

N 


kein 
Schwind. 


N 


gering. 

N 


1 


20 


Gleißner, Herrn. 


34 


rechts 0.3 
links 0.3 





einzeln 
Zuck. 


gering, 

N 


geringer 
Schwind. 


gering. 

N 





1 
4 



1) als nach Drehen von links nach rechts 



2) Nystagmus steht in keinem ^ 



üntersachungen über die Funktion des ßogengangapparates usw. 237 



1 Eifippritzung von kaltem Wasser (Wasser nnt. Körpertemperatur) in den Gehörgang. 



Schwindel 



kalorischer Nystagmus 
naohEinspritz.T.Wass. 
▼.2SOCind.rechteOhr 



beim Blick nach 



rechts 



gerade- 
aus 



links 



Schwindel 



kalorischer Nystagmus 
nachEinspritz.Y.WasB. 
V.2S0 C in d. linke Ohr 



beim Blick nach 



rechts 



gerade- 
aus 



links 



Schwindel 



irk. Schwind. 

rkererSohw.* 

r stark. Seh w. 
Übelkeit 3 

khw.uÜbelk. 
ohtiu Sturzen 

irkerer Sohw. 
ring. Schw. 
ring. Sohw. 
in Schwind. 

nng. Schw. 

trkerer Sohw. 
Übelkeit 

Schwind, 
iw., Übelkeit 
ring. Schw. 
lein Schw. 
ring. Schw. 
rkerer Sohw 
ring. Sohw. 
ring. Sohw. 
tan Sohw. 
ekerer Sohw. 

nis znm Schwindel. 





Zack. 




emz. 
Zuok. 

gering. 

N 







einz. 
Zuok. 

einz. 
Zuck. 






gering. 

N 

gering, 

N 

gering. 

N 

gering. 

N 

gering. 

N 

gering. 

N 

einz. 

Zuck. 

fierinff. 
gering.,*^ ^^ 

"^ N(Au8- 

gering.'sohl. s. 

N gering. 



germg 

N 

starker 

N 

gering 

N 

N 

gering 

N 

N 



N 











einz. 
Zuck. 


gering. 

N 











gering. 

N 





einz, 


Zuck. 





einz. 


Zuck. 





einz. 


Zuok. 


einz. 
Zuck. 


gering. 

N 





einz. 


Zuck. 





einz. 



gering. 

N 

gering. 

N 

N(Au8- 
schlag 
gering) 
gering. 

N 
ger. N 
(Aus- 
schlag 
gering, 
gering. 

N 
gering 

N 

gering. 

N 

N 



gering. 

N 

gering. 

N 



SohwindelgefUhl 
und Übelkeit 

stark Schw. 
Sohw., Übelkeit 
Schw. 

kein Schw. 
gering. Sohw. 

kein Schw. 

kein Sohw. 

kein Schw, 

kein Schw. 

kein Sohw. 
gering, Schw. 
stark. Schw. 

kein Schw. 

kein Schw. 
gering. Schw. 
gering. Schw. 
gering. Schw. 
gering. Schw. 

kein Schw. 



N 

starker 

N 

gering 

N 

N 



gering. 

N 

gering. 

N 

N 



gering. 

N 

N 



gering. 

N 

gering 

N 

gering 

N 

gering. 

N 

gering. 

N 

gering. 

N 

N 



gering. 

N 

N 



N 



N 



gering. 

N 


einz. 
Zuck. 


gering. 

N 


einz. 

Zuok. 


gering. 

N 





gering. 

N 





gering. 

N 











gering 

N 





gering. 

N 





gering. 

N 











ü 











gering. 

N 





gering. 

N 





einz. 
Zuck. 





gering. 

N 


einz. 
Zuok. 


einz. 
Zuck. 





gering. 

N 





gering. 

N 





gering. 

N 






Schw. 

stark.Sohw. 

Schw.y Übelkeit 

Schw. 

kein Sohw. 

kein Sohw. 

kein Sohw. 

kein Sohw. 

kein Sohw. 

kein Schw. 

kein Schw. 

gering. Sohw. 

stark. Schw. 

kein Sohw. 

kein Sohw. 

Sohw. o. Übelk. 

gering. Sohw. 

kein Schw. 
gering. Schw. 

kein Sohw. 



238 XXIIL BROCK 

Nystagmus 
nach Drehen von rechts naeh links beim Blick nach 





1) in 


i absoluten Zahlen 


2) 

1 


in Frozentsahlen 




rechts 


geradeani 


links 


rechts 


geradeaus 


links 


Kein Nystagmui 




1 


10 




5«;o 


500/0 


Einielne Zuoknngen 




3 


6 




15 o/o 


300/0 


Geringer NystagmuB 


2 


7 


3 


10 o/o 


35 Vo 


150/0 


Nyitagmns 


8 


9 


l 


40% 


450/0 


50/0 


Starker Nystagams 


10 






50 > 







Nystagmus 
nach Ausspritzung des rechten Ohres beim Blick nach 





1) in absoluten Zahlen 


2) 


in Frozentzahlen 




1 

rechts ' 

1 


geradeaus 


links 


rechts 


geradeaus 


links 


Kein Nystagmus 


13 


3 




650/0 


150/0 




Einielne Zuckungen 


6 


6 




300/0 


30 0/0 




Geringer Nystagmus 


1 


11 


13 


500 


550/0 


650/0 


Nystagmus 






6 






300/0 


Starker Nystagmus 






1 






50/0 



Nystagmus 
nach Ausspritzung des linken Ohres beim Blick nach 





1) in absoluten Zahlen 


2) 


in Prozentzahlen 




rechts 


geradeaus 


links 


rechts 


geradeaus 


links 


Kein Nystagmus 




4 


17 




200/0 


85 »/o 


Einzelne Zuckungen 




2 


3 




10 0/0 


150/0 


Geringer Nystagmus 


11 


14 




550/0 


700/0 




Nystagmus 


8 






400/0 






Starker Nystagmus 


1 






50/0 







Was das Schwanken betri£ft, so war dasselbe nach Drehen von rechts 
nach Unke und nach Drehen von links nach rechts immer vorhanden; da- 

fegen durchaus nicht immer Torhanden war das subjektive Schwindelgefühl, 
^ie Angaben der Untersuchten hierüber waren folgende: 

Nach Drehen von rechts nach links: 

Starker Schwindel 2 mal » 10 Proz. 
Schwindel 2 mal «= 10 Proz. 
Geringer Schwindel 7 mal -» 35 Proz. 
Kein Schwindel 9 mal » 45 Proz. 



Untersuchungen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 239 

l^ach Drehen von links nach rechts: 

Starker Schwindel 8 mal = 40 Proz. 
Schwindel 2 mal = 10 Proz. 

Geringer Schwindel 7 mal = 35 Proz. 

Kein Schwindel 3 mal = 15 Proz. 

Subjektives Schwindelgefühl nach Ausspritzung des rechten Ohres. 

Starker Schwindel 2 mal » lo Proz. 
Schwindel 3 mal = 15 Proz. 
Geringer Schwindel 6 mal = 30 Proz. 

Kein Schwindel 9 mal »45 Proz. 

Subjektives Schwindelgefübl nach Ausspritzung des linken Ohres: 

Starker Schwindel 2 mal =10 Proz. 
Schwindel 4 mal ^ 20 Proz. 

Geringer Schwindel 3 mal = 15 Proz. 

Kein Schwindelgefahl 11 mal = 55 Proz. 

Brechreiz und Übelkeit trat auf nach Drehversuch 4 mal und zwar 
nach Drehen von rechts nach links. 

Nach Ausspritzung der Ohren trat ebenfalls 4 mal Brechreiz und Übelkeit 
auf; 2 mal nach Auspritzung des rechten Obres und ebenso 2 mal nach 
Auspritzung des linken Ohres. 

Einige Male war starkes subjektives Schwindelgefübl vorhanden, ohne 
daß der objektive nachweisbare Nvstagmus entsprochen hätte. 

Auffallend ist das starke Überwiegen des starken Schwindelgefühls 
nach Drehen von links nach rechts gegenüber dem Drehen von rechts nach 
links. Nach diesem JSefund wäre das rechte Ohr empfindlicher gewesen 
als das linke. 

Bevor ich die üutersuchungsresultate mitteile, die ich bei 
den Zöglingen der Mittelfränkischen Ereistaubtummenanstalt be- 
züglich der Gleichgewichtsstörungen gefunden habe, muß ich 
auf die Verteilung der Hörreste bei den Taubstummen näher 
eingehen. 

Bei Eröffnung der Anstalt im September 1905 befanden 
sich in derselben 48 Zöglinge; \m Laufe des Jahres kamen 
noch 2 hinzu, sodaß im ganzen 50 Individuen zu Untersuchung 
kamen. 

Von den Taubstummen, die jetzt Zöglinge der Anstalt 
sind, stammen ein großer Teil aus der jetzt nicht mehr be- 
stehenden Nürnberger Taubstummen -Schule, einzelne kamen 
von anderen Schulen, 12 wurden in die erste Klasse der Schule 
aufgenommen. 

Ein großer Teil der aus der Nürnberger Taubstummen- 
schule übernommenen Kinder war von dem verstorbenen Augen- 
und Ohrenarzt Hofrat Paul Schubert mit der kontinuierlichen 
Tonreihe nach Bezold schon untersucht; es waren dies im ganzen 
24 Kinder. 

Von diesen sind 6 in der Festschrift des Ärztlichen Verein» 
Nürnbergs bereits veröffentlicht. Ich habe diese 6 der Voll- 
ständigkeit halber nochmals in die Tabelle aufgenommen. Es 
blieben also mit der kontinuierlichen Tonreihe zu untersuchen: 



240 XXIII. BROCK 

die 12 Zöglinge der ersten Klasse und 14 weitere Kinder, die 
sieh auf verschiedene Klassen verteilten. 

Von den 50 Taubstummen gehörten 17 dem weiblichen, 33 
dem männlichen Gesohlecht an; also ein starkes Überwiegen des 
männlichen Geschlechtes. 

Die Untersuchung auf Hörreste wurde vorgenommen genau 
nach den Bezoldschen Vorschriften und Vorsichtsmaßregeln 
zum Teil von Herrn Professor Denker, zum Teil von mir unter 
Unterstützung des Lehrerpersonals der Anstalt. Um gleich in 
medias res zu gehen, seien hier die zwei Haupttabellen (S. 
242—259) eingefügt. 

In der ersten linden sich Rubriken mit Namen, Alter, Ein- 
tritt in die Anstalt beziehungsweise Eintritt in eine andere Taub- 
stummen-Schule, Ursache der Taubheit, objektiver Befund an 
den Gehörorganen, pathologischer Befund in den oberen Luft- 
wegen, pathologischer Befund an den Augen. (Die Untersuchung 
der Augen wurde von dem Nürnberger Augenarzt Dr. Hub rieh 
ausgeführt. Es sei ihm auch hier nochmals für das liebens- 
würdige Entgegenkommen der herzlichste Dank ausgesprochen), 
andere Erkrankungen und Angaben über Familienverhältnisse, 
körperliche Entwicklung, geistige Entwicklung und Bemer- 
kungen. 

In der anderen Haupttabelle, Rubriken mit Namen, Taub- 
heit ob angeboren, erworben oder unsicher, Gruppe nach Be- 
zold. Sprachgehör und die Untersuohungsresultate nach Drehen 
um die vertikale Achse. 

Von den Schülern der ersten Klasse war Carl Ludwig Br. 
(laufende Nummer 11) die am Schluß des Schuljahres mit der 
kontinuirlichen Tonreihe auf ihre Hörreste untersucht wurden, 
nicht zu untersuchen.' 

Mit der Bezoldschen kontinuierlichen Tonreihe untersucht 
sind demnach nur 49 Kinder. 

Diese 49 Kinder mit 98 Gehörorganen wurden eingeteilt 
bezüglich ihres Hörvermögens in 

A. Totaltaube 

1. Doppelseitig Taube 
'2. Einseitig Taube 

B. Partiell-Taube. 

Für die Abteilung B wurde die Bezoldsche Einteilung in 
sechs Gruppen angenommen. 



Untersuchungen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 241 

Absolute Taubheit auf beiden Ohren zeigten von 49 Kin- 
dern 13 — 26,5 Proz. 

Unter den bisher mit der kontinuierlichen Tonreihe unter- 
suchten Taubstummen fanden: 

Bezold 1893 unter 79 Zogl. 19,0 Proz. doppelseit. total taube 

Bezold 1898 = 59 = 22,0 = = = = 

Barth = 87 := 56,2 ^ = = :: 

Schwendt u. Wagner 47 = 21,3 = = = = 

Denker unter 63 = 39,7 = = = = 

Kickhefel = 29 = 10,4 = . = . 

Haslauer ^ 89 = 44,9 = :: = s 

Sohmigelow = 184 = 28,0 = = = ^ 

Schubert = 72 - 16,6 - ; = = 

Wanner := 108 = 23,1 -^ = :: :: 

Einseitig total taub wurden gefunden lOGehöorgane nämlich: 
Nr. 12 rechts, Nr. 17 rechts, Nr. 18 rechts, Nr. 26 links, Nr. 27 
rechts, Nr. 31 rechts, Nr. 34 links, Nr. 46 rechts, Nr. 49 rechts. 

Totaltaube Gehörorgane demnach zusammen: 
Doppelseitig totaltaube Gehörorgane 26 
Einseitig - - 10 

Summa 36 Gehörorgane— 36,7 Proz. 

Andere Autoren fanden folgende Zahlen: 

Bezold 1893 30,4 Proz. 

Bezold 1898 28,8 = 

Barth 65,5 ^ 

Schwendt u. Wagner 26,4 -^ 

Denker 49 = 

Kickhefel 17,2 := 

Haslauer 54,5 - 

Schmigelow 36,4 = 

Schubert 15 - 

Wanner 29,1 = 

Die Verschiedenheit in der Häufigkeit der totalen Taubheit 
in den verschiedenen Anstalten ist nach Denkers Ansicht be- 
dingt durch das Verhältnis der angeborenen und der erworbenen 
Taubheit. 

B. 

Partielltaube. 

Die Gruppen habe ich abgegrenzt nach den Angaben, wie 

sie sich in Bezolds Arbeit, „Statistischer Bericht über die 

Untersuchungen an einer zweiten Serie von Taubstummen^^ finden. 



242 



XXIII. BROCK 



Nr. 



Name 



Daten 



Tag 

der 

Geburt 



Tag des 

Eintritts 

in die 

Anstalt 



Ursache der 
Taubheit 



Objektiver Befund an 
beiden Gehörorganen 



1. 



üngerer, 
Konrad 



2. 



3. 



4. 



5. 



6. 



7. 



13. Sept. 
189S. 



Waldrab, 
Elise 



Zeoh, Georg, 



Salfner,Georg 



Oettlein, 
Wolfgang 



Mnller, 
£;^Babette 



Lang, Era 



18. Juli 
1898. 



10. Januar 
1898. 



14. März 
1897. 



18. Aprü 
1896. 



7. Sept. 
1899. 



18. M8rz 
1893. 



1. Januar 
1906. 



1. Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1905. 



Im Alter Ton 

2 Jahren durch 

Scharlach 

erworben. 



Angeboren 



Ungewiß. 



Im 3. Lebensjahr 
Genickstarre 



Angeboren. 



Mit 2 Jahren an- 
geblich durch 
Genickkrampf. 



Im 2. Lebensjahr 
infolge Ohren- 
flusses nach 
Keuchhusten 
entstanden. 



rechts. Im GehSrgang föti- 
des eiteriges Sekret. Spritze 
entleert maceriezte Epidermis 
u. käsige bröcklige Massen. 

Trommelfell bis an seinen 
oberen Band Yollstnndig feh- 
lend. Paukenhöhlenschleim- 
haut granulierend. 

links. Trfl. diffus getrttbt; 
normaler Beflez fehlend. 

rechts Trlf. Hammergriffre- 
trahiert, normler Reflex an 
die Peripherie gerUckt. 

links. Im Gehörgang fö- 
tides eiteriger Sekret. 

Trlf. Tor Epidermismassen 
nicht zu sehen. 

rechts. Trlf. normaler Be- 
flex abgerttokt. 
links. Beflex fehlend. 



rechts Trfl. normaler Reflex 
yerschwommen. 
links norm. Refl. Terschw. 



Trlf. bdrs. unyerSndert. 



rechts. In der Tiefe des 
Gehörganges wenig übel- 
riechendes Sekret. Trfl. fast 
vollständig fehlend. Promon- 
torialsohleimhaut epidermisiert 
in der Yorderen unteren Hälfte 
gfranulierend. 

links. Im Gehörgang eite- 
riges Übelriechendes Sekret. 
Trfl. stark gerötet; in der 
▼orderen Partie Perforation. 

rechts. Trfl. diffus getrübt; 
links. „ „ mit ein- 
zelnen dunkleren Flecken. 



Untenuchangen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 243 



•I o« 



Pathologisoher 

Befand in den 

oberen 

Luftwegen. 



Pathologische 
Befunde an 
den Augen 



Andere Erkran- 
kungen und 
Angaben über 
Familien- 
Terhältnisse. 



Körperliche 
Entwicklung 



Bemerkungen 



Nsae: Deyiatio, 
septi nach links 
2 Zahne kariös. 



Nase rechts. 

Vorderes Ende 

der mittleren 

Muschel der 

Nasenscheidewand 

anliegend. 

Starke adenoide 

Vegetationen 

Pharyngitis g^an. . 

4 Zahne kariös. 



Ekzem a.d.Nasen- 
spitse u. an d. Um- 
rand. desLNasen- 
eing^ngsAdenoide 
Vegetationen. 

Nase: l.Hypertoph. d. 
yord. Endes dez ant 
Muschel. Adenoide 
VeeetatHypertroph. 
beider Oanmenton- 
älb. 5 zahne kariös. 

Starke Hypertro- 
phie beider 
GaumentonsiUen , 
besonders rechts; 
adenoide Vege- 
tationen 8 Zähne 
kariös. 



2 Zähne kariös. 



Blepharitis 

Oonjunctivit. 

beiderseits, 

Maculae 

corneae. 



Conjunctivitis 
bulbi. 



war sonst 
immer gesund. 
Eltern sind 
gesund. 



Ohreiterung. 
Augenentsünd. 
Eltern sind ge- 
sund. 



Als Kind rhach. 

Tante d. Mutter 

istgeist.schw.u. 

gestört; auch d. 

Onkel. ist geist. 

sohw. Eltern 

sind gesund. 

Mit 3 Jahren 

Diphtherie. 

Eltern sind 

gesund. 

War nie emstl. 

krank. Eltern 

sind gesund. 



Sonst nie krank. 
Eltern sind 



Mit 1 Vs Jahren 
Rotfriesely mit 
3 Jahren Masern, 
filtern sind ge- 
sund. 



Größe: 

1,13 cm. 

Eopfumfang : 

47 ya cm. 

Leichte 

Hypertophie 

der gansen 

Schilddrüse. 



Qrösse: 114 Vt 
Kopfomf anr : 
60 cm. Schild« 
drfise: Massige 
VerpTÖBsening 
d. Mittellappens. 



Größe: 1,15, 

Eopfumfang: 

48 cm. 



Der 

Knabe 

ist bil- 

dungs* 

fähig. 



normal 



gut. 



Größe: 1,07, 
Kopfumfang 

50 cm. 
leichte Kyph. 

Größe: 1,22, 

Kopfumfang : 

52 cm. 



Grösse: 1,05, 

Kopfumfang : 

49 Vs cm. 



gut. 



normal 



normal 



Größe: 1,27, 
Kopfamf. :49 cm. 

Schilddrüse. 

Ziemlich starke 

Hypertrophie 

beider Seiten- 

iappen besonders 

links. 



gering. 



Etwas unsiclierer 
stampfender Gang 



Gang schleifend 



Gang wenig 
schleifend. 



Schleifender 
Gang 



Schleifender 
Gang 



244 



XXIIl. BROCK 




Tag des 

Eintritts 

in die 

Anstalt 



Ursache der 
Taubheit 



Objektiver Btfund an beiden 
Gehörorganen 



8. 



10. 



11. 



12. 



13. 



14. 



Held, Marg. 



Fisoher, 
Marie. 



Disterer,' 
Michael. 



' Bruoner, 
^Karl Ludwig. 



Bast, Karl. 



Daubinger, 
Marie. 



Eckstein, 
Hans. 



25. Januar 
1899. 



16. Sept. 
1906. 



15. Aug. 
1898. 



8. Sept. 
1898. 



15. Okt. 
1897. 



1. Okt. 
1894. 



25. Febr. 
1894. 



1. Sept. 
1905. 



l.Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1903. 



1. Sept. 
1905. 



Mit V/t Jahren 
durch Konvulsio- 
nen entstanden. 

Angeboren. 



Angeboren. 



Angeboren. 



Angeboren. 



Angeboren. 



Rechts Trommelfell diffus 
getrübt; normaler Reflex ver- 
schwommen. 

Links diffus getrübt. 

Normal. 



Rechts: Trommelfell leicht 
diffus getrübt, links normaler 
Reflex abgerückt. 



Rechts normaler Reflex feh- 
lend, links normaler Reflex 
nur angedeutet. 



Rechts im Gehörgang, den- 
selben vollständig ausfüllend, 
ein Wattepfropf, an dem Ce- 
rumen haftet. 

Trommelfell. Größere Narbe 
in der vorderen Hälfte. In 
der Narbe abnorme Refl. Links 
in d. unteren Hälfte kleine 
Narbe mit abnormen Refl. 

Rechts normal, 
links Reflex in der Mem- 
brana Sohrapnelli; normaler 
Reflex verkürzt. 



Mit 6 Jahren Rechts im Gehörgang eite- 
durch Ohreite- riges fötides Sekret. Spritze 
rung erworben, entleert bröcklige, käsige, 

mit Ei t( r untermisohteMassen . 
Große Perforation fast die 
ganze hintere Hälfte einneh- 
mend, Promontorialschleim- 
haut epidermisiert. Ham- 
mergriff mit dem Promonto- 
rium verwachsen. Granula am Perforation srand. 
Links im Gehörgang ebenfalls fötides eiterige. 
Sekret. GroßePerforationin der vorderen Hälfte. 



UntcTBucbungen ab«r die Fanktion de* Bogengftngappkratas a 



Pharjng. graon- 

losa. Tonsilütia 

chron. recbte. 

5 Zahne kariSe. 
Fbaryn);. granul., 
TaDaillitiB oluon. 

5 Zahne ksriOs. 



Deviatio aepti 
DHch rechts, linkt 
UjptrtrophU der 
mittleren Mneche' 

besonder» nacli 



hmt 



Ade- 



b Zahne kariOi. 



Starke adeaoide 
YegeUtioDeD, Hj- 
pertraphie beider 
GBumeDtonüUen. 



Schleimiges 
Sekret, in beiden 
KasenaeiteD. Pba- 
r7ng. Tonaillitis 
chron. 6 Zähne 

karii)i. 
Am Eingang der 
rechten Nasen aeite 
InkruGtatianen 
Linka Hjpertrt 

Maachel. Uhinitia 

beideraeita. 

1. Molaris rechts 

oben karies. 



Mit & Jahren 
Lungen ent- 
cUnduDg. 



Rachitia Tom' 
1.— 4. Jahr.' 
0er alUate Bru- 
der (13 Jahre) 
auch tanb- 

In fiUheat«r 
Kindheit schwer 



iO. Lebena- 
jahre Miiaem u. 

Seharlach. 
Eltern aind Gre- 
schTisterkind. 

Seit frühester 
Kindheit reoble- 
seitige Ü breite ' 

Jahren eiterige 
t'ußgelenksent- 
zUnduDg nnd 
OhreiteriiDg 



liDk 
Jahren Ober- 



: 10 



GröPe: 


Sehr 


I.SO m, 


gnt. 


^Ä^e^^ 




OritßB : 


gut. 


1,22 m, 








«% om. 




Grüße: 


gering. 


,1,11 m, 




Eopfnmfang: 




62 en.. 




GrOCe: 




l.OSra, 








53 om, links 




starker Stirn- 




höckflr. 




Graße: 


got. 


1,13 m, 




Kopf um fang: 




4aV. cm. 




Gral3e: 


gut. 


1.26'/- «». 








&37. cm. 




Größe : 


gut. 


1.39 m, 




Kopfumfang; 




51=/, cm. 




Maßig Tor- 








reohter Pa- 




rleUlhScker. 





Geringe Hjper- 
trophiedes Mittel- 
lappens nnd dei 
SeiteatappeDi der 
Schilddrüse. Gang 
etwaa schleifend. 

Leichte Hjpet- 
trophie dea rech- 
ten Ssitsnlappens. 
Gang: FuQatel- 
lang nach ein- 



HitUUappen der 

SchilddrtiiB etwas 

Tergrilßert, 



246 



XXIII. BROCK 



Nr. 



Name 



Daten : 



Tag der 
Geburt 



Tag des 

Eintritts 

in die 

Anstalt 



Ursache der 
Taubheit 



Objektiver Befand au beiden 
Gehörorganen 



16. 



16. 



17. 



18. 



19. 



Gebert, 
Heinrich. 



Graf, 
Johann. 



Haßlein, 
Johann. 



Kenner, 
Frieda. 



Seitz, Marie. 



20. 



14. Aug. 
1898. 



13. Mai 
1895. 



19. AprU 
1895. 



1. Sept. 
1895. 



25. Jan. 
1896. 



SchrOger, 
Elisabeth. 



21. 



22. 



Blödel, Marie. 



Bock, Johann. 



12. April 
1896. 



29. Aug. 
1896. 



11. Febr. 

1895. 



1. Sept. 

1905. 
(l.Sept, 

1902.) 

1. Sept. 

1905. 

(1. Sept. 

1904.) 

1. Sept. 

1905. 

(1. Sept 

1902.) 

. 1. Sept. 
1905. 
(Anfang 
Mai 1903.) 



Wahrscheinlich 
angeboren. 



Im 2. Lebens- 
jahre durch 
Krämpfe er- 
worben. 

Angeboren. 



1. Sept. 

1905. 
(1. Sept. 

1903.) 



L.Sept. 

1905. 
(1. Sept. 

1902.) 



1 . Sept. 

1905. 

(1. Sept. 

1902.) 

1. Sept« 

1905. 

(2. Sept. 

1901.) 



Wohl iu den 
ersten Lebens- 
jahren durch 
Rachitis ent- 
standen. 



Mit 6 Jahren 
durch Mening. 
cerebrospin. er- 
worben. 



Wohl angeboren. 



Mit 2Va Jahren 

durch Eonyul- 

sionen erworben. 

Im 2. Lebensjahr 
durch Gehirnent- 
zündung er- 
worben. 



Rechts Reflex unterbrochen, 
links * normal. 



Rechts normaler Reflex feh- 
lend, links normaler Reflex 
fehlend. Reflex in der Mem- 
brana Schrapnell!. 

Rechts normaler Reflex feh- 
lend. Trübung im vorderen 
oberen Quadranten. 

Links normaler Reflex ver- 
kürat. TrUbung im hinteren 
unteren Quadranten. 



Rechts große Perforation, die 
untere Hälfte des Trommel- 
fells einnehmend. Hamm er - 
gri%efllße etwas injiziert. Ge- 
^ßerweiterungen auf dem 
Promontorium zu sehen. 

Links : Im hinteren unteren 
Quadranten mehrere steck- 
nadelkopfgroße Perforat. Im 
vorderen oberen Quadranten 
Verkalkung. Hintere Falte. 

Beiderseits starke Einzieh- 
ungserscheinungen. 



Rechts Trommelfell reflex- 
los, difius getrübt. 
Links ebenfalls. 

Trommelfell beiderseits re- 
flexlos. 



Untereuchungen Ober die Fanlction du Bogen gangapparktea n 



diaknD(rd. Mittel- 

lappeu. Gang 

■ohleifsDd. 



llfpertrophie der 
milt leren Mnsohel 
leiderseitB. Ade- 
noidea Polster. 
Suhneidszahne 
stark geisakt. 



BeobtB Sebleim- 
baut friioh inj. 

liioks ebeoso, 
leiebte Blutung 
auB den Oeflieen 
des KnorpeUep- 
tums. 4 Zihae 
kariOa. Maßige 

UypertTopbie 

beider Gaamen- 

tansillen. 



Engliaohe 
Krankbeit,hatte 

t 4 JahreD 
mehrere Wo- 

eben lang tftgl. 

epileptiBobe Ad- 
nlle. Haier D 
mit 6 Jahren. 



OrSPe: 
1,32'/« m, 

Kopf am fang : 



ZKhne defekt 



Mit i Woohen 

■oh« er krank 
geweienj Breoh- 
da roh fall und 
Obrenfluß anf 
einer Seite. Mit 
I Jabren Lon- 
gen- u. Rippen 
felleDtzUndung. 
Eine Sah weite 
taubstumm. 



Adenoide Teget. 

m. Gradei; oper. 

24. XII. 1903 TOD 

Dr. Sohnbert. 



Muarn und 
Lungenentzan- 

Lebensjahr. 



QrOße: 

1,29 m, 

Kopfnmfang: 

GrDSe : 

1,33 m, 

Eoprumfaug: 



248 



XXIII. BROCK 



Nr. 



Name 



Daten : 



Tag der 
Geburt 



Tag des 

Eintritts 

in die 

Anstalt 



Ursache der 
Taubheit 



Objektiver Befund an beiden 
Gehörorganen 



23. 



24. 



25. 



26. 



27. 



28. 



29. 



30. 



Geohter, 
Labette. 



Gttntsob, 
Elise. 



Maul, 
Johann. 



Maar, Fritz. 



Pfanz, 
Frieda. 



Schlegel, 
Fritz. 



Schlemmer, 
Bernhard. 



Sonntag, 
Conrad. 



31. Jan. 
1895. 



16. Juni 
1896. 



1. Juni 
1895. 



24. April 
1894. 



29. Mai 
1893. 



6. NoY. 
1895. 



17. März 
1896. 



27. Juli 
1897. 



i. Sept. 

1905. 
(2. Sept. 

1901.) 



1. Sept. 

1905. 
(1. Sept. 

1903.) 



1. Sept. 

1905. 
(2. Sept. 

1901.) 



1. Sept. 

1905. 
(1. Sept. 

1900. 



1. Sept. 

1905. 
(1. Sept. 

1899. 



1. Sept. 

1905. 

(1. Sept. 

1902.) 



1. Sept. 

1905. 
(1. Sept. 

1902). 



1. Sept. 

1905. 
(1. Sept. 

1903.) 



Mit 272 Jahren 

durch Scharlach 

erworben. 



Mit 1 Jahr durch 

Genickkrampf 

erworben. 



Trlf. beiderseits yollständig 
fehlend. Promontoriakohleim- 
haut granulierend, in derTiefe 
wenig schleimiges Sekret. 



Beiderseits Beflex verktirzt. 



Mit 2 Jahren 

durch Scharlach, 

Nierencntztlndg. 

u. Gehirnhaut« 

entzUndung er* 

werben. 



Wahrscheinlich 
angeboren. 



Beiderseits Beflex yerkUrzt. 



In beiden Gehörgängen 
Cerumen. 



Mit 4 Jahren 
durch Genick- 
krampf er- 
worben. 



Im 3. Lebens- 
jahr durch 
Hirnhaut- 
entzündung er- 
worben. 



Scharlach und 

Diphtherie mit 

27« Jahren. 



Rechts Verkalkung unterhalb 

des Umbo. 
Links Einziehung, dififuse 

Trübung. 



Beiderseits Yerkalkung-en 

und unregelmäßige narbige 

partielle Einziehungen. 



Mit 5 Jahren 

durch Meningitis 

cerebrospinalis 

erworben. 



Trommelfell beiderseits voll- 
ständig fehlend. Fromonto- 
rialschleimhaut granulierend. 
In der Tiefe eine minimale 
Menge schleimigen Sekretes. 



Rechts Trommelfell diffas ge> 
trübt; normaler Reflex abge- 
rückt; links Trommelfell leicht 
getrübt; normaler Reflex 
fehlend. 



Untersuchungen über die Funktion des Bogeogangapparates usw. 



249 



PathologlBoher 

Befand in den 

oberen Luftwegen 



Patholog. 

Befund an den 

Augen 



Andere Erkran« 
kungen und 

Angaben Über 

FamilienTer« 

hältnisse 



Körperliche 
Entwickluiig 






a 





a 



.^0 g, 



Bemerkungen 



Strabismus 
oonyergens. 



Nasensoheide- 

wand nach links 

Terbogen. 



Strabismus 
convergens 
alternans. 



Masern mit 
5 Jahren. 



raobts muß. Hy- 

phertroph. d. hint. 

Endes d. unt. M. 

Adenoides Polster 

Pharyng. granul. 

Caries mäirerer 

Zähne. 

Aiehiy f. OhrenheOkuide. LXX. Bd. 



Großmutter des 

Mannes und der 

Frau waren 

Geschwister. 



Sonst immer 
gesund. 



Sonst gesund. 



Stimmritzen- 
krampf in den 
ersten Wochen. 



Masern und 
Mittelohrent- 
zündung vorder 
Hirnhaut- 
entzündung. 



Masern und 
Mundfeile nach 
dem Scharlach. 



.Größe 

1,33 m. 

Eopfumfang 

54 cm. 



Größe 
1,29 m. 
Eopfumfang 
52 cm. 



Größe 

1,31 m. 

Eopfumfang 

52 cm. 



Größe 

1,37 V« m. 

Eopfumfang 

52 Va cm. 



Größe 

1,51 m. 

Eopfumfang 

51 cm. 



Größe 

1,30 m. 

Eopfumfang 

51 cm. 



schwächlich. 

Größe 

1,26 m. 

Eopfumfang 
50 cm. 



Größe 

1,27 m. 

Eopfumfang 

50 V« cm. 



gut. 



gut. 



gut. 



gut. 



Ge« 

dächt« 

nis- 

sohw. 



gut. 



normal 



normal 



17 



250 



XXIIL BROCK 





Name 


Daten : 


Ursache der 
Taubheit 




Nr. 


Tag der 
Geburt 


Tag des 

Eintritts 

in die 

Anstalt 


objektiver Befand an beiden 
Gehörorganen 


31. 


Zöller, Karl. 


16. Sept. 
1896. 


1. Sept. 
1905. 
(1. Sept. 
1902). 


Mit iVa Jahren 

durch Masern 

und Lungen- 

entzllndung. 


Beiderseits Einziehungser- 
Bcheinungen 


32. 


Baer, Johann 


25. Juni 
1894. 


1. Sept. 

1905. 

(1. Sept. 

1902). 


Angeboren. 


Links Reflex verwaschen 


33. 


Beringer, 
Georg. 


19. Juni 
1893. 


1. Sept. 

1905. 
(1. Sept. 

1902). 


Angeboren 


Hechts Residuen, links Ver- 
kalkung im vord. oberen 
Quadranten. Inj. der Ham- 
mergrifTgeföBe 


34. 


Braun, 
Andreas. 


4. JnU 
1893. 


1. Sept. 

1905. 

(l. Sept. 

1901). 


Mit 3Vs Jahren 
durch Gehirn- 
hautentzündung 
erworben. 


Beiderseits Reflex verkürzt; 
punktförmig am ümbo. 


35. 


Demi, Anna. 


24. Okt. 
1895. 


1. Sept. 

1905. 
(2. Sept. 

1901). 


Mit 11 V2 Jahren 

durch Convul- 

sionen erworben. 


Rechts Reflex verkürzt, links 

patholog. Reflexe in der 

Membr. Strapn. 


36. 


Fassold, 
Babette. 


10. Sept. 
1895. 


1. Sept. 

1905. 

(2. Sept. 

1902.) 


Wahrscheinlich 
angeboren. 


Rechts große Verkalk, im vord. 
ob. Quadranten ; norm. Beflex 

fehlend. Links große Perf. 
fast die ganze hintere Hälfte 

einnehmend. Promontorial- 
schleimhaut epidermisiert. 


37. 


Fechter, 
Johann. 

Hartmann, 
Johann. 


22. Febr. 
1895. 

19. Aug. 
1894. 


1. Sept. 

1905. 

(1. Sept. 

1903). 

1. Sept. 

1905 

(1. Sept. 

1900.) 


Durch Scharlach 

im 5. Lebensjahr 

schwerhörig. 


Rechts im Gehörgang foetides 
eitriges Sekret. In der Tiefe 
mac. Epidermis. Links im 
Gebörgang ebenfalls foetides 
Bchts, Perf. fast das ganze Trf. 
iks, Trf. auch hier bis auf die 
herie vollständ. fehlend. 




eitrg. Sekret. R( 

einnehmend. Lii 

obere Perip 


38. 


Angeboren. 


Rechts Hammergriffgefäße 

etwas inj. normaler Reflex 

fehlend. Links Trf. leicht 

diffus getrübt. 


39. 


Himmelscher, 
Georg. 


17. März 
1893. 


1. Sept. 

1905. 
(l. Sept. 

1902.) 


Angeboren. 


Trommelfell beiderseits reflex- 
los. 


40. 


Lieb, Gg. 
Leonhard 


11. April 
1895. 


1. Sept. 

1905. 
(2. Sept. 

1902) 


Kann nicht an- 
gegeben werden. 


Rechts normaler Reflex ver- 
kürzt. Links Trommelfell 
reflexlos. 



üntersachungen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 



251 



Patholog. Befund 

in den oberen 

Luftwegen 



Patbol. 
Befand an 
den Augen 



Andere Erkran- 
kungen und An- 
gaben ttber 
Familienver- 
hältnisse 



Körperliche 
Entwicklung 






"•e 



o 



9 



Bemerkungen 



Adenoide Vege- 
tationen mittle- 
ren Grades. 
Operiert am 29. 
Dezember 1903. 

Khinitis sicca 

anterior. 

Pharyng. ohron. 

Devitatiosepti 
nach rechts, 
leichte Hypertro- 
phie beider 
Gaumentonsillen 
Karies 3 Zähne. 

Adenoide Vege- 
tationen mittl. 
Grades. Operiert 
am 7. Juli 1903. 

Adenoide Vege- 
tationen. Operiert 
am 11. Juli 1903. 

Adenoide Vege- 
tationen mittl. 
Grades. 



fihinopharjng 
Adenoidea Polster. 
Mass. Hypertroph. 
Gaamentonsillen. 
Karies zahlreicher 
Zähne. 

Mittl Muschel 
beiders. d. Nasen- 
scheide w. anlieg. 
2 Zähne kariOs. 



Sonst gesund. 



Angeblich 
immer gesund. 



In den ersten 
Jahren Rhaohi- 

tis; Masern u. 
Steinblattern im 

7. Lebensjahr. 

Sonst immer 
gesund. 



Sonst gesund. 



Rechts Macu- 
lae corneae. 
Conjunctivi- 
tis bulbi. 



Ohreiterung. 
2 ältere Ge- 
schwister taub' 
stumm. 



Grösse: 1,36 m. 

Kopfumfang : 

54 cm. 



Größe :1,42 m. 

Eopfumfang : 

52 cm. 

Größe: 1,32 m. 

Eopfumfang : 

51 cm. 



Größe: 1,33 m. 

Kopfumfang : 

54 V2 cm. 

Größe: 1,39 m. 

Kopfumfang: 

53 cm. 



Größe: 1,34m. 

Kopfumfang: 

50 Va cm. 



Sonst gesund. Größe: 1,24m. 

Kopfumfang : 
523/4 cm. 



Masern mit 
7 Jahren. 



Immer gesund. 



Größe: 34. 

Kopfumfang : 

51 Va cm. 

Größe: 1,45 m. 

Kopfamfang : 

53 cm. 

Größe 1,47 cm. 

Kopfform 
asymetrisch, 
r. Scheitelbein 
höher und seine grösste Vorragung weiter 
nach Yorn als am 1. Kopfumfang 52 cm. 



Ohrenlaufen m. 
2 Jahren ; 
Lungenkatarrh m. 5 Jahren. 



gut 



gnt 



gut 



gut 



gut 



gut 



gut 



gnt 



Leichte Hypertro- 
phie des rechten 
Seitenlappens der 
Schilddrüse. 

Leichte Ver- 
größerung der 
ganzen Schild- 
drtlse. 



Gang etw. plump, 
hart auftretend. 



Gang etw. träge. 



Leichte Hyper- 
trophie d. rechten 
Seitenlappens» 



normal 



gnt 



17' 



252 



XXIII. BROCK 



Nr. 



Name 



Daten : 



Tag der 
Gebart. 



Tag des 

Eintritts 

in die 

Anstalt 



Ursache der 
Taubheit. 



Objektiver Befund an beiden 
Gehörorganen 



41. 



42. 



43. 



44. 



45. 



46. 



47. 



48. 



49. 



50. 



Lini, Job. 
Andreas 



Merkel, Georg 



Ulrich, An- 
dreas 



Zeh, Karl 



Brunner, 
Eonrad 



Sohmittlein, 
Marie 



Gruber, 
Theodor 



Forster, 
Johann. 



Hassler, 
Wilhelm. 



Wunderle, 
Wilhelmine. 



5. Jali 
1894. 



27. Juni 
1895. 



12. Sept. 
1892. 



i 1. Mai 
1892. 



12. Juli 
1892. 



24. Okt. 
1892. 



23. Juni 
1888. 



14. März 
1893. 



21. Juni 
1893. 



20. Okt. 
1894 



1. Sept. 

1905. 
(2. Sept. 

1902.) 



1. Sept. 

1905. 
(2. Sept. 
1902.) 

1. Sept. 
1905. 
(1. Sept. 
1900.) 

1. Sept. 

1905. 
(1. Sept. 

1895). 

1. Sept. 

1905. 

(l. Sept. 

1899.) 

1. Sept. 

1905. 

(1. Sept. 

1899) 

1. Sept. 
1905. 



1. Sept. 
1905. 
(l. Sept. 
1908.) 



1. Sept. 
1905. 
(1. Sept. 
1903.) 

12. Mai 
1906. 



Nach Anamnese 
1. d. ersten Jahren 
durch Rhachitis. 
Zur Zeit keine 
Zeichen der über- 
stand. Rhachitis 
mehr zu konstat. 

Mit Vl% Jabren 
durch Hirnhaut- 
entzündung er- 
worben. 

Durch Scharlach 
erworben. 



Durch Genick- 
krampf mit ^/i 
Jahren erworben. 



Durch Hirnhaut- 
entzündung im 
2. Lebensjahr 
erworben. 

Durch Genick- 
krampf im 1. Jahr 
erworben. 



Im 15. Lebens- 
jahr durch Men. 
cerebrospinalis 
erworben. 

Mit 9 Jahren 

durch Sturz auf 

den Kopf erlangt 



Mit 10 Jahren 
durch Mening. 
ccrebrospin. er- 
worben. 

Allmählich zu- 
nehmende 
Schwerhörigkeit. 



Rechts Reflex rerkürzt. 



Rechts Trommelfell einge- 
zogen. 



Beiderseits chronische Mittel- 
ohreiterung. 



Trommelfell beiderseits leicht 
diffus getrübt. 



Beiderseits starke Einziehungs- 
erscheinungen. 



Rechts Verkalkung im hint. 

unteren Quadranten ; im hint. 

unteren Quadranten pathol. 

Reflex. 



Beiderseits Trommelfell reflex- 
los. 



Untenuchangen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 



25B 



Patholog. Befand 

in den oberen 

Luftwegen. 



Patholog. 

Befund an den 

Augen 



Andere Erkran- 
ku^en und An- 
gaben über 
Familienyer- 
hältnisse. 



Körperliche 
Entwicklung 



I 









Bemerkungen 



Adenoide Vege- 
tationen. Oper. 
2. JuU 1903. 



Hypertrophie der 

mittleren Muschel 

recht» 



Geringe adenoide 
Vegetationen. 



Leichte Hyper- 
trophie beider 
Gaumentonsillen. 



Rechts Gristasepti 
cartilag Pharyng. 
gran. Stark. Late- 
ralstrang links. 

Beohts Gristasepti, 

links massige 

Hypertrophie der 

mittleren Muschel 

Pharyng. sicca 
gran. Doppelbil- 
dung des rechten 
oberen Eckzahnes. 

Pharyng. granul. 

M&ss. Hypertr. d. 

rechten Tonsille. 

Caries dentium. 

Pharyng. granul 
Adenoide Vege- 
tationen. 



Ohrenlaufen. 

Masern mit 7 

Jahren. 



Klagt öfters 

Über Ohren- 

schm erzen. 



Lungenentzün- 
dung mit 
IV2 Jahr 

Vielfach Haut- 
ausschläge. 

Mit 8 Jahren 
Scharlach. 

Mit 5 Jahren 
Masern. 



Kinderkrank- 
heiten. 



Scharlach mit 

5, Masern mit 

7 Jahren. 



Mutter in 

hohem Masse 

schwerhörig. 



Grösse: 1,37. 

Eopfumfang : 

51 cm. 



Grösse: 1,27. 

Kopfumfang: 

51 cm. 



Grösse: 1,44 V« 

Kopf umfang : 

53 cm. 



Grösse: 1,65 

Kopfumfang: 

533/4 cm. 



Grösse: 1,39. 

Kopfumfang : 

53 cm. 



Grösse: 1,45. 

Kopfumfang: 

52 cm. 



Grösse: 1,64. 

Kopfumfang: 

53 cm. 



Grösse: 1,52. 

Kopf umfang: 

53 cm. 



gut 

sohl. 
Wort- 

ge- 
dächt- 

nis 



Sehr 
gut 



Schw.- 
sinnig 



Schw. 
Bega- 
bung 

gut 



gut 



gut 



Grösse :l,42Vs 

Kopfumfang : 

54 cm. 



Grösse:!, 40 Va 

Kopfumfang: 

50 cm. 



gut 



gut 



Gang bei der 

Untersuchung 

normal, sonst 

etwas unsicher. 



Massige Hyper- 
trophie des Mit- 
tellappens der 
Schilddrüse. 

Ist im Besitz 
der Sprache,. 



XXm. BBOCK 





Name 


laabhe 


reicb 


Gruppe 
naeb 
Beiold 


SpiaabsebSr 


£ 


g 


1 


1 




Vokale 


EOHM- 


Wort« 
ZaUen 




DDg«rer,OoDTad 
Wald»b, EliB« 


1 


■ 




1 


C - 5,S G 

H'— 2,0 G 

tot.T«ubb 


reobUVI 
link! VI 


alle 
alle 


ftkiiHh 
pfkr.Sh 


alle Zahl« 
mitAuui.' 

5 auf 10 (U 
Entfern. 




Zteh, Georg 






1 




D-0,OG 


I 
Vi 


aloaalaD 

aloaanal 

aaB 


Pr 






Solfnsr, Omig 
OetUein. Wolfe. 
Maller, Babette 
Lang, Eya' 


1 


' 






tot.T«ubb. 

D>-5,5 G 
D»-S,5 G 

Uli. Taubb 
beidereeiti 

£ —5,9 G 

G— 10,3G 


VI 
VI 

VI 
VI 


aUe 
aUe 

a^alanD 


ptkr, die 

Md. aidch. 

SbSDBO 

ptkr 
pt 


Sprache 




Held, Harg. 




1 






tot.Taubh. 












Fitobet, Marie 


1 








tot.Taabb. 
büderieib 










10 


DiUerer, Mioh. 


1 








a'— lO.lG 
e'— 10,4 


V 

V 


aUgemein. 
Sohallgeh. 






11 


Brunner, Carl 

Lndw. 


' 








nnmDglich 










12 


BaBt, Carl 


1 








0—10,4 G 


Taubheit 
VI 


SeSljlEsliOi 






13 


DubiDBer, 
Mnrie 


1 








E'-8,aG 
D'— 1,5 


VI 

VI 


aUe 

alle 


kisoh 
treoh 






Eokstein, Eana 




1 






- 


tot Taubb. 
belderseitc 








15 

16 


Qebert,Heinrioh 
Graf, Johann 


' 


1 






Pii-4,5G 
A'-1,6G 


tot.Taiibb. 

beideneite 

VI 
VI 


"'S.»;!- 

lelonilaD 


ptki^ 

ptkr 




17 


HDfileiD,JohaD[i 


^ 








e'— gis4 
{20,0 G) 


Taubheit 

I 









UnterBuchuogen Ober die Fasktion des Bogengaogapparates usw. 255 



Nyatagmos nach Drehen Ton 


Nystagmus naoh Drehen 




links naoh 


rec 


thts 
lung 


rechts nach links 




iktiye Drehang 


passive Brei 


aktive Drehung 


passive Drehung 


Sehwanken 


beim Blick naoh 


beim Blick nach 


beim Bliok naoh 


beim Blick naoh 




^^ gerade 
, aus 


links 


rechts 


gerade 
aus 


links rechts 


gerade 
aus 


links 


rechts 


gerade 
aus 


links 










N 








N 


N 








N 








Schwanken 






































stets Soh wanken 





ger. K 


N 





N 


N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





starkes 
Sohwanken 








N 








N 


N 








N 








Schwanken 





ger.N 


N 





N 


stN 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





Sohwasken 





ger.N 


N 





ger.N 


N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





maß. Sohwanken 








N 








N 


N 








N 








starkes 
Sohwanken 






































kein Schwanken 





' 
































kein Sohwanken 








N 








N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





Sohwanken 


ger.N 


N 





ger.N 


N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





Sohwanken 


wegen sp< 


>ntanen Nystagmus 


unsicher, doch wah 


irsoheiulioh 


maß. Sohwanken 


iaz. 
inck. 


•ger.N 


N 


e. Z. 


ger.N 


N 


N 


ger.N 


ger.N 


N 


ger.N 


ger.N 


starkes 
Schwanken 





ger.N 


N 





ger.N 


N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





Sohwanken 



































kein Sohwanken 








N 








N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





Sehwanken 






































kein Sohwanken 



XXIII. BROCK 



b«h 








1 


f— d' 
.'-8,0G 


links y 


SlDdel, UariB 




' 






z 


totale 
Taabheit 


BMk, Johaoa 




l 




1 


•'-d* 

E>- 11,00 


I I 
1 VI 


Oeohhr.Babetta 




' 




1 


e'-3,0G 

•'—3,7 G 


r V 
I II 


Qttntwh, EiwB 




1 






tatTanbh. 
Mden. 


- 


HbdI, Job. 




1 






tot.Taubh. 
iMiden. 


- 


Uaar, Fnti 


' 








C— e' 
fl«-9,0G 


n 

Taubbeit 


Pfanz, Frieda 




' 






F-o'^a'-f 
b*-9,& G 


Tanbbeit 
II 


SohUgal, Friti 




^ 






tot.Taubh. 
bddecg. 


- 


ScUemmer, 
Lsonhard 




1 






a»— 10,0 


V 

1 


Sonntag, Conrmd 




1 






g-dM15,<G) 
C— lü,0 
8,4-6,40 


r. IV 
1. 11 


ZölUr, Cul 




1 






dis-fu' 


(.Taubheit 
1. Ill 


Baer, Job. 


' 








F— 5,1 G 
A'-4,3 G 


r. VI 

1. VI 


BehTingerGMrg 


1 








D'— 6,3 G 
F-3.8 G 


r. VI 
1. VI 


Br»nn,WilIibald 

AndT. 




1 






Fia-4,60 


r. VI 
1. Taubheit 



aUnmeliMi 
i^lgehS 



Worte 

anf a e 
Entfen 



h Zahlen i 
h Kon». Sj 



Untersnchungen fiber die Funktion des Bogengangapparates usw. 



257 



Nystagmus nach Drehen Yon 
inka nach rechts 


Nystagmus nach Drehen von 
rechts nach links 




ctire Drehung 


passive Drehung 


aktive Drehung 


passive Drehung 


Schwanken 


iim Blick nach 


beim Blick nach 


beim Blick 


nach 


beim Blick nach 




hts 


gerade- 
aus 


links 


rechts 


gerade- 
aas 


links 


rechts 


gerade- 
aas 


links 


rechts 


gerade- 
aas 


links 




) 



































kein Schwanken 


) 



































kein Schwanken 


) 





N 


Zuek. 





N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





Schwanken 


D 

















Z 








Z 








kein Schwanken 


D 



































kein Schwanken 


N 


N 


N 


N 


N 


N 


N 


ger.N 


Z 


N 


ger.N 


Z 


Schwanken 






































kein Schwanken 


O 



































kein Schwanken 





ger.N 


N 





ger.N 


N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





Schwanken 





Z 


N 








N 


N 


Z 





N 


Z 





ger. Schwanken 






































kein Schwanken 








N 








N 


N 








N 








Schwanken 








ger.N 








ger.N 


ger.N 








ger.N 








Schwanken 








N 








N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





Schwanken 


r.N 


ger.N 


N 


N 


N 


N 


N 


ger.N 


ger.N 


N 


N 


N 


Schwanken 


) 


ger.N 


N 


N 


N 


N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 





st. Schwanken 


) 





Zuok. 








Z 


Z 








Z 








ger. Schwanken 



XXllI. BROCK 



36 Demi, Add» 
3SFMold,BKbetU I 

37 Fechter, Johun 

39,UBrtiDanp, Joh- 



1 Line, Joh.Andr. 
,2 Merkel, Qeorg 
3 Ulrich, ADdr. 
:4 Zeh, Cul 
rS BtnuDer, Codi. 

iG Sahmittlein, 

Marie 

7 Grabtr, Theod. 

8 Foritci', JohnDD 

9 BauUi, Wilh. 
Waudeile 





1 




l'. 


u — ia,it u 
Fi.-h' 


L IIL 


IT 






1. 


A'— 4,4 G 

A"— 5,8 G 


r. VI. 
1. VI. 




1 

1 
1 

1 


1 

1 


l". 


E'-l,5 G 
H'— l,4G 

D'— h' 

D'-o* 

AS_g4 

C»-e» 

H— d* 

B'— 10,4G 
D*-2,0 G 

e»-g3gU'^' 
^'-8,46 

H'— 1,0 G 
F'— 1,0 G 

G— 11,0 G 
e*-9,9 G 

a»-lt,OG 
«»-11.0G 

g'-8,5G 

b»— die' 
e— n,5G 

B.b. 


r. VI. 
1. VI. 

r. III. 
1. IV. 

r.Taabbeit 
1. IV. 

„v. 

1,IV. 

r. V. 
I. VI. 

r. 11. 
1. VI. 

r. VI. 
1. VI. 

r. VI. 

I. V. 

t. V. 

1. V. 

r.Taobheit 
1. V 

tot.Taubb. 
beideie. 

r. I. 

L VI. 

r.Taohbeit 
1. I. 


all 

der 
h» 


ulbl 
ehm 

ach» 

rigk 


it 




e— 6,0 G 
a-6,4 G 


r. VI. 

1. Tl. 



alle 
alle 


Zabtei 
Ftub 


ptkrlran 
^krliPn 


"Entt 

iz'. 



üütenachüjigeD. ttber die Funktion des BogeDgangapparatet luw. 259 



Hjstagmas naoh Drehen Ton 
tb naoh rechts 



n Drehung 



Blick nach 



i«^'link. 



passive Drehung 



beim Blick naeh 



reobte 



^H links 

SOS 



NjiUgmiis naeh Drehen tou 
reehts naeh links 



aktiye Drehung 



beim Bliek naeh 



reohts 



«*!!?*• linkB 



passiTe Drehung | Schwanken 



beim Blick nach 



rechts ^•- links j 



N K 



;ger.N N 



■ N 



N 











N 







■ger.N 



X 



N 















ger.N 







N 







ger.N 



N 



ger.N 



ger.N 



ger.N 



ger.N 















eer.N 



N 


N 


N 


N 


N 


N 


ger.N 





N 


N 


ger.N 





N 


ger.N 








N 


N 


ger.N 





N 


N 


ger.N 





N 











N 











N 


N 


ger.N 





1 sporn 


anen l 


STystafii 


uns 



stN ' N 



Schwanken 



N ger.N ' Schwanken 



N 



ger.N Ü Schwanken 



ger. NO 



N 



N 







N 



ger.N 



ger. N 



Schwanken 



ger. Schwanken 



Schwanken 



! kein Schwanken 







ger.N eins. 
Zuck. 



N N 



A I N 



















•.N 



N 






















N 


N 


N 


ger. N 





N 


ger.N 





N 


N 


N 








N 





























u 





























z 




















ger.N 


N 


N 


ger.N 


e. Z 





ger.N 











































kein Schwanken 



st. Schwanken 



kein Schwanken 



Schwanken 



Schwanken 



kein Schwanken 



Schwanken 



kein Schwanken 



Sehwanken 



260 XXIII. ßROGK 

Gruppe I. 

Inseln. Hörstrecken bis zur Ausdehnung von drei Oktaven. 

Dieser Gruppe gehörten an 6 Gehörorgane, nämlich die 
Nummern 3 rechts, 17 links, 22 rechts, 29 links, 46 rechts, 
49 links =»6,10 Proz. 

Gruppe II 
Lücken. Unterbrechungen innerhalb der Kontinuität einer 
Hörstrecke. Hierftlr fanden sich ebenfalls 6 Gehörorgane = 
6,10 Proz. Die Nr. 20 rechts, 23 links, 26 rechts, 27 links, 
30 links, 42 rechts. 

Gruppe ni 

Großer, bis zur dreigestrichenen Oktave (exklusive) herab- 
reichender Defekt am oberen Ende, kleiner oder gar kein De- 
fekt am unteren Ende der Skala^ 

Diese Gruppe umfaßt 3 Gehörorgane = 3,0 Proz. 

Die Nrn. 31 links, 35* links, 38 links. 

Gruppe IV 
Kleiner bis Galton 12 reichender Defekt am oberen und 
großer bis kein Defekt am unteren Ende der Skala. 
5 Gehörorgane — 5,1 Proz. 
Die Nr. 30 rechts, 35 rechts, 38 links, 39 links, 40 links. 

Gruppe V 

Unwesentlicher oder kein Defekt am oberen Ende; großer 
von 4 und mehr Oktaven am unteren Ende der Skala. 

10 Gehörorgane = 10,2 Proz. 

Die Nrn. 10, rechts, links, 20 links, 23 rechts, 29 rechts 
41 rechts, 44 links, 45 rechts links, 46 links. 

Gruppe VI 

Unwesentlicher oder kein Defekt am oberen, von weniger 
als 4 Oktaven bis Null am unteren Ende der Skala »» 32 Ge- 
hörorgane == 32,5 Proz. 

Die Nrn. 1 rechts, links, 3 links, 5 rechts links, 7 rechts, 
links, 12 links, 13 rechts, links, 16 rechts, links, 18 links, 22 
links, 37 rechts, links, 32 rechts, links, 33 rechts, links, 34 
links, 44 rechts, rechts, 36 rechts, links, 40 rechts, 41 links, 42 
links, 43 rechts, 48 links, 50 rechts links. 

Von diesen 32 Gehörorganen, die sich auf 21 Individuen 
verteilen, gehören 2211 Individuen an, d. h. 22 Gehörorgane 
gehörten doppelseitig zu dieser Gruppe. 



Untersuchungen über die Funktion des Bogengangapparates usw. 261 



Aach hier stehen, was die Häufigkeit und Doppelseitigkeit 
anlangt, die Gruppe VI. des besthörenden und die Gruppe der 
totaltauben sieh am nächsten. 

Es sei mir gestattet, folgende Tabelle V hier einzufügen, 
die ich zum größten Teil der Schubert sehen Arbeit ent- 
nommen habe zur Demonstration, wie sieh die versohiedenen 
Gruppen bei den verschiedenen Autoren verteilen. 

Tabelle V. 





Anzahl 
















XJntersncher : 


von 

nnter- 

BQchten 

Ohren 


Ohne 
HOrreste 


Groppe 


Orappe 


Otappa 

in. 


On^p, 


Gruppe 


Oruf^ 




0/0 


• 












Bezold 1893 


158 


8 . 
30,4 o/o 


28'. 
17,7 7o 


20* 
12,7% 


0,6 '% 


9> 
5,1 7o 


18. 
11,4 7o 


33» 
20,9 7o 


Bezold 1898 


118 


34 < 
28.8 % 


18. 
15,30/0 


7. 
5,9 0/0 


5: 
4.2 7o 


7« 
5,9 Vo 


10» 

8,5 7« 


37. 
31,4 7o 


Barth 1988 


174 


114 = 
65,5 «/„ 


9. 
5,2 «/o 


17. 

9,8 o/o 


2» 

1.2 7o 


6. 
3,6 7o 


4» 
2,3 7o 


19» 
10,8 7o 


Schwendt und 
Wagner 1899 


94 


25 > 
26,6 •/„ 


28 = 

30 % 


5. 

5,3 o/o 


0-0 


2. 
2,1 7o 


5,3 7o 


27» 
29,9 7, 


Kickhefel 1899 


58 


10 > 
17,2 o/o 


3. 

5,2 7o 


13. 
•22,4 0/0 


0>0 


12« 

20,7 % 


2> 

3,4 7. 


18» 
31,1 7o 


Denker 1900 


126 


62- 
19,2 % 


31'. 
24,6 7o 


7. 
5,6 O/o 


4c 

3,2 7o 


3,2 »/. 


3» 

2,4 7o 


15» 

12 7o 


Schmiglow 1901 


368 


134 > 
36,4 % 


46. 
12,5 7o 


63. 

17 1 0/ 
i*,i /o 


5« 

1,4 »/„ 


32» 

8,7 »/o 


16» 

4.4 7o 


72» 
19,6% 


Haßlauer 1901 


178 


97» 


19. 

10,70/0 


11. 

6,2 % 


1- 

0,6 % 


5» 

2,8 7o 


18< 
10,1 7o 


27» 

15,27o 


Schubert 1901 


144 


36 > 

25»/« 


13. 

9% 


18. 

12,50/0 


0.7 o/o 


13» 
9,1 % 


14» 

9,7 7o 


49- 

347. 


Wanner 1901 


216 


62 < 
29,1 % 


30* 
13,9 0/0 


14. 
6,5 0/0 


7» 
3,3 7o 


15» 

6.9 »;. 


22» 
10,2 7o 


65» 

30,1 7o 



In der Aufnahme und Vorraussetzung, daß bei den Taub- 
stummen nicht allein die Schnecke, sondern auch der Bogen- 
gangapparat zum Teil oder gänzlich zerstört sei, hat man schon 
frühzeitig angefangen, die Taubstummen auf Gleichgewichts- 
störungen zu untersuchen. 

Die ersten derartigen Untersuchungen leiden darunter, daß 
es damals noch nicht möglich war, die Schnecke vollständig zu 
analysieren; erst seit wir imstande sind, selbst die kleinsten 



262 XXIII. BROCK 

Hörreste festzustellen, sind wir auch in der Lage, sicher absolute 
Taubheit zu diagnostieieren. Der erste, der Taubstummen auf 
Gleichgewichtsstörungen hin untersuchte, war James, der 
519 Taubstumme durch Rotation auf Schwindel untersuchte, 186 
davon »> 35,8 Proz. konnten nicht schwindlich gemacht werden. 

134 = 25,8 Proz. zeigten leichten Schwindel, 

199 = 38,4 Proz. zeigten gewöhnlichen, ja stärkeren 
Schwindel als Normalhörende. Von 200 Normalen dagegen 
blieb nur einer schwindelfrei. 

Als 2. untersuchte Er ei dl Taubstumme in der Absieht, an 
ihnen die Hypothese von Mach und Breuer auf ihre Richtig- 
keit zu prüfen. 

Rreidl erkannte hierbei, daß die Augenbewegungen, die 
einer streng objektiven Untersuchung zugänglich sind, ein wert- 
volles Reagenz abgeben können. 

Kr ei dl konnte nach Abschluß seiner Untersuchungen 
folgende Sätze aufstellen: 

Erstens ist damit am Menschen der Beweis geliefert, daß 
die Augenbewegungen, die wir kompensatorisch bei Drehung 
des Kopfes und des Körpers ausführen, tatsächlich reflektorisch 
durch die Bogengänge ausgelöst werden und daß zweitens die 
Bogengänge wirklich das Perzeptionsorgan für die Drehungen 
des Kopfes und Körpers sind. 

Kr ei dl setzte die Taubstummen auf einem hierfür kon- 
struierten Drehbrett der Rotation aus und prüfte die Augen- 
bewegungen während der Drehung durch Auflegen der Finger 
auf den durch das geschlossene Oberlid geschützten Bulbus; er 
fand hierbei bei 109 Taubstummen 

31 mal normale, 

10 mal subnormale und geringe, 

5 5 mal keine Augenbewegungen. 

(Schluß folgt.) 



XXIV. 



Tamponlose Nachbehandlung nnd Tubenabschlnss. 

Von 

Prof. Dr. Oerbep, Königsberg i. Pr. 



Die Tendenz unserer Nachbehandlung nach der Totalauf- 
meißelang bestand bisher darin, die ausgemeißelte Knochenwund- 
höhle auch weiterhin möglichst ganz in der Konfiguration zu 
bewahren, die die Operation geschaflfen. Zunächst von einer 
dünnen Granulationsschicht, später von junger Epidermis über- 
zogen — sollte die nierenformige Höhle mit ihren verschiedenen 
Buchten und Vorsprängen erhalten bleiben, und besonders ängst- 
lich sollte das Offenbleiben des „Spaltes" (Stacke) am medialen 
Ende des Sporns tiberwacht werden. Erst wenn hier Epidermis 
angesiedelt, wenn „Kuppelraum und Aditus wenigstens von einer 
Seite her überhäutet sind, etwa in der 4. — 6. Woche" (Stacke)^ 
sollte man mit weniger rigoroser Tamponade beginnen. 

„Besteht in diesen Bäumen keine Neigung mehr, sich zu 
verengen, so kann man auch hier die Tamponade ganz fort- 
lassen und nur InsuflFlationen von Jodoform, Bor u. a. anwenden. 
Ja, es kommt eine Zeit, wo die Fortsetzung der Tam- 
ponade geradezu schädlich wirken kann, indem sie 
einen beständigen Beiz auf das junge Gewebe aus- 
übt. Neuerdings haben einige Autoren geraten, die Nach- 
behandlung überhaupt fast ohne jede Tamponade zu leiten, — 
was aber nur für ganz wenige ausgesuchte Fälle geeignet sein 
dürfte. Bis weitere Erfahrungen hierüber vorliegen, halten wir 
daran fest, daß die Tamponade mit kleinen Gazestreifen für die 
erste Zeit unerläßlich ist.** — i) 

Diese Erfahrungen nun liegen jetzt vor, und sie bringeni 
Ärzten und Patienten die frohe Botschaft : Bedeutende Abkürzung 
und Vereinfachung ^der Nachbehandlung! Und zwar augen- 
scheinlich für die Mehrzahl, wenn auch nicht für alle Fälle. 

*) Gerber: Handatlas der Operationen am Schläfenbein. Wiesbaden. 
Bergmann 1904. S. 29. 



264 XXIY. GERBER 

Der alte Satz, den wir alle, wenn nicht aus der Quelle 
80 doch aus der lateinischen Grammatik kennen: ,,Naturam si 
ducem sequimur, nunquam aberrabimus^ — er hat sich auch 
hier wieder einmal bewahrheitet. Die Erfahrungen derer, die 
die tamponlose NachbehandluDg, sei es nach der einfachen oder 
nach der totalen Aufmeißelung gewagt haben, bestätigen, daß 
wir solange allzu ängstlich der Natur Zwang angetan und daß 
die Tendenz, die Füllung der Wundhöhle mit Granulationen zu 
verhüten, als allgemeine Regel falsch war. 

Die tamponlose Nachbehandlung mit primärer Naht (bis auf 
den unteren Wundwinkel) scheint methodisch zuerst von der 
Zau falschen Klinik geübt worden zu seiu.^) 9 derartig be- 
handelte Fälle heilten in durchnittlich 18 Tagen; 14 mit Tam- 
ponade behandelte in durchschnittlich 34 Tagen. 

Nach der einfachen Aufmeißelung habe auch ich seit ge- 
raumer Zeit, — anfangs nur zögernd und „mit Rückfällen*', all- 
mählich aber resoluter die Tamponade nach dem ersten Ver- 
bandwechsel fast ganz fortgelassen und war über die rasche 
Heilung der meisten der so behandelten Fälle, die im Durch- 
schnitt 3 bis 4 Wochen brauchte, freudig überrascht. — Die 
primäre Naht haben wir in 6 Fällen angewandt. Selbstver- 
ständlich soll die tamponlose Nachbehandlung nicht eine für 
alle Fälle geltende Begel ohne Ausnahme sein. 

Ein klassisches Beispiel für und wider bietet einer meiner 
russischen Patienten, der am 29. September 1906 aufgemeißelt, 
ohne Tampouade behandelt und am 24. Oktober fast geheilt 
nach Hause entlassen wurde. Der vollständige Schluß der etwa 
noch linsengroßen ganz seichten Wunde war in etwa 3 bis 5 
Tagen zu erwarten. Am 20. November kehrte er in ver- 
zweifelter Stimmung wieder in meine Behandlung zurück. Die 
retroaurikuläre Öffnung war jetzt etwa bohnengroß, fest mit 
einem langen Gazestreifen tamponiert, nach dessen Entfernung 
sich schwammige Granulationen und Eiter zeigten. Die Sonde 
drang ca. IV2 cm hinein, ohne irgendwo auf nachweislich 
kranken Knochen zu stoßen. — Wie der weitere Verlauf zeigte, 
war dies lediglich der Effekt einer ganz überflüssigen, gegen 
meine briefliche Empfehlung daheim vorgenommenen Tamponade. 
Denn nach Fortsehaffung der künstlich gesetzten schwammigen 
Granulationen mittels Löffels und Stiftes und Fortlassung jeg- 

^) Piffl: über die Aufmeißelung des Warzenfortsatzes etc. Arch. f. 
Ohrenh. Bd. 51. S. 167. 



Tamponlose Nachbehandlang und Tubenabschluß. 265 

lieber Tamponade heilte die Wunde ohne jeden weiteren Ein- 
griff. — 

Zur systematigchen Nachbehandlung ohne Tamponade naeh 
der Totalaufmeißelung habe ich mich naeh früheren halben 
und daher mißglückten Versuchen — erst in letzter Zeit wieder 
entschlossen, nachdem ich durch die Mitteilung von guten Er- 
folgen des hiesigen Spezialarztes Herrn Dr. Stein aufs neue 
dazu angeregt wurde. 

Von deutschen Autoren scheint von zur Mühlen^) in Riga 
zuerst die tamponlose Nachbehandlung nach der Totalaufmeiße- 
lung systematisch durchgeführt zu haben. Neben der völligen 
Ausräumung alles Kranken — die ja die Grundbedingung für die 
tamponlose Nachbehandlung ist — betont er zunächst die Not- 
wendigkeit, vom Gesunden nicht mehr wie nötig wegzunehmen» 
Nach der Operation Jodoformgazetampon 6 Tage hindurch. Dann 
2—3 Tage einen ganz lockeren Tampon ; von dann ab über- 
haupt keinen Tampon mehr. Täglicher Verband; gelindes Aus- 
spülen mit warmem Wasser. 

Auf Anregung von zur Mühlen hat dann auch Voß2> 
in Riga ebenso nachbehandelt und dieselben günstigen Resul- 
tate erzielt. Er tupfte gewöhnliches eitriges Sekret, wie es sich 
besonders anfangs reichlich zu zeigen pflegt, ab, fötides spült 
er mit Kochsalzlösung oder warmem Wasser aus und stäubt 
kein Pulver ein. 

Auch Zarniko^) soll den Ersatz der Tamponade durch 
Borpul verausfüUung der Höhle empfohlen haben. 

Dasselbe Medikament benutzt Eeman*), der wiederholt 
flir die tamponlose Nachbehandlung eingetreten. Nach der 
Operation Jodoformgazetampon. Schon vom ersten Verband- 
wechsel am 4. — 6. Tage ab keine Tampons mehr. Zuerst — 
nach Austrocknen der Höhle — totale AnfüUung derselben mit 
Borpulver, bei den nächsten Verbandwechseln immer weniger^ 
je nach der Sekretion. In den ersten 2 Wochen täglich, später 
seltener. Durchschnittliche Heilungsdauer 5 Wochen. 



') Die Nachbehandlung d. Badikaloper. ohne Tamponade. Zeitschr. 
f. Ohreaheilk. Bd. 35. S. SSO. 

^) Über Ohrenleiden bei Hysterischen. Ibidem. Bd. 40. S. 39. 

^) Deutsch, med. Wochenschrift. 

*) Nouveau mode de pansement apr^s Top^ration radicale etc. La 
presse oto-laryngologique Beige. Janvier 1903. und Pansement boriquö^ 
Sans tamponnement apräs etc. Ibidem. Deuxi^me annäe No. 7. 

ArehlT f. Ohxenbeillnmde. LXX. Bd. 18 



266 XXIV. GERBER 

Auch Laurens^) ist ein entschiedener Anhänger der Nach- 
behandlang ohne Tampons^ die er nach dem dritten oder vierten 
Verbandwechsel ganz fortläßt, sobald die Lappen der Plastik 
angeheilt sind. 

Ebenso sprachen sich auf dem VII. internationalen Oto- 
logenkongreß in Bordeaux: Lermoyez, Lafite-Dupont, 
Lubet, Barbon u. a. fQr die tamponlose Nachbehandlung ans. 

Von meinen ohne Tamponade behandelten Fällen scheint 
mir besonders lehrreich; des hier möglichen | Vergleichs wegen: 

Fall 1. Frl. Bl. 21 Jahre alt, seit der Kindheit an doppelseitiger 
rezidiyierender Mastoiditis leidend. 

Die bedrohlichere Erscheinungen aufweisende linke Seite wird zuerst 
operiert, am 7. Sept. 1906, und in der früher üblichen Weise, zunächst 
fester, dann locker tamponiert. 

Die Operation auf der rechten Seite wird am 15. Okt. 1906 ausgeführt. 
Der Befund ist beiderseits ziemlich der gleiche, nur daß der Knochen 
links sklerotisch, rechts zum Teil kariös ist. Rechts wird die Tamponade 
nach dem ersten Verbandwechsel fortgelassen. 

Am 1. Dez. 1906 sind beide Wundhöhlen bis auf die Tubenöffnung 
völlig gleichmäßig epidermisiert ; d. h. die linke tamponierte Seite 
hatte 5 Wochen länger gebraucht, um zu diesem Resultat zu 
gelangen, wie die rechte nicht tamponierte. 

Fall 2. Frl. P. 21 Jahre alt. Chronische Mittelohreiterung rechts 
seit der Kindheit. Hammerkaries, Attikfistel und Tubenkatarrh. Operation 
am 19. Okt. 1906. Vorlagerung des Sinus. Fortsetzung der Operation 
nach Stacke. 

24. Okt. 1906. Erster Verband. Einlegung nur eines schmalen Streifens 
auf den Boden der Höhle. 

7. Nov. Höhle sanz gleichmäßig zugranuliert, nach innen medial sich 
konisch verengend. Keine sich gegen einander absetzenden Teile von Pauke. 
Tube, Sporn und Antrum mehr zu sehen. Zwei Drittel der Höhle epidermi- 
siert. ßorpulver. 

12. Nov. Reichlicheres Sekret, augenscheinlich von einer kleinen Granu- 
lation oben hinten, etwa an der Grenze von Pauke und Antrum. Sonst 
völlige Epidermisierung Abkneifen. Bor. 

8. Dez. Völlige Epidermisierung bis auf kleine Stelle vorne unten, 
wohl über der Tubenmündung, aus der wenig schleimiges Sekret kommt. Bor- 
alkohol. 

15. Dez. Höhle trocken. Patientin wird nach Hause entlassen. 

Fall 3. Herr Otto B. 26 Jahre alt. Mittelohreiterung rechts seit 
5 Jahren. Neuerdings Schmerzen und Schwindel. (Ausfall der oberen Ton- 
grenze, Nystagmus.) 

Operation am 20. Okt. 1906. Attic-cholesteatom ; schwarze Stelle am 
horizontalen Bogengang. 

25. Okt. Entfernung des Jodoformgazetampons. Granulationsbildung 
läßt den Knochen noch vielfach frei. 

29. Okt. Ziemlich reichliches Sekret. „Spalt" durch Granulationen 
geschlossen. Reinigung. Bor. 

7. Nov. Wundhöhle ungeheuer verkleinert, stellt einen glattwandigen 
halbkugligen Kaum vor, der jetzt den Abschluß des Gehörgangs bildet und 
schon zum Teil epidermisiert ist. 

24. Nov. Epidermisierung ziemlich vollendet. Noch etwas Sekret. 

28. Nov. Ohr trocken 



1) Chirurgie oto-rhino-laryngologique. Paris 1906. Steinheil. Besprochen 
in Arch. f. Ohrenh. Bd. 47. S. 211. 



Tamponlose Nachbehandlung and Tubenabschloß. 267 

1. Dez. Fat. nach Hause entlassen. 

Eontrolluntersuchung am 13. Jan. 1907. YoUständige Heilung. Fldster- 
sprache 2^2 m. Hört „bedeutend besser als frCÜier*". 

Wir haben hier also eine Heilang in 5 Woehen 
erzielt, und zwar bei einem nicht ganz einfach liegenden 
Fall, den wir trotzdem den Mnt hatten, der tamponlosen Nach- 
behandlung zu unterziehen. Nicht unerwähnt will ich lassen, 
daß mich gerade in diesem Falle die schnelle Äusfiillung des 
^Spaltes^ mit Granulationen mit großen Bedenken erfüllte, be- 
sonders, als ich konstatieren zu können glaubte, daß unter der 
sich dort bildenden Brücke eine Tasche zurückblieb, in der sich 
einige Zeit hindurch immer Sekret zeigte. Wiederholt war ich 
nahe daran, hier die Granulationen fortzuschaffen und wollte 
nicht glauben, daß es hier* ohne weitere Nachhilfe zu fester, 
dauernder Epidermisiernng kommen würde. Voß hat durchaus 
Recht, wenn er sagt, daß man angesichts solch ungewohnter 
neuer Bilder im Verlauf der Nachbehandlung erst einmal den 
Mut haben müsse, längere Zeit hindurch — gar nichts za 
machen I 

Diesen drei Fällen f&ge ich nun vier weitere hinzu, in 
denen wir außer der tamponlosen Nachbehandlung die primäre 
Transplantation T hier seh scher Läppchen über die tympanale 
Tubenmündung gleich nach vollendeter Totalaufmeißelung ver- 
sucht haben« 

Da ich von den anderweitigen Versuchen der Tubensperrung 
außer dem Hein eschen, soweit sie publiziert sind, erst neuer- 
dings Kenntnis bekommen, so habe ich über diese noch keine 
genügenden eigenen Erfahrungen sammeln können. 

SeguraO (Buenos Aires) hat vorgeschlagen, die Oblite- 
ration der Tube mittels Eaustik vorzunehmen: „Man dringt in 
die Mündung und den knorpligen Teil der Tube Eustacchii ein. 
Während ihre Mündung gelegentlich offen stehen^ kann, sind 
ihre Wände stets in Berührung. Indem man daher irgend eine 
Stelle der Wände kauterisiert, erreicht man leicht den Verschluß 
der Tube.^ Die chemischen Mittel sind zu verwerfen, da ihre 
Wirkung nicht gut auf eine bestimmte Stelle eingeschränkt 
werden kann. Ihnen vorzuziehen ist der Galvanokauter. Das 
Ideal würde ein Brenner sein, fein genug, um ihn durch die 
Tube zu führen und der einmal eingeführt, den Strom zirkn- 



1) Yerhandl. der otol. Sektion d. 14. intern, med. Kongr. zu Madrid. -^. 
Arch. f. Ohrenh. Bd. 60. S. 114. 

18* 



268 XXIV. GERBER 

lieren l&ßt. um zu yermeiden, daß der Katheter sieh dureh das 
Gewicht des Brennerstiels nicht verrückt, hält man sie (?) mit einem 
biegsamen Draht, anstatt sie in direkte Verbindung zn bringen. 

Die Reaktion ist eine geringe, und die Resultate sind trotz 
der geringen Anzahl der Fälle sehr befriedigende.* 

Seguras Vorschlag fand in der Diskussion bei Botella 
und anderen Zustimmung, während Baragas und Gompared 
— im Prinzip auch damit einverstanden — den Verschluß am 
tympanalen statt am pharyngealen Ostium anbringen wollen. 

Ferreri^) hat dann auch den Verschluß in dieser letzteren 
Weise erreicht. Forns^) empfiehlt Elektrolyse oder chemische 
Atzung am Isthmus tubae. 

Nachdem mir die Versuche mit Trommelfellresten wie mit 
dem ParafGnpropf mißglückt waren, dachte ich zunächst an eine 
Jodoformplombe nach Mosetig-Mooshof; auch die Ausfüllung 
der Tubenmündung mit fester Plombenmasse, wie die Zahn- 
ärzte sie verwenden, schien mir eventuell eines Versuches wert. 
Warum aber sollte man es nicht zunächst mal mit dem natür- 
lichsten, nächstliegenden Mittel versuchen: dem Thierschschen 
Läppchen, das dem Otologen ja vertraut genug ist? Die Be- 
denken, die gegen seine nutzbringende Verwendung zum Tuben- 
abschluss sprachen, waren natüriich nicht zu verkennen: die 
Abhebung oder Maceration durch Sekrete, die Verdrängung durch 
die Granulationen, Schrumpfung usw. Aber schließlich: Grau 
ist alle Theorie, und so manches hat sich praktisch bewährt, 
was theoretisch unsinnig erschien. Und auch nur ein temporärer 
Abschluß würde mir, wie früher 3) gesagt, schon als ein Gewinn für 
die Nachbehandlung erscheinen. Entmutigend erschien allerdings 
schließlich auch, daß bisher nichts über der artige Versuche 
mitgeteilt war, die doch zu naheliegend sind, als daß sie nicht 
schon von vielen Seiten hätten versucht sein sollen. Ich habe 
aber nichts darüber gefunden. 

Fall 4. Gurt D. 13 Jahre alt. Ohrenlaufen links seit 6 Jahren. Karies 
des Hammers, Attic- Cholesteatom. Tubenkarrh. 

Operation am 23. Nov. Läppchen aus dem Oberarm über den Tubeneiugang. 

28. KoY. Entfernung des Tampons. Das L&ppchen liegt gut an. Ein 
Streifen am Soden. 



1) Atti della Gliniea etc. II. 1904. Arch. f. Obrenh. fid. 67. S. 223. 

2) Verhandl. d. otol. Sektion d. 14. intern, med. Eongr. zu Madrid. — 
Arch. f. Ohrenh. Bd. 60. S. 114. 

3) Über Tubenabschluss etc. Arch. f. Ohrenh. Bd. 70. S. 211—212. 



Tamponlose Nachbebandlung und Tubenabschloß. 269 

11. Dez. Mäßige Sekretion. Granulationsbildang laiigsam. Läppchen 
scheint abgestoßen zu sein. 

28. Dez. Spalt aasgefüllt. Epidermis am Dach. Bor. 

5. Jan. Völlige Epidermisierung bis auf die Tabenmandung. Auch 
hier nur geringe Feuchtigkeit. Die Höhle halbkuglig, glattwandig. Bor. 

8. Jan. Höhle ganz trocken. 

13. Jan. Epidermisierung yoUendet. 

Fall 5. Frau B. 32 Jahre alt. Ohrenlaufen und Bluten rechts seit 
der Kindheit; in letzter Zeit Schmerzen und Schwindel. (Tubenkatarrh.) 
Totalaufmeißelung am 31. Okt. 1906 Thierschsches Läppchen vom Unter- 
arm auf den Tubeneingang; kleine Gazestückohen darüber. Jodoformgaze- 
tampon. 

6. Not. Entfernung der Tampons. Ziemlich reichliche Sekretion. 
Knochen noch meist frei. Läppchen liegt fest. 

15. NoY. Granulationsbifdqng geht langsam vorwärts, Sekretion ge- 
ringer. Bor. 

30. Nov. Die ganze einheitliche glattwandige Höhle ist überall mit 
rotem Granulationspolster bedeckt. Nur unten vorne zeigt sich eine bläu- 
lich-weiße SteUe = das transplantierte Läppchen. 

12. Dez. Die Epidermisierung geht jetzt rasch vorwärts. Gehörgang 
und Wundhöhle haben ein den normalen Verhältnissen ähnliches Aussehen. 

22. Dez. Ganze Höhle epidermisiert und trocken. Nur vorne oben 
im W^inkel der Plastik kleine leicht sezernierende Granulation, die weg- 
gekratzt wird. Vorne unten, der Gegend des Tubenostiums entsprechend, 
aber in höherem Niveau eine Stelle im Narbengewebe, in der sich hin und 
wieder etwas schleimiges Sekret zeigt. 

28. Dez. Ohr trocken, Fat. entlassen. 

Fall 6. Frau PI. 33 Jahre alt. Ohrenlaufen links und zeitweise 
Schmerzen seit 15 Jahren. (Tubenkatarrh.) 

Totalauf meißelung am 15. Nov. 1906. Läppchen vom Unterarm. 

19. Nov. Sehr reichliche Sekretion. Läppchen liegt gut. Ein Gaze- 
streifen auf dem„ Boden der Wundhöhle. 

28. Nov. Üppige Granulationsbildung. Läppchen, noch deutlich sicht- 
bar, liegt gut 

11. Dez. Wegen der immer noch starken, etwas fötiden Sekretion: 
Wasserstoffsuperoxyd, Bor. 

19. Dez. Untere zwei Drittel der Höhle epidermisiert. Am Dach 
noch reichliche Granulation sbildung. Über dem Tubeneingang zeigt sich 
jetzt wieder eine etwa 2 Stecknadelkopfgroße Öffnung; augenscheinlich ist 
das Läppchen etwas geschrumpft, — höchst wahrscheinlich infolge irrtüm- 
licher Anwendung von Alkohol statt Wasserstoffsuperoxyd. Trotzdem keine 
Sekretion von dieser Gegend. 

29. Dez. Nur oben am Dach noch etwas sezernierende Granulationen ; 
die ganze übrige Höhle epidermisiert und trocken. — 

Fall 7. Frl. S. 17 Jahre alt. Ohrenlaufen beiderseits seit mehreren 
Jahren. Links Kopfschmerzen *und Schwindel. Tubenkatarrh neben der 
Mittelohreiterung. 

Totalauf meißelung am 14. Nov. Läppchen vom Unterarm. 

18. Nov. Sehr reichliche Sekretion; Knochen noch bloß. Läppchen 
liegt fest an. Ein Gazestreifen auf den Boden. 

21. Nov. Granulationen rücken rasch vor. Keine Tampons. 

30. Nov. Spalt ganz ausgefüllt. Granulationen bis an die Läppchen 
herangerückt. Sekretion geringer. 

5. Dez. Die Wundhöhle nimmt eine röhrenförmige Gestalt an; Epi- 
dermisierung schreitet kontinuierlich fort. 

11. Dez. Läppchen sind nicht mehr als solche kenntlich; überall 
Epidermis bis auf den Spalt. Unten in der Tubengegend hat sich ein 
stecknadelkopfgroßes Löchelchen gebildet, aber trocken. — 

28. Dez. Völlige Heilung, — 6 Wochen nach der Operation. 



270 XXIV. GERBER, Tamponlose Nachbehandlung etc. 

loh bin mir wohl bewußt, daß sowohl die Zahl der Fälle 
wie auch die Dauer ihrer Beobachtung nicht ausreichend wäre, 
um ein sonst noch^JuiGht erprobtes Verfahren zu stützen. Ftir 
die tamponlose Nachbehandlung allein kann das aber nicht 
gelten; meine Erfahrungen bestätigen hier nur die schon 
vorher von anderen Autoren gemachten. Was nun die Be- 
deckung der Tube betriflft, ftir die Fälle, in denen der Nach- 
behandlung Gefahren von ihr drohen, — so können freilich meine 
Mitteilungen hier nur als eine vorläufige Anregung zu weiteren 
Versuchen gelten. Auch meine Versuche sind ja nur teilweise 
von Erfolg gekrönt worden. Jedenfalls ist jetzt doch Aussicht 
vorhanden, auf diesem oder jenem Wege zu einer Absperrung 
der Tube von der Pauke zu gelangen. Dieses und die Fort- 
lassung der Tamponade aber werden der Nachbehandlung 
hoffentlich zum größten Vorteile gereichen und Arzte wie Pa- 
tienten werden dann nicht mehr wie bisher noch vielfach Ope- 
ration und Nachbehandlung als ein kurzes ^Ahl^ und ein 
langes „Ach!^' zu bezeichnen brauchen. 



XXV. 



Die Nachbehandlung der Totalanfmeisselnng ohne 

Tamponade. 



Von 

Dr. stein, Königsberg i. Pr. 



Die Nachbehandlung der Totalaufmeißelung ohne Tampo- 
nade, die 1898 von Zarnikol) zum ersten Male vorgeschlagen 
und drei Jahre später von von zur Mühlen 2) nach Erprobung 
der Methode, anscheinend an einer größeren Anzahl von Fällen, 
warm empfohlen worden war, hat, wenigstens in Deutschland, 
eine vollkommene Ablehnung erfahren. Sie gilt wohl ganz all- 
gemein als ein längst überwundener Irrtum, über den die Dis- 
kussion abgeschlossen ist. 

- Ich hatte in der letzten Zeit meiner Assistententätigkeit 
diese Methode, nachdem ich die Mitteilung von Zarniko 
längere Zeit nach ' ihrem Erscheinen gelesen hatte, an einer 
kleineren Anzahl von Fällen konsequent durchgeführt; nachdem 
ich mehrere Jahre die übliche Nachbehandlung mit sorgfältiger 
Tamponade an einem größeren Material geübt hatte, war ich 
ebenso überrascht von dem ausgezeichneten Erfolge des neuen 
Verfahrens, wie von dem ablehnenden Standpunkt aller Fach- 
genossen, mit denen ich darüber sprach. 

Die einzige Stelle in der Literatur, an der nach der 
Mühlenschen Veröffentlichung die Methode erwähnt wurde 
war jahrelang, soweit mir bekannt, allein ein Bericht über eine 
Sitzung der niederländischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und 
Ohrenheilkunde 3): Schutter hatte einen ohne Tamponade ge- 
heilten Fall vorgestellt und Posthumus [Meyjes erklärte, es 
wäre ihm noch kein einziges Mal gelungen, ohne Tamponade 
Heilung zu erzielen. In den letzten Jahren erschienen einige 



272 XXV. STEIN 

günstige Berichte von ausländischen Autoren; und in einem 
Referat über eine dieser Arbeiten (C a b o ch e) durch Bö n n i n g - 
haus 4) findet sich, soweit mir bekannt, die einzige freundliche 
Beurteilung des Verfahrens durch einen deutschen Ohrenarzt. 

Die allgemeine und jedesmal mit großer Bestimmtheit aas- 
sprochene Verurteilung einer Methode, nach der ich bis dahin 
jeden damit behandelten Fall und zwar meist auffallend schnell 
zur Heilung gebracht hatte, war mir vollkommen unverständ- 
lich. Jeder weitere von mir radikaloperierte Fall bestätigte mir 
von neuem den großen Wert dieser Art der Nachbehandlung 
und überzeugte mich immer mehr, daß das ablehnende Ver- 
halten der Kollegen auf einem Vorurteil beruhen müsse. 

Ich begann daher nun, von jedem Falle eine sorgfältige 
Krankengeschichte zu führen, in der jede Phase und jedes Detail 
der Nachbehandlung aufs genaueste notiert wurde, um so auf 
ein authentisches Beweismaterial gestützt, durch nicht anzu- 
zweifelnde Tatsachen nachweisen zu können, wie einige der 
verhängnisvollen Störungen , die die Gegner der Methode dieser 
nachsagten, überhaupt niemals vorkämen, andere nicht der Me- 
thode zur Last zu legen wären; hauptsächlich aber, und das ist 
das wichtigste in dieser ganzen Streitfrage, hoffte ich dadurch 
den Nachweis zu erbringen, daß nicht die Nachbehandlung 
ohne Tamponieren undurchführbar sei, sondern daß nur die 
Fachgenossen sie niemals durchgeführt hätten^ weil sie 
beherrscht von der traditionellen Furcht vor einer etwas stärkeren 
Granulationsbildung in der Höhle sofort zur Tamponade ge- 
griffen hatten, sobald eine solche sich bemerkbar machte. 

Ich verfüge jetzt über dreißig solcher Krankengeschichten, 
mit jenen Fällen, über die ich keine Notizen habe, und einigen 
weiteren, die von anderer Seite operiert und von mir naeh- 
operiert oder weiterbehandelt wurden, sind es nunmehr mehr 
als 40, bei denen ich in konsequentester Weise, ohne auch nur 
einmal zu tamponieren, die Höhlen offen weiter behandelt 
habe. 

Was Zarniko [seinerzeit gegen die Tamponade anführte, 
4aß sie die Operationshöhle unnötg reize und man sich so erst 
oaro luxurians schaffe, um es dann wieder zu zerstören, trifft 
Wort für Wort zu. Wie sehr die Höhlenwände durch die Tam- 
ponade gereizt werden, erkennt man auch leicht, wenn man 
die Sekretion in tamponierten Höhlen mit der in frei nachbehan- 
delten vergleicht. Im ersteren Falle sind die Tampons 



Die Nachbehandlung der Totalaufmeißelung ohne Tamponade. 273 

nach 24 Stunden nur sehr gelten wenig durchfeuchtet; 
dagegen ist es, wenn auch nicht die Regel, so doch 
etwas recht Häufiges, daß sie, wenn sie Entfernt werden, 
von Eiter triefen. Das ganz vorzügliche Verhalten der 
Höhle nun in dieser Beziehung ist ein weiterer großer Vorzug 
der Behandlung ohne Tamponade. Es kommt in diesem Falle 
eine Produktion einer solchen Eitermenge, wie sie notwendig 
ist, um die eingeführte Gaze zu durchtränken, wenn es sich 
nicht um schwer infizierte Höhlen handelt, überhaupt nicht vor, 
in der Regel zeigt das vorgelegte Verbandmaterial nur einen 
kleinen Sekretfieck, und sehr oft ist es nach 24 Stunden über- 
haupt vollkommen trocken geblieben. 

Die Vorstellung andererseits, daß die sorgfältige Aus- 
stopfung aller Teile der Höhle durch Niederhalten der Granu- 
lationen ihr ihre Gestalt erhalte, daß man sich dadurch die 
Höhle gewissermaßen in der gewünschten Form modelliere, ist 
eine irrtümliche. Wo das der Fall zu sein scheint, verdankt 
man dieses Resultat nicht dem Tamponieren, sondern der ge- 
ringfügigen Granulationsbildung an den Höhlenwänden. Daß 
üppig wuchernde Granulationen nicht durch den Druck von 
Tampons niederzuhalten sind^ zeigen alltägliche Beobachtungen 
an anderen Operationshöhlen und die allbekannten Enttäuschungen 
die der Ohrenarzt immer wieder bei der Nachbehandlung der 
Totalaufmeißelung erlebt. Man darf nicht vergessen, daß die 
durch letztere vereinigten Mittelohrräume im wesentlichen eine 
natürliche Knochenhöhle darstellen, die stets die Neigung haben 
wird, sich ihre ursprüngliche Gestalt zu erhalten; und daran 
soll man sie nicht durch überflüssige Reize hindern. In seinem 
grundlegenden Werke über die Radikaloperation sagte Stacke, 
^Es ist mir früher häufig vorgekommen, daß in Fällen, wo die 
engste Partie der Enochenhöhlen, der Aditus und Atticus, nur 
noch einen schmalen Spalt' darstellten, dessen Lumen nach 
Entfernung der Tampons nicht einmal sichtbar, sondern nur 
noch mit der Sonde nachweisbar war, dieser Spalt sich nach 
dem Weglassen der Tamponade in wenigen Tagen spontan 
durch Abschwellung der Wände derartig weitete, daß nun wieder 
die ursprüngliche Form vollkommen hergestellt war.*' Da liegt 
nun folgende Überlegung nahe. Wenn in einer monatelang 
durch Tamponade (eventuell noch Atzung und dergl.) gereizten 
Höhle allein das Weglassen der Tamponade Igenügt, um die 
bis dahin unbesieglichen Granulationen zum Schrumpfen zu 



274 XXV. STEIN 

bringen, wie geringfügig und dem Endziel des Operateurs ent- 
sprechend muß dann die Produktion von Granulationen erst 
in einer frischen Operationshöhle bleiben, die vollkommen 
ungereizt, sich in dem denkbar gflnstigsten Zustande be- 
findet Denn das Bearbeiten mit scharfen Instrumenten übt 
keinen nennenswerten Reiz aus. Daß diese Überlegung nun 
tatsächlich richtig ist, zeigt leicht die Beoabachtung einer 
größeren Anzahl konsequent ohne Tamponade nachbehandelter 
Fälle. Den Einwand, daß, was in einer älteren Höhle erlaubt 
sei, in einer frisch operierten verhängnisvolle Folgen haben 
könnte, etwa weil hier stets zunächst eine sehr reichliche Granu- 
lationsbildung stattfinde, müßte ich auf Grund meiner Be- 
obachtungen als irrtümlich aufs bestimmteste zurückweisen (siehe 
die erste Gruppe meiner Fälle). 

Ein gutes Beispiel dafltr, wie wandelbar die Wertschätzung 
der Nachbehandlung operierter starrwandiger Enochenhöhlen mit 
Tamponade und unaufhörlichem Kampfe gegen die wuchernden 
Granulationen sein kann, haben wir auf dem Gebiete der Neben- 
höhleneiterungen , ein Beispiel, das mir recht lehrreich zu sein 
scheint trotz der Verschiedenheit der anatomischen Verhältnisse. 
Noch vor zehn Jahren hätte man es für einen schweren Kunst- 
fehler gehalten, wenn man es unterlassen hätte, nach Operation 
einer Stirnhöhlen- und insbesondere einer Kieferhöhleneiterung 
zu tamponieren und außerdem die die Höhle einengenden 
Granulationen immer wieder von neuem durch Atzen und Aus- 
kratzen wegzuschaffen. Gute Beobachter merkten bald, ganz 
ähnlich wie bei Nachbehandlung der Totalaufmeißelung, daß 
man die Tamponade nicht zu lange fortsetzen dürfe, sie ganz 
wegzulassen aber wagte man doch nicht. Und dieses Ver- 
fahren blieb das allein kunstgerechte, obgleich viele Kieferhöhlen 
überhaupt nicht ausheilten, und oft genug die Geduld der Pa- 
tienten früher erlahmte, als die Fähigkeit und Neigung der 
maltraitierten Höhle trotz zahlreicher Auskratzungen immer 
wieder sich mit Granulationen zu füllen. Und jetzt nach 
wenigen Jahren ist alles vergessen, was der angehende Nasen- 
arzt früher mit vielem Fleiß als eine besondere Kunst sieb 
aneigenen mußte, man näht die Höhlen nach der Operation zu, 
nachdem man für Abfluß gesorgt hat, und kümmert sich dann 
tatsächlich um sie überhaupt nicht mehr; und erst seitdem man 
so vorgeht, kann man jenen Kranken Heilung von ihrem Leiden 
durch die Operation versprechen und das Versprechen auch fast 



Die Nachbehandlung der Totalaufmeißelung ohne Tamponade. 275 

ausnachmslos halten. Daß in verhältnismäßig kurzer Zeit alle 
anderen Operationsmethoden durch das Kil Mansche und Cal d- 
wel-Lücsche Verfahren verdrängt sind, beweist am besten 
ihre Überlegenheit. Ausnahmen, die hier und da der eigenen 
Methode zu Liebe und leider nur zu oft dem kosmetischen und 
sozialen Interesse des Kranken zu Leide gemacht werden, be- 
stätigen auch hier die Kegel. Der Einwand, daß die besonderen 
anatomischen Verhältnisse der Radikaloperationshöhle diesen 
Vergleich nicht zulassen, träfe nur teilweise zu. Eiternde Re- 
eessus, und die sollen doch in erster Linie durch die Tamponade 
der Mittelohrräume vermieden werden, könnten in der Kiefer- 
höhle und besonders in der Siebbeinhöhle, die beide nicht 
obliterieren, durch Verwachsen von Granulationen sehr wohl 
zurückbleiben und besonders in letzterer dem Patienten fast 
ebenso verhängnisvoll werden wie in den Mittelohrräumen. Sie 
werden aber kaum jemals beobachtet. 

Gegen die Nachbehandlung der Totalaufmeißelung ohne 
Tamponade konnte ich, abgesehen von schädlichen Folgen, die 
schon Stacke erwähnte, im Laufe der Zeit eine Reihe von 
Argumenten sammeln, die mir von Kollegen, mit denen ich 
darüber sprach, entgegengehalten wurden, und ich darf sagen, 
die schwerwiegendsten, die die Folgen dieser Methode als ganz 
besonders verhängnisvoll erscheinen lassen mußten, und die aus- 
nahmslos mit großer Sicherheit vorgebracht wurden, führten die- 
jenigen an, die niemals auch nur bei einem Falle einen Ver- 
such in dieser Richtung gemacht hatten. Ich bemerke gleich 
vorher, den einzigen Einwand, der wirklich diskutabel ist, daß 
nämlich die anatomischen Verhältnisse in der Paukenhöhle sich 
später unerwünscht gestalten könnten, machten diejenigen, 
die wenigsten den Versuch gemacht, aber das Schrumpfen der 
im Bereich der Paukenhöhle aufschießenden Granulationen nicht 
abgewartet, sondern dann gleich wieder tamponiert hatten. 

Von sonstigen angeblichen Nachteilen wurden mir folgende 
genannt. Die Methode sei vollkommen unbrauchbar, 
denn dann komme ja dasAntrum niemals zurHeilung. 
Ich habe mich bei allen meinen Fällen gerade um dasAntrum nie- 
mals gekümmert, gerade dieses aber heilte trotz der 
schlechten Behandlung, die ich ihm angedeihen ließ, ausnahmi^- 
los stets am leichtesten und schnellsten aus. 

Es könne durch Überwachsen der Granulationen 
über eine epidermisierte Stelle ein Cholesteatom 



276 XXV. STEIN 

entstehen. Obgleich unter den 30 Fällen, Ober die genaue 
Notizen vorliegen, sieb 12 Cholesteatome befanden , habe ieh 
niemals ein Gholesteatomreeidiv gehabt. 

Das funktionelle Resultat müßte doch ein sehr 
sehleehtes sein, denn das bei dieser Methode doeh 
offenbar ungehemmt sich e ntwi ekelnd e Granulat ions- 
polster mflsse das Verbleiben einer den Schall sohleoht 
leitenden derben Bindegewebsschicht zwischen 
Knochen und Epidermis zur Folge haben. Abgesehen 
von der ebenso falschen als immer wieder hartnäckig ver- 
fochten en Ansicht, daß die Tamponade die Granulationsbildung 
niederhalte, wurden meine Höhlen, sofern sie nach Abschluß 
der Epidermisierung klein waren, später durch rasche Schrump- 
fung des Bindegewebspolsters ebenso weit wie die anderer Ope- 
rateure. Das funktionelle Resultat unterschied sich in nichts 
von dem, wie es von anderen Seiten beschrieben ist. 

Schließlich wurde mir oft folgendes erwidert. 

Wenn die Tamponade Überflüssig und schädlich 
und Brennen und Atzen entbehrlich seien, was bliebe 
denn von der ganzen so schwierigen Kunst übrig, die 
die Nachbehandlung doch nach übereinstimmendem 
Urteil aler Ohrenärzte sei, dann könnte ja jeder 
praktische Arzt die Höhlen nachbehandeln. Erstens 
kann dies natürlich kein ernstlicher Einwand gegen das Ver- 
fahren sein; sodann aber muß ich bekennen, seitdem ich eine 
Tamponade nicht mehr anwende, habe ich vollkommen die Vor- 
stellung verloren, bei Nachbehandlung der Totalaufmeißelung 
überhaupt eine besondere Kunst auszuüben, und daß „die Nach- 
behandlung die Hauptsache^ sei ; man fahrt lediglich eine sach- 
gemäße Kontrolle über eine operierte Knochenhöhle, wobei das 
nihil nocere — neben peinlichster Sauberkeit — die Regel, ein 
positives Eingreifen die Ausnahme ist. Und was die Nach- 
behandlung durch den praktischen Arzt betrifft, so brauche ich 
einem Leserkreise von Ohrenärzten nicht erst zu sagen, warum 
auch bei freier Nachbehandlung im allgemeinen davon keine 
Rede sein kann. Allerdings wird hierbei weit häufiger der Zu- 
stand der Höhle es erlauben, den Kranken auf kurze Zeit 
nach Hause zu beurlauben, wenn man zu dem dort behandeln- 
den Arzte das Vertranen hat, daß er sauber ist und keine un- 
nützen Manipulationen an der Wunde vornimmt. Dieses ist aber 
gewiß kein Nachteil. 



Die Nachbehandlung der Totalaufmeißelung ohne Tamponade. 277 

Ein karzes Eingehen auf meine Fälle scheint mir, obwohl 
es sich um eine allgemein bekannte und tausendfach ausgeführte 
Operation handelt, unerläßlich; denn nach dem bisher so ablehnen- 
den Verhalten der Ohrenärzte kann man nur hoffen, das Vor- 
urteil gegen das fttr Arzt und Patienten gleich wertvolle Ver- 
fahren endgültig zu besiegen, wenn man an der Hand konkreter 
Fälle zeigt, wie sich die Höhlen bei dieser Nachbehandlung 
verhielten, welche Störungen denn nun wirklich in einzelnen 
Fällen auftraten und wie leicht man jedesmal ihrer Herr wurde, 
bei gleichzeitiger rückhaltloser Darlegung wirklicher oder schein- 
barer Erfolge im Endresultat. 

Die 30 Fälle, über die ich bisher genaue Aufzeichnungen 
habe und die sich, da ich nur ein bescheidenes operatives Ma- 
terial habe, auf mehrere Jahre verteilen, trenne ich in solche, 
bei denen eine nennenswerte Granulationswucherung überhaupt 
nicht eintrat, die entweder dauernd ganz weit blieben oder wenn 
sie sich auch in geringem Grade verengten, stets die genaue 
Konfiguration der Höhle deutlich erkennen ließen, und die- 
jenigen, bei denen stärkere Wucherungen an einer oder mehreren 
Stellen eine genauere Aufsicht erforderten , oder gar die ganze 
Höhle zeitweise ausgefüllt wurde, sodaß dann die ursprüngliche 
Konfiguration vollkommen verwischt war. 

Die Gehörgangslappen wurden stets nach einfacher Spal- 
tung nur antamponiert, nicht angenäht und gleich vom ersten 
Verbandwechsel an jede Tamponade weggelassen; nur in we- 
nigen Fällen, wenn die Lappen noch nicht fest anlagen, wurde 
noch einige Male ein kleiner Gazetampon zwischen ihre Ränder 
geschoben; die Nachbehandlung fand natürlich durch den Ge- 
hörgang statt, transplantiert wurde niemals. Vorbedingung ftir 
einen Erfolg ist — selbstverständlich neben gründlicher Ent- 
fernung alles Kranken — die sorgfaltigste Aseptik in doppeltem 
Sinne bezüglich sowohl der Fernhaltung jeder Verunreinigung, 
als auch jedes Antisepticums, außer gelegentlicher Anwendung 
der meist nicht reizenden Borsäure. 

Ich will hier gleich den Irrtum zurückweisen, daß zur Her- 
beiführung der Heilung bei dieser Art der Nachbehandlung die 
Anwendung der Borsäure notwendig sei, wie dies besonders 
französische Autoren wohl unter dem Einflüsse der Mitteilungen 
von Zarniko zu glauben scheinen, die geradezu von einer 
Borsäurebehandlung sprechen (C a b o c h e (4), E e m a n (5)). Die Bor- 
säure ist gelegentlich ganz nützlich, weil sie einen mäßigen 



278 XXV. STEIN 

Fötor gut beseitigt und feuchte Granulationen ganz gut zu beein- 
flussen scheint. Im übrigen ist es vollkommen gleichgültig, ob 
man sie anwendet oder nicht, ich brauche sie fast gar nicht 
Die erste Gruppe nun umfaßt 16 Fälle, bei denen 2 oder 3 mal 
einzelne schlecht granulierende Stellen abgetragen wurden, im 
übrigen sieh die ganze Nachbehandlung auf regelmäßiges Aus- 
tupfen der Höhle beschränkte. Ich gebe nicht eine durchschnitt- 
liche Heilungsdauer an, sondern von jedem Falle die Zeit bis 
zum Abschluß der Epidermisierung, da für eine Beurteilung der 
Brauchbarkeit der Methode nur diese Zeit, nicht die der end- 
gültigen Heilung beispielsweise einer Borkenbildung am ovalen 
Fenster oder einer Tubensekretion maßgebend ist. In dieser 
Gruppe wurde bei 3 Fällen bezüglich definitiver Ausheilung 

kein günstiges Resultat erzielt: 

Fall 7. Hysterisches junges Mädchen ; die gut epidermisierende weite 
Höhle zeist immer von neuem an bis dahin gesunden Stellen unerklärliche 
infizierte Clcerationen. Bei Befragen der Hausgenossen stellt es sich heraus, 
daß Patientin sich fortwährend mit Haarnadeln usw. in dem nur leicht mit 
Watte verschlossenen Ohr herumbohre; nach 2^/4 Monaten entzieht sie 
sich der ihr lästigen Eontrolle. 

Fall 10. Viele Jahre alte profuseste stinkende Eiterung rechts. Weil 
die ihr Gehör zur Arbeit notwendig brauchende Patientin links fast taub 
ist, wird, obgleich Epidermis im Knppelrsum gefunden wird, . mi Erhaltung 
der Gehörknöchelchen und einer schmalen Spange am Trommelfellfalz ope- 
riert. Dauerndes Resultat : Minimale Sekretion durch eine Lücke der Epi- 
dermis in der Euppelraumgegend ; die Höhle im übrigen nach 3 Monaten 
1 Woche epidermisiert. Hörschärfe 3 m. IV^ Jahre kontrolliert. 

Fall 13. Dreißigjähriger Mann, Lungentuberkulose: Sequester im 
Warzenteil, Fistel im horiz. Bogengang, Facialis freiliegend, granulierender 
Prozeß in der Steigbügelgegend (in den Granulationen zahlreiche Riesen- 
zellen vom Langhansschen Typus). In der ihre Konfiguration bewahrenden 
Höhle dauernd schlechte Granulationen in der Steigbügel und Bogengangs- 
gegend, offenbar von der kranken Labyrinthwand ausgehend. Geht nach 
sechsmonatlicher Nachbehandlung auf vier Monate in eine Lungenheilstätte, 
kommt schwer lungenkrank, doch mit zum großen Teil epidermisierter Höhle 
zurück. Einige Monate später, nach Mitteilung des behandelnden Arztes, 
an Mening. tub. gestorben. 

Die übrigen 13 Fälle dieser Gruppe verhielten sich folgender- 
maßen : 

Fall 1. Geheilt nach ca. 3V2 Mon., nach 10 Mon. kontrolliert. 

Fall 2. Epiderm. nach 2 Mon. ; eine feucht bleibende Lücke der Fen. 
oval, entsprechend, 6 Mon. später überhäutet. Mehrere Jahre kontrolliert. 

Fall 3, Geheilt in 2Va Mon. Nach IV4 Jahr kontr. 

Fall 4. Geheilt in 4Vs Mon. Nach 11 Mon. kontr. 

Fall 5. Geheilt in 43 Tagen. 3 Jahre kontr. 

Fall 6. Epiderm. in 472 Mon. Tube sezerniert weiter. 3 Jahre kontr. 

Fall 8. Epiderm. in 3 Mon. Eine Lücke wie in Fall 2 nach 8 Mon. 
überhäutet. 

Fall 9. Geheilt in 52 Tagen. IV2 Jahre kontr. 

Fall 11. Epiderm. in 47 Tagen. Geringe Tubensekretion ; nach 5 Mon. 
Nachricht, daß Status unverändert. 

Fall 12. Geheilt in 60 Tagen. Nach einem Jahre kontr. 

Fall 14. Epiderm. in 2 Mon. Bis auf eine kleine feuchte aber glatt 



Die Nachbehandlung der Totalaufmeißelung ohne Tamponade. 279 

bleibende Lücke, der Gegend hinter der Fen. oval, entsprechend, die 4 Mon. 
später epidermisiert ist. 3 Mon. kontr. 

Fall 15. Geheilt in 38 Tagen, jetzt nach 3 Monaten noch unter Kontr. 

Fall 16. Geheilt in 36 Tagen, letzt nach 3 Monaten noch unter Kontr. 

Die zweite Gruppe umfaßt 14 Fälle; da bei ihnen allen eine mehr oder 
minder reichliche Granulationswucherung auftrat, oft mit vollkommener Ver- 
schleierung der Konfiguration, und ich in den meisten Fällen nicht das 
geringste dagegen tat, so mtüßte also kein einziger Fall aus dieser Gruppe 
geheilt sein oder mindestens die Heilungsdauer immer eine sehr lanffe ge- 
gewesen sein. Eine lange Heilungsdauer hatte nun nur Fall 19: Hoch- 
gradig hysterische Frau; in der auch sonst immer wieder schlecht granu- 
lierenden (nur noch lose verschlossenen) Höhle eine nicht zu erklärende 
eiternde und schlecht granulierende Stelle an der vorderen Gehörgangs- 
wand. Ein 1 cm langer Glassplitter wird aus der Paukenhöhle, wo er fest 
«ingekeilt ist, extrahiert. Hausgenossen teilen mit, daß die Frau stunden- 
lang stumpfsinnig brütend dasitze und sich im Ohr herumstochere. Unter 
Stärke verbänden Ausheilung nach im ganzen 6 Monaten; nicht kontrolliert. 

Ein Versuch, in der üblichen Weise durch Brennen usw. die Granu- 
lation niederzuhalten, wurde nur bei einigen der älteren Fälle noch hier 
und da gemacht. Sonst wurden nur polypöse Polster oder schlechte Granu- 
lationen einigemale mit dem Löffel entfernt. 

Fall 17. In der vierten Woche vergeblicher Versuch, durch Brennen usw. 
Granulationen niederzuhalten; bleiben nunmehr, obgleich solche am 
Sporn die vordere Paukenhöhlen wand berühren, unbeachtet; schrumpften 
spontan; Heilungsdauer 3 Mon. 1 Woche; nach 3 Jahren kontrolliert. 

Fall 18. Aditus beginnt zuzugehen. Kein Eingriff. Heilungsdauer 

2 Mon. 1 Woche; nach 8 Mon. kontr. 

Fall 20. Zweimal kauterisiert, einmal Löffel; Erysipel; Heilungsdauer 

3 Mon. 10 Tage. 

Fall 21. 6 Wochen post operationem Höhle vollkommen mit schwam- 
migen Granulationen gefüllt, keine Spur der Konfiguration erkennbar, kein 
Eingriff; 14 Tage später epidermisiert mit weitem Diaphragama in der 
Trommelfellgegend, hinter dem noch jetzt im Laufe von Wochen sich etwas 
«ben noch austupfbares Sekret ansammelt; Luftdouche befördert zuweilen 
noch Sekret in den Raum hinter dem Diaphragma; 3 Jahre unter Kontr. 

Fall 22. Schwere Infektion der Operationshöhle. 10 Tage post ope- 
rationem die ganze Höhle zugranuliert; kein Eingriff; nach im ganzen 
40 Tagen alles epidermisiert. Tube sezerniert noch; nicht kontr. 

Fall 23. 14 Tage post operationem füllen schlechte Granulationen 
fast die ganze Höhle; Konfiguration kaum noch erkennbar; nach einmaliger 
erfolgloser teilweiser Auskratzung kein Eingreiff mehr; Heilungsdauer 2 Mon. ; 
3 Jahre kontr. 

Fall 24. Granulationen am Sporn berühren die vordere Paukenhöhlen- 
"wand; kein Eingriff; Heilungsdauer 44 Tage; 9 Mon. kontr. 

Fall 25. Granulationspolster vom Sporn ausgehend verwächst mit einem 
zweiten an der vorderen Wand; kein Eingriff gegen Entstehen und 
Uberhäutung dieser Brücke; Heilungsdauer 73 Tage; Endresultat: An- 
trum durch eine der Promontorialwand parallele Kulisse in eine innere 
und äußere Hälfte geteilt; nach ^Ia Jahren wird wegen Ansammlung von 
Detritus hinter der Hauptplatte diese exzidiert; darauf dauernde HeUung; 
iVa Jahre kontr. 

Fall 26. Granulationsmasse vom Sporn und der vorderen Wand aus- 
gehend legt sich vor die Paukenhöhle, die durch einen engen Spalt gerade 
noch sichtbar bleibt ; kein Eingriff; bei Abschluß der Heilung nach 53 Tagen 
ein schmaler Hautring in der Gegend des Trommel fellfalzes, der einige Mo- 
nate später verschwunden ist; nach 1^/4 Jahr kontr. 

Fall 27. Verlauf ganz ähnlich wie in Fall 26; Heilung nach 85 Tagen 
mit 3 mm breiter sanduhrförmiger Verengerung in der Trommelfellgegend, 
•die S Tage später sich auf das Doppelte erweitert hat; 6 Wochen kontr. 



280 XXV. STEIN 

Fall 28. Die 4 Wochen lang weite glatte Höhle dann offenbar infolge 
Yon Infektion in kurzer Zeit fast vollkommen mit schwammigen Granu- 
lationen ausgefüllt, die weggekratzt werden. 18 Tage später geheilt; Hei- 
lungsdauer 54 Tage; nach 3 Mod. Nachricht, daß der Zustand unveränder. 

Fall 29. (Sinusthrombose.) 4 Wochen lang die Höhle mit schlaffen 
stark eiternden Granulationen fast ganz angefQllt, die dann spontan in 
kürzester Zeit schrumpfen. Die weite glatte und trockene Höhle ist dann 
nach weiteren 2 Mon. l Woche epidermisiert. Heilungsdauer 3Va Mon.; jetzt 
nach 4Vi Mon. noch unter Eontr. 

Fall 30. Einige polypöse GranulationBknöpfchen, die die Epidermis 
aufhalten, mit Pinzette entfernt; Heilungsdauer 53 Tage ; nach 6 Wochen kontr. 

Die Heilungsdauer in den mitgeteilten Fällen, von denen 
übrigens keiner nachoperiert zu werden brauehte, ist nun ge- 
wiß keine lange; nach meinen Erfahrungen an von mir und 
anderen Kollegen mit Tamponade naohbehandelten Fällen scheint 
mir sogar der Prozentsatz ungewöhnlich rascher Heilungen ein 
ziemlich hoher zu sein. Die Heilungsdauer ist nun aber zweifellos 
in einigen meiner Fälle dadurch in die Länge gezogen worden, daß 
ich mich endlich einmal selbst davon überzeugen wollte, was denn 
nun eintreten werde, wenn ich auch in den sogenannten kritischen 
Momenten die zuwuchernden Höhlen vollkommen sich selbst über- 
lasse. So hätte beispielsweise in Fall 25 das Abtragen des 
Oranulationspolsters am Sporn die Heilungsdauer abgekürzt und 
das Entstehen der Kulisse verhütet; durchaus kontraindiziert ist 
in solch einem kritischen Moment die Wiederaufnahme der 
Tamponade, und das leitet mich zur Beantwortung der Frage 
über, wie nach meinen Erfahrungen einzelne Fachgeuossen, die 
die Methode versucht haben, zu ihrem ablehnenden Standpunkt 
gekommen sind. Entweder gleich bei dem ersten so behandelten 
Falle oder auch, nachdem einige dauernd weit bleibende Höhlen 
glücklich und überraschend schnell zur Heilung gekommen sind, 
beginnt ein Teil der Höhle sich durch stärkere Wucherungen 
auszufüllen. In der traditionellen, aber wie meine Fälle zeigen, 
völlig unbegründeten Furcht vor diesem Ereignis wird nun zur 
Tamponade gegriffen, und dies ist nun in diesem Moment ge- 
rade das Falsche. Denn durch den mechanischen Beiz des ein- 
oder durchgepreßten Streifens wuchern die Granulationen nun 
erst recht, und indem der betreffende Arzt ganz vergißt, daß 
dieses ja der Moment ist, indem auch nach der Lehre von 
Stacke gerade die Tamponade wegzulassen ist, zieht er nun 
gerade durch ihre Aufnahme die Heilung in die Länge. Was 
man in diesem Falle zu tun hat, ist klar: Wuchert ein Höhlen- 
teil konzentrisch von allen seinen Wänden her zu — und dies ist 
hauptsächlich im Antrum der Fall — so läßt man den Vorgang 



Die Nachbehandlung der Totalaufmeißelang ohne Tamponale. 281 

am besten unbeachtet, denn hier kann nichts passieren; be- 
ginnen aber die Granulationen einen Wall oder Halbring vor 
einem dahinter liegenden Hohlräume zu bilden, und dies ist 
wiederum ein häufiger Vorgang im Bereich der Paukenhöhle, 
so kann man entweder auch hier ruhig abwarten, auf die 
harmlose Gefahr hin, daß die Höhle mit einem etwas ein- 
engenden Hautring in der Falzgegend heilt, der oft genug bald 
wieder verschwindet; oder wenn man dieses vermeiden will, so 
trage man die Wucherung ab. Dieser kleine Eingriff, auch 
selbst, wenn er ein- oder zweimal wiederholt werden muß, ist 
übrigens dem Patienten nicht im entferntesten so unangenehm, 
als tägliche Tamponade gerade unter solchen Umständen; und 
man vergesse nicht, wie selten ich in diese Lage gekommen 
bin und wie häufig auch in den mit Tamponade nachbehan- 
delten Fällen der scharfe Löffel das letzte Wort zu sprechen 
hat. Die kleinen Störungen in der endgültigen Konfiguration 
der ausgeheilten Höhle, einmal eine Eulissenbildung im An- 
trum und einige Male eine Einengung in der Gegend des 
Trommelfellfalzes, die vermeidbar waren und nur infolge meines 
Verlangens nach Aufklärung nicht vermieden wurden, sind nun 
aber auch bei sorgfältigster Tamponade keineswegs selten, denn 
die zahlreichen Beobachtungen gleicher Art wurden ja doch 
sämtlich bei regelrecht tamponierten Fällen gemacht. 

Wir haben hier also eine größere Anzahl konsequent von 
Anfang bis zum Ende ohne Tamponade behandelter Fälle. Daß 
das Resultat sowohl bezüglich der Ausheilung wie der Heilungs- 
daner ein durchaus günstiges ist, wird ebensowenig bestritten 
werden wie das Factum, daß, was man auch über die Schmerz- 
losigkeit des Tamponierens von geschickter Hand sagen mag, 
dieses weder für den Arzt noch für den Patienten etwas An- 
genehmes ist. Daß in ca. 20 Fällen unter 30 vom ersten 
Verbandwechsel bis zur Heilung die ganze Nachbehandlung 
lediglich in regelmäßigem Austnpfen der Höhle bestand-, muß 
auch dem überzeugtesten Gegner der Methode zu denken geben; 
wir haben es hier unzweifelhaft mit einem Vorurteil zu tun, 
dessen rasche Beseitigung ebenso sehr im Interesse des Arztes 
wie in dem des Patienten liegt. Ich habe die Genugtuung ge- 
habt, daß nach anfänglich recht ablehnendem Verhalten jetzt 
eine Anzahl Königsberger Fachgenossen, angeregt durch meine 
ihnen bekannten guten Erfolge, seit einigen Monaten die freie 
Nachbehandlung ebenfalls anwenden und mit den Erfolgen zu- 

ArehiT f. Ohrenheilkimde. LXX. Bd. 19 



282 XXY. STEIN, Die Nachbehandlang der Totalaufmeißelang etc. 

frieden sind. So Herr Professor Gerber, der selbst in diesem 
Arohiv darüber berichten wird. 



LlteratarTerzeiehnls. 

1) Zarniko. Sitzung des Ärztl. Vereins in Hamburg. D. Med. W, 
1898. Vereinsbeilage S. 255. 

2) Yon zur Mühlen. Z. f. 0. Bd. 39. S. 380. 

3) Schütter. Sitzung dee Niederländischen Gesellschaft für Hals-. 
Nasen- und Ohrenheilkunde. Mon. f. 0. Bd. 37. S. 486. 

4) Caboche. Arch. Internat, de laryng. d*otol. et de rhinolog. 1904 
No. 4. Ref. A. f. 0. Bd. 73. S. 154 und Z. f. 0. Bd. 49. S. 378. 
(Bönninghaus) 

Eeman. La press oto-laryngologique. Beige. Janvier 1903. Ref. 
Bd. 58, S. 298 und Z. f. 0. Bd. 46. S. 171. 



.. f. d. 



XXVI. 

Besprechnngen. 



11. 

Transaotions of the American Otological Society, 
thirty-ninth annual meeting. Vol. X, part.II. 

Besprochen von 

Dr. Fröse, HaUe a. S. 

George E. Shambaugh, Chicago, The development 
of the Stria vascalaris of the labyrinth of the ean 

Shambangh suchte über die Herkunft der in der Zwischen- 
schicht der Stria vascularis vorhandenen Zellen, die von einigen 
Autoren vom Epithel, von anderen von dem darunter liegenden 
Bindegewebe abgeleitet werden, Klarheit zu gewinnen. Er 
ging dabei von der Tatsache aus, daß sich in der Entwicklung 
der Str. v. drei Stadien unterscheiden lassen: 

1. Zuerst findet sich an der Außenwand des Ductus cochle- 
aris eine einfache Epithelschicht, die von der tieferen Binde- 
gewebslage durch eine deutliche Basalmembran getrennt ist. 

2. Im zweiten Stadium ist die Basalmembran verschwunden, 
und unter einer etwas abgeplatteten kubischen Epithellage 
befindet sich eine lose zusammenhängende retikuläre Zellen- 
schicht. Es haben sich Blutgefäße entwickelt, die unmittelbar 
unter dem Epithel liegen. 

3. In der erwachsenen Stria ist das Netzwerk von Zellen 
versehwunden; nur wenige Zellen finden sieh unregelmäßig 
zerstreut zwischen den Blutgefäßen, während diese ganze tiefere 
Oewebsschicht vom Epithel her mit langen fibrillären protoplas- 
matischen Ausläufern durchsetzt ist. Da die wenigen in der 
Zwisehenschicht noch vorhandenen Zellen diejenigen Zellen 
repräsentieren^ welche das Retikulum des zweiten Stadiums 
bildeten, sah Shambaugh seine Aufgabe darin, den Ursprung 
dieser Retiknlumzellen nachzuweisen. 

19* 



284 XX VI. Besprechungen. 

Als Wegweiser benutzte er die im ersten Entwicklungs- 
Stadium vorhandene Basalmembran, die zunächst das Epithel 
von dem darunter liegenden Bindegewebe scheidet, später jedoch^ 
wenn die Entwicklung des Retikulums vollendet ist, nicht mehr 
angetroffen wird, und suchte einen Zeitpunkt zu treffen, wo 
die Basalmembran noch vorhanden war, gleichzeitig aber auch 
die Bildung des Zellnetzes bereits begonnen hatte. Das Lage- 
verhältnis der Basalmembran zu dem Ketikulum mußte den 
Ursprung des letzteren dartun. 

Durch zahlreiche Untersuchungen an Schweineembryonen 
(Färbung nach Malier 7) kam Shambaughzu dem Ergebnisse, 
daß die Basalmembran nicht unmittelbar unter dem Epithel 
liegt, aber auch das Zellnetz nicht von dem darunter liegenden 
Bindegewebe trennt, sondern mitten durch das Zellnetz hindurch- 
zieht. Er schließt hieraus, daß das Retikulum teils vom Epithel, 
teils von dem tiefer gelegenen Bindegewebe abstammt, bei der 
voll entwickelten Stria vascülaris also die Grenze zwischen dem 
Epithel und den Bindegewebselementen des Lig. spirale in der 
Mitte der Zellenschicht liegt, die sich zwischen beiden befindet. 

In der Diskussion macht B. A. Randall darauf aufmerksam^ 
daß bei allem Werte des Shamb au gh sehen Fundes doch Unter- 
suchungen an menschlichen Präparaten unerläßlich sind. 

E. B. Dench, New-York, A case of cerebellar absoess 
foUowing chronic suppurative Otitis media; Ope- 
ration; death; autopsy. 

26 jähriger Mann konsultierte Dench am 1. März 1899 
wegen beiderseitiger chronischer Mittelohreiterung, die seit der 
Kindheit bestanden hatte. Während der folgenden 6 Jahre 
wurde der Patient in Zwischenräumen beobachtet. Bei Aus- 
sptllungen ging die Eiterung erheblich zurück. Frühjahr 1905 
trat Störung des Allgemeinbefindens und Abmagerung ein. Da- 
her am 9. Oktober 1905 links Totalaufmeißelung. (Das rechte 
Ohr, dessen Trommelfell völlig zerstört war, sezernierte nur 
zeitweise.) Es wurde weder Sinus noch Dura freigelegt. Pri- 
märe Transplantation Thiersch scher Läppchen in die Höhle. 
Etwa 3 Tage darauf leichte Facialisparese links, die nach 
4 — 6 Wochen fast völlig verschwand. Nach 6 Wochen Operations- 
höhle trocken bis auf den vorderen unteren Pauken winkel, wo 
sich auf freiliegendem Knochen Granulationen bildeten. Am 
9. Februar 1906 fand Dench die Facialislähmung, zumal am 



XXVI. Besprechungen. 285 

Ängenast wieder stärker ausgeprägt, so daß das Ange offen 
stand. Eine erbsengroße Granulation im vorderen unteren 
Pauken Winkel wurde ausgeschabt, ihre Unterlage mit der 
Höllensteinperle geätzt. Das Allgemeinbefinden versohlechterte 
sich nun stetig, und etwa am 20. Februar stellten sich Übel- 
keit, Erbrechen, Doppeltsehen und Koordinationsstörungen bei 
Bewegungen der Arme und Beine ein. Nur mit größter Mühe 
konnte Patient gehen. 22. Februar wegen Steigerung dieser 
Symptome Überführung in das New- Yorker Hospital. Dort ergab 
die von Dench gemeinsam mit Dr. Fischer vorgenommene 
Untersuchung des Nervensystem es linkerseits vielleicht etwas 
herabgesetzte Reflexe, sonst keinerlei Störung der Motilität und 
Sensibilität. Parese des linken Abdueens und Obliquus superior 
mit Gesichtsfeldeinschränkung. Augenhintergrund normal ; starke 
Venenfüllung. Temp. 36o, erreichte in den ersten 24 Stunden 
nicht 370. Puls anfilnglich 72, sank dann auf 68— 60 in der 
Minute. Keine Kopfschmerzen. Ergebnis der Blutkörperchen- 
zählnng indifiPerent. Bei dem befriedigenden Allgemeinzustande 
wurde bis zum Hervortreten bestimmterer Symptome von einer 
Operation abgesehen. Am folgenden Tage blieb die Temp. 
subnormal ; Puls 56 — 70, Sensorium klar. Am 3. Tage Somnolenz 
und Nackenstarre, Puls 52, Temp. 39,5o. Operation. Ab- 
gesehen von den Granulationen und dem in geringem Umfange 
erweichten Knochen vorn unten in der Pauke nichts Pathologisches. 
Tegmen tympani, Sulcuswand, Sinuswand bis zum Bulbus 
hin völlig gesund. Trepanation auf das Kleinhirn unterhalb 
der Lin. semicirc. superior; Punktion 3,5 cm tief in ver- 
schiedener Richtung ergebnislos. Duranaht. Nach der Operation 
Kollapserscheinungen. Am folgenden Morgen trat auch In- 
continentia urinae hinzu. Patient kam indes wieder zum Be- 
wußtsein und wurde vorübergehend fieberfrei. Abermalige 
Somnolenz mit Fieber gab am 3. Tage nach der ersten den 
Anlaß zur zweiten Kleinhirn punktion^ die gleichfalls erfolglos 
war. Am nächsten Tage Exitus bei 4lo Fieber. 

Der Befund bei der Autopsie wird weiter unten von 
G. S. Dixon näher mitgeteilt. Auszugsweise bemerkt Dench, 
daß links ein auf die andere Seite hinübergreifender Abszeß 
im Kleinhirnbrückenwinkel und außerdem ein Fibrosarzom des 
N. acusticus gefunden wurde, das seinen Ursprung augen- 
scheinlich in der Schnecke hatte und an dem Nervenstamme 
entlang nach außen gewachsen war. Auch das Granulations- 



286 XXVI. fiesprechnngei]. 

gewebe in der Pauke hält Den ob ex post für sarkomatös, weil 
etwa 3 Monate vor seinem Auftreten das Obr („praetioally'^) 
trocken gewesen war. Histologisob scheinen die Granulationen 
nicht untersucht worden zu sein. — Trotz der ausgedehnten 
Akustikusgescbwulst in der fast völlig zerstörten Schnecke war 
die Knochenleitung auf der erkrankten Seite verstärkt: Der 
Ton der auf den Scheitel gesetzten Stimmgabel (?) wurde nach 
links lateralisiert. — W&re das Punktionsinstrument V^ ^^^l 
weiter nach innen oben vorgedrungen, so hätte es den Abszeß 
erreicht. — Der Autor empfiehlt dann als Ort der Wahl für die 
Eleinhirntrepanation die Oegend hinter dem Sinus und rät, um 
sekundäre Meningitis zu vermeiden, zu zweizeitiger Operation: 
Zunächst wird die Dura freigelegt, inzidiert, und der Subdural- 
raum tamponiert. Ist dieser nach 6 — 24 Stunden durch 
Adhäsionen abgeschlossen, wird die Hirnpunktion vorgenommen. 

Edward D. Fisher, Symptoms of cerebellar 
diseases. 

Gedrängte Gegenüberstellung der Symptome bei Hämorrhagie 
des Kleinhirns, bei Erweichung nach Thrombose oder Embolie, 
bei Tumor, Meningitis und Abszeß, vonseiten eines Neurologen. 
Zu kurzer Inhaltsangabe, nicht geeignet. 

George Sloan Djxon, New-York, Report of.autopsy 
and pathological findings in a case of cerebellar 
abscess after radical Operation for chronic purulent 
Otitis media. 

AusHihrlicher Sektionsbericht über den von Dench mit- 
geteilten Fall von Kleinhirnabszeß. Serös eitrige Leptomeningitis 
der Konvexität, besonders links. Basis völlig frei. Beim Ein- 
schneiden auf die Kleinhirnhemisphären von unten her wurden 
nur die Panktionskanäle gefunden, kein Eiter. In den Seiten- 
ventrikeln reichlich blutiges Serum. An der Oberfläche des 
linken Lobus qüadrangularis vorn, nahe dem Außenrande des 
Oberwurms, fand sich ein fttnfpfennigstückgroßer nekrotischer 
Herd. Durch Einschnitt an dieser Stelle wurde eine mit übel- 
riechendem rahmigen Eiter erfüllte 25 : 21 : 16 mm messende 
Abszeßhöhle eröffnet, die z. T. auf die rechte Seite übergriflF 
und in akut entzündeter Umgebung lag. Agarausstriche vom 
Abszeßeiter blieben steril. In Bouillon fand sich nach 48 Stunden 
sehr feine Trübung und ein zarter Niederschlag. Überimpfung 
auf Agar, Bouillon und Blutserum. Letztere beiden Nährböden 



XXVI. Besprechungen. 287 

bleiben steril. Auf Agar sehr kümmerliches Wachstum mit 
baldigem Absterben: kleine, einzeln und in Paaren und kurzen 
Ketten liegende Kokken, die als verkümmerte Streptokokken 
angesehen wurden. — Der linke Meatus acust. int. enthielt 
einen 11 mm dicken und 10 mm langen knollenartigen, mit 
Knötchen bedeckten Tumor ^ der den N. acusticus und facialis 
einschloß. Beide Nerven zeigten bei der Untersuchung von 
der Peripherie her in der Nähe des Tumors stetig zunehmende 
Degeneration (Weigert). Einige Nervenfasern umgriffen den 
Tumor, waren aber auf der Mitte seines Umfangs nicht mehr 
nachweisbar. Im Innern des Tumors wurden nur einige wenige 
degenerierte Faserbündel gefunden. Der Tumor selbst bestand 
hauptsächlich aus ziemlich dichtem Bindegewebe, zwischen dessen 
Fasern überall kleine Bundzellen eingestreut lagen. Im Innern 
der Geschwulst herrschten die Bundzellen vor, und das fibröse 
Gewebe war spärlich; die Blutgefäße zeigten hier entweder 
gar keine Wandung oder nur eine einfache Lage von Endothel- 
zellen. In der Kapsel des Tumors, die von der Nervenscheide 
gebildet wurde, fanden sich neben ähnlichen Gefäßen auch 
solche mit dicken Wandungen. Die leicht pigmenthaltige 
Geschwulst wurde als Fibrosarkom angesprochen. Der Inhalt 
der Schneckenkapsel war durch den Tumor völlig zerstört; es 
ließ sich kein Nervengewebe nachweisen. Auch das Vestibulum 
war ausschließlich mit Tumormassen erfüllt. Die Bogengänge 
hingegen waren von der Geschwulst nicht ergriffen. Die 
membranösen Kanäle erschienen mehr oder weniger kollabiert; 
In ihrem Lumen und im perilymphatischen Baume einige kleine 
Hämorrhagien. Das Bindegewebe verdickt, stellenweise so hoch- 
gradig, daß das Lumen des betr. Kanals verengt wurde. Von 
den Gristae acusticae nur degenerierte Beste. 

Die dem Vortrage folgende Diskussion brachte außer einiger 
skizzenhafter Kasuistik nichts Neues. 

• W. Sohier Bryant, New-York, The radical mastoid 
Operation modified to allowthe preservation of nor- 
mal hearing. 

Bryant beschreibt und illustriert eine Modifikation der 
Totalaufmeißelung, bei deren Anwendung das Trommelfell, der 
Annulus tympanicus und die durch Fortnahme des übrigen 
Teils der lateralen Attikwand sichtbar gemachten äußeren 
Ossicula samt ihren Befestigungsbändern in situ gelassen werden. 



288 XXVI. Besprechungen. 

Die hintere und die obere knöcherne Gehörgangswand werden 
bis zum Tronamelfelle heran entfernt. Bryant will das Ver- 
fahren angewandt sehen in solchen, gewöhnlich akuten Fällen 
ausgedehnter Schläfenbeinerkrankung, in denen bis kurz vor 
der Operation gutes Hörvermögen bestand, seltener bei chro- 
nischer Mittelohrciterung, sofern der Schalleitungsapparat mehr 
oder weniger intakt geblieben ist. Der Vorschlag wird mit 
dem Auszuge aus einer Krankengeschichte belegt, in welchem 
jedoch der vor der Operation erhobene otoskopische Befund 
nicht erwähnt ist. Es handelte sich um einen chronischen, 
akut verschlimmerten Fall von Diplokokkeneiterung mit einer 
Corticalisfistel im Warzenfortsatze. Nach Gehörgangsplastik 
und primärer Naht heilte die mit Blut geflillte Wundhöhle 
schnell und war nach 15 Tagen epidermisiert und, wie auch 
das Mittelohr, trocken. Hörweite für ührticken 13, nach 6 Mo- 
naten 46 Zoll, nach gut 8 Monaten 6 Fuß. 

Abgesehen von der sehr diffizilen Technik, welche das 
Verfahren in der Tiefe der Operationshöhle erheischt, und die 
wohl an Kindern oder bei sonst engen und niedrigen Raum- 
verhältnissen des Mittelohrs oft genug zu Fehlschlägen, zu un- 
beabsichtigter Freilegung der Dura der mittleren Schädelgrube 
und schließlich zu zwangsweiser Vollendung der Totalauf- 
meißelung führen wird, verlangt diese Operationsmethode a priori 
den strikten Nachweis, daß die Gehörknöchelehen frei von 
Karies sind. Derselbe ist aber trotz guten Gehörs auf Grund 
des otoskopischen Bildes und mit unserem sonstigen diagnostischen 
Kästzeug nicht immer einwandfrei zu fbhren (Ref.). 

J. E. Sheppard, Brooklyn, Report of a case of brain 
abscess. 

54 jähriger Zimmermann hatte 3 Vi Wochen vorher, ohne 
jemals an Eiterung gelitten zu haben, einige Tage lang im 
linken Ohre Schmerzen mit heftigen pulsierenden Geräuschen 
verspürt; zuletzt saßen die Schmerzen im Hinterkopf. Zugleich 
verschlimmerte sich eine schon seit langem bestehende Schwer- 
hörigkeit. Vor etwa 1 Woche linksseitige Facialisparalyse, 
die seit 2—3 Tagen deutlicher wurde. In den letzten Nächten 
Irrereden. Zur Zeit der Untersuchung deutliche Verwirrtheit, 
linksseitige Gesichtslähmung, mäßiger Druckschmerz des linken 
Warzenfortsatzes, beträchtliche Eiterung, Senkung der h. o. 
<}ehörgang8wand. Tem. 38®, Puls dementsprechend. Siebbein- 



XKVI. Besprechungen. 289 

eiterung. Da sich die Diagnose auf einen otogenen Hirnabszeß 
richtete, wurde der Patient ins Hospital verwiesen, und zur 
genaueren Lokalisierung des Abszesses Dr. Browning zu- 
gezogen. 

Wm. B r w n in g, Broolyn, Notes on looalization. 

Browning erhob am folgenden Tage einen, detailliert 
geschilderten, Ner^^enbefund , aus dem folgendes wiedergegeben 
sein mag. Periphere Facialisparese links, mit geringer Be- 
teiligung des Augenastes. Geschmacksstörung an der linken 
Zungenseite, soweit eruierbar. Sonst Motilität und Sensibilität 
unbeeinträchtigt. Auch Reflexe normal. Die linke Opticus- 
scheibe zeigte verwaschene Grenzen; vermehrte Gefäßfüllung. 
Delirien und Aufgeregtheit, dabei aber Fähigkeit, vernünftig 
zu antworten. Ins rechte Ohr gerufene Worte werden richtig 
wiederholt. Optische Aphasie. Auf Agraphie, Hemianopsie etc. 
wurde nicht geprüft. Hiernach wurde ein Abszeß im hinteren 
Teile der zweiten linken Schläfenwindung diagnostiziert. Bei 
der Operation wurde demnach mittelst Einstichs IV2 Zoll 
oberhalb und hinter der Mitte des Meat. auditor. ext. in V2 Zoll 
Tiefe im Schläfenlappen ein Abszeß gefunden, der 2 — 3 Drachmen 
rahmigen Eiter enthielt. Während der Rekonvaleszenz entleerte 
sich nach Temperatursteigerung anscheinend noch ein zweiter 
Abszeß in den Hohlraum des ersten, auch später trat noch 
einmal vorübergehend hohes Fieber auf, doch wurde der Kranke 
nach 6 Wochen geheilt entlassen. Bis zu der zweiten Eiter- 
entleerung war mittelst Gazestreifens drainiert worden, nachher 
wurde ein Gummidrain eingeführt. 

Ran de 11 und Dench bestätigten den oft größeren Nutzen 
des Gummidrains bei Hirnabszessen. 

Emil Gruening, New-York, Six cases of thrombasis 
of the lateral sinus operated upon in the Ear Ward 
of the Mt. Sinai Hospital in the course of the past 
winter. 

Der kasuistische Bericht des bekannten Autors über 6 Fälle 
von Sinusthrombose schildert in gedrängter, aber scharf pointierter 
und lichtvoller Darstellung die verschiedenen klinischen Bilder. 
Diese einzeln zu besprechen würde hier zu weit führen, wie 
umsichtig die Diagnostik und wie zielbewußt auch das operative 
Handeln erscheint. In allen Fällen wurde zunächst die Mastoid- 
operation ausgeführt, erst in zweiter Sitzung, und zwar nach 



290 XXYI. BesprechungeD. 

Unterbindung der y. jngularis, die Sinusoperation. Ein Todes- 
fall (5 jähriges Mädohen) an Meningitis. Zur Sttttznng der 
Diagnose worden Blutproben bakteriologisch untersucht. Das 
Resultat ergab 3 mal Streptokokken und war 3 mal negativ. 

Hiernach berichten Libman und Epstein, die seit 
längeren Jahren bakteriologisch arbeiten, näher über die Blut- 
untersuchungen. Libman weist auf die Schwierigkeit hin\ die 
sich öfter bei der Differenzierung von Streptokokken und Pneumo- 
kokken geltend macht, und hebt hervor, daß während der 
letzten 5 Jahre, mit einer einzigen Ausnahme, in jedem Falle 
von Otitis media, bei dem im Blute Streptokokken gefunden 
wurden, auch eine Sinusthrombose vorlag. Er gibt indes zu, 
daß in einer Anzahl von Thromboseßlllen das Blut frei von 
Streptokokken ist, und diese auf metastatische Herde beschränkt 
sind. Zuweilen kann die Blutuntersuchung erst positiv, später 
negativ ausfallen. Ihren Wert sieht er in folgendem: l. Wenn 
bei fieberhaftem Allgemeinzustande ausreichende lokale Ohr- 
symptome fehlen, liefert in einer großen Zahl von Fällen der 
Nachweis von Streptokokken im Blute die Indikation zum 
operativen Eingriff. 3 ThrombosefÄUe als Belege. 2. Tritt 
nach der Mastoidoperation keine Besserung ein, so entscheidet 
der Blutbefund, ob eine Allgemeininfektion oder nur ein über- 
sehener Krankheitsherd im Knochen vorliegt. — Die Gegenwart 
einer nur geringen Anzahl von Bakterien im Blute darf dabei 
nach L. nicht als Ursache schwerer Allgemeinsymptome be- 
trachtet werden. 

Epstein geht auf die Differenzierung von Streptokokken 
und Pneumokokken ein und erwähnt dann, daß in einem der 
Grueningschen Fälle zuerst im ccm Blut 245 Streptokokken- 
kolonien vorhanden waren und 5 Tage später keine einzige. 
In einem anderen Falle wurden zunächst ebenfalls Streptokokken 
gefunden, um später, als der Kranke ein Pleuraempyem und 
multiple Abszesse in der Glutäalgegend hatte, völlig zu fehlen. 

Thomas J. Harris, New-York, Post-operative meniü- 
gitis. 

Der Vortrag, welcher sich teilweise auf Zeronis im 
Band 66 d. Arch. erschienene Arbeit stützt, gipfelt in folgenden 
Schlußsätzen: 

1. Trotz ihres hohen Wertes ist die Totalaufmeißelung der 
Mittelohrräume keineswegs ohne Lebensgefahr und sollte nicht 



XXVI. Besprechungen. 291 

leichthin bei einfacher Otorrhöe oder ohne vorherige Anwendung 
anderer, weniger heroischer Maßnahmen ausgeführt werden. 

2. Ihre ernsteste und anscheinend durchaus nicht seltene 
Komplikation ist die Meningitis. 

3. Vor der Operation ist eine sorgfältige Untersuchung des 
Ohres, besonders des inneren Ohres unerläßlich, ebenso eine 
hinreichend lange Beobachtung des Patienten, um die Möglich- 
keit einer latenten Meningitis auszuschließen. 

4. Die postoperative Meningitis verdankt ihre Entstehung 
einer Reihe von Ursachen, von denen die Verlegung freien 
Abflusses aus nicht entfernten Krankheitsherden 
und chronische Labyrintherkrankung die wichtigsten 
sind. 

5. Bei einer Operation zur Beseitigung einfacher Otorrhöe 
sind wir daher zu der größten Vorsicht verpflichtet, sobald ein 
Labyrinthleiden erkannt ist. 

6. Jedem Abschnitte der Operation endlich, der Asepsis, 
dem Wundverschluß bei freigelegter Dura, der Vermeidung un- 
nötiger Meißelerschtitterung (jar), der völligen Ausrottung alles 
Erkrankten ist besonders skrupulöse Sorgfalt zuzuwenden. 

Dem Vortrage folgte eine längere Diskussion. Myles 
meint, die Gefahr postoperativer Meningitis werde durch zu 
schnelles Arbeiten in der Tiefe bedingt, und fordert mehr Sorg- 
falt und langsameres Operieren. — Wendell Phillips mißt 
viel Schuld dem Gebrauche von Hammer und Meißel bei. — 
Rand all bemerkt, er besäße gar keinen Hammer, hätte indessen 
noch keinen Knochen angetroffen, den er nicht mittelst eines 
starken mit der Hand getriebenen (!) Meißels hätte durchdringen 
können. — Dench ist, allerdings anscheinend mehr des be- 
quemeren Instrumententransports wegen, flir Hammer und Meißel 
und kann in ihrer Anwendung, wenn die Meißel gut schneiden, 
nur eine sehr geringe Gefahr erblicken. Früher, ehe er sich 
der Totalaufmeißelung zuwandte, verfocht er eifrig die intratym- 
panale Operation. Von seinem jetzigen Standpunkte findet er 
es wunderbar, daß nach dieser Operationsmethode nicht öfter 
Meningitis auftritt, da doch nach der Fortnahme der lateralen 
Wand (sc. des Attik und Aditus, Ref.) auch die Decke der 
Pauke vollständig zerstört erscheint I — Zum Schluß rät Grue- 
ning, angesichts der 10 Proz. Todesfälle und der 20 Proz. 
Facialisparalysen in der amerikanischen Statistik, zu großer 
Vorsicht. 



292 XXVI. Besprechungen. 

Samuel Theobaldy Baltimore, Astriking illustration 
of the effioacy of constitntional measures in Control- 
ling inflammation of the mastoid cells. 

Theobald sucht seinen schon lange vertretenen konserva- 
tiven, der Operation bei der Behandlung der Mastoiditis tun- 
lichst ausweichenden Standpunkt durch Mitteilung eines günstig 
verlaufenen Falles neuerdings zu begründen. Das seit 5 Wochen 
an Mittelohreiterung leidende 5jährige Mädchen bot alle Zeichen 
einer Mastoiditis, hatte über dem Warzenfortsatze einen subperi- 
ostalen Abszeß, dabei jedoch sehr profusen Eiterabfluß aus dem 
Mittelohre. Letzterer Umstand und das gute Allgemeinbefinden 
bewogen Theobald, von der anderweitig bereits angeratenen 
Aufmeißelung Abstand zu nehmen. Er gab dreistündlich 0,6 g 
Natr. pyrophosph., ließ abends einigemale gründlich abfahren 
und den Gehörgang dreimal täglich mit 1 : 4000 Sublimatlösung 
ausspritzen. Nach 14 Tagen waren die lokalen Erscheinungen 
verschwunden, das Trommelfell fast normal, die Perforation ver- 
narbt und das Hörvermögen unbeeinträchtigt. Es waren an- 
nähernd 40 Dosen des Natriumsalzes verbraucht worden. Diesem 
Mittel und der energischen Abführkur mißt Theobald den 
Haupterfolg bei; er gibt jedoch zu, daß auch der Wechsel in 
der Lokalbehandlung (vorher war mit Borsäurelösung ausgespritzt 
worden) vielleicht nützlich war. 

A. Knapp, New York, Report of a fatal case of 
cerebellar abscess, with demonstration of the petrous 
pyramid and cerebellum; remarks on the operative 
treatment. 

Der Kranke war ein 12 jähriger Knabe, der schon seit 
Jahren an rechtsseitiger Ohreiterung gelitten hatte. 2V2 Wochen 
vor der Aufnahme ins Hospital war ein subperiostaler Abszeß 
über dem Warzenfortsatze geöffnet worden. Während der letzten 
Tage bestand Pulsverlangsamung, und Erregtheit wechselte mit 
Apathie. Kein Fieber. Bei der Aufnahmeuntersuchung: Schläfrig- 
keit, erweiterte Pupillen, Neuritis optica, besonders links, keine 
Augenmuskellähmung, rechts fötide Ohreiterung. Keine Laby- 
rinthsymptome. Auf dem rechten Warzenfortsatze kleine Gra- 
nulationsfläche. Puls 55, Temp. normal. Rigidität der Nacken- 
muskulatur. Keine Lähmungen der Extremitäten. Der durch 
Lumbalpunktion gewonnene Liquor war getrübt und ent- 
hielt, wie später die bakteriologische Untersuchung zeigte, Strep- 



XXVI. Besprechungen. 293 

tokokken. Sofortige Operation in Chloroforranarkose. Gleich 
zu Anfang der Operation wurde die Atmung oberflächlich und 
hörte bald gänzlich auf bis auf gelegentliche schnappende Züge. 
Die Operation wurde daher möglichst beschleunigt. Im Antrum 
und Attik Cholesteatom. Die freigelegte Dura über dem Tegmen 
tympani und antri sehr blutreich, sonst normal. Inzision der 
Dura; Punktion des Schläfenlappens in verschiedener Richtung 
ergebnislos. Fortnahme des Knochens bis in die Squama hinein 
und abermalige vergebliche Punktion des Schläfenlappens. Nun 
Freilegung der Eleinhirndura medial vom Sinus sigmoideus durch 
Entfernung der hinteren Pyramidenwand. Die Dura war hier 
verdickt, und bei ihrem Abheben vom Knochen quoll Eiter her- 
vor. Nach Erweiterung der KnochenöflFnung wurde die Dura 
inzidiert, und man gelangte in eine den größten Teil der 
rechten Kleinhirnhälfte einnehmende Höhle, die mit Hilfe einer 
Zange weiter geöflFnet und dann entleert wurde. Neben dem 
Eiter floß eine erhebliche Menge Liquor ab. Der Knabe kam 
jetzt zu sich und begann wieder tief zu atmen. Anlegung einer 
Gegenöffnung durch die Schuppe des Hinterhauptbeins. Gummi- 
drain, Verband. In der folgenden Woche traten nachts gelegent- 
lich Delirien auf, sonst war der Kranke bei Bewußtsein, hatte 
guten Appetit, ließ jedoch den Urin unter sich. Die Neuritis 
optica war erheblich zurückgegangen. Temp. 39 — 40^, Puls 130. 
Gegen Ende der Woche steigende Unruhe und Aufgeregtheit, 
Diarrhöe, schließlich Coma und Exitus. 

Autopsie. Leptomeningitis purulenta an der Basis, das 
Chiasma bedeckend und bis in den Spinalkanal hinein. Abszeß- 
höhle vorn im rechten Kleinhirnlappen kollabiert, enthält wenig 
blutige Massen, keinen Eiter; ihre Wand ohne Balgkapsel, nicht 
erweicht. Seitenventrikel zu Eigröße (?) dilatiert, mit trüber, 
eiterhaltiger Flüssigkeit gefüllt. Der größte Teil des horizon- 
talen Bogenganges durch das Cholesteatom zerstört. Unmittelbar 
hinter dem Bogengang und entsprechend der in vivo gefundenen 
Duraverdickung war der Knochen gleichfalls erkrankt. Im 
Meningealsekret bakteriologisch Streptokokken. 

In der Diskussion wird von Dench und Eagleton aus 
verschiedenen Gründen der Absicht Knapps entgegengetreten, 
das von ihm angewandte kombinierte Operationsverfahren als 
Normalmethode ftir die Operation von Kleinhirnabszessen zu 
inaugurieren. 



294 XXVI. Besprechungen. 

Hermann Knapp, New-Tork, The inflammatorj 
diseases of the nose and its aecessory sinuses in 
relation to the eye. 

Es werden drei Fftlle von Nenroretinitis optica nnd ein 
Fall von Orbitalpflegmone mit nachfolgender Opticusatrophie, 
sämtlich rhinogener Natur, in Kürze mitgeteilt. 

Sohier Bryant, New-York, Exhibition of a patient 
operated upon for mastoiditis complioated by epi- 
dnral absoess. 

Vorstellung eines Patienten 8 Tage nach der Operation, 
welche einen Extraduralabszeß in der hinteren Sohädelgrube 
und ausgedehnte Granulationen auf der Sinuswand aufgedeckt 
hatte. Die Wunde, welche bis auf eine kleine OflFnung für 
einen Gazedrain genäht wurde, war nach 5 Tagen p. i. verheilt. 
Mittelohr trocken; Hörweite fttr Uhrticken 20 Zoll. 

Gruening lehnt das operative Verfahren des Vortragenden 
wie die Auffassung, der Fall sei bereits endgültig geheilt, ent- 
schieden ab und warnt nachdrücklich vor primärer Wundnaht 
bei der geschilderten Beschaffenheit der Dura. 

Frank B. Sprague, Providence, The blood-olot me- 
thod of wound repair in aural surgery. fj 

Sprague wurde durch den New Yorker Chirurgen A. M. 
Phelps 1889 auf den Schedefschen Vorschlag (1886), Wunden 
unter dem feuchten Blutschorf heilen zu lassen, aufmerksam, 
machte 1892 nach dieser Methode seine erste Mastoidoperatiou; 
nach welcher sich ein Senkungsabszeß entwickelte, und wurde 
seitdem allmählich ein so begeisterter Verfechter des blood-clot 
dressing**, wie er uns in diesem Vortrage entgegentritt. Wir 
wollen die naheliegenden Gründe, die Sprague bewegen, in 
seinen Fällen die sonst übliche Operationsart zu verlassen, so- 
wie auch seine weiteren historischen und allgemein chirurgischen 
Bemerkungen beiseite lassen, glauben indes auf seine Erfah- 
rungen und die aus diesen abgeleiteten Schlußfolgerungen bei 
der steigenden Verbreitung, welche die in Frage stehende Ope- 
rationsmethode in Amerika zu gewinnen scheint, etwas ausführ- 
licher eingehen zu sollen. 

Sprague unterscheidet 2 Arten der Blutsohorfmethode: 
1. Die mit völligem primären Wund Verschluß, bei der unter 
Umständen eine oberflächliche Öffnung (vent) gelassen werden 
kann, und 



XXYI. Besprechungen. 295 

2. die Drainmethode, bei welcher ein bis zu ^2 Zoll dicker 
Gazedrain ebenso tief in die OperationshShle eingeführt wird. 

Versagt die erste Methode^ so kann sie nachträglich unter 
stumpfer Erweiterung der Inzisionswunde durch die zweite er- 
setzt werden. In den ungünstigsten Fällen beansprucht die 
Heilung selten mehr als 3 Wochen. 

Technik. Peinlichste Asepsis vor und während der Ope- 
ration sowie bei der Nachbehandlung. Nach Abnahme des 
antiseptischen ßeinigungsverbandes (Seife oder Sublimatlösung), 
der etwa 6 Stunden oder „so lange vor der Operation als mög- 
lich^' gelegen hat, sorgfältige Reinigung des Gehörganges und 
der Paukenhöhle. Ausgiebigste Paracentese, zugleich durch die 
geschwollene Paukenschleimhaut. Ausspülen und Auswischen 
der Pauke mittelst 60 Proz. Alkohol. Lockere Gazetomponade. 
Eeinigung der Muschel und der benachbarten Kopfhaut in 4 — 
5 Zoll Umkreis mittelst Wasser und Seife, Äther, Alkohol. Be- 
deckung der Umgebung des Operationsfeldes mit sterilem Ver- 
bandstoff. Bei der Inzision, bei der Anlegung der Arterien- 
klemmen, beim Gebrauch der Haken und sonstigen Instrumente 
ist aller unnötige Druck auf die Weichteile zu vermeiden. Das 
in einem Zuge durchschnittene Periost ist ohne Beschädigung 
zurückzuschieben und nach Vollendung der Knochenoperation 
sorgfaltig zu reponieren. Nach Entfernung des kranken Ge- 
webes und nach Glättung und Reinigung der Knoohenhöhle 
wird mittelst einer kleinen Kürette aus dem Aditus und den 
tiefsten Teilen des Antrums die eitrig infiltrierte Schleimhaut 
und alles nekrotische Gewebe ausgelöffelt. Gründliche Aus- 
spülung der Operationshöhle mit steriler physiologischer Koch- 
salzlösung, Trockentupfen. Hierauf läßt man die Höhle sich 
mit Blut füllen. Nekrotische Partieen und Eiterherde in den 
Weichteilen sind vor Eröffnung des Knochens zu beseitigen. 
Reposition des Periosts, Draht- oder Silkwormgutnaht; nicht zu 
fest, um Schwellung, Nekrose und Eiterung zu vermeiden. Ent- 
fernung des Gehörgangstampons und Einführung eines neuen, 
nach sorgfältigem Auswischen. Abwaschen der Wunde mit 
Kochsalzlösung, Verband. — Beim ersten Verbandwechsel, am 
3. Tage, Entfernung des wahrscheinlich serös durchtränkten 
Gazestreifens aus dem Gehörgange und Ersatz durch einen 
frischen. Nach 1 — 2 Tagen der nächste Verbandswechsel, bei 
welchem, wenn der Wundverlauf ungestört ist, der Gehörgangs- 
tampon ganz oder nahezu trocken zu sein pflegt; in diesem 



296 XXYI. Besprechangen. 

Falle wird die Wunde hinter dem Ohre nicht berührt. Zeigt 
diese Rötnng und Sehwellnng, so wird an der Stelle derselben 
mit der Sonde eine Öffnung angelegt, etwaiges Sekret trocken 
abgetupft. Trat nur Serum aus, läßt man die Öffnung sich 
wieder schließen, entleerte sich Eiter, so wird ein Gazedraia 
eingeführt. 

Erscheint bei der Operation dieser primäre Wundverschluft 
(closed method) nicht angebracht, so wird nach Vernähnng des 
Hautschnitts ein Gazedrain oder ein Protektivdrain nach Hal- 
sted zwischen den Nähten eingeführt. Mittelst Watteträger» 
wird dann durch die Öffnung das Serum aus der Wundhöhle 
abgetupft, bis sie nach 7 — 10 Tagen trocken ist, worauf man 
die Wunde sich schließen läßt. Der mit Watte versehene Tam- 
ponträger wird behufs Sterilisierung durch die Flamme gezogen 
und dann nicht durch Blasen mit dem Munde, sondern durch 
Hin- und Herfahren in der Lufl ausgelöscht. Findet sich Eiter 
in der Wundhöhle, so wird sie nicht mit antiseptischen Fltlssig- 
keiten, sondern mit physiologischer Kochsalzlösung ausgespült» 
Es ist darauf zu achten, daß der Drain nicht zu lange liegt, 
da er die Heilung verzögert und zuweilen auch die Sekretion 
steigert. Er ist zeitweilig fortzulassen und sobald als möglich 
ganz zu entfernen. 

Nach diesen beiden Methoden wurde bei sämtlichen un- 
komplizierten akuten Mastoiditiden verfahren. Liegt eine intra- 
kranielle Komplikation vor, so wird die Hautinzisionswunde 
bis zur Knochenöffnung vernäht, der letzteren entsprechend offen 
gelassen, und die Höhle tamponiert. 

Sprague hat unter 186 von ihm operierten akuten Fällen 
bei 129 eine der beiden Methoden angewandt und nur in 57 
Fällen offen behandelt. 

Drainmethode: 60 Fälle. Heilungsdauer 12 — 28 Tage. 
Die Mehrzahl heilte in 18—21 Tagen. 

Typische Methode: 69 Fälle. Davon heilten 42 ük 
7—15 Tagen (20 in 14 und 10 in 15 Tagen), 27 in 16-18 
Tagen. Bei keinem Falle trat Eiterung ein. Unter den 
69 Fällen wurden 11 Mal Weich teilabszesse, 10 Mal Fisteln in 
der Corticalis, 7 Mal sehr ausgedehnte Knoohenzerstörungen und 
4 Mal Defekte in der Tabula interna beobachtet 

Die Dauer der Ohreiterung vor der Operation schwankte 
zwischen einer Woche und 5 Monaten (I) und betrug bei der 
Mehrzahl der Kranken 3— -6 Wochen. Von den 69 Fällen der 



XXYI. Besprechungen. 297 

zweiten Ornppe mußten 2 naeb 6 bezw. 14 Monaten nochmals 
operiert werden; sie hätten wegen ihres chronischen Charakters 
von vornherein der Totalaufmeißelung bedurft. 

Bei 16 Totalaufmeißelungen wurde eine analoge Me- 
thode angewandt. 2 Fälle heilten in 5 — 6, und 5 in 8 — 10 
Wochen. Unter den übrigen 9 zerfiel bei 4 das Blutgerinnsel 
völlig; 5 schienen zunächst glatt zu heilen, bis nach 5 — 10 
Wochen post operat. ebenfalls Zerfall eintrat. Bei Choleste- 
atom und Osteosklerose wurde von der Blutfällungsmethode kein 
Nutzen gesehen. 

Technik. Nach Vollendung der Knochenoperation und 
der Gehörgangsplastik wird der Gehörgang hinreichend er- 
weitert^ um ein halbzölliges Gummidrainrohr aufzunehmen, 
welches auf dem Facialissporn gelagert wird. Durch das Drain- 
rohr wird dann ein runder mit Gummituch umhüUter Gaze- 
streifen in den Gehörgang bis zur Pauke eingeführt. Der übrige 
Teil der Knoehenhöhle wird der Ausfüllung mit Blut überlassen, 
die Weichteilwunde über dem Warzenfortsatz genäht, und der 
Verband angelegt. Am 3. Tage Verbandwechsel behufs Revision 
der Wunde. In der Nähe des Drains pflegt der Verband blutig- 
serös durchtränkt zu sein; der Gehörgangstampon wird indes 
nur erneuert, wenn das Sekret eitrig ist. Am 5. Tage Wechsel 
des Tampons im Gehörgange. Am 7. Tage Entfernung des 
Gummidrains, sorgfältige Austupfung der Höhle und lockere 
Tamponade mit kleinen Stückchen steriler Gaze. Tägliche 
Wiederholung dieses Verbandes bis zu völliger Epidermisierung. 
Zerfällt der Blutpfropf, so ist vor der Tamponade die Höhle mit 
Kochsalzlösung auszuspülen. Die Ofifnung des Gehörgangs ver- 
kleinert sich nach einiger Zeit, so daß von Entstellung keine 
Rede ist. 

Zur Nachbehandlung gibt Sprague außer allgemeinen 
Maßregeln (sorgfältige, zweckmäßige Ernährung, gleichmäßige 
Zimmertemperatur, Schutz vor ^Zugluft und Erkältung, zumal 
beim Baden) ergänzend noch einige vorstehend nicht erwähnte 
Fingerzeige. Die Wunde über dem Warzenfortsatze bleibt 
4 — 5 Tage unberührt. Ihre Umgebung zeigt gewöhnlich 5 — 6 
Tage lang leichte Schwellung. Bei glattem Verlaufe wird sie 
dann täglich beim Verbandwechsel mit Alkohol abgewaschen. 
Am 7. oder 8. Tage Entfernung der Nähte. Zweckmäßig wird 
wenigstens 2 Wochen lang ein leichter Verband getragen. — 
Bei der Drainmethode wird der Gazedrain am 4. oder 5. Tage 

AtoUt f. OhranheUkuide. LXX. B4. 20 



298 XXVI. Besprechnngen. 

entfernt, von da ab nur täglich ansgetnpft. Alle Ausspülnngen 
«Lnd zu vermeiden; in 12—14 Tagen pflegt die Wunde geheilt 
za sein. Tritt Infektion ein, so wird die Drainöffnung auf 
Vt Zoll erweitert und täglich, in schwereren Fällen 2 mal tag. 
lieh unter Ausspülungen mit Kochsalzlösung der Verband ge- 
wechselt. 

Für kontraindiziert hält der Vortragende die Methode 
bei akuten Infektionskrankheiten, sowie bei Tuberkulose, Dia- 
betes und chronischen Konstitutionskrankheiten. Bezüglich der 
Infektionserreger bemerkt er, daß bei primären akuten Fällen 
mit Staphylokokkenbefund der Blntpfropf jedesmal zerfiel und 
vereiterte. Er habe einige solche Fälle akuter ausschließlicher 
Staphylokokkeninfektion beobachtet. Bei einem Knaben mit 
Sinusthrombose wäre der Staph. pyog. aur. im Ohre, im Warzen- 
fortsatze, im Sinus, in einigen metastatischen Abszessen und im 
Blute gefunden worden. Der Fall heilte mit einem steifen 
Kniegelenk. Auch bei Streptokokkeninfektion ist die Methode, 
wenn der lokale Prozeß noch nicht hinreichend abgegrenzt, oder 
der opsonische Index des Blutes noch nicht hoch genug ist, 
aussichtslos. Der Blutpfropf zerfällt, und Stichkanäle und Wund- 
fiächen überziehen sich binnen 48 Stunden mit fibrinösen Mem- 
branen. -* Im allgemeinen sind diejenigen Fälle am besten 
verlaufen, welche im Durchschnitt etwa 10 Tage nach dem Be- 
ginne der Mittelohreiterung zur Operation kamen. Zeigen hohes 
Fieber und schwererer Allgemeinzustand eine hochvirulente In- 
fektion an, ist der Knochen in großer Ausdehnung zerstört, oder 
sind die Weichteile weithin eitrig zerfallen, so ist offen zu be- 
handeln. Ebenso bilden intrakranielle Komplikationen eine 
-Gegenanzeige, operativ freigelegte Dura jedoch nicht. „Einige 
Fälle von Sinusthrombose können nach Entfernung des Throm- 
bus nach der Drainmethode behandelt werden**. Sprague sah 
2 Fälle in 14 bezw. 18 Tagen „völlig heilen". 

Auch bei einem Fibrom des Lobulus auriculae benutzte der 
Vortragende die Blutschorfmethode. Er bedeckte beide Seiten 
des nach Exstirpation der Geschwulst übrig gebliebenen Lobulus- 
ringes mit sterilem Papier, ließ den entstandenen Hohlraum voll 
Blut laufen und erreichte binnen 3 Wochen wieder einen gut 
geformten Lobulus. 

Frederick L. Jack, Boston, The blood clot dressing. 
Jack wendet sich, gestützt auf 60 Fälle, mit zahlreichen 



XXYI. Besprechungeo. 299 

Gründen gegen die Blatschorfmethode« Einen toten Baum fbUt 
der Chirurg, wenn er es vermeiden kann, nicht mit Blut, und 
naoh Operationen an langen Knochen pflegt das Blut in der 
Mehrzahl der Fälle zu zerfallen. Nur wenn die umgebenden 
Gewebe bakterienfrei und lebenskräftig genug sind, kann das 
Koagulum resorbiert oder organisiert werden: primäre Heilung 
langer, tiefer aseptischer Wunden. Lag, zumal im Knochen, 
Eiterung vor, so ist die Vorbedinguog der Asepsis nicht zu er- 
füllen. Außerdem ist es, nach Jacks Information durch den 
Professor der allgemeinen Pathologie Th. Smith „sehr wahr- 
scheinlich, daß die Blutkörperchen selbst das Wachstum mancher 
Bakterien begünstigen. Für das Wachstum gewisser Bakterien 
wie des Influenzabazillus, sind das Hämaglobin und seine Deri- 
vate unbedingt notwendig^. Nach chirurgischer Erfahrung bietet 
der Warzenfortsatz wegen der unmittelbaren Nähe der während 
und verschieden lange nach der Operation von Eitererregern 
mehr oder weniger erfbllten Paukenhöhle weniger günstige 
Heilungschancen als die langen Röhrenknochen. Ohne Zweifel 
zerfällt der Blutpfropf. Das beweist der beträchtliche Sekret- 
abfluß aus dem Warzenfortsatze wie aus dem Mittelohre. Dann 
heilt die Wunde durch Granulationsbildung. Gleichzeitig wird 
jedoch das Trommelfell zerstört, und das Hörvermögen ver- 
schlechtert. 

Von Jacks 60 Fällen stammen 50 von seinen an derselben 
Ohrenabteilung tätigen Kollegen. Durchschnittliehe Behand- 
lungsdauer 26 Tage. Zustand der Warzenfortsatzhöhle bei der 
Entlassung: 9 mal geheilt; gut granulierend in 5, ziemlich gut 
in 38 Fällen. Der Blutschorf zerfiel 9 mal in 2, 20 mal in 7, 
18 mal binnen 7 und 14, 1 mal nach mehr als 14 Tagen. Zu- 
stand des Mittelohres bei der Entlassung: Heilung in 32, Fort- 
dauer der Eiterung in 22, nicht notiert in 6 Fällen. Glatte 
Wundheilung erfolgte 4 mal, und zwar in 8, 14, 17 und 22 
Tagen; dabei hatten jedoch nur 2 der Kranken ein trockenes 
Mittelohr, bei einem bestand noch Eiterung, und bei dem vierten 
ist nichts hierüber vermerkt. 

Jack kann keinen Vorzug der Methode vor der allgemein 
gebräuehliehen anerkennen. 

H. 0. Reik, Baltimore, Some facts and figures rela- 
ting to the blood-clot dressing in bone surgery. 

Reik sucht in der Blutsohorfmethode ein völlig gerecht- 

20* 



300 XXYI. BeBpreehungen. 

fertigtes ehirurgisohes Vorgehen nachzuweisen, das bei der Osteo- 
myelitis der langen Knochen durchaus nicht in Mißkredit geraten 
ist, sondern von einer Anzahl der bedeutendsten Chirurgen 
Amerikas und Europas befürwortet und angewandt wird. Die 
Methode liefere nach seinen persönlichen Erfahrungen (d. h. am 
Warzenfortsatze, Ref.) bessere Ergebnisse als irgendeine andere* 
Als spezielle Yorztlge werden angeführt: 

1 . Der Patient kann nach Verlauf einer Woche das Hospital 
verlassen. 

2. Anstatt der für den Kranken stets etwas schmerzhaften 
und fbr den Arzt lästigen häufigen Reinigung und Tamponade 
bei offener Nachbehandlung ist nur ein einfacher Bausch Ver- 
bandstoff oder ein leichter KoUodiumverbänd erforderlich. 

3. Es bleibt so gut wie keine Narbe zurück. 

Die der Anwendung nachgesagte Lebensgefahr ist lediglich 
hypothetischer Natur. Denn etwaiges in der Operationshöhle 
zurückgebliebenes infektiöses Material „wird auf dem Wege 
des geringsten Widerstandes zu entweichen trachten^, also nicht 
Knochen oder Dura, sondern das widerstandslosere Blutgerinnsel 
gefährden, wodurch Aufbruch der Wunde gesetzt würde. — 
Nach experimentellen und klinischen Studien resümiert Reik: Das 
Blut gerinnt in der Wunde schnell, und sein Fibrinnetz bildet 
die Stützsubstanz für das neue Gewebe. Von den Wänden der 
Höhle sprießen in raschem Wachstum frische Granulationen in 
den Blutpfropf hinein und bilden fibröses Bindegewebe, dessen 
Charakter sich dann entsprechend dem umgebenden Mutter- 
gewebe ändert. Innerhalb einer Knochenhöhle erscheinen, und 
zwar schon 48 Stunden nach der Operation, von den Knochen- 
wänden oder vom Periost aus, Osteoblasten und verwandeln das 
Bindegewebe in Knochengewebe. — Eine geringe Menge sep- 
tischen Materials, das dem Operateur entging, kann durch die 
bakterizide Kraft des Blutgerinnsels unschädlich gemacht werden» 
Durch eine Anzahl, von Reik angeführter, Autoren ist erwiesen, 
daß diese von den Leukozyten gebildete und an das Serum ge- 
bundene bakterizide Substanz wegen des Zerfalls der Leuko- 
zyten im geronnenen Blute wirksamer ist als im zirkulierenden. 
Da diese Wirkung an die Alkaleszenz des Blutes geknüpft ist, 
sind bei der Ausspülung der Wundhöhle Säuren zu vermeiden. 
— Reik zitiert dann eine Reihe, auch deutscher, Chirurgen, 
um zu beweisen, daß die Blutschorfmethode durchaus nicht ver- 
lassen ist, daß ihre Resultate sich hauptsächlich nach dem Grade 



XXVL Besprechungen, 301 

der erzielten Asepsis richten und am befriedigendsten bei kleinen 
Operationshöhlen sind. 

Beik operierte, an verschiedenen Orten und unter teilweise 
ungünstigen äußeren Verhältnissen, 43 akute und 10 chronische 
Fälle. Bei der ersten Gruppe erzielte er 31 (72Proz.) primäre 
und 3 nicht völlig primäre Wundheilungen. 9 mal zerfiel der 
Blutpfropf. Von der zweiten Gruppe heilten 5 Fälle primär. 
Leider beschränkt sich Reik auf diese statistischen Angaben. 

Diskussion. Dench hat in seinen 7 Fällen nichts als 
Fehlschläge erlebt, betont, daß nicht die Ausfüllung der Wund- 
höhle mit Blut« sondern ihre feste Vernähung die Lebensgefahr 
bedinge, und erklärt die Erzielung einer keimfreien Pauken- 
höhle und damit die Beseitigung der dem Blutgerinnsel drohenden 
Infektion als unmöglich. Sprague fragt er, wie er eine Sinus- 
thrombose binnen 10 Tagen zur Heilung gebracht habe. — 
Kipp hält gleichfalls eine Asepsis des Operationsfeldes für un- 
möglich, die Methode jedoch für gefahrlos und hat in einigen 
Fällen mit gesunder Corticulis Erfolg gehabt. — Bryant wendet 
neuerdings nur die Drainmethode an, entfernt den Gazedrain 
nach 24 Stunden und ist von seinen Resultaten recht befriedigt. 
Für wesentlich hält er tägliche Kontrolle der Wunde. Bei 
sklerosiertem Knochen hat er, entgegen Spraque, keinen 
Unterschied von anderen Fällen bemerkt. Er hatte Gelegenheit, 
die Wundhöhlen nach Totalaufmeißelung (Gazedrains in den 
Gehörgang und den unteren Wundwinkel) in 2 Fällen 3 bez. 
7 Tage nach der Operation zu untersuchen. Äußere Wunde 
primär verklebt. Wundhöhlen fast völlig durch solides Gewebe 
erfüllt. Den übrigen Raum nahmen außer einigen Tropfen 
dicken Blutes (das in dem früher operierten Falle bis auf eine 
geringe Spur verschwunden war) Stränge ein, die aus Binde- 
gewebe und neugebildeten Gefäßen bestanden. — Gruening 
hält die Methode für unchirurgisch, wenigstens für akute Fälle. 
Nur bei Totalaufmeißelung, wenn die Ossicula aus der Pauke 
entfernt werden, lasse sich die notwendige Asepsis erreichen. 
— Hammond kann ebenfalls der enthusiastischen Empfehlung 
Reiks und Spragues nicht beitreten und erklärt die primäre 
Wundnaht als unchirurgisch. — Unter 14 Fällen, die in Wales 
Gegenwart operiert wurden, zerfiel 13 mal der Blutpfropf, und 
der 14. Patient starb an Meningitis. — Leland beobachtete 
unter 18 Fällen 10 mal Zerfall', darunter je Imal Erysipel und 
Phlegmone von der Wunde aus. Nichts destoweniger hält er 



302 XXYI. Bespreehangen. 

die Methode f)lr znknnftBreich, da auch naoh seiner Uberzeagung' 
der Blntpfropf, selbst wenn er zerfällt, die Heilung der Wunde 
beschleunigt. -- Rand all verftlgt nur über wenige Fälle, deren 
Verlauf ihn z. T. sehr befriedigte. Er beabsiohtigt, die Methode 
nun öfter anzuwenden. Als Analogen zu der Bolle, welche der 
Blutpfropf vermutlich spielt, sieht er seine früheren Ergebnisse 
mit dem Blutgerinnsel nach der Ligatur von Arterien in ihrer 
Kontinuität an. Das Gerinnsel lieferte ein persistierendes Ge- 
websgerüst, welches später, wahrscheinlich unter hauptsächlicher 
Beteiligung der Intimazellen der Gefäße, organisiert wurde. 
Die Bolle der Intimazellen spielen in der Wundhöhle des 
Warzenfortsatzes wahrscheinlich die Osteoblasten. — Der weitere 
Verlauf der sehr bewegten Debatte liefert keine erheblichen 
und grundsätzlich wichtigen Beiträge mehr. In seinem Schluß- 
wort hebt Sprague hervor, daß die Methode nicht unter* 
schiedslos, sondern nur bei ausgesuchten Fällen anzuwenden ist. 
Zu dem vonDench berührten Falle von Sinusthrombose erklärt 
er, daß nach Einschnitt in die Sinuswand und Entfernung des 
Thrombus mittelst steriler und Jodoformgaze tamponiert werde; 
bei der Herausnahme seien die Tampons von einem Blut- 
gerinnsel umgeben. 

Bobert Cunningham Myles, New-York, The removal 
of the faucial tonsils as a means of relieving catarrhal 
deafness. 

Kurzer, mit Demonstration einiger Instrumente verbundener 
Vortrag über die Wichtigkeit gründlicher Tonsillotomie für 
gewisse Fälle von Tubenstenose und progressiver katarrhalischer 
Schwerhörigkeit. 

B. Alex. Bandall, Philadelphia, Temporal necrosis 
in earliest infancy. 

1. Großes, gut entwickeltes, leicht geborenes Kind zeigte 
binnen 2 Wochen bei 40^ Fieber eine Schwellung über (unter- 
halb und oberhalb) dem rechten Jochbogen. Inzision deckte 
bloßen Knochen auf und entleerte einige Tropfen Eiter. Besserung. 
Nach 6 Tagen Bückfall, zugleich Eiterung aus dem r. Gehör- 
gang. Bei der Untersuchung fand sich jetzt in der Mitte der 
vorderen Gehörgangswand eine von Granulationen umgebene, 
15 mm tief sondierbare Fistel. Lokale Behandlung vom Gehör- 
gange aus fbhrte nicht zum Ziele. Später Vorklappung der 
Ohrmuschel und Entfernung des von der Wurzel bis zum Ober- 



XXVI. Besprechungen. 303 

kiefer nekrotisehen Os zygomatioum. Auch die benachbarten 
Teile der Schläfenbeinsehuppe waren vom Periost entblößt. 
Heilung. 

2. Drei Wochen altes, gut genährtes Kind mit beiderseitiger, 
seit dem 5. Lebenstage bestehender Ohreiterung. Zehn Tage 
darauf Anschwellung über dem rechten Warzenfortsatze. Die 
Mutter litt an Leukorrhoe. Die Augen des Kindes, welche an- 
fänglich das Bild blennorrhoischer Conjunctivitis dargeboten 
hatten, waren inzwischen ziemlich geheilt. Mastoidoperation: 
Caries der Gorticalis, Suleuswand zerstört, extradurale Eiterung 
(vorwiegend Staphylokokken) und Granulationen auf der 
Dura. Nach Heilung der Wunde Tod an Enteritis. Bei der 
Autopsie fand sich nur Injektion der Pia vorn über dem 
Schläfenlappen und Trübung der Arachnoidea Über dem Teg- 
men tympani. 

In der Diskussion erwähnt F. Whiting den Fall eines 
10 jährigen, schlecht genährten Kindes, dessen Mutter, eine 
49 jährige Primipara, von äußerst dürftigem und schwächlichem 
Habitus war. Das Kind hatte einen subperiostalen Abszeß über 
dem (?) Warzenfortsatze, eine eiternde Fistel am vorderen Rande 
der(?) Parotis und eine andere am Nacken. Der M. temporalis 
war völlig zerstört, die Corticalis der Schläfenbeinschuppe und 
das Jochbein waren zerfallen. Durch die Parotis führte eine 
Fistel nach dem Nacken. Infolge Zerstörung eines gi-oßen Be- 
zirkes auch der Tabula interna lagen Kleinhirn und Sinus 
sigmoideus frei. Heilung. Whiting glaubt den Fall als intrauterin 
erworbene Tuberkulose auffassen zu sollen. 

Randall zieht die Möglichkeit traumatischer, instrumenteller 
Entstehung inter partum in Betracht, doch wird über Kunsthilfe 
bei der Geburt von Whiting nichts berichtet. 

E. de Wolfe Wales, Boston, A binaural auscul- 
tation tube. 

Beschreibung und Abbildung eines binauralen Otoskops, da» 
ftr das Ohr des Patienten entweder mit der Jan senschen 
Olive oder, falls Verstärkung der Geräusche erwünscht ist, mit 
Bewies Stethoskop (Trommel) verbunden wird. 

Derselbe, Exhibition of modeis. 

1. Korrosionspräparate vom Ohr aus Porzellan. 

2. Phantom zur Einübung der Trommelfellparazentese. 



304 XXVI. Besprechangen. 

6. A. Leland, Exhibition of a bullet extracted 
from tbe middle ear of a patient. 

Demonstration einer Bleikugel, welche ans dem rechten 
Mittelobr eines Polizeiof&ziers nach Totalaufmeißelung entfernt 
wurde (Schußverletzung). 

12. 

Denker, Das Gehörorgan und die Sprechwerkzeuge 
der Pap ageien. Eine vergleichende anatomisch-physiologische 
Studie. Mit 10 Tafeln. Wiesbaden 1907 bei J. F. Bergmann. 

Bei^oclien ycm 

Dr. Fritz Btemer, Halle a. S. 

Das prächtig ausgestattete Werk ist dem großen Forscher 
Retzius gewidmet und hat Verfasser sich hier als Aufgabe die 
Beantwortung folgender Fragen gestellt: Welche Teile des 
inneren Ohres können wir bei der Erlernung der menschlichen 
Sprache entbehren? Und ferner: Was befähigt die Papageien, 
die menschliche Sprache zu reproduzieren? Beruht diese Fähig- 
keit auf einer höheren Entwicklung des inneren Ohres oder 
haben die peripheren Sprachwerkzeuge (Zungenmuskulatur und 
Kehlkopf) bei den Papageien eine bessere, für die Sprachbildung 
besonders geeignete Ausbildung erfahren als bei den übrigen 
Vögeln? 

Schon auf der 14. Versammlung der deutschen otologischen 
Gesellschaft (Homburg 1905) hatte Verfasser auf die Bedeutung 
der vergleichenden anatomischen Untersuchung des Oehörorganes 
des Papageies und des menschlichen Ohres für die Erforschung 
der physiologischen Funktion des menschlichen Oehörorganes 
hingewiesen. Wie Verfasser in der Einleitung seines Werkes 
hervorhebt, lassen unsere klinischen und pathologisch-anato- 
mischen Beobachtungen uns bei der Beantwortung der ersten 
oben erwähnten Frage fast vollständig im Stich und es ist auch 
von der weiteren Untersuchung menschlicher Schläfenbeine 
hierfür kaum ein Beitrag zu erwarten. Dies veranlaßte Ver- 
fasser, das Gehörorgan der Papageien mit allen zur Verfügung 
stehenden technischen Hilfsmitteln makroskopisch und mikro- 
skopisch zu untersuchen, um an der Hand vergleichender Unter- 
suchungen des Ohres der Papageien und des Menschen in 
gewissem Sinne eine Antwort auf genannte Frage zu geben. 

Zur makroskopischen Untersuchung des Papageienohres 
wurden Knochen- und Weichteilpräparate sowie Ausgüsse des 



XX VI. Besprechungen. 305 

inneren Ohres verwendet. Für die mikroskopische Untereuchung 
wurden 8 Gehörorgane von Chrysotis amazonica und Psittacus 
erithaous in Serienschnitte zerlegt und an der Hand dieser auf- 
einander folgenden histologischen Seriensohnitte wird in überaus 
anschaulicher Weise der ganze Aufbau desYogelobres demonstriert 
und unter Zuhilfenahme von Zeichnungen, welche Schnitte 
durch das angefertigte Rekonstruktionsmodell des inneren Ohres 
darstellen, wird ein klarer Überblick über die Anatomie des 
Oehörorganes der Papageien gegeben und somit eine wesentliche 
Ergänzung der Meisterwerke von Retzius und Hasse geliefert. 
Das Ergebnis seiner vergleichenden Untersuchungen faßt 
Verfasser fQr die erste Fi*age in folgendem zusammen. 

1. An Stelle der Gehörknöchelkette des Menschen und der 
Säugetiere findet sich beim Papageienohr nur ein knöchernes 
Säulchen, die Columella, welche das Trommelfell nach außen 
vorstülpt und mit seiner Fußplatte bindegewebig durch ein 
Ligamentum annulare im Vorhofsfenster befestigt ist. 

2. In der Paukenhöhle gelegene, also eigentliche intra- 
tympanale Muskeln sind beim Papagei nicht vorhanden ; jedoch 
tritt von außen, von der Schädelbasis her, ein vom N. facialis 
innervierter Muskel an die hintere untere Trommelfellperipherie 
heran, der eine ähnliche Funktion haben dürfte wie der Musculus 
tensor tyinpani der Mammalier. 

3. Die Länge der Papilla basilaris beträgt beim Menschen 
nach Retzius 33,5 mm, beim Papagei nur 2,6 — 2,7 mm. 

4. Der ganze komplizierte Stützapparat ftir die Aufnahme 
der Endfasern des Ramulus basilaris, das Cortische Organ des 
Menschen, fehlt den Papageien gänzlich; es existieren nur wie 
auch bei anderen Vögeln die dicht an der Membrana basilaris 
gelegenen Fadenzellen und die dicht unter der Membrana 
tectoria liegenden Haar- oder Hörzellen, welche mit in die 
letztere hineinragenden Hörhaaren versehen sind. 

Aus den vorstehend zusammengefaßten Untersuchungser- 
gebnissen läßt sich der Schluß ziehen, daß ein viel einfacher 
als das Gehörorgan der Mammalier zusammengesetzter Apparat 
schon imstande ist, die menschliche Sprache zu perzipieren. 

Durch die Untersuchungen wurde ferner nachgewiesen, daß 
keine Anhaltspunkte vorhanden sind für die Annahme; daß das 
Gehörorgan der Papageien besser und zweckmäßiger für die 
Perzeption des Schalles entwickelt und gestaltet sei als das 
Ohr der übrigen Vögel, und schließt hieraus Verfasser: erstens 



306 XXVI. Besprechungen. 

daß anoh die ttbrigen Vögel imstande sind mit ihrem Gehör- 
apparat die Laute der menschlichen Sprache za perzipieren und 
zweitens, daß die Befähigung der Papageien, die menschliche 
Sprache zu reproduzieren, nicht auf einer besonderen Ausbildung 
ihres schallleitenden und schallperzipierenden Apparates beruht. 

Über das Ergebnis seiner Untersuchungen zur Frage, ob 
die am inneren Ohr der Papageien gewonnenen anatomischen 
Verhältnisse in Einklang gebracht werden können mit der 
HelmholtzBchen Resonanzhypothese, ist bereits in einem 
Referat im 1 . und 2. Heft des 70. Bandes dieses Archivs nähere 
Mitteilung gemacht worden. 

Im zweiten Teil seiner Arbeit bringt nun Verfasser eine 
ausführliche Mitteilung seiner Untersuchungen der oberen Luft- 
wege (Kehlkopf) und der Zunge der Papageien und liefert 
hiermit einen wesentlichen Beitrag zur Losung der zweiten 
Frage: Was befähigt die Papageien, die menschliche Sprache 
nachzubilden. Verfasser weist hier auf die höchst interessante 
Arbeit von 0. Kalis cher-Berlin (Anhang zu den Abhandlungen 
der Königl. Preuß. Akademie der Wissenschaften, 1905) „das 
Großhirn der Papageien in anatomischer und physiologischer 
Beziehung" hin, in dem Kalischer in erster Linie den Zweck 
verfolgt, „einen genaueren Einblick in das Sprechen und da« 
Sehen der Tiere zu erhalten und die Lokalisation dieser Funktionen 
zu ermitteln^. Anschließend an diesen Hinweis gibt Denker 
an der Hand ebenfalls zahlreicher Abbildungen, die dem Werke 
beigefügt sind, eine klare und ausftthrliche Beschreibung der 
Anatomie der oberen Luftwege (Kehlkopf) und der Zunge der 
Papageien und kommt zu folgendem Ergebnis: 

1. Die anatomische Gestaltung des unteren Larynx, der 
abgesehen von dem Fehlen der Membrana semilunaris nicht 
wesentlich von dem Kehlkopf anderer Vögel abweicht, gestattet 
nicht anzunehmen, daß an dieser Stelle der Sitz der Sprach- 
fähigkeit der Papageien zu suchen ist. 

2. Dieselbe findet dagegen ihre Erklärung einerseits in der 
Gestaltung des oberen Teiles des Ansatzrohres d. h. in den 
Wölbungs Verhältnissen der Mund- und Rachenhöhle und anderer- 
seits in einer besonderen Ausbildung und Entwicklung der 
Muskulatur der Zunge. 

Dem ausgezeichneten Werk sind, wie schon kurz erwähnt, 
eine große Anzahl hervorragend ausgeftthrter Abbildungen bei- 
gefügt, die wesentlich zur Erklärung des Textes beitragen. 



XXVI. Besprecbongen. 307 

13. 

Siebenmann, Krankheiten des inneren Ohres; Vorträge 
28—31 in ßezolds Lehrbuch der Ohrenheilkunde; Verlag von 

J. F. Bergmann, Wiesbaden 1906. 

Besprochen Ton 

Dr. P. Ostmann. 

In meiner Besprechung des Bezold'sohen Lehrbuches hatte 
ich kurz erwähnt, daß die Vorträge 28—31 über das innere Ohr 
von Siebenmann stammen. Nach dem Vorwort des Lehrbuches 
sind dieselben von Bezold zwar überarbeitet und mit Zusätzen 
versehen; trotzdem dürfen wir sie wohl mit Recht als das 
geistige Eigentum Siebenmanns betrachten. 

Der erste — 28. — Vortrag bringt allgemeine Bemerkungen 
über Statistik, pathologische Anatomie und Diagnostik ; der 29. 
Vortrag bespricht die spezielle Pathologie und Therapie des 
inneren Ohres, insbesondere die degenerativen und entzündlichen 
Prozesse sowie die Neubildungen im Labyrinth, während der 
30. Vortrag die Affektionen des nervus acusticus behandelt. 
Der 31. Vortrag ist der Hysterie und traumatischen Neurose 
des Gehörn er venapparates gewidmet. 

Das Bild, welches wir in diesen gediegenen Vorträgen von 
den Krankheiten des inneren Ohres erhalten, ist ein vollstän- 
diges; die Darstellung ist klar und zeugt von intensiver, eigener 
Arbeit des Verfassers auf dem behandelten Gebiet. Bei der ge- 
drängten Kürze des z. T. noch diskutablen Stoffes wird das 
Studium dieser Vorträge insbesondere für diejenigen lehr- und 
genußreich sein, welche bereits über eigene Erfahrungen auf 
dem Gebiet der Otologie verfügen. 



14. 

Wojatsohek, Die Diagnose der adenoiden Vegetationen 

mit Hilfe der vorderen Rhinoscopie. Mit 7 Abbildungen 

und einer lithograph. Tafel. St. Petersburg bei Rikker. 

Besprochen von 

Dr. A. de Forestier in Libau. 

In dem Werkchen legt Wojatschek das Resultat lange 
Zeit hindurch fortgesetzter Untersuchungen nieder und gibt 
einen neuen Beitrag zu den Bestrebungen die Digital Untersuchung 
des Nasenrachens unnötig zu machen. Die Digitaluutersuchung 
ist für den Arzt entschieden bequem, sie ist aber zu plump, um 



308 XXVI. Besprechungen. 

immer ein befriedigendes Resultat zu geben, und weil der pal- 
pierende Finger leicht zwischen Choanen und Vegetation eindringt, 
ist das Abschätzen, in welchem Grade die adenoiden Vegetationen 
tatsächlich die Nasenatmung hindern, oft unmöglich; schon das 
gibt jedem neuen Beitrag zugunsten des Ausbaues der anderen 
Untersuchungstechniken reichlich die Existenzberechtigung. W o- 
jatschek nennt die in der Broschüre abgehandelte Methode 
die „tiefe, vordere Rinoscopie^, er hält, ebenso wie Zarniko, 
daftlr, daß in einer sehr großen Anzahl von Fällen durch die 
vordere Rinoscopie adenoide Vegetationen gut gesehen und auf 
ihre Größe abgeschätzt werden können. Besonders deutlich 
sichtbar wird bei dieser Methode der Untersuchung das Ver- 
hältnis der Vegetation zu den Choanen, ob sie dieselben ver- 
schließen oder wie weit sie von denselben abstehen. In vielen 
Fällen ist nur so die wahre untere Grenze der Wucherung 
genau zu konstatieren. Bei dieser Untersuchung ist allerdings 
eine Verwendung von Cocain + Adrenalin so gut wie nie zu 
umgehen. Nach einer gründlichen Bepinselung wird immer, 
es läge denn eine der seltenen Septum-Verbiegungen nach beiden 
Seiten vor, der Choanen-Rand und dahinter der Nasenrachen 
mit seinen Bildungen sichtbar. Wenn durch eine Septumver- 
krümmung nur eine Nasenhälfte verengt wird, so ist das für 
die Untersuchung nicht ungünstig, da dieselbe durch die weite 
Hälfte um so bequemer ist. Bei Kindern sind Septum-Deformi- 
täten übrigens eine Seltenheit. Der obere Ghoanen-Rand ist 
der wichtigste Ausgangspunkt für die Untersuchung, der, gute 
Bepinselung vorausgesetzt^ sehr reliefartig vortritt und durch die 
eingetretene Anämie in der Farbe von den unter ihm hängenden 
Adenoiden scharf absticht. Die letzteren sehen höckrig aus, 
haben viele Lichtreflexe, nur in Ausnahmefällen ist ihre Ober- 
fläche glatt. Je weiter wir nach unten sehen, um so weiter 
entfernen sich für unseren Blick die Vegetationen, nach oben 
hin treten sie näher an die Choanen, in besonders ausgesprochenen 
Fällen pressen sich einzelne Conglomerate durch die Choanen 
nach vorne in die Nasenhöhle. Wenn die Vegetation nach 
unten mit scharfer Kontur endigt, kann auch aus dem frei- 
bleibenden Lumen der Choane ein Schluß über die Größe der 
Vegetation selbst gezogen werden. Schwieriger ist das Ab- 
schätzen der Größe, wenn keine scharfe untere Grenze vorliegt 
und die Vorderfläohe schräg in die Unterfläche übergeht. Wo- 
jatschek nimmt dann eine Schluckbewegung zu Hilfe. Bei 



XXYI. Besprechungen. 309 

freiem Nasenrachen wirft sich nämlich beim Schlucken die Mus- 
kulatur des weichen Gaumens energisch in die Höhe, je tiefer 
die Wucherungen herabhängen, um so weniger Spielraum ge- 
währen sie der Muskulatur und beim Heben wird diese der 
Vegetation einen Stoß geben, was durch Wechsel der Lioht- 
reflexe auf der Oberfläche dem üntersucher leicht sichtbar wird. 
Sehr gut sind die Bilder. Ein Teil von Vergleichsbildern zeigt 
uns deutlich, wie leicht bei der Khinoseopie post. Täuschungen 
über die Größe der adenoiden Vegetationen möglich sind. Oft 
erscheinen bei derselben die Choanen nur teilweise verschlossen, 
während die tiefe, vordere Rhinoscopie evident ergiebt, daß sogar 
der untere Nasengang durch Vegetationen verschlossen ist. — 



15. 

Prof. Gherardo Ferreri: Atti della Clinica oto-rino- 

laringo-iatrica della R. Universitä di Roma. Anno III 

1905. Roma, Tipografia del Campidoglio. 

Besprochen yon 

Dr. Eugenio Morpnrgo. 

Der stattliche Bericht zerfällt, wie die früheren, in den 
statistischen Teil und eine Serie von wissenschaftlichen Auf- 
sätzen. Von beiden wird hier nur der ohrenärztliche Anteil 
berücksichtigt. 

Es wurden 1062 F. eingetragen (552 Männer, 321 Weiber, 
189 Kinder); darunter Ekzem des äußeren Ohres 32, Ery- 
sipel 1, Narbenstenose des Gehörgangs 1, Fremdkörper 6, Ceru- 
minalpfröpfe 93, Furunkel 36, Hyperostosen 1, Erfrierungs- 
geschwüre 1, Periostitis 1. — Im Bereiche des mittleren 
Ohres: Traumen 8, Myringitis 5, Acute otit. m. 67, chron. ka- 
tarrhal. Otit. m. 152, Sclerose 89, akute Mittelohreiterungen 91, 
chron. und subac. Mittelohreiterungen 219, Polypen 20, Karies 
der Knöchelchen 10, Attikuserkr. 12, Tubarstenosen 65, Akute 
Mastoiditis 21, chronische Mastoiditis 14, otogene intracranielle 
Komplikationen 2, Ausgänge chron. Mittelohreiterungen 74, 
Mastoidfisteln 5, Gholesteat. 3, Periauriculäre Lymphadenitis 12. 
— Im Bereiche des inneren Ohres: Syphilis des acusticus 2, 
Acusticuserkrankung nach Meningitis 6, Acusticusleideu sekun- 
där bei Mittelohrerkrankungen 6, Morbus Mönieri 6, angeborene 
Taubstummheit 6. 



310 XXVI. Besprechungen. 

Bei WarzenfortBatzeröffnnng in aknten Fällen sehr häufig 
Primärnaht mit sehr gutem Erfolg. — Im Anhang 4 inte- 
ressante Erankengesohichten, resp. Operationsflllle. 
Die Abhandlungen sind folgende: 
Ferreri: Sul deoorso anomalo del Seno laterale. 
Verfasser meint, daß die Abnormität der Lage des Sinus 
und des Verlaufes der venösen Gefäße, die den Sinus mit der 
Trommelhöhle verbinden, die verschiedenen Erkrankungsformen 
des Sinus selbst bedingen und illustriert mit klinischen Belegen 
(Krankengeschichten) seine Auffassung. 

2. Nuvoli: Riproduzione sperimentale e spiegazione mec- 
oanica della paracusia di Willis: 

Werden schwache Schwingungen einem mit einem starren 
Stabe verbundenen, gespannten Faden mitgeteilt, so finden die- 
selben einen ihre Energie übersteigenden Widerstand und können 
sich nicht fortpflanzen. Befindet sich aber der Stab schon früher 
im Schwingungszustande, so werden jene schwachen Schwing- 
ungen nicht mehr reflektiert und sie addieren sich zur Gesamt- 
leistung. — Dasselbe beobachtet man an Präzisionswagen und 
an gröberen Arten dieser; bei jenen genügt das geringste Ge- 
wicht, um sie aus der Gleichgewichtslage zu bringen, bei letz- 
teren keine Bewegung; läßt man aber diese durch Stoß sich 
bewegen und legt man dann darauf das frühere wirkungslose 
Gewicht, so merkt man sofort die Oscillation. Durch obige Ver- 
suchsdisposition glaubt Verfasser was bei der Paracusis Willig 
vorgeht, nachahmen und erklären zu können. 

Cattarozzi: Ricerche dei rapporti fra Tantro mastoideo e 
il seno trasverso: 

Aus diesen Untersuchungen zieht Verfasser folgende Schlüsse: 
1. Der Sinus befindet sich in näherer Beziehung zum War- 
zenfortsatze selbst (resp. hinteren oberen Zellen) als zum An- 
trum; 2. Wiewohl die Entfernung zwischen Antrum und Sinus 
in keinem konstanten Verhältnisse zur tiefen Lage des ersteren 
steht, so nimmt doch die Entfernung bei pneumatischer Be- 
schaffenheit des Proc. mastoid. ab mit der Tiefe des An- 
trums; 3. Bei Kindern in den ersten Lebensjahren mangeln 
jene Zahlen und ist das Antrum oberflächlicher, während dessen 
Entfernung vom Sinus verhältnismäßig sehr groß ist. 

Mancioli: Osservazioni sulla spina supra meatum (Stenle): 

Aus seinen Untersuchungen geht folgendes hervor: 

Die Höhe in welcher beim Erwachsenen sich die Spina 



XXVI. Besprechungen. 311 

befindet, steht in keinem Verbältnisse zur Entfernung zwiseben 
ibr und der Warzenfortsatzspitze ; diese Entfernung schwankt 
zwischen 17 — 34 mm. und die Spitze des Proo. mast. steht im 
Mittel 2V2 cm unter der Spina. 

Dorello: Considerazioni suUa causa della paralisi transi- 
toria deir abducente nelle flogosi deiroreccbio. 

Verfasser faßt die von verschiedenen Seiten aufgestellten 
Hypothesen zusammen und kommt zum Resultate, daß die Ab- 
ducenslähmung otogenen Ursprungs, zumeist als eine Druck- 
wirkung beim Durchgang des Nerven unter dem Ligamen- 
tum petro-sphenoidale anzusehen sei. 

Ferreri: ün sintomo auricolare premonitorio della menin- 
gite tubercolare: 

Verfasser hat häufig transitorische starke Hyperämie 
des Trommelfells als Frühsymptom der Meningitis tuberc. be- 
obachtet und zwar besonders bei Kindern, jedoch auch bei Er- 
wachsenen. Zwei Krankengeschichten beleuchten diese Angabe. 

Galligaris: Contributo allo Studio della sorditä. verbale 
pura isterica: 

Längerer Aufsatz, worin Verfasser auf Geschichte und Lite- 
ratur dieser krankhaften Erscheinung näher eingeht und an 
€inem eigenen Falle die Diagnosenstellung genau ergründet. 

Ferreri: Uossigeno nel cateterismo della tromba. 

Verfasser rühmt die SauerstoflFeintreibung in allen Fällen, 
wo die Luftdusche angezeigt ist. Hervorzuheben sei der gün- 
stige Einfluß bei Mittelohreiterungen mit hochgelegenen Per- 
forationen, ebenso bei akuter Otitis media, zur Befreiung des 
Mittelohres von Exsudaten nach der Parazentese. 



Fach- nnd PersonalnachriGhten. 



Dr. Carl Beinhard in Duisbarg am Bhein ist am 19. Januar 1907 im 
Alter Yon 43 Jahren verstorben. Nach einer grOndlichen allgemein medi- 
zinischen Ausbildung und genügender Vorbereitung auf das Spezialfach in 
den UniYersit&ts-Kliniken zu Halle, wo er zuerst 1 Jahr lang Assistent bei 
Prof. Theodor Weber auf der medizinischen Klinik, dann 1 Jahr lang 
Assistent an der Universitftts-Ohrenklinik gewesen war, ließ sich R. als 
Arzt für Ohren-, Nasen- und Haiskranke in Duisburg a. Kh. nieder. Er 
fand hier schnell einen großen Wirkungskreis für seine ärztliche Tätigkeit 
und erwarb in der Praxis in wenigen Jahren den Ruf eines geschickten 
Operateurs und das Vertrauen einer großen Clientel. Als fleißiger Besucher 
Yon ärztlichen Kongressen und Versammlungen wird R. vielen Kollegen als 
liebenswürdiffer und lebensfreudiger Mann bekannt geworden sein, der stets 
ein warmes Interesse für sein Spezialfach bewies. Literarisch ist R. nicht 
besonders hervorgetreten; außer 2 klinischen Jahresberichten aus seiner 
Assistenzeit an der Uniyersitäts- Ohrenklinik in Halle, die er mit Dr. Lndewig 
zusammen in diesem Archiv (Bd. 27) publiziert hat, ist nur eine kleine 
Zahl von otologischen Artikeln in allgemein medizinischen Journalen von 
seiner Hand erschienen. In diesem Archiv sind in Band 33, 37, 3S, 39, 40 
Referate darüber erschienen. R. war zwar anscheinend von robuster Kon- 
stitution, hatte aber schon in seiner Dienstzeit in der Ohrenklinik eine 
sehr schwere Pneumonie durchgemacht, die durch Collaps sein Leben sehr 
bedroht hatte. Schwartze. 

Dem Privatdozenten in Königsberg i. Pr., Stabsarzt Dr. Otto Voß, 
ist der Titel Professor beigelegt. 

Die „St. Petersburger Oto-Laryngologische Gesellschaft'^ 
hat in der Sitzung vom 6. Oktober 1906 den Prof. Schwartze in Halle ein- 
stimmig zum Ehrenmitglied der Gesellschaft erwählt 

Die oto-laryngologische Bibliothek des Kommunehospitals 
zu Kopenhagen. Durch Beiträge seitens der Kopenhagener Kommunal- 
behörden sowie durch die liebenswürdige Freigebigkeit zahlreicher Spezial- 
kollegen im Ausland und in Dänemark ist es der oto-larynffologischen 
Klinik des Kommunehospitals zu Kopenhagen gelungen, eine Bibliothek der 
Spezialliteratur zu begründen, welche bis jetzt ca. 2000 kleinere Abhand- 
luneen und Separatabdrücke nebst ca. 150 Bände Handbücher, Atlanten und 
größere Monographien umfaßt. Über diesen Bestand ist ein systematischer 
Katalog ausgearbeitet worden. ' 

Indem ich diese Gelegenheit benutze, um meinen vielen ausländischen 
Kollegen, welche mit ihren Arbeiten unsere Bibliothek bereichert haben, und 
insbesondere demjenigen, welche aus zufälligen Gründen meine persönliche 
schriftliche Danksagung nicht erreicht haben sollte, aufs neue bestens zu 
danken, gestatte ich mir die Bitte an alle oto-laryngologischen Kollegen zu 
richten, auch künftig unserer Bibliothek in Wohlwollen zu gedenken und 
derselben neue Arbeiten, Bücher, Monographien, Separatabdrücke gütigst 
überweisen zu wollen. 

Da unsere Bibliothek eine Anzahl von katalogisierten Dubletten besitzt, 
sind wir gern bereit, solche mit ähnlichen Bibliotheken zu tauschen, sowie 
wir gern, Reziprozität vorausgesetzt, Bücher, Separatabdrücke u. s. w. an 
andere Spezialbibliotheken ausleihen werden. Holger Mygind. 

Berichtigung. 

Bd. LXX, S. 52, Zeile 10 von unten lies „Stricknadel" statt „Steck- 
nadel". 

Ibidem, S. 1, Zeile 3 von unten lies „Hartmann" statt „Haltmann"» 
Ibidem, S. 138, Zeile 6 von unten lies „Valsalva" statt „Vasalva". 
Ibidem, S. 29, in der Überschrift „Persistenz'' statt „Persistens"*. 
Ibidem, S. 41, in der Überschrift „Persistenz" statt „Persistens". 



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