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FÜNFUNDZWANZIG BÄNDE
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DES
ARCHIVS FÜR SLÄYISCHE PHILOLOGIE.
^^ ARCHIV
FÜR
SLAVISCHE PHILOLOGIE,
UNTER MITWIRKUNG
VON
A. BRÜCKNER, J. GEBAUER, C. JIRECEK, A. LESKIEN,
BERLIN, PKAG, WIEX, LEIPZIG,
W. NEHRING, ST. NOVAKOVK?, A. ^\i:SSELOFSKY,
BRESLAU, BELGRAD, ST. PETERSBURG,
HERAUSGEGEBEN
V. J A G I C.
FÜNFüNDZWANZIGSTER BAND.
53C884
BERLIN, ~^f~JZs7
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1903.
I
I
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Inhalt.
Abhandlungen. Seite
Analecta romana, von V. Jagic 1
Die Uebersetzungskunst des Exarclieu Johannes, von A. Leskien . 48
Der Name bOlbog in der slavischen Mythologie, von W. Nehring . 66
Polonica, von A. Brückner 74
Die Legende von der Vision Ampliilog's und der /löyog laxoor/.og des
Gregorios Dekapolites, von E. Kaluzniacki . 101
Cyrillische Ligaturschrift, von W. St seh epk in 109
Ueber die Sprache und die Herkunft der sog. Kracovaner in Süd-
Ungarn, von Lj. Miletic 161
Zur Liquidametathese im Slavischen, von W. Vondräk 182
Dialektologische Miscellen aus Serbien, von Ljub. Stojanovic . . 212
Zur Geschichte der Nasalvocale im Polnischen, von Jan Karlowicz 219
Wie im Kleinrussischen die Palatalisation der Consonanten vor e und
i verloren ging, von AI. Schachmatov 222
Leon's des Weisen Weissagungen nach dem Evangelium und Psalter,
von M. Speranskij 239
Die Metrik Gundulic's, von M. Resetar 250
Die Bedeutung Gogol's in der russischen Literatur, von A. N. Pypin 290
Eni Beitrag zur Geschichte der südslavischen Wanderungen, von
L. Niederle 307
Villes et Cites du nioyen ;ige dans TEurope Occideutale et dans ia
Peninsule Balcanique, par Stojan Novakovic 321
Bedeutung des altböhmischen Imperfects, von J. Gebauer .... 341
Zu den slavischen Femininbildungen auf -*//(i, von J. Zubaty . . . 355
Die griechischen Artikelkonstruktionen in der altkirchenslavischen
Psalter- und Evangelienübersetzung, von Fr. Pastrnek . . . 366
Neues von der cechisch-polnischen Sprachgrenze, von G. Polivka . 392
Die Mundart der Gegend von Uherci beiLisko, vonl. Werchratskij 407
De quelques dep'acemenls d'accent dans les dialectes slaves, von
O.Meillet 425
Einige litterarische Bemerkungen zum «Ribanje« von Petar Hekto-
rovic, von Alfred Jensen 429
Ilias von Reussen und H'ja Muromec, von M. Chalanskij 440
Die typischen Zahlen in der russischen Volksepik, von T. Maretid. 452
Jovan Malesevac als Bücherschreiber und Büchercorrector, von II.
Ruvarac, mit Zusätzen von V. Jagic und Const. Jirecek . 463
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner, von C. Jirecek .... 501
IV Inhalt.
Seite
Ueber die rumänischen Knesen, von .1. Bog d an 522
Vita Cyrilli, von V.Lamanskij . 544
Zum Gebrauche der Verba perfectiva und iraperfectiva im Sloveni-
schen, von Stanislav Skrabec 554
Die Ursache des Schwundes des prädikativen Instrumentals im Slo-
venischen und Sorbischen, von K. Strekelj 564
Ein Stück Volksetymologie, von Oskar Asboth 569
Glück und Ende einer berühmten literarischen Mystification: Beaa
CjOBena, von I. Sismanov 580
Zur Literatur der »Fragen und Antworten«, von K. Radcenko . . 611
Miklosich und Safaiik, von AI. Kotschubinsky 621
Ein Nachtrag zum »ersten Cetinjer Kirchendruck vom J. 1494«, von
V. Jagic 628
Kritischer Anzeiger.
Karlowicz, Wörterbuch der poln. Mundarten, angez . von W. N e h r i n g 130
Simiö, Pluralis der ein- und zweisilbigen Masculina, angez. von M.
Resetar 135
Niederle, Slavische Alterthümer, angez. von V. Jagic 136
Boguslawski, Methode der Erforschung der slavischen Alterthümer,
angez. von L. Niederle 145
Maksimovid, Poetischer Hausschatz In serbischer Sprache, angez.
von Ivan Prijatelj 158
Stojanovic, Altserbische handschriftliche Zu- und Inschriften, angez.
von M. S peranskij 152
M. Zdziechowski, Wiedergeburt Kroatiens, angez. von V. Jagid . . 317
Heinrich Geizer. Der Patriarchat von Achrida, angez. von Jov.
Radonic 468
Porzezinskij, Zur Geschichte der Conjugationsformen in der balti-
schen Sprache, angez. von E. Bern eker 473
Askerc, Preseren's Dichtungen, angez. von Th. Kor seh 637
Kleine Mittheilungen.
Eine slavische Alexandergeschichte in Zara 1389, mitgetheilt von
C. Jircek 157
Chobot oder pobyt?, mitgeth. von Vladimir Bob rov 158
Einige Notizen über den russischen Dialekt Tobolsk's, mitgeth. von
V. Jagic 159
Zur Geschichte eines Wortes, mitgeth, von Jan Karlowicz . . . 160
Wilhelm Wollner f (Nekrolog), von A. Leskien 500
Jan von Karlowicz "i" (Nekrolog), von A. Brückner 653
Danksagung, von V. Jagic 655
Sach-, Namen- und Wortregister, von AI. Brückner 656
D.
'as Erscheinen des fünfundzwanzigsten Bandes des
„Archivs für slavische Philologie" giebt der unter-
zeichneten Verlagshandlung erwünschte Gelegenheit, Herrn
Professor Dr.V.Jagic in Wien, der dasArchiv begründet
und ununterbrochen geleitet hat, ihren tiefempfundenen
Dank für alle diesem Unternehmen zugewendete Mühe und
Sorgfalt auszusprechen. Sie schmückt den Jubelband mit
dem Bildnis des verehrten Jubilars und ist sicher, dass sie
damit den Lesern des Archivs eine Freude bereiten wird.
BERLIN, Januar 1903.
Weidiiiannsche Buchhandlung.
Aualecta romaiia.
I.
Eine füv andere Zwecke, die die slaviscbe Philologie nicht
uumittelbar angehen, unternommene Reise nach Italien, gab mir
in Rom, in der Vaticanischen Bibliothek, Gelegenheit, einige
freie Tage auch den dortigen Slavicis, die leider nicht durch
ihre Zahl imponiren, zu widmen. Nicht die beiden Keimelien
der Sammlung, das Assemanische Evangelium und die Ueber-
setzung der Chronik Manassis, durften meine Aufmerksamkeit in
Anspruch nehmen, dazu reichte die Zeit nicht aus — ich sah
sie allerdings, begnügte mich aber auch mit dem freudigen
Gefühl, sie in der Hand gehabt zu haben — vielmehr einigen
anderen Kleinigkeiten schenkte ich in der kurz bemessenen Zeit
meine Aufmerksamkeit. Dank sei es der liebenswürdigen Zuvor-
kommenheit des hoch würdigen Herrn Präfecten, P. Fr. Ehrle,
war ich in die Lage versetzt, einen flüchtigen Ueberblick über
die ganze alte Collection der Slavica zu gewinnen. Sie ist
von dem in der slavischen Philologie wohlbekannten Zeif-
genossen Dobrovsky's und Kopitars, dem Domherrn Bobrowski,
kurz beschrieben — seine Beschreibungen liegen noch jetzt
auf Zetteln den einzelnen Handschriften bei — und diese Be-
schreibung wurde von Angelo Mai im V. Bande seiner Scriptorum
veterum nova collectio, in der 2. Abtheilung, S. 101 — 111 unter der
Ueberschrift »Codices slavici« abgedruckt. A.Mai zählte nur 18
Handschriften auf, gegenwärtig sind 23 vorhanden. Wahrschein-
lich sind die Nummern 19 — 23 später hinzugetreten, davon ist
Archiv für slavische Philologie. XXV. 1
2 V. Jagic,
Nr, 19 ein glagol. Breviarium auf Pergament saec. XV, Nr. 21 ein
kroat. Gebetbncli. Dieses Gebetbuch massigen Umfangs dürfte
verschieden sein von jenem »alten kroat. Gebetbuch« (Stari hrvat-
ski molitvenjak), das schon im Jahre 1859 Dr. Fr. R(acki) in dem
)'Zagrebacki katolicki List« Nr. 46, S. 361 — 363 als einen Codex
membr. bibliothecae Barberinae Nr. 2396 beschrieb. Die Abschrift
und eventuelle Publication dieses für die Prosa Dalmatiens im
XV. Jahrh. nicht unwichtigen Codex war schon damals in Aussicht
gestellt, geschehen ist dennoch bis jetzt nichts. Für die Agramer
»Starine« würde sich diese Publication sehr gut eignen. Bei dieser
Gelegenheit sollte allerdings auch Nr. 21 der Vaticana berücksich-
tigt werden, falls das, wie ich vermuthe, zwei verschiedene Hand-
schriften sind.
Von den bei A. Mai summarisch aufgezählten und nach Bo-
browski's nicht immer richtigen Beschreibungen kurz charakteri-
sirteu Handschriften wurden einige von dem verstorbenen, äusserst
fleissigen Professor Krasnoselcov in seinem Buche »CB'iAiHia o
H^KOToptix^ JiHTyprHiiecKHX'B pyKoraieaxi. BaTiiKaHCKon öiio-iioxeKii«
(KasaHB 1885) etwas näher analysirt, und zwar auf S. 153 ff. die
unter Nr. 9 eingetragene und aufbewahrte liturgische Rolle, mit
cyrillischer Schrift in serbischer Redaction geschrieben. Mit Recht
erhebt Krasnoselcov gegen die Annahme Bobrowski's (wiederholt
bei A. Mai), dass dieser Text im XU. Jahrh. geschrieben sei, kräf-
tigen Widerspruch. Die Rolle ist gewiss näher dem XV. als dem
XII. Jahrh. Weiter behandelt Krasnoselcov die vaticanische Hand-
schrift Nr. 10, ein späteres cyrillisch-serbisches Horologium aus
dem XV. — XVI. Jahrh. (auf S. 157 — 161) und am ausführlichsten
die Handschrift Nr. 14, die ein auf Pergament geschriebenes Litur-
giariura russischer Redaction aus dem Ende des XIV. Jahrh. ent-
hält (bei A.Mai als Missale slavicum bezeichnet), auf S. 162 — 194,
mit einigen Textabdrücken. Derjenige lateinisch-slavische Codex,
der einst zu dieser Serie gerechnet wurde, in welchem sich die kroat.
Umarbeitung der Chronik des sogenannten Presbyter Diocleas be-
findet (herausgegeben bekanntlich zuerst von Kukuljevic, nachher
1874 von Crncic) wird wegen seiner lateinischen Bestandtheile
(Thomas Archidiaconus etc.) in der Serie der lateinischen Hand-
schriften verwahrt und führt die Nummer lat.7019, wie dies Crncic
auf S. XIV seiner Ausgabe richtig angibt. Betreffs der slavisch-
Aualecta romana. 3
bulgarischen Uebersetzimg' der Chronik des Manasscs erfuhr ich in
Rom, dass es vor einigen Jahren schon nahe daran war, dass dieser
illustrirte Codex, der eben wegen der Illustrationen grossen kunst-
geschichtlicheu Werth repräsentirt, auf Kosten Bulgariens heraus-
gegeben worden wäre. Wollen wir hoffen, dass jener Plan doch
einmal zur \yahrheit wird. Inzwischen erwarten wir aber die
kritische Ausgabe des Textes von Prof. Bogdan in Bukarest.
Die beiden »Codices ruthenici«, von denen Dobrovsky nach
Assemani in den Institutioues p. XII — XIII spricht und sie mit
Recht nach M. Sovic für südslavisch erklärt, sind in der Vaticani-
schen Sammlung unter Nr. 4 und 5 eingetragen, das erstere ist ein
hübsch geschriebenes Evangeliarium serbischer Redaction auf Per-
gament, das zweite ein Tetraevangelium, geschrieben auf Bomby-
cin. Fr.C. Alter hatte schon im I. (im J. 1787 in Wien erschienenen)
Band des Novum Testamentum ad cod. vindob. graece expressum,
auf S. 1008 — 1011 aus einem von diesen zwei Codices, wahrschein-
lich aus dem Evangeliarium, Textproben (aus Luc. XXIV. 12 — 35)
durch die Vermitteluug des Grafen Wrbua erhalten und mitgetheilt.
Diese Proben verwerthete später Dobrovsky in seinen Institutioues.
Auch Nr. 6 und 7 sind Evangelientexte.
Die unter Xr. S aufbewahrte Handschrift der Vaticanischen
Sammlung ist mit besonderer Schrift, die wir kurz als tachy-
graphisch bezeichnen könnten, geschrieben; schon Karaman er-
wähnte sie in seinen Considerazioni (Cap. 138' und daraus schöpfte
Dobrovsky in den Institutioues p. XIII — XIV seine Mittheilung.
Etwas eingehender wurde nachher der Charakter der Schrift von
Dr. Fr. Racki in Rad Band II, S. 36 — 38 besprochen. Vor zehn
Jahren lieferte ein italienischer Gelehrter (De X^unzio) einen wei-
teren Beitrag über diesen Psalter im russ. Journal des Ministeriums
der Aufklärung Jahrg. 1S92, Xr. 11, B. CCLXXXIV, S. 141—147.
Alles das genügt aber noch nicht zur vollen Würdigung dieser
immerhin sehr merkwürdigen Erscheinung.
Unter Xr. 1 1 ist ein auf Pergament geschriebenes glagolitisches
Folioblatt zu verstehen, das ich gern näher studirt hätte, wenn es
mir möglich gewesen wäre. Es enthält allerlei Gebete und Exor-
cismen, die möglicherweise mit dem kroatischen Volksleben in
irgend welchem Zusammenhange stehen, denn das Schriftstück ist
kroatischer Provenienz. Schon Dobrovsky sprach die Vermuthung
1*
4 V. Jagic,
aus, dass das Blatt als Amulet diente. Nr. 12 ist bei A. Mai gut
beschrieben, Nr. 13 und 15 enthalten unwichtige Psalmentexte.
Nr. 16, 17 u.lS bieten drei Handschriften der ragusäischen Dichter
Gundulic und Palmotic, die bei den Ausgaben der betreffenden
Werke (Osnian und Christias) bisher noch nicht verwerthet wurden.
Es ist aber das Verdienst des Herrn Alfred Jensen in seinem dem
Gundulic gewidmeten Werke, S. 217— 21 S, auf alle drei Hand-
schriften zuerst hingewiesen zu haben.
II.
Es traf sich glücklich, dass als ich nach Rom kam, schon die
siavischen Handschriften der Propaganda in die Vaticanische
Bibliothek transportirt waren. Ich erwähne des Umstandes darum,
weil jetzt, durch diese Vereinigung an einem Orte, die Benutzung
der römischen Slavica wesentlich erleichtert wird. Bekanntlich
gab schon im Jahre 1857 der unvergessliche Ivan Kukuljevic im
IV. Bande seines j)Arkiv za povjestnicu jugoslavensku« S.369 — 377
eine kurze Beschreibung der hauptsächlichsten siavischen ''glago-
litischen und cyrillischen) Handschriften der Propaganda-Biblio-
thek. Später hatten die beiden Domherren des illyrischen Colle-
giums, Crncic und Parcic, Gelegenheit, fleissig die glagolitischen
Codices der Propaganda zu studiren. Die Sammlung ging also
durch mehrere Hände. Und doch, als mir der Herr Präfect von,der
vollzogenen Uebertragung Mittheilung machte und mich freund-
lichst zu dem Schranke führte, wo die Handschriften vorläufig auf-
bewahrt werden, durchzuckte mich der Gedanke, wie schön es
wäre, wenn ich unter den Schätzen der Propaganda jenen vielge-
nannten und lebhaft vermissten Psalter des Nicolaus von Arbe aus
dem J. 1222 auf einmal erblicken könnte. Doch nein, das war ein
eitler Hoffnungsstrahl, die Entdeckung blieb aus, und als ich mit
dem flüchtigen Ueberblick über den in die Vaticana gebrachten
siavischen Schatz der Propaganda zu Ende war, konnte ich mich
nicht einer Enttäuschung erwehren, es war mir doch auffallend,
dass in Rom gerade in dem Institut, wo zu wiederholten Malen die
glagolitische Bücherrevision vorgenommen wurde, so geringe Spu-
ren dieser Thätigkeit, gleichsam als Erinnerung an dieselbe, übrig
blieben. Das spricht weder für die hohe Intelligenz der dabei be-
theiligt Gewesenen, noch für ein sehr warmes Interesse für die
Analecta romana. 5
Sache seitens der officiellen Kreise. Selbst die Erwartimf^, dass
ieli wenigstens irgend welche älteren Bruchstücke, gleichsam Ab-
talle jeuer geistigen Arbeit früherer Jahrhunderte, auffinden könnte,
erwies sich als unbegründet. In dieser Beziehung ist das orthodoxe
St. Petersburg viel reicher mit den kleinen Ueberresten der gla-
golitischen, nach katholischem Ritus in slavischer Sprache nieder-
geschriebenen Literatur — aus dem Nachlass Bercic's — ausgestattet
als das katholische l\om ! Bei der kurz bemessenen Zeit, die ich
erst nach der Vollendung meiner Hauptaufgabe den Slavicis zu-
wenden konnte, beschränkte ich mich auf zwei — drei Handschrif-
ten der Propaganda, die ich etwas näher ihrem Inhalte nach prüfte.
1. Kukuljevic erwähnt unter Nr. 1 seines Berichtes ein gla-
golitisches Missale, das er in das XIII. oder den Anfang des XIV.
Jahrh. versetzt. Die Zeitbestimmung ist richtig, und wenn auf dem
Kücken des Einbandes das J. 1387 steht (mit der Signatur L. VII. 4),
so ist diese Angabe falsch, gemacht nach einer allerdings in dem
Codex befindlichen Verordnung vom J. 1387, die jedoch erst später
in den Codex hineingeschrieben worden war. Ich schrieb mir diese
Verordnung ab, ohne mich zu erinnern, dass sie schon 1867 von
ür. Crncie in dem Werke »Xajstarija poviest krckoj, osorskoj, rab-
skqi, seujskoj i krbavskoj biskupiji« (u Rimu 1867) auf S. 123
publicirt worden war. Erst in Wien konnte ich die Thatsache con-
statiren. Der Text ist bei Crncie sonst genau abgedruckt — auf
ihn*kann man sich ja in der Regel verlassen, trotzdem er in der
stilistischen Form seiner antiquarischen Publicationen ein Sonder-
ling war — nur im Capitel 5 steht in der Handschrift nicht so, wie
Crncie schreibt: »l ki bi toga vsega nedrzal i zapovedi gospodina
Fra Mateja i toga ne platih-, sondern es muss gelesen werden (ich
transscribire cyrillisch): H kh kh rora Bcera h« ApH;aA h 3anß;i,H
PAHa KCKna h Hera KHKapa r,\,Ha (I»pa AVaTtlv h ^,c>rA iit naa-
THAK. Crncie hatte also aus Versehen die Worte, die zwischen
dem zweimaligen r;i,Ha" standen, ausgelassen. Aus derselben Hand-
schrift theilte ferner Dr. Örucic ib. S. 129 — 131 eine andere aus
acht Capiteln bestehende Verordnung mit, die aus dem J. «sa^a^
(1457) stammt. Xach dem letzten Capitel, das ich gleichfalls in
Abschrift besitze, zu urtheilen, ist die Mittheiluug Crncic's ganz
genau. Ferner gibt er auf S. 132 — 133 seiner )^ Poviest« auch noch
die auf dem letzten Blatte des Codex befindlichen späteren Ein-
6 Y. Jagic,
trag-iingen, aus den Jahren 1471, 1475, 1480 (übrigens uotirte ich
mir statt 1480 das J. 1488, d. h. w.».3.ä), die alle für die locale
Geschichte von Bedeutung sind. Kukuljevic irrte, als er im Arkiv
IV, 370 noch eine in das J. 1387 fallende Eintragung diesem Codex
zuschrieb. Den Fehler bemerkte schon Dr. Crncic, in der Schrift
»Dvie razprave« (U Trstu 18ö8) S. 16, aber seine Berichtigung wird
kaum Jemand verstehen: );Ovako je u onom dielu breviara, a ne
kako je u Arkivu, u IV na 370 s.« Crncic wollte sagen, diese von
ihm a. a. 0. noch etwas ausführlicher und genauer, als bei Ku-
kuljevic, mitgetheilte Notiz stehe nicht in dem glagolitischen
Missal, das Kukuljevic sub 1 citirte, sondern in einem glagolitischen
Breviar, von welchem gleich die Rede sein wird.
Dieses Missale ist meines Erachtens das älteste Stück unter
allen Glagoliticis, die ich in dem Nachlasse der Propaganda sah.
Nach dem schönen, blassgelblicheu, nicht zusammengedrängten,
sondern breiter gehaltenen Ductus der glagolitischen Buchstaben
würde ich, in Uebereinstimmung mit Kukuljevic, kein Bedenken
tragen, den Codex in den Anfang des XIV. Jahrh. zu versetzen.
Sein Text beginnt in üblicher Weise mit Advent, geht dann auf
Weihnachten, Fastenzeit, Ostern und Pfingsten über, schliesst mit
dem Kalender, nach welchem das Officium missae folgt, und zuletzt
das Proprium. Im Kalender fand ich unter 14. Februar roth ge-
schrieben ^a&b3<3)H' und schwarz dazu s M3TO»<as3. Unter dem
28. September schwarz : 'i?3W3a<a)+'ü'+ -s^y. Der ganze Codex umfasst,
wenn richtig gezählt wurde, 227 Blatt. Auf dem Blatte, das jenen
bei Örncic abgedruckten Verordnungen vorausgeht, fand ich fol-
gende Eintragung einer Schenkung des Fürsten Ivan Frankapan
vom Jahre 1470 (ich transscribire den Text mit cyrillischen
Buchstaben) :
A\h kh^' hbh' (I)paHKi\naH^ kp^kh, yo;v,poYUJKH h npHaU,
J^AUO BHA'STH BC'fey"' H KCKOlUIOVj' K^\'K KO^A^ nCTpHKHO KH-
AliTH TO UMUf O^AO^HfH"«, KO O^^OV^"'^'^'''* '^'* nOKOA'UJaH'f
Harne h Hamtra cTaH^k, j!i,i\ OAAOV'MUcyo h o^AO^Morfiuio ^\,a
HC ßc1i\-' KaiuTfAHY' Haiuera OTOKa j\,c\ et cao\fJKH (ji,HA M'ca
{ein Wort unleserlich: ß opt) bckh a"' m^* caaBoy kjkho\'. h b
HM« n CAOYJKKH .A,'^'^'^'^ " A^*"^*^ HaujHiui' Kanf/\aHOiui' B Omh-
lUAH, KH CO\i' H KH BOyA^^V) "^»"IpBO 3fM,\t BCt TO Ma ( HaiU«
Analecta romana. 7
iiOA FpaA'iC iipt,v, OuHiuAn.r. ,v,a coy iio.v KaiiTC>.\~ k(i<)iij{
pfMSHM KlvK'BliHHHI.r HÜKOHOM, H K TOMOV' HM' MpH.VaCf.10
HaUIH\'k OKan' b- TP KC^' T-
9» -P KTcl^^^) HOKfMKpa.
2. In der Bibliothek der Propaganda ])efand sieh auch ein
zweibändiges glagolitisches Breviarium vom J. 1379. Die erste
Hälfte führt auf dem Rücken des Eiubandes den Titel: Breviarium
illyricum tom. I. a. 1379 mit der Signatur L. VlI. 5. Der ganze
Band umfasst, wenn die Blattzählung richtig ist, 24S Bl. Die zweite
Hälfte ist mit demselben Titel auf dem Rücken des Einbandes ver-
sehen, nur heisst es hier tom. II, und die Signatur: L. VII. 6, Das
letzte Blatt dieses Bandes trägt die Zahl 217. Dr. d'rncic theilte
aus diesem Breviarium einige Eintragungen geschichtlichen Inhalts
in seiner Abhandlung »Dvie razprave« S. 16 — 18 mit. Die bei ihm
ebenso wie bei Kukuljevic IV. 370, nur bei diesem falsch auf das
früher erwähnte Missal bezogen) mitgetheilte Notiz vom J. 13S7
liest man auf Bl. 217 des nach der auf dem Einband kenntlich ge-
machten Bezeichnung zweiten Bandes. Crncic druckte auf S. 17
der besagten Abhandlung noch einige Eintragungen aus diesem
zweiten und einige andere aus dem ersten Bande ab. Er kommt
ferner auf dasselbe Breviarium nochmals im 14. Bde. der »Starine«
S. 210 — 220 zurück. Es wäre überflüssig das zu wiederholen, was
schon Crncic über die beiden Bände dieses Breviariums vor-
brachte. Ich ziehe vor zu bemerken, dass bisher leider Niemand
dazu kam, die in solchen Werken enthaltenen Uebersetzungen der
Homilien aus verschiedenen griech. und lat. Kirchenvätern, aus
Ambrosius, Augustinus, Epiphanius, Gregorius, Hieronymus, Joan-
nes Chrysostomus, Leo u. a. einer philologischen Untersuchung zu
unterziehen. Es könnten sich ja aus einer solchen grammatisch-
lexicalischen und kritischen Prüfung der Texte nicht unwichtige
Schlüsse für die Bestimmung der Zeit und des Ortes der Ueber-
setzung ergeben. Gewiss sind die Uebersetzungen zu verschiedenen
Zeiten und mit ungleicher Sprachkenntniss gemacht. Vielleicht
wird sich auch über die Frage, wo sie zuerst zu Stande kamen,
einiges sagen lassen. Bei meiner flüchtigen Leetüre, die sich auf
einige Stunden beschränkte, fand ich sehr häufig solche Ausdrücke
wie pIvCHlv und a'Skh, z. B. in einem »C.tobo EnH^aime« liest man:
8 V. Jagic,
CHt mÄh. amXCKH 'k3HKk üSK-KCTH a OHtlUlb SB-RSA'^ A1vKH 'kSKK
NKCKK. H TOe ailAH MlUlh, AtKH ^pO\'ra HKCKa ßSK'kCTHlUE
cÄko\' KH^hic. In einer Homilie Leo's (aus der Fastenzeit): hko
a1vKH oßHf Ha saKOAfHHE li H^pTBoy be;i,chi^ fCTL Ha HC K-kme
oKHf, H A'kKH arnaL^k Kes raaca. Oder man vergl. noch diese
Stelle aus einer anderen Homilie desselben Leo: h he \c>T'k o\,-kc>
K MTpHHH\'k T'kcHOTa\*K cKoero OKHTaHH'k TaHTH npBOpo;i,Hlv
Ha HHfr^\,o\' OT Bck^k \*OT'k no3HaTH ce.
Bekanntlich stellte der um den Glagolismus in Dalmatien ver-
dienstvolle und noch immer unersetzte Bercic seine »Ulomci svetoga
pisma« (5 Hefte, Prag- 1864 — 1871) aus den den glagolitischen
Breviarien und Missalen entnommenen Texten zusammen. Die
Handschriften oder Drucke, aus welchen er schöpfte, sind am Ende
eines jeden Heftes genau angegeben. Man sieht daraus, dass er
keinen einzigen glagolitischen Codex Roms, ebenso keinen ein-
zigen aus der damals noch im Privatbesitz Kukuljevic's befind-
lichen, jetzt Agramer akademischen Bibliothek zu Rathe ziehen
konnte. Nun mag es sein, dass ihm die prächtigen Vrbniker Bre-
viarien, oder das Pasmaner und das Wiener (von Vid aus Omisalj,
im J. 139G geschriebene) Breviarium dem Umfang nach dasselbe
Material lieferten, das ihm auch die römischen Codices geboten
hätten. Allein wir wissen es, dass die einzelnen Handschriften,
was die Güte und Correctheit der in ihnen enthaltenen Texte an-
belangt, stark von einander abweichen. In einigen von ihnen blieb
der biblische Text fast ganz unverändert oder nur sehr wenig ge-
ändert gegenüber der ältesten nachweisbaren, aus dem griechischen
Original geflossenen altkirchenslavischen Uebersetzung, während
bei anderen die corrigirende Hand eines in die latein. Texte hinein-
blickenden Lesers auf Schritt und Tritt bemerkbar ist. Ich habe
das im IL Heft der »Primeri« (Agram 1866, S. 67 — 70) an einem
Bruchstück des Textes aus dem Propheten Joel klargelegt. Es
wäre daher jetzt eine sehr verdienstvolle Aufgabe, den weiteren
Schritt zu thiin (nach 36 Jahren!) und das Werk Bercic's durch die
Collation des bei ihm abgedruckten Textes mit anderen glagoliti-
schen Handschriften, die ihm nicht zu Gebote standen, zu berich-
tigen, eventuell zu ergänzen. Diese Aufgabe wäre leicht für Jeder-
mann, der Gelegenheit bat, zu derartigen Handschriften zu ge-
langen. Ich bedauere sehr, nicht selbst mit gutem Beispiele voran-
Aualecta roinana. ^ 9
j;eheu zu küimeu. Ich will üur erwähnen, dass auch in diesem
Breviarium der Propag:auda, in seinem ersten Theil, der das Pro-
])rium de tempore enthält, in der ersten und zw^eiten Woche nach
Ustern g-rosse Stücke des Textes aus der Apokalypse, nach
Ptingsten, wo die Sonntage zu Ende sind, sehr viel aus dem Buche
Job (auf Bl. 1S6— 201), dann aus Tobias (auf Bl. 202 bis 207), aus
Judith 'auf Bl. 207'' bis 215) und aus Esther (auf B1.215'' bis 219=')
zu tinden ist. Darauf folgen die Maccabäer und auf B1.232'' bis 241
Daniel und andere Propheten. Ich bin überzeugt, dass eine Ver-
gleichuug dieser Texte mit dem bei Bercic abgedruckten keine
nutzlose Arbeit wäre. Hat ja schon Crncic in Starine XIV, S. 212
bis 2 1 3 an einem Stück aus Isaias gezeigt, wie stark der Text des
Breviariums in Rom vom J. 1379 von dem des Wiener Breviariums
vom J. 1396 abweicht.
III.
AVer sich für das glagolitische Schriftthum interessirt, bei dem
liegt der Wunsch nahe zu erfahren, inwiefern die Ueberlieferungen
und Erinnerungen an die beiden Begründer der slavischen Kirchen-
sprache, die ja zugleich lange Zeit für viele Slaven Literatursprache
war, in solchen Denkmälern fortleben. So wurde auch bezüglich
des erwähnten zweibändigen Breviariums der Propaganda die Frage
aufgeworfen, ob darin die Commemoratio Cyrill's und Method's im
Kalender und ob ein besonderes Officium für diese Apostel vor-
komme. Schon Karaman in seinen «Considerazioni«, wo er
Nr. XXXVI die beiden Bände dieses Breviars beschreibt, unterliess
es nicht zu erwähnen, dass unter dem 14. Febr. »sono uniti li tre
santi Cirilo e Metodio e Valentino« und dass ein aus Hymnen und
Lectionen bestehendes Officium darin vorkomme. Später haben
Mesic in »Tisucnica« (Agram 1863) und Bercic in »Dvie sluzbe«
Agram 1870) diese Frage auf Grund der glagolitischen Codices
behandelt und zuletzt Crncic in «Starine« Band XIV, S. 214 flf.
geradezu das Propaganda-Breviarium herangezogen. Er sagt rich-
tig, dass in dem ersten Bande des Breviars im Kalender unter dem
14. Februar zu lesen sei: KaAfHTHHa mm. Hoi'pHAa h A\tToy,v,He
(alle drei schwarz eingetragen). Er hat ausserdem aus dem Officium
Cyrilli et Methodii, das im zweiten Band und zwar ganz am Ende
desselben (auf Bl. 213 ff.) steht, zu dem von Mesic in »Tisucnica«
1 0 V. Jagid,
S. 77 ff. aus einem anderen Codex gedruckten Text alle Varianten
angemerkt und sie a. a. 0. in Starine (S. 214 — 215) publicirt.
Nachdem aber der Verehrung des Andenkens der beiden
Slavenapostel in dieser Weise Genüge geschehen, muss man einen
Schritt weiter thun und fragen, ob nicht in diesen Büchern auch
anderer heiliger Männer, die mit der slavischen Geschichte in Zu-
sammenhang sind, Erwähnung geschehe. Ich habe vor kurzem in
dem in Erscheinung begriffenen Bande des Warschauer PyccKÜt
<I'HJiojior. B'licTHHKi) auf den heil. Wen ces laus von neuem die Auf-
merksamkeit gelenkt und durch die Herausgabe eines vollständigen
Textes, nach der Laibacher glagol. Handschrift, gezeigt, dass jetzt
diese glagolitische Legende, verglichen mit der schon früher be-
kannt gewesenen cyrillischen, für die ganze Auffassung von
der Entstehung der slavischen Liturgie in Böhmen und
für die Lösung der Frage von der Priorität der glago-
litischen Schrift von hervorragendster, ja geradezu
Ausschlag gebender Bedeutung sei. In der That ich wüsste
nicht, welche weiteren Beweise man noch verlangen sollte, um an
der Ueberzeugung festzuhalten, dass in Böhmen, -an dem Fürsteu-
hofe, die slavische Liturgie als eine überkommene Erbschaft durch
Ludmila aufrechterhalten und auch dem Enkel Wenceslaus die
Hochschätzung derselben überantwortet wurde und dass die bald
nach seinem Tode in Böhmen selbst in altkirchenslavischer Sprache
abgefasste Erzählung vom Martyrium Wenceslai mit glagolitischer
Schrift geschrieben war. Bei der Herausgabe des Laibacher Textes
sagte ich, dass hoffentlich bald auch weitere glagolitische Zeugen
für diese Legende an den Tag kommen werden. Früher als ich es
hoffen durfte, ist diese Erwartung in Erfüllung gegangen, und zwar
durch das in Rede stehende Breviarium der Propaganda. Gegen-
über dem Schweigen Crncic's, der uns zuerst nähere Daten über
die beiden Bände des Breviars lieferte, kann ich constatiren, dass
1) schon im Kalender (der im ersten Band auf Bl. 241 ff. zu finden
ist) unter dem 28. September und zwar roth geschrieben folgende
Notiz steht: BeipfC/xaKa Kp7\a MtiuKora mh. h o^hli,hh 3a
(HlXrßopij,« H 3a KpaTHM» Aiui; und 2) dass im zweiten Bande
desselben Breviars, das auf den ersten 40 BI. den Psalter enthält
und auf Bl. 40^' mit dem Commune sanctorum, und auf Bl. 77 mit
dem Proprium sanctorum (mit dem heil. Saturninus) beginnt, auf
Analecta romana. 1 1
131. ISl flf. dieselbe Weuzellegende. die ich vor kurzem aus dem
Laibacher Codex abdruckte, im vollen Umfange sich wiederholt.
Merkwürdig, Crncic faud es der jMühe wcrtli, in demselben Bande
des Breviars, aus der kurzen Biographie des heil. Hieronymus (auf
Bl. 185), die in Dalmatien lauge Zeit verbreitet gewesene Fabel
herauszuheben, wonach dieser grosse Kirchenlehrer »ujkoah
rpHCKOH H iXaTMH'cKOH H cakuhckom luiOHCTapk K'S«, aber für
den heil. Weuceslaus zeigte er keine Vorliebe, er überging ihn mit
Stillschweigen. Ich will dieses Versäumniss nachholen und da der
Römische Text der Wenzellegende hie und da von dem Laibacher
abweicht, soll hier der erstere vollinhaltlich zum Abdruck kommen.
Aus dem Laibacher füge ich die Varianten hinzu. Die Abbrevia-
turen löse ich auf, R. und L. sind Signaturen der beiden Codices.
Ha Ati^)""^ cßfTarc» REipEC/xaKa yo\-MfHHKa.
opan(H'R). IloMHaoyH, npocHMi*, rocno^ii paKu tbo^
iipKßfTaro CaiJEcaaBa MC>\"HfHHKa Tßoero OYTejKaHH-k caa^Ha.
^a ero MnaocTHßHOH yoAHTßawH er ßctYh, 3t\Ah sai^jHTHAH
cj ßH\'OMii ßcar^a h npoTUßncTßii. T-Ry^K^c (R).
Im Laibacher Codex ist die Einbegleitung der Legende aus-
fuhrlicher :
TaiKA* RfHfpk HaßCHEpHE GEipccaaßa iuio\-4eHHKa.
K ßffjA H)hH aH(TH$OH)h.. GßfTH tin|ieC/\aßK MO\,'MrHHKK
kc»;kh n(it,\ßJirH b' GoAtcaaßAh rpa^'k c'ßpujH ruioxfßOY cßoio.
h" lies: ha) HfßecKa n('bca)pcTßHli caabhIj bshth '»\T(7Ki ko-
rc>Mk L|jEAp£i|jHMK. nA'k(Aoyna).
Op(a)i^(H'b). IloMHAOv'H HACK, npocHMk, rocno,ii,H, paKH H
pAKHH« TßOf, nptcßfTaro IiEL|j{CAAßa MO\,'HeHHKa Tßcerc», 4,^*
«ro uhaocthbhmh rJOAiiTBaniH ot ßc1i\'k ßc('k)rAa iipoTH-
BAH CTßH SaqJHTHAH C« KH\-OrUlK.
GeKTfEpa SÄ- ^ank. K wtp'hh HMkHa.
HaCTaHk ,V,(^*)N*^ "PHA* AK^AfMI»^ ß'KpHHyk, KH MO\%V,fC'^
CBSTArO Iia|l(CAAßA nOBliA**K»Tk, frOIK« Kpark AKM KAfHk HßfAA
CßpklUH MOV'MfHHKA. GߣTH IicL(J£CAaßk, LIHAH X(pHCT 0\' ÜOV'-
HfHHKk, trOJKf RpaTk, HACTABH HfßlJpHHYk nOCAOyUJAßk, Ht-
HABHAHMk K'k.
Ga CßeTH KAA^EHk ß /KHBOTlv, Ol|l( RAAH^m'RH ß' CfMpTH.
ß'kHai^k MacraHk noAO^KCHk i Hk (lies: ha) taabIv ero, 'kKO
1 2 ^^- Jagic,
Oh'k lica Kcroy CAaiuia, iiAHa nknn k h iHHi\ocTiiKHa, h t'Rmh
cAaKHT' cf rocno,\,k, km orAamatT' et 'i'pHiuiH hmehh a e,a,(h)hk
Kork. HoHUk.
lica c/ioy^KKa ko\-ah <^t f,!,"'^'''? ii/io\'HfHHKa. a ce mth.
Alles das geht im Laibaeher Codex der Legende voraus, erst
jetzt beginnt der Text, den ich nach R. mittheile, mit Variauten
aus L.
HTe(HHf]. Oe HHHf KHCTk (c'kHCT' C£ L.) npopOMCKOf CAOKO
rA{( H (ko L.) caMk rocno,A,k wamk llc(c»YCk) X(pncTCtck) pfse-
KOYA^Tis' (ko pfHf add. L.) k' n<>CA'R,\n^ A"" ^'^* Mnnyk hhhj
coXj'HJf (ko^ao^lii« L.). BcTaHfTk KpaTk na Kpa'ra, CKink ha
0(Tk)U,a H KpaSH MAOKUKO\f A^^I^'^M^" f^"^- MAOKlil|,H KO CfKlv
KOY^i\,OYTk HJMMAH (K.C.H.L.) H ß'SA^^CTk HMk POCnOAl»^ (KOPk L. 1
HO A'SAOlUlk H\'k. llHCTk 'A{i KHf3k ß' 4fCli\'k, HIUIEHEMk BpA-
THCAAEk. JKfua iKf fpo HMenfMk (nApHnaeya L.) ^paroniinpa.
P0A»BIUH (H pOH^A'UiA L.) CklHk CKOH npkB'kH(k)u,k KpCTHCTa
(im Text: KpcTMCTacra) h, HaA'ScTa :ki (h HapUcra L.) niiiif
tM<>\ BtHJECAAKk. KSpaCT'mOY Hie (MOy liKO KHCTk noAcrpHijjH
H 'kKO lipaTHCAABk (H FlpHSKa Iip. L.) OTkU,k fPO Ha HOTCTpH-
;k£hh« fro npHsea (fehlt hier in L.) KAaiKtHaro KHCKO\fna, hm«-
HeiUlk HoTapa, C'' CKOHIUlk gMO^ KAtpHKOIlUk (KAHpOlUlk L.).
HTf(HHf)i). ßcHlißuiHiui JK£ HMk MHcor iyaujo\* L.), ßsaiuik
KHCKO\fnk oTpoM« (OTpOKa L.) HocTaßH H (h h. ra L.) Ha kphah
CTtnfH'HOMk (ha KpHAli CTf Hf H'H'ReyK L.) HpfA' OATApflblk, H
KAarOCAOBH pfKH- TOCHOAH KOJKt IlcOl' XpHCTC (P. H. \'. L.)
KAATOCAOßH OTpOKA CfPO, 'RKOHiE KAArOCAOBHAk fCH npaß(f)AHHe
TßOe. GhH,E JK« C KAarOCAOßeHHJIUlk KHCTk nOACTpH>KfHk. (L.
beginnt hier eine neue Lection: mtchh«). t'Kmjkc luiHHiuik 'Sko
KAAPOCAOßfHHeyk KHCKO\fnA TOPO HpAB(t)AHarO H imOAHTßAMH
fro HaHfTk (nane L.) orpoKk pacTH h kaatoaI^thio koh^hck»
\'pA(HH)Llk HAßHME (K. K. \. H, JKE L.) KHHff CA(o)ß('R)HCKHe H
AATHHCKHE A'^^pO.
HTe(HHe) 1). 0\fiupßuJ0if iKf o(Tk)i;ov' ero noHTOßamf (fehlt
in L.) H HtcH, HocTaßHUie h KHf3a ctro Eapfcaaßa (nocT. h.
1) In L. hier keine Angabe einer neuen Lection.
Analect.a romana. 13
K. c. U. L.). CKiHa tro. KoAfCAaß :Kf kp^t" ero no,\, hhük pa-
cTlvauif. G-tvYOTa iKt oi|if OKa MiXa^-i. Wa um» tro ,\parc-
r.iHpa oyTBp,\,H stMAK» M aK>,v,n cTpoi«. ,v,*5"A'l^^* ßspacTs
liniKcaaRK (,vc»H;\,1vmf ii K3pacTK FiciiiccaaKK hahi car.ik cxpo-
IITH i\IO,V,H CKOf L. .
MT«(HHf)i). Kaar o,\,1vTHW h;« Bon^iKio k hcthhoIj* (letztes
Wort fehlt in L.) Ii(i|iKaaßK KHf3k h« t'kmo kuhth HaRHMC
,\C>KpC> ,V0Kp1v L.), Ha H K'kpOlO CKpilIfHk Klv. FlCkü IKe HH-
i|inMk A'^'^'^P'* TKopauie, naruf o^vlvKaiiH, aaMC»v'i|jff nuraui«
'nHT'k-Ruje L.), CTpan'HHe npiin.iauie no fKaHt^facKOMov; raacov.
B\V,CKMH IK( Hf A'VV'l^li'f 03aOKHTH (0KH,\,1vTH L.), AM>,\,M KCf
oYKonie (L. add. h Korariif) MMaoRauie. Iioroy caov'>Ka|iMriik
paKOTaiue (k. paKOTawiiJUHk caoyjKaujf L.), ii^pKRan >Kf h
KC-KMk caov:K«i|iMiiik R HH\-k A'^'^^pa TRopame (L. ausfülnlicber.
HpKRH MHoriif saaroMk Kpaiuauie. G'kpoi,'e ovko Roror R'ckMk
cpk^V*»H*'^'i^ CROHMk Rca Raaraiv TRcpame IviKt KoaHJK,A,o mc-
'A{MUi R ;KHROT'k CROfMk).
HTf(nnt)-)- PasVpAivme fPa3Yp,v,'kR'mf L.) >ke Mech
(MflirU,H UOVJKH), HU'A^l (h L.) ,\, ''^K'^OV' RAUSUIOV' (RaC»;K'llJOl' L.)
R cpk,v,kii,a ii\'k (L. add. IvKoiKe h ,\,p'kRa« r'^ cpii,« H»o,\n nplv-
,vaTfaa rocno^yivHa). licxaRuie 'wcTMUi L.) 'a^( Ha rc>cnc>,v,a
cROtro (L. add. Iifi|ifcaaRa), "kKCH^e Hio,v'kH na XpHcra (L. add.
rc*cnc»,v,a). ÜHcaHO ro fCTk 'kKO RckKk Rcrani (ßcraRH L.) na
rctcno,va cROfro hw.v.'kcük HJO,A,'k L.) nc»,A,OR'Hk fCTk. II p'kiiif
HaroRopHtiJf L.) K liOAfcaaRC^y ;lictafcaaRa L., add. pfRC>\,'qif}
\-oi|je (yoiiHTk L.) t( RpaTk crapIvH (Baji^caaRk L.) oyKHTH.
C'Rfl|iaRk C MaTfpHW H C .VPOV'SHMH (Ck rilOV'IKH CROHIllll L.^
Tu ncH saan h IieiiJfcaaRa RlvYoy (L. add. np'kJK,\,e) HaorcTHan
narepk (L. add. crok») HsYnaTH Rf3 rhhh (r. r. HsarnarH L.).
Ga IK« (Ha Rfi|ifcaaRk L. pa3cv'ü'k (-Rk L.) CTpa\'k roikh
CBOlv (ov'RO'k L. ci caoRccc raaroawuja-
MTe(HHl)3) MTH 0(TkU^a TROfTO H MaTfpk TROW, H
R3aiC>RH (R'3aK>RHUIH L.) HCRpHHaro TRC>frC> (CROfrO L.) kKO
(i;aKCt L.) caMk ctRs. Xox'k (\'ot£ L.) ;Kf HcnannTH RckKOv;
1) In L. hier keine Angabe einer neuen Lection.
-) Hier beginnt auch in L. eine neue Lection.
•^ Keine neue Lection in L.
14 V. Jagic,
npaKA^V (^- ^^^^- KOiKHK«), KSßpaTH maTfpk cßow r ITpark
om. L.), ßfALiH (h ß. L.) Kai ce h raaroae (c' iiaaHEMk roßopam«
L.)- rociic»,\H (L. add. kotki) he nocraßH mh'K (L. add. ctrc) sa
rp'R\'k. H noLi(n)Haj caoßo ^aßH,\,a npopcna raaroaame (ro-
ßopaujf L.)- rp-Ryk k«hocth üo« h nfß(1i).\t:HHlv ucjrc» (L. add.
ncMEHH) rociiC';k,H. nae jk« et MTliaiuf Marcpk cbok>. Ona ;Kf
pa4,c>ßaujf ce o ß'kp'fe (L. add. ero) h Kaaro^liTH (o. ka. L.) «ro,
wjKf Tßopaiiif. Hf t'kiho go HnqjE, Ha H npoMte rjiHaoßauif.
npo.vaßaHH'k HCKOvnoßauif, u^pußan h;« ß' ßaacTH cßoni ßfauH
,A,OKpo ©Y^'^'P^M (L. etwas anderes : hhijjhm" h CTpan'HHMk h npo-
HHük LiHorHUik, 1vKo;k6 cnp'k^i.k p-kyoük ^Oßpo Tßopauif. na
H npo^aHHf Hc'KO\j'noßaiiJf, u,pKßH jßf k'S oi'cxpcHak ß' ßctyk
rpa;i,'fe:Y'* S'kao A*?Epli), Htp-fec ß hh^i* o^nP**^" "^* caovjkkov;
ßoror ß HH\-k TBOpa\-c«v' a('*)h'* " Hoi|Jk (L. anderes: h caoy-
IKHTfaH ßO/KHf ß' HH\-k ßfa'lUIH KpaCHO CT MHOr' -tSHKk, KH
caov-^EOi' ßoror t. x " "•) crpomHeMk ßOH^HMk (coH^HfMk L.;
H paca ero BaiJecaaBa. ßca A"^EP*^ cßpujH (L. statt dieser drei
Wörter: B'aO/KH ik« elkm; Bork b' cpAi^U«) c's^^ ^« (" c. L.
i;pi:Bk cBfTaro IiH;i,a.
4Te(HHf). RoafcaaRor jke KpaTo^f erc> (L. add. Haov'Ljj«-
Hoy KHß'iiJOY) Ha-Hk, ßc't'k ;k,'lvßak b cp;i,ki;6 crc saoBOV.
'RK0#K6 OyEHTH H, ^a HHH'fe CRaCfHa ;i,OYliJ^^ f^^ ß Bt^Kk (L.
anders: ;k,a he kh cnacEHa AO\'iua Ero KHaa ß ß-tKk L.). IlpH-
ma^uiOY jke ^^hebh cßETaro flspaMa (npH^E jke ^kHk CBExaro
[In'paMa L.), k hemov-ike b-K OB'kT'Hk OB'feTaHk L.) FiEHJEcaaBk,
H BECEAELIIOY CE EMOr B A(|*)HI* T''*, T» "CH SaAHH (TH SAAM
ßpasH L.) npHSßaujE lioaEcaaBa h BEHJa\-o\j' (c'ßliTk TBopayoi'
HEnpH'kSkH'HH L.) m' HHMk 0 OV'KOH BpaTa Ero (O BpaT'fe CEMk
BEUiEcaaß'fe), 'Skojke (L. add. ;i,p'Kbae) HW^-feH o XpHCT't. Bh-
ßaiOLpHfj)' (-ijJEiui) 'Aie CBEqjEHHELik upKBH(o)Mk B rpa^-kyk
ß^ ßctyk rpa^-feyk L.), Belpecaab jke t;3,\,f no bce rpa,v,f
rpa.\,H L.), BHH,VE ß rpa,\,»^ cpara cboeto (der letzte Satz fehlt
in L.). ß he;i,1jaw jke co\fi|JH (coviiior L.) b npasAHHKk inpas-
;k,HHKOV L.) KorsMH h ,\oM'kHa, h nocAcymaßk hihce (üaiue L.)
orcTp'iuiH CE HTM ß Ilpark. liOAECAAB iK.i BpaTk ETO (die letzten
zwei Worte fehlen in L.) o^CTaBH h -kAHHMk (cKBp'H'HHiuik L.)
OlfMCMk, pEKH- HE OryO^H (nOMTO OTyC^HLUH L.), KpaTE. HEO
(L. add. h) hhbo u.'Kao HMaMk. Ga jke he ctpehe ce KpaTov
Analecta romana. 15
cKOfMoi' (letztes W. fehlt in L.), Ha Kc«,v,k Ha KOHa na kohk L.)
urpauif (MrpaTH naH« L.) c' cAOVTauii (L. ackl. ckoiimh) k rpa^'k
(om. L.). H p-kuie (uoy (L. anderes: Toy }K6 mhhmk IvKO noK'k-
,V'Ruie «iLior p6KC>\"i|i«)- \'oi|if (\-oi|irrk L.) t( spaTK lioafcaaKk
ov'KH'rii. Oa ;Kf Tor.icv he KkpoKa (n. k. t. L.}, na na Kora
ov'fiKauH Hf KHTH CHt (L. kUrzcr . na Kora kbaojkk). Ilc»i|i' jk«
iipHcirk iipMuia.v lUH ;ke hoi|ih L.) m cKpaKiiic a th mch (ca-
KpauiE cf TM 3aaH iipa3M J.. na A'^'^P' frepa Bpara l'H'kßiiiiiH
(PH'kBHCE L.) H 0\'TKpAHUie SaAHf CBliTH 0 rOCnO^lv CROfMk
(L. anderes: h npus^Kaiiif lioafcaaKa, o\'TBp,VHUjf m Hfiuk ra
HcnpH'ksaH'HH cßliTk 0 KpaT'k eroi, 'kKO^Ke HM>;k,'kM o XpucTk,
KaKO ov'bhiot' h (L. ausführlicher: 'kKOJKe .vpkKAf CHM,v,oiiJe et
M;M,v,oßf, MMcaniiE na XpHcra, raKO ii cn hami ircn caiua^iue
C( CK'kTk CTßOpHÜJf, KaKO KM OV'KHAH TOCHO^a CßOfTO KHfSa).
PlvMi« :Ki K cf K-k (dieses Wort fehlt in L.) ■ (r,\A (Ka^a L.) noH-
,\eT' Ha WTpHio. T(a)rAa ov'KHfM' «ro (L. aaHMk ero).
4TE(HMf). fOrpov; iKf ßMßmov ß'sßOHHuic na lorpHK».
lin|ifCi\aß :k( caMuiaß 3B0Hk h pene- yß*»'^'* (caaßa L.) TfKk,
rccno^M, HJKf ,v,^*'^'^ fCM HaMk (dieses Wort fehlt in L.) ,v*^g"'''h
WTpa cfro. H BCTaßk H,\,e jic>H,A,e L.) Ha lorpHW. m acMf (aK.
HJf L.) cacTMJKf M KpaTk fpo (diese zwei Worte fehlen in L.)
Boaccaaßk ß' (ßjpaTeyk (L. add. u^pKßHMyk). II pene eMO\f cpark
Iifi|i«caaßk (L. anderes: Eiti|jecAaß ;k6 osp-kß' ce pes« k' MeMc»\; •
,\OBp'k HaMk cAoyjKKfHk B-k ßHfpa (BpaTf, ;i,OBapk Bli Haf.ik
cAoyiKaBHMKk ß'HEpa L.). lioAfCAaßor 'Ait ^v'lißAoi' H (om. L.)
MpMHMKUJOv; B cp^kii,« (ß' ov'\-o L.) H pa(3Bpa)i|j'üJ0\' (L. add.
cpiJte tro) aKH Htc^-k diese zwei W. fehlen in L.) m MSßA'kKk
{ji,c\ MSßA'kKk L.) MfMk pjMf (OTß'kqia pSKH L.)- HHH« Tf \'oi|ior
oyBMTM. (U JK6 peKk ov%\,apH H (L. add. MEHfuik) HO raaß'k.
ßfilifCAAB' HU c>Kpai|Jk c( (L. add. k' Hfüoy) m ptnf mto
ECM OV'MMCAMAk, BpATE. H 1vM M H^TKi M Ha 3EÜAIC> (M 'kMk
noBp. M H. 3. L.) H (Tfpk ;\po\j'JKa npHTEKk oy^pH Iia^ICCAABa
b' poyKoy (L. anderes: CAoyra h<« frtpk npMTtKk oyT« Finiif-
cAABa B p.). GeijJKAaß' Hie ßpkl^fH cm pov'KCic, noyijik Kpara
iiOK'kJK« k' i^pKß-k (L. anderes: Ga TKi ßp'kA^^H'' cm poyKOK», n.
Bparpa n. k ii,pkbh). 3aoa'Iv''v >Ke e- (,vßA L.), pfKoua Tnpa
M Macra, oyKMcra m b" ßpareyk u,pKKHH\-k. lioAECAaß (FH'k-
BMca L.) }K€ npHTfKK (npHiua^k L.) ß rn-kß-k (fehlt in L.) npo-
16 V. Jagic,
KO,v€ H (p(i;pi\ fr.ic»v np. L.) MtMfiuiK. EniifCAaK jk« acHf HciioycTH
;k,o\'\-K cßOii, pfKii ■ B poVH'li TiiOH, rocnoA»«, npeA^»^? A^W»^
MOH. O^-KHUje JKf (L. add. toxtaI^^ka« k' tomk rpa,A,1v) h A\a-
CTHHK» n'fpiV HacTHa yoij'JKa Iifi|ifcaaKaa. lIpoMee Hie rHaiuf
PHairiUf L.) B llparh, HSKU-Sioiiif (L. anderes: obh hschuie,
CBH JKf pa3Kliro\[' c( no sfMAH) H waa^UHUE HSAaBHuit cro
paAH (L. luia. iKf M\'k usA^^ßmut), ii /Kshh 3a HHe luiorHJH ba^ui«
(jK. ;k. LiHorne sa rnmf lio^h;« b. L.) h bco\j' boaio cbpllihlue
(L. ausführlicher: caov-;KHTfAe KOJKHf H3VHauJ6 h bco^ HenpHt-
SaHHOX,' CTBCpHUJf). CBfTk KC LIO^Hf HHKK, XpHCTOBlv lUlOyi^'k
npHAPoi'MUi c( yov'Ka erc». (Dieser Absatz fehlt in L.)
4Te(iin«!. Gaija^ov '^*^ "^ Hfiui'HecH KaKO HiHA«?Bf «> ^PHcr-k.
(Dieser ganze Satz fehlt in L.) Tnpa >Ke pene (L. add. lioaecaa-
BO^f)- noHAHMO (noHA^iimi* L) h ^oc^<M«^ yaTfpK Baio oXj'KMuyo
[js,i\ OYKHfMu H rociKMO M. B. L.), A'* HHjrAOV CKaeiUH Kpara
H MaTfpk. Oh JK6 (lioatcaaB :k( L.) pfMr Ht oipe (L. ausführ-
licher: Hk KaMO cf A''^'fv\«'i'>^? A'^"\\''^^^f A'^'^cirkeyk hhIvLIh).
Bf LjjfcaaBa ') jkj othaoijj6 otha^V L ) pac'cKHfHa h H£c\\-pa-
HSHa. KpacH-kH (KpacT-kH L.) ;k« fp'kn (L. add. «Tcpk) B3aMk
T-Rao Fifi|j?caaBa£ (für beide Ausdrücke L. nur h) noaoHin e (h L.
npfA UpBBOio iiOKpHBk naa^TOK». GaiiuiaBiuH jkj uath ero
oYB'fHk co\fi|ik ckink CBOH npBlvH'nk (dicscs Wort fehlt L., dafür
hinzugefügt: npmuaA'iUH HCKauie h c»\'3p'SB'um u) npHnaA«
k' cpLi,o\f (L. add. erc) naaMO\fL|JH (L. add. c«) h CKpaBiuH (L. add.
BCf) o\^^,» T'kMci «ro H« ciuili H^k (dieses Wort fehlt L.) hkth
B A*''*'^'^ cKOii, Ha Ba h3r1v nonoB-K (tpeiKi^'k L.) o\fiuiHBiiJH
CKa-feH« t (om. L.) h B3ayiJJH (Hfc'iuH L.) noao/KH e (h L.) b
ij,pKBlv (-BH L.). ()\j-RO'kBUiH (im Texte fehlerhaft c»\-KC»\-BmH) >Kt
et o\'c'6h''K KlijKa B XpBare (^pBaTH L.). GoaccaaB jk« nocaa
i( paAH H HE HaHA* f T'^^V (^- '*^- nocaaBk he a^c" " '^'►'^V ^O-
npM3Ba ;k£ (llpH3BaB'ujE ;ke L.) Ep'kiv (L. add. ETtpa HuifHEMk)
llaBaa, a^* " MÄTBaMH norpEBETk (L. anderes: a^* ocAHTBk
cTBOpHTk HaAk T'kaoMk FiEiiiEcaaBaMrik norptBOUiE Macr'^HOE
T'tao ÜEiiiEcaaBAE, A'^'^'^P^^ •'*''' " npaBaro Lioyaia h BoroMTna
M \'pHCTOaWKHa. A'^V^'^ ''^^ ^^^ B3HAe K KOrOY EMCIf/KE (L.
add. h) cAorjKH c A\''^''ß"'kEyk (sie, L. c' roR-kHHEyk) h c cTpa-
1) In L. beginnt hier neue Leclion mit dem vorgesetzten ixe.
Analecta romana. 17
\*OMK. a KpKK <ro K. :Kf f. L.) nc> Tpn ,v(«*)h» »<« p^mh htu r
3n.i.\K> K 3. H. L.), Tprrn jk« a(i^)»i^ (L. dafür BfMCpk, kcRmk
KH,V,n|IHMK) K3HAf Hp»^'^'^ (Up'kKH KSH.V« L.) Ha,V,K HHMk 1vK0
^HKHTH c( mho3'Kmk c\i( KMA« il'"'-'*^ (T^- ^tatt dci* letzten drei
Worte uur kcKük). m oi|if oviiKan.iK na.vkn.r et L. k (L. o)
Koslv (L. add. MoanTKauH KAaroR'kp'narc» h .vosparo nov'iKa
liEi|i(caaRal Rnji'iiif Toy ho\',v,o (Rn|!Kiifn.ic>\' MC»v%v,fC5') kRUTH
c(. PkcH-k y\\ pkc HOToy L.) :Kf XpHcroRk wov'i^k (h cRn'M\-K
Mov'MEHMKk add. L.) iipn.\,pc\"KH c( (npHAO/KH c( L.) MOV'Ka fro
(L. gibt noch folgenden Zusatz: cR'kTk ko CTROp'me o »ifMk.
ICKO'^f HIO,V'kH 0 XpHCTlx. pac'CkKOUlf IKf M 'kKOH^f H llfTpa.
li Maa^.'kHUf fro pa,A,H usAaRniiif 'kKC»;Kf ii XpHcra pa^H).
Oyß'fHk H^•f Kk (KkicTk L., add. CfipfcaaRk K'Hf3k) ykcena
CfKTfKpa S- H OCMH .Vf** H*^- KOfk IKf MOKCH ,V,Ol'UIC>V' frO R
CRn"kfMk noKOMi|iH ck Rckr.iH npaR(f),v,HHr.iH h c ckOH hik«
IIJ HHMk (frO pa,VH L.) OVK'fHH (H3RHfHH) COV'Tk, HSRHH'HH
coyqif.
\\( ocraRH (L. add. :\{i) Rork R-kpHHyk r nopoyraHHf hi-
RlvpHHMk (-H\-k L.), Ha lipHSpl^Rk MHAOCTH (älp'k3pkR' MHAO-
CTHK« cROfK» L.) npHAo;KH (L. iip'kAOHiH) OKaMfHfHa cp^kna R
(L. Ha) HOKakHHf h pa30\'ü'kHHf rpl^ya (rp-k^k L. H\-k. ,\a
(h ;»,a L.) BoAEcaaRk noMfHOV' (noMniov'Rk L.) KoaHKk rp-k^k
cVßopH H npHAlvHCHO Korov H cRtTH(yk) fro caov'iKanif (L.
anderes, nach cTRopn: norioan et Korov; h Rc-kiiik CRtTHük
fro) H npHHEce np-kHtcf L. T-kao Kpara (L. add. cßOfro npa-
KeAM^^fO MOV'",Ka) Bfi|ifcaaRa r' llpark M'kcen,a üapna ■%■ th
;k^(k)Hk (die Zeitbestimmung fehlt hier in L.), raarcae r ciKU (L.
ohne K cfKlv, dafür a3k)- ckrp'kmH\'k h rpkyk moh c'K'kA'k.
H noaoiKHHif R ii,Hr.iHTp'k noa. ;k£ e r* KOCTfalv L.) CRtraro
GH,va 0 ,v,*cHC»v;io cTpaHoy oarapa oßoio na j^icn (a)no(cTo)-
ao\', »^\('A{t c( Kk pEKaak noaoiKHTH (k'S h cawk peKaak, ohne
noaoiKHTH L.) c\3AJRk u,pKBk u,p'kKH L., hier steht in L. fol-
gender Zusatz : npJMfCfHO IKf R' HCTHHOr KHCTk TlvAC Gfl|Jf-
caaRa KHf3a \*pHCToaK>KH,a ykcena napna r ■%■ th ,v(k)Hk).
Ha aoHO h;« cRCTH\'k naTpHap\'k oyü'kcTH Kork ^cymcy
ero, H.ykJKf rch npaKf^HH noMHRaKtTk, HaK>i|ic cnacfHH-k Tii-
A6CH CKOH\'k 0 XpHCTli L. hat deu Sehluss etwas anders: IIa
aoH'k /Kf HRpaaMaH h HcaKORAH h 'liKORan Kork o\-ü1vCTH
Arcliiv für slavische Philoloji-?. XXV. 2
18 V. Jaglc,
..\,c»YiiJO\' frc, K,v,'lv KCl! njnmf.VHii nOMMKaw ru MfKahM|ie KCKp'uji-
HH'b TkAfCk CKOH\-K 0 XpHCT't HcOVC'k rOCMC»;i,1v HillUküb).
Nach der Legende folgen noch in R. und L. einige Antiphonen,
die ich hier nach L. mittheile, weil mir die Zeit nicht ausreichte,
um sie auch aus R. abzuschreiben, doch aus den Anfangsworteu
sehe ich, dass beinahe volle Uebereiustimmuug herrscht zwischen
R. und L.
K' y (i\TO\-TM)HH H r(0),V,{HHa!llK) a H (T H c}) 0 H k).
Mc>\'JKk noKOHHH GaiJecaaßK yo\-MJHHKh. rocno^Hk npe-
^VparH, ßaJK'/KfHk OrHflUIh. K0JKH6 AWKKH TBp'^l.OCTaH^H'K Tpnlv
MCXfMfHHS H npC» BfAHMCTBC» MO^KH A'^'*"A« ^^ J^()<:i\'}KHHCTßO\'
CKtTH\'U aHtifAk.
nH(TH4)0Hu). Gero caaiiHa MoanTKa Haiuik npHOKp-RiiJH
OTno\-i|ieHHf rp'k\-c>Kh. ßc1vYi»> n^^£ npo lic>\-kh rpn'kHHj b'Smhh
o\-Te;Kt Blvnaii,i*.
ÜH(TH(I)C»Hh.). Ga CBfTH ^OCTOaHH-k b' nAUfTb. B-SHHOV'IO
OEpaL|ja«T' ce MaoB-kKOMk hik« k pa4,ocTH antiEAk npnyo^HTk,
1iK0 B CEMk CTaHOBaHH f;k,HH'kMk TaKMO T'kAOlUlk nOCTABAfMk
B'k, MUmAfMUEMk >Ke H /KHTHfyk B' OHOMk B'tMH'kMk OTCMk-
CTB'R (sie) OKHTa. (Diescs Antiphon scheint in R. durch ein an-
deres ersetzt zu sein, das mit dem Worte yaa^V'kHu^e beginnt).
nn(TH(I)OHk). Or orsk T'kAa c'BpmtHk raAaHT" cfB-k
nopo^HCHH cBOfMoif rocRO^v« ü't c AH\'BOKt upHHfCf. (Auch an
dieser Stelle steht in R. ein anderes Antiphon, das mit HpH^i,«
llaBAk beginnt). ■
?lH(TH(I>c>Hk). filinau,k MacTank (R. KpacHk) noAOJKOv Ha
raaB'k yo\rM«nnKa, raaroArrk rocno,\,k, n c^v-k/K^oy h phsok»
CAABH, ivKO cypaHH saiioB'k.vH yo6 H iiU(U( yoero pa;i,H hsahta
( KpH «ro Ha seyAK».
K B(Aarc>CAC»Be)Hk aHk(TH(])OHk). GaaBa bc»v%vh npt-
cBfTliH TpoMij,H, BKO\'n :Ki H ^(^BaAk ^'k-^HHe H (i HCHsykpHykH
yHAOCTU Ka TpoHyk oraaujfHHEyk, 6,i,HH'kyk jk« corijjacTBcyk,
B' BCkH BCeAtH-kH OT KCkyk KOA'kHk H -kSHKk «;i,HHC» TliAO
CBpmagTk i^pKB«, OT HeeH^e np'kcB'kTAarc» mX' poH;^*""'^ utiK-
,A,C>\f ,\,pO\jTHyH TaKO yaTfpHK» 0Kpa30BaHk H3 BHCOM-kHUJarO
EOEMHE pC>A*» MaCTHIO H3H.A,6 nopCt,A,k BO>KHH MO^f^Kk ßfUJECAaBk
erOJKE KpaTk 3Ali SaBHCTHBk H AWTk AliKH KaEHk HbEAA
,Vp1vBAE CBpüJH yC>\fHEHHKa.
Analecta romana. \Q
K b;«]-\(ii)h h) aH(TH«I)OHk). OKnil rin|ifc<\i\KK liHiimai'o
XpHCra MOV'MfMMKK K fioAf CAaiiAM rpa,V'k c'iqiUlfMOV' f.lOV'KOY
npHliTk, HfKfCKa ([.('kcalpCTßH-k CaaUH'k ß'3MTH OVTfHif, fro
npOC-kMK llpHA'kiKHIIMII HpOCKaMH MOAHTM 3a liaCK llpHCHC».
Op(a u irk). iloMiiaov'M nack, lipo . . .
Diese Anffiudung eines zweiten Textes der Legende kann,
glaub' ich, wichtige Dienste leisten für die Beleuchtung der That-
sache, dassundwie eine ursprünglich einheitliche Textredaction im
Laufe der Zeit durch allerlei Aenderungen, Kürzungen, Um-
setzungen, Auslassungen oder auch Zusätze, zu manuichfaehen Ab-
weichungen bringen kann. Der römische Text steht, das zeigt schon
eine flüchtige Vergleichung, in den meisten Fällen von der nicht
schwer herzustellenden ursprünglichen Redaction der Legende etwas
weiter ab, als der Laibacher. Nur eine Stelle fesselt unsere Auf-
merksamkeit. Wir lesen bei Vostokov: T\-iKa npureKk v^apH
ß'K PV^Vj in dem Text des Makarius: H npuTfKk f.yHH'k OT'k
coc'kTHHKk T'k\-k yckKny-BT», PVi^V» ini Laib. Text: Gaovra jkc
erepk npHTEKk orTC GEL|icc/\aßa ßk po\-KO\,-, im Römischen:
H «Tfpk ^\,P<>V'*^'* npHTfKk o\'4,pii lia|JEcaaßa ß' po\,-KO\-.
Zwischen der cyrillischen Redaction mit ihrem räthselhaften t\,-h; a
und der Römischen mit ihrem nicht minder dunklen ^v.P'^V'*^^*
scheint ein innerer Zusammenhang angenommen werden zu müssen,
sei es nun dass Druza ein Nomen proprium war oder als ein auch
im Altböhmischen nachweisbares Appellativum ch'uza (d. h. druze)
die Bedeutung: Kamerad, Geselle, ausdrücken wollte. Im letzteren
Falle hätten wir einen C'echismus mehr.
Um nochmals auf das ganze Officium zurückzukommen, will ich
hervorheben, dass die Legende, als der älteste Bestandtheil des
Officiums, ursprünglich ganz unabhängig davon, vom Wenceslaus
nur als von einem gerechten Manne, der Gott und Christus liebte,
und noch nicht von einem Heiligen spricht. Die später zur Her-
stellung des Officiums hinzugefügten Antiphonen aber verehren
ihn schon als Heiligen. Mau ersieht schon daraus die nachträgliche
Anlehnung dieser Bestandtheile an die in mehreren Lectionen ein-
theilte und aus diesem Anlass auch etwas gekürzte Legende. Aber
auch der hier von mir zuerst abgedruckte Hymnus des Laibacher
Codex, der weder in dem Moskauer noch in dem Römischen Exem-
20 ^'- Ja»'«^'
plar zu finden ist, verdient beachtet zu werden. In keinem einzigen
lateinischen Hymnus zur Verherrlichimg des Wenceslaus, deren
viele ich las, fand ich den Gedankengang des hier erhalteneu
Hymnus wieder. In allen anderen sieht man schon bei der Lob-
preisung des Heiligen die Abhängigkeit des Dichters von der spä-
teren Auffassung des Wenceslaus nach dem Inhalt der lateinischen
Legenden, nur hier wird er noch nackt als Opfer eines Bruder-
mordes, als Abel gegenüber Kain, gepriesen. Gewiss ist diese Ent-
hüllung der geschichtlichen Thatsacherj selbst in dem Hymnus sehr
alt, wenn auch Wenceslaus hier schon als ein Heiliger und Märtyrer
mit mehreren Wundern geschildert wird.
IV.
Das erste kleine Büchlein, das mir aus dem slavischen Hand-
schriftenbestand der Propaganda in die Hände kam, war die von
Racki in Starine. Bd. XIV, S.21 — 29 beschriebene und besprochene
bosnisch-bogomilische Handschrift eines gewissen Radosav. Be-
kanntlich war auch dieses Büchlein wenigstens dem Namen nach
schon Dobrovsky bekannt (Institutiones p. XIV). Sein einstiger
Besitzer war Matth. Sovic, der es wohl auch in der Propaganda
zurückgelassen hatte, wo seine Spur verschollen war — weder
Racki noch Crncic oder Parcic sahen es während ihres Aufenthaltes
in Rom, bis es nicht zu Ende der 70 er Jahre der russische Kunst-
historiker Vladimir Stasov von neuem ans Licht brachte und wäh-
rend seines Aufenthaltes in Agram auch Racki davon in Kenntniss
setzte. Vergl. Vienac 1880, Nr. 33, S. 535 und Rad a. a. 0. Stasov
selbst zog nur die ornamentale Seite der Handschrift au, er nahm
in sein grosses dem Ornament der slavischen Handschriften ge-
widmetes Werk auf der Tafel XXXIII, Nr. 19—37 eine Figur und
mehrere verzierte Initialbuchstaben aus diesem Büchlein auf.
Racki's Abhandlung beschränkte sich wieder fast ausschliesslich
auf den Inhalt der Handschrift, der höchst merkwürdigen Form
der Schrift geschieht nur kurz nebenbei Erwähnung. Er selbst sah
die Handschrift nur flüchtig in Rom, die genauere Inhaltsangabe
lieferte ihm nachträglich Domherr Parcic.
Den Hauptinhalt des kleinen 60 Blatt umfassenden Büchleins
bildet die Apocalypse. Ihr Text ist in 72 Capitel eiugetheilt mit
Ueberschriften, die von dem Commeutator der Apocalypse, dem
Analecta vouiiina. 21
Andreas, Erzbiscbof von Caesarea, lierrUhreu. In der Kegel kom-
men auch diese Capitel nur bei der commentirteu Apoealypse vor.
Docb beweist der Text Hval's (vergl. Starine IV, 85 — 88) und ein
zweiter derMareiaua in Venedig-, dass die Eintbeilung in 72 Capitel
mit den betreffenden Ueberscbriften aueb in der nicbtcommentirteu
TlKt>llSCrWLJXirw^tHH TKO
r HäTK ClvCTf KÜHt Fr/TifE LKK-f-f-
i y =rr::::L !____!_ ^ i
la
Apoealypse vorkommen kann. Vergl. noch OniicaHie c.iau. pyKomiceil
cHiio^. öiiöj. 1. 157. Amphilocbius entlehnte in seiner Ausgabe der
Apoealypse (AnoKa-iHncHcx XIV BiKa Py.MfliiueBCKaro Mysea, MocKBa
1886) dieses Capitelverzeicbniss aus den commentirten Texten
(vergl. S. 10 — 17). Aus der Vergleicbung des Textes dieser Capitel
bei Hval mit dem unseres Büchleins ergibt sich eine beinahe voll-
22 V. Jagic,
ständige Gleichheit. Um das zu beweisen, führe ich mehrere Bei-
spiele an, und zwar aus dem Büchlein der Propaganda, die wich-
tigeren Abweichungen aus Hval dazu in Klammern:
FAdBa -X npoAork (ü aHtiAa eJKf eiuioy js^amo» kh. — b- o
KH,\1vHH S HfHilklKE Hcä EH^-k HO CpHA'K T,- CKHTHAkHHKH. —
^
n^ nOCAaHHE fTfCKHf U,pkKßf AHtiAS.^ — -Ji,- CKASAHHe HSM^pUCKH
HpkKß« AjSö. — T CKASAHHf nfpkrAIUlkCKHI l^pkKBE AHI^aS. —
^ Hap-RKORAHHe T-fe-kpkCKHf (Hv.TKIATKIpkCKejl^pkKßf dHtw\S. —
^HApHKOKAHHE CAp^^HCKJ l^pkKßE AHl^ACy. H CKaSAHIK ^HAA-
AOAk(I)HCKe (Hv. nklAa,/VOKklCKl) i;pKKߣ aHftAO\'. — ^- CKasaHHf
Analecta romana.
23
H c> iipIvCTO/iHH. — ai- w> KHHra\'K 3ancHaT/\EMH\'b ctA'-'" "f-
HaTII KK (iSlI,!« IwKHH liyu^Kf HMKTOHCE HE MOHIf paSI^PHSTH. —
eiH7 /SA H|f «l Will t MM^ITl. OiWHJAMia^
TH^'TCAMiUlHTt Hl^^f IT KtMEltC KUUAt
cfl mgcvKKiv KUTr Kmr £'Ka^
•Rl- 0 arkHkU,H HMSljJHMb 2^- pork KaKO KHHTH pasbrHSTH. —
•n- (C'pHiuEHHf -a- nenaTH HanoKaannkCKOc (sie!) HacaH;i,kE ck-
KaSatTb. — ,\,l- (OpHUIfHHE R- nfHaTH CKaSafTk HCRHpkHHyk
24
Y. Jagic,
KL K'k()KHf KpaMh (Hv. HEKKIpHIIYK UpaHk Ha liKipHKIf).
^- (UpHIU£HH£ r- llfMaTH CKaSafTk CUna,\fHHf HEKHpOBaBUJH\'K
ya TKph,,\c». ^ — -si CC'piiiiifHHe ■^\ iifHarH "kKaarrk HaBO,/v,HiiiiHE
noKasaHHE paHk(i) Ha (DpHU,ahM{JE et rnt HnpkHHEiuik {!Hv. roc-
nO^a HETpkHklHHEMk), U.S.W. K- 0 HapO;i,H BtHHCAkHHMk CTO-
El^HMk np'fe npliCTOAOIUlk BH^HMk IJKE HM^Tk Ck H)COIUIk l^pkCTßC-
Analecta romana.
25
KaTH (Ü t3HKK ll\-k:Ke HHKT0;K£ H£ M02K{TK IICHHCTH vi» CTKO-
pcHoro Hapo.V'^ (Hv. po,\,a), u. s. w. Im Ganzen ist die Ueberein-
stimmiiDg sehr gross, grösser als zwischen dem Texte Hval's und
llLTlUf^ Hl^hnL Kt A^ Na ' ^'
1, ■ V/
IJ- HHHK VvnmKU K
ÄilH Ol 'l «X fi^,^ ^ 'IT K-l
f—»^ ''*««.•« ptfj^t, rivtifm. t4.«»^»»««w«;,,<yW<»-^"-**''*- ^V*'**
jenem der Apocalypse der Mareiana (in Venedig); die letztere
stimmt hie und da mit dem Text, den Amphilochius aus der Eu-
mjancov'schen Handschrift und einer anderen des XV. — XVI. Jahrh.
herausgab, überein. Z. B. im Capitel 11 nach dem Verbum pasa-
26
V. Jagic,
rHO\'TH folgt iu Kum. noch iö cTKOpfHaro po,\,a (gr. Tfjg -/.TLOTv^g
fpvoscog), diese Worte fehlen iu Hval. und Propag., aber der Venet.
Text hat sie.
Wichtiger wäre es, den Text selbst genau zu vergleichen, so-
wohl mit dem Hvarschen, wie auch mit jenem der Marciana, leider
gebrach es mir an Zeit, um das in ausreichendem Masse zu thun.
Für den Venezianischen Text besitze ich eine so genaue Verglei-
chung mit dem Hval'schen, die ich der ausserordentlichen Güte des
Professors Dr. Mil. Srepel (in Agram) verdanke, dass mir selbst
während meines letzten Aufenthaltes in Venedig diese Arbeit er-
spart blieb. Aus dem Texte Radosav's in Piom konnte ich dagegen
nur einige Stellen abschreiben. Diese machen den Eindruck, dass
im Ganzen auch hier die Uebereinstimmung zwischen dem Hval'-
schen und Propaganda-Text sehr gross ist, dass aber der Propa-
ganda-Text in mancher Hinsicht ältere Formen (orthographisch
und grammatisch) bewahrt hat, als der Hval'sche, mag auch der
letztere um ein halbes Jahrhundert früher geschrieben worden sein,
als der Radosav'sche.
Um die nahe Verwandtschaft, aber auch die Abweichungen
der beiden Handschriften zu vergegenwärtigCD, gebe ich den Text
des 1*'*'' und 30*'''' Kecpülaiov parallel wieder:
Radosav (Propaganda- Text) schrieb:
!l n 0 K a A M n c H H o a h a a n c a a
fßaHtiaHCTa.
I.
1. flnoKaaimcH Hcyß'k fjKt
A<»CTK iu'6 Bi% noKasaTH pa-
ROIUII^ CßOHIUlK, HIUlk^KE nO,/\0-
BaeTk RHTH 8 CKC»p1v. H CKa-
saßh. nocaaßk aHt>AbMb cBOHiuik
paRi> cßOfiuiS HoaHS, 2 e>Ke crh-
A'feTeabCTßOßa caoßo i^Kne h
s • —
CBHTtAkCTßO HC^ßO, fAMKO
B'bA'S- 3 IlAaiKfHK MkTfH H
CAHLUELIIE CACßfCA npOpMKCTßH-k
Hval :
HnoKaAlncI IloßaHa «ßan-
iseaicTa h anocTcaa.
I.
1. ^noKaAKinciü hcoy\'phc-
TCtßki f;K6 ^\acrk (luio^f kopk
noKasaTki paEOMh. cßOHiuik,
HMkrKf nc»^\OGarrk ßk cKOpki
ßiTH, H cKasaßk nocaaßk ant^e-
Aoiuik cßOHMk paKOY cßOfyc»\;
HoßaHOY, 2 HJKE Cßkl^klTfAk-
CTßOßa CAOßo BOJKIf H Cßkl^KI-
TfAkCTßO HCOV'YPHCTOKO imi
ß1vAW. 3 EAAJKtHk HT«H H CAkl-
UJfLpf CAOBfCa npopoMkCTBH-b
Analecta romana.
27
H chKAS^v,'*»^M'* naiiHcaHH'fe ßk II ckKAO\\V'»i^M'* HanhJcaHH'k ßk
H£Uk- Bp'kMt KO Ki\H3k. 4 Ho- Hfük' Kplvf-lt KO RAHSk. 4 llo-
aHHS (sie) y i^pkKkKaMk cö- ßaHk ce^mki npkKiiar.ik co\--
i|iHMk Kk HcHH Kaaro^^-kTk i|iiink Bk Hckin BAaro^HTk
BaiLik H MHpk vC' cSLjiaro hjk« uar.ik ii r.ilvpk vvTk cc»i;i|iaro.
K-k H rpeAov'M'^^ro, H 0) •^- aIc«^ "^* RkicTk h rpf,vov;i|iaro h
HJK6 COl'Tk np'kAK lip-kCTOAOMk WTk Cf ^Ukl .VOV-yk HH;? COV'Tk
«ro, 5 II (C H^a fJKf tcTk •>P'»^Ai- npkcTOACMk ero, 5 11
cXV'kTfAk B'kpkHk H npkBII- ^"•'^ **«^^T^^» XpHCra HIKf tCTk
Hki;k H3k MpkTBliX'k H KHE3k
CBkl^klTEAk B'kpAHk H llpkBKI-
Hp.Mk SJMAkHHMk. ASEHIHUi; "^"^«^ "'^«^ ^pkTBkiyk H KIU3k
HH H pa3.VP1imkMÖ (Sic) 0) H^»P«'^"^3EyAkHHyk,A0VBtMJ0V-
luiov' Hki H pasApl^iui^iu^^V'-'^V
rplvYk HamH\'k KpkBHio cbocio,
6 H CkTBOpHAk eCTk HAIlIk
HPCTBHS, HfpfH BS M (w)U,i>
CBoenioy. ToLiö cAasa h aP"^-
»;aBa S bhkh B'kKor.ia aMHk.
7. Ge rpe.vf'rk ck obaabh h
i?3pHTk KCaKO OKO, HIKf npO- OV'SpWTk BCaBC OKC» H>Ke H lipO-
EaiUC, HAAMk H BkHAk CkTBO- | BO^OlilE, H HAAMk H BkHaAk
pjTk 0 HfOk BCa KOAHKk (slc) CTBOptTk 0 H£Mk KCA KOAklHA
stüAkHA, at-iiik. HrJiHk 8 a3k 3eMAkHa aiHkiHk. 8 a3k fcauk
WTk rp'kyk Hauiki\'k KpkBHic
CBOfKt, 6 H CTBOpkIAk (CTk
HAMk i;apkCTBklE HEpklE BOTOV'
H OTkl^OV; CBOfMOV;. TOMOV;
CAaBA H AP'*''*^^*'^^ *^V •^'^'^' ^'^~
KOMk aüHk.
7. Gf V^i\W^ Ck OBAAKkl H
CCMk aOAkna H VU, HAMCTkKk H
KC)Hkl|,k, PAtTk Bk CEH BlvEH H
rpeA«"? BCfAP'^'^^HTe'M^. 9 n3k
HoBAHk Bpark sie?) Baiuk h
OBkL(JkHHKk Bk nCMaAI€\'k H
U,pkCTBH H Bk TpkRHH-k
HC\'BH, Il-kyk Bk OTOU,H HApH-
l^aEMHMk . ÖdTOMk 3a CACBC»
RJKHS II 3a CB'kA'tTfAkCTBO
HC^BC».
AAkna H 0, HaMfraKk h ko-
Haii,k, raaroAtTk Kork, ce KkicTh
II fCTk H rpcAi^, BCfAPI*'*^"-
TfAk. 9 a3k IIoßaHk, BpaTk
BaiUk H OBaL|JkHHKk Bk ilESa-
AC\'k M U,apkCTBkl H TpkRklNkl
ICCtV'YpHCTOBkl, K'k\'k Bk CTO-
L^kl HapHL|,aEMkl IlaTOMkl 3a
CAOBO BOH^kie H 3a CBklAKITfAk-
CTBO HCOV'YPHCTOBO.
Dem Venezianiselieu Codex (Cod. LXXXV. 3, vergl. Ciampoli.
I eodiei paleo-slavi della r. biblioteca nazionale di S. Marco, Roma
1894, p. 3), der neben den übrigen Büchern des Neuen Testa-
28
V. Jagiö,
nientes die Apocalypse auf Bl. 128 — 143 enthält, hat Jemand das
Blatt, wo der Anfang der Apocalypse offenbar mit einer Miniatur
stand, herausgerissen, so dass jetzt der Text in Cap.I, v. 5 mit den
Worten beginnt: kkhk» cßoew» h ctkophak i€ waiuik npcTßHie.
Die Varianten zu dem oben mitgetheilten «' v.EcpaLaiov (Cap. I,
V. 1 — 9) sind grösstentheils nur orthographischer Natur, ich hebe
heraus v. 6 Htpm, S K'kKe (ohne kIvKOIUIk), v. 7 oxpptTk, vor iipo-
KO,i,oiiJc und nAi\Hk fehlt h, nach ßknAh. folgt LiHork, koahha
3EMAkHa1i, V. 8 Statt IV (to w) steht CHb, weiter schreibt er: cf kki
II m H rpf^fH, V. 9 OCkqJkHHKk, S IJ|,pCTßH H y TpkllHHH, KH\-h.
ßk OTOi^H HApiiiiacMHiiiik. Auch mit dem Text der Rumjancov'-
schen Handschrift berühren sich unsere südslavischen aufs engste,
es genügt, auf 1. 9 kt». otoi^Ij für Iv xf] vrjoco hinzuweisen, so in
allen Texten. Speciell zu dem Text Radosav's stimmt v. 8 die
Uebersetzung von o wp -^al ö rjv -/.al 6 iqyiöi.ievog: im Rumj. CkiH "i
K'tra H rpA,Ä,'ki'i, in Rad. ce h k'S«h h rpe^i^eH, was man wahr-
scheinlich als cfH H K'SeH H rpe^*" lesen muss, d. h. cm h ist zu-
sammengezogen in ce-H, ccH für o oi?/, einem mittelbulgarischen
CÄH entsprechend, ist ganz gewöhnlich, ebenso rpe^m statt rp/Ä-
^TüH beruht auf rp/Ä;i,aH, der Uebersetzer machte aber auch für
o l]v ein Participium von der Form K'b: K'KfH d. h. k'6I/äh, wofür
das Rumjancov'sche Klira(H) spricht. Auch die etwas verworrene
Lesart des Venezianischen Textes ce Cki h eh h rpE,A,EH kann leicht
in CEH KkiEH (d. h. k'Seh, kl für \\ statt Iv) h rpE^vfH corrigirt
werden.
Das -AEfpäXaLov X (Cap. XL 3 — 10) lautet so:
Radosav (Propaganda) :
3. H ;i,aiuik OKHiuia cßliTEAEima
MCHMa H npopHu,aETa h- h c-
II 0- -^ ,A,HH, OBAkMEHa ßk ßpH-
MHl|JE. 4 CH ECTa ^ß-fc lliiaCAk-
HHl^H H ;\,ßa CßIvtiHHKa npHk
KMk Ha 3EMAH CTOEL|Ja. 5 HTKE
iiya HEHpaß^y ckTßopHTk,
OrHk HC)fO^HTk H3 ÖCTk ElO H
ncfe^aETk BparH ek>- hh;e )fo-
Hval:
3. H ,A,aMk oßkiMa cßki^w-
TEAMa MOHMa H HpopHnaETa
•H- H C- H -O- H -i^ ,A,Hkl OKAk-
HEHa ßk ßp1vTkii}iE. 4 cki Ecra
^l.ß'k lUiaCAklHHl^kl H ;^Ba CßklL|J-
HaKa npli^k eoroMk na SEiuiAki
cTOEi|ja. 5 HJKE Hiuia HEnpaß^^Y
CTßOpkl, ^a orHk HCyC^klTk
H3 oycTk HK» H no'feA***'*''»-
Analecta romana.
29
i\ii'i\\ (sicj Srhth k, ctnS nc»-
;VOKan'K cvKUfHoy kmth. G m
cHlv HMivTH Hoara oKaacTk
SaTKOpHTM HfKO, ,\A Hf liafTK
,l,a;K,V,k Kk ,\HH lipOpHIJ.aHM'R
flO, H OKAaCTk HUkTH HMaTa
Ha KO,va\'k OKpaijiaTH i> KpkKk
H llC»pa3HTM 3fMaiO KCaKOW
•kSROio RtAHfK» ai|if KkcycnifTa.
7 H fra CKOHkHafTa ck1v,\,h-
TfAkCTKO CKOff, 3KHpk RKC\'0-
,l,HTk (0 RfSAI^HM M U'TROpHTk
(sie) Ck HHMa RpaHk H nORH-
,V,HTk 'k H yRHfTk -k. 8 H Tp^-
\\A fK> na u'kcTayk ocTaKfTk
rpa,\,*t RfAHKaro HH;e HapHi;a-
<Tk C( ,VYORHH Co,V,OLlk 11 GtiK»-
JiaTk, H^VH'/KE Kk fK« paCUfTk
RH. 9 H SpfTk iU' aiO,V,H H KO-
AMHk 11 C3HKk H nAEMEHk TpH
,VHH H noAk, Tp^na (k< h« ocra-
RfTk nOaC^KHTH Rk PpORlv Rk
rpH ,\MH H rioak. 10 h jrhrS-
Ijlff Ha 3EMAH H S3paAyK>Tk C(
H Rk3R(C£aETk C( 0 HfW H ,\A()h
cH-k npopoKa MSMHCTa /KhrS-
l|ICC Ha 3{MaH.
Rpari f K» • HiKf \'oi|jn'k ovKki-
Tki -k. ciMov- nc>,voRafTk ov-rh-
<HC>1- RkITH. G H Cklf HM-kTkl
HMara ORaacTk 3aTRopkiTn
HfRO, ,\A HE Ha,V,fTk ^V'^'^^A"*
j Rk A">^l MpOpHUaHHlv (K M
ORaacTk Hr.rkTki HMara na ro-
A^*\'i^ ORpai|iarki ( Rk RpkRk h
, n0pa3klTkl 3fMAC»\' RCaKOlO 1^3-
ROK> REAkicio ai|i£ RkCYOijirra.
7 h fr,v,a cKCHHarra CRki;4,ki-
TfAkCTBO «H, 3Rklpk RkCyO-
;i,klTk WTk Rf3a,VHkl H CTRO-
pHTk c Hkir.ia RpaHk h noKki-
^HTk Iv H OV'RkIfTk -k. S H
rporna fK> Ha nlvcrayk ocra-
RfTk rpa,v,a RjAWKaro h;re na-
pHu,an'k cf ,\c>\'\-0RHki Go,voük
H 6rkinaTk, H^vkH^e rocno,vk
«K» paCUfTk KkICTk. 9 H 3peTk
WTk AOV%V,kl H KOAlvHk H {3klKk
H HAEMCHk rpkl ,V,Hkl H HOAk.
H Vpov'na fio H( ocTaRfTk no-
AOIKHTH Rk rpORkl Rk Tpkl
,V,Hkl H HOAk. 10 H ^KklR<^VI|lt
Ha 3füAH 0V'3pa,\,C>V'M'Tk C( H
Rk3RfCfA«Tk CC 0 HfH (?) H
,Vapki noHfcov'Tk ^vpoyrk Rk
ApovTov'. 'kKO ckilx npopoKa
MOV'HlCTa :KklROVl|lf Ha 36MAkl.
Auch in diesem Abschnitt beschränken sieh die Varianten auf
orthographische Abweichungen, und das gilt auch für die Venezia-
nische Handschrift, wo man liest V.3 CRAlvTfAtMa, V. 4 cR-kiiikHaKa.
V. 5 CkTROpHTk H OrHk, flO, V. 6 CHlv, S KpkRk, V. 7 CR^^kTfAk-
CTRO CROf, H 3R'kpk, V. 8 HA IJ|,HCTa\'k, «WIITk, V. 10 IKHROV'qjtf,
0 HfK>. In der Angabe der Zahl v. 3 schreibt Ven. wie Rum.
M- c- g, während Hval und Rad. statt •^- die Zahl -o- z^- bieten.
30 V. Jagic,
allerdings ist in Rad. der Buchstabe i^ über der Zeile geschrieben.
Kum. hat v. 5 nonaA/JNn'ii statt no'k,\a6Ti«. der übrigen Texte (gr.
'/.axEO&i&i\ für l^ovGia schreiben v. 6 alle OBAacTk, und für £/ov-
atp ebenso übereinstimmend alle HiuiaTa HykTH. Für das grie-
chische 7Ci'(G7] Tthjfi (v. G) schreiben übereinstimmend Ven. Rad.
und Hval KcaKOw Uskok» BEaHEio, Rum. nur r«ahkok> rasßOK»; für
baa/,ig lav steht in Ven. Rad. und Hv. nur aipe, Rum. genauer icahko
aipe. Für Ittl rr^g TtlaxeLas v. 8 liest man überall Ha u,'tcTa\'K,
ebenso haben ib. für earavQcbd-i] alle pacnsTk BHCTk (pacnAT'K
K'KICT'K).
Es hat schon Racki auf die paläographische Eigeuthümlich-
keit dieser kleinen Handschrift aufmerksam gemacht. Betreffs der
glagolitischen Schrift glaubte er, dass sie für die Zeit, in welche
die Handschrift versetzt werden muss — um die Mitte des XV. Jahr-
hunderts — als sehr charakteristisch anzusehen sei. Die Schrift-
züge seien zwar eckig, wie man es für jene Zeit auch erwarte,
allein es gebe auch solche Buchstaben, die in dieser Gestalt nur in
den ältesten Handschriften, namentlich jenen der runden Glagolica,
vorkommen, wie ^ "8. Andere Buchstaben erscheinen wieder in
einer ganz merkwürdigen Gestalt, die man in den gewöhnlichen
Handschrift sonst nicht finde, so 36, <v, a, h (Starine XIV. 23). Diese
Bemerkungen sind richtig, nur erschöpfen sie nicht die ganze Trag-
weite der Thatsache. Nicht bloss einzelne Buchstaben, der Ge-
sammtcharakter der Schrift ist in hohem Grade eigenthümlich und
aus der gewöhnlichen kroatischen Glagolica des XV. Jahrh. schwer
ableitbar. Um die Thatsachen auf kürzestem und sicherstem Wege
zu veranschaulichen, gebe ich die beiden Seiten (Bl. 55 und 59), wo
diese merkwürdige glag. Schrift begegnet, möglichst treu nach dem
Original wieder (Facs. auf S. 21. 22). Auf S. 55 sieht man, gleichsam
als Fussnote, das Alphabet, in welchem allerdings einiges auffällt,
und zwar an Stelle des Buchstaben 3 steht ein Zeichen wie w, das
nochmals am Ende der zweiten Zeile wiederkehrt; für «p begegnet
ein merkwürdiges Doppel-Kreuzzeichen (3E), für das glagol. a« steht
dasselbe Zeichen, das weiter als w wiederkehrt, an Stelle von w
wird das Zeichen (j), das schon einmal vor fe steht, wiederholt.
Auf S. 59 steht mit glagolitischer Schrift aus dem Briefe des Apostels
Paulus an Titus die Stelle H. 12 — 13. Vergleicht man die Schrift-
züge dieser elf Zeilen mit dem Alphabet auf S. 55, so springt die
Analecta romana. 31
Identität der Schrift und der Hand in die Augen. Alle charakte-
ristischen Merkmale des dort aufgezählten Alphabetes wiederholen
sich in diesem Texte, so das aus zwei Vierecken von ungleicher
Grosse bestehende nn, so die eigcnthümlich aussehenden Buch-
staben 9b, £h, Ä, g?, -f, f, b, s, », fc, V, ^, A und j?. Die nnverkenn-
bare Consequenz des Schreibers in der Anwendung einzelner Buch-
staben ist in unserem Falle sehr beachtenswerth. Sie schliesst die
Annahme zufällig aus Unbeholfenheit so geschriebener Buchstaben-
formen aus. So verfährt nur eine in der betreffenden Schrift gut
geübte Hand. Wenn aber dem Schreiber jener 11 Zeilen die gla-
golitische Schrift gerade in der für uns auffälligen Gestalt geläufig
war, so darf mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vermuthet
werden, dass damals nicht eine, sondern viele Personen mit der-
artigen Schriftzügen glagolitisch zu schreiben gewöhnt waren.
Allerdings fehlen uns gegenwärtig Belege dafür. Man wird sie
sorgfältig aus den späteren cyrillischen Handschriften zusammen-
suchen müssen. Fürs erste kann ich nur constatiren, dass ich
weder in den echten kroatischen Denkmälern des XV. Jahrb. noch
in den sporadisch in die cyrill. Handschriften eingesprengten gla-
golitischen Buchstaben treffende Parallelen für die Schrifzüge
dieser Zeilen nachweisen kann. Racki meinte, dass dieser glago-
litische Zusatz nach einer sehr alten Handschrift eingetragen wor-
den sei. Dafür kann man nicht den geringsten Anhaltspunkt an-
führen. Der Aposteltext ist ja sprachlich von ganz später Natur,
man vergl. die Formen roBopH, HfMacTHßH'k, hhaoüoXjWP'^, no-
:khbmo, Bk HHHauiHEiitK BHii,H, B/\a>K£Hoi\\, npocBHiiicHii-k, der
Ikavismus der serbokroat. Sprache ist deutlich sichtbar. Und doch
war der ganze Schriftcharakter für einen Leser der kroatischen
glagolitischen Texte etwas so ungewöhnliches, dass es Jemandem
einfiel, denselben Text nochmals mit der üblichen kroatischen Gla-
golica zu wiederholen (vergl. auf dem Facsimile^. Ich erblicke
darin einen Beweis für die von dem specifisch kroatischen Glago-
lismus, dessen paläographische Eigenthümlichkeiten wir ziemlich
gut kennen, ganz unabhängige bosnische glagolitische Graphik,
deren Beziehungen zu dem weiter südlich (in Macedonien) einst
verbreitet gewesenen glagolitischen Schriftthum für jetzt mehr
vermuthet als nachgewiesen werden können. Der eckige Charakter
der einzelnen Buchstaben darf uns nicht irreführen. Wir wissen ja
32 ' y- Jagic,
jetzt, dass die eckigen Figuren schon sehr früh unten in Macedo-
nien emporzukommen beginnen. So in dem Pariser Abecenarium
bulgaricum, in dem sinaitischen Psalter, ja selbst im Glagolita
Cloziauus, in den Prager und Kijever Blättern. Es kommt
also nicht so sehr auf die Eckigkeit der einzelnen Buchstaben als
auf den Zusammenhang der ganzen Figur an. Unter diesem Ge-
sichtspunkte sind viele Buchstaben, ob rund ob eckig gleichviel,
dem alten Ductus der glagolitischen Schrift entschieden näher, als
dem gleichzeitigen kroatisch-glagolitischen. Das gilt für -h, %, <n..
X, F, während einige andere, wie v„ s oder noch mehr w (umge-
dreht!) uj (oben und unten geschlossen), und w ganz eigeuthümlich
aussehen. Nirgends, selbst nicht in der sehr originell ausgestalteten
Cursive der kroatischen Glagolica, kann ich irgend welche Pa-
rallelen dazu finden. Und doch darf uns alles das nicht in Er-
staunen setzen. Wir sind mit Entdeckungen und Ueberrasclumgen
noch nicht zu Ende.
Namentlich was die glagolitische Schrift betrifft, sind in
neuester Zeit merkwürdige Funde gemacht worden. Was ich noch
vor kurzem für Missverständniss hielt, steht jetzt vor meinen
Augen. V. N. Scepkin hat in der soeben erschienenen geistreichen
Abhandlung » HoBropoACKiÄ iiaAniicii Graffiti« (MocKBa 1902) neben
mehreren cyrillischen Inschriften, die in der Novgoroder Sophien-
kathedrale entdeckt wurden, wahrhaftig auch schön geschrie-
bene glagolitische ans Licht gebracht. Die bei ihm auf Tafel I.
Nr. 4 facsimilirte Inschrift ist in runden glagolitischen Schrift-
zügen des XI. — XII. Jahrh. gehalten; ich lese .aA.5^Aüo+ rffcaebog
^b§ • • • TcrsS'oS. Da auf einer anderen Inschrift mitten unter den cy-
rillischen auch glagolitische Buchstaben begegnen und zwar mit
gleicher Sicherheit geschrieben — es sind durchwegs hübsche runde
Züge — , so muss daraus auf die Vertrautheit des unbekannten In-
dividuums mit beiden Alphabeten geschlossen werden, irgend
welche kryptographische Absicht ist hier gewiss ausgeschlossen.
Dagegen ist die kryptographische Verwendung der glagolitischen
Schrift nicht zu verkennen in einer oder zwei Handschriften aus
dem Anfang des XVI. Jahrb., deren Provenienz in Bukowina zu
suchen ist. Darüber handelt eine mir durch die grosse Zuvor-
kommenheit meines Freundes Prof. Speranskij zugänglich gewor-
dene Abhandlung des Herrn A. J. Jacimirskij, die im III. Bande
Analecta romana. 33
der TpyABi ciaBniicKoil KOMMiieciii der Moskauer Archäologischen
Gesellschaft erst vor kurzem erschienen ist : Knpiw.ioßCKifi iioriibi;!
pyKoniiCH CT. r.iarojiiniecKnMii TailnoniicuLiMH :ianncaMii fS. 149 — 163).
Die Darstelluni;- lässt an Klarheit und Uebersichtlichkeit viel zu
wünschen übrig, doch für die genaue Reproductiou einzelner Stelleu
(zum Theil im Texte, zum Theil in den Beilagen) sind wir dem
Verfasser zu grossem Danke verpflichtet. Man sieht daraus, dass
in der betreffenden Handschrift in der That stellenweise regelrecht
die glagolitische Schrift, in unverkennbarem Zusammenhang mit
den üblichen gerundeten Charakterzügen, angewendet wird. Z. B.
auf einem auf S. 160 abgedruckten Streifen liest man ganz deutlich
•P+ e<n,+sb3'ü'AW3'fT3 (die Buchstaben a und v sind in der Ligatur),
ebenso ist ib. deutlich lesbar a^s fc3b»'ü'T}'c8 vwabST «,^+808. Aut
der Tafel II sind 5 solche deutlich mit glagolitischen Schriftzügeu
geschriebene Zeilen zu sehen. Der Verfasser nennt diese Schrift
MTafiuonHCb 1-ro xuna«. Diese Benennung ist nur so zu verstehen,
dass damals schon die glagolitische Schrift so wenig bekannt war.
dass sie für die grosse Masse der Leser in der That als Geheim-
schrift gelten konnte. Au der Schrift selbst erblickt man aber nicht
den geringsten Versuch, sie durch irgend welche Abweichungen
von den üblichen Formen unkenntlich zu machen. Nicht dasselbe
kann man von den Schriftzügen sagen, die der Verfasser als Tai'i-
Honncfc 2<* 11 3"^° xima bezeichnet. Das ist in der That eine Geheim-
schrift, insofern sie aus willkürlich umgestalteten Schriftzügen be-
steht, denen zum Theil cyrillische, zum Theil glagolitische Formen
zu Grunde liegen. Leider ist der Verfasser der Abhandlung aui
die Analyse einzelner Buchstaben dieser wirklichen »Geheimschrift«
nicht näher eingegangen, ja nicht einmal eine Aufstellung der
Buchstaben in der üblichen alphabetischen Reihenfolge ist gemacht
worden. Alles das muss der Leser selbst thun, wenn er die Zeilen
entziffern will. Dann aber überzeugt er sich, dass die cyrillische
Transscription des Verfassers durchaus nicht immer genau ist!
Diese »vorläufige« Mittheilung sollte also einer gründlichen Aus-
arbeitung Platz machen. Ich bemerke, dass nur ein einziger Buch-
stabe dieser Geheimschrift, das ist 3E, an die Figur 3E für v unserer
Handschrift stark erinnert.
Aber nicht genug an alledem. Ich bekam vor länger als einem
Jahre durch die Güte meines Freundes, des Akademikers Ljubomir
Archiv für slavische Philologie. XXV. 3
34 V. Jagic,
Ötojannovic, einen aus dreizehn Zeilen bestehenden Zusatz zu
einem Evangelium cyrillischer Schrift auf Pergament, vielleicht
aus dem XV. Jahrh. Dieser Zusatz enthält den Text lo. XV. 17 —
20, ist mit einer Mischung von glagolitischer und cyrillischer Schritt
geschrieben. Die Mehrzahl der Buchstaben ist zwar glagolitisch,
doch die Figur einiger glagolit. Buchstaben ist ungewöhnlich. Vor
allem der Halbvocal sieht auf der vorliegenden Reproduction wie
ein cyrillisches ß aus, der Buchstabe ^ wird umgedreht (d. h. mit
den drei oberen Strichen nach links gekehrt) geschrieben, vom
glagolit. a& sieht man nur den ersten Theil s mit einem nach rechts
hinaufragenden Strich, der Buchstabe ^ sieht wie c aus; das Zeichen
für z, ist vereinfacht aus i% : auch r sieht wie umgedreht aus, früher
der viereckige Bestandtheil, dann der senkrechte Strich. Entschie-
den cyrillisch sind in diesen 13 Zeilen die Buchstaben m, ra und k>,
dann das einmal angewendete i (in sis) und vC, vielleicht auch das
in der zwölften Zeile stehende b (in ip+/v\b) . Ich gebe die Zeichnung
dieser dreizehn Zeilen ganz so wieder, wie sie mir zugeschickt
wurde, ihre Genauigkeit bleibt zwar hinter einer photographischen
Reproduction zurück, doch soll nach der Versicherung des Einsen-
ders (Akad. Stojanovic) der Zeichner (Prof. Milenko Vukicevic) das
glagolitisch Geschriebene Zug für Zug, also auch Zeile für Zeile,
genau (?) copirt haben. Bis wir daher in die Lage kommen, eine ge-
nauere Reproduction auf photographischem Wege aus Cajuice (in
Bosnien) zu erhalten, muss man sich damit begnügen. Es sei aber
für alle Fälle erwähnt, dass die uns hier interessirenden 13 Zeilen
in einer der Kirche von Cajnice angehörigen Handschrift, deren
Inhalt der Evangelientext bildet, zu finden sind. Auf welchem
Blatt, das wird in der mir zur Verfügung gestellten Notiz nicht ge-
sagt, nur soviel weiss ich, dass die Handschrift auf Pergament ge-
schrieben ist, dass ihr Format 20 und 15.3 cm, der Text selbst 15
und 11cm gross ist, dass sie 23 Zeilen auf eine Seite zählt. Den
Charakter der Schrift bezeichnet der Beschreiber als »halbuncial«
oder aber als «kleinuncial«, die Höhe der Buchstaben wäre 4mm.
Die Sprachformen sanoBeA^*"^) ß(js,iiTi, npfJK^ve, KA3HtHi\ßHj\,(,
HtcTt, pey, HecTb verrathen, dass der Schreiber der Zeilen kein
I-Sprecher (ikavac) war.
Nach dieser den Schicksalen der glagolit. Schrift gewidmeten
Digression kehren wir nochmals zu dem kleinen Bogomilen-Büchlein
Analecta romana. 35
der Propaganda, jetzt Vatieaiia, zurück, um auch betreffs der
cyrillischen Schriftzüge einige Worte zu sagen. Nachdem mau
aus dem Postscrii)tnm weiss, dass es «in den Tagen des Herrn Königs
Toraas'f geschrieben war also nach 144:i), so wäre man geneigt,
in der Schrift den Charakter der Mitte des XV. Jahrh. zu suchen.
Doch will dieser zu den mir bekannten Proben nicht recht stimmen.
Die Schrift macht durch ihren steifschmalen Charakter einen etwas
älteren Eindruck, unterscheidet sich nicht unbedeutend von den viel
schöneren Zügen der Handschriften Hval's. Ich suchte für sie Pa-
rallelen in der gleichzeitigen ürkuudenschrift Bosniens und Herce-
3*
36 V- Jagic,
g-ovinas. ohne etwas Entsprechendes gefunden zu haben. Mau wird
erst beim näheren Studium der cyrill. Paläographie des XV. Jahrh.
in den südslavischen Ländern auch diesem Büchlein die richtige
Stelle anweisen können. Um für dieses Gebäude der Zukunft einen
Baustein beizutragen, sind hier aus dem Büchlein (neben der einen
glagolitischen) noch weitere vier Seiten genau reproducirt worden.
Unter den einzelnen Buchstaben mache ich auf a wegen der sehr
hoch angebrachten Schlinge, auf ^ wegen der schon an die Cursiv-
schrift erinnernden, über die Zeile hinausragenden Curve (nicht
immer), und auf die Buchstaben ik, 15, p, Ö, h, deren jeder etwas
EigenthUmliches zeigt, aufmerksam. Der bosnische Charakter gibt
sich durch den Mangel von ra, \e, ki, k» (selten) und durch die An-
wendung des f» kund.
V.
Im unmittelbaren Anschluss an die in Kom gesammelten No-
tizen will ich einer kleinen Entdeckung erwähnen, die ich schon
nach meiner Rückkehr in Wien in einem Laibacher glagolitischen
Codex machte. Das ist das Laibacher Breviarium II C. 163 a 2,
aus dem XV. Jahrb., es enthält das Proprium de tempore, das in
üblicher Weise mit dem Vorabend des ersten Adventsonntags be-
ginnt. Auf Bl. 27 dieses Codex liest man zum Tage der Geburt Christi
(also Weihnachten), aus dem bekannten apocryphen Protoevange-
lium Jacobi herausgehoben, ein Stück der Erzählung, sagen wir
christl. Legende, das nach Thilo -Tischendorf 's Eintheilung den
Capiteln XVII — XX entspricht. Auch in den cyrillischen Texten
kommt dann und wann dieser Abschnitt, der von Christi Geburt
handelt, abgesondert unter dem 25. Dec. vor. Das hat also nichts
Auffallendes an sich. Dagegen ist es höchst merkwürdig, dass
dieser offenbar auf griechischer Vorlage beruhende Text, dessen
Einschaltung in das Fest der Geburt Christi nicht durch die latei-
nischen Vorbilder hervorgerufen wurde, aus einem slavischen litur-
gischen Buch, ob glagolitisch oder cyrillisch gleich viel, entlehnt
und in das katholisch-glagolitische Breviarium eingeschaltet werden
konnte. Es wiederholt sich somit ein ähnlicher Fall, wie ich ihn
bereits in der Beschreibung des glagolitischen Missale Hervoja's
betreffs einiger Taufgebete nachgewiesen habe. Ich gebe zuerst
den glagolitischen Text in der cyrillischen Transscription wieder.
Analecta romana. 37
XVII. 1. I'ia A'h" '''*"•• K HflKf KC\-OTlv PK pO,V,HTH Cf
IIA'THIO ha 3fM,\M. Hut^fAK rJKpHAK KMK IIOCAaHk R'^K'kCTM
.VKli M^hTh OKpOy'Mf H'k k OCIUlOy -RKO O H» HMaTk pc»,v,"'i'M
— '»1 ■'' ■ — ■ ■ — ■
c( TK. ;iaHkn UJM 7Ki ni k HpkKlv o ;k,\-a cra h Hfiipa.^.v "'•^
cc»Yi|iH. H3H,i,e iiOßEA-kHHE 0 aKTOifCTa Ktcapa HanHcarn ce kchi
KCfAfH'kH. PfME OCHRK- Cf i\3h HanMCaK» CHH MOlv • CfH 'A{(
OTpOKOKHII,H HTO CTKOpOV ' KaKO HailMIllOY K> , IKEHOV AH CfR'k:
na cth;k,v,k» a (k. ,\h\ih)' ah um; na Kf,vn'k cmk« H3i\KH. 'kKO
irkCTk MH A*LM" ^f A""* •^"•^ A^^ CTKOpHTk 1vK0>Kf \'C»l|ieTk.
2. G« IK6 pfKk cca^aa (sie!) ocae h Rca,\H k>- h Rf^-kiiie w cnk
ero -kKOKk- cff.iHOUk ikj nc»CA'k,\OKaiiJf. II^IvYov' >ki h3' rpa,\,'^
Ha3apaTa k rpa;k,'k Rirr koMk • ^a HaniicaAH ce rhuij. Kk\'c»\'
ßo 0 ,v«?MO\' AARH^ORa. IcrctJKf H rpa^' ra rarr' c«. Ilp'k-
uiaA'ii'ff-' "'♦^f HMk Tpii npaiipHi|ia. OK'paiii' ce ocunk ßn^'k
uapHw Tpc»v'\'Aov'. H pMf e,\,a KaKO coyiije« r «"kH Tpo\,'JK;i,afT^
K». naKH JK6 OKpaiii' c« RH,\,'k K> cykKMiJOV' ce. H ptMe- MpHf
HTO cf fCTk, 'kKO AHii,« TßOf ßHJK,\K> CßOr^A 'rpo\f\''^'^'*, ORor;i,a
:Ke cr.rkKM|i« ce. Ptne fuoy ypHlv* 3aHe 'kKO ,v'R*^f ak»,\,h
RHJK,\,IO- f^HHH flAAMOrilJH C(, i\ ApOyrHf RfCfAflJJf Cf. 3. Vßt-
^wipt 'A^e np-kH.vov; ,\,o cp'k;i,H norTH- h pn« MpH-k ka ochiiov;-
caca,\,H MC na (sie! lies ca) ocAfTf IvKC* coviiiee ra ühIv Hoy-
;i,HT^ Mf H3HTH. OcHR JKE C'ca^H K» H pfM6 f H • Ka.A.'k Ti HMaillk
RKTH H CKpUTM Tf ; 'kKO M'kCTO CH« HO^CTO fCTk.
XVIII. 1. ÜRp'kTf }K.( AKHt TOy ßp^TARk H RAßf^C 10 T0\'.
H npiiCTaßaAk Tor chh cßO'k, HSii^e hckath eakh «Rp'kA-
HHHE 0 RHTA'kOMA. 2. Ü3' /KC OCHIlk X'!>A,e YOIK^AYk H H«
TpO\i'/KA'»\' ^^- ß^P'l^ß '*^* "^* yCK<:>, RH.V'lvYk KpOl':KfHHf HKCKOE
CTO£l|l«- H npOMA'k 3HI\,HHirk lUHOTA RH^-k^k.
XIX. 1. Ilo CH\- }K( speßk ßH;k,'k\-k '/KfHoy «Ttpoy c^o^«-
IjlOV" C rOpH H p«M£ UH- HAR'kM« KAMO H^f lUH ; H P'kyh (»'
KAKH «Rp'kAHHH« m\lC>\' . OR'kljlAlOipH IK£ pEHf MH • 0 RHTA'kO-
UA AH £CH ; H p'k\*k k' H'kH • (H. H pfH« KA M^R-k ' KA-fc 6CTk
pA»;,l,A|lOL|IH'b BA ßpT'n-k. H pk\-k tH- OKpOVHfHA-k MH JKfHA"
- T
HA H-kCT' MH IKfHA. GfMOV' IKt «JK« pA:KA'»fTk CTO 0 A'^VX''^
CTA 3AHeTHf HMATk. H p£Hf KAKA* Aljlf 0\'K0 Cf R p'kCHOTOy;
38 V. Jagid,
H pfMf OCHRk- rpe,\,H It BHJKA«»^ H^li >Kf CA OCHIIOMK EAEA.
1: M cf OE/\aKK cB'kraAk cra wa^ Bp'(T)noLik m cß-kTk Kean
ßCH'k Ka KjfT'n'b 'Ukc» OMHiuia m6 rp'n-kTH. H ptne KaKa- k3B«-
aH(MH) ce A<^V*"^^ '^^''^ J^^^' '^^'^ cnceHHf bc«mc»y LiHpor po^H ct.
npHiiia.v'uiH ;kj Kana bh^'S Liaa^Rn^^U,!^ caco^iiik cacai^k ivipHf
LiaTfpf CBC>£. H B3anH rawLiJH- BeauKk ecTk üHli ,\,aHk A^^HCk,
tKO BHA'k\'k MO\'A<> HOBOf. 3. H HBH.i,^ "3' BpV^na CABCqJH Ba.
rpeAO\j'ijiH iKe cp'Rre caaoiuiu ii p«Mf jh- caaoLiu caaoMk.
HOBOE Hor,\,o iiiuiaiuik TH noB'kA^T'H. ,\Ba po^H, eroiKf h« B'iui'k-
Ljjan'k i'liao «f. PfMt lue caaoMk- M^HKk rk Ba (sie, lies Kk),
-kBO aijjf HE paso^MliK» 0 cay^yk behjh, he HMatJk BtpH -Sth-
ivKO J^A pc»;\,Haa Ba.
XX. 1. Oo'bM'mH :k£ k» Kaca B3BpaTH ce c hek». h npHUi^'-
ujH k' rJiapHH pEME- oKpHH CE, HE iiiaaa KO r.iH Tov'ra naaEiKHTk
0 TEB-fe. IiH.Ä,1iB'uJH >KE CaAOMk ypHW> Ca CTpOHETEIllk, b'cKAHK-
HOy rÄK»qJH' aiOTt BESaKOHHW MC»ErJIC»Y H HEBlipC»BaHHK> ftlOE-
. . T T
MOY' '^'^*^ HCKO\fCH\-k Ba ^HKa. H CE po^Ka yo'S ona^aETk o
IVIEHE. B-K BC HHErAC>V HSHEyor'UJM pOXfKCW. 2. Op'RKAOH'mH
:ke BOAlin"!; homcah ce k' BAa^^HH-R takil^ih be oi^k MOMyk.
\mi\ (lies noMHAOYH) iuie 1vKo cUme EcaiJik aBpaayaE h hcakobae
H RKOBAE. HE OB'aHHH IUIE Mpt^' CHH'IUIH H3ABH • HA B's'BpaTH
IUIE B' HHL|JHMk, HIllMJE HMEHE TBOEPO pa,\H lltvAEHH-R TBOpH\'k.
a iims'ah i^'c»ee 0 tebe MascijJH npH'kTH. 3. H aBHE npHCTa
aHt^k rÄE EH CAACMk CAAOlUlk, OyCAHUJa rk Bk tJIATBk TBOW.
npHHECH pOrBOy TBOK» k' OTPOMETH H HCI^-SA'IvEUJH- H BO\f^ETk
TEB'R ChTeHHE. 4. Ge >KE CTBOp'UJH CAAOMk C pa^C^CTHIO BE-
AHEK» 3'kAO, ABHE HCU,'kAlv H HOKAOH^IUH CE OTpOMETH H3H,\,E
H3' Bp'T'na onpaB,\aHa. \\ ce raack e-S b' HliH ra«* caAOOk
cAAOiuik- HE b'sb'Scth -kjke bh;i,1v cABHa-k ,v,aHCk ,.i,ohV\ejke
BHH;i,ETk OTpOKk Ca B' EpCMk.
ü-Ryoi' iKE H nacTHpH b tohjk,a,e cTpaHli KA^iP* " crp'S-
roripE CTpaJBE hoijj'hhe o CTa^^R cBOEiuik. flntiAk rnk craBk
npH HH\'k, B3B'kqja£ Hiuik ncpot^EHk MAa;i,Hau,k. BH£3anc>\j' ike
•kEH CE lUlHCt/KaCTBO BOl^kH HBCBH\-k YBAEHinyk BA H pEBOy-
Analecta romana. 39
IjUiyK- CAKa lia KHiirHM\'K ROV H \U\ 3m7\II MHpK U M<\K^'k\-K
KAroßACHirk. Tu ;kc rii iiom.
Ich glaube bereits in den »IlaBiexia« der kais. Akademie in
St. Petersburg Band III, S. 3 15— 338 (SA. unter dem Titel: KpiiTii-
MecKia 3aMiTKH kt. c.iaB;nicK03iy nepeßojy AByxT. aiiOKpHa'iinecKiixi.
cKasaHifi) nachgewiesen zu haben, dass unter den verschiedenen
slavisehen Texten des Protoevangelinms die in den ]Makarins-Me-
näen erhaltene Rcdactiou der ursprüugliehen Uebersetzuug dieses
Werkes am nächsten kommt. Selbst jener mittelbulgarische Text,
den ich in der besagten Abhandlung zuerst zur Vergleichung heran-
zog, obwohl er schon zu Ende des XIII. oder am Anfang des XIV.
Jahrh. geschrieben wurde, ist im Ganzen genommen der ursprüng-
lichen Fassung nicht so treu geblieben, wie die in Makarius-Menüeu
erhaltene Form dieser Legende. Fragt man nun, wie sich das vor-
liegende Bruchstück dazu verhält, so wird man eiuigermassen
überrascht von der Thatsache, dass dieser glagolitische Text ent-
schieden näher steht der russischen Makarius-Redaction der Le-
gende, als jenem serbisch-sloveuischen, von Novakovic in Starine
B. X herausgegebenen Texte, mit welchem der bulgarisch-sloveni-
sche, von Prof. P. A. Lavrov abgedruckte (AnoKpiM'iiqecKie TeKcxLi.
CIIÖ. 1S99, SA. aus CöopiiiiKT, B. LXVII, S. 59—61) beinahe wört-
lich übereinstimmt. Diese Thatsache nenne ich überraschend da-
rum, weil man erwartet hätte, dass das besagte Bruchstück, wenn
es in späterer Zeit in das glagolit. Bre"viarium Eingang gefanden
hätte, in seiner ganzen Fassung jenen südslavischen cyrill. Texten
dieses Apocryphs gleichkommen würde, die uns in den Handschrif-
ten des XV. Jahrh. fed. Novakovic- und Lavrov) erhalten sind. Statt
dessen können wir constatiren, dass der glagolitische Text in man-
cher Hinsicht der griechischen Vorlage näher steht, als die genann-
ten zwei südslavischen, und dass man seinen nächsten Verwandten
in Russland, in der Makarius-Redaction wiederfindet. Alles das
wirft ein merkwürdiges Licht auf die Provenienz des Bruchstückes
in dem glagolitischen Breviarium. Ich bin nicht abgeneigt, seine
Einschaltung in ein liturgisches Buch, in welchem sich vor allem
der Inhalt der lat. Breviarien abspiegeln sollte, in sehr frühe Zeit
zu versetzen, spätestens ins XIII. Jahrh. Wahrscheinlich stand es
unter dem 25. Decemb. schon in jenem cyrillischen oder, was an
sich nicht unwahrscheinlich wäre, glagolitischen Buche (etwa Me-
40 V. Jagiö,
näum), aus welchem bei der Zusammenstelluug des Proprium de
tempore für g-lagolitisch-katholisehe Zwecke des Breviariums einiges
bereits vorhaudeue Material verwerthet wurde. Dass die zweite
Hälfte des Protoevaugeliums Jacob: auch in cyrill. Texten unter
dem 25. Dec. begegnet, was ich schon oben sagte, hat Prof. Spe-
ranskij in seiner Monographie constatirt. Die Beziehung dagegen
des ersten Theils zu dem 8. Sept. haben selbst die griech. Texte
dadurch gekennzeichnet, dass sie die Ueberschriften tragen : löyo'^
iOT0Qr/,bg eig to yeveGtov rT]g v/rsgayiag d-eorö/.ov (cod. Paris. F.
oder dg xo ysved-Xiov rfig vtt. d-. (cod. Paris. E.Vindob.) nach Thilo,
in dem Dresdener Text (nach Tischendorf p. XXI) steht auch der
Tag : ^sTTXBvqUo rj. In der That wird auch in dem mittelbulgari-
schen Codex, den ich genau beschrieben habe (Sitzungsberichte
B. CXXXIX, 4*^ Abb.), diese Legende in den Monat September
zum Geburtsfest Maria gesetzt.
Die nachfolgenden Bemerkungen sollen das Verhältniss des
glagolit. Textes zur griech. Redaction und zu den verschiedenen
cyrill. Texten besser beleuchten.
XVII, 1. Die einleitenden Worte ßa a'"" *^"m entsprechen
den griech. iv öh xalg i]f.i€Qccig e-Asivaig Vatic. A. (nach Thilo, bei
Tischendorf F**); dagegen die nachfolgenden Worte ß HfJKc bc^otIv
bis HfiipasA'Hli coxfMJ") eine Art Recapitulation der vorausge-
gangenen Ereignisse, kann ich weder durch griech. noch durch
slavische Texte belegen. Wann sie in die Erzählung eingeschaltet
wurden, ist schtver zu sagen.
— H3H/i,6 noBCAl^HHE entspricht dem griech. Text y-elevoig öh
e^r^?,d-e oder ö6yf.ia de e^rjl&s — die übrigen slav. Texte schreiben
B'kicT'K {lyevETo). Die Wortformen aBrc»\fCTa KEcapa verrathen
deutlich die griechische Vorlage dieser Legende.
— HanHcaTH et bceh bccaeh'Kh hat ebenfalls die Autorität des
griech. Textes äjtoyqdcpeod-ai (näher aTtoyQÜipaod-ca) näoav x)]v
oiy.ovt.ievrj'}/ Paris. A. (bei Thilo) für sich. Die cyrill. Texte folgen
der anderen griechischen Redactiou : ndvxag xovg ev Bt]d-l€e{.i xfjg
^lovöalag.
Der Dual chh luitMi (lies ckihtu imora) ist ganz genau, denn
wenn auch an dieser Stelle im griech. Text das Wort öüo fehlt, so
steht es cap. XVIII § 1, nach derselben Vaticanischen A-Handschrift
bei Thilo, die vielfach mit unserem Text nahe verwandt ist. Der
Analecta romann. 41
Verbalturm HaiiMcaio entspricht ganz so im Text des Makarius
HaiiMcaio, sonst haiihiiia;.
§ 2. Rf^vUiuf 10 — so liest man im mittelbnlg. und in mehreren
russ. Texten, während der serbische bei Novakovic und der l)ulg.
bei Lavrov Ko;K,v,i»aiiit Ko;K,\,iUiit; haben, auch der Accus, w fehlt
hier. Der Name des ►Sohnes, der als führend gedacht wird, ist
.lacobus, der nachfolgende heisst OtMiioMk: diese beiden Namen
begegnen auch im griech. Text, nur sind sie in Vatic. A. beide als
nachfolgend dargestellt: /.al '[cr/.coiiog y.ai ^vustür l7tt]y.oÄov0^ouv
i(vr>i 'nach Tisch, steht diese Lesart in drei Handschriften). Den
ll'IvKOKk linde ich sonst in keinem slav. Text, dagegen steht ()n-
üfU'HK (oder OhMfOH'K) noch im mittelbulg. und in den russischen
vergl. meine Kpirr. 3aM. § S), während der serbische Text bei No-
vakovic und der bulgarische bei Lavrov nach einer anderen griech.
Lesart GaMoynAk haben.
Die Worte h,v1v\'0Y iKi bis rpa,v,' Ta rA«T' et sehen wie ein
erklärender, später eingeschalteter Zusatz aus, den ich weder aus
tlen griech. noch aus den slav. Texten belegen kann.
— np'kiiia.v'iiicMk jkc HMk steht, wenigstens was die Wahl
des Verbums anbelangt, dem russ. npfH,v,oiiia näher, als dem serb.
(ion,v«Miif, bulg, noH^vouiA;; der griech. Ausdruck ly/yioav weicht
von beiden slavischen Verben ab. Das nächste Particip OKpaijik ce
tindet seine griech. Bestätigung in argacpeig DF"'Pos (nach Tisch.)
und kommt ebenso in allen slav. Texten vor.
Sehr merkwürdig ist das Adjectiv Tpc»\'\'Ak statt des altkirchen-
slav. ,\,p/Ä\'i\'k, das serbisch ^vpeyAk lautet; der Ausdruck ent-
spricht dem griech. Adjectiv OTvyvog. Dass im kroat. Text statt
;i,p/i\\-A'k das Adjectiv Tpc»v'\-Ak geschrieben wurde, das scheint
eine Verbesserung des kroatischen Schreibers zu sein; während
ihm ,i,pf\-Ak nicht geläufig war — im Kroatischen ist nur dresel,
dreselje für tristis, tristitia wohl bekannt — ■ erreichte er durch kleine
Aenderung das Adjectiv Tpo\'\'Ak in der Bedeutung »gravidus«,
vergl. Tpov-\-AA foeta, davon hatpoy\-ahth gravidare, diese Be-
deutung stimmt zur Situation an erster Stelle, nicht jedoch an
zweiter Stelle, wo von ahii.« Tpo\f\-AO die Kede ist. Der serbische
und bulgarische Text schreiben an letzter Stelle cRtobhc», wodurch
wieder eine Abweichung dieser Texte von der ursprünglichen Ueber-
42 V. Jagid,
Setzung-, die au beiden Stelleu denselben Ausdruck hatte, constatirt
werden muss.
— (ji,A KaKC co^MJ** ^ "''^" Tpc>Y;K,4,i\6T' »c» stimmt wörtlich
zu den russ. Texten, darin spiegelt sich die griech. Vorlage Yocog
rb iv ainji ov xeuiaLet avTVv; im serb. und bulg. Text ist das
Verbum Tpo\//KA^*«T' ^ ersetzt durch c'KM;hi4JaeTTi.-c'Kiuioiri|jan'K.
— CKor,\a Tporx'AO, CKorAa jkj cy'RKM|je et deckt sich wie-
der wörtlich mit dem Makarius-Text, entspricht dem griech. Tiovi
aev OTvyvov^ norh de yelCov (diese zwei Ausdrücke allein kommen
in mehreren griech. Texten vor); dagegen im serb. und bulg. liest
man oßc»r,\,a oyKO cIvTCkho Oßcr^\a jk« pa^vocTHO, also eine Ab-
weichung von der übrigen Uebereinstimmung.
— 3a Kf raKO ist eigentlich eine Doublette, im serb. bulg. nur
raKO; cud. ohne jede Conjunction.
— das fehlende np1i,A,b. OHHMa iuiOHiuia (griech. Iv rolg dcpS-al-
f.iols i-iov, auch ohne m könnte eine zufällige Kürzung sein, es
kann aber auch darum fehlen, weil nach Tisch, auch im griech.
Codex dieser Zusatz fehlt.
— AP*^V"* BfCfaH|je et, im Makarius-Text AP- pa,Ä,c>VK'^l^'^C'^
H BfceA/Äi|ja, nach dem griech. yaiqovxa -/.cd aya'kluof.iEvov] andere
Texte ciUllihMptCA nach dem griech. yf-lCovza.
3. A*^ cpUAH nc>\j'TH, andere Texte no cp^A" no^cTH, im
griech. begegnet ebenfalls neben tv rf] f.iiarj böq) noch dra {.leoov
Trjg bdov oder -/.ara ro /.laoov r^t; bdov; serb. und bulg. Text lesen
AC» noaoY no^TH.
— cacaAH Ui ca ccafTf, so auch russ. Texte, serb, und bulg.
bloss CKcaAH ut (ma), im griech. steht a/ro r-^g ovov, doch in der
sogenannten Vulgata fehlt dieser Zusatz.
— co\fi\iii Ka lUiH'S (cud. c\'i4Jff ko mh1x) entspricht dem
griech. rb iv if.ioi ov (den Zusatz bv geben nach Tisch, drei Texte),
die Lesart i€>Ke Bk mh1v (serb. bulg.) gibt das einfache rb iv if-ioi
wieder.
— HC»YA"''' ^^} so auch die russ. Texte, griech. ineiyei iis.
aber serb. bulg. noHO^JKA^^ieTk ce (iioha^jka^etc/ä) , offenbar
für irceLysi ohne f-ie, in intransitiver Bedeutung.
— H3HTH haben alle slav. Texte, griech. i^£?.d-6iv oder auch
TtQoeXd-elv, nur nicht rtQoael^Elv.
— H CKpHTH Tf stimmt zu cud. CKpKITTv, SOloV. CKpKITb Und
Analecta romana. 43
iiiakar. noKpKiTii t^a, kann dem ii'riecb. /.cd y.a/.vilK-) oder y.orilio
oder a/.e.rc'cdC'j entsprechen, im serb. und bulg. rk i€:Kf iiokpkitii
cTOV'.VK steckt eine andere griechische Lesart: a/e/r^ffw {gou) ttiv
'iiayvvr^v.
XVIII. I. Für das griech. otd'i'Icuov schreibt unser Text nebst
den russ. k^ktkiik (oder KpKTank), der serb. und bulg-. dagegen
napcpa. Für Ttagearr^ae, oder noch näher nach der Vulgata Tta-
n(cor)]aag, steht im glagol. npHcraKa/ik, in den russ. Aor. npH-
cTaiui, dagegen serb. und bulg. ocTaiin.
— n3H,ve HCKaTH, SO auch im Mak.-Text, entsprechend dem
jiiech. l^t]/.^£v ^rjfjaai (so bei Thilo der Haupttext), serb. u. bulg.
llOH,V,f HCKaTH.
2. \'o,i,£ x-ojKA^yk H m TfiC>y:K^\,\\K et, nahe dem Mak.-Text
\'OJK,\a\'k H i\( \'o;K,va\'k, im griech. Text ist TteQLrcarCov und m-
(jis:ichovi' nachweisbar, doch nicht beides in einem, wohl aber
doppelt das Iniperfect TisQLETtäxovv -/.cd ov ^EQisTtdrovv, cud.
fi,v,'KiH H Hf H.v^\"K. Für das He TpoYH;,i,a\'k a finde ich keine
Entsprechung im griechischen, wohl aber im serbischen und bul-
garischen H3HfM0r0\'k !
Im weiteren Verlauf ist der glagolitische Text stark gekürzt,
nach Kpov'iKfHHf hkcko« cToeijif, wofür in cyrill. Texten Kp;s\r'k
HEBCHKiH CTCtAi|ik stcht (entsprechend dem griechischen rbv tcö'lov
Tov ovQavov iarüjTa, nach Thilo), fehlt alles weitere, zusammen-
gefasst in die Worte h npona't snaüeHH-fe UHora ßH^vtyk. Kein
anderer slav. Text ist so gekürzt.
XIX. 1 . BH;i,1vYk jKfHor entspricht der griech. Lesart eldov
yvvcdy.ce^ so auch die übrigen slav. Texte.
— c ropH : aTTo ri~g üqelvy^q, daher im Mak.-Text ot^k rop-
Hki/ft, andere schreiben Plural OTk ropHkiyk (serb. bulg.) oder
c ropHHU,/ft cud. solov.). Mit dem glagolit. stimmt am nächsten
überein der mittelbulg. Text HC\-o;k,;sii|j/Ä;*i H3k ropki.
— o BiHT/\1;oMa, im griech. l^^IoQca]?., so auch die cyrill.
Texte, die zum Theil (C tp^ia schreiben ; die Abweichung des
glagolit. Textes steht vereinzelt.
— Ka1v ccTk paH;;i,aM>i|JHlv ganz nach dem griech. rig Igtl i]
yevvwGa, russ. Texte setzen kto für Ka'b, serb. und bulg. kürzer
KTO fCTk Kk KpkTH'fe.
44 V. Jagic,
— n.\ irkcTK ui\ iKtHJ, Ciid.- imd Makar.-Text h hIvCtk um
iKfua; im griecli. als Fragesatz, demgemäss auch im serb. u. bulg.
H H-SCTk AH TH IKfHA.
— cfiuior >Ke r,K,( ßA^i^^MTh cto, diese Worte scheinen ein
Zusatz zu sein, der weder im Griechischen noch in den slav. cyrill.
Texten nachweisbar ist, dagegen die Worte c>Tk A^V\'** ^'^^^ sanf-
THf nyaTk stehen in cyrill. Texten nur in anderer Reihenfolge :
3a Hf saMaTKf HiuiaTK 0'i"h. ,v\'a cTa, so auch im Griechischen.
— Amt oxfKO c( ß p'kCHCTO\', nahe übereinstimmend mitMak,-
Text M]it et OlfKO KC» HCTHHOY (cud. ßO HCTHNOXf C6 l€CTk), UUr
der Ausdruck p-kCHora ist durch HCTHHa ersetzt oder umgekehrt.
Im Griechischen tovvo uh^d-eg, darnach im Serb. et hcthhho ah
WXTh.
2. H CE OßAaKk Cß'kTAAk CTA Ha^' KpkTkHOIHk H Cß'tTk
ßfAH ßCH'k ßa ßpVn'k — ■ ganz so im russ. cud. makar. und solov..
während im griech. (nach Thilo) : -/xd eonq er rcp röircp rov 07i\]-
lalov (mit Joseph als Öubject) /mi rjv i'scpfh] eitia/.idi^ovaa In), rb
G!Ti]lcaov, doch führt Tischendorf aus seinem Hauptcodex A, den
er jedoch hier nicht befolgen will, folgenden Satz an: ytal ecpdvt]
tpCjg i.ieya iv tcJ) 07rr^?Mi(i>, offenbare Vorlage der slavischen glagol.
und russ. Redaction.
— 'kKO OMHiuia He]Tpkn'kTH entsprechend dem griech. ojare
Tovg öcp^alfioug iii] cpsQsiv, im serb. und bulg. abweichend raKOJK«
OMHiuia H« MoqjH 3p1vTH ; russ. Cud.-uud Mak.-Text stimmt mit dem
glagol. überein.
— Der weiter folgende Satz ort slöop bis Tcaqädo'^a ist im
glagol. Text ausgelassen, aber auch die russischen Texte (cud.
solov. makar.) sind hier kürzer.
■ — Für OiiJT)]Qia top 'loQarjl h/evvTi]d-rj steht im glagol. und
Makar.-Text i€KO chcehhe ßccmior luinpoxf po,A,H cf.
— npHUiAA'LUH JKf Kasa ßH.v'k MAa,\, 'kHaii,k cacoyMJi^ cacaH,k
MpH£ lUiaTfpe CBOe ist eine abweichende gekürzte Wiedergabe
dessen, was in den russ. und anderen cyrill. Texten ausführlicher
und dem griech. Text näher entsprechend dargestellt wird.
— H ßsann rAtoipH, so auch die russ. Texte, entsprechend
dem griechischen: xca äveßö}]oev [fj (.lala) Y.al eItcev.
3. H H3H,i,6 H3' ßp^THA cAaßEi|JH BA, die beiden letzten
I
Analecta romana. 45
Worte auch in den russ. Texten, doch weder im griech. noch im
serbischen — also auch in dieser Kleinigkeit spiegelt sich der enge
Zusammenhang des glagol. Textes mit dem russischen wieder.
— rpf.V'^V'l'" 't^f cp-kTf caAOMK — im serb. H3'Kiiik,VKiiiH
ov'RO OT'K iinjKpKi KaKa 11 cpk're rov; caaoMH, entsprechend
dem griechischen, während die russischen nur cpIvTf 10 caaouira
(oder cpIvTf h caAOMHii cud.) bieten.
— HOKOf Mio,v,o, so auch mittelbulg., Cud. und Mar. Text, nach
der griech. Lesart des Vatic. A. (bei Thilo) y.uiv6j> 00t ^avua tyw
dn]yrjoccGd^c(t, daher auch in der Fortsetzung HHiaMk th noB'k,\aTH,
dagegen serb. und bulg. schreiben hobo BH^'^Hlt nach der anderen
griech. Lesart x«n'or — O^laua.
— «roiKf Ht K'u'ki|iafrk r-kao «f, im mittelbulg. und Makar.
Text «rojKf Hf ßMlxcruTh r'kao, in Cud. Solov. durch Versehen
iroH^f HKC» Hf r.U'kcTHTb, im serb. und bulg. statt T'kao steht das
Substantiv »ecTkCTKC» i€f, gr. (pvotg ainr^g.
— In der Antwort Salome's steht ai|if h« pasoyiii'kK» 0 caulJYK
BfijiH, ganz so wie im Mak. Text; Cud. h« pa3. ßfi|in cfH, Solov.
dasselbe, nur im Genit. KeqjH cia, dem griech. Text entsprechend
nach F^ (bei Tischendorf) lav fxi] v.aTavoyjGio rrjv rpvaiv avzrg. Im
serb. und bulg. nur ai|if h« lunK.voy.
— HC HMaMk K-kpH 'kTH, SO auch Mak. Text, gr, ov iil .rio-
T€vato, im serb. und bulg. Ht hü;^ Klipki, so auch cud.
— 'kKO ^V'^Ka po,\HAa bh, ursprünglicher in Cud. und Makar.
Text raKO ,\,'kBara po.VH, im serb. und bulg. fehlt dieser Zusatz.
XX. 1. Die einleitenden Worte no-kr-riuH /Kf k» kara B3BpaTH
C( c HfK> fehlen in allen Texten, auch im griech. sind sie nicht be-
legt, man kann sie also als einen erweiternden Zusatz des glagol.
Textes auffassen,
— H npHUJb^vi^uiH k' MapHH ptHf, soust Ist BHH^f die üblichc
Lesart: /.cd tloff/.&tv^ es gibt aber auch /.cd eiasXd^ovaa.
— OTKpHH Cf, so auch makar. cud. und solov., nach dem
griech, ayj]uc(Ti'jov GeccvTrjv; wie das im Mittelbulg. später corrigirt
wurde, das habe ich a, a. 0, S. 21 angegeben. Im serb. und bulg.
fehlt der ganze Ausdruck, weil die Erzählung gekürzt worden ist.
Ebenso fehlt im serb. und bulg. die Fortsetzung h« Maaa bo oh
Toyra naaf/KHTk 0 TtRlJ, die mit Makar. Text genau überein-
46 ^- Jagic,
stimmt. Cucl. und Solov. etwas .abweiclieud iif luiaAa ko üh tx^fa
Hi\ reKU. Der griech. Text würde lauten: ov yaq i^iixQog aytoy
7r£^r/€trat{vielleiclit eher nach der Lesart: iTtixsiTai) ^loi ^reQi gov.
— Die weitere Erzählung lässt einiges von den griech. Einzel-
heiten aus und schreibt zum Ersatz: KH.^'Rß'ujH •A^.t caAOMk luipHK»
Ci\ oTpoMfTCMb, im Makar. Text h bh;i,'6 k> caa., cud. und solov.:
H Kii.V'feKiiJH CtiA., aber die Worte mapHK» ca orpoMfTfML fehlen
überall.
— ß'cKAHKHO^j'' TAHM^JH, SO auch Mak. Text, griech. aviy.qaS,ty
(oder e'/.QuvaEv) Xeyovoa.
— AW>T1C Kf3aK0HHH> IUIC>eillO\f H Htß'KpOKaHHK» MCfLlOY: Mak.
Text ganz ebenso, cud. nur mit dem Unterschied HEBt:pkio, solov.
in anderer Reihenfolge, serb. und bulg, anders: rope KesaKOHJK»
LioeiiiiOY H rp^yor luioemoij', griech. oval rfj avof^ila f.iov -/.cd rfj '
uTiLOria /.lov.
T
— OTnaA<»£TK c» IU16H6, so auch makar. cud. und solov. nach
dem griech. ccTcoTiiitrEvca ccti laov^ ganz anders im serb. und
bulg.: (po^Ka MC»ra) KfSA'l^'^H^i kmctk otu uuu.
— K'fe ECt HHerAOY HSHfimor'iuH poxfKOio, diese Worte sehen
wie ein erklärender Zusatz aus, der in den übrigen slav. Texten
fehlt und auch im griech. nicht nachgewiesen werden kann.
2. iip'kKAOH'LUH, ganz so solov. und cud. (npcKACHbiiiw wohl
Druckfehler, falsch noKAOHiuH Makar., neuere Form im serb. np-S-
KAOHHßUJH, im griech. vSkivaoa [xa yövara).
— Hf OBAHHH Ui np-R^' chh''mh H3ABH, SO auch in den russ. «
Texten, im griecb. (.u] .cagader/LiaTlo/js /.is Tolg^IaQai]l, der serb. "
und bulg. Text geben eine andere Uebersetzung dieser Phrase: j\,a
He nocpaMHuiH ut r-k CKiHO\-k ncpan/\fß'k)CK.
— Ha BSBpaTH ME k' HHi|jHMk, SO auch makar. und solov.,
nach dem griech. alUc ditödog f.i6 rolg 7t6vr]otr, falsch ist im serb.
und bulg. Hk ,i,apo\'H me hhi|jihiuik.
HIUI'/KE HMEHE TBOEPC» pa^H H.'SaEHHlv TBOpHY«», SO aUCh
Makar.-Text (nur mmehemk tbohmk), nach dem griech. (Paris. C.
bei Thilo) : olg ov oiöag, öeOTtOTa, ort rcp a^ dvöiiavi rag dsQa-
yTfi/ag ii-iov) ETioiovv (in unserem Text ist b1jch ausgelassen). Eine
andere Uebersetzung verräth der serb. und bulg. Text: H^kiKE
ßtCH raKO 0 HMEHH TBOEMk BpaMEBCKaa A'^'^X'*-
Analecta romuna. 47
1
— A r.K\3.v,H MOff 0 IHK MahM|iii iipiikTH, tud. iiiak. imd
-ul. M3A0V' UOK« Mt\K« OT'K TfK6 np., im griecli. HUI" /at roj' (.iLoiyöi'
itov naoli öov i)Mii<iavov^ daher im serb. und bulg. : h mk3,\ov'
nOIO tip1v,V,K TOKOK» l1pllEMAM\'k.
3. iipncTa at^iiK, mak. ciid. iipHCToyiiH anr/Xi*, aber serb.
iip1i;»,CTa, griech. tTiiavi] spricht für die Ursprünglichkeit der glag.
L'ebersetznng
— iipMiiKii poyKOi' TKOK», SO auch ciid. makar. solov. nach
dem griech. .tQooersy/.t; im serb. und bulg. kochh c€ poy'KOV'
CBOEio. Das nächste Verbum -/.cd ßciora^ov avrü ist weder im glag.
noch im mak.oder solov. übersetzt, dagegen serb. hat mchech lero.
— H Hcii.'KA'kciiJH, so auch cud. makar. solov., der griech.
Text hat ein entsprechendes Verbum hier nicht, darum fehlt es auch
im serb. bulg.
4. Gf :k6 CTKOp'ujH caaoMb. c pa^vociHW ßfaiitK« sRao
aKH£ HcnlvA'R — dieser ganze Satz fehlt in den übrigen Texten,
cud. und makar. haben nur: (h] pa^\,ocTk (iKf) npHHMiiJH caao-
ILIJH, die Öchlussworte kommen im griech. etwas später vor: yxcl
iöov €V&ftog Iccd^r^.
— h noKAOH'ujH ce OTpOMfTH H.3H,vf Hs" Bp'TKiia onpaß-
;k,aHa ist eine Kürzung der Erzählung gegeuüber dem Makar .-Text,
es fehlt in der Mitte: (hokaohh cra eMcv) raKMjiH- tki i;pK po-
^H C/Ä ICpAKK H nOHClu'UJH (Cud. HCHf IIJ^UJH ) :Kf AE\i HCHlvAlv
(h WSV\,\i).
Die Schlussworte, die nicht mehr aus dem Protoevangelium
entnommen sind, darum auch in den übrigen slav. Texten fehlen,
erinnern einigermassen an das Pseudoevangelium Matthaei, wo wir
lesen: Nam et pastores ovium qui erant in regione illa custodieutes
gregem suum, asserebant se angelos vidisse in medio noctis hym-
num dicentes, deum caeli laudantes et benedicentes, et dicentes
quia (Tisch. Ev. apocr. 79).
Ab b a zi a , 31 . Juli 1 902. V. Jagic.
48
Die Uebersetzunaskimst des Exarchen Joliaimes.
^y^AUt'fb-^
Die Sprache des Exarchen
ist nach ihrer formalen gram-
matischen Beschaffenheit unter-
sucht von Yondräk (0 mluve
JanaExarcha bulharskeho, Prag
1896), der auch in gewissem
Umfange Wortbildung und
AVortschatz behandelt. Ich
möchte versuchen, die Schrif-
ten des Mannes, zunächst das
sog. EorocjOBie, nach ihren
inneren Eigenschaften zu be-
urtheilen, also fragen: wie sind
ihm seine Uebersetzungen aus
dem Griechischen gelungen
und auf welche Grundlagen
hat man sich bei der Beurthei-
lung zu stutzen? Es war in
der That ein kühnes Unternehmen des Exarchen Johannes, ein
so schwieriges Werk wie die "Ey.doaig äy.Qißrjg Tirjg ogO-odö^ov
Ttiarstog des Johannes von Damaskus in eine Sprache zu über-
setzen, deren Anwendung in der Litteratur erst einige Jahrzehnte
alt war und bis zur Zeit des Garen Symeon, so viel wir sehen kön-
nen, nicht weit über die Version von Bibeltexten und liturgischen
Büchern, vielleicht einer Anzahl von Legenden und Homilien,
hinausgegangen war. Das Buch des Damasceners, das die dogma-
tische Entwicklung der griechischen Kirche abschliesst, ist aber ein
Werk, das die durch Jahrhunderte gehende philosophische und
theologische Begriffsbildung der Griechen in sich aufgenommen
hat, dessen Verfasser mit einer ganz festen wissenschaftlich philo-
sophisch-theologischen Terminologie arbeitet, in der jeder Aus-
druck seinen genau bestimmten Sinn hat und immer in diesem
Sinne gleichmässig angewendet wird. Selbst einem heutigen
Uebersetzer, der mit wissenschaftlichem Apparat und unter ganz
4
Die Uebersetzungskunst des Exarchen Johannes. 49
andern Voraussetzungen, mit einer ausgebildeten Schriftsprache
arbeitet, wird es schwer fallen, genau den Sinn der Termini und
der oft recht spitzfindigen Gedankeneutwicklung wiederzugeben.
Dem mittelalterlichen Uebersetzer musste das noch sehr viel
schwerer sein, und man kann von vornherein nicht erwarten, dass
dem Exarchen das Werk in höherem Sinne gelungen sei. In
seine Arbeit etwas näher einzudringen, hat aber ein Interesse, weil
er offenbar durch seine Uel)ersetzungen einen grossen Theil der
theologischen Termini des Kirchenslavischen geschaffen hat.
Bei der Beurtheilung kommen zunächst einige äussere Momente
in Betracht. Erhalten ist das Eoroc.ioßie in einer russisch-kircheu-
slavischen Handschrift des XII. — XIII. Jahrhunderts. Diese hat
Bodjanskij in der früher üblichen und, wenigstens zu meinem Be-
dauern, auch jetzt noch zu oft geübten Art »diplomatisch getreu«
abdrucken lassen ' erschienen in Moskau 1878 mit Einleitung und
Nachkollationirung von A. Popov; über die Schicksale des Druckes
«. diese Einleitung oder Vondräk S. 2). Bodjanskij hatte die Ab-
sicht den Text zu commeutiren, und die auf die Noten verweisen-
den Zahlen stehen auch im Text über den Zeilen, zu diesem Com-
mentar ist er aber nicht gekommen. Die Handschrift ist also etwa
drei Jahrhunderte jünger als die Abfassung des ursprünglichen
Textes. Ob sie unmittelbar aus einer südslavischen Vorlage abge-
schrieben ist, kann man nicht sicher entscheiden, sicher aber ist.
dass sie von Fehlern aller Art wimmelt. Ich habe hier keine Aus-
gabe zu liefern, will daher nur durch eine Auswahl von Beispielen
darauf aufmerksam machen, dass sehr viel zu verbessern ist (ich
citire nach den Seiteuzahlen der Ausgabe, den griechischen Text
nach Migne, Patr. gr. t. 94) :
Mab, le^HHkCTKO lecTk ^,ß'i>H HaMaAO, 1. ^vßc-HHTvi oder
^ViiOHH'k = iiovdda sivai övciöog aQyr-v 801 D. — mk a, Ck hho-
KTUH T'kHkK» H le^^HHTvIH KOT'K H« KC» CilOßfC« »6CTk, 1. Kf-CAO-
RCCE = oiivog roivvv o eig -/.cd uövog &£og ov/. a/.oyug iutiv 801 C
— M,\, b, HTv C'kCTaß'K MA'kTH, 1. Ha = TTQÖg Tf]V TOV aVJiUlTOg
avaiaaiv SOdA. — Mf b, statt ß'kBACVV^ ^- ^'^ ^'^^r\^y\'^ = ^'S
äioa S05A. — M3b, hh Hanar-kKa hujth hm KOHku,a, 1. hmo\;-
UJTH = urje t(QyJ]v ty/jvoa urje relog 805 C. — M-O'b, ^V^VX"*^
}Kt noc'kiaafM'k h TKopra h TKkp,\,k h c'k,v,pi*^'^, 1- Tiikp^^ra
(= TBp'K^k.AJ = TTvevuu öt c(7rooTi)./.6uti'0)' /.cd ttolovv /.cd oit-
Arcbiv für slavische Philologie. XXV. 4
50 A. Leskien,
Q€ovv Acd Gvveyiov SOS B. — u& a, camocKAT'ik, 1. caimocB'kT'K =
avTotfwg 808 D. — h^ a, HHCtM<waro ckma TBOtro, 1. CKoerc- =
Tuv (.lovoyBvovg vlov a.vtov\ ebenda npjJKe Bct^'i»^ ßi^ bIvK^k,
BTk ist zu streichen == rcgh Ttävriov röJv akovcov 809 B. — Hf a.
coyiiieBkH'KiH, 1, coyiiJtcTBkH'KiH = ovaubdrjg 812 A, zu cor-
liJfCTKO = OVaia. — ^B a, H MHOJKbCTBO H JKEHkCTBO, 1. M0\'-
jKkCTBO = 10 aQQsv /.cu to &fjlv 816 A; der Fehler ist veranlasst
durch unmittelbar vorangehendes richtiges ruiHOJKkCTKC», — ^s a,
BCfro BH;k,/Ä :KHBOTkHaro u.s.w., 1. e,u^a=^ Ttawog sidovg Liowv
u. s. w. 817 B. — ^H a, HC^CAHiiiia, 1. HCYO^a «iura = hTtogev-
GEOjg ovo{.iu 820 A; ebenda ht». Biicn/ÄTkH'R wtt». toya*^V ^'^ -.
cra npe;i,a, 1. H'ki (= HaMT».) = xovvavxiov dh eyiEl-d-ev fjUlv /.lera-
dedoTai 820 A. — ob b, WKAa^'WH h (dies h zu streichen) bc«k>
TBapK» a H« WKaa^'kiiiik, zu lesen OB/xa^oiun»,, Part. präs. pass. =
deoTiÖLov 7tciO}]g yaiastog, ov ÖBOTto'C6(.iEvov 821 B. — or a, coBOio ^
TKopra H co^ipi^cTBOY RCf H cB/ÄTö, 1. cc»YHJkCTBOvra (== c;^- Ij
mTkCTBoyirft, Part. präs. zu c;iimTkCTBOBaTH ovgi6cü)= öl' kcv- M
Tov ■/.xLl.ov '/.cd ovGLOVv TCi Gvi,in:avTci 821 C. — or b, Hf KO hh -
IVTT». KOrOJKf HH WTT». CfKJ BTüTklC HIUlaTk, statt dcS ZWCitCU
HH 1. Hlk = OV yaQ £x tLvog^ e^ eavrov yctq xh elvai exei 821 C. —
pa, BCf raaroafM'K naTvTkcKTvi o bos'K ckKp'kBfHi». HiuiaTk h'K-
KaK'k pasoifR-rk, 1. raarc>/\enJic»(»€) oder leiKt raaroaeiun». := 7idyra
xa GiO(.iaxL'/.Cog siQi]^ieva inl d-eov '/.eAQVi,ii^tevt]V eyßL nvlc Ivvoiuv
844 B. — PA 3) lUiHorivi MAKK'ki, 1. B'kK'ki = Tiol'/Mvg aiCovag
864 B. — pe a, ra^K« WKaaroA'SHCTB'kiuia, 1. -cTBHwa, Part. präs.
l)ass. zu einem Verbum OKaarOA'feHCTBHTH = xh Lvsqyrid-v^GÖ^ieva
864 C. pH a, TT».HkK> JKf HfS'KA'^H'^'* l€CTk H HfHSBpaTkHO
ecTk, lies fiK« statt JKf = növov dh xb Icy.xLGxov äxQsuxov 868 A. —
pH b, BfCkMkpTkHb I. -HTk) fCTk fCTkCTBlilUlk HT*. KaarOA<iTk-
fUh, 1. H( fCTkCTB'kLik = dd-uvaxog ov rpvGSL alka yccQiXi 868 B.
— pi a, HH o\;cTaBkHT».ira raaroAK», zu lesen: hh oxfcraBkHH
(co\j'Tk), OYCTaBkHTvira ra. = dÖQiGxoi yäo bIglv doQiGxovg öh
Isyto 869 A. — pKa, B'kLieraTH ß-k MABK'ki npoi|jfHH co^Tk,
1. BTk MAOBlvK'KI = 7CQ0GßccklEiV xcö dvd-Qi'jTtqj GVPEytoQrj&r^Gav
877 B. — pK«' a, B'kSAOVV^ ^"^ napraitiHYT», i€CTk YC/KtHHf a
HtBO, 1. a He H£BO = o ärjQ yaQ xCov TtexeivCov Igxl TtoQeia, /xu oi'x
0 ovqavog 884 C. — pMr a, a LrkicakHoe BcraKO ne noi.rkiujaEHH/A
HH A'S'^i»'^'* H'i^' fCTk A*^"»^? n^ i^iifl n" sind zu streichen = xo
I
Die UebersetzuDgskunst des Exarchen Johannes. 5]
()t h)'/i/.hv 7Cc'(UT(üg zi^g j^or/.i]g ijiii' tfez-ef didozai 893 B. —
pH3 b, TAK-k, 1. T/MKKK'k = ßaqv 908 A. — pOH a, ß'K KKCtUk
:khthh. 1. K'k CfMK :k. = Iv rC^ TtagöpTi ßioj 924 A. — pn a, hk
.V'KliOKJ Pt\3C>\'U'l\Kt\H5M'k, 1. WA = /MTCC ÖVO TQOTlOVg VOOVfttP. —
pnR a, ruiK-Ki T'ki cra K'k^KpaT/ÄTK, 1. K'k T'W = /.al eig avra
uvuLvETOLi 925 C. — pnr b, Rfcii<\o,VKH'kiHM'k, 1. KfcnAivTkH'ki-
iiM'k = rcCig d.oojiiäxoig 928 A. — c^K a, Ck KO MSCTk BC'kM'k
K'kiTkf, HEKOH'k KCfMk cov'Tk cov'Tk (Dittograplüe , (las eine
cov'Tk zu streicheui cov'i|jkCTKa, statt ßCfMk zu lesen K'k HEMk
= ui'Tog yccQ Ion rolg jcügi vo sipai, «rr«A(5/^ Iv avvc) eioi ra oi'Tcc
1 136 C; der Fehler entstanden durch das vorangehende KckM'k. —
CA3 b, nO BCCH 3EMAH B/\rOB'kL}JEHHe BAPOB'k^l.f HHIO HOB'K^a C/A,
1. KoroK'RA'^HH'^ veranlasst durch das vorangehende KAaroB.) =
eig .läoai^ r/r ;'/V ro svayye/.iov rf^g ^eoypcoalag /.ey.r^Qv/.vcct
1109 A. — CMS a, HaHiiT'kK'k HHoro HCHTkra KOY;»,cTk K'k na-
K'kipoiKkCTBO, statt H'k 1. H'ki (== HaM'k) = c(Qyj^ IztQov ßiov
yirerui rulv >'; TtuUyysvEoLu 1121 C. — CLIH b, BH,\or.ik KO wr-
HkH'kiHMk raa'kiK'ki Ha cBAT'wra anocroa'ki ^i,ov;YOBkH'km
;^ap'k npoc'kina, lies orHkH'kiHMk ras'kiKOM'k (adnominaler Dativ
statt Genitiv, wie bei Johannes gewöhnlich) = Iv etöei, yicQ tivql-
viov y'/.iüoaCop enl rovg ayiovg ccrcocT(')).ovg r'rjV tov Tirtvitarog
XÜQiv l^iyeev 1124 B. — cu-frb, Hf ko cra HankHCTk 3'kA'kiH
rplv\"k TKOpUTH, 1. 3'k(\k H Tp. = ÜVY. tVL yc(0 /.a/.LU '/Ml UUC(0TIC(
Tio'UTtvtiui. — CHK a, B'kpOK' KO H BcrüHkCKara H ^o\;\'OKkHarj
ckCTOßTk cta, 1. Bcra h HaoB'kMkCKara h ,\. (oder BcrankCKara h
Mi\OB. H ^.) = :tioreL yliQ :ravvcc tu re. uvO-QL07ttva xü re Tcvtvuari/M
ouvioravvai 1128 C. — c§K b, caaBkHam soll ausdrücken tu Ko-
yi/.lc die vernünftigen Wesen) 1137 A, doch wohl nur eine Ge-
dankenlosigkeit des Abschreibers für das sonst so gebrauchte cao-
BfCkHara. — cäS b, 3aB'KT'k HOB'k nOAOJKH CBAT-KIHM-k CKOHU'k
OV'MfHHKOM'k H aflOCTOAOM'k M T'kUH BClvMH B'kpOV'IOlJJHIMH
Kk HfMOV;, 1. BC'kM'k K'kpOV;K»l|IHHM'k K'k HfMOV = ÖLad^ii/.i^v
/.uivt^v ÖU&ETO rolg ayioig avtov uu^r^Tcdg yxd cacooröloig vmI
6i avTÖJv TtüOL rolg eig uvtov JiiOTtvovGiv 1140 A. — c^3 a, ce
F.IH l€CTk 3a B'kl npfAOMAfHO (1. -HA), nach l€CTk ist HA'k'I'k
ausgelassen = tovto uov Iotl to gCouci rh viiiq vuCov vJ.vjLievov
1140 A. — coe b, nk \-A'kK'k npocT'k ecTh, H'k u. s. w., statt hk
lies Wi = ovy. liqxog /.trog iaxiv, äu.lt 1149B. — com b, HMk^KE
4*
52 A. Leskieu,
wri/k H;HBOTBopkHaro A^^VX^* npHAiua, 1. ripuA cra = öwn. l/.
Tov L.(.oo7ioiov TTVBvaaroQ ovveli](pd^ii 1152B. — cht b, h« i€i|if Ha-
pi1U,<f^K> KaCT». paK'K, Hf K'KI KO HfB'RCTk U. 8. w., 1. ßack paB'Ki, pac'h.
KC> Hfß. = ovY. tTL y.alü) vf.iäg öovlovg, ö yctQ dovlog ovv. oiöt
1164 A. — CMKa, WTHAf M,'^i\i\ imorApi^cTßa nctM'Kica-K lecTk
CHU« pasoXj'iuilvßaTH, gibt einen Sinn nur, wenn gelesen wird:
OTH,A,H' Hf u,'Raoiuio\|'Api*CTKa == coiaye' ov acjcpQovovvTog lo-
yioaoü xa ToiavTa voelv 1161 C. — CHH a, l^pKßH TßOpräL^H KO-
rov BClv)^!! HMCHa, 1. Kiw cn\"k HiuiEHa = vaovg eysLQovrag r<5
S-Ecp krtl Tcjj TOVTcov öv('){.iaTt 1165 C. — TA a> no hcthh'S kt^
H HAOBlvK'K Hamero paAH c'KnaceHH/j\, B'h. ist Missverständniss
einer Abbreviatur von etvIctt*, dadurch auch das falsche h veran-
lasst = Y-dT aXrid^eiav ysyovEV av&qiojtog öiä rriv fiJ.ieTeQav aco-
Tt]Qiav 1172 A. — TS b, HCKC>HUHCt£ MkTfHHf, 1. HKOHI%HOe == ?;
Tfjg EVAÖvog tif-iri 1172 C. — t3i b, nocaaB'KiuoY, 1. nocaaBHB'K-
lUOY = TtaQaxwQrjaavTog 1192 C. — TKa a, Hf ^'^4^*'^'* ^* (ja,iiHis.
Bon». npaBbAHB'K (ergänze bwth), ht». BcfeMTv noAOROßaTK
ce BO ripOTHBOY CHA'k, statt et bo 1. ctE'K ^= ov d^ü.Ei de b ^sbg
(.lovog eivai ör/.atog, dlla Ttävtag of-ioiovad-ai avTco y.c(Ta öu-
vaiiiv 1193 C. — TKf a, npaBkAHBO^OYiuioY saKOHi». wi AT».JBn'h,,
wis. HtnpaBKAHB'kiHiiil'K, 1. AfJKHTk = ör/Micp yccQ vöi.iog ov 'AElrai,
allcc dÖUo) 12010. — TB3 a, BAarOBOAfHHIO HaTp'kH^HEHHie,
1. HaTpH>KHi€HHi€, ZU einem Verbum tphshhth von TpH3Ha, =
aQSTrig ETtad^lov 1204 A. — TAr a, OT'h A^*^*^ ß*^ seoAia MAOB'kK'k
ckTBOpH cia, 1. A'^B'^i'«' (gen. sg.; A'Sß'wwv 3fMAbÄ) = h. TtaqS-i-
vou yaq yfjg 6 avd-Qiovrog TTSTtlaaTOVQyrjTaL 1208 A. Zur Charak-
terisirung der Handschrift möchte ich noch anführen, dass ihre
Vorlage erklärende Glossen gehabt haben muss, die bei der Ab-
schrift in den Text gerathen sind, z. B. wbok» bo H3Bopo\- «pe-
CHio RptEiiiBaieTk TpfBOBaHOf, lUiHa, t/.c(Tfoag re algeoscog
TTaqaalvei ro xQrjauiov 808 A. — TBOpHTBO BAMkCTBO, ^rb. —
HapliBOBaHHEMK 3CtB0riil'K (1. -lUlk), cä«-a, dia Tfjg- €7tr/.lrjascog
1141 A.
Das Verzeichniss von Nachlässigkeiten und Fehlern der Hand-
schrift Hesse sich vielleicht verzehnfachen. In den meisten Fällen
sind sie, namentlich an der Hand des griechischen Originals, leicht
zu verbessern, dem Exarchen Johannes dürfen sie natürlich nicht
zur Last gelegt v^erden. Ausser den Verschreibuugen, Auslassungen
Die Uebersetzungskunst des Exarchen Johannes. 53[
u. s. w., von denen oben Beispiele gegeben sind, zeigt aber der
Text Mängel, bei denen nicht immer ohne weiteres auszumachen
ist, wer daran schuld ist: Vernachlässigung der Congruenz zusam-
mengehöriger Satztheile, Anakoluthe, schlechte Verbindung zu-
sammenhängender Sätze u. a. Wer die Mangelhaftigkeit mancher
Uebersetzungen der altkirchenslavischen Litteratur, z. B. im Codex
J5upr., kennt, darf keine allzugrossc Genauigkeit in diesen Dingen
erwarten. Darauf ist bei der Gesammtbeurtheilung der Ueber-
setzungskunst des Exarchen zurückzukommen, hier ist nur hervor-
zuheben, dass bei aller Nachlässigkeit der üeberlieferung doch der
ursprüngliche Wortbestand des Verfassers kaum Veränderungen
erlitten haben wird.
Der zweite in Betracht kommende Punkt ist der : wie stand es
mit der Richtigkeit des übersetzten griechischen Textes, d. h. hatte
der Uebersetzer eine gute oder schlechte Handschrift als Vorlage ?
Es lässt sich zeigen, dass Johannes recht viele schlechte Lesarten
vor sich gehabt, vielleicht hie und da auch selbst schlecht gelesen
hat. Als Beispiele seien angeführt: K;i,a, KaKo ca noHOBHB'k le^H-
MOMa^V'KIH CTvIN-K H BOPT^ H (dicS H ZU tilgen) MAOß-feK'k K'klCT'K,
rccog eavTOv /.Evcooag o aovoyevrjg viog y.cu d-eog av^^Qwitog yiyo-
)'ev 793 B, statt y.evtooug (leermachend, entäussernd) ist y.aivcoaag
gelesen oder verstanden (lautlich sind die Worte im Griechischen
des IX. Jahrh. ja gleich), und so noHOKHBiv übersetzt, was an der
•Stelle absolut unpassend ist. — fj dt] -Aoivörr]g /.al r] ouvc'ccpeia y.ul
TÖ iv ?-6y([) y.ul Ituvouc d-uoQeizat 828 A, hier ist statt tv verstan-
den worden Iv und das rb als Artikel zu den Worten löyo) y.al Im-
voicc bezogen, daher die ganz sonderbare Uebersetzung: OKkUJkCTKO
M CT».B'kKOynk (1. -HTk) H fJK« BT». CAOB£CH H ROM'klCA'S BH;i,HTk
CM, OH b. — i/.aOTog guq^ lariv lf.npvyiof.iivi] ipv/[jj /.oyiyfj xe y.ul
i'oeQü 828 B, statt dessen ist Nom. ipu'/,>] ?^oyiy.rj ts -/.al voegd ge-
lesen, daher KT»./Kk,v*^ nAT».Tk fCTk /k,OYUJkHa, a^V^** iHTvicaHBa
;k« h pasov'MkHa, o^a. — doysl {.ihv ouv y.vQuoreQov tcc'cvtiov rCov
ItcI d^eov ).eyof.iiv(.ov dvoaccTiov eivui 6 üv 836 A; öoyel (videtur) ist
missverstanden als Imper. ^oxst, daher MkHH ko o^ro cTpkMkHlce
Bc«ro w BC»3lv raaroAfMOM'k nufHk K'ki'rii caH, no.b; da die
Stelle wohl auch sonst nicht in Ordnung ist, kann man vielleicht
in dem MkHn einen Fehler der Handschrift für MkHHTk cra anneh-
men. — Tox) cfWTiGuov y.cu rr^g yäoirog fiszexorTsg 869 A, das y.al
54 A. Leskien,
ist nicht gelesen und Tfc,' yÜQixog als adnominaler Genitiv zu cfiozio-
^lov bezogen, daher die falsche Uebersetzung cb'üT'k ^apoiikH'KiH
npHi€MAioi|i£, p* b. — Ttgo-KaO^iorrotv avrcT) oiöp ri ßaatUun'
912 A, gelesen ist /iaatAe/ar, daher o\j'roTOKa «MOY «ko h i^U-
capKCTßO, p,^f b. — (Iva) itüvta %ov nuKaihv ^da(,i Ir^at//»; r^
vöaxL 1 124 B, Johannes hat den Geuiv rov Ttalcnov Möä(.i gelesen,
daher kca ApfB'^'^"<>V*V'^^V ^A^'^'^V norpfUfTk, cmh a. — /; de
ßgCooig avTug b llgrog rfjg 'Ctofjg, b KvQiog )]nCov 'li]Oovg XQiOTog
1137 D; gelesen ist statt 6 ccQzog: aÖQcxTog, daher die ganz sinnlose
Uebersetzung a '^j^k sro HeKHAHiuia jKHSHkHa, cgsa. — y.a&cdQei
(nämlich : uns, oder die Menschen) yuQ rüooig /.al TravToiaig liii-
cpoQulg 1152 A; die instrumentalen Dative sind als Accusative ge-
lesen, daher rp-tKHTK bo rasA h BcraK'Ki npHnacTH, cosb. —
ffVTevd^aioa y.al 7ric(vd^6iau jq) :rvev(.iaTi\ es muss gelesen worden
sein 7tav9-£loa, daher B'kica^KAi^iiJH cra h iiokchujh cra, cnsa. —
fj ipvxr] Tfj d-eice aQÖevouevi] }'QC(Cff] TtiaiveTcu, die Uebersetzung
THb, ,A,<>VLIJ^* KOHikCTBkH'KIHMk nOHMa HHCaHHEMk HanOHTk CH,
legt die Vermuthuug nahe, dass J. statt TtiaivsTac gelesen hat rr/-
vsrai.
Sicher hat der Exarch, so vreit er nicht selbst flüchtig gelesen
hat, diese Fehler — die Beispiele Hessen sich noch beträchtlich
vermehren — in seiner Handschrift des Johannes Damascenus ge-
habt, ist also an den schiefen und falschen Uebersetzungen der
betreffenden Steilen unschuldig. Rechneu wir nun die fehlerhafte
Ueberlieferung in der uns erhaltenen Handschrift des Eoroc.ioBie
und den fehlerhaften griechischen Text, der ihm vorlag, dem
Exarchen zugunsten, so bleibt die wichtigere Frage : hat da, wo
keine Fehler vorliegen, der Uebersetzer das Werk des Damasceners
richtig verstanden? Das Verständniss musste natürlich zunächst
von seiner Kenutuiss der griechischen Sprache abhängen, d.h. hier
der Sprache der griechischen theologischen Wissenschaft. Diese
Kenntniss ist bei einem Griechen oder einem zweisprachigen Süd-
slaven des IX. Jahrh. durchaus nicht selbstverständlich ; ein solcher
musste diese Sprache schulmässig lernen, so gut wie wir, wenn
ihm auch sein gesprochenes Griechisch eine wesentliche Erleich-
terung bot. Der nicht von Haus aus griechisch sprechende Slave
war in noch schwierigerer Lage. Aber selbst eine gute Kenntniss
des Griechischen vorausgesetzt, bleibt es immer noch möglich, dass
Die Uebersetzungskunst des Exarchen Johannes. 55
ein Uebei Setzer den Sinn der oft recht schwer zu verstehenden
Ausführungen der "Ey.dooig. nicht richtig auffasst. Die Frage ist
also, wie es damit bei dem Exarchen steht. Auffällig ist doch, dass
er öfter einfache, geläutige griechische Worte in ganz leichter Ge-
dankenverbindung missversteht. Man vergleiche folgende Stellen :
:ieoi Tovvov du(/.£$^i'oueO-a tuv ^rare^a y.ai rhr inhv v.al to ttveühci
To ciyiov ETTiy.ctlBaäuevoL 796 A (= anrufend, im Sinne der Ver-
ehrung), U» TCMK JKf nOKfClv,\,0\'fM'K OTKH,a H CKIHa H CKATaro
.\c>v'\\\ HapfKTkUje, K3b, v\'o also t.ri/.a'/M)' im Sinne von /.u/.eir
genommen ist. — 809 A werden in lauger Reihe die Prädikate
(xottes aufgezählt und geschlossen mit ö /.al rraoado^ov (was sogar
sonderbar, unglaublich ; gegeben ist das wr a mit hjkc ^besser »€;k«
H iipKAaKKHO (herrlich). Es gehört das allerdings vielleicht in die
buchstäblich sein sollenden Uebersetzungen , auf die ich unten
näher eingehen werde. — Ebenso schlimm ist: rivhg ukv ovv kdö-
^a^op (= waren der jMeinung) Iv v.v/.h'j rb tiüv /teguxsip ror
OVQUVÖV 880 C, l€T(pH npOCAaRHUJa KpO^TT^MK ßCe WK'K-
APKH^raTH HERCCH, pKPb: allerdings bedeutet das Verbum im
Spätgriechischen auch «preisen, rühmen«, aber das Missverständ-
niss ist darum doch stark. — (Die Frühlingstag- und nachtgleiche)
Öl lc(vri]g iieaireuaovoa ro) yeiuöJvi re y.ai ro) ^tQst 889 B, wo
{.leoiTsvtiv also bedeutet »in der Mitte stehen zwischen, die Mitte
bilden«', cokok» YC>A<»TkCTBo\'eTK kt». 3hm1v jkj h kt», jKiaTR'k.
pAf a, es ist also das griech. Verbum genommen im Sinne von «Ver-
mittler sein, für jemand eintreten«, daher die Uebersetzung \'C»-
AaTkCTBOKaTH (x'o.v^TaHCTßOKaTH, zu \'C>^aTaH ^eairr^g Ver-
mittler!, um so sonderbarer, als pana in der gleichen Wendung
richtig cp1v,\,kCTK0KaTH steht. — parb steht Tkua JKf lecTk hc
cci\-i|iKCTBC> H'K CKLUkCTKKM-, oyjiTog dt sGTiv ovz ovolct Tig a'ÜM
oviißeßiyKÖg 888 a; kann man annehmen, dass einer, der ovußeß)]-
y.ög (= accidens) durch CKUikCTKhie übersetzt, den Sinn des grie-
chischen Wortes gekannt hat? — u:\:ctqyi] primitiae und uuyj^
initium werden nirgends unterschieden, z. B. vvv uhv ovv dia rov
ßctrcviöaarng rr^v arcaoyjyv rov Ir/Lov TCVEVuarog Xaiißäpoi-iei' y.cu
ccQyJ] itioov ßiov yivevui r^uiv t] TiaXiyyeveaia 1121 C, H'kiHM
OyCO Kpkl|ICHHI6Mk HaHAT'kK'k CB/ftTarO A*^V\'^^ npHHMCM'k H
HanaT-kKTv HHcro "/KHTkra Eov;,\eTk H'k[i] naKTopoHikCTRO.
CMS a, ebenso an andern Stellen. — vTtöyoauiiog (Vorbild, Musteri
56 A- Leskien.
ist veistauden als vnoyQctcpri (Unterschrift), daher übersetzt mit
no;k,'KnHcaHHi€: yiverca vnr/.oog zqj narol ... VTtöyoauuog rulv
v.-ia/.org yiyoiurog, K<>\'^\(Th. nccAOV'iUkAHB'k OTkHl<> . . . no^Ti-
nHcaHHf iiocAOV'maHHK» wawk kkikti, cK*a, ähnlich c^^b; in
der Wendung' rv.rog y.ul v:ncüyQaufiog, 1124B, hat das synonyme
TVTtog auf eine richtigere Auffassung geführt; OKpiiSTi, i HdSHauf-
HaHHE, CMHb. — In dem Satze ovvog -9^vQabg yxä ott/.ov /.cu tqo-
TtciLOj' /.ata xov diaßö/.ov 1129 B, CT», ijjht'kihh ^lies Ck ijjhttv
H u'pov'JKHf H B'KS^k.pasTv Ha COTCHOV', CH«a; die ganz verfehlte
Uebersetzung von TgÖTtaiov durch K'kSAP^S'k (Rückschlag, Zu-
rückschlaguDg] beruht auf Verwechslung mit unotQÖTtaLOv (ab-
wehrend, Abwehr), vgl. ttüvtcov tvjv /x'.v.Cov uJtotQÖTtaiov 1129 C.
Bivcm ST^AH B'k3;i,pa3Tk, CHf b. — eI dl Tov TQÖTtov (die Art und
Weise) £7tiCr]T£lg, jiCog yivExai 1145 A; roÖTtog ist verstanden als
«Wendung«, daher np'feBpaT'K: atp« ah np^Bpara mkiTafUiM, raKo
TC KOV';i,eTk; ebenso ib. b öa roÖTiog avh':ztQavvr^rog^ die Art und
Weise ist unerforschbar, a npeBpaT'k HmcA'tJK^eH'k, coBa. —
tolg de aiteid-ovai (es ist der Gegensatz des eben vorangehenden
Tolg TiLGTEvovaLv] -/.ul rolg y.vQLOv.tövoLg eig Y.ö/.aGLv, 1148; aTtei-
S^ovai ist verstanden als dat. plur. von aTteid-r^g^ dies als »ungehor-
sam« und demgemäss übersetzt, während es dat. plur. part. praes.
von «rr£ii9^6w >> ungläubig sein« ist: a ivcAoruiHß'KiHU'k h rocno^a
o\'MC»pkUJHM'K BTv TOMAfHHie, corb; ein gleichartiger Fehler
T3ia, wo aTtsid-sia = Unglaube durch ocAoymaHHie gegeben ist.
— ui- aeToyoL rf^g v.ay.odo^iag . . . yevojusd^a es ist vom Umgang
mit Häretikern die ßede), damit wir nicht ihrer Irrlehre theilhaftig
werden; der Uebersetzer hat y.a/.odo^La als »schlechter Ruf« ver-
standen: ;i,a Hf npHHMkHHl^H S'KA'Kira CAaB'KI . . . KO\|-AeM'K,
cnb. — r^ .cao&tvict lcviod~tv y.ul l^ ccoyig ivE(pvTtv&r. rf] ffvoet
tCov ävd^QWTTOJv 1205 D; avioi^av bedeutet hier «von alters her,
von je herff, ist aber verstanden als »von oben-f, daher mhctota
C'k rcpivl l€CTk H [HJCnpKBa B'KCaAM Cra BT^ leCTkCTB-t MAOB'fe-
MkCT'fe, TAra.
Ich unterlasse es, weitere Beispiele der Art anzuführen, weil
man dagegen leicht einwenden kann, sie bewiesen nicht eine Un-
kenntniss der griechischen Wortbedeutungen, sondern wie in dem
angeführten Fall von rgÖTtog np'feßpaT'K, da TqÖTtog ja wirklich
ursprünglich »Wendung« bedeute, eine Gedankenlosigkeit des
Die Uebersetzungökunst des.Exarchen Johannes. 57
Uebersetzers. Das kann in manchen Fällen so sein, eine scharfe
Grenze zwischen Unkenntuiss und Gedankenlosigkeit ist nicht zu
ziehen; aber wenn mau diese dem Exarchen zutraut, wird ihm
damit kein besseres Lob ertheilt. Andererseits kann man geltend
machen, der Uebersetzer habe freilich ganz gut gewusst, was das
griechische Wort bedeute, habe aber, seiner Neigung entsprechend,
möglichst buchstäblich, sozusagen etymologisch getreu übersetzt.
Das mag auch in gewissem Umfange zutreffen, vielleicht auch
bei dem Falle TQÖrtog, allein da kommt man auf die Frage: wer
hat einen solchen Satz, wie den oben angeführten mit dem np1i-
Kpt\T'K, verstehen können ? und damit auf die weitere Frage : wie
ist im ganzen, abgesehen von allen Nachlässigkeiten imd einzelnen
Fehlern, die Uebersetzung ausgefallen?
Zunächst überrascht einen die Gewandtheit, mit der Johannes
die zahllosen griechischen Composita durch slavische Composita
wiederzugeben versteht. Aber bei näherem Besehen muss man
diese Kunst doch etwas geringer anschlagen. Die Möglichkeit zur
Nominalcomposition und deren feste Form bot ihm seine eigene
Sprache, und er hat in zahlreichen Fällen weiter nichts gethan, als
ganz mechanisch die den einzelnen Worten eines griechischen
Compositums entsprechenden slavischen Worte zusammenge-
schweisst ohne jede Rücksicht, ob das so entstehende Gebilde einen
verständigen, für den Zusammenhang der betreffenden Stelle ver-
ständlichen und passenden Sinn gibt. So ist z. B. drjuwvQyög, das
natürlich bei Johannes Damascenus nie etwas anderes bedeutet als
»Verfertiger, Schöpfertf, öfter ganz richtig durch TKopiiij,i%, di]iuovQ-
yeip durch ckTßopHTH, di]i.uovQyia durch TEapK wiedergegeben;
dagegen vgl. Stellen, wo das ör]i.iiosQy6g in seine Bestandtheile
aufgelöst und buchstäblich übersetzt wird: 6 7tou]Trig -/.cd dt;i.iL0VQ-
ybg Tov yivovg r.uüv 1137 A, 3k;k,HTfAK h Hapo,voTKopKHk pct;i,a
Haiucro, c^ra; [ö -S-abg) öi]uiovQyüg tov /.cd u'/.aTuKr^7ttog zal
aXTlGtog, 1193 B, HapO^CtTRC»pKU,h. C'W H Hf,\OnOCTHJKHM'K H H(-
CkTKopHM'K, T«^ib; To dr^uiovQyi/.öv S36A = das schöpferische
Wesen, Schöpferkraft, Hapo^OTBophHC», iio-a; Ix tov dri/iuovQyrj-
aavTog d^eoD rh^v toluvti]v elh^cpwg iveQytiav 840 A, WTTv Hapo-
AOTRcphMKHarc» Rora rano iipHHM'iv ;i,1vHctbo, M;i,a. Da Ha-
po^OTBcpki^k nichts anderes bedeuten kann als »generis« oder
»generum creator« oder »populi (populorum) creator« und doch
5S A. Leskien,
auch vom slavischen Leser, falls er sich nicht das Wort buchstäb-
lich wieder ins Griechische zurückübersetzen konnte, so verstanden
wurde, kommt ein ganz verdrehter Sinn heraus. — Von der Natur
der Engel wird gesagt, sie sei rgercr]] y.axli yvio(.UiV ijtol ed-e/.ö-
TQETVTog 868 A; tS-sldzQe/rTog wird hier, indem IS-slo- durch. ßOAra
vertreten wird, als BOAfKpaTKH-K nachgeahmt: YOTtHi^eivih. H3-
BpaTHKO i€JKf CA pEMfTi* KOACßpaTkHC», p.s b ; Gorskij und Ne-
vostrujev, Oraicame II, 2. 304, übersetzen es durch no boji^ iisMi-
iifleMoe, Miklosich Lex. Pal. sponte se vertens, das soll es aber
durchaus nicht bedeuten, sondern »im Wollen wandelbar« (nicht
wie Gott unwandelbaren Willens), vgl. {if-'i'x'^]] TQSJtTi] ]]toi Id^slo-
TQETiTog 424 B, H3iipaTh.Ha fJKf y*^'*'*^^P^'^'*"^^j pc»*b, und die
ziemlich trefifende Wiedergabe von rqejtr)] -/.axh yv^^uiv 868 A
durch Y*^''"^"'*^'^'*^ HSBpaTHBO, psb. Was wird sich wohl der
slavische Leser dabei gedacht haben? — 873 A wird Dionysios der
Areopagite bezeichnet als o ^slog hQOTeleavrjg, pA'b übersetzt
mit ROJKkCTBKH'KiH MHCTOA'STCAk, Miklosich übcrsctzt nach der
Bedeutung des griechischen Wortes (in dessen Isqo- eben die Be-
deutung von TCi Ieq(x steckt) richtig «qui sacris initiat«, aber aus dem
slavischen Worte kann das Niemand herauslesen, die Uebersetzuug
bei dem Exarchen kommt auch nur daher, dass er öfter isQog durch
MHCTTs. wiedergibt. Man kann sicher annehmen, dass eine sehr
grosse Anzahl seiner Composita ohne den griechischen Text
und dessen Zusammenhang unverständlich waren. Auch gegen
dies Urtheil lässt sich ein Einwand machen. Man könnte sagen :
solche Texte wie das EorocjioBie mussten den Lesern, etwa Geist-
lichen, von einem gelehrten Manne commentirt werden, der dem
buchstäblich übersetzten slavischen Compositum die richtige De-
finition nach dem Begriffsinhalt des griechischen Wortes geben
konnte. Der hätte dann auch die Aufgabe gehabt, anderen wirk-
lich oder scheinbar buchstäblichen Uebersetzungen ihren richtigen
Sinn zu geben, z. B. auseinanderzusetzen, dass 3B'63^kH0e mhcmm
(Sternenzahl) bedeuten soll » Sternkunde c, es ist nämlich die Ueber-
setzung von aorqoloyia 893 A, oder zu erklären, was unter tbo-
pHTBa z. B. pAHb, das die Uebersetzung von TtoiÖTrjg in Folge
seiner vermeintlichen Herkunft von tioiüo bildet, zu verstehen sei,
denn das slavische Wort kann unmöglich an sich als qualitas ver-
standen werden.
Die Uebersetzungskunst des Exarchen Johannes.
59
Mag man das auch zu Gunsten der Arbeit des Exarchen zu-
geben, so wird man doch verlangen oder erwarten dürfen, dass der
<;edankenzusammenhaug des griechischen Textes in seiner Ueber-
sotzuug erkennbar sei, was natürlich wieder von seinem Eindringen
in diesen Zusammenhang abhängt. Es versteht sich ja von selbst,
dass an vielen Stellen einfache, an sich leicht verständliche Sätze
und Satzzusammenhänge, deren wörtliche Uebersetzung ins Slavi-
sche den Sinn nicht zu verdunkeln braucht, gut getroffen sind.
Auch kann man eine ziemliche Anzahl von Stellen herausheben.
wo nicht ganz einfache griechische Perioden einigermassen ver-
ständlich wiedergegeben sind, z. B.:
vjorciQ ovv ovy^ oi.iouog :xoul
('.vd-Qio:tog y.al ^eüs' o /.ler yao
<' i'd-ocfj/rng ovdev l/. roü firj ovrog
: ig To eivctL izagaysi, a'/X ojteq
ioisi, l/. 7tQOV7roA£ii.i€vr]g vXr]g
loui, ov d-e/.rjGag tiövov, a).}.a
/.cd :tQOE7tivoriaag /.al iv icp vcTj
avarvTitüGag ro yevr^Gdf-isvov,
! irrt -/XU yeQolv egyaoüf-ievog y.al
■/.6.10V v.toueivag, TtolXä/.Lg öh
/cd aoToyj]oag, f.u] aTtoßccvrog
/('.0-u ßovXeraL tov l7tiTrjdEVf.ia-
"ig- b de -d^ebg d^E)J]aag (.lövor
'' /. TOV f.ii] ovTog eig to eivai
rc'iVTU TTaQriyayer, 813 B.
TKOpHTK HAOK'kK'K TH KCT'h. •
HtKOHTv HAOB'kK'k HH f,\,MHOrC»
HfB'KIB'klJja K'K K'klTkie lipt-
BO,l,ITk, Hli l€JK6 H TKOpHTK.
OT'K rOTOK'KI Kfl|IH TKCpMTK.
H« KTvCYOTlvK'h, T'kMKIO, H'K
npfJK.V« IIOÜ-KICAHK-K H B'K
oywU c»Bpa3c»BaB'k kov%vc>V"
HJfi€, rajK^i,« H po^Kaua ^-k-
Aaß-K H TpOV%\'K npHHMli., MHO-
railikA'kl /K« M HE nOACYHHB'K.
Hf C'kB'kIB'KmOl' C/Ä, /ÄKO'/Ke r.l'KI-
CAH, CTpOHMOV'OV'MOY. a KOT'k
X'OT'tB'k TT^HklC lUTTk HEB'kl-
Tkra BT». B'kITkK; BCf l]ß(R(,\(.
H4) a.
Trotzdem wird ein heutiger Leser sagen müssen, dass im
- anzen genommen der slavische Text unverständlich ist, wenn man
nicht den griechischen danebenlegt. Und das nicht bloss wegen
der Buchstäblichkeit der Uebersetzung, sondern auch, weil der
lebersetzer so und so oft die griechischen Wort- und Satzverbin-
dungen falsch konstruirt hat. Auch davon lassen sich, ohne dass
mau das ganze Buch durchnimmt, was an dieser Stelle nicht mög-
lich ist, schlagende Belege geben : 840 a heisst es (o u?.i]&i]g l6yog\
n' iy.ctGTO) y.ccTa t]]v cpvGi/.hv £7riTr^dei6Ti]TC( y.a) öe/.Ti/.iiv dvvaiiir
t)0 A Leskien,
hsQyel, h. d)]i.itovQyrjaavTog d-eov Tr]v toiavtr^v €ilr^cpwg IvtQ-
yeiavy wo natürlich de/.Ti/.r]v d'^va/^uv (Empfiingliclikeit) mit von ^
■Aarä abhängt : es ist aber vom Uebersetzer als Objekt zu Iveqyet 4
gefasst und das davorstehende -aul als »auch« verstanden worden, J
daher: ktv KOieiUKJKkAC* nc» tcTi^cTßbHC»iiic>\f no^OKkCTBOY h |
ripHHyO\|'l|JK<K> CHAO^ A'feTEAKCTKOlfeTh, OTT». HapO,\OTßC»pi%Mk-
Haro Kora TaKO npHHMT». ^vshctbo, M4,a, wobei vergessen ist, :
dass das Subjekt des Satzes ein Neutrum HCTOßOte caoko (6 ahi~
d'i]g köyog) ist, so dass das griechische masc. sü^r^cptog ebenfalls. "^
durch das masc. npnityK gegeben wird. — lotog S^ av ng drcoL, otc i\
•/.cd iToltj-iiov ovv. aixLU uk'ka ar^^iBia oiviGTavTai^ 893 b; das av ist
als Conditionalpartikel verstanden, daher raijje ktc> pcMfTk u.s.w.,
so dass der Satz, da kein Nachsatz folgt, in der Luft schwebt. —
rcäd-og = Affekt wird gewöhnlich, nach der Bedeutung »Leiden«,
übersetzt mit Bp'k^''»' (abwechselnd steht auch npHbÄTkie), nun
steht 913 B arca&i-lg Ißovkf^To sivai rji.ic(g b d-eög' uTvad^eiag yaq
cr/.Qag rovrö (das Nacktsein und dabei keine Begierde oder Scham
empfinden — es ist von Adam und Eva die Rede) lonv^ also »denn
dies ist ein Zeichen äusserster Afifektlosigkeit« ; die Uebersetzung
lautet p^Ha: Ktsi». ßpfA^* Haiun». ßfaraiue k'kith BorTi, bes'k ßpfA^i
EO AOKOHkHaHaro ce lecTk, was natürlich einen ganz anderen Sinn
gibt: »denn ohne vollendeten Affekt ist dies(f. — rovriart xh dva-
TiELVLoroi' avTou vxpog ccTaTieivüriog xarteivöjoag 984 B (seine
nichterniedrigte Hoheit in nicht erniedrigender Weise erniedrigend) ;
wenn der slavische Text nicht verderbt ist, kann die Stelle nur
missverstanden sein, vipog ist als Nominativ gefasst, das folgende
als selbständiger Satztheil genommen und zaTteivi'jaag passivisch
verstanden: ce lecTk HcnooYBon^EHHra (1. -Hara) eM^\ ß'kicocTk
H6ncc»\|'B0H;fHlv noo\fBC»KHiun»., cK3b. — (Durch die Inkarnation,
Taufe u. s. w.) 7]leud-eQwae rj]i> cpvaiv Tfjg aaaqriag tov tzqotcü-
TOQog 1137 C = befreite die [menschliche] Natur von der Sünde
des Aeltervaters ; der Uebersetzer hat das rfjg a(.iaqTiag als ad-
nominalen Genitiv zu cpvoig bezogen, daher cboko^h lecTkCTßO
rp-SyoßkHoe npa,A,'&A'»5 c^A^.
Die Schwierigkeit eines wirklichen Verständnisses wird aber
noch durch mehrere Eigenthümlichkeiten des Uebersetzers ver-
grössert.
Bei Johannes Damascenus kann es nicht anders sein, als dass
Die Uebersetzungskunst des Exarchen Johannes. 61
derselbe philosophische oder theologische Begritf immer durch den
-gleichen festen Terminus ausgedrückt ^vird; nur so ist überhaupt
ein Verständniss möglich. Bei dem Exarchen wird aber darauf
nicht geachtet. Bei ihm wird vn:uaTC(Oig wiedergegeben durch
oynocTacK, eigentlich keine Uebersetzuug, sondern eine Auglei-
^hung an das griechische Wort durch slavisirte Lautform, daneben
aber übersetzt er es durch ckcraRTv, und braucht ov'nccTack.
wenn von den göttlichen Personen der Trinität die Rede ist, ch-
craßT», wenn von andern Wesen, offenbar weil ihm ynöaraoig als
ein geheiligtes kirchliches Wort erschien, das bei nicht göttlichen
Wesen vermieden werden musste. Vgl. z. B. allii zo uev ffCJg l/.
rov TivQog ysvvcot.ievov axwQiarcog -/.al iv avTcTj del {.livov ovv.
ex^t Idiav VTCÖoraoiv tzuqu to ^tDq, TroiüTijg yüq Igti cpvoiy.]]
zov Tti'Qug, *^0 Ö6 vibg rov d-aov buoLoyevijg Iv. Tcuxqhg yevvr-
Oslg äxtoQiOTOjg y.al ädiaatärwg y.al Iv avrcp /.livcov äsl e^^i idiav
■VTiöataoLV TtctQcc ti]v rov TtaTQÜg, S16 B, Hl». cbUtt». ott», oth/A
pCAHKIk Cia HeWT-KiXOyMfHT», (bcSSCr OTTvAOV'HJHO odcr -H'S) H'K
E'K H(Mk npHCHO CM Hf MMaTk CBOtrO C'kCTaßa pa3Bli OrHK
(1. orHia), TRopHTKO KaHkCTBo (KaMkCTBO ist erklärende Glosse
zu TßCtpHTBO, KO (ergänze hier ausgefallenes lecTk) tcTkCTKOBO
WrHK»- a CTvIH'k KC•^KHH HHOHaAT^H OT-K OTkU,/A C/Ä pC>^V"BT»^
HfWT'KAOystHO H HfOCTOVnHU'k (bcSSCr -MO) H BT». HEMk npHCHO
-c'ki HMaTk cBCio oy-nocrack pasB-k OTkna, ^rb [dieselben
Wendungen ob). Ebenso /.ara top i.ueTeQor (den menschlichen)
löyop dvvTtöaTccTov , caoBO Harnt HtCKCTaBkno; IvvTtdoTctrov.
vom göttlichen Logos, ov'nocTackHO S04 A = Mßb; ckcraßT^
drückt aber ganz etwas anderes aus als VTTÖovaoig und wird auch
bei dem Exarchen an andern Stellen in anderer Bedeutung ge-
braucht: TtQo tr^g Tov y.öauov ovorüoecog 864 A, npi€;K,Vf CkCTaßa
MHpa cfro, pßb, = ante compositionem nnindi. — '/.oyi/.ög (ver-
nünftig, vernunftbegabt) wird an manchen Stellen ziemlich passend
durch pasoyr.ikH-k, auch durch MucAkH-k ausgedrückt, an andern
durch CAOßtckH'k; auch das annehmbar, wenn man daran gewöhnt
ist, dass löyog in jedem Sinne durch caobo übersetzt wird (vgl.
»verbum« in der lat. Kirchensprache als göttlichen loyog). Man
sehe aber einmal folgende Stelle an : [ayyelög) ton toivvv (pvoic
Xoyi/.rj voeoä re y.al avTS^ovoiog, rge/rrt] y.axa yvio\.i\^v ii\xül
kd^elÖTQsn^Tog' txCcv yaq y.viOTOV y.al TQSJtTÖv iiöfov de rh I'c/.tiövuv
62 A. Leskien,
l'iTQemov 'Aal 7cC(v loyizuv avTe^ovoiov, 868 A, ecTK c>\,*ro
fCTkCTßO M'KICAkHO pa30\fllilKH0 H?« H CaMOßAaCTh,HO , YOT/k-
HkfMK HSBpaTHKC» tTKl CA ptMfTk KOACKpaTkNC»- KkC« KC» S^aHkie
HSBpaTkHO (CTk, T'KS'kKt JKf HeS^^iHO M5CTk H Hf HSßpaTkHO,
II ßkcf rara (d. i. raarc^aMv) «cTk caiuiORaacTkHC, psb. Kann
man wirklich annehmen, dass jemand, der im Anfang der Stelle
loyi/jjg durch pascYiuikHi^, am Schluss, wenige Zeilen darnach,
dasselbe Wort mit raarcahÄ »redend, sprechend« übersetzt, was
ganz sinnlos ist, auch nur ein wenig über den Zusammenhang
nachgedacht hat? — Wie oben schon angeführt, steht für rtä^og
(= Affekt) ßp'k^i.'k und npHiATki€, an andern Stellen weder das
eine noch das andre, so aya-d'bg yag wv o ■d'sbg Ttavrog dyad-ov
7taQe-/.Tiz6g eativ, ov (pd-övio ovdh 7t ad- st tlvI vrto-AEi{.ievog' f.ia-
'/.Quv yc(Q TTig ^eiag cpvaswg ff&övog, Tfjg ys a^caO-ovg /.al f.iövr.g
aya&fig, 792 A, ^OKpoAaßkij,k Kcn^ cki ßCfiuiOY A^^^po^f a^i^i^UI^
fCTk, H6 SaßHCTH HH S'KAH HHKOfH JK6 nOßHHkHTi. CTbJ * (von
hier an entspricht die Uebersetzung nicht genau dem griechischen
Text) A'^'^f^f KC> ecTk ßO/Kiim «CTkCTßa S'kak ßciana, roro ko
eAHH*^"* fCTkCTßO ßO^KHie Ke3 E,^tJH,A 1 KE-SaßHCTH, Hl b. — Eiiic
ganze Reihe verschiedener Uebersetzungen hat ageriq, so A'^^P''»-
HSRcp'k: (Gott schuf den Menschen) /tdaf] aQsvf] ■/.aTi]y?xüai.ispop^
921 A, ßcSiuik ,i,*^''KP<>'^i* H3Kopoiuik ocß1vi]jfHa, posb (ebenso
ca^b); A'^'^P'^T'*' • ov-K aQert] yu() xo ßla yivoi-iepov, 924 B, H( j\,o-
Kpora KC i€JKe hoy^A^i^ KiviBaerk, po^^a (an sich eine den Sinn
gut treffende Uebersetzung) ; H3ßoai€HHi€ A<^Kpo: xrjv rfig ccQExrig
'/Mth xo övvaxov bf-iolcoaiv, 920 B, H3ßoafHkK» A'^KpoY npoTHßOXj'
M014JH noAOKHTH cra, posa; ßaaroßoakCTßo: agexal Ttolizevov-
xai^ 1108 D, KaarcßOAkCTßa A'^^^^k ca, während dasselbe Wort
an andern Stelleu svöo-/.ia (Wohlgefallen) bedeutet, so MAb pa3ß'k
KaaroBoakCTßoiuik = £t /.li] xar' svdoyJar 841 A; KaaroA'^HCTBO :
ov ßig liyiov TtQog äqexiiv 1109 B, wi HOY^A*"*^ ßfA'"»^' ^^ Kaaro-
A'bHCTßCt, aber auf derselben Seite i.iayiQo3vf.iiq Ttetd-iov xovg äv-
^QCOTtovg aiQsla^ai rr-v aQSxrjv^ KpOTOCTkK" H TpkR'tHkfMk
Maoß'kKTvi npcnHpara H3KHpaTH ßaaroßoatHH«, ca^a, und wie-
derum ca^b, also unmittelbar darnach, vhsq ei/aeßelag y.al «^«rjjg,
ACKpoMkCTHia paAi^iuia h KaaroA^^TH, während an andern zahl-
reichen Stellen ßaaroA^^Tk die Uebertragung von y/cQig (Gnade)
bildet. Dies wird seinerseits wieder bald durch ßaaroA^Tk, bald
Die Uebersetzungskunst dea Exarchen Johannes. 63
duicli ^Vap'K vertreten, caa durch pa^ocTk: pd^oyH cia ORpa,v,o-
BaHaia = xcüqs, yt^aQuiüinevri ; ocp'kTE KO pa,\0CTk OTTk Kora ==
sl'Qt^ yuQ ys'(Qiv .-tuQu toj &e(p, 9S5 A. Beispiele derartiger unge-
nauer und wechselnder Behandlung der Termini Hessen sich noch
viele beibringen. Sie macht ein wirkliches inneres Verständniss
des Textes ganz unmöglich, wenn einer ihn etwa ohne das griechi-
sche Original lesen wollte.
Zur Erschwerung des Verständnisses trägt ferner eine Stil-
eigeuthümlichkeit des Exarchen bei: er vermeidet möglichst die
Uebersetzung griechischer adnominaler Genitive, ersetzt sie
durch Dative (nicht nur beim Pronomen, s. Vondrak S. 36, sondern
ungemein häutig auch beim Substantiv], oder verwendet statt
des Geuitivs eine Adjektivbildung. Der letztere Gebrauch bringt
aber oft Uudeutlichkeit oder geradezu Unverständlichkeit hervor.
Wer würde z. B. errathen, dass chaov npHHMHTEAhHOY ;i,a/Ä cao-
BcckHaaro KCiKKCTKa, caaa, namentlich wenn er caoKfCkH'K
sonst gelegentlich als «ratioue praeditus, /.oyixugv verstehen soll,
zu bedeuten hat: Tivsvua uyiov) dvvaf.iLV ÖEy.Tixi]v rfjg xov ^öyov
V-iorrmg Tvuqiyov^ 985? Ob die Uebersetzung CA'KHKmo npaiik-
AlkHOWMO\' npaiikA'^H'I^HM'k VUBkCHmKMpOY, PA b, = 700 T^kiov
ziig öi'/.aioavvrjg xolg öixcdoig £7tiXäf.iTCovvog, 864 B, verständ-
licher war, scheint mir auch ungewiss. Verzweifelt wird die Sache,
wenn im Griechischen ein Adjektiv, durch Artikel substantivirt und
als Abstraktimi gebraucht, einen abhängigen Genitiv neben sich
hat, und nun derUebersetzer nicht bloss das substantivirte Adjektiv
durch ein slavisches Adjektiv wiedergibt, sondern auch den Genitiv
durch ein Adjektiv ersetzt, z.B. cKsa: KaaroA^VTkHoie h npirjoy-
Apc>i€ H npap.KAHKoie ik« h MCigkNcie KOH«Hie = To äyaS-bv
'Aal To oo(pbi'j ro öLv.uLÖv re y.cd ro dwccrov tov ■d-eov^ 984 A.
Noch einen Punkt möchte ich hervorheben. Der Uebersetzer
gibt manchmal statt griechischer Partizipien (auch Adjektive) sla-
vische Relativsätze, was an sich natürlich ganz berechtigt ist,
unterlässt aber die durch den Casus des Partizips gegebene Satz-
verbindung herzustellen, so dass man rathenmuss, worauf sich der
auf diese Weise beziehungslose Relativsatz eigentlich beziehen
soll. Um das Ausschreiben gar zu lauger Stellen zu vermeiden,
will ich nur einige einfachere Beispiele geben : 1/. uc(QvvQL/.wt>
keiipäviop uvQov ti'öjöeg ävaßXv^siv u7Clotov\ Ovda(.iCjg rolg ye
iß4 . A. Leskieu,
slööot %}]V Tov d-Eov dvvauLV V.CU Ti~)V cr/Uov naq avrov riinyv.
1165 A, WT'K lUlOlfHfHHMkCK'KlHY'K IUI<M|JHH MO\'pOlj' ;\,OKpOßOHb-
HOy H3HTM HfK'kpkHO -\H f CTK ; HHKaKOMit H JK ( KlvA-^Tk
CHAC»\f KO/HMK» H CB/AT'KIHM'k OTT*. HfTO MkCTH, CHSb; )] yfj de
aiiTouarr] rovg xaQ7tovg scpeqe JTQog xQ8iav rCov VjTO%eiquüv avxC^
(dem Menschen) ^wwr, 909 A, 3f iui/\ra Hie caiuia h-c« k-R (1. c«Kf)
H3HC»C/ÄUJf RAOA'K H*^ Kp'KMAK», H>Kr Kra)COY HOßHHkHH I6M0V
JKHBOTH, p^ß b. Bei schwierigeren Satzzusammenhängen wird
durch diese Manier die Verbindung der Theile oft völlig verdunkelt.
Von dem eigentlichen Relativsatz ist der artikelartige Gebrauch
des HJKf, der ja in der altkirchenslavischen Litteratur sehr ge-
wöhnlich ist, nicht scharf scheidbar; aus einer Wendung wie
P§Sb. KO/KkCTBkHOie HO HCTHU-R lUI-feCTO H A<2»CT0HH016 JKHTkl€
HJK£ no OKpasoY kojkhic, kann man unmöglich herauslesen, was
der griechische Satz besagt: S^eIov ovrcog xtoQiov y.al a^iov rov v.ax
dy.öva S-eov evÖLaiTi]i.ia^ 913 A, wo S^eov adnominaler (possessiver]
Genitiv zu eUöva ist, yxct shöra aber durch den Artikel substan-
tivirt, also »des nach dem Bilde Gottes (Geschaffenen)«. Es kom-
men die wunderlichsten Wendungen dabei heraus, vgl. ri yciq
{.lEltov TOV yEveod^ca tov dsov avd-QcoTtov, 984 B, mit 4kTC» EOAf
ejKf ETviTH Koro\" MAOB'feKOY, CKH a, WO der Artikel tov durch «jk«
ausgedrückt ist, aber die Abhängigkeit vom Comparativ nicht ge-
kennzeichnet. DergleichenUnebeuheiten oder Ungeschicklichkeiten
sind häufig.
Wenn ich ein Gesammturtheil über die Uebersetzungskunst
des Exarchen Johannes in dem BorociOBie abgeben soll, so möchte
ich sagen: man muss die Schwierigkeiten des griechischen Origi-
nals in Anschlag bringen, im Auge behalten, dass der mittelalter-
liche Uebersetzer, der möglichst wortgetreu zu sein strebt, nicht
die Anforderungen an sich stellte, die wir an einen heutigen Ueber-
setzer stellen; man muss ferner bedenken, dass er mit seiner
eigenen Sprache, die für ein solches Werk noch nicht genügende
litterarische Durchbildung besass, zu ringen hatte. Aber wenn
man auch das alles erwägt und zugunsten rechnet, so hätte trotz-
dem die Arbeit besser ausfallen müssen. Auch eine ganz wortge-
treue Wiedergabe des griechischen Textes hätte dem Leser einiger-
massen Sinn und Zusammenhang dev^E/Joaig vermitteln können,
wenn nur der Uebersetzer in der Wahl seiner Ueberfragungen der
Die Uebersetzungskunst des Exarchen Johannes. 65
irriechischen für das Verständniss bedeutsamen Termioi consequent
-ewesen wäre, und wenn er sorgfältiger auf die griechischen Wort-
und Satzverbindungen geachtet hätte. "Wie das Buch vorliegt,
konnte es weder zur Zeit seiner Entstehung, noch kann es heute
verstanden werden, ohne dass man den griechischen Text daneben
legt. Dabei habe ich das Werk als Ganzes im Auge; dass eine
Anzahl von Stellen gut oder leidlich gelungen sind, ist oben schon
liervorgehobeu. Beim Lesen habe ich zuweilen den Eindruck ge-
habt, die Uebersetzung sei gar nicht das Werk eines Mannes,
sondern vielleicht unter seiner Leitung oder in seinem xVuftrage
mehrere Arbeiter daran betheiligt gewesen, weil sie eben so ungleich
und inconsequeut ausgefallen ist. Doch will ich das hier nicht
weiter verfolgen.
Trotz aller Ausstellungen verdiente das EorocjioBie wie auch
der IIIeeTOÄHeB'B eine neue, dann aber wirkliche Ausgabe, die ver-
suchen müsste, die Menge der offenbaren Verderbnisse der Hand-
schrift zu verbessern und in Anmerkungen oder einem griechisch-
slavischen Glossar Wortbildung und Wortgebrauch des Exarchen
genau zu bestimmen. Denn ein Wortküustler ist er, nicht bloss in
der Bildung von Composita, sondern auch in Bildung und Anwen-
dung von einfachen und primären Worten.
Man wird meine Beurtheilung der Uebersetzungskunst des
Exarchen vielleicht zu strenge finden. Sie ist es auch vielleicht,
aber ich meine, mit der blossen Bewunderung ist es nicht gethan,
und es kann am Ende nicht schaden, wenn man die Werke der
kirchenslavischen Litteratur zuweilen etwas schärfer ansieht, und
uamentlich etwaige Herausgeber sich fragen, was eigentlich in den
Texten steht. Wenn ich z. B. in dem ersten Satz der sog. ILduien
iicTopHyecKaH (hsg. von A. Popov, Moskau 1881) lese: nw^OKatTk
hcthhhom;^ haokUkox,' i4lv;i,i\TH HTO fCTk KorTk. laKO BO uiioni'h.
lüBH C/A Korii. 0 Mfcoyk HapfH«TC/Ä Kon*, so sage ich mir, was
da steht ist Unsinn. Nehme ich den griechischen Text dazu (A. Vas-
siliev, Anecdota graeco-byzantina, Moskau 1893, S. 188), wird mir
klar, wie er entstanden ist. Hier steht: xqi] tov aliqd-ivbv [alrid-fi\
XQiaTiavop trcLyvCovaL [i/riaTaad-ai]^ tig ^ebg /.cd ÖGa/üg d-ebg y.ai
y.ccTu TL e'iQi^rcu Ssög = der wahre Christ muss erkennen, wer Gott
und nach welchen verschiedenen Weisen (in welchen Beziehungen)
er Gott ist und in welcher Beziehung er Gott heisst. Das y.ava ri
Archiv für slavische Philologie. XXV. 5
G6
A. Leskien, Die Uebersetzungskunst des Exarchen Johannes.
eiQt^TaL -d-eög steht nicht in allen Handschriften und ist vielleich
nur eine erklärende, aber richtig erklärende Glosse zu baayCog d-eög.
Offenbar hat nun der slavische Uebersetzer statt ooayCog gelesen
vjg r^yj)^ oder auch nur so sich verlesen und demgemäss übersetzt:
HKO KO mwiui'h. raBH C/Ä Kor'K, wodurch nun herauskommt: »denn
wie ein Geräusch offenbarte sich Gott«, natürlich gibt das dann fol-
gende 0 MfcoiuiT«. napfHfTC/Ä Koriv so gar keinen Sinn.
A. Leskieii.
<
Der Name bellbog in der slavisclieii Mythologie.
Man ist geneigt, den Namen
helhog weisser Gott, Lichtgott auf
Helmold's Chronica Slavorum zu-
rückzuführen, weil Helmold vom
guten und bösen Gott bei den
Nordwestslaven spricht und von
dem letzteren sagt, die Slaven
hätten ihn in ihrer Sprache zcer-
nehoch genannt. Die Stelle, — -
es ist das Capitel 52 im I. Buche,
— lautet : Est autem Sclavorum
mirabilis error: nam in conviviis
et compotationibus suis pateram
circumferunt, in quam conferuut,
non dicam consecrationis, sed
execrationis verba, sub nomine
deorum, boni scilicet atque mali,
omuem prosperam fortunam a
bouo deo, adversam a malo dirigi profitentes. ünde etiam malum
deum sua lingua diabol sive zcerneboch, id est nigrum deum ap-
pellant. (Die üebersetzung dieser Stelle in Lelewel's Czesc bal-
wochwalcza Winulska, Polska wiekow srednich I, 420 ist kaum
MyCu-^
-C«*!^
Der Name bclbog in der slavischen Mythologie. 67
richtig). Es wäre zu erwarten, dass hier, wo der böse Gott als ein
schwarzer, cernohog bezeichnet wird, der gute als Lichtgott, weisser
Gott, d. h. bclbog genannt würde, indess findet sich ein solcher Name
an der angeführten stelle nicht ; auch müsste der gute Gott dohryj bog
oder, im Gegensatz zu ccrnobog, nach der Sprache des Volkes b'olobog^
vielleicht im Munde Helmold's b'olebocJi heissen; Schleicher, Polabische
Sprache, führt S. 90 geradezu das Beispiel an: uf,.n. heisse i'w/, auch
in Lorentz, Das gegenseitige Verhältniss der sog. lechischen Sprachen,
Archiv XXIV, 9 finden wir es unter Nr. 2 bestätigt: »Ä'oZ-i'o/^«; für
die Form beibog, wie sie gewöhnlich auftritt, oder belboch ist kein
Platz. An sich wäre das Vorkommen dieses Namens bei Helmold, wie
schon bemerkt, nicht auffallend, aber das Fehlen desselben beweist,
dass Helmold ihn nicht gehört hat.
Nun sind auch die Nachrichten Helmold's über die Religion der
Nordwestslaven nicht ganz klar. Freilieh bezieht sich diese Bemerkung
nicht auf die geographische Seite seiner Meldungen, denn seine Worte :
invaluit in diebus illis (zur Zeit der Fürsten Pribislaw und Niklot) per
universam Sclaviam multiplex ydolorum cultura sind wohl deutlich
genug, dass er das ganze Gebiet der Nordwestslaven im Sinne hat, und
dafür spricht auch die Stelle über Svantevit und die Ausdehnung seiner
Machtsphäre: de omnibus Sclavorum pvovinciis statutas sacrificiorum
impensas etc., wohl aber erscheinen seine Berichte in anderer Hinsicht
nicht ohne Bedenken, vornehmlich erscheint in dem ganzen mythologi-
schen Systeme dieses Chronisten jene oben citirte Stelle mit der Erwäh-
nung vom cernobog wie überflüssig, so dass man sie sich wegdenken
kann, ohne dass der Zusammenhang gestört wird ; auch in mancher an-
deren Hinsicht möchte man sich grössere Klarheit wünschen.
Helmold spricht an zwei Stellen von dem Göttercultus der Nord-
westslaveu : I, 52 und I, S3, und obgleich ihr Inhalt zum Theil parallel
läuft, so dass der Gedankengang ziemlich derselbe ist und hin und wie-
der dieselben Worte gebraucht werden, und obgleich somit beide Stellen
sich ergänzen, so lassen sie doch Einiges im Dunkel, was daran liegen
mag, dass die Helmold von den Priestern gemachten Mittheilungen den
rohen Anfang eines nicht ausgebildeten Systemes bilden, dem auch
christliche Färbung nicht fehlt. Die Bedenken und Zweifel, vornehm-
lich in Bezug auf die guten und bösen Götter, mehren sich dadurch,
dass, wie schon J. Jireeek in C.C.M. 1S63 (Abschn. II bozi a besy) richtig
bemerkt hat, cernoboh eigentlich eine contradictio in adiecto, beloboh
68 W. Nehring,
aber ein Pleonasmus ist ; ferner dass unter den vielen Gottheiten (inter
multiformia Slavorum numina I, 52 und fast wörtlich auch so I, 83 :
inter multiformia deorum numina ^] keine als gute oder böse bezeichnet
werden, so dass wir nur im Allgemeinen sagen können, dass z. B. die-
jenigen, von denen tristitiae ausgehen, bösartig waren, aber dann wer-
den wir wieder nachdenklich, indem numina, welches Wort wir geneigt
sind als wohlwollende Gottheiten aufzufassen, doch auch Bekümmer-
nisse (tristitias) spenden. Helmold gebraucht auch das Wort daemonia
(I, 52), aber auch diese Stelle ist nicht ohne Bedenken, denn der Ge-
danke, der aus dem Zusammenhange sich ergibt, die daemonia sanguine
(christiani) facilius iuvitari und der Umstand, dass gleich weiter von
dem Hauptgotte Svantevit gesagt ist, dass ihm alljährlich christliche
Menschenopfer dargebracht werden, lässt das Wort daemon kaum als
bösartiger Geist auffassen. Auch die Mittheilung I, 83, welche wie das
Bild einer zadruga sich ausnimmt, dass alle Götter von einem Gott
ausgehen, mit ihm verwandt sind und nach dem Grade der näheren oder
entfernteren Verwandtschaft ihre Dignität und ihren Wirkungskreis er-
halten, hält den Gedanken an böse Götter fern, so dass wohl die Ver-
mathung gestattet ist, dass die eine Mittheilung vom cernohog von einem
anderen Priester herrührt, als demjenigen, der Helmold in die religiösen
Anschauungen der Nordwestslaven im Allgemeinen eingeweiht hat;
dieser diabol-zcerneboch erinnert übrigens an christliche Vorstellungen,
wie der Glaube an einen Gott auch an christliche Begriffe erinnert,
welche somit bei dem Wiederhineinbrechen des Heidenthums bei den
Nordwestslaven (seitdem »invaluit ydolorum cultura« etc.) nicht gänz-
lich verschwunden sind; dass dieser eine Gott zum deus deorum ge-
worden ist, ist wohl das Ergebniss der priesterlichen Speculation. lu
diesem Zusammenhange wäre es nicht unmöglich, dass der bonus deus.
von dem alles Gute ausgeht, eben der höchste, eine Gott war. Ich will
zugeben, dass eine andere Interpretation der zwei Stellen bei Helmold
von der Religion der Slaven, eine Deutung, die nicht an christliche Er-
innerungen anknüpft, möglich ist, aber diese Möglichkeit einer anderen
Interpretation würde beweisen, dass die Nachrichten Helmold's von dem
slavischen Göttercultus nicht ganz klar sind. Das Hineinfügen des
helbog würde sie auch nicht klarer machen ; der Name ist aus dem Zu-
1) Petersen, Chronika der Lande zu Holsten, Stormarn, Ditmarschen
und Wagern Frfrt a/M. 1557, wusste ihre Zahl auf 1000 anzugeben (!).
Der Name beibog in der slavischen Mythologie. 69
sammenhange der Stelle, wo er sich befindet, nuv herauscombinirt i).
Aber nicht so bald ist es dazu gekommen !
Seit dem zweiten Jahrzehnt des XVI. Jahrhunderts erscheint in
Deutschland eine Reihe von gelehrten Werken, in denen die Geschichte
und Alterthümer, darunter auch religiöse Alterthümer der einzelnen
deutschen Länder und Landschaften behandelt werden, welche somit
vorzugsweise Localinteressen dienen, insofern aber auch einige Auf-
merksamkeit beanspruchen können, als hier zu sehen ist, wie Mythologie
gemacht wurde. Die wenigen chronikalischen Nachrichten desHelmold,
I Saxo Grammaticus, Thietmar u. and., die sich auf den Göttercultus der
Nordwestslaven beziehen, Sachsen miteinbegrifien (die Biographien des
heil. Otto von Bamberg kommen nicht in Betracht), werden in unge-
bührlicher Weise generalisirt, durch falsche Voraussetzungen und will-
kürliche Combinationen auf Gegenden übertragen, denen sie ursprüng-
lich nicht gelten, und durch Etymologisiren und geradezu durch Hinzu-
dichtungen erweitert. Eine solche Hinzudichtung ist der Name beibog.
Die ältesten dieser Alterthumsforscher: Albert Krantz (inVandalia
und Saxonia), Brotuff in der Geschichte von Merseburg 1580, Albinus
in Meissnische Land- und Bergchronik 1590 u. a. kennen den Namen
uicht, sie citiren auch Helmold aus dem Original; erst bei den späteren
Antiquaren, welche ihn aus abgeleiteten Werken kennen, taucht beibog
auf. Der Erste, der ihn überhaupt nennt, ist der mir dem Namen nach
unbekannte Verfasser der Historia episcopatus Caminensis aus der ersten
Hälfte des XVU. Jahrb., in Ludewig Scriptores rerum Germanicarum,
tomus II res Bambergenses continens vom Jahre 17 IS. Hier steht S. 501
die oben angeführte Stelle aus Helmold von dem insignis Wandalorum
error (soll heissen : mirabilis Sclavorum error, — auch sonst ist das
Citat nicht genau, damals esistirte die Ausgabe von Bangert 1659 noch
nicht), und hier ist bei den Worten: malum deum diabol et eorum lingua
Zernebog i. e. nigrum deum appellabant der Zusatz gemacht: bonum
vero beibog i. e. album deum appellabant iuxta Manichaeorum errorem,
— und hier werden die Quellen und Gewährsmänner genannt : Haec e
f'ranzii Vandalia lib. EI c. 37 reverendi viri D. J. Bugenhag, Chronica
Pomer. lib. V c. S et D. Cramerus, Historia Pom. eccl. c. 45 fideliter
retulerunt. Imo forma eiusmodi idoli in peninsula Rugiae Vittoviae la-
pidi incisa adhuc conspicitur et vulgariter Wietold vocatur quasi Vitus
1 Ich habe diese Ansicht schon im Archiv II, 384 ausgesprochen ; im
^;leichea Sinne hat sich Krek Einleitung etc. 404 ^ geäussert.
70 W. Nehring,
autiquus etc. Wenn man diese Anführungen prüft, so findet man sich
enttäuscht: zunächst stimmen die Citate nicht und es kostet einige
Mühe, die Stelleu zu finden. Bei aufmerksamem Lesen des an sich in-
teressanten Buches von Bugenhag: Pomerania in quatuor libros divisa,
herausgegeben erst 1728, findet man Mittheilungen über Prowe, Siwa,
Eadegast und Svantevit, aber nicht aus Krantz's Vandalia genommen,
sondern direkt aus Helmold, den Bugenhag als auctor chronicae Sla ve-
rum bezeichnet. Die Hauptsache ist, dass von beibog keine Erwähnung
geschieht, auch kommt nichts Derartiges vor, was auf Wittow-Wietold
bezogen werden könnte, und dieses Schweigen ist um so beredter, weil
Bugenhag mehrere Jahre in dem Kloster Belbok an seinem Werke ge-
arbeitet hat; die Widmung an Bogislaus und seinen Bruder und Mit-
herrscher Casimir vom Jahre 1518 ist in Beibuk bei Treptow an der
Rega geschrieben. Aber an keiner Stelle findet sich eine Andeutung
darüber, dass der Verfasser hier von einem heidnischen Abgotte beibog
etwas gehört hat. Ofifenbar hatte der Name des Klosters nichts damit
gemein; Bugenhag nennt es auch an einer Stelle auf S. 47 Bucoviense
monasterium; man möchte fast glauben, dass der hin und wieder vor-
kommende Ortsname beibuk nichts anderes bedeute, als Weissbuchenort.
Am auffallendsten ist, dass an den Stellen, wo von der Gründung des
Klosters Beibuk die Rede ist, unter den Jahren 1170 und 1208, keine
mythologische Reminiscenz sich findet. Freilich gilt erst Bangert in
seinen Commentaren zu der Ausgabe von Helmold 1659 als Derjenige,
der angefangen habe, aus Ortsnamen auf die Existenz slavischer Gott-
heiten oder deren Cultus zu schliessen. Was nun Cramerus, Pommersche
Kirchenchronika 1603 anbetrifft, so steht auf S. 168, nachdem über
Porewit, Porenut u. s. w. auf Rügen gesprochen worden. Folgendes:
Ueber dies alles wird noch heutzutage auf der Insel (Halbinsel) Wittow
in Altkirchen ein Bildniss, in einen Stein gehauen, gezeigt, welches sie
heutigen Tages Wietold nennen und einen grossen Kopf hat, breiten
Barth und Knebelbarth, dem der Kopf gar auf den Schultern sitzt, ....
die Beine sind kurz und krumm u. s. w. Aber weder dieser Wietold
wird beibog genannt, noch ist an dieser Stelle und überhaupt in Kra-
mer's Buch dieses Wort zu finden. Und so bleibt vorläufig der Befund
bestehen, dass der Name beibog zuerst von dem unbekannten Verfasser
der Historia episcopatus Caminensis genannt werden ist. Was nun das
Steinbild auf der Halbinsel Wittow anbetrifft, so möge hier zur Erklä-
rung aus Grünibke Darstellungen von Rügen II, 219 angeführt werden,
Der Name beibog in der slavischeu Mj'thologie. 71
(lass in dem Fimdameute eines Vorbaues der Kirche zu Alteukirclieii
auf Wittow ein unförmlicher Steinblock mit einem fratzenhaften Relief-
liilde eingemauert ist; man nennt ihn Wietold und meint, es sei der
Svantevit (I). Man findet aucli in Kugler's Abhandlung: Pommersche
Kunstgeschichte in den Baltischen Studien, Jahrgang VIII, S. 10 diesen
(•egenstand kurz beschrieben und die Ansicht ausgesprochen, dass ein
-päterer christlicher Steinmetz damit habe den Svantevit darstellen
wollen, und zwar zu dem Zwecke, damit die Einmauerung eines solchen
Steines in die Fundamente gleichsam die Stelle anzeigen sollte, wo
i'üher ein Svantevittempel gestanden habe.
Nachdem nun helbog in die »slavische Mythologie« eingeführt war,
-II ist es nicht auffallend, dass sich die deutschen und auch mährischen
Schriftsteller (Stredovsky, Papanek) auf einen Lichtgott = helbog be-
riefen, w'obei die Historia episcopatus Caminensis als Quelle nicht an-
- «.führt wurde. Es wäre zwecklos, diese Schriftsteller zu nennen und
die Citate anzuführen: es sei nur erwähnt, dass sein Charakter bei
einigen von ihnen ins Schwanken gerieth, so bei dem bekannten Tro-
gillus Arnkiel in dessen umfassendem aus vier Theilen bestehendem
Werke: Cimbrische Heidenreligion, Theil I vom Jahre 1702, wo im
Register steht: belboch ein böser Götze der Wenden, aber im Texte des
ersten Theiles S. 82, wo Bezug genommen wird auf Helmold I, 53 recte
.')2, steht es: den guten Gott nannten sie belboch einen weissen Gott. —
Eine ungewöhnliche Freiheit gestattete sich Eckhardt, Pastor zu Jtlter-
bock, in seinem Buche: Monumenta luterbocensia 1732. Er erzählt
von seinen Landsleuten, den heidnischen Sorben, sie hätten als höchsten
Gott verehrt den Jutrebog, welche Gottheit sie auch helbog nannten,
quod etiam beibog sive deum -/.ar t^oyJ]v appellabant, und es wird ge-
lehrt ausgeführt, dass hei synonym sei mit iutre. Eckhardt ist nicht
der Erste, der einen Gott Jutrebog entdeckt hat, denn schon bei Albinus
Meissnische Landeschronik findet sich eine solche Stelle : Jüterbog Mor-
gengott, da man ohne Zweifel auch einen solchen Abgott, welcher aurora
gewesen, verehret; sodann hat auch Abraham Frenzel den Jutrebog
unter seine slavischeu Götter aufgenommen. Aber Eckhardt hat heraus-
geklügelt, dass beibog und jutrebog dasselbe sei.
Es war natürlich, dass helbog nach einiger Zeit auch abgebildet
■wurde. Dafür sorgte der begeisterte Alterthumsdilettant Gideon Spon-
holz, der in seine Prilwitzer Götzenfigürchen auch den Namen helboeg
(sie) einritzte ; der Superintendent Masch, der in seinen Obotritischen
72 W. Nehring,
gottesdieustlichen Alterthümern 1772 die Prilwitzer Götzenfiguren ab-
bilden Hess ') ; der Bearbeiter der zwei Mikorzyner Steine (Arch.ll, 383)
n. and. Der Graf J. Potocki in seinem Werke Voyage dans la Saxe
basse 1800, welcher zu Sponholz hinreiste, und Lelewel in seinen Ab-
bildungen zu seiner Abhandlung über die heidnische Religion der Slaven
und Andere sorgten für die grösste Pubücität der Prilwitzer Götzen-
bilder und für die Bereicherung (1) der slavischen Alterthümer.
Es sollte auch in der neueren Zeit ein neues Zeugniss für die Glaub-
würdigkeit des beibog in die Schanze geworfen werden, und Derjenige,
der es bona fide that, war kein anderer als I. Sreznevskij in seinem
Buche CBiiTHJiHin,a h oöpaABi üSHiecKaro öorocjryjKeHiÄ CjiaBKH'B no
CBH^tiTejiBCTBaMTb coBpeMeiiHLiMt H npe^aHiüMt. Charkov 1846, Hier
wird auf S. 13 gesagt, dass im Lausitzerlande bei Bautzen ein Berg
cernobog^^ und neben ihm ein anderer sei, welcher belobog^ heisse, mit
dem Zusätze: y 0KpecTHBixi> atiiTe.ieS coxpaHH.ioet o nnxi. npeAaiiie
KaK-T. 0 3r£cTaxi. asLi^iecKaro öorocjiy/KeHiii, und wie zur Bekräftigung
dieser seltsamen »Tradition« wird hinzugefügt, dass eine vom Volke für
heilig gehaltene Stelle, ypoyHiii,e, ein Wiesengrund im Walde, sich in
der Entfernung von etwa 15 Werst von Moskau an dem Wege nach
Troickij monastyrt bei dem Dorfe Gorodok befinde, welche vom Volke
öijiLie öorH genannt werde. Safafik, welcher in seiner Abhandlung vom
Cernoboh vom Jahre 1844 davon nichts erwähnt, spricht, offenbar darin
Sreznevskij folgend, in seinem Aufsatz Studie z oboru mythologie slo-
vanske und zwar in dem Abschnitte besi in Casopis c. Musea 1863 auf
S. 19: V Luzici nazväny dve hory jedna Cernoboh, druha Beloboh.
Nun wissen die älteren lausitzer Mythologen und Alterthumskenner
nichts von zwei Bergen bei Bautzen mit mythologischen Namen: Albi-
nus in seiner Meissner Landchronik 1590 und keiner der Brüder Frenzel
Brancl), weder der nachherige Pastor in Postwitz und üebersetzer des
Neuen Testaments Michael Frenzel in seinen Dissertationen De idolis
Slavorum, noch auch der nachherige Pastor zu Schoenau und üeber-
setzer der Bibel Abraham Frenzel in seinem Werke De originibus lin-
guae Sorabicae, insbesondere in dem V. Theile De diis Soraborum etc.
wissen etwas von cernoboh und beloboh bei Bautzen. Auch bei Knau-
then, der in seiner Oberlausitzer Kirchengeschichte 1767 alle auf die
1) Sponholz ritzte zuweilen neben den Namen belboeg (!) auch cerneboch,
was Masch sich nicht anders erklären konnte, als dass er eine Doppelnatur
annahm !
Der Name beibog in der slavischen Mythologie. 73
Lausitzer Alterthümer bezüglichen Nachrichten recht sorgfältig gesam-
melt und verzeichnet hat, findet sich keine Erwähnung davon ; Anton
liätte in seinen Ersten Linien eines Versuches über die alten Slawen
17S3 eine Nachricht darüber aufgenommen imd ihrem Ursprünge nach-
gespürt, aber auch bei ihm herrscht auf S. 42 tiefes Schweigen. Die
erste Nachricht von den Zwillingsbergen bei Bautzen, cernoboh und
hi'Ioboh^ findet sich zuerst in Stur's Cesta do Luzic C. c. M. 1838, 476
und Preisker's Blicke in die vaterländige Vorzeit 1841 I, 186; vgl. auch
Sreznevskij in Nota 4. Die Namen sind also wohl nicht alt!
Ganz unerwartet erschien 1S84 in Ostrowo eine Abhandlung von
Dr. Henrychowski : Bjelbug (sie) oder die identische Form und Bedeu-
tung des altslavischen bjelbog und des alttestamentlichen Weltschöpfers
Elchim. Der Titel zeigt den wunderlichen, verworrenen Inhalt an. Der
Verf. sagt nicht, woher er seinen beibog genommen hat, er spricht von
i)im als von einer allbekannten Gottheit der Slaven.
W. Nehrmg.
74
Polouica/
Das erste Jalir des neuen
Jahrhunderts hat erwiesen, dass
die so vielseitige Arbeitsfreude,
die wir für 1900 feststellen konn-
ten, keine vorübergehende, durch
das Krakauer Universitätsjubi-
läum hervorgerufene, künstliche
oder äusserliche Erscheinung war.
und nichts wäre verlockender, um
den grossen und stetigen Fort-
schritt zu erweisen, als auf unser
eigenes Archiv-Jubiläum zurück-
zugreifen und die Verhältnisse von
einst, von 1877, mit denen von
heute, von 1901, zu vergleichen.
Da würde sich ergeben, wie in-
nerhalb dieses Vierteljahrhunderts
die polnische Philologie, Littera-
turgeschichte und Alterthumskunde erstarkte, wie ihre Methoden ver-
bessert sind, das Arbeitsfeld erweitert ist, die Zahl der Forscher zuge-
nommen hat, ihre Leistungen sich nicht nur vervielfältigt, sondern auch
vertieft haben. Wohl hat der Tod Lücken gerissen, uns vielver-
sprechender und bewährter Kräfte beraubt, eines Hanusz, Malinowski
und anderer, aber die Lücken haben sich geschlossen, neue Ersatzmann-
schaft stellte sich zu der älteren. Die folgende Uebersicht soll zeigen,
dass diese hier behauptete Erstarkung und Bereicherung keine Phrase
oder Täuschung bedeutet.
Wir beginnen mit allgemeineren Darstellungen, Zeitschriften,
Sammlungen, Materialien.
Die schon im Bericht für 1900 erwähnten Litteraturgeschichten
sind nicht die einzigen geblieben: an die Werke von Chmielowski
und Tarnowski reihten sich zwei weitere Bände von der reich illustrir-
ten Litteraturgeschichte Dr. H. Biegeleisen's an, die das XV. und das
Vergl. Archiv XXIV, S. 182-205.
Polonica. 75
XVI. Jahrbundeit umfassen (Wien, Boudy, 0. J., gr.-S^]. Biegeleisen's
Werk ist äusserst umfangreich angelegt : drei starke Bände haben niciit
einmal die Spanne Zeit erschöpft, der das erste Bändchen von Chmie-
lowski gewidmet ist. Ein anderer Vorzug ist seine weitgehende Be-
nützung der gesammten neueren Litteratur, das blosse Verzeichniss der
Monographien und Aufsätze füllt viele seitenlange Spalten ; dann die
zahlreichen Illustrationen; die lebhafte Darstellung, die mitunter mit
der Grellheit der Bilder streitet; das Nichteinschränken der Litteratur
;uif die schöne oder belletristische allein ; endlich das Erweitern der-
-olben zu einer Kulturgeschichte der Nation. Dagegen fehlt des öfteren
Kritik, in der Gestaltung des Textes sowohl wie in der Auswahl der
Bilder; die Ergebnisse der Forschungen anderer sind nicht recht ver-
blaut; die Darstellung selbst ist abgerissen und sprunghaft: die Anord-
nung des Stoffes willkürlich und gewaltsam; das kulturelle Beiwerk
überwuchert die Litteraturgeschichte vollständig. Der W^erth des Buches
dürfte zunehmen, je mehr sich der fleissige, gewandte Arbeiter den ihm
besser bekannten, neueren Zeiten zuwenden wird. Meine eigene Ge-
schichte der poln. Litteratur in deutscher Sprache kann ich hier übergehen.
Nachträglich sei zu den Litteraturgeschichten von Chmielowski
und Tarnowski bemerkt — waren doch meine vorjährigen Erwäh-
nungen derselben noch vor ihrer Beendigung und unter dem ersten Ein-
drucke frischer Lektüre entstanden — , dass beide Werke insofern nicht
abgeschlossen sind, als Tarnowski mit dem Drucken eines sechsten
und siebenten?) Bandes beschäftigt ist — wir werden also noch Ge-
legenheit haben, auf ihn zurückzukommen ; hier sei nur besonders her-
vorgehoben der glänzende Styl, die Mannigfaltigkeit von Inhalt und
Darstellung (ausführliche Inhaltsanalysen gewähren angenehme Pausen),
die Sicherheit des ästhetischen Urtheils; das Werk selbst ist ein Kunst-
werk, handelt nicht nur von Kunst. Die sechs Bändchen von Chmie-
lowski reichen nur bis 1S65: für die folgenden Jahre tritt ergänzend
ein sein »Zarys literatury najnowszej« (vierte Auflage, 1898), denn im
sechsten Bändchen ist nur ein Hundert Seiten einer ganz allgemein ge-
haltenen Analyse der modernen Tendenzen und Ideen gewidmet, für
alle Einzelnheiten wird eben auf den »Zarys« selbst verwiesen.
Das Buch von Chmielowski ist nun besonders für das XIX. Jahrb.,
das er wie kein anderer Forscher kennt, wichtig; wird hier so ausführ-
lich und eingehend, dass Band III — VI (bis S. 290) nur seine ersten
64 Jahre behandeln! Dadurch gewinnt diese Darstellung bleibenden.
76 A. Brückner,
quellenmässigen Werth, der gesteigert wird durch den ruhigen, streng
sachlichen Ton, freilich auf Kosten einer belebteren, spannenderen Er-
zählung; auch dürfte mitunter allzuviel Detail gehäuft sein. Manches
erklärt sich allerdings durch die besonderen, bekannten Warschauer
Verhältnisse, unter denen der Verfasser schrieb, unter denen sogar alte
Illustrationen litten, so z. B. bietet sein ausgeführtestes Faksimile (des
ersten Blattes der Sophienbibel!!) zwei rothe Patzen statt der TFappen-
schilcler des Originals von 1456, welche beanstandet worden sind und
entfernt werden mussten ! 1 Diese Kleinigkeit ist beredt genug.
Von der unschätzbaren Estreich er 'sehen Bibliographie ist der
XVIII. Band (die Buchstaben H und I) abgeschlossen: Krakau 1901,
705 zweispaltige Seiten und Nachträge, S. I — VI. Das Werk, über das
wir bereits öfters gehandelt haben, erleichtert das Studium der älteren
Litteratur ganz ausserordentlich: wird doch z. B. unter Stichworten
(Jesuiten, Evangelische u. dgl.) die gesammte ältere Litteratur aufge-
führt, Untersuchungen über Verfasser u. dgl. angestellt, die moderne
einschlägige Litteratur (über Autoren und Werke) genannt, sogar aus
Zeitungen; oft werden Proben oder interessantere Mittheilungen des
Textes selbst abgedruckt, und die einzelnen Artikel erweitern sich so-
mit zu kurzen Abhandlungen, ersetzen die Einsicht in die Originale
selbst, die bei der ganz ausserordentlichen Zerstreuung der polnischen
Litteratur oft schwer oder gar nicht zu erlangen ist.
Wie sich die polnische Geschichtsforschung ihr Organ längst im
hochverdienten Kwartalmk historyczny (jetzt im XVI. Bande), so hat
jetzt auch die litterarische Forschung ein besonderes Organ sich ge-
schaffen, von dem der vielversprechende Anfang vorliegt. Der neue
DPamie^tnik literacku^ herausgegeben von den Lemberger Gelehrten,
Dr. W. Bruchnalski, Br. Gubrynowicz und Prof. E. Porebowicz
unter Beihilfe aller namhafteren Kräfte, ist eine Fortsetzung und Er-
weiterung des Pamietnik^ des Organs der Lemberger Mickiewicz- Ge-
sellschaft. Dem Meister selbst und seinen Intentionen gerecht werdend
— von sich pflegte und liebte Mickiewicz am wenigsten zu sprechen —
erweiterte die Gesellschaft ihr Organ zu einer Fachschrift für polnische
Litteraturgeschichte überhaupt und die drei ersten Hefte weisen einen
reichen und wohl gegliederten Inhalt auf: Abhandlungen, Materialien
und Notizen, Recensionen. Unter den Beisteuernden seien genannt:
Chmielowski mit seiner Geschichte der dramatischen Theorien in
Polen; Chrzanowski mit einer treflf liehen Studie über die Satiren des
Polonica. 77
Naruszewicz ; G(»rski mit einem Kapitel aus dem Leben des sentimen-
talen Lyrikers Karpinski; Windakiewicz mit einer Analyse der
tiotica des Kochanowski: A. Potocki mit einer Studie über die polni-
-ihen Almanache (Noworoczniki) vor 1S30; E.Por^bowicz mit einem
Aufsatz über »Jungpolenw, mit dem Nachweis, wie die modernsten
Richtungen tief in der alten, scheinbar längst ausgelebten und erstorbe-
nen Romantik wurzeln, wie lebenskräftig diese noch ist; ich steuerte
hei einen Aufsatz über tukasz Opaliiiski, den Bruder des bekannteren
Satirikers (Christoph Opalinski), aus der Mitte des XVII. Jahrb., eine
sehr hervorragende litterarische Kraft, dem Bruder weit überlegen.
Aus den Materialien seien nur dreierlei genannt: Nehrmg gibt aus dem
< >lser Archiv polnische, nach Schlesien (an den Fürsten von Münster-
berg gerichtete Briefe aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts,
sehr interessant für die Sprache der Zeit, deren freie Ausdrucksfähig-
keit erweisend; Bostel druckt aus Leraberger städtischen Urkunden
Beiträge über den Drucker der Ostroger Bibel, Iwan Federowicz, den
Russen, ab: es zeigt sich, dass seine Druckerei auch zu den Mamowicz
(so, nicht Mamoniczü) nach Wilno gekommen ist, nicht nur in die Lem-
berger Stauropigie; dass er in Lemberg einen Neudruck :•] der Ostroger
Bibel begonnen hat, der durch seinen Tod unterbrochen wurde: Kallen-
bach erschöpft die erstaunlich rege litterarische Thätigkeit des jugend-
lichen Krasinski, die französischen Arbeiten desselben von 1S30 und
1S31, in denen sich bereits beachtenswerthe Anklänge an Späteres
tinden. Ausserdem seien Beiträge von Prof. Fiaiek zur Geschichte der
Humanisten (Cricius als Polemiker gegen Luther u. a.) und Czarnik
zur Geschichte der Errichtung eines Lehrstuhls für polnische Sprache
und Litteratur an der (damals deutschen) Universität Lemberg, IS 17.
genannt. So reichhaltig präsentirt sich der Anfang (537 S.) der auch
typographisch äusserst sauber hergestellten Zeitschrift — dabei haben
wir die grossen Rubriken, Recensionen und Bibliographie (vollständige
der modernen schönen Litteratur) übergangen. Es wird nicht zu viel
behauptet sein, dass auf slavischem Boden wenigstens keine andere Zeit-
schrift zu nennen wäre, die wie diese Lemberger, so ausschliesslich der
Pflege der Litteraturgeschichte gewidmet wäre und so reichhaltiges
Material bieten würde : hoffentlich wird der Pamietnik, wie vor zehn
Jahren die Wisla, bei anderen Slaven Schule machen, Nachfolger finden.
Der Pamietnik erscheint in vierteljährlichen Heften ;i 12 Bogen in Lem-
berg, im Verlag der Mickiewicz-Gesellschaft.
78 A. Brückner,
Von Zeitschriften gehen wir zu Sammelausgaben über. Schul-
zwecken und der Privatlektüre der Schüler dient eine von einer Pro-
vinzialtirma (F. West in Brody) herausgegebene Sammlung u. d. T. :
Arcydzieia polskich i obcych pisarzy, bisher 9 Bändchen (zu äusserst
massigem Preise, 60 Heller das stattliche Heft); sie enthalten die Marja
des Malczewski; Grazyna, Wallenrod und Pan Tadeusz (zu diesem nur
den Kommentar); die Lilla Weneda und den Mazepa des Siowacki;
die Ungöttliche Komödie des Krasinski ; die Treny des Kochauowski ;
die Barbara des Felinski — mit Einleitungen und Kommentar, von
Chmielowski und anderen bewährten Lehrkräften. Sowohl die Wahl
der Werke als die Ausführung verdient alles Lob — freilich sind dabei
die Forderungen des Schulunterrichtes allein massgebend gewesen.
Die Krakauer Biblioteka Pisarzöw Polskich macht nur langsame
Fortschritte. Sie ist ihrem Prinzip zum Theil untreu geworden, da sie
jetzt auch historische Werke in lateinischer Sprache aufgenommen hat
(Nr. 39 Joli. Lud. Decii de Sigismundi Regis temporibus über; Nr. 40
Martini Cromeri Polonia sive de situ, populis, moribus, magistratibus
et re publica regni polouici libri duo), die noch so interessant sein
mögen, jedoch kaum hierher gehören. Nr. 38 enthält zwei politische
Pamphlete des habsburgischen Parteigängers und auch in der böhmi-
schen Litteratur wohlbekannten Masuren- Exulanten, Bartosz Pa-
procki, die gegen Zamoyski und den schwedischen Elekten gerichtet,
weniger vom Witz, als von der Galligkeit und Belesenheit (in Klassikern)
ihres Verfassers zeugen, bibliographische Raritäten und charakteristisch
für die Zeit und die Skrupellosigkeit ihrer Polemik. Nr. 41 bringt den
Anfang eines grösseren Unternehmens, sämmtlicher Werke des Piotr
Kochanowski, des Uebersetzers des »Befreiten Jerusalem« und des
»Rasenden Roland«; ersteres dreimal im XVH. Jahrh. gedruckt und
von entscheidendem Eiufluss für die gesammte episch-romantische Lit-
teratur der Zeit, letzteres nur handschriftlich vielfach vorhanden (die
Ausgabe des Przybylski ist schlecht und blieb unvollendet). Dieser
erste Band (XI und 345 Seiten, besorgt von dem trefflichen Lyriker und
Dramatiker Dr. Lucyjan Rydel) bringt die ersten zehn Gesänge des
»Goffred« nach der Ausgabe von 1618: das Ganze soll 8 Bände um-
fassen ; der achte wird die Monographie über Kochanowski bringen. Es
ist dies ein sehr verdienstliches Unterfangen, trotzdem auch im XIX.
Jahrhundert der Goffred mehrfach abgedruckt ward ; zumal von der so
wenig bekannten üebersetzung des Roland versprechen wir uns manches ;
Polonica. 79
- wird zugleich eine Ehrenschiijtl dem t.ilent- und temperamentvollen
L'ebersetzer gegenüber abgetragen, der Einfluss der Italiener (es müsste
auch noch der Adone des Marini herausgegeben werden, leider fand ich
bisher keine vollständige Handschrift der Uebersetzung seiner zwanzig
< it'Sänge), tritt desto augenfälliger zu Tage. In diesen Freudenbecher
ischt sich leider ein Wermuthstropfen: die Ausgabe, die mit peinlicher
-irgfalt den Originaltext ersetzen sollte, scheint durchaus nicht ein-
wandsfrei, ja sogar ziemlich fehlerreich zu sein — ich kann diesen Vor-
wurf aus Mangel einer alten Ausgabe hier in Berlin nicht kontroliren,
ich wiederhole ihn nur und hoffe, dass die Folge verlässlicher ausfallen
und die gemachten Fehler (Krynski und Chrzauowski zählten deren
eine stattliche Rubrik auf) berichtigen wird.
Von der Warschauer Bibliothek alter Texte des Prof. T. Wierz-
bowski sind die Nummern XII — XV erschienen, lauter kleine, zumTheil
herzlich unbedeutende Sachen, ein Memorial des Kardinal Radziwil
lateinisch), das aufhört, wo es interessanter werden könnte, noch vor
der Uebernahme der Verwaltung von Riga; eine politische Brochure in
\ ersen von 1608, Zeitfragen matt und schmucklos besprechend; die
erste Redaktion des politischen Libells des Orzechowski (Fidelis sub-
ditus vom Jahre 1543); eine Brochure desfcopeski in Versen von 1633,
die Freuden und Leiden des Lehrer- und anderer Stände derb, aber
witzig und treffend, behandelnd: Colloquium Jannasa Knutla : schon die
L'ebersetzung des Tityre tu patule etc. (Tityre du Hündchen — catulus!;
allein ist eine köstliche Parodie des Lateins des Dorf küsters, desKlecha;
die Erklärungen und Lesungen des Herausgebers sind durchaus nicht
tadellos. Derselbe hat gleichzeitig in die Publikationen der Warschauer
Universität (russisch) eine Herausgabe der polnischen zeitgenössischen
Litteratur über den Pseudodemetrius zu liefern begonnen ; das erste
Heft umfasst an zehn Gedichte, des Hofdichters der Mniszek, Zabczyc;
des geistlichen Panegyristen Grochowski: eines in die Tragödie dieser
Moskauer Bluthochzeit verwickelten Bürgers, Lifftel; eines anderen
Panegyrikers Jurkowski) u. s. w. — alle diese Gedichte, rein epischen,
lyrischen oder gemischten Inhaltes, behandeln die erste Phase des
Drama, den Abschied von- Polen der Maryna, den Zug des Demetrius,
die hochgespannten Erwartungen Aller, endlich die Tragödie selbst :
interessant als Stimmen der Zeit, weniger als direktes Material zu ge-
brauchen, da sie doch meist auf abgeleitete Quellen zurückgehen. Viel-
leicht bringt ein zweites Heft Interessanteres.
80 A. Brückner,
Eine angenehme Ueberraschung, weil ganz unerwartet, brachte uns
die zweite, nach langer Pause erschienene Nummer der »Denkmäler
polnischen Schriftthums«, herausgegeben auf Kosten des Herrn von
Zakrzewski in Petersburg. Der bekannte Petersburger Gelehrte und
Dozent, St. von Ptaszycki, der sich bereits durch die trefifliche Aus-
gabe des Wizerunk um Eey grosse Verdienste erworben hat, gab jetzt
den lange gesuchten, sogar den Bibliographen des XVIII. Jahrh., einem
I. A. Zaluski u.a., unbekannten Rey'schen Psalter heraus: (Mikolaj Rej
z Nagiowic) Psaiterz Dawidöw, VIII und 308 S. S^ (viele Seiten doppelt
gezählt und 5 Blatt Facsimile). Das Werk ist uns in drei Exemplaren
erhalten; zu den zwei vom Herausgeber benutzten kommt nämlich
ein drittes in Körnik (ein viertes, ebds., ist seit einigen Decennien ver-
schwunden) hinzu. Die Autorschaft Rey's war nicht ersichtlich, weil
— nach der bekannten, konsequenten Art Rey's — sein Name weder
auf dem Titelblatte noch bei der Dedikation an den König (Sigismund I.)
genannt war. Schon Dr. A. Beicikowski hatte 1S67 Rey als den
Verfasser dieser, nicht knappen üebersetzung, sondern weitläufigen
Paraphrase, erkannt; es störte, dass die Paraphrase prosaisch war,
während nach den Worten des Freundes und Biographen des Dichters,
Trzecieski, eine poetische zu erwarten gewesen wäre ; doch ist diese
Schwierigkeit nur eine scheinbare. Alle Umstände, Zeit des Druckes
(um 1546); Eigenheiten der Sprache (Wiederholung Rey'scher Aus-
drücke, upehiy für zupelny u. dgl.) ; die Anonymität selbst, die dem
Brauche des XVI. Jahrh. völlig zuwiderläuft und sich nur aus Rey's
Eigenart erklärt; die Gedanken der Vorrede u. a. weisen mit Entschie-
denheit allein auf Rey als den Verfasser und sind für unsere Erkennt-
niss dieses merkwürdigen Autodidakten von ausserordentlichem Werthe.
So wird erwiesen die tiefe Religiosität des Mannes, ein Grnndzug seines
Charakters, ja seiner Familie schon im XV. Jahrh., der nicht durch die
Reformation erst geweckt werden musste ; diese Psalterparaphrase steht
ja noch auf katholischem Boden, fügt jedem Vaterunser ein Ave Maria
hinzu. Und diese Religiosität, tief und innig, liess sich mit seinem lär-
menden, weltlichen Treiben völlig vereinen — für die slavische Psyche
ein sehr bezeichnender Zug — , diejenigen Herren, welche das Slaven-
thum von der Grazdanka, dem julianischen Kalender und von Byzanz
abhängig machen, sollen an dem katholischen Polen erst lernen, was
Slave zu sein heisst. Unser Respekt vor Rey wächst ausserordentlich ;
derjenige, von dem wir in den vierziger Jahren (bis 1557) nur Verse
Polonica, gl
^ ( imutheten, entpuppt sich als ein Meister des prosaischen Ausdruckes
und man traut den eigenen Augen kaum, dass diese herrliche, flüssige,
klare Prosa über 350 Jahre alt sein soll. Es ist nun das schöne Verdienst
von St. Ptaszycki, dieses Denkmal Allen zugänglich gemacht zu
haben : er begnügt sich mit einem genauen, nur in der Schreibung etwas
modernisirten Wiederabdruck des Warschauer Exemplars, ergänzt das-
selbe aus dem älteren und vollständigeren Krakauer (des Czartoryski-
schen Museums), verzichtet auf weitläufigere Untersuchungen, Glossare
u.dgl. Seinen Verdiensten um Roy hat damit Ptaszycki die Krone
aufgesetzt. Bei dieser Gelegenheit sei auch seiner, in den Izvestija
liHi2 gegebenen Uebersicht der polnischen «Volksbücher ff, der Alexan-
dreis, Melusine, Magellona, Otto und einiger anderer gedacht, die sämmt-
liche noch erhaltenen Drucke und Handschriften aufzählt, die russischen
Uebersetzungen und böhmischen Parallelen mit berücksichtigt — eine
I-^ucht langjähriger Sammelarbeit in den verschiedensten Bibliotheken,
\on Petersburg bis Prag, die Ptaszycki mit grösstem Eifer und bestem
Erfolg durchforscht. Um Rey's willen sei die Schrift eines Leipziger
Pastors, H. S. von Criegeru, »Nikolaus Rey als Polemiker« (Leipzig
rJÜO, IV und 96 S. S^) erwähnt; er spricht tieferes theologisches Wissen
dem Rey, der solches nie beansprucht hat, der die Stimme stets nur er-
lii'b, weil Berufenere schwiegen, ab; sammelt zur Erbauung der Zeitge-
nossen Ausfälle Rey's gegen das Papstthum, aus seiner »Apokalypse«
namentlich, empfiehlt sie nachdrücklichst wegen ihrer Schärfe und freut
sich der Ueberlegenheit deutscher Kultur — wir wollen sein Vergnügen
nicht weiter stören. Endlich auch noch die Freiburger (in der Schweiz)
Doktordissertation von Job. Pyczkowski, Mikolaj Rey's «Wizerunekff
und dessen Verhältniss zum »Zodiacus Vitaecf des Marcellus Palingenius,
Krakau 1901, S", 62 S. Schon Ptaszycki hatte in seiner treflTlichen
Ausgabe des Wizerunek auf dieses Verhältniss aufmerksam gemacht
und an drei Büchern es aufgezeigt; Pyczkowski vervollständigt und
ergänzt diesen Nachweis, wie selbständig, willkürlich Rey mit der an-
^ geblichen Vorlage verfahren hat. Von kritischen Wiederabdrucken sei
j noch hervorgehoben in der Biblioteka Dziel Chrzescijanskich (s. u. näheres)
{ des berühmten Dominikanerpredigers Ks. Fabian Birkowski Mowy po-
' grzebowe i przygodne, Warschau 1901, 2 Bände 26S und 200 S. S") ;
i eine ausführliche Skizze des Lebens und der Predigten des genialen
Mannes von X. An toni Szlagowski(S. 1 — 73) bietet die erste treflfende
kritische Würdigung des Nachfolgers von Skarga ; die zwanzig interes-
Arcliiv für slavische Philologie. X.KV. ^
82 A. Brückner,
santesten Leichen- und Siegesreden (auf Skarga, Zamoyski, Gustav Adolf
u. s. w.) bat Ign. Chrzanowski nach den Originalen herausgegeben.
Zum Abschluss dieser Rubrik »Allgemeineres« sei noch einer mo-
dernen bibliographisch-kritischen Monatsrevue gedacht, die u. d, T.
»Ksiazka« (miesiecznik poswi^cony krytyce i bibliografji polskiej pod
kierunkiem literackim Marjana Massoniusa) in Warschau, jetzt im
zweiten Jahrgang, herausgegeben wird. Auf einen allgemeinen Artikel,
Leader, folgen Recensionen, recht ausführlich, eingehend, von fachmän-
nischer Feder, über alle Erscheinungen der Litteratur, von der Theologie
bis zur Agronomie und Medizin; darauf die vollständige monatliclje
Bibliographie: ein verdienstliches, sehr zweckmässiges Unternehmen,
das auch die schöne Litteratur berücksichtigt, in der Regel scharf mit
ihr ins Gericht gehend. Ein populär gehaltener »Poradnik dla kupuja-
cych ksiazki« (unter wechselnder Redaktion) daneben, verfolgt andere
Zwecke, will anregend und läuternd aufs Publikum wirken, kämpft für
fortschrittliche und demokratische Ideen ; berücksichtigt, im Gegensatze
zur Ksiazka, auch fremde Litteraturen, verzichtend auf jegliche Voll-
ständigkeit oder Uebersicht, nur dasjenige wählend, was seiner polemi-
schen Richtung entspricht. Auch er erscheint in Warschau, ebenfalls
im zweiten Jahrgang.
Noch seien einige Fortsetzungen genannt. Prof. Ludwig Finkel's
Bibliografja historji polskiej, die 1891 begonnen war, naht jetzt rasch
ihrem Abschluss; es erschien vom 2.Theil Heft 4, Nr. 21021—22734.
Zu bewundern ist die Riesenfülle des Materials, zusammengedrängt in
den engsten Rahmen — welche erstaunliche Arbeit eine einzige Nummer
oft enthält, zeige z. B. Nr. 22045 »Kirchenbauten« S. 1072 — 1081.
diese eine Nummer verzeichnet sämmtliche Arbeiten oder Aufsätze über
alle Kirchen Polens, Hunderte oder Tausende von Namen der Städte.
Dörfer u. s.w. mit den entsprechenden Nachweisen; ebenso die folgende
Nummer über weltliche Bauten, die anderen über Architekten, Klein-
kunst, Epigraphik u. s.w. — Zibrt hätte daraus einen besonderen Band
gebildet, Finkel's Werk ist eine unerschöpfliche Fundgrube für die
politische und Kulturgeschichte der Nation — es ist geradezu unerfind-
lich, wie der Verfasser den gewaltigen Stoff hat so zusammendrängen
können: keine Bibliographie vermag an Knappheit und doch Fülle mit
der Finkel's zu wetteifern. Freilich ist ein Missstand dabei: die An-
gaben selbst sind möglichst kurz gehalten und der Druck ein sehr zu-
sammengedrängter, doch wäre ohne diese Auskunftsmittel das Werk
J
Polonica. 83
furchtbar angeschwollen. Unwillkürlich drängt sich der Vergleich mit
Prof. C. Zibrt's Bibliografie Ceske historie auf, von der eben der zweite
Kiesenband erschienen ist (1902, XI und 1216 doppelspaltige Seiten
Lex.-S" engen Druckes), der die Quellen und Bearbeitungen bis zum
Tode Wenzel IV. enthält, 15317 Nummern (und Nachträge zu Bd. I,
von S. 1189 ab). Zibrt gibt die Titel vollständig, die öfters je eine
halbe Spalte allein füllen, zählt auf den Inhalt von Sammelwerken, z.B.
Balbins, mit grösster Genauigkeit, so dass öfters eine einzige Nummer,
ein einziges Buch, viele Spalten einnimmt; es gewährt eine Freude, ihm
zu folgen, den Inhalt unzugänglicher Publikationen erschöpft zu sehen.
Finkel verweist bei älteren Sachen einfach auf Estreicher, bietet eher
den Index zu einer Bibliographie als eine Bibliographie selbst, aber ver-
einigt nicht weniger Material, als Zibrt; sein Stoff ist zudem erheblich
grösser, die Litteraturgeschichte z. B. umfasst auch die kleinrussische
u. dgl. m.
Von der »illustrirten altpolnischen Encyklopädie« Z. Gloger's ist
der zweite Band erschienen, 1901, 332 S., gr.-S", doppelspaltig, De-
partameut — Kapellaui, mit derselben Reichhaltigkeit der Angaben,
dem lebhaft erzählenden Ton, der warmen Anhänglichkeit an alles
Traditionelle, die sich dem Leser mittheilt: berücksichtigt wird Alles,
alte Sprachdenkmäler, Bauten, Waffen, Kleiderstoffe, sogar Fälschungen
von Dokumenten und Volkstraditionen.
Wir gehen zu Einzelarbeiten über und beginnen mit dem Mittel-
alter. Eigene Aufsätze und Abhandlungen habe ich umgearbeitet und
unter dem Titel »Literatura religijna w Polsce sredniowiecznej« (I. Band.
Predigten und religiöse Lyrik; litterarische und Sittenschilderungen)
herausgegeben (in der »Biblioteka dziel chrzescijauskich(f, die Z.Chei-
micki in Warschau herausgibt; 235 S. 8"); der zweite Band wird die
übrige Litteratur (Psalter, Erbauungsbücher u. dgl.) umfassen. Aus
diesem Bande hebe ich hervor den Passus über die Bogurodzica. Auf
Grund der allein richtigen Deutung des Twecjo dziela Chrzciciela durch
Dr. J. Franko (Archiv XXIV, 150 ff.) konnte ich feststellen alle Neben-
umstände dieses Heilandliedes; die Heranziehung der biographischen
Daten aus dem Leben der h. Kinga (gest. 1292 im Klarissinen-Kloster
zu Altsoncz) ergab mit Sicherheit, dass die Anrufung der Bogurodzica
und des Täufers, als Fürsprecher vor dem Heiland, auf Anregung der
frommen Fürstin selbst, die von der Bogurodzica und dem Täufer in
den entscheidenden Wendepunkten ihres Lebens Hilfe erfleht und er-
6*
84 A. Brückner,
langt hat, zurückzuführen ist; dass ihr Beichtvater, vielleicht gerade
der Franziskaner Boguchwal, der allein um alles wusste, bald nach 12 SO
(nach dem Tode ihres Mannes, da sie ins Kloster, dem sie als Ascetin
geistig längst angehört hatte, endgiltig eintrat), für die ura sie gesam-
melten Polinnen, die beiden Bogurodzicastrophen verfasst hat, welche
von so ausserordentlicher Bedeutung für Litteratur und religiöses Leben
geworden sind — kein anderes geistliches Lied, auch Hospodine po-
miluj ny, hat eine so verzweigte und interessante Geschichte, solche
nationale und historische Bedeutung aufzuweisen. In der »Biblioteka
Warszawska« 1902, Maiheft, druckte ich auch, aus Anlass jener Publi-
kation von Ptaszycki, eine Studie über alte polnische Psalterüber-
setzungen, zu der das gelehrte Beiwerk in den Rozprawy der Akademie
geliefert wird. Ich analysire die Uebersetzung des Florianer Psalters:
sein erster »Prolog« entpuppt sich als wörtliche Uebersetzung aus der
Einleitung des sächsischen Karthäusers Ludolf, vor 1350 zu seinem
eigenen Psalmenkommentar, und gehört daher einer späteren Zeit an,
als die für Kinga und Soncz um 1280 gemachte Uebersetzung der 150
Psalmen selbst, die zu Anfang des XIV. Jahrhunderts erst um die Can-
tica vermehrt worden ist ; hierauf die Uebersetzung des Pulawer Psal-
ters (Abhängigkeit vom böhmischen; Erweiterung um Argumente) und
stelle fest, dass der 1532 zuerst gedruckte und nur noch 1535 wieder-
holte Krakauer Psalter ein unveränderter Abdruck einer Krakauer
Psalmenversion von circa 1470 ist: die Angabe auf dem Titelblatt von
einer neuen, genauen Uebersetzung aus dem Latein ist falsch, nu.r die
Orthographie ist geändert worden (und auch dies nicht überall), sogar
das Explicit einer mittelalterlichen Handschrift ist beibehalten: der sehr
merkwürdige Fall beweist, dass der Faden der mittelalterlichen Tradition
im Polen des XVI. Jahrhunderts durchaus nicht abgerissen worden ist;
dieser erste Abdruck einer grösseren mittelalterlichen Handschrift er-
setzt uns die verlorene Handschrift und Psalterrecension selbst. Den
Beweis, dass dies eine Handschrift, resp. Redaktion von circa 1470 war,
ergeben die Modlitwy Waciawa, deren Psalmentexte (des ersten Theiles)
wörtlich, bis auf Fehler und Glossen, mit dem Krakauer Psalter von
1532 übereinstimmen.
So ergibt sich eine Fülle von Bereicherungen der alten Litteratur,
wir wissen jetzt über Personen und Werke erheblich mehr. Die Bogur
rodzica ist nicht vom h. Adalbert vor dem Jahre 1000, sondern von
Boguchwal 1280 gedichtet; ihre siawiena und zwolena sind nicht
Polonica. 85
Bohemismen, sondern altpolnisch: Petrus Odranec, der zweite Beicht-
vater der h. Kinga ist derselbe böhmische Franziskaner, welcher unter
der grossen Linde bei Glatz Berthold von Kegensburg als Dolmetscher
seiner Predigten zur Seite gestanden iiat und 1292 (in demselben Jahre
wie Kinga) gestorben, zu Glatz begraben ist. Die sog. Fortsetzung der
Bogurodzica, aus der Zeit des Ellenlangen, um 1320, ist merkwürdig
durch Einflechtung polnischen Details in die Anrufung des Heilandes :
u-iece, starosta pkieJmj^ kmiec, ströza sind Termini polnischer Ad-
ministration und in Himmel und Hölle — wir würden sagen, ganz de-
placirt, das Mittelalter sagte, glücklich placirt. Der Flovianer Psalter
zeigt nicht nur drei Schreiber und Orthographien, sondern besteht auch
aus drei zu verschiedenen Zeiten gemachten Uebersetzungeu (150 Psal-
men um 1280; die Cantica nach 1300; die Prologe nach 1350). Der
Pulawer zeigt Bohemismen, Ipi [lpefi)\ przyszy^ unverständlich, ist
aus der böhmischen Vorlage [preje si) ohneweiters zu erklären u. s.w. ;
seine Argumente berühren sich mit lateinischen Argumenten in Hand-
schriften polnischer Provenienz; er bedeutete gegen den Florianer Text
keinen erheblichen Fortschritt. Die Mängel desselben berichtete erst
um 1470 ein Krakauer Universitätsprofessor (die Krakauer Professoren,
im Gegensatze zu allen ihren Kollegen im Abendlande, kümmerten sich
auch um die verachtete Landessprache) oder Bernhardinermönch, indem
er die alte üebersetzung (von 1280) mit derVulgata eingehend kollatio-
nirte, besserte und änderte, d. h. in Formen und Lexikon modernisirte;
die Reste seiner Arbeit sind uns in den Modlitwy Waciawa (um 1480)
und vollständig ist sie uns in den Krakauer Psalterdrucken von 1532
und 1535 erhalten.
Eine andere Bereicherung mittelalterlicher Texte brachte meine
Studie im 33. Bande der Rozprawy filologiczne der Krakauer Akademie
(1901, S. 120 — 187): Drohne zabytki polszczyzny sredniowiecznej H.
Sie brachte ein unbedeutendes Pergamentfragment einer vollständigen
Evangelienübersetzuug von circa 1450 (aus Matthaeus 25), in schöner
Sprache und grosser, sorgfältiger Schrift; vor allem jedoch den «Lü-
bener Mammotrekt« (Lüben in Schlesien, dessen Kirchenbibliothek ihre
Handschriften nach Berlin verkaufte) von circa 1470. Dieser polnische
Mammotrekt, d. i. biblisches Wörterbuch (der schwierigeren Ausdrücke
nach der Reihenfolge der heiligen Bücher; hier zuerst das Neue, dann
das Alte Testament ; auf 02 Blättern folio, zweispaltig) beruht auf böh-
mischen, ist vielleicht in Schlesien entstanden, denn zahlreiche Präterita
86 A. Brückner,
wie cirpiai setn, pcmoival si, erste sing. Präsentia prosim, naiorocim
u, s. w. , Imperfecta piawasze^ wynikachu u. dgl. m. weisen auf ein
böhmiscb-polnisches Sprachgebiet hin. Dieses Wörterbuch eines ge-
wissen Bartholomaeus weist neben vielen Bohemismen (vgl. den von
Mencik im Archiv V herausgegebenen Wiener Mammotrektus böhmi-
scher Sprache) zahlreiche interessante polnische Worte auf, z. B. icqwiry
pravus, vgl. böhm. umry (eig. tortuosus, zu loir^ das sein i vor r, gegen
die Generalregel, nicht zu ie bricht), gardzina titan (bÖhm. Jirdina Held),
miodziwna zona puerpera, sijqcy heiss (kaschubisch sejac glühen,
sijati), skomroszny lascivus (häufig, Lehnwort wie hojarzyn oder ein-
heimisch?), dzwiekac ruminare (Miklosich kennt nur stidslavische Pa-
rallelen zu dveka ruminatio ; in polnischen Dialekten secundäre Nasali-
rung, dzwiegac u. s. w.) und anderes der Art. Die Betrachtung des
Denkmales führt wieder auf interessante Folgerungen: es zeigt sich,
dass alle )ikaschubischeu« Idiotismen im älteren Polnisch vorhanden
waren; es zeigt sich die »zentrale« Stellung des Polnischen auch im
alten Wortschatze und unwillkürlich erinnert man sich an das dziela der
Bogurodzica wie im Weissrussischen dziela i), an das dzinsa derHeiligen-
1) Z. B. dziela loialikaj cany wegen des grossen Werthes lese ich in der
prosaischen Vorrede zum »Pan Tadeusz. Paemät Adama Mickiewlcza pia-
rala^yv z polskaho na bielaruski jazyk A. J.« (Lemberg 1892, erstes Buch).
Der Thaddäus war schon von Marcinkiewicz in den fünfziger Jahren ins
Weissrussische übersetzt und Proben davon gedruckt worden ; das ist eine
neue Uebetsetzung, sehr interessant, ich führe einen Passus an:
Siarod takich niu, nad bieraham ruczaju,
Na pryhorku uiawialikam, u biarozawam haju,
Stajäu kölis na padmurku szlachocki dwor drauniäny;
Swiacilisia zdalök scieny pabialäny
Tym bolsz, przy ciomna zialanawym kolary tapoli,
Zakrywauszych u wosian kali wieciar u poli ....
Znac akulica bahata i rodzic naddatak.
Widna:^ toja i z liczby kop, uzdoiii i papiarök
Swiaciaszczych, jak zorki, na iania; widna z liczby soch,
Aruszczych uczesnia dwörskija music papary,
Czarnaziumuyja palosy i pabnoi stary,
Upraüny tak jak u aharodzia hradki :
Peunia^ u dware dastatak i paradki :
Bacz i brama staic nascia:^, zdajecca hatosic.
Szto hascinna, padaro^nych u hascinu prosic ....
U dware pusta, bo dzwiery ad ganku zamknuty
Na klaraki i jönj halkami zatknuty ....
Polonica. 87
kreuzer Predigten wie das niederserbische zinsa, an die cedo, goleniy^
uigios u. s. w. polnischer Texte.
Eine wesentliche Bereicherung erfuhr die slavische Aesop-Litteratur
vuu zwei verschiedenen Stellen aus. Prof. Antonin Truhlär gab
nämlich nach dem glücklichen Auffinden eines Unicums, der Prostejover
Ausgabe von 1557 im Verlag der Akademie heraus: Jana Albina Ezo-
}>Mvy fabule a Brantovy Rozprävky (Prag 190 1, LXIIund 4 1 7 S. gr.-8") ;
die treffliche Ausgabe wiederholt sogar (verkleinert) die alten Holz-
schnitte; die Fragmente des ältesten Aesop, der Inkunabel von 148S,
sind imFacsimile beigegeben; eine erschöpfende Einleitung erörtert alle
Fragen, nach der Vorlage (Steinhövel-Bvant), das Faktum, dass Albin
einzelne Partien direkt aus dem Griechischen übersetzt hat, die Un-
gelenkigkeit anderer mit ihrer saloppen Wiedergabe des deutschen
Textes. Die Ausgabe ist eine musterhafte — Krakau bietet keine ähn-
liche — kaum dass in der Einleitung das eine oder andere hinzuzufügen
Oller zu berichtigen wäre (z. B. über den Doliganus u. a.). Der alte
Text wird auch mit den späteren Auflagen verglichen.
Komplizirter lag die Frage beim polnischen Aesop; die Polen haben
einen prosaischen, im XVI. Jahrh. trefflich übersetzt, die Uebersetzung
in fortwährend neuen, im wesentlichen unveränderten Auflagen bis tief
in das XVIII. Jahrh. fortgeführt (vgl. Estreicher i. h. v.) ; aber neben
diesem prosaischen Aesop (ohne die Vita; nur die Fabeln, mit einer
Auswahl aus Babrius, Abstemius etc.) hatten sie eine poetische Bearbei-
tung der Vita, ausgewählter Fabeln, nebst einem Einschub aus dem
Directorium humane vite (Kaiila va Dimna) des Bernhard von Lublin.
erhalten in einem späten Druck von 1578. Diesem Aesop widmete ich
eine Abhandlung, Ezopy Polskie, in den Krakauer ßozprawy XXXIV.
163 — 235. Es ist eine äusserst interessante Persönlichkeit, dieser Arzt
nnd Freidenker in religiösen Sachen, vor Luther noch über Luther
herausgehend (die deutschen Protestanten haben seit Flacius einen Ab-
schnitt aus seinen Briefen unter ihre festes veritatis stets aufgenommen),
welcher sich die Arbeit in der Landessprache, der arg vernachlässigten,
zum Ziele setzte; er ist ja Verfasser zugleich auch des ersten grösseren
medizinischen Compendinms in der polnischen Sprache. Aber ein Un-
Toj sam usiudy sprat, ty samy abiccia
Z katorymi lubiü huläc ad pawiccia.
Tolka jak by mienszy, prasciejszy ni^ kölis hladzieli etc.
88 A. Brückner,
Stern scheint über ihm gewaltet zu haben: das Compendium ist erst
nach vielen Decennien als ungeordnetes Werk eines Unbekannten
von dem Büchermacher Siennik (1564, Lekarstwa doswiadczone) heraus-
gegeben und auch den Aesop (mit starker antiklerikaler Tendenz —
sogar das Wiesel, das sich an der Feile das Maul blutig ritzt, sind ihm
die Theologen, die von Gott nur lügen !) scheint man erst nach seinem
Tode aus einer lüderlichen Abschrift gedruckt zu haben ; unsere Aus-
gabe von 1578 (ein Unicum) ist in dem Ausmerzen antiklerikaler Aus-
fälle noch weiter gegangen. Bernart von Lublin gehört somit au die
Spitze der polnischen Poesie (er schreibt 1515 — 1520) und Prosa; er
gibt (in den Fabelaufschriften) auch die erste grössere Sammlung pol-
nischer Sprichwörter, die Rysinski 1618 fast alle wiederholt hat; ich
suchte die Verdienste dieser merkwürdigen verkannten Persönlichkeit
ins rechte Licht zu rücken ; dabei besprach ich andere polnische Fabel-
werke (Paprocki, Niemirycz, der schon 1699 Lafontaine nachahmte)
bis in den Anfang des XVIIL Jahrhunderts.
Der XXXIL und XXXIIL Band derselben Krakauer Rozprawy ent-
halten zwei wichtige biographische und litterarische Studien, von Jan
Czubek über Wespazjan z Kochowa Kochowski (189 S. gr.-S^") und
Dr. Korneli Heck über Szymon Szymonowicz (Simon Simonides), jego
zywot i dzieia, czesc pierwsza (160 S. gr.-S^). Czubek, dem wir trefi-
liche archivalische Studien zur Biographie von W. Potocki und J. Chr.
Pasek bereits verdanken, hat jetzt das vollständige Lebensbild des klein-
polnischen, erst Lyrikers, hierauf Historiographen gegeben, aus den
Krakauer Archiven und den Werken des Dichters selbst schöpfend, eine
Fülle von Licht über die Persönlichkeit desselben und seinen Freundes-
kreis (darunter zahlreiche Dichter, z. B. Gawinski, Mtoszowski und
Chometowski) verbreitend; er behandelt den Umfang seiner Bildung
und die Art seiner Sprache, doch nicht die Werke selbst. Heck er-
schöpft alles, Bildungsgang, Umgebung, Schriftstellerei seines Helden :
dieser erste Theil umfasst nur die Jugendjahre, bis zu dem entscheiden-
den Zusammentreffen von Szymonowic (die richtigere Form seines Na-
mens, die der Verfasser ich weiss nicht warum meidet) und Zamoyski;
behandelt daher fast ausschliesslich die lateinischen Werke des Dichters
und Philologen, vielleicht mit Ueberschätzung ihres poetischen Werthes,
der doch schon wegen des äusseren Gewandes gar kein originaler sein
kann. Beide Arbeiten sind treffliche Proben der neueren Forschung, j
die endlich alles Erreichbare heranzieht, um vollständige Lebens- und '
Polonica. 89
Autorenbilder zu schaffen, in Einzelforschungen die gesammte Litteratur-
geschichte zu fördern.
Den XXXIV. Band der Rozprawy füllt hauptsächlich die Studie
von Dr. Stanislaw Windakiewicz aus, Teatr ludowy w dawnej
Polsce, 231 S. gr.-S**, 1902. Windakiewicz beschäftigt sich seit
Jahren eingehend mit der Geschichte des polnischen Theaters; wir
verdanken ihm bereits eine treffliche Arbeit über das Theater König
Wladislaus lY. (Krakau 1893) und über die ältesten Schauspielergesell-
schaften in Polen. Nunmehr behandelt er das Volksschauspiel, Myste-
rien, Dialoge, Possen, aus Handschriften und Drucken, für das XVI.
und XVII. Jahrhundert hauptsächlich. Aber in dem Eifer, ein ent-
wickelungsreiches Volksrepertoir zu schaffen, geht er viel zu weit und
bezieht in das Volksschauspiel ein, was zur Schulkomödie, zu den Auf-
führungen der Jesuitenkollegien gehörte; von manchen seiner Stücke
eines angeblichen Volksrepertoirs kann man direkt den Beweis liefern,
dass es Jesuitenstücke waren ; von vielen, dass sie nur aus der Schul-
praxis entstanden sind, zur Schule ausschliesslich gehören. Trotz
seiner scharfsinnigen, vergleichenden Ausführungen bleibt es dabei,
dass es einen »teatr ludowy« im alten Polen nicht gegeben hat; sogar
die Mysterien haben sich nicht recht akklimatisiren können, sind spät
und dürftig; die slavische Psyche empfand eben kein rechtes Bedürf-
niss einer derben, sinnfälligen Aktion für das Heilige, begnügte sich mit
Bild und Symbol — die Gesänge der Gorzkie zale zu Fasten verdräng-
ten ohneweiters die Osterspiele selbst. Es gab kein Volks-, nur ein
Schul- und ein Jesuitentheater in Polen, zu denen hinzukamen : deutsche
Komödianten bei Sigismund III., italienische Opern und Ballette bei
Wladislaus IV., Einzelaufführungen, auch der Tragödien von Corneille
und Racine und anderer Stücke, am Hofe der Könige und Magnaten bis
zurGentry hinunter; dagegen ist ein ständiges polnisches Theater sogar
jünger als das russische, Volkov und Sumarokov gehen den Bohomolec
und Bielawski zeitlich vor.
Neben diesen Litteraten und Litteraturgattungen seien erwähnt
die Erasmiana des lic. Kazimir von Miaskowski (die Korrespondenz
des Erasmus von Rotterdam mit Polen, Sep.-Abdr. aus dem Jahrbuch
für Philosophie und spekulative Theologie, Paderborn, Schöningh, 1901,
31 und 88 Seiten &% die Beziehungen des Erasmus, die Persönlich-
keiten (ilaski, Decius u. a.), die Briefe und Dedikationen selbst, in Re-
gesten oder in extenso, erläuternd und bringend, ein interessanter Bei-
90 A. Brückner,
trag zur Geschichte des Humanismus in Polen; J. Pelczar behandelt
das Leben des Ilussovianus, dessen interessante lateinische Carmina
er im Corpus antiquissimorum poetarum Poloniae latinorum herausge-
geben hatte; R. Abicht das Leben und die Wei'ke des Andreas Zbyli-
towski auf Grund von (geringen) Archivalien und seiner Werke; Ja-
worski (in einer Berliner Doktordissertation) Leben und (handschrift-
lich nur erhaltene) Werke des Jan Smolik, welcher noch vor Piotr
Kochanowski und den Morsztyns dem italienischen Einflüsse in Polen
die Bahn bricht, Pastorellen und italienische Tragödien nachahmt oder
tibersetzt; Tad. Pazdanowski das polnische protestantische religiöse
Lied im XVL Jahrhundert, also die Studien des^ Dr. Bobowski über das
katholische Lied fortsetzend, aber mit unzureichenden Mitteln. Hier
sei erwähnt die Publikation eines Historikers, des Lemberger Forschers
Dr. Aleks. Hirschberg, der sich um die Demetrius-Litteratur bereits
so verdient gemacht hat, durch seine Biographie des ersten Pseudo-
demetrius wie durch seine Herausgabe der Memoiren des Stanisiaw
Niemojewski. Jetzt beginnt er eine Publikation u. d. T. »Polska a
Moskwa w pierwszej polowie wieku XVH« (L Bd., 1901); der Band
enthält den bisher ausTurgeniev und Szujski nur unvollständig bekann-
ten Diarius des Waclaw Dyamentowski, des Hofmeisters der Maryna,
aus einer vollständigen Abschrift des XVHL Jahrh. ; das Tagebuch des
Jan Piotr Sapieha, des Condottiere der Maryna und des zweiten Pseudo-
demetrius, aus der im Lager verwitterten und verwischten Original-
handschrift, die Hirschberg in Schweden auffand — allerdings hatte
bereits Kognowicki für den zweiten Band seiner Biographien der Sa-
piehas daraus geschöpft, aber war ganz willkürlich mit Daten, Namen
und Fakten umgesprungen ; endlich eine russische Relation (in polni-
scher Schrift) der Moskauer Botschaft in Warschau vom Ende des Jahres
1611, die bisher ganz unbekannt war nnd auf die Berufung des Wla-
dislaus auf den Carenthron, die Stimmung am königlichen Hofe u. dgl.
interessantes Licht wirft. Das gesammte Material ist mit diplomatischer
Treue und musterhafter Genauigkeit herausgegeben und wir haben
noch manchen anderen werthvollen Beitrag zu den so verwickelten
Zeiten und Intriguen des CMyTHoe Bpe>ia zu erwarten.
Unter anderen historischen Publikationen sei erwähnt die Heraus-
gabe der Reichstags-Diarien von 1585 durch Dr. A. Czuczynski als
XVHL Bd. der Scriptores Rerum Polonicarum der Krakauer Akademie
(1901, XXVm und 47,5 S. gr.-S»), also gesprochener Texte des XVI.
Polonica. 91
Jahrhunderts, mit ausserordentlicher Sorgfalt und Umsicht aus vielen
Handschriften zusammengestoppelt : ein glänzender Beleg für die Höhe
der parlamentarischen Beredtsamkeit im Polen des Batory ; der Prozess
der Zborowski steht dabei im Vordergrunde ; die Ausgabe ist als eine
musterhafte zu bezeichnen. Vorher erschien der IV. Band des Diarium
des Jesuitenordenshauses in Krakau, des P.Jan WielewickiS.J., heraus-
gegeben von Dr. W. Chotkowski, umfassend die Jahre 1618 — 1628
— auch für die Litteraturgeschichte, nicht nur für die Kulturgeschichte
von hohem Interesse : waren doch die polnischen Jesuiten die eifrigsten
(polemischen) Schriftsteller und schrieben meist unter angenommenen
Namen, Wielewicki entwirrt uns diese pseudonyma (mitunter brauchte
ein Verfasser 4 — 6 solcher!). Um noch weiter in die Vergangenheit
zurückzugreifen, seien hier noch Arbeiten des uns so häufig begegnenden
Lemberger Professors der Kirchengeschichte, Dr. Jan Fijal'ek ge-
nannt, die derselbe in dem Posener Przeglad koscielny (Monatsschrift,
herausgegeben von X. St. Okoniewskij veröffentlicht, stets mit einer
erstaunlichen Fülle neuen, unbeachteten, urkundlichen Materials. Er
handelt diesmal zuerst über Paulus Wlodkowic, den Vertheidiger Polens
auf dem Konzil von Konstanz gegen den deutschen Orden ; ausserdem
über die Geschichte des polnischen Marienkultus, der ja so eng mit der
Litteratur, namentlich mit der populären, verflochten ist.
Diese religiöse, populäre Litteratur nöthigt uns zu einem Abstecher,
zur Erwähnung eines russischen Werkes, der MaTepiajiLi des Herrn
B.T. üepexi^'L (I, 1 und 2, IIs-l HCTopin pyccKoii nicHH, Petersburg
1900, IV und 425, 209 S. gr.-S**), eines wichtigen Beitrages zur Ge-
schichte des religiösen Liedes in Moskau und seiner Beeinflussung durch
polnisch-kleinrussische Elemente. üepexi^'L bespricht zuerst, was
man theoretisch von der Poesie in alter Zeit wusste und wie die Praxis
sich ordnete; er bespricht die ersten Proben der syllabischen Poesie,
den polnischen Einfluss, den kleinrussischen Kirchengesang, ein ange-
feindetes novum in Moskau, die grossrussischen Handschriften der
psalmy und kanty und ihre polnischen oder kleinrussischeu Vorlagen
und Quellen; die einzelnen Gedichte; endlich die Bestandtheile sowie
die Redaktion des Bohohlasnyk (1790 zuerst herausgegeben, Werk der
, unirten Basilianer, noch heute im Volke verbreitet). Das Werk greift
; vielfach in polnische Litteratur: sind es doch die Brosamen, die vom
polnischen Tische abfallen, von denen man sich in Kiev und Moskau
nährt. Leider ist die Arbeit von Perec unvollständig in einem wesent-
92 A. Brückner,
liehen Punkte : er spricht zwar von der Vorliebe der Polen für klein-
russische Themen, von dem Eindringen kleinrussischer Texte in alte
polnische Handschriften, aber die zahlreichsten, interessantesten Hand-
schriften hat er gar nicht eingesehen und auch nicht beachtet, dass
schon in polnischen Drucken seit dem Anfange des XVH. Jahrhunderts
sehr schöne kleinrussische Texte vorkommen : diese Lücke werde ich
selbst noch ausfüllen. Auch sonst gibt es in dem Buche Versehen und
Mängel, aber der Verfasser verdient redlichen Dank für die erfolgreiche
Bearbeitung eines ganz vernachlässigten, internationalen Litteratur- und
Kulturkapitels; ich habe aus seinem Buche viel gelernt. Zur populären
Litteratur erwähne ich noch meine Uebersicht der polnischen Volks-
bücher, ihres Inhaltes und ihrer Quellen, die ich in der «Biblioteka
Warszawska« 1900 und 1901 einrückte: eine Hauptstelle nahm darin
ein der »Eulenspiegel«, der Nachweis, wie diese Gestalt in Polen po-
pulär wurde und eine ganze reiche, bürgerliche, satirische Litteratur
hervorgerufen hat, sodass die Geschichte des polnischen Eulenspiegels
(Sowizdrzal) im XVH. Jahrh. ungleich interessanter und vielseitiger
wird, als die des Originals in Deutschland; der polnische entäussert
sich der Unfläthigkeiten des deutscheu und erweitert sein Können, seine
Kritik, seine Witze. Sonst führte ich auch, zur Charakterisirung von
Stoff und Sprache, älteste erreichbare Fragmente, aus den Sieben Wei-
sen, aus derMagiellona an, die aus alten Büchereiubänden in Warschau
und Posen, durch Wolski und Erzepki losgelöst worden sind: die
Sieben Weisen vielleicht aus der ersten Ausgabe von 1528, die Ma-
giellona aus dem XVH. Jahrhundert.
Für das XVHL Jahrh. liefert urkundliche Beiträge Wi. Smolenski
in den drei Bänden seiner gesammelten historischen Schriften. Es sind
dies keine speciell litterarhistorischen, sondern kulturhistorische Auf-
sätze, eine Fortsetzung seiner »Geistigen Umwälzung« (Przewröt umy-^
siowy) im XVHI. Jahrh. nach verschiedenen Richtungen und Ergänzung
derselben, z. B. über die ersten litterarischen Gesellschaften in Polen ;
über die Kalenderlitteratur; über den Barfüsser Ks. Marek, seine Pro-
phezeiungen, Briefe, seine Rolle und Bedeutung ; über die Mitarbeiter
des Kollontay, die sog. »Koltontay'sche Schmiede« in Warschau um
1790, die Jezierski (mit seinen sarkastischen Definitionen und politischen
Pasquillen), Dmochowski u. a. Eine treffliche Charakteristik des Men-
schen Krasicki gab Prof. J. Tretiak im Dezemberheft der Biblioteka
Warszawska 1901.
Polonica. 93
Eine sehr eingehende Würdigung der Entwickelnng der National-
ökonomie in Polen, von 1773 bis 1S31, verdanken wir Dr. Stan.
rabski, zarys rozwoju idei spoleczno-gospodarczych w Polsce etc.
Przeglad Polski 1902), die in den treffendsten Charakteristiken von
Staszic über welclien schon vorher in derselben Zeitschrift Dr. T. Gra-
bowski gehandelt hatte) und Kollatay gipfelt. Als Beitrag anderer Art
nenne ich das Werk des Ks. Jan Syganski S. J., Historya Nowego
^cza od wstapienia dynastyi Wazuw do pierwszego rozbioru Polski.
Bände, Lemberg 1901 und 1902 (V und 242; 354; IV und 2S3 S.):
die polnische Litteratur ist an Stadtgeschichten verhältnissmässig arm :
Sandec, die Stadt der heil. Kinga, die Wiege der polnischen National-
litteratur, hat sich jetzt des ausführlichsten, urkundlichen Beitrages zu
rühmen, für polnische Kulturgeschichte einer eminenten Leistung:
möchten doch auch andere Städte solche Historiographeu finden.
Für das XIX. Jahrh. seien zuerst die Arbeiten des jungen Forschers
^tanisJaw Zdziarski erwähnt. Zdziarski ist vom Studium der
Volkslitteraturen ausgegangen und verfolgt dieselben in ihrer Wirkung
auf die Kunstlitteratur; so entstand sein »Pierwiastek ludowy w poezyi
polskiej XIX wieku, studya porüwnawczoliterackie«, 1901, ein statt-
licher Band von VIII und 590 Seiten gr.-S". Doch ging der Verfasser
etwas mechanisch zu Werke: er fragte, welche volksthümlichen Sujets
der Kunstdichter und wie er sie behandle, und löste so seine Arbeit in
Einzeldarstellungen der Rolle des volksthümlichen Elementes beiMickie-
wicz, Zaleski, Goszczynski, Lenartowicz, Syrokomla u. s. w. auf; er zog
die ethnographischen Parallelen zahlreich herbei, berücksichtigte na-
mentlich die kleinrussische Volkstradition. Eingehend verweilte er
bei Mickiewicz: je näher unseren Tagen, desto knapper werden
seine Ausführungen; auf den geueinsamen Hintergrund verzichtet
er, seine Einzelskizzen stehen lose nebeneinander. In Verfolgung
derselben Studien förmlich wandte er sich speciell Bohdan Zaleski zu
und verfasste ein Werk über den polnisch-ukrainischen Sänger (B. Za-
leski, 1902, XV und 420 S. kl.-S**). Der Verfasser nützte aus die reich-
haltige Familienkorrespondenz des greisen Dichters, die im Lemberger
Przewodnik naukowy i literacki seit mehreren Jahren publicirt wird von
dem Sohne des Dichters, Dyonizy Zaleski), sowie die Werke des Dichters
(zumal den reichen Nachlass). doch ist auch diesmal die Eintheilung eine
etwas mechanische und schematische, das Urtheil hätte milder ausfallen,
die Darstellung mehr einbegreifen sollen : jedenfalls ist es die erste.
94 A. Brückner,
ausführliche, vollständige Monographie über den eigenartigen Dichter
und Meister von Melodie und Rhythmus. Nur erwähnt seien Wiadysiaw
Syrokomla i jego utwory, napisai Tadeusz Pini (Lemberg 1901,
247 Seiten), eine populäre, lebhafte Darstellung des Lebens und Wirkens
des litauischen Burns, Kondratowicz (in der Bibliothek der Macierz
Polska, fürs Volk bestimmt); Kornel Ujejski (1823 — 1893) von Kazi-
mierz Wröblewski, 1902, 306 S. kl.-80, eine detaillirte Erzählung
des Lebens und Aufzählung der Werke, ohne sich zu einer Totalität
aufzuschwingen, trotz aller Vorliebe und Pietät für den Sänger der
Klagen des Jeremias und der Biblischen Melodien ; Andrzej Towianski,
studyum psychologiczne, von Jan Mazurkiewicz, Warschau 1902,
132 S. kl.-S*', eine Skizze vom pathologischen Staudpunkt, die das
Phlegma analysirt, nachdem der Spiritus zum Teufel gegangen und der
Eigenart des litauischen Mystikers, die für Mickiewicz, Slowacki, Go-
szczynski so verhängnissvoll oder erlösend werden sollte, nicht gerecht
wird; die Studie von Graf Stanislaw Tarnowski über Jözef Szujski
als Dichter, zumal als Dramatiker (vorher in der Biblioteka Warszawska
1901 gedruckt) u. s. w. Doch würde ich nicht zu Ende kommen, wenn
ich aller Monographien gedächte ; ich beschränke mich jetzt auf eine
Auswahl.
Genannt seien die Schriften von Dr. Tad. Grabowski aus dem
Grunde, weil sie sich mit der litterarischen Kritik in Polen, die bisher
ganz vernachlässigt war, befassen ; der Verfasser, mit der französischen
Kritik und Aesthetik, seit La Harpe, vertraut, ist zu diesem Studium
besonders geeignet; er veröffentlichte bisher zwei Arbeiten: Ludwik
Osinski i öwczesna krytyka literacka (Krakau 1901, 92 S.), über den
Warschauer Dramaturgen, Lyriker und Kritiker, enragirten Klassiker,
Gegner der Romantiker — freilich mehr in den Salons, als in der
Oeflfentlichkeit; Micha! Grabowski, jego pisma krytyczne i pojecia poli-
tyczne(1900, 109 S., aus dem Przeglad Polski), den romantischen, zeit-
weise sehr reaktionären Kritiker mit einem Stich in den Panslavismus,
wobei dessen Abhängigkeit von den Franzosen, von der Mme Stael an,
hervorgehoben wird.
Dann seien aus Arbeiten über Slowacki, die sich förmlich drängen,
Studien eines Jellent'a u.a., Neupublikationen von Fragmenten u.dgl.,
besonders hervorgehoben das schöne Werk des Warschauer Kritikers
Ignacy Matuszewski, Siowacki i nowasztuka(modernizm), Warschau
1902, 400 S. 80 — ein kritischvergleichendes Studium, in welchem das
Polonica. 95
Wesen der Slowacki'schen Kunst, der subjektiv-musik:ilischen, lyrisch-
stimmungsvollen, zerfliessenden, im Gegensatze zu der plastisch-be-
grenzten, episch ausführlichen und genauen des Mickiewicz erklärt und
die engste Verwandtschaft in Mittel, Ziel, Ausdruck mit der moderneu
symbolisirenden, mystischen, suggerirenden Poesie und Kunst überhaupt
erwiesen wird. Zum ersten Male wird das grosse Epos des Slowacki,
sein (unvollendeter) Kröl-Duch nach Gebühr gewürdigt. Auch sei er-
wähnt, dass von der trefflichen, mustergiltigen Monographie des Nestors
der polnischen Litterarhistoriker und Philologen, Antoni Maiecki:
Juliusz Slowacki, jego zycie i dziela w stosunku do wspotczesnej epoki,
die dritte Auf läge erschienen ist(Lemberg 1901, 3 Bände, XII und 2S3,
332 und 30S S. , ein unveränderter Abdruck der ersten, doch hat Dr.
Br. Gubrynowicz in Anmerkungen die gesammte neuere Slowacki-
forschung ergänzend berücksichtigt und im Anhange zu Band III (von
S. 233 ab) neues Material, Briefe, Aufzeichnungen u. dgl. abgedruckt;
die Briefe des Siowacki, zumal die an seine Mutter, eine der werthvoU-
sten Gaben der Epistolographie überhaupt, hat der Warschauer Sammler
und Litterat, Leop. Meyet, neu musterhaft herausgegeben.
Endlich Zygmunt Krasinski ; auch er feiert, in anderem Sinne
freilich als Siowacki, der anerkannte poetische Heros der Moderne,
seine Auferstehung: zum ersten Male werden seine unermesslich reichen
Aufzeichnungen, Korrespondenz (mit dem Jugendfreunde, dem Engländer
Reeve; mit dem Vater), Werke (Gedichte, Fragmente, z. B. einer Tra-
gödie Wanda u. a.) herausgegeben, der Enkel des Dichters, Graf Adam
Krasinski, Herausgeber der Biblioteka Warszawska, und Prof. Jozef
Kallenbach, jetzt Bibliothekar der Ordinatsbibliothek der Krasinski
in Warschau, theilen sich in diese Arbeit. Hauptausgabe ist Correspon-
dance de Sigismond Krasinski et de Henry Reeve, 2 Bände (LI und
451 S.; 364 S. S», Paris 1901); im zweiten Bande sind zahlreiche
französische Werkchen und Skizzen aus den Jahren 1830 und 1831 ab-
gedruckt; einzelnes in polnischer Uebersetzung, Briefe und Schriften,
ist in der Biblioteka Warszawska 1901 uud 1902 erschienen. Durch
diese Publikationen erst wird ein allseitiges Studium dieses merkwürdigen,
frühieifen Dichters der Reflexion, des philosophischen Gedankens, er-
möglicht.
Wer sich über die polnische »Moderne« selbst informiren will, dem
empfehlen wir die Skizzen von Antoni Mazanowski Mioda Polska
w powiesci, liryce i dramacie, Krakau 1902, 199 S. gr.-S» (aus dem
96 A. Brückner,
Przeglad Powszecliny abgedruckt), der einen Przybyszewski; Wyspian-
ski, Kasprowicz, Tetmajer und die vielen Anderen ohne jegliche Ueber-
schwänglichkeit in Lob oder Tadel, mit Berücksichtigung der ausländi-
schen Strömungen und Vorbilder, kurz und meist treflfend, nicht ohne
sichtbare Reserve charakterisirt. Schärfer geht vor, doch beschränkt
er sich auf Dichter allein, ohne Novellisten, Romanciers uud Dramatiker
hereinzuziehen, P. Chmielowski in seinen im Lemberger Przewodnik
naukowy i literacki erschienenen Skizzen u. d. T. Najnowsze prady w
poezji naszej. Ganz populär gehalten ist des Tadeusz Piui nasza
wspulczesna poezya, Lemberg 1902, 136 S. kl.-S", Skizzen, die, Asnyk,
Konopnicka, Gomulicki, Niemojewski und Nowicki gewidmet, einzelne
Seiten ihrer Thätigkeit oder ihres Talentes besprechen.
Wichtige Beiträge zur Kultur- und Gelehrtengeschichte des Landes
muss ich übergehen, so die Geschichte der Wilnoer Universität von
Dr. med. Bielinski (in drei stattlichen Bänden), die Geschichte der
Akademie von Zamosc von Kochauowski u. s.w., doch sei wenigstens
genannt das ausführliche Werk von dem Warschauer Privatgelehrten
luid Historiker, der unermüdlich ist im glücklichen Finden und Heraus-
geben neuer Quellen (z. B. eines Memoires des J. ü. Niemcewicz aus den
Zeiten des Warschauer Herzogthums u. a.), Aleks. Kraushar, To-
warzystwo Krolewskie Przyjaciol Nauk ISOO — 1832, monografia histo-
ryczna osnuta na zrödiach archiwalnych, drei Bände bisher, der erste
die pveussischen Zeiten umfassend (ISOO — 1807), die beiden anderen
die Zeiten des Warschauer Herzogthums (1807 — 1815) (Warschau
1900 und 1902, 407, 318 und 338 S, 8" mit einer Unmasse authentischer
Illustrationen, Portraits, Baudenkmäler u. dgl.). Die »Gesellschaft der
Freunde der Wissenschaften« suchte nach dem Verluste der politischen
Selbständigkeit die nationale Sprache, Geschichte, Kultur zu wahren
und zu fördern: wie sie dieser Aufgabe gerecht geworden ist, wie
Grosses sie unter den widrigsten Zeitumständen geleistet hat, schildert
Kraushar auf Grund der Sitzungsprotokolle; in den Annexen druckt
er wichtigere Briefe, Reden, Projekte ab; besonders bemerkenswerth
ist der panslavistische Zug, der die Arbeiten nicht nur eines Staszic
durchgeistigt, die ständige Hervorhebung der Zusammengehörigkeit aller
Slaven : Bischof Kossakowski hält z. B. 1803 einen Vortrag über böh-
mische Litteratur und die Zusammengehörigkeit der slavischen Sprachen,
der das Nationalböhmische so feierte, dass der Ueberbringer der ge-
druckten Exemplare dieser Rede sie schliesslich aus Furcht vor den
Polonica. 97
östeireichischea Behörden in die Weichsel geworfen hat! Kraushar's
Werk löst sich zwar stellenweise in blosse Sitzungsberichte auf, aber es
ist endlich die Dankesptlicht gegen die erleuchtete, verdiente «Gesell-
schaft« erfüllt worden, gegen die Albertrandi, Staszic, Sapieha, Potocki,
Krasiuski u. a., deren planvolle, tüchtige Arbeit in dem Strudel von
1831 verschlungen worden ist, wie so vieles andere. Den Folgen von
1831, der Emigration nach Frankreich, die so verhängnissvoll gerade
für die Litteratur. für Mickiewicz und Slowacki, für Zaleski und Go-
szczynski und so viele andere werden sollte, ist das Werk eines Emi-
grantenselbst, LubomirGadon, gewidmet: Emigracjapolska,pierwsze
lata po upadku powstania Listopadowego, Krakau 1901 und 1902, 228,
343 und 373 S. S*^; eine sehr eiugehende Schilderung auf Grund ur-
kundlichen Materials, Adressen, Korrespondenzen u. s. w. der Pariser
und Rapperswyler Sammlungen hauptsächlich, welche die Zerfahren-
heit und Uneinigkeit, das altslavische Uebel, aber auch die moralische
Stählung und Uubeugsamkeit dieser Katone — Emigranten schildert
und einen interessanten Hintergrund für die Leistungen der litterarischeu
Koryphäen Polens abgibt.
Doch wird es nachgerade hohe Zeit, dass wir aus dem historischen
Fahrwasser herauskommen und uns unserem eigentlichen, jetzt gramma-
tisch-lexikalischen Kapitel zuwenden. Auch hier haben wir sehr be-
deutende Leistungen zu verzeichnen. Vor allem den Slownik Jezyka
Polskiego ulozony pod redakcja Jana Kariowicza, Adama Kryuskiego i
Wiadyslawa Niedzwiedzkiego. Wir haben schon des Werkes gedacht
und kehren noch einmal zu ihm zurück : es verdient dies schon durch
den Rekord der Billigkeit und Raschheit, den es auf dem Gebiete der
Lexikographie jedenfalls festgestellt hat. Aus Privatmitteln hervorge-
gangen, ohne staatliche, akademische u. dgl. Subventionen, herausge-
geben von Leuten, die willig und unentgeltlich ihre Zeit und Kraft zur
Verfügung gestellt haben, erscheint dieses vollständigste und genaueste
aller polnischen Wörterbücher, hierin die Linde, Orgelbrandt u. s. w.
weit hinter sich zurücklassend, in rascher Folge und staunenswerther
Billigkeit; das Heft von 160 doppelspaltigen Seiten, jede Spalte von
72 Zeilen engen Druckes, kostete zuerst 50, dann 80 Kopejken; das
Werk ist bereits beim 13. Heft augelangt, obwohl erst 189S der Druck
begonnen worden ist; der erste Band, A — G, umfasst 955 Seiten; der
zweite, H — M, 1089. Der Wortschatz umfasst alles, altes und neues,
von der Bogurodzica bis Wyspianski ; eigenes und fremdes, bis zu tech-
Archiv für slavische Philologie. XXV. 7
98 A. Brückner,
nischen Ausdrückeu aller Verkehrs- und Erwerbszweige; allgemeines,
schriftgemässes und volksthümliches, dialektisches; Angaben über
Brauch und Bedeutung; Belege aus alten und neuen Schriftstellern,
zumal aus Sprichwörtern ; Warnungen vor Neologismen, Germanismen.
Rnssismen, Gallicismen; schliesslich sogar die Etymologie eines jeden
Wortes. Stichproben überzeugten mich oft von der ganz ausserordent-
lichen Fülle des Materials, für altes sorgt Krynski, für dialektisches
Karlowicz, dessen besonderes dialektisches Wörterbuch ich hier nicht
mehr erwähne, auf die Recension von Prof. Ne bring verweisend. Es
wird dies das erste vollständige, wissenschaftliche und doch praktischen
Zielen dienende Wörterbuch bleiben — wir wünschen den Heraus-
gebern nur unverminderte Energie und vermehrte Theilnahme des
p. t. Publikums.
Die alte Generation der Puristen, Skobel, Walicki u. a. ist ausge-
storben, doch nicht das Bedürfniss, über die Reinheit der Sprache zu
wachen, zumal die germanisatorischen und russifikatorischen Bestrebun-
gen der Schule, des öffentlichen Lebens eine nicht zu unterschätzende
Gefahr und ständige Bedrohung bedeuten. Prof. Roman Zawiliiiski
in Krakau, Herausgeber ethnographischen und alten Materials, hat seit
anderthalb Jahren ein Monatsblatt für puristische Zwecke geschaffen,
^&n Poradnik j'ezykowy. in Aufsätzen und Korrespondenzen (Beant-
wortung von Anfragen) wird schätzbares Material beigesteuert, um der
Sprachverderberei Einhalt zu tiiun. Für meinen Geschmack operirt der
verdiente Herausgeber vielleicht noch zu viel mit kirchenslavisch und
Miklosich; auch finde ich hie und da allzu grosse Aengstlichkeit, das
Polnische ist ja kein Latein und auf kein Prokrustesbett zu schlagen,
aber sonst kann ich Tendenz und Mittel des Unternehmens nur aufs
höchste loben. Ein puristisches Lexikon unternimmt Artur Passen-
dorfer; er hat als Probe desselben einen Auszug, Bledy jezykowe
mlodziezy szkolnej (Lemberg 1902, 37 Seiten) erscheinen lassen, die
in lexikalischer Form die gröbsten sprachlichen Verstösse rügen oder
bei zweifelhaften Sachen das richtigere empfehlen.
Von archäologisch-ethnographischen Publikationen — kunsthisto-
rische wie historische muss ich übergehen, obwohl die schönen Leistun-
gen eines Sokoiowski und Mycielski, die auch äusserlich muster-
giltig hergestellt sind und eine wahre Augenweide bedeuten, zur Er-
wähnung reizen — sei der dritte Band des Swiatowit für 1901 (254 S.
gr.-80^ Warschau, unter derselben Redaktion von Er. Majewski) ge-
Polonicii. 99
nannt, der noch reicheren Inhalt, mehr Originalbeiträge gewährt, als
die vorausgegangenen ; der Illustrationsschmuck ist auf der alten Höhe
geblieben; ich mache nur aufmerksam auf die archäologische Karte
des Südwestens des Gouvernement Wilno und Specialkarten dazu (ein-
zelner Gegenden), alles dank dem unermüdlichen Eifer von Wand.
Szukiewiez; auf Einzeluheiten, Gräberfunde u. dgl. kann hier nicht
eingegangen werden. Von den Materiaiy der Krakauer Akademie und
ihrer anthropologischen Kommission ist der V. Bd. erschienen (Krakau
1901, IX, 93 und 272 Seiten): sein Ilaupttheil umfasst schlesische
Märchen, aus den Aufzeichnungen von L.Malinowski herausgegeben
von E. Zawilinski, mit einem reichlichen Index zu diesem sehr in-
teressanten und zuverlässigen Material, das eine wesentliche Erweite-
rung unseres dialektischen Wissens bedeutet. Eine andere wichtige
Publikation ist die des weissrussischen, von Michal Federowski fast
ein Vierteljahrhuudert gesammelten Folklore, von dem jetzt der zweite
Band erschienen ist: Lud bialoruski na Rusi litewskiej, materyaly do
etnografii slowianskiej zgromadzone w latach 1877 — 1893 (dann bis
1900 fortgesetzt), Krakau 1902, XXXII und 359 S. 80. Die Sammlungen
von Federowski sind ungleich reichhaltiger, instruktiver, genauer,
namentlich auch in phonetischer Hinsicht, was in der grazdanka nur
parodirt, nicht wiedergegeben werden kann, als alle vorausgegangenen,
des Szein, Romanov, Dmitriev u. a. ; der Band enthält 410 Nummern,
Fabeln (Thierfabeln und Märchen, sowie Sagen (Teufel, Hexen etc.);
die Gegenden sind die westlichen des Sprachgebietes (Groduo, Nowo-
grodek, Lida, Sluck) ; die Einleitung bietet phonetische Angaben, über
das akanie und sein Schwinden, über die sakaiy (die sa statt sia im
Pieflexivum sprechen' und wie auch diese »rohe« Aussprache zurück-
tritt U.S.W. Ich muss gestehen, erst auf Grund dieses Textes ein klares
Bild vom weissrussischen gewonnen zu haben und lebhaft bedauere ich,
dass ich über solches Material bei meinen lituslavischen Studien nicht
verfügen konnte: wie weit bleibt Nosovicz zurück! die Stoffe selbst sind
die gewöhnlichen, original mitunter die Ausdrucksweise, Polonismen
s>ind nicht selten. Auf den Inhalt der ethnographischen Zeitschriften,
der Warschauer Wisla wie des Lemberger Lud kann ich nicht mehr
eingehen; beide gedeihen, die Wisla widmet jetzt ganze Hefte bestimm-
ten Gegenden, -z. B. dem Lubliner Lande u. dgl,; der Lud pflegt galizi-
schen Folklore im weitesten Sinne des Wortes, von den ältesten Siedelungs-
verhältnissen in der Zips nach den archivalischen Forschungen von
100 A. Brückner,
Guraplowicz) bis zur Lemberger Gaunersprache und Miszellen aus alten
Handschriften, polnisches, ruthenisches, jüdisches Material in bunter
Abwechslung. Aber wegen des Aufsatzes von Landau über die pol-
nische Gaunersprache (Archiv XXIV, 137 ff.) sei eines interessanten
Beitrages von St. Görka in der Wishi XV, S. 1 — 7 über die Sprache
der ochwesnicy (Heiligenbilderverkäuferj aus Skulsk (Kgr. Polen, an
der preussischen Grenze) gedacht, es zeigt sich, wie verbreitet die Aus-
drücke dieser Geheimsprache sind ; der Verfasser ahnte nicht, worum
es sich dabei handelte, er hat mit grosser Mühe ein Wörterbüchlein der
ochwesnicy zusammengestellt und wir finden sofort die guten Bekannten
wieder, als da sind huty -iopuchy; ])iwo -tvofowka (vgl, olöwek Lan-
dau 142); pan, panna-^a5r^/("7^, gabrij&zka [gawriik^ gawruczka
Landau 142), vgl. karyga Mädchen, karyzka Tochter ? ; okno, oczy,
patrzec-Zz^Ä'o, Upld^ lipowac [lipka Landau 142); ziodziej anchus
(Landau 141); kupic, sprzedac- o^m/Zc, przepulic (Landau 141 pula) ;
czapka-^'amozüa, haniola (Landau 146); mijac haben [miniac Landau
149), vgl. w^m/.•^ Hände ; gatvör Hof, Haus (vgl, haicira Haus, Landau
1 39) ; Ä/rsyc trinken, Kra Branntwein (Landau 148) ; mikry klein ; klawy
hübsch ; kimac schlafen ; maniata Hemd ; skiei Hund [skiia Landau) ;
siwrac verstehen (sprechen Landau) ; grypsac schreiben ; kopsowac
schlagen [kohzac Landau); simier Brod; stygi Rosen (Landau 142);
maköwa Kopf {maköivka Landau). Sonst bringt der XV. Jahrgang
(1901, X und 796 S.) ausser Uebersetzungen aus Rhamm (slavischer
Speicher), Kral (Mythologie) u.s.w. Aufsätze über die Lebakaschuben
von Smolski, von dem Herausgeber selbst über die Biene und ihre Rolle
im Folklore, Märchen und Lieder aus verschiedenen Gegenden, den Text
eines Krippenspieles (Betlejki) aus dem Wilno'schen u. s. w. — zahl-
reiche niustrationen erhöhen den Werth der Beiträge. Der Lud ist
kleiner und ungleich einfacher ausgestattet; der VH. Band (IV u. 340 S.)
enthält S. 276 — 281 einen Aufsatz von Jul. Jaworskij »Kumac po
Lembersku(f, wieder zur Gaunersprache, der ausser Kurka u. a. auch
die Aufzeichnungen des Ks. Henr. Felsztynski verwerthet, der die
Gaunersprache noch jezyk bosanski von dem »Warschauer Banditen
Bosana« (!! heute ist der Ausdruck bereits unbekannt) nennt; auch aus
den Aufzeichnungen von Jaworskij ergaben sichUebereinstimmungen mit
der Skulsker Geheimsprache, z. B. Jude gudlaj [kudiaj YQUziyii^^)),
dziaknac geben, dolina Tasche u. a., mit truja Lippen vgl. truc
trinken.
Polonica.
101
Das ist ungefähr die Ausbeute eines Jahres ; historische Publika-
tionen, die mit litterar- und kulturhistorischen sich vielfach begegnen
oder berühren , sind hierbei gar nicht berücksichtigt worden ; auch
das genannte veranschaulicht zur Genüge das lebhafte Tempo, die
neue Richtung, welche polnische Sprach- und Litteraturforschung ein-
geschlagen haben.
A. Brüchler.
Die Legende von der Yision Amplii log's und der
^oyoQ iGTOQrAOQ des Gregorios Dekapolites.
Ich habe bereits an einer
anderen Stelle, in den Arbeiten
des dritten archäolog. Congresses
in Russland 11,8. 238 flf. auf eine
allem Anscheine nach aus dem
Griechischen übersetzte Legende
aufmerksam gemacht, die in kir-
chenslavischen Handschriften un-
ter dem nicht ganz zutreffenden
Titel eines »CKasame Ainwi.iora
itapA w cBATifi jiHToypViH(= Er-
zählung des Königs Amphilog von
der heil. Liturgie)« umgeht und
in Kürze den folgenden Inhalt
hat: Ein sarazenischer Prinz, der
später, als er christlicher Mönch
geworden war, den Namen Am-
philog erhielt, kam auf dem
Wege zu seinem Bruder, der Herrscher der Sarazenen war und an-
geblich Klikanetz hiess, nach Jerusalem, An einer der hier zahl-
reich vorhandenen christlichen Kirchen (ihr Name ist nicht genannt)
vorbeireitend, hielt er an und Hess den Priester derselben zu sich
']aJ f
•U 7 vi-vÄ-«-^
] 02 Kaluzaiacki,
bescheiden. Als dieser jedoch, da er eben daran war, die Liturgie
zu beginnen, dem Wunsche nachzukommen sich weigerte, drang Am-
philog mit seinem Gefolge in das Innere der Kirche ein und Hess trotz
der Warnung des Priesters auch die Kameele hineinführen. Im selben
Augenblicke, da dies geschehen war, stürzten die Thiere todt zusam-
men. Durch dieses Wunder einigermassen stutzig gemacht, verblieb
der Prinz dennoch in der Kirche, um sich, wie er sagte, den christlichen
Gottesdienst anzuschauen. Und, siehe da, er hatte aus diesem Anlasse
eine Anzahl von Visionen, von denen die eine wundersamer war als die
andere. Schon bei dem Acte der Proskomidie kam es ihm vor, als
würde der Priester, rings von bewaffneten Eugelschaaren umgeben,
statt der Prosphore ein lebendes Kind mit dem Messer durchbohren,
so dass Blut und Wasser herausrannen. Und als hierauf die Liturgie
selbst begann, und der Priester die Worte: «Segne, o Herr(f, sprach,
da verwandelte sich die Kirche in den Augen Amphilog's in Eis
und der Altar in einen Flammenheerd, während gleichzeitig weitere
Engelschaaren, auch die Erzengel Michael und Gabriel, erschienen, um
sich an der heiligen Handlung so oder anders zu betheiligen. So nah-
men sie, als das Evangelium vorgelesen wurde, die einzelnen Worte
desselben aus dem Munde des Priesters in Empfang und trugen sie
unter Lobpreisungen zum Himmel empor. Bei den Worten des Priesters :
«So ihr Katechumenen seid, gehet hinaus«, führten sie die also Apostro-
phirten zur Kirche hinaus, so dass darinnen nur die Rechtschaffenen
zurückblieben u. s. w. Doch das Wunderbarste sollte erst folgen. Bei
den Worten des Priesters: «Bezeugen wir Liebe einander«, sah Am-
philog Christum und die 12 Apostel, bei den Worten: »Stehen wir ge-
ziemend, stehen wir mit Ehrfurcht« den heil. Geist und bei den Worten:
»Den Siegeshymnus anstimmend« Gott den Vater im Altarraume er-
scheinen. Dann war die Liturgie zu Ende, und der Priester schritt,
einem in der orientalischen Kirche bestehenden Brauche Rechnung
tragend, zur Vertheilung der nicht verbrauchten Reste der Prosphore.
Ein Stück davon trug er auch Amphilog an, allein dieser, noch ganz
unter dem Einflüsse der an erster Stelle geschilderten Vision stehend,
wies die Zumuthung erzürnt mit den Worten zurück: »Habe ich doch.
Elender, genau gesehen, dass du nicht dieses Brod, sondern ein von dir
erstochenes Kind dargebracht hast«. Und als der Priester betheuerte,
hievon nichts zu wissen, wiederholte Amphilog noch einmal: «Ich
habe gesehen, wie du ein Kind erstochen hast«. Erstaunt darüber.
Die Legende von der Vision Amphilog's etc. 103
meinte nun der Priester, dass ein derartiges Wunder selbst so heilige
Männer, wie Gregorios und Basilios, nicht gesehen hätten. Daraufhin
bat Ampliilog den Priester, dass er ihn taufen möge. Allein dieser hatte,
mit Kücksicht wohl auf die hohe Stellung des zu Taufenden, nicht den
Muth dazu und führte ihn zum Patriarchen. Der Letztere willfahrte
ohne Anstand seinem Wunsche und ertheilte ihm, auf sein weiteres Be-
gehren hin, die Mönchstonsur. Und als der Bekehrte frug, was er thun
solle, um sich das Seelenheil zu sichern, rieth ihm der Patriarch, auch
Klikanetz für den christlichen Glauben zu gewinnen versuchen. Er war
sofort bereit dazu, bestieg ein Eselein und kam, mit dem Gewände eines
christlichen Mönches angethan, an den Hof des Bruders. Begreiflicher
Weise war dieser zunächst sehr aufgebracht darüber, verlangte aber so-
dann, als er die näheren Umstände erfuhr, unter denen Amphilog
Christ geworden war, selbst getauft zu werden. Dies geschah, und nun
machten sie sich gemeinsam daran, für den christlichen Glauben weitere
Anhänger zu werben. Schon hatten sie 80 Proselyten gemacht, als die
aufgebrachten Sarazenen sich erhoben und die beiden Brüder sammt
allen ihren Anhängern erschlugen.
An diese, in ihrer Art nicht uninteressante, von mir jedoch im
Laufe der Jahre, die seit dem Erscheinen obiger Notiz versti'icheu
waren, fast schon vergessene Erzählung nun wurde ich dieser Tage
durch einen Zufall von Neuem erinnert. Mit der Durchsicht des dritten
Bandes der Acta SS. für den Monat April beschäftigt, habe ich hier-
selbst, S. XLII — XLIV, einen aus der editio princeps des Carmeliter-
mönches Fr.Isidorus vom J. 1642 reproducirten Artikel i) gefunden, der
tV'lgendermassen tiberschrieben ist: ylöyo^ loTOQiy.bg r^rjogiov tov
Iv/xircoKlxov^ Tiüvv to(fi'kL\.i()C, '/Ml yKv'AVxuTOQ, '/.uxu 7to)J.a^ tisqI
djTTaaiag, fjv rig ^aQQaxrjvög ttote iöiov, ItiLgtevoe^ iiaQvvQi^aag
öia TOV KvQiov ruCov 'Ir^aoiiv Xqlötoi'. Ein Blick genügte, um inne
zu werden, dass zwischen diesem Artikel und der Legende von der Vision
Amphilog's augenfällige Beziehungen bestehen. Wie hier, so erscheint
factisch auch in dem soeben genannten Werkchen des Gregorios Deka-
polites (7 um 817) als der Held der Erzählung ein sarazenischer Notable,
der in seinem Hochmuthe in die St. Georgskirche zu Alkarem, einer
Stadt in Thebais, Kameele hineinführte, dafür jedoch durch den plötz-
lichen Tod derselben bestraft wurde. Dann wohnte er dem christlichen
1) Ein weiterer, nach der nämlichen Ausgabe veranstalteter Abdruck
ist in Migne's Patrol. gr., Bd. 100, S. 1201—1212 zu finden.
104
Kaluzniacki,
Gottesdienste bei und hatte bei der Gelegenheit eine Vision, unter deren
Einfluss er zu bemerken glaubte, dass der functionirende Priester statt
der Prosphore ein lebendes Kind in die Hand nahm, es erstach, das
Blut in den Kelch ablaufen Hess, den Körper in Stücke riss und die
Theile auf den Diskos oder die Kelchplatte legte. Und als sodann die
Zeit der Communion kam, da sah er, wie der Priester und die Gläubigen
von dem Leibe des Kindes assen und von dem Blute desselben tranken.
In höchster Aufregung darüber stellte er daher den Priester, als er ihm
nach beendetem Gottesdienst das Antidoron tiberreichen wollte, wegen
seiner vermeintlichen Brutalität zur ßede, doch dieser erklärte ihm den
wahren Sinn des Wunders, und der Sarazene beschloss, selber Christ zu
werden. Er verlangte sogar auf der Stelle getauft zu werden, aber de:
Priester, der nicht mit Unrecht die Rache der Sarazenen fürchtete, riet'
ihm, in das Kloster auf dem Berge Sinai zu gehen und seinen Wunsch
dem zu jener Zeit dort weilenden Bischof bekannt zu geben. Der Sa-
razene gehorchte und empfing vom besagten Bischof zunächst die Taufe
und bald darauf, unter dem Namen des Pachumios, auch die Mönchs-
tonsur. Nach einiger Zeit kam er jedoch abermals zu jenem Priester
und bat ihn, ihm zu sagen, was er thun solle, um Christum zu sehen.
Der Priester rieth ihm, zu seinem Onkel, dem Emir von Syrien, zu
gehen und auch diesen zum christlichen Glauben zu bekehren versuchen.
Allein der Emir wollte von einem Religionswechsel nichts wissen, und
die Mission des Pachumios endete damit, dass er von den in ihren reli-
giösen Gefühlen verletzten Sarazenen gesteinigt wurde.
Es ist sonach evident, dass, sofern der Inhalt in Betracht kommt,
der ^öyog laT0Qr/.6g des Gregorios Dekapolites mit der Legende von
der Vision Amphilog's in einer Weise übereinstimmt, die man unbe-
denklich als eine durchgreifende bezeichnen darf. Hie und da begegnen
sich aber die beiden Erzählungen auch in Bezug auf Redewendungen
und stilistischen Ausdruck. Bezeichend ist in dieser Hinsicht namentlich
die folgende Stelle:
n j
m
hl
Amphiloglegende.
CKOH^iiaB JKB non CBATnuh JIH-
ToypViÄ, H npHHeee eMoy npo-
e*oypoy h pe^ie : B'Ls'iMH, i^apio.
Pe^e eMoy ii,apt : 'Bvijy&x ta,
UKaaHHB, yiiJi ecH cjioyyKH.i, mko
udöyog iGTOQiyiög.
MsTtc ovv xriv GV(X7tkriqo)GLV
Tijg d-eicig XeivovQyiag, fiereöioy.s
zbv avTiöioQov 6 uQevg Ttccat rolg
XQLGt Lavolg . . ., '/.al ex de rüv
y.aDuGtevovGCov rov ccqtov ös-
Die Legende von der Vision Amphilog's etc.
105
Ä^THme ecH 3api3a.T. Wn ace
pe^e: HicTt, i^apoy, eate xti
rjarojeinH; eate th ecMB npn-
HecJiB, TiMb ecMt e.Toya^Hjn..
Pe^e a:e Aii^^njorL : Asl bha^x
TA, HKO A'STnuu.e 3api3a.i eeii.
Peie 2ce kx HeMoy iepeil: Tano-
Baro yK);i,a imKToace ne Bnji, hii
(5w/.€ /Ml Tcp ^aQoa/.r^vcp. '0 de
Ecpi] rf] JiQCißiüv (fojvfj' Ti Igtl
TOVTo; '0 dt IsQSvg tcpr^- Kvois,
i/. xov cxQTOV^ ov kkeiT0VQyi]Ou-
u£v. '0 de ^aoQay.t^vbg e(fr^ i.iera
doyr^g- 'E/. rovtiov IkeLTOvoyr-
aag, v.vov^ uiage, cr/.ccd-aQTe y.cu
(fovev; Ol'/, döov oe tyi'j , ort
CBATBii'i Tvxei^t Baen.iiil iin Fpii- Ttaidiop £?.aßeg v.ut eaffcc^ag ...;
ropiil, eroace tbi, i;apio, Bnßf^Ji. '0 de legevg tovto u/.ovGag 1^-
Pe^ie e.Moy i];apB : uTqe, Kpecxn >iä | tar/; Keyiov KvQie^ lyvj uaaq-
vh HB, eace ecn eMoy cioyacHj.
Pe^e eMoy iepefi: He cMirt», njapio,
HA noH;tiBa k-b naTpiap'xoy etc.
TcoXog Tvyyßvco^ y.al ov dvvauai
idelV TOIOVTO (.tVGT)]QLOV . . . Ol
yccQ (.leyähoL yml ■9-avuaGvoi Tca-
riqeg^ oi rf^g e/./.li]Giag ffcjGzfj-
Qeg y.al didccGy.a/.oi, olog rjv b
^£G7teGiog f-ieyag BaoHeLog^ y.al
6 äoidLf.iog XQVG6GTO!.iog, y.al b
S-eolöyog Fgr^ydoiog, tovto to
(poßsQOV y.al (pqiy.Tov {.ivgt^qlov
ov/. eßXeTtov ... "^0 de. laqüa/.r-
vbg Ttut.iv i(p^]' /leouaL gov, 7tä-
T£Q, ßärCTLGTÖV U£. "^0 dh l£Q£Vg
k£ycov' Mi] yivoLTO' iyvj ov dv-
vauai Ttoif^Gai tolovtov eqyov
etc.
Selbstredend ist mit der Feststellung dieser Uebereinstimmungen
die uns hier beschäftigende Angelegenheit keineswegs als erledigt zu
betrachten. Denn, da Uebereinstimmungen, wie die soeben erwähnten,
nur eine Folge des ümstandes sein können, dass eine der beiden Er-
zählungen das Muster, die andere deren Nachbildung war, so tritt an
uns nunmehr die Verpflichtung heran, zu bestimmen, welcher von ihnen
die erstere und welcher die andere Function zufalle. Da Jerusalem be-
reits im J. 637 in die Hände der Araber fiel, so Hesse sich an und für
sich allerdings recht gut die Möglichkeit denken, dass besagte Legende
älter und implicite also auch ursprünglicher sei, als der thatsächlich
erst zwischen 770 und 817 entstandene ylöyog. Bei näherer Prüfung
zeigt es sich indess, dass die grössere Wahrscheinlichkeit, als Muster
106 Katuzniacki,
gedient zu haben, auf Seiten des Werkchens des Gregorios Dekapolites
ist. Schon die darin enthaltene ausdrückliche Bemerkung des Verfassers,
dass er die von ihm in seinem ^iöyog erzählte Begebenheit aus dem
Munde eines Insassen der Stadt Alkarem. des Strategen Nikolaos mit
dem Beinamen Julas, gehört habe, weist die Benutzung der Legende
von der Vision Amphilog's mit einer Entschiedenheit ab, dass man, um
zur gegentheiligen Ansicht zu gelangen, höchstens annehmen müsste,
Gregorios D. habe eine bewusste Unwahrheit vorgebracht. Nachdem
jedoch für eine derartige Annahme kein zwingender Grund vorliegt, so
bleibt angesichts der im ^/löyog vergleichsweise mit der Legende von
der Vision Amphilog's wahrnehmbaren Identität der epischeu Motive
wie stellenweise auch der Darstellung nur die Eventualität übrig, dass
die erstere dieser Erzählungen das Muster, die andere deren Nach-
bildung war. In Betracht kommt übrigens die nachstehende Erwägung.
Wie aus dem von mir im Eingange zu dieser Untersuchung dargelegten
Inhalte der Amphiloglegende zu ersehen ist, wurden in dieselbe ausser
der auch dem vlöyoQ, des Gregorios D. eigenthümlichen noch zahlreiche
andere Visionen aufgenommen, als deren charakteristisches Merkmal
die Tendenz erscheint, die christliche Liturgie als etwas derart Hohes
und Weihevolles hinzustellen, dass es selbst die himmlischen Mächte
nicht verschmähen, in mystischer Weise daran theilzunehmen. Wäre
nun die Amphiloglegende älter als der ^öyog, so würde bei der unleug-
baren Anziehungskraft gerade der Visionen der letzteren Art Gregorios
D. kaum unterlassen haben, sich ihrer in irgend einer Weise zu bedienen.
Nachdem er dies nicht gethan hat, so kann der Grund dieser Erschei-
nung lediglich der sein, dass zu der Zeit, als Gregorios D. seinen ^öyog
schrieb, die Amphiloglegende noch nicht vorhanden war.
Alles in Allem genommen, halte ich also dafür, dass nicht der
^öyoQ durch die Amphiloglegende, sondern dass umgekehrt diese
letztere Schrift durch die erstere beeinflusst wurde. Im Besonderen
äusserte sich aber die gegenseitige Beeinflussung in folgenden Punkten :
1. in der Beibehaltung des von Gregorios D. geschaffenen litterarischen
Rahmens 1); 2. in der Beibehaltung der darin zur Anwendung gebrach-
1) In dieser letzteren Hinsicht ist namentlich der folgende Umstand von
Belang. Wie bereits hervorgehoben wurde, unterscheidet sich die Amphilog-
legende in ihrem ersten Theil von dem ASyog des Gregorios D. vornehmlich
dadurch, dass sie ausser der auch dieser Schrift eigenthümlichen noch eine
ganze Fülle weiterer Visionen vorführt. Ungeachtet dessen vollzieht sich
Die Legende von der Vision Amphilog's etc. 107
ten epischen Motive, so dass nach dieser letzteren Richtung hin die
beiden Erzeugnisse sich factisch wie zwei nur wenig modificirte Be-
arbeitungen eines und desselben Erzählungsstoffes verhalten; 3. in der
Beibehaltung einzelner charakteristischer Redewendungen und Ge-
dankenreihen 1). Uebrigeus auch das der Amphiloglegende zu Grunde
liegende mystisch-religiöse Motiv ist in Wirklichkeit durch die be-
treffende Partie des ^löyog des Gregorios D. angeregt, nur daas es in
der Amphiloglegende eine weit über den ursprünglichen Rahmen hinaus-
gehende Ausgestaltung erfuhr.
Obschon ich aber, wie aus dem Gesagten ersichtlich ist, die Le-
gende von der Vision Amphilog's für eine blosse Nachbildung des
A6)'0i ioTOQr/.ög des Gregorios D. halte, so muss ich den Thatsachen
gemäss constatiren, dass auf dem Gebiete speciell der kirchenslavischen
Litteratur die erstere Schrift eine ungleich grössere Bedeutung erlangte,
als die letztere. Denn während die zuletztgenauute Schrift in der
kirchenslavischen Litteratur nicht einmal dem Namen nach bekannt ge-
wesen zu sein scheint, ist jene, d. i. die Legende von der Vision Am-
philog's, nicht nur in einer älteren kirchenslavischen Uebersetzung vor-
handen, sondern sie hat, wie ich dies bereits in meiner, in den Arbeiten
des dritten archäologischen Congresses in Russland a. a. 0. enthaltenen
diesbezüglichen Notiz plausibel zu machen versuchte, allem Anscheine
nach auch auf ein so interessantes kirchenhistorisches Document, wie es
das Sendschreiben des Erzbischofs von Rostov Vassian IL (f 1515) au
den päpstlichen Legaten Nikolaus Schomberg eines ist, anregend und
befruchtend gewirkt. Oder sollte die üebereinstimmung, die zwischen
der betreffenden Partie der Amphiloglegende und der Behauptung
Vassian's besteht, dass in gewissen Momenten der christlich-orthodoxen
Liturgie ganze Schaaren von Engeln in der Kirche erscheinen, um an
den Mysterien der heiligen Handlung theilzunehmen, eine rein zu-
ßlllige sein?
Zu den Erzeugnissen der kirchenslavischen Litteratur, in denen
sich die Bekanntschaft mit der Amphiloglegende kundgibt, gehört aber
das Gespräch, das Priester und Sarazene nach beendigtem Gottesdienst an-
knüpfen, in der Amphiloglegende genau wie im ylöyo; auf Grund lediglich
der Vision von der Verwandlung der Prosphore in ein Kind und zeigt es,
obigen Excerpten zufolge, stellenweise auch die gleiche Stilisirung.
1) Vgl. diesbezüglich speciell das auf S. 104—105 dieser Abhandlung ab-
gedruckte Excerpt.
108 Kaluzniacki, Die Legende von der Vision Amphilog's etc.
ferner auch das Werk des Joannikij Galatovskij, das unter dem Titel:
Heöo HOBoe, 3 iiobbimh SB-fesAaMii coTBopeiiiioe etc. in der Druckerei des
Michael Sliozka, Lemberg 1665, erschien. In diesem Werke, -nJas der
Darstellung der verschiedenen, durch die Mutter Gottes an Christen wie
an Heiden bewirkten Wunder gewidmet ist, wird nämlich als Beleg für
die letzteren auf Bl. 52^ — 53*^ thatsächlich auch die erwähnte Legende
vorgeführt. Allerdings musste sie, um dem von Galatovskij angestrebten
Zwecke zu genügen, vorerst entsprechend zugestutzt werden. Dies ge-
schah in der Weise, dass von den auf die Liturgie bezüglichen Visionen
Amphilog's nur diejenigen herangezogen wurden, die sich an die Phrase:
IIpeyHeTsio, yncTsK) ii npeöjiaroc.iOBeHHsio cjiaBHsH) B.iaAti^ims iiams
6oropo;i;iii];5> etc., sowie an die Phrase : Il3pÄ;i;Hie w npecBATiS, iihctoii,
npeöjrarocjroBeiiHoii, c.iaBHofi B.7ia;i,Liyiii];n Hamen öoropo;],iii];H etc. knüp-
fen und besagen, dass bei Verkündigung der ersteren der beiden Phrasen
Amphilog zu bemerken glaubte, wie unzählige Engeischaaren mit zum
Himmel erhobenen Händen für die gesammte Christenheit beteten, und
bei Verkündigung der anderen, wie sich den Seelen, die in der Finster-
niss weilen, die Pforten derselben aufthaten. Indem nun Galatovskij
diesen Visionen die Auslegung gab, dass sie durch die wunderthätige
Kraft speciell der Mutter Gottes bewirkt wurden, glaubte er genügende
Veranlassung zu haben, um sie unter Zuziehung auch der wesentlichsten
Bestandtheile der Erzählung als solcher in sein Buch aufzunehmen.
Kaiuzniacki.
109
Cyrillische Ligatursclirift.
/J
^^.e^^^fc^-^^^i^
Die slavische Cyrillica be-
sitzt einen besonderen kalligra-
phischen Stil, welcher für Kunst-
zwecke angewendet und nach
einem seiner Merkmale schlecht-
weg Ligaturschrift (russisch
BasL) benannt wird. Die Ge-
schichte dieser Schreibart bildet
ein unzertrennbares Ganzes, so
dass wir keinen Grund haben,
den Namen Ligaturschrift auf
ihre letzten, complicirteren Pha-
sen zu beschränken. Wir fassen
unter diesem Xamen die ganze
Entwickelung zusammen, defini-
ren aber iinsere kalligraphische
Schrift nicht nach ihrem Aus-
sehen, sondern nach ihrem Ziele :
die cyrillische Ligaturschrift hat den Zweck, eine Zeile zu einem fort-
Ijiufenden Ornament zu verbinden. Der hergebrachte Name Ligatur-
schrift, in einem weiteren Sinne verstanden, passt ganz gut dazu und darf
daher bleiben. Die Mittel, die zum genannten Ziele führen, sind Ver-
kürzungen und Verzierungen. Die ersteren müssen dem Kalligraphen
immer zur Hand sein, er ist aber keineswegs gezwungen, diese immer
zu brauchen : sie bilden sozusagen eine vis latens seiner Kunst. Das-
>elbe gilt auch von den Verzierungen: diese dienen dazu, Lacunen aus-
zufüllen, welche sich nur gelegentlich einstellen. Es kann Zeilen geben
— namentlich in der älteren Periode — die weder namhafte Verkür-
zungen noch Verzierungen aufweisen und dennoch das Ziel eines conti-
uuiilichen Bandornaraents erreichen.
Die Ligaturschrift erscheint in Handschriften, auf Wand- und
Brettmalerei, auf Holz- und Metallgeräth, auf Grabsteinen. Den Inhalt
^ 'Icher Schmuckzeilen bildet ein Gebet, ein Spruch, eine Inschrift in
j 10 ^- Stschepkin,
memoriam oder — namentlich bei einem Schriftdenkmal — der Titel
des Gegenstandes. Es ist also der Umfang der Zeile meistentheils im
Voraus bestimmt und die Aufgabe besteht darin, eine gegebene Buch-
stabenzahl auf einem gegebenen Längenmasse — schön und zusammen-
hängend zu ordnen. Ist die Buchstabenzahl gross und der Raum klein,
so greift man zu Abkürzungen, im entgegengesetzten Falle ist der
Kalligraph auf Maskirung von Lücken angewiesen.
Die verschiedenen Kunstgriffe unserer Ligatuvschrift — Abkür-
zungen sowohl, als auch Schmuckmotive — kamen nicht auf einmal
zum Vorschein und hatten eine ungleiche örtliche Verbreitung. Dess-
halb enthalten sie schöne paläographische Daten.
Nach ihrer Verwerthung muss die cyrillische Ligaturschrift streng
in verschiedene Kategorien auseinandergehalten werden; auf Manuscript,-
Gefäss und Grabstein oder Kirchenwand zeigt die Schrift im Ganzen
und Grossen die nämlichen technischen Erscheinungen, aber der Gang
der gemeinsamen Entwickelung fällt in den einzelnen Kategorien chro-
nologisch nicht zusammen. Wir befassen uns hier nur mit der Ligatur-
schrift der cyrillischen Manuscripte.
Die Anfänge der slavischen Ligaturschrift liegen tief in Byzanz.
Die Südslayen versuchten es schon frühe, diese Kunst ihrer Cyrillica
anzupassen. Ein slavisches Ligaturschrift System wurde zuerst wäh-
rend des XIV. Jahrhunderts geschaflen und zwar wahrscheinlich auf
dem berühmten Klosterberge Athos. Die Rumänen waren in der Pflege
dieses Kalligraphiefaches sehr glücklich. Aber ein wahres Kunst-
leben, eine lange, echt organische Entwickelung bekam die Ligatur-
schrift nur bei den Russen.
Vor dem Ende des XIV. Jahrhunderts finden wir in Russland eine
Ligaturschrift im Sinne eines graphischen Kunstfaches nicht. Russische
Manuscripte des XII. — XIV. Jahrh. weisen zwar als Aufschriften Zeilen
von grösseren Buchstaben auf, zuweilen laufen darin auch einzelne Li-
gaturen und Schmuckmotive unter (z.B. doppelte Buchstabencontouren).
Aber dem Ziele nach ist es noch lange keine Kunstschrift, — nur
schlichte Anweisungen sind es für die Aufmerksamkeit des Lesenden
oder Suchenden.
Als erstes Beispiel einer russischen Ligaturschrift führen russische
Paläographen etliche Zeilen vom J. 1380 an und zwar mit Unrecht. E»
sind dies Titelzeilen im Stichirarion Nr. 22 der St. Sergius-Laura bei
Moskau. Karski's Handbuch «der slavisch-russischen Paläographie«
Cyrillische Ligaturschrift. 111
gibt eine Probe davon (S. 420). Was dieser Zeile abgeht, ist Schönheit
und System. Nur hülflose Versuche sind es, das südslavische Ligatur-
system anzuwenden, und ein Chaos von leichtfertigen Missgeburten ist
das Resultat davon.
Die Thatsache, dass der ältesten Periode des russischen Schrift-
thums die Ligatnrschrift noch gänzlich abgeht — lässt errathen, dass
dieses Kunstfach noch gar nicht vorhanden war, als das Schriftthum
nach Russland kam — weder beim glänzenden byzantinirenden Hofe
Symeon's, noch in Byzanz selbst. Das erhaltene südslavische Schrift-
thum entscheidet über die Richtiglceit dieser Vermuthung nicht, denn
es reicht nur bis ins Ende des XII. Jahrh. zurück. Die byzantinischen
Handschriften sind aber dieser Hypothese nicht abhold ^). Vor dem
X. Jahrh. unterscheiden sich die Ueberschriften (das Rubrum; der by-
zantinischen Handschriften graphisch noch wenig von ihrem Text. Sie
werden höchstens durch Farbe, nicht durch besonderen Ductus gekenn-
I zeichnet. Zu Anfang des X. Jahrh., mit dem Beginn einer glänzenden
I echt byzantinischen Kunstperiode, findet man Ueberschriften, — na-
i mentlich dort, wo der Text in liturgischer Unciale gehalten ist — , die
j sich vom Texte durch Grösse und Schönheit unterscheiden. Auch dop-
pelte Contourlinien erscheinen in solchen Zeilen. Zu Ende des X. Jahrh.
bekommen die Zeilen des Rubrums öfters Ligaturen, auch Ornamente
' an den einzelnen Buchstaben. Als charakteristisches Beispiel diene das
Manuscript vom Jahre 977 (bei Amphilochios;. Noch einen neuen Zug
^t das nämliche Manuscript auf: die Schrift des Rubrum ist etwas in
üio Höhe gewachsen und hat schon das Mass von 3 2). Sonst herrscht
aber während des ganzen Jahrhunderts ein geringeres Mass vor: l^/-2, 2.
\ I m Anfange des XL Jahrh. an begegnet man solchen Schmuckzeilen
schon etwas öfter, und die Ligaturen werden darin gebräuchlicher und
complicirter. Um die Mitte des XI. Jahrh. darf man die byzantinische
Ligatnrschrift als constituirt betrachten. Ihre vorzüglichsten Beispiele
sind: eine Moskauer Handschrift vom J. 1055 (Synodalbibliothek, litho-
2;raphische Abbildungen bei Amphilochios und Sabbas) und eine Hand-
ij Ich benutzte für meine Beobachtungen die bekannten Werke der
Bischöfe Amphilochios und Sabbas und die Manuscripte der Yaticana und
Marciana.
'j Zum Masszeichen nehme ich hier imd weiter an: die Beziehung zwi-
schen der Breite und der Höhe solcher cyrillischen Zweimaster, wie H, H, II.
[n einem Quadratductus ist also das Mass gleich 1.
112 V. Stschepkin,
Schrift der Vaticana (Nr. 463) vom Jahre 1062. Das XII. Jahrh. bildet
die Bltithezeit der byzantinischen Ligaturschrift, im XIII. nimmt sie
wieder an Verbreitung ab, sie ist im XIV. schon auf der Neige und
verschwindet im XV. fast gänzlich. Dabei haben wir während der
ganzen Existeuzperiode der byzantinischen Ligaturschrift keine Gelegen-
heit, von ihrem Leben, ihrer organischen Entwickelung zu reden : sie
verblieb in der Form, in welcher sie aufgetreten war. Ihre Verbreitung
war selbst während der Blüthezeit — mittelmässig und viel geringer,
als auf dem slavischen Boden seit dem XIV. Jahrh. Ihr Mass schwankte
immer zwischen 2 und 3. Ihre technischen Griffe beschränkten sich auf
die Ligatur (Mast -|- Mast, seltener Curve -f- Curve) , Unterordnung :
aTu , üeberordnung : r^, Berührung im Punkte: '^, jCÄ' ^ ■ Ein-
verleibung : QS , hS , ^ . Ihr Schmuck waren schlichte botanische '
und geometrische Motive : Ranke oder Blatt, Knospe und Drüse, kurze
Wurzel oder Pflanzenstachel, dann ein flaches Dach und ein Keil. Der
Gesammteindruck byzantinischer Ligaturzeilen ist sehr mittelmässig.
Bei den Südslaven ist die Ligaturschrift bis zur Mitte des XIV.
Jahrhunderts wenig verbreitet und wenig originell. Die Zeilen (doppelte
Contouren) des Hexameron vom Jahre 1263 (Moskauer Synodalbiblio-
thek, Abbildung bei Sabbas) sind typisch für diese Zeit. Sie sind den
byzantinischen Vorbildern sehr nahe, dabei ohne grosse kalligraphische
Lust gezeichnet. Die üeberschrift des Manasses vom J. 1345 (Moskauer
Synodalbibliothek, Abbildung bei Sabbas) erreicht schon die besten
byzantinischen Originale.
Zu Ende des XIV. Jahrh. wird die südslavische Ligaturschrift auf
einmal interessanter — reicher und schöner — als die byzantinische.
Serbische und bulgarische Kalligraphen haben sich augenscheinlich der
Geheimnisse des Stiles bemächtigt und aus diesen viele schöne Conse- '
quenzen gezogen. Was die Stil arten betrifft, so weisen jetzt südsla-
vische Handschriften (namentlich solche vom Berge Athos) deren zwei
auf: einen Naturstil, der aus der Pflanzenwelt und zum Theil aus der
Thierwelt (Entomologie) schöpfte, und einen streng geometrischen, der
viel seltener auftritt. Eine dritte Stilart, die bei weitem schönste und
beliebte, vereinigt mit glücklichem Takt beide Arten.
Mein südslavisches Material war ziemlich beschränkt und mir liegt'
es fern zu behaupten, ich hätte damit die Geschichte der südslavischen
Ligaturschrift erschöpft. Hier mögen die südslavischen Forscher iu
lA
Cyrillische Ligaturschrift. 113
ihre Rechte treten. Ich suchte mir auf diesem Gebiet nur die Ilaupt-
momente auf, um den Schwerpunkt meiner Skizze — die russische Li-
gaturschrift — ins richtige Licht zu bringen und nach ihrem Ursprünge
zu beurtheilen. Bevor wir aber zu dieser übergehen, müssen wir auf
eine bedeutende Frage Antwort suchen.
Wie kam es, dass unsere grossen Lehrer, die Byzantiner, auf dem
Gebiete der Ligaturschrift nur Mittelmässiges leisteten und so rasch und
leicht selbst von ihren nächsten südslavischen Schülern übertroffen
wurden ? Welcher Bann lag in dieser bescheidenen Kunstsphäre auf dem
reichen Ornamentsinn der Byzantiner? Wo blieb hier die unerschöpf-
liche Motivenfülle und die unendliche Combinationslust des byzantini-
schen Kunstgeistes ?
Es war der Bann der Sprache.
Für das ältere Schriftthum der Serben, Bulgaren und Russen
können wir durchschnittlich eine Zahl von wenigstens 36 Lautzeichen
annehmen. Darunter haben 26 Zeichen einen Mast, einige deren zwei
oder drei. Die Verbindung von zwei benachbarten Mästen zu einem
ist aber der bei weitem ausgiebigste Kunstbegriflf der Ligaturschrift.
Theoretisch, nach der bekannten algebraischen Formel, ist also die
Gesammtzahl von zweigliedrigen Mastligaturen für das slavische Schrift-
thum gleich 650. In Wirklichkeit erreicht natürlich keine Sprache und
kein Alphabet ein solches Maximum. Einige Lautverbindungen von den
theoretisch möglichen werden jeder Sprache abgehen, andere können
wieder — je nach der Beschaffenheit derSchrift — undeutlich und daher
uubequem erscheinen. So würde z. B. eine Verbindung von F und 'h
ein Zeichen abgeben, welches eben so gut T -f- "^li bedeuten könnte,
oder die Verbindung von li + T (das Häkchen von F in die Mitte ge-
setzt zwischen das Häkchen und die Schlinge von B) könnte gleichwohl
die Complexe üF, FE, FFh bedeuten. Ebenso könnte HB (Mast und
untere Schlinge beider Zeichen fallen zusammen und das Häkchen von
B wird der oberen Schlinge von G übergeordnet) auch als Fili, Fß,
l'iF, BBi, sogar als lih, BP, BPh gelesen werden. Um groben Miss-
verständnissen vorzubeugen, müssen also solche Ligaturen vermieden
oder wenigstens technisch klargemacht werden. Beides finden wir bei
den Slaven. Jedenfalls wird vieles dieser Art aus dem Ligatursystem
gänzlich ausgeschaltet werden müssen. Was aber den anderen Gesichts-
punkt betrifft, das gänzliche Fehlen gewisser Lautverbindungen in der
Sprache selbst, so sind gerade in dieser Hinsicht die slavischen Sprachen
Archiv für slavische Philologie. XXY. 8
114 V. Stschepkin,
recht glücklich gestellt. Denn seit uralter Zeit, nach dem massenhaften
Schwunde der schwächeren 1i und h, bekamen sie eine Unmenge von
neuen Cousonantenverbindnngen, die sehr oft recht schöne Mastligaturen
ermöglichen. Diese neuen Lautcomplexe sind für das fremde Ohr zum
Theil recht unbehaglich, aber desto vortheilhafter für das Ligatur- |;
System. So kommt es, dass thatsächlich die slavische Mastligatur i
wenigstens über 450 schöne Combinationen gebietet !
Was bieten aber in dieser Hinsicht das griechische Alphabet
und die griechische Sprache? Im Ganzen sind es nur 24 Laut- ;
zeichen, darunter nur 12, die Mäste haben. Schon theoretisch sind da-
her die griech. Mastligaturen auf die Zahl von 122 Zeichen beschränkt.
Es fehlten den Byzantinern die slavischen Masttypen li, /K, Z„ H, lU,
1|J, 'Ii, 'AI, h, li, K), M, t^, Ut\. Und von dem Wenigen , was
möglich war, wie Vieles war da, namentlich aus phonetischen Gründen,
ausgeschlossen. Eine grosse Reihe von slavischen Consonantencomplexen
esistirte in der Sprache der Byzantiner gar nicht; was übrig blieb,
wurde theilweise noch durch die Beschaffenheit der Lantzeichen oder
durch Orthographiezwang beseitigt. Statt MF und HF erschien immer
FF, statt A\K und HK — FK, statt HR — MB, statt Hfl - m\,
HP hatte sich zu H/^P und MP zu A\IiP verwandelt. So kam es,
dass vom theoretischen Maximum 122 die Byzantiner thatsächlicli
kaum über 40 Mastligaturen zur Verfügung hatten. Besser ging es mit
der Unter- und Ueberordnung, aber diese beiden Kunstgriffe, besonderä
der letzte, waren nicht eben die geometrisch schönsten von allen. Was
konnten nun die Byzantiner aus solch beschränktem Material schaffen?
In der Ligaturschrift waren sie von Hanse aus der Monotonie einfach
anheimgefallen. Man sehe sich eine beliebige byzantinische Ligatur-
zeile an und merke sich, wie wenig den Meistern zu Gebote stand. Aber
das üppige Aufblühen der Ligaturschrift auf slavischem Boden lehrt
uns die Vorzüge jenes Principes besser kennen, welches die Byzantiner
zur Welt brachten. Für die Schüler hatten die Meister auch hier reich-
lich gesorgt. Schon oben ist erwähnt worden, wie schön sich dieses
Princip im XIV. Jalirh. bei den Südslaven zu einem kalligraphischen
System emporschwang.
Jetzt kam aber Russland au die Reihe.
Auf dem Balkan nahte das Türkenelend. Dahin war es mit den
Reichen der Serben und Bulgaren, bald folgte diesen auch Byzanz in
die Gruft. Aber aus den Trümmern fluthete ein mächtiger Strom nach
Cyrilliache Ligaturscbrift. 115
Kussland. Im Grossen wie im Kleinen — in Staatsideen und Litteratur.
in Liturgik und Kunstgewerben ging die südslavisch-byzantinische
Fradition nach dem tiefen Norden, wo ein williger Lehrling ihrer harrte.
So ging es auch mit der Ligaturschrift. Die Handschriften erläutern
uns den Gang dieses Einflusses.
Man darf behaupten, dass das XV. Jahrh. für Russland eine Art
Schule war, eine Erlernungsepoche der südsla vischen Ligaturschrift.
Russische Handschriften aus dieser Zeit unterscheiden sich principiell
nicht von ihren serbischen und bulgarischen oder gar rumänischen Vor-
bildern. Es treten beide südslavischen Stilarten auf, — der Naturstil
und der geometrische, der letzte wie bei den Südslaven viel seltener.
Eine mittlere Abart blieb noch immer die schönste. Die Ligaturschrift
verbreitete sich rasch durch die »Litauische«, süd- und westliche
Hälfte des Territoriums. In Grossrussland wurden die St. Sergius-Laura
im Centrum und die alten Städte des Nordwestens — Novgorod, Pskov
und Tver die Hauptpunkte der Ligaturschriftpflege. Berühmte süd-
.-lavische Ankömmlinge, die im Lande litterarisch und politisch thätig
waren und der ganzen südslavischen Modeströmung die massgebende
Itichtung ertheilten, wirkten eigenhändig im Bereiche der Ligaturschrift
mit. Wir besitzen z. B. noch zwei Manuscripte von Pachomios Logo-
thetes' eigner Hand, aus den Jahren 1443 und 1459 Bibliothek der
^ergius-Laura Nr. 185 — 21 und Bibliothek der Moskauer geistlichen
Akademie Nr. 23), das letztere jedenfalls in der Sergius-Laura geschrie-
beu. Der Verfasser unzähliger patristischer und liturgischer Schriften
und wie jüngst vom Akademiker Schachmatoff vermuthet wird, der
Verfasser des russischen Chronographs — Pachomios, leistete hier zwei
-chöne, wiewohl sehr frei aufgeworfene Zeilen in der mittleren Stilart.
In derselben Stilart arbeitete ein anderer berühmter Südslave, der Me-
tropolit von Moskau, Kyprianos, auch ein Litterat und ein Politiker von
hoher Bedeutung. Wir besitzen aus dem J. 14S1 eine russische Ab-
schrift (St. Sergius-Laura, Nr. 1S59 — 51) von seinem eigenhändigen
Original, und das Nachwort des Abschreibers ist höchst bedeutend : es
zeigt uns recht klar, wie sich der grosse südslavische Einfluss im Lande
einbürgerte und mit welch einem Glorienschein die grossen und kleinen
Leistungen solcher Südslaven in den Augen der Russen umgeben waren.
Es sagt uns das Nachwort :
»Dieses Missale (TpeuHiiKi.) übertrug aus griechischen Büchern in
■die russische Sprache mit eigener Hand Kyprianos, der demüthige Me-
8*
116 V. Stschepkin,
tropolit von Kijev uud ganz Russland. Von diesem Missale copirte —
nach dem Gedanken, Gebote und Herzenswunsche meines Herrn, Mi-
chael Jakob's Sohnes, ich sündenbelasteter Hesydor Molcanov mit
eigener Hand für meinen Herrn Michael Jakob's Sohn« .... Weiter legt
der Schreiber den folgenden Copisten eine interessante Bitte ans Herz:
»nichts beizulegen oder wegzulassen, — weder einen einzigen Punkt
noch ein Häkchen unter den Zeilen oder in den Zeilen, noch in der
Composition etwas (cjiorHK) ir^Kyio) zuzusetzen oder zu entfernen nach
Art des Hergebrachten und Gewohnten«. So fasste mit der Text-
redaction und der südslavischen Orthographie auch die Ligaturschrift
esten Boden in Russland. Wie schon erwähnt, ist die schöne schlanke
Zeile in der mittleren südslavischen Stuart gehalten. Dieselbe Schriftart
finden wir schon in einem Autograph St.Nikon's von Radonez (f 1427),
eines Schülers St. Sergius'. Es ist ein Evangelium auf Pergament in der
St. Sergius-Laura. Daselbst erhielt sich diese Abart noch zu Ende des
XV. Jahrb., wie uns die Handschriften lehren (z. B. Bibliothek der
Moskauer geistlichen Akademie, Nr. 48). Wir besitzen weiter ein süd-
slavisches Evangelium, welches von einem Russen (Mönchpriester Atha-
nasios) im J. 1430 auf dem Berge Athos, im Pandokrator-Kloster an-
geschafft wurde und im J. 1434 nach Tver kam — ebenfalls ein recht
schönes Beispiel der mittleren südslavischen Abart, die auch weiterhin
in Tver gepflegt wurde (z. B. Evangelium vom J. 1478). Dabei weist
aber schon ein Tverisches Manuscript vom J. 1447 — 48 (Horologium
Nr. 133 der Moskauer Synodalbibliothek) die seltenere, fast streng geo-
metrische Stilart. Die mittlere Stilart finden wir endlich auch in Nov-
gorod, und zwar noch im J. 1499, in der berühmten Gennadios-Bibel
^Moskauer Synodal-Bibliothek). —
Auch interessante Stilseltenheiten gingen von dem Balkan nach
Russland über, so z. B. zwei Zeilen vom J. 1430 (herausgegeben bei
Karski, S. 249 u. 431), die in der bekannten Monokondylien-Manier
gehalten sind. Aehnliche Zeichen aus jüngerer Zeit finden wir bei
Karski noch S. 447 (aus dem XVH. Jahrb.).
Zu Ende des XV. Jahrh. ist die Ligaturschrift ein beliebtes kalli-
graphisches Kunstmittel und durch das ganze Land verbreitet. Die
Handschriften wimmeln von Ligaturzeilen, und es kommen höchst
wichtige Localerscheinuugen zu Tage.
Das russische Territorium war damals schon in zwei typische so-
ciale Verbände getheilt. Ein regeres Leben, eine grössere Formenfrei-
Cyrillische Ligatiirschrift. 117
heit bei spärlicher Selbstwüchsigkeit waren ein charakteristisches Merk-
mal des westlichen litauisch -russischen Verbandes, welcher durch
polnisches Medium sich den westeuropäischen Einflüssen geöftnet hatte,
um recht bescheiden in dem äussersten Nachtrabe der occidentalischen
Kultur dahinzuwandeln. Moskowien war überall durch unwandelbare
typische Formen gekennzeichnet, welche alle auf byzantinische Haupt-
principien zurückgingen. Streng nach aussen begrenzt — wie nun ein-
mal der byzantinische Geist war — erschienen hier die Ideen und Ein-
richtungen, Kunst und Sitte. Aber in dem unwandelbaren Rahmen
gährte doch frisches Leben. Die Arbeit der Geister bestand in einer
nimmernihenden Detailliruug der alten Principien, die in der Mitte des
XVI. Jahrb., unter Johannes IV., eine letzte eigenartige Blüthe zum
Leben brachten.
In der Sphäre der Ligaturschrift sprach sich Litauisch-Russ-
land entschieden für den Naturstil aus. Südslavische und noch mehr
rumänische Stilabarten waren hier die Originale, die sich tausendfach
in schönen, aber eben so oft in rohen oder gar bizarren Nachahmungen
wiederholten. Auch abendländische Motive drangen hier, namentlich
seit dem Ende des XVI. Jahrh. in die Ligaturschrift ein, freilich ohne
diese Kunst besonders zu fördern. Denn ähnlich der altrussischen
Ikonographie, war die Ligatuvschrift ein recht exklusives Kunstfach,
welches sich aus seinen Elementen lange entwickeln konnte, aber keine
Synthese mit einem fremden Princip vertrug. Höchstens konnte hier
die Verschmelzung eine neue Manier, niemals einen neuen Stil ins Leben
rufen. Die schönsten Ligaturschriftmanieren waren in Westrussland
die rumänischen, die ich hier kurz skizzire. Die eine ist üppig,
goldverziert, die Farben sind zart und treten gewöhnlich im Vergleich
; mit dem Goldprunk stark in den Hintergrund; es sind lauter Pflanzen-
gebilde, die Stengel strotzen von stachligen kleinen Ausläufen. Die
andere rumänische Manier fusst auf der südslavischen mittleren :
, schlanke, recht hohe und hagere Typen stehen in der Zeile weit aus-
einander, wie einsame Gespenster in einem öden Felde. Die eigen-
I artigen Ligatnrzeilen Westrusslands sind noch bizarrer. Einmal sind es
'; Gartenspaliere, von muthwilligen Ranken behängt, einandermal lang-
gezogene schwankende Stengel, Pflanzen, die aus dem Dunkel einer
feuchten Kellergruft, matt und fahl, zum Sonnenlichte emporstreben.
Die rohesten Gebilde haben einen unklaren, aber recht phantastischen
Sinn: es sind weder Pflanzen noch Thiere — verwachsene fratzenhafte
118 V. Stschepkin,
Scheinbilder — ein 3 einem Meerpferde ähnlich, ein G*), das auf
krummen Beinen durch die Zeile eilt. Die seltenen Beispiele eines geo-
metrischen Stils sind dagegen recht kalt und monoton. Ein Merkmal
ist allen Manieren gemein : sie bringen es nicht über das südslavische
System, welches ihnen zu Grunde liegt; die technischen Griffe sind
immer dieselben, dabei im ewigen Wiederkehren oft träge oder unbe-
holfen angewendet.
Moskowien wählte sich fast ausschliesslich den geometrischen
Stil, an dem es dann weiter hartnäckig, volle 400 Jahre hing. Der
geometrische Stil bekam hier also eine Verbreitung, die ihm früher nie
zu Theil wurde. Maniernüancen stellten sich nur spärlich ein. Die ein-
zelnen Künstler waren auf die geometrischen Formen strenge angewie-
sen und hatten selber in Kunstsachen nur wenig zu sagen. Aber die
Formen wurden immer klarer, die Schönheit des Gesammten wuchs, um
in der Mitte des XVI. Jahrh. ihren Höhepunkt zu erreichen. Es möchte
scheinen, dass nun die Ligaturschrift auf diesem Wege trotz aller ihrer
Kunstvorzüge dennoch einem steinernen Tode entgegeneilte. Dem war
aber nicht so. Dogma blieb zwar das geometrische Princip, aber seine
einzelnen Formen wurden nur allmählich aufgefunden und — was noch
viel wichtiger ist — der Erfindungsgeist richtete sich auf die tech-
nische Seite der Kunst. Neue Griffe kamen während des XVI.
Jahrhunderts zum Vorschein und zwar an verschiedenen Punkten des
Moskovischen Territoriums. Es waren Localerfindungen, die sich erst
zu Ende des Jahrhunderts verallgemeinerten und einen so zu sagen
gesammtrussischen Stil abgaben.
Den Anfang, und zwar einen folgenreichen, machte Pskov. Hier
war der Uebergangspunkt zum westlichen Gebiet. Die Pskower Ligatur-
zeilen waren im Grunde genommen gut geometrisch, aber ihre Typen
nicht ganz so wagrecht, wie die von Novgorod oder Moskau. Die ein-
zelnen Zeichen scheinen hier alle zu athmen, es kommt so vor, als ginge
eine leise Wellenbewegung durch die schlichten hohen Zeilen von
Pskov. Der neue technische Griff besteht aber darin, dass alte Mast-
ligaturen in der Mitte des gemeinsamen Mastes einen Bruch bekamen:
kN, [H und jTj werden zu HJ VA und jj. Die Byzantiner kannten
den Griff gar nicht und nur zufällig und höchst selten leisteten die Süd-
slaven einige Rudimente dazu, ohne das Princip selbst zu errathen,
welches in diesen verborgen lag. Aus solchen südslavischen Zufalls-
Cyrillische Ligaturschrift. 119
gebilden, wie [|, |[ oder In (= /c, pri^ nn) war vorläufig nichts zu
gewinnen, sie fnssten ja selber nicht auf normalen ^[astligaturen und
konnten daher für diese auch Icein allgemeines Princip abgeben, eben-
sowenig ein lo (XIV. J =ofi7>), welches nur als eine Art Unterordnung
Ix
aufgefasst werden konnte. Die obenerwähnte Zeile von Pachomios'
Hand, aus dem J. 1459, enthält die beiden Combinationen
und
recht schöne »Pskower Brüche« möchte ich sagen, nur dass die Typen
Hund Ä. n und A bei Pachomios noch keine gemeinsame gebrochene
Senkrechte bilden, was bei den Pskower Brüchen eine Regel ist. Schöne
neue Unterordnungen hatte Meister Pachomios wohl geschaffen, nicht
principielle Brüche. Dieselben kommen zum ersten Male in einer
Pskower Handschrift vom J. 1499 vor (Margaritis Nr. 104 der Mosk.
Synodalbibliothek), dann in einer anderen vom J. 1517 (Paläa, ge-
schrieben zu Pskov, Museum Ramjancov, Sammlung Undolski), dann
in dem Jahre 1545 (Chrysostomos, Historisches Museum) und vor 1572
^Chrysostomos, Historisches Museum) - — also fein ununterbrochen durch
das ganze Jahrhundert — keine einzige datirte Pskower Handschrift
ohne Bruch — , während solche Erscheinungen in Novgorod und Moskau
vor dem äussersten Ende des XVI. Jahrh. selten blieben. In der Nov-
goroder Schule habe ich bis jetzt nur einige Brüche gefunden, so ein
nll aus dem J. 1552 (Evangelium, Hist. Museum), dann einige mehr in
der Moskauer Redaction des Makarius-Menäums.
Die Novgoroder waren es, die den geometrischen Stil zur Apotheose
brachten, Johannes IV. vererbte nur diese schöne Abart, ähnlich wie
er sich die Novgoroder Ikonographie- und Miniaturschule aneignete,
indem er dem Erzbischof Makarius (der 1540 Metropolit von Moskau
wurde) seine besten Künstler einfach wegnahm. Was nun die technische
Erfindung anbelangt, so leisteten hier die Novgoroder viel weniger, als
die Pskower, aber was sie schufen, enthält ein noch festeres paläogra-
pbisches Datum, als der Pskower Bruch. Es ist die Novgoroder Li-
.:; atur f! = 5^, die ich vor dem J. 1552 in keinem Manuscript finden
konnte. In der Schule des Makarius muss es aber schon um ein Decen-
nium früher aufgekommen sein, wie uns das Makarius-Menäum (Mos-
kauer-Redaction des Werkes, Exemplar des Mariä-Himmelfahrt-Domes,
Monat December) zeigt. Die Moskauer Redaction trägt zwar auch das
120 V. Stschepkin,
Datum 1552, dieses bezieht sich aber auf die Vollendung des kolossalen
Sammelwerkes, die wohl ein Decenuium in Anspruch nahm, und der
Monat December bildet ja nicht den letzten, sondern, nach dem September-
caleudarium, den vierten Band davon. Die neue Erfindung (J findet
sich ausserdem schon im Jahre 1548 auf Stein (Moskauer Neu-Jung-
frauenkloster, Grabmal der ersten Äbtissin Helena) und auf Wandfresken
(Kloster zu Svijask bei Kazan). Von nun an konnte die Erfindung im
Worte (rT'fi = GG/i\TTi «heilig« gebraucht werden, welches un-
zählige Male in den Ligaturzeilen der Manuscripte auftritt. Vor der
Mitte des XVI. Jahrh. halfen sich selbst die Novgoroder Kalligraphen
mit Ueberordnung CX^ oder Unterordnung Mq ab. Das neue schöne
r ist ähnlich wie der Pskower Bruch vor dem Ende des XVI. Jahrh.-
noch wenig verbreitet.
Aus war es aber nun mit dem Lebensglanze der früheren nörd-
lichen Republiken. Im Jahre 1571 unternahm Johannes IV. mit seinen
Schaaren einen Plünderungszug nach den beiden Städten. Kirchliches
Geräth und Manuscripte, Schreiber, Ikonographen und Kunsthandwerker
aller Art wurden nach Moskau entführt und die Kunstproduction ging
endgiltig nach der Hauptstadt des Reiches über. Hier fielen die Kunst-
nüancen der nördlichen Städte in der glänzenden Schule des Garen
zusammen. Die Meister blieben bei Hofe und arbeiteten für den Gar
und seine Umgebung lauter Prachtwerke , die theilweise in der Stadt
blieben, theilweise als Andachtsalmosen an die Klöster des Reiches
vergeben wurden. Dies förderte natürlich auch die Verbreitung des
schönen Ligaturstils, aber nur allmählich. Selbst in dem ersten Viertel
des XVII. Jahrh. war dieser noch selten ; nur in der St. Sergius-Laura
bürgerte er sich fest ein.
Was die Eigenschaften des Ligaturstils unter Johannes IV. an-
belangt, so ist zu bemerken, dass dieser im Ganzen und Grossen auf
der Novgoroder Tradition fusst und sich von den Leistungen der Schule
des Makarius noch wenig unterscheidet. Bruch und r sind noch selten,
aber ein Merkmal, das gelegentlich schon in Novgorod und Pskov auf-
trat, wurde doch verallgemeinert. Die Buchstaben bekamen statt runder
oder halbrunder Schlingen und Theile — eckige. Dies war schon im
Südslavischen Ligatursystem möglich, jetzt wurde es mit Vorliebe an-
gewendet. Nicht nur, wie früher, B. B, li, 'h, ZI, h, AI und /K.
Cyrillische Ligaturschrift. 121
sondern auch Ü, ;\„ K, i\, P durften jetzt ihre Rundungen in Fractuv
verändern. Neue senkrechte Halbstärame erschienen auf solche
Weise massenhaft in den Zeilen. Sie bilden ein Charakteristikon der
Schule Johannes IV. Ein schönes Beispiel davon gibt ein grosses Ma-
nuscript des Historischen Museums zu Moskau. Das Werk umfasst über
1000 Blätter (in Doppelformat, d. i. geöffnet), geschmückt mit mehr als
1500 Miniaturen und etlichen Ligaturzeilen. Den Inhalt bilden die
Biblischen Bücher — Genesis bis Libri regum (exclus.) und zwei Tro-
janische Geschichten — die von Guido de Columna und die bulgarische
in der Redaction des russischen Chronograph's. Halbstammfractur
kann als Name für die ganze Stilabart dienen. Ein neues technisches
Motiv war durch diese gefördert: die benachbarten Buchstaben traten
einander näher und bildeten für das Auge eine Art Bruch, so ul, (tp |
{kn, sk, nl). Da aber solche Combinationen nie früher eine einheitliche
Ligatur ausmachten und nur für das Auge einen Brucheffekt abgaben,
dürfen sie nur als falscher Bruch gelten. In wie weit dieser auf
Halbstammfractur beruht, war er den Südslaven unbekannt. In Pskov
tritt zwar der falsche Bruch fast gleichzeitig mit dem echten auf, aber
nur selten und in einer Rudimentarform, da die Halbmastfractur noch
nicht durchgeführt war. In Novgorod ist er wegen der etwas fortge-
jschrittenen Fractur schon typischer, in der Moskauer Redaction des
'grossen Makarius-Menäums fast eben so beliebt, wie in der Schule
Johannes IV.
Nicht unter Johannes, sondern unter seinem Sohne Theodor (Iva-
novitsch) erscheinen endlich alle technischen Erfindungen codificirt :
Bruch, V. , Halbstammfractur und falscher Bruch. Eine überaus schöne
Zeile vom Jahre 15S7 (Undolski-Sammlung im Museum Rumjancov's,
Nr. 4S7) zeigt sie alle. Fractur und Rundung erscheinen hier in glück-
ilicher Vereinigung, denn es leben noch di'e hohen Rundungen eines
■6, 0, C Dabei kommt noch bei den letztgenannten Typen ein schlan-
ker Zweigschmuck viel üppiger zur Verwendung, als es früher in
Moskowien Brauch war. Die technischen Griffe aber werden so ent-
schlossen gehandhabt, dass wir auf ein zielbewusstes Kunstsystem
. jSchliessen müssen.
n Unter Theodor wurde zum ersten Male die Kunsttradition Johan-
' 'oes IV. noch sachte, aber nach allen Richtungen erschüttert. In der
;3rnameutik der Handschriften durchbrachen schöne neue Cartouchen
122 V. Stschepkin,
die beliebte nevibyzantinische Goldgrundvignette Johannes IV. Leben-
digeres, weniger stilisirtes Gezweige — weiss mit Goldtouchirung, meist
auf schwarzem Grunde, füllt diese Cartouchen, die den Clich^es der
Drucke jener Zeit nachgebildet sind und auf italienische Vorbilder
zurückgehen.
In der Ligaturschrift kommt ebenfalls ein neuer — der letzte
russische — Kunstgriff zum Vorschein, der einen ernsten Wende-
punkt in dieser ganzen Kunst bedeutet. Auch dieser letzte Griff war
streng geometrisch und führte vorläufig zu neuen schönen Formen, aber
auf die Dauer war er doch eher schädlich als nutzbringend : er hatte
eine grosse Einseitigkeit in sich und lenkte die ganze weitere Entwicke-
lung der Ligaturschrift entschieden auf Manierwege.
Dieselbe Zeile vom J. 1587 weist schon den ersten Schritt eines
neuen Principes auf und lässt uns seine Folgen errathen: das Princip
heisst volle Fractur. Ganz am Anfange der Zeile finden wir ein
iC, welches nur aus Winkeln und geraden Linien besteht, unter den
letzten sind die senkrechten die wichtigsten. Die drei folgenden C
der Zeile, ebenso 6 und 0, selbst das geschmückte Schluss-'li sind noch
rundschlank. Das Fraktur- C kam augenscheinlich nur als Modespiel in
die Zeile. Aber unaufhaltsam drang jetzt die Vollstammfraktur vor.
Wohl wurde sie, wie die Halbstammfraktur unter Johannes IV., durch
den Gebrauch der Metalltechnik stark gefördert. Die Hofkalligraphen
hatten nämlich nicht nur schöne Zeilen für die Handschriften zu zeich-
nen, sie waren genöthigt, den Silbermeistern des Garen Inschriften-
projekte für Prunkgeräthe zu liefern. Und eben hier, auf hartem Ma-
terial, war der Frakturstil recht willkommen. Ein Vergleich thut es
klar. Während in den Handschriften der volle Frakturtypus nur in der
Mitte des XVII. Jahrh. seinen Sieg feiert, herrscht er auf Metallgeräthen
schon während der 30-er und 40-er Jahre des Jahrhunderts.
Dem Frakturprincip hatten die Buchstaben 6, 0, C, ^, X, K),
(x), -0^ sich zu unterziehen. Sie thaten es aber in den Handschriften
zu verschiedenen Zeitabschnitten. Die Daten, die ich in dieser Hinsicht
aus den Handschriften göschöpft habe, sind natürlich vorläufiger Art ;
nur eine umfangreichere Prüfung kann ihnen jenen endgiltigen chro-
nologischen Werth geben, auf den sie principiell das Recht haben. Ich
theile aber für alle diese Typen die Daten ihrer ersten Erscheinung
mit, wie sie mein Material bietet i). In Vollfraktur fand ich: ein C
1) Ich habe im Ganzen gegen 100 griechische und gegen 200 slavische
i
Cyrillische Ligaturschrift. 123
unter 1587, eine andere C-Art — unter 1647, ein X — ebenfalls unter
1647, dann 16S0, ein Co unter 1650, dann 1659, ein 6 mit senkrechten
Linien, aber etwas gerundeten Ecken — unter I6r)2, ein Fraktur- 0 in
der Mitte des XVH. Jahrb. (undatirtes Manuscript), dann 1691, ein 0
(gehört eigentlich zur Halbstammfraktiir, entsteht aber erst jetzt) unter
1658, ein -O* unter 1665, dann zu Anfang des XVIIL Jahrb., ein
echtes Fraktur-C in der zweiten Hälfte des XVIL Jahrb., dann unter
1689, ein Fraktur-^ unter 16S0.
Die einzelnen Frakturtypen kamen in dem Schrifttbum jedenfalls
nicht auf einmal auf und sie verbreiteten sich nur langsam weiter. Aber
einmal erschienen, verschwanden sie nicht mehr vom Horizont und sie
häuften sich desto mehr und schneller, je näher wir dem Ende des
XVIL Jahrb. entgegeneilen. Sclion um die Mitte des XVII. Jahrb. darf
der Fraktur st 11 als constituirt gelten, wiewohl die Consequenzen
ans dem neuen Priucip lange nicht erschöpft waren. Das wichtigste,
was das Princip in sich barg, war nicht sowohl die Fraktur selbst, als
die mitihr verbundene Umwandlung von Rundungen in Senkrechte.
Nun hatten aber in der Mitte des XVIL Jahrb. die Senkrechten über
die Rundungen dermassen Ueberband genommen, dass der Gesammt-
eindruck der Zeilen schon recht monoton erschien. Lücken bildeten
sich dabei oben, unten und mitten in der Zeile, die alphabetisch nicht
mehr zu vermeiden waren, denn eben die alten Hülfsformen dazu wurden
schon vielfach vermisst. Ranken und Zweige, als unumgänglicher
Ltickenschmuck, stellten sich daher in den Zeilen ein. »Stämme und
Ranke na — so siebt der Moskauer Vollfrakturstil aus. Die Zeilen
eines Synodikon vom Jahre 1659 (Histor. Museum) sind für diesen Stil
bezeichnend.
Seit ihrem Erscheinen war die slavische Ligaturschrift im steten
Wachsen begriffen. Sie wurde immer schlanker. Im XV. Jahrb. war
ihr Mass (s. o. S. 1 1 1) 3 — 4, im XVI. Jahrb. 4 — 7 ; die schönen Zeilen von
Novgorod haben das Mass 4^2, 42,3, die von Pskov — 5, 6 und 7,
Manuscripte benutzt. Von den letzteren sind 10 älter als das XV. Jahrb.,
40 fallen in das XV. Jahrb., SO ins XVI-e, 50 ins XVII-e und 10 ins XVIII-e
und XlX-e. Die Gesammtzahl der durchblätterten slavischen Handschriften
ist natürlich viel grösser. Die angeführten Zahlen gelten nur solchen Hand-
.•^chriften, die Ligaturzeilen aufweisen und in der Regel ein festes Datum be-
sitzen. So kommt es, dass vor dem XV. und nach dem XVIL Jahrb. die
Zahlen so gering: sind.
124 V. Stschepkin,
Groteskzeilen aus Litauisch-Rnssland bringen es zuweilen schon zur 8.
Das Mass 7 gab noch recht schöne Zeilen ab, wenn der Bruch geschickt
angewendet wurde. In diesem Falle verirrte sich das Auge nicht mehr
in einem Walde von gedrängten und feinen Stämmen; es verlegte sich
auf den Bruch in der Mitte und bewegte sich aus diesem leicht nach
oben und unten. Seit dem Anfange des XVII. Jahrh. ging es aber
wieder rasch in die Höhe und gleichzeitig wurden die Stämme immer
gedrängter. Die erwähnte Zeile vom Jahre 1659 hat noch das Mass 71/2,
ist aber schon in dieser Hinsicht keine chronologische Regel. Zu Ende
des XVII. Jahrh. erscheint sehr oft die Ligaturschrift peinlich gedrängt
und hoch. Dies wurde zur Mode, die Kalligraphie griff nun in die
Kryptographie über. Eine Handschrift vom J. 1689 (Histor. Museum
hat in einer Zeile das Mass 11, in einer anderen — das Mass 12. Es
gab noch immer auch schlichtere Zeilen, mit dem Masse 4, 5, aber nur
als Ueberreste einer älteren Periode.
In den letzten Decennien des XVII. Jahrh. arbeiteten in Moskau in
allen Fächern schon viele Ausländer, namentlich Deutsche und Polen.
Zuweilen leisteten diese Occidentalen auch auf dem Gebiete der Ligatur-
schrift etwas recht Brauchbares, in schöner Graviermanier, aber nur
nach dem Gesammteindvuck der russischen Vorbilder, ohne recht auf
die verschiedenen technischen Griffe einzugehen. Daran kann man den
Ausländer leicht erkennen.
Seit Theodor Aleksejevitsch (1676 — 16S2) macht sich der west-
europäische Einfluss noch auf eine andere Weise fühlbar, und zwar viel
namhafter. Die Scholastik von Kijev feierte ihren Einzug in Moskau
und mit ihr die abendländische Kalligraphie. Die altrussische
Ligaturschrift wurde von dieser fühlbar zurückgedrängt. Frei und
breit stehende Buchstaben, mit feinem Laubwerk geschmückt, den
Titelblättern ausländischer und gar heimischer Drucke nachgebildet,
kommen jetzt mehr und mehr zur Verwerthung. Diese Manier erhält
sich bis tief in das XVIII. Jahrh., wo sie bei den Altgläubigen selbst.
trotz ihres kernfremden Ursprungs, als eine russische Tradition aus der
Neige des XVII. Jahrh. ihre Pflege findet.
Der alte Ligaturgeschmack schwindet aber seit dem XVHI. Jahrh.
bei den gebildeteren Klassen, namentlich mit dem Schwünge der »pro-
fanen« oder «bürgerlichen« Buchdruckerei. Auch im kirchlichen Ge-
brauch werden Handschriften yon Druckbüchern endgiltig verdrängt.
Nur bei den Altgläubigen dauert das alte Schriftthum fort. Die
Cyrillische Ligaturschrift. 125
vielen Secten brauchten nach wie vor eine Unmenge von Handschriften,
da hier die Drucke der ofhciellen Kirche schlechtweg verworfen wurden
und eigene Druckereien verhältuissmässig spät und spärlich aufkamen.
Das Schriftthum der Altgläubigen wurde noch wesentlich belebt durch
das Aufblühen einer kirchlich-polemischen und hugiographischen Litte-
ratur. In diesem Medium lebt noch auch die alte Ligaturschrift rüstig
fort und zwar volle zwei Jahrhunderte. Eine glänzende Nordmeer- oder
Pomoraner-Schule liefern die Altgläubigen, welche in Iconographie,
Miniatur, Ornamentik und Bücherabschrift überaus thätig ist. Für un-
sere Zwecke genügt in der Ligaturschrift eine ältere (XVIIL Jahrh.)
und eine jüngere (XIX. Jahrh.) Pomoraner-Manier zu unterscheiden.
Beiden liegt der späte Moskauer Stil, die Vollfraktur, zu Grunde. Die
Pomoraner-Schule zieht aber allmählich aus der ganzen Frakturstil-
Entwickelung die ausser sten Consequenzen und büsst dadurch die
ehemalige geometrische Klarheit gänzlich ein. Schon auf der Neige
j des XVIL Jahrh. können die Anfänge dieses Stils nachgewiesen werden,
seit Peter verbreitet er sich. Die ältere Nuance, das Altpomorische,
; blüht namentlich in der ersten Hälfte des XVIH. Jahrh., die jüngere,
neupomorische, in der ersten Hälfte des XIX. Zwischen beiden bildet
die Zeit Katharina der Grossen eine Art Verfallperiode. Die jüngere
Manier unterscheidet sich von der älteren namentlich durch eine mehr
systematische Anwendung der nämlichen Grifle: in der älteren
kamen sie allmählich auf, in der jüngeren wurden sie auf die Spitze
getrieben ; beide hatten den echt byzantinischen Muth in der Richtung
der alten Tradition zähe zu marschiren; aber die jüngere verirrte sich
endlich in einem inneren Widerspruch und half sich vielfach mit ver-
zweifelten Mitteln ab.
Ich begnüge mich hier mit einer summarischen Aufzählung
der Hauptmerkmale des Jungpomorischen.
L Halbstamm wird zum Vollstamm (vor dem XVIII. Jahrh. — nur
gelegentlich) bei \]\ = T, fl = 'b, ft = h-
2. Hängende Halbstämme werden sehr gebräuchlich: C; Si H
(zum erstenmal ein verirrtes *^ = lil dieser Art schon in der
Schule Johannes IV.).
3. Stammfragmente erscheinen als Schmuck
: |=a.
126
V. Stschepkin,
Pskower roth geschriebene Ligaturschrift vom Jahre 1545.
4. Ligaturschrift vom Jahre 158";
Cyrilliscbe Ligaturschrift. 127
5 — 6. jMoskai'.or Li;i':iriir<ciiiifc des XVI. J;ilirhuiuierts.
irt
*-» '^ ^ *-
111
y
(^
T. Ligaturschrift vom .Tulin- Ui'iH.
^. Die Lii^atiirschrifc der Altgläubigen aus dem Ende des XIX. Jalirh.
^ .•
s
y^
lä'
. /,
^'-. >
] 28 V. StschepkiD,
4. Falsche Fragmente stellen sich ein z. B. beim ||| = t iu
kot :
5. Die neuen Vollfraktiirtypen bilden zahlreiche Mastligaturen :
$ ' fC ' t{.' IF' fHIJ' llji = ^'' ''^ '''^ ^'^ ^^' '^ "• ^- ''-
6. Die Halbfrakturtypen bilden ebenfalls zahlreiche Halbstamm-
ligaturen oder Verbindungen von Halb- und Vollstamm (die ein-
zige vor dem XVHI. Jahrh. ist das schöne 0 , die neuen sehen
alle wie [y] ans): |^j, y, y, |:J|, |:|| = va, vd, vi, ha, kl
u. s. w.
7. Falsche Ligaturen stellen sich ein, die alle einem Fraktur-X
ähneln : |J.I.^, [j|^ = yja, Ija.
8. Ein schräger Schnitt wird bei | ? K, w. s. w. vorgenommen,
um oben Eaum zu gewinnen.
9. Symmetrische Theile werden, so namentlich beim M = T, aus-
einandergeführt, um oben Raum zu gewinnen oder in der Mitte
der Zeile eine Lücke zu füllen.
10. Ein neuer Bruch — oh echter oder falscher ist kaum zu ent-
scheiden, stellt sich ein
'"li
= x^.
11. Unvermeidliche Lücken, die jetzt auf jedem Schritt erscheinen,
werden mit Gras- oder Strauchornameut ausgefüllt.
Die Untersuchung dieser Jungpomoraner-Manier ist für den Paläo-
graphen von keinem Belange mehr, desto wichtiger aber für den
Archäologen, namentlich bei Feststellung von Falsificaten oder
grober Restauration von Kunst- und Hausgegenständen aus dem XVL —
XVn. Jahrb., vor allem — von alten Heiligenbildern. Den Kunsthand-
werkern, die dazu gebraucht werden, ist während des ganzen XIX. Jahrb.
fast ausschliesslich nur die jüngere Pomoraner-Manier geläufig, und sie
stellt sich massenhaft auf Denkmälern ein, die aus diesem Jahrhundert
stammen, aber für etwas viel Aelteres gelten möchten.
Cyrillische Ligaturschrift. 1 29
Transscription der abgebildeten Ligaturzeilen.
1. Kniga glemaja ucitelno zlata.
2. Ot matthea stoe bigovestvovanie.
3. Sihornikb 12-rm mcem skazvja glavy-
4. Sija slovesa sofvoril estb itioko.
5. Thaleologa kniga hyteiskaja vo eze iskoni.
6. Kniga vtoraja glemaja ischodh snov iilev..
7. Pomj'ani gdi äst prestavhsich sj'a.
8. Otresenie cetvertyja pecaii Javlj'ajmce navodi.
Timonino, den 29. April 1902.
Wenceslaus Stschepkin.
ArohiT für slavische Philologie. XXV.
Kritischer Anzeiger.
Jan Kariowicz, Slownik gwar polskich I (A bis E), Krakau 1900,
mit der Widmung an die Krakauer Akademie der Wissenschaften
zu ihrem vierhundertjährigen Jubiläum. IV und 454 Seiten mit
4 Seiten Anhang, 8». IL Krakau 1901, 552 S. 80.
Das Unternehmen des hochverdienten Gelehrten, die reichen Schätze
der polnischen Mundarten zu sammeln und zu ordnen, ist ebenso dankens-
werth wie schwierig, sicher in dem Grade um so verdienstlicher, je grösser
und mannigfacher die Schwierigkeiten sind, die eine solche Aufgabe mit
sich bringt. Das grosse Wörterbuch von Linde beruht aufgedruckten Werken
und bietet von Mundartlichem, abgesehen von Sprüchwörtern, im Grunde ge-
nommen wenig; was in früheren Wörterbüchern von Maczynski, Knapski.
Troc, Mrongovius u. and. von mundartlichem Material enthalten Avar, ist auch
in Linde aufgenommen; systematische Sammlungen und Arbeiten, welche der
Verfasser im Anhange zu beiden Bänden gewissenhaft verzeichnet hat, sind
ein Erwerb der neueren Zeit, sind nicht sehr zahlreich und erschöpfen trotz
aller Anerkennung des Geleisteten doch bei weitem nicht das ganze Material,
beschränken sich oft auf eng umschriebene Gebiete und bieten im Ganzen
keine reiche Ernte. Eine nicht geringe Schwierigkeit eines dialectischen
Wörterbuches liegt darin, dass eine solche weitschichtige Arbeit sich nicht
gut theilen lässt, sondern durchaus in einer Hand liegen muss, weil nur bei
einer solchen Concentrirung die nothwendige Einheitlichkeit erzielt werden
kann. Neben dem zerstreuten gedruckten Material ist von grösster Wichtig-
keit das lebendige Wort, und danicht Jeder dem Beispiele von Oskar Kolberg
folgen und überall herumwandern kann, müssen mühevolle Correspondenzen
förmlich organisirt werden. In vielen Fällen müssen die gesammelten Mate-
rialien richtiggestellt, corrigirt und in die zweckentsprechende Fassung ge-
bracht werden, ganz abgesehen von der Einordnung. Der zeitraubenden Ar-
beit des Sammlers folgt eine andere, die viel Geduld, Geschick und Umsicht
erfordert, die des systematischen Ordnens mit Citaten und Verweisungen.
Alle diese und andere Schwierigkeiten hat der Verf. meisterhaft überwunden.
Die Thatsache, dass der Verf. in seinem Slownik die Frucht von 30 Jahren
bietet, ist für ihn eine Quelle wohlverdienter Befriedigung, für uns aber ein
J, Karlowicz, Wörterbuch der poln. Mundarten, angez. von Nehring. 131
Grund der aufrichtigsten Bewunderung und Dankbarkeit. Im Frühling des
Jahres 1900 war der erste Band erschienen, ihm folgte im Frühling des
Jahres 1901 schon der umfangreiche zweite Band; man darf hoffen, dass die
fehlenden Bände recht bald erscheinen werden. Das liegt zum Theil, da die
Arbeit des Verfassers voraussetzlich in der Hauptsache abgeschlossen ist, an
der Buchdruckerei, welche, das sei gleich hier gesagt, bis jetzt eine seltene
Umsicht und Correctheit gezeigt hat.
Eine Reihe von Bemerkungen mag mit den Quellen beginnen. Diese sind
in beiden Bänden am Ende angegeben; jetzt ist noch eine neue hinzugekom-
men, nämlich die Abhandlung von Landau: »Zur polnischen Gaunersprache <f
im Archiv XXIV. 137 ff., eine wissenschaftliche Besprechung des Slownik
mowy zlodziejskiej von Kurka 1S99 2, mit Benutzung der Gwara zloczyncow
von Estreicher aus dem Jahre 1S67; neu hinzugekommen ist auch Powiesci
Szl^skie von L. Malinowski 1901. Dass von den älteren Quellen beispiels-
weise Mrowka Poznanska, eine Zeitschrift vom J. 1821, nicht benutzt ist, soll
dem Verfasser sicher nicht zum Vorwurf gemacht werden, der Verf. klagt ja
selbst, dass er von den zugänglichen Quellen nicht alle habe ausbeuten kön-
nen (I. Vorrede;, unter den Bezugsquellen fehlt Karlowicz's Slownik »vyra-
zow obcych, nur unter firleje ist es citirt; es fehlt auch Kolberg's Sandomir-
skie, nichtsdestoweniger ist daraus wiederholt citirt; nicht überall sind Ab-
kürzungen verständlich, z.B. Sad. (wohl Sand.?) bei gaik. Es sei die Kleinig-
keit bemerkt, dass S. Polaczek heisst: Sierp Polaczek, so nannte sich und so
zeichnete der bekannte Schriftsteller Preis iSierp ist Umwendung des Namens).
Seit dem Erscheinen der Zeitschriften Wisla und Lud und seit dem Erscheinen
des I. Bandes von Karlowicz's Slownik gwar polskich sind dialectologische
Arbeiten nicht besonders, sondern in diesen Zeitschriften erschienen; zu
hoffen ist die Veröffentlichung der vom Towarzystwo Przyjaciol in Posen
veranstalteten Sammlung von Flurnamen, die ja nur theilweise veröffentlicht
worden sind, — aber wann?
Das Werk von Karlowicz ist so angelegt, dass das Finden des Gesuchten
sehr erleichtert ist. Dem Umstände, dass sehr viele Wörter im Volksmunde
oft bis zur Unkenntlichkeit verändert und gar verunstaltet sind, ist dadurch
Rechnung getragen, dass das Ursprungswort — sehr häufig ist es ein Kalen-
dername oder ein Fremdwort — in der hochpolnischen Form an die Spitze
gestellt ist und dann die veränderten volksthümlichen Formen folgen, wobei
nur selten neue graphische Mittel zu Hilfe genommen wurden, ein solches
Mittel, y (etwa halbvocalisch zu sprechen) ist gelegentlich bei chrzebt II, 138
erklärt; der Tiiatsache aber, dass so manches Wort in verschiedenen
Gegenden verschieden geformt ist und verschiedene Bedeutung hat, oft
selbst in derselben Gegend, wird Ausdruck gegeben durch zwei deutliche
senkrechte Striche , beziehungsweise durch laufende Nummern ; in beiden
Fällen helfen noch Verweisungen aus. Die Erklärungen, Definitionen sind
mit einfachen, treffenden Worten gegeben, Erklärungen Anderer, sowie Citate
in Anführungszeichen gesetzt, Ergänzungen, Correcturen oder Bedenken
gegen den Inhalt der Citate sind, wo es nöthig ist, in kurzen Bemerkungen
oder mit Frage- bez. Ausrufungszeichen, mit Hinzufügung eines K. (Karlo-
9*
132 Kritischer Anzeiger.
wicz) augedeutet. Die Bezugsquellen werden in den allermeisten Fällen so
angeführt, dass zugleich damit auch die Heimath des betreffenden Wortes
angedeutet ist, deutlich ist dies bei mündlichen Mittheilungen, z. B. nst.(nie)
z Litwy. Bei Pflanzen- und Tliiernamen werden oft die technischen Namen
zur Erklärung genannt. Im Allgemeinen erwecken die Citate nur mehr
Neugierde; in den allermeisten Fällen findet man nur das betreffende Wort.
Es versteht sich von selbst, dass auch ungewöhnliche grammatische Formen
angeführt und, wenn sie nicht von selbst einleuchtend sind, genügend er-
klärt werden.
Der Gewinn, den das Studium des Wörterbuches von Karlowicz bietet,
ist sehr mannigfach. In der grossen Zahl von Lehnwörtern, meist aus dem
Deutschen, lässt sich das Verhalten der polnischen Sprache gegen den Laut-
charakter der Originalwörter verfolgen und die von L. Malinowski in Kuhn's
Beiträgen VI (Zur Lautlehre der Lehnwörter in der polnischen Sprache^ ge-
machten Beobachtungen werden hier in reichlichem Masse ergänzt. Vor-
nehmlich ist das zu sehen in dem Verhalten gegen das fremde/; es wird
verdrängt durch ^ bei Fabian, pamula u. a., durch b in bryzowac, durch w in
wasq.g (Fassung, Einfassung), durch chiv in chwestunek und chwioiek, auch
durch ch in chlorek (Florian), chaworyty u. a.; aber es wird auch ohne Be-
denken gebraucht, z. B. in fedrowac (fördern), fecy (Fetzen), filut u. s. w., und
wird sogar spontan für andere Laute, wenn auch selten vorgezogen, z. B. in
Fipolit und gafle (Gabeln). Für die Aufnahme des Ä-Lautes ist die polnische
Sprache nicht unempfänglich (vgl. holowac); nur selten wird das fremde h
durch g ersetzt, z.B. in golka Mädchen für das böhmische holka, aber es gibt
Fälle, wo h vorgezogen wird, so in hostec für gosciec Rheumatismus, es
scheint aus dem Böhmischen entlehnt zu sein. Zuweilen sieht man auch, wie
in Lehnwörtern Nasalvocale sich bilden, so in cegi (Zange), pagiel (ein
schmutziger Bube, aus Bengel ?), flq,dra (Flunder), wedrowac (wandern), beben
(aus dem ital. bambino) u. s. w. Eine andere lautliche Erscheinung, welche
sich darbietet und welche schon von Anderen, zuletzt von Blatt betont wurde,
ist der An- und Einschub desj, wie in oznajmic; so ist frujnaö aus frunac
(plötzlich wegfliegen) entstanden, so lujn^c (z. B. deszcz lujn^d) aus lunac,
plujnac, sujn^c, szajstac für szastac, so hat sich^ angeschoben nicht nur in
dzisiaj, wezoraj, in Superlativen wie najlepszy f. nsUepszy, sondern auch in
anderen Fällen; das alterthüraliche tamo dort lautet in Westpreussen tamoj.
Die Statistik der grammatischen (Declinations- und Conjugations-) For-
men wird durch die Sammlungen Karlowicz's nicht unerheblich bereichert,
am meisten wohl bei dem Verbum isö: idemy, idzi, idzony, idziono, szedlam.
szlem, chodzij (imperat.), jademy; ciagcie, myslam, gadaj^, beides 1. sg.,
dziejalo si§ (uncontrahirt), kosty pl., czorcia, dwa lecia, dwascia u.s. w.; auch
für das Studium der syntaktischen Fügungen wirft der mundartliche Wort-
vorrath einige Beiträge ab; es ist natürlich, dass im Volksmunde die ein-
fachen, parataktischen Fügungen fortleben, weil sie der bildlichen Dar-
stellungsweise näher stehen; man sehe ano, jeno, ady, hanu, hano (= a ouo,,
a to (= a oto) u. s. w.
Den ergiebigsten Gewinn bietet das Werk von Karlowicz für lexicalische
J. Kaiiowicz, Wörterbuch der poln. Mundarten, angez. von Nehring. 133
Studien, zunächst für Ortsnamenforscbuug, indess ist der Ertrajj in dieser
Beziehung ein beschränkter; ich habe bis jetzt drei Worte notirt, welche
diesem Zwecke dienstbar gemacht werden können: gryzyna Kies, kopanina
Rodeland und küsty Knochen, feste Stäbe, damit sind die Ortsnamen Gry-
^na, Kopanin in Kujawien) und Kostomlaty erklärt.
Für andere lexicalische Gesichtspunkte möge hier zunächst die Be-
obachtung notirt werden, dass wie dasselbe Wort fz. B. gosciniec) auch in
derselben Gegend mehrere Bedeutungen hat, so auch für denselben Gegen-
stand selbst in derselben Gegend mehrere Wörter im Gebrauch sind, so
z. B. für ^lehlsuppe melka, kruszanka, prucka, paperetka nawarka, vielleicht
noch andere. Firleje hat auch mehrere Bedeutungen, darunter im Sandomir'-
schen die eines Tanzfestes, welches am heil. Katharineutage die Dorfmäd-
chen den Burschen bereiten, also synonym mit dem unerklärlichen szuda-
wajki in dem polnischen Schlesien; gazdynia Hausfrau, in Oberschlesien un-
gewöhnlieh, ist höchst wahrscheinlich mit den bandochy (in Haufen, Banden'
wandernden Arbeitern aus den Karpathengebieten hergewandert; in einer
sprichwörtlichen Redensart begegnen sich zwei gleichbedeutende Wörter;
der Verfasser führt an: juz widac, ale daleko gibac, und im Gnesenscheu
spricht man: daleko dybac. Die Worte mit dem Stamme gizd- bedeuten im
Volksmunde der Polen hässlich, eine ähnliche Bedeutung haben sie im Böh-
mischen, im Serbischen aber bedeutet gizdav schön, reizend. Zum Schluss
möge auch noch der Gesichtspunkt berücksichtigt werden, dass die Schule
eine ergiebige Stätte für Bildung von neuen Wörtern ist ; von da sind
Wörter ausgegangen, wie facka Backenstreich (facies), fora fort Toras! ,
fugas reissaus, kordja, kordyai, partyka, kantyczki, kompletnie u. and.; dort
erhielten auch ihre latinisirende Gestalt brudas, morus (Schmutzpeter), ny-
gus Faulpelz cf. nega), dworus, chudeusz, slabeusz u. s. w.
Ein empfindlicher Mangel des vortrefflichen Werkes von Karlowicz ist
! das Fehlen einer genetischen Deutung der oft recht räthselhaft klingenden
I Wörter. Der Verfasser spricht sich in der Vorrede darüber nicht aus, wie er
'sich zu einer solchen Aufgabe stelle, aber man sieht auf Schritt und Tritt,
dass etymologische Deutungen, die Zurückführung auf das Ursprungswort
j nicht beabsichtigt, vielmehr ausgeschlossen waren. Dass der Verfasser eine
[solche Beleuchtung nicht etwa für überflüssig hielt, bewies er in seinem
j trefflichen Siownik wyrazow obcych 1879, er hat sich darüber auch in seiner
Abhandlung Sloworod ludowy in Dwutygodnik Krakowski 1878, die ich leider
nicht kenne, über diesen Gegenstand geäussert, und hat auch als der jahre-
, lange, bisherige Leiter der treft'lichen Zeitschrift für Volkskunde Wisla die
: umfassendste Kenntniss des Volksgenius erworben, und so werden wir die
; zusammenfassende Deutung des mundartlichen polnischen Sprachschatzes
{ stets von ihm erhoffen, denn nothwendig ist sie. und derjenige, welcher sie
■ hätte sonst leisten können, Lucian Malinowski [cf. seine Arbeit: 0 niektorych
; wyrazach ludowych. Zur Lautlehre der Lehnwörter im Polnischen in Kuhn's
Beiträge VI u. s. w.), ist leider nicht mehr unter den Lebenden.
Die Erklärung ist übrigens oft schon jetzt gegeben durch das normale
hochpolnische Wort an der Spitze, und in manchen Fällen lugt sie aus dem
1 34 Kritischer Anzeiger.
Fremdwort hervor, so weist iiielka auf Mehlsuppe, frasunek auf ein Wort wie
etwa Fressung (Beküinmerniss), fedrowac auf fördern, fecy Fusslappen auf
Fetzen hin; in giedung ist Gedinge, in geltag, gieltowac, gnik erkennt man
leicht Geldtag, gelten und Genick, in bryzowac für fryzowac das Ursprungs-
wort frisiren; gieiczec Geräusch machen ist durch zgieik Tumult erklärt. Bei
obciasy Absätze mischen sich Deutsch und Polnisch zu einem Gebilde zu-
sammen.
Hin und wieder entschloss sich der Verfasser doch, das Originalwort zu
nennen; so flindze durch das deutsche Wort Flinzchen, forwec'= vorwärts, bei
kantopory das franz. quatretemps und hajdak ist aus Matzenauer Cizi slova
erklärt. Bei czuder (Pferderuf!) ist auch die Erklärung aus dem Deutschen
beigegeben: zu dir = nach links, worin auch eine Andeutung liegt, dass das
gleichbedeutende ksobie auch aus dom Deutschen übersetzt ist. An einer
Stelle, bei firleje, verweist der Verf. auf sein Slownik wyrazöw obcych, bei
baciarz ein Elender verweist er auf Prace fiiologiczne I, 311 , wo L. Malinow-
ski die Erklärung aus dem Ungarischen gegeben hat, der Zusatz nieobjasnione
bei dem zweiten Citat Rozprawy IX, 157 ist störend. Man sieht aber sonst
deutlich, dass etymologische Deutungen in dem Werke nicht beabsichtigt
waren, so wusste der Verf. doch die richtige Deutung von kapcaniec aus dem
Neuhebräischen, bei hezki u. and., die er in dem grossen polnischen Wörterbuch
von Karlowicz, Kryuski und Niedzwiedzki gegeben hat, wiederholte sie aber
in seinem mundartlichen Lexicon nicht. Der Kenner wandernder Wörter wird
sich wohl das eine oder das andere Wort erklären, apleucha aus dem russi-
schen on.Teyxa (apleucha ist in Litauen gebräuchlich), hultaj Vagabund aus
dem russischen ryjinTii mit dem seltenen Suffix -taj (wie bei rataj), aber so
manches sehr gebräuchliche Wort wird wohl nicht so bald seine Erklärung
finden. Das altpolnische chäiizba Diebstahl ist wegen der Verschiedenheit
der Bedeutung kaum mit dem russ. xaiuKuxu zusammenzustellen; gidea hohe
ungeschickte Person kann wohl als Schulwort (idea) nicht gelten, weil es bei
Neusandecz gidyja heisst ; die grösste Schwierigkeit bietet der Deutung das
Wort giera grosser, unförmlicher Fuss, wofür in gewissen Gegenden das un-
verständliche giejce (pl.) im Gebrauche ist ; wenn bei dem Deminutivum
gierka auf Bibl. Warsz. 1864, I, 292 verwiesen wird, wo das Sprichwort do-
gadza jak ksiadz gierce übersetzt wird: macht ihm oder ihr bequem wie der
Geistliche der Gertrud, so möchte man doch bei der bekannten Bedeutung
bleiben und lieber übersetzen: wie der Geistliche seinen Pedalen (= er schont
sie, fährt lieber); zu Gertrud passen auch die folgenden Worte nicht: wzi^-
iem po ojcu gierke i magierke. Honorzyc sie ist, wie Ref hinzufügen möchte,
wohl trotz der verwandten Bedeutung von honosit se zu trennen.
Dass in dem Werke von Kartowicz noch viele Wörter fehlen, soll dem
Verfasser sicher nicht zum Vorwurf gemacht werden, obgleich es gewiss be-
dauerlich ist, dass z.B. bei dem Namen Barttomiej das scherzhafte bartodziej
aus den Gnesener Predigten, bei Florian das polonisirte Tworzyjan fehlt,
welches in der hypokoristischen Form Tworek die Erklärung für den ober-
schlesischen Ortsnamen Tworkau bietet, aber auf Altpolnisches wollte Verf.
wohl nicht eingehen; bei den Namen Julian und Juliana fehlt neben Ulina
Simic, Pluralis der ein- und zweisilbigen Masculina, angez. v. Resetar. 135
auch ülana für Juliana und, wie ich glauben möchte, Ulanowo bei Gneaen für
Julianowo (mit Anlehnung an uian) und wohl auch Utas, welches in Litauen
im Gebrauche ist u. s. w. Ich habe in meiner Recension vom März 19U1,
welche die Krakauer Akademie in Materyalj' und Prace I, 1 veröffentlicht
hat, eine Anzahl von Lücken des ersten Bandes des Slownik verzeichnet,
könnte jetzt auf solche im zweiten Bande hinweisen, aber ich meine, dass es
darauf weniger ankommt, da die Lücken vom Verf. oder von Anderen aus-
gefüllt werden können; Kariowicz hat auch seine höchst verdienstliche Arbeit
bescheiden nur als Grundlage weiterer Sammlungen bezeichnet, und eine
solidere Grundlage kann es nicht geben.
Das Werk ist nicht nur ein mustergiltiges Nachschlagebuch , sondern
auch eine von Meisterhand geschaffene Fundgrube des polnischen mundart-
lichen Sprachschatzes, aus welcher Sprachforscher in reichlichem Masse
schöpfen und welchen sie immerfort nach Möglichkeit und nach dem gegebe-
nen vortrefflichen Muster bereichern können. W. Nehring.
H. ChmhIi, jVIiioa^HHa HMemma MyiuKora po^a oj jeÄHora h oä aßa
c.iora (erschienen im Programme des Gymnasiums zu Mostar [Her-
ceg-ovina] für das Jahr 1901/1902, S. 3—48).
Herr S. hat sich mit grosser Gewissenhaftigkeit einer Arbeit unterzogen,
deren Resultate in keinem Verhältnisse zu der Mühe stehen, die auf dieselbe
aufgewandt werden musste. S. behandelt hier die Frage, welche ein- und
zweisilbige Substantive masc. gen. im Serbokroatischen den (durch den
Stammauslaut -ovo der «/-Stämme im Gen. plur.) erweiterten Pluralis bilden ;
in der Hauptsache sagt er nämlich nur dasjenige wieder, was schon Ma-
retic in seiner grossen Grammatik (§§ 137 — 139) gesagt hatte; neu ist nur die
ganz richtige Bemerkung, dass diese längeren Pluralformen im Serbokroati-
schen immer mehr an Boden gewinnen, w'ofür als charakteristisches Beispiel
der in Mostar gebräuchliche Pluralis ddnoci von dän »Tag« angeführt wird,
eine Form, die bis jetzt gänzlich unbekannt war; ob aber diese längere Form
im gegenwärtigen Zustande der Sprache vorzugsweise im Genetiv
üblich ist, was S. ebenfalls behauptet (S.40i, scheint mir nicht gar so sicher zu
sein. Dagegen w äre die statistische Tabelle auf S. 39 und die auf Grund der-
selben gezogenen Schlüsse lieber ausgeblieben: S. gibt hier eine Uebersicht
der einsilbigen Substantive nach dem auslautenden Konsonanten des Nom.
sing, und stellt dann die Regel auf: »Substantive, welche auf b, v, it, z,j, l,f
und c auslauten, haben nur den längeren Pluralis, während die auf einen an-
deren Konsonanten auslautenden beide Formen des Pluralis haben«. Das ist
wohl nur zufällig! Man sollte eher auf den Vokal der Wurzelsilbe, sowie auf
den Accent Rücksicht nehmen, doch auch von dieser Seite kann ich zu kei-
nem einigermassen sicheren Resultate gelangen. Ich glaube daher, dass man
nur sagen kann: die kürzere Form, welche zu gleicher Zeit die ältere ist,
verliert mit der Zeit und — was ebenso stark betont werden muss — in der
136 Kritischer Anzeiger.
Eichtung gegen Südosten — woher überhaupt der Verjüngungsprocess der
serbokroatischen Sprache seinen Anfang genommen hat — immer mehr an
Boden; welche Substantive aber noch immer nur die kürzere (ursprüngliche)
Pluralform, welche nur die längere (mit -ov- [-ev-] erweiterte), und welche
endlich beide Formen haben, das lässt sich nur aua dem lebendigen Sprach-
gebrauche feststellen. S.'s Arbeit hat daher den Werth, dass sie uns wenig-
stens aus den Werken Vuk's und Danicic's, sowie aus den von Vuk heraus-
gegebenen Volkserzählungen und Sprichwörtern (die Volkslieder wurden
mit Recht übergangen, da hier für die Wahl der kürzeren oder der längeren
Form vielfach das Metrum massgebend war) eine vollständige Sammlung
der in Rede stehenden Pluralbildungen enthält. Wie unzureichend aber dieses
Material ist, zeigt am besten der Umstand, dass S. oft die daraus gewonnenen
Resultate vervollständigen muss, indem er daxu bemerkt: »mau spricht aber
auch . . .«, wobei es nur zu bedauern ist, dass S. in der Regel nicht angibt, in
welcher Gegend auch die von ihm bezeichnete, von Vuk's und Danicic's
Sprachgebrauch verschiedene Form gesprochen wird. Man sollte schon ein-,
sehen, dass auf serbokroatischem Gebiete das »Stokavische«, welches der
Schriftsprache zu Grunde liegt, kein einheitlicher Dialekt ist, sondern nach
den verschiedenen Gegenden, wo es gesprochen wird, sich mehr oder weniger
stark differenzirt. Dies geschieht auch in Bezug auf die Pluralbildung der
Masculina, und so will ich beispielsweise erwähnen, dass im Dialekte von
Ragusa, der gut «stokävisch« ist, nicht selten die ältere, kürzere Form noch
immer auch bei solchen Substantiven vorkommt, die nach S. nur den länge-
ren Pluralis haben sollen, z. B. hör, vrh, gää, greh (für Vuk's grob), grozcl,
cVio-dijela, klüc, l'ijek, tnij'eh, pöp, prlst, prüt, sän-snä, c'ep, cir, siäp (in der Be-
deutung »Stab«), zül, säv-scu u. s. w.; also auch hier, wie überall und immer:
qui bene distinguit, bene docet ! M. R.
Slovanske starozitnosti, sepsal Dr. Liibor Niederle. V Praze 1902.
Dill. Püvod a pocätky näroda slovanskeho. Svazekl. S". XV. 205.
(Slavische Alterthümer von L. Niederle).
»Vor 15 Jahren wandte ich mich dem Studium der slavischen Alterthü-
mer zu, und vor 11 Jahren publicirte ich die erste Abhandlung auf diesem
Gebiete. Seit der Zeit gab ich, von anderen bis zu einem gewissen Masse
\erwandten Arbeiten abgesehen, noch einige andere Arbeiten heraus, die
insgesammt als Vorstudien für dieses erste Heft des Werkes gelten können«.
Mit diesen Worten der Vorrede wollte der Verf. andeuten, dass er schon vor
geraumer Zeit angefangen hatte, sich mit verschiedenen Fragen des slavischen
Alterthums abzugeben und dass er in der slavischen Alterthumswissenschaft
nicht mehr als Neuling dastehe. In der That ist Prof. Niederle seit dem Be-
ginn des letzten Decenniums des verflossenen Jahrhunderts als einer der
fleissigsten und fruchtbarsten Gelehrten der jüngeren böhmischen Generation
vortheilhaft bekannt. Allerdings bewegte er sich anfangs ganz auf dem Ge-
Niederle, Slavische Alterthümer, angez. von Jugic. 137
biete der Anthropologie, die ja auch für die slavischen Alterthümer dienst-
bar gemacht werden kann. Schon im J. 1^91 gab er »Beiträge zur Anthro-
pologie der böhni. Länder« als Ilabilitationsschrit't heraus und im J. 1893
erschien sein grösseres Werk »Lidstvo v dobe piedhistoricke Prag, 80, XVI.
7601, das in den competenten Fachkreisen solchen Beifall fand, dass es im
J, lb98 in St.Petersburg eine russische Uebersetzung erlebte: « He.ioBt'iccTuo
BT» joucxopuiecKiH BpcMeiia«. Einige Jahre nachhergab er (1896J eine dem
Titel nach viel besagende Schrift: »0 püvodu Slovanu. Studie k slovanskym
starozitnostem« (S'J, 149) heraus, in welcher er selbst die Frage über den Ur-
sprung der Slaven hauptsächlich vom anthropologisch-arcliäologisclien Stand-
punkte behandelte. Man sieht zwar im ersten Theile der Schrift auch tieissige
Rücksichtnahme auf die Ergebnisse der Linguistik, doch dieser Abschnitt
des Büchleins ist reine Compilation, die allerdings für den aussergewöhn-
lichen Sammelfleiss des Verfassers und für seine grosse Geschicklichkeit, sich
schnell in die Resultate fremder Forschungen hineinzuarbeiten, ein sehr gün-
stiges Zeuguiss abgibt. Auch die Polemik, die das Büchlein hervorrief, be-
wegte sich auf der anthropologish-archäologischen Bahn und die nachher in
der deutschen als »einer Weltsprache« (Vgl. S. 5) kurz nochmals resumirende
Abhandlung »Zur Frage über den Ursprung der Slaven. Ein Nachtrag zu
meiner Schrift » 0 püvodu Slovanu« (Prag 1899; gibt sich hauptsächlich mit
den Lösungsversuchen ab, wie die heutige Brachykephalie der Slaven mit
den dolichokephalen Gräberfunden in Einklang zu bringen wäre. Möge auch
'• der von dieser Seite der slavischen Alterthumskunde zugeführte Gewinn bis-
jetzt wenig besagen, immerhin wird man den neuen Gesichtspunkt, wenn er
zum tüchtigen Studium des Gegenstandes nach anderen, näher liegenden Ge-
! Sichtspunkten als etwas Subsidiäres hinzutritt, mit Freuden begrüssen. Dass
' der ehrenwerthe Verfasser auch den ethnographischen Forschungen nicht
t ganz fern stehen wollte, bewies er durch seine Betheiligung an dem Prager
Ethnographischen Museum, durch seine darüber publicirten Berichte, durch
j die den ethnographischen Abtheilungen der Ausstellungen von Budapest und
' Dresden gewidmete Aufmerksamkeit, endlich durch seine noch immer fort-
^ bestehende Theilnahme an dem Redactionscomite des Närodopisny Sbornik.
j Erst ganz zuletzt nehmen wir bei dem unermüdlichen Gelehrten auch
1 die Heranziehung der alten Geschichtsquellen als eines Mittels der wissen-
schaftlichen Erforschung wahr, d. h. er überschreitet das Gebiet der natur-
wissenschaftlichen Disciplinen und begibt sich auf das Gebiet der philolo-
I gisch-historischen Forschung, Noch im J. 1897, als er den Aufsatz «Palaeth-
nologie Evropy« für den Cesky casopis historicky lieferte (auf S. 212 — 222),
stand in der kurzen Uebersicht über die Literatur des Gegenstandes aus der
neuesten Zeit die Anthropologie und Archäologie obenan. Dagegen fallen
in das Jahr 1S99 zwei Publicationen des Verfassers, in denen schon die ge-
schichtliche Behandlung des Gegenstandes stärker hervortritt. In dem sehr
le-enswerthen Aufsatz »0 kolebce näroda slovanskeho« (erschienen in Slo-
i vansky Piehled, SA. 8 S.) wird die Frage über die Ileimath der Slaven (näm-
lich vor ihrem Auseinandergehen in die später und noch jetzt von ihnen be-
wohnten Länder; nicht mehr auf Grund der Daten aus der Anthropologie,
1 38 Kritischer Anzeiger.
sondern der ältesten Geschichtsquellen behandelt, so dass hier schon auf die
Angaben der ältesten slavischen (mit vulgo Nestor an der Spitze) und nicht
slavischen Geschichtsquellen (Tacitus, Plinius, Ptolemäus u. a.) Rücksicht
genommen wird. Der Aufsatz macht keinen Anspruch darauf, etwas neues
zu sagen, aber das, was er sagt und wie er es ausfülirt, halte ich für sehr ver-
nünftig. Noch stärker macht sich der Unterschied zwischen dem früheren und
jetzigen Niederle in dem Werke »Staroveke zprävy o zemepisu vychodni
Evropy« (erschienen als VIJI, Nr. 1 der Rozpr.avy der I. Classe der böhm.
Akademie der Wissenschaften) bemerkbar. Man muss geradezu staunen über
die grosse Literaturkenntniss, die der Verfasser jetzt auf einem ganz anderen
Gebiete, nämlich dem der alten Geographie, an den Tag legt. Der historische
Geograph macht dem bisherigen Anthropologen Concurrenz ! Dazu gesellt sich
ein sehr glückliches Combinationsvermügen, um die viele Spreu vom Weizen
fernzuhalten. Der ungeheure Citatenapparat erdrückte ihn nicht, als um-
sichtigem Eklektiker gelang es ihm fast immer, zwischen den vielen sich
widersprechenden Ansichten glücklich mit einem Olivenzweige durchzukom-
men. Auf diese Weise machte er aus dieser nicht ausführlichen, aber äusserst
inhaltreichen Schrift ein sehr brauchbares Orientirungsbueh über die geogra-
phischen Kenntnisse der Alten betreifs Osteuropas, der vermeintlichen Wiege
der Slaven. Das Buch beruht nicht auf so starker wissenschaftlicher Ver-
tiefung in den Gegenstand, wie die etwas später erschienene Schrift Braun's
(vgl. Archiv XXII, S.244 flf.), es ist aber keineswegs eine ganz unselbständige
Compilation. Der Verfasser hat auch den Muth eigener Meinung, wie z. B.
auf S. 41 (betreffs des ovIveSixos xölno;], auf S. 46 (betreffs der Bernstein-
küste), auf S. 104 (betreffs der oviyedr/.a oQrf) u. ä. Nur in einer Richtung em-
pfiehlt er sich nicht: er weist beinahe ostentativ jede Gemeinschaft mit der
»Philologie« (sollte wohl richtiger heissen »Etymologie«?; ab. Man vergl.
S. 71. 95. Ob er gut thut, das ist freilich eine andere Frage. Wenn er selbst
der Linguistik eine starke Ingerenz bei der Lösung von Fragen, die er beab-
sichtigt, zuerkennt, so sollte er doch mit der »Philologie« auf keinen allzu
gespannten Fuss sich stellen.
Nach diesen und einigen anderen Vorarbeiten — ich erwähne nur noch
die im Cesky casopis historicky Jahrg. 1900 publicirte Studie »0 pocätcih
dejin zemi ceskych« SA. 50 S., sie sieht dem zuletzt genannten Werke in der
ganzen Analyse und Ausführung sehr ähnlich, enthält die ersten Daten über
die gallische, germanische und slavische Besiedelung Böhmens, gesammelt
und kritisch besprochen — ist jetzt das grosse Werk »Die slavischen Alter-
thümer« im Erscheinen begriffen, wovon das erste Heft vorliegt. Ich will mit
einigen Worten auf die Bedeutung dieser umfangreichen Publication hinweisen.
Zuvor sei es mir jedoch gestattet zu erwähnen, dass auch ich gerade vor
15 Jahren das erste Mal in Wien ein ausführliches Colleg über die slavischen
AlterthUmer mit folgenden Worten eröffnete: »Ich habe mir selbst eine
schwierige Aufgabe auferlegt, indem ich mich entschloss, ein ausführliches
Colleg über die slavische Alterthumskunde zu lesen. Ich wollte einmal mir
selbst und auch Ihnen Rechenschaft darüber ablegen, was wir heute, nachdem
50 Jahre seit dem Erscheinen der slavischen Alterthümer P. I. äafaiik's ver-
Niederle, Slavische Alterthümer, angez. von Jagic. 139
flössen sind, — seine Vorrede ist mit dem Datum 5. Sept. 1S37 versehen —
neues, erweitertes oder umgearbeitetes über diesen Gegenstand zu sagen im
Stande sind. Es ist bezeichnend, dass in diesen fünfzig Jahren von keiner
Seite auch nicht einmal ein Versuch gemacht wurde, die slavischen Alter-
thümer Safafik's zu berichtigen oder zu ergänzen, geschweige denn ein an-
deres selbständiges Werk an die Stelle jenes zu setzen. Wenn ich sage er-
gänzen, so spreche ich im Sinne ^afarik's, seinem eigenen Geständuiss gemäss.
Er hat selbst seine Starozitnosti als den ersten historischeu Theil des ganzeu
Gebäudes bezeichnet, dem er einen zweiten ethologischeu (mravopisnyj
möglichst bald nachzuliefern versprach. Die Ungunst der Lebensumstände
brachte es mit sich, dass es bei dem Versprechen auch verblieb«. Mein
CoUeg, das ich später noch zwei- oder dreimal wiederholte, jedesmal natür-
lich mit allerlei Aenderungen, Umarbeitungen, Erweiterungen — war haupt-
sächlich auf die Ergänzung der Lücken gerichtet. Darin weiche ich von dem
Verfasser des vorliegenden Werkes principiell ab. Die Frage über die alte
Ethnographie Europas, das Heraussuchen derSlaven unter den ver.schiedeueu
Völkernamen der alten Zeit, vor und nach Christi Geburt, bildete nicht die
eigentliche Aufgabe meiner selbständigen Forschung. Natürlich musste
auch ich von der ungefähren Grenzbestimmung des Rayons, in welchem die
Slaven vor ihrer begonnenen Auswanderung aus der osteuropäischen, au die
Karpathen angelehnten Ebene ansässig waren, ausgehen, doch nachdem
dieser einleitende Theil unter Berücksichtigung der neuesten Literatur in
möglichster Kürze abgethan war, bildete das äussere und innere Bild des
Lebens der alten Slaven den Hauptgegenstand meiner weiteren Vorlesungen,
also das was fcafaiik in seinem » ethologischeu« Theil nachzuliefern ver-
sprochen hatte. Prof. Niederle beschränkt sich nicht darauf. Er will nicht
bloss, in die Fusstapfen Safafik's tretend, eine Ergänzung seines Werkes
liefern, sondern in allen Theilen nach dem besten Wissen und Gewissen die
slavischen Alterthümer umarbeiten. Darum ist auch sein Werk in viel
grösserem Umfange geplant, als es mir in meinen Vorlesungen vorschwebte.
Nach den Worten Niederle's ist das Ganze auf sechs Theile berechnet, von
denen vier den ethnologisch-historischen, zwei den Cultur-Alterthümern ge-
widmet sein sollen. Man sieht schon daraus, dass auch bei Prof. Niederle den
ethnographisch -historischen Abschnitten des Werkes ein entschiedenes
Uebergewicht vor jenen, die Safaiik in seinem Nachlass mit dem Ausdruck
mravopisny charakterisirte, zufallen soll. Er möchte in Abweichung von
bafaiik, der natürlich den Bedürfnissen seiner Zeit Rechnung tragen musste,
das Ethnographisch-Historische in seinem Werke in zwei grosse Gruppen
eintheilen: in der ersten soll die Darstellung alles dessen erfolgen, was man
von den Anfängen der Slaven, so lange sie noch auf ursprünglich beschränk-
tem Territorium zusammen lebten und nicht den Weg des schnellen Aus-
einandergehens betraten, wissen und sagen kann; in der zweiten soll die
Wanderung der Slaven aus ihrer alten Heimath nach drei Hauptrichtungen
und die Niederlassung derselben in den späteren geschichtlich bekannten
Gebieten und Ländern zur Darstellung gelangen. Für die erste Gruppe ist
ein auf zwei Hefte berechneter Theil in Aussicht genommen, für die zweite
140 Kritischer Anzeiger.
(/rei weitere Theile. Das erste Heft des ersten Theiles — und dieses liegt
vor — erzählt alles das, was man über den Ursprung der Slaven, die
Anfänge ihres Sonderlebens, die Ursachen und die Vorgänge ihrer all-
mählichen Differenciation bis zu den frühesten geschichtlichen Nachrichten
betreffs derselben sagen kann. Das zweite Heft soll die Wiedergabe jener
alten Nachrichten enthalten, die sich überhaupt auf die Wiege des Slaven-^
thums und der Nachbargebiete beziehen, von den Anfängen der alten Ge-
schichte bis zum II. Jahrh. nach Chr. Die übrigen drei Theile werden die
Slaven in ihrer Auswanderung aus der alten Heimath behandeln, und zwar
das erste Heft des zweiten Theils soll den ältesten Uebergang der Slaven
über die Karpathen nebst den Fragen über ihr eventuelles Vorhandenge-
wesensein schon früher in dem Karstgebiet, in Pannonien und in den sieben-
bürgischen Thälern zur Sprache bringen, das zweite Heft desselben Theils
wird den nachfolgenden Uebei'gang der Südslaven über die Donau und Save
und die Besiedelung der ganzen Halbinsel darstellen ; der dritte Theil soll
der Ausbreitung der Westslaven und der vierte den ältesten Schicksalen der
im Osten zurückgebliebenen Slaven gewidmet werden. So skizzirt der Verf.
selbst den Plan seines Werkes; in diesen vier Theilen soll es sich ungefähr
mit dem Inhalt der Slavischen Alterthümer Safai-ik's decken. Von den übrigen
zwei Theilen (dem fünften und sechsten), die den Culturalterthümern gewidmet
sein sollen, lässt sich nach den ganz kurzen W^orten der Vorrede (S. VI) nicht
viel sagen. Höchstens könnte man fragen, ob der Verf. nicht schon in den
vorausgehenden Heften seines Werkes manches davon wird berühren müssen
(auf Grund der ältesten Nachrichten über die Slaven), was er eigentlich in
das Bild der ältesten slavischen Cultur zu verlegen (in den fünften und-
sechsten Theil) gesonnen ist.
Das erschienene erste Heft des ersten Theiles zerfällt in fünf Kapitel : im
ersten ist von den ursprünglichen Sitzen der Slaven die Rede, im zweiten von
der Abkunft (Ursprung) der Slaven, im dritten von den Anfängen des Sonder-
lebens des slavischen Volkes, im vierten von den geographischen Nachrichten
über die Heimath der Slaven nach den alten Quellen, im fünften von den äl-
testen Nachrichten über die slavischen »Venedae«. Man könnte fragen, durch
welche Zauberkunst der Verfasser es zu Wege brachte, mehr als 200 eng ge-
druckte gross 80-Seiten mit der Beantwortung dieser fünf Fragen auszufüllen,'
wenn man nicht schon aus seinen vorausgegangenen Schriften wüsste, dass
er die Hilfsliteratur in geradezu riesenhaften Dimensionen heranzuziehen liebt
und dass er bei jeder einzelnen einigermassen wichtigeren Behauptung die
ganze Geschichte der menschlichen Irrungen dem Leser mitzutheilen trachtet.
So gestaltet sich das Werk Niederle's nicht bloss zu einer Darstellung der
slavischen Alterthümer, sondern zugleich zu einer Geschichte der Ansichten
(bei weitem mehr unrichtigen als richtigen) über einzelne Fragen des slavi-
schen Alterthums. Der Verfasser baut nicht bloss vor unseren Augen ein
stattliches Gebäude, an dem wir unsere Freude haben, nein er lässt uns auch
die Staubwolken schlucken, die sich aus dem Schutt der von ihm niederge-r
rissenen alten Wände erheben. Persönlich flösst uns zwar dieser immense
Apparat von herangezogenen Hilfsmitteln den grössten Respect ein, wir ver-
Niederle. Slavische Alterthümer, angez. von Jagic. 141
beugen uns tief vor der grossen Belesenheit des Verfassers. Ob es aber noth-
wendig, ob es für den angenehmen Geuuss des Werkes vortheilhaft war,
neben den woblbegründeten Ansichten oder scharfsinnigen Vermuthungen,
die für den Fortschritt der Wissenschaft fördernd sind, auch noch jeden Ein-
fall, um nicht zu sagen Unsinn unkritischer Köpfe mit gleicher Zuvorkom-
menheit zu berücksichtigen, sei es im Text, sei es in den Anmerkungen, das
ist eine andere Frage, die ich eher verneinen als bejahen möchte. Der Verf.
wird sich allerdings nach einem Sprichwort gedacht haben: kadsto i slijepac
napipa! Das ist auch richtig und doch hätte ich eine kritische Sichtung des
herangezogenen bibliograph. Materials entschieden befürwortet. Ein anderer
Grund für die Ausführlichkeit der Darstellung liegt darin, dass in dieses
Werk ganze Abschnitte aus der indoeurop. vergleichenden Linguistik, die
natürlich auch die slavische Sprache angehen, eingeschaltet wurden ' vergl.
S. 05 — SO, 111 — 122\ ebenso wie aus seiner früheren anthropologischen Unter-
suchung über den Brachy- oder Dolichokephalismus der alten Slaven hier
vieles von neuem Aufnahme fand (S. 80 — 110). Diese Einschaltungen könnte
man vielleicht dadurch rechtfertigen wollen, dass das Werk für weitere
Leserkreise berechnet ist, die ja bekanntlich aus jeder Wissenschaft etwas
zu naschen lieben, doch die eigentliche Aufgabe der slavischen Alterthümer
ist dadurch vielleicht unnöthig complicirt worden. Ausserdem übersah der
Verfasser, dass er sich stark der Gefahr des Vorwurfes einer überladenen
Compilation aussetzt. Uebrigens möchte ich nicht ungerecht sein, nicht die
irrosse Mühe, die der Verfasser auf sich geladen, mit Undank lohnen. Ich
will lieber gestehen, dass ich dieses erste Heft mit Spannung gelesen, man-
ches Neue daraus gelernt und glücklicher Weise in den allermeisten Fällen
die Ansichten des Verfassers so treffend gefunden habe, dass ich unbedingt
meine Zustimmung aussprechen kann. Es macht mir Freude sagen zu dürfen,
dass ich schon seit langen Jahren im Ganzen und Grossen dieselben Ansich-
ten über die Slaven in ihrer Urheimath mir gebildet habe, die in diesem
Werke Niederle's zur Geltung kommen. Es ist erfreulich constatiren zu
dürfen, dass die jüngere Generation der slavischen Gelehrten, die auf diesem
Gebiete arbeiten — ein Niederle in Böhmen, Braun und Pogodin in Russland
— frei von jedem romantisch angekränkelten Patriotismus nur ein reales Bild
des slavischen Alterthums anstrebt, ein Bild, das durchaus nicht bloss den
Ideen unserer grossen Nachbarn im Westen abgeborgt ist, sondern nach der
reinen Wahrheitsliebe gezeichnet sein will.
Um meiner Anzeige des Werkes auch das Salz der Einwendungen bei-
zumischen, will ich einige Bemerkungen machen. Gleich zu dem Grundsatz,
der auf S. 3 ausgesprochen ist, dass die Entwickelung (des Volkes, der
Sprache) zugleich eine Differenciation sei, möchte ich Stellung nehmen und
ihn nur zur Hälfte für wahr erklären. Hätte mit dem Entwickelungsgang der
Slaven nur die Differenciation gleichen Schritt gehalten, wäre nicht daneben
auch die Kraft der Assimilation und Cohäsion geltend gewesen, wo wären
wir bis jetzt schon hingekommen? Nein, der Satz ist in seiner Allgemeinheit
nicht richtig gewählt, er erinnert an jene noch von Schleicher und Miklosich
vertretene Ansicht, dass das Leben, also der Entwickelungsgang, der Sprache
142 Kritischer Anzeiger.
nur im Verfall der Sprachformen bestehe ! Ich bin kein Historiker vom Fach,
verstehe mich in die Postulate der geschichtlichen Beweisführung wahr-
scheinlich viel zu wenig, aber als Philologe, der an Präcision gewöhnt ist,
finde ich durchaus nicht zutreifend, dass der Verfasser sein erstes [Kapitel
über die ältesten Sitze der Slaven in Europa nicht mit der Auseinandersetzung
des ihm richtig Scheinenden, wofür er freilich erst im V. Kapitel das Beweis-
material beibringt, sondern mit einer von ihm selbst bekämpften und viel zu
ausführlich behandelten Sage eröffnet, der Sage nämlich über die Urheimath
der Slaven in den Donaugebieten (wahrscheinlich nicht nur an dem unteren,
sondern auch an dem mittleren Lauf der Donau). Das war kaum der richtige
Vorgang. Um von anderen Momenten abzusehen, ergibt sich das schon aus
der äusseren Form der Darstellung: der Verfasser muss in einem fort seine
Erzählung unterbrechen mit derartigen unschönen Zusätzen: »jak däle vylo-
zim« (S. 6), »vice povime v stati druhe« (S. "), »o ostatnich düvodech pozdeji«
(S. 9), »o tom vsak vice däle povime« (S. 12), »jez podrobne sledovati bude«
(S. 12), »podäm ostatne na miste jinem« (S. 13], »o cemz na jinem miste ob-
sirneji vylozim« (ib.), »o sprävach techto vice v kapitole V« (S. 14), »spor ten
nechceme na tomto miste i-esiti« (S. 15), »o nespravnosti a fantasticnosti teto
theorie zminim se jestc na miste dalsim« (ib.), »take theorii o tom ze . . . ne-
venuji zde zvlästniho rozboru« (S. 16), »domnelou slovanskost vsech techto
jmen r^zebereme podobne na miste jinem« (S.21), »theorie o niz v druhe ka-
pitole vice vylozim« (S. 23), »pfehled hlavnich . . . historikü nalezne se v
kapitole nasledujici« (S. 24), »jak pozdeji podrobne vylozim« (S. 27), »vice o
tom pozdeji« (ib.), »o formäch . . . viz däle v kap. IV«. Ich glaube, man wird
ohneweiters zugeben müssen, dass derartige Zusätze dem Werke nicht zur
Zierde gereichen und dass es besser gewesen wäre sie zu vermeiden. Leider
wiederholen sich solche Vorbehalte durch das ganze Werk.
Zum Inhalt des erstenKapitels möchte ich noch eine Bemerkung machen.
Für die Entstehung der Legende von der angeblichen Urheimath aller Slaven
an der Donau muss wohl auch die bedeutende Thatsache in Betracht kommen,
dass die Russen mit der Bekehrung zum Christenthum ihre Kirchen- und
Literatursprache nebst der Schrift von den Südslaven (Bulgaren, deren Reich
damals bis nach Pannonien hinein ragte) erhielten. Diese waren also damals
in den Augen der Russen die älteren Brüder (heute umgekehrt!), es lag also
sehr nahe, bei ihnen auch die Urheimath aller Slaven zu suchen. Die Sage in
der Form, wie sie der altrussischen Chronik zu Grunde liegt, wird kaum vom
Süden gekommen sein, sondern eher in dem Ceutrum der altrussischeu In-
telligenz, in dem Höhlen- und anderen Klöstern Kijevs, aufgetaucht sein.
Dagegen kommt die Argumentation des Papstes Johannes X. oder gar die
Hieronymus-Fabel (vergl. S. 10) kaum in Betracht. Was die sehr verbreitete
Bekanntschaft der Slaven mit der Donau anbelangt, so ist sie zwar eine merk-
würdige Thatsache, doch spricht ihr Prof. Niederle mit Recht die Kraft eines
Beweises für die Donau-Hypothese f.b. Dieser Fluss bildete das erste grosse
Hinderniss bei jener Bewegung der Slaven nach dem Südwesten, die schon
früher begonnen, aber hauptsächlich im VI. Jahrh. kräftige Vorstösse aus-
übte. Möglicher Weise war auch die Herrschaft der Hunnen in der Donau-
Niederle, Slavische Alterthümer, angez. von Jagic. 1 43
ebene mit im Spiele. Durch alles das mag sich die Erinnerung an diesen
Fluss selir früh dem Gedächtniss der meisten Slaven eingeprägt haben.
Allein an der Ableitung des Namens aus dem Gothischen sollte der Verfasser
nicht rütteln. Der Hinweis auf viele Benennungen der Flüsse mit den Silben
don-dun-diin in den ersten Bestandtheilen der Namen, reicht noch nicht hin,
uin die Ableitung MüUenhoflf' s umzustossen.
In der Grenzbestimmung der angenommenen Urheimath der Slaven geht
der Verfasser sehr vorsichtig zu Werke, was ich nur billigen kann. Wenn ich
mir jedoch seine zu S. 30 gegebene Karte anschaue, so beschleicht mich das
Bedenken, ob nicht die Grenzen doch zu enge gezogen seien. Ja wenn das
vom Verfasser eingefasste Gebiet ein Culturland gewesen wäre oder wenn
die Bewohner desselben eine intensive Ausnutzung des Bodens verstanden
hätten, dann konnte man sich mit dem gezeichneten Kayon noch zufrieden
geben. Allein beides war in jenen alten Zeiten gewiss nicht der Fall. Das
allerdings nicht kleine Gebiet war zum Theil ein ungeheures Wald- und
Sumpfland und nur in weit voneinander getrennten Gruppen konnte die da-
malige Bevölkerung dieser Gebiete Lebensunterhalt finden. Nun hebt an
einer anderen Stelle seines Buches iS. 123) der Verfasser selbst hervor, dass
schon die ältesten geschichtlichen Nachrichten von den Slaven als einem sehr
grossen Volke sprechen. Sollte man angesichts dieser Thatsache nicht den
Muth haben, die Slaven auch auf der zu S. 30 gezeichneten Karte etwas
weiter gegen Westen und bis in die Karpathen hinein zu verschieben? Ich
wiederhole meine anlässlich der Besprechung des Pogodin'schen Buches aus-
gesprochene üeberzeugung, dass schon in sehr alten Zeiten die Slaven theil-
weise auch dort lebten, wo die alten Geographen andere Namen kriegerischer
Volksstämme verzeichnen. Von der Herrschaft der Gothen, Hunnen und
Avaren über einzelne Theile der Slaven weiss man, aber ähnliche Fälle kön-
nen sich in anderen Zeiten auch anderswo wiederholt haben.
Schwierig ist die Grenzbestimmung der ältesten Sitze der Slaven im
Norden und Osten. Wenn der Verfasser faufS. 31] in den Niederungen des
Pripet-Flusses eine natürliche Grenze der Slaven gegenüber den Litauern
finden zu dürfen glaubt, so möchte ich zwar nichts dagegen für eine bestimmte
Zeit einwenden, nur darf man nicht ausser Acht lassen, dass die relativ grosse
sprachliche Verwandtschaft zwischen den Balten und Slaven, an der ich fest-
halte, keine Veranlassung geben kann, nacli verstärkten Naturbedingungen
der Trennung und Absonderung sich umzusehen. Bezüglich der Ostgrenze
waren auch aus der ältesten Geographie Russlands, mag sich auch diese erst
auf die Zeiten um das IX.— X. Jahrh. n.Chr. beziehen, nicht zu verschmähende
Winke zu bekommen. Auf die Frage über die Schädelbildung und die Ge-
sichtsfarbe der alten Slaven gehe ich nicht näher ein, nur glaube ich, dass
auch der Verfasser die auf S. 23 untergebrachte anthropologische Anmerkung
besser irgendwo auf S. 80— IIU hätte verwerthen können.
Im zweiten Kapitel tritt die Erzählung der Frage über die Abkunft der
Slaven näher. Da wird zuerst mit erstaunlichem Fleiss der ganze Staub alter
Jahrhunderte über die genealogische Ableitung der Slaven von einem der
Söhne Noah's aufgewirbelt — selbstverständlich könnte das Verzeichniss
144 Kritischer Anzeiger.
noch erweitert werden, z. B. von den Südslaven könnte man Sisj^oriö u. s. w.
citiren — , den Ausgangspunkt bildet die älteste russisclie Chronik, deren
Vülkertafel nicht präcis genug mit der slavischen Uebersetzung des
Georgius Haraartolus in Zusammenhang gebraclit wird, woraus sich aufs un-
zweideutigste ergibt, ob die Identificirung der Illyrier oder Noriker mit
den Slaven schon in der slavischen Vorlage Nestor's zu lesen war. Ich ver-
misse auch die Frage über das Verhältniss der Erzählung der Paläa zu der
altruss. Chronik. Von der gewissenhaften Wiedererzählung verfehlter Com-
binationen des XVII. — XVIII. Jahrh. über die Verwandtschaftsverhältnisse der
Slaven zu den anderen Völkern hat die slavische Alterthumskunde keinen
Gewinn zu erwarten. Aber wenn schon alles das aufgenommen werden sollte,
so würde auch die Erwähnung der Kaiserin Katharina II. und ihres verglei-
chenden Wörterbuchs am Platze gewesen sein. Neben Bopp und Grimm ver-
misse ich den Begründer der wissenschaftlichen Etymologie, die sich nicht
nach der Sirene des Gleichklanges richtet, Fr. A. Pott, der anfangs die ganze
baltische Spraehgruppe zum Slavischen rechnete, so wie es die Antiquarier
des XVII. — XVIII. Jahrh. thaten, die bekanntlich den ganzen Wust der
litauischer! Mythologie den Slaven imputirten, woraus selbst Götzen in Metall
ihr Leben schöpften, die man noch zu Ende des XIX. Jahrh. als echt in
Schutz nehmen wollte.
Das dritte, den Anfängen der slavischen Absonderung nach Dialekten
gewidmete Kapitel ist gerade so wie der grössere Theil des zweiten auf lauter
Combinationen, hauptsächlich der vergleichenden Sprachwissenschaft ent-
nommen, aufgebaut. Die Gewissenhaftigkeit, mit welcher der Verfasser jede
beinahe Aeusserung der Fachmänner und Nichtfachmänner verzeichnet, macht
auf mich einen geradezu rührenden Eindruck, aber dem in den eigentlichen
Werth aller dieser Combinationen besser Eingeweihten thut es wirklich leid,
dass sich der Verfasser soviel damit abgemüht hat. Es ist ja das Meiste, was
hier vorgebracht wird, durchaus nicht ausgemacht, selbst in dem geringen
Masse nicht, wie es nach der hier gegebenen Darstellung aussieht. Ich würde
z. B. selbst den scheinbar so elementar lautenden Satz auf S. 112 : »z püvod-
niho jednoho pranäroda povstala iada historickych kmenü slovanskych :
1 kmen rusky, 2 bulharsky, 3 srbochorvatsky, 4 slovinsky, 5 ceskoslovenskv .
6 luzickosrbsky, 7 polsky, 8 polabsky« als These nicht vertheidigen können.
Die Classificationsversuche, die bei Dobrovsky zum Dualismus, bei anderen
zum Trialismus, bei dritten zum Pluralismus führten, haben kaum dieselbe
Bedeutung in der slav. Philologie, wie das Linne'sche System in der Botanik,
Von den vielen Namen, die der Verfasser als Anhänger bald der einen bald der
anderen Classification anführt (auf S. 117 — 120;, sind nur wenige durch eigenes
Nachdenken dazu gekommen, der einen oder anderen Richtung zu folgen.
Man ist ja bekanntlich noch jetzt nicht einig darüber, wo eine Mundart oder
Dialekt aufhört und wo eine Sprache beginnt. Das Ganze ist eben viel zu
viel complicirt, als dass man ihm mit einigen phonetischen Merkmalen, in
der Art Maksimovic's oder Danicic's beikomraen könnte.
Was über die Einwirkung des Bodens (Territoriums) auf die Entwicke-
lung des Volkes gesagt wird, kann beim Mangel an Specialuntersuchungen
Bogiishiwski, Methode d. Erforschung der slav. Alterth., angez. v. Niederle. 1 45
auf diesem Gebiete der Anthropogeographie nur in den allgemeinsten Aus-
drücken sich bewegen. Es wäre auch gefährlich, sich voreilig in tiefere Be-
trachtungen einzulassen, so verlockend auch das sein möchte. Zur grossen
Auswanderung, die der Verfasser mit Ri cht früher für den Nordwesten als
den Süden ansetzt, müssen verschiedene starke Beweggründe vorausgesetzt
werden, die sich unserer Kenntniss entzieiicn: man kann nur Vermuthungen
anstellen. Als einen Factor setzt der Verfasser dieUebervölkerung an (8.125).
Diese kann natürlich nur in sehr relativem Sinne zugegeben werden. Auch
Jetzt fangt beim Russen die Uebervölkerung dort an, wo er bei grösserer
Intensivität und Rationalität der Bodenausnützung sehr gut auf der alten
Scholle noch fortkommen könnte. Für die Richtung der Wanderung wird
ganz gewiss der Widerstand der Nachharn keine unbedeutende Rolle ge-
spielt haben. Doch sind damit die Gründe der Völkerwanderung selbstver-
ständlich nicht erschöpft. Vielleicht werden wir mehr darüber in einem spä-
teren Heft erfahren. Ich möchte nur zu der Karte, welche das Schema der
ursprünglichen Spaltung und Ausbreitung der Slaven gibt, die Bemerkung
machen, dass wenn die Slaven wirklich ursprünglich so ansässig waren, wie
die ovale Figur es darstellt, die centrifiigal auseinandergehenden Richtungen
nicht die einzigen waren, sonst mnsste ja nach dem Abgang der Nordwest-
und Südslaven eine Lücke, ein leerer Raum entstehen. Die Sache muss sich
also in der Wirklichkeit doch ganz anders verhalten haben.
Im Kai)itel IV wird die schon oben genannte, in den Scliriften der böh-
mischen Akademie erschienene Monographie geographischen Inhaltes kurz
resumirt. Ich hätte diesem Kapitel schon früher eine Stelle angewiesen, in
irgend einem Zusammenhange mit dem ersten. Im letzten Kapitel werden
etwas kurz die ältesten Nachrichten über Venedae behandelt. Man wird
nämlich auch hier mit der ausführlichen Behandlung, die erst bevorstehe
;S. 189 — 191), vertröstet. Dafür erlaubt sich Prof. Niederle ausnahmsweise
hier einmal den Luxus, den Namen etymologisch zu erklären — aus dem Kel-
tischen, nach dem Vorgange Pogodin's. Mir gefällt am besten die dem Verf.
schriftlich mitgetheilte Ansicht Thomsen's, d. h. non liquet. V. J.
Boguslawski Ed. Methode und Hilfsmittel der Erforschung der
vorhist. Zeit in der Vergangenheit der Slaven. Aus dem Polnischen
übersetzt von W. Osterloff. (Berlin, H. Costenoble) 1902. 144 Ö..
Unter den Historikern, die sich mit der alten slavischen Geschichte vom
sogenannten »slavischen« Standpunkte aus« befassen, tritt in den letzten
Jahren besonders der polnische Gelehrte Ed. Boguslawski stark hervor.
Ausgerüstet mit grosser Belesenheit, veröffentlichte er schon eine stattliche
alte Geschichte der Slaven (Historya Slowian I— II. Krakow 188S — 99;,
schrieb einige Monographien mit originellen Resultaten und würde sich ge-
wiss den Dank vieler Fachgenossen, u. zw. auch jener, die nicht schon von
vornherein den Standpunkt des Herrn Verfassers theilen, verdient haben
Archiv für slavische Philologie. XXV. 10
146 Kritischer Anzeiger.
wenn er ein Buch in deutscher Sprache herausgegeben hätte, um darin den-
jenigen, die seine älteren Originalarbeiten nicht lesen wollten, den Einblick
in seine rege geistige Werkstätte zu gewähren. Allein seine diesbezügliche
Schrift «Methode und Hilfsmittel der Erforschung der vorhist. Zeit in der
Vergangenheit der Slaven«, die als namhaft erweiterte Uebersetzung des
polnischen Originals (Metoda i srodki poznania czasow przedhistorycznych
w przeszlosci Slowian. Krakow i Warszawa 1901) unlängst erschien, ist nicht
derartig, dass man dieselbe günstig aufnehmen könnte.
Das Buch präsentirt sich oifen als scharfe polemische Schrift gegen alle
Gelehrten, die nicht schon in vorhinein den Standpunkt des Hrn. Verfassers
acceptiren, besonders gegen jene, welche seine älteren Schriften nicht günstig
besprochen haben — so unter anderen namentlich gegen Brückner, Miklo-
sich, Virchow und auch gegen den unterfertigten Eeferenten.
Diese Tendenz selbst würde mich zwar bei Beurtheilung des Buches
nicht beeinflussen, wenn sich aber der Verfasser gleich am Anfange zur sui
marischen Verurtheilung der von ihm als Berliner-österreichische Schule 1^
zeichneten Forscher entschliesst (S. 2), die in den Worten: »diese Schule i
mehr deutsch als slavisch, mit scharf ausgeprägter, den Slaven feindlichem
deutsch-nationalen, politischen Tendenz« gipfelt, so muss ich eine solciv
Verurtheilung, und kurz gesagt eine solche Unwahrheit, vorweg auf das ent-
schiedenste zurückweisen und tadeln ; dieselbe zu entkräften, ist nicht der
Mühe werth. Wenn H. Boguslawski sein Buch, dessen innerer Werth, wie
ich gleich zeigen werde, nicht gross ist, noch mit einem solchen äusserlichen
Vademecum versieht, dann hat er sich selbst weder in den Augen seiner
Landsleute, noch in den Augen jener, für die er das Buch in deutsch i
Sprache erscheinen Hess, damit einen Dienst geleistet.
Ueberhaupt ist seine Unterscheidung zwischen einer autochthonistiscli
und einer Berliner-österreichischen Schule ganz unrichtig und überflüssig
Für mich existiren nur jene, die gewissenhaft und wissenschaftlich arbeiten
und jene, die dies nicht thun. Der Inhalt der Thesen ist dabei Nebensache.
Wie weit sind z. B. selbst in wichtigen Sachen Jagic und Brückner von
MüUenhoff entfernt, oder welch bedeutende Unterschiede ergeben sich u.zw.
gerade in den Grundideen bei der archäologischen Beurtheilung der Urge
schichte der Slaven zwischen Virchow und dem Referenten? Und doch soll
wir alle eine »Berliner-österreichische Schule« bilden!
Was allein uns verbindet, ist die Negirung des Autochthonismus u
Slaven in Germanien, in den Donaugebieten und am Balkan, woran die zwei
»Schule« zähe festhält; dieses negative Moment bildet aber doch keiueij^
Grundlage für irgendeine »Berliner-österreichische Schule«, welche noch dazi
vom nationalen Standpunkte so stigmatisirt würde, wie dieses seitens di
H. Boguslawski geschah. Dies ist nur ein leeres Wort.
Und wie steht es eigentlich mit H. Boguslawski selbst ? Seine Beleseii
heit lind sein guter Wille, zu arbeiten, sind allbekannt, ich brauche dies nich
von neuem zu bezeugen. Aber wie steht es mit der Methode seiner Arbeit
Man konnte erwarten, dass er doch wenigstens jetzt in seinem nicht zu um
D>guslawski, Methode d. Erforschung der slav. Alterth., angez. v.Niederle. 147
i;ingreicheu Buche, worin er der ganzen Welt und hauptsächlich den Deut-
(hen die Grundlagen seiner Methode vorführen will, das Vorzüglichste aus-
iilen und seine Theorien mit den besten Gründen stützen wird — aber wer
~ erwartet hat, wird gewiss enttäuscht sein. Das Buch bringt nichts an-
■s, als eine Zusarameufassung der alten Thesen, welche einerseits mit den
ilren, unzutreffenden Argumenten des Autors begründet, andererseits mit oft
umichtigen Polemiken gegen die Ansichten Anderer ausgestattet er-
scheinen.
Wer heute auf dem Gebiete alter slavischer Geschichte arbeiten will,
!■ 1- muss sich nach der Ansicht des Autors nicht auf eine einzige Disciplin,
-niidern auf die Ergebnisse von fünf Lehren, d. 1. der Geschichte, Philologie,
Ethnographie, Sociologie und Archäologie stützen. Dagegen wird gewiss
iiienumd etwas einwenden, das ist eine evidente, allgemein bekannte Wahr-
heit. Das bildet auch nicht das Wesen der richtigen Methode in der slavi-
-clien Alterthumskunde, sondern die richtige Applikation dieser
Lehren, und wer dabei ernst, wissenschaftlich, massvoll vorgeht, der kann
unmöglich zu den Resultaten des H. Boguslawski gelangen. Wer allerdings
wie der Autor vorgeht, der kann und muss die verschiedenartigsten Ergeb-
ni;^se erzielen.
Wenden wir uns z. B. zur Ethnographie. Da führt uns H. Verfasser für
ilen slavischen Ursprung der adriatischen Veneter aus dem reichen Vorrathe
.-einer Gründe folgende Beispiele zum Beweise der Richtigkeit seiner Me-
'ole in's Treffen : 1) Auf der Insel Veglia werden heute schwarze Kleider
Igen, auch die Resianer kleiden sich so — im Alterthume trugen jedoch
'iie Bewohner an der Mündung des Po n. s. w. nach dem Zeugnisse eines
Sk3'mnos und Polybios gleichfalls schwarze Tracht. »Ist das nicht ein Be-
weis« — so fragt der Autor auf S. 41 — , »dass die heutigen Istrianer die Ab-
kommen der alten Istri oder Istriani und die Resianer Abkommen der Veneter
am adriatischen Meere sind?« Weiter: 2) Die polnischen, russischen und
lausitzer Mädchen tragen alle einen ähnlichen Kopfputz über der Stirn (colko,
cilka, kokosnik) — dazu sagt der Verfasser: »auch dieser Umstand gewinnt
an Bedeutung, wenn der Geschichtsforscher erfährt, dass ein ähnlicher Kopf-
putz, kidaris genannt, in Griechenland bekannt war«. Und 3) Nach Prof.
Havelka sollen die Ornamente der modernen mährischen Stickereien gewisse
Analogien mit den Ornamenten hallstättischer Bronzen aufweisen — und
darum soll Havelka mit Recht behaupten, »dass man die Bronzen und Gefässe
von Ilallstatt den Slaven zusprechen müsse«.
Das sind aber alles Voraussetzungen, welche nichts beweisen, oder
überhaupt falsch sind, wie eben die letztangeführte. Und gerade diese letztere
bildet wieder eine der Grundlagen für die archäologische These des
'Autors, welche den Autochthonismus der Slaven in den Donaugebicten, in
den Alpen und am Balkan bestätigen soll: die sog. Hallstattkultur sei
-lavisch, ihr ganzes Ausbreitungsgebiet bezeichne die Wohnstätten der
Slaven, welche an einigen Orten von anderen Volksstämmen, z.B. den Kelten
i unterworfen wurden. Darum und weil er die Veneter und Illyrer für Slaven
■hält, soll die Kultur slavisch sein 'S. 641! Unmöglich! Das sowie die anderen
' ' 10^
•J48 Kritisclier Anzeiger.
Aiisfiilinmgen des Verfassers im archäologischen Theile zeigen insgesammt
dass die Archäologie absolut nicht seine Domaine ist i).
Als sociologischer Beweis für den Autochthonismus der Ühv
dient dem H. Boguslawski (S. 43) die Institution der »Zadruga«; denn •
Autor will nicht zugeben, dass die Slaven diese sociale Institution aus ei;
transkarpatischen Heimat hätten mitbringen können. Die Zadruga «entstain
und entwickelte sich bei sehr friedlichen und ruhigen Verhältnissen und .m
macht besonders bei der cakavischen^) Bevölkerung den Eindruck einer
uralten Einrichtung, dass man annehmen muss, dass sie von nirgends her;.
bracht worden ist, dass sie einheimisch sei« (S.45). Warum jedoch dieZadni.
nicht einen gleichen uralten Charakter aufweisen könnte, wenn dieselbe ^
den Slaven aus ihren alten Wohnsitzen auf den Balkan mitgebracht woi
wäre, das wird kaum jemand begreifen, ebenso wie die weiteren hieran
knüpften Darlegungen (S. 46).
Und welch wunderliche, unguis tisch -historische Theorien em
Avickelt der Autor! Ich will nur einige erwähnen: Ganz Deutschland bis zm
Khein war ursprünglich slavisch, dasselbe beherrschten jedoch zuerst di
Gallier (speciell die Bojer in Böhmen und die Lugi in Polen), dann kamen di ;
germanischen Sueven, unterwarfen Alles und von ihnen bekamen die Slave '
ihren neuen Namen, gleichwie vorher die Lausitzer Serben von den gallische
Lugi (S. 49). Die Lutici Nestor's sind Lausitzer Serben (S. 51). Ein anschai
liches Beispiel seiner Methode bietet der Verfasser auf S. 53, indem er sagi
»Wenn die Namen wie Bersovia und Tsierna (üerna) in Dakien . . . slavisc i
1) Dabei polemisirt der Autor mit mir hinsichtlich einer Reihe archäol
gischer Thesen, welche er aus meinem Buche »Lidstvo v dobe predlnst
ricke« geschöpft hat, und über die ich heute zum grossen Th*
auch anders urtheile als vor 10 Jahren, als ich das böhnn^
Original schrieb, oder vor 7 Jahren, wo ich theilweise die russische Uo
Setzung vorbereitete. Dass aber die Archäologie in 10 resp. 7 Jahren giu.-
Fortschritte gemacht hat und die archäologischen Thesen infolgedessen 8i'
immerwährend ändern, dies ist ganz natürlich. Uebrigens kommt zu erwär
dass mein Buch aus dem Jahre 1893 überhaupt den ersten Versuch darst
die Archäologie Europas im Grossen mit der alten Geschichte zu verbimu
und wenn ich damals den archäologischen Theil zumeist selbständig bearben
habe, so war ich noch nicht soweit, um auch in der Geschichte die Resultn
meiner selbständigen Forschungen wiederzugeben. Damals brachte ich
meinem Buche die Uebersicht der alten slavischen Geschichte nach SnUv.
Drinov, Krek u. A. mit einer Reihe veralteter Thesen (z. B. über den N:n>
der Serben und Slaven, über die Bipartition der Urslaven, über die Ank
der Slaven zur Zeit des Heraklios auf dem Balkan, über die Bojer und
komannen in Böhmen, über den slavischen Ursprung Justinians, über
Wiege der Slaven, über Skythien und Sarmatien u.s.w.!, welche ich scli.
den nächsten Jahren anders erklärte imd worüber ich auch in meinen spä'
Arbeiten anders geschrieben habe. ^
2) Um zu verstehen, wieso die »Cakavci« dazu kommen, als bevorz
Repräsentanten der »Zadruga« zu gelten, darf man nicht ausser Acht la.:
dass der Verfasser gerade die Cakavci für die Autochthonen Iliyriens halt
iigiislawski, Methode d. Erforschung der shiv. Alterth., angez. v. Niederle. 149
iid, wie kann man da behaupten, dass die dakische BevöUcerung (Daken
1(1 Geten,\ welche diesen Ansiedelungen und Gewässern Namen gab, nicht
,i isch sei?« Wer hat uns aber gesagt, dass eben die Daken und Geten diese
iiiien gebildet haben? Ausdeiu Vorliandeusein von zwei oder drei siavischen
. u im Banate kann man zwar schliessen, dass dort Slaven sesshaft waren,
aber dass die Daken und Getcn Slaven waren. Das ganze Buch ist voll
rartiger Beispiele falscher Logik.
Und welche unrichtigen Begriffe hat H.Boguslawski von den Meinungen
1 verschiedenen Fachgenossen ! Wie kann derselbe z. B. im Hinblick auf
siavischen Forscher, welche er in die Berliner-österreicliisclie Schule ein-
. it hat, behaupten, dass diese Schule den ptolemäischen Begriff Germa-
für ausschliesslich deutsch ausgibt» (S. 51), dass dieselbe beluiuptet,
■^laven wären erst im VI. Jahrhundert oder etwas früher nach Germanien,
ikieu und Pannonien gekommen (S. 54), dass nach vielen Gelehrten (unter
uspielung auf diese Schule) das Volk der Slaven vor dem Auftreten des
auicns Slave in Europa nicht existirte (S. 2)? — Wie kann H. Boguslawski
jii Jagic sagen, dass derselbe zu denjenigen gehöre, welche Diimuiler's
iionrie von der Ankunft der Serben und Chorvaten im VIT. Jahrh. auf dem
ilkan übernahmen (S. 8ü), oder von Brückner, dass er »Quellen (zur alten
ivischeu Geschichte) aus erster Hand niemals gesehen hat (S. 122)«; oder
ic kann er von mir behaupten, dass ich auf S. 187 meines Buches die
■ ■ -ch-germanische Spracheneinheit venheidige, und wie kann er ferner
Meinung vom ursprünglichen Typus der Slaven und Arier (S. 13) ganz
i> h auslegen, obwohl ihm als eifrigen Leser des »Vestnik Slovanslcych
lunzitnosti« mein Aufsatz »Ueber den Ursprung der Slaven», welcher im
. Bande erschien, nicht entgelien konnte ?
Aber alle diese Irrthümer und Fehler habe ich nicht deshalb hervorge-
1, um etwa das Buch des H. Boguslawski gänzlich zu verurtheilen.
!''^i'sBuch enthält ja neben vielen Fehlern auch eine Reihe guter oder doch
\v.ii,'enswerther Beobachtungen. Und ich gehöre auch nicht zu denjenigen,
ie lue Bücher der sog. Autochchonisten gleich von vornherein verwerfen.
Mir handelte es sich darum, zu beweisen, wie sich Herr Boguslawski
ir. wenn er meint, berechtigt zu sein, pauschalmässig diejenigen verurtheilen
1 dürfen, welche mit ihm nicht übereinstimmen i), und speciell wenn er
laubt, dass er dazu berufen sei, den siavischen Alterthumsforschern zu
■iueu, welche Methode bei der Forschung über slavische Alter-
liUmer befolgt werden soll; denn eine wahre Methode der P^'orschung
it es gewiss nicht, was uns H. Boguslawski in seinem Buche über diese Me-
aode geboten hat.
1] Er sagt z. B. auf S. 2, dass die Berliner-österr. Schule »gering ge-
2hätzt« wird, oder auf S. 40 sogar, dass die Arbeiten eines Ilanusch und
'amincyns »höher stehen als alles, was über die slav. und litau. Mythologie
liklosich oder Jagic und Brückner geschrieben haben« u. ähnl.
L. Niederle.
150 Kritischer Anzeiger.
IleciiHyKH 3ÖopnHK. YrjieAHH npoH3BOAH cpncKor, xpBaxcKor h cxpaHor
necHiiuiTca 3a uikojickv h ^OMaliy noxpeöy cacTaBiio JoBaii MaKCHMo-
Bidi. y MocTapy 1902.
Ein voluminöses, von der Mostarer Olficin Fächer & Kisic prachtvoll
ausgestattetes Sammelwerk der Dichtkunst, angelegt von einem Gymuasial-
professor zunächst wohl als Behelf für den Unterricht der Literatur im Gym-
nasium. Das Werk will jedoch nicht lediglich poetische Chrestomathie für
die Mittelschule sein — es wäre dazu auch zu umfangreich und zu — theuer,
— sondern es soll überdies eine Hauslectüre für die Liebhaber der Poesie,
dazu ein Handbuch für den Dichter- Anfänger und dann überhaupt eine Ver-
anschaulichung des Wesens und der Form der Poesie für die serbische Lite-
ratur abgeben. Sowohl durch die Entstehung des Werkes als auch durch
diesen Zweck ist der Standpunkt, den der Verfasser seinem Werke gegen-
über einnahm, zur Genüge charakterisirt. Praktische Rücksichten Hessen
das Werk entstehen und praktischen Zwecken ist es vorzugsweise gewidmet.
Aber seine Bedeutung geht höher: Es ist dies das erste rationelle, auf selbst-
ständigem Urtheil beruhende Resume der poetischen Thätigkeit eines Volkes,
das bereits auf ein Jahrhundert bewussten nationalen Lebens zurückblickt.
Dieser Umstand selbst müsste den lohnenden Gedanken nahe legen: eine
Revue der serbokroatischen Dichtung zu veranstalten, die eine Werthung
der poetischen Thätigkeit dieses Volkes ermöglichen würde. Im serbokroa-
tischen Theile liegt auch die Bedeutung und derWerth der Sammlung. Darin
hat sich ein ästhetisch selbständig und fein fühlender Mann der Mühe unter-
zogen, den Schwall des Schriftthums dieses Volkes in eigener Person zu
durchwaten, um daraus alles Wer th volle, die Perlen mit eigener Hand zu
sammeln, oft auch aus der Tiefe der Vergangenheit hervorzuholen und an-
einanderzureihen. Dabei hat sich der Anleger — was er im Vorworte zu be-
tonen für nöthig befunden hat — durch keine vorgefasste Meinung betreffs
der nationalen Angehörigkeit der Dichter leiten lassen. Es wäre dies sonst
selbstverständlich, aber nach dem, wie die Verhältnisse heutzutage unten im
Süden leider sind, soll dies auch an dieser Stelle als ein Vorzug hervorgi
hoben werden. Wir hatten bisher zwei kroatische Anthologien, aber keine
serbokroatische. Mit dem vorliegenden Werke haben wir eine solche be-
kommen.
Freilich eine allgemeine Anthologie, worauf die Sammlung, wie *■
scheint, auch den Anspruch erheben möchte, ist es nicht. Um eine solche zu
schaffen, müsste der Redakteur von einem anderen Standpunkte ausgegangen
sein. Er müsste sich einen gewissen objektiven Massstab zur Grundlage;
nehmen; das Maksimovic'sche Werk ist aber gänzlich subjektiv angelegt.
Alles verräth die Subjektivität: sowohl die Wahl der aufgenommenen Proben
als auch ihre Anzahl. Während man sich mit der ersteren, sofern mau dem
ästhetischen Geschmack des Verfassers vertraut, zufrieden erklären wird-
sollte die letztere nicht lediglich auf dem Redakteur beruhen, das heisst nichr
von seiner Kenntniss und Unkenntniss abhängen. Maksimovic hat von den
ausländischen Poesieprobeu in seine Sammlung 150 russische, 10-3 deutsche,
Maksimovic, Poetischer llausschatz in serb. Sprache, angez. v. Prijatelj. 151
6 magyarische, 3 französische, 3 italieuische, 2 polnische, 1 kleinrussische
und keine böhmische, keine spanische etc. aufgenommen. Von den russi-
schen und deutschen hat er 168 Pieceu selbst übersetzt. In einer Anthologie.
in welcher die ausliimlische Dichtung mit soviel Proben vertreten ist, wie bei
Maksimovic. sollten sich die grössten Geister der Welt Rendez-vous geben.
Wenn wir nun in unserer Sammlung einen Calderou, Hugo, Musset, Tasso,
Dante, Petrarca, Leopardi, Mickiewicz, Krasiuski, Celakovsky, Vrchlicky,
Preseren . . . gänzlich vermissen, dabei aber vom Redakteur selber übersetzte
Dichter von solchem Klang wie Fröhlich, Pfeflfel, Kurockin, Barykova, Po-
doljinskij darin lesen, werden uns damit mehr der Redakteur und seine Noth
als die grossen Meister der Dichtkunst nahe gerückt. Es verräth dies eine
vollkommene Zufälligkeit der Wahl, die sich am unangenehmsten in der
Aufnahme der vielen Mijalkovic'schen Ueborsetzungen gänzlich unbedeuten-
der deutscher Dichter bemerkbar macht. Umsonst sucht der Redakteur dieses
sein Verfahren in der Vorrede mit der Güte der Erzeugnisse selbst zu ent-
schuldigen. Eine Anthologie, zumal Schulanthologie, sollte ihre Leser nicht
nur mit guten Dichtungsgattungen, sondern auch mit guten poetischen
Firmen bekannt machen. Was wird der Schüler in seinem späteren Leben
davon haben, wenn er sich aus der Anthologie z. B. eine Ida Dühringsfeld
gemerkt hat?
Infolge dieser Subjektivität und Zufälligkeit im Standpunkte des Re-
dakteurs bekommen die Leser dieses SöopuiiK von der ausländischen Poesie
nur von der deutschen und russischen ein ziemlich anschauliches Bild, ob-
wohl gerade hier Weniger vielleicht Mehr gewesen wäre. Der Verfasser ist
nämlich dieser Sprachen selber mächtig und hat sich in der Uebersetzung
aus ihnen keine Beschränkung auferlegt. Er hat aber seine Uebersetzungen
in ungebundener Rede wiedergegeben, was er in der Vorrede mit folgenden
Worten zu entschuldigen sucht: »Bei solcher Uebersetzungsweise, die ich
auch bei fremden Werken dieser Art gefunden, bleibt doch der nervus rerum
der Poesie : die Metapher wie auch alle wichtigen Elemente der Poesie fast
unberührt«. — Man mag nun über die Bedeutung des Rhythmus und des
Reimes in der Poesie verschiedener Meinung sein, — wie man es unter den
»Modernsten« auch tliatsächlich ist — sie sind doch dasjenige, was die Poesie
(im engeren Sinne) von der Prosa unterscheidet. Auch wird man die Metapher
schwerlich lür den »nervus rerum der Poesie« anerkennen, da ja derselben
auch die poetische Prosa nicht entbehrt. Gedichte in ungebundener Rede
wiedergegeben sind nicht mehr Gedichte, sondern poetische Prosa, und diese
beiden Gattungen sollten wenigstens in einer systematischen Anthologie
nicht zusammengeworfen werden. Der Redakteur ist durch diese Praxis
auch thatsäclilich mit seiner Theorie in Widerspruch gerathen. In den im
Anhange aufgenommenen Auszügen aus der poetischen Theorie (nach Beyer's
Poetik) wird nämlich über die lyrische Poesie gesagt: »Die lyrische Poesie
könnte man den musikalischen Ausdruck des Gefühles in allen seinen
Stimmungen nennen, den musikalischen Ausdruck subjektiver Gefühle,
denen die Welt der geschlechtlichen Erscheinungen nur zum Spiegel diente.
Womit kann nun dieses Musikalische zum Ausdruck gebracht werden, wenn
152 Kritischer Anzeiger.
der Rhythmus und Reim ausser Acht gelassen werden? Ein lyrisches Ge-
dicht in Prosa nacherzählen zu versuchen ist gerade so müssig, wie dasselbe
logisch erklären zu wollen. Form ist darin mit Inhalt innig verwachsen :
man darf nicht die Form für das Gewand halten, das man nach Belieben aus-
ziehen kann, ohne damit das Lied zu zerstören. Die Form entsteht bei einem
wahren Dichter vielmehr zugleich mit dem Inhalt und beide gedeihen, indem
sie sich gegenseitig unterstützen und fördern. Es ist eine bekannte That-
sache der poetischen Produktion, dass oft ein guter Reim einen guten Ge-
danken und dieser wieder eine i^lastische Metapher selbst mitbringt. Umso-
mehr ist es aber zu bedauern, wenn in einem poetischen Muster werke
sogar die Lieder dieses einem Liede so specifisch zukommenden, einzig und
allein musikalisch wirkenden Mittels beraubt werden.
Ivan Frijatelj.
CxapH cpncKH aanncH h HaTnacH. CKyniio hx h cpcÄHO il>yö. CTojaHO-
Biih. EeorpaA 1902, 8*>, XV. 480. Kh..I. hsa- cpncKe Kpaib.aKaAeMHJe.
Das angeführte Buch bildet den Anfang eines grösseren und wichtigen
Unternehmens, das die serbische Akademie in Belgrad auszuführen beab-
sichtigt, nämlich einen »SoopHiiic sa uciopHJy, jesuK u KffaiiaceBHocT cpncKor
HapoAa« herauszugeben. Das vorliegende Werk bildet den ersten Theil der
ersten Abtheilung eines solchen »Zbornik«. Diese Abtheilung soll aus der
Publication der in serbischer Sprache geschriebenen Geschichts-, Sprach-
und Literaturdenkmäler bestehen;, in die zweite Abtheilung werden, nach
den Worten der Vorrede dieses Buches zu urtheilen, die fremdsprachigen
Denkmäler aufgenommen werden. Die erste Abtheilung soll nach den Worten
Stojanovic's noch zwei weitere Bände umfassen, deren letzter die Indices, die
nothwendigen Erklärungen, Ergänzungen und Berichtigungen enthalten
wird. Das Geschichtsmaterial soll sich über die Zeit von der ältesten
Epoche der serbischen Geschichte bis zum J. 1830 erstrecken. So ungefähr
sieht der Plan der begonnenen Ausgabe aus, die ausführlich und wichtig
genug sein wird, wenn sie in gelungener Weise durchgeführt wird.
Der Anfang kann, wie das vorliegende Buch zeigt, als gelungen be-
zeichnet werden, ja die ganze erste Abtheilung, in dielliinde eines erfahrenen
und umsichtigen Gelehrten gelegt, erregt schon jetzt grosses Interesse. Da
der Herausgeber dieses Materials für den dritten Band Berichtigungen und
Zusätze in Aussicht gestellt hat, so mögen uns einige Bemerkungen aus An-
lass des ersten Bandes gestattet sein, die vielleicht der 'ganzen Ausgabe zu
Gute kommen könnten.
In diesen ersten Band fanden mehr als 2000 in verschiedeneu Hand-
schriften gefundene und gesammelte Notizen und ebenso die auf verschie-
denen Gegenständen befindlichen Inschriften Aufnahme, angefangen mit dem
Jahre 1186 und mit dem J. 1700 endigend. Alle diese Eintragungen oder In-
schriften sind entweder genau datirt oder können auf Grund ihres Inhaltes
ziemlich genau bestimmt werden, sie bilden also ein sehr erwünschtes Mate-
btojanovic, Altseib.handschriftl. Zu- und Inschritten, aug. \ . Spciiiuskij. 153
rial für (iie serbische Geschichte. Das ausführliche, genau zusammenji^estellte
Quelleuverzeichniss zeigt, welche grosse Mühe es dem Sammler und Heraus-
geber kostete, dieses umtangreiche Material zusammenzubringen; die Lei-
stung flüsst um so mehr Achtung ein, wenn man bedenkt, dass etwa Vö des
gebotenen Inhalts hier zuerst nach den Originalen herausgegeben, etwa Vs
(genauer etwa 6üU Nummern) von neuem nach den Originalen verglichen
wurde. Bei dem Rest sind die vom Herausgeber nicht verglichenen, in Bezug
auf Genauigkeit oder Vollständigkeit manches zu wünschen übrig lassenden
Nummern besonders hervorgehoben. In geschichtlicher Hinsicht ist also das
hier gebotene Material mit gewünschter Genauigkeit bearbeitet. Etwas
schwächer gestaltet sich die philologische Seite desselben: in der letzten,
vom Verfasser nicht nochmals verificirten Gruppe von Texten kommen auch
solche vor, die inhaltlich vielleicht ganz genau, sprachlich dennoch nicht auf
volle Zuverlässigkeit Anspruch erheben können, besonders wo das Material
aus älteren Werken geschöpft ist, die keine philologische Genauigkeit be-
zweckten, wie z. B. die sonst sehr wichtige, aber in Bezug auf die philologi-
sche Genauigkeit wenig befriedigende Publication des verstorbenen Ivan
Kukuljevic Sakcinski (Zagreb 1891) oder die Ausgaben des PorphyriusUspen-
skij (philologisch unzuverlässig) oder die Publicationen im alten »Srpsko-
dalmatiuski Magazin« u. ä. m. Auch der Paläograph wird aus diesem Buche
Stojanovic's nicht viel holen können, da die paläographischen Eigenthümlich-
keiten der hier gebotenen Texte nur in beschränktem Masse, bedingt durch
typographische Schwierigkeiten, und auch das nur bezüglich der ältesten
Periode (XII — XIV saec.) berücksichtigt werden konnten. Endlich bilden
eine unvortheilhafte Seite dieser wichtigen Publication solche Notizen, die
nicht den eigentlichen Inhalt der Eintragung liefern, sondern nur von diesem
Inhalt berichten (vergl. Nr. 148. 287. 820. 133U. 1384. 1385. 148Ü. 151(3. 15.54.
1688 u. s. w.).
Bei der Masse des herangezogenen Materials, bei der grossen Zerstreut-
heit desselben (in serbischen Bibliotheken und Klöstern, in Bulgarien, Russ-
land, Oesterreich, selbst in Deutschland, von Macedonien, Türkei, Athos gar
nicht zu reden) und bei der Unbestimmtheit der Hinweise in den Publicatio-
nen meistens nicht streng gelehrten Inhalts (und dazu gehört der grössere
Theil der serbischen Zeitschriften allgemeineren Inhalts) kann es kein Wunder
nehmen, wenn sich nachträglich Lücken herausstellen werden, worauf schon
der Herausgeber selbst vorbereitet, der einen Theil des in Aussicht genom-
menen dritten Bandes den Ergänzungen und Berichtigungen vorbehalten hat
(vergl. seine Vorrede, S. VIIIj.
Was die Grundsätze, die bei der Herausgabe befolgt wurden, anbelangt,
80 ersieht man schon jetzt aus diesem ersten Bande, dass der Verfasser 1) in
der Entlehnung des Materials das chronologische Princip befolgt, und 2; in
j der Auswahl auf den Inhalt der Notiz oder Inschrift Rücksicht genommen
I hat, insofern nämlich dieser mit der serbischen Geschichte in Zusammenhang
1 steht. Darum finden wir z. B. unter Nr. 8 (vom J. 12 IS) eine bulgarische In-
i Schrift aus dem Kloster Vitovnica), die im Bereich Serbiens aufgefunden
I wurde, unter Nr. IS vom J. 1255; die bekannte Inschrift in der Bojanakirche,
j 54 Kritischer Anzeiger.
ebenfalls bulgarisch, doch mit der Erwähnunfj des hell. Stephau, Königs von
Serbien, ebeuso unter Nr. 43 — 44 (vom J. 1313 bulgar. Redaction aber mit
dem Namen des Königs Uros-Milutin), unter Nr. 102 ivom J. 1353; bulgarisi-
rend, doch mit dem Namen des Königs Stephan, unter Nr. 951 — 952 (vom
J. 1606?) wegen der Nennung eines Sava »BcauKaro asxoBBHiiKa«, unter Nr. 586
(vom J. 1556) eine russische Notiz in der Handschrift der russ. Kedaction der
commentirten Prophetenübersetzuug, erwähnt nur darum, weil die Hand-
schrift von Michail Jakovlevic Morozov an das Kloster des heil. Sava und
Symeon (in Chilandarj geschenkt und dorthin geschickt worden war durch
zwei Priester, Silvester und Prochor (die vielleicht Serben waren) ; oder Nr.
7)4 — 715, eine moldauische Handschrift (vor 1574 und 1588], enthält die
Chronik »w cpi.6cKux KpajieBL« (von serbischen Königen) , gekauft von dem
»urikar« (Schreiber) Gligorije Jurasko (der vielleicht ein Serbe war) u. s. w. Der
Gedanke einer solchen Auswahl erweckt an und für sich keinen Widerspruch,
doch möchte ich den Herausgeber fragen, ob für das XIII. — XIV. Jahrh. der
südslavischen Geschichte eine strenge Trennung der serbischen von der
bulgarischen überhaupt möglich sei? Die Aufnahme der nicht zahlreichen
bulgarischen Aufzeichnungen, selbst ohne Erwähnung specifisch serbischer
Thatsachen, in diese Ausgabe wäre entschieden sehr willkommen, sie würden
den Werth derselben selbst für die serbische Geschichte nur erhöhen; aus-
zuführen war aber das um so leichter, da ja der Herausgeber selbst in dieser
Richtung einiges bereits gethan hat, wie die vorerwähnten Beispiele zeigen ;
3) unter Anwendung bestimmter Zeichen gab der Herausgeber überall den
Zustand seiner Quelle an, ob sie schon vor ihm herausgegeben, ob sie von ihm
nochmals verglichen wurde u. s. w.; 4) in den Anmerkungen zu den Texten
gibt er seine kritischen Bemerkungen bezüglich der Vollständigkeit, Ge-
nauigkeit oder Unzulänglichkeit, manchmal seine Berichtigungen hinzu-
fügend. Leider herrscht hierin einige Incousequenz oder selbst Ungenauig-
keit. Man kann z. B. nicht billigen die Art und Weise, wie die Eintragung
in einer Handschrift des St. Paulklosters in Athos (Nr. 55, vom J. 1329) hier
mitgetheilt worden ist. Bei V. I. Grigorovic (nyieuieciBle 21) und in F^iacHUK
yq. ap. B. XLIV, S. 284 erschien sie mit Russismen; Lj.Stojanovic beseitigte
diese Russismen dort, wo sie nicht auf gegenseitiger Unterstützung beruhen.
Erst eine Vergleichung mit dem Original wird hier die zuverlässige Form des
Textes liefern können. Dasselbe muss man betreffs der Nr. 165 (vom J. 1389j
sagen, die aus zwei ungenauen Aufzeichnungen besteht, wo allerdings die
gegenseitigen Abweichungen hervorgehoben worden sind. Zuweilen fehlen
Andeutungen über die Ungenauigkeit dort, wo man sie erwarten würde, z.B.
unter Nr. 1875 (vom J. 1687) eine Notiz, eingetragen in einem alten Drucke
des Klosters Krusedol, hier zuerst herausgegeben, besagt: .liT(o) ^j iv ca3-
(AaHHM) MHps ^ifS-p-^i-A (7194) a w pojK(AbeTBaj xpiicTOBa ;f-a-x-n-3 (1687;
poKs >ieeeii;a <i>eB(papH) K>e- ^ani.. Hier ist entweder die erste oder die
zweite Datirung nicht ganz genau. Februar 7194 sollte 1686, oder 1687 das
1) Da der Herausgeber die Kürzungen aufzulösen pflegt, so würde man
auch diese Ergänzungen erwartet haben, die wir in Klammern gesetzt haben.
htojanovic, Altserb. handscliriftl.Zu- und Inschriften, ang.v. Speranskij. 155
Jahr 7195 der Weltaera geben. Noch auffälliger ist die Berechnung der Bo-
janer Inschrift (Nr. IS): ^ä (wohl ^s?) -xl'-^-^ (67(17) als 1255 (statt 125s—
125^i . Nr. 276 (vom J. 1440) gibt am Ende das Datum mit latein. Buchstaben
MCCCCIIII= 1404, abermals ohne jede Erklärung seitens des Herausgebers.
Ganz unbegreiflich erscheint, warum die Notiz über das Ereigniss des J. 7106
159S 9,, in die Handschrift des J. ItiOl eingetragen Nr. 894;, ins Jahr 1598
versetzt worden ist. War hier das Jahr des Ereignisses ausschlaggebend?
Endlich, da schon von einigen Inconsequenzen die Rede ist, mag auch das
erwähnt werden, dass der Ilerausifeber mit dem reichen Vorrath von Hand-
schriften der Belgrader Nationalbibliothek genau vertraut ist, die einzelnen
Nummern sorgfältig citirt, woraus irgendwelche Notiz geschöpft wurde, und
doch unterliess er dort, wo eine aus der Belgrader Nationalbibliothek ge-
schöpfte Notiz in irgend einem anderen Werke publicirt und von ihm nur
wiederholt wurde, dieselbe Genauigkeit zu beobachten, d.h. die genaue
Nummer anzugeben, vergl. Nr. 171 — 173, 495, 501 — 503 u. s. w. Wir hätten
auch in allen solchen Fällen die genaue Angabe der Nummer erwartet. Die
aus dem Umstand, dass der Verfasser des Buches häufig genug aus zweiter
Hand schöpfte, erklärbaren Ungenauigkeiten müssen ebenfalls hervorgehoben
werden. Z. B. der bekannte Codex des Grammatikers Vladislav im J. 1469,
dessen ausführliches Postscriptum bei Stqjauovic unter Nr. 334 wiederholt
wurde, befindet sich nicht, wie damals, als Daniele den Codex beschrieb
(Starine I, 45) »in Privathänden«, sondern in der Collection der Handschriften
der südslav. Akademie. Ebenso muss man betreffs des berühmten commen-
tirten Psalters Mladenovic's (Nr. 84 — 85, vom J. 1346) nicht mehr die alte An-
gabe wiederholen, dass er im Kloster Bystrica aufbewahrt werde, da er
gegenwärtig im Bukarester Museum sich befindet ^vergl. Starine IV, 29). Doch
das sind Kleinigkeiten. Die Benutzung der Quellen aus zweiter Hand hatte
aber noch andere Ungenauigkeiten zur Folge : die zweimal bereits herange-
zogene Notiz aus dem Pozarevacer Apostolus vom J. 1514 (einmal in der Ja-
Huua 1862, S. 326, das andere Mal in der Monographie Ruvarac's »Crapu Cian-
KaMcn« S. 27 — 28) gibt noch immer nicht den vollen Text genau wieder
(Nr. 418). Ich machte schon im J. 1891 eine genaue Copie der Eintragung, die
ich auch hier paläographisch reproduciren will :
C.ia eOBpLiunTe.iK) 6s a Bci" Tpoime craa c.ia reoe, ctniica ce ii
T'-.'-^j Tc" OX X
ctBpbmii B jii /r^ KB II B TO Äi 6ii rGiiKnie IIa xpTiaiie ü; npoK.ieTH
Kpxoyma Bt 3eM.iii srpbCKoii, ii naKH^H nooeAH BoeBO^ta ep^ejiCKii
ÄOHuai), MKO H npcKjere \['e •:■ niica pa rpiuiHH XiaKO Ö2Ka s Jiicxs
H •-. X X X
cjiaKa.MeHs. ka- n: u" u; mh^ öparne npocTHTe a ne KJibHere. h npoqeTafi
'HcnpaB-iMiiTö . . vJM^'e'. Vielleicht ist k;i als ^(ri^KA = 7024, d. h. 1516,
zu lesen.
V H. Ruvarac schlägt vor, Äou^ua als jo Kou^ua zu lesen.
156 Kritischer Anzeiger.
Ich benutze den glücklichen Zufall, um noch eine Notiz, die ins Juhr
1457 fällt, hier mitzutheilen. Sie steht in dem bekannten »IHichubcux« (der
commentirte Psalter) des Jahres 1387 (Eigenthum der Bibliothek der Kui-
zovno druzestvo iu Sofia), auf der Rückseite des Blattes 313, und enthält die
Todesangabe des Despoten Georg in nachfolgender Form: El. Jii.' /csn^e,
Kpoy cjiHii;s, Ka, jy, ai | np'ficTaBiice öjiroyTiiBBi \\ xo.iioohbli rocno-
ÄHHb cpbOJie AecnoTi> | Kypb i ewne no rn ösi ero | BbceApb^Kn-
Tejiii. eMsate cjiaBa | bk BiKti aMunt : —
Einige Kleinigkeiten, die vielleicht noch der Berichtigung bedürfen,
werden ohne Zweifel im III. Bande des ganzen Unternehmens berücksichtigt
werden. Ich spreche nur den Wunsch aus, dass es dem Verfasser vergönnt
sein möge, möglichst bald diese foutes rerum serbicarum zum Abschluss zu
bringen. Beim letzten Bande erwarten wir in den versprochenen Registern
auch die Gruppirung des Materials nach den Orten (vergl. das Versprechen
auf S.VII der Vorrede), woraus sich manches Interessante für die Sprache
und Graphik und für die Wechselbeziehungen der einzelnen Literaturen zu
einander ergeben dürfte. Ich hebe daraus nur einiges hervor.
Nr. 622 (vom J. 15G1) enthält Daten über eine in Polen für Serbien ge-
schriebene Handschrift (der Schreiber dürfte ein Westrusse gewesen sein). —
Nr. 775 (vom J. 1585) enthält das Postscriptum eines Serben, der das Buch
des Josephus Flavius über die Einnahme Jerusalems aus der russ. Vorlage
abschrieb — Nr. 687 — 689 sind mit Russismen versehene serbische Aufzeich-
nungen. —
Als Druckfehler mögen in Erinnerung gebracht werden: 1) Nr. 622 muss
gelesen werden ;ir3 ^ * (nicht -a-), wodurch man das entsprechende Jahr
;ira * ^ a erhält, sonst müsste man 7061 = 1553 lesen. 2) Nr. 633 (J. 1583)
statt II soll der volle Name Iloana stehen. 3) Nr. 952 (1606) statt 1714 ist
7114 zu lesen. 4) Ni\ 1466 (1651) statt /r^-x-ii-a ist ^a-x-ii-a zu lesen.
5) Nr. 1512 (1654) ist /I,opoeea wohl in /I^opoeea zu corrigiren i).
üf. Speranshij.
1) Seitdem der Herr Referent diese Besprechung in Abbazia abgefasst
hatte, machte er eine kleine Reise durch Bosnien und Hercegovina, die auch
dem Werke Stojanovic's zu Gute kommen wird, da Prof. Sperauskij iu der
Lage war, mehrere Nummern des Stojanovic'schen Materials neu zu coUatio-
niren und seine Notizen bereits dem Verfasser dieses Werkes mitgetheilt hat.
Dadurch gewinnen correctere Form die Nrn. 811. 922. 996. 1000. 1013. 1014.
1037. 1043. 1054. 1067. 106S. 1094. 1212. 1309.1339.1340.1345. 1441.1472.1495.
1497. 1550. 1. 1599. 1621. 1663. 4. 1924. 5. 6. 1939. 2008 — alles aus Zitomislic.
V.J.
Kleine Mittheilungen.
Eine slavische Alexaiidergeschichte iu Ziira 1389.
Herr Sectionsclief Dr. Ludwig von Thalloczy hatte die Güte, uns die
Abschrift eines Inventars aus dem Archive des k.k. Landesgerichtes in Zara
luitzutheilen, in welchem auch zahlreiche Codices aufgezählt werden.
Der Anfang des Stückes ist wenig leserlich: » Item tres cercelli
argentoi deaurnti. Item una catinella parua et niinuta de argento. Item pi-
roli argentei partim deaurati XXXVI. Item anulli Illlor argentei. Item unus
cuppelletus argenteus a manubrio cultelini. Item unus Über Alexandri jjaruus
in litfera sciaua. Item duo officiola in littera sclaua. Item libre XVII monete
ec
venete. Item libre lllLI monete ungare. Item libre XIII pro XIII in denariis
pirnulis. Item unus Rimancius Febi in littera latina in carta jjapirea. Item
unus liher antiquus et paruus magni volutninis in littera sclaua. Item unus liber
mcdicinarum in littera latina in carta papirea. Item unus Mimancius jirinceua-
lii in littera latina in pupiro. Item unus Rimancius paruus Tristani. Item unus
liber gramatice. Item unus Rimancius, scriptus partim in latino et 2)artiyn in
sclauo. Item una leciura i'ite in carta papirea. Item unus quaternus, tractans
partim de amore et partim de prnjiridatibus animalium in carta papirea. Item
duo caratolla plena vino. Item una olla ab oleo et unum tratorium cum tri-
bus mensuris ab oleo, videlicet quarta, media qnarta et quarta parte quarte.
Itim una carta scripta cum duobus Euangelistis a portandu super se. — Res iste
sunt pignerate dicto condam Damiano. Item unuin breuiarium littcre latine,
qund pignerauit Grubissa sartor pro libris VI par{unrum). Item una panceria,
quam pignerauit Candidus corazarius pro ducatis III auri Millesimo
tricontesimo octuagesimo nono. die tercio ianuarii. Coram dominis rectoribus
Jadre. AMdelicet domino Jacobo de Raducis legum doctori, Paulo de Paulo,
Johanne de Grisogonis fuit presentatum hoc inuentarium bonorum condam
Damiani mercarii per Ser Marinum de Matafaris et Johannem mercarium ut a
comesariis dicti Damiani tum (? Nicollao condam Jacobi de Matafaris, procu-
ratori co(munitatis; Jadre«.
Der »liber Alexandri parvus in littera sclava«, der sich 13S9 im Nach-
Jass des Damianus mercarius in Zara befand, wird wohl identisch sein mit
158 Kleine Mittheilungen.
der südslavischeu prosaischen Erzählung von Alexander dem Grossen, die
Jagic in den »Starine« Bd. III (1871) herausgegeben hat.
»Riuiancius« entspricht dem ralat. romancius in der Bedeutung eines
Romans bei Du Gange. »Rimancius princevalis«, »rimancius Febi«, »riuian-
cius parvus Tristani« waren mittelalterliche Romane in italienischer Bearbei-
tung. Ueber den Einfluss mittelalterlicher Romane auch auf die Namens-
gebung in den dalmatinischen Städten vgl. meine Romanen in den Städten
Dalmatiens während des Mittelalters 1, G8 — 69. Um 1486 hiess z. B. ein
Metzgermeister in Ragusa Tristanus. Selbst nach der Erfindung des Buch-
druckes waren noch um 1550 die Stoffe der Karlssage neben anderen mittel-
alterlichen Romanen sehr beliebt und bei dem Import gedruckter Bücher aus
Italien sehr gesucht (Archiv f. sl. Phil. XXI, 436, 511—515).
Der unter den Rectores der Gemeinde von Zara genannte Paulus de
Paulo ist der Verfasser des bekannten »Meraoriale«, eines historischen Tage-
buches über die Zeit 1371 — 1408 (vgl. Racki im Knjizevnik 2, 36 — 47),
Const. Jireceli.
Cholbot oder pobyt?
I. I. Lazecnikov, der Verfasser bekannter historischer Romane, hat
in seinen Werken mehrmals den merkwürdigen Ausdruck gebraucht: »la-
KHiMt-To xcöoTOMT.« (mit solch' einem Rüssel !). Diese ungebräuchliche Wen-
dung fiel den Zeitgenossen auf, und A. S. Puskin, der geniale Dichter, wel-
cher die rassische Volkssprache sehr fleissig zu erlernen strebte, interessirte
sich für den »Rüssel«. In einem Brief an Lazecnikov vom 3. November 1S35
(Morozov's Ausgabe, B.VII, S. 389, Nr. 436) unter Anderem erkundigt sich
Puskin: »Erlauben Sie mir Ihnen eine Frage vorzulegen, deren Entscheidung
für mich wichtig ist: in welchem Sinn erwähnten Sie das Wort xoöoti. in
Ihrem letzten Werk (d. h. in dem »Eispalast«) und nach welchem Dialect
(ao KaKOMoy Hapiniio)?« Offenbar hegte Puskin in Betreff des »Rüssels« Zwei-
fel. Aber Lazecnikov bestand in seiner Antwort aus Tver vom 22. November
1835 auf dem Seinigen (ByMani A. G. UyiuKiiHa, herausgegeben von P. Barte-
new, BBin. I, M. 1881, Briefe an Puskin, Nr. 3, S. 127): »Jetzt werde ich Ihnen
erklären, warum ich das Wort xoöoti, im »JIgähhoh ^om-b« gebrauchte und, ich
glaube, noch im »IIocjiiÄHift Hobiikx«. Statt zu sagen: »TaKUMi-To oöpasoMi.,
TaKUMi.-xo nyieMi.« paradirt (merojifleTT.) jeder fixe Märchenerzähler (.luxoii
cKaao'iHiiKi.) mit dem Ausdruck: »TaKimt-To xoöotomt.«. Ich habe es früher
(öBTBajo) von meinem alten Kinderwärter (satÄBKii) gehört, und auch später
hörte ich es nicht einmal nur vom Moskauer Volk, folglich nach dem gross-
russischen Dialect".
Wir wissen nicht, ob Puskin damit zufriedengestellt war. Aber keiner
von den Herausgebern der Werke Puskin's und Lazecnikov's hat sich die
Mühe gegeben, den besagten Ausdruck zu erklären. Bis auf den heutigen Tag
figurirt der »Rüssel« auch in den neuen Auflagen der Werke Lazecnikov's
Kleine Mittheilungen. 1 59
und die Ilerausgober der Pusivin'schon Briefe verweisen bloss auf die ange-
führte (offenbar ungenügende) Erklärung Lazecnikov's selbst.
Mir scheint die Lösung des Käthsels eine sehr einfache zu sein. Lazec-
nikov hat falsch gehört: im Munde der Erzähler war es nicht xoootomt.,
sondern nootiTOMi. (von öhtb). Das Wort no6i.rn. findet sich bei Dal (To.i-
KOBLiK c.TOBapB, Th. III. M. 1865, S. 126, 1) verzeichnet als im Osten gebräuch-
lich und wird folgendermassen erklärt: »noöLiri. — ömt-b, po;iT> yKiismi, ouli-
naii ii iipaBu || oöpasi. u.iii poji. AtiiCTBia, noprijoKi), cnocooi.; noc.it.aoBaTe.iB-
HOCTB coöiaiin«. »Bt> iiaiucMi. nooBiri Taivt boaiitc;!". »TaKiiM't- ro noobiTOMt
MLi II nycTU.iiu-r. BT) nyTB«. »KaKUMi. tu nooi.iTOMTi TyTi. ouyniJiCH?«
D 0 r p a t - J u r j e V. Vladimir JBobrov.
Einige Notizen über den russ. Dialekt Tobolsk's.
Vor vielen Jahren, als ich an den höheren Fraueu-Kursen in St.Petei'S-
burg thätig war, bekam ich von einer meiner Zuhörerinnen folgende Skizze,
die beim heutigen Eifer für Dialektforschungen veröffentlicht zu werden
verdient.
In Tobolsk und seiner nächsten Umgebung spricht man:
1) Deutliches o des Nordgrossrussischen, nicht das hohe, gehobene (von
Niznji), sondern eher etwas gedehnt, wie überhaupt der Dialekt Tobolsk's.
2; q wird vor dem Consonanten zu w: koiicwiio, -MO.iouimiK'h, .laBowiiiiKt,
noTOMywro.
3) Eine gewisse Vocalharmonie zeigen Beispiele wie cßMaiiic;imiii, ITrtui-
KapeBT. (statt nymKapeB-bj.
4) Unbetonter Vocal c nach mc, % lautet wie hartes a : /K«iia, yKa.a*30, uaua,
5) Umlaut des e zu ü in Moeft, TBoeit, cBocft, Bceii, itüü; so auch TBoero,
Moero, CBoero, iBero.
6) Comparativform lautet entweder gekürzt: Beccat, CKyuiut;, nccrpt,
oder auf /ic: necrpae, Eece.irie, CKyuiii;ie. Man spricht: 6öji'&, Mciii.
7) Man spricht auch chj-b, cH.ia, cfi.iii (h statt i).
8) Die Adjectivformen werden zusammengezogen. Nom. fem. xopoiua,
aö6pa; Neutr. xopöiuo, /i;ö6po. Dazu Nom. sing.: xopümoä, ÄÖupoii, Nom. pl.
lautet xopuiuu, ;iö6pM. Ebenso Nom. fem. cihia, neutr. ciiuü, Nom.masc. ciiueit.
Die Zusammenziehung gilt auch für's Pronomen : Koröpa, Koxüpo (Nom. Koxöpoii).
9) Dasselbe gilt auch für die Conjugation, die so lautet: siiäio, siiaiuL,
siiart, aiiaMT), siiaxc, BHaiOTt.
10) In der Rede wird häufig «no;iii« und »Mo.n.» eingeschaltet.
11) Sehr häufig wendet man ny als den Ausdruck der Frage, Verwunde-
rung, Zustimmung u. s. w. an.
12) Ein Lieblingswort ist aiiÄare (für nou,icMTe).
Die Bewohner Tobolsk's sprechen langsam, zum Theil gedehnt, herb
und rauh. Die Koseformen wenden sie sehr selten an. V. J.
1 60 Kleine Mittheilungen.
Zur Geschichte eines Wortes.
Die Berücksichtigung des volksthümlicheu Elementes ist ein Haupt-
merkmal der modernen polnischen Belletristik. Statt viele Namen und Werke
zu nennen, genügt es. auf den »Bauernsänger" Kazimierz Laskowski zu
verweisen, der mit ungleich tieferer Wirkung das Werk eines Lenartowicz
fortführt. Im »Pogrzeb« desselben, einer Replik zum »Wesele« des Wy-
spianski finden wir den Ausruf (beim Ausbruch einesFeuers) »za wiaderka,
chlopcj'! mall«— zu den (Wa8ser)eimern, Burschen! rasch! Woher kommt
nun dieses neue Adverbium?
In den dialektischen Wörtersammlungen begegnet denn auch öfters
dieses müli, dessen Bedeutung mit »rascher«, «rasch« wiedergegeben wird
(Rozpr. VIII, 229; IX, 209; XI, 185; XXVI, :iS3. Spr. IV, 2(3. Swiet. 703.
Zb. XIV, 231). Dieses malt wechselt nun mit muszli, mäili und mäsli und ist
sichtlich nichts anderes als masz-li, d. h.jezeli masz = »sollst du«. Au einer
Reihe von Beispielen aus volksthümlicheu Quellen kann man alle Ueber-
gangsstufen der Form und des Gebrauchs des Wörtchens spüren und dabei
auch die allmähliche Isolirung in der Bedeutung beobachten.
Die vollste Form gebraucht das bedingende »je^eli«: »Drygaj^e, Karcz-
mareczko, je^eli masz drygac« (Zb. X, 330, Nr. 31 7). Aber in demselben Liede
in einer anderen Fassung lesen wir: »Drygaj, maszli ty podrygac« (Lip. 196).
»Wsiädajze . . jezeli mäs wsicädac« (Wisla VII, 737). »Däjcie na (=nam),
sieli '= jezeli) n^ mäcie dac« (Aten. VI, 627).
Die nächste Stufe drückt die Bedingung mit dem enklitischen -li aus:
»Siadajze, masli wolfj« (Kai. I, 143). »Siadajze, masli siadac« (ib. 150. 194).
»Szukaj, maszli szukac« (Pozn. III, 42). »PiJ, maszli pic« (Fed. 189;. »Saniij
mie, mäsli mie sanowac« (Zb. IV, 139^ »Dajciez, macieli dac« (Fed. 21ti).
In weiterer Entwickelung wird die Conjunction weggelassen : »Kolys-ze
sie, mas sie kolysac«, d.h. »je^eli masz sie kolysac« (Pleszcz.221). »Siadajcie.
macie siadac, a nie, to sama pojade« (Sienkiewicz, Pan Wolodyjowski, I
26S). »Czepcie, macie czepic« (Lub. I, 156). «Dawajcie, macie dawac« iRa.l.
I, 1U6).
Bisjetzt ist masz, macie als ein echtes Verbum gefühlt und behandelt;
in folgenden Beispielen aber wird es zu einer Partikel mcfli, die jedoch die
Spuren der verbalen Bedeutung noch nicht verloren hat: »Wypijmy, muh
wypic« = marayli = jezeli mamy (Krak. IV, 3i)0). »Dajcie nam tez, mali dar
(Kon. 68). »Dawajcie, mali dawac« (Pozn. II, 24.5). »Tacajcie, mali tacar
(Sand. 67). »Zagrajie mi, mali zagrac» (Zb. VIII, 78). »Dawajtaz, mali dawac.
(Maz. III, 103). »Bierz sie, Kasinku, mali brac» (Kiel. I, SO).
Zuletzt tritt mali allein auf mit der Bedeutung » rasch, schnell« : » Spi'-
sie mali« (Krak. IV, 300). »Gädäj, babo, mäli« (Cisz. I, 125). »Mali dalej
Idzze mali! Dawaj mali!« (Krak. IV, 311j. »Chybaj mäli!« (Zb. II, 245 s. v
Chvbac^ Jß?? Karlowicz.
Ueber die Sprache iiiul die Herkunft der sog. Krasovaner
in Süd-Ungarn.
I.
Im Oravicaer Bergwerks-
distiict des ungarischen Komitats
Krassö-Ször^ny, im ehemaligen
Temeser Banat, befinden sich
sieben slavische Dörfer, deren Be-
wohner herkömmlicherweise sich
»Krasovaner« nennen und unter
demselben Namen auch in der
Wissenschaft bekannt sind. Im
engeren Sinne )) Krasovaner« heis-
sen die Bewohner des Dorfes Kra-
sova, des grössten und des be-
deutendsten unter den erwähnten
sieben Dörfern. Die Gesammt-
/? y. zahl der Krasovaner beläuft sich
(y/x^X'Oo^^-'.^yt^S^^Zy^i.'-t^.tA^^ nach der Statistik vom Jahre
1S96 auf 7692 Personen, von
denen 3310 im Dorfe Krasova,
673 in Nermet, S76 in Lupak, 726 in Rafnik, 473
1131 in Klokotic leben. Die Krasovaner sind von
altersher reine Katholiken. Die katholische Pfarrei von Krasova hat
schon in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts bestanden ; sie wird
namentlich in einem »Consignatio parochiarum, quae annis 1332 — 1337
I in territorio hodierno Dioecesis Csanädensis exstiterunt et abinde vel
; restauratae sunt vel penitus cessarunt« erwähnt (s. Schematismus cleri
dioecesis Csanädensis pro anno dom. 189S, Temesvarini 1897, pag. 38).
1 Es ist aber zweifellos, dass die jetzigen slavischen Bewohner von Krasova
und der übrigen sechs Dörfer spätere, vom Süden hergekommene An-
siedler sind. Jedoch fehlen bisher genauere Angaben, um bestimmen zu
können, wann und woher die jetzigen Krasovaner gekommen sind. Es
Archiv für slavische Philologie. XXV. 1 1
503 in Jablca,
in Vodnik und
il
162 Lj. Miletit-,
ist dabei sehr morkwürdig, dass dieselben ihres eliemaligen iiatioualeu
Bewusstseins beraubt sind und dass sogar in ihrer Volkstradition gewisser
nationalen Zugehörigkeit zu den benachbarten Südslaven nicht die min-
deste Erwtthuuug gethan wird, in Folge dessen die Krasovaner sich jetzt
als eine besondere Nation betrachten, und zwar ohne mit ihrem jetzigen
nationalen Namen >'Krasovan« etwas mehr als den Sinn eines guten
»krasovanischff redenden Katholiken zu verbinden. Davon habe ich
mich persönlich überzeugt während meines kurzen Aufenthaltes in Kra-
t^ova im August d. J. 1S9S. "Wie es bekannt ist, werden in der bisherigen
wissenschaftlichen Literatur die Krasovaner fast einstimmig, wenn
auch ohne irgendwelche überzeugende Gründe, als Bulgaren und speciell
als ein Zweig der katholischen Bauater Bulgaren angegeben. Da ich
im Jahre 1S9S eine Abhandlung über die letzten vorbereitete, so war
für mich die Frage über die nationale Zugehörigkeit der Krasovaner von
grossem Interesse, und um endgiltige Klarheit darüber zu gewinnen,
entschloss ich mich selbst Krasova zu besuchen \), trotzdem ich schon
zwei Jahre vorher auf Grund eiuiger sicheren Angaben über die Volks-
sprache der Krasovaner. welche ich gelegentlich von zwei Banater Bal-
garen, früheren Lehrern in Krasova und Jablca, bekam, mich überzeugt
hatte, dass die Krasovaner nur dem serbo-kroatischen Stamme zuge-
hörig sein können ,s. Btlgarski Pregled IIL J. IL Bd. S. S7). Und in
der That dies bestätigte sich vollständig als ich die Krasovaner selbst
kennen lernte, obgleich die letzten, wie gesagt, sich nur Krasovaner
nennen und von ihrer älteren Vergangenheit bloss so viel zu sagen
wissen, dass nämlich ihre Vorfahren einst aus der Türkei herüberge-
kommen sind. Sie sprechen entschieden einen serbokroatischen Dialect,
welcher sich von dem stokavischeu Dialecte der benachbarten Serben
in Banat durch manche wichtige Sonderheiten auszeichnet, wodurch
auch die Krasovaner selbst in ihrem Glauben . sie reden eine besondere
i'krasovanische Sprache« unterstützt werden. Die wichtigsten von den
erwähnten Sonderheiten bestehen im Folgenden :
i. Die Betonung des Krasovaner Dialectes hat sich auf einer älte-
ren Stufe erhalten, indem auch in mehrsilbigen Wörtern der Accent auf
der letzten und vorletzten Silbe ruhen kann, mit Ausnahme der kurzen
oöenen Silben im Auslaute. Wegen des ungenügenden Materials, über
welches ich verfüge, werde ich mich vorläufig von weiteren genaueren
' S. meine Abhandhing: Ueber die Literatur uud die Sprache der Ba-
nater Bul^raren im' Sbornik des Ministeriums XVII. Bd. 340.
Ueber die Sprache und die Herkunft der sog. Krasovaner in Süd-Ungarn. 1 63
Schlüssen über die krasovanische Betonung enthalten, ich kann aber
sagen, dass dieselbe mit der sogenannten "Kesaver IJetonung«, welche
das ganze Moravatlial in Serbien beherrscht . in Verbindung gebracht
werden muss (s. Milicevic M., Knezevina Srbija, S. 171, 212 etc.). Die
ältere Betonung hat sich in den langen Silben erhalten. In meinen Auf-
zeichnungen, leider, habe ich seiir unconsequent die Länge angegeben,
weswegen ich in dem unten folgenden Text einfach die Betonung mit
dem Zeichen ' anführe, z. B. gläta — (jlave^ svda od svile; iz reke\
vhda — vode: priko vode\ zato^ kudi da gledt\ seki'i (3. pl.), posadil,
kotäl, rukämi, turcina. velika, kopäli, koUbe.
2. Das / lautet manchmal auch als i, z. B. iam. ias: es erscheint
nicht durch o ersetzt wie im .stokavischen Dialekte, z. B. pil. posadil.
kotäl.
3. Statt 7jI [h] zwischen Consonanten hat sich ein silbenbildendes
/entwickelt, z. 'R.Jäblka, plna.
4. In Krasova gibt es ein Quartal Kurjacica genannt, wo statt a
(= ^) z. B. im Worte kotal e erscheint: kotel., db'ael. Ebenso wird
auch in Ravnik gesprochen. Das Quartal in Krasova, wo man kotal
spricht, lieisst Püdkrse.
5. In Klokotic besteht auch ein 7>-Vocal, welcher in Worten wie
shd anstatt des allgemeinen sad — aada (jetzt) und kot\)l hörbar ist.
G. Statt d (cyril. h) hörte ich oft auch ein </ aussprechen, so wie es
in den macedonischen Dialecten üblich ist, z. B. doye.^ porogene.
7. Sehr oft hört man ein consonantisches u statt Ja, z. B. piu
{= piju, 3. pl.), vikau \^= vikaju^ smo-ii näsVi (= smo j'u nasli).
8. Der Instrumental-Sgl. der o-Stämme endet auf -am anstatt auf
-am, z.'R. pöpam^^jezikam, medam, taniram.^ rückam, sokäkam, lübam.
9. Der Accusativ pl. msc. g. endet auf i und nicht auf e wie sonst
im Serbokroatischen, z. B. ima dobri kohi; träzimo nofci; saküpi
nöfci; meine u koläc sekseri; redi gosii; da slusaju ov? stäri.
10. Ich habe mir einen Dativ pl. msc.geu. auf - «w notirt: decer'am.
11. Den Genitiv pl. mit der Endung ä habe ich nicht gehört, z. B,
pedeset ize; djete ot petnäjest godine ; sedelje mnbgo gbdine ; treba
da gazi prekb noväc ; pet krajcär ; kotäl ot pet ok. In zwei Fällen
habe ich Formen auf -a, welche syntaktisch Genitiv pl. sein sollten,
gehört: prbda izmedu nenih imga; tigänci od jäjca.
12. Für Comparativ und Superlativ der Adjectiva dient die Form
des Positivs in Verbindung mit den Partikeln /jo, resp. naj . z. B.
164 Lj. Miletic,
pomlogu; da hude po-velik i po-visok ; dode tu koja 7iäj-stara
haha.
13. Das Imperfect und Aorist werden äusserst selten gebraucht.
Man kann sagen, dass diese Verbalformen schon der täglichen Umgangs-
sprache abhanden gekommen sind.
14. Es wird die Partikel ce in der Function einer causativen Con-
junction gebraucht, z. ^. Je si li cul , ce hije dzvönac ; ikäze, ce je
cisto srehro ; v}de , ce tie Je d'efka. a ce Je d'ete ; ce kad ne pop)Ju
svu rakiju onda . . .
15. Oft fungirt Accusativ nach der Praeposition u statt des Loca-
tivs, z. B. 'V tej grad tämo Je hil türciii. — Ebenso erscheint Accu-
sativ für partitiven Genitiv: tmali &u zläto, srehro dösta; dok popiju
polak kotäl raktje.
16. Von den lexicalischen Sonderheiten des Dialectes soll das Ver-
bum 7am in der Bedeutung ich wünsche, ich will, ich werde, ebenso
ne lam, erwähnt werden, z. B. rtcut^ ce sad la da dode türcin^'..
Um einen volleren Begriff vom Krasovaner Dialect zu geben, theile
ich hier einige Stellen aus meinen Notizen mit, wo ich die Volkssprache
in Prosa möglichst genau gemerkt habe. Ich fragte die Leute aus, ob
etwas von der Türkenzeit noch in ihrer Tradition erwähnt wird. Die
Bauern Kurjak Peter und Nedeljko Gjurkica erzälilten mir darauf man-
ches von den Türken, d.h. von der Zeit der türkischen Herrschaft inBanat:
»Ukrtij selu ima jedän orej türski, pa taj örej ürv.al se na pedeset —
sesdeset gödin, izginul; onda posadili drügoga; onda i taj se ürval: sad ovej
je treci, onje övok debel, on je sad zivjeste, alije vecstar. Pi-vi örej bil
posäden, kad je jeste türcin bil — türcin ga posadil. Zatö i sad mu velimo
türski örej. — Pak jest i vodenica, sto je ostala ot turcina — velika vode-
nica . . Pa kad je sedel türcin ovde — sedel je mnögo gödine. Onda su näsi
izbegli u kläncu — u pecku, pa pösle kad je dösel näs cär, on ga istiril ga je.
Onda döSii nätrag näsi lüg'e, önda napräve kolibe, pokriju lübam od lipe —
to je znäte. kad oderu lipu, pa sekü nadve önu közu, pa se pokrije je^na od
zdöla, drüga od zgöra. Selo je önda bilo tämo pod krsöm — tämo je i örej is-
pöd krse döle. Pedeset ize sii bile. Pösle su cinili ize — kolibe su bili. Imali
su zläto, srebro dösta — dükati i täleri. Dög'e türcin nätrag, a oni to zläto
ukopäju ü zemnu. Zatö smo ml zatreni . . . Svi znäu, svi znäu . . . Kad sam
bil uiäli, pistim da mi da niäma pitu ili maläj, a mäma veli: cut, ce sad
Ja da döSe türcin. To su se böjali ot turcina. Ima mnögo, ali neznam sve
näpamet iz glave .... Tämo göre je grad i sad. V tej grad tämo je bil türcin,
i tämo imäl mäli töpovi — kudi da gledi, da püca. I sad su düpke tarn övak ve-
like. — A onda dösal nas car — tämo jest jedna cöka velika, täko zve se mesto :
Zabel' — sämo priko vode je pücal u grad; vöda velika — i türcin zaköpa
Ueber die Sprache und die Herkunft der sog. Krasovaner in Süd-Ungarn. 16ö
blägo; — täko se kopäli i näsi u zeniiiu i onda bejzi iz gräda i do saj d;in glö-
danio nüvci i nemozemo da näg'emo. — Näsli smo bünar u grädu. Ottiida su
vädili vödu iz reke. I täko je uzidan grad — ue mt)ze da se skine. Jest Jena
düpka u kläiicu — pa sämo türaj oväko prut u düpku pa odiinda päda nöfei
— mkli, srebrni; pa noseni su u Bec da vidi cär, i kä/e, ce je cisto srebro, a
ne vredi nista, a sämo vredi na kantär .... Näsli su püske uf tim bunäru,
näsli SU neke cöle' , i ovde suio näsli jednu käpu — ovde bas priko vöde. Pa
näsli su glä,ve — plna kola. Käpa östala — ot eiste svile. a öno driigo svi'
istruleuo «
Dieselben Bauern, nachdem ich noch einmal mit ihnen zusammen-
kam, erzählten mir ihre Volksbräuche ^)ot porogena do ozenetian:
»Sad kad Ima zena d'ete. dog'e tu köja näjstara bäba, ünda to üna pri-
väti i oküple. Pösle piju rakiju. Siitra hajd na krscena. Kad täiuo na
krsceiiu; »Käko las ime?« — »Marija« — käzu kiimu, a kum pöpu. I kum
pijan i bäba. Tu sam pak videl, ni da sam cul. Kad dog'u düma da kiipl'e, a
öna vidi, ce ne je d'efka, a ce je d'ete. Hajd idu pak kod gospodina prvom
idu kod »pöpa«, a püsle kod "gospodina« : kad smo p^jäni, on je »pop«, a kad
smo trezni. onda je »gospodin«; kad smo p^jäni, önda je »pop« — je , . em
ga, pükla mugläva;. -Sto säda, sto ste dösli?« — »Gospodine, ni d'efka nego
je d'ete». A ono pisano u kvscänom pismu Marija. Nato veli : »da krstimo po-
driigi put«. Onda metne »Märjan«', — ne zatira u krscänom pismu. I önda
bilo dübro — bäba ne j*" videla, pijäna.
Onda zvii ki'ima; je, pije — na cäst. Svi jedu. piju: i bäba i kum, kiima
i komsije; i koj dög'e. i to je gost.' Onda kum dobije jedan lep dar — mä-
ramu. a küma dobije driigi dar — krpu, a bäba — pa ki-pu. Pösle häjda idu
da provedu küma i ki'imu sokäkam. I täko idu daleko, dok popiju pöiak ko-
täl rakije — nöse kotäl rakijom, kotäl od deset ili ot pet ök, kaki je gäzda.
Köga sköbe2) na piitu. tömu rakiju. Pösli se vi-nu nätrag. Do döma popiju i
önu rakiju — svü, ce kad ne popiju svü, önda vrnuta rakija nätrag i kad se
zeni, a on vrne nätrag d'efku — »ne läm ovu d'efku« — .
Sad dög'e zenidba. Sad kad se zeni. ide nena mu — ötac mu — i jeste
jedan, komsija ili brat, idu da pröse d'efku. A sin niti poznäva d'efku niti ju
znä cijä je i kakä je. D'ete ot petnäjes gödine, a d'efka — cetrnäjs. Takö
SU se zenili. Oni sto pröse, opüste na zemnu dva-tri krajcära. koliko kösta
sveca, sto gori. Razgoväraju i ne piju. dok se ne uväte, dok ne da kapäru. A
nöse cuti'iru s rakijom. Dva-tri püta dölaze tako. Onda. kad je treci put —
äli i drügi put, a i pivi put, kat se raöze dogoditi da dädu kapäru — önda idu
uz ni pömlogu: i mäti i röd — komsije; d'ete, mladozena — tej ostäne na 30-
käku pod obliikamS, pa slüsa. sto öni govöre u niitra, u söbi. Onda nena
d'efkiu. kad su se vec pogodili, vika: »kapäru :« »Ja-1 önda dam kapäru«,
1) Kleider.
- »skobiti« bedeutet: treffen, begegnen.
'', obluk, vergl. sloven. oblok, ung. ablak — Fenster.
166 I^j- Mibtic,
veli d'etctov nena. Ouda dög'u oni mlüdi — d'ete i defka u sobu. »No, iäs
da ides za ruöjega sina?« — plta nena d'etetov. »Kad lue da nena i iBäma, ja
lära«, odgovori defka. »A las li ü aöre, begerii') li ti n;nja d'efka?", pita pa
li'efkin nena dete. On veli; »Pa kad begeni möjemii neni i ttämi, ja laui". —
No sad kapärn n;i-zemnu. Onda, otkad sn vec l'ücili kapäru nä-zemnu, pö-
vade rakijii i izmesaju rakiju od raläde i od mladozene u jedan kotäl, pa pösle
häjd da väcamo — cäsom — i da pijemo. Onda dbSe mläda ona tVefka pa
treba da gjizi preko novac (ce se lüce pedeset täleri ili dva-tii forinta) i da
se obrne piiko k'apjire. Sad »uzmi kapäru". N'en nena: »Ako se iizbas"-) da
sliisas svekra i svekrvu i muza, uzml kapäru, äko ne, ne fliraj«. Pa ona käze:
»Pa länQ da slüsam", i sakiipi nöfci. Häjd sütra na pisäne kod popa. Kad
idu tärao, sto lämo da cinimo s pöpana : d'ete je mälo. Häjd önda u clzme
övako luecu rize^), da lüde püvelik, pövisok. Nego gospodinu pak nösinao
övna ili jenu kösnicu medaui, svincinam, kako da prlmne. "Mölim te gospo-
dine, d'ete je mälo, pa nä ovo«. Pa onsiizmi: »Döbro je, döbro«. On to ne
vidi, sto mu nösimo, nego znä, dabögme. Pösli navesti nih tri püta, i sad tri
put idu na näuk krscanski gospodinu, da ju uci kakö da sliisäju ovi stäri, nenu i
luämu, svekra i svekrvu. Onda u cetvi-tak lämo da püstimo lag'iju — köiäc i
culüru rakijom — kod küma, i kum tämo da rücak önomu deveru, lepo ga
casti iiickam i posle metne u köläc sekseri i kräjeari — nabäce oväk u kö-
iäc. Posli dever Ide u selu pa redi gösti, koj'^ läju da dodu na svädbu u nedel'u
kod d'efke. A övi stäri u cetvitak idu da eine sprävdu; i raladozena ide.! I
täko d'ete da d'efki jäblku i u jäblki uöfci i joj raetne u päzuhu pred närai
svimi. Ondak mi ni vise ne vidimo — mläda i mladozena idu u driigu ka-
märu, a j;östi si piju, aoni su tämo bäska. Igramo i veselimo se, pijemo — to
se zve sprävda. U subotu sijemo steg kod mladozene nävecer. Tämo jedu i
piju i posle idu deveri s läniram, pa svi sto su jeli i koji su gusde blli, svi
dädu kräjcar, da deveri ireäu nöfci da küpe mlädu. No sütra idu u ci-kvu, da
se vencaju. Kad su se vencali, önda mläda ide näpred. Kakö izleznu iz
crkve, mläda hajd bezi eäma döma. Kad döma siignu, önda deveri i cäiis, sto
nösi Steg: »trag ot llsice smö näsli, pa smo dosli tu«. Ondak tu se pögaöaju,
kum je fraj — kum i stäri svat i mladozena su slöbodnl da tiire (= da uläze)
u EÖbu. A deveri i caus bane prid pörtom na sokäku, dok ne dobiju li^icn.
A dok je prösal kum i stäri svat i mladozena, a mläda je na pödu, pa rasko-
räci nöge na öknu ot zgöra — ne vidi se, ökno zatvöreno — da prö.^'u iz-
meitu nenih nöga. Pa kad öni sednu da piu, öna slezne döle, pak pösli ju
prodävaju nena i mäma cäusu i dever'am. Deveri vele na kräjcar hil'äda: pet
kräjcara su pet hii'äde, deset kräjcar su deset hil'äde. »Kiime, avo näsa
lisica — vikäu deveri kürau — smo u näsli«. Pa si ona ciikne kümu uiku i stä-
romu svätu i sväko joj da ki äjcar. Mladozena ue cükne rüku, on sämo sedi.
1) begeniti — gefallen, türk. Wort.
2) üzbas — statt »uzdas«.
3) Fetzen.
Ueber die Sprache und die Herkunft der sojr. Krasovaner in Süd-Ungani. 1 (37
Onda lautäsi — cigani — pocmu da svire, a dever i luläda igräju prid kii-
mam. Unda kum iiznie tigänci ot belog brasna, ot Jäjca i ot sirena slüdkog ta
rasece tigänak na cetiri pa pivo pärce ot cetvrtke mladozeiii, a driigoga
mlädi, a dva parceta dever'am. Pösle Je iiicak i east".
Bei den Krasovaiiern wird viel gesungen , aber es gibt sehr wenig
nationale Volkslieder. Gewöhnlich wird beim Trinken gesungen. Im
Krasova-Komitat wird überhaupt viel Obst gebaut , namentlich die
Zwetschken, die man hauptsächlich zum Branntweinbrennen verwendet.
Früher hat man noch mehr getrunken, weil der Branntwein billiger ge-
wesen. i)Ne SU bili oväko finance« — sagte zu mir ein Bauer — »sämo
räkija fece, a mi pijemo«. Von ihren j'Popevke« habe ich mir einige
notiert:
Säjdan jesmo, siitra nesmo
Do godine Bog zna dösmo.
Na nebu je slävni raj
A na zemni kelneräj.
A sto cemo mi u räju
Tamo pice ne daväjii.
Goliibico beb,
Biidi mi vesela.
AI kakvo cu ja veseia biti,
Kad moj drägi ide
Od sela do &ela;
Püred ize prüge,
Kod mene ne döge.
Koj sedi do mene,
(Jasicii uzima;
Koj je viidan üzeti,
On je vridan pöpiti;
Koj je vridan popiti,
Taj je vridan zivot ziviti.
Daj gazda vina
Da ti kiica mirna etc.
Es ist augenscheinlich auch aus den Worten wie "kelneraj«, dass
diese »Popevke« keine echte und alterthümliche Xationallieder vor-
stellen. Auch die ikavische Form «vridan« weist auf fremden Ur-
sprung hin.
Die Priester sollen sich viel bemüht haben, die Krasovaner von der
Trunksucht abzuwenden, jedoch ihre Mahnungen haben nicht gewirkt.
168 Lj. Miletic,
Man hat dem Priester gewöhnlich geantwortet: «A zäludo se kinujes
gospodine, mi ostänemo, köji smo bili«.
Es wäre sehr unbegründet zu meinen, dass die Priester, welche
meistens Fremde gewesen sind — in den letzten Decennien hauptsäch-
lich Bulgaren aus Bauat und Slovaken^) — auf die Volkssprache der
Krasovaner in irgend welcher Richtung einen Einfluss geübt haben. In
den krasovauischen Schulen wird von altersher nach kroatisch-illyrischen
Büchern — meistens specielle Ausgaben der Franciskaner in Ungarn
— gelernt. Die Lehrer jedoch sind ebenfalls Fremde gewesen, welche
die krasovanische Mundart anfangs nicht gekannt haben. Vor sechzig
Jahren hat in Krasova lange Zeit als Lehrer ein Balgare aus Besenov,
Namens Karadzöv fungirt. Nach diesem ist wieder der Lehrer ein
Bulgare Namens Lilin gewesen. Daraufist Brätanov, ebenfalls Bul-
gare aus Besenov, gekommen; der Vater von Brätanov ist damals im
krasovanischen Dorfe Vodnik Lehrer gewesen. Zuletzt sind die Brüder
Topcov, Bulgaren aus Besenov, Lehrer gewesen und zwar einer in
Krasova und der andere in Jablca. Erst in der letzten Zeit haben die
Krasovaner Lehrer aus ihrer eigenen Mitte bekommen. In Krasova
z. B. ist der Lehrer ein aus Rafnik gebürtiger Krasovaner, Namens
Vlasic.
IL
Aus dem oben Angeführten ist klar, dass kein Zweifel mehr über
den ethnographischen Charakter der Krasovaner bestehen kann. Nach
ihrem Dialect kann man mit gewisser Bestimmtheit schliessen, dass sie
etwa aus dem Gebiete des jetzigen sogenannten Resaver Dialectes aus-
gewandert sind. Dies letztere wird auch durch andere, historische An-
gaben, welche ich unten kurz begründen will, wahrscheinlich gemacht.
Ausser in den obengenannten sieben krasovanischen Dörfern gibt
es ältere krasovanische Colonien auch in anderen nahe liegenden Ort-
schaften. E^ne solche Colonie lebt z. B. in Lipa bei Radna (im Arader
Komitat), wo ich im September 1896 Gelegenheit hatte mich persönlich
zu überzeugen, dass auch dieser Zweig der Krasovaner der Sprache
ij In Krasova wirkte als Priester im J. 1S98, als ich daselbst war, der
Dekanus Delin, ein Bulgare aus Vinga in Banat. Vor Delin hat wieder ein
Bulgare aus Vinga, der jetzige Vinganer Dekanus Vadäsz, einige Zeit in
Krasova verweilt.
Ueber die Sprache uud die Herkunft der sog. Krasovauer iu Süd-Uugarn. ] 69
nach zum serbokroatischen Stamme gehört. Die Familiennamen der
Krasovaner in Lipa haben jetzt die übliche serbokroatische Endung
-ic, wie z. B. Misetic, Gomilesevic, Makovlevic u. a. (s. auch in B-BJg.
Pregled III. J. II. Bd. 87) ' . Nicht weit von Radna-Lipa befindet sich
das Dorf Otvas, wo ebenfalls einige krasovanische Ansiedler leben.
In einer »Descriptio Parochiae Ottvasiensis, Comitatus Aradiensis«,
welche ich in einem Mannscript im Franciskaner-Kloster zu Offen (Buda-
pest) gelesen habe, werden die Krasovauer ausdrücklich Serben (»Ra-
sciani«. genannt: »Ottvas est misserimus pagellus, constans e pauperculis
ruricolis olim catholicis, probabilius Carassova oriundis et tempore bel-
lorum eo translatis, qui successu temporis absque spiritnali solatio inter
Silvas pecudum more viventes, valachis permixti, et linguara rascia-
nicam tidemque catholicam usque ad duas familias amiserunt, ad Grae-
corum Schisma declinantes. Eos autem originem trahere Carassova et
Rascianos fuisse vel militares, vel nautas vectoresque salis, cognomina
eorum satis produnt«.
Es ist merkwürdig, dass Geza Czirbusz in seinem Werke »Die
Südungariscben Bulgaren« (Wien und Teschen 1884. 8^. 64)2)^ trotz-
dem er consequent die Krasovaner für ehemalige reine Bulgaren be-
trachtet und dieselben einfach »krasovanische Bulgaren« nennt, doch
ausdrücklich sagt, dass ihr Dialect »serbisch« ist. An einer Stelle ist
'j In Krasova habe ich mir folgende Familiennamen notirt : Aus dem
»Liber baptizatorum« der Krasovaner Pfarrei vom Jahre 1739: Joannes Ra-
dio, Viika Mrsin. Lackic; — vom J. 1753 — 1754: Muselin, Vlasic, Pozderka,
Babe fjetzt Babic,, Blka aus Ravnik), Furkin, Moeoka. Benedük, Sudor,
Panca, Beca, Ankic, Blaz, Gluhak (aus Lupak), Arambasa, Filipona, Filka.
Bunja, Joncin, Yataf, Vranija, Dragija, Dragin (aus Ravnik , Ocil, Hoea, Jti-
reg, Milcev aus Klokotic), Topcija, Jankov, ^era, Grgin, buga.
Jetzige Familiennamen: Babic, Beca, Bogdau, Bisina, Cervenjäk, Cir-
cija, Dzuga, Dobra. Dugalin, Dragija. Frana. Vranja. Fera, Fakric, Grgin,
Gera. Gjurgica. Grlica, Gluvak. Gjurasa, Hacaga. Hoea, Harambas, Hera,
Hrza. Ivanica, Ivka. Hin, Jiinaska, Janca, Kurjak, Kajman, Krsta, Koto-
lusa, Keda, Katic, Kaiina, Lazar, Lackic. Lacka, Lucin, Manul. Mrsa. Macea,
J>i;16s. Mamil, Miok. Miloja, Mita, Moeoka, Moldovan, Njagul, Pozderka, Paun,
Paica, Petraska, Pekar, Pirca, Radan, Rebezila, Radul, Rac, Samak, Sorka,
Stc^janovic, Sudor, Todor, Turna, Toma, Cinkul, Udovica, Ursul, Ugrin, Uj-
kica, Vataf, Vlasic, Voka, Vorca, Vrnjka, Zigmui, Zurkul, Zdrinja, Zenka,
Zonka.
-; Das Werk erschien als Beilage zum XI. Bde. des Werkes »Die Völker
Oesterreich-Ungarns «.
170 Lj- Miletic,
Czirbusz geneigt, die Krasovaner als eine Mischung von Serben, Ru-
mänen und Bulgaren zu betrachten, weswegen ihm die Frage über die
); ethnologische Stellung« derselben noch immer als »unentschieden« er-
scheint. Zum Schluss meint Czirbusz, dass die Krasovaner jetzt in
sprachlicher Beziehung keineswegs reine Bulgaren sind, jedoch dass sie
einst, als sie in ihrer jetzigen Heimat sich niedergelassen haben, wirklich
solche gewesen, soll aus den Büchern der Pfarrei zuKrasova, namentlich
aus der dortigen »historia domus(f klar ersichtlich sein. Deswegen
suchte ich, als ich selbst nach Krasova kam, mit Neugierde zuerst das
Manuscript auf, welches die erwähnte »historia« enthält, um die wichti-
gen geschichtlichen Beweise, welche die bulgarische Abkunft der Kraso-
vaner bestätigen sollten, zu prüfen. Es stellte sich aber heraus , dass
die erwähnte »histoiia domus« in der That ein Abschnitt von der
Geschichte der Franciskaner der bulgarischen und walachischen Provinz
ist und dass sie auf Grund dieser Geschichte mit Hinsicht auf die Pfarrei
zu Krasova von einem unbekannten Franciskaner compilirt worden ist;
sie ist betitelt: «Historia parochiae Kraszovensis. Extractus protocoUi
provinciae Bulgariae et Valachiae«. In diesem «Extractus protocoUi«,
namentlich im Capitel über »Residentia et parochia Kraszovensis«
(pag. 247), nachdem kurz die geogi'aphische Lage von Krasova be-
schrieben und der Name des Dorfes von dem gleichnamigen Flusse ab-
geleitet sind, wird auch des Ursprungs der Krasovaner Erwähnung ge-
than. Diese Stelle, welche die eigentliche «historia« der Krasovaner
darstellen soll , citire ich hier vollständig, weil sie die einzige Haupt-
quelle ist, woraus man in der bisherigen Literatur den Beweis für die
vermeintliche bulgarische Abkunft der Krasovaner geschöpft hat. Der
unbekannte Verfasser, welcher sich als Franciskaner ausgibt, schreibt
unter dem Titel: «De loco, gentis origiue nostroque inde discessu« Fol-
gendes :
»Gentem hanc ex Bulgaria originem trahere ac veros Bulgaros esse
nuUus dubitet. Postquam enim circa annum Christi 1366 sub Urbano V. Pon-
tifice Ludovicus rex Bulgariam sibi subjecisset et zelo fidel propagandae in-
census, adhortante ad hoc fratre peregrino episcopo Bosnensi, fratres minores
eo destinasset sieque intra 30 dies ultra ducenta hominum millia ad fidera
convertissent, quos deinceps plures ac plures alii secuti sunt, Bulgaria se de-
dit in clientelam regum Huugariae. Manente vero Bulgaria et Valachia circa
annum Christi 1393 sub Sigismundo in turcica potestate ac tyranide, Bulgari,
neoconversi ac jugo turcico non asueti potius patriam, quam fidem velinquere
volentes una cum putribus ad regnum Hungariae se contulernnt. Eex Hunga-
riae, noscens bellicosum illorum animum, eos limitares fecit ac ad limites
Ueber die Sprache und die Herkunft der sog. Krasovaner in Süd-Ungarn. 171
regni custodiendos circa Lipoviani, Rekaschinum, Lugoschiniim, Caransebe-
sinum aliisqiie in locis collocavit, sicquo factum est, quod nos 'j in illis locis
stabiliti fuerimus, in quibus acijacentibus bulgaris inilitaribus spiritualia
ubsequia praestiteramus.
Deinde circa annuiu 1526 peracto infelicissiino conflictu die 29-a Au-
gust), in quo tot christianorum millia nianserunt et ipse rex Ludovicus 2-dus
in palude sufFocatus est prope Mohacsinum, Turca incepit dominari non
solum in Banatu. sed etiam in Ilungaria. Sic contigit militares Btilgaros
partim in conflictu occidi et vulnerari, partim per superiorem llungariam hinc
inde dispergi, remanentibus paucis in suis sedibus, qui videntes se non posse
sub Turca tutos vivere, ad horrida et aspera loca Carassoviensia fuga se re-
ceperunt, exspectantes rei exitum. Et quia Turca ob haereticorum factiones
semper magis ac magis invalescebat, sie coacti sunt in ferarum latibulis habi-
tacula tigere ibique stabiliter perruanere. — Nee quispiam miretur, eos tarn
agrestes evasisse, primi enim absque dubio magis culti erant, sed subsequen-
tcs generationes, qui in silvis excreverunt, silvestres mores acquisiverunt,
quos tamen nunc paulatim deponere incipiunt. His itaque pauperculis, Lipo-
viae, Rekaschini, Slatinae, Caraschovae et aliis in locis existentibus, patres
nostri semper spiritualia praestiterunt alimenta, eosque in fide catholica
inundantibns licet undique haeresibus conservarunt usque ad annum 1600.
Barbara Lugosiana patribus societatis Jesu aliqua bona Lugoschini et Ca-
ransebesini contulisset, sie ceperunt Jesuitae missionem etiam Carasovae
exercere. Post aliquot annos vero Räkoczius, Calvinianae haeresi addictus,
Jesuitas Lugoschino et Carausebesino pepulit, nam haec loca tunc ad Tran-
silvaniae principatum spectabant. Crasovae autem manserunt usque ad ulti-
mum bellum quo tempore una cum Carasoviensibus in supradicto foramine
habitarunt, quos nempe Jesuitas deinde semimortuos Temesvarinum de-
duxerunt".
Weiter, unter dem Titel «De nostra iu parochiam Carassoviensem
resiitutione« wird speciell die Tbätigkeit der Franciskaner in dieser
Gegend beschrieben. Dass die oben citirte »historia parochiae Kraszö-
vensis« bald nach dem Jahre 1718, als der Banat laut dem Frieden von
Pozarevac von den Türken befreit wurde, verfasst ist, erhellt aus den
Worten des unbekannten Verfassers, welcher sagt, dass die Jesuiten in
Krasova geblieben sind »usque ad ultimum bellum c, womit nur der
Krieg von 1716 — 17 IS gemeint sein kann. Der Verfasser hat
augenscheinlich eine ältere Geschichte der Franciskaner von der bulga-
rischen Provinz benützt und in seinem Glauben, dass die Krasovaner
gewesene Bulgaren sind, hat derselbe die Geschichte der katholischen
Bulgaren in Banat gänzlich auch auf die Vergangenheit der Krasovaner
übertragen. Und diese Geschichte hat er sicher aus dem Manuscript
*) »nos« bezieht sich hier auf die Franciskaner.
1 72 Lj- Miletic,
»Ortus et progressus Provinciae Bulgariae et Valachiae sub tit. Imac.
Concep. B. V. Mariae Ord. Fratrum Minorum s. P. N. Francisci Regu-
laris observautiae exhibens praecipua memorabilia in illa ad haecusque
tempora gesta« gekannt ^j. Und es ist im Interesse der neurestituirten
Frauciskaner in der Pfarrei von Krasova gewesen , ihrerseits alte ge-
schichtliche Rechte auf dieselbe, besonders in Anbetracht der Ansprüche
des Jesuitenordens hervorbringen zu können. Deswegen hat man die
Geschichte der Krasovaner Pfarrei mit der Thätigkeit der Frauciskaner
in Bulgarien zur Zeit des Königs Ludwig I. von Ungarn und zwar ange-
fangen vom Jahre 1366, verknüpft, gerade so wie die Geschichte der
Frauciskaner der bulgarischen Provinz in dem erwähnten »Ortus et
progressus etc.« dargestellt ist.
Durch Franciskanerschriften hat die falsche Meinung, dass die
Krasovaner aus Bulgarien stammen, bis zu Ende des XVIII. Jahrhun-
derts weite Verbreitung gefunden und wurde von den namhaftesten
Historikern und Slavisten angenommen. So hat schon Jos. Dobrovsky
die Krasovaner für Bulgaren betrachtet, indem er sich in seiner »Slo-
wanka« (I. 213) über ein ABC-Buch, herausgegeben vom Frauciskaner
Mich. Grozdic (»ABC ili uprava za potribu shularske Dalmatiuske mla-
dezi, Temesvar, 17 79«), folgendermassen äussert: »Der Verfasser, Frau-
ciskaner der bulgarischen Provinz und Administrator der Karaschover
Pfarrei im Banat, hielt sich darin mehr an die dalmatisch-illyrische als
an die eigentliche bulgarische Mundart, wenngleich das Buch für die
bulgarische Jugend seiner Pfarrei bestimmt war« (s. noch Safai-ik P.,
Gesch. der südsl. Lit. II. 101). Auch Miklosich in seinem Werke «Die
Sprache der Bulgaren in Siebenbürgen« (Denkschrift d. kais. Ak. d.
Wiss. hist.-phil. Cl. VII.) hat nicht recht deutlich die Krasovaner von
lj In eiuer Abschrift desselben »Ortus et progressus etc.«, welche leb
im Franciskaner-Kloster zu Ofen gelesen, wird erwähnt, dass die Angaben
zu der Geschichte der Frauciskaner der benanuteu zwei Provinzen um die
Mitte des XVII. Jahrb. gesammelt worden sind: »lam in generali capitulo
Toletano anni 164 5-ti reverendissimum Directorium ordinis sub obligamine
sacrae obedientiae Ministris Provincialibus injunxerat, ut ad continuandam
Illmi Gouzagae Chronologiam origines conventuum memorabilia in provinciis
gesta aut Komam aut Matritum transmittant, cum proin circa istud tempus
divisa fuerit custodia Bulgariae a FroviuciaBosnae, supouendum est de illius
temporis moderatoribus, seu recens divisae Custodiae, seu praesertim provin-
ciae Bosnae, cui fiierat, nihil eos industriae omisis&e quomiuus ea, quae histo-
riam neodisjunctae custodiae Bulgariae atinebant, litteris mandarent etc.«
Ueber die Sprache und die Herkunft der sog. Krasovaner in Süd-Ungarn. 173
den Banater Bulgaieu unterscheiden können , indem er die oben ange-
führte Stelle der Krasovaner historia domus , welche mit den Worten
»gentem hanc ex Bulgaria originem trahere etc.« anfängt, nach einer
Ausgabe von 1733 (Annales Minoruni , Romae Vlll. 195 — 196) ganz
unpassend anlässlich der Frage, wann die Bulgaren in Banat, nament-
lich in Be^enovo, Vinga, Bodrog u.s.w. sich angesiedelt haben, citirt (op.
c. 105). Nach Miklosich sind die Banater Bulgaren »theils in 1737 theil.s
in 1739« gekommen, und die erwähnte Notiz aber, welche M. sub linea
anführt, soll »wie es scheint aus dem siebzehnten Jahrhundert« her-
rühren. Es ist sonderbar, dass gleich darauf Miklosich die Krasovaner,
von welchen speciell die besagte Franciskaner Notiz handelt, ebenfalls
zu den Bulgaren rechnet, indem er meint, dass sie »um das Jahr 1700
eingewandert sind« ))Bulgaren bewohnen ferner 5000 — 6000 Seelen
stark, im Oravicaer Bergwerksdistrict, die in den Ausläufern und Schluch-
ten des Semenik gelegenen Orte Krasova, Lupak, Vodnik u. s. w. . . Sie
sind um 1700 eingewandert, gehören gleichfalls der katholischen Kirche
an, und dürfen sich mit der Zeit romauisiren« op. c. 106). — Miklosich
beruft sich dabei auf K. Fr. Czörnigs »Ethnographie der österr. Mo-
narchie« (Wien 1855). Nach denselben Quellen werden auch von
J. H. Schwicker (s. »Geschichte des Temeser Banats. Historische Bilder
und Skizzen. Gross Becskerek 1861«) die Krasovaner als Bulgaren dar-
gestellt. Schwicker schildert zuerst den Feldzug des ungarischen Königs
Ludwig I vom Jahre 1365 nach Bulgarien, in Folge dessen damals die
ersten »Slaven« nach Ungarn angesiedelt wurden und zwar in dem
»Lippaer Bezirke«. Da zwischen den neuen Ansiedlern eine schisma-
tische Propaganda sich heimlich verbreitet hat, so hat im Jahre 136(>
der König Ludwig, welcher ein strenger Katholik gewesen ist. »die zahl-
reichen Gemeinden der Slaven in dem lippaer Bezirke gezwungen,
ihre schismatischen Popen zu verlassen und von griechisch-unirten Prie-
stern Seelenpflege anzunehmen .... Als die Slaven gleichwohl nach
einiger Zeit zur Spaltung zurückkehrten, Hess Ludwig nach einem
vom 25. Juli 13G6 datirten Briefe in den Gespanscliaften Krasso und
Keve sämmtliche Priester der griechisch-gläubigen Slaven angreifen,
dem Obergespane zur Untersuchung übergeben und diejenigen, welche
dem Lehrbegriffe der römischen Kirche zuwider gelehrt hatten, ihres
Amtes entsetzen und aus dem Reiche verbannen« (op. c. 67 — 68 . Nach-
dem wird von Schwicker an anderer Stelle die Ansiedlung der bulgari-
schen Paulichianer im Jahre 1737 erwähnt op. c. 362) und gleich
174 Lj. Miletic,
darauf äussert er sich über die Krasovaner in dem Sinne, als wären sie
gleichzeitig mit den Paulichianern in ihre jetzigen Wohnsitze gekommen:
))Ein6 andere Abtheilung bulgarischer Einwanderer wurde in dem Ora-
vitzaer Bergwerksdistricte angesiedelt, wo sie noch heute in den Ort-
schaften Krassova, Luppak, Vodnik, Nermeth, Jabolcsa, Klokodics,
Rafnik . . . sich befinden. Sie sind unter der Bezeichnung Krassovaner
bekannt« (op. c. 363j. Nach Czörnig, Miklosich und Engel (Geschichte
von Bulgarien, S. 462) hat auch M.Drinov (in seinem Werke «Istoriceski
pregled na btlgarskata cxikvacf, Wien 1870) die Krasovaner und die
Banater Bulgaren unterschiedslos als Bulgaren aufgefasst, indem er meint,
dass die Krasovaner früher, nämlich im Jahre 1700, angeblich aus der
Gegend von Sofia, und nachher die Banater Bulgaren im Jahre 1739,
nach Ungarn angekommen sind (op. c. 170). Andererseits nimmt Drinov
ebenso wie Mikloiich an, und zwar auf Grund derselben franciskanischen
Notiz, welche in Miklosichs wDie Sprache der Bulgaren in Siebenbür-
gen« citirt ist, dass in den Jahren 1392 und 1395 aus der Gegend von
Widin viele bulgarische Paulichianer nach Ungarn übergesiedelt sind
(op. c. 158), trotzdem nach derselben Notiz die Vorfahren der Kraso-
vaner von diesen Paulichianern abstammen sollten und folglich nicht
erst im Jahre 1700 aus Bulgarien kommen konnten, wie Drinov im Ein-
klang mit Miklosich meint. Es soll noch erwähnt werden, dass auch C. Jire-
cek in seiner Geschichte der Bulgaren (russische Uebersetzung) nach
denselben Quellen, namentlich nach Czörnig's Oesterr. Ethnographie
I. 73 sagt, dass die Krasovaner katholische Bulgaren sind, welche um
das Jahr 1740 in den erwähnten sieben krasovanischen Dörfern sich
angesiedelt haben (op. c. 615^.
Dieselbe Meinung über die Nationalität und die Herkunft der Kra-
sovaner nach denselben Quellen ist in vielen Werken über die Geschichte
und die Ethnographie Süd-Ungarns vertreten, wie z. B. in Ladislaus
Gorove »Tudomänyos Gyüjtemeny« 1837. VIII. 18, in Baräny Agoston
j)Torontäivärmegye hajdana« (Buda, 1845. S. 149) und desselben »Te-
mesvärmegye emleke« (Gross Becskerek, 1848. S. 162 — 163), in Böhm
Lenärt »Del Magyarorszäg vagy az ugyuevezett Bansäg külön tör-
tenelme« (2. Ausg. Pest, 186 7), wo buchstäblich Schwickers Meinung
wiederholt wird (S. 70), und in Victor Czirbusz »Delmagyarorszägi Boi-
gärok ethnologiai maganräza, wo die Ideen des Geza Czirbusz ver-
treten sind. Der letztere, im schon erwähnten Werke «Die südungari-
schen Bulgaren«, beruft sich auch auf Ortmeyer (Tört. Adattär, 1871.
Ueber die Sprache und die Herkunft der sog. Krasovaner in Süd-Ungarn. 175
S. GIO). welcher die franciskanische Erzählung von der angeblichen
Einwanderung der Krasovaner aus Bulgarien zur Zeit des Königs Lud-
wig im Jahre 1366 wiederholt. Geza Czirbusz dagegen ist auf Grund
der »historia domus parochiae Krassowensis« der Meinung, dass dies
im Jahre 1393 geschehen ist. Zum Schluss soll noch bemerkt werden,
dass auch Kanitz in dem Werke »Donau-Bulgarien« (I. Ausg., Bd. I.
S. 132) von der üebersiedelung einer grossen Menge katholischer Bul-
garen nach Ungarn, und zwar im Jahre 1391 spricht. Zwischen diesen
Katholiken sollen viele heimliche Bogomilen oder Paulichianer gewesen
sein, welche sich in Banat, und speciell in Krasova, liavnik und
»Jabolca« niedergelassen haben.
Gegen die oben erwähnte Auffassung, dass nämlich die Errichtung
der bulgarischen Custodie der Franciskaner nnd deren Klöster in Süd-
Ungarn erst in Folge des bulgarischen Feldzuges des Königs Ludwig
zu Stande gekommen ist, hat Pater Eusebius Fermendzin, ein Banater
Bulgare ausVinga, in der Vorrede seines Werkes »Acta Bulgariae eccle-
siastica« (Zagreb) Stellung genommen, indem er behauptet, dass die
franciskanischen »Conventus« in Sebes, Orsova und Cherig (jetzt Cerevic
zwischen den Jahren 1372 und 13S5 vom König Ludwig errichtet wor-
den sind und zwar mit politischer Tendenz, um dadurch die Gegend von
Karansebes besser schützen zu können. Mau soll folglich nicht die Er-
richtung dieser Custodie in die Zeiten nach der Schlacht von Kicopolis
(1396) verlegen, und noch weniger behaupten, dass dieselben Klöster
hauptsächlich mit der Aufgabe creirt w^orden sind, um den Emigranten
aus Bulgarien, welche vermeintlich viele Tausende gezählt haben sollen,
wie z. B. Pater Blasius Kleiner in seinem handschriftlichen «Archivium
Bulgariae« annimmt, in religiöser Hinsicht dienen zu können. Fermendzin
ist geneigt anzunehmen (»facile concesserim«), dass einige und nament-
lich nicht viele Emigranten, wie z. B. der Fürst Fruzin , damals aus
Bulgarien nach Ungarn gekommen sind, jedoch damit kann man die in
Frage stehende Errichtung der franciskanischen Klöster in Süd-Ungarn
nicht erklären, und noch weniger durch die wirklich zahlreiche Emigra-
tion aus Bulgarien, welche viel später, nämlich erst zu Ende des XVIL
und anfangs des XVIII. Jahrhunderts zu Stande kam. Also man kann
gar nicht auf Grund der erwähnten Angaben aus den franciskanischen
Quellen die Abkunft der Krasovaner aus Bulgarien zu der erwähnten
Epoche — Ende des XIV. Jahrhunderts — herleiten. Ausserdem ist
Fermendzin, als Bulgare, auf Grund des krasovanischen Dialectes über-
176 Lj. Miletic,
zeugt, dass die Krasovaner keine Bulgaren sein können und ganz richtig
meint, dass »linguam Krasovensium, quae est croatica seu serbica,
hulgaricani dicere principia pJälologiae vetanta.
Es ist nach dem Gesagten sehr befremdend, dass noch heutzutage
selbst in der slavischen Wissenschaft noch von einer speciellen »kraso-
vanischen Sprache« und von einer »unbestimmten ethnologischen Stel-
lung« der Krasovaner die Rede sein kann. Und in diesem Sinne hat
sich unlängst P. Syrku in einer Abhandlung über den krasovaner
Dialect (rtNarecije KarasevcevL«), welche in Izvestija IL Otd. Imp. Ak.
N. zu Petersburg, Bd. IV. (1899), Heft 2. S. 641—660 veröffentlicht
wurde, geäussert. Herr Syrku hat Krasova im Sommer 1898 besucht
— einige Tage nur vor meiner Ankunft daselbst — und hat, besonders
als Slavist, reichliche Gelegenheit gehabt, die Sprache und darnach die
nationale Zugehörigkeit der Krasovaner an Ort und Stelle kennen zu
lernen. In wiefern Herr Syrku dies erreicht hat, kann man vorläufig
nur nach seiner oben erwähnten Abhandlung urtheilen. Und gegen
jede Erwartung findet man in derselben keine deutliche Antwort auf
die erwähnte Frage, welche so eng mit dem Thema des Verfassers ver-
bunden ist. Herr Syrku hat vorgezogen ganz unbegründeterweise der
Frage auszuweichen , indem er mit lauter undeutlichen Bezeichnungen
wie »krasovanische Sprache« und »krasovanischer Dialect« sich begnügt.
Dass er auch in ethnographischer Hinsicht die Krasovaner als selb-
ständig oder wenigstens noch unbestimmt betrachtet , ersieht man aus
einigen Stellen, wo die Frage über deren Stammverwandtschaft neben-
bei berührt wird: es wird nämlich bemerkt, dass die Krasovaner nicht
nur officiell, sondern auch von den benachbarten fremden Nationen,
namentlich von den Serben, Rumänen, Magjaren und den Deutschen mit
demselben Namen bezeichnet werden, und dass sie von »den Ungaren«
für Bulgaren betrachtet werden. Also die Serben sind den Krasova-
nern gegenüber •»inorodcy.f^ während sie von den «Ungaren« (Magjaren?)
zur bulgarischen Nation gerechnet werden i). Dass die Krasovaner auch
keine Kroaten sind, kann man aus einigen Worten des Verfassers be-
züglich der »krasovanischen Sprache« schliessen : »die Sprache (»govort«)
der Krasovaner — sagt Herr S. — ist unter dem Namen ,die krasova-
1) »Po imeni etogo sela ziteli vsecht semi seit nazyvajutsja kwasevcMii
(Ott karasevaki), kaki oni sami sebja imenujutx, ili krasovanami, kaki. ime-
nujuti. icht officialtno (ot-B Krasova); takze nazyvajuti. icht inorodctj: serby,
rumyny, madtjary i nem'cy. Vengry scitajuti. icht bolgarami« (op.c.641— 42).
Ueber die Sprache und die Herkunft der sog. Krasovaner in Süd-Ungarn. 177
nische' bekannt ... In der Kirche neben dem Lateinischen wird auch
die kroatische Sprache gebraucht, da in der Sprache der Krasova-
ner (»na jazyke karaseveevB«) keine Bticher bestehen . , . Die kroati-
schen Schulbücher sind dieselben, welche in den kroatischen und nicht-
kroatischen Schulen Ungarns eingeführt sind. Deswegen gebraucht man
in der Sprache der Krasovaner einige neue serbokroatische Wörter
(Poetomu VB jazyke karasevcevB upotrebljajutsja nekotoryja iiovijja
slova serhskoc]iorvatskiJa^ op. c. 642)«. Aus dem Angeführten ersieht
man, dass Herr S. den krasovanischen »Dialect« (die Abhandlung ist
betitelt: »narecije karasevcevL«! für eine besondere »Sprache« hält:
es scheint, dass in diesem Sinne auch der Verfasser das Wort «jazyk'L«
auffasst, indem er sagt: «Jazykij karasevcevL predstavljajeti> dovoljno
interesnyja osobenosti so storony foneticeskoj , morfologiceskoj i vb
otnosenii k-B udareniju« (644). Dass auch das Wort »narecijea als Syno-
nim für j^Sprache« in dem erwähnten Sinne dem Verfasser gilt, ist aus
der folgenden Bemerkung ersichtlich: »Pri izobrazenii zvukovych'B oso-
bennostej karasevskago narecija^ ja upotrebljaju nekotoryje znaki
serbskoj grafiki, vt osobennosti vi. techt slucajachi, kogda to ili dru-
goje slovo serbskago proischozdenija, kaki, ib, .b, h i \)<j. (6442). Herr
Syrku erwähnt noch, dass der Lehrer »Vlasic-LCf, welcher ein gebürtiger
Krasovaner ist, vor ihm behauptet hat, dass die Krasovaner »serbische
und kroatische« Volkslieder singen, was gegen die Annahme, die Kraso-
vaner hätten keine ))proizvedenija narodnago tvorcestva« spräche (644).
Im Einklang mit der gezeigten ganz unbestimmten, ja sogar dunk-
len Auffassung des Verfassers in Betreff der principiellen Frage über
das Verwandtschaftsverhältniss des krasovanischen Dialectes zu den
sndslavischen Sprachen, steht auch dessen kurze Darstellung der Haupt-
eigenschaften des Krasovaner Dialectes : sie wimmelt von sonderbaren
Erklärungen und Ungenauigkeiten , welche insgesammt eine schwache
Vertrautheit des Verfassers mit der serbokroatischen Sprache bekunden i).
1, Ich werde folgende Beispiele anführen: »ö neredko zamenjajett ja-
snyj zvukx i po preimuscestvu a« (646); — »Ott h ostalist oceni. slabyje sledy«
?!!, 647;; — »slcdujeti otmetiti. esce obrazovanije suscestviteljnago iz
osnovy prilagateljnago : zidov — evrej, zidt« (647); — ». . . javljajetsja vo-
prost: jestb 11 forma ,clovika^ forma roditeljnago padezaili viniteljnago, kak-B
VT. bolgarskom-L?« (!); — ... »Forma tvoriteljnago padeza: s clovikam takze
napominajeti. formu bolgarskuju « (?!!); »No zenskoje sklonenije i sklonenije
prilagateljnycht i otcasti mestoimenij predstuvljajutt schodstvo stu sklone-
Archiv für slavische Philologie. XXV. 12
178 Lj. Miletic,
Es sei noch bemerkt, dass Herr S. auch einige Angabeu über die
äussere Erscbeinuug der Krasovaner erwähnt (044), indem er sich vor-
behalten hat, in einer speciellen Abhandlung ausführlicher über die
Ethnographie und Geschichte der Krasovaner zu berichten'), was jedoch
bis jetzt nicht geschehen ist.
Es soll noch einer curiosen Meinung neuestens Datums über die
Sprache der Krasovaner Erwähnung gethau werden. In der Zeitschrift
«Ucilisteni. Pregledi« (Ausgabe des Unterrichtsministeriums zu Sofia)
referirt K. Mahan über die Excursion, welche er als Lehrer sammt eini-
gen Schülern von der Lehrerpräparandie in Silistra nach Süd-Ungarn im
Sommer 1898 unternommen hatte und erzählt unter anderem, dass er
in Resica mit dem schon erwähnten Lehrer aus Krasova, Vlasic, zusam-
mengekommen ist und dass er dort Gelegenheit gehabt hat, nachdem er
die Banater Bulgaren in Vinga kennen gelernt hat, auch einige Kraso-
vaner zu sehen. »Ich weiss nicht wie — sagt Mahan — und es ist auch
nicht meine Sache zu erklären, aber es ist Thatsache, dass der Dialect
der krasovaner Bulgaren viel näher der jetzigen bulgarischen Sprache
steht, als der Dialect der Bulgaren in Vinga und Besenov; ja man kann
nijemt serbskimt vx formachi roditeljnago i tvoriteljnago padezej edinstve-
nago cisla. Krome togo, znaciteljnaja castt form'B mestoimennychi. javla-
jetsja schodnqju si. serbskimt sklonenijemi. mestoimenijas (647;; — Der
Locativ wird immer vom Verfasser mit der Präpos. « : »m clociku«, »ti Jjudjam«
(?), »u zeni«, »u zenu (?) angeführt. — »Vse glagoljnyja formy bolee serbskija,
za iskluceniiemi» formt buduseago vremeni, kotoryja, do nekotoroj stepeni
iraejutt schodstvo si bolgarskimi« (652); — »da, castica, kakt vt bolgarsk.
jaz., sluzascaja svjazju vsporaagateljnago i sprjagajemago glagolovt dlja iz-
bezenija infinitiva« (654); — »Este — u bolg. joste — esce«; — » Zezko, kak'B
bolgarskoje, — teplo, gorjaco«. — »Jayoda, — derevo« (655); — «Kurasevci —
oti. karasevakt« (!!) (641, 656). Es ist merkwürdig, dass Herr S. statt »Kra-
sevo«, »Krasovan« etc. auch »Karasevo<', »Karasevci« etc. gebraucht: die
Form kara- existirt nicht. — »Kuce — bolgarsk., sobaka«; — »K^rpa, — bol-
garsk. bela ktrpa, — belyj platokt na golove« ; — »Lajher, — bolgarsk. dolak-
tanki (ili dolabtanki), — muzskaja odezda . . .« ; — »Lajno — bolgarsk. kalt,
pometi.«. — »Presni, -a, -o, Ott presut, presni, bolgarsk. present .... svezij,
presuyj« (658) ; — »Film, -a, -o, bolgarsk., — poluyj« ; — »Sve da si, ^— svett
da si?» (659); — »hiljada, bolgarsk. hiljada Ott grecesk. xiKiudov ty-
sjaca« (660).
1) »ZdesL ja ogranicusi. etimi nemnogimi zamecanijami po etnografii ka-
rasevcevt. Boleje podrobnyja etnograficeskija i istoriceskija svedenija o
njicht sostavjatt predmett osobago razsuzdenija, kotoroje pojavitsja na
stranicacht Izvestij« (644).
Ueber die Sprache und die Herkunft der sog. Krasovaner in Süd-Ungarn, l 79
sagen, dass fast kein Unterschied bestellt (nämlicli zwischen dem Kra.^o-
vanischen und Bulgarischen). Ausserdem wird, nach der Behauptung
des Lehrers von Krasova, Herrn Vlasic, in allen sieben krasovanischen
Dörfern jetzt derselbe Dialect gesprocheuw (op. c. J. 189S, S. S25 — 26).
Es ist wirklich unerklärlich, wie Herr Mahai'i, welcher zwar ein Ceche
von Geburt ist, jedoch als langjähriger Lehrer in Bulgarien auch die
bulgarische Sprache kennt, keinen Unterschied zwischen der Sprache
»der krasovanischen Bulgaren« und der eigentlichen bulgarischen
Sprache zu merken im Stande gewesen ist. In dieser Frage darf man
auch den Einfliiss des Lehrers Vlasic, welcher sich auch in gewissen
Ansichten des Herrn Sj'rku geltend gemacht hat, nicht unterschätzen:
Vlasic glaubt fest an eine engere Verwandtschaft zwischen den Kraso-
vanern und den Bulgaren, namentlich den katholischen Bulgaren in Ba-
nat, ohne einen rechten Begriff über die Sprache der Bulgaren und der
Serbokroaten zu haben.
III.
Zuletzt will ich die noch offene Frage über die Herkunft der Kra-
sovaner ein wenig eingehender berühren.
Wie schon oben gesagt wurde, weist der krasovanische Dialect auf
eine ältere Heimat der Krasovaner südlich von der Donau hin, etwa im
Gebiete des sogenannten Resaver Dialectes des Serbokroatischen.
Ausserdem soll man als sehr wahrscheinlich voraussetzen, dass die Vor-
fahren der Krasovaner in ihre jetzige Heimat schon als Katholiken
herüber gekommen sind. Die älteste Nachricht über die Krasovaner in
Fermendzins CoUection »Acta Bosnae ecclesiastica« datirt vom J. 1628.
Zu dieser Zeit hat in Krasova (»Carassevo«) der franciskanische Missio-
när von der bosnischen Provinz (»della provincia di Bosna Argentina«)
Marco Bandulovic als Seelsorger gewirkt. Lange Zeit vordem sind die
Krasovaner ohne Priester gewesen, denn laut der Beschreibung, welche
Bandulovic über den damaligen Zustand der Pfarrei von Kvasova gibt,
hat es daselbst keine Kirche gegeben und SO — 90jährige Leute haben
seit ihrer Geburt nicht gebeichtet u. s, w. (op. c. 3Sr. In ähnlich
trauriger Lage hat derselbe Missionär die Krasovaner auch in Karan-
sebes und in Lipa gefunden*;. Für unsere Frage ist von nicht miu-
^j Bandulovic erzählt über den »uiiserrimum statum et conditionem
multaruui animarum iu potestate diabolica absque pastore ac coelesti duce a
12*
180 Lj- Miletic,
derer Wichtigkeit die Thatsache, dass die Krasovaner damals, obgleich
sie Katholikea waren, dennoch den alten Kalender hielten i), was eben-
falls auf südliche Heimath in Altserbien hinweist, wo die durch fran-
ciskanische Missionäre zum Katholicismns im XIV. — XV. Jahrh. be-
kehrten älteren orthodoxen Serben, geradeso wie es in Nord- und Süd-
Bulgarien mit den sogenannten Paulichianern der Fall gewesen ist,
lange Zeit nachher noch den alten Kalender behielten. Auch der Um-
stand, dass Missionäre von der bosnischen Provinz, welche hauptsäch-
lich für die Katholiken in Serbien zu sorgen hatten, zu den Krasovanern
geschickt wurden, weist auf ältere Zugehörigkeit der letzteren zu dem
Episcopat von Prisren. Denn die Krasovaner sind unter der serbischen
Custodie geblieben auch später, als nämlich zu Mitte des XVII. Jahrh.
die bulgarische von der bosnischen Custodie endgiltig getrennt wurde 2).
Und zu derselben Zeit, als Bandulovic in Krasova sich bemüht hat, die
verfallene katholische Kirche in Krasova zu heben, befanden sich auch
die wenigen Reste der ehemaligen blühenden katholischen Episcopie
von Prisren respective von Novobrdo (Novamente) fast in demselben
vernachlässigten Zustande 3). Und das ist in Folge der Katastrophe,
welche über den Katholicismus in Altserbien, namentlich in Novobrdo,
Janjevo, Trepcia, Pristina, Novipazar, Krusevac, Procuplje u.a., in der
Mitte des XV. Jahrb. herangekommen ist, als nämlich etwa im J. 1466
die Türken die Kirche in Novobrdo zerstört und dann die städtische
Bevölkerung nach Constantinopel verschleppt haben (s. Jirecek, Gesch.
multis temporihis et annis positarum Inter illos homines diu derelictos
a sacerdotibus catholicis, orte sunt et oriuntur sismata, heresia ceterique quam
plurimi errores et hoc ob carentiam sacerdotum catholicorum« (op. c. 382).
1) In einem Briefe von Fr. Th. Ivkovic (v. J. 1630) wird erwähnt, dass
M. Bandulovic und sein Gefährte in Krasova sehr dürftig leben : »perche
quella gente uon ha usanza di far eleemosina, et tiene il cahndario antico, ma
pur sono catholici et sono in poco tempo boni« (op. c. 394).
-] Der bulgarisch-katholische Bischof Deodatus sagt an einer Stelle
is. Fermendzin, Acta Bulg. eccles. 247 v. J. 1654): ». . . non havendo da far
niente la Servia con quella provincia della Bulgaria et perö di novo ne
affermo et testifico, che quelli pochi christiani, che stanno nella Servia, siano
stati sempre sotto la cura del vescovo di Prisrena et primate di [Servia,
quando perö vacava la chiesa di Frisrena«.
3) Petrus Masarechi, Erzbischof von Antivari, sagt in einem Briefe vom
J. 1630: «... e Prisren con li suoi villaggi e terre nel interno ha migliaia de
cattolici, che per mancamento di sacerdoti si vanno perdendo« (Acta Bos-
nae, 398).
Ueber die Sprache und die Herkunft der sog. Krasovaner in Süd-Ungarn. 181
d. Balg. russ. Uebers. 517). Der Katholicismus in Altserbien hat da-
mals viel Schaden erlitten, als nach dem Feldzuge des Königs Viadislaus
von Ungarn (1443) die katholischen Gemeinden von Novobrdo, Smede-
revo, Golubac, Krusevac, Prokuplje unter die Macht des serb. Despoten
Brankovic verfielen, welcher heimlich gegen die Katholiken gesinnt ge-
wesen ist, weil, wie es scheint, er, sowie die Türken, in ihnen gefähr-
liche Agenten der Österreich-ungarischen Monarchie gesehen hat^;.
Bald darauf ging fast ganz Serbien unter die türkische Herrschaft über,
und zweifellos damals haben die Katholiken Altserbiens, ausgesetzt der
türkischen Rachsucht, am meisten gelitten. Es ist sehr wahrscheinlich,
also, dass während der zweiten Hälfte des XV. Jahrb., wenn auch nicht
früher, ein Theil von diesen Katholiken sich nach Norden über die
Donau in die wilden und unzugänglichen Gebirge von Krasova und der
Umgebung geflüchtet haben. Dass die jetzigen Krasovaner schon im
XV. Jahrb. in ihre jetzigen Wohnsitze sich angesiedelt haben, ist sehr
wahrscheinlich auch desswegen, weil sie, wie schon oben hervorge-
hoben wurde, jetzt gar nicht ihrer Herkunft aus Süden sich bewusst
sind und in nationaler Hinsicht nicht durch irgendwelche Traditionen
mit den Serbokroaten verknüpft sind. Endlich auch der Umstand, dass
die Krasovaner, laut den oben angeführten Zeugnissen der franciskani-
schen Missionäre vom Anfange des XVH. Jahrb., ein ganzes Menschen-
alter vorher in religiöser Hinsicht ganz vernachlässigt, ohne Priester,
gelebt haben, und doch sich als Anhänger des Katholicismus bewahrt
haben — spricht zu Gunsten der oben dargestellten Hypothese, welche
selbstverständlich erst gründlich vom historischen Standpunkte ge-
prüft werden muss.
ij Vgl. einen Brief vom J. 14.55, in welchem J. Capistranus sich gegen
Despot Brankovic beklagt: ». . . . Eo me siquidem ratio compulit et coegit
ad scribendum, nam cum proximis diebus collocutus essem cum despota
Rasciae, qui hie a dominis et baronibus hujus regni Hungariae auxilium pro
tutandis dominus suis et recuperaudis deperditis postulabat, inveni eum adeo
miile sentientem de fide catholica et in erroribus suis pertinaci duritia per-
severantem, quod in omnibus christicolis maxime est dolendura .... atque
fidei nostrae impensius studendnm« ;Acta Bosnae 224 .
Sofia, 1. VH. 1902. Dr. Lj. Miletic.
182
Zur Li(inidametatliese im Slavischen,
Torbiörnsson, Tore: Die
gemeinslavische Liquidameta-
these. I. Upsala 1901. S«. 107 S.
(in »Upsala üniversitets Arsskrift«
1902).
Das einer befriedigenden Lö-
sung immernoch harrende Problem
der urslavischen Lantgruppen ort.
olt^ tort^ tolt^ tert., telt^) und was
alles damit zusammenhängt, hat in
H. Torbiörnsson einen unermüd-
lichen Forscher gefunden. Schon
im Jahre 1893 widmete er diesem
Problem eine Schrift: Likvida-
metates i de slaviska spräken
(ebenfalls in der Upsala Univ.
Arsskrift 1891 — 1S94). Um
diese Abhandlung einem weitereu
Leserkreise zugänglich zu machen, veröffentlichte er sie auch in Bezzen-
bergers «Beiträgen«, Bd. 20 (1894), S. 124—148. Hier behandelt er
die Resultate der erwähnten Lautgruppen ausführlicher nur im Russi-
schen, Polabischen und Sorbischen, während die anderen slavischen
Sprachen nur flüchtig berührt werden. Er stellt sich vor allem die Frage :
welches war die gemeinslavische Form dieser Lautverbindungen, und
wie sind aus dieser gemeinslavischen Form die in den verschiedenen
slavischen Sprachen thatsächlich vorhandenen Formen entstanden?
(S. 126) und bespricht zunächst die verschiedenen Resultate, welche an-
lautendes ursprüngliches or-., ol- und inlautendes -or-, -ol- im Russischen
liefert: röv7iyj\ rido gegen (jörocl^ gölod^ goröch, Jcolöda] Torbiörnsson
fragt nun, wenn man in görocl^ qölod (analog auch böreg, bereza etc.)
den zweiten Vocal als Einschiebsel zwischen r, / und dem folgenden
1) t kann in diesen Gruppen jeden beliebigen Consonanten bezeichnen.
Zur Liquidametathese im Slavischen. 183
Consonanten (Svarabhaktivocar erklären wollte, warum hat *orcb}i7>
nicht auch zu einem entsprechenden Resultate geführt? Deshalb glaubt
er eine jede Erklärung verwerfen zu müssen, die den zweiten Vocal als
secundär erklärt. Er will beide Fälle, den Anlaut und Inlaut, einheitlich
erklären. Auch *gord wäre durch die Metathese (ebensowie orvhm zu
rovwryj) zunächst zu *f/rod geworden. Da aber dieses grod nicht bleibt
wie z. B. dieselbe Lautgruppe m prositb, wo sie schon ursprachlich ist,
so müsse das r in der neuen Stellung doch einen anderen Charakter ge-
habt haben, es müsse nämlich silbenbildend gewesen sein: 3ins*gord
wäre demnach eigentlich zuerst 'grod entstanden, das dann im Russi-
schen zu gorod führte. Während man nun weiter zumeist annahm, dass
sich in den polabischen Worten clwrna j) Nahrung«, gord »Schloss«,
torta uThor« etc. das unveränderte vorslavische -or- wiederfinde, hält
es Torbiörnsson für secundär. Nach ihm hätten wir es auch hier mit der
Uebergangsstufe * grod zw thun, aus welcher sich dann gord entwickelte.
Ebenso deutet er auch eine Eigenthümlichkeit des Sorbischen auf dem
Gebiete unserer Lautgruppen im Sinne seiner Hypothese. Es handelt
sich hier um die Thatsache, dass r in den ursprünglichen Verbindungen
h\ pr^ tr assibilirt oder zu einem Ä-Laute geworden ist. Vor palatalen
Vocalen ist dies sowohl im Ober- als auch im Niedersorbischen gesche-
hen, vor anderen Vocalen nur im Niedersorbischen (Mucke, S. 221 ff. u.
223 ti'.]. Ist aber die Gruppe ^r^pr, fr erst durch Metathese entstanden,
so bleibt — bis auf einzelne Ausnahmen — das r unverändert. Es muss
nun eine Zeit gegeben haben, in welcher die ursprünglichen Gruppen
kr, pr, tr neben den durch Metathese entstandenen Gruppen kr, pr, tr
gleichzeitig bestanden. Da aber das Resultat dennoch verschieden ist,
so müssen sie sich irgendwie unterschieden haben. Dieser Unterschied
bestünde nun nach Torbiörnsson wiederum darin, dass man es in der
letzteren Reihe mit einem kr, pr, tr zu thun habe.
So gelangte Torbiörnsson zu folgenden drei Resultaten (S. I44j:
1. der erste Vokal der russischen VoUautsformen torot, teret etc.
ist secundär;
2. polabisches tort ist nicht unmittelbar mit vorslavischem
fort identisch;
3. das sorbische trot, das polabische tort, das russische torot hat
sich aus trot, das auf das ursprüngliche tort zurückgeht, entwickelt.
Dasselbe gilt auch von tlot, tret, ilet aus tolt, tert, telf.
In der eingangs erwähnten Schrift kommt nun Torbiörnsson noch
1 84 W. Vondräk,
einmal auf alle hier berührten Fragen zurück. Nebstbei berücksichtigt
er aber hier auch das Südslavische, Böhmisch-Slovakische, das Kasubi-
sche in seinem angeblich nahen Verhältnisse zum Polabischeu und be-
handelt hier überhaupt noch andere sprachlichen Eigenthümlichkeiten,
die mit unseren Lautgruppen irgendwie zusammenhängen, so insbeson-
dere: den VoUaut im Kleinrussischen und die Dehnung der Vocale o, e
zti i (S. 22 — 25); den Einschub von t in der gemeinslav. Verbindung 6t
(S. 28 — 35), woran sich eine übersichtliche Chronologie zu den konso-
nantischen Lautgesetzen des Gemeinslavischen anschliesst (S. 35); dann
folgt eine eingehendere Behandlung des urslav. el (S. 36 — ^49), die Ac-
cent- und Quantitätsverhältnisse (8. 50 — 58). Den Schluss bildet ein
Wortverzeichniss (S. 59^ — -107) und zwar sind hier nur die Worte mit
A) or-, ol- im Anlaut, wobei weiter nach dem Accent unterschieden
wird, B) mit -e/-, -ol- im Inlaut. Es fehlen also noch insbesondere die
Worte mit or im Inlaut, was offenbar in einer weiteren Schrift nachge-
tragen werden soll.
Unter den Gründen, die Torbiörnssou für die Ansetzung solcher
Formen wie "^vrona u. s. w. früher ins Feld führte, möchte er hier die
o '
Entwickelung der inlautenden Verbindungen or, ol gegenüber der an-
lautenden im Russ., Böhm., Polab. und Kasub. ganz besonders her-
vorheben und zwar in folgendem Schema (S. 4):
Im lulant
Im Anlaut
russ.
görod^ gölod
: roz-, lökoth
böhm.
hrad, lilad
: roz-^ lohet
polab.
gord^ gläd
: rüz-^ lüJHt
kas.
gard^ glbd
: roz-^ iokc
gemeinsl
iav. ^nrod^, *QIod^
: ^roz-, *lok^fb
urslav. *gord^^*gold^ : ^orz-^'^olkbi'b.
Füge man noch das Sorbische hinzu, so führen alle vier Dialect-
gruppen (russ., polab., kas., poln. u. sorb.,böhm.-slovak.mitdemSüdslav.,
auf ^grod^^ ^^l'^^'^ zurück ; die Ansetzung dieser Formen stelle also für
das Gemeinsl avische keine blosse Vermuthung, sondern den einzigen
(!) Ausweg dar, dem Material gerecht zu werden. Das ist eine allerdings
etwas zu selbstbewusste Sprache, welche nur dann einigermaassen be-
rechtigt wäre, wenn die hier vorgetragenen Ansichten einer objektiven
Kritik halbwegs Stand halten könnten. Das ist nun hier, wie wir sehen
werden, kaum der Fall, und es war daher H. Torbiörnsson nicht berech-
Zur Liquidametathese im Slavischen. 185
tigt. übe: die anderen Ansichten, die von der seinigen abweichen, so
abzuurtheilen, wie es in der vorliegenden Schrift geschieht.
In dieser Schrift werden eigentlich keine neuen Beweisgründe ins
Feld geführt, sondern es werden hauptsächlich die oben erwähnten laut-
geschichtlichen und etymologischen Fragen, die in Zusammenhang mit
der Liquidametathese stehen und hierdurch in ein anderes, und zwar
nach Torbiörnssons Ansicht in ein rechteres Licht gerückt worden sind,
erörtert. Wir können daher hier gleich Torbiörnssons Hypothese näher
prüfen, und alles, was noch dafür sprechen soll und hier noch gelegent-
lich angeführt wird, kann bei der Erörterung der betreffenden slavischen
Sprachen in dieser Hinsicht vorgebracht werden.
Ich will hier nun ohne weiteres zugeben, dass Torbiörnsson's Hy-
pothese im ersten Momente blenden kann: sie ist scheinbar geeignet, die
vielen Schwierigkeiten, die sich an unsere Frage knüpfen, in einer be-
friedigenden Weise zu lösen. Aber dieser günstige Eindruck währt
leider nicht lange, bei einer genaueren Prüfung erweist sie sich eben
auch als unhaltbar. Ich will hier gleich ihren wundesten Punkt berühren:
ein ursprüngliches ioj't soll gleich zu frot werden. Wir wissen ja und
geben es gern zu, dass das r seine Stelle vertauschen kann, dass es aber
gleichzeitig sein Wesen derartig alterirt und zu einem silbischen bei
dieser Gelegenheit wird, das wird Herrn Torbiörnsson kaum Jemand
glauben können. Warum sollte es silbisch werden, wenn es seinen Platz
aufgegeben hat? Sollte etwa nur deshalb ein trot und nicht ein trot zu
Stande gekommen sein, weil schon z. B. in prositi von Haus aus das r
sich in einer analogen aber erbersessenen Stellung befand? Das kann
doch kein stichhaltiger Grund sein. Sollte es eine grössere Neigung zu
dem Consonanten als zu dem folgenden Vocale sein (denn nur so ist ein
silbisches r, z. B. in trot, zu verstehen)? Da würde man etwas dem Ge-
meinslavischen zuschreiben, was sich darin gar nicht nachweisen lässt.
Ein silbisches ^- dieser Art können wir überhaupt nicht im
Urslavischen nachw^eisen, und schon aus diesem Grunde ist
es recht unwahrscheinlich, dass hier ein r bloss in Folge
einer Metathese silbisch werden könnte. Denn, wenn man
fürs Urslavische noch ein tort. ein gorch, PH^'^^ welche bei den letzteren
Typen im Russischen angesetzt werden, annehmen wollte, so wäre das r
in dieser Stellung {rt) noch nicht identisch mit einem r, z. B. in ti' u. s.w.
Von einem tort kann man also nicht zu einem /ro^ gelangen. Aber selbst
auch wenn man die Uebergangsstufe tort annehmen wollte, d. h. wenn
186 W. Vondräk,
man ans tort zunächst ein tort entstehen Hesse, aus dem sich dann trot
entwickeln sollte, so würden nebstbei noch andere Scbwieiigkeiteu auf-
tauchen. In trot aus tort hätte ja dann das r eine ganze Silbe (in
unserem Falle -o-) übersprungen. Wir können uns dabei doch nur dann
die Metathese erklären, wenn vorausgesetzt wird, dass das r zu dem o
in irgend welche Beziehung trat, in seine Silbe eindrang. H. Torbiörnsson
hält es zwar nicht für wahrscheinlich, dass ein tort vorausging (BB. 20,
S. 145), aber bei der Annahme eines trot wird man auch zu ^or^ förmlich
gedrängt (dieses hat auch Fortunatov angenommen).
Gehen wir aber weiter, ort gibt bekanntlich ein anderes Resultat
als tort. H. Torbiörnsson glaubt es aber doch nach einem und dem-
selben Princip erklären zu müssen, d. h. er nimmt an, in beiden Fällen
wäre eine Metathese eingetreten, nur hätte im ersteren Falle das r seine
Qualität bewahrt, so dass wir nur zu einem rot^ beziehungsweise rat
(durch Accentdifferenzirungen), gelangen, während es im zweiten Falle
zu einem r geworden wäre. Auch diese verschiedenartige Behandlungs-
weise des r, die da angenommen wird, ist nicht recht glaubwürdig. In
prositi vertrug sich das r ohne weiteres mit dem folgenden o, daher
bildete hier [jro- eine Silbe, in grod aus gord musste das r offenbar eine
Abneigung gegen das o haben, da es lieber mit g eine Silbe bildete :
gr-. Diese Abneigung des r gegen den folgenden Vocal nach der Meta-
these müsste sich aber auch dort äussern, wo kein Consonant vorhergeht,
also in rot aus ort. Ich sehe nicht ein, wenn die obige Annahme richtig
wäre, warum dann auch hier nicht das Resultat ein rot wäre. H. Tor-
biörnsson wird doch nicht einwenden können, die Liebe des r zum Con-
sonanten wäre grösser als seine Abneigung zum nachfolgenden Vocal,
so dass es sich bei Abgang eines Consonanten dem verschmähten Vocal
in die Arme geworfen hätte. Solche Caprizen können wir dem sonst so
wankelmüthigen r doch nicht recht zumuthen. Da das Urslavische be-
kanntlich nur offene Silben duldete, so musste sich das r, wenn es schon
einmal aus seiner altererbten Stellung aufgescheucht und verdrängt
wurde, uoleus volens in solider Weise dem nachfolgenden Vocal an-
schliessen und mit ihm eine Silbe bilden. Ein grod aus gord kann dem-
nach neben einem rot aus ort keinen besonderen Anspruch auf eine ge-
wisse Wahrscheinlichkeit erheben. Uebrigens nimmt H. Torbiörnsson
an, dass das r auch im Anlaut in den metathesirten Wörtern von dem r
in anderen Fällen durch grössere Anzahl der Schläge iZungenschläge)
wahrscheinlich verschieden gewesen wäre (Die gmsl. Lmth. S. 15). Das
Zur Liquidametathese im Slavischen. 187
sieht aber schon verzweifelt ähnlich einem r, wenn er es auch durch r
graphisch darstellt, und der von ihm statuirte Unterschied zwischen
einem r in rot aus ort und einem ?• in *(jrod aus *gord wäre dadurch
wieder so gut wie aufgehoben.
Eine Thatsache, die aber am meisten gegen die Ansetzung eines
gemeinslavischen grod aus gord spricht, wird bei der Behandlung der
Lautgruppen Ui-t, thrt angeführt werden.
Wie soll aber sonst die Differeuziruug zwischen ort (im Anlaute)
und tort (im Inlaute) erklärt werden ? Was die erstere Gruppe anbe-
langt, so glaube auch ich, dass sie schon im Urslavischen zu rot bez.
rat führte, von welcher Annahme bekanntlich Fortunatov ausging.
Wenn es sich nun um die Gründe handelt, welche es veranlassten, dass
diese Gruppe zuerst beseitigt wurde, so glaube ich auf folgendes auf-
merksam machen zu müssen. Wollte man die zu beseitigende Schwierig-
keit bloss in dem Zusammentreffen des r mit dem folgenden Consonanteu
suchen, so wäre es freilich nicht zu begreifen, warum auch in tort der-
selbe Vorgang nicht gleichzeitig beobachtet werden sollte. Die zu be-
seitigende Schwierigkeit muss demnach bei ort noch wo anders stecken.
Ich vermuthe sie nun in dem vocalischen Anlaut. Wenn wir den
vocalischen Anlaut im Urslavischen näher prüfen, so kommen wir zu
folgenden Kesultaten. Kein Wort konnte bekanntlich mit einem k, 'K
oder 'Kl anlauten. Analog verhielt es sich offenbar auch mit f-, daher:
jelenh^jesmh^jezh, Jehchä^ Jezero u. s. w. Aber wir finden Spuren,
dass selbst bei a und o [(i) der vocalische Anlaut in gewissen Fällen
gemieden wurde und das kommt hier vor allem in Betracht, z. B. Bli
raRlc, raßHTH neben aiiHiMi, ai. äüis adv. «offenbar«, lit. ovije »im
Wachsen«. Alle slav. Sprachen haben in raUA'KKO und was davon ab-
geleitet ist ein / im Anlaut mit Ausnahme des Aksl. und Bulg., wo auch
Formen ohne y vorkommen (vgl.lit. o^w/as, ohelis, \&ii.ähoh)\ dasselbe
gilt von rar H/Ä (vgl. lat. a^/ww«), aksl.yq;c »Ei«, serbokr. y^y^, böhm.
vejce^ dial. vajco^ vajko etc., vgl. gr. Coov\ jastreb^ »accipiter; oKro
\ästro\ vgl.[lat. accipiter^ gr. co/.v-TteTr^g, ai. ciQupätvan (Meillet, Mem.
11. S. 1S5); Javor^, vgl. d. »Ahorn«; russ. ya/>;orfo , lit. inkaras, lat.
ancora. l€CEHb »Herbst« ist offenbar aus ^josenh und dieses aus *osenh
entstanden, vgl. got. asans »Erntezeit«, gr. *6ciqü in ditiooä »Nach-
sommer«. Hierher gehört vonja »odor« neben achati »riechen«, vgl.
got. anan. Man vgl. auch \x^^<^ neben Kh^AA und ;^3a, dann B;RC'k
neben ;*ic'K und qsenica neben gqsenica ^ v.üoy. vöse?icci, gösenca;
188 W. Vondräk,
raro/i,a »Beere«, lit. üga »Beere, Kirsche« u.s. w. Man ersieht daraus,
dass zwar der vocalische Anlaut, namentlich bei o, nicht etwa eine
Schwierigkeit bot, die unter allen Umständen gemieden werden musste.
denn wir haben ja eine grosse Anzahl von Worten, die mit o anlauten,
aber wenn sich eine günstige Gelegenheit bot, so wurde dieser Anlaut
offenbar doch gemieden, ich meine wenn in der Nähe z. B. ein r war,
das seinerseits mit dem ihm nachfolgenden Consonanten eine schwer
auszusprechende Gruppe bildete und daher seine Stellung aufgeben
musste. Noch deutlicher ist aber dieses Princip bei anlautendem a ent-
wickelt und darauf kommt es uns hier, wie es sich weiter unten zeigen
wird, vor allem an. Trat dieses r in den Anlaut, so wurden dadurch
zwei Schwierigkeiten vermieden, die an und für sich nicht unüberwind-
lich waren, die aber in ihrem Effect sich potenzirten, so dass aus einem
art^ ort ein rat^ rot werden konnte. Wie unter gewissen Umständen
der vocalische Anlaut gemieden wurde, ersehen wir z. B. aus HHOro
hftSiviKa lecH, raujTC cero Heo\i'B'fe,\'S Supr. 361. 29, während wir
sonst überall aiUTt haben (in unserer Stelle endet das vorhergehende
Wort mit einem Vocal, vielleicht kommt hier aber noch mehr in Betracht
der Umstand, dass zwei vorhergehende Worte bAB'kiKa und l€CH eben-
falls mit einem/ anlauten). Dieser Zustand des Urslavischen bezüglich
des Anlautes führte dann in den einzelnen slavischen Sprachen zu mehr
ausgebildeten Neigungen. So Hess z. B. das Russische bei o im Anlaut
die Jotation wieder schwinden, nachdem sich diese im Urslavischen bei
anlautendem e entwickelt und im Russischen das e in o durch den Um-
laut verwandelt hatte, z. B. ozero gegen jeze7'o der anderen slavischen
Sprachen (lit. ezeras^ lett. ezars).
Dieselbe Erscheinung, welche wir bei art annahmen, sehe ich auch
bei kamy »Stein«. Das Wort kann man nicht von lit. akmü »Steiner
trennen, und an letzteres schliesst sich das griech. cxyauov an.
Wenn damit weiter ai. älman — »Donnerkeil« verglichen und von
einer Wurzel ak- »spitz, scharf« ausgegangen wird (vgl. äsri-t;, lit.
äszmens pl. tant. »Schneide«, astrns » scharf (f, aber auch lit. akütas
»Granne«, slav. ostr^ »scharf«), so ist das eine Frage für sich, die zu-
nächst den Wechsel dcK Gutturallaute betrifft und uns hier nicht weiter
zu beschäftigen braucht.
In einem urspr. akmon fanden nun die Slaven einen vocalischen
Anlaut und eine für den Silbenanlaut doch ungewöhnliche Consonanten-
gruppe, nämlich km (man bedenke, dass k damals ein hinterer Guttural-
Zur Liqiiidametathese im Slavischen. 1 g9
laut war). Also auch hier nehme ich zwei Factoren an, die die Um-
stellung zn*ka?)2ön, hamij bewirkten. Das armenische Jcamurj »Brücke«
wird man also damit nicht vergleichen können, es sei denn, dass sich
auch hier eine ähnliche Umstellung nachweisen liesse. Hirt nimmt ein
idg. Thema akanwn »Steinif an Der idg. Ablaut. 1900. S. 137). Die
Vollstufe der ersten Silbe hätte sich erhalten in lit. ahnä, ai. a^mä —
»Stein«, gr. cr/.ucov, die Vollstufe der zweiten Silbe dagegen in aksl.
kamt/, gr. y.auivog »Ofen«, ahd. hamar. Das ä in kamy wäre eine
Dehnung, die freilich nicht erklärt wird. Mir ist aber die Zusammen-
stellung des kainij mit y.ccf.iwog nicht recht wahrscheinlich ; schon die
verschiedene Quantität der Vocale spricht dagegen dasselbe gilt auch
von hamar). Ich lasse also kamy speciell auf slavischem Boden
entstehen. Die Praejotirung war noch nicht aufgekommen.
Das Resultat der vorausgesetzten urspr. Gruppe ort ist nun zwei-
fach; entweder finden wir in allen slavischen Sprachen rat, z.B. aksl.
rame »Schulter«, bulg. rämo »id.c, serb. rchne, sloven. rdme, poln.
ramie «Arm«, nsorh. ramj'e, ohevsorh. ramj'a, polab. ramt?, höhra. trime,
rameno. russ. rämo., vgl. lat. artyncs, ahd. aram^ arm., lit. ärms. Oder
aber finden war ra-, la- im Südslavischen und theilweise im Slovaki-
schen. während das Russische mit den westslavischen Sprachen ein
ro-, lo- aufweist. Freilich einzelne Abweichungen finden sich auch
hier. Dem lit. alküne »Ellenbogen, Unterarm« entspricht in dieser Hin-
sicht im Aksl. lak^tb^ bulg. lakaf, serb. lakaf, slov. lakdf, aber poln.
iokiec, nsorb. ^oki, osorb. iokc., kas. ^okc, polab. lükit, böhm. loket,
russ. lökotb. Dagegen haben wir z. B. neben dem südslavischen raz-
auch schon im Aksl. sporadisch roz-, im Russ. roz- und ras- u. s. w.
Es handelt sich nun vor allem zunächst um die Erklärung dieser
zwei Gruppen von Worten mit ra-, la- in allen slav. Sprachen und dann
der zweiten, die theils ra-, /«-, theils ro-, lo- aufweist. Es sind hier
zwei Hypothesen aufgestellt worden. Man meinte, dass dort in allen
slavischen Sprachen ein rat zum Vorschein komme, wo es sich ursprach-
lich um ein ari- handle (vgl. IF. Anz. IV, S. 60), da ja die meisten, ja
vielleicht alle dieser Worte wirklich auf idg. «r^-, alt- zurückgehen.
Nach einer anderen Hypothese sollen diese verschiedenen Resultate auf
accentuelle Unterschiede zurückgehen: urslav. *orÄ^j, russ. rost^.| serb.
rast hätte einen fallenden Accent gehabt, dagegen ursl. *ordlo., russ.
rälo^ serb. ralo, böhm. rädlo einen steigenden. Es ist bemerkeus-
werth, dass die hierher gehörigen Worte fast alle im Serb. einen gleichen
190 W. Vondräk,
Accent haben: serb. ItUom, russ. Idkomyj (alkäth), \it. älkstu, älkfi
»hungern«; sevh. Idne, lauäd, russ. lanb, Wt. elnis »Hirsch«; serh.rdka.
russ. rd/ca ; rdl, rilla (bei Yuk als kroatisch angegeben, ein Feldmass =
1600 n° bei Nemanic I. 13 n//, rdla)\ serb. rTdo^ £ak. rälo^ russ.
i'älo^ lit. drklas »Pflug«; serb. rdme, russ. rdmo, lit. ärms: serb. rat.
russ. 7'a^fe; serb. ra^a;' [rata?'], kleinruss. ratdj, lit. m-töj'is. Hinsichtlich
des Accentes (aber nur des Accentes) weist das inlautende tort, wenn.
er steigend ist, analoge Erscheinungen auf: serb. vräna, russ. voröna.
böhm. üräwa, lit. vdrna. Dagegen bei fallendem Accent: sevh. Idc/j'a.
aber cak. läj'a, russ. lodhjd neben lödbja (kleinruss. lödja.^ hier schwankt
also die Betonung); SQxh.ldkat^ russ. lökoth^ l\t. ülektis [ölektis] »Elle«;
serb. Idni [Idni^ Idne)^ russ. I6ni\ serb. Idp^ russ. I6patih\ serb. rdom^
rdvan, russ. rövnyj^ serb. räza7y\ rdzuja, russ. rozem, roznä; serb.
räkita, kleinruss. roA-yte; serb. rast, rdsta (cak. rdst, rdsti f.) »Wachs-
thum«, russ. rösth (serb. rdsti^ rdstem^ slovak. räst\ russ. rosH und
rasii) .
Diese Fälle haben hinsichtlich des Accentes ihre Parallele im in-
lautenden tort mit fallendem Accent, z. B. serb. «mw-, russ. vörom^
lit. vafnas. Serb. ro6 weicht ab, was noch zur Sprache kommen wird.
Diese in so vielen Fällen übereinstimmenden Accente kann man wohl
nicht für zufällig halten. Andererseits aber ist doch auffallend, dass bei
gemeinslav. anlautendem ra ein ursprachliches a häufig oder immer vor-
kommt: ralo^ radloj lat. arare^ gr. ciq6io\ raka^ lat. circa] rame, lat.
armus^ ahd. ararn. arm. Es werden demnach wohl beide Factoren zu
berücksichtigen sein. Ein secundär langes a erhielt sich in der art-
Stellung als solches, wenn es den steigenden Ton hatte, d. h. wenn
die Silbe nach Fortunatov als fortdauernde Länge erscheint. Hatte
es den fallenden Ton, d. h. erscheint die Silbe als unterbrochene
Länge, so wurde das secundär lange ä verkürzt zu a, das dann o er-
geben musste. Auf diese Art würden wir das russ. rölhja^ pol. rola.,
böhm. role^ ro/e begreifen. Aksl. rahja^ slov. ral kann von den ver-
wandten Worten mit ra- beeinflusst sein, oder aber es hat ein slavisches
Gebiet gegeben, auf dem die secundäre Länge des a selbst unter den
angegebenen Verhältnissen erhalten blieb, und das ist mir wahrschein-
licher. So wäre auch klruss. ro^7/i!a «Purpurweide«, ^olxi.rokita »Sand-
weide«, böhm. rokyta »Palmweide(f, serb. rdkita »Rothweide«, bulg.
rakita »Weide« zu beurtheilen, falls mau es wirklich mit lat. arcus zu-
sammenstellen muss.
Zur Liquidametathese im Slavischen. 191
Ganz analog wie das anlautende uvsprachl. art mit steigendem Ton
Avurde auch akm- behandelt in aksl. kamy, serb. kcimeti, slov. hämen^
russ. kämenh^ klruss. käminb, böhm. kämen (dial. kamen), polu. kamien
u. s. w., lit. akmü (der lit. Accent weicht ab).
Ein secuudär lang gewordenes ö in der Stellung ort- wurde im
Rassischen und Westslavischen (von dem das Slovakische hier theilweise
ausgeschlossen werden mnss) unter beiden Accentarton zu o wieder ver-
kürzt, was oflenbar nur so möglich war, dass es nicht die volle Länge
erreicht hatte, nur sporadisch scheint es im Russischen die volle Länge
erreicht und behauptet zu haben [rasti und rosli, ruaih u, rosh, serb.
rast, rüstet, t-ak. rast, rästi f.). Man wird wohl hier nicht immer
kirchenslavischen Einfluss suchen müssen. Auf dem Gebiete des Ge-
meinslavischen, aus welchem das Südslavische und zum Theil das Slo-
vakische hervorging, erreichte o die volle Länge und bewahrte sie, doch
kamen auch hier Fälle mit verkürztem o vor, was offenbar zunächst bei
fallendem Accent möglich war, z. B. raz- neben roz- und and. Serb.
roh fasst man auf als ein Lehnwort aus dem Nordslavischen. Diese
Annahme ist aber wohl nicht unbedingt uothweudig, wenn wir hier auch
einen anderen Accent erwarten möchten.
Es handelt sich nun um die Erklärung dieser Erscheinungen. Die
Metathesis fällt hier in jene Zeit, als das r, l schon die Tendenz hatte,
sich in der nächsten Silbe heimisch zu machen. Man suchte sich schon
mit dem r, l in der zweiten Silbe, so gut es ging, abzufinden. Das war
offenbar nur dann möglich, dass sich aus dem r, l ein r, 7 zu entwickeln
begann : o-rto ^), oder dass nach r, / sich ein svarabhaktisches vocali-
sches Element geltend machte: o-r''to [o-rhto). Offenbar tauchten
gleichzeitig beide Principieu auf, ohne dass es noch dem einen oder dem
anderen gelungen wäre, sich auf einem Gebiete ausschliesslich zu be-
haupten. Wäre es hier schon zu stabilen Verhältnissen gekommen, so
hätte sich nicht so leicht die Metathesis schon damals einstellen können.
Es kam daher noch nicht zu einem allgemein geltenden o-rto, o-lto,
aber auch nicht zu einem derartigen o-7-''lo [o-rhto), to-lHo [to-hto).
^] Ein r, / bemerke ich ganz genau z. B. im Böhmischsn im Anlaute,
wenn nach dem r, l noch ein Consonant folgt, z. B. rdousiti wird so aus-
gesprochen, dass man ein r-rrfowst^i deutlich hürt, ebenso r-tuia.\s r-rtui, Isticy
als l-htivij u. s. w. Dasselbe natürlich im Silbenanlaut, wenn die vorher-
gehende Silbe mit einem Consonanten endet; sonst wird das r, l in die vor-
hergehende Silbe Kezoffen : zarclousiü = zar-dousiti.
192 W Vondräk,
Die Differenz dieser beiden Varianten war allerdings nicht gross und
bestand vornelimlich in einer verschiedenen Anzahl der Zungenschläge,
die bei r, / grösser zu werden begannen, als bei r, l der zweiten Art.
In dieser Zeit des Schwankens taucht das Princip der Metathese
auf, das gefördert wurde, durch das Streben, den vocalischen Anlaut zu
meiden. Dieses Princip machte sich jedenfalls bei ursprachlichem art,
alt zuerst geltend, als das urspr. a im Slavischen mit o noch nicht zu-
sammengefallen war. Wir haben ja oben gesehen, dass das Streben,
den rein vocalischen Anlaut zu meiden, bei a mehr ausgebildet war als
bei 0. Die ort-^ o/^- Gruppen wurden offenbar erst von der art-^ rat-
Gruppe mitgerissen.
Die secundären Silben rto^ tHo^ Ito, Vto erforderten nun zu ihrer
Aussprache eine über das Normale der kurzen Silben gehende Zeit: sie
erreichten fast die Quantität der von Haus aus langen Silben und waren
sich hinsichtlich dieses Effektes gleich. Bei der Metathese wurde nun
der sich an r, r\ /, /' knüpfende Quantitätstheil auf die Silbe, die nun
das r, / bekam, übertragen. Normale Längen wurden zwar wohl noch
nicht erreicht, aber es war die Möglichkeit zu ihrer Entwickelung vor-
handen : das hing einerseits vom Vocale selbst ab, andererseits von der
sich entwickelnden Accentuation. Bei dem ursprachlichen a hat sich
offenbar leicht unter einem ununterbrochenen Accente die Länge ent-
wickelt, daher das gemeinslavische rame.
Bei 0 ist dagegen die nicht völlig entwickelte Länge zu jener Zeit,
als ein normal-langes o zu a wurde, in vielen slav. Dialekten auf der
o-Stufe geblieben (wurde reducirt), ist nicht zu a geworden, daher z.B.
böhm. roha^ aksl. raha^ böhm. roz-^ aksl. raz^ aber dialektisch selbst
auch hier roz-^ wie auch in anderen Fällen.
Jedenfalls spricht der Umstand, dass jene Gruppe von slavischen
Sprachen, die im Inlaute für tort^ tolt ausnahmslos trat^ Hat hat, hier
im Anlaute auch ro^, lot aufweist (wie z. B. im Böhm.), dafür, dass wir
es da mit Prozessen zu thun haben, die in verschiedene Epochen zurück-
reichen.
Wir haben hier aber auch ein lautliches Resultat zu beachten, das
der \x\QY vorgebrachten Theorie zu widersprechen scheint. Im Aksl.
haben wir nämlich neben lahati auch ein ahkati^ neben ladii auch ein
ahdii. Hier ist also zunächst die alte Stellung gewahrt, die Metathese
ist nicht eingetreten, dennoch ist hier aber die Dehnung durchgeführt
worden. Diese Dehnung stammt aber wohl aus einer späteren Zeit. Es
Zur Liquidametathese im Slavischen. 193
handelt sich hiev immer um die Gruppe olt [alf], die auf einem kleine-
ren Gebiete des späteren Südslavischen (speciell Bulgarischen) blieb. Es
ist vielleicht bezeichnend, dass es innerhalb einer Dialektgruppe ge-
schehen ist, die sich dann auch durch eine Vorliebe für den vocalischen
Anlaut auszeichnet, so dass hier der jotirte Anlaut vielfach aufgegeben
wurde oder sich überhaupt gleich im Anfang nicht entwickelt hat. Das
olt machte dann dieselben Schicksale durch, wie das inlautende tort,
zu dem wir gleich kommen werden : es wurde zu ö/^, alf gedehnt, wie
fort zu tart [traf] in derselben Gruppe. Bei der ursprünglichen Gruppe
aj't-, ort bemerken wir dagegen nie diese Erscheinung, sondern es ist
hier immer die Metathese eingetreten, das ;• erwies sich hier also als
mehr beweglich.
Ebenso müssen wir den Grund der Dehnung bei kamt/ aus *akmön
in einer Qnantitätsverschiebung suchen. Man muss wieder von der
Phase der Sprache ausgehen, als man das Wort als a-kmon {^t.ak-mdn^
da keine geschlossene Silbe geduldet wurde) auszusprechen begann. In
a-kmon erforderte nun die Aussprache der Silbe -kmon eine jedenfalls
über die normale Länge einer laugen Silbe gehende Zeit mit Rücksicht
auf die Gruppe km (hinterer Gutturallaut damals noch mit einem bila-
bialen Laute, es ist als ob k''mon oder k^mön — allerdings nicht ganz
genau — ausgesprochen worden wäre, es lag also ein leiser Ansatz zu
einer Zweisilbigkeit, ohne dass jedoch diese natürlich erreicht worden
wäre, vor. Bei der Umstellung des k wurde nun der entsprechende
Theil dieser Länge auch auf die das k jetzt enthaltende Silbe über-
tragen. Es sind hier also ganz analoge Verhältnisse wie bei urslav.
rame aus *arme.
Was die inlautenden Gruppen tort^ tolt tert^ telt anbelangt, so
machten sie natürlich zunächst die Phase von art^ alt ort^ olt auch
durch, d. h. auch hier begann das r, l sich in der nächsten Silbe fest-
zusetzen, wobei wieder dieselben Mittel in Anwendung kamen wie bei
art, ort etc., um den Anschluss des r an die nächste Silbe zu ermög-
lichen. Während es jedoch bei den Gruppen art^ ort etc. nicht zu einer
Stabilisirung kommen konnte, indem die Metathesis hier früher aus den
angegebenen Gründen durchgeführt worden ist, musste bei tort, tolt etc.
ein Zustand erreicht worden sein, in welchem das r, / zur nächsten
Silbe definitiv gehörte und auf jedem Gebiet ein einheitliches Princip
durchgeführt war. Von den beiden zunächst möglichen Functionen, die
i das r, / hierbei übernehmen konnte, hat nämlich auf einem Gebiete das
Archiv für slavische Philologie. XXV. 13
1 94 W. Vondräk,
r, l, auf dem anderen das r?;, h [r\ V) den Sieg davongetragen. Dieser
Zustand hat sich dann offenbar lange hindurch unverändert behauptet.
So lange in diesen Gruppen ein r, / vorhanden war, konnte es zu einer
Metathese nicht kommen, da ja die Stellung des r, l hier eine feste war.
Das änderte sich aber mit der Zeit. Als es nämlich später zu einer
schärferen Scheidung der einzelnen slavischen Sprachen kam, da wurden
auch unsere Gruppen mit dem r, / in Mitleidenschaft gezogen. Das ?', /
begann zum vorhergehenden o zu gravitireu, seine Stellung wurde ge-
lockert, es löste sich von der zweiten Silbe und hörte auf ein r, l zu
sein. Da aber letztere Laute mit mehr Zungenschlägen ausgesprochen
werden als das gewöhnliche r, /, so tibertrafen die Silben rto, Ito u.s. w.
hinsichtlich der Quantität die gewöhnlichen kurzen Silben, ohne jedoch
die normale Länge der langen Silben zu erreichen. Die frühere Länge"
des r, / wurde nun dorthin übertragen, wohin eben das ?•, / gravitirte,
d. h. auf den vorhergehenden Vocal. Das hatte eine theilweise Deh-
nung desselben zur Folge, ohne dass diese überall die normale Länge
einer Silbe erreicht hätte. Die Entwickelung der normalen Längen war
offenbar damals davon abhängig, wie überhaupt sich die Sprache den
Quantitäten gegenüber empfindlich zeigte. War die Sprache in dieser
Hinsicht nicht mehr so empfindlich, so entwickelte sich auch keine
Länge (z. B. das Polnische).
Aber das Gesetz, wonach sich nur offene Silben behaupten konn-
ten, bestand noch weiter, wenn es auch vielleicht nicht mehr so streng
wirkte wie früher. Daher wäre es begreiflich, dass auf einzelnen Ge-
bieten die Laute ?', / in dieser Stellung jetzt verbleiben konnten. Man
kann ja vielleicht auch annehmen, dass sich hier der Einfluss fremder,
benachbarter Sprachen wiederspiegele.
Dieser fremde Einfluss hätte dem alten Gesetze entgegengewirkt
und es theilweise aufgehoben. Aber es muss angenommen werden, dass
das Gesetz überhaupt nicht mehr mit seiner früheren Intensität wirkte.
Hätte das Gesetz in ungeschwächter Kraft noch gewirkt, so wäre viel-
leicht eine Lockerung des r, / in rto^ Ito u. dgl. gar nicht möglich ge-
wesen. Dort, wo das Gesetz sich, wenn auch in geschwächter Kraft,
behauptete, wurde nun eine Metathese vorgenommen, tx)rt [tart) wurde
zu trat^ tolt [talt] zu tlat^ tert [tert] zu tret u. dgl. Wo die vollstän-
dige Länge sich nicht entwickelt hatte, wurde einfach umgestellt: tlol.
trot, tret^ tlet.
Wir müssen also annehmen, dass in diesen Gruppen die Dehnung
Zur Liquidametathese im Slaviscben. 195
vor der Metathese eingetreten ist. Wäre dies nach der Metathese ge-
schehen, so würde es in eine verhältnissmäs^^ig späte Zeit fallen, 'wo
dann kaum von einem 7j als Uebergangsstufe zu a ausgegangen werden
könnte. Das fühlte wohl auch Torbiörnsson und daher drückt er sich
diesbezüglich nicht so deutlich aus, als es wünschenswerth wäre. S. 15
iDie gsl.Lm.) sagt er: Der urspr. o-Vocal zusammen mit der zwischen
den beiden letzten y-Schlägen liegenden o-Artikulatiou (einschliesslich
der o-Farbe des r-Schlages selbst hat einen langen Laut gegeben.
Dieser lange Vocal ist «, da in alter Zeit in den slaviscben Sprachen ü
der entsprechende lange Laut zu 6 wara. Torbiörnsson lässt nämlich
auch hier die Dehnung erst nach der Metathese eintreten.
Aber wie bei anlautendem olt [alt] auf einem kleineren Gebiete die
Metathese unterblieben ist, so bemerken wir bei tolt^ talt etwas Ana-
loges und zwar wieder im Bulgarischen: haVtiny^ maVdiciJe^ sahiost,
pafffi. Jagic vermuthet übrigens, es könnte hlafo im Munde der uicht-
slavischen Bulgaren die den Sprachwerkzeugen dieses Volkes geläufigere
Form *huIto angenommen haben. Damit müssen natürlich die Fälle
wie aVkat), aVdii u. s. w. zusammengestellt werden ; die sind schon im
Aksl. häufiger. Jedenfalls ersieht man aus ihnen, dass die Dehnung
noch vor der Metathese eingetreten ist. Interessant ist auch das Wort
zoloia st. tlata im Psalterium sinaiticum, 71,15. Es ist hier, als ob
sich in der Gruppe to-rto, um dieser Aussprache mit der offenen Silbe
gerecht zu werden, ganz nach russischer Art ein tonto entwickelt
hätte (st. des to-rto). Nun muss man bedenken, dass sich das Kussische
mit dem Bulgarischen (namentlich mit einer Dialektgruppe; vielfach be-
rührt. Man denke z. B. an die gleiche Vertretung der beiden Halb-
vocale durch volle [o und e). Wir würden es dann auch begreifen,
warum keine Dehnung hier eingetreten ist. Allerdings haben wir es hier
nur mit einem vereinzelten Falle zu thun, der die ihm zugesprochene
Bedeutung nicht vollständig auf sich nehmen kann.
Es hat hier noch ein zweites Gebiet, das mit dem letzteren nicht
zusammenhing, gegeben, wo bei tort tart die Metathese auch unterblieb,
nämlich im Polabischen: korivö^ horioii, starna und zum Theil auch
im Kasubischen, wovon noch die Rede sein wird.
Es fragt sich nun, warum ein ursprüngliches tovf^ thit, tbrf, ihlt
nicht auch analog behandelt wurde wie ein tort, tert etc. Wir müssen
annehmen, dass auch hier in den ersten Stadien analoge Erscheinungen
auftraten, dass also daraus zunächst auf einem Gebiete t^rt^ ihlt, thyt,
10*
196 W. Vondräk,
thJt geworden ist. Allein die weiteren Resultate waren verschieden.
Der Grund davon ist in den Halbvocalen zu suchen. Als eine charak-
teristische Eigenthttmlichkeit derselben sehe ich auch ihre quantitative
Kürze an, die unter die normale Dauer einer kurzen Silbe ging. Ein
Aufkommen von Längen war hier also von vornherein ausgeschlossen.
Als sich dann auf einem Gebiete das r, l von seiner folgenden Silbe los-
gelöst hatte, ging der vorhergehende Halbvocal ganz verloren, wobei
er jedoch dem nun neu entstandenen r, 7 einen entsprechenden Timbre
verliehen hatte (hell bei fc, dumpf bei ^). Daher erklärt es sich, warum
im Aksl., namentlich in den Kiever Blättern (Spuren davon auch in an-
deren Denkmälern) nach diesem r, / die Halbvocale so geschrieben wer-
den, wie wir sie auch etymologisch erwarten. Es sieht so aus, als ob
hier auch eine Metathese stattgefunden liätte, aber das ist nur schein-
bar, gehört wurde wohl nach dem r, / kein Halbvocal. Aus diesem r, /
konnten sich dann in den betreifenden slavischen Sprachen verschieden-
artig vocalisirte Lautgruppen entwickeln, oder es konnte auch bleiben,
je nach dem, was der dem r, l vorhergehende Consonant war.
Es ist wahrscheinlich, dass auf einem anderen Gebiete auch thrto
zu *ibrhto, thrto zu *t^r^to u. dgl. geworden ist, also analog wie bei
torto u. dgl. Es würde hier natürlich zunächst das Russische in Be-
tracht kommen. Als dann im Russischen die Halbvocale durch volle
ersetzt wurden, so erstreckte sich dieser Prozess hier nur auf die ersten,
auf die ursprünglichen, nicht aber auf die zweiten, auf die secundären,
wie dies bei *tor~ot u. dgl. der Fall war. Die zweiten Halbvocale in
*t^r^fo^ ^thrhto u. s. w. waren nicht vollwerthig, sie könnten graphisch
vielleicht durch ^, also t^r^f^ thrt dargestellt werden. Wurde aus Urt
ein tert^ so gewann die Silbe mit dem e jetzt quantitativ so viel, dass
das nachfolgende halbvocalische Element ganz verloren ging ^j. Es war
hier demnach wahrscheinlich eine quantitative Abstufung: in "tont,
tcrht u. dgl. folgte auf einen vollen Vocal ein secundärer Halbvocal, in
*t^rfy thrt nach einem Halbvocal ein halbvocalisches Element.
Dieser Umstand nun, dass das r, l in den besprochenen Gruppen
eine ursprüngliche Stellung im Russischen bewahrt hatte, spricht uns
deutlieh genug, wie wir ein russisches torot^ tolot beurtheilen sollen.
1) Den secundären russischen Volllaut, z. B. verechro u. dgl., wird man
damit kaum in Zusammenhang bringen können, denn er datirt wobl aus einer
späteren Zeit.
Zur Liquidametathese im Sla viseben, 197
Auch hier ist oöenbar r, / in seiner ursprünglichen Stellung geblieben,
es führt also tort^ tolt^ tert, telt zu torot, tolot^ teret^ telet (über toTot.
toht, terU, teht). Das erste o [e) ist primär, das zweite secundär, und
es kann daher Torbiörnsson's Erklärung, die (orot aus trot entstehen
lässt, unmöglich richtig sein. Er hätte auch die Behandlung der Grup-
pen t^rt^ tbrf u. dgl. berücksichtigen sollen.
Einige der slavischen Sprachen, die sonst irgend welche Anhalts-
punkte bei der Behandlung unserer Frage bieten können, sollen speciell
im Folgenden zur Sprache kommen.
Polabisch.
Dem o-a- [la-] der anderen slavischen Sprachen für ursprüngliches
anlautendes ar-, al- [or-, ol-) -f- Consonant entspricht im Polabischen
n/, lä : rudlu »Pflug« (böhm, räcUo), 7'« ^o/' «Pflüger« b. rataj), rämä
»Schulter« (aksl. rame), räk\lj i. »Kasten«, rakväica »Kästlein« (serb.
rdka »Grabhöhleo, b. rakev »Sarg«). Hierher gehört auch Lähi »Elbe«.
Wo dagegen eine Gruppe der slavischen Sprachen im Anlaute ro-.
lo- hat, da finden wir im Polabischen rw-, lü- : rida »gepflügtes Land«
(poln. rola »Ackerfeld«, kas. rola^ rol6)\ rüst^ rüste (3. Pers. Sg.i
»wachsen« (kas. rose, rostq, poln. rose, rösc]\ rüz- »auseinander« (poln.
sorb., böhm. roz-, aksl. raz-^ vereinzelt roz-)\ lüd'a »Schifi"« (kas. löc.
löca, poln. iödz, ^odz, iodzia, obersorb. /oc/i, aksl. ahdii, ladii, serb.
lädj'a); lü/at, lük^iit »Elle« (kas. /o^c, ]^o\n. iokiec, nsovh. ioks, obsorb.
iokc, böhm. loketj aksl. lak^th). So wurde aber auch das ursprüngliche
o behandelt, z. B. s)nüla »Harz, Hölle« (die anderen slav. Sprachen
smola), Ji'usa »Sense« {kosa)\ püd »unter« [pod'o] u. s. w. Wenn schon
im Urslavischen das ort in diesen Fällen zu rot geworden war, so kann
man natürlich auch keine andere Behandlung im Polabischen hinsicht-
lich des o erwarten.
Ursprüngliches tolt wurde zu tlät (geschrieben zumeist tlat, sel-
tener tlot^ dann auch tlaat^ tloot^ tlaot^ tloat\ z. B. gläva »Kopf«.
russ. golovä, böhm. hlava\ klus »Aehre« (kas. klos^ poln. nsorb. klos,
böhm. klas^ russ. kölos)] glüd »Hunger« (kas. glod^ poln. glöd, nsorb.
giod, obsorb. Ä^oc/, böhm. ///«(/, ym?,?,. g6lod)\ s/r/ma »Stroh« (kas. Ä^oma,
poln. nsorb. obsorb. sloma^ böhm. släma, serb. slama, russ. soUma).
Es ist wichtig zu constatiren , was für ein Vocal hier von dem ä ver-
treten wird. Für Schleicher war es wahrscheinlich, dass hier zunächst
198 W. Vondräk.
mit liücksicht auf das Polnische ein ursprüngliches o vorliegt, dann
auch mit Eiicksicht auf das polab. pUlcat^ pohi. plakac^ polab. slohy,
poln. slaby etc., wo also dem a ein polab. o entspricht (Schleicher § 39,.
Aber ich glaube entschieden, dass man hier von einem a-Laute aus-
gehen müsse und zwar mit Rücksicht auf rädlu^ rätoj ^{q,.^ wo das u
ebenfalls eiuem ursprünglichen a entspricht.
Ursprüngliches iert wird zu trit, tret: brig «Ufer« (poln. hrzeg,
osorb. hroh^ nsorb. hrog^ b. hreh^ russ. hei'eg^^ ahd. herg)\ prid »vor«
ipoln. przod, kas. przed^ nsorb. predny^ pre^nj^ osorb. preni^ russ. pe-
red)\ sreda »Mitte«, sridny (poln. srzoda, srzedni^ ksis. strzoda, strzeni
»mittlerer«, obsorb. sreda, srodka »Krume«, nsorb. sredny, böhm.
sfreda, sfh'da, russ. sereda) u. s. w.
Auch hier müssen wir also von einem frei aus tert im Polabischen
ausgehen. Dafür spricht unzweifelhaft lirid od. päred, das nur aus
*pred erklärt werden kann. Wäre hier ursprünglich nur ein *pred aus
perd, so müsste das e unverändert bleiben, vgl. /e«r/, nied, rnetla u.s.w.
(Schleicher § 20, Nr. 3).
Ursprüngliches feit wird zu flaf: mlaka (Gen.) »Milch« (poln.
mleko, kas. mlekoe, nsorb. obsorb. mloJco, böhm. mleho, russ. molokö,
aevh. t}tIijeko); plavui »Spreu« {])o\xi. pletca, näovh. plozvy, obsorb.
pluivy, böhm. pleva u. plica, russ. peleca, dial. polovid) u. s. w. Wie
wir es schon im Altkirchenslavischen beobachten können, dass le in Ici
übergeht (vgl. zladq neben zledü\ dann im Altböhm, [zieh aus *zleb
neben zlah, zleza neben zläza u. s. w.), so müssen wir auch hier ein (
voraussetzen. So auch in anderen Fällen im Polabischen, z.B. 7io statt:
(= na SV et e), zarat »schauen« (aksl. ^^bre/"/, Schleicher § 52, 2). Durch
den Uebergang des el in ol (analog wie im Russischen: molokö) kann
es nicht erklärt werden, denn dann würden wir ein tldt erwarten, vgl.
gluva).
Merkwürdig ist aber das Resultat bei der ursprünglichen Gruppe
fort] diese gibt nämlich einmal tart : stärna »die Seite« (poln. strona.
obsorb. nsorb. strona^ böhm. strana, russ. storonci], einmal trilt aus
frot: brüd'a »Bart« (poln. broda], obsorb. nsorb. broda, böhm. brada,
russ. borodd), sonst aber regelmässig wieder fort: bördza »Furche«
[bördza »er eggt«), russ. borozdä] chörna »Nahrung«, aksl. chramti
»bewahren«; gord »Schloss«, tmh. görod «Stadt«; pörsa »Ferkel«,
okil. prase; törta PL- n. »Thor«, russ. foroifa; gorch »Erbse«, russ.
Zur Liquidametathese im Slavischen. t99
goi'öch; korvo »Kuh«, v\m. koröva\ bcorkö »Elster«, r\x%%. soroka:
tornö »Krähe«, riiss. voröna n. s. w.
Die Erklärung der erwähnten Gruppe bietet Schwierigkeiten.
Jedenfalls glaube ich aber, dass man von trot aus tort nicht ausgehen
kann, wie es Torbiörnsson thnt. In trot wäre entweder das r analog
behandelt worden wie in urspr. trt^ hätte also etwa 'tai'of ergeben, vgl.
smardl {ak&\. smrbditb); pursten [?Lk^\. prhatejih): märzne (r/lr^znet^)
u. s. w., oder trot wäre zu trot geworden. Dass ein trot (sprich etwa
tr-rotj wegen des ursprünglichen *p)-osö, po\ah. prüsü »Hirse« u. dgl.
wäre eine andere Aussprache nicht vorauszusetzen) zu tort werde, das
kann nicht recht wahrscheinlich gemacht werden. Das o in tort könnte
dann nur ein svarabhaktisches sein (aus tr^)^ wohin wäre aber das ui"*
spriingliche o in dem angenommenen trot geschwunden? Eine vortreff-
liche Illustration würde uns das polab. pär'cd neben prid »früher« bie-
ten, das uns zeigt, dass der ursprüngliche Staramvocal nicht schwindet,
wenn sich ein svarabhaktischer daneben entwickelt [pdred neben prid
bei Schleicher S. 92, Nr. 2). Freilich könnte man leicht daran denken.
d:iss in der polabischen Gruppe tort das ;• nichts mit seiner ursprüng-
lichen Stellung zu thun habe. Wir haben ja im Bulg. gesehen, dass das
r beweglicher war als das /. Wenn nebstbei bei l und in den anderen
Fällen das r im Polabischen eine Metathese erlitten hat, so würde man
es auch bei der urspr. Gruppe tort erwarten. Man müsste dann an-
nehmen, dass ein tort oder richtiger tart (denn wir haben ja im Pola-
bischen in den analogen Fällen überall die Dehnung beobachtet) zu
einem trt führte. Aus einem trt würde man aber dann ein tdrt erhalten
(vgl. oben smdrdi^ mdrzne u. dgl.). In unseren Worten ist aber bis auf
zwei vereinzelte Fälle tort. Wenn wir nun berücksichtigen, dass im
Polabischen überall in diesen Fällen auch die Dehnung auftritt, so er-
halten wir aus urspr. tort zunächst ein tart. Ein betontes a wird zu o
und ein unbetontes meist auch ebenso. Darnacli kommen wir wieder
zu tort ., das wir wirklich im Polabischen haben. Vor allem kommt
aber in Betracht, dass nach dem Tone das a sich mitunter noch erhalten
hat und ganz analog haben wir hier auch neben yon/ ein tugurd iograd^)
'Schleicher § 38). In starna ist offenbar auch das ursprüngliche a ge-
blieben (der ursprüngliche Accent ist aus dem russ. storond ersichtlich).
Warum die Gruppe tort., tart verblieb, erklären uns wohl Worte wie
püred nehen prid, por, das fast ausnahmslos füT pro steht [pörstrelit
» durchschiessen (',/;/?•?' <^ »darum- etc. Schleicher § 111, S. 154, Z. 28).
200 W. Vondräk,
Hier ist also auch eiu o-Vocal. Man vergleiche noch kärili »Blut« [kry),
tdri^ täräi »drei« (Schleicher S. 30). Wenn auch die Gruppe Conso-
nant + r hänßg vorkam, so wurde sie gelegentlich doch gemieden, und
das erklärt uns schön, warum die ursprüngliche Gruppe tort^ tart im
Polabischen verblieb. Nur bei brüda ist auch die Metathese eingetreten.
Torbiörnsson fasst es auf als eiu Lehnwort aus dem Polnischen oder
Sorbischen oder vielleicht eher aus einem jetzt ausgestorbenen Dialekt
(BB. 20, S. 133). Ich glaube, es ist diese Annahme nicht nothwendig.
Wenn Torbiörnsson siegesbewusst ausruft : »Die, welche der Meinung
sind, dass vorslav. or in letzterem Falle im Polabischen unverändert
beibehalten ist, sind auch verpflichtet, die Ursache anzugeben. Dies ist
noch von keinem gethan, und meiner Meinung nach ist es auch ganz
unmöglich«, so glaube ich auf die erwähnten Fälle hinweisen zu
können.
Es ist übrigens noch eine Möglichkeit zu erwähnen : fort und das
vereinzelte fart hätten durch eine abermalige Metathese aus trot (nicht
aus dem Torbiörnsson'schen trot) trat entstehen können. Dann würde
aber damit nicht in Einklang stehen, dass das ursprüngliche trot (aus
trat und trot] nicht diesen Prozess mitmacht. Wir haben im Polabi-
schen: iro^ »Bruder« (aus ^rä?*), ^rof/ »Hagel« [trat], präsü »Hirse«
[trot), chrümy »lahm« [trot) u. s. w. Es blieb also das r in dieser Stel-
lung gewahrt, wenn auch diese Gruppen nicht unantastbar waren, wie
die oben erwähnten Fälle zeigen. Nie aber griff man zu einer Meta-
these, wenn diese Gruppen gemieden wurden, sondern es entwickelte
sich ein svarabhaktischer Vocal. Das würden wir dann auch bei einem
angenommenen trot aus tort erwarten, nicht aber eine abermalige
Metathese.
War das r infolge eines nachfolgenden palataleu Vocals erweicht,
so scheint es, dass es sich dann eher bei seinem Consonanten behauptete
und sich mit ihm überhaupt verbinden konnte, daher brig^ criv, srida
etc., kurz alle jene Fälle, die auf ursprüngliches tert zurückgehen.
Erst später ist aber im Polabischen offenbar eine Verhärtung des r
(unter dem Einflüsse des Deutschen ?j eingetreten , wofür das schon
mehrmals erwähnte pured neben prid, und täri^ täräi spricht. Da
war aber schon tert zu tret geworden.
Tolt gab tlät, weil die Gruppe Cousouant + / nicht gemieden
wurde, denn kiljautz neben dem richtigeren kloilz, kläutze (aksl.
kljuch), dann hilljawe neben blcnve (aksl. blbvet^), dillän neben dlän
Zur Liquidametathese im Slavischen. 201
(Schleicher S. 39, 25; 70, 2()), melauca ueben mlauha, mlaka (Schlei-
cher S. S9, 9; 209, 31) sind mir ungenaue oder wenn man will germa-
nisireude Schreibweisen, die mit der richtigen Aussprache nichts zu
thun haben. Diese verschiedenen Kesultate bei ursprüngl. Cons. + r
einerseits und Cons. -\- 1 andererseits erklären uns also hinlänglich, wa-
rum man bei fort [tart] verblieb und warum man ein frof [trat) mied.
Es muss noch einmal hier darauf hingewiesen werden, dass Pola-
bisch zu jenen Sprachen gehört, in denen in unseren Fällen die Deh-
nung eingetreten ist. Es ist dies deshalb wichtig zu constatiren, weil
mitunter irrthümlicher "Weise das Gegentheil davon behauptet wird. So
finden wir es noch bei Baudouin de Courtenay (Zürn. min. nar. prosv.
189, Maiheft S. 113), der das Polabisch-Kasubische zur vierten Gruppe
aller slavischen Sprachen rechnet, in welcher die ursprünglichen Laut-
verbindungen -or-, -ol-, -er-^ -el- einfach -ro-^ -lo-^ -re-, -Je- ergeben.
Allein das ist nicht richtig. Baudouin de Courtenay kann sich dann
freilich das a in farf nicht recht erklären (1. c. S. 120).
Kasubisch.
"Wo die anderen slavischen Sprachen im Anlaute ra-. la- haben.
da finden wir es auch im Kasubischen : iaknoc »hungern«, lahoemy
(poln. laknqc^ lacznqc, lacnqc «hungern (f, lakomy «lecker, gierig(f.
nsorb. hicmj »hungrig«, obsorb. lacnij).
In der zweiten Reihe von Worten ist auch hier rc-, lo-: kas.rosc,
rostq »wachsen« (poln.ro6'c, rüsc^ osorb. nsorb, ro5c, rostu »wachsen«);
kas, rözny »verschieden« (poln. rözny, osorb, rözno »aus einander«);
kas. rohic, rohoefa (poln. rob, nsorb. rohis, osorb. i'ohota); kas. ioni
»im vorigen Jahre« (poln. loni^ nsorb. Ioni, osorb. ioni und Ioni).
Ursprüngliches folf wurde zu tlof: kas. gfova »Kopf, Haupt«
{poln. nsorb. ghica^ osorb. Moica). Auf kasubischem Boden entwickeln
sich hier noch weitere Eigenthümlichkeiten: giod, glode »Hunger«
(Ramutt), daneben auch glöut, glüoda (Mikkola) (poln. ghkl, glodu.
usoTh. giod, osorb. hiöd); kas. kfoda (R.j, klüoda (M.^ [\io\n. kioda
»Klotz«, nsorb, Ä^oc/a »Stock«, >t^0(/ »Brückenholz«, oaovh. klöda, kioda
»Balken, Stock«); ka.s. klos »Aehre« (R.j, neben kluosa (M.Gen.?,
(poln. nsorb. Ä7o6', oaorh. kfös, klosa); kas. miot »grosser Hammer« (R.),
mluotk (M.) (poln, miot)\ kas. mlouci »er drischt« (M.) (poln. mUcic
»dreschen«, nsorb. jnfosis, osorb. mlöcic).
202 W. Vondräk,
Te7't wird zu tret [ff et) und dieses lautet häufig zu frod um : przed,
poln. jJ^zod, nsorb. predny, preny, osorb. preny; kas. sfrzoda »Mitte«,
strzeni » mittlerer «, poln. irzoda^ h'zedni, nsorb. sredmj, osorb. sreda^
srodlici.
Dieselbe Erscheinung bemerken wir bei telt^ das neben tief auch
zu tlot werden kann ; letzteres wird dann mitunter so behandelt wie
das tlof aus folt, woraus man ersehen kann, dass es sich hier um ver-
hältnissmässig spätere lautliche Vorgänge handelt: kas. vlec, cloka^
poln. iclec^ wieke [wloke], nsorb. {w)lac^ osorb. wiec, wlekw, kas, mle-^
koe (R.), daneben mlouko (M. vgl. oben glout neben glod\ ^^oXw. mleko
[mleko]^ nsorb. osorb. mloko\ kas. plüovli »Spreu« (M.), vgl. oben
klüoda neben kloda, i^o\n. pleiva^ plewy, nBorh. plowy, osorh. pluwy;
kas. cion, clonk (R.), hldnk (Bronisch) »Glied«, poln. cz}on^ czlonek,
nsorb. clonk, osorb. clönk\ kas. plon »Beute, Raube, poln. jaZow; kas.
zlöp, zloha (Br.), zlöh, zlohu (R.), poln. 2^dÄ, zinhu, osorb. nsorb. Hol;
kdik.mldc (Br.), mlec^ mjelq{K.), poln.w/ec, miele [miole, mele), nsorb.
mlaSj osorb. mlec; kas. plöc »jätenc, altpoln. plec, plewe, neu plec.
piele etc., nsorb. plas, pUju (od. -Jörn), osorb. pJec, pUju.
Merkwürdig ist wieder das Resultat bei iort. Bis jetzt haben wir
im Kasubischen überall die Metathese ohne ursprüngliche Dehnung be-
obachtet; es ist also analog wie im Polnischen. Dementsprechend er-
warten wir bei fort die Gruppe trof. Das findet sich wirklich und zwar
haben wir Worte, die ausschliesslich diese Gruppe aufweisen, wie hrög.
droga, drodzi, groch, krok, kröl etc. (nach der Zusammenstellung vou
Baudouin de Courtenay, auch bei Torbiörnsson S. 18). Daneben hat
aber Baudouin de Courtenay mehr als 30 Worte mit tari, torf zusammen-
gestellt, denen allerdings in den meisten Fällen Nebenformen mit trot
zur Seite stehen, z. B. j^arg (Mikkola pörk) neben präg, poln. /jroy,
nsorb. jt>roy, obsorb. ^roÄ »Schwelle«; kak. gard m., garda i., poln.
grod, nsorb. grod, obsorb. hrod; in Westpreussen ist gröd vorherr-
schend, in den Ortsnamen haben wir nur -gard, -garda (Ramult unter
gard). Ramuit hat nun die Gruppe tart als einen der charakteristisch-
sten Züge des Kasubischen hervorgehoben (Siownik S. XXXVI) ; er
meint, dass sie einst zweifellos im ganzen Pommern allgemein gewesen
sei. Und so war man geneigt anzunehmen, dass die jetzt neben dem
tart die Gruppe trot aufweisenden Wörter polnische Lehnwörter wären,
die das Kasubische freilich dann in grosser Menge aufgenommen hätte.
und welche sogar sehr häufig die einheimischen Wörter verdrängt hätten
Zur Liquidametathese im Sluvischen. 2U3
vgl. Baudouiu de Coiirtenay, Zürn. IS'JT, Maiheft, 8. 113 — 120). Da-
für entscheidet sich auch Torbiörnsson (S. 19). Ja er meint, von seinem
Standpunkte aus lasse sich die nähere Verwandtschaft der beiden Spra-
chen, nämlich des Kainbischen und des Polabischen, mit noch triftigeren
Gründen vertheidigen. Polabisch und Kasubisch wären in Bezug auf
die hier in Frage stellenden Lnutverbiudungen eine Strecke lang mit-
einander gegangen. Den beiden Sprachen wäre nämlich die zweite
Metathese *grod^ gord (polab.), ga7-d (kas.) gemeinsam. In beiden
Sprachen wären die drei anderen Verbindungen (er, ol^ el) keiner aber-
maligen Metathese unterworfen worden. Es liege auf der Hand, dass
polab. gord und kas. gard sich nicht unabhängig von einander haben
entwickeln können. Als die zweite Metathese [*grody go7-d, gard
durchgeführt wurde, müssen die beiden Sprachen geographisch und
historisch mit einander in solcher Verbindung gestanden haben, dass
gemeinsame Lautgesetze über das ganze Gebiet durchgeführt werden
konnten, und auch thatsächlich durchgeführt worden wären, wie die
genannte zweite Metathese [*gi'od ) gord^ ga^'^i, und wahrscheinlich
viele andere. Diese Ansicht halte ich nicht für richtig. Torbiörnsson
geht hier offenbar von der irrthümlichen Voraussetzung Baudouin's aus.
das? im Polabischen einfach die Metathese ohne Dehnung stattfand (ab-
gesehen von tort) wie im Kasubisehen, allein das ist, wie wir oben sahen,
nicht richtig. Im Polabischen wurde gedehnt, im Kasubisehen nicht.
Schon das mahnt zur Vorsicht, wenn man das Kasubische dem Polabi-
schen näher als dem Polnischen stellen wollte. Wenn nun im Kasubi-
sehen in allen übrigen Fällen die Metathese einfach ohne Dehnung auf-
trat und zwar ausschliesslich 'also wie im Polnischen), bei fort zwar
auch, aber mit Nebenformen, so folgt für mich daraus, dass nur trot
dem Kasubisehen eigentlich angehört. Ein fart können wir hier bei
solchen Merkmalen unmöglich erwarten. Das setzt ja die Dehnung des
0 in tort voraus, die wir sonst in unseren Fällen im Kasubisehen nir-
gends bemerken. Wir kommen auch nicht weiter mit der Annahme,
tart^ tort hätte sich aus einem trt entwickelt, das wieder ein Resultat
von urspr. tort wäre (woran man ja schliesslich auch denken könnte),
denn es lässt sich kein plausibler Grund für eine derartige Schwächung
des 0 finden (nebstbei wäre ja die Behandlung nicht gleichniässig mit
jener von *thrt und V«;/", z. B. in cvjardi . Wenn wir im Polabischen
ein tort [tart] fanden, sonst aber — bis auf einen einzigen Fall — kein
trot^ so Hess sich dort dafür ein halbwegs plausibler Grund finden, der
204 W. Vondräk,
hier im Kasubischen bei Vorbandensein von Nebenformen mit trot aus-
geschlossen ist. Ich glaube demnach — ähnlich hat sich übrigens auch
Jagic ausgesprochen Archiv XX, S. 42 — , dass den Kasuben nur die
Formen mit frot zukommen, dass aber ein dem Polabischen verwandter
Dialekt angrenzte, dem das tart^ fort zuzuschreiben ist. Das tart ent-
sprach dem polabischen fort und geht auf ein gedehntes fort zurück.
Da es aber ein Grenzdialekt war, so machten sich schon in demselben
auch Formen ohne Dehnung geltend (die ja auch ausschliesslich dem
Kasubischen und Polnischen zukommen), und der Reflex derselben ist
das fo7't. Es ist übrigens auch möglich, dass in vielen Fällen fort eine
Compromissform aus farf und dem kasubischen torf ist. Da dem Kasu-
bischen eigentlich nur die Formen mit trot zukommen, so finden wir es
nicht befremdend, wenn es pommersche Namen schon aus dem VIII. —
IX. Jahrh. mit trot aus tort gibt.
Auf Grund dieser so wichtigen Merkmale glaube ich auch, dass
das Kasubische zu dem Polnischen in engerer Verwandtschaft steht als
zum Polabischen, eine Ansicht, die in letzterer Zeit vielfach bekämpft
wurde, so insbesondere von Ramuit (Siownik jezyka pomorskiego czyli
kaszubskiego. Krakau 1893) und Baudouin de Courtenay (»Kasubskij
jazyk, kasubskij narod i kasubskij vopros« in Zürn. min. nar. prosv.
1897, Aprilheft S. 306—357 und Maiheft S. 83—127). Letzterer gab
zwar zu, dass das Kasubische in vielfacher Hinsicht »plus polonais que
le polonais meme« ist, glaubte aber dennoch mehr für die Ramult'sche
Ansicht eintreten zu müssen. Dagegen war G. Bronisch: ihm war es im
Gegensatz zu Ramult's Ansicht nicht zweifelhaft, dass Kasubisch (Pom-
mersch, Polabisch) und Polnisch zusammengehören, da ihre beider-
seitigen Lauterscheinungen auf einen Sprachzustand zurückführen, der
ihnen gemeinsam ist und sich gegen die übrigen westslavischen Spra-
chen als Besonderheit abhebt. Die Schleicher'sche Anschauung von
Ost- und Westlechisch trefte das Richtige (Archiv XVIII, S. 322). Auch
Brückner will das Kasubische als blossen Dialekt des Polnischen auf-
fassen (Archiv XXI, S. 62 — 78). Er findet, alles was das Polnische
eben zum Polnischen gemacht hat, wiederhole sich ebenso im Kasubi-
schen, sogar so späte Erscheinungen, wie die sog. Erweichung der Den-
talen, der Wandel von ie und lo oder von ia, ie^ oder der Wandel von
t^rt zu tai'tj z. B. kar^k^ was sonst nur im Polnischen vorkomme. Oder
die Entwickelung des « [an] aus o {o?i), also gas {(/ans) aus ggs^ wie
im Polnischen noch des . XV. Jahrh. und dialektisch noch heute, dann
Zur Liquidametathese im Slavischen. 205
mqz-mdza, icurzqd-icurzqde wie polnisch maz-meza^ urzqd-urzcdu
(vgl. S. 63).
Ferner bemerkt Brückner (S. 64), das Kasubische nehme jedoch
an noch späteren Erscheinungen des Polnischen Theil, z. B. an der
Brechung des i (y) vor r zu ie [c], die im Polnischen im XIV. Jahrh. be-
gonnen hat (in einigen wenigen Fällen und erst im XVI. Jahrh. ab-
schloss, der Kasube habe somit genau wie der Pole serp [sierp) für
älteres airzp, serzcJd und serzchla (poln. sierchl) für älteres sirzcJil,
nerota [sierota] für sirota, ser^ce für sirce, rozbierac für rozbirac^ roz-
dzerac für rozdzirac^ icemierac für icymirad , icierzch für tvirzch^
cerpier und cerzpiec für cirzpicc^ cerii und cerznie für cirznie u. s. w.
Sorbisch.
Das Niedersorbische schliesst sich hinsichtlich unserer Gruppen im
Allgemeinen an das Polnische an : es kommt hier also Metathese vor
ohne Dehnung des Vocals. Das gilt auch vom Obersorbischen, aber in
einigen Fällen weicht es ab. Diese Abweichungen sind jedoch das Re-
sultat einer späteren selbständigen Entwickelung, so dass die Anfangs-
glieder trotzdem dieselben sind. Osorb. nsorb. radio »Pflug«: osorb.
iacny^ nsorb. lacny »hungrig«; osorb. robofa »Frohndienst«, nsorb.
robis »arbeiten«.
Hinsichtlich des Obersorbischen hat nun Fortunatov constatirt,
dass es mit dem Böhmischen theilweise übereinstimme (Archiv IV,
S. 575 — 576). Er hat nämlich in den fallend betonten Silben o [trot]
nnAj'e^j'o {frjef, frjof), in den steigend betonten 6 [trot und w vor w.
truw) und e [tret] : zloto, brj'o/i, drjewo^ crjexco gegen blöto^ toröna^
huwa^ breza^ bremj'a. Uebrigens dürfe man nicht ausser Acht lassen
— bemerkt weiter Fortunatov — dass das obersorbische 6 vor gewissen
Consonanten, wie vor Gutturalen, nicht eintrete, weswegen auch keine
volle Uebereinstimmung stattfinde, osorb. droha^ sloma (st. dröha,
slöma) gegenüber dem böhm. dräha^ släma, russ. doröga^ salöma. In-
sofern es sich um die Quantitäten handelt, wird man ja zugeben müssen,
dass hier eine theilweise Uebereinstimmung stattfindet, aber eine Ueber-
I einstimmung hinsichtlich der alten Dehnungen besteht hier nicht, indem
im Obersorbischen der ursprüngliche Vocal bleibt, denn man muss auch
das e hier als eine graphische Varietät wie das 6 auffassen (vgl. Mucke.
iHist. u. vgl. Laut- und Formenlehre der nsorb. Spr. § 43 Anm., es
206
W. Vondräk,
handelt sich um eine Verengung des e] . Mit einem etymologischen e
haben wir es hier eigentlich nicht zu thun. Daher bemerken wir auch
hier nicht selten den Umlaut zu o, wie im Polnischen und Niedersorbi-
schen. Als Beispiele mögen dienen :
Für tert:
osorb. hrjoh^ nsorb. hrjocj^ poln. brzeg^ altböhm, hreg^ hreh
» drjeico -» drjoico » drzewö > drevo
» preki » prjehi^ böhm. pHky
Für telt:
osorb. mloko, nsorb. mtoko^ poln. mleJco^ russ. molokö
zlob
ziob
':iob
elob
Für tort :
osorb. krötki^ nsorb. krofki, poln. kröfki
» proh » 2^^'^9 '^ 2^^'^9
Für foU:
osorb. hiowa, nsorb. gioioa, poln. giowa, russ. golovä.
Nun kommt aber noch eine andere Eigenthümliehkeit des Sorbi-
schen in Betracht. Bekanntlich wird hier das r in den ursprünglichen
Verbindungen h\ pr^ tr zu einem i-Laute. Am weitesten ging dieser
Prozess im Niedersorbischen, wo er sich nicht bloss auf gewisse nach-
folgende Vocale beschränkt wie im Obersorbischen, wo dieser Laut-
wandel nur vor palatalen Vocalen bemerkt wird. Im letzteren Falle
haben wir im Nsorb. einen .v-Laut, im Obersorb. ein i, sonst im Nsorb.
ein 6.
So wird vor palatalen Vocalen kr^ pr^ tr
im Obersorbischen zu ^-6^ ps^ fs (geschrieben ki; pr, tr)
» Niedetsorbischen - ks. ps^ ts,
z. B. nsorb./?*'/, osorb. pri ))bei«; nsorb. th\ osorb. tri «drei«; nsorb.
piesiwo, o&orh. pr ecke 0 »gegen«.
osorb. kraj »Land»
krocic »schreiten«
jutro )) morgen«
Dagegen aber nsorb. khaj^
» ksocyk
» jutso
» /JÄatfy
» ' psosys
praivy »recht«
prosyc »bitten«.
Zur Liquidametathose im Slavischen. 207
Ist aber das ;• in h\ pr^ fr nicht ursprünglich, so bleibt das ;• .
triu trjoss aksl. tbrct, tbreki. Ist das kr^ pf\ fr durch Metathese entstan-
den, so bleibt auch hier ;•, sowohl im Osorb. als auch im Nsorb. ; man
vgl. oben prcki, prj'e/ii, pro/t etc. (eine Ausnahme bildet nur im Osorb.
pre, pred, prez, im Nsorb. p^e, pied, pscz).
Da nun, wie Mucke meint, der Uebergang von ;• in .s-Laut nicht
vor ungefähr 1300 eingetreten sein kann, wie die um jene Zeit fixirten
deutschen Formen der sorbischen Ortsnamen bezeugen, z. B. Krimnifz-
Kilmice, so stellt Torbiörnsson die Frage auf, wie sich um diese Zeit
und vor derselben die Gruppen mit ursprünglichem kro, pro, fro
vo;i denen mit urspr. /,or, por, for unterschieden und kommt zu dem
Schlnsse, dass die Diflferenz nur wieder in kr, pr, fr und ki\ pr, fr
bestehen konnte.
Allein auch das kann nicht richtig sein. Veranlasst wurde dieser
Uebergang des ;• in *• i ofl'enbar durch das k, p, f, welches dem r
eine specifische Färbung verlieh. Dann wäre aber nicht einzusehen,
warum dies nicht auch bei einem nach Torbiörnsson als urslavisch an-
gesetzten kr, fr, pr eingetreten sei. Der Grund wird offenbar der sein,
dass das r in kr, pr, fr schon längst eine durch den stummen Conso-
nanten veranlasste nüancirte Aussprache hatte '), als das r mit dem f in
der aus forf entstandenen Gruppe frof in Verbindung trat. Diese spe-
cifische Aussprache des ;• führte dann zu s (.y), während das r in frof
aus forf blieb. So nahm ja auch schon Leskien an (Archiv III, S. 94).
Es ist begreiflich, dass dieser Process dann auch über die ursprüng-
lichen Grenzen hinaus wirken konnte, so dass die oben erwähnten Aus-
nahmen pse, psed, psez entstanden, zumal es von Haus aus schon ein
psi gab. Es ist auch erklärlich, warum die zuletzt erwähnten Formen
nicht allgemein sind: in einzelnen nsorb. Ortschaften findet sich prjed
st. psed und prjez bzw. prez (in Horno) neben psez und zu prje die
bemerkenswertbe Form prja.
Gebauer vergleicht mit dieser Erscheinung den sporadischen Ueber-
V Aus einem r konnte natürlich nicht direct ein s, s werden; wahr-
scheinlich gab es hier mehr als eine Mittelstufe. Eine solche könnte vielleicht
bei Jukubica (lö4S, durch Schreibungen wie })rczijschla etwa = i^ r]sisia,
nutrschayschego, d. i. nut[r]sajsego angedeutet sein, wenn sich bei ihm nicht
Spuren einer Beeinflussung von der böhmischen Orthographie zeigen würden
(vgl. Leskien. Archiv I. S. 16S .
208 W. Vondräk,
gang- des fr^ pr^ kr und ehr in fr^ pr, kr und ehr im Altböhmischen
(Hist. ml. j. e. I, S. 346), z. B. prdzdniti »vacare«. Allein im Altböh-
mischen werden es wohl auch noch andere Ursachen gewesen sein, die
diesen Uebergang herbeiführten, so z. B. in przo hrzyeehy Pass. Klem.
200a, przostrzijed ib. 263a, przostrzyedku ib. 214b sehen wir, dass
wolil das r der nächsten Silbe massgebend war; in prec neben ptrec
war es wohl das c u. s. w. (vgl. Verf. Aksl. Gramm. S. 369). Immer-
hin mögen aber selbst im Altböhmischen einige Fälle vorhanden sein,
in denen das /'• durch den vorhergehenden Consonanten hervorgerufen
worden ist, so in chrtän und krtän neben chrtcm^ ehrupati neben
chrupati u. ähnl.
Russisch.
Hier dreht sich die Frage zunächst darum, ob in görod^ völok etc.
das erste oder das zweite o secundär ist. H. Torbiörnsson meint, dass
das erste secundär ist, weil sonst z.B.*orvhm auch analog ein *orovnyj
hätte ergeben müssen, wenn görod aus gord direct entstanden wäre.
Wir haben oben mit Fortunatov das orvhm schon im Urslavischen in
ronhnxjj übergehen lassen und auch den Grund angegeben, weshalb
hier diese Gruppe zuerst in Augriff genommen worden ist. Für die ür-
sprünglichkeit des ersten o in görod u. ähnl. sprechen mehrere Gründe.
Vor allem ist es die Bewahrung der Stellung des r, l in den Gruppen
'^thrt^ ^Uri^ "^thlt, *toIf, wie schon oben erwähnt wurde. Ferner
sprechen dafür die russischen Lehnwörter im Finnischen, wo sie ar, al
etc. haben. Sie sind, wie Mikkola (Berührungen zwischen den west-
finnischen und slavischen Sprachen, S. 43 ff.) richtig bemerkt, zu einer
Zeit aufgenommen worden, als der russische svarabhaktische Vocal
nach r, l noch nicht entstanden ist, z. B. palttina = r. polotnö, talk-
kima = r. toloknö^ vürtülnä = r. veretenö. Dann kommt auch in
Betracht der sog. secundäre Volllaut, der dialektisch im Russischen
vorkommt, z. B. verech neben verch. Joh. Schmidt hat auf einige let-
tische Dialektformen wie gaPva = lett. galva aufmerksam gemacht.
Sie würden auch den lautlichen Prozess im Russischen illustriren. Man
beachte auch irahe =^ irbe «Haselhuhn«, ilagi =^ ifgi »lange« aus
der Sprache der preussischen Letten.
Weiter sind es die russischen Worte wie zeloh, selöm u.s.w. Man
kann hier entweder von *zelb direkt ausgehen oder dieses erst zu *zolb
werden lassen. Im Sinne der Torbiörnsson'schen Hypothese entsteht
Zur Liquidametathese im Slavischen. 209
aus dem ersten *z/ej, aus dem zweiten zlob. *Zleb könnte nun nur zu
*zeleh führen, nicht aber zu zelob, denn das zweite o bliebe sonst un-
erklärt. Von einem *zelö können wir demnach direkt nach der Tor-
biörnsson'schen Hypothese nicht ausgehen. Gehen wir aber von zolb
aus, das zu zlob werden sollte, so müsste das letztere zolob ergeben.
Das erste o müsste ja hier nach einem ~ ebenso möglich sein wie in
dem angesetzten *zolb. Bei dieser Annahme können wir uns also das
e von zelob [zelob) nicht erklären. Es geht demnach nicht, wir können
auch ein zolb aus zelb^ um der Torbiörnsson'schen Hypothese gerecht
zu werden, nicht ansetzen. Gegen ein zolb sprechen übrigens auch die
Formen wie zelc^ zeltia, zelmyj gegen molcamh, volk^ soluce u. s. w.
Die Torbiörnsson'sche Hypothese stösst hier demnach auf unüberwind-
liche Schwierigkeiten. Gehen wir dagegen von der Ansicht aus, dass
der erste Vocal im Russischen der ursprüngliche ist, so entfallen diese
Schwierigkeiten. Ein melko lautete zunächst wegen des harten l zu
*molko um und dieses ergab nach dem früheren moloko. Ein *zelb
dagegen konnte wegen der Weichheit des z nicht zu *zolb umlauten,
aber nach dem harten / entwickelte sich wie in den anderen Fällen ein
svarabhaktisches o [^) und so erhalten wir zelob [zelob). War aber nach
dem / ein Laut, der ein o [^) nicht vertrug, so entstand auch hier ein e :
selezenka, vgl. aksl. slezena. So konnte auf Grund eines Dat. Loc. Sg.
*zelze ein zeleze und dazu ein zeleza entstehen, auf Grund der anderen
Casus dagegen zelza^ zelza etc. ein zeloza.
Aus dem Klein russischen muss hier auch eine Erscheinung
zur Sprache kommen : es ist der Uebergang des o zu i in geschlossenen
Silben, ein lautlicher Prozess, der durch die Labialisation des ö zu er-
klären ist. Diesem Prozesse steht dann auch der Uebergang des e in i
infolge der Palatalisation zur Seite. Da sich der Prozess nur auf ein
ursprüngliches o erstreckt und da die Gruppen o;Y, olt schon im Ur-
slavischen zu rof^ lot wurden, so erwarten wir auch in diesen Silben,
falls sie geschlossen werden, das /. Das finden wir nun auch thatsäch-
lich in einer ganzen Reihe von Fällen. z.B. lökotb, liktja\ rozen-riznä:
riljä-rilnyj\ rist-rostu\ rwmjj\ vse rimio; riznyj\ rizno. In loch,
lödka erwarten wir auch t", doch kommt es hier nicht vor, daher fasste
man das Wort als ein grossrussisches Lehnwort auf (das einheimische
Wort wäre eher coven, covnä = r. ce/?«), und so gibt es noch einige
andere Abweichungen in dieser Hinsicht, aber die Thatsache steht fest,
dass eine ganze Reihe von Fällen mit dem o in dieser Stellung wirklich
Archiv für slavische Philologie. XXV. 14
210 W. Vondräk,
einen Uebergang in i aufweist, was eben mit unsere!" Hypothese in voll-
kommener Uebereinstimmung steht.
In to7'ot^ folof kann natürlich das zweite o, wenn es auch in ge-
schlossener Silbe steht (z. B. in horod^ volok) nicht in / übergehen,
denn es ist secundär und geht vielleicht auf ein ^ zurück.
Torbiörnsson, der wieder auch hier von seinem gi'od ausgehen
muss, meint, in dieser Gruppe wäre o wegen der Verbindung ro nicht
gedehnt worden (die Labialisation des o setzt zuerst seine Dehnung
voraus). Zu Gunsten seiner Hypothese spricht hier eigentlich nichts, da
alle diese Erscheinungen im Kleinrussischen mit unserer Hpothese eben-
sogut, wenn nicht besser, in Einklang gebracht werden können.
Hier beim Russischen kann noch eine Erscheinung besprochen
werden, die eigentlich das Slavische überhaupt betrifft : es handelt sich
um die Gruppen «r, sti\ Das russ. storoz, sterec [stei'egü) soll nach
Torbiörnsson ganz lautgesetzlich gebildet sein, indem ein urslavisches
sr mit einem ursprachlichen s zu str führte. In seredä^ soröga^ soröka,
soröm etc. hätten wir kein f, weil es sich um die ursprüngliche Laut-
verbindung sr mit einem s aus k handle. Das dem k entsprechende s
wäre demnach damals vom ursprachlichen s noch verschieden gewesen.
Nun müsste ein solches dem k entsprechendes s gewiss schon im
Urslavischen mit s zusammengefallen sein, wie uns osfr% aller slavischen
Sprachen zeigt. Da nun ein sr mit einem s aus k nach Torbiörnsson j
ins ürslavische zu versetzen ist, so müsste auch dieses s mit dem ur-
sprachlichen noch vor der Diflferenzirung der einzelnen slav. Sprachen
zusammenfallen (wie wir es bei osfr^ gesehen haben). Wir müssen uns
aber dann fragen, warum hier kein str? Warum also kein *stereda7
Zwischen Anlaut und Inlaut wird ja bei sr kein Unterschied ge-
macht (vgl. striija und sestra). Man bemerke noch weiter, zu welchen
verzweifelten Auswegen Torbiörnsson , der unter anderem Mikkola's ^
Erklärung der Worte störoz^ srogi etc. (IF. VI, S. 349) als sehr ver-
künstelt hinstellt (S. 29), seine Zuflucht nehmen muss S. 30 Anm. 3:
r. strögij\ slov. strog^ kr. sfrog könnte zu d. strack gezogen werden.
Die enge Verbreitung des Wortes errege aber Bedenken, weshalb für
das slov. kr. Wort vielleicht mit Maretic Rad CVIII 95 Entlehnung aus
dem Russischen, für das Russ. aber mit Miklosich EW. S, 293 Entleh-i
nung aus dem poln. srogi anzunehmen sei (!). Ist das nicht erst rechti
verkünstelt? Bei der Erklärung der Worte, um die es sich hier han-|
delt, wird man wohl ohne Annahme von Contaminationsbildungen kaum
Zur Liquidaraetathese im Slavischen. 211
an's Ziel gelangen können. Freilich ist es fraglich, ob gerade Mikkola's
Etymologien richtig sind.
Bei der Annahme, nur ein iirslav. sr mit ursprünglichem *• hätte
sfr ergeben, kommt Torbiörnsson auch mit nsorb. srjebas, osorb. src-
buc, slov. srehat! und srebs/i in CoUision. Er muss annehmen, *srebati
wäre zu einem *,sbrbati (slov. srbati) neu gebildet, oder es liege ein
ursprünglicher Wechsel der Ablautsstufen *serb und *shrb vor. Allein
€S ist durchaus nicht wahrscheinlich, wenu einmal im Urslavischen die
Lautverbindung 6r ;hier nach Torbiörnsson sr), die doch unter allen
umständen dann sfr ergeben müsste, zu Stande gekommen wäre, dass
sie von einem später entstandenen sr (aus *sw) derart beeinflusst wor-
den wäre und ihr f wieder verloren hätte. Eher können wir uns das
, Gegentheil vorstellen: kam einmal ein 6/r auf, so behauptete es sich
I und konnte auch dort eindringen, wo es eigentlich ursprünglich nicht
* berechtigt war. So wird es sich wohl bei einigen Formen der Sippe
sferec, störoz etc. verhalten. Ein serb hat demnach nicht im Urslav.
aus si'eb ergeben können und es spricht auch diese Erscheinung gegen
Torbiörnsson's Hypothese. W. Vondräh.
Zusatz. Vor diesem früher geschriebenen Artikel ist Solmsen's
Recension der Torbiörnsson'schen Arbeit in dieser Zeitschrift erschienen
(Bd. XXIV. S. 56S — .579). Man wird es also verzeihen, wenn hier das-
selbe noch einmal besprochen wird, zumal es auch in solchen theoreti-
schen Fragen gilt, »si duo faciunt idem, non est idem«. Ich constatire
nur, dass auch Solmsen diese Hypothese verwirft. Neben Anderem führt
er dagegen die russ. Accente : görod (aus *gdrd) und goröch (aus *gorch]
an, denn die Urformen müssten sonst (bei Annahme der Bewahrung der
Tonbewegung zu grodo und gYocln, führen, woraus doch nur gor öd o
und göroclio werden könnte. Auch S. setzt bei ort-, olt- eine frühere
" Metathese voraus als bei -ort-, -olt-. Im russ. torot, toJot ist auch ihm
der 2. Vocal secundär. Es ergeben sich noch andere Berührungspunkte
wie z. B. bezüglich des Kleinrussisehen). Es ist nur zu bedauern, dass
■^ nicht darauf eingeht, warum tort, toJf, fert, telt dialektisch schon im
meinslav. zu tart, teilt, telt, tert gedehnt wurde, woraus trat, tlüt,
iiL't^ tret geworden ist Fortunatov'sche Hypothese). Tf! V.
14^
212
Dialektologische Miscellen aus der Gegend von Vrnci
im Kruseyacer Kreise (in Serbien).
Im Sommer des Jahres 1893
hatte ich Gelegenheit in der Um-
gebung von Vnici, im Kreise Kru-
sevac, mehrere Orte zu besuchen,
wie: Jasikovica, Vrnci, Vrba, Po-
dunavci. Ohne systematisch vor-
zugehen zeichnete ich doch manche
Eigenthümlichkeit in der serbi-
schen Sprache dieser Gegend auf,
um sie später einmal wissenschaft-
lich zu verwerthen. Da seitdem
mehrere Jahre verstrichen sind.
ohne dass ich von Neuem in die
Lage gekommen wäre, demselben
Gegenstand meine Aufmerksam-
keit zu schenken, und da ich voi-
aussichtlich auch in nächster Zu-
kunft kaum nochmals mit dieser
Frage mich befassen werde, so sei es mir gestattet, das Wenige, was ich
in meinen Notizen vorfand, so fragmentarisch es auch sein mag, zm
Kenntniss der Leser dieses Fachorgans zu bringen.
^y^^A^-H^^-T^A^
I.
1 . Die stärkste und charakteristischste Eigenthümlichkeit der serb.l
Sprache dieser Gegend, die zuerst auffällt, besteht in der Wahrung der?
alten Betonung: der moderne Zug des Betonungsübergangs auf die
nächstvorhergehende Silbe kommt hier nur bei der Ultimabetonung kur-
zer Silben zur Geltung ; sonst bleibt die Betonung überall auf ihrer ur-
sprünglichen Stelle. Demgemäss würde man erwarten, dass in den
Fällen des vorgerückten Accentes die Betonung bei kurzen Silben die
Gestalt ', wie das in den übrigen Dialekten der Fall ist, annehmen werde.
Dialektolog. Miscellen aus der Gegend von Vriici im Krusevacer Kreise. 213
Doch ist es nicht so. Der neu auftretende Accent ist eben so fallend
wie ", höchstens könnte man sagen, dass er etwas minder exspiratorisch
'klingt. Ich habe einen studirten Freund aus diesen Gegenden, der nicht
im Stande ist in den zweisilbigen Worten ' von " zu unterscheiden; die
iiim von mir vorgesagten Beispiele sprach er immer so aus, dass ich
mich überzeugte, dass in seiner Aussprache die betreffenden Wörter
immer fallende Betonung hatten, er spricht BOAa und Bo^y ganz gleich
aus. Ich werde darum für diesen Accent die Bezeichnung " anwen-
den, weil die wirkliche Aussprache dem letzteren näher steht als dem
Accent \
Ist die Silbe, auf welche der vorgerückte Accent fällt, lang, so wird
(He Tonerhöhung kaum wahrgenommen. Man spricht beinahe ganz
gleich die erste Silbe in rjiaua (Nom. sing.) und r.iäße (Nom. plur.).
Diesen Accent wollen wir darum durch ' ausdrücken, weil die Aus-
sprache desselben, wenn sie auch nicht schon jetzt so lautet, so doch
\a/.\\ führt.
Die ursprünglichen Accente " und " sind ganz gleich der Geltung
selben in den übrigen Dialekten, mögen sie auf der ersten oder auf
welch' immer anderen Silbe stehen: a:iiöa,ceKHpa, r.iäBÖiba, npfnia,
Konäae u. s. w.
Der einzige Ueberrest einer kurzen Ultimabetonung beschränkt sich
lauf den Fall, wo die vorausgehende (vorletzte) Silbe laug und die letzte
kurz aber consonantisch geschlossen ist, z. B. KäJMiiK, .läacoB (auch
.läacoB), neTKGM, noTöuKei«.
2. Die Abweichung von der im Vuk'schen Wörterbuch verzeich-
neten Betonung kann durch folgende Beispiele, die ich besonders auf-
gezeichnet habe, illustrirt werden: BocaK (V. BocaK), rymxep (V.
jrymxep), jäj^a (Vuk: jäj^a), ÄpB^e (V. ApB^e), SMiij (V. snäj),
'miiTop (V. maxop), KyhHmTe (V. KyhfiuiTe); verbunden mit der
Zurückziehung auf die Ultima: uaöe (V. näöe), KpneA (V. Kpne.t,
gen. Kpneita), cxpmeH (V. cTpmAeH, genit. cTpmAeHa), päaöSj
j (V. päsöoj), JiönoB (V. jiönoB;, öecnocjm^iäp (V. ßecnocJiHyäp),
IJOHifih (V. joH^nh). Alle zweisilbigen Worte auf ic zeigen die mit
Quantität versehene Ultimabetonung: öpaTnh (V. öpaTnh), öpycfih
|(V. öpycnh), öp^iiih (V. öpunh), öperuiih (V. öpem^nh). öyTiih
!(V. öyTnh), MaAiih (V. Mäybiih), uneTiih (V. UBexnh), upBnh (V.
ji^pBHh), u,penHh (V. upennh) u. s. w. Mit der sonst üblichen Zu-
rückziehung (richtiger Wahrung der alten Stellung): BOAenH^ap (V.
214 Ljiil). Stojanovic,
]3o;(,einniäp), Eoro.Lyö (V. Eoro/'byö und Eöro.i.yö), 113 Kpar\-
jeBij;a (V. KparyjeBu;a), KpäAeBO (V. Kpä/beBo), rja^HOHHina
(V, rjiäAHOHHua), iiapiiOHHUja (V, napnonima). Vergl. noch no-
HHO (V. noniio), Aeciuio (V. ;i,ecii;ro), opTaniiiia V. opTauHiia), i,
BHÄäKOBHh (BHAaKOBHii), öojiOBao (6()jioBao), oxKOBiijio ce i
(oTKOBäJio ce). Man spricht jariLeuiu,e, japemi],e, Te.ieume
für jiiriLeume, japemu;e, Tejieume.
3. Folgt auf die betonte eine mit Quantität (Länge) versehene
Silbe, so wird diese sehr schwach gehört, z. B.
bei zweisilbigen Wörtern mit " auf der ersten und der Quantität
auf der zweiten Silbe (Rad. LIX, S. 58): ruBpaH, 06 Sa, Kopäic,
MH.TOCT, pä^ocT u. s. w. ; eben so bei dreisilbigen Wörtern (Rad LIX,
S. 60): njräHAHUiTe, söopilmTs; eben so bei den dreisilbigen Wör-
tern mit der Quantität 'Länge) auf der Ultima (Rad LIX, S. 61) : Bo-
atH^äp, Be-niiMilp, KOJiüBpäT, BHHorpäÄ U.S.W. Vergl. noch
iirpä.inmTB, pBajulmTc, KOHonTbiimTe u. s. w. und öpbaHKa,
i^nriiHKa.
4. Vor der betonten Silbe hört man deutlich die Quantität (zu-
weilen auch dort, wo man sie nicht erwarten würde), z. B. jiäatoBH
(.laacÖBH), KöJirnnja (V. KÖMmnja), Tepsiga (V. TepsHJa), npän-
THJe (V. npaHTHJe), KpäibeBHHa (B. KpaAeBHHa), p^äKOBHh (V.
pJ^aKOBUh), KÖMmHHHl],a (V. KOMUIHHHIi;a), ÖribHBO (V. ÖritHBO .
öpäo (V. opao) plur. öpjiuBH, ko^ nöAPJMa (für ko^ nb^pyMaj.
5. Die Quantität fällt mit der Betonung zusammen in solchen Fäl- ;
len, wie: öoroMOAau, (V. öorÖMOTbau), AoifcoaeMai]; (V. ^oitöse-
Mau,), AOitoeejaii; (V. AOftbee.iau;), HeBaybaüaii; (V. HeBaÄ>ajiau),
CBBTOröpau; (V. CBexbropai;) oder je3epii,e (V. jesepuje), ÖJia-
TaHi];e (V. (iJiaTaime), öpAämu,e (V. öpAami^e), ite^äpita (V. ilc-
Aäp^a).
Gewiss würde, nach diesen Proben zu urtheilen, die Betonung die-
ses Dialektes verdienen eingehender studirt zu werden.
IL
6. Ein zweites, stark ins Ohr fallendes Merkmal dieses Dialektes
besteht in der Wiedergabe des '£ bei verschiedenen Casusendungen der
pronominalen Declination (Instr. sing., Gen. Locat. Dat. Instr. plur.)
durch e, das dann auch in den Loc. sing. Eingang fand und ausserdem
in der zusammengesetzten Declination der Adjectiva, ja selbst der Sab-
Dialektolog. Miscellen aus der Gegend von Vinci im Krusevacor Kreise. 215
stantiva im Instr. sing, zum Vorschein kommt, wodurch die letzteren
Formen mit der Casusendung der weich auslautenden Stämme der
o-DecIination ausgeglichen werden. Man vergl. Instr. sing, obcm, mo-
jeM, HilmeM, ^pyreji, 3a iterüßeM öpuTCM, iih c tcm Jukobsm
HH c Teai EpäiiKeM, ca cbgm CBexeM, tcm nyxeM, Kojeai ny-
xeM, AaiiKeM, iiäcnneM, noxo'iKeM, c MapfiiiKeM, c PäHKeji,
e EorojicöeM . c iteHeM xecxaMeHxeM. Oder Loc. sing.: y xesi
HMaity, y je^neM BnuörpaAy, na onaciieM Mecxy, no CBe-
xeM Jlyve, y npoKynlhiKeM Kpajy, no BJiämKeM noAy, no
ce.iCKeM oönyajy, no öyräpcKeM piiTy, cas^eo ceno o bh-
AOBCM Aany. Oder Instr. plur. mo gm rpy^HMa öpunnx, nämeM,
tteroBSM U.S.W. Gen. und Loc. plur. : Moje, iiäiue, iterÖBe
(auslautendes // wird nicht ausgesprochen .
7. Im Zusammenhang mit dem unter 6 Gesagten steht auch die
Eigenthümlichkeit des Dialektes, dass das i im Nominativ des Compa-
rativs nicht zu zi (vor ü-j] wird, sondern als e, das zugleich immer be-
tont ist, ausgesprochen wird. Man hört daher: öeciiej, öjia^ej,
Öoraxej, öyjiiej, Becejicj, BH;i;Hej, Bpanej, Bpyhej, rJiaA-
nej, rop^iej, rp;iHej, rojnej, rpeiuHcj, ^eÖAej, Ayacnej,
KeAHej, atajiocHej, 3;ipaBej, spejicj, jeBXHHej, je/tpcj, KopHc-
Hej,KpacHej, Kpxej, Kpynuej, Kycej, jintiiiej, jraAnej, Jiomej,
MacHej, MHjiej, MnpHej, MOKpej, mpauHej, wpcHej, Myxnej,
My;i;pej, npaßej, npocxej, npasnej, pa;i;ej, panej, pasHej,
pyatHej, cnxej, cnrypHcj, cjajnej, cjiaöej, oiemHej, cna-
ÄHej, exHAHej . cxapej , cpehHej, cxpauiHej, cbbxjicj, cxpMej,
TaMHej, xecHcj, xonjiej, xpeanej, xpoMej, xynej, ynop-
Hej, qecxej (auch Memlm), yßpcxej (auch yBpmhn), iincxej
(auch qnmhn), myxej.
Es sei hier gleichzeitig hervorgehoben, dass dieser Dialekt auch
die Comparativbildung auf -mii, die auf den Formen der Casus obliqui
beruht, ungemein liebt. So hört man nicht bloss .laKuin, .lenrnn,
MeKmn. sondern auch ÖJeiriuH (neben öjiaacej), BpiiiimH (neben
Bpaiiej), Bpyhmn (neben Bpyhej), 3;i;paBmH auch 3ApaBmej
(neben 3/i;paBej), spe.imn (neben 3pejiej}, Kpxmn (neben Kpxej),
npasrnH (neben npaßej), cjiänmH (neben cjiaöej). Andere der-
artige Comparativbildungen sind: 6ejbuiii, 6.T.efl,mii (neben öjibI^h).
BHCüKmH (neben BiimH), Bpe-imn, r.3yßmH (neben r.iyBAH),
rpynmii, ;i;paKmn (auch ;[paKyH), acHBUiii, acnjuin (auch /Kh^h,
216 Ljub. Stojanovic,
KH'iii, von acHA^K), atyTuiH (auch iKyqe und acyhe), 3Jieuin
(auch 3JiHme), KpHBUiH, KpaiuH, KpyTuiH, jryAuiH (neben Jiyl)«).
AyTuiH, Maa^iuH (auch Mjca^n), MJiaKmH, MpKinn, iiobuih,
njraBUiH, njiHTiuH (auch njinhn), nyHuiH, naTOMiunje, paAiuo
(neben paAiije), CHBrnn (neben CHB.tHj, ceAuiH (neben celjv,, .
cKynuiH. cMB^niH, cnopuiH, cyBuiH (neben cjBJb-a), cypinH,
TBpAuiH (neben TBpt|ii), Tpyjrmn, i];pniiiH (neben ii;pH.H). Neben
THUiH sagt man auch thmuioj und THiuqej.
Dass daneben die übliche Comparativbildung aufrecht bleibt, zei-
gen folgende besonders aufgezeichnete Formen: öpatn, öoah, bbIih.
rop^iH, ryiuliH, ^yö^n, Ay^KH, ja^H, Kpalm. MaitH, iih3Kh,
pei^H, cjal)H, TaitH (auch TaniiiH), Teatn, yrojeiiHJH, luiipH.
III.
8. In dem Vorgebrachten sind wohl die Haupteigenthümlichkeiten
des Dialektes zusammengefasst. Selbstverständlich ist damit nicht alles
erschöpft. Es verdienen noch einige Einzelheiten hervorgehoben zu
werden, und zwar:
a) dass der Consonant x [h] nie ausgesprochen wird ;
b) dass/ im Auslaute sehr gern wegbleibt, wie in hbmo, nä, aü
(für HBMOJ, iiaj, Aaj), in xä, onä, onä (fürraj, OBaj, oHajj;
c) dass die Lautgruppe str in ocTap, ocTpa bleibt und nicht zu
st7' wird: ocTpa BOAa, oBKnpa, öcTap hok; für ncyJBM wird
nii;yJ6M gesagt. Statt nei];HBO wird neynso gesprochen;
d) dass bei den Präpositionen h3, pas vor ib keine Assimilation
zu at eintritt, also nur: pasAyTHT, HS^tyÖHT;
e) dass die Lautgruppe zj (auch 3aJ, in den Auslaut -shk, -3ahk
durch Auslassung des a und Umstellung zu J3 wird in jroJ3e, rpoJ3e
(neben ji03je, rposje), aber rB63JB neben rnoai^B; rposjanä
ÖBpöa. So auch jhcjb üblicher als jinuihe;
f) dass durch die Contraction der Vocale aus ao: a, aus ao u: aj\
auch w, entsteht: Kä (y rnue), Kä (moj öpar), Kaj ivroje, Kaj naiu,
icfi (cBeTor CaBy jäJD;a);
g) dass bei den Substantiven auf -k der üebergang in u, aus dem
Nom. plur., wo er berechtigt ist, auch auf den auf -e auslautenden Ac-
cus, plur. sich erstreckt: npÖMHO My cbbaÖi^b, onä noABeo cbb-
AÖii;e, onäHi];e, y ^iJiaimB, je3Hii;B, Ky.iyi];B hy Kyjiy^iHT:
Dialektolog. MiscL'llen aus der Gegend von Vinci im Kriisevacer Kreise. 217
h) dass im Dat. Loc. sing, der «-Decliuatiou die Endung auf -e
auslautet: jyKe, 6iio-caM y böjckö. no peKC, no poce, y
co6e. no rjiäBe:
i) dass der Loc. plnr. mit dem Geuit. plur. zusammenfällt. Man
sagt also nicht nur o^öiijem o;i oue KMoxojiä, Tpäne oa syuä,
Moje Topaöa (name, iteroBe u. s. w.), ABoje BojiOBä u. s. w..
sondern auch no BiniorpäAa. no AyKaTä, Moace ;ia .Me hoch y
3y6ä, no one noTöKä, no öänaKa ^a HÄeur, no HÜmÄ .iii-
Bäjä, no Jiejä, no jiicäjä, no CTpyräpä, na Kpmxeibä, no
nti-ijä, na Ko.iä ocxa, no obh öpAiijä öeAnii. no xe öynäKä.
Darum sagt man ganz gleich: o^ Moiie onänäKä und na Moiie
onaHaKa.
k) dass die neutralen o-Stämme in den Casus obliqui gern den
consonantischen Zuwachs -äx (also serbisch -ex) annehmen, also: 113
Ko.ienexa, nepexa, ^ejcexa. Anderseits hat man solche Plural-
formen: öpAHJa, acnxiija (für öp^a, acnxa). Man sagt indecl.
Ä060: y Koje A060 (statt Aooa).
1 Das Pronomen hat diese Formen: ja, Mene, Mene, Mene-Me,
möhom, Mene; mh, näc. naMa-HaM-HH, näc-He, naMa; xfi,
xeöe, xeöe, Teöe-xe, xoöom, xeöe; Bia, säe, BaMa-BaM-Bii,
näc-Be, BaMa; eeöe, ceöe, ce6e-ee, coöom, ceöe. Seltener
ist liSH als H.e3HH. dafür aber steht eine besondere Form : iLojan.
ttojiia, itoJHO, H.ojnora u. s. w.
Das Adjectiv jiiB.bn hat noch vom Xom. sing. masc. die Nominal-
form: AiiBa-L.
m) Der Infinitiv lässt das auslautende n immer weg : nricax, mii-
xax, BiiKax, jec (= jecxn), Sc (= Hhn), Kxex, noh, nopäc
(= nopacxn), noxpömnx, noMyc (= noMycxH), ysex, pii^ax.
n) Einige Verbalformen verdienen noch erwähnt zu werden: zu
Inf. Kxex lautet 3 pers. pl. oxe. xe, nexe: cum xe AÖh. nexe
OHH xo y^iiinnx, oxe saite.To. Zu Kosax hat man Präs. kobcm,
-em, Imperat. kobii. Zu XKax Präs. XKeM. Die 3. Person plur.
lautet ne^iy, Byqy, Bpmy. cxpnaty, und 3pe a^nxa, Bpe johuh.
Man sagt 1. Pers. sing. Biiljy, necaM und wendet an die Form öiiji;-
HeM. ÖHAe.
0) Ftir den Imperfect habe ich solche Belege : ^lyBä, yyBäme,
^ysäme. yvBäMO, eben so :MoräMo.
218 Ljub. Stüjanovic, Dialektologische Miscellen etc.
Pj Im Aorist 1. Pers. pl. bleibt x (welches natürlicli nicht ausge-
sprochen wird): iiaöpaMo, yBUTHMO, .läjaiio, CiaTäJiHMO, npe-
BVKoMO, yMe,T,03io, Aol)<"'MO, npeKonäBii MO.
IV.
Gewiss hat ein jeder Dialekt seine Lieblingsausdrücke, die man
erst beim längeren Studium kennen lernt. Sie verdienen eben so, wie
die lautlichen oder formalen Eigenthümlichkeiten, besonders angemerkt
zu werden. Ich kann das hier nicht bieten, beschränke mich nur auf
einige Ausdrücke, die ich aufzeichnete, weil sie mir auffielen: Bö;i;e-
iiaKe: 0B;i,e (hier), ByAenaKe: OBy^a (hier) — Byniija: ApBenii
jiBBaK (Holztrichter) — tbosa: KjmHau, (Nagel) — Ayca: KOMa^ (ein
Stück, z. B. cHpa, Meca, 3eM/Le) — 3jräK: /la ce CTOKa 03jäyH — Kiio,
Ka.LHmTe: ÖJiaTO (Koth) — Ke^ia, Ke^iryita: o/i; KOCTpeTii »koso-
BHHe« HsaTKana ^lOÖancKa ryita Koja ne npHMa BO^y (ein aus Ziegen-
haar gewebtes, wasserdichtes Hirtenkleid) — jioct: o3h6 (Hebel) —
Miiiueliii: MumJH (Mäuse-) — MaceiiHi^a: Bpyha npoja pas^poö/Lena
na nocoABHa h npejuiBena BpejiOM Mamhy (eine Speise von Hirsenmehl,
Polenta) — MemHHii;e: raj^e 6e3 np^a^Ke (Dudelsack ohne Bourdon)
— oraife (nie dafür Baxpa gebraucht) — nejieKäpHT: neT/baxH, npa-
BHTH Hemxo (thun) — najaMH^a: ypoAHi],a y atHxy (der Kuhweizen)
— npyA, npy;i,a, -o: naamAHB (scheu), z. B. jarite, cpHa, nacxpMKa
— nocfinKa: amoB, Baxpa^t (eiserne Schaufel) — npmKaB, -a, -o:
np^aB (schmutzig), z.B. o^ rjiHÖa, 3H0Ja — cxpoiuKa: po3ra, ys Kojy
CS neae ii ciwa3H na cbho u. s. w. (eine Stange, auf der man hinauf-
und hernnterkriechen kann) — yAyx-y;i,y xa : aiel^a HSMe^y ifcHBa,
063 xpH,a (Rain ohne Gestrüpp) — ycyKa: Kao rajxan (Schnur) —
mybHBa: nsMa m.wiBe (im Singular collectiv gebraucht).
Belgrad. LJuh. Stojanovic.
219
Zur Geschieht^ der Nasalvocale im Polnischen.*)
m
^
Zahlreiche Beispiele , welche
Brückner zum Beweise des Ueber-
gangs von n und f in tc im Polni-
schen (Archiv XXIII, 233—236: an-
gehäuft hat, haben Herrn Lorentz
nicht überzeugt (Archiv XXIV, ',
Fussnote); desshalb sei es mir er-
laubt, noch eine Anzahl Beispiele
dieses Uebergangs zu liefern und
sie mit einigen Bemerkungen über
den Schwund der nasalen Färbung
der Yocale in der polnischen Schrift-
sprache wie auch in den Dialekten
zu ergänzen.
Der Uebergang von r/, c in (/
geschieht durcli die Stufe //; somit
ist das u in diesen Fällen ein ent-
nasalirtes /( und tritt in Parallele
mit «, o, e, die durch den Verlust des Nasalelements von ä, «, f hervorge-
gangen sind.
Es kommen zuerst Beispiele ans dem Altpolnischen (aus dem Buche
von J. Baudouin de Courtenay »0 drevue-poltskomi. jazyke,: Sundomirie
1243 neben Zudomer 1221, Sudomir 1240; Podiunze 1281 neben Podluze 1254;
Criuosudone 1242, Criuosud 1246, Kriuozudus 1228 neben den heutigen Krzy-
wosqdowo, Krzijicosqdza; Prudota 1244 neben den heutigen Piandocin und
Prandota; Odrouus 1222 neben dem heutigen Odroicqz; Suthoc neben dem
heutigen Santoha; Luchizia d.i. Lpczyca, ebenso Sudizlauus 1252 neben dem
heutigen Spdzis hucke u. s. w. In der Bibel von Szaroszpatak findet sich die
Form poskxdzic, vgl. das altbulg. s7iqd^.
In den Dialekten der polnischen Sprache tritt dasselbe >{ nicht selten
J^h ^(X(-loKria^
*] Die hier gebrauchten Abkürzungen sind dieselben wie in meinem
»Slownik gwar polskich«.
220 «^^^ Karlowicz,
hervor: ivutek [Gröjec); stnj)a, hrzujcac [Maz-Y, 21 \); muka, kujcol, iujca, snijcai-
(Rozpr.IX, 127); bjtßzie (Lub. I, 323); tt/sinc, zaprz^gaj, rucke (Wisla III, 250—
252); pstvzka (= ivstqzka Zb. I, 16).
In einigen Gegenden versehwindet der Rhinismus aus dem ?/. und es
wird zu einem u: ivygludä, muka, skupo (Kozienice); swisnid, uscisnut (Maz.
V, 27. Rad. II, 56); kusek, potciusio, snzyn {= sqzen), ksiuze, ksiuzka, wusi/,
utrzus (= utrzqsi), wiuzae, muz (Rozpr. IX, 127); grzecnu, Ju, siablu, praivu
(Wisla III, 250); idu, su, twoju (Krasn. 288) u. s. w.
In den folgenden Wörtern bietet die Schriftsprache u, wo sich in pa-
rallelen Formen oder in den Dialekten Nasallaute finden : ciqmqc (in jyrzij-
cupnqc) neben dem dialektischen czppiec (Pr. ffl. IV, 282) und cepiec (Rozpr.
VIII, 227; XX, 426 und sonst); duzac si^ neben dem dial. dqzac sip (Wal. s.v.) ;
gniby neben dem altbulg. grqbi,; gusla neben gpsl und gpslarz; kupa nebeu
krpa; niiich, niuchac neben den dial. mrjc7t, niachac (Krasn. 305); paskudny
neben dem altbulg. skqd^■, jioruczyc neben dem dial.^or«c:?/c' (Kai. I, 238 sq.j:
pos^(pic neben 2>osppic (bei dem Seklucian); wypukiy und icypuczyc neben dem
dial. wypäkia (= gravida Zb. VIII, 255) und wyp^czyc (Zb. VIII, 95. Lecz. 145.
Spr. V, 124); smuga neben dem dial. smqga (Rozpr. XVII, 61); Ipchiy neben
tuchnqc; zhuk, zhukiy neben dem dial. zhpk, zbqkly (Krasn. 288); zuhr oder zuhr
neben dem altbulg. zqhrh.
Umgekehrt, dialektischem m entspricht in der Schriftsprache oder w
einem anderen Dialekt ein Nasallaut: dial. otq.pno neben dial. otupno (Wrzes.
15); puk {= puch = Muchlichkeit Spr. IV, 311) neben ppch {= ic^ch Kuj. I,
199); pupuszka (Pozn. III, 150) neben dem liter. p^puszek; putka oder pptka
(= Pfad. Zb. I, 35) neben dem altbulg. pqU; stuzka (Pozn. II, 64) neben dem
liter. tvstqzka; tqtkac ;= saufen Derd. 103) neben dem dia\. tutkac (Krasn. 310);
zasupiui sie (Chelch. II, 102) neben dem liter. zasppic siq, vgl. oben posupic.
Noch einige Beispiele aus den Ortsnamen : Prqdy (Kreis Niemodlin =
Falkenberg), ehemals Prudy, in den Urkunden P/-a«J«, deutsch Bi-ande ,
Prudka (Fluss im Petrikauschen) und Prudnia (See im Kreise Swiecie =
Schwatz) neben prqd; Pqtnöw neben Putnöw (Kreis Konin); Tuchola (= Tu-
chel) und Tuchlino (See im Kreise Kartuzy = Karthaus) neben technqc, stpchty
(vgl. Miklosich Etym. Wörterbuch tonch — 2) u. dgl.
Den Verlust des nasalen Elements erleidet nicht nur das ?< ; es ist be-
kannt, dass in der Aussprache der Polen die Nasalvocale q, ? in den Endungen
wie 0, e lauten und nur in gehobener Rede hervorgebracht werden. Es gibt
aber Dialekte, in welchen nicht nur im Nachlaute, sondern auch im Inlaute
<j, f zu o, e werden ; das geschieht z. B. in der Gegend von Sandomierz, Tar-
Zur Geschichte der Nasalvocale im Polnischen. 221
nobrzeg und weiter gegen Radom zu, wo man nicht nur tvielho gioice, uioze,
so, sondern auch moka, reka, sodziö, meczy6 u. s. w. hört.
Die Entnasalirung des altpolnischen und dialektischen ä (= an) wurde
bis jetzt noch nicht berücksichtigt; sie scheint mir ebenfalls Thatsache
zu sein.
Zuerst in den Ortsnamen.
Langenau bei Danzig heisst bei den dortigen Polen Lcgoico oder Lag-
nietco; ich stelle damit zusammen drei Ortsnamen Lugöw (Gouv. Kieice, Ra-
dom und Fürstenthum Lowicz), wahrscheinlich ehemals Lägöw, von *i(ig =
^ff7 = ^"5' = altbulg. Iqg'o. Heutiges Beszöw heisst im XV. Jahrhundert aus-
schliesslich Banszowa. Pakoshiw (Kreis Ilza) in den Urkunden heisst Panko-
s/auf, ^^norze (Kr. Inowrociaw) schrieb man im XIII. Jahrh. Wanorze. Das
Dorf Sqdkoiva (Kr. Jaslo) heisst auch Sadkoiva. Es gibt einige Bozacin ; diesen
Namen muss man mit Bozpcin, Borzfcin, Bodzentyn und Bodzcmta zusammen-
stellen. Neben den Namen Wawel und Waicelno stehen Wqwolnica, Wqwalno,
Wqwelno, Wqivai und Wqicelnia.
In der Deklination geht in einigen Dialekten das ä in a über, so im
Accusativ aing. czapka, gorzalka, godzina, pocecha u.s.w. (Bisk.l9 — 20); matka,
uciecha, siekiera u. s. w. (Rozpr. IX, 310); cörka, smota (Opol. 25); dasselbe in
der Conjugation: ida, siysza, czuja, kupia, chca u.s.w. (Bisk. 20); pöjda, inusza
(Rozpr. IX, 310).
Im Inlaut: banä (Opoi. 24) statt bädä = ifrff ; drzazga neben dem dial.
drzpzg (Rozpr. XVII, 30); kolatac neben dem dial. kolqtaö (Pozn. IV, 225); ma-
tew und mateicka (Ram. 98. Pobi. 46) neben mqtew, mqtewka; nac neben dem
dial. «fc Swiet. 6. 20) und nrtka (Zb. 1,46), aber vgl. Miklosich Etym.Wörterb.
211 nati.
Jan Karlowicz.
222
AVie im Kleinrussisclieii die Palatalisation der Coii-
sonanteii vor e und ^ verloren ging.
In sämnitliclien Dialekten der
kleinrussischen Sprache , soweit
dieselben nicht unter dem Ein-
flüsse der benachbarten russi-
schen, polnischen und slovakischeu
Mundarten zu leiden hatten, wer-
den bekanntlich die einfachen
Consonanten (d. i. nicht geminir-
ten, nicht verlängerten) in der
Stellung vor gemeinruss. und ge-
meinslav. e und i nicht palatali-
sirt ausgesprochen. In den gross-
russischen dagegen, sowie in den
Weissrussischen Dialekten, werden
alle Consonanten mit Ausnahme
derjenigen, welche jetzt in jeder
Lage hart sind (zu ihnen zählen
in einzelnen Dialekten i, i, c, r,r),
in der Stellung vor den genannten Vocalen palatal ausgesprochen. Vgl.
klr. selo^ vedete^ tiyo (und tyyr^o)^ vino (und vy?io) einerseits und gross-
russ., weissruss. selo, ved'ef'e^ vino, ciyo andererseits.
Im Einklang mit der Mehrheit der Mitforscher nehme ich au, dass
in den grossrussischen und weissrussischen Dialekten in dieser Beziehung
alterthümlichere Verhältnisse bewahrt sind, als im Kleinrussischen, mit
anderen Worten, dass die kleinrussischen Consonanten vor e und i den
ihnen ursprünglich eigenen palatalen Charakter in der Aussprache ver-
loren haben.
Ohne mich näher auf die Beweise einzulassen, verweise ich nur
darauf: 1) dass vor i (mundartlich vor den Diphthongen «'e, %e\ hervor-
gegangen aus älterem ie (gemeinsl. ■£ und e, das im Gemeinrussischen
sich verlängerte), diese palatale Aussprache sich noch bis heute im
Kleinrussischen erhalten hat; 2) dass diese Palatalisation der Conso-
C^y^^-'^^^/t-^--<yc.A.'*^^e,^eri^
Wie im Kleinruss. die Palatalisation der Cons. vor e u. i verloren ging- 223
nanten vor (/, da3 auf nasales e zurückgeht, anzutreffen ist : 3) dass die
Consonanten vor jetzt geschwundenem halbkurzen h ihren palatalen
Charakter im Grossen und Ganzen bewahrt haben ; 4) dass -t in der
2. Person Pluralis des Imperativs, das auf -te zurückgeht, palatal aus-
gesprochen wird: vgl. ved'if\ yod'if' neben oed'ite, yod'ite (aus älteren
ved'eie^ yod'e(e).
Gestützt auf die augeführten und melirere andere Thatsachen, nehme
ich als erwiesen an, dass im Gemeinrussischen die Consonanten in der
Stellung vor e und i palatal ausgesprochen wurden. Meine hier folgen-
den Bemerkungen sollen als Antwort gelten auf die Frage, auf welchem
Wege und warum die Palatalisation im Kleinrussischen verloren ging.
Ich hebe schon gleich hier hervor, dass ein dem Kleinrussischen
ähnlicher Verlust der Palatalisation in den übrigen slavischen Sprachen
nicht constatirt werden kann. Zwar haben wir alle Ursache, vom Ver-
lust dieser Palatalisation in einigen west- und stidslavischen Sprachen
zu reden; z. B. im Öechischen bleiben im Gegensatz zum Slovakischeu
die Consonanten vor e unpalatalisirt: eine Zusammenstellung des slovak.
neho mit dem cech. neho ergibt ein cecho-slovakisches n^eho^ wobei n^
unvollständige Palatalisation von 7i ausdrückt. Was aber cecho-slova-
kisches n (also vollständig palatalisirtes n) vor e anlaugt, so blieb das-
selbe im Cechischen unverändert, z. B. do neho, k nemu. Gleicherweise
ergibt die Zusammenstellung vom slovenischen nlzek mit mundartlichem
mzek (auf der Wocheiner Save spricht man: nlska göra) ') ein vor-
slovenisehes n^izEk, nicht aber iiizEk, da eben das allgemeinslav. in
fast in sämmtlichen slovenischen Mundarten unverändert blieb (vgl. wifr/,
knlga, geschrieben njica, knjiga). In der kleinrussischen Sprache da-
gegen ging vor e und / die Palatalisation in vollem Grade sogar bei den
Consonanten r, /, w verloren, trotzdem sie als ererbt aus dem Allgemein-
slavischen anzusehen ist: niva (und «?/üa), kniha [nnd knt//ia), sineJio
(und syneho), do neho, k nemu, pole [eLher pol'a, pol'u), zemleju (aber
zeml'a u. s. w.
Wenn wir aber auch für die gemeinslavische Periode keine voll-
ständige Palatalisation der Consonanten vor e und / annehmen wollten,
so kann dennoch in den eben ansreführten Fällen der kleinrussischen
^) Baudouin de Courtenay, Ox^ctbi o saHATinx-b no asbiKOBtÄtHiu», L. II
(KaaaHB 1877), S. 65.
224 -A.!- Schachmatov,
Sprache von einem vollständigen Verlust dieser Palatalisation die Rede
sein, weil hier w, /•, l auf nj\ rj\ Ij zurückgehen. Gemäss den oben an-
geführten Erwägungen glauben wir annehmen zu müssen, dass n in niva
und nizok sowie in neho und do neJio im Gemeinrussischen gleichmässig
palatal ausgesprochen wurde.
Betreffs dieses Verlustes der Consonantenpalatalisation in der Stel-
lung vor e und / ist bisher, wie uns scheint, keine genügende Erklärung
gefunden worden. Der Hinweis auf angeblich ähnliche Erscheinungen
im Serbischen und in anderen slavischen Sprachen klärt die Sache nicht
zur Genüge auf, da man in den angedeuteten Fällen nur annehmen darf,
dass eine im Gemeinslavischen gewissermassen unvollständige Palatali-
sation der Consonanten vor e und /, wenn dieselbe sich in Wirklichkeit
im Allgemeinslavischen entwickelt hat, verloren ging. (Fälle wie itiiBa,
iio-te u. s. w. haben die gemeinslavische vollständige Palatalität der
Consonanten vor e und i unverändert aufbewahrt). Im Kleinrussischen
dagegen ist vollständige Palatalität der Consonanten verloren gegangen.
Während im Serbischen halbpalatale Consonanten in jeglicher Stellung
(südl.HHJeM, östl.HeM; koct; Tama: Finsterniss) diese Palatalisation ver-
loren haben, hat das Kleinrussische dieselbe nur vor e und i eingebüsst.
Angesichts dieser Umstände ist überhaupt die Meinung ausge-
sprochen worden, dass als Ursache dieses Verlustes der palatalen Aus-
sprache im Kleinrussischen der Uebergang gemeinrussischer Vocale e, «',
also der praepalatalen oder palatalen, in die palatogutturale Reihe (Sie-
vers) war; dieser Uebergang habe nun eine Erhärtung der weichen
(mouillirten) Aussprache der Consonanten vor solchen Vocalen zur Folge
gehabt. Als Beweis für diese Behauptung wurde der Uebergang von ^
in y in verschiedenen kleinrussischen Muudarten angeführt, wobei
einige Forscher, wie z. B. Potebnja, von der gutturalen Aussprache des
kleinrussischen Vocals e redeten. Man liess aber dabei ausser Acht, dass
im Kleinrussischen, in mehreren Dialekten, i und y in einen solchen i-
Laut zusammenfallen, der sich vom grossrussischen i nur durch die
offene Aussprache unterscheidet (wide i der englischen Phonetiker, e'^
von Sievers transscribirt). In der Aussprache des e in einem kleinrussi-
schen Worte wie sesira ist durchaus kein palatogutturaler Charakter
bemerkbar. Wir müssen also annehmen, dass der Entwickelungsprocess.
welcher die kleinrussische Aussprache ?iiva {?iyva] , nebo zur Folge
hatte, keineswegs in einem Uebergange von ^ und e in die palatoguttu-
rale Reihe {z, e) bestand.
Wie im Kleinruss. die Palatalisation der Cons. vor e \\. i verloren ging. 225
Bei der Erklärung des Processes, welcher die Erhärtung der Con-
sonanten vor e und i im Kleinrussischen zur Folge hatte, ist es unum-
gänglich nöthig, folgende Lautverhältnisse der gemeinrussischen Sprache
als Ausgangspunkt zu nehmen. Fast in allen Lautlagen waren uuaffi-
cirte Consonanteii dem Gemeinrussischen fremd, d.h. solche Consonanten.
welche unpalatalisirt und nnlabialisirt ausgesprochen wurden. Eine
Ausnalime bot nur die Stellung eines Consonanten vor altem (nicht aus
nasalem e hervorgegangenem) a dar, in welcher der Consonant unafficirt
blieb. Die Ursache dieser Erscheinung des Gemeinrussischen ist in der
slavischen Gemeinsprache zu suchen, in der eine Assimilation des Con-
sonanten an den folgenden Vocal stattfand (vgl. Sievers, Phonetik *
§ 460), wobei der Consonant eine Articulation, die dem folgenden pala-
talisirten oder labialisirten Vocale entsprach, besass. In der gemein-
slavischen Sprache kamen als Resultat des angedeuteten Assimilations-
processes unvollständig palatalisirte und labialisirte Consonanten zum
Vorschein (s. über die verschiedenen Stufen der Palatalität Sievers
§ 454): dieselben waren hier, wenigstens in der Reihe der Lippenlaute
üod der Dentalen (im weiteren Sinne dieses Ausdrucks) halbpalatal, und
wiederum in der Reihe der Dentalen halblabialisirt, obgleich gleichzeitig
auch palatale r, w, / besonderen Ursprungs (aus rj\ ;?/, JJ) anzutreffen
waren. Was die Gutturalen oder Velaren anlangt, so wurden dieselben
in der Stellung vor palatalen Vocalen erweicht (daraus c', h\ c, s u. s. w.).
In der Stellung vor gutturalen Vocalen waren dieselben in der gemein-
slav. Sprache oflTenbar labialisirt: hierbei fielen die indoeuropäischen
labialisirten wie nichtlabialisirten gutturalen Consonanten zusammen.
Gleicherweise ist Grund anzunehmen, dass auch die gemeinslavischen
Lippenlaute einer vollständigen Labialisation unterlagen. Vor palato-
gutturalem y (russ. w) wurden die Consonanten (also auch die Dentalen)
labialisirt, was damit im Zusammenhang steht, dass dieses y vielleicht
gerundet ausgesprochen wurde.
In der gemeinrussischen Sprache, sowie gleichfalls in einigen west-
slavischen Sprachen, gingen gemeinslavische halbpalatalisirte und halb-
labialisirte Consonanten in vollkommen palatalisirte resp. labialisirte
über, und zwar nicht bloss vor i und ^^, sondern auch vor anderen Vo-
calen, wie e und o, nasalen e und o, h und 7^. Dass im Geraeinrussischen
die Consonanten vor /, ie (i), e. nasalem e = «), ?> palatalisirt waren,
beweist die Betrachtung sämmtlicher russischer Dialekte, unter anderen
auch, wie wir sahen, der kleinrussischen, in ihrer Geschichte. Auf die
Archiv für slavische Philologie. XXV. 15
226 AI. Schachniatov,
Labialisation der Consonanten vor ?/, o, nasalem o (= u\ v weist auch
die Veränderung des e in ö vor einem nicbtpalatalisirten Consonanten
niöd^u aus med"'u)', hierbei beweist gerade das kleinrussische, jetzt
mundartliche, mj'uod, welches auf mrhh zurückgeht, dass diese Laut-
änderung der allgemeinrussischen Epoche angehört. Eine ganze Reibe
von Erscheinungen der Labialisation vor Consonanten im Gross- und
Weissrussischen, sowie der üebergang von o in u unter dem Einflüsse
dieser Consonanten, alles dieses berechtigt, von einer weiteren Verbrei-
tung der Labialisation in der Epoche der allgemeinrussischen Sprache
zu sprechen. Wir nehmen somit an, dass die gemeinslavischen Halb-
palatale p^, f in gemeinrussische /», t'^ ebenso dass die halblabialisirten
Laute t^, d^ u. s. w. in gemeinrussische V% f/^' u. s. w. übergingen. Da-
bei "waren aber die Consonanten vor palatalen resp. gutturalen Vocalen
mehr palatal resp. labial (gerundet), als die auf sie folgenden Vocale :
in einigen Mundarten fand dies sogar statt in der Stellung eines Conso-
nanten vor '/ und u i).
Dieser Umstand hat im südrussischen (kleinrussischen) Dialekte
einen Uebergangslaut (Gleitlaut) zwischen dem palatalisirten resp. labia-
lisirten Consonanten und dem darauffolgenden palatalen resp. gerundeten
Vocale hervorgebracht 2). Hinter dem palatalen Consonanten entwickelte
sich ein nicht silbenbildendes / ({), hinter dem labialisirten Consonanten
ein w, womit der üebergang des darauffolgenden Vocals in einen Vocal
mit mehr offener Aussprache zusammenhängt. So kamen statt gemein-
russ. piv^^o^ üw'''-a, cesna^ möd"'u, dehi, se'^sü, h^''o'^h^^a — jnjflvuo^.
nip'd^a^ iißsna^ miäduu^, d'iän, s'iäHii^, huo^b^a zum Vorschein. In
den Lautverbindungen ii'^^ iä hatte alsdann, bald nach ihrer Entstehung,
eine Zusammenziehung von i mit dem folgenden Vocal stattgefunden ;
hieraus entstanden «2, il — offene Vocale, vor denen die Consonanten
infolge dieser offenen Aussprache nicht palatal ausgesprochen wurdeu.
Ebenso wurden tiu^ iio zu u^^ o^, das ist offenem ?/, o, contrahirt: so
1) Man vergleiche Sievers' Bemerkung über die palatalisirten Conso-
nanten : »nicht selten geht dabei die Palatalisirung über die Zungenhöhe des
palatalisirenden Vocals hinaus (auch bei ^■ selbst; so ist z. B. die Zunge bei
der Bildung des ii in u'üg.nyilik, A.\\.mli1{, dem Gaumen noch mehr genähert,
als für das i erforderlich ist)«. Phonetik *, § 454 (5. Aufl. § 486).
-) Vgl. Sievers' Hinweis darauf, dass ähnliche Gleitlaute sich gerade
leicht dort bilden, wo in der Articulation des Consonanten und des darauf-
folgenden Vocals keine vollkommene Uebereinstimmung herrscht (1. c. § 456 .
Wie im Kleinruss. die PalatiUisatiou der Cons. vor e u. i verloren ging. 227
kamen piHo"^, ni^D"^a, väsna, müdu^^ dün, sästi^, ho^b^'a zu Stande ;
man vergleiche die heutige (mundartliche) Aussprache der kleinruss.
Worte: pi'^co, ni^üct, vüsiia oder veh?ia, f7iüdu oder me^dti, dün oder
de'^h, se^sti^, boha. Das war also das Schicksal von Lautverbindungen:
palatalisirter, resp. labialisirter Consonant + kurzer palatalisirter,
resp. labialisirter Vocal.
Vor langem Vocal dagegen machten sich andere Erscheinungen
geltend ; die Gleitlaute ?, u verlängerten sich nämlich und veränderten
sich in i, u, wobei der folgende Vocal sich verkürzte : statt {e, ^ö, {ö
traten diphthongische Lautgruppen ie, uo, iö auf. Hierbei verloren
natürlich die vorhergehenden Cousonanten nicht ihre Palatalität, resp.
Rundung. So entstanden aus gemeinrussischen pec\ s'ei^, ?i"ö5", p^öp^,
ihöd"' — piec, s'lest\ ?i"uos^\ p^'uop"', ihiöd^'' (und dann thüöd). Was
die Lautverbindung palatalisirter, resp. labialisirter Consonant + 7,
resp. ü anlangt, so wurden die daraus in der Sprache entstehenden /?,
uu zunächst in t, ü contrahirt und dann in t, ü verkürzt, vor denen,
wie überhaupt vor jeglichem i, u, die Palatalisation resp. Labialisation
der Consonans verloren ging.
Ehe wir aber auf die Entwicklung der Folgerungen und Thesen
eingehen, welche sich aus der dargestellten Hypothese ergeben, die die
Veränderung des te, t^o zu te, to im Kleinrussischen mittelst ^jä, tuo
erklärt und die kleinrussischen Lautgruppen ^ie, tuo, tilö aus t'e, ^"ö, /ö
mittelst analoger Uebergangserscheinungen \üe, i"uö) herleitet, — ver-
weise ich noch auf ähnliche Erscheinungen sowohl im Kleinrussischen,
als in den übrigen verwandten Sprachen.
1. In den uordkleinrussischen, galizischen und ebenso in den rus-
[ sischen Mundarten in Ungarn fand eine Veränderung des a nach mouil-
I lirten Cousonanten zu (V statt, woher e und weiter e*, i^ (oflfenes /), i^
j geschlossenes /): vgl. Kowelsk. (Wolynien): Mueco, MiieTti (kneten);
! Kadomysl. (Kijew): Kynex, AHBexi^e; Zabludow (Grodno): KJe.Miy (Ukr.
■; TflMiiyi, Pinsk: Kone, Kopo.ie (Gen. sg.); Bielsk (Siedletz): ee^b, ntexb,
i JieaceTB und sogar yaiy (er nahm), ci^e (er wird sich setzen), a:iTH
i (ernten), uicxo (oft), xe.!ii (Kalb); Radin (Siedletz): Kone (Gen. sg.),
i meuKa; Galiz. : ssMjie (Nom. sg.), Kone (Gen. sg.), njexb und nJHXt,
j xe»:Ko, m^iHCbxe und uiyicfcxe, myecbxe, BJeiiyxii und lyiniyxH, ^lec,
ineuKa; Stanislau: KeatKo; in den an die Huzulen angrenzenden Mund-
arten: Ha Koue, Aeßexb, ace6a_, CBHiie, MiieKuil, cbßexo, xpecxu; Hozul.
15*
228 ^l- Schaclunatov,
KiiHSB, jKiiJib, ^liic, (joraiiH (Geu.sg.), CBiiTtiil, rojoc'ix, roBopir (3.pl.),
Lemk. A^nne, iiaMJixi,, njiTa, ciMHi u. s. w. i). Besonders verbreitet ist,
wie aus den angeführten Beispielen hervorgeht, diese Erscheinung so-
wohl in Galizien als auch im Gouvernement Siedletz, wo diesem Ueber-
gang in e, i auch betontes a unterliegt, während in den übrigen nord-
kleinrussischen Mundarten vorzüglich an unbetontem a diese Verände-
rung bemerkbar ist.
Auf diese Weise erscheint als Folge des angegebenen Ueberganges
die Lautverbindung palatalisirter Consonant + ä oder e, welche ziemlich
selten in dem grössten Theile der kleinruss. Mundarten anzutreffen ist.
Wir sehen nun, dass eine dieser nordkleinrussischen Mundarten, nämlich
die von Kornitz (Kirchspiel Kornica, Kreis Konstantinow, Gouv. Siedletz),
welche von Herrn Jantschuk beschrieben ist 2) , sich von diesen Laut-
verbindungen losgemacht hat und zwar auf ähnliche Weise, wie es bei
der Veränderung des gemeinrussischeu f'e der Fall war. Zunächst be-
merke ich nur, dass j im vor-kornitzischen Dialekt durchaus nicht die
Veränderung von a zu ä erwirkte: vgl. die Conservirung des a in den
galizischen (aber nicht in den huzulischen) Mundarten in der Stellung
nachy (nojac, cTojaTH, Moja, jaro^a, Ogonowski, Studien, § 10, 4).
Deshalb bleibt Ja auch in der heutigen kornitzschen Mundart unver-
ändert und zwar: a) in Fällen wie ctohth, cbohki, moh, öohthch, apaa
u. s. w. ; b) in Fällen wie njaxt, Bjast, Mjaxa, Mjaco, BLipoöjaTH (Herr
Jantschuk schreibt naxt, bast. u. s. w., constatirt aber die Aussprache
MOBJax, AeBJaxt, zwar auch poö'ax, Jiyn'ax), d. h. überhaupt in der
Stellung nach Lippenlauten. Von der Voraussetzung ausgehend, dass in
der vor-kornitzischen Mundart jedes a nach mouillirten Consonanten zu
ä wurde, welches noch nicht in e, vor dem Eintritte eines besonderen
Lautvorganges, den wir unten näher beschreiben, übergegangen war.
sehen wir nun, dass die Lautgruppen f'ä, n'd u. s. f. zu tia^ nia sich ver-
änderten. Diese tia^ nia unterlagen aber weiter verschiedenen Ver-
wandlungen, je nachdem sie accentuirt oder unaccentuirt waren. Im
1) S. Ogonowski, Studieio, § 10; Potebnjfl, 3aMiTKu o Ma.iop. napiiiu:
CoöoJieBCKiii, OqepK. pyccK. ÄiajreKTO.zioriu, III; ro.iOBauKifi, TpaMMaTuica pycKoro
H3LiKa, § 11 ; BepxpaTCKHH, 3HaÄo6u a^ifl nisnaHa yropcKO-pycKUX roBopis, I, S. 19,
und and.
-) »MaJiopyccKaa CBaatöa Bt KopHUUKOMi. npuxoaiKoHCTaHTUHOccKaro ytasa
CiajieuKoii ryöepHiii« (TpysBi SxHorp. Oxä. OömecxBa JIioö. ecTeciBOSH., anTpon.
H 3THorp. npu MocK. yHUB., KH. VII, M. 1S86;.
Wie im Ivleimuss. die Palatalisation der Cons. vor e u. i verloren ging. 229
Vor-Kleiurussiscben erlitten die Lautgruppen hji, tiiä (aus fe, üe), wie
wir oben gesehen haben, verschiedene Veränderung, je nachdem e kurz
oder lang war. In dem Vor-Kornitzischen aber, wie aus den übrigen
Lauteigenthümlichkeiten hervorgeht, entstand (vielleicht als Folge
Weissrussischen Einllusses der Gegensatz von betonten und unbetonten
Vocalen ^). Aehnlich wie im Vor-Kleinrussischen fiä aus f!(' sich erhielt
und nur später in tu überging, hat das vor-kornitzische //«, falls un-
betont, / conservirt, woraus dann f'a wurde: vergl. AieT/iXKO. ao Kopena.
iipocHT, HSHÖcflT, 3a3yjfl, iiarjiflAieTH u. s. w. Im Gegentheil, gleichwie
im Vor-Kleinrussischen fui aus f'e zu tiü-tic wurde, also ging das vor-
kornitzische tui unter dem Accente in tia über (mit der Betonung auf
dem ersten Theile des Diphthonges): vergl. atiajib, TjaacKO, ryjiialOTt,
Bcia. HiaubKa, cia^t, pia^x, Aymia. Kpn'iiaTji, iipiavKKa. nepcreHiaMii,
KpBi.TbuiaMii, AeciaToro u. s. w. — Die Zusammenstellung der kornitzi-
schen iia-t'a mit den gemeinkleinrussischen tie-tä (woraus te) ist in
verschiedenen Beziehungen belehrend: 1 weist sie auf einen allgemei-
nen Lautvorgang hin, mit Hilfe dessen die Sprache die Lautverbindung
palataler Consonant + palataler Vocal weiter entwickelte : dieser Laut-
process bestand in der Eutwickelung eines Gleitlautes zwischen dem
Consonanten und Vocal in der Gestalt eines i\ 2j obige Zusammen-
stellung beweist, dass die Entstehung eines i vor einem palatalen Vocal
den Verlust eines Theiles seiner Palatalität und den Uebergang in einen
mehr offenen Vocal zur Folge hat: eben in diesem Sinne sprechen
wir von einer vor-kleinrussischen Veränderung des t'e zu t'iä', 3) das
weitere Schicksal des { hängt davon ab, ob der folgende Vocal betont
resp. unbetont, kurz resp. lang bleibt: vor betontem Vocal in der kor-
nitzischen Mundart, vor langem — im Vor-Kleinrussischen geht i in i
über und bildet mit dem darauf folgenden Vocal einen Diphthong ; im
Gegentheil, vor einem kurzen Vocal im Vor-Kleinrussischen, unbetontem
im Kornitzischen hat i die Tendenz sich zu verflüchtigen 2).
') Vergl. das Schicksal der Diphthonge ie, uo in der kornitzischen
Mundart. Diese Diphthoge bleiben unter dem Schutze der Betonung er-
halten, wobei das Uebergewicht dem ersten Theile des Diphthongs zukommt
lalso cbbIctx, pieKa, iia MC/Kie, Bt pyuie; miectut, cieMt, Kopicae, aie-ie; cxycii.,
KvoTi, oopywKa, KyouiKa. nyorn.; iioorKa, ko.iiooci., iuooct., bioobx); — gehen
aber in unbetonter Silbe in i, e, u über (buapo, ju.iutu, BUKOBaiu; luectmr,
CöMD ; KysKii, nyacKii ; tioikh, .üioaiOMt %
1 Ich lasse ausser Acht die mir nicht ganz klare Frage, warum in den
230 AI. Scliaclmiatov,
2. Einige polnische Mundarten bieten Analogien zu der für das
Vor-Kleinrussische vorausgesetzten Veränderung eines ^"o zu hio (wo-
raus to) und eines fö zu tuo. Herr Polanski hat im Jahre 1S98 das
kleinrussische und (-echische uo (uo) aus ö, das auch in anderen slavi-
Schen Sprachen anzutreffen ist, in Zusammenhang gebracht mit der
Labialisation des ö, und dabei, hauptsächlich auf Grund polnischer
mundartlicher Erscheinungen, die Thesis aufgestellt, dass der Zerfall
von ö in wo, uo (ich möchte uo schreiben) dem Uebergange eines o in "o
(d. i. uo) entspreche ^). Einige polnische Mundarten lassen in der That
voraussetzen, dass der Wanderung des kurzen o in «o der Zerfall des o
«pochylonego«, d. i. ursprünglich langen o, in uo gegenübersteht. Ich
constatire zunächst die weite Verbreitung in den polnischen Mundarten
der Erscheinung, dass dem o «ein kurzer labialer «-Laut vorgeschlagen
wird«. Solch ein uo statt o führt unter anderen L. Malinowski an in der
Oppelnschen Mundart, sowohl im Anfang des Wortes (was regelmässig
beobachtet wird), als auch nach dem Consonanten: itocec, süobe (Bei-
träge zur slav. Dialectologie 1, 4 — 5) ; Zawilinski — in der Mundart von
Ropcica (in Galizien), wo dasselbe, wie in der Oppelnschen Mundart, zu
bemerken ist: '^otvarli, sk'^^ocu^^ zelaz^o (Rozprawy wydz. filolog. der
Akademie zu Krakau, t. VIII, 183); Los — in der Mundart von Opocna:
'"'ogin., pole und p^ole (Rozprawy, t. XI, 151) u. anderen. Herr Matusiak
erwähnt in der Mundart von Liasowa (in dem Gebiete von Sandomierz
den üebergang eines o in "o: 1) im Wortanfange, z. B. '^'ostatek^ 2) im
Innern des Wortes, besonders wenn auf das o der Ton fällt, z.B. r^obic,
d'^olä, sm'^oia, gof^ovaMä, sl'^onecko.^'^odzelein:, gleichzeitig wird das o
»pochyloneu durch den Diphthong uö [ö drückt das geschlossene o aus;
ersetzt: kruöl, huöb, pluöt (d. \. plötl).! sluöjce (d. i. sionce) u. s. w.
(Rozprawy, t. VllI, 79 u. 89). Dasselbe kann man nach Leciejewskij in
der grosspolnischen Mundart von Mieska Görka beobachten (Rozprawy.
t. IX). Das Hervortreten eines uo statt des kurzen offenen o und eines
von Herrn P. Hiltebrandt im J. 1866 gedruckten Volksliedern aus Zabludow
(CöopHHKx naM. Hap. TBop^i. B1. ciBcposan. Kpai, Etin. 1) iio statt o sogar in offe-
nen Silben geschrieben wird (ByoÄOio, Myo.ioaHMi., Myope, ByopoHi,, ciyoHyy,
CTyojtHKOMi.). Von einer Verfälschung (vergl. Potebnja's Aeusserungen in
SaMiiKu 0 Majiop. Hapiiiu, § 94 — 95) kann, wie ich glaube, nicht die Rede sein.
Eher muss man an polnischen Einfluss denken.
1) P. Polanski, Die Labialisation und Palatalisation im Neuslavischen.
Berlin 1898, S. 1—15.
Wie im Kleinruss. (Ue Palatalisation der Cons. vor e u. i verloren ging. 23t
tiö statt des geschlossenen', einst langen o erklärt für die polnischen
Mnndarten die Labialisation der vorhergehenden Consonanten : f"o (/"
bezeichnet hier das labialisirte /) wurde zu fno, während t^ö, oder viel-
leicht noch ^"'5, in fiio überging. Solcher Art hat in den erwähnten
polnischen Mundarten fast derselbe Lautprocess sich vollzogen, wie er
für das Vor-Kleinrussische in obiger Darstellung angenommen wurde.
3. Mit der Lautveränderung f'ö, i"ö zu fuo, tuo in den slavischeu
Sprachen können analoge Vorgänge im Lateinischen und Urgermani-
schen verglichen werden, in denen indoeuropäische labialisirte Gutturale
(die Gutturale waren bekanntlich in der indoeurop. Ursprache sowohl
rein guttural, als auch labioguttural) in Gutturale + u sich verwandel-
ten. Vergl. lat. qu (d. i. kv aus ku] in quattuor, quam^ sequor^ coquo,
und auch ngu statt ng^ und ng^h : ungud, ninguit. anguis. Der ur-
germanische Uebergang von indogermanischen q^^ g^^ g^h in y^u^ gt^,
ku^ :^ti lässt sich in allen germanischen Sprachen nachweisen, vergl. got.
hvis^ althochdeutsch /aves, tces, got. qtnus (vergl. griech. ßiog), qitiman
(griech. ßaivco). Brngmann, Grundriss, I-, §§ 660 — 664, 674 ff.
Ausser den hier angeführten Analogien, welche die Möglichkeit
eines Ueberganges von f, t^ in ti, tu belegen, weisen wir noch auf einige
Spracherscheinungen aus dem Kleinrussischen selbst hin, welche die
oben vorgeschlagene Erklärung des Verlustes der Palatalisation vor
altem e und i bekräftigen. Im Zusammenhang hiermit steht nämlich
der Umstand, dass die Kleinrussen den gemeinrussischen ^-Laut, das ge-
schlossene /, in offenes umwandelten, d. i. in dasjenige ij welches von
einigen russischen Forschern mittleres i genannt wird: i^ ging, wie
wie wir sahen, in ri'^ über, woraus /^ entstand. In den ungrorussischen
Mnndarten, welche den Unterschied von i und y erhalten haben, wird
der erste Laut, wenn er auf das gemeinrnssische i zurückführbar ist,
überhaupt »offen« ausgesprochen, wogegen ij überhaupt zu den »ge-
schlossenen« Lauten zu rechnen ist (Broch, Archiv XVII, 324 ff.). In
der Mehrzahl der kleinrussischen Mundarten aber fielen i- und y zu-
sammen, wobei in einigen von ihnen (in den ukrainischen) i'^ das y ver-
drängte, in anderen (den galizischen) umgekehrt y das i"^.
Im Zusammenhang mit dieser Erklärung steht noch die Erhaltung
der mouillirten Consonanten vor diphthongischen Lautgruppen wie ie (t).
In diphthongischer Verbindung konnte i seine »geschlossene« Aussprache
nicht verlieren: daher z.B. das Wort niemyi, wenn es auch gemäss dem
232 AI. Sciiachniatov,
Vorhergehenden in nriemyi überging, bewahrte dennoch sein palatales ti
wegen der »geschlossenen« Aussprache des folgenden /. Man vergleiche
die spätere aber dialektisch sehr verbreitete Erweichung der Consonan-
ten vor geschlossenem i aus ü, das aus diphthongischem tco hervorging :
kiev.-galizisches nis^ d'im aus gemeinruss. nos^ dorn.
Die Geschichte der gemeinrussischen Lautgruppen %, </«/, /y im
Kleinrussischen gibt auch einen Einblick in die uns interessirenden
Fragen. Der Laut y war labialisirt im Gemeinrussischen, im Gegensatz
zur heutigen Aussprache im Grossrussischen, sowie in der Mehrzahl der
Weissrussischen und galizischrussischen Mundarten. In einigen weiss-
russischen Mundarten des Minsker Gouvernements wird y wie u ausge-
sprochen, hauptsächlich nach Labialen, aber auch nach Dentalen. Herr
Jantschuk hat in seinem Aufsatze »IIo Mhiickoii ryöepiiin iSaMixKii
HST. no'iSAKH B-L 18SG ro^y)« i) auf eine solche Aussprache in den Mund-
arten des Kreises von Recica hingewiesen und als Beispiele My, öyKt.
öycxptiH, cyiit angeführt. Der verstorbene Ethnograph H, Schein
zeigte mir eine Aufzeichnung aus dem Gouvernement Minsk, in der
ebenfalls überall u statt y zu lesen war. Vergl. hiermit die Eigenthüm-
lichkeit der Karpatendialekte, hauptsächlich der Mundart der Bojken
wo »der Vocal y eine tieftönende gutturale Aussprache bekundet
(Ogonowski, Studien, § 39). Im Laufe der Zeit jedoch, nachdem die
Gemeinsprache der Russen in Dialekte zerfallen war, büsste y im Einzel-
leben der Dialekte seine ursprüngliche Aussprache ein und verlor die
Labialisation 2]. Im Zusammenhang hiermit mussten auch die voraus-
gehenden, früher, wie wir sahen, labialisirten Consonanten diese ihre
Labialisation verlieren: statt ^", ;^'*, />" u. s. w. entstanden vor y — i.
«, p. Gleicherweise verloren diese Labialisation auch die Gutturalen,
was von der Veränderung der sämmtlichen Articulation dieser Conso-
nanten begleitet war. Statt der Gutturalen entstanden palatale /*;, g [y]^ /
1) TpysBi 9rHorp. otj. OömecTBa JIioö. cciecrB., aurpoii. u STHorp., kh. IX
(CöopH. CBis- Ä-ia Hsyienia öMia KpecT. Hace^reiiia Pocciu, elih. I).
2) Vergl. Aebnliches in fast allen slavischen Sprachen, wobei mehrere
von ihnen bis zum Uebergang von ij in i reichten. Sehr belehrend sind die
Lautverhältnisse des Niederlausitzischen, wo gemeinsl. y vor labialen und
gutturalen, wenn kein solcher Coasonant vorausgeht, auch vor mouillirten
Consonanten, bis jetzt gerundet (aber palatal) ausgesprochen wird, während
es in anderer Lage palato-guttural und nicht gerundet wird. Mucke, Histor.
uad vergl. Laut- und Formenlehre der Niedersorb. Sprache, § 8.
Wie im Kleiuriiss. die Palatalisatiou der Cons. vor e u. / verloren ging. 233
und zwar im Zusammenhange mit dem Verluste der gutturalen Aus-
sprache des Vocales. Solche Palatallaute waren in der Sprache uube-
kannt, da das Gemeinrussische aus dem Gemeinslavischen nur die gut-
turalen k, (j (/ , •/ ererbte. Was aber die vom Gemeinslavischen alt-
ererbte Palatallaute anbetrifft, so waren sie alle schon im Gemeinslav.
mouillirt ausgesprochen (vergl. /<, /', ä', z\ ,v, i). Dies war die Ursache,
dass neuentstandeue Palatallaute auch mouillirt wurden; palatale k,
9 {y\ y. gingen in /', g (/'), '/ über. Nach diesen Lauten musste Voeal
y in i übergehen in Folge einer Lautassimilation und so bildeten sich
aus gemeinrussischen k"ynuh, (/"ybnufi, y"ytryi in den einzelnen rus-
sischen Mundarten Icimiti, yibnuf'i^ y'itryi. Die südrussischen (klein-
russischen) Mundarten veränderten schon frühzeitig k^y^ y^y, yj^y in
k'i, y'i, y'i. Dies lässt sich aus den Schriftdenkmälern nachweisen,
welche schon im XI. und XII. Jahrh. Schreibungen wie kh, th, xh
statt KM, rti, xti aufweisen. Vergl. im Dobril. Ev. vom Jahre 1164:
unKun ace 5ld, b-bckhco 5i)d, 152b, im Galizischen Ev. vom J. 1 144 :
HOCbCKiiii 13b, 9()a u. andere mehr, ^i.t'ickhu :^7a u. andere mehr.
Diese k'i, y'i, y'i veränderten sieh noch in der gemeinkleinrussischen
Epoche in ki-, yi-, yi'^ nach demselben Gesetze, wonach (i, ni, l'i zu
ti-, ni'^, U- werden. Dass die gegenwärtige kleinrussische kidati, glu-
pi, noyi (Gen. sg.) auf urkleinrussische kiclaii, gltiy'ii, noy'i, nicht aber
&vii kydaf'i, ghiyyi,, noyy zurückgehen, ist ersichtlich 1) aus den ungro-
russischen Mundarten, welche ^- und y bisjetzt unterscheiden und nach
k^ y, X nicht y, sondern i^ aufweisen {vhidyki^, ki^i, druyiH: Broch),
2; aus Fällen, wo wir vor ki"^ ein s oder z im Kleinrussischen treffen:
kleinruss. pyciiKim, pycbKoro. .itBißCBKiij, u.iuolkhj, niisbKuj, c.iii.3bKHJ
u. s. w. kann man nur dadurch erklären, dass k im Nomin. sg. vor i
(resp. älterem y) einst palatalisirt ausgesprochen wurde.
Einige chronologische Daten über die Zeit des Verlustes der Pala-
t€alisation der Consonanten vor e, i gewinnen wir aus der Erforschuug
der Geschichte der gemeinrussischen Verbindungen t'bje, ihji im Klein-
russischen. Es ist bekannt, dass in den Lautgruppen mouillirte Con-
! sonans + hj -f- Vocalis in der gemeinkleinrussischen Epoche, nachdem
' ') geschwunden war, eine Anähnlichung des j an den vorhergehenden
I Consonanten stattfand: so ging gemeinruss. icinhja in iiinna über,
vergl. die gegenwärtige cbhhha, öpaxTH, iii'rao, rpa3.3io, ajA^V) (Accus,
sg.), 31JI.II0 (Dat. sg.), yKHTTlÖ (Loc. sg.) u. s. w.
234 AI. Schachmatov,
Statt des gemeinrussiscLen t'hje kam im Auslaute im Gemeinklein -
russischen t'ia zum Vorschein (hierbei entstand galizisches iie^ i!e in Folge
des allgemeinen Gesetzes über den Uebergang des a in e nach einem
palatalen Consonanten); iia statt ihje tritt, wie bekannt ist, unabhängig
davon auf, ob der Accent auf den Endvocal fällt, oder nicht: vergl. \
ukrain. jkhtth, BeciJijrH und Becixia, anaxTa, BO.iocca, desnyTTa, öen-
BWfl, sijuifl und sijijiK (OcHOBa, I, 1 1) u. s. w. Nun fragt es sich aber,
führt solch ein iia unmittelbar zu gemeinrussischem ihje oder, ob viel- \
leicht, noch vor dem angedeuteten Assimilationsprocess, das e im Aus-
laute in der Stellung uach/ij) zu a wurde. Wenn wir das nordgrosü-
russische JincTtH, KOJita, Kjio^ita u. s. w. in der Bedeutung zunächst
eines Nominativs singularis und später dann als Nominativ pluralis
(statt gemeinrussischen Ksthj'e^ kohje^ klochje) ins Auge fassen, so
müssen wir, glaube ich, annehmen, dass der Uebergang von je zu ja .
unabhängig von der Veränderung des vorhergehenden Consonanten zu
Stande kam. In dieser Annahme bestärkt mich unter anderem die Aus- .
spräche des ukrainischen Bifia (Deichsel beim Ochsenwagen, Potebnja), |
vergl. galiz. ßie, aus gemeinruss. vojhje (vergl. grossruss, und weissruss. j
Bofie, Bane, serb. oje): offenbar ging e in diesem Worte eben nachy(?') '
in a über. Natürlich erschien /a an Stelle von /e vermittelst y« : der i
Uebergang von ja h\ ja ist analog dem Uebergang eines jw in /m, yö t.
in /o (vergl. grossruss. und kleinruss. moj(/ aus gemeinslav. motu, nord-
grossruss. und kleinruss.yomw aus gemeinslav. yömw). Was dann die
Veränderung eines ye zu ja anlangt, so kann hier, wie mir scheint, nur
von einer unphonetischen Veränderung einesyö (ausye) zuyä die Rede
sein: die gemeinrussische Sprache ererbte aus dem Gemeinslavischen
im Auslaute, nach mouillirten Consonanten und nach demy, den ö-Laut
und nicht ä (vergl. altruss. o in khäiko, ABopumo, namo), während
in der Stellung nach ( (?' vertraty ursprünglich vor einem betonten
Vocal) e im Auslaut im Gemeinrussischen (und offenbar auch im Gemein-
slavischen) wie ä lautete (daher kleinrussisch Moe im Neutrum , aus
moiä, nicht aber aus mojö).
Bedingt von Accentverhältnissen kamen nun z. B. in den Worten
neutrius generis folgende verschiedene Ausdrucksweisen im Gemein-
russischen zum Vorschein : döhrojö, aber moiß, vesehjöy aber veseha,
voUshjö, aber zithia. In den grossrussischen Mundarten verdrängte yö,
woraus yo, die Endung iä (daher grossruss. a:HTte, Moe), wobei iä nur
in den Worten mit coUectiver Bedeutung sich erhielt (daher a in jincTLa,
Wie im Kleinruss. die Pahit.ilisation der Cous. vor e w. i verloren jjing. 23.')
KOJibfl. BOJioefcfl, was jetzt als Nom. pl. in den meisten Mundarten gilt).
Im Kleinrussischen dagegen verdrängte {ü die Endung jö: so kamen
rAiirom (^odpoß), voiöshiä, veselhiä zum Vorschein. Nachdem h ausfiel,
wurde i zwischen Consonanten zu J: auf solche Weise entstanden vi-
sefjä, voiö.ijä, zifja., woiaus vielleicht noch vor der Anähnlicliung
eines y an den vorhergelienden Consonanten, vesrlja, coiösja^ zitjä.
Aus diesen letzteren Formen sind die gegenwärtigen nece.on und Be-
cijJiH, BGüoccfl, atHTTH ZU erklären. Wir sehen also, dass von einem
hje im Auslaut keine Rede im Gemeinrussischen sein kann, weil e im
Auslaut entweder ö oder (7 wurde: im Gemeinkleinrussischen kann man
nur von hiä sprechen, da die Endung/o vollständig durch iU verdrängt
wurde.
Was finden wir nun aber statt der gemeinrussischen f'hji und t'hjc
im Inlaut? Bei der Entscheidung dieser Frage müssen wir die Formen
des Instrumentals cmItthm, BeciJijrHM, oöjhwihm bei Seite lassen, da
dieselben unter dem Einflüsse der Form des Nominativ singularis auf-
treten: vergl. Instr. sg. Te.iaM, ahthm, bhmt.hm neben Nomin. Te.iii.
AHTfl. BHMtH. Weiter lassen wir ausser Acht öjex, oöijiexi];« (beiKvitka
oöiiiberuH, II, 205), da diese und ähnliche Formen, wie auch noniöje
(bei Kvitka noniiilie, II, 195), oöijije (bei Kvitka oöiiJt.ii, II, 26),
unter dem Schutze des Einflusses der Formen der 1. Pers. sg. und
3. Pers. pl. wie BijiJiK) [b-räjiio bei Kvitka, I, 130), 6jy, noniöjyTii
auftreten .
Andererseits können wohl kaum in Betracht gezogen werden Fälle
wie CBimeK), dial. CBiiHHeio (FpaMMaTiiKa IIaB.jOBCKaro) , mit nicht
mouillirtem w, da ähnliche Formen leicht angesichts svina, svinna unter
dem Einflüsse von zemleju (mit nicht mouillirtem /) und zeml'a ent-
stehen konnten.
Auf diese Weise erscheint die Zahl der zur Entscheidung der Frage
nöthigen Daten als ungenügend. Trotz alledem haben wir aber einigen
Grund anzunehmen, dass die Lautverbindungen t'hji und t'hje (letztere
als nicht in der Endsilbe stehend) im Kleinrussischen zu ti"^ und te
wurden. So treffen wir entsprechend dem grossruss. tref'jii (vergl. alt-
russ. TpeTBHH, TpexHHH, weissruss. Tpeitbi];H, dialekt. nordgrossruss.
TpexTÜI) im Kleinrussischen TpexHir und xpexiö an. Die Form xpexnit
könnte man vielleicht aus gemeinrussischem trehi erklären, das heisst
aus der Nominaldeclination des Ordnungszahlwortes (vergl. grossruss.
Tpexeä in solchen Zusammenrflekungen wie caMT^-xpexeS). Doch
236 AI. Schiichmatov,
müssen wir 1) die Formen Tpexa, Tpexe im Femininum und Neutrum
statt der zu erwartenden TpexTa, TpeTxe (vergl. das Wörterbuch von
Zelecliowski) anführen; 2) den Umstand in Anspruch nehmen, dass
man wohl aus syntaktischen Rücksichten kleinruss. TpcTiiu mit gross-
russischem TpsTeä identificiren darf; 3) an Stelle des gemeinrussischen
tret'hi würden wir kleinrussisches xpeTeil erwarten, vergl. kleinruss.
co.iiOBefi, und ebenso den Geuit. plur. kohoiI, Kiiflseii, cBinieii, TiHeS.
obleich im galizischen Dialekt Formen auf-iiil im Gen. plur. wie kocthiI,
KOHHH, rpouiHä verbreitet sind. In Folge alles dessen halte ich für noth-
wendig, kleinruss. TpexHä auf gemeinruss. tret'bjii zurückzuführen. In
dieser Annahme bestärkt mich noch die Parallelform TpsTifi : dieselbe
lässt sich leicht aus Tpexiiii ableiten, wobei das mouillirte t (vor i) aus
dem Einflüsse der Form des Singularis feminini (welche xpexxa, xpexxio
u. s. w. lauten musste), sowie auch dem Genitiv oder Dativ sing, (xpex-
xero, xpexxeMy) sich erklärt. Bei dieser Erklärung lässt sich begreifen,
warum wir in xpexiii nur ein t antreffen, während bei Herleitung eines
xpexifi direct von xpextiiil es Hindernisse gerade in dem Umstände dar-
bietet, dass in xpexiil nur ein t und nicht zwei t vorkommen. Dasselbe
müssen wir sagen von den Adjectivis wie kosüI, jtiiciil, welche statt
Kosnil, .iiicnil unter dem Einflüsse von Formen wie icossa (jetzt kosa),
K033IO (jetzt K03IO) Vorkommen (vergl. die Aussprache ciffliä neben
CHHHil unter dem Einflüsse von eiini, und ebenfalls von ciiuaa, chiiioio) ^):
ein einfacher, nicht verdoppelter Consonant ist abzuleiten gerade aus
der Aussprache Kosiii'i, jiwcmi. Vergl. noch den Uebergang von hji in i
in nxamiiri, öoacuil (altruss. ßoacbiiii), ivnvimi, BOByHi'i.
Solcher Gestalt sind wir in der Lage zu behaupten, dass der Ver-
lust der Palatalisation vor e und i im Kleiurussischen vor sich ging,
nachdem die gemeinrussische Lautgruppe Consonaus -j- y + Vocal sich
verändert hatte in eine Lautgruppe Doppel- oder langer mouillirter
Consonant + Vocal. Zur Zeit des Ueberganges eines Wortes nwa in
niiva und 7iiva wurde boz'bjii schon wie bozzii ausgesprochen, vergl.
die weitere Entwickelug zu bozz'ni und bozzii, bozii.
Im Zusammenhang mit den hier ausgesprochenen Verrauthungen
steht auch die Frage, warum wir in xpexiä, Kosiä, kosüIh, öoatHH e, o |
antreffen und nicht Diphthonge ?'e, uo, woher ukrainisches und galizi-
1) Im Genitiv und Dativ lautet cuhIü (ciihuu) wie cuiiero, cuucmv, aber
.luciii Dur JiHcero. Dies erklärt sich daraus, dass .iiicero JiHcero vertrat, denn
lisbjeyo fing man noch im Gemeinrussischen an wie lisbjoyo auszusprechen.
Wie im Kleinniss. die Palatalisation der Cons. vor e n. i verloren -iing. 237
sches ^. Statt tret'bii konnten wir trefbv', statt kozhii — Jiözhii erwar-
ten, da h in dieser Lage halbkurz war und später weggelassen wurde
(daraus würden wir Kisiil, Tperiil nach oben Gesagtem haben . Auf die
Verkürzung dieses e und o war die Stellung von einem verdoppelten
(langen) Consonanten von Einfluss. Ebenso stossen wir in den serbi-
schen Tpclifi, K()3jfi, dtr/KJn auf kurze 6, e vielleicht gerade eben des-
halb, weil der Consonant vor/, nach dem Ausfall des h, einst ver-
doppelt oder lang war.
Oben ist darauf hingewiesen worden, dass der Verlust der Palatali-
sation vor den Vocalen e, i im Kleinrussischen nicht seines gleichen hat
in den übrigen slav. Sprachen. Hier muss ich aber eine Einschränkung
machen : offenbar haben ähnliche Erscheinungen in der polab. Sprache
stattgehabt. Im Polabischen, wie auch in den anderen westslav. Spra-
chen, waren einst die Consonanten vor den palatalen Vocalen erweicht.
Später wurden im Polabischen noch Z;, </, y vor o, w, y erweicht, nach-
dem diese zu palatalen Vocalen geworden. Wenn wir hier bei Seite
lassen: 1) die eben genannten neueren palatalen Consonanten [K\ </, /'),
welche ihrer Palatatität niemals entbehren, 2) die Consonanten r, z^ s
aus c, z, s, bei denen die Verhärtung in jeder Lage stattfand, 3) Con-
sonanten c, dz aus urslav. c, dz, welche immer weich ausgesprochen
wurden, — so sehen wir, dass die Erweichung der Consonanten im Po-
labischen sich nur vor solchen Vocalen erhielt, welche selbst ihren ur-
sprünglichen palatalen Charakter verloren hatten. So erhielten sich er-
weichte Consonanten vor den Vocalen o und a (beide aus dem urslav. §):
: posiik, ionü und sa7iü (Heu), sosod, va /'dal und vaid'ol; ferner vor o
(aus urslav. e): desqty, poty (fünfter), pota (Ferse), stenota (plur. von
i stinq: junger Hund); vor a (aus urslav. a oder/a, hja): mll'a (Wille),
I zirka (Erde), hrot'a (Brüder) ; vor ä (aus urslav. i), wenn diesem Laute
i ein harter Consonant folgt: l'än (Lein), viirä! (opb.ii,), pds (Hund), l'a/ii/
\ (leicht); vor dr (aus urslav. tr), wenn dem ?• ein harter Dental oder
hartes /folgt: ewhurtij (gestorben), zärnü (Korn:, vergl. fjärdy (hart).
Weiche Consonanten dagegen wurden zu harten vor den Lautentsprechun-
\ gen der gemeinslavischen : e, /, ^(wenn letztes vor Gutturalen, Labialen.
' weichen Dentalen und auch am Ende des Wortes kommt), e (in derselben
Stellung), hr vor Gutturalen, Labialen und weichen Dentalen), 6 (vor
weichen Consonanten, vielleicht aber auch vor Labialen); das ist also
vor allen Vocalen, welche ihren palatalen Charakter aufrecht erhielten :
238 Al.Schachmatov, Wie im Kleinruss. die Palatalisation verloren ging.
sestra^ med^ medeu (gen. sg. zu med)^ here (er nimmt, plc (Ofen); lije
(er giesst), laipo (Linde), j!?ae^ (trinken), trainadist (dreizehn); semnü
(Same), pesti (Gesang), pünedel (Montag), sveti (erglänzt), deva (Mäd-
chen); fnq (mich), f/e5«^ (zehn), sa/>«c2 (schlafend), tilq {tbäaj'j vdrla,
vdrch, pdrsUn^ mdrzne (er friert), päry (erster), smärdi (er stinkt); dän
(Tag), dväi' (Thür), päsenäica (Weizen), poldc (Finger), Idv (Löwe).
Dass aber die Consonanten einst in solcher Stellung mouillirt ausge-
sprochen wurden, bezeugen solche Fälle, wo wir vor ihnen ein erweich-
tes k oder g oder 7 finden: Jmqz, Jognq (Lamm), ch'mil (Hopfen) i).
Dem Wesentlichen nach sind die polabischen und kleinruss. Laut-
gesetze, nach welchen der Consonant verhärtet wird, identisch, denn auch
im Kleinrussischen finden wir Verhärtung vor sämmtlichen Palatal vocalen
mit Ausschluss des Diphthonges ic. Die Verschiedenheit des Klein-
lussischen und Polabischen in Bezug auf einzelne Fälle hängt davon ab.
dass im Polabischen noch vor dem Eintritt des Gesetzes der Verhärtung
der Consonanten vor palatalen Vocalen eine beträchtliche Anzahl dieser
Consonanten in die Reihe der gutturalen Laute überging : so entpalatali-
sirten sich die Lautentsprechungen der urslavischen e, '£, w und fe vor
folgenden harten (also labialisirten) Dentalen (^, (7, 5, 0, w, r, /), woraus
die Vocale 0, a hervorkamen, vor welchen die mouillirten Consonanten
sich erhielten. Im Kleinrussischen dagegen wurde nur urslavisches e
(und zwar in jeder Stellung) entpalatalisirt, woraus a, vor welchem die
Mouillirung sich bewahrte; alle anderen palatalen Vocale blieben (beim
Eintritte der Consonantenverhärtung) noch palatal, sogar das ö (aus
urslav. e vor harten resp. labialisirten Consonanten), welches viel später
in den anderen russischen Dialekten sich entpalatalisirte (woraus 0) ^).
Somit ist die polabische Verhärtung der Consonanten eine der kleiu-
russischen analoge Erscheinung und findet daher ihre Erklärung in der
Annahme des Hervortretens eines Gleitlautes (?) zwischen erweichtem
Consonanten und darauffolgendem palatalen Vocal.
1) Vergl. Schleicher, Laut- und Formenlehre der polab. Spr. 124 und die
vortrefflichen Bemerkungen Lorentz's (Archiv XXIV, 8 ff.) und Mikkola's
(Betonung u. Quantität in den westslav. Sprachen, I, 10 ff.).
2) Bemerkungswürdig ist das 0 in ji'on, Nebenform von -ich (Lein, Flachs):
.ü' stammt aus den Casus obliqui (.i'ny ji'hom); o vertrat e also nicht auf laut-
lichem Wege, sondern durch Analogiewirkung solcher Wörter wie coH-cua,
poT-pia u. s. w.
St.-Petersburg, im October 1902. Al.Schachmatov.
239
leoii's des Weisen AVeissaguugeu nach dem Evangelinm
nnd Tsalter.
In meiner vor drei Jahren
erschienenen Monographie über
die Weissagungs-Psalter i) hatte
ich Gelegenheit, eines südslavi-
schen handschriftlichen Psalters
Erwähnung zu thun, in welchem
eine Anleitung vorkommt, wie
man auf Grund der guten oder
bösen Vorbedeutung des ersten
Buchstabens der ersten Zeilen
einer zufällig aufgeschlagenen
Seite im Evangelium oder Psal-
ter Weissagungen machen kann.
Das ist die sogenannte ßißho-
/.lavTsia (Büchermantik). Vergl.
S. 59 — 62 meines Werkes. Die
Analyse jenes Textes 2) führte
mich zu der schon damals aus-
gesprochenen Vermuthung, dass die slavische Fassung dieses Tractates
auf derUebersetzung aus dem Griechischen beruhe, doch hatte ich damals
die vermuthete griechische Vorlage noch nicht zur Hand. Gegenwärtig
ist meine damalige Vermuthung zurThatsache geworden: ein wenn auch
nicht vollständig übereinstimmender griechischer Text wurde nach dem
in dem monumentalen Werke K. Krumbacher's (Gesch. d. byzant. Lite-
ratur, München 1897, S. 631) enthaltenen Citate leicht gefunden und
für mich aus der Berliner Handschrift (Cod. Berolin. Philipp. 1479) von
Herrn Dr. H. Schöne freundlichst abgeschrieben ^). Sein Titel lautet :
•) IIsT. ucTopiu OTpeicHHLixT) Kuiiri.. I. ra.iauifl no nca.!iTHpH (Haa. Hiinep.
06m. JIioö. Äp. nucBM. Cnun. 1899, Nr. CXXIX;.
2; Er ist in dem unter i) citirten Werke als Beilage II (S. 15 — 20) abge-
druckt. Vergl. Archiv f. slav. Phil. XIV. 46.
3) Ich berichtige aus diesem Anlasse eine üngenauigkeit des Krum-
bacher'schen Citats. Der uns angehende Text in der Berliner Handschrift
«^^ 6^"^^^^;^^^^^^
2 10 M. Speranskij,
Blid-odog itgayvioorr/J] rnü ayiov Evayyüdov >) rov ipaXrriqiov.
TCoirif.ia tivvqo yleovrog tov aorpov. Der slavische Text schreibt die
Abhantlhing dem Propheten Samuel zu (vgl. S. 15 meiner Ausgabe
in der Beilage) und schon dadurch gibt sich die Unabhängigkeit der
slavischen Redaction von dieser griechischen kund. Nichtsdestoweniger
ist der hier zur Veröffentlichung gelangende griechische Text für die
Beleuchtung des Slavischen sehr wichtig, wenn man nur ihr gegen-
seitiges Verhältniss richtig so auffasst, dass in den vorhandenen zwei
Texten (dem griechischen und slavischen) Varianten eines griech. Ur-
textes vor uns liegen, zu dessen Reconstruction bald die griechische
(Berliner), bald die slavische Redaction bessere Ueberlieferung gewahrt
hat. Auf diese Weise kann also der slavische Text dann und wann füi
die Wiederherstellung des griech. Urtextes gute Dienste leisten.
Die Weissagung- geht nach folgendem allgemeinen Schema vor
sich : Nach der Vorbereitung durch Fasten und Gebet wird betreffs der
gewünschten Frage das Evangelium oder der Psalteiy aufgeschlagen und
betrachtet, mit welchem Buchstaben die aufgeschlagene Seite beginne;
nach einer beigefügten Alphabettafel wird leicht herausgebracht, ob der
gefundene Buchstabe zu den glücklichen oder unglücklichen zähle (die
an ungeraden Stellen stehenden Buchstaben des griech. Alphabetes
gelten als unglücklich) : im ersten Falle schreibt man auf einen Streifen
Papier [nnuiiim,: rcoirjoov] zwei Punkte, in letzterem nur einen Punkt.
Durch die viermalige Wiederholung dieses Vorganges (nach den vier
aufeinander folgenden Zeilen) gewinnt man das Gy/]i.ia (= oöpast) mit
allen seinen möglichen Combinationen, im Ganzen sechzehn Figuren
(vergl. unten beim griech. Texte). Im weiteren Verlaufe des Textes
wird die prognostische Bedeutung einer jeden Combination erklärt. Der
Vorgang der Weissagung ist zwar in dem griechischen und slavischen
Text identisch, doch die Darstellung selbst weicht im slavischen von
dem griechischen etwas ab, so dass hier der griech. Text nicht mit Hilfe
des slavischen reconstruirt werden kann, obgleich er in Folge des
schlechten Zustandes der handschriftlichen Ueberlieferung einer Be-
richtigung bedarf. Ein weiteres Auseinandergehen der beiden Texte
reicht nur bis fol. Si", weiter folgt ein anderer Text astrologischen In-
halts, der mit unserem nichts zu thun hat, nur die Weissagung nach den
Punkten ist ihnen gemeinsam. Der Anfang dieses Textes hautet : -fei yivä-
G/.Eii' oTi TQEli^ ei(TU' oi/.oi. Aus dem Schluss [i. 4^) erfährt man den Titel die-
ses Tractates: TtXog %r,g ITvO^KyontyJ;; ßi'i'/.ov.
Leon's des Weisen Weissagungen nach dem Evangelium und Psalter. 211
besteht in der Aufzählung der glücklichen und unglücklichen Buch-
staben: der griechische zählt ganz riclitig l;eini vollen Umfang von 24
Buchstaben 12 als unglückliche (die ungeradeu 12, mit einiger Störung;
auf, der slavische hat nur 1 1 unglückliche aufgezählt, indem er i> (das
im griechischen nach C steht) auslässt, an die Stelle des griech. o den
Buchstaben p und statt 7t den Buchstaben t schreibt. Die Auslassung
<3es i9- könnte in der seltenen Anwendung dieses Buchstaben im Slavi-
schen ihren bewussten Grund haben. Was aber den Wechsel zwischen
7t und T anbelangt, so ist hier der slavischeu Ueberlieferung der Vorzug
einzuräumen : denn in der zweiten (glücklichen) Reihe des Alphabetes
wäre das griech. 7t an seiner Stelle, während r im griech. Texte gänz-
lich fehlt. Andererseits würde die Verwechselung des .t mit t in dem
zweiten Theile die Reihenfolge stören [':^ t q yi . . .). In dem zweiten
(glücklichen) Alphabettheil bietet der griech. Text nur II Buchstaben,
doch die Lücke des ausgelassenen w ist nicht schwer auszufüllen. Im
Ganzen fehlt im griechischen Text nur w, das durch den slavischen
Text an richtiger Stelle eingesetzt wird. Der slavische Text lässt im
zweiten Alphabettheile (der glücklichen Reihe) fehlerhaft den Bucli-
staben k aus (die mit k beginnenden Wörter sind bekanntlich im Sla^i-
schen recht zahlreich), statt q gibt er aber s, was leicht dadurch erklärt
wird, dass p in den ersten Theil des Alphabets gestellt, folglich hier
tiberflüssig war, seinen Ersatz durch s könnte man vielleicht aus der
Häufigkeit der mit diesem Buchstaben anfangenden slav. Wörter ab-
leiten, allein in der alphabetischen Reihenfolge findet 8 als solches (statt
oyl keinen Platz. Der einer verhältnissmässig späten Zeit angehörende
slavische Schreiber wusste von der Entstehung des b' nichts mehr, und
wie er o 'von j auseinanderhielt, so machte er auch den 'Unterschied
zwischen o und 5>. Im slavischen Text blieb ferner o unbeachtet, das ent-
weder im ersten Theile statt p oder im zweiten statt s seinen Platz hätte.
Das Schema der Deutungen über die gefundene Combination der
Punkte ist im griechischen und slavischen Texte gleich, und zwar in
folgender Weise: a) zuerst steht die Benennung der gegebenen Combi-
nation (dafür die Formel '/.aXelrai = iiapiiuaeT ce), b) dann folgt die
Bedeutung derselben (dafür die Formel ör^Xot = MBjiMexb) für vertichie-
^ene Einzelfälle und c) ihre Bedeutung im Allgemeinen (arthog ■-—
npocTo). Die verschiedenen Anwendungsfälle der Weissagung sind
durchaus nicht mannichfaltig; mit grösserer oder geringerer Vollständig-
keit in jedem Schema wiederkehrend, können sie auf folgende Gruppen
Archiv für slavische Philologie. XXV. IG
242 M. Speranskij,
zurückgeführt weräen: tvsqI Ttgäyf-iarög zipog (= o Koeii Beiii,H) — so
im Schema 1. 2. 3. 6. 9; nSQi TtoXefiov (= o ÖpaHn) — so in 3. 6. 7.
8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 16; rteql rUr^g lyßQÖjv (= o noö^A'^ ßpart)
— 30 in 5. 6. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15; nsQ). aQqtooxiag (= o
HeM0iii,H) — so in 6. 7. 8. 9. 10. 1 1. 12. 14. 15. 16; tieqI Tey.voTtoUag
[== 0 qeAOTBopeHiH) — so in 8. 9. 11. 15; 7tE()l '/.üorqov (= o rpaA»)
— in 10. 15. 16; TCEqi xQrji.idrtov (= o HMimii) — in 8 ; 7t€Ql ßaoi-
lelag {= o i];ptbh) — in 4 ; jceqi ya(.iLy.ov avvalldyf.iaTog (= abest)
— so in 1 1 ; tteqI lyyvov yvvaiKÖg {= abest) — so in 13. Die übliche
Einführungsformel für einzelne Fälle lautet: ei de neql . . . eqdorrioig
'S" c"
(= ame 0 . . . K Btnpo).
Aus einer Vergleichung des slavischen mit dem griechischen Text
nach diesen Rubriken ergibt sich folgendes : der slavische Text gibt
nicht alle Einzelfälle der Weissagung dort, wo sie der griechische hat.
So fehlt im 6*®"^ Schema die Beziehung auf die Fragen: neq! Ttolef-iov,
Tteql ftqäyiiaTÖg ripog; im 8*®° Schema auf die Fragen: TteQi TtoXi-
f.iov, 7t. rezvoTtoUag, 7t. %OYi(.uxrcov\ im 9*^"^ Schema auf die Fragen
7teQl 7tolef.iov, 7t. ex^QÖJv vl'/.rjg, 7t. äggioarlag; im Uten ^^^f ^jg
Fragen 7t. yafj.iy.ov avval,X<xyf,iaTog., 7t. 7tolef.iov, 7t. ccQQcootiag, 7t.
Texvo7toUag ; im 12*^" auf die Frage 7t. Ttoleuov, im 13*^° auf die
Fragen tteqI ey&qüv^ 7t. 7toXe(.iov., 7t. aQQCoorlccg^ 7t. eyyvov yvvui-
y6g\ im 14*^"^ 7t. 7toXei.iov, 7t. aQQioatiag; im IS*®"^ 7teQL zdotQov.
Eine solche Menge von Auslassungen im slav. Text lässt voraussetzen,
dass unserer Uebersetzung eine andere, kürzere griechische Redaction
zu Grunde liegt. Diese Voraussetzung gewinnt an Wahrscheinlichkeit,
wenn man bei sonst gleichem Inhalt an verschiedenen Stellen im slavi-
schen eine kürzere Darstellung bemerkt, als im griechischen Text. Z.B.
in oy. e liest man griechisch: ei de Tteql aQQioatlag öiqkol vyeiav Y.a\
dTtaXlayrjv tfjg vöaov, im slavischen nur: aiii,e jih o HeMoni,H HEJiBeTt
spaBie ; oder 0%. 'C : yaX a7tX(hg dia av eitj eQiürrjatg, eiq IvTtrjv xa*
drtOTVxiav xarai/r«, im slavischen : h npocTO bcb Heoyjs^ieme hb-
jiMBT ce; Gy. ig : xal ei 7teQl Ttole^iov iorlv f] tgtorinoigj viy.r]S-Tqae-'
rat b eqoirCöv '/.aX xaraiaxw^rjaerai, im slav. nur: h au],e o paxH,
noö^AHT 06 BT)npocHBtiH u. s. w. Diese Abweichungen sind nicht als
zufällige Auslassungen des slavischen Textes, sondern als redactionelle
Aenderungen, die auf einer anderen griechischen Vorlage beruhen, auf-
zufassen, was man auch aus folgendem Beispiele erschliessen kann:
Leon's des Weisen Weissagungen nach dem Evangelium und Psalter. 243
Seh. 1 0 im slavischen Text lautet so : MBjiMex ate tt^vj^t, t^jibchmS h
iipo.3HTie KpfcBH H npocTO B'Lce iieoyjibqenie h 3jio KaÄeTi, der griech.
Text ist hier viel ausführlicher. Die Auslassungen, die man mechanisch
deuten darf, d. h. die keinen griech. Hintergrund haben, sehen anders
aus, z. B. der slav. Text beginnt wie der griechische consequent immer
mit der Benennung des Schema (oöpast), allein in dem 7. u. 10. Schema
fehlt die stereotypisch sich wiederholende Phrase: iiapimaexce = x«-
XslTUL. Diese ist also hier aus Unachtsamkeit ausgeblieben, Aehnlich,
durch mechanische Auslassung, sind zu erklären die Lücken in Seh. g
der fehlenden Uebersetzung für y.ai ev(pQoovvi]g^ im Seh. ß' für eqi-
dog, im Seh. ai für -/.al evcpQoavvrjv, im Seh. yi für tiXovtov xai, im
Seh. et für vyiaivei u. s. w.
Weiter, ungeachtet aller üebereinstimmung des griechischen und
slavischen Textes in analogen Stellen, enthält der letztere dennoch auch
solche Züge, die ohne Zweifel auf ein griechisches Original zurückzu-
führen sind, aber in dem griech. Text unserer Redaction vergebens ge-
sucht werden. Ein solcher Fall kommt zur Geltung bei der Beschrei-
bung der einzelnen Combinationen der Punkte: der griech. Text zeichnet
zuerst das betreffende Schema in Punkten und fährt dann so fort : ro
. . . . (Zahl) oyr^ucc voiovrov; der slavische Text dagegen findet es ar-
gezeigt, das betrefi"ende Schema (oöpasi.) mit Worten zu beschreiben,
z. B. so: ce^MLiH o6pa k chkob^, H3Ke ü; BÄHHoro .luxaro h wj ;i;boh
TTbKMH H BÄHHoro jHxaro u. s. w. Endlich, wie bereits oben angedeutet
wurde, gehen die beiden Texte schon in der Ueberschrift nicht bloss
stilistisch, sondern auch inhaltlich auseinander : der eine wird dem in
der griech. Literatur sehr bekannten Leon dem Weisen, der andere dem
Propheten Samuel zugeschrieben. Bei der sonstigen Gleichheit in der
Beschreibung des eigentlichen Vorganges der Weissagung wird das
Material selbst in jedem Text anders gruppirt: der griechische setzt die
Tafel der glückliehen und unglücklichen Buchstaben ans Ende der Ein-
leitung, der slavische in die Mitte der einleitenden Beschreibung, und
auch die Stilisirung der Beschreibung der Weissagung ist, so weit man
das nach der fragmentarischen Ueberlieferung des griechischen Textes
beurtheilen kann, eine verschiedene. Alle diese Umstände sprechen da-
für, dass der hier folgende griechische Text und jener andere, nach der
slavischen Uebersetzung vorauszusetzende, zwei Abarten eines älteren
Prototypons darstellen.
16*
244 M. Speranskij,
Auf der anderen Seite stimmen, ungeachtet dieser Abweichungen,
die beiden Texte doch in so vielen Einzelheiten tiberein, dass man ruhig
behaupten kann, ein jeder von ihnen enthalte einige sichere Winke für
die Reconstruction des Ursprünglichen. Diese ergeben sicli aus der be-
dingten Form und dem Plane des Textes, wovon wir soeben gesprochen
haben. Wenn wir auch das Original der slavischen Uebersetzung für
eine gekürzte Redaction halten müssen und folglich den vorliegenden
griech. Text als näher stehend dem griechischen Prototypon betrachten
dürfen, so gibt doch der slavische Text sichere Anhaltspunkte für die
Annahme, dass in einigen Fällen unser griech. Text von seiner älteren
Vorlage abwich, während das griech. Original der slav. Uebersetzung
die ursprüngliche Lesart treuer bewahrte. So beschaffen ist z. B. der
Schluss des 10*®" Schemas, wo der slavische Uebersetzer sagt: »h npo-
CTO Btce Heoy.3siieHie h 3jio Ka/KeTt«, während im griech. Text ein
diesen Worten entsprechender Zusatz fehlt, obgleich nach dem Plane
der Darstellung am Schluss eines jeden Weissagungsfalles eine solche
Generalisirung der Weissagung am Platze ist. Wahrscheinlich stand
auch wirklich in der ursprünglichen griechischen Vorlage: -Aal aitlCoo,
Tiäoav aTtoTvyJav -/.cu y.ay,bv örjlol^). Im Schema e steht nach den
Worten: -/.al &lißrjaevai tzuq' avrCov -/.ai aix/.ialcoTLO&i]0€Tai, äeven
gekürzte Uebersetzung so lautet : h oneiiajiHT ce t^mh, noch folgender
Zusatz im Slavischen: äme jih o noö^JKAeiiiH öpanti, pasöien'L ösAexx
Btüpomaeii. Als ein besonderer Fall der Weissagung, der auch sonst
begegnet, könnte dieser Zusatz in dem ursprünglichen Text hier am
Platze sein. Nicht ohne Grund blieb er also in der slav. Uebersetzung
stehen, deren Original sonst, wie bereits erwähnt, eher zur Kürzung als
zur Erweiterung hinneigt. In der ursprünglichen Vorlage mag also etwa
folgendes gestanden haben: ei oh TteQi rr/.r]g 7tolei.iov {fj €Qc!jTr]aLg)^ |
vi/.Tjd'rjosTaL ö IqiOTvjv. Andere kleine Aenderungen oder Berichti-
gungen des griechischen Textes findet man bei der Ausgabe desselben
angedeutet.
Zuletzt noch einige Bemerkungen betreffs der Texte : der Autor-
name Leon's des Weisen im griechischen Texte darf einen grösseren
Anspruch auf Ursprünglichkeit erheben, als jener Samuel's in der
slavischen Uebersetzung, da bekanntlich gerade in der Orakelliteratui
1) Ein ähnlicher Fall begegnet zu Ende des Seh. d': u npocio BcaK'i. bi-
npocT) CHKOBBiii HCoy^isieHie h .lumcHie ii neya-it las.ütrieT'L: -/.al «ttAw» näac<
{Qwirjai^j o'ici av Ei'rj, anoTV/lay y.ai KTTOQiat^ y.cd S-Xtipii' &r]7.oi.
Leon's des Weisen Weissagungen nacli dem Evangelium und Psalter. 245
der erstere Name sehr populär war i;. Der andere Name (Samuel,
kommt zwar auch in der byzantinischen Literatur an die Orakelliteratur
geknüpft 2] vor, doch war er bei weitem nicht so populär. Was die Zeit
der Entstehung der slavischen Uebersetzung betrifl't, sehr alt kann sie
nicht sein: sie gefällt sich pedantisch in der wörtlichen Genauigkeit;
eine Eigenschaft, die bekanntlich vor allem den späteren Uebcrsetzungen
zukommt, die meistens das XIV. Jahrh. über.schreiten. Uebrigens ist
der slavische Text auch schlecht erhalten, man müsste viele Aenderungen
im Einzelnen vornehmen, um ihn ganz lesbar, grammatisch correct zu
gestalten.
31i^odog TTQoymoatiy.rj rov ayiov Evuyy^'kiov i) rov
xpuKxr^qiov. Tloi\]^i<x •/.VQOV yliovxoq rov aorpov^).
ulaßiov xh ayiov evayyüunv fj ro ipalrrjQiov vrjoTig ngCorov
luv TCoLrioov vQiadyiov /.al 7toir]aov TraQax'Arjatv TtQog rov ^sbv
lUTu ovvreTQif.iuivi]g -AaQÖiag, yxd ercEira GrqCoaov ro ayiov evay-
yikiov i] TO ipalrrjQiov '/.al Xtyiov Iv rfj •/.aodia ti]v igibrijaiv
Gou, y.al ävaTtxv^ag ro ßißXiov 7tQ6ar]tov (sie) '*) rcj) ccqlotbqc^
iiiQSi Tov ßißXiov riyovv ro ^) ro a *') rov ayiou
öodivov y.cu rov öevtsqov ^) rov rQtrov /.cci rov xeräqrou
/.al ei }.iiv ton ro . . . . ®) ygäf^iua rov rcQcurov oQdivov r)r . . . . ^)
uvtI rov ^^) OTLy^iriv ei de ^^) i]yovv 7iou]öov ariyuag
dvo. i'JoavTiog 7ioii]Uov '/.al rovg ereQOvg rqelg oQÖLvovg rov ßiß-
Uou avrl rov /.lövov ygaf-if-iarog ^aQcirrcov iv r(^ j^agrio) VTtO'/arco
rfig 7CQcbrr]g ariyf.ifig erigav ovr/f^irjv, ävrl de rov Cvyov ariyfiag
ovo. lüGavTiog rcoirjaor xca eig rovg eräqovg ÖQÖivovg rqelg. Aal
olov av oyji(.ia dvafpapf] dno rfjg roiavTrjg -9-ioeiog ex rCov ig o^t]-
1) Vergl. Krumbacher- S. 168. 628. 721 und H. 6. Kpaciiocoj[i>ueBT, Ad-
denda zur Ausgabe der Anecdota graeca Vasiljev's.
'-) Vergl. meine Hai ucropiu oipdcimLixi. Kimn. I. 60 und Migne Dic-
tionnaire de sciences occultes II. 359 sq., 479 — So.
3) Slav. aliter, quae verba verterim: EvayyeXiauog nccXcccog . . . . xo fic<-
^'^f;uce TovTo tw nQotprir] Sccuovi;^ unv/.a'kvff^ri vno xov ayytXov tov d-eov Iv
IS ayr-uuai y.(cl tnoocprjTEVE xoli afi^oünois neQi iwi' uc?.?.6i'twi'.
■*) Slav. api-acu jitBsio CTpaiis w iiaicja; also wohl nQoatojy.
5) Lacuna litterarura circa XXII. C) Lacuna litter. circa VIII.
"; Lacuna litter. circa V. 8) Lacuna littcr. circa IV.
^) Lacuna litter. circa XI. W) Lacuna litter. circa XVI.
*') Lacuna littcr. circa IV.
246 M. Speranskij,
(.lätcov eari Ivravd-a yQacprjOÖi-ievov '/.al, -/.ud-tog Iv s/.darq) tov-
Tov drjlovvai, öey^ov ri]v ccTtö'/.Qioiv rfjg eQtorrjaeöjg oov. Ta . . i)
. . . . (.löva y^dfi/^iavä siat ravta'
a. y. €. ^. i9'. i. l. V. 0. tc.^] cp. ip.
ta de tvyä ravva:
ß. ö. /j. X. II. '§. n: Q. X. G. V. W.3]
aQQSvsg.
TÖ TtQWTov GyJifxä eavi tolovtov y.al ytalslrat bdog. avrr] ,,
avacpavElGa öiqXol böov /.al f.iETC(ßaGLV artb y/oQav eig
yioQav {.lETO. wcpEleiag y.ai dyad-i]v evaXlayrjv fxeva v.iq-
. 4) dovg. iav de eon €QcbTi]Gig tieqI aXXov rivog 7rQdyi.iaTog,
yLvo)Gv.E OTL GVf-KpeQEL Tcp eQwtCovTi ytazocQ^aG^ai Tfjg v.a%a rrj'V
eQCJTTjGLV VTtod-eGBCog. aTtXCbg yccQ dio. läv laxi rj eQwtrjGig örjXol- i
To Gxfjf.ia TOVTO rfjg böov evcodtoGeiog.
d-rileig.
. TOVTO TO Gyfi{.ia y.alelTaL Gvväd-QoiGig^], drjXol Se^], GVva-
. ycoyrjv Jtoklrjv Xaov -/al eyd-Qiov ßaoi'keiov xal cctiogtu-
. Tcop. ei de Tteql itegov Tivbg Ttgay^iaTog '^) eQcoTäg, drjXol I
. oylrjGLV xai TaQayrjV xal laov Gvva^tv dt exelvo yevea&ai \
TO 7tQäyf.ta yial dvpaGTsia yial cpilopeiy.la y.al eQidog ^) xal ov '
GV(.ifpeQeL loiTtbv '/.aTaQ^aGd-at tovtov tov nqäy^aTog. eav yccQ
TaQayJ] yevrjTai, ovy. elg ■/.aVov egyeTai.
aQQereg.
. TO TQitov Gyjifia eOTL TOLOVTOV Y.a'kelTai Tiüyri tJtol eiGo-
. dog dvvä^ietog ^). d^jlol ßaGileiav /.al l'^ovGtav v.al Tiurjv ■
l.ieydlt]v^^)^ e7tiyiQdTr]Gir ey&QCov '/.al viarjv ev 7TO?^€fioig, 1
el EGTL Tceql tolovtov Tivbg fj eQcoTrjGLg' ei de Tteqi TLVog \
ETegov TtQdyiiaTog^ drjlol otl GVf,i(peqeL äQ§aGd-ai tov tolovtov,
'/al yevrjGeTai /.al eig TL^irjv aTtoßrjGeTaL T(p Iqiotüptl,
1) Lacuna litter. circa II. -] Slav. t.
3) Ex slav. 4) Cod. jj cf. infra et slav.
5) Slav. : JiiOÄie u CBÖpaHie, i. e. jiioäTii ctöpaHie. ^] Cod. i.
'^) Cod. male yqäfAfA.axog; cf. supra et slav. o Koeii Bemu.
^] Cod. tQQidos. •■; Slav. Bejria xa iitcx-t.
10) Cod. lAEyälr,.
Leon's des Weisen Weissagungen nach dem Evangelium und Psalter. 247
öyJii.ia TtzaQTov y.akovf.iEVOi' ui/.qu riin] ^/
di]?.ol dh TLf.iriv tvXtjv ov f.ieycckr]v^)' y.al{ei)^)
. v7t£Q ßaaü.eiag larlv f] egcoTiiaig, avurpioei
. yx(TctQiaoi}ai ravTt]g*].
. ro 7tif.i7irov oy^ifict eart roiovtop y.ca y.a'Lüvai a/torvxicc
. y.al d^Uipcg' drj}.oi de otevoxcoQiuv /.al ^kiipiv /.al, et
. Tieql vr/.t]g ly&QCov^) rj tQchrr^aig, fiTTrj&rjasvai b sQioxCbv
'/.al V7tOTayiqd^r]oeTC(L rolg ly&Qolg aurov y.al d-lißrid^rj-
üetai Trag' avtCbv '/.al aixf.ia).oitLGd-rjOBvaL, y.ui /.ad- 6'Äov Inl
navthg egtorrjuaTog rb roiovtov oyf^aa ccTioxvyiuv y.al d-lLxpiv
Y.al OTEVoyioQiav y.al evdeiav öi]}.ol.
^i]lsig.
To V/.XOV GyJ]aa toxi xolovxov y.al '/.alelxaL ijtixvyia y.al
. yaQf.iovrj ^)' ör-).ol öh yaqav y.al d-vi.u]diav y.al ev(pqoovvr'V
. y.al Ijtixvyiav xrjg EQCüxrjasiog yal xif^ir]v y.al vipcooiv /.al
. aväßaöLV '/al /tXovxov '/al, [ei) ') vrcsq vr/rjg lyd^qov
.eaxiv) f] sQtbxriOig, rr/rjoet b IqloxCov' ei dh neql 7toMf.iov, vi-
■/rjoei xovg l-y&QOvg avxov b ßaoü.evg -/al VTXoxd^sf ei de tteqI
aQQOJOxiag, öijlol vytiav y.al anaXXayriv xf^g vöoov^)' ei de txbqI
7tQayt.iax6g xivog ^ x^if^g, yev^oexai' ei öe Tteql xe/voTtoäag, ov).-
Irjipexai, ^ yvvi] "/al xe§ei aooer. /al a/tkwg jtäaav eQioxrjOLV eig
'/agav /al d^vut^diav /al evcpqoovvr^v Ttagioxäv.
xb L oyr^HCc eaxi xolovxov /al /aXelxai (fvla/i] y.al xcc-
. (fog' di]Xol de ajioxvyiav xfig eQCüxrjaecog. -/al ei neql
. 7toXe{.iov loxlv fj eQCüxr]aig, vi'/rj&tjoexat b egcoxwv /al
•/VQieud-i]GexaL Ttaga xCov ey&qüv aiixov' ei de Tteql
aqqcüGxov, /.la/qovoGrjoei b äqqcoGxiov y.al vGxeqov [xeksvxtjGei.
■/al ccTtXwg, o'ia av eirj fj eqioxTqaig, eig XvTtrjv xai aTtoxvxiav -/axavxä.
. xb r' G^fjud Igxl xoiovxov '/al -/aXelxai 7i\ovxog '/al eu-
qeGLg -yqr^uäxiov /al y.xT]GLg^) 7To?Jmv 7iqayf.idxiov drjXol
. de y.al vipcoGii' /al ctvdßaGiv /al xiui]v. ei de rteql vi-
■/rjGLV ex^q(Jöv, vr/i]Gei b eqcoxöjv /al /axd /qdxog xovg
1) Cod. TtfJir^t'i slav. qit h BJia.
c
2) Slav. oöaie hu ectuks hh bhcoks. 3 Slav. u ame o apiBBi.
*) Slav.add. li npocxo B-BcaKO BT>nponieHie b'b aoöpo npuKJHoquxee. Cf.supra
ach. primum. '^] Cod. Enivixeg lyO^ooy; slav. u ame oy6o o noötfle Bpan>.
") Slav. pajOBauie Ixanuayr';). '•] Slav. ame 0 noöiae.
8) Slav. = y.ai . . . i'oaov om. '') Cod. xir^aii'.
248 • M. SpDranskij,
lyi&Qovg avvov v/coräBei' et de 7ceQi 7CoXei.iov, vjcoTayrjoovvai 0/
lyid-Qol Iv eiQTjvi] xat 7iQOG€lBvaovTai adrip' ei dh Tteql ccqqiog-
riag, vyiaivei^) b vooCov ei de Jteql rey^voTtoilag, yerrjaerai' ti
öe VTtü Tvxrjv xQrj^iärtiJV ^ V7ToraS,ei noXha. Y.al TtkavTifjoei. -/.ai
arcXCog näoa eQibrrjaig, (na eu], eig -Aukov xavapzä.
TU ^' axfjf.iä eovi toiovtop v.a\ -/.aXelxat äyaO^bg 7töXe(.iog,
vi/.)] 7To'ie(.iOV ÖYjlol öe eTtiTvyJav rov egiorrjO-ervog
. TCQCiyf.iatog'^). v.al ei Tteql vlxrjg rtolei-tov eirj fj eQcorrjoigj
vrATjGei b eQWTCüV ei de Tteql eyd-qwv, vr^rjoei^) avrovg
Aal vnord^eL' ei de Tteql aQQioöTiag^ vyiairei' ei de Tteql Texvo-
TCoUag rj -/.al ovvalXayf.iarog^ yevijoexai. dtjXol de '/.al eQWTr/.riv
eTti-9-vf.iiar '/.al tTtirvyJav]*) y.al anlCog Ttäoa iQwxr^oig eig ayad-hv
eX&ei -/.al cpegei.
. TO i ayfji-ia tülovvöv Iotl yial v.aXelTai xo/rog otoiiaxog
'/.al yvGLg ai\.iaxog' dr]lol ajtoxvyiav xfjg eQioxrjaeiog /.al
. TtaQa'/ad-iGf.iovg -/.al eTiißovXag yial xourjv GiOj.iaxog dib.
. GidriQOV y.al yvGiv a%(.iaxog. xca ei Tteql eyd^qCöv fj eqio-
xrjGtg, ßXaßrjGexai b eQcoxwv /.al VTtoxayrjGexai xolg tyd-qolg av-
xov' ei de Tteql TtoXefj.ov, i^iyir]-9-rjGexai xal xqcod-rjGevat xb GCof.ia.
avxov vito GTtäd-iqg 7^x01 (paGydrov rj döqaxog ^] '/al cnto'/etpa-
kLGd-i\Gexai' ei de Ttegl dqqcoGxiag^ d/to^avelxaf ei de Tteqt '
■/äoTQOv rj eQcbxrjGig, GvlXrjcpd-rjGexai xb '/aGxqov '/al TtoXXr] ^
yvGig ai^iaxog yevrjGexaL '').
. xb la' Gxfji.ia eoxt xotovxov -/al /akelxai b lev/bg agyv-
• Qog ^). di]Xol de xeXeitoGiv xfjg eQioxrjGeiog, yuquv.. vyeiav
'/al evcpQOGvvrjV '/al ei Tteql ya^-iL'/ov GvvaXXäy(.iaxog'-*
. fj eqiüxrjGig^ yevxjGexaf ei de rteol TtoXef.iov, xaxaXXayrjV
'/al GV(.ißißaGLV diqXol' ei de Tteql aqqcoGxiag^ vyialvei' ei ök ^
Tteql xe/voTtoiiag, yeviiGexai. -/al aTtXcdg, dia eGxiv f] eqcbxrjGig^
'/aXbv drjXol Tteql xovxov xov Gyrif.iaxog ^^).
1) Cod. vyiaivoi. '-) Slav. 11 paiiircjiBHoe' oyjisieHie add.
3) Cod. viy.rjar]. *) Cod. ITTITV/Ei.
5) Cod. cFw^ßrof. 6) Cod. noXh.
"^'1 H npocro ETice Heoy.is^eHie u sjio Kaaceix add. Slav.; cf. supra.
^) Cod. KQyvQi^. 9) Cod. avfu^.ay/LiaTo^.
. 10) Slav. aliter : Aoöpo u isecciie oöpa CKassexT, {= xa).oy xm avcpQoavyr^i'
&7]kol TO ayrjfxcc).
Leon's des Weisen Weissagungen nacli deui Evangelium und Psilter. 249
rb tfi oyj^uu Ion zoiovtov y.ai /.ciKÜTai ur/.Qog /löXeiiog'
. öi]Xoi öh uTtorvxiav r^c iQWTrjOttog' '/.al sl f.uv tvsqI
ex&QÜr ^) t; eQi'orrjGig, vr/J^oovoiv oi ey&Qoi' ei öe tieqI
7io?Juoi<, /.cd nukiv rr/.r^O-rjGETai u iQiovüv et de 71B(ji
äggiüOTiag, ör^kol .t€Qiy.07trjV rov eyy.€(fa'/.ov /.cu &EQ(.iuoiav. y.cd
IxTTkCüg si/ielv, tig näoav toöjrr^oiv eig IvavTuooiv t^dyei.
rb ly oyjjicc Ion tolovtov v.al /.aXelrcti ycaooig y.ai änio-
. ).eia' di]hn di tiXovvov xat ygriudvcüv untoXetav. /mI ei
jisQc lyiyQiov I] iQiurraig, i]rTr-d-riOErai b IqiotCjv y.ui
. urcokaliuL' sl de txsqI 7roX£f.iov, c(iyua?uüTtGd-i]o£Tat y.cu
öovko}d-i]OETUi' tl Ö£ TtsQi lyyvov yvvaiybg, ly.TQLod-rioexai. /.cd
i(/t'/.iüg eig nüouv tQcoTr-oiv eig evavricoaiv tTXiOTQerpei.
. Tb lö' oyi](^iä eoTL tolovtov y.ai y.cü.elxcd ovvöea^iog' ör-
?.ol öe f.ieo6vrjTa^) egioTTjaecog. y.cd ei jieQi lyd-gCbv eoxiv
}] egiorr^OLg^ vi/.rj&f^oeTai b eQcoTiüv, ov ^itjv de xara/v-
. Qiev-d-rjOeTat virb xCov eyS'Qtov ei de jcbqI rcolef-iov eOTiv
r egtüTr^aig, rjTTr^d-rjoevai' ei de tveqI ccQQcoOTiag, /.lay.QOPOOrjoet.
/.cd ccTtXCog näoav usoÖTr^xa drjXol Ttaar^g iQioTTjaecog^).
. TO IE o%fi(.i(!i eOTL TOLOVTOV xai /.aleiTai y.EcpaXr]' drfKol
de ■*) yaqciv y.ai ev&vuiav y.ai avSr^OLV '/.al rcQÖd-eoiv
TLuf^g y.cd 7tQ0/.07tfig. /.al ei jceql ey&qüv fj £QiüTr]aig,
VL/.roeL b IqcotCov ei de Ttegl äogcjOTiag, vyiaivEL' ei de
rreof Te/.vo7toLiag, yevrjOeTaL y.cd Te^eL aoQev ei de tieqI /.cto-
TQov, ov nuQaXr^cpd-rioeTUL. /.al arcLcog ttügu tgcjTt]Gig eig ayc(-
d^bv LieTaroercEL.
Tb Lg ay^rjua tolovtov Igtl /.cd y.a'/.elTcu ovqc'c drj'/.ol de
rtEQLKOTtrjv tfjg eQWTTjGecog /.al diaßo'/.ag^} y.ai Gv/.ocpav-
Tiag. y.ai ei ttsqI Tto^.iaov IgtIv ?; eQcoTijGig., VLy.rjO-rjGeTaL
. 6 eQcoTwv y.ai y.aTaLGyvvO^r^GeTaL' ei de Tieql aQQcoGTiag,
TekevTrjOBL' ei dh tteql y.ÜGTQOv, TTaQaXrjcpd-rjGeTai. /.al arcXchg
Ttäaa £QWTr]GLg ditb evavTicov (.leTavQerceTaL.
'] 0 noöiji Slav. (= neq\ vixr,g).
-] Cod. ueaärr^TOi, slav. nocpiae BTbnpomeHia.
3; Slav. aliter: ame jlm o BcaKoii isemu, nocpijcico MB.iMe (= f6 dt neoi
nayxog noccyncdog, uEaäir^Tu &r;).ol;.
■*) Cod. &r;?.f(dr;. äj Cod. (fi(cSov?.as^ ; slav. uaBiTH.
J/. Speranskij.
250
Die Metrik Guiidulic s.
yU^^
Gundulic's Auftreten auf dem
Gebiete der ragusanisch-dalmati-
nischen Literatur bezeichnet so-
wohl in Bezug auf die innere
Seite, auf Inhalt und Tendenz
derselben, als auch in Bezug auf
deren äussere Form eine entschie-
dene Wendung, welche sich spe-
ciell mit Rücksicht auf das Metrum
hauptsächlich darin kundgibt,
dass der im XV. und XVI. Jahrh.
vorzugsweise gebrauchte schwer-
fällige zwölfsilbige Vers durch den
leichteren, vor Gundulic nur aus-
nahmsweise gebrauchten Acht-
silber fast gänzlich verdrängt
wird. Da nun die Metrik der äl-
teren serbokroatischen Dichter
bisher - — mit Ausnahme der Frage über den Ursprung des Zwölfsilbers
— gar nicht studirt wurde, so ist es angezeigt, gerade G.'s Metrik zum
Gegenstande einer näheren Untersuchung zu machen, weil eben in
dieser Beziehung G. bis zum Anfange des XIX. Jahrh. fast allen serbo-
kroat. Dichtern als Vorbild diente.
In metrischer Beziehung lassen sich G.'s Werke in zwei Gruppen
theilen; in den Dramen, welche bekanntlich — mit Ausnahme der Du-
hravka — zu den ältesten Erzeugnissen G.'s gehören, hat G. wenigstens
zum Theil noch immer den alten Zwölfsilber, doch auch hier schon vor-
wiegend den von ihm bevorzugten Achtsilber, daneben als seltene Aus-
nahmen noch andere, kürzere Verse (von 6, 5 und 4 Silben, während
die lyrischen und epischen Gedichte (wenigstens die uns erhaltenen!)
ausschliesslich aus Achtsilbern bestehen. G. hat also den älteren
Zwölfsilber nur in den Dramen gebraucht, was nicht einfach so erklärt
werden kann, dass er in seinen älteren Werken, also in den Dramen
Die Metrik Gundulic's. 251
ueben dem Achlsilber noch zum Tbeil den Zwölfsilber, in den späteren
Werken dagegen ausschliesslich den ersteren Vers anwendete, denn
sein Hirtendrama Duhravka^ welches nach einer guten Ueberlieferung
im J. 162S dargestellt, und wohl auch verfasst wurde, besteht ebenfalls
znm grossen Theil aus Zwölfsilbern, obschon die Duhravka den Pjesni
Pohorne (1621) und den Suze sina razmeinoga (1622) folgte, wo G.
schon ausschliesslich den Achtsilber anwendet ; ja in der IJubravha wird
vom Zwölfsilber viel stärker Gebrauch gemacht, als in den älteren
Dramen Prozerpina und Arijadna^ so dass auch dieser Umstand ent-
schieden dafür spricht, dass G. den Zwölfsilber als ein speciell für die
Dramen geeignetes Metrum betrachtete. Das hängt ohne Zweifel damit
zusammen, dass alle Dramatiker vor G. (insofern sie nicht in Prosa
schrieben) in ihren Werken fast ausschliesslich den Zwölfsilber anwen-
deten: auch G.'s jüngerer Zeitgenosse Palmotic hat in seinen Dramen
noch immer Zwölfsilber — allerdings in viel geringerem Masse als G.
selbst; aber erst G.'s Sohn Sisko gab in seiner im Jahre 1662 aufge-
führten Suncanica das erste ragusanische Drama, in welchem gar keine
Zwölfsilber vorkommen.
Warum hat G. ausserhalb des Dramas ausschliesslich den Acht-
silber gebraucht? Wenn man bedenkt, dass G. unter allen älteren
ragusanischen Dichtern besonders den Cubranovic liebte (er hat be-
kanntlich dessen Jedupka mehrere Verse entlehnt!), so ist wohl
die Vermuthung berechtigt, dass G. in seinen nichtdramatischen Ge-
dichten dem von Cubranovic in seinem lyrischen Gedicht angewendeten
Vers den Vorzug gab, eine Vermuthung, die durch den weiteren Umstand
gestützt wird, dass G. in seinen älteren Gedichten nicht nur den —
wir wollen sagen — Cubranovic'schen Vers, sondern auch Cubranovic's
vierzeilige Strophe (mit der Reimverbindung abhd] vorzugsweise an-
wendete. Doch es ist kaum daran zu zweifeln, dass G. dem achtsilbigen
Vers nicht nur aus diesem Grunde den Vorzug gab , sondern auch aus
richtiger Erkenntniss seiner grösseren Leichtigkeit und Beweglichkeit
im Vergleich zum schwerfälligen Zwölfsilber; es genügt ja darauf hin-
zuweisen, dass dieser letztere Vers durch seine Cäsuren die Anwendung
mehr als dreisilbiger Formen, die im Serbokroatischen ja so häufig sind,
fast ganz unmöglich machte ! Dagegen ist an eine Beeinflussung von
Seite der italienischen Kunstpoesie — die sonst ohneweiters zugegeben
werden könnte — nicht zu denken, denn hier hat der achtsilbige Vers
nie die Rolle gespielt, welche ihm seit G. in der serbokroat. Poesie zukommt.
"252 M. Resetar,
Silbeuzähluug.
Gundnlic wendet niu' solche Verse an, die eine feste Anzahl von
Silben haben, es ist daher zunächst zu erörtern, wie G. die Silben zählt.
Regelmässig gilt bei ihm jede Sprachsilbe auch als metrische Silbe; nur
dort, wo zwei Vokale zusammentreffen, sei es, dass dieselben einem und
demselben Worte angehören oder dass der eine im Auslaute und der
zweite im Anlaute steht, werden sehr häufig die beiden Silben durch
Synäresis verbunden. Z.B. zelnu misao srca moga Ar. ib^Jeda Ijepos
tvoga uresa Ar. 39; G. ist darin (im Gegensatze zu der serbokroatischen
volksthümlichen und modernen Metrik) dem Gebrauche der älteren ra-
gusanischen Dichter gefolgt; G. ging aber in dieser Beziehung weiter als
alle seine Vorgänger, besonders in Bezug auf die Synäresis zwischen
zwei verschiedenen Wörtern, was wohl als eine Beeinflussung von Seite
der ital. Metrik zu betrachten ist, die bekanntlich einen Hiatus zwischen
zwei Wörtern nicht duldet. Es lässt sich aber nicht feststellen, dass G.
dabei gewisse Principien (etwa mit Rücksicht auf bestimmte Vokalgrup-
pen oder Wortformen) beobachtet habe oder mit der Zeit diesbezüglich
verschieden vorgegangen sei ; vielmehr hat er zusammentreffende Vo-
kale ganz willkürlich bald (nach der wirklichen Aussprache) getrennt,
bald (durch Synäresis) vereinigt. Diesbezüglich möchte ich nur darauf
hinweisen, dass er im Gegensatze zu den älteren Dichtern das aus
silbenschliessendem / entstandene o nicht selten von dem vorausgehen-
den Vokal trennt, während bei den älteren Dichtern dieses o ziemlich,
regelmässig mit dem vorausgehenden Vokale zu einer Silbe verbunden
wird; die Dichter vor G. haben nämlich gewöhnlich das silbenschlies-
sende l unverändert geschrieben: z. B. clal^ mclil, wesswegen sie
dann den so geschriebeneu Wortauslaut als eine Silbe messen mussten,
was sie auch dann thateu, wenn sie doch -o schrieben, während bei G..
der regelmässig das -l nach seiner wirklichen Aussprache als -o schrieb,
die Schreibweise voc. + o die zweisilbige Messung begünstigte. Speciell
sei noch erwähnt, dass die Interjektion jaoh^ welche bei G. sehr oft
vorkommt (z. B. Dub.i) 27. 108. 113 u. s. w., Osm. 8, 438. 619. 63G.
677. 12, 300. 18, 90. 19, 648. 666. 20, 129 u. s. w. u. s. w.), immer
1 leb citire selbstverständlich nach der von Pavic besorgten Ausgabe
der Agramer Akademie [Stat-i jnsci hrcatski IX) ; in Bezug auf die Abkürzun-
gen muss icli nur erwähnen, dass Ar. die Arijadna und Ann. die Armida be-
zeichnet.
Die Metrik Gundhlic's. 253
als eine Silbe gemessen wird. — Hie und da verbindet G. auch drei
Vokale zu äiner Silbe, in solchen Fällen nämlich, wo zwischen einem
vokalischen Auslaut und einem ebensolchen Anlaut eine aus einem ein-
zigen Vokal bestehende Partikel sich befindet, z. B. onarno u onijeh
sjena tmini Ar. 445; vergl. noch Dub. 1080. Su. 1, 93. 3, 233. J^ub.
37. Osm. 2, 21. 12, 225. 560. IG, 348. 17, 338. 18, 314. 19, 133.
Eine besondere Art der Synäresis, die von G. zuerst häufig ange-
wendet wird, bilden die Fälle, wo zwei durch ein / getrennte Vokale
als 6'me Silbe gefühlt werden. Dies geschieht besonders häufig bei den
verschiedenen mehrsilbigen) Formen der Pronomina fJioj, tvoj\ svoj.
dann koj'i, ciji und deren Compositis, aber nicht selten auch sonst z. B.
mi cujem nebo gdij'e zamnüo Ar. 1727, dta sunca s istoci goje raj-
sku ruzicu Dub. S64, stoji tugdjela zgar crvena Osm. 2, 78; bio je
do'sö vojecoda oci Osm. 4, 442 u.s.w. u. s. w. Diese Art der Synäresis
tritt aber nicht nur in einem und demselben Worte, sondern auch zwi-
schen zwei verschiedenen Wörtern, jedoch ist sie dann auf die (übrigens
sehr zahlreichen) Fälle beschränkt, wo das zweite Wort eine der (nach
G.'s Orthographie mit dem vorhergehenden Wort zusammengeschrie-
benen Enklitiken ye (»ist«), danny?<-^'e-;;'o/'(»sie-ihro) ist, z.H.JednoJe
sunce vrh ?iebesa Osm. S, 59; sonst habe ich hier nur einige Fälle no-
tirt, wo sich die Konjunktion ^ an erster Stelle befindet: i ja Pok. 2, 26.
Su. 1,233. Osm. 8,400; e^ec^i^a Osm. 8, 467; ^yo5 Osm. 19, 416 ; ganz
vereinzelt ist das Beispiel najednom mj'esti viJc ne stane Osm. 1 1 , 646.
Die auf diese Weise als eine Silbe geltenden zwei Silben können dann
noch einmal durch Synäresis mit einem darauffolgenden Vocal verbun-
den werden, z. B. gdi zmije otrovnc zmaji goruci Su. 2, 301; kli-
kuje dvako pocinnti Osm. 9, 280; &ve sto Je ugodno milo i drago
Osm. 8, 4.
Für G. wareu wohl dabei verschiedene Momente massgebend; zu-
nächst fand er im Italienischen ein Analogen, wo (im Wortauslaute und
in der Mitte des Verses, auch drei Vokale z. B. miei, tuoi^ßgliuoi als
eine Silbe gelten ; es kam dann der Umstand hinzu, dass zur Zeit G.'s
das konsonantische y vielfach auch durch i geschrieben wurde, so dass
z. B. moJcL koje — als 7noia^ koie geschrieben — wirklich das Aus-
sehen von Formen mit drei Vokalen im Auslaute erhielten ; ferner ist
ohneweiters anzunehmen, dass schon zu G.'s Zeit im ragusanischen
Dialekt intervokalischesy zum Theil schwand (so besonders in der En-
254 M. ßesetar,
dimg -aju der 3. plur. praes.); endlich wurde ein solches Vorgehen G.'s
auch durch den Umstand begünstigt, dass er selbst, und noch mehr die
älteren Dichter, gerade bei den Possessiven und dem Relativpronomen
neben den zweisilbigen Formen wie vioja-tvoje-koju auch einsilbige
Formen wie ma-toe-ku gebrauchten, was auch für die einsilbige Mes-
sung der Formen moja u. s. w. gewiss nur fördernd war. — Dass aber
G. zwei Vokale, wenn sie durch einen anderen Konsonanten als/ ge-
trennt sind, dennoch zu ^iner Silbe verbindet, sind ganz vereinzelte
Fälle: ah uputi se mirna vece Osm. 6, 237; vece udarac tuzna
Ibrahima Osm. 18,466; i me nepomne hezumnosti Pok. 3, 24; da-
gegen im Vers covjek ne zgleda tuzna toli Ar. 1137 steht cotjek wohl
aus irgend einem Versehen für coek^ welche Form in demselben Drama
V. 1527. 1665 u. s. w. zu lesen ist.
Für sich muss die Frage erörtert werden, wie sich G. in metrischer
Beziehung gegenüber langem e verhält, das bekanntlich in der serbo-
kroatischen Schriftsprache in der Regel durch ein zweisilbiges ije wie-
dergegeben und in der modernen Metrik vorwiegend zweisilbig gemessen
wird. Unter den Hunderten und Hunderten von Fällen, wo bei G.
langes e vorkommt, wird nun dasselbe in der Regel als eine Silbe, und
nur im offenen Auslaute sowie in den Endungen -ijem, -ij'eh
der Pronominaldeklination, bezw. des Loc. plur. der Sub-
stantive 1) auch zweisilbig gemessen. Die Fälle somit, wo G. über-
haupt langes e als zwei Silben gelten lässt, umfassen folgende zwei
Gruppen :
I. Gruppe: langes e im offenen Auslaut.
prije: Ar. 706. 846. 1136. 1555. 1584. Proz. 625. 1303. Dub.
380. 507. 553. 558. 565. 582. 585. 593. Arm. 62. 79. Pok. 1, 47.
Su. 1, 354. 2, 115. 162. 260. 3, 381. ^.ub. 39. Kai. 73. Osm. 1,273.
2, 555. 299. 519. 3, 155. 330. 5, 450. 6, 288. 7, 164. 264. 312. 8, 72.
9, 425. 10, 37. 328. 11, 458. 544. 12, 2. 13, 232. 264. 270. 16, 194.
1) Ich habe bis jetzt in dieser Frage die Endung des Loc. plur. der Sub-
stantive uicht berücksichtigt, weil ich mich iu Bezug auf den Dialekt von
Ragusa hauptsächlich auf dessen gegenwärtigen Stand stützte, nach welchem
— mit Ausnahme von na nebesijeh im Vaterunser, sowie von m Mlecijem »in
Venedig« (mit dem pronominalen -ijem als Endung!) — der Loc. plur. der
Substantive die alte Endung -ijeh schon gänzlich eingebüsst hat.
Die Metrik Gundulic's. 255
243. 17, 744. IS, 22. 155. 597. 19, 579. 103S; najprije Ar. 1S24.
Proz. 1393. Dub. 139. 431. 1191. 1395. Osm. 11,202. 275. 12, 122:
oilprije Osm. 7, 405.
najposlije: Su. 1, 229. 282. 367. 401. 2, 94. 3, 83. Osm. 2, 217.
517. 6, 394. 9, 38. 10. 401. 11, 426. 16, 241. 19, 601.
svudije: Ar. 230. Arm. 78. Pok. 4, 95. Osm. 7, 125. 9, 144.
10, 403.
dvij'e: Kai. 316. Osm. 2, 349. 8, 147. 152 (?). 8, 444. 11, 53;
ohjedvije Osm. 12, 103.
7iije: Ar. 565. 567. 689. 714. 805. 10S5. 1175. 1554. Proz. 79.
258. 447. 461. 628. 793. 953. 1250. 1308. 1360. 1451. Dub. 127. 337.
339. 378. 389. 408. 417. 1110. 11. 28. 1256. Pok. 1, 17. 2, 7. 3, 9.
40. 44. 5, 80. Su. 1, 86. 285. 2, 238. 3, 379. l^ub. 38. 62. 95. 99.
222. Kai. 75. 113. Ferd. 90. Osm. 1, 242. 2, 193. 219. 382.441.479.
495. 3, 277. 332. 4, 304. 5, 75. 238. 378. 452. 505. 535. 6, 47. 286.
396. 7, 162. 9, 337. 349 (2). 469. 11, 431. 542. 617. 848. 12, 4. 44.
101 (2). 124. 165. 294. 451. 13, 177. 16, 48. 196. 325. 17, 37. 148.
196. 233. 403. 445. 608. 630. 742. 18, 24. 57. 75. 153. 306. 531.
ye\ Dub. 675. 1479. Su. 1, 369; iiije Dub. 1052; izije Su.
1, 34.
sniye: Proz. 568. Osm. 2, 133. 4, 415. S, 246. 10, 329. 16,
46. 206. 382. IS, 147. 524.
umije: Ar. 1047. Dub. 560. Osm. 2, 135. 384. 8, 372. 761. 13,
272; razumij'eNQi. 36.
spovije: Pok. 1, 20.
odij'e: Su. 1, 82.
— 2. und 3. sing, praes. von Verben auf -eti'. prozdrije Ar. 1038.
8u. 1, 281; ohstrije Dub. 140. Osm. 4, 257. 9, 242; prostrije Osm.
3, 279. 312. 4, 143. 10, 99; donije Dub. 531; odnije Osm. 11, 846;
prinije Osm. 20, 185; unirije Su. 2, 259. ^^ub. 64; podrije Su. 3, 84.
Osm. 6, 11; odrije Osm. 5, 238.
n. Gruppe: Endungen -ij'em^ -^jeh-
a) Instr. sing., dat. instr. plur., bezw. gen. loc. plur. der pronom.
und zusammenges. Deklination: Ar. 5. 126. 282. 372. 455. 553. 554.
57S. 602. 626. 713. 924. 982. 984. 1127. 1129. 1392. 1508. 1582.
1672. 1703. 1706. 1722. 1732. 1S25. Proz. 267. 324. 415. 604. 655.
765. 766. 775. 832. 841. 869. 1086. 1285. 1401. 1472. 1492. 1493.
256 M. Resetar,
1532. 1535. 1647. Diib. 058. 74 1. 1042. 1055. 1057. 1162. 129o.
1562. Pok. 2, 47. 4, 42. 5, 104. 112. 7, 49. 65. Vel. 66. 77. 79. Su.
I, 338. 3, 177. 434. 480. 513. ]^.ub. 173. Kai. 67. Ferd. 4. 75. 242.
Osm. 2, 325. 383. 3, 141. 4, 396 (?). 450. 5, 158. 6, 276. 390. 7, 203.
8, 432. 440. 492. 9, 329. 330. 331. 441. 10, 424. 496. 11, 210. 23(J
505. 834. 853. 12, 52. 314. 389. 476. 13, 4. 17. 19. 20. 16, 330. 348.
411. 17, 146. 156. 18, 113. 488, 19, 498. 837. 839. 1017. 20, 23. 66.
b) Loc. plur. von Substantiven: srcijeh Ar, 505; poUjeli Proz.
823. 1024; hrilyeh Dub. 578; Osm. 6, 68; kostljeh Pok. 3, 13; prsijeh
Su. 1, 184; Osm. 10, 410; pismijeh Osm. 7, 213; krajijeh Osm.
II, 61.
Ungefähr ebenso häufig wird aber in den zu diesen beiden Gruppen
gehörenden Wortformen langes e auch einsilbig geraessen ; allerdings,
wenn man einzelne unter denselben herausnimmt, lassen sich ziemlich
starke Unterschiede konstatiren, z.B. snivj'e wird 10 Mal zweisilbig und
nur 2 Mal (Proz. 1 183. Osm. IS, 492) einsilbig gemessen, und noch auf-
fallender ist es, dass bei najpojslije (das einfache /)os/y'e kommt bei G.
nicht vor!) an allen 14 Stellen, wo es G. gebraucht, das e zweisilbig ist.
Doch Alles das wurde wohl bloss durch das Metrum veranlasst und be-
ruht kaum auf einer verschiedenen Aussprache des langen e im Auslaute.
Ausser diesen beiden Gruppen von Fällen kommt es bei G. nur
äusserst selten vor, dass ein langes e als zwei Silben gemessen wird:
dass dies in den drei Beispielen snnjes Proz. 1165, ijes Dub. 825,
umijes Dub. 826 geschieht, ist leicht zu erklären, denn alle drei ge-
hören zu denjenigen Praesentia, deren 3. sing, langes e im offenen Aus-
laute hat ; es ist daher sehr wahrscheinlich, dass (wie heutzutage) schon
zu G.'s Zeit das e im ganzen Praesens in zwei Silben gespalten war. In
den Wurzel- und sonstigen Stammsilben gilt aber langes e für G. in der
Regel als eine Silbe; Ausnahmen davon sind äusserst selten, und auch
diese sind nicht sicher, nämlich : üjer hij'eli i ruzicu (oder lije7' Vyeli
i ruzicti) Proz. 197, was sehr leicht ein Absehreibefehler in der Hand-
schrift vom J. 1795 sein könnte, nach welcher Pavic die Prozerpina
edirt hat, denn in der Ausgabe von Ragusa aus dem J. 1843 steht UJer
pribiJeU i ruzicu und in der Agramer vom J. 1847 lijer prehijeli i
ruzicu\ vielleicht gilt dasselbe auch für das Beispiel svijet drugi sred
vesele Proz. 402, obschon hier auch die Ragusaner Ausgabe dieselbe
Lesart bietet, während die Agramer / svijet drugi sred vesele hat ; in
Die Metrik Gundulid's. 257
iie ri/epri lubovniku Dub. 1425 bat aber Pavic obne zwingende Noth-
wendigkeit im Anfange des Verses ein / ausgelassen (/ ne — ), welches
sowohl in der ihm als Grundlage dienenden Handschrift als auch in der
Kagusaner Ausgabe steht, während die Agramer Ausgabe die Lesart
ne Ujepomu lubovniku bietet. Alle drei Beispiele sind somit nicht
sicher, doch wenn wir auch annehmen wollen, dass G. in allen dreien
wirklich das lange e als zwei Silben gemessen hat, so steht doch die
Thatsache fest, dass er — ausserhalb des offenen Auslautes und der
I Casusendungen -//Vw, -iJeJi — • in Hunderten von anderen Beispielen
das lange e nur einsilbig misst. Sind aber die soeben erwähnten drei
I Beispiele echt, so ist es vielleicht kein Zufall, dass alle drei fallend be-
j tont sind, somit den Accent auf der ersten Silbe des gespaltenen e
; tragen.
l Da also G. langes e in der Regel als ^ine Silbe gelten lässt, so wird
dasselbe in Bezug auf die Synäresis ganz so wie ein jeder andere ^ein-
t fache) Vokal behandelt; im (offenen) Wortauslaute kann das lange e so-
mit mit einem folgenden Vokal zu einer Silbe verbunden werden, z. B.
! odkuda se tfoj'prije oglasi Ar. 1439, ebenso kann ein langes c mit einem
! vorausgehenden Vokal, der von ihm durch ein j" getrennt ist, als eine
1 Silbe gelten, z.B. nee/ sfravien mlad pasf/'r, ki s ocl fcnjijeh gori Dub.
514. Allerdings werden solche Messungen dadurch erleichtert, dass
nach der von G. befolgten Orthographie das zweisilbige ije durch ein
einsilbig erscheinendes /c' wiedergegeben wurde, so dass in der Schrift
ein najprje oglasi. bezw. ein tvojeh vorlajg, wo also dem Anscheine
nach eine gewöhnliche Synäresis nur zweier Vokale stattfand.
Es steht somit fest, dass G. langes e regelmässig als eine Silbe
misst, und dasselbe nur im vokalischen Auslaute, sowie in den Casus-
endungen -Jw, -eil zum Theil auch als zwei Silben gelten lässt. Warum
hat er das gethan? Eine Beeinflussung von Seite der italienischen
Metrik ist absolut ausgeschlossen, da in dieser der unserem jeknvisch
ausgesprochenen e am nächsten stehende Diphthong ie in langen und
kurzen Silben, und zwar sowohl im Auslaute als auch im Inlaute, bald
einsilbig, bald zweisilbig gemessen wird. Uebrigens lässt der Umstand,
dass bei G. langes e nicht nur im Auslaute, sondern auch in den speciell
slavischen Casusendungen zum Theil zweisilbig ist, den vollkommen
sicheren Schluss zu, dass G. darin nicht einer fremdsprachigen metri-
schen Regel, sondern seiner eigenen lebendigen Aussprache gefolgt ist,
Archiv für slavische PhUologie. XXV. 17
I
258 M. Resetar,
und dass er in der metrischen Behandlung von kurzem und langem ^
desswegen einen Unterschied gemacht hat, weil er in der Aussprache
die beiden Kategorien von Fällen voneinander unterschieden hat.
Worin mag nun dieser Unterschied bestanden haben? Dass er etwa
in /jre, ume, meh u. s. w. das e nur einfach lang (im Gegensatze zu
kurzem mjera, vj'etar u. s. w.) ausgesprochen habe, kann desswegen
nicht angenommen werden, weil kein Zweifel darüber möglich ist, dass
in den jekavischen serbokroatischen Dialekten, speciell auch im ragu-
sanischen, lange vor G.'s Zeit das e auch in Fällen wie vek^ lep u. s. w.
lang ausgesprochen wurde (was sich speciell für den ragusanischen
Dialekt auch durch die in Ragusa seit dem Anfange des XVI. Jahrli.
übliche Orthographie direkt beweisen lässt). Wenn also G. das lange e
von /Jre, umv^ oneh u. s.w. als zwei Silben nimmt, so thnt er dies ohne
Zweifel einzig und allein aus dem Grunde, weil er hier thatsächlich das:
lange e als zweisilbiges ije ausgesprochen hat, wie eben heutzutage das
lauge e in der Schriftsprache regelmässig ausgesprochen wird. Die
Frage muss also lauten, wie folgt : warum kommt bei G. die zweisilbige
Aussprache des langen e nur im offenen Auslaute, sowie in den Casus-
endungen zur Geltung? Darauf kann verständigerweise nur die eine
Antwort gegeben werden: weil G. nur in diesen beiden Kategorien von
Fällen langes e zweisilbig ausgesprochen hat, während er sonst langes
e in der Regel als eine Silbe ausgesprochen, hat. Ich habe schon in
einem kleinen Aufsatze im Archiv XIII, dann in meiner Studie über die
Sprache der serbokroatischen Lektionarien aus dem XV. Jahrh. (er-
schienen im Agramer Rad., Band 134 u. 136) den Beweis zu liefern
versucht, dass in den jekavischen Dialekten des Serbokroatischen langes
e ursprünglich als (einsilbiges) %e lautete, wie es auch heutzutage zum
grossen Theil noch immer in gewissen Kategorien von Fällen ausge-
sprochen wird, und dass die zweisilbige Aussprache ihren Anfang im
Auslaute genommen und dann die Casusendungen ergriffen hat. Die
genaue Untersuchung der Metrik G.'s bestätigt dies vollständig, denn
(wenn man von den drei oben erwähnten unsicheren Beispielen absieht)
hat auch G. thatsächlich ein zweisilbiges langes e nur im (offenen)
Auslaute und in den Casusendungen. Auf dieselbe Weise ge-
brauchen das lange e auch alle Dichter vor G,, nur sind bei ihnen die
Beispiele, wo langes e im Auslaute, sowie in den Casusendungen zwei-
silbig gemessen wird, bei weitem nicht so zahlreich wie bei G. Dafür
aber finden wir bei den älteren Dichtern einige sichere Beispiele, wo
Die Metrik Gunduliö's. 259
langes e auch in Wurzelsilben als zwei Silben gilt ; Budmani (in Stari
pisci XXI, XLiii) hat einige Beispiele aus Rauina angefühlt : hrijestje^
vljeJi^ rlj'e/i, svtjet^ Vtjese ; ich kann noch erwähnen : ctjepa se u sto
vila M. Drzic, Tirana 1406; necidom u tmasti kako slijep klljeli Zla-
taric S. 209, Lxxvi, 10, meu cmjetjem i meu travom Aminta 585;
sicher sind aber nur die Beispiele bei Ranina, weil sie aus einer vom Autor
selbst besorgten gedruckten Ausgabe stammen, während bei Zlataric
vielleicht zu lesen ist: . .ja idijeh, bezw. tnedti (oder ineju) cmjetjem.
Doch die Beispiele aus Ranina beweisen, dass schon vor G. langes c aus-
nahmsweise auch bei Wurzelsilben zweisilbig gemessen und wohl auch
ausgesprochen wurde; ich bin um so eher bereit dies zuzugeben, als die
Beispiele bei Ranina lauter solche sind, wo das e fallend accentuirt ist
(vgl. auch ctjepa sc bei M. Drzic, cvtjetjem bei Zlataric, bezw. auch
Vljer^ svijefj Vljepu bei Gundulic), und ich behaupte eben, dass die Spal-
tung des langen e im ragusanischen Dialekt in dieser Kategorie von
Fällen ihren Anfang genommen hat. Diese vereinzelten Fälle sind eher
eine Bestätigung des oben ausgesprochenen Satzes, dass nämlich G.
langes e ausserhalb des Auslautes und der Casusendungen desswegen
einsilbig gemessen hat, weil er es in der Regel so auch ausge-
sprochen hat.
Wie sehr die wirkliche Aussprache für G. massgebend war, ersieht
man am besten daraus, dass er, trotzdem bei ihm so häufig (239 Mal)
langes auslautendes e als zwei Silben gilt, nie auslautendes kurzes e so
misst; man hat also bei ihm nur ohje und ausschliesslich einsilbiges
je in den nicht seltenen Fällen des 2. und 3. sing. aor. mit kurzem e,
z. B. hfje Ar. 627. Su. 3, IL 269. 285. l^ub. 52. 68. Osm. 13, 151.
17, 479 u. s. w.; vidje Ar. 853. Su. 1, 404. 2, 15. Osm. 20, 33. 197;
prispje Ar. 1191. Dub. 518; kopnje Su. 2, 101; trepfje Su. 3, 92;
pozudje Kai. 186, uzrasfje Ferd. 232, umje Osm. 10, 437, mrzje Osm.
17, 114 u. s. w. u. s. w. ; ebeusowenig hat G. dasjenige (kurze) auslau-
tende je zweisilbig gemessen, welches zwar keinem e entspricht, aber
von G. selbstverständlich von einem /e aus e absolut nicht hätte unter-
schieden werden können; ich meine die sehr zahlreichen Fälle des
nom. acc. sing, von Substantiven auf -je wie Ihtje., gvozdje, znanje.,
mucanje^ zvjerenje u. s. w. u. s. w., wo ebenfalls das auslautende -je
nie als zwei Silben gilt, weil das -je eben kurz ist. Es ist somit voll-
kommen sicher, dass G. in den Fällen wie pre, tiajposle, dve, sme, ume
u. s. w. das auslautende e nicht — etwa einer künstlichen metrisch-
17*
260 M. Resetar,
orthographischen Kegel folgend — desswegen häufig zweisilbig misst,
weil es im Auslaute steht, sondern weil es lang ist.
Einen weiteren Beweis für die oben gegebene Erklärung der me-
trischen Behandlung des laugen e von Seite G.'s finden wir in dessen
Vorgehen gegenüber der Lautgruppe ij + t'oc. Diese Verbindung,
speciell auch primäres (nicht aus e entstandenes) //e, gilt nämlich bei
G. sehr häufig als zwei Silben. Die Fälle, wo dies im Auslaute ge-
schieht, z. B. zmija Ar. 9, nesrecnija Proz. 361, dobije Dub. 432, ohü-
nije Pok. 4, 94, hukliji Dub. 832, sf/udeniji Su. 3, 86, o'ciju Ar. IG40,
umiju Osm. 7, 136 u. s. w. u. s. w. (ich habe mir 165 Beispiele notirt,
wo eine solche Verbindung als zwei Silben gilt gegenüber 59 Fällen, wo
die Verbindung einsilbig gemessen wird), brauchen nicht einmal ange-
führt zu werden, da aus dem bisher Gesagten zur Genüge ersichtlich ist,
dass G. langes e im Auslaute zweisilbig ausgesprochen und desswegen
auch zum grossen Theil zweisilbig gemessen hat. Umsomehr will ich
aber die Beispiele anfuhren, welche beweisen, dass G. auch im In-
laute, wo ihm nach seiner Aussprache wirklich die Verbindung ij-\- voc.
vorlag, sich gar nicht scheute, dieselbe auch zweisilbig zu messen:
jjyrijatel Su. l, 348. Osm. 12, 543, prijatela Osm. 11, 395. 16, 411,
prijateU Ar. 321. 842. 1384. 1729(2). Pok. 3, 45. Su. 1, 123. Osm.
8, 100, prijatele Su. 1, 331. 2, 47, prijatehka Ar. 903, prijatelshih
Osm. 8, 138, 'prijatehivo Osm. 11, 627, neprijatel'^Qk. 7, 13. Osm.
12, 308. 13, 27. 18, 35. ^^2, prijazan Dub. 406. 711. Osm. 11, 819.
prijazni Su. 2, 154. Osm. 11, 812; hrodijahe Ar. 1597, vapijase Dub.
1398. Osm. 16, 149. 380, slijedijase Osm. 20, 364. rasiijahu 8u. 1,
392, napijahu Osm. 10, 12; smijat Dub. 1163, smijalm se Kai. 80;
razhijat Di. 72, razhijati Osm. 18, 603, prijat Di. 94; Matijasa Osm.
8, 339; krijete Ar. 504, vijemo Proz. 182, krij'esDwh. 206. Osm. 6,
92. 18, 579, ^>//e6- Dub. 825, dohijem Dub. 1042, 'djes Osm. 6, 100;
srecnijeg Osm. 9, 456, mudrijega Osm. 16, 349; vapijuci Ar. 1159.
Pok. 2, 15. Osm. 16. 309. 18, 519. 20, 33U, krijuclDuh. 394, krijuc
Dub. 1131. Osm. 8, 767, prohljuci Su. 2, 134. Osm. 12, 11. pijuc
Osm. 1, 211. Der Umstand, dass G. in 61 Fällen die Verbindung
ij + voc. im Inlaute als zwei Silben gezählt hat, gewinnt noch mehr an
Bedeutung, wenn man die relative Zahl dieser Beispiele berücksichtigt;
wenn man nämlich von den hierher gehörenden mehr als viersilbigen
Formen (bei G. nur einige Male casus obliqui von neprijatel, ferner
vapijahoie Osm. 1, 181) absieht, in welchen die Verbindung iJ -\- voc.
\
Die Metrik Gundulic's. 261
de3 Metrums wegen als dine Silbe gelten muss (da fünfsilbige Wörter
weder im zwölf- noch im aclitsilbigen Vera untergebracht werden kön-
nen), so ergibt sich, dassG. genau in der Hälfte der Fälle die Verbindung
ij -\- coc. im Inlaute als zwei Silben gemessen hat, denn dieselbe kommt
bei ihm circa 120 Mal vor; das Verhältniss ist aber noch günstiger für
die Zweisilbigkeit dieser Verbindung, sobald man das Wort nljedan
trennt, welches in verschiedenen Formen bei G. 36 Mal vorkommt und
immer (ebenso wie die zweimal vorhandene Form ijedna Ar. 383. 657)
das //(' einsilbig hat; mit Ausnahme somit von mjedaxs. (und ijedan) hat
G. in der grossen Mehrzahl der Fälle, wo er die Verbindung ij -\-voc.
im lulaute hat, letztere als zwei Silben gemessen. Diese Thatsache
ist entscheidend für die Beantwortung der Frage, warum G. langes e im
Inlaute (mit Ausnahme der Casusendungen) einsilbig gemessen hat :
hätte er nämlich das lauge e auch im Inlaute in der Regel zweisilbig
ausgesprochen, so hätte er dasselbe ebenfalls, wenn nicht gerade in der
Mehrzahl der Fälle, so doch unter den Hunderten von Beispielen wenig-
stens einige Male als zwei Silben gemessen; wenn er aber deunoch dies
nie, oder höchstens 3 Mal gethan hat, so ist kaum ein Zweifel darüber
möglich, dass dies einzig und allein desswegen geschah, weil er eben
langes e im Inlaute in der Regel noch als eine Silbe ausgesprochen hat,
somit ein zweisilbiges prlje (= pre) oder pijem von einem einsilbigen
/{?/?, nu'm deutlich unterschieden hat. Man kann somit ohneweiters die
Behauptung aufstellen, dass G. langes e nur im (oflenen) Auslaute und
in den Casuseudungen als zwei Silben gemessen hat, weil er nur in
diesen Fällen langes e zweisilbig ausgesprochen hat. Warum er aber
nur in diesen beiden Kategorien von Fällen langes e so aussprach, ist
nicht mehr eine Frage der Metrik, sondern der historischen Lautlehre,
mit welcher wir uns hier nicht befassen wollen.
i Reim.
In Bezug auf den Reim hat G. keine wesentliche Neuerung ein-
geführt; auch bei ihm beruht derselbe auf einer blinden Nachahmung
der italienischen Metrik, welche das Wesen des Reimes nicht trifft. Das
Wesen des Reimes besteht ja darin, dass die miteinander reimenden
Worte vom den Accent tragenden Vokal bis zum Schlüsse gleich lauten
und auch in Bezug auf die Quantität der Silben übereinstimmen. Dieser
wesentlichen Voraussetzung einer jeden Reimverbindung konnten die
ältesten serbokroatischen, speciell die ältesten ragnsanischen Dicliter
262 M. Resetar,
bei der grossen Beweglichkeit des (stokavischen) Accentes und der ver-
schiedenartigen Quantität auch der nicht accentuirten Silben nicht leicht
gerecht werden, und so machten sie sich die Sache leicht, indem sie —
ohne auf Accent oder Quantität Rücksicht zu nehmen — in blinder Nach-
ahmung der italienischen Metrik, welche in der Regel weibliche Reime
und seltener männliche hat, ganz einfach den Reim als hergestellt be-
trachteten, wenn sie zwei (in der Regel vokalisch, seltener konsonantisch
auslautende) Worte gegenüberstellten, welche vom vorletzten Vokal an-
gefangen gleich lauteten; so reimt in der ersten Strophe des Osman
(ich bezeichne mit ' den Accent) zahväUla mit krila^ öJioläsd mit pusü.
Es ist allerdings wahr, dass im Serbokroatischen, wo die Verse — inso-
fern sie einheimischen Ursprungs sind — ohne Rücksicht auf Accent
und Quantität gebaut werden, dieser Mangel des eigentlichen Wesens
des Reimes fast gar nicht gefühlt wird, so dass unseren ältesten Dichtern
kaum ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass sie sich nicht un-
nöthigerweise allzu enge Fesseln in Bezug auf den Reim anlegen woll-
ten: einem ohne Rücksicht auf Accent und Quantität gebauten Vers
entspricht ganz gut ein nach demselben Princip zusammengestellter
Reim !
Der Reim ist bei G., mit der soeben angegebenen Einschränkung,
in der Regel vollkommen rein ; es reimen also in der Regel nur solche
Worte zusammen, die wirklich einen — wenigstens in Bezug auf die
Laute — ganz gleichen Ausgang haben. Eine Ausnahme macht G. nur
in Bezug auf einige sich sehr nahe stehende Laute, die nach der da-
maligen Orthographie gleich geschrieben wurden; dies geschieht vor-
zugsweise bei s-z^ dann 6-i, welche gleichmässig durch «, bezw. sc-srj.
wiedergegeben wurden, z.B. da kralice nasej'esi -\- slavna mati, amo
uljezi (»uljesi«) Proz. 1193/94, 7ia rijeci me ona drzi (»darscj«) -j-
ohecava., a ne vrsi (»varscj«) Su. 1, 251/52; auf dieselbe Weise ent-
spricht im Reime ein s einem z in folgenden Fällen: Ar. 6. 202. 218.
439. 481. 503. 860. 1011. 1243, 1339. 1418. 1438. 1488. 1651. Proz.
158. 170. 206. 243. 442. 479. 495. 512. 519. 796. 1053. 1144. 1150.
1193. 1273. 1380. 1460. 1594. 1615. 1665. Dub. 50. 149. 747. 869.
1353. 1656. 1681. Vel. 33. Su. 1, 17. 197. 199. 230. 419. l^ub. 49.
102. 149. 214. 286. Kai. 210. 233. 234. 257. 262. 294. 297. 333.
Ferd. 182. Osm. 7, 42. 11, 350. 401. 12, 341. 13, 309. 17, 62. 18,
418. 19, 530, bezw. es entspricht einem s ein z in Ar. 551. 619. 998.
1242. Proz. 133. 142. 504. 655. 872. 1088. 1240. 1352. 1533. 1583.
Die Metrik Gundulid's. 263
Arm. 22. Pok. 5, 13. Vel. 10. Su. 1, 251. 2, 181. 199. Osm. 3, 181.
1, Ü2. 16, 134. Ich habe alle die hierher gehörenden Fälle angeführt,
weil aus deren Vertheihing auf die einzelnen Werke des G. ein ziemlicli
sicherer Schluss gezogen werden kann: unter den grösseren Werken
G.'s hat das letzte, nämlich der Osma/i , mit seinen mehr als 10.000
Versen viel weniger Fälle eines solchen unreinen Keimes als die An-
jadna und besonders die Prozerpitia, welche bekanntlich zu den äl-
testen Werken G.'s zählen ; man kann also wohl sagen, dass G. in der
späteren Zeit seiner dichterischen Thätigkeit seine Reimbildung inso-
ferne rervollkommnete, als er später den Gebrauch unreiner Reime, wo
die Laute s-s mit den Lauten z-z reimen, bedeutend einschränkte.
In der gleichen schriftlichen Wiedergabe hat ihren Grund eine
zweite Kategorie von Fällen, wo G. ähnliche, aber doch verschie-
dene Laute miteinander reimen lässt, ich meine die Fälle, wo ein
Palatallaut mit einem einfachen /, oder aber zwei Palatallaute, von
welchen dem einen ein^ folgt, der andere aber alleinsteht, im Reime
sich entsprechen, z. B. Saturnov sin sam ja ... Ar u zemli moguca
(»moguchja«^ Proz. 399, bezw. umjedo mi su od rudeza (»rudescja«)
...-{- od hrahrensUa ohijezja («obigljescja«) Dub. 386 ; für den ersten
Fall vergleiche noch Ar. 285. 681. Proz. 399. 1135. 1150. 1476. Dub.
705. 1045, und für den zweiten Dub. 386. 1271 (gedruckt y>7ialiceii
Ü2Lii iialuje\). Ferd.42. 110. Osm. 4, 129. 11,421.481.809. 16,230
(»boXi« statt bozJi\). 18, 177. 20, 378 (»öoiV« statt bozji\). Durch die
mangelhafte Wiedergabe der Laute, bezw. Lautgruppen i-j-ji-iji nach
der alten Orthographie erklären sich ferner folgende Reime : moji +
svoj Ar. 659, dohUJih (gedruckt ndob/tihul) -j- cestitih (vielleicht zu
lesen rtcestitiJiJH^) Ar. 1806, svahiji -\- placi Proz. 1152, vijedniji -{-
dtii Proz. 1640, rascipi -\- pij Dub. 417, prelijepi -\- pij Dub. 853,
dicji gedruckt ndivi«]) + zici Osm. 19, 853, tlaci -\- svaciji Osm. 20,
266 ; hier hat nämlich G. wohl überall den Wortauslaut gleich geschrie-
ben, also moj -f- ivoj\ svacij -\- tlacij u.s.w. — Der gleichen Schreib-
weise verdanken wir endlich folgende Reime: crna (gedruckt y)car7iav.\)
-4- Varna Osm. 3, 226, crni -|- hlagodarni Osm. 10, 546, usrnu (ge-
druckt r>usarnuvi^) + Varnu Osm. 20,209; G. hat nämlich vokalisches
r durch ar wiedergegeben, hat aber nicht verlangt, dass man so auch
ausspreche! Wenn man nun von diesen Fällen absieht, wo der in der
That unreine Reim durch die Gleichartigkeit der Schreibweise er-
klärt werden kann, lassen sich nur noch ein Paar Beispiele anführen,
264 M. Resetar,
wo bei G. zwei verschiedeue und verschieden geschriebene Laute im
Reime sich entsprechen, nämlich sunca + glumcu Dub. 409, vijencom
-\- Nijemcom Osm. 10,498; G. hat jedoch hier vielleicht gluncom
(wie thatsächlich in einer guten Handschrift zu lesen i&i) - Nijeticom
geschrieben, da schon vor seiner Zeit (vgl. Rad 136, 108) silbenschliessen-
des m im ragusanischen Dialekt als n lauten konnte.
Die sonstigen unreinen Reime, die bei G. vorkommen, sind nicht
auf seine, sondern eher auf Rechnung der Abschreiber zu setzen. So
zunächst die nicht seltenen Fälle, wo ein ije-j'e (als Vertreter eines e
einem i entspricht, z. B. ime -\- vrijeme Osm. 11, 725; da in den zu
Lebzeiten G.'s herausgegebenen Werken {Är.^ Pok.^ Fe/., Su.) kein
einziges Beispiel vorkommt, wo der Reim auf diese Weise gestört
wäre, so ist kein Zweifel darüber möglich, dass überall dort, wo in den
nach G.'s Tode handschriftlich erhaltenen Werken die Laute e und / im
Reime sich entsprechen, dies einzig and allein dadurch entstanden ist,
dass die Abschreiber die von G. geschriebene (ihnen aber nicht geläufige
ikavische Form durch die gewöhnliche jekavische ersetzten. Ebenso
sicher scheint es mir, dass dort, wo bei G. den einfachen Lauten l-ü die
Gruppen Ij-nJ im Reime entsprechen, er in der Regel einen reinen Reim
hatte, indem er — da es sich zumeist um sächliche Substantive auf -je
handelte (bei welchen beide Aussprachen bei G. möglich sind!), — an
beiden Stellen gleichmässig 1-n oder Ij'-nj schrieb ; auf diese Weise wäre
z. B. auszugleichen der Reim ufanje-stane Dub. 121, ähnlich Dub.
119. 1003. 1525. Vel. 121. Osm. 2, 118. 506. 4, 306. 7, 290;
es gibt nämlich nur ein einziges Beispiel, wo bei G. n mit nj reimt:
posvecen je -\- pene Osm. 4,330. In folgenden vereinzelten Fällen
sind die Unebenheiten im Reime in den nicht zu Lebzeiten G.'s heraus-
gegebenen Werken ^) ebenfalls leicht zu beheben ; ich setze die richtige
Lesart in Klammern: kaze-^parze [praze) Proz. 3, poslase [posla se)
+ naponase 61, sli'sate + dajte [date] 227, primaljefjem + cvijecem
[cmjetje?7i) 2 4:1^ cvijecti [cvijefju] -\- pi-oljefjwiOd, bice [bifje) -{- usilit
ie 810, uzmnoznoj -\- to [toj) 1391, poslusaj [poslusa') -\- ja 1476,
prze [praze) -\- draze 1525, tvomu-\- ovemu [ovomu] Dub. 201, kucne
[kucne] 4- ne ßll, hitrosti [hitrostim] + gostim 763, pace [pece) +
^) Nur in Su. 3, 295 haben wir razlicijem + vrime, was in razlicime ( + vrime]
zu ändern ist, wie thatsächlich wenigstens in der mir vorliegenden Ausgabe
vom J. 1703 zu lesen ist; ebenso ist nidati Vel. 18 (im Reime mit ^e Jan!) ge-
wiss nur ein Druckfehler für nijedan {»niedan» oder »njedan«).
Die Metrik Gundulic's. 265
tece 847, pogledaj [pocjleda] + meda lül4, gospode igospojc +
svoje Kai. 26, primaljetju + cvijecu [cvijetju] Osm. 2,39, carskom -\-
ugrskom [ugarskom) 10, 528, svjcdok bi mu tomu bio -\-koga je silu
silom odbio [koga Je silom silu odbio) 11, 583, imena -\- stijena
[stijena> 20, SS8.
In Bezug auf den Umfang des Reimes befolgt G. strenge Re-
geln : melirsilbige Wörter reimen vom vorletzten Vokale an ; bei ein-
silbigen Wörtern dagegen, sowie bei den mit ihnen reimenden melir-
silbigen Wörtern umfasst der Reim bei konsonantischem Auslaut den
Schluss des Wortes vom (letzten) Vokal augefangen, und bei vokalischem
Auslaute den (letzten) Vokal und den diesem vorausgehenden Konso-
nanten, z. B. narati + lulavi^ prosim -\- nosim\ jad -f- sad^ moj +
nepokoJ\ rve + tce, iii + hivcni. Ausnahmen von diesen, schon bei
den ältesten ragusanischen Dichtern ziemlich feststehenden Regeln sind
äusserst selten : es finden sich nämlich ein paar Mal einsilbige vokalisch
auslautende Wörter, die nur mit ihrem letzten Vokal reimen : te -\- tve
Proz. 655, da -j- i?na^ 776, to + toliko 1544, sfa + isfoga Dub. 751 ;
sowie mehrsilbige vokalisch auslautende Wörter, welclie nur mit ihrem
letzten Vokal und dem vorausgehenden Konsonanten reimen : sada -j-
spocijeda Proz. 479, ?iasaf>te -\- laste Dub. 625, voj'ecö (hat G. vielleicht
voj'ovu geschrieben ?) -|- oüo Osm. 4, 94; etwas häufiger sind nur die
Fälle, wo mehrsilbige konsonantisch auslautende Wörter wie die ein-
silbigen Wörter derselben Art miteinander reimen, also vom letzten (und
nicht vorletzten) Vokal angefangen: odrijesit + u?7irit Ar. 557, icoj'oj
-\- pokoj Fvoz. 437, pravim -\- krajim Proz. 844, nepristav -\~ lubav
Dub. 663, vaskolik + uvik Dub. 929 (entspricht aber der Regel, sobald
man 2i vik trennt !), izide f -\- slijedjet Dub. 1293 (wo man auch izide f
— slidjet lesen könnte, so dass dann der Reim vollständig, hier in der
letzten Silbe unrein wäre).
In Bezug auf die mehr oder weniger häufige Anwendung der ein-
zelnen Arten von Reimen ist zu bemerkeu, dass zunächst in den acht-
silbigen Versen einsilbige Wörter im Reime nicht vorkommen, und zwar
aus dem Grunde, weil einsilbige Wörter nothwendigerweise betont sind,
während der achtsilbige Vers am Schlüsse eine betonte Silbe nicht ver-
trägt. Selbstverständlich können nicht als Ausnahmen hiervon die
Fälle gelten, wo am Versschlusse ein einsilbiges Wort hinter einer Pro-
klitik steht, denn dann werden die beiden Worte durch den gemeinsamen
Accent fest zusammengehalten und bilden in Bezug auf den Reim eine
266 M. Resetar,
Einheit, z, B. ureda -\- ne-dä Osm. G, 1 IG, sehi -\- ne-hl Osm. 7, 214,
zlato -\- nä-to Osm. 12, 3G9 u. s. w.; noch weniger sprechen dagegen
die sehr zahlreichen Fälle, wo am Versschlusse einsilbige Enklitiken
stehen /e, se, Z»/, ga u. s. w.), denn diese wnrden ihrer Tonlosigkeit
wegen gar nicht als selbständige Wörter gefühlt. Als wirkliclie Aus-
nahmen würden somit nur die Fälle verbleiben, wo am Schlüsse eines
achtsilbigen Verses ein selbständiges, betontes einsilbiges Wort steht;
solche Beispiele gibt es aber bei G. fast gar keine, denn im Vers da
razgovor poda i Uk Ar. 1260 ist wohl (der wirklichen Aussprache ent-
sprechend) zu lesen: «. . . ^i-Il/c«, so dass dann dieses Beispiel zu den-
jenigen gehören würde, wo zwei konsonantisch auslautende, mehrsilbige
Wörter nur vom letzten Vokal angefangen sich miteinander reimen ;
dann aber sind mir nur zwei Fälle bei G. bekannt, wo am Schlüsse eines
Achtsilbers ein betontes einsilbiges Wort steht : dobit -f- to Vit Osm.
17, 327; svil hl (3. sg. aor.) ■\- pograhi Osm. 19, 1034. — Was aber
die mehrsilbigen Wörter anbelangt, so werden in der grossen Mehrzahl
der Fälle zur Reimbildung vokalisch auslautende Wörter genommen,
während konsonantisch auslautende viel seltener vorkommen ; in den
zwölfsilbigen Versen (also in den Dramen) sind noch ziemlich häufig die
Fälle, wo (in den Zwölfsilbern !) ein männlicher Reim zwischen einem
mehrsilbigen und einem einsilbigen Worte gebildet wird, aber Reime,
wo an beiden Stellen mehrsilbige, konsonantisch auslautende Worte
stehen, sind sehr selten, so findet man z. B. unter den 1144 Reimver-
bindungen der fünf ersten Gesänge des Osman nur 37, welche konso-
nantisch auslauten. Besonders selten sind aber Reime dieser letzteren
Art in den Zwölfsilbern : in der Prozerpina^ Dij'ana und Armida
findet sich kein einziges Beispiel dafür, und in der Arijadna nur zwei :
pokojom + mojom 310, ucvilen -j- tisüen 949; erst in der Duhravka
finden sich mehrere Beispiele, vgl. Vers 125. 171. 207. 727. 755. 759.
761. 763 (wo des Reimes wegen hitrosti in hitrostim zu ändern ist).
771.837.841.935. 1007. 1 147 (wo 7>/■^o6raf^/ in />noZ»ra2«Y auszubessern
ist). 1277 (2). Man wäre somit fast geneigt anzunehmen, dass G. in der
späteren Zeit (und aus dieser stammt ja die Duhravka) diese Art von
Reimen in den Zwölfsilbern häufiger angewendet habe. In der That
aber steht dies damit im Zusammenhange, dass die Duhravka 3 — 4 Mal
so viel Zwölfsilber zählt, als die Arijadna^ bezw. Prozerpina. Da-
gegen steht wohl fest, dass G. in den aus achtsilbigen Versen be-
stehenden Partien derselben Dramen Reime dieser Art relativ ziemlich
Die Metrik Gunduliö's. 267
häufig anwendet, so z. B. in der Prozcrpina 25 Mal. Diesen Unter-
schied würde mau nun verstehen, wenn man sehen würde, dass G. in
den hierher gehörenden Fällen in den achtsilbigen Versen wenigstens
viersilbige Wörter verwendet (wie z. B. spomenvjem -}- cujem Proz.
s27), die also für den Zwölfsilber zu lang wären, in der That aber
liat er auch hier fast ausschliesslich zwei- oder dreisilbige Wörter, die
auch in Zwölfsilbern hätten ganz gut untergebracht werden können.
r.s ist daher diese Erscheinung wohl dadurch zu erklären, dass G. in
ilen Zwölfsilbern mehrsilbige konsonantisch auslautende Wörter leicht
dadurch unterbringen konnte, dass er sie mit einem eiusilbigen Wort
reimen Hess, während dies bei den Achtsilbern nicht möglich war, so
dass er dann in diesen letzteren mehrsilbige konsonantisch auslautende
Wörter nur paarweise verwenden konnte.
Der zwölfsilbige Ters.
Diesen Vers hat G. im Grossen und Ganzen ebenso behandelt wie
seine Vorgänger: er wird somit zunächst durch eine Hauptcäsur nach
der sechsten Silbe in zwei Reihen gleichen Umfanges getheilt, welche
wiederum durch je eine Nebencäsur nach der 3*®°, bezw. 9*®" Silbe in
je zwei dreisilbige Füsse zerfallen, z. B.
Sio zelis^ \ maj'ko ma^ || sto zudih^ \ bozice,
sve pita \ hez srama || u moje \ desnice',
und zwar werden durch die Hauptcäsur in der Regel Sätze oder sonst
in syntaktischer Beziehung zusammenhängende Satztheile getrennt, so
dass z. B. ein Attribut von dem Wort, auf das es sich bezieht, oder eine
Präposition von ihrem Nomen oder eine Konjunktion von ihrem Verbum
nicht getrennt wird. Dagegen wird bei den Nebencäsuren auf das syn-
taktische Verhältniss der einzelnen Worte keine Rücksicht genommen,
80 dass hier wie man schon aus dem zweiten hier angeführten Verse
sieht) solche Trennungen ohueweiters vorkommen.
Von dieser Eintheilung des Zwölfsilbers weicht G. sehr selten ab ;
es ist aber sogleich hervorzuheben, dass in der Arijadna^ dem einzigen
Drama, das noch von G. selbst herausgegeben wurde, kein Beispiel
einer solchen Abweichung vorkommt. Es ist daher möglich, und zum
Theil gewiss, dass manches der in den übrigen Dramen hierher ge-
hörenden Beispiele auf Rechnung einer mangelhaften Ueberlieferung zu
setzen ist. So rühren gewiss nicht von G. diejenigen Verse her, welclie
268 M. Resetar,
lim eine Silbe z\i kurz oder zu lang sind, somit zwei-, bezw. viersilbige
Füese enthalten: ich meine folgende Fälle: krivi ce se \ suditi\\po
voll jjo tvoj'oj Proz.437 (wahrscheinlich krivi ce «', vgl. Inder Agramer
Ausgabe /crive cei); izidimo \ na dvor svi \\ jjastij'ei-i \ opeta Proz.
647 (natürlich izid''mo wie in der Agramer Ausgabe); znas^
odi \Ja sam bog \\ kako Jove \ na nebi Proz. 1219 (wahrschein-
lich kao oder auch kak'' ] Agramer Ausgabe kd)\ Ja pustam. \ Eto
i ja\ 11 je li dje ko^ \ pomozi! Dub. 795 (gewiss je V dje ko)\ ili hi
se I nac liajo^ \ sto cemo \jesti i pit Dub. 840 (es ist zu lesen ili hi
[ohne se\ wie in der Agr. und Ragus. Ausg. steht, oder noch eher iV hi
se, wie Budmani im Akad. Wbch. s.v. hajatl liest); pastiru, | kazi tni
tim, ^Jedaju \ gdi vidi Dnh. 1303 (einfach kai^ mi (im, wie in der
Agr. Ausg.); ter straJia \ nije u nas || srcu, \ za sve da Proz. 1072
(das Richtige hat die Agr. Ausg. : ter straha \ nije u nas H ostalo \ za
sve da); da mi nt | cica te \pridrage \ me vil Proz. 1375 [moj'e vil,
wie in der Agr. Ausg.); ki je sud, \ da sve, \\ sto ima \ svij'etlo hit
Proz. 1386 (es ist zu lesen da s ove [d. s. durch Proserpina], in der
Ragus. Ausg. falsch gelesen da zove): vjera u hoj \ krepak stan || 7ia-
d:e I i stehe Dub. 141 (diese Eintheilung ist des Reimes wegen noth-
wendig ; vielleicht ist zu lesen i naäe i stehe); Ja poheh \ on cas, || ti
me opet \ izmijetii Dub. 436 (es ist zu lesen o}ii has, vgl. Osm. 12, 136);
nu neka \ huka, |1 smijatcu \ja se i zan Diib. 1103 (ganz einfach on
liuka, wie in der Ragus. und Agr. Ausg.). Wie man sieht, lässt sich
also auch in diesen wenigen Fällen die richtige (und ohne Zweifel ur-
sprüngliche) Silbenzahl leicht wiederherstellen. Dagegen ist es nicht
mehr so sicher, ob auch in denjenigen seltenen Fällen eine Korrektur
des Textes vorzunehmen ist, in welchen die Cäsur zwischen den einzel-
nen Füssen einer Reihe (zwischen den beiden Reihen kann sie schon
des Reimes wegen nicht fehlen !) nicht eingehalten wird. Allerdings
muss man den umstand berücksichtigen, dass in der vom Dichter selbst
herausgegebenen Arijadna die Cäsur nie vernachlässigt wird; anderer-
seits aber haben die älteren Dichter (z. B. Zlatavic in den Dramen) nicht
selten die Cäsur nicht eingehalten, und auch G. selbst hat ein Paar
sichere Beispiele hierfür: kako naj\ljepsemu || najljepsu \ od vila
Dub. 788, kako naj\vecemu\ lupezu | vjesala 788, a Ja vas\zivot
moj II hranim naj\miliji 831 ; hier konnte sich aber G. nicht anders
helfen, da er viersilbige Formen anwenden wollte ; übrigens handelt es
sich an allen drei Stellen um die Trennung des Superlativsuffixes naj.
Die Metrik Gundulic's. 2ö9
das in der That mit dem Adjektiv nur locker zusammenhängt. In den
folgenden Fällen dagegen hat vielleicht G. selbst die Cäsur vernach-
lässigt, obschon sie mehrmals durch eine einfache Wortumstellung her-
gestellt werden kann: iz svoje ku\ce da uzet || smije drag \porod tvoj
Proz. <;(i8 (die Handschrift Pavic's und die Ragus. Ausg. haben das,
allerdings noth-wendige, da nicht, während die Agr. Ausg. die wohl
richtige Lesart bietet: iz tcoje \ kuce izet |j da smije drag \ porod
tvoJ]\ strähne stca\ri od nas || svaki hu \ i gleda Proz. 1073 (die
Agr. Ausg. hat hier strasne stDa\ri od danas |1 • . ■, was metrisch schon
richtig wäre, aber das danas gibt keinen Sinn); da je lje\i)sa soja ||
neg gohih \ pribljeli Dub. 100 (die Ragus. Ausg. hat das je nicht;
vielleicht ganz einfach da Ijepsa \ je soja |1 . . .) : uputi \ se^ uputi^ |]
stado mo\je prije Dub. 507 (die Ragus. Ausg. falsch 7ne für moje);
oprhlu I i modru || kozu u\stie blide Dub. 62 1 (zwei Handschriften und
die Ragus. Ausg. haben das wohl richtige . . . || kozu usne \ üih blide):
nu me strah^ \ da veca \\ neg je ig\da lila Dub. 699 (die Umstellung
. . II neg igda \ je hila würde genügen); sto u glas j najvisi || sad
vas nioju ovi Dub. 1653 (auch hier könnte man einfach umstellen:
... II sad molu \ vas ovi).
Sicher sind dagegen die, ebenfalls sehr seltenen Fälle, wo G. die
beiden Füsse einer und derselben Reihe durch Synäresis verbindet (eine
ähnliche Verbindung zweier Reihen ist natürlich des Reimes wegen
ausgeschlossen), um auf diese Weise eine Silbe weniger, bezw. einen
dreisilbigen Fnss zu bekommen, wobei dann die Cäsur eigentlich in die
Mitte eines Wortes fällt, z. B. ako vijen\ci od slave \\ cela im j ne rese
Ar. 305, sto s chnjenjem \ od hoda |1 ustavlalmo odluku Ar. 317; vgl.
noch Proz. 324. 1126. 1128. Dub. 120. 123. 221. 238. 429. 456. 622.
623. 624. 633. 662. 690. 79(;. 832. 844. 847. 850. 876. 926. 1012.
1298. 1348. 1352(2). 1510. 1559. Hierher kann man schliesslich auch
die Fälle rechnen, wo eine Enklitik durch eine solche Synäresis von
ihrem Hauptworte getrennt wird, obschon hier eigentlich nur zwei durch
öinen Accent zusammengehaltene Wörter getrennt werden, z. B. er mi-
los I rodjaka \\ ne moze-\se uvrijedit Ar. 712, vgl. noch Dub. 454. 507.
689. 739. 787 (2). 789. 839. 876. 1340. 1351. 1354; ähnlich ist, dass
im Vers vjeran driig \ hicu tvoj., Wjßda i ja u-^mom trudu Dub. 153
die Präposition von dem regierten Wort getrennt wird; dagegen ist mir
das Beispiel / veca j neka ti \\je sramo Ja I sfeta Dub. 433 verdächtig.
weil die Enklitik durch die Hauptcäsur getrennt ist : die Ragus. Ausg.
270 M. Resetar,
hat das je überhaupt nicht, es ist daher möglich, dass gelesen werden
soll: i veca \ neka ti \\ sramota | je i steta. Wenn man nun auch die
grössere Anzahl der in der Duhravka vorkommenden Zwölf silber be-
rücksichtigt, so ergibt es sich dennoch, dass G. in diesem Drama sich
in Bezug auf diese Synäresis eine grössere Freiheit erlaubt hat, als in
den älteren.
Für den Bau des zwölfsilbigen Verses sind also nur die Anzahl der
Silben, sowie die Cäsuren massgebend; Accent und Quantität spielen
dagegen keine Rolle; nur dies Eine kann beobachtet werden, dass
nämlich einsilbige Wörter, wenn sie am Schlüsse einer Reihe (also im
Reime) stehen, in der Regel lang (z. B. da koji hoc li ti || iimrli na
svijeti Ar. 43), seltener kurz (z. B. pastijeri tuj su svi || sa drugijem
gospod^am Proz. 413) sind; so haben wir in der Arijadna und Pro-
zerpina 54, bezw. 100 Längen gegenüber 18, bezw. 32 Kürzen. Ich
glaube aber, dass dieses Verhältniss nur dadurch bedingt wird, dass
gerade die am meisten sich eignenden Wörter (wie/a, tl^ toj^ "^ndj, tcoj^
svoj, vläst, cäsf, sv/jet, vil u. s. w. u. s. w.) lang sind.
Der achtsilbige Ters.
Auch diesen Vers hat G. von seinen Vorgängern unverändert über-
nommen; derselbe wird somit durch eine stehende Cäsur nach der
vierten Silbe in zwei gleiche Hälften getheilt, die übrigens — wie die
Nebencäsur beim Zwölfsilber — auf die syntaktische Verbindung der
einzelnen Worte keinen Eiufluss ausübt. Während aber beim Zwölf-
silber Accent und Betonung keine Rolle spielen, wird beim Achtsilber
auf den Accent insofern Rücksicht genommen, als die Schlusssilbe der
beiden Reihen in der Regel den Accent nicht haben darf. Da nun ha
Serbokroatischen (mit durchgeführter neuerer Betonung) nur einsilbige
Wörter endbetont sein können, so ergibt sich daraus, dass am Schlüsse
der beiden Reihen ein einsilbiges Wort nicht stehen darf, ausgenom-
men etwa eine Enklitik, die nothwendigerweise unbetont ist. Die
seltenen Fälle, wo G. von diesen Regeln abweicht, sind zum grossen
Theil als Fehler der Abschreiber zu bezeichnen, so zunächst wohl alle
Fälle, wo ein Vers um eine Silbe länger oder kürzer ist : / dati ce se \
tebi lubi Proz. 56 (selbstverständlich i dat ce se . . wie in der Ragus.
und Agr. Ausg.); pjesni nase \ slaike rastavla Proz. 212 (. . . | slat-
ko ustavla Ragus. Ausg., nase tistavla Agr. Ausg., ustavla ist unbedingt
richtig); odgovorite \ vijojza me Proz. 695 [odgovorHe | • ■ ., wie in
Die Metrik Gundiilic's. 271
der Ragus. und Agr. Ausg.); er ako Ijcpos^ \ ka se pazi Sn. B, 193
(in den alten Ausgaben steht e [wohl ein Druckfeliler für /!], welcher
von Pavic zu er »korrigirtu wurde!); (ßavu imaju \ deli-StJepana
Osm. 11, 217 auch hier hat Pavic unter den vier Varianten deli-del-
pan-Pac diejenige gewählt, welche einen neunsilbigen Achtsilber
gibt!); htjej\ molim te^ \ samo mi rijeti Osm. 12, 238 (die älteste
Handschrift hat . . . | samo irC rijeti^ und diese älteste und allein rich-
tige Lesart hat der Herausgeber im kritischen Kommentar stehen las-
sen !); crncu i vezijeru \ Dilaceru Osm. 19, 1025 (die Ragus. und Agr,
Ausg. haben — was Pavic gar nicht erwähnt — crncu i vezijer- [bezw.
vezir-] I Dilcweru, ebenso eine Handschrift aus der ersten Hälfte des
XVHI. Jahrb., die ich besitze); er mlados \ s prva uziva Pioz.283 (das
Richtige in der Ragus. und Agr. Ausg.: ere, hezw.jere mlados | . . .);
ne mnah vik \ da ce doci Proz. 1328 (die Ragus. Ausg. hat hier 7ie
mnog [!] vik | . . ., die Agr. ne tnhah vij'eke | . . .; G. hatte ohne
Zweifel geschrieben ne mhali viku | . . .); velec^ da ti \ pohio Osm.
16, 111 [pohio ist wohl nur ein Druckfehler für poguhio^ wie in der
Ragus. und Agr. Ausg., sowie in der soeben erwähnten Handschrift
steht); glasi : evo \ zgar s neha Osm. 19, 179 (wenn auch hier kein
einfacher Druckfehler vorliegt, so hätte der Herausgeber mit ziemlicher
Sicherheit das Richtige getroffen, wenn er wegen des Reimes mit uresa
das neha in nehesa geändert hätte !). — Wie die bisher erwähnten
rällc, so lassen sich leicht auch die ganz vereinzelten Beispiele aus-
merzen, wo in der akademischen Ausgabe die Cäsur nach der vierten
Silbe nicht eingehalten wird: neka u mojoj radosti Ar. 1798 (wie
es in der gedruckten Ausgabe stand, wissen wir nicht, denn dem ein-
zigen erhaltenen Exemplar fehlt der Schluss, aber die sonstigen Hand-
schriften und neueren Ausgaben haben das richtige 7ieka u mojoj \ u
radosti\)\ ka ovo sad svJe\tIos vidi se Proz. 229 (wohl umzustellen ka
ovo svj'eflos I sad vidi se, wie in der Ragus. und Agr. Ausg.); ah ne-
moj] sudce od tmine Proz. 1378 (die Ragus. und Agr. Ausg. haben ah
nepravi | sudce od tmine ^ was sowohl dem Metrum, als auch dem
Sinne besser entspricht!); nauci nie, kako tvoriti Pok. 7, .">3 (wahr-
scheinlich durch einen Druckfehler für nauci me, \ kao tvoriti, wie die
Ragus. und die Agr. Ausg. haben, sowie eine in meinem Besitze befind-
liche Handschrift aus dem J. 1755/50) i).
ij Die Handschrift tragt auf dem ersten nuiuerirten Blatte folgende
272 M. Resetar,
Viel häufiger als beim Zwölfsilber hat sich G. erlaubt, die beiden
Hälften des Achtsilbers durch Synäresis zu verbinden, z. B. slavne do-
bi\tri hrahrene Ar. 264; vgl. auch Ar. 1001. 1018. 1027. 1295. 148(i.
IGSG. Dub. 21. 78. 229. 557. 604. 967. 1048. 1196. 1381. 14M.
1417. 1430. Pok. 2, 73. 4, 64. 74. 77. 91. 94. 5, 65. Su. 1, 317. 372.
2, 138. 158. 205. 309. 330. 3, 21. 42. 276. l^xxh. 142. 151. 266. Osni.
1, 255. 2, 169. 250. 279. 290. 340. 3, 87. 149. 212. 4, 39. 43. 13(1
281. 292. 293. 363 u. s. w. u. s. w. (noch 101 Beispiele im OsmanV).
Aufschrift: »Raslika pievagnia i'asparsciana po Dubrovniku skladana po
Givu Frana Gundulichja, vlastelinu dubrovackomu, koj sloviasce oko lltt;i
Gospodinova 1620 [später koirigirt zu »1622«], a skupiena; pripisana, i slo-
scgena ii ovo libro po Mihu Gjona Eastichja. Litta Gospodinova 1744 Dio
drughi". Es ist dies der zweite Theil einer Sammlung der Gedichte G.'s, der
die Arijadna und die lyrischen Gedichte enthält, während der erste Theil
wahrscheinlich den Osman und, eventuell ein dritter Theil, die übrigen Dra-
men enthielt. Die Handschrift, aus 4 nicht numerirten und 116 numerirten
Blättern in kl.40 bestehend, jgt sehr sauber geschrieben, wahrscheinlich durch
längere Zeit, denn auf Blatt 47, wo das Gedicht auf Ferdinand II. von To-
scana (nach Schluss der Arijadna) anfängt, findet sich die Anmerkung: »Pri-
pisanona 15 Prosijnza Litta Gospodinova 1756«, man sieht aber deutlich, dass
ursprünglich »1736 u Rimu« geschrieben war: die Ziffer 3 ist nämlich durch
5 überschrieben und die Worte »u Rimu« wegradirt. Der Abschreiber hat
sich viel Mühe gegeben, einen möglichst korrekten Text zu haben, denn er
sagt auf dem ersten nicht numerirten Blatt : »Ariadna... dobro emendana
is libarza sctampana, ma ne svud: ondi diesu ovi segni f, nie emendana,
nitie emendan at peti«; später fügte er hinzu: »Piesni Pocorne emendane is
libarza sctampana, takoghier i Piesan od Velicianstva Bosgiegha — Süsse
Sina Rasmetnogha emendane iz libarza stampana«; er hat somit seinen Text,
insofern es möglich war, mit den gedruckten Ausgaben vergliclien; speciell
aus dem Vergleiclie der Lücken in dieser Handschrift mit denjenigen in der
akademischen Ausgabe ergibt es sich mit vollkommener Sicherheit, dass
Rastic im J. 1755 dasselbe unvollständige Exemplar der Arijadna benützte,
welches in der Franziskaner-Bibliothek zu Ragusa aufbewahrt wird und lei-
der das einzige erhaltene ist. Unter der soeben erwähnten Anmerkung steht
etwas tiefer, aber noch von Rastic's Hand geschrieben, die Jahreszahl »1624«,
welche ich mir nicht recht zu erklären vermag, denn dieselbe entspricht
weder dem Jahre der Entstehung, noch der Drucklegung eines der oben be-
zeichneten Gedichte. Dieser Miho Gono Rastiüa (Michael des Junius Resti)
ist schon bekannt als fieissiger und korrekter Abschreiber ragusanischer Ge-
dichte; auch die Ausgabe der PJesni rnzlike des D. Zlataric beruht auf einer
Abschrift von ilim (vgl. Siari pisciXX.\ S. xxxvi — xxxvii). Ich besitze aber
von ihm noch eine sehr schöne Handschrift der Gedichte des Jaketa Palmotiö
Gonovic, welche er im Jahre 1749 abschrieb.
I
Die Metrik Gunduliö's. 273
Wie beim Zwölfsilber, so wird auch beim achtsilbigen Vers manchmal
durch die Cäsur nur eine Enklitik oder Proklitik von ihrem Hauptwort ge-
trennt, z. B. u kralevstvu\si od Polaka Osm. 3, 1 12 ; vgl. noch Ar. 1459.
Proz. IGO. 457. 851. Dub. 386. Pok. 7, 12. Vel. 34. Su. 1, 12. 272.
2,232. 234. Osm. 7,299. 10, 17. 11, 141. 19, 695. — Ziemlich häufig
sind bei G. auch die Ausnahmen von der Regel, dass am Ende der Reihe,
eine betonte Silbe (also ein betontes einsilbiges Wort) nicht stehen darf.
Allerdings beziehen sich diese Ausnahmen fast nie auf die zweite Reihe,
also auf den Schluss des Achtsilbers, für welchen ich nur die beiilen auf
S. 265 schon erwähnten Beispiele habe: da nvakako \ ima to Vit Osm.
17, 327 und vrJijch citez \ pomnu sva bi Osm. 19, 1334; hingegen
für den betonten Schluss der ersten Reihe — z. B. dokli vas suj \ soijet
Obvojini Osm. 1, 304 — habe ich im Ganze^ an 140 Beispiele gefunden,
vgl. Ar. 313. 1190. 1286. Proz. 28. 73. 278. Dub. 310. 341. 565.
Arm. 73. Pok. 2, 37. 3, 57. 5, 13. Vel. 27. 93. Su. 1, 107. 202. 270.
Kai. 50. 213. Ferd. 65. 94. Osm. 1, 20. 2, 132. 187. 313. 449 u. s.w.
Dass G. auf diese Weise nur in der Mitte des Verses eine betonte Silbe
hat, ist leicht erklärlich, denn die Verbindung zwischen den beiden
Hälften eines und desselben Verses ist jedenfalls sowohl in metrischer
als auch in syntaktischer Beziehung eine viel innigere, als zwischen zwei
aufeinander folgenden Versen, eine accentuirte Silbe stört somit viel
weniger am Schlüsse der ersten Reihe, als am Schlüsse des ganzen
Verses. Nichtsdestoweniger war G. bestrebt, wo es nur ging, einen be-
tonten Schluss der ersten Reihe zu vermeiden, zu welchem Zwecke er
dann nicht selten eine weniger gewöhnliche Wortfolge wählte, um da-
durch ein einsilbiges Wort nicht als vierte Silbe zu haben, z. B. cim tva
puni I slava mnoga Osm. 1, 59, wo die gewönliche Wortfolge wäre:
cim puni tva | slava 7nnoga.
Da aber G. den achtsilbigen Vers zum fast ausschliesslichen Metrum
in der serbokroatischen Poesie seiner und der späteren Zeit machte, so
ist es angezeigt zu untersuchen, ob er im Baue desselben etwas Neues
eingeführt habe. Dabei können aber nur die Betontheit der letzten
Silbe der beiden Reihen, sowie die Cäsur in Betracht kommen. Was die
letztere anbelangt, so muss gesagt werden, dass die besseren unter den
älteren ragusanischen Dichtern, welche also in dieser Beziehung dem
G. als Vorbild dienen konnten (ich meine Vetranic, Öubranovic, M. DrXi(5,
Najeskovic, Rauina und Zlataric; MenSetic und G. Dr?,ic kommen mit
ihren vereinzelten Achtsilbern nicht in Betracht), ebenfalls als Regel die
Archiv für slavische Philologie. }ülV. 18
274 M. Resetar,
Cäsur nach der vierten Silbe haben; Beispiele, wo dieselbe nicht ein-
gehalten wird, sind äusserst selten: da ju zivo\tom razdruzi M. Drzic,
Tirena 1448; vgl. noch Tirena 1484; Vetranic, Hekuba 2230; Nalesk,
S. 155, V. 59. S. 339, V. 4; Zlataric, Elektra 567. Sehr selten sind
auch die Fälle, wo durch die Cäsur eine Enklitik, oder Proklitik von
dem Wort, an welches sie sich anlehnt, getrennt wird : i slobodi-\vas
od rohstva Vetranic B. I, S. 350, V. 738, vgl. noch Hekuba 1557 ; M.
Drzic, Posvet.Abram.664; Nalesk. S. 116, V. 5. S. 151, V. 13. S. 162,
V. 34. S. 164, V, 39. S. 167, V. 55. Dagegen kommt es bei den älteren
Dichtern relativ häufig vor, dass die beiden Reihen des Achtsilbers
durch Synäresis verknüpft sind, aber in dieser Beziehung besteht zwi-
schen den älteren Dichtern und G. ein grundsätzlicher Unterschied;
während nämlich G., wie wir gesehen haben, nicht selten die letzte Silbe
der überzähligen ersten Reihe mit der ersten Silbe der zweiten Reihe
verbindet, haben die älteren Dichter von der Synäresis in der Mitte des
achtsilbigen Verses nur in der Richtung Gebrauch gemacht, dass sie
mit der letzten Silbe der normalen (also viersilbigen!) ersten Reihe eine
einsilbige, syntaktisch zur zweiten Reihe gehörende Proklitik verbanden,
so dass dennoch die Cäsur nicht, wie bei G., in die Mitte eines Wortes
fällt, sondern nur eine Proklitik von dem Worte, an welches sie sich
anlehnt, trennt und mit der letzten Silbe der (viersilbigen!) Reihe ver-
bindet, z. B. tnisli rotno i \ rogohorno Cubran. 103; zumeist handelt es
sich eben um die Konjunktion /, vgl. noch Cubran. 182. 194. 266. 441.
596; Vetran. B. I, S. 12, V. 9. S. 28, V. 104. S. 29, V. 108. 111.
S. 36, V. 406. S. 208, V. 7. S. 233, V. 95. S. 235, V. 176. S. 246,
V. 119. S. 253, V. 56. 59. S. 319, V. 105. S. 321, V. 162. S. 322,
V. 203. S. 323, V. 228. 244. S. 332, V. 31. S. 345, V. 536. S. 346,
V. 574. S. 350, V. 720. S. 418, V. 33. Posvetil. 811. Hekuba 293;
M. Drzic, Tirena 1408; Zlataric, ^iubmir 1122. 1940; einige Male
wird auch die Präposition ti ,so angewendet: ner ako mu u \ hraiko
reda Öubran. 418, vgl. noch Vetranic B. I, S. 30, V. 30. S. 230, V. 6.
S. 249, V. 66. S. 250, V. 81. S. 322, V. 215. S. 330, V. 80. S. 332,
V. 29. S. 345, V. 546. S. 419, V. 22; so endlich auch die Präposition
od bei Cubran. 291 und Vetranic B. I, S. 243, V, 224. Aus den an-
geführten Beispielen ergibt sich, dass diese Art der Synäresis am mei-
sten Cubranovic und Vetranic, sehr selten M. Drzic und Zlataric, dagegen
Naleskovic und Ranina gar nicht angewendet haben. Diejenige Form
der Synäresis, welche wir nunmehr als die speciell Gundulic'sche be-
Die Metrik Gundulid's. 275
zeichnen können, ist bei den älteren Dichtern fast gar nicht vorhanden;
ich habe nur 6'm Beispiel gefunden: tat puroze nu ocdi te ode M. DrXic,
Tireua 1456, aber die Stelle ist unverständlich und wahrscheinlich ver-
dorben; eine umgekehrte G.'sehe Synäresis findet sich dagegen in fol-
genden Beispielen: tko ce majci o r//?o^;v7?'Vetranic, Hekuba 1050, so-
wie vrh (jroha se u o\n(z/u ukuza 486; übrigens sind vielleicht auch
diese beiden Stellen — wie die Varianten zeigen — einer Verbesserung
bedürftig. In Bezug auf die Cäsur ergibt sich somit, dass G. den acht-
! silbigen Vers kaum verbesserte, da die von ihm eingeführte Art der
' Synäresis die den Vers in zwei gleiche Theile trennende Cäsur eigent-
lich verschwinden lässt, während — wie uns am besten die Metrik der
! Volkslieder (und der modernen Dichter) beweist — für den Achtsilber
; die Cäsur nach der vierten Silbe im Serbokroatischen absolut nothwen-
dig ist.
In Bezug auf den Accent hat G. nur insofern eine Neuerung einge-
; führt, als er einen accentuirten Versschluss nicht zugelassen hat, während
j Vetranic einen solchen in der Hekuba (V. 323. 357. 434. 435. 440.
453. 467. 476. 664. 1234. 1507. 1550. 1552. 2031. 2041. 2247. 2302),
j sowie Ranina (Nr. 144, 10. 18. 21. 46. 54. Nr. 145, 22. Nr. 146, 9.
j 49. Nr. 357, 3) ziemlich häufig, M. Drzic (Tirena 1466) und Naleskovic
(8. 158, V. 152) in ihren nicht zahlreichen Achtsiibern wenigstens je
einmal haben. G. hat dadurch jedenfalls das Richtige getroffen, denn
auch hier spricht die volksthttmliche (und moderne) Metrik entschieden
für die absolute Unbetontheit der Schlusssilbe. Allerdings aus dem-
selben Grunde hätte G. auch eine accentuirte Silbe an vierter Stelle
vermeiden müssen, doch hier wirkt die Betontheit der Silbe nicht so
störend wie am Schlüsse des Verses; diesbezüglich ist aber G. wenig-
stens nicht weiter gegangen, als alle seine Vorgänger, die ebenfalls
ziemlich oft die vierte Silbe betonen, vgl. z. B. Vetranic, Hekuba 27 7.
16. 388.406 U.S.W., Öiibrauovic 51. 100. HO. 113. 125.209 u.s.w.,
Zlataric, Elektra 164. 554. 991. 1001 u. s. w.
Die übrigen Versmasse.
Ausser den zwölf- und achtsilbigen Versen finden sich noch bei G.,
und zwar nur in den Dramen, auch kürzere Verse von 6, 5 und 4 Silben,
die er fast immer nur in Verbindung mit Achtsilbern zur Bildung grös-
serer Strophen anwendet. Der Sechssilber ist gleich einer Hälfte seine
18-
I
276 M. Resetar,
zwölfsilbigen Verses, hat daher wie letztere eine stehende Cäsur nach der
dritten Silbe, z. B. razhludno \ zdruziti Ar. 1742; es kann ferner an
dieser Stelle eine Synäresis stattfinden: pjesni dra\ge i mile Proz, 1494.
und am Schluss kann ein einsilbiges betontes Wort stehen : ovako j lij'epa
(^m Ar. 1749, vgl. noch Ar. 17 63. Proz. 221. 222. 478. 531 u.s.w. —
Der fünfsilbige Vers dagegen hat zwei verschiedene Formen: a) (häu-
figer) mit der Cäsur nach der zweiten Silbe, z. B. rajskom \ h'iposti
Ar. 1745, b) (seltener) mit der Cäsur nach der dritten Silbe, z. B. pri-
slatke veze Ar. 174G (vgl. noch Ar. 1739. 1741. 1751. 1762. Proz.
1086. 1114. 1116. 1280 u. s. w.); die G.'sche Synäresis tritt auch hier
auf: sred mi\la uresa Ar. 1753, sveti I\metieo Ar. 1738; nur ein ein-
ziges Mal ist weder die eine noch die andere Cäsur vorhanden : da sje-
dine se Ar. 1748, wo die Cäsur (und die gewöhnliche Wortfolge) da
se I sjedine dem Reime mit prislatke veze geopfert wurde; ein betontes
Wort steht nie am Schlüsse der Verse. — Der viersilbige Vers kommt
bei G. nur ganz vereinzelt vor, und doch hat auch er in der Regel eine
Cäsur nach der ersten Silbe, und zwar so, dass der Vers aus einem ein-
silbigen und einem dreisilbigen Worte besteht: zrak j obj'avi Ar. 730.
vgl. noch Ar. 731. Proz. 939. 1082. 1098. 1112. 1278. 1290. 1456.
1590. 1616. 1678; ausnahmsweise finden wir: eto \ dragi Froz. 1670,
und ohne Cäsur: prilozite Proz. 1686.
Stropheubilduug.
G., wie in der Regel alle älteren serbokroatischen Dichter, kenn!;
keine reimlosen Verse, welche einzeln gebraucht wären, vielmehr er-
scheinen bei ihm in der Regel als metrische Einheiten zwei- oder vier-
zeilige Strophen. Die einfachsten Verhältnisse bieten in dieser Beziehung
die zwölfsilbigen Verse : sie werden nämlich, wie auch in der Zeit vor
G., immer für sich allein und immer paarweise verbunden, und zwar bei
G. immer — wie auch zumeist bei seinen Vorgängern — so, dass die
beiden Verse auf die bekannte Weise durch einen Doppelreim am
Schlüsse der beiden Vershälften verbunden sind. — Der Hauptvers G.'s,
der Achtsilber, wird dagegen viel mannigfaltiger angewendet; in der
Regel aber erscheint er in vierzeiligeu Strophen, welche eben seit G. das
gewöhnlichste Metrum sind. In Bezug auf die Reimverbindung hat G.
beide schon vor ihm bestehenden Arten angewandt, nämlich a) diejenige
mit dem Reime ahba, und b) diejenige mit dem Reime ahah :
Die Metrik Gundulic's. 277
;i Od neheske slatke lire b) 7m zamdlo od ruzica
Djecna straza bog suncani^ ako vidis rujnos milu
kl po visnoj lijepoj strani promijenut Ju usred lica
zlatna kola zrak prostire hijelih lij'era na hlj'edilu ;
null ZWEI" hat G. die Reimverbindung ahba nur in den Dramen (neben
abab) und in den PJesni pokorne^ sonst dagegen ausschliesslich die
Reimverbindung abab. Da wir nun wissen, dass die Dramen die äl-
testen unter den erhaltenen Werken G.'s sind, so kann man wohl an-
nehmen, dass G. in der späteren Zeit die Reimverbindung abba fallen
Hess. Das bestätigt uns das jüngste seiner Dramen, die Dubravka\
während nämlich in den Dramen aus der Zeit vor dem J. 1620 die Zahl
. der Strophen mit der Reimverbindung abba diejenige der Strophen
mit dem Reime abab bedeutend übertrifl't idie beiden Gruppen stehen
in folgendem Verhältniss: Arijadna 239 : 69; Prozerpina 181 ; 43:
Di Jana 20 : 0; nur Armida 12 : 13), haben wir in der Dubravka das
umgekehrte Verhältniss, nämlich 175 Strophen mit dem Reime abab
und bloss 22 mit dem Reime abba. Man kann somit sagen, dass die
Reim Verbindung abba bei G. die ältere, die andere [abab] dagegen die
jüngere ist; wenn er aber in der Dubravka dennoch, allerdings in ge-
ringem Umfange, die Achtsilber auf ältere Art reimen liess, so geschah
dies aus demselben Grunde, aus welchem er in demselben Drama den
älteren zwölfsilbigen Vers ebenso oft anwendete wie den neueren Acht-
silber, — weil die Dubravka eben ein Drama ist, das sich auch in der
metrischen Form an die älteren Dramen anschliesst. Wie es aber dazu
kommt, dass G. unter seinen lyrischen und epischeu Gedichten nur in
den Pjesiii pokorne den Reim abba anwendete, erklärt uns der Anfang
der das Datum vom 1. Oktober 1620 tragenden Widmung: yiPJesni po-
korne Davida krala minutij eh Ijeta odmene ujezik slovinski pri-
netiene« ; die Uebersetzung war also schon »in den vergangenen Jahren«
fertig und wurde im J. 1620 erst herausgegeben; sie gehört somit auch
in die ältere Periode der Thätigkeit G.'s; wäre diese Uebersetzung erst
im J. 1620 zu Stande gekommen, so hätte G. für dieselbe wahrscheinlich
die Reimverbindung abab vorgezogen, wie er dies für das mit den
PJes7ii pokortie im J. 1620 herausgegebene Gedicht Od velicanstva ho-
zijeh gethan hat, welches vielleicht erst in diesem Jahre verfasst wurde.
Ich glaube somit, dass man mit genügender Wahrscheinlichkeit behaup-
ten kann, dass auch die drei Gedichte Lubovnik sramezliv^ TJ smrt
Marije Kaiandrice und Ferdinandu II. schon deswegen in die zweite
278 M. Resetar,
Periode der Thätigkeit G.'s fallen, weil sie die Reimverbindung ahab
aufweisen. Bezüglich des Liedes auf Ferdinand II. steht das fest, da
die Heirath dieses Fürsten, auf welche sich eben das Gedicht bezieht,
im Jahre 1631 stattfand. Aus noch späterer Zeit stammt wahrschein-
lich das Lied auf den Tod der schönen Wittwe Marija Kaiandrica, denn
diese heirathete erst im J. 1636 und starb bald nach dem Tode ihres
jungen Mannes ^). Die Entstehungszeit des Lubovnik sramezliv lässt
sich nicht genauer feststellen, aber wenn man bedenkt, dass Preti's Ge-
dichte erst im Jahre 1619 zu Mailand zum ersten Male gedruckt wurden
(Quadrio, Della storia e ragione d'ogni poesia II, 297), so weiss man
wenigstens, dass G.'s Luhovnik^ der eine Kontamination zweier Lieder
1) Man hat bis jetzt allgemein angenommen, der Faniilienname dieser
Frau habe auf italienisch Calendari gelautet; die Sache ist aber nicht so eiu-
fach, denn Kulandrica ist nach ragusanischer Art das Femininum zu Kalan-
dric, was die slavische Form eines romanischen Calandra ist und nicht etwa
Calendari, das Xo/e« Jane ergeben würde. In der handschriftlichen »Genea-
logia delli cittadini Eagusei«', welche in der Priesterkongregation zu Ragusa
aufbewahrt wird, befindet sich aber eine Familie Calandra nicht, wohl aber
eine Familie Calendari, als deren letzte Sprösslinge angeführt werden : ein
Nicolö, der Jesuit wurde, und dessen Schwester »Maria — fü moglie di Ma-
rino di Pietro Russini Mer(can)te Raguseo come per P(acta) M(atrimonialia)
del 1636: 20Giugnio». Diese Maria Calendari, verehelichte Russini, ist wahr-
scheinlich die »Marija Kalandrica^^ des G., denn sie ist die einzige Maria
Calendari aus der Zeit G.'s (ihre Mutter hiess Katharina). Dass dies richtig
ist, bestätigt die gewiss alte Ueberlieferung, dass diese Marija Kaiandrica die
nlijepa i vrijedna zena Giva Vlajkin war (so schon in meiner Handschrift aus
dem J. 1755/56 [s. S. 270, Anm.]) ; in Wirklichkeit war aber die Maria Calen-
dari-Russini nicht die Frau, sondern die Schwiegermama des Johannes Vlajki,
denn in derselben »Genealogia« steht bei der Familie Vlaiehi sub Nr. 13
»Gio(vanni): Batista figlio Cristoforo si maritö con Maria unica figlia di q"
Marino di P(iet)ro Russinni come per P[acta) M(atrimonialia) del 1652: 19
Aprile . . . «, was vollkommen sicher ist, weil im Eheregister der Stadtpfarr-
kirche zu Ragusa die am 29. Dezember 1652 stattgefundene Heirath des «Jo-
annes Baptista q™ Christophori Vulaichi« mit »Maria filia q™ Marini Rusino-
vich « verzeichnet wurde. Wenn diese Kombination richtig ist, dann heira-
thete Marija Kaiandrica (Calendari) im J. 1636 den Marinas Rusinovic, der im
folgenden Jahre starb (vgl. Vers 221 — 222) und dem sie bald darauf, jeden-
falls noch im Laufe desselben Jahres, in den Tod folgte (vgl. Vers 273 — 276);
dann wäre das Gedicht Usmrt Marije Kaiandrice G.'s Schwaneugesaug, kurz
vor dem Tode des Dichters selbst (f S.Jänner 1638) entstanden! Die oben-
erwähnten Angaben airs der »Genealogia« und aus dem Eheregister des J. 1652
verdanke ich Herrn N. Gjivanovic, Stadtkaplan in Ragiisa, dem ich hierfür
meinen innigsten und verbindlichsten Dank ausspreche.
'•^»-w*
*^***..
^*^«
Die Metrik Gundulic's. 279
des Preti ist, höchst wahrscheinlich erst nach dem J. 1619 entstanden
;>t, waü den aus der metrischen Form des Gedichtes gezogenen Schluss
mir bestätigt. — Warum G. in seiner späteren Zeit die Reimverbindung
'iha zu Gunsten des ahah gänzlich aufgab, ist schwer zu sagen; es mag
ä;ibei gewirkt haben einerseits die italienische Metrik mit ihren zumeist
alternirenden Reimen, andererseits die richtige Erkenntniss, dass die
N'erbindung ahah wohlklingender ist, weil sie den zweifachen Reim in
der Strophe besser hervortreten lässt. In der Prozerpina finden wir
einige Male auch Strophen von 4 Achtsilbern mit dem Reime aahh, wo-
bei zu bemerken ist, dass diese Strophen immer vereinzelt stehen (vergl.
I'roz. 230. 245. 255. 301. 657. 708. 8(58. 1106. 1184. 1378. 1546) i),
was dafür zu sprechen scheint, dass G. diese Reimverbindung als etwas
für den gewöhnlichen Dialog nicht Passendes betrachtete; dies geht
auch daraus hervor, dass an den vier ersten Stellen diese Strophen dem
''hör zugewiesen sind, und an weitereu vier Stellen i657. 868. 1106.
I r)46) in Verbindung mit Zwölfsilbern stehen, welche von derselben
Person gesprochen werden.
Gleich nach der Strophe von 4 Achtsilbern kommt, was die Häufig-
keit der Anwendung anbelangt, die Strophe von je 6 solchen Versen.
In diesem Versmass sind zunächst die Suze siiia razmetnoga gehalten,
sporadisch kommen sie dann auch in allen drei grösseren Dramen vor.
In den Suze ist durchwegs die Reimverbindung abahcc durchgeführt,
also die gewöhnliche 4 zeilige Strophe mit einem zweizeiligen Abschluss :
Gorko suzim gork plac sada^
gorko placem grozne suze,
ke razmetni sin njekada
kajan z grijeha lijevat uze;
j'eda i moje grijehe oplacu
suze u suzah, plac u placu.
j Hingegen in den Dramen kommt daneben auch nach älterer Art die
Reimverbindung ahbacc zur Geltung (die ältere zur jüngeren Art in
' folgendem Verhältniss stehend: Ar. 11:10, Proz. 18 : 18, Dub. 5:7);
-auz vereinzelt ist der Reim aabchc in Ar. 1737. Nur in der Ari-
,jadna finden sich ferner Strophen von je 5 und je S Achtsilbern: die
! Szeiligen Strophen haben in der Regel den Reim ahhac (vgl. 257. 293.
312. 713. 835. 908. 1222. 1768. 1789) und nur ausnahmsweise ahabc
*) Bei Anführung von Strophen bezeichne ich nur den ersten Vers, um
'He Anhäufung von Zahlen zu vermeiden.
280 M- Resetar,
(771, 792). Die 8 zeilige Strophe findet sich überhaupt nur in zwei
Scenen der Arijadna (848.860), das erste Mal mit dem Reim ahabhccd
[d wird im ersten Vers des jeder Strophe folgenden Refrains wieder
aufgenommen) und das zweite Mal mit dem Reim ahahahcc. In der
Prozerpina endlich hat man einige Male je ein Paar (mit einander rei-
mender) Achtsilber (571. 577. 701. 1088. 1452), welche mit Ausnahme
der vorletzten Stelle (wo das Metrum dreimal wechselt) je eine kurze
Aussprache ausmachen, für welche eben zwei Verse genügend waren.
Sonst hat G. an monometrischen Strophen nur einmal in der Duhravika
271 eine Strophe von 8 fünfsilbigen Versen mit dem Reime aabhccdd.
die sich 291 wiederholt. Dagegen kann man von einer Strophenbildung
in Bezug auf diejenigen Stellen in der Prozerpina sprechen, wo Sechs-
silber in kleinen Gruppen auftreten; letztere sind vielmehr als eine Er-
gänzung der Zwölfsilber zu betrachten, welch' letztere Verse die ersteren
immer begleiten, bald ihnen vorausgehend (Proz. 1122. 1164. 1624),
bald ihnen folgend (477. 531. 1234), bald sie von beiden Seiten um-
fassend (651. 778. 1320. 1494); diese Sechssilber reimen immer je zwei
miteinander, und treten in der Regel paarweise auf, mit Ausnahme von
1122 und 1234, wo je zwei, und von 1164, wo drei Paare aufeinander-
folgen.
An polymetrischen Strophen hat G. zunächst in zwei Scenen der
Prozerpina (I. 2 und III. 4) eine Strophe, die aus 4 Achtsilbern und
2 Sechssilbern besteht, und zwar hat dieselbe an der ersten Stelle (217.
239. 271. 305) die Reimverbindung abhacc^ an der zweiten (1296.
1360. 1446. 1498. 1546. 1596) dagegen aahhcc. In der Prozerpina
(537) finden wir auch eine (in der Scene II. 1 viermal sich wieder-
holende) Strophe von je 3 Sechssilbern und Achtsilbern mit dem Reime
ahhacc^ und in der Arijadna 1733 eine sich ebenfalls viermal wieder-
holende Strophe von je 7 Versen, von welchen der dritte 6, alle übrigen
5 Silben zählen, mit dem Reime aabbccd\ in derselben Arijadna 728
finden wir weiter eine aus 2 Achtsilbern + 2 Sechssilber + 2 Acht-
silber bestehende Strophe mit dem Reime ababac^ welche als Refrain in
einem Chor dient. Noch verzweigter sind einige Strophen, die in den
lyrischen Partien der Prozerpina und Dubravka vorkommen : a) Proz.
938 eine refrainartige Strophe von 6 Versen (1 Achtsilber -f- 1 Viers. +
1 Achts. -}- 1 Fünfs. -}- 1 Achts. + 1 Sechss.) mit dem Reime ababcc;
b) Proz. III ( 1 3 Mal j i) eine Strophe von 8 Versen (2 Achts. + 1 Viers. -f-
1) Vers 1676 der akademischen Ausgabe {stvari luvene) ist fehlerhaft; das
Die Metrik Gundulid's.
281
1 Achts. H- 1 Ftinfs. + l Secbss. + I Fünfs. + 1 Sechss.) mit dem
Keime abbaccdd)', c) Duhr. 1505 als Refrain eine Strophe von 5 Versen
2 Achts. + 1 J^ünfs. + 1 Sechss. + 1 Fünfs. mit dem Reime aabcc):
a) Proz. 938—943.
Koje sreem tvrdi kami,
(hl nc cvili,
da ne place odi s naini
uzrok neytiili,
s koga tuzi sad bez mjere
hozica Cerere ?
b) Froz. 1080—1087.
O moguce nase tmine,
vjecmjem oguem itaresene,
0 paklene
slavne strane nad sve ine,
u kih pribica
od zemle krepos sva,
prid knjijem sve se
snebiva i trese.
c) Dubr. 1505—1509.
Hod', od pira boze, hodi,
igre inilc s nami vodi,
zdruzi, sjedini
pod pjesni medene
ove luveiie.
Einzelne Strophen hat G. endlich als Refrain gebraucht, und zwar
Ml, dass dann auch deren Text sich Aviederholt (vgl. Proz. 537 tf. 938 ff.
Dubr. 271 ff. 1505 ff.), sie stehen aber sonst in keiner metrischen Be-
ziehung zu den Strophen, denen sie folgen. Eine metrische Verbindung
tiudeu wir nur im Chor der Ai'ijadna in I. 2 (Vers 72S — 775], wo zuerst
der Refrain, dann dreimal alternirend je eine Strophe und der Refrain
vorkommen ; hier also wird die Strophe mit dem Refrain so verbun-
den, dass der letzte Vers der ersteren mit dem ersten Vers des Refrains
zusammenreimt. Etwas Aehnliches geschieht auch in dem Chor der
Arijadna 1733 — 1767, wo die fünf Strophen desselben auf die Weise
miteinander verknüpft sind, dass der ganze letzte Vers der einen Strophe
als erster in der folgenden sich wiederholt.
Es erübrigt uns noch in Bezug auf G. 's Strophenbildung, die Frage
zu beantworten, was in dieser Beziehung als eine von ihm eingeführte
Neuerung zu betrachten ist. Die hauptsächlichen Strophen, nämlich
die aus 2 Zwölfsilbern, sowie die aus 4 Achtsilbern (mit beiden Reim-
verbinduugen) hat G. ohne Veränderung von den älteren ragusanischen
Dichtern übernommen, dagegen ist die Strophe von 0 Achtsilbern, in
welche das gefühlvollste Werk G.'s — seine Suze sina razmetnoga —
eingekleidet wurde, — wenigstens in der Form, welche sie in diesem
Gedichte hat — wohl als ein selbständiges Erzeugniss G.'s zu betrach-
ten. Schon die älteren Dichter haben allerdings Strophen von mehr als
Metrum verlangt einen Sechssilber, also etwa radosti luvene, wie in der Agra-
mer Ausgabe, oder vielleicht satcari luvene [satvar für stcar kommt bei
Ranina oft vor).
282 M. Resetar,
4 Achtsilbern gebildet; speciell Stroplien, die aus 6 Achtsilbern be-
stehen, haben sowohl M. Drzic als auch noch mehr Naleskovic, ersterer
in einem Chor seines Posvetiliste (Stari pisci VII, 479. 480), letz-
terer in einem frommen Liede, einem Faschingsliede und in einigen
Chören seiner Komödien (Stari pisci V, 116. Kil. 198. 206. 226). Diese
Sextinen der beiden Dramatiker aus dem XVI. Jahrh. unterscheiden sich
aber wesentlich von denjenigen G. 's: zunächst bilden sie Lieder, welche
für den Gesang bestimmt waren (und gewiss thatsächlich auch gesungen
wurden), deswegen folgt bei Drzic und Naleskovic einer jeden Strophe
ein mehrsilbiger Refrain, der mit der Strophe selbst durch den gleichen
Reim des letzten Verses der Strophe und des ersten Verses des Refrains
verbunden ist; zweitens ist die Reimverbindung eine ganz andere: bei
Drzic (übrigens es handelt sich bei ihm nur um 2 Strophen!) ahabac^
bei Naleskovic im Liede auf S. 116 ahbaac, sonst aber ahabbc. Die
Sextine der Suze finden wir erst in einem Liebeslied des etwas älteren
Zeitgenossen G.'s, Oracijo Mazibradic (Stari pisci XI, 176, Nr. 22), wel-
cher schon am 5. Februar 1623 die Widmung seiner gesammelten lyri-
schen Lieder datirte ^St. p. XI, 124, V. 51 — 52); in die Sammlung, wie
sie bis auf uns kam, geriethen aber auch Lieder aus viel späterer Zeit
(vgl. Nr. 65 auf S. 154 — 155, welche das ausgeschriebene Datum vom
7. December 163 7 trägt!); es ist somit höchst wahrscheinlich, dass
auch das soeben erwähnte Liebeslied von 0. Mazibradic erst später ver-
fasst wurde, wobei er in Nachahmung G.'s dessen Sextine für dasselbe
verwendete. Es ist daher eher an italienischen Einfluss zu denken, was
umsomehr angezeigt ist, als der gefeierte Reformator der poetischen
Form auf dem Gebiete der italienischen Lyrik, Gabriello Chiabrera
[1552 — 1637) kurz vor G. als solcher aufgetreten war und in Italien
allgemeinen Beifall gefunden hatte ; bei ihm finden wir nur thatsächlich
als eines der üblichsten Metra seiner Canzonette eine Strophe von
6 Achtsilbern mit dem Reime ababcc ^), also genau die Sextine G.'s, z.B.:
Giä SU verde fresca erbetta
che fioriva al primo aprile,
una vaga verginetta
s' adornava il crin gentile,
e di gir prendea diletto
lungo un dolce ruseelletto.
») Vgl. T. Casini, Le forme metriche italiane '^ (Florenz 1890), S. 18—20.
Die Metrik Gundulic's. 283
DassG. den Chiabrera gekannt hat, kann man ohne weiteres sicher
annehmen, es wäre daher leicht möglich, dass er dieses Metrum von ihm
outlehnt habe; weniger wahrscheinlich ist es dagegen, dass G. dieses
Metrum den alten italienischen lyrischen und dramatischen Imicle ent-
nommen habe, denn diese zumeist ungedruckten, für das niedere Volk
bestimmten, aber zu G.'s Zeit schon veralteten Werke dürften G. kaum
bekannt gewesen sein. Die anderen bei G. seltener vorkommenden
Strophen machen schon durch ihren mehr oder weniger künstlichen Bau
und ihre seltene Anwendung die Vermuthung wahrscheiulicli, dass G.
sie durchwegs nur zu dem Zwecke gebildet hat, um seinen Dramen
wenigstens zum Theil die bunte metrische Zusammensetzung der ita-
lienischen Melodramen zu geben , welche ihm bei seinen Dramen als
Vorbild, zum Theil direkt als Vorlage dienten. Doch hat er vielleicht
auch hier zum Theil ältere Bildungen verwerthet; so hat Naleskovic
einige Male Strophen von je 8 Achtsilbern, allerdings mit anderer Reim-
verbindung (vgl. Stari pisci V, 163. 165. 167. 171. 238); und die aus
1 Achtsilbern mit 2 Viersilbern in der Mitte bestehende Strophe, welche
G. in einem Chor der Arijadna verwendet (V. 1733 — 176 7), finden wir
ebenfalls in einem Chor der Joka&ta des M. Bunic [Stari pisci XI,
tif)— 68).
Anwendung der einzelnen Versmasse.
Es kommen hier nur die Dramen in Betracht, denn nur hier werden
verschiedene Metra in einem und demselben Gedicht verwendet. Am
Einfachsten steht es diesbezüglich bei der Dijana und Armida, welche
wie sie uns vorliegen — aus nur je einer Scene bestehen mit je zwei
Personen, einem Mann (Endymion, bezw. Rinaldo) und einer Frau (Diana,
bezw. Armida) : der Mann spricht in gewichtigen Zwölfsilbern ^), die Frau
ij In den gedruckten Ausgaben, welche alle auf die Ragiisauer vom
J. 1837 zurückgehen, sind allerdings anstatt der Zwülfsilber je zwei Sechs-
silber gedruckt; G. aber hatte gewiss die gewöhnlichen zwölfsilbigeu Verse
geschrieben, welche dann der letzte Abschreiber (oder der erste Herausgeber?)
auf diese Weise den gewöhnlichen Achtsilbern näher bringen wollte. Bei
dieser Gelegenheit will ich erwähnen, dass mir gar nicht so sicher zu sein
scheint, dass diese beiden Dramen bloss Fragmente sind, als welche man
sie gewöhnlich bezeichnet: besonders scheint mir dies bezüglich der Dij'ana
unwahrscheinlich ! Was könnte da noch vorausgehen oder folgen ? Die in En-
dymion verliebte Göttin steigt vom Olymp licriirter, j^ibt ihrer Liebe vor dem
schlafenden Jüngling Ausdruck, weckt ihn mit einem Kuss, worauf der aus
284 M. Reaetar,
in leichten Achtsilbern ! In den grossen drei Dramen dagegen ist die
Sache viel verwickelter, doch auf den ersten Blick ersieht man, dass —
dem Schlafe plötzlich Geweckte anfangs sich ziemlich ablehnend verhält, als
er aber die Augen besser aufmacht und sieht, wer um seine Liebe wirbt, da
gibt er jeden Widerstand auf und will der »Diener« der schönen Göttin wer-
den. Mir scheint, der ganze Mythus ist hier erschöpft und die Handlung ab-
geschlossen. Man hat es also wohl bloss mit einer dramatischen Scone zu thun,
welche nie den Anspruch erheben wollte, ein ganzes Drama zu sein. Weniger
sicher ist dies in Bezug auf die Annida, denn hier haben wir thatsächlich
nur den Schluss der betreffenden Episode bei Tasso: die zum Tode ent-
schlossene Armida klagt über ihr unglückliches Loos; als sie sich aber den
Todesstoss geben will, erscheint Rinaldo, der ihre Hand abhält und ihr seine
Liebe betheuert, so dass sich Armida mit ihm und mit dem Leben versöhnt.
Dass sich nun aus der Armida-Episode ein ganzes Drama machen lässt, hat
speciell auch in der serbokroat. Literatur Palmotic mit seiner Armida gezeigt,
in welcher nicht einmal der ganze bei Tasso vorhandene Stoff verarbeitet ist.
Was mich aber glauben lässt, dass auch in G.'s Annida wie in dessen Dijuna
kein Fragment, sondern eine einfache, aber vollständige dramatische Scene
vorliegt, ist der Umstand, dass weder bei der einen noch bei der anderen
der Chor auftritt; hätten wir dagegen in beiden Stücken nur den Schluss
eines grösseren Dramas vor uns, so würde gewiss am Schlüsse das obligate
Chorlied vorhanden sein und überhaupt würden in der Schlussscene —
wie sonst in der Regel in den Dramen des XVII. Jahrhunderts, speciell
auch in G.'s Prozeryina und Dubravka — eine ganze Menge von Personen
auftreten und nicht bloss zwei. Ich bin daher überzeugt, dass uns auch G.'s
Armida vollständig erhalten ist, vermuthe sogar, dass unter den verloren
gegangenen Dramen des G. vielleicht noch manche (oder gar alle!) aus solchen
einfachen Scenen bestanden haben, was uns dann zum Theil deren Verlust
erklären würde, üebrigens ist G.'s Armida kein Originalwerk, sondern eine
Uebersetzung; man braucht nämlich nur die Gerusalemme liberata in die Hand
zu nehmen, und man sieht sogleich, dass G. ganz einfach aus der Schlussscene
der Armida-Episode im XX. Gesang die von Arniida und Rinaldo gesproche-
nen Worte Satz für Satz übersetzt hat, während er ans eigenem die
erste Strophe, welche die Situation erklärt, sowie Vers 49 — 56 hinzugefügt
hat, mit welch' letzteren Rinaldo die Hand Armida's abhält, was bei Tasso
nur erzählt wird. Sonst aber sind V. 5 — 4S bei G. übersetzt aus Tasso V. 981
bis 1000, V. 57—104 aus V. 1U41— 1064, V. 10.5—124 ans V. 1070—1076 und
endlich V. 125—128 aus V. 1087. 1088. Charakteristisch für das Vorgehen
G.'s ist es aber, dass er nach V. 48 eine ganze Ottava (V. 1001 — 1008) ausge-
lassen hat, wo Annida dem treulosen Rinaldo droht, ihn auch aus der Unter-
welt mit ihrem Hass verfolgen zu wollen; ebenso hat er (nach V. 124) fünf
Verse des Originals (V. 1076 — 1080) nicht übersetzt, in welchen Rinaldo den
Wunsch ausspricht, Armida möge sich zum Christenthume bekehren. Noch
charakteristischer ist es aber, dass der Geschichtsschreiber des ragusanischen
Die Metrik Gunduliö's. 285
wie oben angedeutet — ihre Polymetrie eine Nachahmung der Poly-
metrie des italienischen Melodramas ist, welches seit dem Anfange des
XVII. Jahrh. die relative Einfjichheit der metrischen Form in dem älteren
Drama (welche sich auch in den ragusanischen dramatischen Werken
des XVI. Jahrh. wiederspiegelt) durch die Mannigfaltigkeit der metri-
schen Form in den lyrischen Partien ersetzte. Wie also in den italieni-
schen Melodramen der Dialog (das Recitativ) hauptsächlich aus elfsilbigen
und siebensilbigen Versen besteht, während für die lyrischen (die ge-
sungenen) Partien alle möglichen lyrisclien Metra dienten , so hat auch
G. für den Dialog seine gewöhnlichen Strophen (12 X 2, bezw. 8 X 4),
während die anderen, weniger üblichen Metra in der Regel für die lyri-
schen Partien verwendet wurden. War aber dieser Unterschied in der
metrischen Form bei G. auch mit einem unterschied in der Vortrags-
weise verbunden? mit anderen Worten : bestanden auch G.'s Dramen
wie ihre Vorbilder, die italienischen Melodramen, aus Recitativ und Ge-
sang? Dies ist eine Frage, die bei dem absoluten Mangel darauf bezug-
nehmender Nachrichten, schwer zu beantworten ist. Dass bei der Dar-
stellung der Dramen G.'s auch musicirt wurde, steht fest: in Dubravkal.7
(V. 393 flF.) findet ein musikalischer Wettstreit statt zwischen Gorstak
and Divjak mit der ausdrücklichen Bemerkung : » Ovdi svireic Wurden
auch die Dramen zum Theil gesungen ? lu älterer Zeit gewiss , denn
M. Drzic und Naleskovic haben in ihren Dramen — wie die betreffenden
Didaskalien uns belehren — von Musik und Gesang einen ziemlich aus-
giebigen Gebrauch gemacht^); ob aber dies auch bei den Dramen G.'s
der Fall war, lässt sich nicht sagen , denn es genügt nicht auf Partien
Dramas diesen innigsten Zusammenhang zwischen der Annida G.'s und Tasso
nicht erkannt hat, obschon er bemerkt hatte, dass die erstere den Schluss der
Armida-Episode bildet.
') Ein weiteres interessantes Zeugniss für die Anwendung der Musik
bei der Aufführung der Dramen M. Drzic's gibt uns der ragusaiiische Gelehrte
Nikolaus Gozze in seinem Werke Dello stato chlle republiche (Venedig 1591
bei Aldo auf S. 403: ». . . che questa Musica sia stata sempre potente a in-
gagliardire i animi nostri . . ., io grandemente l'ho esperiiuentato; perche
quando tra la mia brigata inuitato era a rappresentare nelle comedie, o nelle
Tragedie i nobilissiini atti, acciö, che la mia natura non si spauentasse in
cotai apettacoli ordinauo per solleuar Tanimo, & il cuore dalla tenerezza fan-
ciulesca, che le Trombe, & i Pifari allegramente sonassero; & poscia rappre-
scntauo in quella mia teueiissima etä quella parte con j^randissima sodisfat-
tione, e dell' autore B(eatae). M(emoriaei. Marino Darxa, e degli spettatori
insieuie«.
286 M. Resetar,
hinzuweisen (wie der Anfang der Prozerpina und Dubravka), deren
Inhalt für den Gesang sich ganz gut eignen würde , bezw. in welchem
direkt zum Singen aufgefordert wird. Wahrscheinlich wurden im Ragu-
sanischen Theater') nur einzelne Lieder gesungen, es ist aber kaum
wahrscheinlich, dass man je in Ragusa die nothwendigen Kräfte gefun-
den hätte, um ein ganzes Melodrama in serbokroatischer Sprache aufzu-
führen; ich glaube daher, dass G.'s Dramen, obschon sie treue Nach-
bildungen, bezw. Uebersetzungen der italienischen Melodramen sind,
nicht gesungen, sondern bloss recitirt wurden. Dementsprechend glaube
ich auch, dass der Unterschied im Metrum, welcher bei G. zwischen dem
Dialog auf der einen und den mehr lyrischen Partien auf der anderen
Seite besteht, nur als eine blinde Nachahmung der äusseren Form der
italienischen Melodramen aufzufassen ist.
Im Dialoge gebraucht also G. hauptsächlich die gewöhnlichen Stro-
phen (12X2 und 8 X 4), während die übrigen Metra in den mehr
lyrischen Partien eine Verwendung finden. Für die drei grossen Dramen
gilt aber nicht dasjenige, was wir bei der Dijana und Armida gesehen
haben, es sprechen also die Männer nicht durchwegs in Zwölfsilbern und
ebensowenig die Frauen durchwegs in Achtsilbern, vielmehr theilen sich
beide Gruppen von Rollen auch in beide Kategorien von Versen. Nichts-
destoweniger lässt sich konstatiren, dass G. den gewichtigen Zwölfsilber
auch hier, wenigstens zum Theil , mit Vorzug auch bei den wichtigeren,
daher zumeist männlichen Rollen verwendete ; so spricht in der Arijadna
die meisten Zwölfsilber (4 6) Theseus, während Ariadne unter 274 von
ihr gesprochenen Versen nur 2 Zwölfsilber hat; auch der Gott der Liebe,
1) Das alte Ragusa besass kein eigenes Theatergebäude : dargestellt
wurden die Kircheüdramen wolil in oder vor Kirchen, die Dramen Avelt-
lichen Inhaltes vor dem Rektorenpalast »pnVZ drorom« oder in Privathäusern
(z.B. bei Hochzeiten). Wie man aus folgendem Beschlüsse des ragusanischen
Senats vom 4. April 1554 sielit, wurde schon in der ältesten Zeit für öffent-
liche Theatervorstellungen der Saal des «grossen Rathes« verwendet: »Priuia
pars est de provideudo, quod de cetero in Aula Majoris Consilii non possint
recitari Comediae, Tragediae aut aliquae Mascaratae fieri, sed ea reservari
debeat ad usum sacrorum consilioruni« (Liber reforra. Cons. Rogat. 1553—1555
im Staatsarchive zu Ragusa); wir können jetzt der Richtigkeit der Angabe
Glauben schenken, dass Drzic's Dundo Maroje im J. 1550 im Rathssaale dar-
gestellt wurde [Stari pisci Y\\, 239). Hinter diesem Saale war das alte Arse-
nal, Orsan genannt, in welchem in der späteren Zeit Theatervorstellungen
gegeben wurden, bis das Gebäude im J. 1817 abbrannte.
Die Metrik Gunduli<$'s. 287
Luhac , gebraucht wenigstens einige (12) Zwölfsilber, Venus dagegen
und die Hirtin KoraTka haben keinen einzigen. Auch in der Prozerpina
spricht der finstere Gott der Unterwelt, Pluto , fast zur Hälfte in Zwiilf-
silbern (101 von 221), ebenso die anderen Erscheinungen der Unterwelt
(Rhadamanthys, Megaera und Tisiphone); und während die Prozerpina
;;i>t ausschliesslich mit den bescheideneren Achtsilbern sich begnügen
muss, wird ihrer Mutter eine relativ viel grössere Anzahl von Zwölf-
silbern zugewiesen. In der Dubracka wiederum, wo G. nur deswegen
ie Zwölfsilber so sehr bevorzugte, weil dieses Drama ein (allegorisches)
Hirtenspiel ist, sind es selbstverständlich die Hirten, welche vorzugs-
weise in Zwölfsilbern sprechen (nur JMvjak und Lubdrag machen dar-
unter eine Ausnahme); aus demselben Grunde sprechen auch in der
Arijadna der Hirte PelinlxO und in der Prozerpina die Hirten Lu-
bimir und Lovorko vorwiegend oder doch zum grossen Theil in Zwölf-
silbern. Man kann somit sagen . dass G. den Zwölfsilber hauptsächlich
bei erhabeneren (männlichen), sowie bei HirteuroUen anwendet.
Eine und dieselbe Person spricht in der Kegel an den einzelnen
Stellen ununterbrochen und in demselben Versmass ; in den vereinzelten
Fällen, wo eine Strophe zwischen zwei Personen getheilt ist, spricht jede
Person je eine Hälfte (1 Zwölfsilber, bezw. 2 Achtsilber), vgl. Proz. 567.
069. 113G. 1174. 1240. 1306. 1348. 1396. 1434. Dubr. 783. 913.
ir)49; in den meisten Fällen handelt es sich dabei um ein in erregtem
Tone geführtes Zwiegespräch, daher die Unterbrechung der Einheitlich-
keit des Versmasses. Derselbe Grund liegt auch in den noch selteneren
Fällen vor, wo ein Vers (es kommen dabei nur Zwölfsilber in Betracht)
von zwei verschiedenen Personen gesprochen wird, wobei dann eine jede
der beiden wenigstens einen ganzen der vier dreisilbigen Füsse spricht;
vgl. Proz. 1128 — 1134. Dubr. 793 — 795. — Nicht immer ist es da-
gegen ebenso klar, wesswegen ein Sprechender mitten in der Rede
das Versmass wechselt; an einzelnen Stellen ist das allerdings deutlich,
z. B. in der Dubravka 153 nimmt der nach Duhrava (nach Ragusa)
geflüchtete dalmatinische Fischer die Einladung zur Theilnahme an dem
Freiheitsfeste mit Zwölfsilbern an, und stimmt unmittelbar darauf einen in
Achtsilbern gehaltenen Lobgesang auf Ragnsa an ; ebenso finden wir
begreiflich, dass in der Schlussscene der Dubravka eine jede der auf-
tretenden Personen mit Zwölfsilbern das von einer jeden derselben vor-
L'etragene, und in Achtsilbern gehaltene Gebet einleitet, vgl. noch Ar. 5 1 5.
Wir brauchen aber nicht einmal einen inneren Grund für einen solchen
288 M. Resetar,
Wechsel im Metrum zu suchen, denn auch hievfür konnte das italienische
Melodrama mit seinem hauptsächlich aus Versen von 1 1 und 7 Silben
zusammengesetzten Dialog als Vorbild dienen, was wohl G. veranlasste,
da bei ihm die Strophe von 2 Zwölfsilbern und die Strophe von 4 Acht-
silbern die metrischen Einheiten sind, diese beiden Arten von Strophen
miteinander zu verbinden, vgl. z. B. Ar. 37. 661. 829. Proz. 391, 657.
1516. Dub. 167. 217. 1037 u. s. w. G. hat aber Strophen von 4 Acht-
silbern auch mit ebenfalls aus Achtsilbern bestehenden Strophen, aber
verschiedenen Umfanges, vereinigt; vgl. Ar. 287. 1695. Proz. 1208,
ebenso auch Zwölfsilber mit den selteneren Strophen von Achtsilbern,
vgl. Ar. 311.679. 963. Proz. 670. 1088. Da aber der Zwölfsilber eigent-
lich aus zwei Sechssilbern besteht, so hat G. ferner — allerdings nur
in der Prozerpma^ deren Metrik überhaupt am meisten gekünstelt ist, —
auch Zwölfsilber mit Sechssilbern verbunden, vgl. Proz. 477. 531. 645.
776. 1118. 1162. 1234. 1318. 1486. 1622; einmal (natürlich in der
Prozerpina [1168]) finden wir Sechssilber auch mit Achtsilbern zusam-
men. Selbstverständlich findet sich auch bei G. die grösste metrische
Mannigfaltigkeit in den selbständig vorgetragenen Chorliedern, und so
finden wir nur hier die grösseren aus verschiedenartigen Versen be-
stehenden Strophen. Wenn man aber die drei grösseren Dramen im
Ganzen nimmt, so muss man sagen, dass das jüngste darunter, die Du-
hravka. in metrischer Beziehung am einfachsten gebaut ist: ausser den
beiden gewöhnlichen Strophen enthält dieses Drama nur in Scene I. 5 '
(V. 259 — 316) ein an die Morgenröthe gerichtetes Lied der Dubravka,
welches aus mehrzelligen Strophen von Achtsilbern besteht und zweimal [
durch eine aus Fünfsilbern bestehende Strophe des Chors unterbrochen '
wird, dann in Scene III. 7 (V. 1475 — 1504) eine Aufforderung des Chors
zum Tanz und Hochzeitsschmaus, ebenfalls in Strophen von 6 Acht- fe
silbern, und endlich in der vorletzten Scene (V. 1505 fi".) eine viermal
sich wiederholende zusammengesetzte Strophe, mit welcher der Chor
der Hochzeit präludirt; auch der Wechsel des Versmasses inmitten des
Dialoges ist in sehr massigen Grenzen gehalten, indem nur einigemale |
die beiden gewöhnlichen Strophen miteinander verbunden sind. Etwas :
komplicirter ist der metrische Bau in der Arijadna^ wo wir auch Strophen
von 5, 6 und 8 Achtsilbern, zwei verschiedene Strophenlieder des Chors
und einen viel verwickeiteren Wechsel der Versmasso haben. Am
meisten gekünstelt ist aber, wie schon augedeutet, die Metrik der Pro-
zerpina: zu den beiden gewöhnlichen Strophen gesellen sich Strophen
Die Metrik Gundulic's. 289
von G Achtsilberu, Gruppen von je 2 Achtsilbern und Sechsailberu. so-
wie mehrere Strophenlieder; hier kommt auch die Verbindung von
Sechssilbern mit Zwölfsilbern und mit Achtsilbern, hier endlich ein
häufiger und mannigfaltiger Wechsel im Versmasse vor. Da nun die
Dubracka mit ihrer einfachen Metrik das jüngste Drama G.'s ist, sollte
iie Prozerpina dennoch nicht älter sein als die Arijadtia? Man könnte
hierfür auch auf den zwischen beiden Dramen bestehenden Unterschied
in Bezug auf die unreinen Reime mit s-z, ö-~ hinweisen (vgl. S. 2(1 Ij.
Wie sehr aber G. in seinen jüngeren Jahren einen mannigfaltigen me-
trischen Aufbau des Dramas liebte, zeigt uns am besten seine Ai-ijach/a,
die üebersetzung der Ariatma des Ottavio Rinuccini (erschienen zuerst
im Jahre 1GÜ8): das italienische Original besteht fast ausschliesslich aus
Elfsilbern und Siebensilbern, welche in verschiedener Weise aufeinan-
der folgen und miteinander reimen ; nur im Prolog, sowie in vier Chor-
liedern (welche den Stellen V. 257—276. 728—775. 1487— löKi.
1733 — 1767 der Arijadna entsprechen) hat Rinuccini ein anderes
Versmass. Wir würden nun erwarten, dass G. für den Dialog sich
ebenfalls mit seinen beiden Strophen (8X4, 12x2) begnügen und
nur an den oben bezeichneten Stellen ein anderes Versmaass wählen
wird; in der That aber hat G. nicht nur für die vier Chorlieder beson-
dere Metra genommen (den aus vierzeiligen Strophen von Elfsilbern be-
stehenden Prolog hat er mit der gewöhnlichen achtsilbigen Strophe über-
setzt!), sondern noch an ziemlich vielen Stellen Strophen von 5, G und
b Achtsilbern angewendet; übrigens diesen letzteren Umstand könnte
man auch als eine Anlehnung an das an keine bestimmte Anzahl der
Verse gebundene Versmass des Originals erklären. — Durch die gegen-
wärtige Untersuchung der Metrik G.'s glaube ich einige Punkte hervor-
gehoben zu haben, welche bei der Frage, ob ein Gedicht in die Zeit vor
oder nach Gundulic fällt, neben anderen Argumenten ins Feld geführt
werden können; speciell in Bezug auf G. selbst kann man einzelne Er-
scheinungen (Reimverbindung, unreine Reime, Mannigfaltigkeit der
Versmasse) auch für die chronologische Reihenfolge der Werke G.'s
verwerthen, besonders aber, — da in der neuesten Zeit dem G. auch
Werke zugeschrieben werden, die kaum von ihm herrühren dürften, —
kann man auch aus einer genauen Kenntniss der Metrik G.'s ein sehr
starkes Argument pro oder contra in dieser Frage haben.
M. Beietar.
Archiv für slavisehe Philologie. XXV. 19
u
290
Die Bedeutimg Gogol's für die heutige internationale
Stellung der russisclien Literatur.
Nicht selten trägt die histo-
rische Gedenkfeier zu Ehren ir-
gend eines grossen Mannes in der
Literatur oder Kunst, wie derzeit
zu Ehren Gogol's. einen doppel-
ten Charakter an sich: den der
weihevollen Erinnerung an das
grosse vom Denker oder Künstler
vollbrachte Werk, häufig aber
auch zugleich den des wehmüthi-
gen Gedenkens jeuer schweren
Kämpfe, denen nicht nur Denker
und Männer der öffentlichen Thä-
tigkeit, sondern oft auch Dich-
ter ausgesetzt waren , eines
Ringens, in welchem auf den heis-
sen Tag nicht immer ein milder
Abend des Trostes über den er-
zielten Erfolg folgte, oft sogar den Betreffenden bange Zweifel beschli-
chen, ob er auf richtigem Wege zu seinem Ruhme gelangt, ob nicht
dieser Ruhm selbst eine Sünde, ein Verbrechen sei, während ev in Wirk-
lichkeit ein gerechter, wohlverdienter war. Diese beiden Eindrücke
machen sich auch bei der Erinnerung an Gogol geltend: wir können
jetzt schon den vollen Umfang seiner segensreichen Wirksamkeit auf
dem Gebiete der vaterländischen Literatur überblicken, und doch müht
man sich noch immer mit der Lösung der schwierigen psychologischen
Frage über jenen qualvollen seelischen Zwiespalt ab, der ihn in den
letzten Lebensjahren wie ein Alp drückte und unter dessen Druck er
auch sein Leben abschloss.
Seine Lebensgeschichte ist bekannt, es genügt einige Hauptzüge sei-
nes intimen Lebens und Schaffens hervorzuheben, die die Grundlage sei-
ner Biographie und seiner grossen geschichtlichen Bedeutung ausmachen. !
Die Bedeutung Gogol's für die heutige Stellung der russ. Literatur. 291
Gogol steht auf dem ganzen Gebiet der russischen Literatur als eine
Grösse ersten Ranges da. Die Würdigung seiner geschichtlichen Rolle
legt vor allem den Gedanken nahe, einen Vergleich zwischen der russi-
schen Literatur von damals, als er den Schauplatz verliess, und von
heute, bei dem hundertjährigen Jubiläum desselbeu, anzustellen. Im
Ganzen und Grossen hat sich die Stellung und die Rolle der russischen
j Literatur während dieser Zeit ihrer Geschichte gewaltig geändert. Vor
' einem halben Jahrhundert war die russische Literatur in Europa so gut
wie unbekannt, nur dunkle Gerüchte über ihre Existenz drangen nach
dem Westen, nur Avenige Namen wurden nach den Angaben der Russen
selbst immer von neuem genannt, mau fand an ihr kein besonderes In-
teresse, und zwar mit Recht, da man ja zumeist nur direkten Widerhall
i der damaligen geistigen Bewegung Europas in ihr wiedergefunden hätte.
Im gegenwärtigen Augenblick steht dagegen die Sache ganz anders : die
russische Literatur hat in den Augen der europäischen Lesewelt und
Kritik ihre eigene, unabhängige Stelle eingenommen ; die neueren russi-
schen Schriftsteller erscheinen in unzähligen Uebersetzungen, machen
einen mächtigen Eindruck, ihre Namen werden allgemein bekannt, man
fängt an in den Sinn der russischen Literatur einzudringen, oder gibt
sich wenigstens die Mühe denselben zu erfassen. Ein berühmter Name
derselben geniesst jetzt schon im wahren Sinne des Wortes einen Welt-
ruhm, ja man schickt sich an, in dem russischen Buch das erlösende
Wort zu suchen.
Die in den letzten Decennien bis zur grossen Popularität in den
europäischen Literaturen gelangten Namen sind wohl bekannt: allen
ging, wie es scheint, Turgenjev voran, dann kam Dostojevskij, zum
Theil Goncarov an die Reihe, alle überstrahlte der Ruhm des Grafen
L. N. Tolstoj, jetzt aber spricht Europa auch schon von unserer jungen
Generation, in erster Reihe von Maxim Gorkij. Forscht man über den
Ursprung jenes inneren Gehaltes, der der heutigen russischen Literatur
eine so grossse Anziehungskraft verleiht, geschichtlich nach, so muss
man unzweifelhaft gerade Gogol als eine der Hauptquellen jenes tiefen
inneren Sinnes anerkennen.
Man könnte zwar dagegen einwenden, dass Gogol in der europäi-
schen Literatur keine besondere Popularität geniesst, keinen bedeu-
tenden Einfluss ausübt und wohl auch nie ausgeübt hat. Das ist wahr.
Gogol ist der europäischen Lesewelt wenig bekannt und wahrscheinlich
auch wenig verständlich; er enthält zu viel specifisch, technisch, russi-
19*
292 A. N. Pypin,
sches, für die europäischen Begriffe fremdes, nicht selten geradezu etwas
wie von einer anderen Culturstufe herrührendes. In gleicher Weise ist
der europäischen Lesewelt auch ein anderer von den grossen Schrift-
stellern der russischen Literatur so gut wie unzugänglich — der Sati-
riker Saltykov. Möglicherweise liegt auch L. N. Tolstoj in seineu Er-
zählungen und Dramen aus dem Volksleben dem europäischen Verständ-
niss nicht nahe genug. Doch betreffs Gogol's schwebt uns eigentlich der
Entwickelungsprocess der russischen Literatur,der ebenfalls der Kritik des
Westens wenig bekannt sein dürfte, vor: Gogol gebührt der Hauptantheil
an der Schaffung jener sittlichen Stimmung, die ihm nebst seinen genialen
künstlerischen Anlagen eine führende liolle in der russischen Literatur
verschaffte ; gerade diese Stimmung war es, die in die weitere Literatur-
entwickelung den hohen Ton des gesellschaftlichen Interesses und sitt-
lichen Gefühls brachte, woraus sich zum grossen Teil jener moralische
und poetische Zauber ableitet, durch den gegenwärtig die russische
Literatur das europäische Lesepublicum fesselt.
Wie fasst nun die westeuropäische Kritik jene russischen Schrift-
steller auf, die in Europa so viele Verehrer finden ? Wir sprechen von der
Kritik, weil offenbar diese hauptsächlich bemüht ist, die unmittelbaren
Eindrücke zum Bewusstsein der Massen zu bringen. Vor allem war man
von der Fülle und Originalität der russischen Kunstproduction überrascht.
In der That repräsentiren die oben genannten Schriftsteller eine hohe
und seltene Stufe der knnstschöpferischen Begabung, die allein schon
ihnen einen bleibenden Erfolg gesichert hätte — doch welche Ziele ver-
folgte dieses Schaffen, welche Ideen, welche Gefühlsstimmungen suchte
es zu verkörpern?
Unter den zahlreichen Aeusserungen der europäischen Kritik, die
wir an dieser Stelle nicht alle durchnehmen können, wählen wir das Ur-
theil eines Schriftstellers, wahrscheinlich eines der bekanntesten und
vielleicht geschicktesten europäischen Kritiker der russischen Literatur.
Wir meinen den Vicomte Melchior de Vogüe. Die wesentlichste Vor-
stellung, zu der er bezüglich der russischen Schriftsteller gelangte,
besteht für ihn darin, dass diese (so würde wahrscheinlich auch Taine
sagen) ihre eigene Rasse zum Ausdrucke bringen. Vogüö wiederholt
einige Male diesen Gedanken: dieser Rasse schreibt er die Grundlage
jener Originalität zu, der er allem Anscheine nach in der eigenen fran-
zösischen Literatur nichts entsprechendes zu finden vermochte. In Tur-
genjev eutdeckte er »une äme slave«, eine slavische Seele; in Dosto-
Die Bedeutung Gogol's für die heutige Stellung der russ. Literatur. 293
ji'vskij sah er »un vrai scythe(f, einen wahren Skythen, ii. s. w. Allerdings
würde dem Kritiker wahrscheinlich gar nicht leicht fallen mit Genauig-
keit zu bestimmen, worin diese »slavische« Seele besteht, und schliesslich
wäre es einfacher gewesen, von der russischen Seele nnd vom russischen
.\;itionalcharakter zu sprechen ; noch sclnvieriger als dies wäre es , die
^kythische« Seele Dostojevskij's mit einiger Wahrscheinlichkeit zu er-
klären, nachdem von den Skythen nicht nur Vicomte de Vogüe, sondern
auch wir einstweilen noch ziemlich unklare Vorstellungen haben. Zwei-
felsohne hat der französische Kritiker mit diesen umfangreichen Epitheten
auf jenes uranfängliche, urwüchsige, tiefe und originelle "Wesen im rus-
>ischen Volksthum, im russischen Stamme anspielen wollen, welches in
unseren grossen Schriftstellern zum Ausdruck kommt.
Uns scheinen solche Definitionen schon wegen ihres weiten Umfanga
wenig zu besagen. Wir geben zu, dass von einem weiteren internatio-
nalen Standpunkte die Definition der Literatur mit dem Hinweis auf die
r.igenthümlichkeiten der Rasse beginnen kann, — doch nicht bloss von
.li'i- ethnographischen Seite. Die Rasse stellt nichts Gegebenes, Unbe-
wegliches dar; sie ist — eine geschichtliche Erscheinung. Wie die ur-
alte Eigenart der slavischen Rasse beschaffen war, wissen wir im Wesent-
lichen nicht. Aus jenen vorausgesetzten Eigenschaften ging z. B. die
grosse Verschiedenheit der heutigen slavischen Völker hervor, weil auf
die ursprüngliche Grundlage sich ganze Jahrtausende der Geschichte
aufgeschichtet haben. In Dostojevskij gerade einen «Skythen« suchen
zu wollen, ist so sehr gewagt, dass es beinahe lächerlich klingt. Aller-
dings kann man das nur eine rhetorische Figur nennen, angewendet zu
dem Zwecke, um die elementare Originalität der russischen Literatur in
Vergleich zu den europäischen besonders stark zu betonen.
Diese Originalität unterliegt in der That keinem Zweifel. Unge-
achtet der ungeheueren Beeinflussung Seitens der europäischen literari-
schen Bewegung, die mit grosser Kraft ihres genialen Schaffens in der
Wissenschaft und Poesie auftrat, vermochte doch die russische Literatur,
Sobald sie aus ihren Lehrjahren des XVIIL und der ersten Decennien
lies XIX, Jahrh. heraustrat, sogleich die ihr von dem Volkscharakter
und dem Zusammenhang des russischen Lebens mitgetheilten Eigen-
thümlichkeiten zur Geltung zu bringen. Als sich nun diese Eigenthtim-
lichkeiten an einer ganzen Reihe begabter und zum Theile wirklich
•nialer Schriftsteller äusserten, war es kein Wunder, dass dem europäi-
hen Lesepublicum diese Eigenthümlichkeiten auffielen, da sie bei ihnen
294 A. N. Pypin,
entweder ganz unbekannt, oder schon längst überlebt, vergessen und
darum wieder neu waren. Der russische Schriftsteller, nicht selten hoch
gebildet und mit allen literarischen Strömungen Europas wohlvertraut,
arbeitete dennoch in seinem Milieu und für sein Milieu: diesem entnahm
er bewusst oder unbewusst die Eigenart des russischen Geistes, aus
ihm schöpfte er die besten Gefühle, und diese Lebensbedingungen eines
Culturmenschen im patriarchalischen Milieu schufen jene eigenartige
Stimmung, die so oft den Gegenstand der Bewunderung und daneben einer
warmen Sympathie seitens des europäischen Lesers bildete. Es schien
so, als ob man vor einer eigenen »Rasse« stände. In der That ist aber
unsere Rasse in ihren Haupteigenschaften gerade so gut »europäisch«
wie die übrigen; zwischen der europäischen und russischen Welt besteht
gar nicht jene Scheidewand, welche seit jeher die arischen Völker von
den nichtarischen auseinanderhält. Aber die Verschiedenheit der
historischen Bedingungen war allerdings ungeheuer gross. Die Ge-
schichte trennte schon seit den ältesten Zeiten das russische Volk von
den Völkern des westlichen Europa durch eine Menge cultureller Unter-
schiede , welche am Ende der Rasse selbst anzugehören schienen. Zu-
nächst war der Sitz dieser Völker an den entgegengesetzten Enden des
europäischen Festlandes. Der Westen nahm auf einem verhältnissmässig
engen Raum eine Anzahl von Völkern auf den Ruinen Roms auf. Aus der
lebhaften Entwickelung internationaler und innerer politischer Beziehun-
gen ging bei wachsender geistiger Rivalität schon seit dem Mittelalter
der Renaissance eine reiche Literatur und Wissenschaft hervor. Das
russische Leben wusste nichts davon. Während Europa den glänzenden
Weg der wissenschaftlichen Entdeckungen betrat, während es einen
Shakespeare hervorbrachte, die schöne Literatur und den freien Gedan-
ken des XVII. und XVIII. Jahrh. ins Leben rief, herrschte im russischen
Volk und sogar in seiner höchsten Klasse noch immer das Mittelalter.
Auch hier hatten sich seit den ältesten Zeiten eigenartige Lebensbe-
dingungen gebildet. Den Russen war es beschieden, das asiatische
Joch zu tragen, um es schliesslich siegreich abzuschütteln. Russlands
politische Einigung zu einem Reich, unter den schwierigen historischeu
Bedingungen des XV. Jahrh. , als die Mittel karg waren und Hilfe von
nirgends zu erwarten war, stellt eine gewaltige nationale That dar in
politischer und moralischer Beziehung , überdies eine That vollführt
durchaus im europäischen Geiste — weil ja nicht nur der europäische
politische Gedanke über den asiatischen Herdeninstinkt, sondern auch
Die Bedeutung Gogol's für die heutige Stellung der russ. Literatur. 295
das europäische, vom Christeiithum grossgezogene Nalionalgefülil den
Sieg davontrug. Nie sank das russische Volk in moralischer Be-
ziehung, auch nicht in der schwersten Noth des tatarischen Joches,
stets fühlte es sich moralisch erhaben über seine Eroberer. Im russischen
Volksbewusstsein war Eiissland »heilig«, der asiatische andersgläubige
Osten «heidnisch« («unrein«). Diese Unterscheidung dauerte ganze Jahr-
hunderte hindurch und in den schwersten Bedrängnissen war sich das
russische Volk stets seiner nationalen Ueberlegenheit und zugleich damit
seiner moralisch-religiösen Pflicht bewusst. Das neugegründete Reich war
noch sehr unfertig, primitiv in deu Lebensformen und Sitten; mit jedem
Jahrhundert war unser Abstand von der Kultur Europas grösser, der
Westen hielt uns für Barbaren und findet noch heutzutage leicht Skjthen
unter uns; — aber wenn auch die Kultur fehlte, so bildeten sich doch in
der russ. Volksmasse andere Züge von eigenem moralischen Werth aus.
Die einzige, weitverbreitete Literatur der vorpetrinischen Zeiten bestand
in der Erbauungslectüre, in den Kirchenbüchern, die sich schliesslich
dem Erkenntuissvermögen des Volkes anpassten, in der Legende, die
zuweilen ein wenig abergläubisch war, aber immer mehr den Ausdruck
der allgemeinen Ueberzeugung und Lebensregel bildete. Den Massstab
des Seelenheils, d. h. der Sittlichkeit, lieferte die kirchliche Frömmig-
keit, — beim niedrigen Stand der Bildung zuweilen gar zu äusserlicli,
was im XVIL Jahrb. den für den Staat unüberwindlichen Separatismus
des Raskol herbeiführte. Andererseits schuf diese sich selbst überlassene
Volksmasse eine reiche Volkspoesie, die in unseren Tagen der Wissen-
schaft ein höchst kostbares Material lieferte und die idealistischen Patrio-
ten zur Entdeckung des Volksthümlichen führte . . . Als nun die neuere
Gesellschaft eifrig daran ging über diesen Zustand des Volksthums sich
Klarheit zu verschaffen, da entstand, wie bekannt, eine eigene Geistes-
richtung, die für die verderbte Gesellschaft das einzige Seelenheil in
der »Einigung« mit dem Volke, zuletzt in der absoluten Vereinigung, in
dem »Ins-Volkgehen«, in der »Verbauerung« u. s. w. sah.
Wir wollen nicht sagen, dass damit die absolute Wahrheit entdeckt
wurde ; dennoch möchten wir auf diese — im Westen gänzlich unbekannte
— Erscheinung hinweisen, als auf einen deutlichen Beweis dafür, dass die
russische Gesellschaft selbst in jenem sittlichen Inhalt, den der Instinkt
und das Gefühl der ungeheueren Volksmassen im Verlaufe von Jahrhun-
derten schuf, etwas Grosses, Erfrischendes fühlte, etwas, was zur Stellung
grosser Frageu führen kann. Die Sociologeu begeisterten sich für die
296 A. N. Pypin,
Landgemeinde, in welcher sie die Panacee zur Lösung der Agrarfrage
sahen, und für das Artelwesen, als die fertige Form einer Arbeitergenos-
senschaft. Als ein wesentlicher Zug des patriarchalischen Alterthums
machte sich das Volkslied geltend. Nirgends in Europa hat sich eine so
ungeheure Menge von Volksliedern erhalten, wie sie unsere eifrigen Eth-
nographen gesammelt und noch fortwährend sammeln. Und diese Poesie
ist im höchsten Grade interessant. In lebenden Texten sind Reste der Ge-
fühlsstimmung und der Sitten aus entferntesten Zeiten auf uns gekommen.
In der Volkslyrik treten uns in poetischen Gebilden die Ausdrücke eines
tiefen menschlichen Gefühls entgegen, die einen um so mächtigeren Ein-
druck machen, wenn man bedenkt, unter welchen Bedingungen sich dieses
naive, herzinnige und nicht selten tief erschütternde Schaffen vollzog.
Die europäischen Gelehrten, die in der Lage waren, sich mit den Denk-
mälern dieser Poesie im Originale bekannt zu machen, staunten über den
imgeheueren Reichthum und poetischen Werth unseres patriarchalischen
Schöpfungsgeistes, der im Westen Europas schon längst ausgestorben ist.
So beschaffen war die «Rasse« und das Milieu.
Die westliche Kritik irrte sich nicht, als sie in den grossen neueren
Schriftstellern der russischen Literatur den Widerhall dieser »Rasse« sah,
nur war sie sich vielleicht des Weges nicht ganz bewusst, auf welchem
diese »Rasse« thätig war ... In der That, so oft in unserer Literatur
ein Dichter von der genialen Kraft eines Puskin, Gogol, Tolstoj, oder ein
hochbegabter Schriftsteller wie Turgenjev, Dostojevskij u. a. auftrat,
keiner von ihnen war im Stande, sich dem Einflüsse des Milieus, das sie
umgab, zu entziehen; bewusst oder unbewusst nahmen sie seine Ein-
drücke in sich auf, und (mögen die sogenannten reinen Aesthetiker noch
so laut das Gegentheil behaupten) alle wahrhaft grossen Talente ent-
nehmen stets dem Leben seine besten und höchsten sittlichen Elemente.
In der russischen Literatur trat zu dem noch eine andere Bedingung
hinzu. Die gebildeten Leute der neueren Zeit waren selbstredend nicht
mehr die Leute der patriarchalischen Zeit, wie ihre Vorfahren — die
Bojaren und Dvorjanen des XVI. und XVII. Jahrh. : die Erfolge der
europäischen humanen Bildung und der eigene gesunde Instinkt flössten
ihnen neue Beziehungen zur Volksmasse ein: die überwiegende Mehrheit
derselben schmachtete aber in der Leibeigenschaft, und schon seit
der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrh. Hessen sich aus dem Kreise der Ge-
bildeten stets von neuem überzeugende Rufe nach der Befreiung verneh-
men. Bei der damaligen Lage der Dinge waren diese Rufe keineswegs
Die Bedeutung Gogors für die heutige Stellung der russ. Literatur. 297
ungefährlich, zuweilen geradezu unmöglich, und wenn man dessen unge-
achtet den Muth hatte diesen Gedanken auszusprechen, so bedeutet das
offenkundig einen beachtungswerthen Ausdruck der sittlichen Würde
unserer Literatur, und wenn diese Stimmung sich die kunstschöpfe-
rische Kraft dienstbar machte, wie z. B. in einigen Schöpfungen Puskin's,
in den «Aufzeichnungen eines Jägers < Turgenjev's, im »Anton Gore-
myka« Grigorovic's, so schwang sich hiermit die Literatur bis zu ihrer
höchsten Aufgabe auf — der Vertheidigung der Menschenwürde in dem
Rechtlosen, Erniedrigten und Gekränkten.
Das Bündniss der Literatur mit der Sache des Volkes war allen klar.
Dieses Bündniss trat sowohl im Inhalt als auch in der Form orten zu
Tage. Im Inhalt konnte es durch nichts kräftiger dokumentirt werden
als durch den besagten beharrlichen Gedanken von der Befreiung der
Bauern, ein Gedanke, der auf gleiche Weise die Leute zweier Haupt-
richtungen in der Literatur bis zu dem Befreiungsact begeisterte. Hand
in Hand ging damit jenes gesteigerte Streben nach der Erforschung des
Volkslebens, das einerseits zahlreiche kunstvolle Darstellungen des Volks-
charakters hervorbrachte, ■ — sie bilden eine eigene, stark und klar aus-
geprägte Richtung in der russischen Literatur — anderseits eine Reihe
wissenschaftlicher Forschungen über das russische Alterthum und Volks-
thum ins Leben rief. Schon in diesen Produkten künstlerischen Schaf-
fens, angefangen im XVIII. Jahrb. mit Novikov und Radiscev, fortge-
setzt von Zukovskij, Puskin, Gogol und seiner Schule, äusserte sich
jener eigenthümliche Zug der russischen Literatur, welcher der west-
europäischen Literatur fast unbekannt und beinahe unbegreiflich ist —
die wunderbar unvermittelte, klare und nicht selten innige Nähe des rus-
sischen Schriftstellers zum Volke und seinem Leben . . . Unsere Litera-
tur war eben zu jugendlich, um die patriarchalische Stimmung des Volkes
nicht mehr begreifen zu können, wie dies bei der europäischen Literatur
selbstverständlich war. Die letztere arbeitete ganze Jahrhunderte
daran, um schliesslich eine literarische Kunst zu schaffen mit eigener
Richtung und conventioneller Sprache. Dazu trug auch die Volks-
masse das Ihrige bei, die auf einer verhältnissmässig hohen Stufe der
Kultur stehend jene patriarchalische Poesie, die das Interesse der Gebil-
deten hätte erwecken können, schon längst verloren hatte. Turgenjev
erzählte, Merime, der bekannte französische Schriftsteller, der mit un-
serer Literatur vertraut war, habe über die biblische Einfachheit der
Werke Puskin's ; «Gastmahl Peter's des Grossen«), die bei einem euro-
298 A. N. Pypin,
päischen Dichter unbegreiflich wäre, gestaunt. Wegen ihrer Jugend
und ihrer im Vergleiche zu den anderen geringen Verbreitung in der
Gesellschaft hat unsere Literatur noch bis heute nicht jene conventio-
nelle und oft gesuchte Redeweise ausgearbeitet, welche den westlichen
Literaturen eigen ist. Sie bewahrte sich stets ihre Nähe zu dem reiclien
Born der lebendigen Volksrede. Wir selbst waren Zeugen davon , wie
der grösste russische Schriftsteller der Jetztzeit sich entschloss, seine
früheren Kunstwerke ganz zu verläugnen, weil sie für ein höheres Lese-
publikum geschaffen waren, um seine Thätigkeit künftighin der gesammten
lesenden Volksmasse zu widmen: eine ganze Reihe seiner Schöpfungen
aus dem Volksleben und der Legende schrieb er mit Ausserachtlassung
des Conventionellen in der Form und Sprache, um dem gesammten lese-
kundigen Publikum zugänglich zu sein ; dabei schreckte er sogar vor
ungehobelten und rauhen Ausdrücken der Volksrede nicht zurück.
Dies alles musste dem europäischen Leser, der mit der russischen
Literatur in Contact kam, ungemein originell, fremd und oft auch wenig
verständlich erscheinen. Es verblüfl"ten ihn auch Inhalt, Form und
Sprache. Kein Wunder also, wenn der europäische Kritiker bei der
Bestrebung sich diese eigenartigen Züge zu erklären, wie Vicomte de
Vogüe, zu dem Schlüsse kam, diese Eigenthümlichkeiten seien auf die
»Rasse« zurückzuführen, die russischen Schriftsteller besässen eine
»slavische Seele« u, s. w. Wir haben oben dargelegt, dass es sich nicht
so sehr um die »Rasse« als um die historische Nationalität handelt. Die
russische Literatur ist thatsächlich ein Produkt russischen Nationallebens
und in ihren bedeutendsten Erzeugnissen ein treuer Ausdruck seiner
besten sittlichen Stimmungen und Ideale.
Wir feiern das Jubiläum Gogol's zu einer Zeit, in der die Wirkung
der russischen Literatur das Territorium Russlands und seiner Sprache
bereits überschritten hat . . . Wenn sich bei uns, aus unseren eigenen
Reihen noch vor kurzem die Unzufriedenheit über die ungenügende
Selbstständigkeit unserer Literatur gegenüber den europäischen Ein-
flüssen vernehmen Hess, so beweist der gegenwärtige Erfolg in Europa
mit den erwähnten slavischen und skythischen Epitheten zur Genüge,
dass dieser Unzufriedenheit nichts weiteres als eine optische Täuschung
zu gründe lag. Unserer Literatur war lange die internationale Kritik
unbekannt, und darum ist es begreiflich, dass ein ungetrübtes, dazu
noch fremdes Auge manches entdecken konnte, was unseren Blicken
entging. Die ausländische, mehr oder weniger competente Kritik be-
Die Bedeutung GogoPs für die beutige Stellung der russ. Literatur. 299
merkte den Zusammenhang russischer literarischer Erscheinungen mit
den westlichen, zuweilen sogar eine gewisse Abhängigkeit, zugleich aber
fand sie darin eine ungewöhnliche und in Europa unbekannte Origi-
nalität und Gewalt. 80 gelangte die Frage von den selbstständigen
Elementen der russischen Literatur zur Lösung.
Wenn wir uns fragen , wo diese Selbstständigkeit ihren Ursprung
hat, finden wir die Antwort vor allem in der unlängst feierlich ausge-
sprochenen Anerkennung der grossen nationalen Verdienste Puskin's.
Er verlieh unserer Literatur ein selbstständiges künstlerisches Gepräge,
aber vollständig löste er diese Aufgabe noch nicht. Ein grosser
Theil fiel Gogol zu. Einige Male wurde die Frage gestellt, welcher von
den beiden grossen Dichtern einen stärkeren Einfluss auf die Bewegung
in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ausübte ; wer wirkte mehr — Pus-
kin oder Gogol. Diesen oder jenen vorzuziehen wäre ein willkürliches
und eitles Beginnen. Die Erscheinungen der Literatur sind immer so
complicirt, dass wir uns umsomehr der Wahrheit nähern, je mehr zu-
sammenwirkende Factoren wir entdecken. Diejenigen, die Puskin zum
einzigen Begründer der neueren russischen Literatur erklären wollten,
führten unter anderm die begeisterten Worte an, mit welchen Gogol
selbst Puskin als seinen Lehrer anerkennt; sie führten auch die Worte
Turgenjev's an, der sich in der zweiten Generation zum Schüler Puskin's
bekennt. In der That war Puskin ein mächtiger Factor bei der Gründung
der neueren russischen Literatur ; er schloss die alte, vorbereitende Periode
ihrer Entwickelung ab und entdeckte zuerst den Weg des selbstständigen,
nationalen Schaffens. Deswegen aber fällt Gogol ein nicht weniger be-
deutender Antheil zu. Möge er auch noch so sehr Puskin als seinen Lehrer
hervorgehoben haben, der Schüler und der Lehrer waren sich so wenig
ähnlich, dass man sie unter keiner Bedingung in das Verhältniss einer
unmittelbaren Abhängigkeit bringen kann. Gogol selbst gab an, das
Sujet der «Todten Seelen« von Puskin bekommen zu haben, aber der-
selbe Gogol erzählte auch, dass Puskin nach dem Durchlesen der ersten
Skizze aus diesen »Todten Seelen« tief ergriffen war von dem Bilde,
welches sich ihm augenscheinlich ganz unerwartet aufrollte. Nach
den eigenen Worten Gogol's wurde «Puskin, der beim Lesen meiner
Sachen stets zu lachen pflegte (er liebte nämlich das Lachen sehr), wäh-
rend er jetzt las, allmählich immer finsterer und finsterer, bis er zuletzt
ganz düster aussah. Als das Lesen zu Ende war, sagte er mit betrübter
Stimme: Mein Gott, wie traurig unser Piussland ist<: ... In diesem Ein-
300 A. N. Pypin,
drucke kam der ganze Unterschied zweier Schriftsteller und ihrer Einwir-
kungen klar zu Tage. In der genialen Begabung Gogors gab es Züge,
die Puskin fehlten. Neben einer aussergewöhnlichen Beobachtungs-
fähigkeit, mit der er die Charaktere zu erfassen und darzustellen ver-
stand, und die ihn zum Begründer des russischen Realismus iu der Lite-
ratur machte, schaute er auf die Welt mit jenem eigenartigen (der »Rasse«
nach — kleinrussischen, nach der literaturhistorischen Richtung zum Th.
romantischen) Humor, der ihm die Fähigkeit gab «durch das sichtbare
Lachen« auf »die unsichtbaren und unbekannten Thränen« hinzudeuten;
mit anderen Worten unter der äussern Form einer scherzhaften Erzäh-
lung den Vorhang von einem schweren, dunklen Bilde des wirklichen
Lebens fallen und das persönliche sittliche Gefühl sowie das der Gesell-
schaft höher steigen zu lassen. So beschaffen waren schon jene Peters-
burger Erzählungen, die als Erstlingswerke Gogol's Bielinskij veran-
lassten in Gogol einen grossen russischen Schriftsteller zu begrüssen; so
beschaffen war dann sein »Revisor«, und schliesslich sein Hauptwerk,
die «Todten Seelen <f ... In der Folgezeit verwarf Gogol in seiner
düstern Gemüthsstimmung (in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre) mit
Hartnäckigkeit diese sociale Seite in seineu Werken, als ob dadurch in
eine hohe Kunst leichtsinuiger Spott und Karrikatur eingerissen wären,
aber das Publikum davon zu überzeugen war er nie im Stande, und
dieses bat bis heute nicht aufgehört, gerade diese seine Werke für die
Krone seines Schaffens und für die besten Schöpfungen der russischen
Literatur überhaupt anzusehen . . . Um diese seine Werke verläugnen zu
können , musste sich Gogol von sich selbst lossagen. Und wirklich be-
herrschte ihn schon seit seiner frühesten Jugend ein dunkles aber be-
harrliches Bewusstsein, er sei zur Vollführung einer grossen und für sein
Vaterland wichtigen Leistung berufen. Schon zur Zeit, als ihm dies als
eine unklare Ahnung vorschwebte, stellte er sich Fragen, die diese seine
Mission betrafen, und sah mit Geringschätzung auf jene seiner Gefährten
herab, die sich von keinen Lebensfragen beunruhigen Hessen; er
nannte sie verächtlich »Existenzen«, gerade so wie er später stets mit
verächtlicher Ironie von den Leuten der Gesellschaft sprach, die »ein
Bisschen gleichgiltig sind gegenüber der Literatur« u. s. w.
In den ersten Jahren seines Petersburger und Moskauer Aufent-
haltes, als er noch nichts anderes als seine »Abende« geschrieben hatte,
verblüffte Gogol als ein Jüngling von zwei- oder dreiundzwanzig Jahren
erfahrene Literaten der älteren Generation wie Pletnjev und S. T. Ak-
Die Bedeutung Gogol's für die heutige Stellung der russ. Literatur. 301
sakov mit seineu tiefernsten Ansichten betreffs der hohen Bedeutung
der Kunst; und dass mau in ihm eine aussergewöhnliche Schöpfungskraft
erblickte, davon zeugen die Artikel über ihn sowohl von Pletnjev als
Aksakov, wie auch der Umstand, dass der junge Anfänger als ein eben-
bürtiger Schriftsteller in den Kreis Puskin's und Zukovskij's aufgenom-
men wurde. Welche Ziele verfolgte nun diese seine schöpferische Kraft?
Gerade jene Verwendung der Kunst, die sich mit der ruhigen epischen
Darstellung des Lebens oder mit der Lyrik seiner eigenen Gefühle nicht
zufrieden stellt, sondern darnach strebt sittliche Fragen des socialen
Lebens aufzuwerfen, durch die äussere Hülle der gesellschaftlichen
Sitten in ihr wahres Inneres zu dringen, die ganze sittliche Verdorben-
heit aufzudecken und auf die daraus entspringenden Leiden hinzu-
weisen. Das Resultat war nicht nur ein künstlerischer, sondern auch ein
tiefer socialer Eindruck. In seinen spätem Jahren machte sich Gogol
in seinem konservativen Pietismus Gewissensbisse daraus, dass er in
seinen Schriften zu viele schlechte und fast gar keine ideale, die Seele
erhebende und mit dem Leben aussöhnende Charaktere gezeichnet hatte ;
er behauptete, seine satirischen Darstellungen wären Karrikaturen (ob-
schon er auch später selber zugab, dass man eine Aussöhnung nicht her-
vorzaubern kann, wenn sie in der Wirklichkeit nicht existirt), — jedoch
diese seine späteren Selbstbeschuldignngen waren völlig ungerecht. Dass
seine Darstellungen des russischen Lebens nicht falsch und keine Karri-
katuren waren, das bewies am besten das russische Publikum mit dem
Garen Nikolaj I. an der Spitze, der den »Revisor« auf die Bühne brachte;
das Volk aber verschaffte Gogol einen literarischen Erfolg, der mit jenem
Puskin's rivalisirte. Die literarische Kritik — mit Ausnahme jener Weni-
gen, dieauseinerDieustfertigkeiteigenthümlicher Art bestrebt waren, die
öffentliche Bedeutung des Dichters herabzusetzen oder den Realismus Go-
gol's infolge ihrer Vorliebe für den romantischen Schwulst thatsächlich
nicht verstanden — empfing Gogol mit Bielinskij an der Spitze mit wahrem
Enthusiasmus, indem sie nicht nur seine überwältigende künstlerische
Meisterschaft bewuilderte, sondern in ihm auch jene sociale Bedeutung
richtig und hoch zu schätzen wusste, in welcher sie das Unterpfand des
öffentlichen Gewissens sah, das vor Gogol in unserer Literatur noch nie
mit einer solch überzeugenden Kraft zum Ausdrucke gekommen war. Die
Kritik war weit davon entfernt, Gogol den Mangel »idealer Gestalten«
vorzuwerfen, — ein erhabenes sittliches und gesellschaftliches Ideal stieg
vor dem Geiste des Lesers von selbst auf, das Ideal, nach dem das
302 A. N. Pypin,
instinktive Gefühl als nach dem Gegensatz zu diesen Bildern der nega-
tiven Wirklichkeit verlangte. Aber auch der Dichter selbst wies an vielen
Stellen dem Leser den Weg zu diesem Ideale. Häufig unterbrach er
selbst den Gang der Satire oder der Darstellung drückender Erschei-
nungen des Lebens, und, als ob er selbst vom schweren Bilde ermüdet
wäre, aus der Rolle des Erzählers fallend, ergoss er seine eigenen Ge-
fühle in lyrischen Excursen und moralischen Commeutaren. Die Gefühle
stiegen in Gogol so hoch und spiegelten sich in einer solchen Tiefe der
Menschlichkeit, dass ihm ein scherzhaftes Geschichtchen unwillkürlich
in ein Drama überging oder in eine tieferschütternde Erzählung, bei
welcher der Leser unmöglich gleichgültig bleiben konnte . . . Schon in
den ersten Petersburger Erzählungen kündigt sich diese Seite seines
Talentes laut an.
Von welcher Innigkeit ist die Erzählung vom stillen, unbemerkten,
anscheinend nichtigen Dasein der »Gutsbesitzer aus der guten alten
Zeit« durchdrungen! Wie gewaltig ist der Eindruck der einfachen Ge-
schichte «Der Mantel«, worin erzählt wird, wie einem armen alten Be-
amten sein Mantel von Räubern gestohlen wurde. Wir erinnern nur an
eine Episode: »Erst wenn der Spass gar unerträglich wurde, als man
ihn an dem Arm fasste und bei seiner Arbeit hinderte, sagte er: ,Lasst
mich ! Warum kränkt ihr mich ? ' und etwas Seltsames lag in diesen
Worten, sowie auch in der Stimme, mit welcher er sie hervorbrachte.
Es klang heraus so etwas Trauererregendes, dass ein junger, erst vor
kurzem eingetretener Mensch, als er sich nach dem Beispiele Anderer
auch einen Scherz mit ihm erlaubte, plötzlich inne hielt, wie durch's
Herz gestochen, und seitdem schien es ihm, als ob sich alles vor ihm ver-
ändert und in anderem Lichte gezeigt hätte. Irgend eine übernatürliche
Macht zog ihn weg von seinen Kollegen, mit denen er in Bekanntschaft
getreten war, weil er sie für anständige, feine Männer gehalten hatte.
Und noch lange nachher erschien ihm oft in den fröhlichsten Augenblicken
der kleine Beamte mit dem Glätzchen auf dem Scheitel und seinen er-
greifenden Worten: ,Lasst mich! Warum kränkt ^hr mich ? • Und in
diesen erschütternden Worten klangen andere Worte mit: ,Icü bin dein
Bruder'. Und der arme junge Mensch bedeckte sich das Gesicht mit den
Händen, und viele Male in seinem Leben erzitterte er, wenn er sah, wie
viel Unmenschliches im Menschen steckt, wie viel grausame Roheit in
der gebildeten , gesellschaftlichen Finesse und , mein Gott ! sogar in
jenen Menschen, die die Welt für edel und rechtschaffen hält« . . . Die
Die Bedeutung Gogol's für die lieutige Stellung der russ. Liteiutur. 303
scherzhafte Geschichte vom Streite Ivan Ivanovic's mit Ivan Nikiforovic
schliesst mit einer traurigen, vom Leser nicht erwarteten Note, die über
die ganze Erzählung einen Schatten verbreitet. In den wunderbaren
»Aufzeichnungen eines Irrsinnigen k erscheint im komischeu und furcht-
baren Bilde des Irrsinns am Schlüsse die Erinnerung des unglücklichen
Irren an die Mutter — bei ihr allein hofft er Zuflucht zu finden. Das
Finale der «Aufzeichnungen« ist eine ganze Tragödie, eine der gewal-
tigsten Episoden in der ganzen russischen Literatur. In der Skizze
»Nach dem Theater« schrieb Gogol in den letzten Schlussworten des
Dichters seine eigenen Gedanken über die Bedeutung der Literatur
nieder. Der Dichter sagt, dass seine Seele nicht ruhig ertragen konnte,
wenn die vollendetsten Schöpfungen mit den Worten: »ein Histörchen«,
«dummes Zeug« abgefertigt wurden: »Meine Seele härmte sich ab, als
ich sah, wie viele stumme, todte Erdenbewohner es hier, mitten unter
uns gibt, furchtbar durch die unbewegliche Kälte ihrer Seelen und un-
fruchtbare Oede ihrer Herzen; sie härmte sich ab, wenn in ihren gefühl-
losen Gesichtern nicht ein Schein des Ausdrucks zu bemerken war dort,
wo eine heissliebende Seele in himmlische Thränen ausbrechen würde, und
ihre Zunge nicht zögerte ihr ewiges Wort hervorzubringen : , Histörchen ! '
Histörchen ! . . . Aber Jahrhunderte sind vergangen, Städte und Völker
verschwunden von der Oberfläche der Erde, wie Kauch ist zerstoben
alles, was da war, aber die Histörchen leben und wiederholen sich noch
heute und es hören sie weise Kaiser, tiefsinnige Verweser, der herrliche
Greis und der von edlen Strebungen beseelte Jüngling« ... Es folgt die
Vertheidigung seines eigenen Werkes.
In diesem Stück hat Gogol in einer Reihe fein geschriebener Scenen
verschiedene Eindrücke der Leser und Zuschauer seines Stückes gesam-
melt und er verweilt besonders bei jenen Vorwürfen, die ihm von den
Anhängern der literarischen Routine und nicht weniger von jenen der
Beamtenroutine gemacht wurden, die sich gewöhnt hatte zu behaupten,
es stehe alles gut und darum über jedeMissethat das Gras wachsen Hess.
Das Stück, in welchem zum ersten Male in der russischen Literatur
darüber bittere Wahrheit unumwunden ausgesprochen wurde, erregte
im Lager der Getroffenen furchtbaren Unwillen : man beschuldigte den
Dichter, er greife die Autorität der Regierung an; feindliche Kritiker
warfen ihm rohes Karrikiren, leeres Gespötte u. s. w. vor. Fest über-
zeugt von der Richtigkeit seines Schaffens sprach er: «Muthig vorwärts!
Und möge meine Seele sich nicht verwirren lassen von dem Tadel . . .
304 A. N. Pypin,
und sie möge sich nicht verdüstern auch dann, wenn ihre hohen Be-
strebungen und ihre heilige Vaterlandsliebe in Verdacht gezogen würden!
Die Welt ist wie der Wasserwirbel : ewig steigen darin Meinungen und
Begriffe auf und ab; die Zeit aber mahlt alles wieder um: wie die
Schalen fallen die falschen ab und den schweren Körnern gleich bleiben
die wahren liegen . . . Und wer kann es wissen, vielleicht werden
einst Alle einsehen, dass infolge derselben Gesetze, nach welchen ein
stolzer und gewaltiger Mensch im Unglück schwach und nichtig er-
scheint, der schwache aber sich hoch aufrichtet, in seinem Elend einem
Riesen gleich, — dass nach denselben Gesetzen Derjenige, der die mei-
sten und bittersten Seelenthränen vergiesst, vielleicht am meisten lacht
in der Welt « ! ...
Schon früher sah Bielinskij, wie wir oben sagten, unter dem Ein-
drucke der ersten Erzählungen Gogol's in ihm einen grossen Schrift-
steller der russischen Literatur (Gogol zählte damals ungefähr 25 Jahre,
der Kritiker war um ein Jahr jünger); »Revisor« und »Todte Seelen«
bestätigten seine begeisterte Prophezeiung. Gogol selbst sprach in den
»Todten Seelen« an einigen lyrischen Stellen überzeugt davon, was
Russland von ihm erwartet, und vor seinen Augen stieg das Bild der be-
vorstehenden, zukünftigen Grösse des russischen Volkes auf. . . In jenem
Momente schienen die Worte des Dichters über sich selbst au einem zu
grossen Selbstvertrauen zu leiden; seitdem aber der Schriftsteller und
sein Werk Eigenthum der Geschichte geworden sind, werden diese
anscheinend phantastischen Worte zum kostbaren Zeugnisse der unbe-
dingten und selbstlosen Ergebung des Dichters in seine hohe Aufgabe,
zum Zeugnisse seiner feurigen Erwartungen der Grösse des russischen
Volkes und Staates . . . Das Finale des ersten Theiles der «Todten
Seelen« bildet das bekannte phantastische Bild Russlands, welches vor
ihm wie «ein flinkes, uneinholbares Dreigespann« dahinfährt »ganz
gottbeseelt«. »Russland, wo fährst du denn hin? Antworte. Es anwortet
nicht . . . und andere Völker und Staaten treten mit scheelem Blick zur
Seite und machen ihm den Weg frei «.
Wir haben gesehen, dass thatsächlich andere Völker »mit scheelem
Blick« unter anderem auch der russischen Literatur den Weg freigaben.
So war der Dichter beschaffen. Die grosse Bedeutung Gogol's be-
steht darin, dass er zuerst seine geniale künstlerische Thätigkeit nicht
den abstrakten Themen der Kunst und auch nicht einem ruhigen, dem
Leben gegenüber apathischen Epos, sondern gerade der unmittelbaren
Die Bedeutung Gogol's für die heutige Stellung der russ. Literatur. 305
und alltäglichen Wirklichkeit des Lebens gewidmet hat und in sein
Werk die ganze Leidenschaft des Suchens nach Wahrheit, der Liebe zum
gemeinen Volke, Vertheidigung seiner Rechte und Würde, Blosslegung
eines jeden sittlichen Uebels, das unser Leben umgibt, hineingelegt hat.
Er wurde zum Dichter der Wirklichkeit und sein grosser Ruhm war
schon nicht mehr das Resultat des ästhetischen Geschmackes allein,
sondern auch einer gewaltigen öffentlichen Wirkung . . . Wenn wir die
weitere Entwickelung der russischen Literatur verfolgen, so erscheint uns
klar und deutlich, dass die Vorliebe dieser Literatur für die Darstellung
der inneren Vorgänge seines eigenen Lebens und für die Darstellung
öffentlicher Erscheinungen, für die Verurtheilung der socialen Lüge und
das Suchen nach dem sittlichen Ideal, dass alle diese Lebensstrebnngen
der Gesellschaft — auf dem rein künstlerischen Gebiete vor allem auf
Gogol zurückgehen. So entstand das erste Werk Dostojevskij's »Elende
Menschen« unter dem sichtbaren Einflüsse des Gogol'schen «Mantels« ;
ebenso erinnern seine Helden, die das innere Gleichgewicht verloren
haben (»Hausmeister« u.a.) an die »Aufzeichnungen eines Irrsinnigen«:
die sogenannte »naturalistische« Schule der Vierziger Jahre leitete sich
schon damals von den Eingebungen Gogol's ab. Die ganze Färbung
der darauffolgenden, auf das Studium der öffentlichen Erscheinungen
gerichteten Literatur zeugt vom moralischen Einflüsse Gogol's . . .
Man kennt den schweren inneren Kampf, den Gogol in seinen
letzten Jahren durchlebte, nach dem wahren Sinne der Kunst forschend.
Sein Geist war nicht im Stande, die Aufgaben, die er sich stellte, zu
lösen; unzufrieden damit, was er bisher geschaffen hatte, kam er dazu,
seine früheren grossen Schöpfungen, sein »Lachen«, das er früher so
beredt zu vertheidigen wusste, zu verdammen; er gerieth in einen ver-
hängnissvollen Widerspruch mit sich selbst und in öffentliche und
traurige Verirrungen, die (nach dem Erscheinen der »Ausgewählten
Stellen«) einen heftigen Unwillen unter den begeisterten Verehrern
seiner früheren Werke hervorriefen, — aber mitten in diesem be-
dauernswürdigen Irrthum, der für ihn eine wahrhaft tragische Bedeu-
tung gewann, blieb ihm dennoch ein Zug, welcher entwaffnete und ver-
söhnte : dieses — Preisen der Kunst, das in ihm die Form eines reli-
giösen Gottesdienstes annahm.
Unter den schwierigen äusseren Umständen, in welchen sich die
russische Literatur infolge des ihr von der Geschichte zu Theil gewor-
denen Geschickes befindet, kam sie in den bedeutendsten Momenten ihrer
Archiv für slavische Philologie. XXV. 20
;i06 A. N. Pypin,
Entwickelung ihrer hohen moralischen Aufgabe thatsächlich voll nach.
In der auf Gogol folgenden Periode zeigte die russische Literatur einen
seltenen Reichthum hoher Talente, die eigens dafür aufgetreten zu sein
schienen, um das theuere Vermächtuiss Piiskin's und Gogol's zu er-
füllen; Arbeiter stellten sich ein, nachdem vorher das Ziel klargelegt
worden war.
Das waren mächtige, originelle Talente; ein jeder Schriftsteller
ging seine eigenen Wege, jeder brachte in die Literatur seine eigenen
künstlerischen Eigenthümlichkeiten , doch alle beseelten dieselben ge-
meinsamen idealen Bestrebungen, diejenigen, die heute in den Litera-
turen Westeuropas Bewunderung und Sympathien hervorrufen. Die
westlichen Kritiker scheinen hier vor der »slavischen Seele« zu stehen,
es schweben ihnen die «Skythen« vor: indess ist dies einfach nichts
anderes, als das Resultat der inneren Geistesarbeit der besten Kräfte
des russischen Volkes. Diese Arbeit fand ihren Ausdruck in der Lite-
ratur, in welcher ein langes Suchen des sittlichen Gefühles und der
künstlerischen Thätigkeit mit allgemein menschlichen, theilweise von
Europa beeinflussten, im Ganzen aber in eigener Arbeit entwickelten
Kulturidealen innige Verbindung einging, wozu sich noch die herzliche,
menschliche Nähe zu seinem Volke hinzugesellte. Die Arbeit war schwer,
verlangte nicht selten wahrhafte Selbstaufopferung. Daraus allein aber
konnten schliesslich jene erhabenen Schöpfungen hervorgehen, die
sich so sehr durch einen warmen Idealismus, durch das Suchen der
Wahrheit und staunenswerthe künstlerische Einfachheit auszeichnen.
Das eine wurde durch eine langandauernde sittliche Thätigkeit der Ge-
sellschaft, das andere durch eine langandauernde liebende Beziehung
zum Volke erreicht. Und der Löwenantheil in dieser bedeutungsvollen
Bewegung fiel dem vielgeprüften Gogol zu.
St. Petersburg. A. N. Pypin.
307
Ein Beitrag zur Geschichte der südslavischeii
Wanderungen.
Einige in der letzten Zeit er-
schienene Arbeiten, welche die
Ausbreitung der Slaven nach den
Balkanländern behandeln, stim-
men mit den älteren Ansichten
Mülienhoff's oder Rössler's nicht
nur in dem Punkte überein, dass
sie den Uebergang der Slaven in
das alte Moesien erst in das VI.
Jahrh. hinaufrücken, sondern auch
überhaupt deren Erscheinen an
der unteren Donau vor dem V.
Jahrb. nicht anerkennen wollen ').
Und Herr Radonic äusserte sich
vor kurzem in einem sonst sehr
lesenswerthen, gegen A. Vasiljev
gerichteten Aufsatze in folgendem
Sinne: KpajeM V. n noyexKOM
VI. BBKa jeAHiiii onacHH nenpiija-
TeAHEnsaHTBJe iia Sana^y oexy Xynn n Eyrapn, a Cjioceiin öexy jom
npH-iH^iiio y^aibeHH na Ceßepy o;i; rpaimi^e BHsaHTHJcKe HMnepnje, tb
Hx c Tora H He bhahmo y pejonnMa EiiTH.iHJaHOBe BojcKe a c Tora ee
OHH HHKaKO II HB Mopy saMiiui.LaTii noj Mapue.iHiiOBiiM reTnMa«2).
1) S. z.B. Smirnov OiepKii kv-ibt. hct. io>kiiuxx C'jiaBain.. Kasaiir. 1900.
1.62,80; Kos Izv. mus. dr. za Kninjsko 1898, 55 ff.; Pogodin Hsi. ucr.
cjaB. nepejiB. Cn6. 1901, 50; Klaic Povjest Hrvata I. 1S99, 26. Rü ssler
schrieb (Ueber den Zeitpunkt der slav. Ansiedelung auf der unteren Donau.
Sitzungsber. Akad. Wien 1S73. 84 , dass erst der Sturz des Hunnenreiches im
J. 453 den Slaven den Anstoss zur Ausbreitung gegen die Donau gab, und
Müllenhoff sagt (DA. II. 89 , dass die Slaven während der Regierung der
Goten im Süden Russlands noch nicht bis an die Donau reichten. Vergl. dazu
S. 375 fif.
~) Im Aufsatze «Ko cy Texu y xpommu KOMeca MapucjiJiiiiia?« (Fjiac cpn.
Akeä. LX. 213;.
20*
^^^U»r//Ut<)^^'M^
308 L. Niederle,
Mit dieser Ansicht kann ich mich nicht einverstanden erklären.
Die Reaktion gegen die alte Theorie Drinov's scheint mir doch zu weit
zu gehen, besonders wenn man sich auf den Standpunkt des H. Radonic
stellen sollte, welcher von dem unmöglichen Rössler'schen Standpunkte
wenig abweicht. Ich bin anderer Meinung betreffs des Zeitpunktes, seit
dem man mit den Slaven an der unteren Donau rechnen muss und in
welchem man auch ihr Vordringen nach dem Süden annehmen kann.
Und ganz oflfen gesagt: ich begreife überhaupt nicht, wie man dies auf
Grund geschichtlicher Quellen leugnen könnte. Die Sache verhält sich
meiner Ansicht nach wie folgt.
Zuerst ist nicht nur wahrscheinlich, sondern beinahe gewiss, dass
wir schon in der ersten römischen Kaiserzeit in Ungarn einige slavische
topographische Namen antreflfen, die uns bezeugen, dass dort die Slaven
schon damals festen Fuss gefasst hatten. Hierher gehören die Namen
Tsierna — Jieqva^ Berzobis — Berzovia, Ulcus — OvolKog, später
der (.isöog der Bevölkerung, welche dem Attila unterthan war etc.
Auch die Slavinität einiger Stämme nördlichen Ursprungs, z. B. der
Costoboci oder Lugii, die im II. Jahrh. in Dacien und Ober-Moesien er-
scheinen, ist sehr wahrscheinlich. Dazu kommen noch andere Gründe
archäologischer Natur (z. B. die vielversprechenden Hypothesen Bien-
kowski's, die Anwesenheit der sogen, schlesischen Gräber in Ungarn
u. s.w.). Auf Grund dieser Thatsachen i) stelle ich mir vor, dass die Slaven
schon sehr früh über die Karpathen vorgedrungen sind und längs des
Laufes einiger Flüsse keilartig in den fremden Körper eindrangen und
slavische Inseln in den Ebenen und Gebirgen Ungarns bildeten. Ins-
besondere stelle ich mir vor, dass sie einige Flussgebiete der heutigen
Slowakei einnahmen, und dass ein derartiger Keil sehr zeitig längs der
Donau und der Theiss in das obere Moesien weiter vordrang, so dass
wir dort in der römischen Kaiserzeit eine bedeutende Slaveninsel von
Sarmaten und Dakern umringt annehmen müssen. Aber abgesehen
von dem mehr oder weniger verlässlichen Materiale.
welches in die ersten Jahrhunderte nach Chr. gehört, halte ich auf
Grund historischer Thatsachen nicht nur für bewiesen, dass die Slaven
im III. — IV. Jahrh. an der Donau sassen, sondern auch für sehr wahr-
1) Ich werde sie im zweiten Bande meiner Slaw. Alterthümer ausführ-
y V
lieh behandeln. Ueber die Kostoboker siehe meinen Aufsatz im Oes. Gas.
Eist. 1903.
Ein Beitrag zur Geschichte der siidslavischen Wanderungen. 309
scbeiülich, dass sie schon wenigstens Ende dieses Jahrhunderts den
FIuss überschritten hatten, — also zwei Thesen, welche allerdings von
der Meinung des H. Radonic oder Smirnov's weit entfernt sind.
Die erste These wird durch die Tabula Peutingeriana bewiesen
und klargelegt ^j. Auf dieser Karte, deren letzte Redaction spätestens
in das IV. Jahrh. zu versetzen ist, erscheinen die Slaven zweimal :
1) als VENADI SARMATAE inDacien zwischen der Stsiüou Ad Aquas
und dem Karpathengebirge und 2) als VENEDI in der Nähe der Donau-
mflndungen. Danach sassen also die Slaven, welche die älteren Schrift-
steller noch oberhalb der Karpathen verlegten (Plinius, Tacitus, Ptole-
maios) in der Nähe der Donau und wir haben keinen Grund, sie von
hier im III.— IV. Jahrh. zu entfernen. Die LYPIONES SARMATE
östlich von Temes, die Namen Tierna, Bersovia liefern nur weiteres Be-
weismaterial dazu.
Das Versetzen der Peutingerischen Tafel in das UI. — IV. Jahrh.
scheint mir unstreitig zu sein, wenn wir das Ganze und nicht die Einzel-
heiten betrachten. Das Ganze ist entscheidend, nicht die Einzelheiten,
welche von der Hand eines späteren Kopisten stammen können. Ein
späterer Kopist konnte leicht einen Namen in der Weise korrigiren,
wie man ihn zu seiner Zeit aussprach, er konnte leicht die Karte mit
einem christlichen Embleme, oder mit einer neuen geographischen Le-
gende versehen. Deshalb soll nicht ein einzelnes Zeichen, sondern deren
Summe die Zeitstellung bestimmen, und von diesem Gesichtspunkte aus
kann, so glaube ich, nicht strittig sein, dass das Original nicht jünger
ist als aus dem Ende des IV. Jahrh. Wann dasselbe aber vor diesem
Termine entstand, ist schwer zu sagen. Miller entschliesst sich auf
Grund einer zwar gründlichen Analyse der Karte für das Jahr 366 2),
aber ich möchte in seiner Untersuchung noch Verschiedenes entbehren,
z. B. das tiefere Eindringen in die ethnographischen Verhältnisse, wel-
che mir eher eine ältere Datirung nahelegen würden. Auf mich macht
die Karte d»n Eindruck, dass zwar das Original der Wiener Kopie im
IV. Jahrh. entstand, wie einige Namen bezeugen, insbesondere die Be-
2) Der Traetat des Kaisarios von Nazianz spricht zwar auch von den
Slaven an der Dapau {ly./i.avf]i'oi xa't (Pvotoyliai ol x(d ^ai'ovßtoi nqoaayo-
()Bvuutyoi], aber ich führe ihn deshalb nicht an, weil seine Datirung in das
IV. Jahrh. noch nicht genügend erwiesen ist.
2) K.Miller. Die Weltkarte des Castorius. Ravensburg 1888. 53. Vergl.
dazu die Kritik Hirschfeld's Berl. phil. Woch. 1888. 632.
310 L. Niederle,
Zeichnung Konstantiaopolis, die drei kaiserlichen Residenzen u. s. w. i),
dass aber dabei dieses Original nichts Anderes war, als eine Kopie einer
Karte, die noch früher, etwa am Ende des III. Jalirh. entstand, und
erst später mit Legenden und Vignetten aus der nachlionstantinischen
Zeit versehen wurde.
Dem III. Jahrh. gehört insbesondere das ethnographi-
sche Bild der Donauländer an, und nicht dem IV. Jahrh. So
finden wir hier die Buren (BÜR) noch in Oberungarn, die Lugier
(LUPIONES SARMATE) im südlichen Ungarn, und was die Hauptsache
ist: das Nomadenvolk der sarmatischen Jazyger (SARMATE VAGI und
SARMATE AMAXOBII), welches erst Kaiser Konstantin im J.334 nach
dem Süden der Donau übersiedelte 2), sitzt noch zwischen der Donau und
der Theiss südlich von Acqincum. Ebenso stehen auch die Legenden
ALAMANNIA, MARCOMANNI, QVADI, VANDVLI, IVTVGI (= Ju-
thiingi) nicht der Versetzung in das III. Jahrh. entgegen 3) und auch die
PITI, in welchen ich mit Sicherheit die Ge-piti^ Gepidi erblicke und
nicht wie MtillenhofT die Tyrigeteu oder Gethe-Githen (DA. III. 218),
oder Tomaschek die »picti Geti« (Die Thraker I. 108), drangen schon
um das Jahr 250 bis zu den Karpathen vor und besiedelten zugleich
mit den Goten nach dem Jahre 275 Dacien. Der Name der alten Daken
DAGAE ist hier nur als geographischer Terminus angeführt. In dem
Namen GAETE sehe ich entweder die alten Geten, deren Bezeichnung
sich bei den gleichzeitigen Schriftstellern in geographischem Sinne fort-
während erhielt (s. z. B. omnes getici populi bei Vopiscus v. Probi 16 .
oder bedeutet derselbe die germanischen Goten, wofür namentlich wieder
der Umstand sprechen würde, dass es nach dem J. 238 ganz eigenthüm-
lich wäre, wenn ein römischer Karthograph hinter der Donau nicht den
damaligen grössten Feind der Römer angeführt hätte. Im übrigen wird
bereits zur Zeit Caracalla's der Name Goti mit Geti verwechselt*).
Kurz, die ethnographischen Verhältnisse weisen eher auf das III. Jahrh..
als auf das J. 36B hin, und wir tbun daher am besten, wenn wir aner-
kennen, dass die im III. Jahrh. verfertigte Karte (freilich auf Grund
eines noch älteren Archetypus) jemand im IV. Jahrb. bearbeitet, mit
neuen Daten und Vignetten ergänzt hat, und dass die Kopie dieser
1) Miller 1. c. -iS sl.
2) Anon. Valesianus 6, Hieron. Chron. ad an. 334 etc.
3) Vergl. Müllenhoff DA. III, i^76.
*) Ib. III, 162.
Ein Beitrag zur Geschichte der südslavischen Wanderuiifren. Hl 1
letzten Redaktion uns erhalten ist. Dass aber unseres Original nicht vor
dem Jahre 22(i entstehen konnte, erhellt daraus, dass hier schon das
neue, in demselben Jahre gegründete Perserreicli der Sasaniden ver-
zeichnet ist 1).
Wenn aber nun neben den angeführten, ethnograpliischen Namen
auch die Slaven verzeichnet erscheinen unter dem Namen der >Sar?na-
fae- Ve?iadi (offenbar die gleichzeitigen Sarmaiarum servi des Anony-
mus Valesianus 6. ed. Mommsen, oder S. Limiganfes des Hieronymus
Chronica ad 334, oder ^auQouuTtov öovkot des Eusebios Vita Cou-
stantini IV. 6) und der Venedi, so unterliegt es keinem Zweifel, dass
wir es hier mit einer glaubwürdigen Urkunde zu thun haben, woruach
die Slaven bereits im III. Jahrh. im unteren Ungarn, in Siebenbürgen
und an der unteren Donau sesshaft waren.
Was die zweite These anbelangt, dass die Slaven höchst wahr-
scheinlich und spätestens am Ende des IV. Jahrh. die Donau überschrit-
ten hatten und sich in Moesien anzusiedeln begannen, so stütze ich mich
diesbezüglich auf folgenden Gedankengang.
Unter den Verhältnissen, unter welchen diese Slaven im Laufe des
IV. Jahrh, sich befanden, wäre es fürwahr nichts absonderliches, wenn
sie auch thätig an den Einfällen betheiligt gewesen wären, welche schon
vom J. 238 an die Goten, die Bastarnen und andere Germanen, später
auch die Hunnen und Bulgaren in das römische Reich unternahmen.
Die Slaven sassen unmittelbar an der Donau und eben an ihnen vorbei
und durch ihr Gebiet wurden die Einfälle der genannten Stämme nach-
einander ausgeführt; es ist gewiss schon a priori wahrscheinlich, dass
die Slaven hierbei nicht ruhig blieben, dass sie nicht un thätig diesen
kriegerischen Einfällen zusahen, sondern dass sie selbst an ihnen theil-
nahmen. Und als die Goten im J. 376 von den Hunnen eiue entschiedene
Niederlage erlitten, welche ihrer Herrschaft in Russland ein Ende
machte und sie zu einem vollständigen Zurückweichen einestheils in
westlicher Richtung nach Dacien, anderentheils nach dem Balkane zu
nöthigte, da geschah es aller Wahrscheinlichkeit nach abermals, dass
von diesem massenhaften Strome auch die slavischen Donaustämme
mitgerissen wurden ; es wäre so die Kombination, nach der diese Slaven
1) Den eigentlichen Grundstock der Karte setzte neuerdings 0. Cuntz
zum Jahre 170 n.Chr. fHermes 1894, 586), und L. Schmidt in die Zeit vor
dem markomannischen Kriege (Gesch. der Vandalen. Leipzig 1901, 10).
312 L. Niederle,
schon um diese Zeit die Donau überschritten und unter dem Andränge
der Goten weiter südwärts vorrückten, an und für sich nicht unwahr-
scheinlich. Das hat auch A. Vasiljev richtig bemerkt. Es käme nur
darauf an, noch Bestätigungen in den Quellen aufzufinden.
Eine solche Bestätigung finde ich — abgesehen von all' den Fällen,
wo wir mit einiger Wahrscheinlichkeit unter verschiedenen Namen der
stidrussischen Barbaren auch Slaven vermuthen können, — in einer
Quelle, welche zwar etwas entlegen, aber doch der Art ist, dass wir sie
mit vollem Rechte berücksichtigen müssen.
Dem Vater der armenischen Historiographie, Moses von Chorene.
wird von mancher Seite ein geographischer Traktat zugeschrieben,
welcher hauptsächlich auf der verlorenen Geographie des Pappos von
Alexandrien (IV. Jahrh.) fusst, und dadurch indirekt das Werk des
Ptolemaios zur Grundlage hat ; doch ist er nicht eine blosse Abschrift
dieser Werke, Man findet dort verschiedene Zusätze und besonders
Armenien mit Persien sind selbständig beschrieben. Auch sieht man.
dass der ursprüngliche Text vielfach von späteren Abschreibern inter-
polirt wurde, denn die verschiedenen, uns erhaltenen Handschriften
gehen manchmal sehr weit auseinander und bei dem heutigen Stande
der Textkritik, sowie der Beschaffenheit der einzelnen Ausgaben können
wir nicht gut feststellen, was dem Originale und was den späteren Ab-
schreibern angehört. Nichtsdestoweniger hat man kein Recht, eine
Nachricht, die sich in einer completteren Handschrift befindet, in einer
anderen aber fehlt, eo ipso zu verwerfen, besonders wenn sie mit den
von anderswo bekannten Thatsachen im Einklang steht.
Und eine derartige Nachricht bringt auf einmal die gotische Ge-
schichte mit der südslavischen Wandenmg in Zusammenhang. Auf der
Stelle nämlich, wo mit der Beschreibung von Thrakien begonnen wird,
las man in den älteren, früher bekannten Handschriften folgenden
Passus ^) :
»OpaKifl K't BOCTOKy oxt ^aJMai];iH, pa^OMt et CapMaTieä, HMiext
naxb HeöojtniHX'E h o^ny öojitmyio oöjiacTi st KOTopoä sKHByTi 25
cjraBKHCKHX'B (Sklavajin) napoAOB'B. Hxx M^cxa saHüJiH Toxti (Goudkh).
öpaKin 3aK.iH)qaexi, b'B ce6'6 roptT. piKH, ropo^a, osepa h ctoäviisj —
C^aCTJIHBLIH K0HCXaHXHH0n0jrL((.
1) Nach der russischen Uebersetzung von Patkanov im aCMHII. 1883.
Nr. 226, S. 25.
Ein Beitrag zur Geschichte der südslavischen Wanderungen. 313
Dagegen heisst diese Stelle in einem neueren, weit vollständigeren
Codex, welcher im Jahre ISSl in Venedig entdeckt und desselben Jahres
von Sucvi veröffentlicht wurde, in der russischen Uebersetzung Patka-
nov's folgendermassen :
»^ecHTaa crpaiia Enponti, öpaKia, .leaciiTi. kx BOCTOKy ort ^a.i-
Mai;iH, pflAOMt ci. CapMaTieii, iiamniaa ot-l piicn Tapoca h ao A^nvöa.
Bt HBH nflTb oö.iacTeH h eme expana BepuMycB h /^ap^anifl cb le-
TbiptMH ropoAaMH. Ha K>ri Haxo,i,HTCH CoöcTBenHaa OpaKin a Kh ci-
Bepy BBJHKaa cTpana ^araa, bx KOTopoil jkhbj'f'b C.iaBLi — 25 napo-
äobx. Miexa iixi. Boiliioil saHHJiH roxti, npiiÖtiBmie inx ocxpoBa
CKanin, Ha3i>iBaeMoi1 repMancKUMt reMiycoMT.. Ho CK.iaBU nepeÜAfl
piKy ^anaii, saiiHJiii ceß'fe Apyryio o6.iaexi> Bt ÖpaKiii ii ^NlaKBAOHin ii
npouiJiH Bt Axaiio ii ^a.iMai],iK) efc. i).
Diese Stelle bemerkte schon Westberg, als er gegen Patkauov den
Flussnamen Taros für Drina und nicht für Tyras erklärte ~), aber ver-
werthet hat sie für die slavische Geschichte meines Wissens niemand.
In diesem Bericht liegt uns ein direktes Zeugniss vor Augen, dass
die Goten vom Norden kommend und mit Waffen in der Hand, eine
Reihe von slavischen Stämmen, die vor ihnen in Dacien sassen, über die
Donau gedrängt haben, worauf sich die Slaven in Thrakien und noch
südlicher niedergelassen hatten. Im Hinblicke auf dasjenige, was wir
nun einerseits über die Eroberungen der Goten in Dacien, welches schon
seit dem J. 256 sich faktisch in ihrer Macht befand und im J. 275 auch
nominell vom Kaiser Aurelian diesen Barbai'en überlassen wurde 3), und
anderseits von der dortigen Ansiedelung der Slaven im Laufe des III. —
IV. Jahrh. auf Grund der Peutingerischen Tafel wissen, haben wir ge-
wiss keinen Grund, diesen hochinteressanten Bericht des armenischen
Geographen unberücksichtigt zu lassen. Ich wenigstens betrachte den-
selben mit voller Ueberzeugung als eine sehr wichtige Machricht zur
ij lieber diese neue und ältere Redaktion der Geographie siehe den
Aufsatz K.Patkanov's »Ilst iioBaro cnucica rcorpa*lii npunucuBacMoö Mouceio
XopeHCKOMy« ;KMHII. 1S83. Nr. 226, S. 21 ff. und dessen ältere Schrift »Ap-
MflHCKaa reorpa*i>i VII. BiKa npunuciiBaBiuaacfl M. XopeucKOsiy Cnö. 1877, die
ich leider nicht zur Einsicht bekommen konnte. Vergl. auch Museon IV.
(Louvain 1882).
2j H3B. AKaÄ. HavKi. T. XI. 312.
3) So datirt neuestens Rappaport in der vorzüglichen Schrift »Die Ein-
fälle der Goten in das röm. Reich bis auf Constantiu. (Leipzig lS9^i 51 ff., 9!.».
314 L. Niedeile, !*
siidslavischen Geschichte, welche uns den Uebertritt der Slaven über
die Donau schon in das III. — IV. Jahrb. hinaufrückt. Nur ist schwer
zu entscheiden, auf welches genauere Datum sich diese Nachricht be-
zieht: denn man kann sie, und zwar am wahrscheinlichsten mit dem
letzten Einfall der Goten im J. 37 6 0"., in welchem die Goten von den
Hunnen aus Südrussland verdrängt wurden, verbinden (vergl. die unten
angeführte Stelle aus Zosimos), aber es ist auch nicht unmöglich, dass
schon frühere Einfälle der Goten in Dacien eine Uebersiedelung von
älteren Bewohnern bewirkt haben, besonders die heftigen Stürme in den
Jahren 250 und folgenden.
Freilich eins ist wahr: der Ursprung und die Zeit, in welcher
diese armenische Geographie entstand, sind heutzutage noch nicht klar.
Es ist noch nicht erwiesen, wann sie entstand, ob im VII, Jahrb., wie
ihr Herausgeber Patkauov und auch Gutschmid annahmen, oder schon
früher im V., denn die Lebenszeit des Moses von Chorene ist bisjetzt
nicht sichergestellt. Ja wir wissen sogar nicht, ob sie wirklich dem
Moses angehört. Patkanov schreibt sie dem armenischen Mathematiker
Ananius Sirakaci zu; Kiepert und Sucri dem Moses, und beide letzteren
verlegen sie ins V. Jahrh. ^). Diese Unsicherheit verlangt eine gewisse
Reserve der ganzen Quelle gegenüber. Nichtsdestoweniger glaube ich,
dass die Frage über den Ursprung und die Datirung der Geographie für
uns eine untergeordnete bleibt. Wenn sich auch ergeben würde, dass
das Werk nicht dem Moses angehört, dessen Glaubwürdigkeit heute
nicht bezweifelt wird, obgleich er in der älteren Partie seiner Geschichte
Apokryphen benutzte 2], so könnten wir über die Verlässlichkeit der
1] Patkanov 1. c, Gutschmid Kl. Schriften III. 336, Kiepert Mo-
natsber. Berl. Akad. 1873, 599.
-) Es handelt sich da besonders um die Geschichte des Syrers Mar-
Abas-Katina, deren Glaubwürdigkeit strittig ist. Vergl. Cbalacjanc G.
Haia.ao KpiiTuiecKaro Hsy^eHia Hcropiu ApMCHiu yKMHII. 1894. Okt. 383 ff.
Dem Moses selbst wird allgemein Glauben geschenkt, so von Patkanov l.c,
Gutschmid (Kl. Schriften III. 282, 331), Cbalacjanc (W. Zs. für Kunde
des Morgenlandes 1893,22;, Anninskij (vergl. unten). Ueber die Datirung
der Lebenszeit des Moses dauert der Streit uunnterbrochen fort. Früher
dachte man allgemein an das V. Jahrh. trotz verschiedener Einwände, so
z. B. die Gebrüder Whistons, Garagasian, Gutschmid, Sucri, Kie-
pert, dann hat sich die Datirung zu Gunsten des VII. — VIII. Jahrh. gewendet
(zuerst Gutschmid, besonders aber im J. 1893—94 Carriere Nouvelles
sources de Moise de Khoren, Vieune 1893, Supplement dazu 1894, und Cha-
lacjanc aCMHII. 1. c. 401). In der neuesten Zeit kehrt wieder Alex. An-
Ein Beitrag zur Geschichte der südslavischen Wanderungen. 31 5
oberen Nachriebt Zweifel nur daou erheben, wenn sie mit anderen Be-
richten der verlässlichen Quellen im Widerspruche wäre, und wenn wir
durch andere direkte Quellen sichergestellt hätten, dass die Slaven un-
möglich vor dem VI. Jahrb. die Donau übertreten konnten. Dem ist
aber nicht so. Es gibt vor allem keine direkte Nachricht, wornach die
Möglichkeit der früheren Ankunft ausgeschlossen wäre, zweitens steht
diese Nachricht im Einklänge mit der ganzen Geschichte der Donau-
länder und erfährt schliesslich auch eine indirekte Bestätigung z. B. bei
Zosimos und Lactantius.
Erwägen wir nun, dass in der Zeit der ersten Jahrhunderte nai-h
, Chr. eine grosse Bewegung der transkarpathiscben Völker die Rich-
tung nach Süden einschlug, und zwar der Völker sowohl von der
j Weichsel als auch vom Dnepr. Verschiedene Volksstämme drängen
sich mehr oder weniger geräuschvoll und mehr oder weniger eroberungs-
I süchtig zur unteren Donau und über die Donau auf die Balkauhalbinsel.
i Das ist ein unstreitiges und bekanntes Faktum. Erwägen wir dann
j weiter, dass zur Zeit dieser Bewegung auch Slaven im III. — IV. Jahrb.
j im südlichen Dacien in Ober-Moesien und unweit der Mündung in Bes-
I sarabien erscheinen und dass auf dieze ganze Strömung plötzlich mit
Beginn des III. Jahrb. von Osten her die Anstürme der Goten statt-
fanden, und dass sogar im J. 376 der grosse Anprall der Hunnen er-
folgte und die Goten mit noch nicht dagewesener Gewalt vom Schwarzen
Meere aufbrechen und schnell zur Donau und hinter die schützenden
Gebirge Daciens zurückweichen. Sehen wir also, wie die ganze gewal-
tige von Norden nacli Süden stattfindende Bewegung durch diese seit-
lichen Anstürme noch bestärkt wurde und wie die Goten mit voller Ge-
walt Dacien okkupiren und sich über die Donau nach Nieder-Moesien
werfen, — dann müssen wir die Nachricht, dass sie dabei auch die
transdanubischen Slaven mit s4ch gerissen haben, als natürlich und
glaubwürdig anerkennen. Und dies umsomehr, als die Nachricht des
armenischen Geographen nicht ganz vereinzelt dasteht. Auch andere
Nachrichten besitzen wir, welche diesen Bericht bekräftigen, nur dass
dies indirekte Nachrichten sind, welche nicht die Namen der Slaven an-
führen. Lesen wir z. B. bei Lactantius von einem nicht näher bezeich-
ninskij zu den Jahren 340 bis Mitte des VI. Jahrb. zurück (ilpeBHbie apMHu-
CKie HCTopuKu KaK-t ucTop. UCT01UHKK. Odcssa 1S99. Vergl. das Referat von
Sokolov in Bus. BpcM. 1900. 505 .
316 L- Niederle, Ein Beitrag zur Geschichte der südslav. Wanderungen.
neten Stamme, welcher von den Goten aus seinen Sitzen verdrängt
wurde und sich lieber dem Maximian als den barbarischen Goten unter-
warft), oder lesen wir bei Zosimos, dass nebst den Goten und Taifalen
noch viele andere Stämme gezwungen Avaren, den Istros zu überschrei-
ten, und dass diese Stämme Thrakien besiedelten'-), und vergleichen
wir hiermit den oben angeführten Text des armenischen Geographen.
so muss doch schliesslich anerkannt werden, dass diese Nachricht ihrem
Inhalte nach eine derartige ist, dass ihre Glaubwürdigkeit füglich nicht
angezweifelt werden sollte.
Wenn ich hierbei noch irgendwelche Zweifel hege, so betreflen
dieselben nur die Person des Autors, keineswegs aber den Inhalt der
Nachricht. Ablassen könnte ich von dieser Ansicht nur dann, wenn
bewiesen würde, dass unsere Voraussetzung betreffend die Existenz der
Slaven in Dacien und an der Donau im III. — IV. Jahrh. nicht richtig
ist, und dass der Anprall der Goten diese Slaven nicht erreichte.
^) Lactantius de mortibus persecutorum 38: «ex gente eoruni, qui aGo-
this terris suis pulsi Maximiano se tradiderunt, malo generis humani, ut illi
barbaram servitutem fugientes, in Romanos dorn! narentur«.
-) Zos. IV. 25. nXrd-ov de noXXov rw»/ vnso Thvlaxqov ^xv&tJiy, r6x9-(av
'Aeyu) y.cu TctKpu'kwv xccl San xovxoig i]v ofxo&iaixa n qöx eqov td-yr;,
7iEQ(xi(ad-ii'X(oi' xccl xtils i'Tio TTjf'Pw/ucciMf (iQxh*' ovaais 7i6?.S(Ji it'oxXsly auay-
xtt^ofxifwy cFt« xo nlTjd^os Ovi't^wf xh 71«q' avxojy oixovuefci xttxaa%ely, o (j,iv
ßctaiXBi's Oeoöoaioff ff nöXzfiov nayaxQcniö: nccoeaxevd^exo' näar^s öi xr;;
(-foifXT]; r 71 o X (ö y ei qj] a iv oi i' s d- y w y /; (f 77 xaxe l'It; fj. u i yt} g . . . .
L. Niederle.
317
Kritischer Anzeiger.
M. Zdziechowski. Odrodzenie Cborwacvi w wieku XIX (lUiryzm.
Stanko Vraz. Ivan Mazuranic. Piotr Preradovic). W Krakowie
1902. so. 217.
-*i^r , tC^O <5#-6» c-«/^«*« ^C(}
Im geistigen Leben der Siidslaven, vor
allem der Kroaten, während des XIX. Jahrh.
liefert der lUyrismus ein solches Bild, bei
welchem das Auge des Geschichtsschreibers
und Literaturhistorikers mit Vorliebe ver-
weilt. Man kann eigentlich von mehreren
Illyrismen sprechen, die zu verschiedenen
Zeiten in verschiedener Weise auf ein be-
stimmtes Ziel lossteuerten, auf die bald lite-
rarische bald politische Vereinigung mehrerer
Splitter zu einem Ganzen. Im XVII. u.
XVIII. Jahrh. machte sich das Bestreben
bemerkbar, durch die Bevorzugung des sto-
Dialektes namentlich des bosnischen! gegen-
über dem ca-Dialekt den damaligen Büchern
religiös -moralischen Inhaltes den Stempel
einer grösseren Verbreitungsfähigkeit auf-
zudrücken. Solche Werke segelten unter
der Flagge der illyrischen Sprache und ihren
Ausgangspunkt bildete Rom mit seiner Propaganda iKasic, Mikalja u. a.). Zu
Anfang des XIX. Jahrh. schuf der mächtige Wille Napoleon's ein politisches
"Illyrien". das bekanntlich in anderen Grenzen seine Schöpfung überdauerte.
Dieses »lUyrien« hatte in Ragusa und Laibach seine Centren. Zuletzt kam in
den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts der kroatische Illyrismus
auf, der von Agram aus seine Strahlen ausbreitete. Dieser Illyrismus machte
durch sein Heraustreten aus dem Rahmen der literar. Bewegung in die Arena
des politischen Kampfes grosses Aufsehen in Europa, er entfesselte eine
reiche, wenn auch zumeist tendenziöse Literatur politischer Schriften und
Broschüren. Sein literarischer Hintergrund jedoch, mit dem sich die Fremden
wenig befassten, weil er ihrem Verständniss zu fern lag, blieb den einheimi-
schen oder wenigstens slavischen Literaturhistorikern anheimgestellt. Leider
geschah zu Hause selbst für die Aufhellung dieser denkwürdigen Epoche
bisher viel zu wenig. Das bedeutendste findet man im 80. Bande des »Rad«
beisammen. Eine systematische Geschichte des Illyrismus geht jedoch der
serbokroat. Literatur ab. An diese Aufgabe, in den Grenzen der literarischen
Bewegung, machte sich vor mehreren Jahren ein russischer Slavist, Professor
Piaton Kulakovskij : ILLinpiisMi.. HaciiiOBaHie no Hcxopiu xopBaTCKoii .iHTcpa-
TypM BoapoHueHlfl (BapmaBa 1894, 8". VIII. 411. 093, vergl. Archiv XVII. 304 flf.
und meine Besprechung in dem »Oxqexi. o npucy>KjeHiH npcMift npo*. Kotjh-
peBCKaro et. 1895 rojy. SA. in StPtbg. erschienen auf 15 Seiten 80j. Dj^g um-
318 Kritischer Anzeiger. i
iangreiclie Werk erfüllt zwar nicht alle Bedingungen einer systematischen
Geschichte des lUyrismus, immerhin ist es gut zu brauchen. Jetzt (also nach
S Jahren) gesellt sich zu dem russischen ein polnischer Gelehrter mit einer
kleineren, demselben Illyrismus gewidmeten Schrift, die sich »Wiedergeburt
Kroaziens« betitelt. Der Verfasser, durch eine Reihe von Essays und eine
ausführliche Behandlung des Byronismus in den westeuropäischen und sla-
vischen Literaturen (2 Bände) vortheilhaft bekannt, nimmt unter den moder-
nen polnischen Literaturhistorikern eine besondere Stellung ein durch seine
ausgesprochenen philosophisch-religiösen Tendenzen, die stark zum Mysticis-
mns und Messianismus hinneigen. Auch das oben citirte Buch hält sich von
diesen Tendenzen nicht frei. Prof. Zdziechowski ist ein grosser Freund der
Kroaten {aber nur der Kroaten, weniger schon der Serben, deren Angehörigkeit
zur orthodoxen Kirche seinen Gefühlen nicht zusagt). Er verweilte zu wieder-
holten Malen in ihrer Mitte, studirte fleissig ihre neuere Literatur und gab
bei verschiedenen Gelegenheiten seinen Sympathien für das geistige Leben
der Kroaten Ausdruck. Seine Liebe motivirt er auch in dem neuesten Buch
mit der von ihm Avahrgenommenen besonderen Uebereinstimmung der beiden
Völker in den Grundzügen ihres Nationalcharakters, die er einmal in dem
Katholicismus, dann aber auch in der Adelsherrschaft, die bei den Kroaten
wenigstens bis 1S48 anhielt, wiederfindet. Mögen auch damit die Sympathien
des polnischen Literaturhistorikers für das Kroatenthum hinreichend motivirt
erscheinen, so weit sollte die Liebe doch nicht gehen, um alle Erscheinungen
des geistigen Lebens der Kroaten mit dem polnischen Massstab zu messen,
um auch den lUyrismus durch die specifische Färbung der polnischen
Ideen zu beleuchten. Doch Prof. Zdziechowski will nicht objectiv sein, er
will nicht sich dem lUyrismus unterordnen, sondern dieser muss das Joch i
seiner philosophisch -religiösen Weltanschauung passiren. Wahrheit und!
Dichtung wechseln in diesem Buche fortwährend ab. Wenn der Verfasser i
behauptet, seine Darstellung beruhe auf einheimischen Forschungen kroati-
scher Gelehrten, so ist das mehr bescheiden als richtig gesagt. Das That- [
sachliche hat er allerdings von ihnen entlehnt, doch die Würdigung und Be-
leuchtung dieser Thatsachen ist sein Verdienst, sein Werk. Der polnische
Messianismus, der den Verfasser ganz in seinem Bann hält, von dem er sich
nicht lossagen kann, mag er über Byronismus oder lUyrismus handeln, unter
dessen Einfluss er sich seine eigene Gedankenwelt und seine eigene Sprache
schuf, verleitet ihn auch in dem kroatischen lUyrismus und dessen Haupt-
vertretern in der Dichtung krankhaft-phantastische Züge zu suchen, um nur
eine um so innigere Geistesverwandtschaft zwischen den Kroaten und Polens
herauszuschlagen. Vielleicht sind die Gemüther der jetzigen Generation in
Kroatien für derlei Stimmungen empfänglich. Ich selbst las schon Anzeigen
die das Buch überschwänglich loben, eine Uebersetzung desselben verlangen
u. s.w. Bei näherer Prüfung dürfte sich jedoch, wenigstens für einen Repräsen-i
tauten der älteren Generation, dessen Jugend in die Zeit der Nachwehen de-
Illyrismus fiel, der die meisten »Illyrier« persönlich kannte — der ganze neu
artige Versuch Prof. Zdziechowski's als sehr bedenklich und nicht zu guteui
Ende führend herausstellen. Das Buch ist ganz darnach angethan, um den
lUyrismus seines schönsten Schmuckes zu berauben, um das was ihn gross:
machte zu verkleinern, um das Trennende an die Stelle des Einigenden zui
setzen. Alles das geschieht nicht etwa in böser Absicht, es leitet sich uh
logische Consequenz aus der eigenartigen Weltanschauung des Verfassers ab.
Zdziechowski, Wiedergeburt Kroatiens, angz. v. Jagic. 319
Schon die einleitenden Worte über Kroatien und Kroatentlnim sind stark
subjectiv iiud mehr poetisch als wahr. Wenn z.B. Prot. Zdziechowski iu dem
Holden des Komans »Zmaj od Bosne« von Eugen Tomic einen Typus des
Kroatenthums erblicken zu können glaubt, so werden die Kenner der kroati-
schen Geschichte bedenklich den Kopf dazu schütteln. Mit eben so grosser
Verwunderung las ich (S.ll), dass der Verfasser zwischen dem Illyrismus und
dem polnischen Dreigestirn (iMickiewicz, Slowacki, Krasinski) eine Parallele
ziehen möchte. Viel zu viel Ehre einerseits, ganz unzutreffende Vergleiche
anderseits! Die nächsten Kapitel der Einleitung sind hauptsächlich nach
Siuiciklas ausgearbeitet, aber mitten in die auf geschichtlichen Grundlagen
beruhende Darstellung wird auf einmal als Kapitel 5 die Analyse des Romans
»Osvit« von bandor Gjalski eingeschaltet! Also schon wieder — Wahrheit
und Dichtung. Was der Verf. aus diesem Anlass gegen Gjalski's Ausführung
einwendet, mag dieser selbst mit ihm ausmachen. Mir kommt es so vor, dass
wenn Gjalski in dem Aufbau des Romans nach den Weisungen Zdziechowski's
vorgegangen wäre, seine Erzählung von der realen Wirklichkeit viel weiter
abstände, als so wie sie jetzt lautet. Erst im 6. Kapitel der Einleitung kommt
Gaj zur Sprache, eine wahrhaftige bete noire des Illyrismus nach der Auf-
fassung dieses Buches, welcher allerdings durch Smiciklas und Kulakovskij
nicht unbeträchtlich vorgearbeitet wurde. Nach meiner Ueberzeugung ver-
dient Gaj eine so unglimpfliche Behandlung nicht. Er war allerdings kein
krystallreiner Charakter, doch vereinigte er offenbar Eigenschaften in sich,
die bei keinem seiner Zeitgenossen in gleichem Masse die Aufmerksamkeit
auf sich lenkten; diese machten ihn für die damaligen Bedürfnisse unentbehr-
lich, sie Hessen ihn die Rolle eines Odysseus des Illyrismus spielen. Wäre
Gaj nur das gewesen, was Zdziechowski. aus ihm macht, man würde seine domi-
nirende Stellung im Illyrismus einfach unbegreiflich finden. Wer nicht selbst
Zeuge des Zaubers war, den Gaj's Persönlichkeit auf seine Umgebung ausübte
— der Schreiber dieser Zeilen sah ihn nur noch als eine national-politische
Ruine, und auch diese vermochte im hohen Grade zu fesseln! — wird in den
Aufzeichnungen jener Zeit nicht viel Anhaltspunkte finden, wenigstens nach
den bisher geschehenen Mittheilungen, für die volle und richtige Beurtheilung
Gaj's. Doch mag man noch so viel gegen Gaj einzuwenden haben, am aller-
wenigsten sollte man ihm das als Verbrechen anrechnen, wesswegen er bei
Zdziechowski in besonderer Ungnade steht, nämlich dass er seine Blicke und
Schritte selbst nach Rnsslantt richtete. In diesem Verdammungsurtheil Zdzie-
chowski's äussert sich vielmehr der besondere Standpunkt des polnischen
Literaturhistorikers, der ihm jede objective Betrachtung schwier macht. Ich
gönne ihm die kleine Freude, dass er zur Beschwichtigung seines Unbehagens,
80 oft er bei denlllyriern etwas lobendes oder hoffnungerweokendes über Russ-
land las, einmal bei Vukotinovic auch einen Passus gegen die russische Knute
entdeckte (S. 59), allein seine Gesammtauffassung des Illyrismus halte ich
doch trotz der Begeisterung, mit welcher er manches hervorhebt, für verfehlt,
für subjectiv einseitig. Die damaligen Ulyrier waren, um es kurz zu sagen,
ganz andere Menschen, als er sie darstellt, sie waren nicht so engherzig, wie
er sie haben möchte, weder gegen die Orthodoxie der Serben so befangen, wie
er es voraussetzt, noch in ihrem im Grunde sehr platonischen Verhältniss zu den
übrigen Slaven so genau berechnend, wie er ihren Panslavismus heute geisselt.
Auf die Behandlung der drei Dichter im einzelnen kann ich leider nicht
eingehen. Ueberall findet man in die Resultate fremder Forschungen die Kritik
320 Kritischer Anzeiger.
des Verfassers eingeflochten, die einen entschiedenen Widerspruch heraus-
fordert. Einiges davon ist bei Stanko Vraz zu finden (Novalis!), mehr bei Mazu-
ranic und Preradovic. Was soll man z. B. dazu sagen, dass er die Charakter-
züge der Türken in Mazuranic's »Cengic« im Geiste der polnischen Auffassung
gezeichnet haben möchte. Also desswegen weil die polnischen Emigranten bei
der hohen Pforte in Gnaden waren, namentlich da es gegen Russland losgehen
sollte — desswegen hätte der Dichter die Anschauungen des serbischen Vol-
kes, die in seiner Volksdichtung niedergelegten Ueberlieferungen verläugnen
sollen? ! Auch das was Prof. Zdziechowski von der Gottesidee in den Dich-
tungen Mazuranic's spricht, wird den Dichter gewiss nicht in der hier vorge-
tragenen Weise beseelt haben. Mazuranic's Gottesidee deckte sich mit dem
christlich-nationalen Glauben des serbokroatischen Volkes, dessen bekannte
Devise lautete: »za krst casni i slobodu zlatnu« ! Die volksthümliche stille
Ergebenheit in den Willen Gottes bethätigte sich in schlichten Formen und
Worten, frei von jedem Mysticismus. Der Dichter verklärte und läuterte die
religiösen Gefühle des Volkes noch durch die poetische Verehrung der All-
macht in der Natur, die ja selbst eine Schöpfung Gottes ist. Wir sind froh,
dass Mazuranic diese Harmonie mit den religiösen Gefühlen seines eigenen
Volkes (ob Katholik ob Orthodoxe, gleichviel, da gab es für die lUyrier keinen
Unterschied) in seinen Dichtungen aufrecht zu erhalten verstand und nicht in
den vom polnischen Literaturhistoriker so hoch gepriesenen Tiefsinn des
polnischen Messianismus verfiel! Der dritte und ausführlichste Essay ist dem
Dichter P. Preradovic gewidmet, der nach eigenem Geständniss des Verfassers
zu dem engen Kreis der lUyrier nicht gehörte. Auch in dieses Bild sind neben
den aus fremden Forschungen entlehnten Zügen auch eigene Reflexionen des
Verfassers in sehr reichlichem Masse eingeflochten, denen man gleich den aus-
geprägten polnischen Ursprung ansieht. Z. B. Prof. Zdziechowski missfällt
im hohen Grade der von Preradovic gegen die Jesuiten erhobene Vorwurf,
wornach sie an dem Verfall der Republik Ragusa Schuld tragen (S. 139), er
macht aber auch dafür nicht Preradovic selbst, sondern den — Panslavismus
verantwortlich ! Ernstes Nachkenken über das wenig beneidenswerthe Leos
seiner Connationalen (worunter Preradovic mit gleicher Liebe Kroaten und
Serben umfasste) brachte den Dichter in seinen späteren Schöpfungen auf das
grosse Thema der europäischen Civilisation. Es liegt nahe, dass er darüber als
höherer activer Officier der österr. Armee nur mit halbem Munde dichten
durfte. Prof. Zdziechowski kennt keine Compromisse, er hält dem Dichter
die Beispiele Hercen's, L. Tolstoj's und — Krasinski's vor. Nun war aber
Preradovic kein politischer Parteimann, kein Moralist im Sinne Tolstoj's,
aber auch kein Mystiker in der Art Krasinski's. Mit dem letzteren, der ja
Zdziechowski's Ideal ist, soll Preradovic volens nolens in engeren Contact
gebracht werden. Daher lautet ein Kapitel des Essays: Preradovic a Kra-
sinski, wo alle Anstrengungen Zdziechowski nicht weiter gebracht haben, als
bis zum Hinweis auf die bekannte Uebersetzung «Resurrecturis«. Das be-
weist aber so weriig die nähere Verwandtschaft zwischen den beiden Dich-
tern, wie wenig aus der Uebersetzung Iridion's durch Veber-Tkalcevic auf die
wirkliche Beeinflussung Veber's seitens Krasinski's geschlossen werden kann.
Doch auch das ist für Herrn Zdziechowski nur eine Vorstufe für das letzte
und höchste, was er in Preradovic finden möchte — den Messianismus! Ich
will hoffen, dass auch diese «marzenia» des verehrten Professors nur wenige
überzeugen werden. V. J.
321
Yilles et Cites du moyeu age dans TEiirope Occideiitale
et dans la Peiiiiisiile Balcauique.
Chapitre (rintrodiiction mix. lecherches sur les villes et cites
dans la Serbie du moyen age.
L'essor humain vers la vie
sociale et politique, dans l'en-
semble de la civilisation . com-
mence, en realite, avec la fondation
des villes et des cites. L'histoire
nous montre que la famille et la
tiibii, ces parties integrantes de
la nationalite, u'out pas tant con-
tribue au developpement de cette
vie sociale et politique, que les
villes et les cites , parce que
celles-ci sont les nerfs moteurs des
civilisations et des nationalites les
plus diverses, sur lestiuelles elles
exercent autant d'iufluence quel-
les en subissent elles-memes.
Les villes et les cit^s sont les
Premiers centres d'ecbange et d'ex-
pansion. Nous voyons peu ä peu
les diverses familles et les diverses
tribns se reunir autour de certaines villes, car celles-ci leur oflfrent un
centre pour la defense de lenrs int^rets communs dont le maiutien ne
peut etre assure qu'ä la condition d'une plus grande communaute et in-
timite d'existence. Grace au besoin de cette plus grande communaute
d'existence, les connaissances humaines ainsi que les arts regoivent une
nouvelle impulsion. Tout l'interet social cesse de se trouver confin^
dans la vie simple, isolee, d'un clan ä moitiö sauvage, satisfait de peu,
et fait place ä des interets politiques superieurs, dont les villes et les
eit^s deviennent les centres, autour desquels sont contraintes de se reu-
nir les tribus voisines, impuissantes a resister au gouvernement plus fort
Archiv für slavisclio Thilologie. XXV. 21
322 Stqjan Novakovic,
de la cite,.et ä trouver dans leurs propres ressources les moyens
de subsister par elles-memes. Or, en meme temps que ces divers faits
se produisaieut, commengait aussi l'ere d'une vie plus nationale, plus
progressive, plus civilisöe, et c'est a ce moment que furent jet^es les
premieres bases de la vie politique. En effet, une fois ces divers centres
crees, il n'y avait plus pour eux qu';i se reunir en un ensemble plus fort
pour donner naissance ä une vie politique plus solidement organis^e.
La famille et la tribu ont ete les premiers Clements et les premieres par-
ties constitutives de la ville et de la cite; d'autre part, on ne peut con-
cevoir Celles- ci sans une contree qui les environne, qu'elles representent
et qui les soutient. La ville et la cite, ayant sous leur dependance plu-
sieurs tribus et familles, ont du spontanöment ^prouver le desir de
s'elargir et de faire des conquetes ; elles ont 6t6 les premiers germes de
la politique centralisatrice qui reunit, conquiert et organise, et qui, par
cela meme, donne une extension plus grande ä son Organisation d^jä
formee. Cette politique conduit tout naturellement ä la politique de
l'Etat, qui, dans l'histoire de la civilisation humaine, apparait aussitot
qu'une ville a place sous sa dependance, a fonde ou a incorpore plu-
sieurs autres villes, arrivant ainsi, par une voie naturelle, ä une evolu-
tion nationale et politique, et se transformant d'une simple et petite
unite geographique en uue unite ethnographique plus vaste et plus
puissante.
Ces unites geographiques formant un cadre naturel pour une pa-
reille evolution, ont, pour ainsi dire, designe aux hommes les frontieres
naturelles jusqn'oü devaient s'etendre leurs aspirations nationales et
politiques, et, en leur fournissant un centre pour la defense et pour
l'attaque, elles ont trac6 les limites naturelles dans lesquelles devait
s'operer leur union. L'unit^ du terrain, r^sultant de la nature, a donnd
lieu ä l'unite des interets dans la vie nationale.
Si nous jetons un coup d'oeil sur l'histoire ancienne, specialement
sur l'histoire grecque et romaine, qui ont posd les fondements de \'6vo-
lution politique et de la civilisation de l'Europe, nous voyons que cette
Evolution n'a commencö qu'avec la fondation des villes et des cit^s. Les
excursions commerciales de la Phenicie et de l'Egypte, qui, simultan^-
meut avec leur propre developpement, ont fondö les premieres stations
en Greee, probablement commerciales ä l'origine, ont servi de base ä la
vie municipale grecque ult^rieure. Autour de ces stations se r^unis-
saient, gräce aux facilitös present^es par la Situation geographique, les
Villes et Cites du moyen iige. 323
agglomerations ainsi que les tribus voisines, formant ainsi des cites et
des villes; et c'est dans ces villes que s'est d(5veloppee tout d'abord cette
vie plus civilisee, qui a, dans la suite, surtout par la voie des conquetes
romaines, transforme l'Europe. Et, en effet, dans l'histoire grecque,
tout a son point de depart et tout se meut dans la cite. Dans le progres
de la civilisation grecque, c'est Troye et Athenes, Thcbes, Sparte et
Corinthe, qui, parmi les autres villes de moindre importance, ont eu la
plus grande part. Athenes devient le representant des idees democrati-
ques et du culte de la liberte, Sparte — celui du gouvernement aristo-
cratique et monarchique. La civilisation grecque, s'^tendant aux con-
tröes voisines de la Mediterranee, aussi loin que pouvaient atteindre les
navires de commerce grecs, s'y manifesta encore par la fondation des
villes. Nous avons pour exemple la fondation si connue de Marseille
dans le sud de la France. II en fut de meme de 1 Etablissement des
Grecs dans toutes les villes de la Presqu'ile Balcanique, oü la politique
de l'Empire Byzantin, pour maintenir son autoritö sur le territoire, pre-
nait, eile aussi, soin de l'asseoir d'abord fortement dans les villes et
dans les cites. Au moyen de l'administration religieuse, et meme dans
les temps modernes au moyen de la propagande, la politique grecque a
observE jusqu'ä nos jours cette pratique traditionnelle, tendant ä faire
rentrer ethnograpliiquement dans sa sphere, et en ne tenant compte que
de la population des villes, les contrees dans lesquelles les Grecs se
trouvent reellement en minoritö. Dans toute l'histoire ancienne ce
Systeme a ete constamment employe pour assurer la conquete des terri-
toires. Nous voyons les derniers conquerants, les Turcs, le mettre aussi
en pratique dans nos contrees: eux aussi ont cherche, par la conquete
des villes, ä realiser la conquete complete du sol.
Ce meme Systeme nous le retrouvons dans l'Italie ancienne, avec
des modifications, toutefois, que lui a fait subir le sentiment politique
plus fort chez les peuples qui l'habitaient.
En Grece, levolution s'operait toujours d'une maniere Isolde: les
villes etaient autonomes, non liöes entre elles, et l'union n'a jamais pu y
etre realisde, ce dont il faut rechercher les causes tant^dans la configu-
ration generale du sol que dans le caractere de la population.
En Italic, l'evolution politique a pris naissance dans les limites de
la cite de Rome et de ses environs, et cette ville a, peu ä peu, conquis
l'empire non seulement sur l'Italie, mais, pour ainsi dire, sur tout le
monde alors connu. II n'est pas sans importance de remarquer que le
21*
324 Stojan Novakovic,
Grand Etat, fondö par des citoyens romains, ne portait pas le nom
d'Italie, ni celui d'nne unitö geographique quelconque, mais, empruntant
le nom de la ville qui l'avait creö, il s'est d(5nomm6 l' Empire Romain.
Et pendant longtemps, cet Empire a €i€ reellement nn Empire Romain,
dont la villo de Rome etait le maitre. Pendant longtemps, Rome a con-
sidör^ comme son acquisition, comme sa propriete privee, tout ce qui
portait le nom d'Empire Romain; ses sujets n'ont pu avoir que lajouis-
sance des terres dont eile etait proprietaire, et ont du se soumettre au\
maitres et aux gouverneurs qu'elle leur envoyait. Pendant longtemi)>,
les maitres et les gouverneurs de la cite de Rome — et plus tard, l'em-
pereur romain — ont ^te les seuls representants de l'autorite et de la
loi dans les provinces conquises; leurs armees ont imposö les institutious
et le langage de Rome aux tribus et aux peuples non civilisös [harhan
qui, ä cause de leur defaut d'organisation, de leur incapacite et de leur
ignorance, etaient devenus ses esclaves.
Mais en meme temps que Rome ^tendait sur le monde entier son
autorite avec l'assujetissement qui en dtait la consequence, eile lui lais-
sait aussi en patrimoine l'art avec lequel eile organisait, administrait et
gouvernait les territoires conquis. Rome a divis^ en provinces pres de
la moitie de l'Europe ; eile a etabli les frontieres qui ont subsiste, malgre
les assauts et les revolutions qui se sont succed^s pendant des siecles.
Et, malgre les resistances, le developpement de chaque nationalite s'est
souvent confine, par la suite du temps, dans ces frontieres romaines, et
les a respectees alors meme qu'avaient disparu les causes qui les avaient
fait etablir par les Romains. Cela tient ä ce que ces frontieres, la plu-
part du temps, etaient en harmonie avec la conformation geographique
du sol qui probablement, avant comme apres que Rome l'eüt prise comme
base de delimitation, a influe, d'une fagon directe et durable, sur le
developpement des diflferents groupes nationaux, en vertu des lois inöluc-
tables etablies par la nature elle-meme. Rome a cree un Systeme simple
pour le gouvernement et Tadministration des territoires, Systeme dont
la pratique garautissait l'autorite publique contre les troubles et les
revolutions, mais qui, d'autre part, donnait aussi ä la liberte individuelle
une arme contre la centralisation politique et les exagerations du pou-
voir autocratique.
Les conquörants ulterieurs se sont conformes aux traditions simples
de Rome, pour mieux fortifier leur autorite dans les pays conquis; de
meme, les peuples conquis ont trouve dans les institutious de la vie in-
I
Villes et Cites du moyen äge. 325
terieure romaine des ressources qui leur ont permis de defendre leur
liberte et d'en assuier la conservation et le developpement.
C'est pourquoi l'histoire de la cito de Rome, ainsi que l'etonnante
destinee de cette ville, qui lui a permis d'cteudre 3on empire — un em-
piie romain — sur tant de peuples et de territoires differents, marquent une
etape nouvelle dans l'histoire de toutes les cites et de tous les pays, et
leur donuent un röle jusqu' alors inconnu, un rOle politique. S'inspirant
de l'exemple fourni par les Romains , beaucoup d'autres conqu^rants se
sout servis de villes pour leurs besoins politiques et strategiques. Aussi
voyons-nous le nombre des villes augmenter, surtout dans les pays con-
quis. oü l'emplacement en est designe par les indications puisees dans
les procedes du regime politique et militaire de Rome. Les Romains
maintenaient leur pouvoir principalement h l'aide de garnisons militaires,
installees dans les villes, centres de leurs colonies militaires. Ces gar-
nisons militaires urbaines, reliees entre elles par les routes dont chaque
province ctait sillonnee, et qui mettaient les provinces en communication
les unes avec les autres, formaient un veritable reseau qui embrassait
par ses mailies les territoires, les tribus et les nationalites les plus di-
verses. Chacune de ces cites militaires, de ces colonies, avait sous sa
dependance, dans un certain rayon, le territoire environnant. A
chaque province, ainsi enserree par ce reseau de villes et de colonies, les
Romains envoyaient un gouverneur : celui-ci y avait une autorite ^gale
ä Celle d'un empereur, un pouvoir despotique, saus bornes: il ne relevait
que de lui-meme. C'est lui qui fixait l'impot; c'est lui qui exergait l'auto-
rite militaire, qui rendait la justice. Aucune Constitution, aucune loi ne
determinait ses rapports avec ses sujets ou ses allies. Comme les lois
romaines, ä l'origine, ne s'appliquaient pas aux babitants des provinces,
le gouverneur ne pouvait avoir aucun pouvoir superieur au-dessus de
lui. Rendait-il la justice ä ses sujets, il pouvait le faire au gre de sa
fantaisie : il n'etait pas en effet tenu d'appliquer la loi romaine, attendu
in il ^tait en province, et il pouvait aussi ne pas tenir compte de la loi
provinciale, attendu qu'il etait romain. Ainsi munis d'un pouvoir de
juridiction absolu , les gouverneurs possedaient aussi le pouvoir legis-
latif: c'est pourquoi , en arrivant dans leur province ils rendaient un
('■dit qui etait considere comme leur programrae de gouvernement , ou
comme un code de lois, qui les liait jusqu'a un certain point moralement.
Kt comme les gouverneurs ^taient souvent chang^s, ä chaque change-
ment correspondait aussi un changement dans la l^gislation, si bien que
326 Stojan Novakovie,
l'execution d'un jugement rendu par im gouverneur se trouvait suspen-
due par l'arrjv^e d'un autre, par devant lequel le litige devait etre portd
ä nouveau. Quant aux premiers habitants de la province, ils devenaient
de v^ritables esclaves, et ils restaient dans cette condition tant qu'ils
n'eussent acquis individuellement le droit de die romaine^ comprenant
ä peu pres les droits civils actuels , c est ä dire les droits personnels et
le droit de propri^te. C'etait lä leur condition, ä l'origine du moins,
car dans la suite quelques changements y furent apportes. Pour ce qui
est du sol dans la province, il etait la proprietö de Rome ou de 1' Em-
pire; il n'etait pas considere comme propriete priv(5e: celle-ci ne pouvait
exister et n'dtait autoris6e que sur le territoire qui etait ager romanus^
territoire romain. Ce droit de propriete roniain fut accorde d'abord seu-
lement dans l'Italie, aux villes qui ne coustituaient pas a l'origine l'Etat
Romain et qui avaient ^te couquises par Rome, puis, peu ä peu, gräce
au droit de cite et au developpement des droits prives, il fut 6tendu a
tout l'Empire, tout au moins dans les priucipaux centres. L'extension
de ce droit dans l'Empire Romain en dehors de l'Italie, commenga dans
les villes les plus importantes des provinces. Ces villes commencerent,
les premieres, ä s'identifier avec Rome au point de vue de la jouissance
des droits prives. Dans les autres villes, d'importance moindre, le re-
gime anterieur demeura en vigueur, C'est pourquoi il se cr^a, peu ä peu,
deux categories de villes: les unes possedant les droits personnels, les
droits de propriete et les droits municipaux, c'est-ä-dire le droit de
s'administrer par les representants nommes dans son sein et d'apres ses
lois locales; les autres n'ayant aucun, ou presque aucun de ces droits.
Tel etait l'6tat dans lequel se trouvait le grand Empire Romain au
moment de deux importants evenements, de l'invasion des peuples et du
partage de l'Empire ^). L'invasion des peuples envahit l'Europe toute
entiere, et eile brisa et detruisit partout les frontieres de l'Empire Ro-
main, ' L'Empire lui-meme se scinda en deux moiti^s, l'Empire d'Occi- '
dent et l'Empire d'Orient. Cet envabissement et cette scission donnent
lieu ä piusieurs considerations de tres grande importance pour la que- ^
stion que nous etudions. En premier lieu, il faut mettre ä part l'Empire
Romain d'Orient qui, devenu l'Empire Byzantin, a subsistd jusque vers
la fin du moyen äge. D'autre part, parmi les divers Etats cr6es ä la
suite de l'invasion, il faut distinguer deux categories: dans les uns le
1) Fustel de Coulanges. La Cite Antique. Paris. II ed. 1885, 415— 4r)5.
Villes et Cites du moyen uge. 327
regime romain etait moins fortement organise, l'el(5ment non-romain
predominait dans la Population, Tinvasion remportait; dans les autres
ce fut le regime romain qui prcvalait, il resista facilement ä Tinvasion,
et, par suite, linfluence de celle-ci y fut moins sensible ou se r^duisit,
penäpeu, a des traces sans importance. Dans les premiers pays, le
regime romain, (\m ii'y avait jamais prevalu, s'est maiutenu :i un moindre
degre, et linfluence du droit romain y a ete plus faible; dans les autres,
le regime romain a subsiste apres linvasion et les institutions du droit
romain se sont maintenues, Tordre romain a dure. Cette autre categorie
de pays comprenait generalement des contrees romanes, oii les vieilles
coutumes romaines se sont transmises dans les dialectes romans. Les
historiens fran^ais ont designö le midi de la France comme rentrant
dans la premiere categoiie, et la France du nord et du nord-ouest dans
la seconde. Dans le midi de la France la langue romane s'est mieux
conservee; Tordre et le droit romain y ont subsiste ainsi que les Souve-
nirs romains, et avec ces derniers les Souvenirs de l'autorite centralisa-
trice imperiale romaine. Dans l'AUemagne et au nord de la France,
l'autorite separatiste des seigneurs a pris, avec le temps, le dessus, et
peu ä peu, eile a pris les formes du droit feodal, dans lequel les seig-
neurs se sont arroge une autorite tont ä fait contraire ä Tautorite cen-
tralisatrice de l'Empire Romain. L'Italie, et sa voisine ä l'Est de la Mer
Adriatique, la Dalmatie, ont, le plus souvent, conserve les institutions
municipales romaines et avec elles le droit romain, autant que cela leur
a ete possible au miiieu de loppression generale du moyen äge. Partout
oü le droit romain sest maiutenu, les institutions du droit feodal ont eu
plus de peine ä penetrer, et si elles y ont penetr^, elles ont pris moins
de d^veloppement.
C'est dans la Peninsule Balcanique, sur le territoire de l'Empire
d'Orient, que le droit romain est reste le plus longtemps eu vigueur: il
y a ete codifiö, on l'y a appliquö d'une maniere continue, on l'y a con-
fondu avec la legislation ecclesiastique de la religion chretienne. Aux
Slaves orthodoxes il se presenta avec la legislation e'ccl^siastique, comme
une chose sacree , en debors de toute discussion. La seulement, dans
cet Empire, les anciennes traditions de l'autorite' imperiale romaine se
sont conservees dans leur integrite. On sait que le droit feodal se dis-
tingue du droit public romain par la maniere dont y est comprise et
exercee l'autorite royale et imperiale. Dans le droit feodal, oü le regime
de la decentralisation a prevalu, l'autorite royale est dispersee et af-
328 Stojan Novakovic,
faiblie; dans le droit ronaain, l'autorite imperiale est forte et centralisee;
le roi et l'empereur sont tont dans l'Etat. Dans le droit feodal, le roi ou
l'empereiir est contraint de partager l'autorite administrative et legis-
lative avec ses puissants vassaux. C'est pourquoi dans les Etats f^odaux
rautorite royale disparait presque toutes les fois quo le roi est person-
nellement faible, tandis que, dans le Systeme romain, eile subsiste dans
toute sa foree mßme dans ce cas, gräce aux puissantes institutions cen-
tralisatrices de l'Etat. Quoiqu'il ne soit pas exact de dire que les insti-
tutions feodales n'ont exerce aucune influence dans la Peninsule Bal-
canique — car elles ont p^netre dans toute l'Europe, il n'en est pas
moins vrai qu'elles n'ont pu se dövelopper dans les contrees de l'Empire
Romain d'Orient aussi fortement qu'ailleurs en Europe, parce que l'auto-
rite imperiale y avait garde et continue la pratique de l'aneienne tra-
dition romaine.
En meme temps que le droit public, le droit privd romain s'est aussi
mieux conserv^ dans la Peninsule Balcanique que dans le reste de lEii-
rope, oü la continuite du pouvoir n'ayant pu etre maintenu au point
de vue du droit public n'a pu l'etre davantage au point de vue du
droit prive.
Gräce ä cette circonstance, l'autorite imperiale romaine, aidde sans
doute aussi dans ses aspirations par les anciennes traditions des peuples
de rOrient, a pu y revetir un veritable caractere autocratique. De lä
resultait cette extreme consequence: tandis que, dans les contrees du nord
de l'Europe, toute atteinte au droit romain tournait au profit des seigneurs
feodaux et au detriment de l'autorite centrale, dans la Peninsule Balca-
nique, au contraire, eile profitait la plupart du temps a l'autorite imperiale
et servait des tendances autocratiques. On en trouve la preuve dans la
restriction des droits municipaus, dont il resta tres peu de traces en Orient.
C'est ainsi que deux courants contraires — ä l'Orient l'expansion
de l'autorite centrale imperiale, ä l'Occident l'imposition du regime
feodal — ont conduit au meme resultat en ce qui concerne Tautonomie
municipale, c'est ä dire ä l'abolition de cette ancienne Institution de
l'epoque greco-romaine.
L'existence de villes et cites libres et autonomes ne pouvait se con-
cilier avec les besoins de l'autorite centralisatrice de Constantinople ;
celle-ci, en effet, sollicitee dejour en jour plus imperieusement, tant par
les dangers venant de l'exterieur que par ceux de l'interieur, d'assurer
la defense de l'Etat, se sentait contraiute de tendre de plus en plus a
Villes et Cites du moyen äge. 329
retablissement d'un Etat militaire centralise 'j. Les aspiratioDS effren^es
et arbitiaires des seigneurs feodaux ä moitie barbares aboutissaient au
meme resultat. Gräce :i la force brutale, ils soumettaient souvent ä leur
autorite le sol, et sarrogeaient ensuite tous les droits sur ce sol et sur les
hommes. Or de pareils procedes exclnaient toute autonomie et toute
liberte, et c est pourquoi Tautonomie municipale en a (ite la premiere
victime, car eile etait la premiere et la plus ancienne source de la liberte
et du progres. Ce sont donc naturellement les villes surtout qui ont en
le plus ä souffrir des violences fc'odales et des exigences de l'autorit^
autocratique imperiale; et les attaques dirigees contre eiles ont eu une
repBtcussion dautant plus grande que c'etaient non pas des particuliers
raais des societes organisees qui en etaient l'objet. Malgre ces attaques,
cependant, le souvenir de lautonomie municipale, ce foyer des anciennes
libertes, s'est conserve pieusement dans la memoire des peuples, et c est
en s'inspirant de ce souvenir quils devaient plus tard, au moment oppor-
tun, provoquer et commencer la lutte pour la liberte.
Nous avons montre plus haut comment, au debut de la civilisation
grecque et romaine, les villes et les cites sont devenues les premiers cen-
tres du progres, de lordre et de la civilisation; comment s V sont form^s
les principes de la vie privee et publique; comment, ä l'epoque romaine,
la vie municipale autonome a pris naissance sous la protection de l'Etat
et en harmonie avec lui. Lors de l'invasion, les violences barbares ont
detruit tout lancien ordre des choses et l'ont remplace par le regime de
larbitraire et des exactions du gouvemement militaire, par resclavage
legal et par Tautorite brutale des seigneurs. II fallait des champion»
pour engager la lutte contre cette Invasion qui avait fait table rase de
tout€s les institutions municipales et politiques anterieures, pour les rem-
placer par le droit du plus fort — et ces champions furent ä TOccident
les villes. De meme qua lorigine nous les voyons creer 1 Organisation
municipale et politique, de meme les voyons-nous, ä l'epoque dont nous
parlons, se mettre les premieres ä lutter pour le retablissement de droits
hamains, foules aux pieds par l'arbitraire du moyen äge. C'est que
l'amouv du progres, du travail et de la propriete. ainsi que le besoin des
droits personnels, de l'ordre et de la securite, ne pouvaient se faire sen-
tir nulle part d'une maniere aussi forte que dans les villes. Les paysans
i Ch. Diehl. Etudes sur T Administration byzantine dans l'Exarcat de
Ravenne, 56S— 761. Paris 18S8, Sl— !94.
330 Stojan Novakovic,
etaient trop dispers(?s, trop abattus, trop faibles poiir s'organiser et en-
gager la lutte. Dans les Etats de l'Ouest de TEurope, lautorite royale
etait affaiblie ainsi que l'autorite municipale; c'est pourquoi les rois
eux-memes etaient forcös d'attendre qu'il leur vint des allies, car, en
leur absence, seuls, ils ne pouvaient entreprendre la liitte, puisque leur
propre entourage (5tait compose precisement des ennemis de la royaute.
Les villes et les cites ressentaieut donc seules le besoin et etaient seules
en mesure de lutter contre l'oppression feodale et de tenter d'acquerir
de nouveau, pour elles et les agglomerations qui les avoisinaient, les
droits possedes anterieurement. 11 faut se Souvenir qu'en ces temps
d'agression brutale il fallait lutter pour les droits les plus ordinaires,
dont nous ne concevons pas aujourd'hui que l'on puisse se passer. Les
habitants des villes, comme ceux des campagnes, n'avaient pas cette
simple liberte materielle de circuler; ils ne pouvaient pas acheter et
vendre librement; ils n'etaient pas maitres cliez eux; ils n'etaient pas
toujours assurös de pouvoir laisser ä leurs enfants les biens qu'ils avaient
acquis. C'est pourquoi dans les villes de l'Europe Occidentale commenga
une lutte acharnee et celebre pour la liberte municipale et civile. Elle
se developpa surtout en Italie, oü les anciennes institutions etaient le
mieux connues , et oü les circonstances pour le retablissement de la li-
berte municipale etaient les plus favorables, ä cause des tiraillements
eutre l'autorite papale et la föodalite. De lä, eile se communiqua ä la
Lombardie, puis ä TAUemagne; en France, enfin, eile prit une extension
consid^rable. Le celebre historien franQais , Augustin Tbierry, qui a
ddcrit le premier, d'une maniere magistrale, cette lutte et l'a com-
ment^e selon les principes modernes de la science historique, la com-
pare ä la lutte moderne en Europe pour le regime constitutionnel.
Au XIII ''^'™*^ siecle, dit-il, les communes luttaient pour la liberte civile.
et les mots commune et autonomie avaient alors pour les villes la sigui-
fication qu'a aujourd'hui pour les peuples le mot Constitution. Le droit
municipal signifiait pour les villes le droit d'avoir leur propre tribunal
et leur propre administration : et ee droit etait special ä chaque ville.
Dans la lutte pour la Constitution, ces memes droits etaient reclamea
pour le peuple tout entier; au moyen äge, chaque ville luttait separe-
ment pour ses droits municipaux; dans les temps modernes les peuples
tout entiers luttaient pour leurs droits constitutionels ^j. C'est ainsi que
1) A. Thierry, Lettres sur l'Histoire de France.
J
Villes et Cites du moyen age. 331
les villes et les citös, protagonistes de la liberte et du progres aux temps
anciens, entament de nouveau la lutte pour cette mcme liberte, foul(5e
par l'arbitraire feodal. Ainsi les villes devinrent des auxiliaires precieux
de la lioyaut^ et liii permirent de tenter la restauration de Tautoritö
centrale. En effet, les villes avaient toujours interet ä se placer sous la
protection de cette autoritö, puisqu'elles y trouvaient, :i cause de son
caractere politique et gen^ral, des gavanlies, introuvables dans l'autorite
dgoiste et exigeante des seigneurs söparatistes de la feodalite.
Apres avoir esquissc le tableau genöral ci-dessus, nous allons main-
tenant fixer plus specialement notre attention sur les contrees balcani-
ques. Quelle a ete la condition de la Peninsule Balcanique ä l'^poque
dont nous nons occupons? Quel sort y a subi le droit romain? Quelle
influence y a ete exercee par la migration des peuples ? Quelle a 6t6 la
resistance opposee par le droit romain aux id^es de nouveaux peuples
qui s'y sont fixes? Quelle empreinte y ont laissee et quelles cons^-
quences y ont provoquees les idees feodales? Dans quelle voie se sont
engagöes, au point de vue du droit, les institutions de nouveaux Etats
et de nouveaux peuples qui ont pris place dans l'histoire?
Teiles sont les questions que nous avions surtout en vue jusqu'ici.
Nous pouvons de suite, en nous rapportant ä ce ({ue nous avons dejä
dit, röpondre ä quelques-unes de ces questions. La Peninsule Balca-
nique rentre dans cette cat^gorie de contr^es oii les institutions romaines
et l'ordre romain se sont maintenus le plus longtemps. L'institution ro-
mainede l'autorit^ imperiale ou centrale, avec son caractere politique, s'est
conservee tres nettement dans la Peninsule Balcanique. Le regime feodal
s'y est bien developpe aussi, en partie sous l'influence des traditions
primitives romaines, en partie sous l'influence des contrees de l'ouest de
I'Europe, qui s'y est fait sentir surtout ä l'epoque des Croisades; mais
ce regime n'a cependant jamais pu y prendre cette Organisation de
l'anarchie oligarchique qu'il avait prise dans l'ouest de I'Europe.
L'institution romaine de l'autorite centrale a ete consacr^e chez les
Grecs par des dispositions legales, et eile s'est perpdtuee chez eux jus-
que dans ces derniers temps. Les lots grecques ä ce sujet ont ete adop-
t^es par les Slaves; ils en ont traduit une partie, et Celles qui n'ont pas
€t6 traduites ont dte mises en pratique chez eux dans la forme de la
coutume. Ces lois ont ete empruntees meme par les Roumains et les
Russes, par les Armeniens et les Georgiens, et ont 6t6 appliquees dans
des contrees qui n'ont jamais fait partie, ou n'ont fait partie que peu de
332 Stojan Novakovic,
temps, de l'Empire Romain. Les diverses institutions du droit romain se
sont meines et confondues avec les coutumes nationales ; et comrae les
Slaves, les Grecs et les Romains sont de souche indo-europöenne, et que
la vie sociale, ayant une base commune, s'est developpee chez ces peu-
ples, ä l'crigine, d'une maniere identique — il en resulte qu'il est sou-
vent difficile de de'couvrir ce que les nouveaux arrivants dans la Pönin-
sule Balcanique ont emprunte ä ses premiers habitants, les Grecs et les
Romains. Les peuples slaves de la Peninsule, n'ayant apport^ dans leur
nouvelle patrie qu'une civilisation tres rudimentaire, y ont aecepte et
subi pendant des sieeles la suzerainete directe de Byzance, c'est k dire
la suzerainete romaine ou grecque. Dans tout le cours des sieeles, ils
ont subi l'inflnence de la religion, de la civilisation et de l'ordre social
de ceux qui etaient tantot leurs maitres, tantot leurs allies dans la Penin-
sule Balcanique. C'est ainsi que memo aujourd'hui on trouve dans les
coutumes du peuple en Grece, en Serbie, en Bulgarie et en Roumanie,
plus de ressemblances que de diflferences, souvent dans les details memes.
L'ancien Empire d'Orient avait cree dans toutes ses provinces des cen-
tres, des villes, des routes. des frontieres, ainsi qu'un ordre politique bien
concu et conforme aux frontieres naturelles et ä la configuration g6o-
graphique du sol. L'histoire nous montre que les nouveaux arrivants
n'ont apporte aucun regime etabli, et que rt^gulierement ils se sont pli^s
ä ce qui existait, se confondant avec les premiers habitants et se conten-
tant de tres peu de modifications..
Ce fait se reproduit taut dans l'ordre materiel que dans l'ordre
moral, de sorte qu'il serait malaise de dire quelle contribution person-
nelle ont apportee les Serbes et les Bulgares aux institutions romaines-
orientales qu'ils ont trouvees en vigueur dans les pays oü ils se sont
fixes. Une severe critique trouverait que eette contribution est bien
minime, bien insignifiante, et ne pourrait la döterminer facilement. Ceci
ne semblera nuUement etonnant, si l'on veut bien se rendre compte, par
l'ötude comparee des idees et des institutions humaines, que les idees
neuves et originales sont extremement rares; qu'en regle generale, c'est
la repdtition, avec des changements insignifiants, qui caracterise toujours
l'oeuvre humaine, et que cette oeuvre, meme ainsi bornee, est suffisam-
ment belle et glorieuse, si eile est habilement conduite au profit de la
civilisation generale. Les idöes, en eflfet, ont rarement une empreinte
purement nationale, mais brillent surtout par leur perpetuel cosmopoli-
tisme. Etant donnes d'une part la simplicite et les cotes pratiques evi-
Villes et Cites du moyen äge. 333
dents des institutions de rEmpiie Romaiu, et d'autre pari Tiguorance et
le degre de civilisation peu avance des nouveaux peiiples qui plua taid
3ont venus s"y fixer, il est tout simple que ces derniers fusseiit coiuluits
ä adopter et ä maintenir, en les renouvelant, les institutions toutes faites
quils y avaient trouvces.
Pour ce qui est du regime politique dans la Peninsulc Balcanique
au moment de linvasion slave, et avant la fondation des Etats slaves, il
dtait base sur des principes centralisateurs qui donnaient la plus grande
extension possible ü l'autorite imperiale, au detriment des droits muni-
cipaux ou regionaux primitifs. La cause en etait dans le dangev per-
petuel qui mena^-ait les frontieres de l'Empire; dans la [nature meme de
lautorite imperiale centralisatrice, et dans les chocs incessants qu'avait
ä subir l'Empire, par suite des perturbations qui se produisaieut au mo-
ment de Tinstallation de ses nouveaux babitants. Au moment oü, en
Europe, la feodalite se developpait au detriment taut de Tautorit^ muni-
cipale que de Tautorite centrale, ä ce moment meme, dans l'Empire
Byzantin , toute autorite autre que celle de l'empereur et de ses hauts
dignitaires s'affaiblissait au profit de cette deiniere. Les anciennes insti-
tutions civiles de l'Etat Romain disparaissent une ä une dans lEmpire
Byzantin ä partir du VII* siecle ; l'Etat y recevait de plus en plus le
type d'un Etat militaire; l'administration y ^tait presque exclusive-
ment militaire. Seule la juridiction civile demeura distincte de
l'administration militaire , comme dernier vestige de l'ordre romain,
oü les administrations militaire et civile etaient nettement separ^es.
C'est ainsi que les anciennes institutions municipales ont toutes disparu
les unes apres les autres; les villes ont recu pour administrateurs et
chefs des capitaines militaires, et dans les campagnes (themata) toute
raotorit^ fut r^unie entre les mains des ducs ou des comtes (en Serbie
BOJBO^e ou KHesoBii' . Les capitaines des villes (en Serbie lied-a-iiije)
avaient sous leurs ordres le territoire qui entourait la ville; ils y repre-
sentaient l'empereur et l'autorite imperiale, avec des forces süffisantes
pour pouvoir l'exercer efi'ectivement. Concurremment avec l'autorite
imperiale, l'Eglise exer^ait aussi son autoritö dans le sens de la centrali-
sation; par les eveques et les protopopes, eile tenait dans sa dependance
les öglises et les pretres dans les circonscriptions urbaines, tout comme
63 capitaines des villes y maintenaient sous la leur le peuple, les no-
1) Diehl Ch. Etudes sur T Administration byzantine dans l'Exarchat de
Ravenne (568—751). Paris 1888, pages 81—194.
334 Stojan Novakovic,
tables ou les seigneiivs. Les exceptions ä cette rfegle g^n^rale prove-
naient — soit de la tolerance imperiale, gräce ä laquelle des vestiges de
l'ancienne Organisation purent subsister dans certains centres de l'int^-
rieur, oü le maintien en etait exigö par des consid^rations speciales —
soit des circonstances locales, comme dans certains centres du littoral
de la Dalmatie, oü l'ancienne Organisation subsista et se maintint dans
son intdgrit^.
Nous trouvons une Organisation tout-ä-fait semblable ä celle qae
nous venons d'exposer dans une autre ancienne province de l'Empire
Romain, situee ä l'autre bout de l'Europe, dans la Gaule. L'ancien
regime romain y a subsiste meme apres l'invasion germaine; il s'y est
maintenu sous la monarchie franque, dans son integrite, tout comme
dans la Peninsule Balcanique, et na succombö que plus tard, lors de
l'etablissement döfinitif de la Feodalite. Les Francs n'ont donc pas
touchö, en Gaule, ä l'organisation romaine: ils se sont contentes d'en-
trer dans le cadre romain, de prendre possession des centres romains,
des maisons , des villes , des frontieres et des routes romaines. II n'y
a eu, apres l'invasion franque , rien de change dans le regime de la
Gaule, si ce n'est qu'elle a regu de nouveaux maitres. Les rois m^ro-
vingiens (428 — 742) ont gouverne comme les empereurs byzantins,
en se conformant absolument aux traditions romaines. C'est l'auto-
rite centrale royale qui gouvernait alors la France: c'est eile qui
nommait ou destituait les comtes dans les villes; eile possedait le pouvoir
judiciaire — eile ötait toute puissante, etl'autoritö feodale de la noblesse
ne se faisait pour ainsi dire pas sentir. Les comtes rendaient la justice
dans les citös au nom du roi. La France entiere etait divisöe en circon-
scriptions urbaines, semblables aux marclies ou aux contr^es urbaines
(5Kyna), et c'est par l'intermödiaire des villes que s'exergait et se deve-
loppait l'autorite royale dans le pays ^).
Tout se passait de la meme maniere dans l'Empire Byzantin. Mais
il est surprenant de constater qu'il en a ete de meme dans le Royaume
et l'Empire Serbes, jusqu'ä la disparition de celui-ci. Les villes y for-
maient la principale base pour la division territoriale. A leur tete se
trouvaient des capitaines comme ä Byzance (appeles he<i>a.aHJa), et ces
capitaines y avaient exactement les attributions des comtes dans les villes
de la Gaule. Nous avons indique ailleurs combien l'organisation militaire
1) F. de Coulanges, Histoire des Institutions politiques de rancienne
France — La Monarchie Franque — Paris 1S88.
Villes et Cit^s du moyen äge. 335
de l'Empire de Charlemagne etait semblable :i celle de lempereur serbe
Douchan: et il est evident qu'il en a ete ainsi, parce qu'ä cette dpoque,
le regime romain etait encore en vigueur dans l'Empire de Charlemagne,
et parce que l'autorite fdodale n'a pu s'y developper qu'apres la disso-
lution de cet Empire ^). Meme les chants nationaux serbes, en chantant
la mort de Douchan, raentionnent cette divi.sion territoriale, comme une
idee ancienne qui s'est fondue avec les idees nationales. L'empereur,
decrivant ä Voukachine l'heritage qu'il lui laisse, lui dit: «Je te laisse
en ddpöt nion empire, et toutes mes cites et tou3 mes ducs, dans toute
letendue de mon empire« 2j.
A quoi tient cette ressemblance qui se manifeste dans les institutions
de la monarchie franque, non seulement avec Celles de TEmpire Byzan-
tin, mais encore avec Celles de l'Etat serbe du moyen äge? A une
identitö de causes de part et d'autre. Les Francs, race germaine, pa-
rente de la race slave, pönetrent dans la province romaine de la Gaule,
et remplacent le gouverneur romain par un roi franc, qui continue ä
gouverneur d'apres les traditions romaines. Les Serbes, et les autres
tribus slaves qui ont forme plus tard avec eux une meme nationalitö,
p^netrent dans les provinces romaines de la Peninsule Balcanique: ils y
entrent en contact avec la population originaire, et en apprennent ä con-
naitre les anciennes institutions romaines, qu'ils adoptent et assimilent
aux conditions de leur vie nationale •^). Dans la suite , les empereurs
1} Zeller, Histoire rösumde de rAlleniagne et de FEuipire Germanique.
Leurs institutions au moyen äge. Paris 1889, pages 76 — 168;
Ilpöujijapu u EaiuTuiiuuu. Tjuxc GpncKc Kpa.L. AKa^CMuje, I. Eeorpa« 1887,
cip. 11 — 14.
-} B. Ct. Kapauuh. CpriCKe Hapo;iHe IlecMe II. Beq 1846, crp. 187.
3j Le dernier livre de M. Fustel de Coulanges (Histoire des institutions
politiques de Tancienne France, La Monarchie franque — Paris, 1888) est tres
iniportant et tres interessant au point de vue dont nous nous occupons. II
est surprenant de voir corabien il y a de ressemblances entre la monarchie
franque et l'Etat serbe du XIV siecle. Comme il y a dejä un certain temps
que j'etudie l'Etat serbe du XIV siecle, et que je m'en suis forme une image
assez nette, j'ai ete etonne de voir combien il y a d'analogies surprenantes
entre les principales institutions franques (empereur — palais — villes —
comtes — ducs — tribunaux) et Celles de la Serble du XIV^ siecle. Cette
constatation m'a confirme dans mon opinion anterieure, ä savoir que dans
l'etude de nos coutumes, de nos institutions et de notre Organisation sociale,
il faut proceder par comparaison historique, et s'inspirer de la loi de Tem-
prunt des peuples moius civilises aux peuples plus civllises — plutOt que de
336 Stojan Novakovic,
byzantins ont ä plusieurs reprises enleve aux Serbes l'autorite sur le
territoire entier dans la Peninsule, surtout sur certaines rögious, et les
Serbes reeiproquement Tont reprise aux empereurs. Mais ces change-
ments, fröquents notamment dans les contröes de la Serble meridionale
et de la Macedoine, n'ont pas eu pour consequence un cliangement dans
le regime. Le maitre serbe etait remplace par un maitre grec, le maitre
grec par un maitre serbe. Teile a ete, parait-il, la seule difterence —
du VII e au XIV «^ siecle; quant au regime, personne n'y a jamais touche,
et il est demeurö presque toujours tel qu'il etait jx l'origine.
La vie politique et municipale a donc pris, a Torigine, dans les
anciennes provinces de l'Empire Romain, une forme identique, aussi bleu
ä l'Est, dans la Peninsule Balcanique, qu'ä l'extreme Ouest, dans la Gaule.
A l'Est, les uouveaux Etats qui se fonderent dans les anciennes provinces
romaines de la Peninsule Balcanique inaugurerent leur vie politique et
sociale , en la pliant au cadre romain au poiut de vue politique et
ecouomique, et au cadre byzantain au point de vue de la religion et de
la culture. A l'Ouest, les Gaulois et les Germains se conforment d'uue
fagon pareille aux traditions romaines et italiennes, et se melent ä la
Population roraaine et ä la population romanisee primitive. Par suite des
vicissitudes et des guerres d'une epoque troublee, presque tous les droits
municipaux disparurent, tant ä l'Est qu'ä l'Ouest, et toute l'autorite se
concentra dans le chef de l'Etat. Or il faut nous demander comment les
choses se passerent dans la suite, et quel fut, dans le cours du moyeu
äge, le developpement ulterieur d'un etat de choses ä l'origine identique.
Nous avons vu que dans l'Europe Occidentale, l'arbitraire feodal a
pris le pas sur l'autorite centrale royale qu'il a annihilee, et a detruit les
droits personnels des particuliers, en les remplagant par le regime de l'oli-
garchie anavchique et de l'oppressiou. Dans les contrees de cette partie
de l'Europe, les villes et les cites furent les centres et les chefs de la
lutte coutre cette oppression feodale. S'appuyant souvent sur l'autorite
royale elle-meme, et s'alliant avec eile, les villes et les cites y ont entre-
pris cette lutte — lutte sanglante et meurtriere — pour la conquete des
droits bumains, de la libert^ personuelle, de la liberte de circulation, et
elles ont aiusi servi la cause de la civilisation et du progres, dont elles
l'idee de roriginalite nationale. C'est la methode qui nous est dictee par
l'histoire generale des idees et des institutions, lesquelles emigrent et s'em-
pruntent plus souvent qu' elles ne s'inventent. Nous en avons d'ailleurs
Texemple daus notre propre epoque, si pleine de phraseoiogie.
Villes et Cit^s du moyen äge. 337
ont et6 les pionniers, en developpant partout la richesse, Tindustrie et le
commerce. EUes ont en outre maintenu en usage de nombreux droits,
de nombreuses coutumes de lepoque romaine, elles ont conservö ou con-
tribu^ ä faire revivre les anciennes institutions municipales romaines.
Gräce ä leur influence morale et ä leurs efforts, elles ont reussi ä rem-
plir leur mission dans la lutte pour le droit et la libert^, et ont ainsi
brillamment pr^pare l'avenement de lere nouvelle.
C'est ainsi que les choses se sont passees dans TOuest de l'Europe,
mais il en fut autrement dans l'Est, oii le developpement social et poli-
tique, quoique identique au d^but, prit une marche difförente.
L'autorite centrale du chef de l'Etat s'y maintint avec ses Präro-
gatives anciennes, du moins au commencement, et ne permit pas ä l'auto-
rite seigneuriale de s'y organiser comme dans l'Ouest de l'Europe. Les
tentatives ulterieures des seigneurs en ce sens — qui se manifesterent
surtout en Serbie, apres les conquetes de Douchan — furent totalement
enrayees par la conquete turque.
C'est pourquoi l'autorite centrale imperiale supprima de nombreuses
institutions municipales. Si celles-ci se maintinrent sans discontinuitö,
dans certains centres, c'est parce que l'autorite centrale meme trouvait
des raisons de ne pas y toucher, et parce que rien n'est moins uniforme
que le moyen äge. En effet, ici encore, le developpement du commerce,
de l'industrie et des entreprises privees, rendait necessaires certains Pri-
vileges particuliers. La se trouve la raison de nombreux Privileges auto-
nomes que possedaient certaines colonies etrngeres, notamament lescolo-
nies et les villes romanes du littoral de la Mediterranee. II parait que dans
la Pcniusule Balcanique on a prodigue encore davantage les Privileges
de cette cat^gorie. Ici les corporations et leurs Privileges rappellent et
representent cette autonomie des villes romanes de la Mediterranee.
Nous savons de meme, par des documents certains, par exemple par le
Code de l'empereur serbe Etienne Douchan, que des villes de la P^nin-
sule Balcanique avaient certains Privileges, quoique, malheureusement,
. nous ne possedions aucun detail precis sur leur nature. Mais il faut re-
i marquer qu'en general le developpement des institutions municipales
ne sopere pas ici k la suite d'une lutte, et n'est pas le r^sultat dune
conquete sur les seigneurs, comme ä l'Ouest de TEurope, mais qu'il pro-
cede, soit d'un don special de l'autorite imperiale, soit danciens Privi-
leges qu'elle laissa subsister. C'est ainsi que dans certaines regions les
institutions municipales romaines se maintinrent d'elles-memes, aprös
.Vrchiv für slavische Philologie. XXV 22
V
338 Stojan Novakovic,
l'invasion, dans leur forme primitive. Tel est le cas de la Dalmatie oü,
en raison des circonstauces, les nouveaux maitres slaves eux-memes ne
c^derent pas ä la tentation de satisfaire leur amour- propre autoritaire,
par l'imitation des exemples de la souverainete centralisatrice romaine.
De meme ä l'autre bout de la peninsule, nous voyons que Constantinople
a eu, pendant toute la duree du moyen äge, et jusqu'ä la prise de Con-
stantinople, une Constitution speciale qui en faisait un monde ä part dan-
l'Empire Byzantin, possödant des institiitions particulieres. Constanti-
nople a eu ainsi une Situation ä peu pres semblable ä celle de Rome dans
l'Empire Romain; le nom de nouvelle Rome lui a meme ete donne dans
les documents du moyen äge, et il est certain qu'ä cause de cette Situa-
tion particuliere il a du avoir quelque influence sur les autres villes de
la Peninsule Balcanique, tout au moins sur les plus importantes. Nous
mentionnerons cependant ici que les Privileges des villes balcaniques
n'etaient en aucune faQon analogues ä ceux que possedaient ä la meme
epoque les villes de l'Ouest de l'Europe. Seules les villes du littoral de la
Dalmatie peuvent, sous ce rapport, 6tre comparees aux villes de l'Italie et
du midi de la France, oü, sauf de rares interruptions, la tradition romaine
a persiste. En Dalmatie, du reste, la langue italienne, et jusqu'ä un certain
point, la nationalite italienne se sont maintenues jusqu'ä nos jours, quoi-
que la population primitive purement romane s'y soit melangee avec la
population voisine serbe, et se soit meme le plus souvent confondue avec
eile. Comme preuves de cette similitude d'organisation entre les villes du
littoral de la Dalmatie et Celles des autres regions romanes de l'Europe
(y compris la Gaule), nous citerons les faits suivants. Dans les unes comme
dans les autres, nous trouvons un comte (comes) comme cbef elu de la
cite. Celle-ci, gouvernee par le comte et par le conseil qui l'assiste, y a
le type de l'Etat, et ce type a persiste, dans son cadre restreint, pendant
tout le cours du moyen äge. Dans les villes du littoral de la Dalmatie.
comme dans Celles de la France et de l'Italie, c'est aux sons de la cloche
que sont convoquees les assembldes municipales. Dans les unes comme
dans les autres, l'administration municipale est r^gie par un meme prin-
cipe — le principe electif. L'organisation interne y est semblable, in-
spiree par le geuie commercial. gräce auquel elles rependaient dans les
contr^es voisines, avec leurs marchandises, leur culture plus developpee
et leurs idees. Les mots Italiens «razione«, »vaglia«, rloggiaff, ainsi que
beaucoup d'autres qui ont passe dans la langue serbe, temoignent de
cette influence exercee par l'oeuvre commerciale des villes de la Dalmatie.
Villes et Cit6s du moyen äge. 339
Si maintenant nous nou3 demandons quel role ont jouö les villes et
les citcs, dans la vie sociale de la Serbie du moyen äge, nous trouverons
que les tendances naturelles vers le progres devaient y etve soumises ii
trois influences distinctes. En premier lieu s'exer^ait celle de Constanti-
nople: nous savons que Tesprit centralisateur y dominait, et qu'il avait
pour consequence la restriction des tendances et des institutions munici-
pales, ainsi que la concentration de tonte lautoritt' dans Tomnipotence
militaire du souverain et de ses representants. Or les Serbes ^taient
rattaches ä Constantinople par la communautc de religion et par l'affinite
de culture: c'etaient la de puissants liens qui avaient leur r^percussion
sur la vie sociale et politique entiere de la Serbie. De la Dalmatie, par
contre. nous venaient des idees liberales. II est vrai que nous en etions
separes par la difference de religion, qui ä cette epoque creusait un
abime entre les divers pays, et que les modeles d'institutions municipales
qu'elle nous presentait pouvaient etre en contradiction avec les institu-
tions centralisatrices byzantines en vigueur. Malgre cela cependant, des
liens commerciaux et economiques s'^tablirent entre la Serbie et la Dal-
matie, et se multiplierent ä mesure que la Sei'bie progressait elle-meme.
D'ailleurs les souverains serbes en favoriserent eux-memes le de'veloppe-
ment, car l'emancipation commerciale et ^conomique ä l'egard de (Con-
stantinople, qui en resultait, servait les tendances anti-grecques de leur
politique, et formait un puissant appoint dans la lutte qu'ils soutenaient
avec Byzance, pour se soustraire ä sa Suprematie politique. A cote de
ces deux influences s'exercait une troisieme. provenant des aspirations
de la noblesse et des seigneurs serbes du moyen äge. Bien qu'elles
n'aient pas atteint en Serbie le meme resultat que dans les contrees de
rOuest de l'Europe, les pr^tentions des seigneurs y constituerent nean-
moins un obstacle tres serieux au developpement des institutions muni-
cipales. En effet, une condition primordiale de ce developpement, en
Serbie comme ailleurs, etait qu'il fut bas^ sur la libert^ personnelle. Or
cette liberte n'existait pas: les seigneurs ötaient maitres du sol, et mai-
tres des hommes qui, en majeure partie ainsi que leurs descendants,
etaient attach^s, k vie, ä la personne ou aux biens de leurs maitres. Pour
satisfaire leurs desseins egoistes, les seigneurs restreignaient souvent les
libertes les plus essentielles, comme celle d'acheter et de vendre k son
gre, si bien que nous voyons enfin, au XIV siecle, la legislation royale
forcee d'intervenir pour assurer au moins l'exercice de ce dernier droit.
D'oü il ressort que cliez les Serbes aussi, les villes et les cites durent
22*
340 Stqjan Novakovic, Villes et Citcs du moyen age.
chercher dans l'autorit^ royale, jusqu'ä un certain point, des garanties
pour leur developpement. Nous voyons, en verite, le code de Stefan
Douchan en Serbie prendre solennellement en protection les Privileges
des villes et des cites de la partie occidentale de la Pdninsule Balcanique
tout entiere.
Au milieu de ces influences diverses , les villes ont progresse tres
leutement en Serbie, et nous en donnons comme preuve pr^cisement ce
fait que nous connaissons tres peu de chose d'elles. Alors que dans les
contrees plus favorisees de l'Ouest de l'Europe les villes pouvaient s'en-
ovgneillir d'une autonomie complete, au point de vue tant de la juri-
diction que de l'administration , chez les Serbes les questions de libert6
personnelle n'etaient elles-memes pas encore r^solues. En effet, si nous
nous pla§ons, en dernier lieu, ä l'epoque oii la Serbie reconquit son in-
dependance, au commencement du XIX siecle, nous verrons dans ce
pays un ötat de choses tout ä fait contraire ä celui que nous avons con-
statd dans l'Ouest de l'Europe. Nous avons vu que les villes et les cites
y ont prepare la voie vers le regime constitutionnel; en Serbie, au con-
traire , nous voyons toutes les villes dans le meme etat qu'ä l'epoque
romaine , soumises au pouvoir etranger, habitees par des etrangers. Ce
ne sont pas elles qui entreprennent et menent ä sa fin ia lutte pour l'in-
dependance nationale, mais bien les campagnes et les villages. D'apres
cela nous pouvons juger quelle devait etre leur condition anterieure ;
nous pouvons nous rendre compte qu'elles jouerent un role insignifiant
au point de vue du developpement de la nationalite ainsi que de l'öman-
cipation et de la liberte civiles, et qu'enfin elles formerent toujours les
nceuds du filet, dans lequel l'autorite nou nationale enserrait le pays
Serbe, et gräce auquel eile y maintenait sa domination. Comme unique
trace de repr^sentation municipale, nous pouvons y noter seulement
Celle exercee par les notables, qui etait toleree par l'autorite centrale,
pour pouvoir etre consultee, le cas ^cheant, dans les questions religienses,
charitables et Celles concernant les coutumes. Les corporations — esnafs
— y etaient toujours prises en consideration. C'est en meme temps tres
vague et tres loin d'une autonomie reguliere, mais c'est tout ce qu'on
peut decouvrir positivement ä Athenes ou ä Serres aussi bien qu'ä
Beigrade et ä Uscub , ou ä Sofia et ä Andrinople. Tout le reste döpen-
dait de l'autorite centrale, omnipotente, et pour la plupart du temps,
arbitraire. Stojan Novakovic.
341
Bedeutimg des altböhmisclieii Imperfects.
Erklärung der Abkürzungen
der hier angeführten altböhm. Texte :
Alh. = Räj duse Paradisus anim*)
von Albertus Magnus aus dem XIV.
Jahrhundert; — -4/j-. = Alexandreis.
u. zw. AlxH. das Neuhauser Frag-
ment derselben aus dem Ende des
XIII. Jahrb., .4/xT'. das St. Veiter aus
dem Anfange des XV. Jahrb., die
übrigen aus dem XIV. Jahrb. ; — Ans.
= Anseimus, XIV. Jahrh. ; — Baic. =
Baworowski'sche Hs., v. J. 1472; —
BMG. = ein Bibelfragment, XV.
Jahrh.; — Comest.^^ Comestor, XV.
Jahrh. ; — Dal. = Dalimirs Chronik ;
— £lA. = eiu Evangelienfragment,
XIV. Jahrb.; Ev Seilst. = Evangeliar
von Seitenstätten, XV. Jahrb., Ev Vid.
= Ev. von Wien, 2. Hälfte d. XIV.
Jahrb.; — Hrad. = Königgräzer
Handschrift, XIV. Jahrh. ; — Kat. =
Leg. V. d. hl. Katbarina, ca. 1400; —
Kor. = Korcek's Neues Testament vom J. 1425; — Krist. = Leben Christi.
XIV. Jahrb.; — Ä'n<»i/. = Krumauer Handschrift, aus d.Anf.d. XV. Jahrb.; —
.Va.sf. z= Mastickär, der Quacksalber, 2. Drittel des XIV. Jahrb.; — 3Iat. =
Evang.Mattba'i mit Homilien. 2. Hälfte des XIV. Jahrb. ;— ML. = Modlitby
a legendy, Gebete und Legenden, XIV. Jahrb.; — Modi. = Modlitby, Gebete
etc., XIV. Jahrb.; — Ol.= Olmützer Bibel v. J. 1417; — Otc. = Otcove, Vitiv
patrum, XV. Jahrb.; — Puss. = Passional, XIV. Jahrb.; — PulA: = Pulkava's
i Chronik, ca. 1400; — Bozh. — Rozbor literatury staroceske 1840 u. 1841 ; —
j Stilfr. = Stilfrid, XV. Jahrb.; — Stit. = Stitny, SUtBiid. aus d. Anf. des XV.
i Jahrb., Stit.r. v.J. 1392; — Tns<. = Tristram, v.J. 1449; — Troj. = Trojaner-
cbronik, v. J. 1488; — Vit. = St. Veiter Handschrift, 1380—1400; — Vi/b. =
Vybor z literatury ceske, 1. 1845, II. 1S68; — ZWäth. = Zaltär Wittenbersky,
Wittenberger Psalter, XIV. Jahrb.
I.
Das Imperfectum 1] eines verbum imperfectivum drückt die
M Die obige Abhandlung ist ein Ausschnitt aus meiner Histor. Grammatik
342 J. Gebauer,
Handlung als eine a) in der Vergangenheit dauernde, oder b) in der
Vergangenheit dauernde und zugleich wiederholte aus.
Beispiele zu a): kdyz scdiechom nad hrnci masa a. j'ediechom
chleb Ol. Ex. 10, 10, Vulg. : quando sedebamus . . et comedebamus; —
ta (dcera) mrtese Kor. Luk. 8, 42, moriebatur, starb = lag im Sterben;
— (Alexander) otcika juz nejmejiese^ matky take nevidiese^ jedno miese
mistra sveho AlxV. 124 ff. ; — ta ry tiefe prosiesta svateho Petra, aby
z mesta postiipil Pass. 298; — Fares jednomu jme biese^ druhy Elifas
sloüiese AlxB. 3, 31 ; — u. s. w.
Hierher gehören auch die eine directe Rede ankündigenden
Imperfecta der verba dicendi dieti^ praviti^ mluviti u. a. Z. B. ta pani
k tej babe diese: «Povez mi« etc. Hrad. 103'^; — Petr svatemu Janu
diese: j)Rac5z palmu vzieti« etc. Vit. 37^; — pacholiky zalostive kri-
ciesta, »matko pomoz ! matko pomoz!« diesta DalZ. 50; — Kristus
praviese apostolöm : »Nenie vase, znati« etc. Alb. 102''; — svaty Pa-
vel . . praviese: »Kto ny ot milosti bozie« etc. ib. 103^; — sv. Ansel-
xim^ praviese: »Vzhrozije se möj zivot« etc. Stit. f. 90^; — Job, zkusiv
hubenstva tohoto sveta, praviese: «Clovek vzejde jako kvet a zetfien
bude« StitBud. 114; — (David), kakzkoli mnoho mel krmi k svemu
stolu, y\ak praviese: »Teprv se nasytim, kdyz« etc. 227; — ona dva
mlazsie '^xv&iosa praviesta: ;;Zda-li v näs srdce nehoriese« etc. Stit. r.
72^; • — (sv. Pavel) mluviese: »Jäz pferäd se dam za vsecky duse« etc.
Alb. 107^; — SV. Prokop . . mluviese: »Milä bratfi, nedivte se« etc.
Hrad. lO**; — pani jeho . . takto mluviese: »Panku, viz o sobe« etc.
Hrad. 143^; — (David) v tom tüzeni to mluviese: »E höre, tak se jest
prodlilo mö bezbydle!(f StitBud. 227; — tato dva takto mluviesta: »0
mily hospodine« etc. Pass. 290; — pfietele placic mluviechu takto: »0
mila Maria Magdaleno, proc« etc. Pass. 343 ; — nekteii k niej (sv. Mai-
kete) tak mlumechu: »0 prekräsnä dievko« etc. Pass. 320; u. s. w. —
Dagegen ist veceti [st.veceti, asl. vestati loqui) in dieser Stellung immer
im Aorist. — Vgl. asl.: otT.vestav% ze glagolaase imi.: «imej^i dbve
rize« etc. a7toy,Qid-elg ?Jyet Zogr. Luc. 3, 11, glagolaase elsysr Cod.
Mar. Marc. 0, 4 u. ö., oUvestaase imi, glagol'e cc7tey.QivaT0 Zogr. Luc.
3, 10 u. s. w.
der böLm. Sprache (IV, Syntax), es ist also immer das altböhmische Im-
perfectum zu verstehen; Analogien gibt es in anderen slavischen Sprachen
wohl für alle oben erörterten Fälle. — Vgl. auch Pelikan: Vyznam imper-
fekta ve stare cestine (Königgräz, 1886, Gymn. -Programm).
Bedeutung des altböhmischen Impeifects. 343
Häufig sind und ebenfalls hierher gehören Fälle des Imperfects,
wo eine in der Vergangenheit dauernde Handlung als eine mit einer
anderen, ebenfalls vergangeneu gleichzeitige erscheint; diese Fälle
meint man, wenn man sagt, das Imperfectum drücke die Gleichzeitig-
keit in der Vergangenheit aus. Z. B. : kdyz Josef snimähe telo, Maria
stäse eakajüci Ans. 'J, als während) Josef den Körper vom Kreuze
herabnahm, stand Maria . .; — v tu hodinu, kdyzto jeho (sv. Prokopa)
svate iUo j)oc/iovävächu, voläse jeden slepy a ika Pass. 316; — kdyz
^Oldiich) sk'rze jednu vesjediese, uzfe etc. DalH. 41; — kdyz Cechy
(Bohemi) v kUkter jdiechu, skry se (Jitka) za oltarem DalH. 42; —
kdyz diese Durink s hradu, vece DalC. 21: — kdyz jeho (sv. Jakuba)
na popravu vediec/tu, jeden nemocny poce volati Pass. 353; — Kochan
kdyz okolo sochy chodiese a z sehe treva tociese, na svöj rod poce tii-
ziti DalC, 40; — kdyz (sv. Vaclav) na praze Jdeciese a svü dusu u bozi
ruce porüciese^ Hneza a jeho bratrie pi'iskocichu DalH. 30; — v tu
hodinu, v niz sv. t>cepdna v hrob k sv. Vavnnci kladiechu^ svaty Va-
viinec . . na stranu v hrobu polehl Pass. 400; — (sv. Arnulfus), v nizto
dobu okolo iieho svaty pruvod pejiechu, dusi pustil ib. 331 ; — kdyz ta
cnä zena s synoma svyma pres moi'e plociese, jedne noci vicher se
vztrze etc. ib. 287 ; — kdyz to tele myjiechu, hrozny bl'sket vidiechu
Vit. 37''; — u. s. w.
Beispiele zu b): Gallikan zle duchy z lidi rAjhänieie Pass. 282,
trieb (öfters, zu wiederholten Malen) böse Geister aus den Menschen ; —
earodejnik knihy sv^ u more uvrhl boje se, by nebylo proneseno, ez se
6äry obchäziese ib. 294, dass er sich mit Zaubereien beschäftigte: —
casto k nemu lidie nemocni pnchäziechu. jesto iizdravaväse ib. 314; —
vyßezdiese David, kamz jeho koli Saul posielase, a vse müdfe zpöso-
boväse Ol. 1. Reg. IS, 5, egrediebatur, quo eum Saul misisset, . . age-
bat; — lide jine lidi tepiechii a svariece y^ jediechu DalC. 109; — u.s. w.
II.
Das Imperfectum eines verbum perfectivnm drückt die Handlung
als eine in der Vergangenheit wiederholte aus. Die Wiederholung
geschieht auf die Weise, dass
a) entweder dasselbe Subject aS" dieselbe Handlung p einigemal
ausführt, also: -S' [p^ p^p . . .)\
b) oder dass mehrere Subjecte »Sj, -69, «5*3 .. . zugleich oder nach-
344 J- Gebauer,
einander, aber jedes für sich, die gleiche Handlung ausführen, also.
[S^, S2, S, . . .] p.
Die Subjecte, welche die gewisse Handlung ausführen, können
selbstverständlich im Sing., Du. oder Plur. sein.
Beispiele zu a): ac uzriese zlodeje, beziese s nim ZWittb. 49,
18, si videbas . ., currebas . ., = jedesmal, wenn du erblicktest . .; —
(Dobes) pojdiese do Jerusalema Ol. Tob. 1, G, = Tobias ging jedesmal
nach Jerusalem , wenn . . . , Vulg. : cum irent omnes ad vitulos aureos,
hie solus . . pergebat in Jerusalem ad templum Domini, in der Bibel v.
J. 1857: chodival; — (knezj kolikrät se tam jiti pokusiese , tolikrät se
jemu vzdy tez prihodilo Pass. 341, so oft (jedesmal, wenn) der Priester
es versuchte . ., so oft (jedesmal) ist ihm dasselbe geschehen; — kdyz
koli zly duch nadlapiese Saula. David vzhudiese Ol. i. Reg. 16, 23,
quandocunque Spiritus malus arripiebat Saul, David tollebat citheram et
percutiebat eam; — kdez koli vejdiese Ptolomeus do ktereho mesta,
vzdy postaviese sträze v kazdem meste BiblG. 1. Mach. 11, 3, cum
introiret . ., ponebat, in der böhm. Auffassung und Uebersetzung: wo
immer er eintrat, jedesmal (überall) errichtete er Wachen : — (sv. Petr)
kdyz kokota pejic usly siehe ^ tak inhed zaplakäse Krist. 97"^, Petrus
brach jedesmal in Weinen aus, wenn er den Hahn krähen hörte (ver-
nahm); — (syn) kdyz pivo uzriese^ na vodu oka neprodriese Mast. 294,
wann immer er Bier erblickte , schaute er kein Wasser an ; — (obr)
kohoz sochorem dosiehniese, toho velmi uraziese Baw. 27G; — kdyz
se ona, ulizniese, on se zasmej'iese, a kdyz se ona posmüriese na n,
lisäse 0 niej Ol. 3. Esdr. 4, 31 , si arriserit ei (concubina regi), ridet,
nam si indignata ei fuerit, blanditur, die böhm. Uebersetzung etwas frei;
— ktozkoli pHJdiese obeti obetovat, pribehniese pacholik Ol. 1. Reg.
2, 13, quicunque immolasset, veniebat puer, in der böhm. Auffassung :
wer immer ==• wann immer jemand kam . ., jedesmal kam der Knabe etc. :
— komu se nedostamese, u druha jako sve vezmiese Dal. 2 ; — (Uhri
kam se jedno ohrätiecJm^ vezde Premysla uzriechu DalJ. 88; — na
vsaky den pridiese k nemu nemocuych velmi mnoho, k nimzto ruku
vyskyta z okence a kazdemu na hlavu vlozie'se Otc. 139% Kranke kamen
Tag für Tag und der Einsiedler legte jedem jedesmal die Hand auf; —
(pisai- a biskup) zectiesta penieze, jesto nalezniesta Ol. 4. Reg. 12, 10,
numerabant, quae inveniebantur; — u. s. w.
Auf die hier gemeinte Weise ist auch das Impf, pribliziese se zu
erklären in den Beispielen: kdyz nemoc se pribliziese^ on (bohatec
Bedeutung dea altböhmischen Imperfects. 345
chtiese se tiilati Hrad. IIP, — kdyz (Boleslav) pocitil smrt, ze se k
nemn pH bh'ztese, povolav k sobt' syna sv(?ho a jej mnohym ctnostem
ucil Pulk R. 35''; — durch das Imperfectum des verb. perf. prlbliziti se
ist, meine ich, das Nahen als ein schrittweises angedeutet und wird ge-
sagt, dass ein Schritt nach dem anderen ausgeführt wurde: die Krankheit,
der Tod kam näher, und wieder näher . . ., neubühm. nemoe, smrt se
pHblizovala (impftiv,, iterat.).
Ahnlich ist auch das Impf, protrziese in Hrad. 125'^ zu deuten:
svec provrze ten kros, i sadi druhy spiese; ten (druhy) kros op<^t provr-
ziese, osm vrhöv vesdy pospolu ztrati övec. Der Schuster — erzählt
das Gedicht — würfelte mit dem Wirt ; verlor, verspielte einen Groschen :
setzte dann einen zweiten Groschen ein; und verlor, verspielte auch
diesen, und zwar auf acht Würfe : provrziese = verspielte den zweiten
Groschen in mehreren auf einander folgenden Würfen (daneben im
ersten Satze provrze, Aor., worüber weiter unten Y). Verliert jemand
heute z. B. im Kegelspiel einen Gulden, su sagt er: prokouleljisem zlatku,
während man altböhmisch prokulech hätte sagen können : die Nuance
der Handlung, welche im Altböhmischen durch die Bedeutung des Im-
perfects ausgedrückt werden konnte, muss im Neuböhmischen, das kein
Imperfectum mehr hat, durch die Bedeutung des Imperfectivs aus-
gedrückt werden.
Beispiele zu b): kräl käza na n na Kristofora) strieleti, v tu
dobu kazdä stiela jeho neduojdiic u povetri ostaniese Pass. 363, jeder,
d. i. der erste, zweite , dritte . . abgeschossene Pfeil blieb in der Luft
hängen (wäre nur ein Pfeil abgeschossen worden, so würde das Beispiel
lauten: strela . . u povetri osta, Aor. : — k tej (lipe, Vrsovici) kneze
priväzachu . . i pocechu jako k ciliu k fiemu strieleti, ale s. Jan kneze
zasläniese, v s. Jana hüni sipi tciechu, kniezecieho tela nedotkniechu
DalC. 34, die abgeschossenen Pfeile, einer nach dem andern, Hessen deu
Körper des Fürsten unberührt; — kdyz kterä zena porodiese syna
prvence prveho, jmiese vyplatiti jeho beränkem Hrad. ()9", wenn ein
Weib einen Erstling gebar, so sollte es ein Lamm opfern, und dasselbe
sollte geschehen, wenn ein zweites, drittes . . . Weib einen Erstling
gebar; — kteryz nemocuy najprve se u vodu utekl, ten uzdraven bu-
diese Krist, Ü4^, der wurde geheilt: es wurden geheilt von den warten-
den Kranken immer einer, und wieder einer . . ., jedesmal derjenige,
der als erster in das erneute Wasser trat; — v ten cas se vsech stran
lidie (k s. Alexi) pobehü, a kteriz ho nemocni dotkniechu, ti inhed
346 J- Gebauer,
uzdraveni byli Pass. 327, der erste, zweite, dritte . . . von den Kranken,
die den Leichnam des hl. Alexius anrührten , wurde geheilt; — ktefiz
se kolivok dotJmiechu, spaseni budiechu Mat. 14, 36 in Rozb. 742,
quicumque tetigerunt (fimbriam vestimenti eins), salvi facti sunt; —
ktoz koli jemu v tvär vezriese, inhed uzasniese ML. 9P, wer immer
(*Sj, S'2,^ Sg . . .) ihn anblickte, erschrak; — (Sara) biese däna pofäd
za sedm mn^öv, a kteröhoz s ni poloziechu, toho crt Asmodeus udä-
cie'se Ol. Tob. 3, 8, man gab Sara den ersten, zweiten, dritten . . . Mann,
Asmodeus erdrosselte einen nach dem andern; — kdyz Maria porodi
syna, pfijedü pied ni trie kräli . . ., a kdyz prijediechu^ vsickni zajedno
klekniechu Hrad. 120^, als sie fahrend ankamen, knieten sie alle nieder
= es kam an und kniete nieder der erste, zweite, dritte König i).
Zu L und II.
Das Imperfectum kommt vor in Beschreibungen und in S c h i 1 -
derungen vergangener Handlungen, Gewohnheiten und Zustände; es
eignet sich hiezu das Imperfectum der verba impeifectiva, weil es in der
Vergangenheit dauernde (I. a) , oder dauernde und zugleich wiederholte
I. b), und das der verba perfectiva , indem es in der Vergangenheit
wiederholte (II. a u. b) Handlungen ausdrückt. In den hieher gehörenden
Belegen kommen sehr oft Imperfecta von imperfectiven und von per-
fectiven Verben nebeneinander vor. Z. B. : pfed zästupem . . tähniechu
vöz osm koni . . , s obii stranü toho voza Jediese dranäcte muzi . . , po
tech diecJm, jizto jeho (Dariova) rodina biechu . ., ti vsici biechu na
predku, säm 'K.\?i\ j'diese na prosredku, jenz . .Jediese na voze visatem,
a ten ves Jioriese zlatem u. s. w. AlxH. 2, 4flf.; — biese v tom meste
jeden clovek müdry, ten nevinnym pomähase a dobrü radu ddväse Hrad.
11 7^*; — (mniskove) u polsk^m lesu sediechu, zelice za obycej jediec/m,
chleb po riedku mejiec/ni, jähly na velikü noc j'ediechu , masa, syra,
vajec menovati nechfiechu, rohoze za posteli mej'iec/m, kämen hlave za
podusku kladiechu, hroznym bitim na modlitve se tepiechu, riedko kdy
CO mezi sobü mluviec/m, jedno kdyz bic v svej ruce mej'iechu DalC. 37;
1) Hiermit ist zu vergleichen : oni (tf ie kräli) proti nemu poklekavse hohem
jej byti ukazovächu Kruml. 108'^, nicht poklekse oder klekse u.s.w.; die Nuance
der Handlung, die in Hrad. durch das Imperfectum von kleknüti ausgesprochen
ist, ist in Krural. durch das Impei-fectivum poklekati ausgedrückt. Anders,
u. zwar als Fehler statt prijedechu u. kleknuchu ( Aor.), erklärt die Imperfecta
in Hrad. Jagic im Cod. Mar. 459. S. noch weiter unten sub V.
Bedeutung des altböhmischen Imperfects. 347
— (mnich) kdyz s svyeh modlitev vstaniese, nalezniese polozeny chleb,
jehoz clovek iz.idny neprinosiese : a kdyz toho pochvale boba phj'mici>e,
mejiese dosti az do druhe nedt'le Otc. 12S'^; — ti lidie velmi verni
hiechu, vse sbozie ohecnoj'mej'iechu: komu sß co nedostaniese, u druha
jako &y€jmejieie: jeden obyccj z\y j/ntl/iec/iu, ze mauzelstva nedrzieclni ;
tehdy i jedna zeua muzem jista nehiese^ jeden muz zen xiixuiSxo jmiese \
pnive i\(i\%\y prebijvächu^ na vsak vecer nov^ho manzelstva A/ef/ac/t«^;
siidce i jednoho nejmejiechu , nebo sobe nekradiechu DalC. 2 ; — (Ce-
chove) dfeve na vojna di'ice sve zeme nehnhiechu^ mezi neprätely me£em
dohudiechu] pak, dreve nez na nephitely üyndiechu, az svi'i zemiu
zJmhiechu. V tom tehdy dobie ciniechu, zadusnieho nepletiiechu ; potom
nektere vlädycie sc. sbozie) ctiechu, zädusnie pusto poloziechu^ a kdyz
na vojne med vypiechu^ beze cti sc vzdy vrütiechu. Dreve vetrech dnech
na vojnu vstaniechu. tehdy ve ctviti löta na vojnu zapovediechu . .;
dreve lovci sami loviechu, piini k nim na cas cyJediecJni u. s. w. DalC.
79 ; — (sv. Vjiclav] boziü cest plodieke^ kupuje pohanske dietky kHie'se^
ke msiem sam oplatky peciese, vdoviciem z lesa drva tiosiese, po svatym
V noci bo9 chodiese, ez mu po ceste kvev z noh tecieke', zaltai- pod pazdi
nosiese: panose jeden pied nim lehäse^ tomu skorne szuje w^/eraie DalC.
27; — kdyz Israhel posel loli, vzchäziese Madian a Amelech i jini a
vse sträüiecJm, niceboz ovsem . . neostaciechu . ., nebo oni jako kobylky
vsecko 7iaplniechu . kdez padniechu, to vse potlaciecJiu Ol. Jud. ü,
4 — 5; — kdyz Mojzies zdmhniese ruc*', tehdy osiävase & premdhäse
lid israhelicky Alb. 59^; — odtad ju (sv. Mari Magd.) na kazdy den
sedmkrät andt'li pod nebesa vznäsiechu . ., odtad ju opet andeli v jejie
priebytek v skälu prinesiecJm. V ty casy jeden knez . . odtad nedaleko
peles sobe ucinil. A kdyz tu ten püstennik bydlese, zevil to jemu hospo-
din, ez na kazdy den vtddse, kdyz andeli svatü Maii Mandalenu pod
nebesa nosiec/iu, kdy-li se s ni vrätlechu Pass. 341; — v zidovskem
präve meßechu, ze mrtve telo myjiechu Vit. 37^^; — Pilat ten obycej
jmejiehe^ ze na velikii noc jednoho vezne pmcie'se Hvad. S7''; — ten
(zalär) hieke tak tajemny, jakz ve n nikoho jineho nevsadiechu , jedno
toho, jenz u. s. w. Kat. v. 2409 ; — ti (vlasy sv. Kateiiny, pri bicoväni)
se chveJiecJiu po jejie pleci, a kdez ti bicove meci, mezi ne se zaple-
tiechu, tu je i s plti vytrJtniechu^ pak . . jdiice zase ostaniechu ji u
mase ib. v. 2368 flf. : — u. s. w.
348 J- Gebauer,
TU.
Das Imperfectum kommt im negativen Satze vor, in Fällen, wo
der entsprechende positive Satz den Aorist hätte. Z. B. : jizto vrätichu
se i nejedieclm proti krali Ol. 2.Par. 11, 4, reversi sunt nee perexerunt;
im lat. Original zwei Perfecta, ein positives und ein negatives, in der
böhm. üebersetzung das erste durch einen Aorist, das zweite durch ein
Imperfectum ausgedrückt; wäre auch das zweite Verbum positiv, so
würde es böhm. Jedechu lauten, d. h. im Aorist stehen, wie das parallele
vrätichu se; — muzie . . . koni dobychu, vsak dievek podstüpiti tiesme-
j'iechu DalC. 11; positiv: smechu^ Aor., wie dobyclnf. — most Bavori
po(d)rubichu . . div ze neletiese DalC. 89, in der mhd. üebersetzung: ez
waz, daz si (die Brücke) nit vil, ein wundir; positiv: lete^ Aor.; — ty
päny Hornici jechu a zivoty jim otjieti inhed chtechu (od. chtiechu), toho
uciniti nekteri nedadieclm DalJ. 102, Hessen es nicht ausführen; positiv:^
dachu, Aor. ; — ze jemu nedadiechu vsiesti na kuonTroj. 114% Hessen
ihn nicht auf das Pferd steigen; positiv: dachu^ Aor.; — auvech . ,,
ze jemu i jeden vody nepodadiese Hrad. 91'', niemand reichte ihm
Wasser; positiv: uekto poda vody, Aor.; — jehoz (Jidäsovo) srdce
Jeziüs dobi-e vediese, vsak na n toho nezjeviese Hrad. 78*^, machte es
nicht bekannt; positiv: zjevi. Aor.; — tut plamenem kef horiese, kdyS
boh slovekem byti chtiese, tvej cnosti nie neuhkodiese Vyb. I, 331 (aus
Modi.), fügte keinen Schaden bei; positiv: uskodi, Aor.; — ker, jenz
nekdy horiese a vesken plamenit biese, svö krasy nie nepotratiese , ale
ve vsiej zelenosti stojiese Vyb. I, 330 (aus Modi.), verlor nicht; positiv;
potrati, Aor.; — kazdy patiiese na Mojziese, donadz nevejdiese do
stanu Ol. Ex. 33. 8, donec ingrederetur; positiv: vnlde^ Aor. — Dieses
Imperfectum erinnert an das Iterativum, welches sonst in negativen
Sätzen statt des Perfectivs , mitunter auch statt des Durativs positiver
Sätze auftritt, am deutlichsten im Imperativ, wenn man z. B. sagt: dej
gib, aber nedävej gib nicht, — rekni sage^ aber nerikej sage nicht, —
vataii steh auf, aber nevstävej steh nicht auf, — jdi (durat.) geh, aber
nechod geh nicht u. s. w. — Vergl. Listy filologicke 1883, 272 f.
IT.
In einigen Beispielen hat das Imperfectum die Bedeutung des Con-
ditionals der Vergangenheit. Ich führe alle an, die ich kenne: tupan
Jan z Sträze po uepHetelech jediese a ovsem po nich v hrad vendiese,
Bedeutung des altböhmischen Imperfects. 349
by byl s nim most u pfiekop neletal DalJ. 104, Jan z Sträze ritt den
Feinden nach und drang ein :=: wäre eingedrungen in die Burg, wenn
die Brücke nicht eingestürzt wäre: — Bozojc'iv syn do lesa beziese a jiz
ovsem utecieiie, ale sukne jej crvena prosoci DalJ. öG. der Sohn Bozej'a
lief in der Richtung zum Walde und entkam = wäre entkommen , aber
der rothe Kittel verrieth ihn : — Vitek Ojieiovic . . jiz prjive Jaf biese^
by s»' neopravil spiese etc. DalJ. 104, Vitek . . war gefangen = wäre
gefangen worden, wenn er sich nicht schnell anfgeralft hätte ; — v ten
cas bez mesta lud lese, by se lepe nedomnMi a s krälera primcfie vzeli
AlxV. 2134 und AlxVid. ib., da war die Stadt verloren = wäre ver-
loren gewesen, wenn (die Einwohner) sich nicht eines Besseren besonnen
hätten u. s. w. ; — (Filotu) potka Saracenstva mnoho, v ten ras budieiie
bez neho, by nebylo otce jeho AlxV. 1032, da war Philotasj verloren
= wäre verloren gewesen, wenn nicht sein Vater (mit Anderen zu Hilfe
herbeigeeilt wäre) ; — juz hrad na ztracenü biese, by se byla ciesarovna
nedomyslila . . takto volati DalH. :^9, da war die Burg im Begriffe ver-
loren zu gehen = wäre verloren g^ewesen, wenn die Tochter des Kaisers
sich nicht besonnen hätte u. s.w.: — jedno ze zäkon tvoj myslenie me
jest, tehdy suad zhniech u pokore m^j Zudittb. 11 S, 92 (in der Hand-
schrift zhnyech , von zlinifi putrescere , vielleicht ein Schreibfehler für
zhyniech^ von zhy7iüti ^qx'ixq., nisi, quod lex tua, meditatio mea est,
tunc forte periissem in humilitate mea. Vgl. Listy filologicke 1SS2, 12S.
Auch in der neuböhm. Alltagssprache kann gesagt werden : syn
utekl, kdyby ho cervenji sukne nebyla prozradila, entkam = wäre ent-
kommen, — koupil Jsem ten dum, kdybych byl mel penize, ich kaufte
(indic.) = hätte gekauft das Haus, wenn ich Geld gehabt hätte, — u.s.w.
Statt des Imperfects, welches hier ehedem üblich war und inzwischen
ausgestorben ist, wird das Perfectum verwendet, die einzige Tempusform,
die dem Neubölimischen als Ersatz für das gewesene Imperfectum zur
Verfügung steht.
In allen hier angeführten Beispielen drückt das altböhmische Im-
perfectum im Neuböhmischen in Vertretung desselben das Perfectum)
eines Hauptsatzes eine in der Vergangenheit bedingte Handlung aus;
das sie Bedingende ist in einem zweiten Satze ausgesprochen, der den
bedingten Hauptsatz meistens als conditionaler Nebensatz [by biß most
neletal, xcenn die Brücke niclii emyestürzf v:'dre u. s. w.', selten als
Hauptsatz, der implicite gleichfalls eine Bedingung enthält [ale sukne
jej prosoc/, aber der Kittel verriet ihn, implicite: xcenn der Kittel ihn
350 J. Gebauer,
nicht verraten hätte) ^ begleitet; das Bedingende macht Stimmung,
die in Frage stehende, durch das Imperfeetum (neuböhm. Perf.) aus-
gedrückte Handlung als eine bedingte aufzufassen — und in dieser
Stimmung wird dem iudicativen Imperfeetum (nböhm. Perf.) die Bedeu-
tung des Conditionals aufgedrückt. Dieselbe Erklärung passt auch für
ähnliche bulg. Beispiele : az si. uh%pu'cac]i^ ako ne bese vodt t'B tolkos
studena, ich badete (indic.) = ich hätte gebadet, wenn das Wasser nicht
so kalt gewesen wäre Kyiak-Cankof bulg. Gramm. 83 undMikl, 4, 786:
brat mi ohedutase dnes u doma, ako ne bese st razbolel , mein Bruder
speiste (indic.) heute bei uns = hätte bei uns gespeist, wenn er nicht
krank geworden wäre Cank, 108, Mikl. ib.; — für das sorb. Imperfee-
tum hudzech ^ hiizach in der Umschreibung des Conditionals: osorb.
hdy by ty tudy byi. möj bratr njebudzese wumrjel^ si fuisses hie, f rater
meus non fuisset mortuus Jo. 11, 21, nsorb. buzach zgubjony ich wäre
verloren gewesen, wenn . . ., osorb. hudzech pytai, nsorb. huzach pytat
ich hätte gesucht, wenn . . . Mucke 6 1 0 f. ; — und auch für lat. : labebar n
longius, nisi me retinuissem Cic. in Kosina's Lat. Gramm. § 580. — \
Nicht die in der Etymologie des Imperfects liegende oder vermuthete
Bedeutung ist es, die diese Tempusform zum Ausdruck der Condiciona-
lität tauglich macht, sondern die durch den Zusammenhang mit einem
bedingenden Satze geschaffene Stimmung bringt es zustande , dass das
indicative Imperfeetum als Conditionalis aufgefasst , in einen Conditio-
nalis umgeprägt wird.
i
Die im \ orhergehenden I — IV gegebenen Erklärungen reichen für n
die allermeisten Fälle, wo sich ein altböhm. Imperfeetum vorfindet, aus
und finden in ihnen ihre Bestätigung.
Manchmal kann die Deutung verschieden sein, d. h. das Im-
perfeetum kann im gegebenen Falle nach einer, und auch nach einer
anderen Auffassung und Erklärung berechtigt erscheinen. Z. B. das
Imperfeetum nepfimluviechu se in DalC. 1 1 : nektere (panie) se k tomu
neprimluviechu ^ neb tajne u. s. w. , kann in der Negation, oder auch
darin seinen Grund haben, dass es eine Handlung ausspricht, die mehrere
Subjecte, jedes für sich, ausführten: einige Frauen, jede für sich, uuter-
liessen es fürzusprechen.
Oft kommt das Imperfeetum in Verbindung mit gewissen Adverbial-
ausdrücken, Relativen und Relativadverbien (Conjunctionen) vor; z. B.
Bedeutung des altböhmischen Imperfects. 351
kdez koli vej diese Ptolomeus do kteröho mesta, vzdy postaviese sträze
BiblG. 1. Mach. 11, 3 = wo ?"w/;?er Ptolomaeus emtrsit^ jedesmal {nber-
ull] errichtete er Wachen, — kdyz Josef snimäse telo, Maria stäse ca-
kajüci Ans. 9 = als [während) Josef den Körper vom Kreuze herab-
nahm, — ktoz koli jemu v tvaf vezfiese, inhed uzasniese ML. 9P =
wer immer ihn anblickte u. 3. w. Alle diese und solche das Imperfectum
begleitenden Ausdrücke tragen dazu bei , dass seine syntaktische Be-
deutung — die Bedeutung, dass die vergangene Handlung eine entweder
dauernde, oder wiederholte war — mehr hervortrete; das Imperfectum
ist aber nicht von ihnen abhängig, wie man zu sagen pflegt, sondern
wird von der Nuance der Handlung bestimmt, die der Stilist auszu-
drücken hat.
Mitunter findet man den Aorist, wo das Imperfectum berechtigt
wäre. Der Aorist spricht die Handlung als eine vergangene aus, und
nichts weiter; das Imperfectum dagegen als eine vergangene, aber dabei
auch als eine (in der Vergangenheit) dauernde oder wiederholte. Die
Wahl zwischen diesen beiden Tempusformen war der Auffassung und
dem subj ectiven Ermessen des Stilisten anheimgestellt, sie hing
davon ab, ob er eine in der Vergangenheit dauernde oder wiederholte
Handlung als solche, oder aber bloss als eine vergangene aussprechen
wollte ; im ersten Falle wählte er das Imperfectum , im zweiten den
Aorist. So ist der Aorist in folgende Beispiele gekommen: kdyz sv.
Alexie s jeho choti na pokoj vedüj poce sv. Alexius mluviti Pass. 325,
wo vediechu statt vedü sein könnte, = als (während) sie ihn führten,
fing er an u. s. w. : — kräl nesme Cech()v u potrebu piivinüti DalC. 102,
wagte es nicht, wo nesmeßese ebenso am Platze wäre, wie nesmeßechu
im Satze: (muzie) dievek bojem podstiipiti nesmeßechu ib. 11 ; — das-
selbe gilt von den Aoristen in: müdrejsi toho uciniti nedachu DalC. 4 7,
= Hessen es nicht thun, neben: toho uciniti nekteri nedadiechu
DalJ. 102, — Boleslav käza zemanöm u Boleslavi mesto zditi, o to se
zemene jechu raditi, po fecnikn kneziu odpovedechu, toho uciniti nero-
dichu DalC. 31, = wollten nicht, neben nerodiechu, welches eine
jüngere Handschrift (Ff) an derselben Stelle bietet; u. s. w. — In dem
oben angeführten Beispiele aus Hrad. 120*: trie kräli . . kdyz />/'(/'fc'-
diechu, vsichni zajedno klekniechu^ detätko hohem nazvachu a sve
jemu dary vzdachu sind zwei Imperfecta und zwei Aoriste ; es könnten
aber nach der eben gegebenen Erklärung auch durchwegs Imperfecta,
oder durchwegs Aoriste sein. — In einem zweiten obigen Beispiele ans
352 J. Gebauer,
derselbeu Handschrift Hrad. 125'' wird erzählt, dass der Schuster im
Würfeln zwei Groschen verspielte ; vom ersten Groschen heisst es : Ivec
pj'ovrze ten kros, Aor., vom zweiten: (svec) ten kvok provrziese^ Impf.:
durch den Aor. provrze ist die Thatsache des Verlustes ausgesprochen,
und nichts weiter, während durch das Impf, provrzic^e ausserdem noch
der Umstand angedeutet ist, dass der Verlust durch mehrere (wie weiter
gesagt wird, durch acht) auf einander folgende Würfe zustande kam;
hätte der Erzähler diesen Umstand nicht ausdrücken wollen , so hätte
er abermals provrze sagen können, ebenso wie er gleich weiter sagt:
osm vrhöv vesdy pospolu zfrati (Aor.) svec.
Es bleiben nur noch einige abweichende Beispiele späteren Ur-
sprunges anzuführen, die imVer fall der altenRegel ihren Grund haben.
Das Imperfectum stirbt aus, und ebenso der Aorist: für altes
voläse (oder volajiese]^ 3. sing., clamabat, und ebenso für «jo/a clamavit
sagt mau seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts nur volal [Jest], =
clamabat und auch clamavit; und ebenso in den übrigen Personen. Das
Aussterben geht allmählig vor sich, s. Histor. Mluvnice III, 2 S. 62 flf.
In der Zeit des Ueberganges vom alten Usus zum neuen sagt man nach
älterer Art noch volase = clamabat und vola = clamavit, und nach
neuerer Art auch schon volal [Jest] = clamabat und clamavit. Statt
volal Jest sprach man gewöhnlich nur colal, d. h. das finite Verbum
/enf (in der 3. Pers. sing. , und ebenso in der 3. Pers. du. und plur.)
wurde weggelassen und das übrig gebliebene Participium volal hat die
Bedeutung des ganzen Ausdruckes volal Jest angenommen, — volal ist
= vola clamavit und voläse clamabat geworden. Es handelt sich um
die Zeit, wann dies geschehen ist^ und namentlich wann man das Im-
perfectum mit dem Z-Participium zu identificiren begann. Darüber be-
lehren uns folgende Beispiele: biese Jezfs chtiese EvVid. (2. Hälfte des
XIV. Jhd.) Luc. 11, 14 (Vulg. : erat eiciens), wo der altböhmische Aus-
druck biese chtiese ebenso unsinnig ist, wie seine wörtliche lat. Ueber-
setznng erat volebat, und nur in dem Falle zustande gebracht werden
konnte, wenn sein Urheber zwischen dem Impf, chtiese und dem Part.
chtel keinen Unterschied mehr fühlte, sondern beide Worte für gleich
hielt, für gleich in dem Grade, dass er sich auch biese chtiese für biese
chtel zu sagen traute; — dasselbe Beispiel kommt an derselben Stelle
im EvSeitst. (XV. Jhd.) vor: biese Jezis chtiese vyhnati besä ; — und
ähnliche andere sind: tu, kdeX biese Jan krtiese prv^ Comest. (XV, Jhd.)
240'\ statt biese kftil, — dva mesiece biechu minusta Troj. (XV. Jhd.)
Bedeutung des altböhmischen Imperfects. 353
157*, statt biechu (richtiger biesta, minula u. s. w. ^- — Diese Beispiele
bezeugen, dass es im XV., ja schon im XIV'. Jhd. altböhmische Schrift-
steller gab, die den Bedeutungsunterschied zwischen dem Imperfectum,
z. B. coläse clamabat, und dem entsprechenden Part, colal nicht mehr
genügend fühlten.
Diesen und solchen Schriftstellern und Stilisten war voial (statt
colal j'est] einerseits = coläse (Impf,), andererseits = vola Aor.), —
folglich auch volme = ro/a, und auch zcoläse = zcola u. s. w.; ihnen
erlaubte es ihr Sprachgefühl, coläse, zcoläse statt cola, zvola u. s. w.
zusagen, und überhaupt das Imperfectum statt des Aorists zu
verwenden. Und so entstanden die Beispiele: Kekuov mnozstvie na
pomoc jemu prihuavse na kräle Laumedonta se oboriechu Troj. (v. J.
1488), St. ohoHchu\ — jehoz (des Troilus, udatnost . . pochcäUchu ti,
kteriz pH tom stdchu ib. 107, st. pochcälichic: jakzkoli Zibrid na koni
osedise, v.sak jej Stilfrid hlnboce zabodise Stilfr. fXV. Jhd. im Wb. II,
50, St. osede (oder osede) und zabode; — -Stilfrid) velikü prudkosti
A.^x\Sina. promrstüe ib. 47, st. promr'sti: u. s. w. — In Vit. (1380 —
1400; 36^ heisst es: tu se jich kazdy [apostol pribra^ bozie moc j^
divne sebra, und dafür hat die jüngere Variante VitM. 2. Hälfte des
XV. Jhd.): kdyzto se kazd\ joreiras'e, neb je bozi moc vsecky sebrdse,
der um beiläufig hundert Jahre jüngere Abschreiber des Textes hat es
für erlaubt gehalten, die richtigen Aoriste seiner Vorlage durch Im-
perfecta zu ersetzen.
War die Möglichkeit, das Imperfectum als Aorist zu gebrauchen,
einmal vorhanden, so machte man von ihr Gebrauch, so oft sie eine Er-
leichterung bot. Dies war der Fall in Versen, wenn durch Anwendung
des Imperfects der nötige Reim oder auch nur eine Assonanz erzielt
wurde. Z. B. : Kaedin se toho uzese, kdyz je (Tristram u. Isalde) uzfese
Trist, (v. J. 1449^ 330, statt uzre und wegen uzese; — vida to lev, ze
pän leziese, zalostemi velikymi zafvdse Baw. 11*. st. zaica und wegen
leziese; — lev . . vsecky obnoze z draka obtrhal biese, Bruncvik . .
vzhöru cyskociese ib., st. vyskoci und wegen biese: — u. s. w.
In üebersetzungen findet sich das Imperfectum manchmal als
Wiedergabe des lat. Conjunctivs impf, und plqpf.; es ist da aber nicht
' Beispiele dieser Art kommen auch sonst im Slavischen vor und sind
ebenso entstanden und ebenso zu erklären, wie die obigen aitböbmiechen ;
einige altslov. und altruss. sind in meiner Histor. Mluvnice III, 2, 64 an-
geführt.
Archiv für slavische Philologie. XXV. 23
354 J- Gebauer, Bedeutung des altböhmischen Imperfecta.
etwa die conjunctive Bedeutung durch die Tempusform des Imperfects
ausgedrückt, sondern es steht auch hier einfach das Imperfectum statt
des Aorists. So in den Beispielen: ten (krälik) kdyz uslysise, ze Jezis
prisel z Zlidovstva, sei k nemu EvOl. 299'', Vulg. : cum audisset, abiit
Je. 4, 47, statt uslyse, vgl. ten kdyz uslyse EvVid. ib., kdyz to uslyse
EvSeitst. ib.; — kdyz vsiase s modlitby a pfijide k ucenniköm svym,
nalezl je spice EvOl. Luk. 22, 4.3, cum surrexisset et venisset, invenit,
st. vsta (ebenso, wie das gleich folgende irrijide für venissef steht); —
Marta kdyz uslysise, ze Jezis prisel, vybeze protiv nemu EvOl. Jo. 11,
19, ut audivit = cum audisset, occurrit, st. usly-se; — (Jezis) kdyz
uciniese bicik, vseckny vyhna z chrämu EvVid. Jo. 2, 15, cum fecisset,
eiecit, st. ucini; — kdyz pojdiese Jezis s hory EvVid. Mat. 8, 1 und
EvSeitst. ib., cum descendisset, %i. pojide^ richtiger snide\ — i sta se,
SiZ pojdiese k Jerusalemu EvSeitst. Luk. 18, 35, cum appropinquaret,
st. pojide^ richtiger y/c?e ; — kdyz (Maria) budiese otdäna Josefu . ..
Josef kdyz budiese pravy EvSeitst. Mat. 1, 18 u. 19, cum esset.
In der Vulg. Mat. 12, 43 heisst es: Cum autem Spiritus immundus
exierit ab homine, ambulat per loca arida, für griech.: otav l^ü.d'i],
öieQxerai = kdyz vyjde, chodi in der Kralicer Bibel. Dafür hat die
altböhm. Uebersetzung in EvA.: kdyz zly duch winidiesse (so in Patera's
Abdruck) ot cloveka, chodi po mieste suchem u. s. w.; ihr Urheber ver-
stand die Stelle nicht recht und mag bei vy?idiese an wiederholtes
Herauskommen in der Vergangenheit gedacht haben.
/. Gebauer.
Zu den slavisclieu Femminbildungeu auf -yln
355
Das im Slavischen so weit
verbreitete Sekundärsuffix -yni
(Miklosieh, Vergl. Gr. II, 1 43 f.)
findet in dieser seinen Gestalt
ausserhalb der slavischenSprachen
keine direkte Entsprechung. Man
könnte an preuss. maldTinin Asg.
«Jugend« denken, welches genau
ein slav. ^moldyni sein würde:
doch ist die Bildung gar zu ver-
einzelt, auf dass man mit Ver-
trauen einige Belehrung daraus
schöpfen dürfte (Leskien, Bildung
der Xomiua im Lit. 394, führt es
unter lit. -o/«- Bildungen auf, wo-
bei wohl eine üebertragung der
in supüni^ smüfii, neben peröni,
lautlich begründeten Endung -Taii
anzunehmen wäre). Aus demselben
Grunde möchten wir auch dem
;at. pecünm, ursp. » Viehreichtumtf, kein allzugrosses Gewicht beimessen.
)ie lit. Endung -üne [begiine »weibl. Flüchtlinge, j-j/esc/Tw^* »Reisserin,
, chueidige Arbeiterin« u. s. w.) ist nur die Femininendung zu -änas und
; iese wiederum, wie dies schon der Schleifton nahelegt, eine Entlehnung
es slav. -ufio (Leskien, ebd. 39.5). wobei auch eine Vermengung alter
{ildungen auf -unos -o/ms mit im Spiele sein mag. Diese Isolirtheit des
uffixes-y/«' ist natürlicherweise niclit darnach angethan, seine ürsprüng-
chkeit besonders glaubwürdig erscheinen zu lassen; Brugmann (Grund-
iss II, 316) sieht darin wohl mit Hecht eine Art Verallgemeinerung
jes alten Femininsuffixes *-?iia *-nl.
IDas Suffix -j/ni gehört ofifenbar in die besonders in unursprünglichen
'erallgemeinernnoren so stark vertretene Kategorie der kombinirten
23*
356 J. Zubaty,
Stammbildungen (vgl. Listy filol. XXIX, 229]. Es fällt auch nicht
schwer, -yni in -y -\- id zu zerlegen: d. h., die ersten Muster, nach
welchen die so zahlreich gewordenen Nomina auf -yhi gebildet wurden,
waren so zu Stande gekommen, dass alte Bildungen auf -y (ursp. *-ws)
durch Einfluss ebenso alter Bildungen auf -id (ursp. *-ma *-w7) zu -ijni
(oder wie die Endung zur Zeit der Entstehung jener ersten Muster ge-
lautet haben mag) erweitert wurden, geradeso wie späterhin durch Kon-
tamination der Abstraktendungen -osth bzw. -ota und -yni selbst Bil-
dungen wie ksl. K/\arocT'KiHH AkrocT'KiHH, serb. 6ocoTiiH.a caMOTniba
u. s. w., wie durch ähnliche Kontamination der älteren Suffixe -hka und
-yni vielfach ein neues Femininsuffix -hkyni (z. B. cech. Nemka : Nem-
kyne^ slvn. zidockinja sestonedelkinja^ serb.apanKa: apanKiiaa u. s. w.)
zustande kommt. Es ist im Grunde derselbe Process, durch den neben
ksl, nacTOpivK'ivi auch nacTop'kKiviHH, neben ksl. ciuiok'KI auch
CMOK'KIHH, neben llii;^;KaK'Ki slvu. mozakinja steht, mit dem Unter-
schiede, dass in diesen Formen wohl der Einfluss des bereits zustande
gekommenen -y/ii, nicht mehr jener des alten -ni zu erblicken sein wird.
Der Zweck des vorliegenden Aufsatzes ist, einige Belege der beiden,
dem -yni zu Grunde liegenden Suffixbildungen vorzuführen. Doch wollen
wir vorerst die bekannte Thatsache erwähnen, dass die slav. Bildungen
auf -y/d vorwiegend Bezeichnungen weiblicher Personen (ksl. KOr'KiHH
,l,pov'r'KiHH u. s. w.) sind, woran sich die weniger zahlreichen Abstrakta
wie ksl. ,A,CKp'KiHH AkP'KiHH u. s. w. reihen; mehr vereinzelt sind
Ableitungen mit anderen Bedeutungen, die sich jedoch in der Regel
unschwer semasiologisch in die eine oder die andere der beiden ange-
führten Kategorien einreihen lassen: so gehören Früchtebezeichnungen
wie cech. hlo/ty/ie, serb. rjioriiM.a »Hagedornfrucht«, serb. ^HB^aKHita
') wilder Apfel«, CMpeKiiita »^Wachholderbeere« wohl zur ersten, Orts-
bezeichnungen wie pusty/d jjWildniss«, svetyüi »Heiligtum« zur anderen
Gruppe. Es kommt auch vor, dass andere Suffixe durch -y/d verdrängt
werden; so steht z. B. klr. yy^Kimn »Fremde« für 'ij^atHua u. A. m.
Das Suffix -y, ursp. *-ms, ist im Slav. selbst, meist in den beiden
obigen Grundbedeutungen, auch noch in der nicht zu -yni erweiterten
Gestalt vertreten: Miklosich, Vergl. Gr. II, 59 f. Man vgl. Bezeich-
nungen weiblicher Wesen wie ksl. iui;^>KiiK'Ki HfnaOA'W nacTop'kK'Ki
TpfTkIdK'KI ))TQl8Tl]gK bÄTp'kl CBfKp'KI *CT».pOJK^l,aK'KI (C'KpOJK-
A^KKa) und Abstrakta wie ksl. AK>K'ki iiptawK'ki i;'KA'hJ. Diese
Uebereinstimmung ist es auch vorzugsweise, welche die Auffassung der
Zu den slavischen Femininbildungen auf -y>>i. 357
Bildungen auf -ijni als solcher, die erst im Slavischen durch Suffix-
erweiterung zustande oder doch wenigstens zur vollen Entfaltung ge-
kommen sind, besonders glaubwürdig erscheinen lässt ^j. An diese
Bildungen reihen sich einige mit abweichenden Bedeutungen (von den
bekannten Lehnwörtern abgesehen). So ein «rsl. ^kuro-pidy »Reb-
huhn« (oder wie das Wort ursprünglich gelautet haben mag, Miklosich,
Et. Wort. 149); das Wort verdankt seinen Ursprung dem bei einer
Hühnerart als Anomalie erscheinenden Fliegen des Rebhuhns. Die
Pflauzennamen sl. fykij «Kürbiss« und smoJcy «Feige« lässt man wohl
lieber beiseite : schon als solche sind sie des Verdachtes, entlehnt zu
sein, nicht frei. Ein ^phatry und 'osfry liegt in der südslavischen
Forellenbezeichnung slvn. pestrv pestrca postrv postrca^ serb. nacrpBU,
big. nxcTpi.B'i., und in cech. ostrev »Baumstamm, Pfahl, Leiterbaum«,
poln. ostrzeic (Bezeichnung allerlei aus Pfählen hergerichteter Leitern
u. s.), slvn. ostrv »behauener Nadelbaum«, serb. ocxpBa, klr. oexpoBa
(ähnl.i, Ersteres den »Buntfisch« {\ phsttn»), Letzteres »das scharf Be-
hauene« {:osti^) bezeichnend. Um Vereinzeltes zu übergehen . möchten
wir noch an die merkwürdigen sekundären und zusammengesetzten Ab-
leitungen ksl. nastegny »Beinschiene«: stegno, *naraky (serb. napy-
KBHua, slvn. narökev narökva »Armband«): rqka aufmerksam machen.
Eine Gruppe für sich bilden Ableitungen auf ursl. *-ty, die allerdings
einer bei den -//-Stämmen überhaupt zu Tage tretenden Tendenz ver-
fallen und nur in allerhand unursprünglichen Umwandlungen erhalten
sind (meist als -tra). Alte Bildung ist *zhrny »Mühlstein« u. A. m.
Entsprechendes bieten nun auch die verwandten Sprachen. Sl.
*zhrny erscheint als -u- (urspr. wohl -«-?)- Stamm in lett. dzirnus
(preuss. (/tmoyiois?) wieder. Dem vorausgesetzten slav. "^-fy entspricht
gl*. ßQWTvg lörjTvg u. s. w. Ich verweise auf Kretschmer, Kuhn's Zts.
XXXI, 332 flF., wo die indoeur. w-Stämme des näheren besprochen
werden. Hier wollen wir uns damit begnügen, dass wir die Ent-
sprechungen der beiden Haujjtkategorien der slav. -y- und -y?n-B\\-
ij Es ist ja schliesslich durchaus nicht unmöglich , dass das Slavische
irgend eine vereinzelte Bildung derart, wie preuss. maldüui, lat. pecüvia 'vgl.
ob. S. 355), ererbt haben mag, deren Eiufluss dann selbstverständlich mit im
Spiel gewesen wäre. Doch lassen wir diese Möglichkeit, die wohl nicht zu
bestreiten, aber sicherlich auch zu keiner Wahrscheinlichkeit zu erheben ist.
lieber bei Seite.
358 J. Zubaty,
düngen, jener der Bezeichnungen weiblicher Wesen und der Abstrakta,
näher ins Auge fassen.
üass die ü - Bildungen ersterer Art in der Ursprache so zahlreich
vertreten gewesen wären, als im Slavischen, lässt sich nicht voraus-
setzen. Aber ein ursprachliches Wort ist *sceJh'üs »Schwiegermutter«,
Motion zu *sveJmros «Schwiegervater«: vgl. lat. socrus^ ai. svairühy
npers. xusrü (aus einem *yusrü-k-), fei. svekry (Delbrück, Die idg. Ver-
wandtschaftsnamen, Abh. Sachs. Ges. d. Wiss., XI V, S. 535). Daran
reiht sich Anderes in Einzelsprachen: so ai. vadJtüJt »Neuvermählte«,
puscaluh »die den Männern {pi{s-] Nachgehende [calati], Hure« (auch
pf/scali), slsiy.j'etri/, lat. atitis, ?iurus, gr. wog, falls das Letztere urspr.
ein ?^-Stamm war (vgl. das Nebeneinander von ulög : vlvg). Es ist mög-
lich, dass das eine oder das andere von den angeführten Wörtern auf
Umbildung beruht (so wohl slav.Jefri/ nach svekry, Delbrück 1. 1. ; *snusä
in ai. S7iusä, d. Schnm\ slv. smcha, armen, nu steht für *sm(süs, lat.
?mrus, nach den ä-Stäramen, oder umgekehrt '^S7iusus für *snusä nach
*sve/hus; vgl. Delbrück 534) ; die Bildung selbst, mag auch nur ^sve/crüs
allein verbürgt sein, steht für die Ursprache fest. Wie die Endung -ü-
aufgekommen ist, wissen wir, wie so vieles Andere, nicht zu sagen i).
1) Als eine blosse Vermuthung wollen wir hier bemerken, dass vielleicht
auch slav. str2/jh »patruus« in diesem Zusammenhange seine Erklärung finden
könnte. Wir halten es für nicht unmöglich, dass ein urspr. Fem. *srüs, ursl.
*stri/ »Vaterschwester« anzusetzen ist, welches in dem allerdings nicht son-
derlich stark beglaubigten slav. stri/üi »amita« (cech. dryne, serb. cxpuna u. A.)
seine Fortsetzung besitzen mag 'dieses stryüi selbst wird schon frühzeitig
durch das alte Lallwort teta beeinträchtigt). Das alte Wort für »Vaterbruder«
war ja doch ursprünglich eine Ableitung von *p9ter- gewesen (ai. pitrcjah
~ av est. iüiijö, gr. nccTQU)^ , l»,t. j^atrutis , iihd. fetiro, welches dem Slavischen
mit dem alten *pdter- verloren ging. Das supponirte *srüs *stry (: stryni) wäre
dann etwa ursprünglich eine Ableitung von *sveser- *seser- »Schwester« und
zunächst die Bezeichnung der unverheiratheten , im Elternhause lebenden
Schwester des Vaters im Munde seiner Kinder gewesen ; beachtet man die
Kürzungen der Ableitungen *sveUrüs neben *sveJcuros, *snusas (oder *snusä)
neben *sünu[s]- *tiunu[s]- (die Stammform *sünus- *sunus- »Sohn« findet in ai.
mänus- neben manu- »Mann, Mensch« ein Analogen), wäre auch ein *ssriis
*srüs neben *svesr- *sesr- nichts Unmögliches. Als die ursprachliche Bezeich-
nung des Vaterbruders allmählig verloren ging, wurde sie durch eine Maskulin-
bildung zu jenem *stry {stry/ä] »Vaterschwester«, slav. stryjb, ersetzt. Dieser
Vorgang ist nicht selten zu belegen. Sl. vidocbcb, lat. viduus, d. Wittwer ist
das maskulinirte ursp. *rüUievä (der Begriff »Wittwer« war ja den Urzuständen
Zu den slavischen Femininbiklungen auf -yni. 359
Auch für die andere Gruppe der slavischen -y- (und -?/w/-)-Stämme
hat man Analogien in den verwandten Sprachen, Kretschmer führt 1. 1.
das homerische Abstraktum Id-V^ «Richtung, Unternehmung« u. dgl.
nur im Akkus sg., besonders in krc id^vv, äv Id-vv vorkommend) neben
dem Adjektiv lO^vg {tv3^vg) an, ebenso das bereits indo-iranische fanns
«Leib, Körper« (urspr. wohl »das Gestreckte«, vom gestreckten Men-
scbenleib im Gegensatze zum Tierkörper) neben dem Adj. fanüs, urspr.
»gestreckt«, dann »dünn« u. s. w. ; ferner ai. hadruh eig. »das Braune,
die Braune« (von einem hölzernen Somagefäss, von einer Personifikation
der Erde; auch als Eigenname, ein weibliches Wesen bezeichnend, in
welchem auch eine Personifikation der Erde, neben ihrer Schwester
F/V«a^ä «der Ausgewölbten« , dem Himmel, zu suchen ist) neben dem
Adjektiv kddruh »braun«. Es sind dies ganz oflFenbare, oxytonirte
Feminina zu adjektivischen, oxytonen oder barytonen 2«- Stämmen. An
diese reihen sich, wie auch bereits Kretschmer 1. 1. gesehen, die adjek-
tivischen Feminina auf -Tih neben männlichen auf -m7/, die übrigens
mehr aus den Grammatiken bekannt, in der wirklichen Sprache ziemlich
selten sind; so in Femininis der sekundären Adjektiva auf -/?<- [udanjnh,
Fem. udanjüh »Wasser verlangend, wasserreich«) und in einigen andern :
carisnüh carisntih ^ tanüh tanüh (als Adjektiv) u. A. m. (Whitney
§ 355c, Lanman, Journ. Amer. Or. Soc. X 101, Benfey, Vollst. Gramm.
§ 704). Auch a\.prdäku// m., prdUkiili f., »Schlange « gehört wohl hier-
her. Die Substantiva fem. auf -us sind also morphologisch als Feminin-
bildungen von Adjektiven auf -e^s aufzufassen: ob die Femininbildungen
wie *sveKrüs wenigstens zum Theile nicht Nachbildungen von Femininen
wie etwa *t9nüs waren, ist eine Frage, die sich derzeit weder verneinen
noch bejahen lässt. Aber wie die Sachen stehen, ist es wahrscheinlich,
dass dieser Art Feminina auf -üs bei nicht-?^-Stämmen auf Verall-
gemeinerung der Endung üs beruhen dürften.
Das Altindische bietet nichts dergleichen. Im Griechischen könnte
man an cqltvq »Dreiheit, suovctaurilla« als von ro/rog abgeleitet denken,
wohl fremd ; aus dem oben angeführten a\. j^ifscah puiicalah »Hure« wurde ai.
puscalah, wie aus d. Hure auch Hurer gebildet; ebenso aus agruh »die nicht
Schwangere, Jungfrau« gelegentlich das Mask. dgruJi »der Jungfräuliche,
Ledige«; aus gr. M?;roD<« »Stiefmutter« auch ein fxrjxqviög »Stiefvater«; sl.
svekr-o geht auf svekrij, slvn. mozah auf sl. inazahj zurück; auch ai. nrtüh
»Tänzer« scheint ein urspr. nrtnh »Tänzerin« zu sein, u. s. w. Doch wie ge-
sagt, will das hier Vorgetragene weiter nichts als eine Vermuthung sein.
360 J- Zubaty,
wenn es nicht näher läge, mit Kretschmer einfach das Abstraktsuffix
-tu- anzunehmen; dasselbe gilt von reiQay.iVg «die Zahl 4 v. Im Sla-
vischen könnte ein alter z<-Stamm in celij vorliegen, vgl. preuss. kailTi-
stiskan Asg. « Gesundheit (c (Geitler, Listy filol. III 2, = 0 slov. kme-
nech na ii § 16): sicherlich liegen solche in ksl. AKr'KiHH KATvr'KiHH
neben den alten 2^- Stämmen lbgi>-/ch^ vhiff^-k^ vor (Geitler, ebd. (IS,
§ 95). Vielleicht könnte man mit Geitler, ebd. 1, § Ki, auch in obigem
*phstry^ *ostry ähnliches erblicken, falls man berechtigt ist, die im Lit.
vorkommenden -r?^-Stämme -Leskien 1. 1. 440 f.) auch dem Slavischen
zuzuschreiben; jedenfalls werden wir uns jedoch hüten, mit Geitler bei
einem jeden -y oder -yni schon gleich einen ursprünglichen -?<;- Stamm
zu wittern.
Auch Bildungen, die ausserhalb unserer beiden Hauptkategorien
der -y- {-y?u-]-Stämme liegen, finden sich in den verwandten Sprachen.
So ai. camüh »Bodeu der Soma- Presse« u. a. , zu ä -cümati [camafi]
»schlürfen«, so namentlich sicherlich ein guter Theil der lat. Feminina
der IV. Deklination, so die Feminina auf -tg im Griech. ; freilich sind
in den beiden letzteren Sprachen die u- und «-Stämme stark in einander
geflossen.
Doch wollen wir uns auf die beiden Hauptkategorien der slav. -y-
(-?//w-)-Stämme beschränken, weil hier die Verhältnisse doch deutlicher
und greifbarer sind. Wie unterscheidet sich der Stand der Dinge im
Slavischen von jenem der übrigen Sprachen? Lediglich dadurch, dass
diese. Bildungen im Slavischen viel zahlreicher vertreten sind, und auch
in Fällen vorkommen, die nicht jene Bedingungen aufweisen, unter wel-
chen im Ai. oder Gr. jene Feminina auf -üs erscheinen: das Slav. hat
nicht blos Ihgy-ni vblr/y-ni^ es hat auch JJuby, ksl. npoCTi^HH, TBpTv-
^\,'KIHH u. s.w., wo keine adjektivischen -«^-Stämme zur Seite stehen, oder
wenigstens mit keinerlei Wahrscheinlichkeit anzunehmen sind. Es ist
möglich, dass das Vorslavische oder Urslavische ursprüngliche weibliche
w-Stämme treuer bewahrt hatte als andere indoeur. Sprachen : aber
sicher ist, dass diese Bildung im Slavischen — namentlich in der Er-
weiterung zu -yni- — durch Nachahmung weit ihre ursprünglichen
Grenzen überschritten hat.
Weniger klar, als für den ersten Theil des Suffixes -y-ni\ sind
die Verhältnisse bei dem zweiten, wenigstens auf den ersten Blick.
Wir haben ziemlich viele, und darunter auch sicherlich alte Bil-
dungen auf -?/ anführen können: solche auf -/?/ allein (von -y-ni ab-
Zu den slavischen Feruiniubildimgen auf -,v'i». 361
gesehen) scheinen im Slar. zu fehlen. Eine solche hat es aber ur-
sprünglich wohl sicherlich gegeben. Ein ursp. *p6tnia *p6tnl »P'rau,
Gemahlin« ist neben *p6tis »Herr, Gemahl« im Ai. [pätnl] ^ Avest.
(-pad-ni-), Griech. [TiÖTVia) und seit Kurzem auch im Lit. {tcesch-patnl
in der Wolfenbütteler Postillenhandschrift a. d. J. 1573, Gaigalat, Mitt.
d. Lit. Ges. V 119) so gut verbürgt, dass es kein gewagtes Spiel ist,
wenn man dasselbe Wort auch für das Vorslavische voraussetzt. Mög-
licherweise waren Feminina auf -w/a -m früher sogar zahlreicher ver-
treten. Im Lit. ist im Laufe der Zeit altes *patni dem Maskul. patis
pats zuliebe durch die Neubildung pafi ersetzt worden : dasselbe kann
auch sonst geschehen sein. Das Ai. bietet in der That Belege davon,
die meist tibersehen werden: zu etah «bunt«, auch »eine Art Hirsch«,
lautet das alte Feminin enl »Hirschkuh«; zu palitäh »grau, greis«
pdliknl (Wv "päJifni, zu asitäh »schwarz« ebenso äsiknl^ zu häritah
)igelb, grün« /län'm oder auch *häriJnü im Demin. häriknikä: vgl.
Benfey, Göttg. Nachr. 1872 lfi\, bes. § 4. Die Formen yjä///i:m ä&ikui
*härik)ü bieten den » sporadischen « Lautwandel von tn zu kn, der auch
im Yölkernamen Scikna- [Svaikna-] für *u'itna- (Ludwig. Rigveda IV
326) vorliegt. Ob man diesen »sporadischen" Lautwandel durch Dialekt-
mischung oder sonstwie erklären will , zu bezweifeln ist er nicht , trotz-
dem der »sporadische Lautwandel <f heutzutage ebenso ungerechterweise
verpönt ist, wie er früher missbraucht wurde: es gibt »sporadischen >
Lautwandel auch bei dem heutigen Stand der Sprachwissenschaft mehr
als genug, nur dass man heutzutage (mit Recht die Forderung stellt, er
solle irgendwie gedeutet werden i). Für *pä/ifnipälikn'i, *äsitnl äsiknl
1; Joh. Schmidt, Pluralbild. 398, will den Zusammenbang von den En-
dungen -ita- : -iktü und somit den Lautwandel von tn zu Im nicht gelten lassen
und findet darin Zustimmung von AVackernagel , Altind. Gramm. 130. Der
Fall gehört zu jenen, die nicht mit Sicherheit zu entscheiden sind: jedenfalls
iist die ältere, Benfey'sche Auffassung die natürlichere, und wurde nur aus Ab-
ineigung gegen Lautveränderungen, die sich nicht auf allgemein gültige Laut-
jgesetze zurückführen lassen , aufgegeben. Der Wandel von tn zw kn wurde
jmit der Schreibung tkn tkm für tii tm, die in gewissen vedischen Handschriften
iinzutreffen, in Zusammenhang gebracht: tkn bildet eben die Mittelstufe
jzwischen tn und kn. Man vgl. ebensolches tkn, bzw. kn aus etymol. ^« bei
'Gebauer. Histor. mluv. I 451 c. vyvrtknnuti , vi/vrk}iouti für ii/crtnoufi; in
{fr<A«üy gehört k wohl zum Suffix, vgl. lepkai;/, ilhkaiij u. a.): auch im Cech.
handelt es sich da um keinerlei durchgreifendes Lautgesetz. — Wackeroagel
fuhrt ebd. 135 Belege an, die auf einen gleichfalls sporadischen Lautwandel
362 J- Zubaty,
gibt die spätere Sprache dem Mask. palitäh asitäh zuliebe den Formen
palitii asitU den Vorzug; die alten, metaplastischen Formen sind ver-
schollen. Wenn im Griech. dem ai. palitäh ein jitkirvög 7tB}.i8v6g
entspricht, so ist da wohl das Umgekehrte geschehen : einem ehemaligen
*7i(iXiTvia = ai. *pälitm zulieb ist das ursp. *n-eliT6g = ai. palitäh
zu TtsliTPÖg geworden. Auch für enl j) Hirschkuh a kommt ein etä (nach
etah) vor, welches mit lett. m'te identisch ist (Uhlenbeck, Kurzgef. Etym.
Wtb. der ai. Sprache 35). Und ähnliches mag sich auch sonst öfters
auf Unkosten jenes femininischen *-?iia *m ereignet haben i).
Aber auch auf anderem Wege, als durch die Ausgleichung der
verschiedenen Motionsformen, konnte das Gebiet der femininen "-mß
*-m-Form Einschränkung finden : diese Form konnte ihrer charakte-
ristischen Merkmale durch Einfluss anderer Femininbildungen beraubt
werden. Auch hiefür können wir einen lehrreichen Beleg anführen. —
Für Kurschat's (Wörterb. s. v., Gramm. § 634, vgl. § 591, auch Leskien,
1. 1. 375) v'eszne «weiblicher Gast« schreibt Schleicher (Gramm. 181)
veszni. Diese Schreibung dürfte auf einem Verhören beruhen ; wer je
von ts zu Äs im Ai. hinweisen : nach Wackernagel hätte man hier mit einer
dialektischen mittelindischen (eig. vormittelindischen) Erscheinung zu thun.
Hierin stimmen wir Wackernagel im Wesentlichen bei : es scheint uns jedoch,
Wackernagel hätte die Auffassung, die bei dem Wandel von ts zu ks unab-
weislich (in seinen Belegen handelt es sich um wurzelhaftes, nicht suffixales
t), auch bezüglich jenes von tn zu kn wenigstens als möglich sollen gelten
lassen.
1) Auch hier mag eine vielleicht etwas kühne Vermuthung Platz finden:
wieso es kommt, dass der lit. Komparativ -esnis, Fem. -esne lautet. Thui-
neysen erklärt in seinem bekannten Aufsatze (Kuhn's Zts. XXXIII 553f ) das
lit. Komparativsuffix aus einem ursp. -;;'es-en-Stamm , den man auch im ger-
manischen Komparativ (got. -Izan- -izin-) hat. Wiedemann, Handbuch der lit.
Spr. § 107 u. 165 gibt ihm darin Recht. Nur dass es bei der Stellung, die die
->2-Deklinatiou im Germanischen erreicht hat, etwas gewagt ist, aus dem Be-
stehen eines -n-Stammes im Germanischen ohne Weiteres Rückschlüsse auf
andere Sprachen zu ziehen. Ich halte das Bestehen eines ehemaligen *-jes-nia
*-Jes-ni im Feminin des Komparativs für nicht unmöglich : und dieses *-jesni
könnte ja direkt in den altlit. Neutrls und Adverbien auf -esni -esn, in Ver-
mummung in der heutigen Femininform -esm vorliegen. Das Maskulinum
hätte sich späterhin nach dem Feminin gerichtet , gerade so wie dies in der
lat. Deklination der -?<-Adjektiva geschehen ist, wie die Deklination der kon-
sonantischen Adjektiva (Partizipien und Komparative) im Baltisch-Slavischen,
die der adjektivischen -««-Stämme im Germanischen und Baltischen das deiu
Femininum entstammende j vielfach auch ins Mask. überträgt.
Zu den slavischen Femininbildungen auf -ijni. 363
einen Litauer gehört, wird die Möglichkeit davon wohl gerne zugeben,
namentlich in Anbetracht der vom Vf. i. d. Sitzb. der Kgl. Böhm. Ges.
d. W. 1901 VII 17 f. angeführten Thatsachen. Abernichtsdestoweniger
dürfte doch veszne durch Angleichung an die zahlreichen sonstigen
Feminina auf -e aus '^ vl-szui entstanden sein. Dieses *ceszm wäre
dann das Femininum zu reÄc/s » Gast« lett. oesis): veszis lebt in lit.
c'esziu kelias , gew. venzkeh's «Landstrasse« (eig. »Fremdenweg, Gast-
weg«, poln. go.iciniec, r. rocTiiHeu-B , ist aber sonst verschollen, was die
bei Szyrwid vorkommende Umdeutung zu tcieszas kielas veranlasst hat
(Leskien, 1. 1. 1S5; auch vieszaus kelelis, vieszüsis kelüzis kommt vor,
Juszkewicz Liet. d. 4r)6 2, ."iSl 14, Leskieu 240, worin vielleicht Spuren
der vom Vf. Sitzb. d. Kgl. Böhm. Ges. d. W. 1S97 XIX 21 f. besprochenen
Verhältnisse zu suchen sein werden). Man kommt überhaupt, vergleicht
man die Motion des Ai. mit jener im Lit., zur üeberzeugung, dass im
Lit. die Grenzen der -^-Feminina gar vielfach zu Gunsten der Endung
-<■ verrückt worden sind.
Bezüglich des im Gegensatze zur Maskulinform im Femininum auf-
tretenden it meint Brugmann, für welchen in erster Reihe nur *pötnia
pötnl in Betracht kommt (Grundr. II 315 , die Bildung beruhe auf Nach-
bildung von Femininen der ;?-Stämme, wie ai. tak'anJ rey.Taiva zu M.
täkmn- xi/.xiov. Dies mag auch das Richtige sein. Jedenfalls ist
wenigstens 'pöinia *pätnl bereits ursprachlich, und wenn nicht andere
Sprachen, die östliche Sprachengruppe des indoeuropäischen Sprachen-
stammes mag nach Ausweis der oben zusammengestellten lit. und ai.
Spuren dieser Bildung mehr Belege davon besessen haben. Es ist nicht
unmöglich, dass die Bildung dem Charakter der indoeuropäischen -n-
Bildungen gemäss ursprünglich mehr substantivischen Charakters ge-
wesen: selbst von *p6tma * pötnl und lit. cesznc abgesehen, sind die
spärlichen Belege jener ai. Feminina vorwiegend substantivischen Cha-
rakters '). Auch der von uns vermuthungsweise angesetzte Ausgangs-
! 1) Nur dsikni kommt im Veda öfters adjektiviscli vor (vgl. das Peters-
j burger Wüiterbuch;, aber auch als Substantiv: es bezeichnet in dieser Art
1 «die Schwarze« ^Nacht], «das Dunkel«, nach den Lexikographen auch »eine
weibliche Dienerin im Harem« wohl »eine Schwarze«, vgl. dsikni tvdk , visah
äsiknih RV IX 73 5, VII 5 3; nach dem Petersburger Wtb. »von mittleren
1 Jahren, noch schwarz, noch nicht grau«), und kommt auch als Nomen propr.
I vor auch als Flussname, 'Jy.eaiy/;^ im Pendschab . rdlikm (RV V 2 4, VS 30
15) scheint eher ein Substantiv zu sein »die Greise, Greisin«, »weisse Kuh«),
ebenso hdriknikä im Atharvaveda (»falbe Stute«); bei lairihnkü ist dies schon
364 J- Zubaty.
punkt der litauischen Komparativbildung (8. 362 ^j könnte ursprünglich
eine Art Substantivirung gewesen sein : sind unsere Auseinandersetzungen
Idg. Forsch. VIII 2 14 f. richtig, so war der heute übliche Komparativ
auf -WM -iaüs auch ursprünglich substantivischen, nicht adjektivischen
Charakters gewesen i). Man sieht, dass wir somit auf Umwegen doch im
Grunde zu Thurneysen's Auffassung des lit. Komparativs zurückkehren.
Für den andern Teil der slavischen Femininendung -y-ni müssen
wir uns leider mit der Erkenntniss begnügen, dass ein *-mfl! *-yn in
verwandten Sprachen gut beglaubigt ist. Aus dem Slavischen können
wir keinen völlig entsprechenden Beleg, eben die alte Verbindung -y-ni
ausgenommen, beibringen. Es ist dies leider nicht der einzige Fall, in
welchem man nicht Alles zur Hand hat, was man zur Deutung einer
sprachlichen Thatsache benöthigen würde. Aber am Ende sieht man
gar nicht, was -ni in slav. -yni sein könnte, wenn die alte Feminin-
endung *-7iia *-m nicht darin stecken sollte.
Um zum Schlüsse noch eine Vermutung anzubringen, ein altes
Nomen auf *-;?m *-nl hat auch das Slavische aufzuweisen : allerdings Ij
kein solches, wo der -w-Stamm nur auf das Femininum , wie in *pötnia |i
^pötni neben *p6tis u. s. w,, beschränkt wäre. Es ist dies ksl. aAT^HMH '
aA'kHH /laHH aaHHra AaHk «Hindin« zyjijelenh »HirschK. Bekanntlich
ein altes Wort. Im Lit. findet man eine »Hindin« (Leskien, 1. 1. 282), ,
welches wohl für '^elni (vgl. S. 363), bezw. "^alni steht, neben dem :
Mask. e7w',s »Elentier «2); dazu gehört ferner gr. IXlöo, »junger Hirsch«,
an der substantivischen Weiterbildung ersichtlich (vgl. nsiknikä , nach dem
Lexikographen = asikin »Haremsdienerin«). — Das Fem. im »Hirschkuh« ist
durchaus Substantivuiu. Man beachte hier den vollen Suffixwechsel : M. *-tos,
F. *-nia *-ni (vgl. dazu hürih härim, häriiah huriknl).
1) Man kann sich die Sache so vorstellen, dass die Form auf -es>n', von
der der heutige Komparativ ausgegangen wäre , ursprünglich in Sätzen wie
geresni yrä »es ist besser«, ursp. eig. »es ist ein Besseres, eine bessere Sache«
üblich gewesen. — Zu dem oben angeführten Aufsatze möchte ich bei dieser
Gelegenheit noch einen Beleg aus Juskevic's Wörterbuch nachtragen : »dvt-
jaii ir dvtju adv. EÄBoeMX, ÄBaBMicxi; dwoje, we dwoch. Dvijau kiileva vers\.
Dmjau büvova tdn. Ar apspesitau därbq dirhti dvtJu, kad pirm hüvote trisu ,
keturt SU , devt/nlsu , desimüs , viemllikna. Man beachte die veraltete , in
dieser Redensart erstarrte Lokativendung -su in tnsu u. s. w., nach welcher
die Endung -au des Lok. Du. dvejau dvijau in Juskevic's dv'iju zu -u angeglichen
wurde.
-] Lit. eine Steht wohl für *alne *alni: die Vokale a und e wechseln im
lit. Wortanlaute sehr stark ab, und zwar geschieht dies unter unverkennbarem
Einfluss des Vokalismus der folgenden Silben: vor engen, palatalen Silben
Zu den slavischen Femininbildungen auf -ijni. 365
V.aifog "Hirsch« (aus *eln-bhos), cymv. claln {'ehfil), ir. e/it {*elntis)
»Reh*', arm. <v./?, vgl. z.B. Stokes, Fick 11^ 42. Falls ai. etü )> Antilopen-
art« durch volksetymologische Anlehnung an obiges t-nl (S. 362) für
'an'i aus "alm steht (Uhlenbeck, 1. 1. 35), wäre es mit slav. *ahn *ahi'bji
identisch. Allerdings ist das Verh<ältniss der hier erscheinenden Nomi-
nativendung -nhji zu ursp. *-«/ nicht recht klar, wie überhaupt die
slavischen männlichen und weiblichen Nominative auf -hji dunkel sind.
Betrachtet man z. B. *alnbji lanhji «Hindin«, *aldhji ladhji lochj'i
); Schiff«, sqdbji »Richter« u. A. neben hogy/d u. A. , kommt man zum
Gedanken, der Unterschied zwischen -/ und -hji im Nominativ hänge
mit der Struktur der vorausgehenden Silbe zusammen: ist sie ursprüng-
hch offen, kommt dem Nominativ die Endung -i, ist sie ursprünglich
geschlossen, dagegen die Endung -hji zu. Und vergleicht man ferner
noch z. B. ksl. -a^ujth im Nom. sg. fem. der Partizipia, so will es
weiterhin scheinen, dass auch die Tonqualität hiebei ein Wort mitzuj-
reden gehabt. Nachdem bei der urspr. Nominativ -Endung *-l dgl.
Unterschiede nicht begreiflich sind, müsste man deren Ursprung in den
übrigen Kasibus suchen: im Slavischen wäre der Nominativ — wie dies
im Slav. auch sonst der Fall : ^-(ff/i -oiii -Jisi im Nom. der weiblichen
Partizipien und Komparative; nozh im*nozh u. dgl., vgl. lett. nazis
naza\ -i/iii für *-ym — durch die übrigen Kasus beeinflusst worden.
EnrZ; ich stelle mir den Prozess folgendermassen vor: ursp. Nom. sg.
*-ia- *-7, in den andern Kasus *-m- bezw. *-{e-); vorslav. Nom. sg.
*-7-, in den andern Kasus je nach Beschaffenheit der vorangehenden
Silbe *-iä- *-ie-) oder "-mi- (*-?V5-); slavisch Nom. sg. -/, z. T. durch
Angleichung an andere Kasus -yV, in den andern Kasus -Ja-^ bzw. -hja.
Wobei noch die Möglichkeit, wenn nicht Wahrscheinlichkeit zu berück-
sichtigen ist, die durch die Beschaffenheit der vorangehenden Silbe be-
dingte Stammes Verschiedenheit sl. -Ja- -ija- wurzele in sehr alten, viel-
leicht schon ursprachlichen Zeiten. Natürlich wäre später auch hie und
da allerlei Störung durch Formenassoziation eingetreten: z. B. ksl.
Kp'kMKMHH Und auch sonst manches Andere, würde sich der oben ver-
muthungsweise aufgestellten Regel widersetzen.
erscheint meist e, vor breiten, nicht palatalen, meist a. Offenbar ist die ganze
Erscheinung durch Dialektmischungen und durch andere störende Eintiüsse
verdunkelt. Man vgl. aszva *eXc<i, asz *e(jo>n, aberz. B. ercUs auch arelis, slv.
orbh »Adler« neben üras Juszkevicz Dain. 103 20; u. s. w. Vgl. Bezzenberger
in seinen Beitr. XXIII 29öff. Jos. Zuhat ij.
366
Die griechisclien Artikelkonstruktioneu in der alt-
kirclieuslavisclien Psalter- und Evaugelieuübersetzung.
I. lu der Psalterübersetzung.
In der sorgfältigen Studie,
welche Matija Valjavec im J. l SSS
der altkivchenslav. Psaltevübei-
setzung gewidmet hatte (Rad ju-
goslav. akad., Bd. 9S, S. 1 — S4,
Bd. 99, S. 1—72, Bd. 100, S. 1 —
64), lesen wir den Satz, es sei bei
der Herstellung des ältesten sla-
vischen Textes gelegentlich auch
die lateinische Uebersetzung (Vul-
gata) herangezogen worden (vgl.
Rad, Bd. 9S, S. 4 — 7). Um einen
solchen, ohne Zweifel ungewöhn-
lichen Vorgang zu beweisen,
führte Valjavec zunächst eine
Reihe von Belegen an, wo der
finale Infinitiv des Griechischen
(in der Regel mit dem Artikel
versehen, aber auch ohne den-
selben) im Lateinischen und Slavischen durch einen Finalsatz mit der
Konjunktion ut, resp. da, wiedergegeben wird. Die von Valjavec heran-
gezogenen Belegstellen — die slavischen stammen aus dem Ps. sin., ed.
Geitler — sind, nach der Perfektivität der slavischen Verba geordnet,
folgende: a) Verba perf. für den griech. Infinitiv des Aorists: Ps. 8, 3
Tov v.aTciXvociL fx&Qoi' v.ai e/.di-urjTfjP ut destruas inimicum et
ultorem ^a pas^pOYiUHUJH ßpara h MccTkHHKa; 25,7 rov a/.omai
(fioi'fjs aivsaewg y.al öuiyi!]Oaad-ai Ttavra ra d-avauaiä gov ut au-
diam vocem laudis et enarrem universa mirabilia tua ^a OYCa'kiilJ;!^
raac'h. yBaA-Ki tbocja (h) Hcnoß-kMi». kt^cS HW^fca TKOt:;
35, 4 ov'A tßovXrjrd-r] ovviivai rov dyaitovpat noluit intellegere, ut
Die griech. Artikelkonstruktionen in der altkirchenslav. Psalterübers. 307
bene ageret Hf hsboah pa30\*MliTH, ,\,a OYKAaM;HTTi,; 66, 3 rov
yvCovcti Iv rfi yfj ri-p bööv öov ut cognoscamus in terra viam tnam
X& nctSHiVfM'K Hd 3fMH n;siTKTKOH; 72, 2S rov l^uyytiXai yrä-
(jac rag alriang aou ut annuntiem omnes praedicationes tuas ^d
HCnOKliM'K KkCI/J\ YKi\i\'KI TKOI*A ; 75, 10 TOÜ oCjoui TtcevTag Tovg
7T()(U(g rr^g yr^g ut salvos faceret omnes mansuetos terrae ^\,a OViia-
cn"k KbCbÄ KpoT'kK'kri/Ä 3EMAH; 79, 3 D.d^e elg to oCjoul rii.iäg
veni, ut salvos facias nos npH,\,H, ,\,a H'ki c'kiiacEiiiH ; 100, 8 rov
l^o/.od-QBvoaL Iv. TtöKEfjig y.vQiov rcüvTag Tovg tQyal^oftevovg rtjv
döiüiav ut disperderem de civitate domini omnes operantes inquitatem
^a noTp'RKAtiti OT'K rpa,v,a rH'k kkcia Tßopi>AUiTi/fti^ Kf3a-
K^HHkE: 108, 27 >T«j'r« TXQog ot /CQogdny.toai, öovvccl rqv rqncpijv
avTolg omnia a te expectant, ut des illis escam BkCÜ OTTv TtKt
HawRT'K, ^A A,ACi\ nvxxuTTtv v\wk: 104. 22 Toü naiöevGai rovg
uqynrrug avrov vjg icanöv^ y.cu rovg TZQeofyUTtQovg avvov aoffioai.
ut erudiret principes eius sicut semet ipsum, et senes eius prudentiam
doceret ji,A Haov'HHTT», K'kHiwvi^iw\ «ro 'feKO CAWW ci»ä, h crapku,!^
trc> ov'MO^l.pHT'k; 104, 3i» toD (pioriaca avtolg rip' vv/.xct ut lu-
ceret eis per noctem \A npocB'kTHT'k HM'k HOiUT'kiii^: 105, 8 xoi)
yvioQiocit Tt]v dvvaareiav avrov ut notam faceret potentiam suam
,\A CkKa/KfT'k HMT». cha;^ CKOfiR; 105. 23 rov t^o/.od-Qauoa/ av-
rovg .... Tov i.ii; i^oXoS-Qtvoai ut disperderet eos . . . ne disperderet
eos ^a Mk noTp'kKA»^ . . . ;i,a h« norov'KHT'k H\"k: 112, 8 rov
j ■/Miyiaa.i avrov uera aqyövnov ut coUocet eum cum principibus ^a
I noca,\HT'k H Ck K'k.Hiift^H; 118, 76 yevEd-erio rh 'i'Uög aou rov
I naqa/.a).ioat ue fiat misericordia tua, ut consoletur me k;*^^" ^f
MHAOCTk TBCfk, ^A OYT'felllHT'k MbÄ; 118, 173 ySPSOO-lO f] XEIQ
oov TOV oCjouL ue fiat manus tua, ut salvet me K;^;k,H p^^Ka TBCk,
! Ji,A CknactTTk MiiÄ. Hierher kann wohl auch die im Ps. sin. lücken-
i haft erhaltene Stelle eingereiht werden: 9, 35 rov TtaQadovvai av-
rovg eig xelQc'cg aov ut tradas eos in manus tuas ,\A (np1v,vaHH K^\-
4»;iiT'k BTk p;iii;'t tboh). b) Verba imperfektiva im Slavischen für
I den griech. Infinitiv des Praesens: 26, 4 rov /.arcixelv f.ie Iv orKO)
/.VQiov rcäaag rag r^utQag rf^g Ltor^g fiov, rov &£coQ£iv /.le ri-f
\re.Q7Ti'6rr^ra y.vQiou /.ai htio'y.ercrea&ai rov vahv avrov ut inhabi-
jtem in domo domini omnibus diebus vitae meae, ut videam volup-
tatem domini et visitem templum eius J^A »CHB^ BT». ;i,OMOY THH
KliChA ^l.'kHH JKHBOTa MOffC», \A 3'kp;*i KpaCOTTvl THIA H HO-
368 Fr. Pastrnek,
cKuirai^ HpK'KKH cTikiA fro; 35, 2 (prjGiv o TtaQ(xvo(.iog tov
uiiuqrüvkiy Ir auicj) tlixit iniustus, ut delinquat in semet ipso ChÄT'K
saKOHonp'tcTA^n'KHHK'K, ,A,a c'KrplviijahfixT'k K'k cfK-k; 38, 2
€/?r«, cpvM^co zag böovg /.lov, rov (.ir] uuceQzävsiv Iv yktboar] fxov
dixi, custodiam vias meas, ut non delinquam iu lingua mea pIv^'K, CK-
YpaHü^k RA^TH MObÄ, ,\,a Hf CKrplvUjajiK I/A^'kikom'k iuiohm'k.
Das Verbum BH^\15TH erscheint auch hier bald in perfektiver, bald iu
imperfektiver Bedeutung: 118, 37 aycöozQeiliov zobg ocpS-a'Ainovs
iiou, TOV f^iij iötlv /iiaTaturrjTa averte oculos meos, ne videant vani-
tatem OTT^BpaTH ohh moh, ^a hc ehj!l,»t( cOYfT'Ki; 68, 24 gko-
TLod-t'jtioaav OL (xp^aXj-iol avTÜv , tov f.u] ßlirceiv obscurentur
oculi eorum, ne videant {\a) nctiuipaMH[c]Te ciA cmh (h)Y'K, ;i,a m
ßH^\,iAT'k. Andere Abweichungen von dieser Regel erklären sich
durch Anlehnungen an zunächst liegende Verba: 105, 47 ETtLGwäyaye
t]f.iäg fc/ TÜv Id-vüv ^ TOV e^of.ioloyijGaad-aL zip öv6/.iaTi gov tcJ)
ir/iojy zov ky^avy/iGd^ai iv zf] aiveGsi gov congrega nos de natio-
nibus, ut confiteamur nomini sancto tuo et gloriemur in laude tua Ck-
KfpH H'hl OTTv MVS'KIK'K, ,\Ä HCnOß-KAaC MTk CIA HüfHH TROfMOV'
CTO\fMO\|' H YRaAHy'h. ci/Ä li'K Y^**^'^ TßoeH: das imperfektive
Hcnoß'tAi^M'K (für Hcnoßlilin»., vgl. 25, 7) dürfte durch das nach-
folgende YßaAHMTv ChA veranlasst worden sein. Aehnlich in einem
andern Falle: 22, 6 zb eAsög gov /.azadub^sTai /.le rtÜGug zag
i]^ieQag zfjg Kiofjg /,iov, -aul zb /.aTOLY-elv f.iE Iv oiuo kvqiov elg
l.icr/.Q6zi]za fjf.iEQÖJv misericordia tua subsequetur me omnibus diebus
vitae meae, et ut inhabitem in domo domini in longitudinem dierum
MHAOCTb TßOli nO/K«HfT'K MIA ß'h.CI»Ä ,\,bHH JKHßOTa MOfPC»,
H ,A,a ß'KCEAi^ CIA K'h. ^i.oiui'K PHk ß'h AAT»,roT;f» ;i,h.HkH : die
Wahl des perfektiven Verbums ßi^Cfaiiii geschah wohl mit Rücksicht
auf das vorangehende Futurum iioiKeHfT'k. An der zuletzt angeführ-
ten Stelle ist die üebereinstimmung zwischen der lateinischen und sla-
vischen Uebersetzung besonders auffallend ; indessen ist es nicht aus-
geschlossen, dass diesen Uebersetzungen die griechische Lesart zov
•/.azomelv zu Grunde liegt. Vgl. die gleichlautende Stelle 26, 4.
Diese von Valjavec herangezogenen Stellen sind, soweit es sich um
die Wiedergabe des griech. finalen Infinitivs durch einen Finalsatz han-
delt, ziemlich vollständig. Hinzuzufügen wären: 9, 32 aTteGZQSipe zb
TiQÖgioTTov avzov zov i^irj ßXejtELV eig ziXog avertit faciem suam, ne
videat in finem OT-kßpaTH /\H^f CßOf, \A Wi ßH;k,HT'k A*^ KOHhl^a;
Die griech. Artikelkonstraktionen in der altkirchensl.av. Fsalteriibers. 369
Ol, 15 — 16 y.cu svTvad^ovvTsg eaovTai rov avuyyukui et bene pa-
tientes erunt, nt annuntient H A'^'^^P'^ iipHfMAKi^un'f r;!;^^^!!, \^
K'h3RlvCTlȀT'K. Einige Male finden wir im Psal.sin. den blossen Indi-
kativ: 24, 14 ■/.qara.i(ji[ia -avqioq töjv tpoßov^tVDv aurbv, xai t] dia-
&\]/.i] ctvrov Tov di]?ulJoai avTotg et testamentum ipsius ut manifcstetur
illis AP''»^'*^'*^'* f'** KOIAUITHHM'K ChÄ fPO, H SaKOHl». fPO aKHT'K
HWK (auch in den kroat.-glag. Texten ; 33, 17 tov tiolo^Qeüaai l/.
//Je To (.ivr]!^iüavvov aurOJv ut perdat de terra menioriam eorum no-
Tp'feKHTTv OTTk 3fM/MA naMi*ÄTk H\"K (hier haben die kroat.-glag.
Texte den Infinitiv noTp'kKirrii und dies ist wahrscheinlich die ur-
sprüngliche Lesart); 55, 14 Toii EvaQEöxr^aai erw/riov tov d^tov tv
cpcor) LiovTiov ut placeam coram Deo in lumine viventium wrC/KA'^
npIvATk nun», b^k crpaHlv (sie) /KHß;Ki|jHH\"K (die kroat.-glagol.
Texte haben hier das ursprüngliche ,\A OYron;AC»V)5 öl> 10 iliavdüg
Ol vtoi rCüv ard-QÖ)7tojv Iv Cvyolg rov adr/.rdai, ccvtoI It. liiarai-
üvrjTog IrTLToavrö mendaces filii hominum in stateris, ut decipiant ipsi
de vanitate in idipsum atv'/KHBH chkh hakhh kt^ M'kpni\k\"K \\(
onpaRkAHUJH (sie), th ottv coY(T'KI k^k K0\fn1v (hier liegt wohl
nur ein Schreib- oder Druckfehler vor: Hf onpaBk.VHTH, die kroat.-
glag. Texte haben hier nach dem Latein. \A iip'kAacTtr'). Von diesen
Indikativen (ohne ,\a) ist demnach nur ein Fall für die älteste Zeit
sichergestellt: 24, 14.
Um diese üebersetzung eines griech. finalen Infinitivs durch einen
Finalsatz im Slavischen richtig zu würdigen, darf man jedoch eine Keihe
von Stellen nicht ausser Acht lassen, wo derselbe finale Infinitiv in an-
derer Weise wiedergegeben wird. So nach einem Verbum der Bewegung
durch ein Supinum : 40, 7 y.al ei dgsycoQsvero tov iöelv et si ingre-
diebatur ut videret H auJTf) K'KCYC»JK,V,'*UJf KH,\'kT'k; 58, 16 avTol
diaü/.OQ7Ciod-rjaovTai rov cpayelv ipsi dispergentur ad manducandum
TH paSHA^TTi chÄ IvCTT».; durch ein attributives Participiura prae-
sentis: 6u, 9 avTiug ipcüM tcj opöuati aou slg tov uiCot'u tov
aiüvog, tov ctTTodovvai ue rag avy/tg ^lov fifiegap f^ fjf.ieQag ut
reddam vota mea de die in diem raKO likcnoi* mmehh TKOfMor li'k
K-KKlü, ßk3A^>^ MOAHTB'KI MOIA ^\\l( J{,H( (sic); b2, 15 logtl
(p?.bi y.aTa/.avoai oQrj sicut flamma comburens montes liKC iiaaMtHk
nOHC'krai/fvH rop-w. In dem zweiten Falle liegt zwar eine üebereiu-
stimmung mit dem Lateinischen vor, allein die kroat.-glag. Texte haben
Archiv für slavische Philologie. XXV. 24
370 Fr. Pastrnek,
hier einen Relativsatz : H>Ke no>KHra(TK rcpH, was auf ein attribu-
tives Participium auch in der griechischen Vorlage hinweist. Vgl. 74, 5
ELTta Tolg 7ta(}uvof.iovoi^ fii] TtaQuvof^ielr, xal zolg ai.ia()TdvovGi,.
firi vipüVTE KSQag, auch weiter folgen Imperative: fit] sTtaiQers^ (xt^
lalelTs; und diese Form (den Imperativ) finden wir auch an erster
Stelle (für firj 7xaQavo{.iüv)^ sowohl im Lateinischen, als auch im Sla-
vischen: nolite inique agere, nolite exaltare u.s.w. Hf iip1iCT;i^naHTf
saKOHa, Hf B14.3H0CHT«, Hf K^KSAßHJKHTf, HC TAarCAHT«. Wahr-
scheinlich waren diese Imperative an allen Stellen bereits in der griech.
Vorlage.
Ferner ist es nothwendig, zu betonen, dass der griechische finale
Infinitiv an zahlreichen Stellen durch den blossen Infinitiv im Slavischen
wiedergegeben wird, während im Lateinischen ein finaler Satz vorliegt:
9, 29 eyKa^rjrai, evedqa /«er« nlovaicov iv aTiov.Q'ixpoLg, tov cctco-
XTiXvai dS-coor ut interficiat iunocentem np'feC'fe^HT'K B'K AaTtAHY'K
CK KOraTTvIMH, KT», TaHH'KlHY'K O^KUTH Hf HOBHH'kHarO ; 9,30
h'sÖQsvsi TOV aQ/cdaai tztcoxöv insidiatur ut rapiat pauperem aaeT^K
K'KCY'KTHTH (sic!) HHUJTafrc»; 10, 2 f^Toli-iaaar ßskt] sig cpaQexqav^
TOV ■KaTaTo^evGCii Iv OKOTOfrrjvj] Tovg evd^sig Tf] xaQÖia ut sagittent
in obscuro rectos corde OYroTOßaiUMv cTp-kaivi KT». Toyali, cts.-
CTp'kA'kTH KTi lUipaK'K npaßiübA cpT^/VkU^eiHk ; 13,2 y.vQiog ex tov
ovQavov öi€Kvip€r eiti Tovg vlovg tCov dvd-QcoTtcov, tov ideiv ut vi-
deat rb CT», hkch npHHHHC Ha ch'KI mamia, KH^IiTH; 26, 2 Iv t(7j
iyyiCEv eTt efie ■/.aKOVVTag, tov cpayelr Tag aaQjiag /.lov ut edant
carnes meas trjü,A iipHKAHJKhÄT'k cia na Uhti 3'kAOKOYJi^iUTfH,
C'KH'tCTH HA'kTfH MOH^T^; 30, 3 Tccxvvov TOV i'^sliad^ai f.i£ ac-
celera nt eruas me 0\|'i/iS/k,pH hswith mI/ä; 30, 3 yevov f.i0L sig d-sov
VTteQaGTtiGTfjV, xai sig olyiov zaTafpvyfjg tov oCJaai fie ut salvum
me facias k;^A" ^^ ^^^ ^^ saiUTHTea'K (sic), h k-k ^oiuit». npn-
E'kH^HiiJiC) CKnacTH MMk; 35, 3 otl Idöloyoev IvtojtLov avTov, tov
evqelv Tyjv ävof.iLar avTov -/.al (.iiGf^oat ut inveniatur iniquitas eins
ad odium 'kKO koat^cth np-k^y-K nnyk, oup'RcTH BE3aK0HHHf
CBOe H BT^snenaBH^IiTH ; 36, 14 qo^upaiav eortäGavTo ol ai-iaQ-
TwXol, IveTELvav tö^ov avTiov^ 'tov -/.aTaßaXslv jttcoxov 'aal ni-
vr]Ta, TOV Gcpä^ai TOvg ev&elg Tfj ■/.aqdia ut decipiant (var. deii-
ciant) pauperem et inopem, ut trucident (var. occidant) rectos corde
HaaiiftujiA A;f^K'K cboh, cKcrp'kA'feTH HHL|jaErc h ovKoratro,
saKAaTH npaßUbfi cpi^yi».; 36, 34 vxu viptoosL gs toö xaTay.Xrj-
Die griech. Artikelkonstruktionen in der altkirclieuslav. Psulterilbers. 371
ooi'oufjGai Ti]V yfjv ut hereditate capias teriam H B'k3Hfcn"K tia
HiKAlv,\,HTH 3fMAiiK: 39, 9 Tou 7rou]aai ro O^iXv^ud aov o O^ebi^
1.101' i]ß(jv/.i\(})])' ut facerem voluntatem tuam, Deus mens, volui CTüO-
PHTH BCAHf^ TKOtti K>K« MOH li'KC\'OT'k\"K ; 39, 13 AUl Oj)x l)Öv-
V(ioO-i]v Tov ßXijiEiv et non potui ut viderem h h« KTvaMOrik 3'k-
p'kTH; 39, 14 evöd-Ärjaor v.vqie tov QVöaod-ai fit complaceat tibi
Doraine, ut eruas me KAaroKOAii th ii3K<\khth mi/ä; 39, 15 oi
Cr]TOVVT€g Ti]v if.ivxrjv fiov^ tov t^ÜQai avvr^v qui quaerunt animam
meam, ut aufeiant eam HCK;^i|itH ,i,uii'^ MOfiA h3I/4^tm b^; 4 0, 9
fii] o y.oiuioaevog ovyj ^rQogO^ijUei tov uvaoTr^vai] numquid qui
dormit, non adiiciet ut resurgat? i\A CkiiiAH hj npH/XOJKHT'k ßiv-
CKp'kCH;*;TH? 52, 3 b d^EOQ ix TOV ovquvov duy.vipsv htl Tovg
viovg Tiöv av&QÖJ7iiov, tov iöelv Deus de caelo prospexit super filios
hominum, ut videat K'k chkh npHHHH£ Ha ch'ki makhia KH^V'kTH;
58, 1 /.ai icpvla^s tov oizov avTov tov ■d^avaTwaat aiiTov et
custodivit domum eius ut interficeret eum h C'k\'paHH A*^'^'^ ^^'^ ^V"
KHTH h; 59, G idcü/.ag Tolg (poßovutvoig at oijueiiooLV^ tov (fvyelv
ScTtb TiQogcoTCov Toiov ut fugiant a facie arcus ^aATi fCH ROi>fvi|iH-
HM'k CIA TfK« 3HaM{HkE, O^R-RH^aTH CT'k AHUA AA^KA; tJ2, 3
uiiTiog Iv T(p i(yi(iJ ('[itpd^rjv ooi, tov idelv rrjp övruuiv aov ut
i viderem virtutem tuam T'kKO (siel) Bk CT'kM'k 1vßH]("k ci/A TtGU,
RH^tTH cha;s; tkoitR; 63, 4 — 5 ivtTsivav töBov Ttgäy^ia TtixQov,
TOV /MTaTO^evGca Iv aTiOY.ovcpoLg c'cficofior ut sagittent in occultis
immaculatum HaAi>Aiiiiw\ A;^K'k ckoh [h] Rfqik ropkR;^^, ckCTpIv-
AliTH RTsL TaHH'ki\"k HfiiOpOHkHa; 70,3 ysvov fiOL sig -d-ebv v7ceQ-
aoiciGri^r^ y.ul ug ro;ror oxvqop tov oCoaai f.ie ut salvum me facias
R;SiAH MH-k ß'h. RA 3aiUTHTHTfAli H Kk M'kCTO TBp'k,\,0 Ck-
InacTH MIa; 72, 16 /.cd VTtiXaßov tov yvwvai et existimabam ut
cognoscerem h HenkiUTfRaYT». paso^MliTH; 76, 8 Y.ai ov :rQog-
d-^öEL TOV tvdoy.fjaai tTi; et non apponet, ut complacitior sit adhnc ?
|H he npHAOJKHT'k RTkRAArOKOAMTH HAKTÜ ? 77, 18 YMl IBsjCEl-
Quoav Tbv ^sbv iv Talg yMQdlaig avTÜv, tov ahr^ouL ßQiüi.iaia
Talg xpvyalg avTvjv ut peterent escas animabus suis (h) HCKorcHiiiiA
RA BTv Cp'k^\,kH,H\"k CßOHY'k, B'kCnpOCHTH RpaiHkH'k ^^lUaM'k
ICBOHM^k; 77,38 yal jcXrid-vvEl tov äTtoöTQEipaL rbv -i^vf-ibv avTov
et abundavit var. mwltiplicavit) ut averteret iram suam H ©YMTkHO-
^HTTk B'k3ßpaTMTH lipocTk cßoi^; 84, 10 TiVriv lyyvg tljv
24*
372 !'>■ Pastrnek.
(poßovf-ievcov avrhv ro acorrjQiov avrov, rov '/.azaayirjvätaaL dö^av
er rfi yfi rn^iCo^' ut inhabitet gloria in terra nostra OKani kahst^
BOhAllJTHM'K C\^ CPO CnHHE EPO, ß'kCEAHTH CAdB;^ B'K SEMAK^
HdUJÄ^; 85, 11 £vq)QavS^rjTa) fj Aagdia f.iov, rov cpoßelo&ccL ro
ovn{.i(x aov laetetur cor meura, ut timeat nomen tuum ^a B'KSBtCf-
AHTTk CbÄ CpT».;i,kHe MO«, BO'feTH ChÄ HMEHI1 TKOtrO ; 90, 11 (kl
roig äyyeloLS aiirov ei/rslelrac tteqI gov, rov öiacpvlu^at ae Iv
Ttdoaig ralg döolg aov ut custodiant te in omnibus viis tuis IvKO
aAl^AOM'K CBOHM'K SanOB'RCT'K 0 TfE-R , C'kJCpaHHTH TIjA BO
BkCli\"K n;i>TfYT^ tbohy'k; 100, 6 ol öcfd-ali-ioi /.lov Inl rovg
Ttiarovg rfjg yfjg, rov ovy/.a&fiG&ai avrovg {.ler k^ov ut sedeant
mecnm omh mc»h Ha B'kphH'Kii/A semah, nocaJK^aTH Ck coboi^
(sie!); 101, 20 — 22 xvqiog l^ ovqavov l/ii rijv yfjp STzeßleipe, rov
dxovoaL rov arsvayfiov rCov 7T£7teör][.ievo)r, rov Ivaai rovg vlovg
rtov r€^avarco(Ä€voJV ^ rov ivayyelXat iv ^uov ro ovoi.ia v.vqlov
ut audiret . ., ut solveret . . ., ut annuntiet r^k CT», hbch Ha 3£MAI^
npHSkp'k, OYCA'kiiiiaTH Bk3/i,'ki)CdHHf OKOBaH'kiY'k, pas^P'^"
UJHTH CH'kl C>\flUip'klMBfH'kIY'k, B'k.SB'KCTHTH Bk CHOHiv HMhÄ
rne; 101, 23 ev r^ owa^S-f^vai kaovg EJtiroavrb , xa« ßaoilsig
rov dovlsveiv rcp y.VQUo ut serviant Domino iVji^A C'kH'kluiÄiT'k Cbft
AfO^kf Bk Koyn'k, h ij^pH paBOTaTH rio; 103, 14 6 e^avareXhov
%ÖQrov rolg xrrjveai, zal x^orjv rfj dovlsia rCov dvd-qwTtcov, rov
k^ayayelv aqrov iy. rr^g yffg ut educas (var. edueat) panem de terra
nposirJ^BaiwiH naH^HTk cKOTOiuik, h TpaB;i; na cAcy/KkE*
MABRüT»., HSBfCTH YAliB^k OTT», 3tMAhi\ ; 103, 15 xai olvog EvcpqaivBi
'/.aqdiav dv&QcüTtov, rov iXaqwai iTQÖgMTtov kv eXaiM ut exhilaret
faciem in oleo H bhho B'kSBCCCAHT'k C(iß,u,( hako^, 0\'MacTHTH
AHU,6 OAliHMk; 104, 25 y.al f.ieriorQexpe rr]v yiaqdiav avrüv rov
fiiafjaaL rov labv avrov, rov dolwvoS-ai iv rolg do'öXoig avrov
ut odirent populum eins, et dolum facerent in servos eius (h) np'fe-
BpaTH CßJi,U,l CBOf (sie), B'kSHfHaBH^'kTH AlO;i,6H CPO H AfCTT»
CTBOpHTH Bk paB'6)("k f PO ; 105, 23 si i.ir] Mcovafjg ö Ey.ksy.rbs
avrov EOriq iv rfj d-qavoEL EviojtLOv avrov, rov ccTvoarQEipai aTto
^vfiov oQyfjg avrov ut averteret iram eius ai|if He KH luiocH H3-
B'kpaH'ki ero caaa-k bt». c'kKpoYUieHHH np'k^'k HHMk, B'kSßpaTHTH
'bpocT'k ero (sie); 105, 26 yal ijtfiQE rrjv x^lqa avrov In avrovg,
rov yaraßaAslv avrovg iv rfj EQrj/iKt) ut prosterneret eos in deserto
Die griech. Artikelkonstruktionen in der altkirchenslav. Psalterübers. 373
H RlkSAKH^Kt p;f^K;Fk CBOI^ Ha Hl/ft, HII3'K/\0/KHTH IWV K'K lioy-
CT'KIHH, 27 /.a\ toi' y.aiuiia/.eiv tu a.iiuua uvcCjv tv roig i.'Jrtoi,
y.at dtaO'/.OQTiioai avrovg Iv caig yÜQccig et ut deiiceret semen
eorura in nationibus, et dispergeiet eos in regionibiis H hh.H'KAO/KHTH
CfcMIrA H\'K K'k hÄ3'lvlU,1i\"k H paCTOHHTH l/ft li'K CTpaH'KI :
106, 7 Kai iüdfjyi^atv avrovg eig böov euS^eiuv, tob iioQEvd^fivai
eig jcokiv yMTOiy.rjri](jioi> ut irent in civitutem habitatioiiis H HaKt^C
M Ha n;^T'k npaii'K, BikHHTH b'k rpa;i,'ii, OBHT'kAKH'KH; 108, 31
bcL icctqeOTi] h. de^iwv TtivrjTog, rov oCoaai tx tCjv Kurad uoy.övTiov
Ti^v ipvxrjv f.ioi' ut salvam faceiet a persequentibus aniinam raeam liKC»
cra 0 ;i.fCH;iii7fw oyKoraaro, cnrn ot'k roHi/MiiTHsiyk x^x,.
M0(^; 110, 6 ioyvv i^ytav uutov dvi'jyyeüe ccp Luv^ uvtou, loü
öoi'vai. avTolg y.XrjQovof.iiav Id-vCov ut det illis hereditatem geutium
KpknOCTk A'l^'^''»^ CKOHjCK RKHK-kCTHT'K AW^^MT». CKOHM'k, \A\V\
HU'K ;i,c»CTCt'tHHf CB06 ^sic^ I/a;-i'kik'Iv ; 117, 13 ojod-tig uvti()C(:ii]v
tov Tieoelv impulsus eversus sum ut caderem ßk3ApnH'2tK{H'K npk-
KAOHHY'k CbÄ JiacTH ; 118, 60 rjzoifiäod^riV y.ai ovy. Ivaqäx^rjv,
TOV (fu?M^aod^uc rag IvroXag oov ut c.istodiam mandata tua oyro-
TOBa\"k ChÄ H Ht dvMMiCK CJ/Ä, Ck^paHMTH 3-\nOK'k;k,H TBOI<Ä ;
IIS, 95 i^iE v/reu£ivav auaQTiokol tov d^iolioai ut ut perderent
me U(Ht ^KVi^AT'K rp1iiiikHHi;H noroYKHTH MMi. An allen diesen
Stellen vertritt den finalen Infinitiv des Griechischen ein lateiuischer
Finalsatz, während im Slavischen der blosse Infinitiv steht, oft vollkom-
men berechtigt, gar oft jedoch in deutlicher Anlehnung an die griechi-
sche Vorlage. Diese finalen Infinitive sind nicht etwa erst in späterer
Zeit in den slavischen Text eingedrungen, sondern mtisseu schon der
ältesten Uebersetzung angehören, da sie zumeist auch iu den kroatisch-
glagolitischen Texten angetrofi'en werden. Vgl. einige Belege bei Valja-
vec, Rad 98, 33 — 34. Nach diesen Texten lassen sich auch einige
fehlerhafte Lesarten im Psalt. sin. (ed. Geitler) leicht richtigstellen :
5S, 6 B'kH'kMH nOCKTH richtig nOCfeTHTH; B-kCkX"»^ l*Ä3'klK'k
\ icQdoxeg TOV e/tiay.eipao&ai jtävxa xh ed^vrj intende ad visitandas
iomnes gentes; 63,6 noB'k^'SujiA c'kKpTü (richtig C'kKp'kiTH) ckTH
: diriy)]oavTo tov y.QVipui ituyiöug narraverunt ut absconderent la-
iqueos. Cf. auch 89, 11 HiUTHCah für HiUTHcaHTH t^ccQi&arjaao&ai.
i Durch die kroatisch-glagolitischen Texte wird auch der Graecismus
'eines negativen Infinitivs für das Verbot gedeckt: 33, 14 0\'AP'*^^"
{lASK-k CBCH »M-k 3Aa, H OyCTkH-S CBOH H( FAATH AkCTH 7CUV00V
374 Fr. Pastrnek,
Tt]V yXCooGccv Gov arco ■/«xof/, -/.al y^ilrj oov rov f.ir] kaXfiouL Öölnv
et labia tua ne loquantur dolum. Die Fälle, wo für den griechischen
finalen Infinitiv (mit dem Artikel im Gen. toi) auch im Lateinischen der
Infinitiv steht, wurden nicht angeführt; vgl. 26, 13; 30, 14; 36, 32;
64,10; 76,10; 77,17; 88,23; 101,5; 108,16; 118, 4, 20, .57, 106 ;
125, 3. Einigemale finden wir im Lateinischen das Gerundium (Gerun-
divum): 101, 14 ort xaiQog toi oi7.T€i()f^aai avTi]v, ort rf/.si '/MiQÖg
tempus miserendi eius 'kKO Kp-feMiA noMHAOßdTH, "tKO npH^\f (sie)
Bp'kMiWi; 118, 126 Y.aiQog rov itOLfjaai tcj 'avqioj tempus faciendi
Domino ßpljMiA CkTßOpHTH rw; 87, 1 (Itörj ifialitov rolg vlolg
KoQ£, €ig tb reXog vrtlq /.laeXeS- rov äjtoy.Qid^fiPat ad responden-
dum mkca/xoMT». choiuit». KopecKoyK bt^ kohel^k o luiaHAHTli
OT'h.ß'feiUTaTH; 102, 18 y.al f,i£(.ivr]f^svoig rüv IvtoICov avrov
rov Ttüifjoca avrdg ad faciendum ea H nc»iuii^nijAipHH\"k .sanoßlv^H
«ro TßOpHTH Mv; 102, 20 evloyelrs rbv ■/.vqlov TiüvTeg äyyeloi
avToi, dvvatol ioyvl Ttoiovvreg rov Xöyov avrov^ rol äyiovoui
Tfjg (piopfjg Ttüp Xöycov avrov ad audiendam vocem sermonum eius
KAfTC rli BKCH aH-R^H frO, CHA'KHHH KplJnOCTkM^ TßOpWvqjf
CAOBO frO, OYCA'KimaTH TAACK CAOßfC'l^ «PC»; 105,4 — 5 iniOASlpai
fij.iäg SV r(p GOjrqQuo aov, rov Idelv Iv rf] xQr]ar6Ti]rL rwv h'/.Xev.rüv
ffov, rov EU(pQC(vdfjvai Iv rfj evcpQoavv)] rov e&vovg aov ad viden-
dum, ad laetandum noc'KTH HacK cnHKeiuiT». tbchmii., ßH/i,'tTH
BTi. BAarOCTH H.SB'KpaH'KlY'K TBOH^Tj., ß"h.3Bf Cf AHTH CIA B'K
BECEAbE (sie) iif^3iviKa TBOETO ; 118, 5 Öcpslov •Aarev^vvösirjoav
cd od Ol i-iov, rov cpvXü^ao'&at ru ör/.au'oi.iccrd oov ad custodiendas
iustifieationes tuas H6 j^A HcnpaßhAAH (sie!) cia n;i^TkE moh, Ck-
YpaHHTH onpaB'K^aHH'k tboü; 118, 62 (.ieoovv-atlov e^eyeiQÖ-
fxrjv, rov E^ouoXoyelöd-ui gol Inl ru 'Aqii.iara rfjg ör/Miooiivrjg
Gov ad confitendum tibi noAOYHOiUTH BT^CTa^Tv Hcnoß'KA'*'''"
CIA TEB't Ha c;^^''»^^''^' npaß'K^V'Ki TBOfbÄ; 118, 112 e^iliva r7]v
■/.aQÖiav ^wv rov TtOLfJGai ra dr/.au'uf,iard gov ad faciendas iustifi-
eationes tuas npHKACHH Cp7^f MOE CKTBOpHTH Onpaß'K/^aHHli
TßO'K ; 121, 4 t/.ü yciQ aveßi]Guv cd rpvlal, . . . rov l^of.io?.oyri-
GUG&ut r^ övöi-iarL xvqIov ad confitendam nomini Domini TaMO BO
Bk3HA;ii KOA'SHa, . . HcnoB'k,i,aTH CIA HMEHH PHK». Im Slavischen
bleibt in diesen Fällen, wie wir sehen, der Infinitiv; nur vereinzelt stellt
sich auch eine andere Konstruktion ein; 39,14 th na iiOMOiiJb MOI*
Die griecb. Artikelkonstruktionen in der altkirchenslav. Psalterübers. 375
npHa'KpM y.vQie dg ro ßoi]d-t]oai /.loi fcfjöox^g Domine ad adiuvan-
dum me respice; 54, 21 l^iceive rriv '/siQC( ctvtov Iv nji ujCodi.ö6yai
extendit manum suam in retribuendo npocTp'kT'K pA^KA^ ckoi* Ha
B'k3HaHHC (richtig soll es wohl heissen K'K3A'»HHf, wie in den kroat.-
glag. Texten thatsächlich gelesen wird).
Der finale Infinitiv des Griechischen, in der Regel mit dem Genitiv
des Artikels cov versehen, wurde demnach im Lateinischen in zwei-
facher Weise wiedergegeben : a) durch einen Finalsatz mit der Kon-
junktion ut, b) durch eine Gerundium-, beziehungsweise Gerundiv-Kon-
struktion. Einigemal erscheint auch im Lateinischen ein Infinitiv, wohl
deshalb, weil die finale Bedeutung nicht ausser Zweifel war. In der
griechischen Vorlage mag in solchen Fällen der blosse Infinitiv, ohne
tov, vorgelegen haben. Vgl. 49, 4 yrQogy.a?.tG£rat xov ovQavoi> uvoj
■/.cd Tt]v yr^v öuc/.Qlvac top huhv avcoü advocavit (var. advocabit)
caelum desursum, et terram discernere poijulum suum npM30KfT'K HKd
c-k B'KiuJe, H seüAi* pac;s;,i,"T'M AK'A" cboia. Der slavische Text
schmiegt sich viel enger an die griechische Konstruktion an; in den
meisten Fällen finden wir den blossen Infinitiv, daneben aber auch an-
dere Konstruktionen, wie das Supinum, ein Participium, endlich auch
Finalsätze mit der Konjunktion da. Es liegt nahe, zu vermuthen, dass
diese letztere Konstruktion auf den Einfluss der lateinischen Ueber-
setzung zurückzuftihren ist. Dies ist die oben angeführte Meinung von
Valjavec, welche auch die Billigung vonV.Jagic, Zur Entstehungsgesch.
der ksl. Sprache, II, 51 gefunden hat.
Bevor man in einer so wichtigen Frage eine Entscheidung fällt,
dtlrfte es sich empfehlen, die Beobachtung auf jene Fälle auszudehnen,
wo der mit dem Artikel versehene Infinitiv im Griechischen eine andere
Bedeutung hat und demgemäss im Lateinischen und Slavischen durch
andere Konstruktionen wiedergegeben wird.
Da sind zunächst die zahlreichen Stellen, wo der mit einem prae-
positionalen Casus des Artikels verbundene Infinitiv des Griechischen
einer temporalen oder causalen Satzbestimmung dient.
Temporale Bestimmung. Im Slavischen erscheint: 1) ein Tempo-
ralsatz mit der Konjunktion fr,i,a oder K'kHtr^a und dem entsprechen-
den Tempus des finiten Verbums: a) Praesens verbi imperf. ftir den
griech. Infin. des Praesens: 36, 34 Iv tcTj t^o/.o^Qevead^ai auagrio-
kovg oipti cum perierint peccatores, videbis «r^a MCTp'feKa'RliRT'k
CbÄ rp'KujiiHHiJ^H, oyai^pniUH; 42, 2 /.al IvaTi a/.v^Qiüjca^iov tco-
376 Fr. Pastrnek,
QEVOfiai iv T(p ly.d-'kißeiv cov tx^qdv i.iov et quare tristis incedO; dum
affligit me inimicus H ß'KCKit^iii^ ckToyi/Ä \'o;k^v»*, «''A^* C'Kta;-
;Ka«T'K MH ßpari*; 45, 3 dia rovro ov cpoßrji}-rjo6f.ie^a Iv rcp
ragäöOEOd-ai ti]P y?iv, v.cn /.lEvaTld-ead-ai oqyj Iv ytaQdlaig d-a-
XciOoCov propterea non timebimus, dum turbabitur terra et transf'erentur
montes in cor maris Cfro pa^v» m« oifKOHy'k ci/ä, er^ya c'KM^^L|ia-
fT'h, cMi aeniiA'k h llp1vAa^aK^^T'^v tvj\ ropivi k-k cp;i,ii,a MopTv-
CKaa ; ebenso 63, 2; 67, 15; 70, 9; 108, 7; b) Praesens verbi perf.
für den griech. Inf. des Aorists: 13, 7 iv rcp STtiarQsipaL avqlov ttjv
aixi-iahoolav tov laoü avvov, ayalXiäa^to ^Icczioß cum averterit
Dominus captivitatem plebis suae, exultabit Jacob fr;!i,a ßiiSBpaTH'nv
rw natHTi aio^fH ckohy'k, (;i,a) kksapaa^V^'^'*^ ^^^ H-Rkortv;
ähnlich 52, 7; 16, 15 %OQTaod"r]ooi.iai ev tcö d(pd-fjvai ti]v öu^av
Gov satiabor, cum apparuerit gloria tua HacKiiUTÄ^ ChÄ, trji,A aRMT^k
lUlH Chh caaca tkcR; 29, 10 rlg ilxpeleia Iv r(p u{(.iarL jxov, iv
T(p '/.araßfival /.le eig öiacp^oQÜv ; quae utilitas in sanguine meo, dum
descendo in corruptionem ? Ka'k noA'ki^'fe ßo Kpi^ßH Mom, «r^a
C'KHH/k,;ii B'Kl — HCTbaIvHkf? 38, 2 Id-tl-UlV T(p OTO^ICXTL fXOV (pv-
Xaxr]v, Iv T(^ ovarfjvai, tov afiaQTColbv ivavriov f.iov cum con-
sisteret peccator adversum me noAOJKHX"»». oycTOlui'k lUiOMyk \pA-
HHAO, fr^a ß'kCTaHfT'K rpIvUlkHHK'h. Ha ybÄ; 101,23 h rcp
ovvaxd^fjvaL laovg STriroavTO, -^^ai ßaoilslg tov dovXsvstv T(p
y.VQi(i) in conveniendo populos in unum (rj\,& C'KH'KM;ii^T'K CMi Ai04,kf
ßk KO^n^S, H i;pn paKOTaTH PK»; 108, 23 loosl axia ev tcTj l/.-
■/iklvcti avTrjV dvTai')]Q^S-t]v sicut umbra cum declinat, ablatus sum
-kKO CÜHTs. fr^a OlfKAOHMTl». CMi, OT'khÄC'k CMv; 75, 10 fV T^
ävciGTfjvai eig /.qLolv tov d-eöv cum exurgeret in iudicinm Deus
ß'kHir^i.a ßOCKp'kCHCT'k Ha c;^^!«. bt^; 9, 30 nquäoaL nTioyov
iv Tcp kl-Avoai avTÖv rapere pauperem, dum attrahit eum BT^CjCk-
THTH (sie) HHiUTaero, ^a (richtig soll es heissen trji,A) h np'RßA'K-
HtTTk. Neben dem Infinitiv des Aorists erscheint im Griechischen auch
der Infinitiv des Perfekts : 4, 4 AVQiog eigay.ovGsral f.iov iv Tip /.e-
v.qayivai ua TtQog avTÖv Dominus exaudiet me cum clamavero ad eum
rk oij'CATviujHT'k inwv, (Fj^A Bk30B;^ K'k Hfruiov. Einigemalliegt
auch der Infinitiv des Praesens zu Grunde: 26, 2 ev T(p iyylteiv
in ifie vMy.ovvTag dum appropriant super me nocentes «r^a npH-
BAH/KbÄTTv CbÄ HA MIA S'kAOKOYJJ^lliTf H ; 27, 2 eigd'/iovoov Tf^g
cpiovfjg Tfjg derjoewg fiov, iv Tcp öeea^ai /iie 7CQog ae iv t^ aiQeiv
Die griech. Artikelkonstruktionen in der altkirchenBlav. Psalterübers. 377
f.i€ xHQag uov aig vubv ayiöv oov dum oro ad te, dum extollo manus
meas oyc/MdiUH th rAacK moamtku mo(i<a, tr^v^* kt^sok;*; K'K
TtBt, tr^A ß'KSA'fe»* p;iiH'K UOH K'K Upk'KBH CTH TKOtH; 118,6
t6t6 ou ixff] alayvy^w, Iv rq) f.ie i7tiß).iTceLV irtl rcaaag rag Iv-
xoläg oov cum perspexero in omnibus mandatis tuis TOr^a Hf no-
cT'Ki}K;i,Ai CMv, ir\A iipiiSkpii^ Ha KKci/A sanoKlv^VH TKObft. Die
perfektiven Verba sind hiei- überall, so scheint es, bereits in die ältesten
Texte zu versetzen, c) Imperfektum für den griech. Infinitiv praesentis:
34, 13 kyco dt tv rq) avzovg :caQti^oy'/.tiv uoi Iviövöur^v oc'r/./.ov
ego antem com mihi molesti essent, induebar cilicio a3'K >K6 KkHtr,i,a
OHH oraüHf TBop-RayA; mh, OKAaMaa\-;ii\ sie! für das richtige
OK/UMaa\*'K) ChÄ KT». Bp-feTHiii«; 41, 4 lyevrjd-rj tu dü/.ovü fi(w
luol ccQTog TjueQag /.al vir/.rbg, iv rcp keyead^ai uoi v.ud^ £y.uaTr]v
Tii-iegav, tiov lotiv 6 d-eög oov] dum dicitur mihi quotidie KUiiii/A
CaiiSTvl MObÄ MH'S X'A'KK'K \i\\'h. H HOL|JK, iV \ä rAaa\-;^ UH'fe
Ha BkCHK-K AfHT^, l^T^A« fCTT», KT». TKOH ? 41, 11 Iv T^ XttTa-
^käo&ai TU öovü uov wveiöioav /.le ol d^Xißovrig f.ie' tv r<^ ).i-
ytiv avTovg aot y.a&' l/.üovr^v fjuigav, 7T()V Iotlv b ^eög oov;
dum confringuntur ossa mea, dum dicunt mihi (r,\A CKKpov'iiiaaYA;
ci/ti KocTH MOMk, nc»HOUjaa\';s^ mh Bpa^H uoh; (r^A ri\AA^;f^
UH1S. Ha B'KC'feK'k AfH'l*j ^1^4,6 fCTT». RT». TBOH ? 62, 1 Ipu'/.ixbg
T((i Jav\d iv TcT) elvciL uvrbv Iv rfj lor^uo) cum esset in deserto
ncaaMTk ;k,a^OBTv, BkHcr4,a e1v b-k norcTiüHH; 67,8 b d^ebg h
I T(p ixTiOQEVEod^cii OE Iviojiiov Toü '/MOV OOV, kv x(^ öiaßaivEiv OS
Tov eoruov Deus cum egredereris in conspectu populi tui, cum per-
transires in deserto k\ irj^A HC\-0/KAauj« nplv^k,!». <\ic>4,kMH cbohmh
iSfMAt], ir^A MHUO\'0>K;i,aiuf Bk nov'CT-KiHH. Nur einmal steht
i das Imperfektum für den griech. Infinitiv des Aorists: 30, 14 Iv T(p
1 ovvayd^rvai avrovg aua in hu, rov /.aßeiv rrjv ipv%r]v ftov
i ißov?.£voavTO in eo dum convenirent simul adversum me «ro (richtig
soll es heissen : fr;i,a) c'kKHpaaY;^ cia KoynkHO ha miȊ, npHbftTH
4»üj;ii MOl* CkBlviiiTaujhA. d) Aorist für den griech. Infinitiv aoristi:
31, 4 iGTQcaptp' eig xa/xcLmooiav Iv TtJ) turcayrvai ay.av^av dum
} configitur spina BTv3BpaTHX"k ci/ä Ha crpacTTv, (r^^ bohtvS« mh
Tp'kH'K; 37, 17 /.ul Iv TÖi ocü.Evd^rrui jcböag uov, Li' Itxe lue-
ya'AoQm]u6vr^oav et dum commoventuv pedes mei Bi^Hfr^i^d no^BH-
i JKacTf chÄ Ho:i1v MOH, Ha UMi BfAkpICMtBAiiibÄ ; 50,2 ivrcpD.&slv
378 Fr. Pastrnek,
TCQog ovTov Nccd-ar top 7CQ0(pr^Tr]p cum venit ad eum Nathan pro-
pheta li'KHfivV^v iipH^f K^k HCMoy Harani» npK'K; ähnlich 51, 1;
53, 2; GO, 3 Iv tcp d/.rjdidaai, rrjp Tiagdlav f.iov, tv Jiivqa vtpioaag
fie dum anxiaretur cor meum' fr^a oifH'Ki cpjyn,t MOf, Ha KaiuifH'K
KT^aHfCf MhÄ; 72, 18 '/.areßaXeg avTovg Ip %C(i IjraqiyiivaL deiecisli
eos dum allevaientur HHS'kaojKHA'K ia fCH, ß'KHfr^\,/\ pasrp'K-
;i,'6iiiijä; 80, ü Iv %Cg e^slOelr avrov cum exiret CKß'k.xIvHHf Ha
HOCH(I>'k nOAOH^H f, fr^\a KK3H,\t; 91, 8 Ip %o) äpaTEllai rovg
cci-taQTcoXovg toaal xöqTov cum exorti fuerint peccatores sicut foenum
fr;i,a np03hÄKH;ftLuwv rplvmh.HHu,H liKo rp-RBa, h Bi^aHHK;^
BkCH TßOpiAUJTHH CE3aK0HHHE; 125, 1 h> %({) liCLOVQilpai 7.VQ10P
TOP aixi-icdcoolap ^uop iyevrjd-rj^iep ojael 7raQcr/.6yJ.rjf.iepoi in con-
vertendo Dominus captivitatem Sion, facti sumus sicut consolati fPyj^a
B'k3BpaTM rii HAliH'K CHOH-R, KTvijcoMi'L 1vK0 o\p"SmJHH. Da-
neben erscheint auch der Infinitiv des Perfektum: 21, 25 xal ep rq)
xEXQayepai f.iB TtQog uvrop sigrjyiovoe (.lov et cum clamarem ad eum,
exaudivit me H irji,A K03'KBaX"K K'K HEiiiio\f ovcA^Kimaiue mia; ähn-
lich 30, 23. Ferner liegt auch der Infinitiv praesentis zu Grunde: 4, 2
€P T(p ETZLytalslod-ai (.le elgi'yAOvos /.lov 6 d-aög cum invocarem,
exaudivit me Dens KTi,Hfr,A,a K'k3'kiKaYT^ o^CAiviiua UMi kjk«;
56, l ep rij) avTOP d/rodidQCcG/ietp cum fugeret ifJs^A K'feJKa OT'h
AH^a caoY^^<^ß^ KTk ßp'KTOM'k; 105, 44 -/.al dös -/.vqtog Ip rcp
d^Ußeo&at avTOvg et vidit cum tribularentur H kh^U rb fr^a bt^-
CT;PkJKHUJhÄ;^ ähnlich IOC, 6, 13, 19, 28; 119, 1. e) Ein periphrasti-
scher Verbalausdruck von perfektiver Bedeutung für einen griech. In-
finitiv aoristi: 9, 31 xvtpei -/.al nsaelTat Iv Tq> avrop ■/.uxay.vQLEVoaL
IUP TtsvrjTiov inclinabit se et cadet, cum dominatus fuerit pauperum
np'tKAOHHT'K cMi H Ha.A.fT'K, (rj!k,A <i'\[ji,Qi A'kiVh. k;r,a,jtt». <:>\kq>-
r'kiHiiii'K. Im Lateinischen ist hier ebenfalls ein periphrastischer Verbal-
ausdruck; doch dürfte diesem jUmstand kein allzugrosses Gewicht bei-
zulegen sein, da anderwärts, vgl. 91, 8, einer solchen Konstruktion des
Lateinischen ein einfaches Verbum im Slavischen entgegensteht, f ) End-
lich erscheint im Slavischen, in offenbarer Anlehnung an das Griechische,
ebenfalls ein Infinitiv mit B'kHfr^a : 9, 4 ev rtp djtoaTfjacpfjpai tov
ixd-QÖp {.tov elg xa. drcioto^ da^sprjoovoi 'Aal dnoXovpxai a/to
7tQogöj7iov Gov in convertendo inimicum meum retrorsum : infirmabun-
tur et peribunt a facie tua B'KHtr^a B'T%3ßpaTHTH CfcA Bparoy MOt-
MOy BkCniATT»,, H3HfIUI0r;i^T'h, H nC»r'hJKH;RT'K OTTi AH^a
Die griech. Artikelkonstruktioneu in der altkirchenslav. Psalterübers. 379
TBOfro. Der Inf. mit der Konj. KTvHfr^\a ist auch in den kroat.-glag.
Texten. 18, 12 /«/ yuQ b dovXög aov (pu/Moaei auca, tr xvi <pv-
'/Maasiv avTu aviajcödoaig TioXlrj etenim serviis tuus custodit ea, in
custüdieudis Ulis retributio multa mko paß'K tkoh \'paHHT'K liÄ,
K'KHfr;»,a c'k\'ptVHHTH lA ii'k3A't><(»c MHoro. An dieser Stelle liat
zwar das Pazman'sche Brev. c\'paHHT' (, was zu der Vermuthung führen
könnte, dass die ursprüngliche Lesart war: C'K\'paMH'r'k w\; allein im
Lobkowitzer Ps. liest man KH-kr.va c\-paHHTH i VLH,\A\iHt Miioro,
wodurch der Infinitiv für den ältesten Text wohl sichergestellt ist. 50, 6
6Vrwg av di/MUü^^fig sv roig köyoig aov, y.ai vr/.rjGrjg kv z(^ xqi-
reafhal oe ut iustificeris in sermonibns tuis, et vincas cum iudicaris
-tKO Ji,A OnpaKk,V,HlUH ChÄ K'K CAOKeCf\"K TliOHX"K, H llplvllk-
pHUiH B'kHfr^i.a oc;ft;\HTH ChÄ, Auch hier wird diese Lesart durch
die kroat.-glag. Texte sichergestellt: vgl. iiHfr,i,a co^AHTH C( Lobk.
IIS, 7 6^of.ioloy}]0ouai ooi Iv ev&vrrjTi '/.aoöiag, ev t(^ ^lenaO-rj-
Kevai US tu /.Qif.iara Trjg ÖL/xaoovvi]g aov coufitebor tibi in direc-
tione cordis, in eo quod didici iudicia iustitiae tuae hciiokIvMK ciȊ
TtK-K B'k npaKOCTH Cpl\a, KkHtrA«» HaoyHHTH MH Ct/A C^^A'k-
caM'k iipaK'k,v,'ki TKOfhÄ. Hier hat der Pazman'sche Text bereits
eine nach dem lateinischen Wortlaut hergestellte Aenderung: K ceMk
fJKf HaoyMH\'' cc allein der Lobkowitzer Ps. hat eine ältere Lesart
bewahrt: O ctin' f>Kf Hao^^"'*'" W" ^f? wodurch der Infinitiv für die
älteste Uebersetzung gesichert ist. 118, 9 Iv tivl y.aroQd^cjosL vew-
TBQog rrjv bdov avTOV', iv tcp rpv/M^aoO^ai rovg löyovg aov in quo
corrigit (var. corriget) adolescentior viam suam ? in custodiendo sermo-
nes tuos 0 MfMk HcnpaBHTTv iohoh niSiT'k cboh? BkHcr^a Ck-
YpaHHTH CAOBtca TBOli. Auch die kroat.-glagol. Texte haben diese
Konstruktion bewahrt. 123, 2 d (.irj ort y.vQiog fjv ev fj^iiv, Iv T(p
l.ravaoTfjvai av^QCüitovg ecp' rjf^ccg nisi quia Dominus erat in nobis,
( um exurgerent homines in nos 1vK0 aujTf Hf rk kh K'kiA'k B'k
Hac'k, BkHfr^a B^kcraTH MABKOWk Ha n'ki. Auch im Lobk. Ps.
liest man: BH'kr^v.a BcraTH MKMk Ha hh. 123,3 aou Iwvrag ccv
/.axirciov fif.ic(g, ev Tq> dqyiaO^fjVai rhv d^vuhv avrüv hp" fi(.iäg
forte vivos deglutissent nos, cum irasceretur furor eorum in nos oyKO
HCHB'ki noiKp^kAH H'ki B-kiiui/^, B-kHfr^va RporH'tBaTH CIA -Kpo-
CTH y\\'K WA H'ki. Die Stelle stammt zwar im Psalt. sin. von einer
jüngeren Hand (vgl. die Bemerkung Geitler's p. X), doch die Infinitiv-
konstruktion wird abermals durch die kroat.-glag. Texte sichergestellt :
380 Fr. Pastrnek,
KHlvr;i,a iiporH-KKaTH cf lipocTH H)Ck HA HH Lobk. Diese la-
finitivkonstruktion mit er^a erscheint einmal im Psalt. sin. sogar für
einen griechischen Temporalsatz: 36, 33 ovöe f^üj %ata6i%äoai avvov,
orav yiQii^rjvai, auTcp nee damnabit cum cum iudicabitur illi hh oca^-
^i.HT'K ero, (r^\A c;^^"'''" ^*^ tuoyf. In diesem Falle weichen je-
doch die kroat.-glagol. Texte ab : hh ocoy^\,ht JKe «ro «r^a coy-
j^tTk (Moy Lobk. Hier ist die ursprünglichere Lesart ohne Zweifel
auf Seite der kroat.-glag. Texte.
2) Die temporale Bestimmung wird im Slavischen durch einen
Temporalsatz, eingeleitet durch np-kJK^e ^aJK« he oder npivBtLE j\,A}K.(
Hf, auch ^\OH^e>KC, wiedergegeben: 38, 14 «Vsg not 'iva avaipv^co
TiQo Tov (.le icTteld-elv remitte mihi, ut refrigerer priusquam abeam
OCaaBH lUIH, J!^A nOHHI*, nplwJK/l,« J\,i\}K.( HE OTH,/\^^; 57, 10 TtQO
TOV ovvievai rag avdvd-ag v/^iwv xr^v qäf-ivov, toQsl t,CovTaq ioge\
Iv öqyfi yiaxuTCLüTai v/^iäg priusquam intellegerent Spinae vestrae
rhamnum npli^Ky^^ A^^^^ "* pasoYiui'tijfiT'k Tp'KHfcL-K BauJEro pa-
U't.HA (sie), 'kKO H^HKIvl H 'kKO BT». PH'SB'K HOJK'KpET'K BTÜ ; 89, 2
TZQO TOV OQr^ yevrj^rjpat '/.al TtXaad^fivat vriv yfjv xai Tr]v oiy.ov-
U€rr]V, y.al ärrb tov alCovog etog tov aiwvog ov et priusquam
montes fierent aut formaretur terra et orbis np'SJK/ijE ji^ATKf ropiü he
BIvIllJlTfV H C03TvA<* CIW^ 3EMAlv H OYCEAEHa'S, H OTT». EtKa H A*^
B'bKa T'Ki ech; 118, 67 7rQb tov f.i€ Ta7C£Lriod-f]vai, syio €7tXr]i.if.ie-
Xrjaa priusquam humiliarer, ego deliqui np'kB'KE j^A}K( HE c^Klut:-
pHyTi cbÄ, asTx np'Krp'feujHX"K; 104, 19 /^lexQi- 'vov eld^elv tov
löyov avTov^ to köyinv tov -avqLov Ijcvqlogev avTÖv donec veniret
verbum eius, eloquium Domini inflammavit eum A^^A*^* npOHA*
CAOBO Ero, caOBO THE pa/KA^^^ "• In anderen Fällen erscheint
für den griechischen Infinitiv ein Substantivum verbale mit der ent-
sprechenden Praeposition : 26, 1 tov Javld^ ttqo tov "iQLö^fivccL
psalmus David, priusquam liniretur A'*'^''^ np'tJKAf noMasaHK't;
128, 6 yEprjd-rjTCJoav togei xoQTog diof-iärojv., og ttqo tov eKOJtaod-fj-
vat ES,iqQ<kv^ri fiant sicut foenum tectorum, quod priusquam evellatur
exaruit ji,A E.7hji,N^T'\s. tKO Tp'^Ba Ha 3t»,A'*"""X''*) '^'^^ nptJKA«
K03APT^ß*»HHlv hckuje; 126, 2 iyEiqeod^E ^ietcc to -/.a^fjad^ai sur-
gite postquam sederitis B'KCTaH'tTE HO c'feA''^HHH. In ähnlicher
Weise wird auch eine lokale Bestimmung übersetzt: 108, 4 ävTi tov
ayaTtäv f-is, EvediißaHöv {.is pro eo ut me dilgerent, detrahebant mihi
Bik AiOBiiBH lUitLCTO OBA'Kiraa\'/Ä Mhft. Diese Art der Uebersetzung
Die griech. Artikelkonstruktionen in der altkirclienslnv. Psalterübers. 381
ist im slavischen Texte durchaus selbständig. Dagegen ist die Bewah-
rung des Infinitivs eine offenbare Anlehnung an das Griechische: 30, 20
{)Ti Ol c(f.taQTtt)koi ccTioXovvTai, Ol ök tx^Qol Tov y.vQiou Sf.ia i(p
öo^aad-fjvaL avzovg /.cu vipio^fjvai, t/.XetTtovTeg logel xa/rvog
t^fliTTOv inimici vero Domini, mox ut lionorificati fuerint, et exaltati,
deficientes quemadmodum fumus deficient 'kKO rp'kiiiKHHi|,H iior'Ki-
RAüRTTk, Bpa^H :Kf TUM KOV'llkHO HpOCAaKHTH ChÄ HUT», H K'ka-
HfCTH, Hqrksabfiijic Icko ,V''^*^'|^ hi|i<3a;. Die Infinitive sind
durch die kroat.-glagol. Texte sichergestellt; dieselben setzten noch
BHtr.va hinzu: BpasH oyRO phh ßHer,\,a KoynHO iipoc7\ßHTH a
hm' H BSH'bCTH Lobk.
Die causale Bestimmung wird ausgedrückt: 1) durch einen Satz:
69, 1 €1^ TU rfkog T(p Juinö eig uväf.ivi]OLV^ sig ro awoai iie
y.vQiov in finem, psalmus David, in rememoratione, quod salvum fecerit
me Dominus Bi^ KOHEi^k A*C\<>V i^^'^) ß'KCiiOMHHaHHf, 3a he cht
MbÄ Tb; 104, 12 ev t(^ elvat avrovg a()L^i.i({) (iqwielg^ ölcyoovovg
y.ai iraQOixovg Iv avTjj cum essent numero breves, paucissimi et in-
colae eins 3a ne R'kimi>9k Maao mhcaomtv, hs mho:^h (h) npn-
UJ{AkU,H Bk h«h ; 2) durch ein Participium: 31, 3 ort lai'/i]oa, hra-
Xaiwd^ri ra ootü [lov cctio /.qüZeLV //t öXr^v rtjv rii.iiQuv quoniam
tacui, inveteraverunt ossa mea, dum clamarem tota die 'kKO ©ymat^-
MaY"K, OKfT'KUJailJIA KOCTH MOIA, 30R;f»llJTf MH BKCk A»^"*»>
ursprünglich wohl SOKAiiUTK' MH, wie es in den kroat.-glag. Texten
bewahrt ist; 68, 4 e^eXiTtov ol öcfd-aXf-iol }.iov ärco tov eXTti^eiv
(.u inl TOV ^töv iiou defecerunt oculi mei, dum spero in Deum meum
! HiUTfsn'e OMH MOH oynkBaii^^iiJTKi mh na Ka Motro; 136, 1 /.ul
\ iY.Xavoai.iev Iv t^ f.ivi]a^fjrai fjf.iäg Tfjg 2uov et flevimus, dum
i recordaremur Sion h naaBayoMTv cwv noMiiftH/^B'kUJc CHona; 48, 18
I &'Tt ovv. Iv TCO aTToS^vr^oy.eip amov /?)j/'«rat ra 7rc'(vru quoniam
cum interierit, non sumet omnia HJK^e oi'MHpai/f^H Hf ocTaKHT'k
j AH B'kcero — in allen diesen Fällen ist die Participialkonstruktion
durchaus selbständig, doch vielleicht mehr im temporalen Sinne aufge-
fasst ; 3) durch ein Substantivum mit der entsprechenden Prueposition :
I 9, 23 kv xig VTteqricpavevEO&aL tov aasßfj kfXTtvqitetaL ö Jirioxög
dum supeibit impius, incenditur pauper rTv rpTv,\0CTH HfMkCTHBaro
K'k3rapatT'K cia hkl^jeh; 17, 7 y.o.1 Iv rcp d-Xi^itod^ai lu Ijiiya-
).ea(X(.ir]v tov avqlov in tribulatione mea invocavi Dominum H B'k
CKpiiBk MOi^ npH3'KBaY'K r1v, in Uebereinstimmung mit dem Latei-
382 Fr. Pastrnek,
nischen; 41, 10 ivari ay.vd-QcoTtcc^cop 7tOQEvnf.iaL Iv rCp exd^lißsiv
TOI' hiS^Qor iior quare contristatus incedo, dum affligit me inimicus
K^KCKA^i^ ckToyi/A jcc^K^;^ CT'h MfMd/iH ßpara Moero.
Endlich dürfen bei der Beurtheilung dieser Konstruktionen auch
die Relativsätze, beziehungsweise die sie vertretenden Participia nicht
ausser Acht gelassen werden. Auch hier gibt es merkwürdige Ueber-
einstimmungen mit dem Lateinischen, daneben aber durchaus selbstän-
dige Ausdrucksweisen. Auf zwei Fälle der ersteren Art hat bereits
Valjavec (Rad 98, 6) aufmerksam gemacht: 94, 0 y.Xavawf-iev kvavriov
yiVQLOv Tov Tcoirjaavrog r];.iäg ploremus ante Dominum qui fecit nos
KTkCnAaMHIUlT». CMi np1v^\'h. FMK, H>K« HTÜ UT'h. C'KTßOpHA'k;
104,42 oTi tf-ivrjo&r] rou loyov tov ayiov avvov tov tiqoq MßQaäi.i
quoniam memor fuit verbi sancti sui, quod habuit ad Abraham 'kKO
noMlvH;«; caobo cto« CßOf, eiK« hm'S k'k aßpaaMO^- Andere Be-
lege für derartige, vom Griechischen abweichende und mit dem La-
teinischen übereinstimmende Ausdrucksweisen sind: 15, 3 rolg uyioig
Tolq SV rfi yfi avTOV sS-avi-iäaTiOGe sanctis, qui sunt in terra eins,
mirificavit cbt'kim'K hjk« c;^T'k Ha seiuiH ero, o\fA"ßn; ''3, 22
l^ivrjad-rjTL tCov övELÖLOf-iCov aov rCov vtio ag}Qovog olt]v trjv 7]f.uQav
memor esto improperiorum tuorum, eorum quae ab insipiente sunt, tota
die nOM'bHH nOHOlUEHHE TßOf, fJKf ECTT», OT^k Kf30\f MkHaro,
BkCk A*"!*: 68, 21 xat Vfiii-ieiva auXXv/rovf.ievop et sustiuui qui
simul contristaretur H ^KbA^iY'K, HJKf CO Ml'KHOK!^ nocKp'KBHT'k;
68, 26 Tial er rolg axr]vcjf.iaaiv avxCov (.tri eono b ■/.aroi'/.üv et in
tabernaculis eorum non sit qui inhabitet H ßk CfA'kY''* ^X^ "^ k;^A^^
HJKC JKHBfT'k. Daneben finden sich jedoch andere, durchaus selbst-
ständige Uebersetzungen, welche mit dem Lateinischen nicht überein-
stimmen: 43, 14 ed-ov fjf.iäg ovsiöog rolg yetroaiv r^ficov, f.ivy,Trj-
QLG{.iov y.cu ■/.arayiXiora rolg y.v/.Xi^ fji.iä)v et derisum bis qui sunt
in circuitu nostro noAP'SiKaHke h nop;^raHkE c;i^L|JHHM'k OKp'kCT'k
Hack; 64, 6 fj iXrclg /rccvTior xCbv TtsQdrwv Tfjg yfjg, y-ccl tCov ev
O^aläöO]] j.iay.Qäv spes omnium finium terrae, et in mari longe C^nk-
BaHkE BkCkY'K KOH£l^'k SIMAI^ H CÄ^L|JMK\"1^ Bk LIOpH J^&M^i\
75, 12 TTCivreg ol xi;/Zf(> avrov oloovgl öwQa omnes qui in circuitu
eins afferent munera ßkCH c;i^mTm OKp'kCT'k ero npHHec;iiT'k
A^P'bJ ; 78, 4 xlevaG^iog rolg kv/Jm f]f.iä)i/ illusio his qui in circuitu
nostio sunt nc>p;^raHH'k (sie) c;^iiJTHiui'k OKp'kCT'K Hack. Dazu
vgl. auch die kürzere Wiedergabe durch blosse Adjektiva: 88, 8 eTti
Die griech. Artikelkonstmktionen in der altkiiclieiislav. Psalterübers. 383
'anag rovg Ttsgi-av^Xia avtov super omnes qui in circuitu eins sunt
H.vvc» RKC'KMH OKpivCT'kHHMH f PO ; 14, 3 sTtl Tovg hyyiota avvov
adversus proximo3 suos na KA(KKHi/A CRObft; 14, 3 t(^ nXijoiov avr<p
pioximo suo HCKpKHJOMOY cm; ebenso 14,4; 121, 8 xa/ tüv TtXrjoiov
i fiuv et (sc. propter) proximos nieos n rah^KHK'K MC»n\*'k.
Den sogenannten selbständigen Artikel, d. li. denjenigen Artikel,
welcher in gedankenloser Nacbahmnng des Griechischen in die alt-
i kirchenslavischen Texte eingeführt wurde, finde ich im Psalt. sin. nur
I zweimal: 132, 1 iöov öi] vi, xa?.bp, i] ri rtQTCvuv^ ukX^ >) ro y.aroL-
\ xelv adsXffovg ejtiToavTÖ] ecce quam bonum et quam iucundum, ha-
\ bitare fratres in iinum c« OV'BO KCAh ;\,ORpo h KO/\b KpackHO, e^Kf
; HiHTH KpaTHH RTi. Kcyn-k. Und merkwürdigerweise, dieser Artikel ist
] auch in den kioat.-glagol. Texten enthalten, ein Beweis, dass die Stelle
i bereits in den ältesten Uebersetzungen so gelautet hat. Der Infinitiv
i, als Satzobjekt wird sonst ohne Artikel gesetzt, vgl. z. B. 51, 5 r-yäin]-
\ oag . . dör/.iav virtQ tö Xa'/.f^oca dr/Mioovvt]v quam loqui aequitatem
^ B'KSaiciBHA'K fCH . . HcnpaB'k^;^ Hf^Kf TATH npaßb^i,;)!^ ; ebenso als
i| Satzsubjekt, z. B. 126, 2 sig uäT)]v vulv tovi zb uQd-Ql'^eiv vanum
\ est vobis antes lucem surgere Eh coye KaMTv fCT'k lOTp'KHfKaTH.
t Der zweite Fall, wo im Slavischen ein selbständiger Artikel erscheint,
* ist folgender: 121,6 iqcoTrioaxE dij ra eig eiQrjvrjv Trjv'l£Qovoa?,rjf.i
rogate quae ad pacem sunt Jerusalem, dagegen im Psalt. sin. oymOAHTt
}K( Iv/Kf 0 Mnp'k HHAMa: in den kroat.-glag. Texten ist zwar ein
vollständiger Relativsatz, doch ist dies wahrscheinlich auf das lateinische
Vorbild zurückzuführen.
Ueberblickt man die angeführten Belegstellen des Psalt. sin., so
ergibt sich folgendes Bild der slavischen und lateinischen Uebersetzungen
eines griechischen substantivirten Infinitivs oder eines .relativen Aus-
drucks :
I. Der finale Infinitiv mit tov, nur vereinzelt ohne vov, wird
im Slavischen wiedergegeben :
1. durch einen Finalsatz mit der Konjunktion ^A an 27 Beleg-
stellen; für den blossen Indikativ ohne ,\a ist nur 1 sicherer Beleg; im
Lateinischen steht überall ein Finalsatz mit ut;
2. durch ein Supinum an 2 Stellen, im Lateinischen einmal ein
Gerundium; durch ein attributives Participium an 2 Stellen, davon
einmal auch im Lateinischen, sonst ein Finalsatz ;
3. durch einen Infinitiv an 47 Belegstellen, wo im Lateinischen
384 Fr. Pastrnek,
ein Finalsatz mit ut steht; in andern 14 Fällen ist auch im Lateinischen
ein blosser Infinitiv; in weiteren 10 Fällen steht im Lateinischen ein
Gerundium (Gerundivum):
4. durch ein Substantivum im Akkusativ mit der Präposition na,
2 Belege, im Lateinischen beidemal ein Gerundium.
IL Der temporale Infinitiv mit Iv rq}, tzqo tov, (.lera. rb,
aua r(p wird im Slavischen übersetzt:
1. durch einen Temporalsatz mit der Konjunktion «r^a oder
K'kHfrA^* an 47 Stellen, im Lateinischen steht zumeist ebenfalls ein
Temporalsatz mit cum oder dum und nur äusserst selten, unter diesen
Fällen nur 2 mal, ein Gerundium ;
2. durch einen Infinitiv mit E'K\iirji,A an 8 Stellen, im Lateinischen
steht 3 mal ein Gerundium, 4 mal ein Temporalsatz mit cum, Imal ein
Kausalsatz mit in eo quod;
3. durch einen Temporalsatz mit np1vM</i,e j\,A>Vi( Hf, 3 Fälle,
oder np'kß'Kj ji,A}Ki Hf, 1 Fall, im Lateinischen Temporalsätze mit
priusquam; ferner durch einen Temporalsatz mit ^OH^tJKC, l Fall,
im Lat. ein Temporalsatz mit donec\
4. durch ein Substantivum verbale mit der Präpos. npl^Hi^k,«,
2 Fälle, im Lat. Temporalsätze mit priusquam\ durch ein Subst. ver-
bale mit der Präpos. no, 1 Fall, im Lat. ein Temporalsatz mit 2^ostquam\
5. durch einen Infinitiv mit KO^rikHO, im Lat. ein Satz mit mox
ut, 1 Fall.
III. Der kausale Infinitiv mit eig to, Iv T(p, aftb xov wird
im Slavischen übersetzt:
1. durch einen Satz mit 3a H«, 2 Fälle, im Lat. stehen Kausalsätze
mit quod und cum ;
2. durch ein absolutes oder attributives Participium, 4 Fälle, im
Lat. Sätze mit f/wm, 3 Fälle, und quoniam, 1 Fall ;
3. durch ein Subst. mit einer entsprechenden Präposition, 3 Fälle,
im Lat. ein Satz mit dic?n, 2 Fälle, oder ebenfalls ein Substantivum mit
einer Präposition, 1 Fall.
IV. 1. Attributive Participia werden im Slavischen und Lat.
durch Relativsätze wiedergegeben in 3 Fällen ;
2. relative Präpositionalbestimmungen mit dem Artikel werden im
Slavischen und Latein, durch Relativsätze wiedergegeben, in 3 Fällen;
durch attributive Participia im Slavischen, durch Relativsätze im Lat.
in 4 Fällen.
Die griecb. Artikelkonstniktionen in der altkirchensluv. Psalteriibers. 385
V. Der substantivierte Infinitiv als Subjekt wird einmal im
Slavischen durch den Infinitiv mit fJKt übersetzt, im Lateinischen steht
an dieser Stelle der blosse Infinitiv. Ein anderes Mal drückt der Artikel
1i;Kf mit einem präpositionalen Kasus das Objekt aus.
Die ZnsammensteUiing und Uebersicht der in Betracht kommenden
Belegstellen enthält zugleicli eine Antwort auf die Frage, ob und inwie-
weit bei der slavischen Psalterübersetzung ein Einfluss der Vulgata an-
zunehmen ist. Eine Uebereinstimmung in der Wiedergabe gewisser der
griechischen Sprache eigenthümlicher Konstruktionen ist vorhanden
und durch viele Stellen belegt. Allein daneben gibt es zahlreiche Fälle,
wo die slavische üebersetzung selbständige Wege wandelt oder sich in
deutlicher Abhängigkeit von der griechischen Vorlage befindet. Wie
soll man sich den Vorgang bei der ersten üebersetzung denken ? Blickte
man nur gelegentlich und zufällig in den lateinischen Text und liess ihn
in zahlreichen anderen Fällen unbeachtet? Das scheint mir doch wenig
wahrscheinlich zu sein. Eher möchte ich annehmen, dass der ursprüng-
liche slavische Text nach der einen oder andern Eichtung liin conse-
quenter war, und dass die Abweichungen erst später, aber allerdings
noch in der mährisch-pannonischen Zeit hineingeriethen. Von besonderer
Wichtigkeit ist dabei die Frage, wo der Psalter zuerst ins Slavische
übersetzt wurde. Wenn dies erst in Mähren geschah , dann wäre es im
höchsten Grade auffallend , dass der Einfliiss der lateinischen Üeber-
setzung sich nur in einigen zufälligen Konstruktionsnachahmuugen
äussern sollte. Leichter Hesse sich begreifen, dass in eine ursprünglich
durchaus und ausschliesslich nach der griechischen Vorlage hergestellte
Üebersetzung nachträglich einzelne syntaktische Wendungen dem in
Mähren und Pannonien bekannten lateinischen Texte angepasst wurden.
Doch müsste dies noch in der Zeit der Apostel geschehen sein; für die
folgende Zeit sind Aenderungen bei dem ganz aussergewöhnlichen Con-
servatismus der slavischen Abschreiber so gut wie ausgeschlossen, wie
dies aus der Uebereinstimmung des Psalt. sin. einerseits mit dem süd-
slavischen und russischen Texten aus dem XII., XIII. und späteren Jahr-
hunderten (vgl. V. Jagic, Zur Entstehungsg. II, 5 t), andererseits mit den
kroatisch-glagolitischen Texten des XIV. Jahrb. klar hervorgeht.
Indessen sucht man SpureneinerBeeinflussuug durch den lateinischen
Text auch in lexikalischer Richtung. Die Worte zwar, auf welche
>afarik, lieber den ürspr. u. die Heimath des Glag., S. 12 hingewiesen
hat, kommen nicht mehr in Betracht; allein die von Valjavec (Rad 98, 7)
Archiv für slavische Philolofrie. XXV. 25
386 Fr. Pastrnek,
angeführte Stelle ist beachtenswert : 118, 130 »^; drj?uüaig rCov Xöytav
Gov (fioTisl y.ai oweriel vrjTtiovg deelavatio sermonum illuminat et
intellectum dat parvulis C'kKd3anH6 CAOKfCk TKOHX"k iipocK-kuiTa-
(Tis. H paacifiuiT». ^aET'K luiAa^fHUtiufk. Die Uebereinstimmung
zwischen dem Slavischeu und Lateinischen liegt hier in der Wiedergabe
des griech. Verburas GwetiCeiv. (Nebenbei bemerkt, setzen beide
Uebersetzungen eine griechische Lesart im Präsens voraus : cpioriLsL
y.al avvsTtLsi.) Doch wie hätte der slavische Uebersetzer das Verbum
owETiteLV anders wiedergeben sollen? Ein entsprechendes Faktitivum
von paso^Hil'^ ist im Slavischen nicht vorhanden. Der Uebersetzer war
daher gezwungen, eine Redensart anzuwenden, welcher das Substantivum
paso^fiui'K ij avveoig (vgl. pasoriuikHTv ovvsvög) zu Grunde lag. Er
wählte das nächste und passendste Verbum /\aTH; er that dies um so
leichter, als im evang. Texte diese Redensart ebenfalls zu finden ist:
Luk. I, 77 ^aTH paBOYluiT». c'knaceHH'k AK>,\,fiui'K ero rov dovrai
yvCooLV Oiovr^Qiag reo lacp avvov ad dandam scientiam. In ähnlicher
Lage befand sich der Uebersetzer gegenüber dem Verbum ay.ovri'CELV,
auch hier lag eine Redensart mit caoYX"*^ cr/.oi] und ji,ATy\ am nächsten.
Wir lesen demnach: 50, 10 cacy^oxf lUiOfMOY A^^H pa^ocTT». h
BECtAkE cvAOvrulg fie ayaüäaoiv y.cd evcpQOövvip' auditui meo dabis
gaudium et laetitiam. Die Uebereinstimmung zwischen dem Slavischen
und Lateinischen ist allerdings schlagend. Dieselbe tritt noch deutlicher
zum Vorschein, wenn man eine. zweite Stelle in Betracht zieht, wo das-
selbe Verbum anovriteLV zu Grunde liegt: 75, 9 c hki 0\fCA'KlUjaH'K
CTROpHATi ccTTk CA^A"!^ ^'^ '^ov ovQttvov Tf/iovxLGag ZQiGiv de caelo
auditum fecisti iudicium. Andere Fälle einer solchen Uebereinstimmung
zwischen dem Lateinischen und Slavischen sind: 16, 14 y.vQi£, ä/ro-
kviov ciTto yfig, dagegen im Lat. Ddmine, a paucis de terra und ebenso
im Slavischen rü, OTk maAT». ott^ 3fiuiAWV; 68, 33 B'k3HuJT'&Tf
Ei\ H JKHßa b;üa*'^t»^ A"''* Kama ay.Li]TrjaaT8 tov S-sbv, y.al
LtjGead'e quaerite Deum, et vivet anima vestra; indessen ist es nicht
ausgeschlossen, dass eine übereinstimmende Lesart auch im Griechischen
zu Grunde liegt; vgl.' jkhb'K (ohne Verbum) Lf] vivit 17, 47; >KHB'k
BÄ^A^T"!»' Cijoerai vivet 71, 15; jedoch wieder 118, 17 jkhbh Hlhft, H
CK^paniTR CAOBfca tbo1v urjaouai /.cd rpvld^co rovg Xöyovg gov
vivifica me et custodiam sermones tuos, ebenso 25, 37, 40, 50, 93,
während wir anderwärts lesen: 79, 19 /KHBHUJH H'KI ttoÜGeig rjuäg
vivificabis nos, ebenso 84, 7. Klarer liegt die Uebereinstimmung in der
Die griech. Artikelkonstrnktionen in der altkirchenslav. Psaltei übers. 387
Wiedergabe eines griechischen Ausdruckes vor in: 72, 22 'kKO CKOTTk
KTü^'K oy T(K( /.Tt^pioörj^ lyti'('jui]v :r«o('( aoi ut iumentum factiis
sum apud te; 77, 55 H 110 H;p'kBHK< pas^liAH iiM'k 3CMAi>fv ;^H;{Mk
4,'kAOMlvpKH'kiM'k xal e-/.h]Qod6zr^öBV auTfjvg Iv ayoivüt) x/./;(>o-
dooiag et sorte divisit eis terram in funiculo distributionis ; 87, 8 H
BkCI<A BA'KH'KI TROhA ttMif^l HA MIA /.«/ ycäpTag TOVi; lUTElo-
Qiouovg oov (Tir^yayeg hc eue et omnes fluctus tuos induxisti super
me, verglichen mit 92, 4 ^.hbkh'KI K'MCOT'ki MOpKCK'KiiA ^av^-iaorol
Ol uezBioQiauol rf^g d-akäooijg mirabiles elevationes maris, wo das-
selbe griech. Wort u€TswQiai.ioi im Lat. und Slavischen einmal durch
fluctus KAiiH'Ki, das andere Mal durch elevationes ß'KicOT'Ki wieder-
gegeben ist. Vgl. dazu einige Uebereinstimmungen melir formalen Cha-
rakters: 9, 17 ytviüO/.ETcu y.vQLog cognoscitur (var. cognitus est)
Dominus SHatM'K (CT'K tk: 9, 29 ey/MOrizai IveÖQcc uetu tiXovöuov
tv cc:toy.QV(poig sedet in insidiis cum divitibus, in occultis np'kc'k^VHT'k
ETk Aa['6]T€AHY'k Ck KOrAT'WMH, KT». TaHH'KiyK; 38, 10 ÜVL OV
ei b Tion]Gctg fie quoniam tu fecisti iJKC» T'KI CKTKOpn; 77, 34 /.at
u)q'}Qi^ov TTQög TOP &EÖV et diluculo veniebant ad Deum H paHO
npH\'C>;K,V*VV'*^ ^^ '^^Vi "'»50 wdoitoir^OE tq/^ov tt) doyf] avTov
viam fecit semitae irae suae iia;tk CkTBOpH CTk^;^ rH'ÜBoy ciiot-
UOl', doch vgl. 79, 10 LüdoTCoirjaag ef-iTtQoo^ev avTfjg noTk (sie)
C'kTBOpH np1v,VT^ HHMk, während die lat. Uebersetzung lautet: dux
itineris fuisti in conspectu eins. Trotz dieser, zum Theile recht auf-
fallenden Concordanzen möchte ich die Möglichkeit nicht ausschliessen,
dass die gleichmässige Uebersetzung auf einer gleichartigen Inter-
pretation des griechischen Textes beruht. In vielen andern Fällen liegt
offenbar eine abweichende Lesart des Griechischen zu Grunde. Ich will
einige derartige Fälle anführen: 37, 8 ort rj ipvyr^ iiov e/tAtjad^t]
eu7Taiyf.iCüv, dag. im Lat. quoniam lumbi mei impleti sunt illusionibus
und Slav. -Rko AMk,VBHi/A Moin\ HanA'kHHiiiiiA chÄ iiopA^raHtH;
38, 6 idov TtaXuLug td-ov rag rjueqag /.lov, dagegen im Lateinischen
j ecce men?urabiles posuisti dies meos und ähnlich im Slavischen ce
niiA^V,'^'^ H.^yfcpnrki (d. h. mit der Spanne gemessene) iiOAOlKHA'k
tCH \\*» UOhÄ: 41, 9 r^(.iiQag evTeXelrac y.VQiog xh tleog avTov,
xcu vv/.vog örih'joei, im Lateinischen jedoch in die mandabit Dominus
misericordiam suam, et nocte canticum eius apud me, ebenso im Slavi-
schen K'k ,\(H'\s, .^anOß'feCT'k rk MHACCT'k CBOWk, H MOl|Jkl;^
n'kcH'k fro OT'k um; 44, 14 7räaa i) öoia aitTfjg d^vyarqog rov
25*
388 I*'r. Pastrnek,
ßaöiXkog ^Eaußöjv^ dagegen im Lateinischen omuis gloria eins filiae
regis abintus, ebenso im Slavischen RTvCk C/xaKa ,\'h.i|ifpH npH K'Kh;^-
TP'KI*^\,0Y; 45, G ßo)]d-t]G£i avTji o Oebg Tip 7CQogLü7t(i), im Latei-
nischen dagegen adiuvabit eam Dens mane diluculo, ebenso im Slavi-
schen noMOiKrr'K €MO\j' et», oyrpo 3a oY'''P^^: 64, 13 TtLav^rjasrai
ra 0Q1] Tf;g eqrif-iov^ dagegen im Latein, pinguescent speciosa deserti,
und ebenso im Slavischen paanoT'feKixT'K Kpac'KHaa no\'CT'KiHhÄ;
72, 21 oti i]vrpQdp3r] f] xccQÖla (.lov quia inflammatum est cor meum
'JvKO pasropli CIA cp'kAl»^",« '^*^*; ^3, IG oh y.arriQTloi.o riliov y.al
a£lrjr>]V tu fabricatus es auroram et solem Tivi Ckßp'kUJH 30pi^ H
CA'KHkU.E; 79, 10 y.cd eTilrjaS-i] i] yfj, dag. im Lat. et implevit terram,
lind ebenso im Slav. h hcha'KHH 3iMM^: S7, .5 eyein'jS-rjv log av-
■d-qioTiog dijor]d^)]Tog, im Lat. homo sine adiutorio, und so auch im
Slavischen B'hiX"k 'feKO MAOß'tK'k KfC noiuiomTH; 87, G logsl tqav-
fiaviat SQQLf^iuavoi ■/.ad-evöovTeg Iv räipw, im Lateinischen kürzer
sicut vulnerati dormientes in sepulchris und ebenso im Slavischen 'tKO
1i3ßi^HH CkneiUTH (sic) ; 88, 46 loi^iUqvvag zag fjf^iegag rov ^q6-
vov avToVj dag. im Lat. minorasti dies temporis eius oi'imaaHAnk fCH
ja,iHh ßp'biiiiEHH ero; 118, 136 öu^ödovg vdariüp -/MTißr^aav ol
dcp^ali-ioi uov exitus aquarum deduxerunt oculi mei HC^CAHUiTa
ßo;i,kHaa H3B'ScTe omh moh : 131, 15 Trjv ■9-7]qccv avrfjg svloycov
svloyr]Otü, dagegen im Lateinischen viduam eius benedicens benedicam
und ebenso im Slavischen BT^ACßHUhÄ ero BACTßOYWv BAip;!;; 140,
6 dy.ovoovTo.1 xa qi]^ia%ä f.iov ort- fjdvi^S-rjaap^ dagegen im Lat.
audient verba mea, quoniam potuerunt und ebenso im Slavischen oycAH-
lUfTh. et TAH MOf, 1iK0 ßSMOrov Lobk. Stellen dieser Art dürfen
also nicht herangezogen werden , wenn es sich darum handelt , eine Be-
einflussung der slavischen üebersetzung durch die Vulgata nachzuweisen.
Diese Beeinflussung bleibt trotzdem zweifelhaft, besonders mit
Rücksicht auf Stellen, wo die slavische üebersetzung von der über-
einstimmenden Lesart beider Texte , des griechischen und des latei-
nischen, abweicht. Warum blickte man da nicht in die lateinische
üebersetzung? Man wird vielleicht einwenden, der üebersetzer sei
tiberzeugt gewesen, er lese und verstehe die Stellen richtig , und habe
eben deshalb keinen Anlass gehabt, seine Auffassung einer Prüfung zu
unterziehen. Allein diese Erklärung hat nur dann Geltung, wenn wir
an einer Vorlage , in diesem Falle der griechischen , festhalten. Sobald !
wir jedoch die Möglichkeit zugeben, dass auch ein anderer Text neben
Die griech. Artikelkonstruktionen in der altkirchenslav. Psalterübers. 389
dem griechischeD, der lateini-jclie, herangezogen wurde, dann lassen sich
solche eigenartige Abweichungen nur schwer begreifen, und solche
Fälle kommen in der slavischen Psalterübersetzung in der That vor.
Einige davon sind: 19, 8 ovtoi ir agi-iaai '/.al ovrot ev uriroig hi
in cnrribus et hi in equis, im Slavischen dagegen CH R^K opi^lK'KHY'K
(d. h. in Wafi'en) H CH Ha KC»HH\"k; dazu vgl. die Stelle 67, 18, wo
tb uQua currus richtig durch KOAECHHi^a wiedergegeben wird: 34, 8
(XO'eTio avvoig ;iayig /^r ou yipi'ooy.nvoi, -/.al fj &riQC( i]v i/.QVipav
Gvllaßirvj avrovg veniat illi (sie) laqueus quem ignorat et captio quam
abscondit, apprehendat eum, dagegen im Slavischen ,\,a npH^\,fT'K
(mov ckTK n/A:K( he CKK'kcT'k h aktk (d. i. frans, dolus) krjkc
CkKp'Ki OK'kMtT'K H; 37. 6 nQOQioLeoav /.cd bgccjCijouv oi lu'j-
hoTcig uoif putruerunt et corruptae sunt cicatrices meae, dagegen im
Slavischen KkCMp'K,V'^'i"'*^ " CkrHHUii/Ä paH^Ki (d.i. Wunden) moia;
vgl. die richtige Uebersetzung 37, 18 Ha paH'Ki tig uüartyag in
flagella: 47, 3 evqiCiov ccyaXkuif.ta.Ti Ttccar^g zfjg y^g fundatur exul-
tatione universae terrae, im Slavischen dagegen BaarOKOpEHHk(H)M'K
pa;i,CtKaH'kHM'k Bkctt/A acMaiiA (d. i. etwa svqilo) ccya)J.ui(.iaTL ;
55, 14 rov Evc(QEGrf\Gcii IvtoTtLOV Tov d-env Iv rpcoTi Lojvtcov ut
placeam coram Deo in lumine viventium, dagegen im Slavischen (;i,a)
ov'rO/K,\,;ii np-S.Vk mn». btv crpanli /KHKÄ^i|jHH\"k (d. i. in regione
viventium); 70, 15 otl ovv. tyvojv Troccynareictg quoniam non cognovi
literaturam, dagegen im Slavischen 'Kkc h« nc^na^T^ K'kHHJKkHHKa
(d. i. yQauuaxia scribam); 70, 20 y.cu v/. rtov ußvGGLov vfjg ypg
TTC(?.iv dyr^yayig ue et de abyssis terrae iterum reduxisti me, dagegen
im Slavischen H OTTk KfSAi^H'k 3EMAH ,\߀ßt\( (d. i. 7ccdc(i olim)
K'k3Rf,\,f MhÄ; 77, 31 y.cu t(.rr/.T£iv£v Iv rolg TcioGLV cwrCüv et
occidit pingues eorum, dag. im Slav. h 0\j'bhrT\ (sie, oi'KM Lobk.)
LCKHO^KaHUit/M/A R'k HH^Tv (als ob im Griech. stände Iv zoig
TT/.slooiv auvcüv); 87, 15 ivarl y.VQie c(7C0ji}elg xriv TCQogevy^riv fiou
orationem meam, dag. ß'kCK;^!;^ ri OT'kp'ktiiiH ;i,uj;^ MCi* (d. i.
Trv ipvyj]v uov)', 137, 5 /.cd ccGc'awGav iv rcäg uöotg y.vqiov et
cantent in viis Domini, dagegen im Slavischen H [^A) Kkcnoi*T'k Bk
iHvCHfY'k PHlCYT^, als wenn im griech. Text stände h' i'idalg. Vgl.
auch 9, 37 ßaGi'/.tvGEL y.voiog alg tov auopca Dominus regnabit in
aeternum, dag. im Slavischen rk np'k (d.i. ßuGiltvg) BTv B'kK'ki ;
13, 5 OTL b -d-ebg Iv ysvtc'c dr/atci quoniam Dominus (var. Deus) in
generatione iusta est, dagegen im Slavischen 'kKO rk (= Dominus) rtv
390 Fr. Pästrnek,
po^X'k iipaKe^\'kH'Ki\"K (d. i. in generatione iustorura) ; 17, 41 xat
Tovg kyJ^Qovg uov töto/Ai; not vCöxov et iniinicos meos dedisti mihi
dorsum, dag. im Slav. H ßparTv luiOH)("k (d. i. inimicorum meorum)
/kia/VK lUlH tCH YPHRtTTv ; S8, 44 -/.al ovY. ävsXäßov avtov iv tc^
7to?Jiii([) et iion es auxiliatus ei in hello, dag. im Slavischen H He;
sacTAiiiH cro ßi^ ,\(iih. cpaHH (d. i. er ^,"f^« ^^ov TioXeiiov}.
Möglich, dass alle diese eigenartigen Abweichungen zum Theile auf be-
sondere Lesarten des griechischen Textes, zum Theile auf individuelle
Auffassungen des Uebersetzers zurückzuführen sind ; immerhin scheint
es sicher zu sein , dass dabei der lateinische Text nicht zu Rathe ge-
zogen worden ist.
Aus allen diesen Erwägungen möchte ich den Schluss ziehen, dass
bei der Herstellung des ältesten slavischen Psaltertextes an eine Be-
nützung der lateinischen üebersetzung, so verlockend eine solche An-
nahme in einzelnen Fällen auch sein mag, dennoch nicht zu denken sei.
Die ersten slavischen Uebersetzungeu biblischer Texte verrathen denn
doch ein ganz hervorragendes Talent. Sie sind so wörtlicb und so
genau als möglich. Bei einem Texte, welcher das Wort Gottes enthält,
ist ein solcher Standpunkt wohl einzig berechtigt. Allein daneben geht
einher das deutliche Bestreben, der Sprache in keiner Weise Gewalt an-
zuthun. Daraus ergibt sich eine gewisse formale Selbständigkeit, wo-
durch sich die ältesten kirchenslavischen Texte von den späteren, leider
zumeist ganz sklavischen Uebersetzungeu so vortheilhaft abheben.
Welcher Art diese formale Selbständigkeit ist, das sollen einige Bei-
spiele darthun: 9, 10 ßor]S-bg h> evzaiQiaig Iv -d-liipsi adiutor in
opportunitatibus, in tribulatione, dagegen im Slavischen noiuiOifJbHHK'k
Eis. KAdro Bp'kMiA, BT». nfMaAf\''i^ ! 17, 39 -/.al ov f.ii] diivcovrai
GTfjvat nee poterunt stare, dagegen freier und dennoch vollkommen
richtig H Hf niiii;ftT'K i\iioi|iH rocto'Kth; 27, 7 i/r' c(vt(^ ijAitiaev
i] 'Aaqdia f.ioVj '/Mi ißorjd-ijd'Tqv in ipso speravit cor meum, et adiutus
sum Ha Toro oxfn'kKa cp'KAT^u.e imof h noiuioiuTb mh KUCTTk;
35, 5 Ttagearr näoi] öö(p ov'a ciya^fj astitit omni viae non bonae
CTa Ha Bn\Cli\"K n;^Tf\"K HeKAa^'t(\"K); 47, 3 ca ttIsvqcc tov
BoQQä latera Aqullonis pcBpa cfeBfpOBa, ebenso 77, 26 drcfjQev
Nötov £^ ovgapoVj '/.ai ejtr^yaysv Iv rf] diraareia avrov\Aißa
transtulit Austrum de caelo, et induxit in virtute sua Africum B'kS-
AßHJKf wr'K A«^ (sie) HtBfCH, H HaBf,v,f chaoijR CBCtft* sana^fHi^;
ferner 119, 5 ■/.uTea-Aiirwaa fisrä tlov ay.rjvtouärcop Kr^daQ habitavi
Die griech. Artikelkonstruktionen in der altkirchenslav. Psalterübers. 391
cum habitantibus Cedar Bkccah\"K cirfk kk c(,\a TtUhUA'k; 50,3 zar«
TU 7r'/.i.d-o-; tCjv oi/.riouvjy oov secundum multitudinem miserationum
tuarum nc» lifAimk mhaocth TßOfH; 72, 5 y.al utrlc uvd-QvJTtojy
Ol) uaüriycoO-t^ooiTca et cum hominibus non flagellabuntur h ck
HAKio H( npHHu;^T'k paH'k; 77, 45 l^ccuaTsdei' tig aurovg
■/.vi'üLiviar misit iu eos cynomyiam iiocKAa Ha hi/A nccki/A MC>\,'Y'ki;
78, 1 ei^svTO 'feQ0VGcc?.i]jii eig ömoQOfpvXd/.ioi' posuerunt Jerusalem
in pomorum custodiam noAO/KHUii/A iiAEMa IvKO OBOiiiTKHOf \ßA-
HHAHiUTf; 91, 15 y.ca evTTa&orj-reg 'iaoj'tai et bene patientes eriint
H A'^'^P'''' iipMfM/XkÄ^iiiTf K;¥»,v,i^T'K; 104, 17 €lg öoüluv iTiQÜd-r]
'[vjO)](f' in servum venundatus est ß'k paKOT;^ npo,v,aH'K K'kict'K
HOCHcIUi: 113, 12 = 134, 15 ra s'idco'/.cc tCov Id^vCj)'^ aoyvoiov y.ai
yovaio)' simulachra gentium, argentum et aurum h^CAH i^sk'K ck-
pcBp'KHM H 3i\aTH. Auf einer derartigen, in gewissen engen Grenzen
sich bewegenden formalen Selbständiglceit der ältesten slavischen Ueber-
setzung bernben somit meines Eracbtens aucli jene Satzkonstruktionen,
durch welche die substantivirten Infinitive des Griechischen wiederge-
geben werden.
Indessen darf man sich bei der Lösung dieser Frage nicht auf den
Psaltertext beschränken. Dieselben Salzfügungen, welche wir hier an-
getroflen haben, finden wir auch in dem evangelischen Texte wieder.
Dazu ist das Material viel reichlicher und ermöglicht eine eingehendere
Darstellung. Endlich sind auch die Belege für die formale Selbständig-
keit der ältesten Uebersetzuug mannigfacher und reichhaltiger. Wir
wenden uns sonach dem Evangelientexte zu.
Fi: Pastrneh.
392
Neues You der cecliiscli-poluisclien Sprachgrenze.
n
VjW^^
Der in dem neuesten V. Bd.
der Materyaiy antropol.-archeol.
i etnograiiczne herausgegebene
2.Theil der dialectologischen Ma-
teriale »Powiesci ludu polskiego na
Slaskuc, die Luc. Malinowski im
J. 18G9 bereits in Ober- Schlesien
gesammelt hatte (vgl. Archiv XXV,
99), enthält nicht ausschliesslich'
Erzählungen des polnischen Vol-
kes, nicht bloss reichhaltiges Ma-
terial zur polnischen Dialectolo-
gie, sondern auch in ziemlich
starkem Masse Beiträge zur
cechoslavischenDialectolo-
gie. Diese sollen Gegenstand fol-
gender Besprechung sein. Sie
haben nicht bloss grossen Werth
für die cechoslavische Dialectologle, sondern bieten nicht weniger wertl -
volles Material für eine Frage, die neuerdings eifrig ventilirt wurde, näm-
lich die Frage nach der Mischung verwandter benachbarter Dialecte.
Die Aufzeichnungen des um die polnische Sprachforschung hoch-
verdienten Gelehrten zeichnen sich durch ungewöhnliche Sorgfalt aut«,
so dass sie auch dem Stubengelehrten als verlässlicher Stoff zu einge-
henderen dialectologischen Studien dienen können. Freilich stossen wir
bei dem Lesen dieser Aufzeichnungen oftmals auf Wörter, die durch
ihren Wortlaut hie und da Zweifel und Unsicherheit hervorrufen. Das-
selbe Wort, dieselbe Form ist nicht selten in derselben Erzählung aus
demselben Munde verschieden aufgezeichnet. Gleicherweise in den Pro-
ben der cechoslavischen Dialecte, wie auch in echt polnischen Texten.
Z. B. in einem Text aus dem Rgbz. Gleiwitz S. 157 f. lesen wir neben-
einander zyd und zyd, gleicherweise für r je nachdem s oder z: J^aräus,
Neues von der cechisch-polnischeu Sprachgrenze. 393
do faräza^ s faräazem^ dzoizoma^ aber auch sfoozi/ic, und auch r:
pryili, prysuo Druckfehler statt pry6Uo], pri/c/iodzi^ pry ty fare und
psy mastecku^ einmal auch: o tych reraf (Druckfehler? statt fecaf-
recach). Wir können da nicht immer genau unterscheiden, ob wir hier
wirkliche verschiedene Laute in der lebenden Sprache anzunehmen
haben, oder ob wir manche Abweichungen bloss auf Rechnung des
weniger sorgfältigen Correctors setzen sollen. Vielfach, besonders bei
der Bezeichnung der Nasallaute, können wir wohl in den verschiedenen
Aufzeichnungen mehr die peinliche Sorgfalt erblicken, mit welcher
Malinowski die Lautnuancen schriftlich zu fixiren bemüht war.
Wir wollen nun die einzelnen uechoslavischen Dialecte, von denen
wir in Malinowski's Buch mehr oder weniger zahlreiche Proben lesen,
eingehender besprechen. Zuerst finden wir Aufzeichnungen in einem
cechoslavischen Dialect in der Ortschaft Tworkau Rgbz. Ratibor. Dieser
Dialect ist ziemlich stark von polnischen Sprachelementeu durchdrungen.
Die Proben dieses Dialectes sind ziemlich reich (S. 18 — 38) und wenig-
stens zwei Personen entnommen, so viele nämlich nennt Malinowski;
bei einer ist auch deren Alter, 21 Jahre, angegeben.
Vor dem ursprünglichen und dem aus ö entwickelten e lauten alle
Consonanten weich bis auf die Labialen: präs. 1. sg. odheru 19, 3. sg.
bcre 33, pec 36, part. prät. act. ved 21, privezli 24, celky 22, vecer 26,
mec 34, 7ned 18, 7nedu 13, medzy 22, kamen 36, na raniene 27, do
sehe 21, dla sehe 37 ; vereinzelt: dla ceÖe 30, Jia ceÖe 31, vepra 18. —
pes 19, 20, pekelmjm 20, myslivec 18, 21, 24, ves 20, 22, vereinzelt
s pekla 20, do pekia 27.
Der Laut ^e geht nicht wie im Poln. in gewissen Fällen in 'o über,
sondern bleibt unverändert, bloss vereinzelt finden wir in einer einzigen
Probe: zony 37, zöny 38, na veselc byi tez prosony 38, daneben noch
Fotr 26 neben Fetr 27.
Manchmal kommt a statt e vor: inano 24.27, camu mu ten prinös
albo skuci to vzoi 33, camu ön ne prijd^e söm. 35.
Für e finden wir dieselben Laute wie in den csl. Dialecten: do
mesta 18, /es 21 , 22, ieter 33, sveÜo 22, sused 36, ohjed 25, za tri
Uta 21, ve dvöch letach 19, se spovedali 19 u. a. Udu 21, idlo 25,
posnidal 26, posnidali i po tym h'iidanu 29, auch/erf/o 27, medane 30,
posi'iedali 30 u. a.
Selten findet sich 'a füre: Ut 19, caleho 24, calovali2^, snädane
26, do riiasta 36, svadomy 38, co se ou^mu dzälo 30, Üdla 29, 30,
394 G. Pollvka,
und auf S. 31 neben der c-sl. Form mit der Anmerkung des Erzählers:
pyrve byia jeny jedna osoba medzy iiemi IjeUi^ bald [Inilä tojejedno)
a teraz byly vsycke Uäle abo Hele (jeden pravi häie druhy helft) .
ä hat manchmal, nicht durchwegs einen labialen Nachklang: y«"
19, tr(i."pih' 18, blä^zna 18, M^zali 18, zä^dnych I9,dä^vn6 19, präs.
2 sg. md'^s IS, paus kä"^ zahrada 18, sedld^k 18, vojd^k 25, u. a. Da-
neben kommt aber öfters ä ohne diesen Nachklang vor. Vor w, m lautet
d wie in den benachbarten polnischen Dialecten wie ö: pön 18, Pöm~
höh 27, zbön 38, söm 18, söm 27, impt. stön 20, 30, stönmy 19, zo-
stönmy 19, präs. 1 sg. möm 18, dorn 19, ^>os^^om 18, ja ie, pytöm 20,
1. pl. vydöme 19, mömy 19, 21, dat. pl. nöni 19, vom 21, zömeh 29,
35 u. a.
Für die Nasalvocale sind fast durchwegs dieselben Laute wie in
der csl. Sprache. Selten kommen daneben Formen mit den Nasalvocalen
vor, und zwar im Ganzen in gewissen Wörtern, in einer gewissen Reihe
von Wörtern.
1. Für e a) pol. 'e: prasata 18, celata 20, vaksu 19, mcy 26, 28,
nescaslivy 21, nom. pl. masare 1\,polakaly se 27 u a. , hleddl 21.
dzekoväl 3 1 .
b) pol. 'o: gen. pl. prasdH 18, trosia 34, vzoi 23, 24, 26, 35, 30,
38, vzöl 23, vzdH 20, 21, 23 ; üio'V 18, 35, 36; —potohnöil^, rosio-
hnull^, roztdhnui '21.
2. Für q ist gewöhnlich u z. B. huheti 35 huhnovac 35, susedovi
37, u. a. Daneben kommen polnische Formen vor:
1. für e a) poln. "e: pe'^c 20, pehdzeso'^t 18, p^entdk 36, pej^tak
36, sventa 38 (Feiertag, svatky), kienty P'otr 26, sve^ty P'etr 27,
of'ara ive^tä 19. — podzekuj \%, dla ksendza 19, carnokheznik 21, ty
zverynta 23, zverenta 24, zierenta 24, dat. pl. zveryntöm 24.
b) poln. ^o : peno^dzy 27, 28, 31, 35; peiW^dzy 19, penö^-dze 26,
31, peno^^dze 19, peno^'dzy 20, penq'^dzy 36, peno^dze 37, penq-
dzami "i^, pencf'dzami 36; — tysönc 36, tysif'c 36, tys6"'ce 36; we-
sq^cek 36, majo^tek 21 \ v poröndku 31, rö'^dzü 31, vypor6"dzil 38,
porondnejse 31 ; — kso"'zky 26, ksözki 21, 26, ksozky 26. — od tych
zveroH 24, zierönt 25; — vycögnöm 35, vycogli 35, vyco"'gli 34, «?y-
cöngli 34, vyc<f'gmic 34, ohco'^gaia 34, vyco^gac 34, vycö'*^gnöl 24,
zacq^gli 35, nacogdi 26 neben rostohnui 26.
2. für a a) poln. e: prff^dko 20, pre^tko 20, y pre^^dkosci 19,
Neues von der cecbisch-polnischen Sprachgrenze. 395
prendkö \^, pry7idko 18; ne v yembu ale do ruky 20 instr. sg. ge'"bum
23 ; gen. pl. z ghnböü 29.
b) pola. o: aby ci nahotovai kumpel a to se okiipeti 23; mö'^drejsi
'ii), tri iöpaty zimneho vögla a tri lopaty rozpalenebo rör/la 20.
Ausserdem tiuden wir und zwar beständig in der Endung des instr.
ßg. : se svoj'öm ruköm pisdl 18, s ßinfö^'m 18, kerum cestöm 22, io"^
stvyrtköm 36, totn mahcom 23, z velköni sihim 34, jaköm smyrcöm 25,
töm cestom 32, u. a. m. — za sebum 37, 2a(.re) seböm 20, 24, ä wo"*
34. — In der Endung der 3 präs. pl. söm 18, 38, povezom 24, pH-
döm 19, 20, nemozöm 18, lezom 35, pytajom se 18, mövöm IS, uzdra-
vöm 28; pytajom se 19, 5Öm 29, äo'" 35.
Oft lautet so der acc. sg. fem.yö/«: poznäi hjij'öm 18, tu kravu
iakjom prived 21, tuz viol j'ion a xhwljöm o zem tag/om zaräz zab'il
24; äbnlich wie in den poln. Dialecten, Teschenyow, Oppeln/o.
Ausserdem finden wir manchmal in der Endung des acc. sg. bei
den a-Stämmen neben der regelmässigen auf u auch a: vyjäl (wyjmui)
tu kartka (tez se mövi tu kartku) 19 ; jak se mii umenic za kona a bo
za kravu (abo za krava) 21, co chee za tu kravu [za ta krava) 21 ;
povedzei mu, ze . . . . ön dostaje polovica a on tez poiovica, ale ten
zebrak mu ne verii, ze dlä sebe vaksu polovxcu ich zostavil 37. Diese
Form ist in anderen schlesisch-polnischen Dialecten bekannt (Malinowski,
Beiträge zur slav. Dialectologie I, 25) und drang von dort jedenfalls in
diesen Grenz-Dialect ein.
Endlich soll noch bemerkt werden, dass auch secundär entwickelte
Nasallaute in diesem Dialecte von Malinowski gehört wurden, so tZi für
tarn : jak tä stäto tuz; tU stäio 21, to tä sei do te chalupy 23, ze ta so"^
35 ; aus potem: poty 26, poty^ 33: ans tym : tyn zverentom 24. - — z
jake pficiny se drake^^^ stal 20 ; zcmknute 29, odenknul 35 statt odem-
knul, nq nöc zöstac 20.
Für r, / lautet ähnlich wie im sogenannten lachischen Dialect (Bartos,
Dialektologie I, 107) 7-, / mit einem mehr wenig volltönenden Beiiaute.
Malinowski suchte ihn auf verschiedene Weise, mit verschiedenen Schrift-
zeichen zu fixiren. Soviel können wir aus seinen Aufzeichnungen
achliessen, dass manchmal das vocalische Element neben r ziemlich
schwach klang, doch schien die Aussprache selbst bei einem und dem-
selben Individuum stark geschwankt zu haben. Auch die Qualität des
vocalischen Kebenlautes ist nicht ganz sicher, gewöhnlich wird y ge-
achrieben, doch kommt auch i, aber seltener vor. Wir dürfen aber
396 ^- PoHvka,
kaum annehmen, dass dieser mit y bezeichnete Laut dumpf klang ähn-
lich dem poln. y, und wie es im lachischen Dialecte lautet, sondern es
war eher ein heller Laut, der sich von i nur dadurch unterschied, dass
er nicht die Mouillirung der vorausgehenden Consonanten bewirkte. So
finden wir also in diesen Aufzeichnungen: fvyrde 33, stvyrfku 36,
hyrcma 22, 25, joo kircmach 34, kyrk 25, 29, 35, roztyrhana 24, roz-
tyrhany 25, rostyrhali 25, 7'ozterhany 25, zrjrko 22, t^rpUwy 18,
ft/rne 38, tyrnem 20; dyrzi 20, dtjrzyl 29, obdyrzi 37. vydyrzi 27;
smyrci 19, 25, pfi smyrci 38; /Jt/m 22; pyrvy 21, jo^/rs/ dzen 27;
pyricen 33, iym pyrscenem ?,^\ pyrscen 2A^ perscen 34, pirscen 33,
34, s tym pirsce?'iem 35, ku vyrchu 24, po vyrchu 29; na tym virchu
34 ist mit der Bezeichnung des v vereinzelt.
Weich ist t'^/X; 23, 25.
Selten kommen polnische Formen vor, beständig ist bardzo^ tvardy
in der Bedeutung Thaler, ausserdem garhec 18, v tych gärneckach 23;
s tym gär[n)kem 25, do gär sei 24, gardzic 35; mrwe 29, carno-
kseznik 21; vereinzelt do te karcmy 25 bei einem Erzähler, der ge-
wöhnlich kyrhna sagte.
Regelmässig ist für psl. tort^ tolt übereinstimmend mit csl. trat^
tlat: zahrada 18, hradzic 18, vrata 29, krava 20, /^/as 19 u. s. w.
Daneben kommt auch die Form vor, welche für das poln. charakte-
ristisch ist. Manchmal ist diese üebereinstimmung secundär, dort wo
sich 0 aus ä oder aus a in geschlossener Silbe entwickelte, wie im lachi-
schen Dialecte hiod-hladu (Bartos op. c. 101), z. B. gen. pl. Möv 21
neben gewöhnlichem hiava; so wird auch zu erklären sein: tu oMövku
21, z ohlöwköm 21, gleicher Weise: v krotkyni case 19, sablu krotku
24, namiocili 37, schronii se 34, poschrönali 38; 'oyorö^cU 18 (vgl.
vzd^l 18), prevrocil 21, nawrocim 22, oh'oceny 23 — 24, impt. vroi
se 22 — ebenso im lachischen Dialecte impt. V7'oc^ mloc (Bartos op.
c. 101).
Daneben kommen natürlich auch unbestreitbare Polonismen vor,
so regelmässig chiop^ kröl^ krolestvo\ ausserdem: sromotnym. 20, ein
dem csl. fremdes Wort. Neben dem regelmässigen zdravy lesen wir
auch zdrovy : i zas byla zdrovä jako pyrve i na rano kiupali na dv^ri
(na dveri) i ten chtop im odevi-il i vidz^i, ze öna jest zdravä 28, weiter
auf derselben Seite nur zdravä uzdravic, — to rekni, zech jest zdravä
jagbych se na novo narodzila to se tez ty chlope okup, jezis ne jes
zdrovy (popr. zdravy) 23. Vielleicht ist zdrovä ein blosser Schreib- oder
Neues von der cechiscli-polnischen Sprachgrenze. 397
Druckfehler. — Neben miady kommt mlochj vor, doch hat da das poln.
Wort eine eigene Bedeutung. S. 25 lesen wir zu »i dtil te mloJc pani«
die Anmerkung y^mluile to miadzäta — a mioda pani to mloda«; so
wird auch S. 22 gesagt: »hoiub . . . vlecil mlode pani na pyrsi«, da-
neben aber wird auch in einer anderen an Polen Ismen reichen Erzählung
8. 38 die csl. Form gebraucht: sei do svojej mladc paui. Neben ein-
ander kommt vor mlody pön 25, miodzi panove 25, und aucli mladij
pön S. 38. Sonst regelmässig: vilea miade 23, vilkovi mlademu 23,
mlade Ivy 23, k tym dvema mladym 23. Für das poln. povroz wird die
Neubildung />roüa0 ^X^provöz 34 gebraucht. Dagegen ist statt des csl.
klobasa wie im poln. kelhasa 38. — Ein Polonismus ist nejpröd 32
neben najpiedy 32, nejpredy 32.
üebereinstimmend mit dem csl. ist// für g'. hranica 18, horacJi 19,
nöcUh 20, ohen 29, u Boha 19, pros Boha 19 u. a., aber tomu Buk
naräz da 19. Statt h ist manchmal ch geschrieben: prechUdali 18,
vi/c/i/ed(U 29, shicha 29 neben vyhlidäVl'd, vyhJedal 29, sluha 29, auch
umgekehrt h statt ch: jeden byl bohaty a druhy byl hudohny 35. — In
Worten , die dem Poln. entnommen sind, ist auch g erhalten ; wie in
den an den betreffenden Stellen bereits erwähnten: gemba, vycogac,
gardzic, garic, garnec , ausserdem in rozgresene 19, od teho hfychu
[grijchu vplyv koscola) 31, ganha 22, zgac 26, zgali 26, zgrebnä 38
neben hrziÖa 38, hriba 38, ohfebila 38, ghneio 29, 30, velky grzmot
(bo hrzmot to je po moravsku bardz^) 30 — eine sehr bezeichnende
Aeusserung des Erzählers — ogöny 2 7, diuheho ogöna 32, potkal gada
38, pytäi teho svojeho siugy 31 neben siuha in derselben Erzählung
S. 29. — Einige andere phonetische Eigenthümlichkeiten :
Nach m fiel i aus: mynär 22, durchwegs möi'ic. Aus der Con-
sonantengruppe rnk\ s teho garka 25, s tym gärkem 25. Im Anlaute s :
lzy2^.
Assimilation: krf^e 19, vytrfäs 30, tföj 20, zachf^äl 34. Im
Satze vor einem mit einer Media anfangenden Worte : chodz by21 , dozdz
daleko 34 Jag bych 26, tag zas 29, 35, Jag zas 29, 30, Jag byly 29,
tag davny cas 3 1 ; ausserdem ist die auslautende Tenuis in die Media
übergegangen auch vor vocalischem Anlaut : pröz o krölestvo lieb'esk'e
27. Jezdz a pic 29, gleichfalls vor Labialen: puzdz ine 27, modz vozöv
31, tag mu data mec 34. Doch hielt unser Dialectolog nicht immer die
streng phonetische Schreibweise inne, so schrieb er nieder z. B. pod
pec 37, lödki 35 u. a. Durchwegs ist Dissimilation eingetreten in
398 G. Polivka,
oj'cove 19, 20 u. a., und darnach analogisch noin. sg. ojcec 20, 22, 38,
neben öcec 19, ihfijsce 19, 20 u. a. Es kommt auch Umlaut vor, der-
selbe wie in den benachbarten poln. üialecten: nejiac 20, dockej 18,
spowedejmy se 19, dejmy 19, poznejce 21, part. prät.act. II znejd 34.
nejd 38, nej'dli 18 neben ^fef/c/üa/ce 21 u. a.
Eigenthümlichkeiten in der Wortbildung. Nach dem Infinitiv-
Stamm wurde gebildet das Präs. 1. sg. bydu 21, 22, 2. sg. hydzes 21,
3. sg. hydze 18, 19, 21, 1. pl. bydzemy 19, 25, 3. pl. hydöm 19, 26;
Impt. bycce. — Nach dem Präs. wurde gebildet das Part. prät. act.
nej'd 36, kaj se tam znejd 34, nejdli 18. — Nach der II. Classe wurde
gebildet veznu 21, 22, veznemy ie 19 u. a.; ähnlich odepia 22, poeia
27. Eine analogische Neubildung ist: on se sebul 29 statt zul. Ein
Polonismus ist das Part. prät. act. zezar 34 neben zezräl 19, wogegen
in polnischen Dialecten wie im csl. die Form zral vorkommt: im Tesche^
ner zral^ Oppeln zräu (Bystron 0 mowie pol. w dorzeczu Stonawki i
iiUcyny 67).
Ganz unter deutschem Einflüsse ist der Gebrauch des Part. prät.
pass.: meso"cek ne by i jesce zejdzeny 36, wie auch in den poln. Dia-
lecten, vgl. Bystron op. c. 72.
Der polnische Einfluss macht sich natürlich auch im Wortschatze
dieses Dialectes geltend, man gebraucht nicht selten nebeneinander das
im Poln. gebräuchlichere Wort und das csl., z. B. rec statt und neben
iec: i on se na vsycky te recy (abo te iecy) dal pozör 31 ; — mafzonka:
jeho princesu dostanöm za maizonku (abo za babu, abo za malzonku, to
tu je poröndiiejse) 31. — ezi by kaj nebyla ves (abo dzedzina jako tu
napisöm) 22.
Aus dem Rgbz. Ratibor gehört noch in das cslav. Sprachgebiet
Owschütz (S. 39 — 41). Dieser Dialect stimmt im Ganzen mit dem von
Tworkau überein, doch ist das polnische Element in ihm schwächer; es
wird z. B. kral 39 gebraucht — einmal aber auch do teho kröla 39,
vielleicht ein Druckfehler, wie daselbst relazoma 39 statt retazoma
(vgl. Gebauer Eist. Mluv. I, 392), so auch zreUlne 66; ohracil s& 40.
Aber durchwegs cMop 40, chlopek 40.
Für ä ist reines a, auch vor m, 7i: pan 39, 40, sani 39, zamku 40,
nur vereinzelt /*ow 40.
Für die Nasallaute sind durchwegs dieselben Laute wie im cslav.,
auch in der Endung der 3. pl. präs. su 39, 4 0, ebenso bloss knizku 40
statt der im Tworkan gebräuchlichen polnischen Form.
Neues von der cechisch-polnischen Sprachgrenze. 399
Reines r klingt auch hier nicht, sondern umyrlu 40, rosfyrJia 40,
V te kyrcme 40, dY/rzec 40.
Ausgefallen ist /: mynar 39, aber 771 f in 39 — der Unterschied
zwischen / und y wurde nicht eingehalten ; cunk('»v 39.
Das Prät. wird auf die in der csl. Sprache gebräuchliche Weise
umschrieben; daneben aber auch wie in den benachbarten lachischen
und poln. Dialecten : /acÄ uz ne liiel nie, tak sem mu seblek 39. — Wie
in den benachbarten Dialecten sind auch hier gebräuchlich die um-
schriebenen Formen: choc se77i Ja Je hlupi 39, my su tre bratfi 39, ze
sce SU starsi 40. — Ein Druckfehler ist gewiss die 1. sg. präs. ja vas
tu n€ moza nocovac 40.
Aus dem Rgbz. Leobschütz finden wir hier zuerst zahlreiche Auf-
zeichnungen aus Eiglau (S. 41 f.). Alle sind polnisch, bloss in den
Liedern, die Malinowski von demselben Mann hergesagt wurden, der
ihm einige rein polnische Märchen erzählte, sind starke Bohemismen
auffallend.
Ausserdem finden sich hier Aufzeichnungen aus Karniöw Jägern-
dorf (S. 53 — 63). Bloss die erste ist in einem polnischen Dialect ge-
schrieben, alle anderen in einem cechoslavischen Dialect, der freilich
stark dem polnischen Einflüsse unterlegen ist. Leider ist nur bei einer
einzigen Erzählung angegeben, welcher Person sie nachgeschrieben
wurde. Der polnische Einfluss ist in den einen Texten stärker durch-
gedrungen, in anderen weniger, und schwer ist zu entscheiden, inwie-
fern der sprachliche Charakter der Texte bloss die Sprache eines Indi-
viduums wiedergibt, auf dessen Sprache verschiedene Einflüsse sich
geltend machen konnten, oder inwiefern der Charakter des Dialectes
einer ganzen Gegend in denselben zum Ausdrucke kommt. S. 56 lesen
wir das Vaterunser und Gegrüsst seist du in reinem csl. , bis auf einige
wenige dialectische Abweichungen, ö statt ä: odpuscöme, weiter ojce
und instr. sg. stehimi. S. 60 f. ist eine kurze Erzählung gedruckt, wo
der Erzähler angemerkt ist, welcher, wie aus dem Inhalte hervorgeht,
aus Baborov (Bauerwitz) stammte, er sagte: y>tu pH /ui"s pH Baho7-ove
ho hy^o lesöv 7710c«. In diesem Dialecte nun finden wir «" für ä\ zd"de7i,
hospodä^re^ pH 7iä^s, für e, für die Nafsallaute dieselben Laute wie im
csl., p'et, nsi pä^'iym dzile, uradzili, bloss in der 3. pl. präs. 5wm, idu77i,
für r: na stv'Jrfy77i. dzile. In den anderen Texten dringt mehr weniger
der polnische Einfluss durch. In der Erzählung S. 54 f. kommt neben
mMcke77i^ 7iaj77iktdsfc/tj hlavu ^\i,q\\ pokr6ce7iy^ tJro"c/c vor, doch wird
400 ^- Polivka,
hier o, ö" sich selbständig aus d entwickelt haben: nazd"d, pait, prät.
pä^d, vgl. auch ftitro" la neben futrol, po futrolu. Bloss im instr. sg.
s kozum^ s )'ium könnten, freilich irrthümlich. Reste der Nasalvocale er-
blickt werden. Polonismen sind: vecör^ caiy, nago, glupi. In dem
ersten Texte S. 55 kommen dieselben Polonismen vor: vecör^ caie,
bardzo, weiter instr. sg. z jeji cerum, s viim.\ krd^^tho^ für r — "^r:
v^rcK ^ d^rzela. In dem zweiten Text auf S. 55 lesen wir den unbestreit-
baren Polonismus gunkör^ und die halbpolnische Form sumsed. — Der
erste Text S. 56 hat gar keine Polonismen, der zweite dortselbst bloss
glupi ^ daneben aber die echt csl. Form penize. Dieses "Wort ist in
Tworkan, Rgbz. Ratibor bloss in der polnischen Form bekannt. —
S. 57 hat der erste Text den Polonismus porundzali ^ und einen ver-
meintlichen Nasalvocal in der analogischen Form instr. sg. s hanhum\
regelmässig ist A, vereinzelt </: nagich\ h ist abgefallen na rbece^ ze
rbeta; Metathesis: zgmi [rgmi] st. grmi\ für |: vilk^ für das deutsche
ir\ hrsfengr und hxjrsf enger \ r ist ausgefallen: tfä^'^ st. trvä. In dem
zweiten Texte auf derselben Seite lesen wir die bemerkenswerthe An-
gabe des Erzählers: mudri [lub mundri to je j'edno], ausserdem die
poln. Form hokcöl neben do kosceia^ ku temu kosceiu\ regelmässig ist
/?, welches auch ch zu lauten scheint : tri mechy clirachu ; durch Ana-
logie wird V von b verdrängt: poseblikali. — In der Erzählung S. 58
bis 59 finden wir wieder die Polonismen siimseda^ gunsor, gönsor,
gunsör und daneben auch die csl. Form: na druhy dzeii pravii gunsor
ja^ tuz polecim s ten'ii dzivohemi(?) husenia; sonst sind die Nasalvocale
durchwegs mit reinen Vocalen vertreten, bis auf 3. pl. präs. idum,
trefium^ sum, und den instr. sg. s tebum. Pol. ist chlop^ daneben
hiava\ statt dem pol. ketbasa kommt die Form na kulbasach vor. Für
e ist regelmässig ^e, vereinzelt chcai\ regelmässig ist /i, aber dlugo,
ogönkem^ zgnul ho tum strachelclum do oka. Abweichend von anderen
benachbarten Dialecten wird r ausgesprochen: vrch^ skrz ceho — in
dem letzteren Beispiel ist die Assimilation z-c in zc (vielleicht eher sc)
bemerkenswerth. — In der Legende (S. 59 — 6ü) kommt die csl. Form
svati P'etr vor, wogegen in den Dialecten im Bz. Ratibor die poln. Form
svety gebräuchlich ist. Neben dem gewöhnliehen pön Böh kommt ein-
mal pön Bök vor mit der bezeichnenden Bemerkung in der Klammer
» vyrazne k ne h «, Polnisch ist die Begrüssung pochvalony Jezus Kristus,
sonst die csl. Form poruceno Bohu. Polnisch ist po caiej roli, sonst e
für e : met. Promiscue wird die csl. und pol. Form gebraucht : pHsli
Neues von der cechisch-polnischen Sprachgrenze. 40 1
ku k^rhhe abo ku karcihe. — Auch in dem Märchen S. 60 kommt ein-
mal die pol. Form mundri von, sonst nur ein vermeintlicher Nasalismus
im instr. sg. : Jilavum, riikum: es lautet r: zrnku, und daneben auch
poV'rhac, regelmässig ist o" für d: zff"Ief/a/c, nebeneinander vzaf und
vzof, die zweite Form wird aber bevorzugt: »vzof to bud^e sikovnejsic
— Häufig sind Nasalvocale in dem Texte S. 61 — 62: sömiedöc ^ sum-
sedzi, pospohaidzäf, poczo"f/cu (sie), dal to maso do kumina ncundzic,
jaghylo uvandzene, daneben vyfahnute, s pä^teho stavenä", deiet:
sonst nur im instr. sg. tum sehijrum, ^iedsi77rcum, 3.pl.präs.s//w. Pol.
sind cah, chJop^ vecnr^ vielleicht auch ohröcU se. Es lautet r, /:
kf^mnik, krk, /iruec, smrcujyi, plny, daneben aber anch p^lny ten h'-^r/uc
(62), k'Jrk, zad'^rzec. Es lautet bloss /t , aber daneben rozitemök .ve;
ausgefallen ist // : ve rhet\ ceva, od tich cevöc, csecöv, einmal ist auch
treva geschrieben. — In der letzten Aufzeichnung in diesem Dialede
S. 62 — 63 kommt mioidri S. 63 neben 7nudn am Anfang der Erzählung
vor; sonst nur in der 3. pl. präs. su7n, instr. sg. z matkum. Für ä
klingt ä": hracä^\ hospodä^'i\ 2.sg. rozhnicä^s^ 3. sg, rozhnivä^] vor
w, m: jä"se rozhnivöm. Polnisch ist caly^ po cahm chodmku. Für r,
/: p-'rsi^ obd'Jrzef, p-'hto svetel ; ausgefallen ist r: do kycmy, ku kycmc
Für einen Polonismus könnte vielleicht auch mioucic, vymlo^'cil ge-
halten werden ; ohne Zweifel glupi. Gen. sg. der «-Stämme : do c/iahtpe,
vzol pa"ru liiechöv ?}U(kc . hledac sluzbe neben ue dostal s/uzby, do
kyhny. Präs. 3. sg. chalupa höre: 1. pl. sömesce.
In den Bereich der csl. Sprache fällt noch die Ortschaft Stolzmütz
(Tlustomosty) desselben Bezirkes , in dessen Dialecte bloss ein einziges
Märchen niedergeschrieben wurde (S. 63 — 65). Einige Wörter werden
hier ebenfalls in ihrer polnischen Form gebraucht, so besonders mit
Nasalvoealen : inesunc (64), sundzic, rozsundzic neben sudzic, rozsiidzic,
bei dem Worte i>ud ist in der Klammer (S. 64) die Bemerkung »po lyior.
sud a po poh. sumUi beigefügt; daneben aber in der csl. Form svatich^
penize] wie gewöhnlich lautet auch hier der instr. sg. za nuium, nad
fum cenifn; präs. 3. pl.: dovkajiim. Eine eigenthümliche Spur des
Nasalvocals hat sich noch in der Form ja" dozvaJü erhalten, zu welcher
in der Klammer beigefügt ist »popr. dozvolim«; wir würden wünschen
zu wissen, wem wir dieses »poprawiono« zuzuschreiben haben, hat sich
der Erzähler da etwa selbst verbessert? Pol. ist chlop, kröt, koscöl.
.daneben do koicehi. Doch auch der Einfluss der böhm. Schriftsprache
I Archiv für slavisclie Philolo^'ic. XXV. 26
402 G. Polivkii,
macht sich geltend, wir lesen ii'iel svojeho lera (Lehrer) takoveho uci-
tela; sonst ist durchwegs die Deutale erweicht, nom, pl. /w.sce u. a.
Sehr reichhaltig sind die Aufzeichnungen aus der Ortschaft Petro-
witz desselben Bezirkes (S. 65 — 82). Polonismen kommen verhältniss-
mässig weniger vor. Wir finden zwar einige Worte mit Nasalvocalen :
mondri G5, mondrej'si 6(1, wo"dräk 67, poroiidzil 67, sporzo'Hlzüa
6S, poro?idzaiy 73, dal mu strasne prez gambu 68, pod jazyk do
ga^hy 75; jak byl zajöncein 11, zajq^^ca natura 77, klakla na kolena
a Idaca^cy 14,predcq 74, möj komarek z dymba spad 81. Am häufigsten
kommen solche Formen in dem letzten Texte S. 82 vor, welcher ein auf-
fallendes Beispiel einer cech.-poln. Mischsprache gibt: Vysel mysliva-
sek z rana na zajwicky, nadesel tan dzevce pod jaborem spg^^cy . . .
ona pryndko vstala . . . vidzi myslivaska na (sie) sebom stojönceho . . .
gdys ty se mnum spaia . . . poc se mnu kcfdy (abo kady) das mi jesce
ganihy dzi odemue dom ja ci gämby az ci tin kamenem vybiju zamby
(nebo zuby)(f. — Aber neben diesen Formen finden wir in andern
Wörtern, welche in den andern benachbarten Dialecten den Nasalvocal
nach poln. Weise gewöhnlich haben, hier einen reinen Vocal: kniz 67
— das ^e in i verengt, wie es in den sogen, lachischen Dialecten ge-
bräuchlich ist, — cernokniznik 66, 74, knizactvo 7 6, do teho knizaca
76, kniza IS, ve svati Scepön 67, svacii 67. Im instr. sg. semnöm 68, i
aber gewöhnlich w. ze svoim sluhu 68, tez se tak pomazät tu mascu 69, j
z velku bradu 70, s tu söicku 68 z velku cazkoicu 74. Die 3.pl. präs. i
endigt regelmässig auf o, welches freilich nicht aus o, sondern aus ä sichj
entwickelt hat: v'sicy .spo 68, ci mi hroio 68, rozmante mysli a tesknica
pHcJiodzo 72, pnlecö tii kacice 72, zrobio^ se s nich tri panny 72, vsicy
krico 78 u. a. Ebenso ist o für ä aus 'e: rzod 68 gegen v radze '
gen. pl. kelenasce soh 68, uvozälech 68, po scozanu 70, vzol 70, d:ic-^
cotko 76, 78, kacotko 11. — Regelmässig sind csl. die Formen trat,j
selten pol. trot: ki'öl 78, nebeneinander kralostvo und krölostvo in|
demselben Text S. 78, kralovny 78, krcdovsku potupu 78. tri princesy'
kralovske 72; chiop 72, do dloid 75. In anderen ähnlichen Formenl
hat sich o aus ä entwickelt: do vrot 74, aber pred tima vratama 74,|
pHnavrocil 74, pfevrocala 76, vrocil 72. Auch hier ist durchwegs die
poln. Form caly. cale to drevo 67, po calej üBe 68, caly svet 74J
caly rok 74. Vereinzelt finden wir noch kolana neben kolena S. 74.1
etwa ein Druckfehler?
Selten ist g statt h : neben gamba kommt noch vor striga , gium
Neues von der cechiscli-polnischen Sprachgrenze. 403
73. oglupnul 73, do naga 72, do jeho ojcöv tag nagä pfez haubii
piisc 116 moze 7 2, noclegaröm 68, rozi'iemög ü5. dopomög 77, aby tö
moglo byc 7 7, Pün Bog 7(i.
Reines r ist sehr selten verzeichnet : ku k^köm 67 — gewöhnlich
AV/i- 68, 75, liSikVrku 6S, ki'rcma 68, 69, m^'i-tveho 67, 77i''rtüi 75,
na v-'rchu 68, o te ü"rchg 69, ü-'rzeli 66, ohd''rzit> 67, vyd-'i'zi 72,
jö^rse 74, p'Jrsi?}i 78, jo'V*/ 77, z^Jrnko 67, i>m*Jiy 73. 75, t'h'pec 75,
/)'V//w 68; manchmal schrieb Malinowski Ä-^r/t 7 7, do tej k''rcmy 70,
m''rtci 7U, do v'^rchu 11 , p'Jrsu noc 70, m->lcec 66, vereinzelt do cgrcliu
66, do tej kyrcmy 70. Aus dieser Form fiel auch ?• aus: kycmärka
68, 69, 70. Daneben kommt freilich selten die poln. Form vor: serce
76, 79, ku svojemu Ae;-c2< 78, serdecne 78, do smerci 78. Für das
secundäre ^' aus deutschem /r finden wir gleichfalls wie dem csl, r
gegenüber: k'JrcJiof 67 na tim Uh'cliove 67. Sonantisch wurde r wie
im csl.: trvalo 75. — Einmal kommt die poln. Form vor: jeho
rodzony ocec 78 neben jeho rodzeny tacik auf derselben Seite. — Es
entwickelte sich dm der Lautgruppe z{d)r: dozdraleio 70, uzdrii 73.
Eigenthümlich ist die Form ue dzbej ua. to 74. Assimilation: ve velkej
sfornosci 78, sforno.sc mazelsku (sie) 7 5. Umlaut: juz tam dell ue bylo
mozno byc 78. — Analogieform nach den ?"o-Stämmen: to maie dzeco 77.
Die letzte Ortschaft, in welcher Malinowski Material zur csl. Dia-
lectologie aufzeichnete ist Jernau (Jarovnüv S. 82 — 85. Nasalvocale
sind vereinzelt : sumsedzi 85 jak mu se uvqndzila (krava) 84, ausser der
3. pl. präs. : sum 84, pijum 83, 84, dostanum 83, pecum 84, zijuni
84, Jiryzum 84, und instr. sg. s num 84, kukla klucovum (sie) diurkum
I 84, z hahum 85. Secundär entwickelte sich der Nasalvocal q aus om
dat. pl. : vydlubac ofco vsicke oka 83, q aus am: tq 84. Sonst sind nur
reine Laute wie im csl. z. B. tela peniz 83 mit dem in i verengten ^e.
Poln. ist vereinzelt chcäl 83 neben chcef^ welches dreimal auf derselben
Seite vorkommt; weiter sano 85, do sana 84. Für ä ist gew. «" oder
: o: vzoi 83 neben vzali 83; hieher gehört vielleicht auch uhrö^celo se 83,
Tnio^'cili 84. Polnisch ist natürlich cJtlop. Für r wie gew. V'rhaly 84,
' vytyrhala 84, tv^rdich 83, einmal kommt vor sk^rs 83. Polnischer
Weise o aus e: peconhu 84, pecönku 84. Neben gew. // kommt ver-
einzelt g vor: ni 7nög dostac 83, Pön Bog 82 neben BoJia S3, z Bohem
■ 83. C// lautete manchmal wie h: hudobni 82, Mop 84, 85. Ausgefallen
ist d in der Gruppe f/7: krä^'ia^ kräHi 84 statt kradia, -i. Es ist/ ein-
gedrungen: sla tu kozu paJHc 85, auch mit o aus a: ku"zaia tej druhej
! 26*
404 G. Polivka,
dzo"tieju pojsc 85. Abweichend vom poln., übereinstimmend mit 6sl.
x^i protä^^zeh 84. — Deutscher Einfluss wirkte auch zersetzend: a e^li
umrici smn 84.
In anderen oberschlesisclien Bezirken, wo Malinowski sein reiches
Material sammelte, kommen keine Reste cslav. Dlalecte mehr vor, auch
sonstige Einflüsse des cslav. Elementes machen sich selbst in den an-
grenzenden Dialecten ganz unbedeutend geltend. Wir können sie nur
feststellen in einigen wenigen Liedern aus Rakow im Bz. Leobschütz
S. 85, im 1. Liede ohliida (sie) se zas ze strumj na stra^iu^ besonders
im 2. Liede: ByJ tejz jedön pivovarek, menovjil' se Vencel Sladek . . .
stery leta spolem zili, na pa!^ti rok sina riieli u. s. w.
Wir hatten bisher sehr ungenügende Kenntniss von diesen Grenz-
dialecten. Wir waren nur auf die geringfügigen Texte in der Dialecto-
logie Sembera's angewiesen, und die scheinen nicht besonders verlässig
zu sein, besonders das Beispiel aus Bavorov (Bauerwitz) S. 120 scheint
uns nicht ein treues Bild der wirklichen Volkssprache dieses Ortes zu
bieten. Fr. Bartos versuchte zwar auch diese Dialecte, wenigstens den
an der Grenze von österr. Schlesien zu studiren (Dialectologie mor. 1.
134), doch die ersten Hindernisse, an die er bei nationalen Fanatikern
stiess, schreckten ihn von weiteren Versuchen ab. Desto grösseren
Dank schuldet die böhmische Philologie den Herausgebern der Nach-
lassenschaft Malinowski's. Freilich bieten uns diese Aufzeichnungen
ein Bild dieser Dialecte, welches eigentlich bereits vor 30 Jahren richtig
war. In dieser Zeit werden wahrscheinlich in der neu herangewachsenen
Generation nicht unbedeutende Sprachveränderungen vor sich gegangen
sein. In neuerer Zeit beschäftigt sich mit dieser cechoslavischen Be-
völkerung in PreussischOber-Schlesien Herr Jan Vyhlidal, doch mehr
als Ethnograph. In seinen bisherigen Arbeiten theilte er ziemlich wenige
Texte mit, sodass wir uns daraus ein kaum genügendes Bild dieses
Dialectes machen können. Es sind hier zwei Schriften besonders zu er-
wähnen: L das Buch Cechove v pruskem Slezsku. V Kromerizi. Nä-
kladem V. Povondry. 1900. Der Charakteristik der Volksliteratur ist
ein kurzes Capitel S. 74 — 83 gewidmet. Die hier mitgetheilten zwei
Erzählungen und etliche Lieder bieten weniges, was von den sogenannten
lachischen Dialecten abweichen würde, instr. sg. sebum^ ohid und auch
po ohide] aus Branitz (S. 7 7) unweit von der Österreich. Gxqwzq Joden.
Auch die bei der Beschreibung der einzelnen Jahresfeste mitgetheilten
Lieder bieten verhältnissmässig wenig: Kobernitz S. 42 instr. sg. sva-
Neues von der cechisch-polnischen Sprachgrenze. 405
tum krvjum, Bauer witz S. 44 dat. pl. carovtiicum, Branitz S. 3 7 peco-
neho holubka. Am meisten charakteristisch ist eine vom Verfasser aus
einer oberschlesischen Volksschule erzählte »wirkliche« Begebenheit
(S. 62). Als nämlich in einem böhmischen Dorfe (»v cesk^ dcdine«) der
Schulinspector einen Knaben den Anfang des Liedes »Sei uns gegrüsst,
du schöner Wald« übersetzen Hess, sagte dieser r)zaJonc ogrys sumny les«.
Leider ist das Dorf nicht genannt. Nacli diesem zajonc scheint es
kaum »böhmisch« zu sein. In einer anderen Schule in Kranowitz reci-
tirle ein Schüler das Lied »Sum, sum, sum, Bienchen summ herum« die
andere Stunde: »Zum, zum, zum, galaty se drum . . .« (S. 62). Von
der Kirche in Beneschau nahe an der Österreich. Grenze citirt der Ver-
fasser (S. 9) ein eigenes Lied « Benesovsky kostelicku, stojis na peknem
kopecku, vytjhindajl panny z tebe, jako anjelove z nebe«; die halb-
polnische Form vyghmdaji nimmt sich sonderbar neben dem sonstigen
ganz schriftböhmischen Charakter des Liedes aus.
2. Verhältnissmässig mehr Material bietet ein anderer Aufsatz des-
selben Verfassers: »Zapomenuty cesky kout. Slovo o Cesich v prusk^m
Slezsku« Osveta XXXI, 1901. S. 289 f., 4S5f. Hier finden wir S. 298
ein Weihnachtslied aus Jarohnev (= Jarovnov == Jernau) bei Bauer-
wjfz in einer cechopolnischen Mischsprache: ya/b/ (wohl eher jauoi);
pastuskove se polenkali, na kolenka poklt'kali, pacholrt"tko. Mehr
Nasalismen finden wir in dem an derselben Stelle abgedruckten Weih-
nachtslied, aus einem anderen Orte Sulkov = Zulkowitz bei Bauerwitz :
acc. sg. Jcolendeikiwi, pl. kolendecky, (j für h : yoti/jes, gospodd"ru
neben /lospoda^'rovi , Boga\ doch 1. sg. präs. gotuju. Der Verfasser
will in diesem Liedclien einen Beweis dafür erblicken, dass diese Ort-
schaff eher böhmisch als polnisch ist, für welches sie gewöhnlich ge-
balten wird. Nach diesem Liedclien zu urtheilen, haben wir es auch da
mit einer Mischsprache zu thuu. Dasselbe gilt von den S. 491 f. mit-
getheilten Liedchen aus der Bauerwitzer Sprachinsel, auch in diesem
treffen wir neben csl. oder speciösch lachischen Spracheigenthümlichen
offenbare Polonismen z. B. in einem Soldatenlied: Svicila se hvezda od
'jasna do jasna, hunili tam Benedeka od rniasta do miasta\ prvijs mi
da"vol sa7io a ovjes, in einem Liebeslied: Ne vid/'elach kochanecka ju2
caly tydzin; srdce sobech ustarala; in einem Kinderlied . . . carovnica
■metlum iv\c\,jasfh(mb leci nedol- ci, ptacek leci, ten doleci; — Durch-
wegs lautet die Endung der 3. pl. präs. -um: idum, majum, starajum,
äum u. a., so auch die 2. pl. präs. : hvezdecky . . co ,sce sum jasnusky.
406 Gr. Polivka, Neues von der cechisch-polnischen Sprachgrenze.
Gleichfalls lautet so die 3. pl. präs. in den Liedern aus Hultschiu
(S. 485 f.) unweit von der österr. Grenze: sura, svitajum, padajum, i^-
dzum u. a. Da lesen wir unläugbare Polonismen : Na nasim raa^jicku
4ed/'i zaju?ic, robi nuzkama pr epletajunc , neben für das csl. charakte-
ristische Phonemen: drahe caay, vrata, zlata u. a. , li und^: pani /^ospo-
dynka sedzum na ru^ stola.
Die von Vyhlidal im Cesky Lid X, 153 f. in verschiedenen Ort-
schaften Preussisch-Schlesiens aufgezeichneten Weihnachtslieder weisen
keine bemerkenswertheren Eigenthümlichkeiten auf.
Aus diesen von Vyhlidal angeführten Liedern kann man sich kaum
ein Bild von diesen Dialecten bilden, da es ja sehr schwer ist zu ent-
scheiden, wie weit in denselben Liedern der wirkliche Dialeet sich
spiegelt. Vielmehr ist darin Kreuzung verschiedener Spracheinflüsse zu
constatiren, der csl. Schriftsprache, besonders in den religiösen Lie-
dern wie auch den verschiedenen festlichen Liedern, mit den Local-
dialecten, und daneben auch der polnischen Sprache, vielleicht Üeber-
nahme einzelner Lieder und Verse.
Die Ortschaften, aus welchen wir nun mehr oder weniger dialecto-
logische Materialien besitzen, liegen fast durchwegs an der Sprach-
grenze, an der Zinna (vgl. Tetzner, Die Slawen in Deutschland S. 270),
nur Tworkau, in dessen Sprache der polnische Einfluss sich am stärk-
sten äusserte, liegt etwas südlicher von diesem Flusse; nahe dabei
Owschütz, wo der polnische Einfluss bereits schwach ist. Künftigen
Forschern bleibt also besonders die gründliche Erforschung des Dialec-
tes in den Ortschaften westlich von der Oder zwischen der Zinna und
der Oppa vorbehalten. Aus Tetzner's Werk konnten wir natürlich
nichts zu unseren Zwecken entnehmen, ein »Tscharotenitza«, ein
»Dsefdscha« ist fast räthselhaft. Das beigefügte «mährische« Vater-
unser nach der Aussprache in Nassiedel bietet nichts bemerkenswerthes.
G. Polivka.
407
Die Mundart der (leiieud von Ulierci bei Lisko.
Bekanntlich sind die Mund-
arten einer Sprache nicht ganz
scharf und strenge von einander
geschieden , indem zahlreiche
Uebergänge, namentlich an den
Grenz- oder Saumlinien der Ge-
biete einzelner Mundai-ten auf-
treten und auf diese Weise die
Gültigkeit des Spruches saltus non
datur in natura bewähren.
So ist es auch mit der lem-
kischen Mundart in Galizien. In
den am meisten gegen Westen vor-
gerückten , an das Masurengebiet
grenzenden Gegenden zeigt die
Sprache der Lemken im gewissen
'^-va..^^^/ Grade den Einfiuss des masu-
/ rischen Idioms, welches wiederum
seinerseits auch vom lemkischen
beeinflusst wird. Im Osten, wo die Lemken an die Doly und Bojken
stossen. lässt sich der Einfiuss desContactes auf beiden Seiten erkennen.
Das Lemkische nimmt manche Eigenthümlichkeiten von den benach-
barten ruthenischen Dialekten auf, die auch einige Eigenheiten von der
lemkischen Mundart übernehmen. In der Mundart der galizischen
Lemken ihrer Hauptmasse nach ist der Accent stabil, d. h. in zwei-
silbigen Worten wird stets die erste, in drei- und mehrsilbigen stets die
vorletzte Silbe betont z. B. Boja. ^i.ioBeK, kliiiiit; mo.ioko , nopocTary-
BaTH. Doch je weiter wir in dem Lemkengebiete nach Osten schreiten,
desto öfter begegnen wir einzelnen Worten und Wortformen mit beweg-
lichem Accent, die aber oft ganz anders, als im Gemeinruthenischen
betont werden — bis endlich der mobile Accent allgemein wird und die
bezügliche Mundart die charakteristischen Merkmale des Lemkischen
grösstentheils einbüsst, ohne eben auch die Merkmale der angrenzenden
408 I- Werchratskij,
Mundarten prägnant zu zeigen. Es entstehen auf diese Weise im ge-
wissen Grade Misch- oder Uebergangsdialekte. Als einen solchen dürfen j
wir auch den Dialekt der Gegend von Uherci bei Lisko bezeichnen.
Manchen Eigenheiten der lemkischen Mundart begegnen wir in
diesem Dialekte, namentlich li nach Gutturalen: rLiiiyTii, xLi>Ka,
coKwpa; nom.plur. ptnlaKLi, acanopoiiKM, c.iiibkli. — afür ez. B.:
,iamo ^= lemk. ^amTo; ,T,uÖAe Y. = gruth. ,T,e-He-Ae. — a in: 'lae,
iiiiinKa, ;i,yina, jKaTH. — h in ca, BUMa, 3ihco, rjraAaTH, noiwa-
iiyTH, öypa, öo^napa, xji6nij,a, Kici^a (genit. v. KÖceuft) = Kocei];ij
Mäher): iu\a (= psl. -HiJ^a) in nmeiii'ma, rpiMHHii;a, rojiy6Mu;a,
3aBa.itiiHi];a. a = psl. Hi€ z.B. Becti.ia, .^licTa. — Lip fürasl.
p'K : AwpBa^, rtipTUHt, oötipBLi. — i für lo: öpix. — xh statt Ji:
noHe;i;Li.7ii,oK f. noHe^iJOK. — Die Formen TpLOx, TpbOM, iutli-
ptox, luTLipbOM; Formen der 1. Pers. plur. präs. auf nie z. B. x6-
;;H3ie, poöii-Ms, öepeme, iiastiBaMe. — ausschliesslich volllautende
Formen: oöojiona, Tepesöwii, yejieHOK.
Doch finden wir auch Eigenthümlichkeiten der benachbarten doli-
scben Mundart: y wechselt mit o: Bypyöejt und Bopoöejit, öjiyxä
neben öjioxa, Kycei];b neben Koceu;t, yxei^i. neben 0Tei;b (es ist gleich-
sam ein Mittellaut zwischen o und y, den wir mit ö bezeichnen wollen):
der vokalische Anlaut wird meistens gemieden: iiiHefi, boko, BOBaA:
BojiOBO Blei, BO^bina, ropix, Byxo, By^apuTii; Genit. Plur. der
Subst. gen. fem. : öaöiB, cecTpiB, BspöiB; die Endung -mo in der
1. Pers. Plur. Präs. , die nt-ben der lemk. -ms gebraucht wird: iiaati-
BaMO, AaMo. Einige Erscheinungen erinnern an das bojkische Idiom
i'i II /. . •
z. B, der weiche Ausgang in xjionei^b, Kpiiryjieixb ; die Innnitiv-
formen: yMepeTii, enepexH, ^epeTn; die harten Formen: ciiHbiii,
ciiiia, ciiHe; Tpexbiii, Tpexa, xpexe.
Als specielle Formen in diesem Mischdialekt wären wohl hervor-
zuheben : Kanixii, xaöa. jia^aK, öiniaBHO f. gruth. khiiixk, xiiöa,
.iiiyaK. ÖHiiHBHO, sodann M^cypnxH für das allgemein bei den Rutbenen
gebrauchte acMypnxH.
Viele für das Lemkische charakteristische Worte und Wortformen
werden hier nicht gebraucht. Statt lemk. .leM (= nur) gebraucht man
hier xLibKO oder iho; statt apeii; — ayMiiib; statt KonpnBa — Kpo-
iiiiBa; statt mxo — ni;o; statt rycjii — cKpiinKbi; statt ^exLip^ecaT,
iioxbip,T,eeax — copoK. Neben nonep genit. noiipio sagt man auch
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Liskö. 409
nepei^(t), nepi;K); neben xLiaca (wie bei den Lemken) ist auch xa.iyna
gebräuchlich. Statt lemk. rBopiiTii spricht man lOßopiiTii lokal laBO-
piiTii; statt lemk. 'i.iOBeK — 'io.iobik.
Grutb. Formen öyxn, öyy, öy.ia, öy.io lauten hier: ölith, ÖLiy,
ubi.ia, 6 LI .10.
Der Acceut der Bylakeu um Uherci bei Lisko ist mobil. Doch
gibt es eine beträchtliche Anzahl Wörter und Wortformen , die anders
als im Grutb. betont werden. So fallen als Paroxytona auf: sö^a,
ßecbiAa, cona, /lApo, cyniio, Bepöa . . . für gruth. BO^a, öeciAa.
coBa, H^ipo, cyKiio, nepöd; s.iOBiiy Koxa f. s.tobhb KOTa; u;o Besem f.
mo Be3eui. Hingegen werden manche Wörter, die im Gruth. Paroxytona
abgeben, osytonirt: xy^a, xepesötiil, BepxiiniiKa f. gruth. xyqa,
XBepe3iiii. BepxiiniiKa.
Das vorliegende Sprachmaterial sammelte ich Ende August 1S97
auf meiner Rückreise aus Nordungarn, wo ich die Mundarten der unga-
rischen Lemaken an Ort und Stelle studierte. Auf der erwähnten Rück-
reise besuchte ich damals folgende Ortschaften in Galizien: 1. Uherci
(bei Lisko), 2. Bibrka. 3. Polaneyk, 4. tobizwa, 5. Ustianowa.
Erklärung der Abkürzungen : B. = EiöpKa. — Ä. = .loöisBa.
n. — IIo.iHuyiiK. — y. = yrepi],bi. — Ye. = YcxHHOBa.
A. Grammatik.
1. Zur Lautlehre.
Vocalismus. i (aus o, e oder i). Im Allgemeinen wird o in i
, gedehnt in Wörtern wie: cxiy (psl. ctoa^k), kihl (psl. KOHbi, ^a-
; piBHHK (psl. MapOKkHHK'k), Kix geuit. KOXa, CBiniB (psl. CKIHOBT».),
I Öiß CH (psl. KOH CA), Bin nimöy (psl. oh'k nomKA'K »€cti»).
In einigen Ausdrücken wird h statt i gehört z. B. bli,t,kli ä. =
gruth. Bi;;Kii, lemk. OAKa.ib oxKa.ib) z. B. bliaklt bm npnuuii? woher
j seid ihr gekommen? lemk. OAKa.ib exe nprim.m?
e wird hie und da in einigen wenigen Ausdrücken in lo statt in i
gedehnt z. B. ntiBiopKa Y. (psl. B'KBcpHi^a; doch in E. BLißipKa). —
I .Tio;i; Y. psl. ^(^,'K^ doch in Yc. .ibi^.
a für i (= i) tritt auf in dem Ausdrucke mi.iKOM Yc, pol. calkiem,
; grutb. ubi.iKO.M s-anz.
410 I- Werchratskij,
Den mittleren ii-Laut hört man deutlich in den Worten: hiixto
Ye. gruth. hixto. — mm. ao miKoro. iia ini'i Yc. zu nichts, gruth, u'i
iia ii;o.
a für 11 (lt): KaniTH Y. Yc. = lemk. Kanixii, gruth. KiiniTH. no^a
Kani'iT y. = gruth. Bo^a KnnHTh. BOAa io5K cKaniJia Y. = gruth. BO^a
B5Ke cKiini.ia; Kan>iqa Bo^a Yc, gruth. KHiiOTa BO^a siedendes Wasser.
— xaöa E. f. XHÖa, lemk. xtiöa: y nac iieMa rojiyuiB ciiiiLix, xaöa
>iK ;;a bh^kh 3a.ieTflT E. bei uns nisten keine Hohltauben, höchstens
fliegen manchmal einige herüber. — JianuK E. für jin^iaK »jinnoBKa 3
.iMKa«. — uiBat'aTH Yc. st. mBiiraTu geissein, peitschen, schlagen.
Bin uiBafax öh^ch Yc. er schlägt mit der Peitsche. — ÖHuäsHO Yc.
Peitschenstiel, f. öiniiiBHO.
Nach Gutturalen wird li gesetzt: coKLipa Y. psl. C'SK'wpa. —
xwaca Ä. psl. \"KiJKa. — tlihyth Y. rtiÖHyxH Ä. psl. r'KiKH/TiTH^
.jriimKti Y. (Nom.plur. v. jiHuiKa) Füchse. — ^poÖÄSKH Y. kleine
Sachen. — ptTjiHKti Y. Rüssel (Nom. sing. pLijiaK). — öopcyKLi Y.
Dachse. — mnaKti Y. Staare. — KponHBHHKLi Y. Waldsänger, Sil-
viae. — mynaKti Y. Hechte. — luanKH Y. — .lacTiBKti Y. — |
MyuiKti Y. — 4>iHi[KBi Y. Veilchen. — cjhbkm Y. — a^aBopoHKti fc
E. — jKoyxypKti E. — BoyKti II. Wölfe. — Ai'pKb'i Yc. Löcher. (
fii im Anlaute: äiHeit Ä. psl. hhhh. — iliiK 11. Ä. psl. leHJk.
H für und neben i (= asl. 'S): jiaraxH .71. für und neben .ibiraxH
psl. A-sraTH.
Anlautendes e erhält sich: e^en psl. le/ljHHTk, gruth. oahh, o;i;eH.
— i für anlautendes e : in],e, ini,H Ä. für eiii,e, iu,e, psl. leujTf. — für e
(== asl. k) ein Mittellaut zwischen e und h, welchen wir mit e bezeichnen
l'l II VI
wollen: oxei];L .a.psl. otku^k. — ashb psl. ,a,kHh. — pa6ei];i.II. Eber-
esche, Sorbus.
a. entspricht dem Suffixe -Hi€ im Asl.: Bojiocfl Ä. collect. Haare.
— CBMixi psl. CTvlUlfTHie fimus. — Becbi.ifl Y. — Doch nach ^i er-
hält sich mitunter e z. B. caMO nme Y. lauter Stengel (mit Blättern), I ■
während in E. ru^ia gesprochen wird (gebildet von rtiKa = Stengel
in Ostgal. gewöhnlich rH'iKa (aus riiKa + tKa) .
Nach Palatalen e: aienä E. — Bnepa Ä. Yc. — mecxtifi Jl.
n. Yc. — Haiuero. Bameniy E. — ero. gm^"'. Doch: n^iojiä. >ko-
JiyAt- Horo (neben erö).
a statt e (ii): Kapxiina Y. E. Maulwurfshaufen f. KepxHHa, Kpe-
THHa; doch Kpex Y. E. Maulwurf. — In II. Kapxiina 1) Maulwurf, j
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 411
2' Maulwuifshaufen. — uapKbi Y. Kätzchen der Bäume, besonders der
Palmweide f. ÖHpKii = eigentl. Lämmer, vgl. cech. beruska Lamm,
rnth. öepy.iMca, öepyieqKa.
Anlautendes o erhält sich: oko. O'iii ä. — oötipBLi .^I. Augen-
brauen. — opt^'V n. genit. BLip.iu oder ijip.ia IT. jedoch in Y). opeya,
nom. plur. ope^bi L.
Dem anlautenden o wird b vorgesetzt : Bona^a Y. collect, stechende
Insekten, Viehbremsen, 6Ba;in. — boko Y. bo'iii Y. — bo.iobo ä. =
o.ioBO, Blei. — .BÖAAajit II. fern = OAAa.ii., BiAAaJifc. Bu^i^ajib bltä
Bü;^LI fern vom Wasser, vom Wasser entfernt, cf. ukr. OAAa-iiK, o^iaJieKii.
Anlautendes o bekommt den Vorschlag r. ropix Y. Nuss. — o
wird nicht gedehnt: cKopa II. 1) Haut; Leder. 2) Rinde: in Ostgal.
meistens CKipa, mKipa, ukr. mKypa. — CKopaHLiii ledern, CKipfliuiil. —
Boilna n. Y. Krieg, gruth. Biüiia. — o in i gedehnt: eiilKa Y. Eichel-
heher gruth. coilKa.
a für 0 (ganz lokal): raBopiiTH Ye. f. gruth. roBopHTH, lemk. rBa-
puTH. a raBopiö, tbi raBoprim. Bin raBopiix (sprich: havorjü, havorys,
havoryt = gruth. roBopib, roBopiiiu, roBopiiTb, lemk. rBapio, rpapiim,
TBapiiT. — a für lemk. o: Bapfa L. pol. warga Lippe = lemk. Bopra,
sprich: vorha. ra.iysb, ra.iysa, ra.iysKa = lemk. rojiyn,
ro.iysa, ro.iy3Ka. — 3a3y.ia Kuckuck, lemk. 303y.ia.
V
y für 0 (ein Zwitterlaut: ö): Bypyöejib f. und neben Bopoöe.!ib
i'i . i'i
Ä. Sperling. — Bypyöei^b neben nopoöei^b ^ c. item. — B^yBeub "3 e.
f. BAOBBUb, psl. Bk^OBbi^K; aber B;i,0Ba > e. = gruth. bjobu. — öxeub
Ä (beinahe yTeu;b) f. oreub.
Anlautendes a bekommt den Vorschlag n: Hcxpeö ^'. B. Yc. astur,
Habicht, bei den Lemken meistens: acTpao, in Ostgal. aexpiö, genit.
Hcxpeöa oder acxpyu genit. acxpyua.
Der präjotirte Vocal a, sowie a nach erweichten Consonanten er-
leidet keine Wandlung: K;i;po Y. Kern. — uuinKa Y. — nmeiiiii^a.
— MKco etc.
e (= iie) für a (ua): ei;e Y. enu,e Ä. f. hhub. — emmiufl Ä. f.
flmiiHua, aemHima (aus aeiHHua).
i entspricht dem asl. a: sanpiriixH Yc. f. 3anparaxH. sanpirää
KOHbi. — c^iicxH. Hec^iicxa Ä. f. ciacxa. iiecyacxa.
a statt des asl. ?h., gruth. y: Kajbi JI. f. ktaii. Ky;ia, psl. K;si,va.
412 I- Werchratskij,
KaAW CTG HuiJiH? Jl. wohin seid ihr gegangen? — AeKii^M Yc. hie und \i
da; doch: Ty;i;i>iHKbi Ä.
Anstelle des asl. /A erscheint yn in: öpyiniaTii II. psl. KpAMaTH.
öpyuTOT nyoitä die Biene summt.
Anlautendem y wird il vorgesetzt: icm. Y. psl. OV/Kf, lemk. meistens L
y>K, gruth. y'/Ke, nace.
Anlautendem j '^^^d r vorgesetzt: ryceniii^a Y. Ä. doch in E.
yeeiii'ma, psl. ;^c1vHHi|,a, im Gruth. ycLibHima, yceimi^a, ryceHHua.
Anlautendem y wird b vorgesetzt: ByAi'ipHTii Ä. f. yAapiiTH. —
Byxo f. yxo.
i für ig: öpix Yc, bei den Lemken öpiox und öpix, russ. öpioxo
Bauch.
Dem asl. 'K entspricht o : B3ay xy a6()hio c njieua 3 0 CBoro JI. — 30 ;,
m^ojihi Ä. (psl. CK et hS'K). — Asl. 'K geht in y über (sekundäre Bildung^ r
des y-Lautes): Bym II. plur. Byuiii, psl. B'kiUk, gruth. boui, — Asl.
•K im Inlaute fällt aus: cxHyrii Y. f. coxiiyTn, psl. c'i\YH;f»TH. — mox L
Y. n. genit. Mxy. '
Dem asl. k entspricht 0: nonep B. genit. nonpio, psl. nknp'k. —
Im Inlaute geht k verloren: TMa Yc. f. TLMa Finsternis. — Asl. k geht |>
nicht in e über, sondern schwindet: nca TL. psl. rikC/A, gruth. neea. '
ncaxa = gruth. necaxa.
Auslautendes k erhält sich: KiHb Y. — pocxonacxt Y. Scholl- <
kraut. — rych II. — rtipxaiib II. Kehle. — nacxb Ä. geballte
Faust. — Jibicxb Ä. Wade. — bojiotl Yc. Rispe. BejuiKa bojicxb
npöca. — AÖcbixb Y. genug. — no^b reß ! Y. xo^b reß ! Y. = komm
her! — cyxb Y., doch in E. cyx, in II. cyxb neben cyx. — In Sub-
stantiven, die vermittelst des Suffixes -klj,k gebildet werden, lautet das
ij; bald weich, bald hart. KpHry.ieii;b Y. Sperber; doch Koceuib Mäher
plur.Kici];bi, genit. Kicij;biB. — KOMapeu; Y. Schnacke, kleine Mücke (plur. j
K0Mapii,bil . — ciineu, Y. Kornblume. — na^taiieu; J. Bruchschlange,
V 11
Blindschleiche Anguis fragilis. — öxeij,b Ä. Vater.
Dem asl. pi». entspricht bip: oöbipBbi Y. Ä. Augenbrauen, psl.
OKpi^ßH, gruth. öpoBii, nom. sing. oöbipBa. — jbipBa II. Holz, psl.
AP'kßt», gruth. ;ip6Ba oder ^pina. — rbipxaHb II. Kehle, psl. rp^kTaiik,
gruth. ropxanb, — nbipray Y. P''ledermaus. — Dem asl. p'k entspricht
ap, selten pe oder ep: Kapxnna Y. Maulwurfshaufen, aber Kpex Y.
E. Maulwurf; in II. Kapxiina 1) Maulwurf »m,o Me^e r.inny no Kyn-
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 413
Kax« 2) Maulwurfshaufen DKynKti Toat ansMe KapTinuKf. — rapTaiii.
Yc. Kehle. — nepxaTii .'I. f. gnith. nopxaTii: nepxaiOT KypLi Kpii-
jraMH Ä. die Hühner flattern mit den Flügeln.
Dem asl. at^ entspricht .le oder jij (.lö) : c.ie3a Ve. psl. cAT^sa. —
jiLiacKa Yc. psl. A'K/KKKA (charakteristische Formen im Lemk. ctiysa
und y^nuji, acnua = psl. a-kh^hi^a). — ö.iyxii .^I. psl. KAT^ya, gnitb.
ßjioxa.
Volllaut. Die volllautenden Formen werden hier beinahe aus-
schliesslich gebraucht. Die im Lemk. ziemlich häufigen Formen wie
r.iae. M.iaAtiil, 3,T,paBfi, cxpaiia, cjiaMa, öpeainia, Bpaxa werden in der
hiesigen Umgangssprache nicht gehört. Lemk. 'ooBeK lautet hier nur
MO.iOBiK, statt lemk. rnapiiTii hört man roBOpiiTii, lokal raBopuTii.
Als charakteristische volllautende Formen, die auch merkwürdiger-
weise im Lemkischen ausschliesslich auftreten, sind zu erwähnen:
oöojioiia y. Haut rech, blana und TepeaßLinV. (psl. TplJ3R'K gruth.
TBepeswH durch Metathesis aus: Tepe3BHii) sowie auch ^le-ieii 6k Y.
Glied, Fingerglied, psl. ha'Kh'KK'K, gruth. ti.ieHeub. Hervorzuheben sind
auch die volllautenden Infinitivformen yMepexii Ä. psl. OV'Mp'kTH. —
cnepeTH Ä. psl. CTvnp'kTH (C/ä). — Tepexii IT. psl. rpIvTH. —
^teperii IT. psl. ^vP'^th. BLiAepeTii IT. — sayepeTii Bo^y (psl.
-Mp1\TH) Yc. Wasser schöpfen f. gruth. yniepTH, cnepTii, xepTH, AepTH,
sa^iepTH ('lepTH, ^lepn-c-TH).
Anlautendes i (= e) schwindet: me Ä. f. ime, eui,e psl. KiiHTf. —
i schwindet im Inlaute: 6ö'me neben 66iim,e Ye. für ööime Ä. Tenne.
— e fällt im Inlaute aus : noMKan E. f. no^eKail. — o fällt ab: uai)3 JI.
für 6ap30, pol. bardzo, Bin 6ap3 CKynara Ä. er ist ein grosser Geizhals.
Accent.
Während im Lemk. in zweisilbigen Wörtern stets die erste Silbe,
in mehrsilbigen Ausdrücken stets die paenultima betont wird, ist der
Accent im Gebiete von Uherci, Bibrka, Polancyk, Lobizwa und Ustia-
Dowa ähnlich wie im Gruthenischen frei und an keine Stelle des Wortes
gebunden. Recht viele Worte werden so wie im Gruth. betont z. B.
Jtici'i Y. Wälder. Heaia .iLiciB BejriiKtix. iienepra^i (uenbiprd'i; Y.
Fledermaus. acoyTopi^iKti Y. nom.plur. Goldammer; ro.iyu rypyiiT
y. KypflTKO i^bBi.iiiT Y. KypaxKa uhBijar Y. eo.30Biii Y.
tämhtii Y. gedenken. cbBflXOKHyHKLi ^'. nom. plur. Johannis-
würmchen. BiBii;H. no.ieAHu;« Y. Glatteis. 3hBipH.in ca aoihkij Y.
414 I. Werchratskij,
saKpyxKi'i AO cicpHiiOK y. BechiÄH. xpodaKM y. Würmer. —
iiypKÖ E. Wasserstaar, Cinclus aquaticus «i niA .ii^iA iiue«. Koryx
nie E. xyxKo E. Wiedehopf. OBeuKLi E. nom. plur. v. oßeyKa in
der Bedeut. Assel, Mauerassel (eigtl. Schäfchen;, atena E. ö.iyxa ]>.
no^KciH E. fl,\yK.ß.niiTj. warte! iiOBiiTHua E. Winde, Convolvulus.
öyKOBe AepeBO E. Buchenholz (um Lemberg: oyKOBe a^'P^^'^)- —
mypLi cyTb no m.iliiuix II. 3a KypMii i^yT Txopi II. :atepeÖÄ II.
yc. Ä. Fohlen, ömkli II. Ochsen. AäibhA II. Färse. nTaiuHH II.
collect. Vögel. >KaBopoHOK II. — ptiöaKLi II. Seeschwalben. xy^Ko
xyAKaT n. der Wiedehopf ruft. BepxtiJiBHHi^fl II. lacerta. AyHtKW
n. Näslinge (Fische). Byrapill. Finnen. KynavKall. plur. KynayKti
Leuchtkäfer, Johanniswürmchen. OKSJieub genit. oave.ibitib II. Eis-
zapfen an Bäumen, nopnaiox ca Kypu II. die Hühner scharren in
der Erde. cii.iHi],a II. Unterkiefer. — mo iia>i Aopore öujio Ä. \
*yxK6 Ä. Wiedehopf. acoyxipKU Ä. nom. plur. Goldammer, bojigch
na rojroBi Ä. Kopfhaar. Bepexti.iibiiHi];H Eidechse, läx naB^iiix Ä.
Ka^iifi genit. Ka^iiÄ ä. Entenzwitter. rycH •"eßöaiox ä. die Gänse
schnattern. öIjibmo ä. ^ep^ay Ä. Wachtelkönig. nyray ye. L
Uhu. cK.iHHKH yc. Gläser. Bißu,« yc. nyojia ye.
Einige Worte und Wortformen weisen andere .Betonuugsweise wie
im Gruth. auf z. B. coBa II. im Gruth. coBa. BÖ^a y. II. Ä. f. Bo^ä.
Bepöa y. Ä. f. Bcpöa, nom. plur. Bepöw für gruth. sepöii. rjiyxa Kpo-
niiBa y. f. r.iyxä KponiiBa Taubnessel. uyAV- ßy^yx Y. f. öyAy»
öyAyx. Myciix y. f. Myciixb als Adv. wahrlich, wohl, es scheint.
BOBaAH y. f. OBa^fl. ßapaiiHHa y. f. öapaHuna. xe^raxiina y. f.
xe.iaxnHa. 3ao5Kh na kohh y3AfliiHU,io y. = sjioacn iia kohh y3AaHimio.
Becbijifl y. gewöhnlich im Gruth. BecLie, doch auch hie und da Beci.ie,
ukr. BBCbijibjrfl. xoro poKy y. f. xoro poKy. öecbiAa pycbKa y. =
öeci'Aa pycKa. HApo y. f. HApo. hhhkhx hö.iok y. f. hihkiix A6äov:.
lacaBopoHOK Plur. acaBopÖHKbi E. doch in II. >KaBopoHOK,3KaBopoHKbi,
gruth. atäBopoHOK, JKaBopoHKii. cyKiio Ä. f. cyKHO. cxoniacKa Plur.
cxöHijKKbi Ä. Assel, im Gruth. gewöhnlich : cxoiiöra, exoHi'-icKa. Kayyp
Ä. gruth. Ka^iyp. Koxa Ä. genit. v. kix gruth. Koxä. bo.ili II. Ochsen
gruth. BOJiH. — 111,0 Beseiu yc. = mo Besem. xyqa yc. gruth. xyqa
starker Regenguss, Sturmregen. xepesÖMii y. nüchtern gruth. XBe-
pesHii, lemk. xepesöbiü. a-ih Koro yc. gruth. gewöhnlich: a-ih KÖro.
xpaMae ajböo KyAHe bIbii;« yc. gruth. xpanäe aöo Ky.iae b. ne^iHKfci
n. plur. von neyiHKa Leber. öiAbi neyiHKLi Lungen. BepxHimKa ye.
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 415
Sabne, Oberes, Scbraetten grutb. liepxiiiiHKa. Zuweilen wird im Infinitiv
das 11 im Auslaute betont, namentiicb , wenn auf das Wort besonderes
Gewicht gelegt wird z. B. iie muhcy cnpo;i,aTii Torü ASbüipa Jl. ver-
kaufen kann ich das Tier nicht, iipouiy rinchMo enoe siA^aTn Meiibi Jl.
ich bitte um Zurückstellung Ihres Briefes, hk oli tli iie xoThiy rpomii
B3HTii 3a Toro ,i3hi;ipa .1. wenn du für das Thier kein Geld nehmen
wolltest. Manchmal werden ähnlich klingende Wörter verschieden be-
tont, um leichtere Verständlichkeit zu erzielen z.B. sauLixiiY. ver-
gessen. 3auuy coKi'ipy b xU/Kii er vergass die Axt in der Hütte. saÖHTU
y. hineinschlagen, siiuiij' rnisAb n A^peno er schlug den Nagel ins Holz
hinein.
Consonantismus.
Liquidae .i, p. }' statt .i: cxiy II. Tisch. — niy II. Ochs. Ana
Bo.iti. — opey n. plur. Bip.ihi (Btip.TLi) II. — ,ii. statt .i: noiieABi.(iiOK
Yc. f. iioHeAi.ioK, genit. noneAbi.itKa.
II statt Ji: .itiTeniiLiil Yc. f. JiiTenjmü lau, etwas warm, .ibi-
xenna noAa laues Wasser. — ATniiaBtiä Yc. f. ATn.iauiiil. AynHaBa
fl.iHUa hohler Tannenbaum. — niiAanei; Ä. Blindschleiche, Anguis
fragilis f. nuAaaeub B.
il für .ib: npailiiiiK E. Waschbleuel, psl. npaAbHHK'K.
Bei den mit dem Suffix -apiix gebildeten Substantiven lautet p im
Nominativ hart aus: Binuäp, ropuap, öoAnap; in den casus obliqui
tritt mouillirtes p auf; BiB^iapa, ropyapK, öoAiiapa, BißyapbOBH, rop-
yapbouH etc.
Erweichtes p in: })aAbixH, KpaK, ao Mopa, ranopiö, iiiapio;
pboxKaxH E. pboxKaiox CBiiiibi die Schweine grunzen.
Sibilante c, 3, ii;. cb für gruth. c: pycbKLiil Y. E. f. pycKnil,
! psl. pov'CiiCK'K. Kpail pycbKbiii Y. öecbiAa pycbKa Y. — MopcbKBiii
; E. f. MopcKiiil, psl. MopkCKTk. MopcbKbi nau,axa cyx b iiami xbiacH
; Meerschweinchen sind in unserer Hütte. — clbicbKO E. f. .Ticko. —
: nacbMo Yc. f. nacMo. iiacbMa a.iböö cjioiii b a.ii'mbi die Jahresringe im
Tannenstamme.
j m für c: mKapa.iyma Ä. f. cKapa^yma Schale, Eischale.
I A3 für gruth. 3: Ase.ieHLiil A. Yc. f. 3e.ienHi1. A3e.iena a:äda
( Laubfrosch. — A3bBip genit. ASbnipa Ä. f. 3bBip, Sbnipa (stnipa),
; psl. 3Blipk.
3b für gruth. 3: pi3böbiil Y. f. pi3Biiii cf. psl. pliSK'K.
41(5 I- Werchratskij,
K statt grufh. n: KHUTiiyrH V. st. ußiuiyTii, ubhctii. ^epei.n
KBHTHe y. Bi;i;KBHTiie y. — KBiTfl y. f. ubiJiTH coUcct. Bltimeii, Blüten.
Dem asl. Suffix -kUh, entspricht meistens ei^b, doch scheint der
weiche Ausgang dem harten allmählich zu weichen: oxenb und otvu,
(oTen), CHiienbund ciiHeii;, CKpHry.iei];i> und CKpyry.iei;.
-;iUb statt des lemk. nu,: sdnixh Y. B. uricHUib Y. E.
Dem asl. Suffix -Hi^a entspricht durchweg -ima: nmeHiiusi
Weizen. — nojie^tima Y. 13. Glatteis. — iiaBa.itHiiu,« y. Schnee-
verwehungen , Schneewehe, starker Schneefall, — cLiii>Ki'm;a y. II.
Schneewetter, Schneegestöber.
Palatale i1, >k, n. m. Nach i1 steht o: iloro, iloMy', ao iiboro
etc. oft neben ero etc. (siehe Vocalismus unter e).
ac, y, m werden nicht weich ausgesprochen: ataBoponoK. ata tu.
BHÄ^y. xoA^Ky. yac. xoyy. rti^ia. inanKa. uihjio etc.
u; für ^: ööi^an Ä. cech. bocan Storch. — ii;h ä. f. yii. — u;ii.ii
E. oder, pol. czyli. — inai^e y. f. inaye.
^i für in: ^KOiia Y. f. uiKo^a Schaden, — miOjiÄUBiin Y. E. f.
mKO^jiHBni'i, schädlich. — ^uuiKa Ä. f. yiiiuKa patella. Kniescheibe.
Dentale t, a, h. a wechselt mit t: ^yp^ix neben Typicir II.
Klopfen, Poltern, Rollen (vom Wagen).
Ab in 5: ABaiii];HTb II. (aus ABaAeeaTii, ABaABCyiTii, ABaAbu,aTH.
ABafmaxH, ABaHU,aTb), TpHHU,aTb II.
i1 für Hb in den Deminutivformen der Adjectiva wie: ciiBeäKtiä
y, f. CHBeHbKHH. — MajienKbiii Y. MajieiieÜKbin y. für Ma.ieubKHH,
MaJteHBHbKHH parvulus.
u], für ct: cbBaxou^n Ä. f. cbBaTocxii (Nom. pl. von cbBaxicxb)
heilige Sachen.
Gutturale k, r, i', x. f statt k: Mbii'axii Ä. f. MHKaxii hin und
her bewegen, nee Mbir'ax xbocxöm der Hund wedelt mit dem Schwänze.
i" für r: i^'pysbjio E. in Ostgal. gew. rpysiijio Senkblei, Senkel.
— focnoAapHXH (sprich: gospodaryty) Ä. f. rocnoAapHXH (sprich: hospo-
däryty).
r für x: ^lepeByra E Ä. f. yepeByxa Rhodeus sericeus, Bitterfisch.
Labiale n, ö, b, m. k statt n: Kjeöainia aus dem pol. plebania
Pfarre, Wohnung des Pfarrers. — niAKO.ioxbKo E. aus niAnojioxtKO
(der Wachtelruf wird vom Landmanne scherzweise: niAno.ioxb! oder
niAnojiixb! gedeutet; nojioxii jäten),
B für asl. K : BOBaA y. II.E,./[. Rinderbremse, Tabanus, psl, OKa^.'K.
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 417
.1 statt grnth. u: miina.iKa Yc. f. miinanKa, Ohrwurm, Forficula.
ö statt b: piabÖLiil y. f. pisBHH. pi3b6a BÖ;i;a frisches Wasser, cf. psl.
p'kSß'K i9-(>affvg, audax. — Tepe36tiHy.{au3: TepessHÄ) psl.rp'feaß'k,
lemk. Tepesöuii. gruth. Tüepesnil.
xfür*: KaxTaii E. f. Ka'i>TaH. »KaxTaii no.ioTiiaHHil, uijilih.«
H für m: iiisHJitHBiH na.Teu(b) Ä. f. Mi3ii.ii.HHA na.iei;i..
Assimilation und Dissimilation der Consonanten.
H — p in p — p: py.Mep E. f. uyMep, Nummer. ejeH, pyMep; p — p
zu .1 — p: .ii'map .'I. (genit. .Ti'mapH, vocat. .iiiuapio) aus: pnnapb, Ritter.
Consonanten Verdoppelung.
.IBJiaTH Ä. statt JHTH. BLIJIb-iaTH St. BblJTflTH.
Anfügung von u an die Vocale des Auslautes.
TOAH-ii. TOAbi-fi-Kti Ä. dann, sodann. — tjah-h. Ty;i,ti-ii-
KW Ä. hieher.
Schwund von Consonanten.
II 11
Anlautendes j schwindet: iiect E. iiecbKti E. heute, jetzt, psl.
;i,kHkCK. Anlautendes r schwindet: jorLiY. doch in Vc. imoili Nom.
plur. V. rjiir, Weissdorn, Crataegus oxyacantha. Schwund des anlau-
tenden b: mtiTKO (uiHTKo) y. für und neben buihtko gemeinruth. Bce.
— CTeK.iLiil n. cech. vztekly pol. wsciekiy. nee cxeKiMii wütender
Hund; doch: nee BcxbiK ca der Hund wurde toll.
5' fällt aus (in o\' aus asl. A'k oder y = jio ^= asl. Mx): ao'öhä
Ä. f. AOBÖHH, grössere Keule. — aÖKO Y. Ä. Yc. . . . psl. aBAivKO,
gruth. HÖJioKo. — jo'öaxH Y. (cf. psl. ^IjAT^kcth).
Ausfall von p: EiÖKa E. f. EiöpKa: jedoch: Eiöpane = yRiirejü.
ce.ia EiÖKa (= EiöpKa). — n wird elidirt: eii;e Y. ovum, Ei; doch eilite
plur. €i1u,a Jl. psl. a\e. (die im Gruth. 'gebrauchte Form mu.e ist eigtl. ein
Deminutivum von *nane). — t schwindet: oÖKticb Yc. f. oÖKHCXb,
oKiicxb Reif an Bäumen, zugefrorene Eiszapfen an Baumästen, genit.
"HKuexn. Miioro oökhcxh na AepeBnnbi. — ^ocb Yc. f. aocxb aus ^o-
ctixL, (ao clixh) genug.
Ausfall von n: ropyoK Ä. aus ropnqoK, genit. ropuKa; im Gruth.
ist die minder regelmässige Form: ropmoK genit. ropmKaim Gebrauche.
3 röpuMH Ä.Y. (v.ropneub) mit den Töpfen cf., psl. rp'KH'k, rpTvMkUK.
Abfall der Silben: no E. f. ^oro oder noyif warum, weshalb, aus
welchem Grunde: xa no 6u ne May yäcy. — xoy Ä. f. xoiieui. poö, u^o
\o»i = poÖH mo xoiem.
Archiv für slaviäche Philologie. XXV. 27
418 I- Werchratskij,
Metathesis. iwat statt des gruth. >km: MyKypiiTn .T. f. gruth.
acMvpiiTH. saMacypiiy oko = 3aac.MypiiB 6ko er blinzte mit dem Auge,
er kniff ein Auge zu, er nickte mit dem Auge. cf. psl. MkH^aTH
nictare, oculos claudere. noMkJKapHTH. CbUkJKapHTH, cech. mliou-
rati, mzourati. Die lokale Form iviacypuTH ist ursprünglicher, als die
durch Metathesis entstandene, der leichteren Aussprache wegen sowohl
im Volksmunde , als auch in der Schriftsprache jetzt bei den Ruthenen
allgemein gebrauchte Form jKiwypHTH rad. luikr.
2. Zur Stammbildungslehre,
Einige merkwürdige Suffixe.
Substantiv a. a. masculina. -ätXh. nepnä.ib II. plur. nepHajiBi 1
Larve der Rinderbremse Hypoderma bovis. — Mypjijib II. plur. My-j
pajiti Ameise, formica. — -Hllik. Bopoxiim Y. Rainfarn, Tanacetum
vulgare. kHk. niAÖepeateiit Y. plur. niAÖepeacHbi Uferschwalbe,
Cotyle riparia. aH'K. cLBipraii E. Gryllus. ctBipran cLBiprax die
Grille zirpt. 'KK'K. MesBeAÖK Ä. plur, MCABeAKH Maulwurfsgrille,
Gryllotalpa vulgaris ; in Ostgal. gewöhnl. MOABe^tuK plur. MSÄBeAHKii. —
-T^KC. xyxKo E. n. <i>yTK6 Ä. Wiedehopf. — KpaMKo 11. Yc, Ä.\
KpyMKO E. Rabe, Corvus corax, KpyK. kKO. niAKOJiOTLKO E.
Wachtel, Coturnix communis. aK^K (-laKTk). A3K)6äK Y. Schnabel.
— ptiJiHK Yc. Rüssel. lara. cKyn/ira Ä. Ye. Geizhals.
b. feminina. -HAW. BopoatiiJiH TT. iu der Bedeut. Marienkäfer,
Coccinella (septempunctata), eigtl. Wahrsagerin. — -0^'^^^- KBii^iyjia
E. Krammetsvogel, Turdus pilaris (hie und da von den Lemken »|KBini'f
genannt). OAia. 3KyKÖ.ieE. (statt der zu erwartenden Form: atyKo.i
Name einer schwarzen Kuh cf. jKyK = Rosskäfer, Geotrupes sterco-
rarius, dessen Epitheton in den Liedern: yöpiinit, z.B. IIo ^oposbi ^KyK,
no Äopösbi TOpHHH ! fJKk. raxbijK Y. genit. raTLiatn gen. fem. und
raxLi^ genit. raxtiaty gen. masc. BejniKuä raxtiac E. Treibeis, aufge-
thürmte Eismassen auf dem Flusse (cf. raxt, raxiixii). ama. pa-
näHK n. oder ponyxaHH H. Kröte, Bufo. — -(TA. cnnexa 1'
Kornblume, Centaurea cyanus.
c. neutra. -Hi€. BOBa^Ä Y. collect, stechende Insekten, Vieh-
bremsen. — BOJioxi Y. collect. Rispen. AT. CKOxa (TBopiBHe.i
cxy;i;eHe, CokIbiihk) junges 1 — 2jähriges Rindvieh ; plur. CKOxaxa. —
H JiB^ia n. Kalbe; junges Hornvieh, plur. Miß^axa. — nynqä Y.
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 419
Komponirte Nominalstämme.
Von zusammengesetzten Ausdrücken seien hier erwähnt: yopiio-
KHjiacniiK Ä. Schwarzkünstler, Tauberer. — ALipBopyö Ä. ein
grösserer Klotz, an dem Holz gespalten wird.
Einige Substantiva haben anderes Genus, als im Gruth.: no.io-
Miub ist gen. masc. z. B. He.iuKLiil iio.ioMinb IT.: in Ostgal. ist no.ioMiiih
gewöhnl. gen. fem.; im Ukr. nojyittfl gen. neutr. — Mi.ii. gen. masc.
z. B. Mi.ih norpM3 kokvx V.; in Ostgal. ist m.ih gew. gen. fem. —
öpocTb genit. öpocxii ist gen. fem. se.iena (jpocTb; bei den Lemken gen.
masc. TOT öpocT. — atiißopoiiKa Yc. Lerche, alauda. gen. fem., im
Gruth. acäcopoHOK gen. masc.
Am meisten dürfte .liKTü Y. Ä. == Ellenbogen auffallen, welches
generis neutrius ist z. B. caho jiIkto, genit. eAiioro jiiKTii, während
dieses Substantiv im Gruth. generis masculini ist und .i6koti> genit.
.iiKTfl lautet (psl. At\K'KTK, genit. AaK'kTH gen. masc).
Adjectiva. -HCTik. piiiiicTtii'i Ye. mit Rollsteinen bedeckt, mit
Rollsteinen überfüllt. 3e.M.ia piniicTa. no.ie piniicTe (cf. piiib = Ge-
schiebe, GeröUe). iianajiicTtiil Yc. auffahrend. — -acTii. iioaob-
roBacTLiii Y. länglich. racTT\. Bii.i'iacTLiri Y. gabelig. Bii-niacTa
ra.iy3a Y. Gabelast. — ciiBacTbiii Y. graulich. eiiBacTa bIbuh. —
-Oß'k. noaiiiTKOBbiil Y. nützlich, nutzbringend, toto kbith hb no-
acHTKOBe diese Blumen sind ohne Nutzen (nutzlos). — -aK^K. jrbiKa-
BLiil Y. zäh. nopoxnuBbiH Y. morsch, vermodert. — xpicKaBbiil Y.
klatschend, aufspringend, reissend. xpicKaBbiri .MaK Klatschmohn, caM
Ol po3ebiBaT (poccbiiiaT): vlepyT iia ropa'iKy, aK xto 30xopie. cipaBbifi
Ä. graulich. AHß'k. iianbipcKJiiiBbin II. aufbrausend, schnippisch.
Verbalthemen.
cbiTHy-Tii n. sprühen (vom Regen). 3 MpaKy cbiTiiyy aou;.
I 3 MpaKy cbiTHe Apiönuil ^oui,. — cbiTHii-xii II. sprühen (vom Regen).
I CbiTHHT Aom;. — SÄpyTBi-xii Ä. oder 3ApeiiTBi-Tn Ä. vermodern,
! faul werden. At^peBO 3;ipyTBie das Holz wird morsch. — yBii;i,bi-TH
I .1. erblicken. — ubBi.iii-Tn Y. piepen, kläglich schreien (cf. kbhjihth) :
KypaxKO ubBÜiiiT das Küchlein piept, KypaTKa i^bßijiaT die Küchlein
piepen. — Ba.ib'iii-Tn iia Koro .1. jemand bekämpfen: gegen jemand
feindselig auftreten. — pi3nH'iH-Tii II. das Fleischergeschäft betrei-
ben, pisHHKOM öyTii. — r.iaja-TU Yc. suchen, niajaft b xbiatn co-
Kbipy suche die Axt in der Hütte. — öiluKa-Tii ca !>. stossen. 6;'tu-
KaiOTca öapaiibi die Widder stossen mit ihren Hörnern an einander.
420 I- Werchratskij,
3. Zur Wortbildungslehx'e.
Deklination der Substantiva.
.leii genit. jeiiy; .leB genit. jieBa; opeygeuit. opeya, nom. plnr.
opeyLi E.; doch genit. inpjia II. nom. pliir. ßipjiJ H.
Hervorzuheben ist der Genit. Sing. ^lacu f. 'lacy z.B. yacti mhöfo
II. viel Zeit; ^lacH Majio 11. wenig Zeit (= ^laey Miioro, yacy Majio),
welche Form in dem lerak. is ^oitti f. ia AOJiy ihr Analogon findet.
Txip genit. Txopa II., doch: KpijiL genit. Kpi-in nom. pl. Kpijiti
n., im Lemk. Kpi.ib genit. Kpcia,
0Tei],t genit. bItu,«, dat. BiTUiib etc. vocat. oxye! Im Nomi-
nativ schwankt die Aussprache zwischen otcii;!, (oTeu;) und yxei^b
(ÖTeii,t). Meinem Dafürhalten nach ist die Aussprache yxei^t ein Resi-
duum aus älteren Zeiten , wann noch o in y gedehnt wurde und man,
ByTii,a, Byxuiio (= psl. OTbU,a, OTbU.or) etc. sprach. Die Dehnung
wurde auch auf die Nominativform übertragen: (Bjyxeii,b. Aehnlich
entstanden im Lemkischen aus der gedehnten, älteren Form ByBi];^ (aus
0Bii,a = psl. oiikij,a, gruth. bIbi^h) die jetzt von den Lemken häufig
gebrauchten Formen : ByBU,a, yi];a. ho roxi> Fingernagel hat Nom. plur.
Hirxa Ä. Yc. = gruth. Hirxi. nojroMiHt genit. nö.iOMenii II. cf. psl.
nAaiUlivi, ni\AM(H(, im Gruth. no.TOJiiiit genit. nö.ioMiHa, nach Kint, oder
no.iOMiiiL genit. nojoMinii nach Kicxb: im ükr. ist n6.iyMH genit. no-
.ly.MH gen. neutr. nach II, 3.
^ ü
Zu merken ist der Instr. Plur. ropij;MH Ä. von ropHei];L.
Instr. Sing, der Subst. gen. fem. auf -oy (= gruth. -oio) z. B.
CBÖiioy Aopöroy Y. — öpiixBoy Y. — BOAoy Y. : sehr selten werden
auch lostrnmentalformen mit dem Ausgange - o m gehört, welch' letztere
im Lemkischen bei weitem überwiegend sind.
Genit. Plur, der weibl. Subst. auf -Ib sind häufig: naxb ceexpiB Ye.
== gruth. nflxb cecxep: koöli.iib neben koöli.i: Ei.itxiB Yc. neben
Bi.ibx Yc; BspöiB neben Bepu: — doch immer icyp (v. Kypa).
KopÖB (v. KopoBa).
Merkwürdig ist der Instrumentalis KypMii statt KvpaMH (nach
C'kiH'KlUlH, BOA'KMH gebildet). xoAii.ia-eni sa KypMii = gruth. r xo^ii-ia
3a KvpaMH (KypKaMH oder KypHii;aMH). Diese Instrumentalform eigtl.
zu icyp = Huhn gehörig verdrängte die Form KypaMii (v. Kypa Henne].
3a KypMH i^yx xxopi die Iltisse stellen den Hühnern nach.
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 421
Zu notiren ist der Nom. Plur. cbB«TomH Ä. (für ebBSTOCTii von
cbBHTicTb) = heilige Sachen; ähnlich im Ukr. jioßomH Liebessachen,
Liebe; xiiTpou;H listige Kniffe, List, iia xinpoinu iiiAHUTHCb List er-
sinnen, auf listige Weise handeln. — Instrum. Sing, cbiiiev'. koctbv.
no-ioiiey; Locat Plur. b ctinex E., na >K6p;Tex B., y Aßepex 1).
— BbiMü .T. genit. blim«, dat. blimio etc.; i.Mn genit. imh etc. also
nach der IL Dekl. o imiKuiiM Imio. — uepKOB Genit. uepKBii (uepKBe)
Instr. i;epKBOV'.
Spuren der nominalen Deklination der Adjectiva.
Dativ. Sing, no pycbKy 11. ruthenisch, no Tiixy still. — Accusa-
tiv. Sing. a:öyT0. qepBoiio. cinio. Kpaeiio (als Adverbia gebr.). —
Echte Adverbia werden von den Adjectiven gebraucht: Aoöpi, 3.1 bi,
.iiiu;Hbi, KpacHbi.
Pronomina.
Statt der Accusalivformen >ifl, Ta, ck werden häufiger Genitiv-
formen Meiie, Teöe, ceui! gebraucht: BiiAbiy MSiie, npomy xeöe, caM
aäÖK) ceöe. Die Genitivformen werden nie durch Accusativformen er-
setzt, also: AO 51 6 II e, ao Toöe, j.o ceöe, während die Lemken ao mhh
(im), AO Tfl, AO ca. etc. sprechen. — Statt miioio, toook), coöoio wird
MHoy, Toöo}', coöoy gesprochen.. — Die enklitischen Formen m, r'i, ei
werden ziemlich häufig gehört, xon ASbßip B-iacTiiBbiä m ecx das Tier
ist mein Eigenthum. — Die Formen iioro, iioMy, äo iiboro werden
häufig gebraucht, daneben auch : ero, eMy, äo nero. — Statt Moero,
TBoero, CBoero, >ioeMy, TßoeiMy, cBoeMy wird meistens >ioro, XBoro.
CBoro, MOMy, XBOMy, CBOMy gebraucht. — Statt gruth. namoro,
Bamoro, luiuiOMy, Bamo.My hört man öfters uamero, samero, iia-
lUisMy, BamsMy wie bei den Zamischantzen (SaMimaHUi). DerAccent
schwankt: no nameMy Y. und no nameMV E., no BanieMy Y. und
no BiiuieMy B. — Im Instr. Plur. der Pronomina werden gewöhnlich
regelmässige Formen: xbiMH, uhmh, aioiliMH, XBoili.Mn etc. ge-
braucht, nur sporadisch treten die bei den Lemken üblichen Dual-
^ formen wie xbiMa, MoiliMa etc. auf.
I Zusammengesetzte Deklination.
I Im Nom. Plur. für alle drei Geschlechter werden oft zusammen-
Igesetzte Formen gehört: uepennbiiii 3y6bi Backenzähne, öi.ibiiii
'pLiöti y. weisse Fische. BmwxKbiili AtiiJ'iaxa Y. sämmtliche
Mädchen. Statt gruth. Becb wird nur BUibixKbin (BmHXKtiii) gebraucht:
BiubiXKbiil x.ibiu : doch BCbo e;i,n6 II. alles eins.
422 I- Werchratskij,
Instr. Plur. der Adjectiva lautet auf -hmii. cliblimh uo.iaMH, Aa-ie-
KfciMH ;ioporaMH, co.toaklimh flÖKaivni.
CHiitiH, CHiia, CHHe blau (bei den Lemken: CHHiil, cinifl, cHiie .
Numeralia.
e^eH, e^na, ejyno (seltener cAen, e^na, e^Ho) = grutli. oahu,
o;^IIä, o^Ho; xpn hat imGenit. xpLOx, Dat. -rptoM etc.; uixtipH Genit.
uiTBiptox, Dat. lUTwptOM etc. wie bei den Lemken. — naxi..
luicTt. clIm. sietiM. ;i;eBHTb. AecaTt. — eAennaäi^eTb Y.
CLiMHafiiieTfc y. ABaHii,eTi> e^en Y. — eAeHHai^aTt Y. ABaö-
miTh n. TpiifmflTt n. copoK gr. reoaaQC(Y.ovTa ngr. ociQÜ-Kovra^
oaga-Aoarrj (bei den galizischen Lemken : ^lexLipAecHT, yoTwpAecflT,
psl. MtTKipri J!L,(CiiiTH].
Wenn Einer mit Zehnern verbunden werden, so werden oft die
Einer vor den Zehnern gesetzt, wie es im Deutschen durchaus üblich
ist: Tpii ABaimaTL 11. drei und zwanzig; cbIm /iiBaHii,aTfc II. sieben
und zwanzig, während im Gruth, nur ABai1i],aTi, xp« , ABai1ii,aTt cim ge-
braucht wird. — naTLAecHT. micTtAecaT (naACcaT, luicAecaT^
CLiMAecHT. BicLiMAecaT. AeBaTLAecaT II. (AeBHAecaT), welche
Formen den asl. nATk js^iCAT'K, lUfCTk ^ecATi*, CfA^""^ js^tc^Tii.,
ociuik /k.fC/AT'K, ;i,fK/ÄTK j\,(CAT'K entsprechen (AeeaT asl. ^6C/ÄT'k
Genit. Plur. v. Aecaxt asl. /k,fC/ÄTk) und regelmässiger sind, als die in
der ruth. Schriftsprache in Galizien gebrauchten Formen naxbAecaTh.
ciMABCHTL etc. , in welchen AecaTb als erstarrt und indeklinabel auf-
gefasst wird.
TpeTLiä. Tpexa, xpexe Y. [bei den Lemken weich: xpexiH(bei-
nahe: xpextiil), xpexa, xpexe]. luecxtiii sextus. ceMtifi septimus etc.
Eigenthümlich sind die Multiplicativa : ABinyacxtiil 11. duplex.
xpiä^iacxLiH n. triplex. bhjiu xpiSuäcxLi in der Bed. dreizähnige
Gabel. ^lexBepacxiiil. naxepaexLiH. AecHxepäcxfciH.
Als Distributivum zu merken: no-eAen II. z. B. Bin no eAen ropix
Kycax n. er zerbeisst eine Nuss nach der anderen (auch bei den Lemken
z. B. rycaTOK ctiiinx, no gagh xjitiö cmli^hx) im Gruth. no OAHOMy.
Verba.
1. Pers. Plur. lautet so wie bei den Lemken auf -mo. yijHpuMe
y. xoAHMe y. roBopiiMe y. Maeivie y. ctnißaMe y. SHame^.
und snaeMe y. KycaMe II. Nur selten tritt die eigentlich ruthenische
Endung -mo auf z. B. nasLiBaMO E. AaMÖ Ä.
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko. 423
Bei den Verben der V, 1 Kl. wird der Präsensvokal mit Ausnahme
iler 3. Pers. Plur. ausgestossen: nasuBaM, iia^biBain, iiaaMBar;
iiaabiBaMB, nasBiBUTe, 3. Peis. Plur. nastiBÜiOT. — noyöupaT Y.
I i'üat KaTy.iflT ch no auKOx Y. — co.iobih TtöxKax Y. die Nachtigall
' schlägt. — cbniBaT Y. noBiAaiw Y. noBiAar Ä. — Seltener sind die
Formen mit dem Präsensvokal: nasLiBuio, nasLiBaeiii, iiasuBiie;
iiiastiBaeMe, iiaaLiBaexe u. a. — Von MaTii habe ich nur muio,
Maem, Miie; MaeMe, Maere gehört (bei den Lemken gewöhnlich: >iaM,
Mam. Mar; niaMe, Maxe).
Im Imperativ wird das Modussuffix ii öfters zu h abgeschwächt wie
iu: xo^t, n.iexB, iiecb, Me-ib, iio.tb, Ko.ib, öy^i». raxb, cxaiib,
rbiiib u. dgl. ; nach p sowie auch nach Palatalen und Labialen geht das
j durch Abschwächung des h entstandene b verloren: oep, nojio»:, pym,
' pbiy, poö, .lyn, mob.
■ Imperat. plur. n.ioxbMe, n.iexbxe, uecbMe, iiecbxe etc. neben
j den im Gruth. üblichen Formen: n.iexbiM, njrexbix etc.
Die imLemk. gebräuchlichen Formen ÖLi.ia-eM Ä. cbniBa.ia-eM
H ähnl. werden auch hier gebraucht, neben 6bi.ia-M, cbniBa.ia-M,
welch' letztere Formen übrigens in allen ruthenischeu Mundarten in
jGalizien angetroffen werden.
Von Imperfectiven wird Futurum durch Verbindung des Infinitivus
'oder des Particip. praet. act.II. mit dem Präsens von öy^y ausgedrückt,
z. B. uyAV cbiAi'ixii oder öyjiy cbi^ay- o"" öyAyx ebi;i;axn oder
OHii öyAyT cbi,T,a.Tn Y.
Passive Form wird so wie im Gruth. ausgedrückt, doch im Ganzen
selten gebraucht z. B. xBoili cyKiibi xoöi 3.3 6aceiibi öy^yx Ä.
Hervorzuheben ist die Ausdrucksweise: öo Xbi öbi cMepxey sicxay
noKapaiibiii .1. denn du würdest mit dem Tode bestraft werden.
Zur Syntax.
Was die Syntax anbelangt, so sind keine besonderen Eigenthüm-
iichkeiten zu verzeichnen, die einzig und allein diesem Dialekte zukämen.
Die Imperativform öy^b wird ähnlich wie im Lemkischen den ent-
' sprechenden Pronominibus vorgesetzt also: öy^fc Koxpbiii, öy^fc
laKbiii, uy;i;b iu;o = lemk. öja Koxpbiß, uyA hkuü, öyA uixo = gruth.
jKoxpHH 6yAb, KoxpHH HB öy^t, flKiiil 6jß,h, flKHH HB 6yAt, mo öyAb, mo
He övAb (auch: Koxpnil iie öy^b, hkiiii iie öy^b, mo iie öy^b).
Dativus wird öfters statt Genitivus gesetzt in solchen Fällen wie:
424 I- Wcrchratskij, Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko.
i
OTeij,b ci'iiiaM, MäTii, A^^TeM für OTei;b chhIb, MaxH ÄtiTeä, was
übrigens auch in anderen ruth. Dialekten gefunden wird.
Instrumentalis wird stets so wie im Gruth. und Asl. ohne Prä-
position gesetzt: nepom nHcaTH, iiO/KeM pisaxH, cepnoM ataTii.
während die Lemken , sowie die ungarischen Lemaken in solchen
Fällen meistens den Instrumentalis mit der Präposition c, 3, 30
(= psl. CK) gebrauchen, also: c nepoM nncaTH, 3 ho5Kom piaaTH, 30
cepnoM »:aTH.
Hervorzuheben seien die Redensarten: Ba.(it^iHTH na Koro jmd.
bekämpfen. öy^yT na TeCte BajibyiiTH Ä. man wird dich bekämpfen.
60 na Teöe BmLiTKti Ba.nMaT Ä. denn alle sind deine erbitterten Gegner.
— BLiJioKHTH rpomH Ä. Geld ausgeben. — ;i;o cBBira für b ctsiT.
niiuoy ^o cLBiTa Ä. er ging in die (weite) Welt, tu noilixay äo ctBira
rex Ä. du bist in weite Weltgegenden gefahren. — Eigenthtimlich ist
die Ausdrucksweise: Bin öap3CKyiiara JI. er ist ein Geizhals im
hohen Grade.
Das Reflexivpronomen ca kann in dieser Mundart, wie in allen
ruthenischen Dialekten Galiziens vor oder nach dem Verbum , zu dem
es gehört, gestellt werden, bih gü HasLiBax und Bin iiasLiBax cü.
Vor ca und dem bezüglichen Verbum können auch andere Bestimmungen
treten: Bin ca tltm xji6ni];eM xtiuiHX Ä. öapso ca Aoöpe b ^iKOjax b^iht
Ä. a bIh ca xox xji6nei],t ntixae Ä. u,li a ca b iiK6.aax iie yiy? X
Als concessive Konjunktionen werden a^ejii, ejKejii gebraucht:
acejii XLi an spoönm xoxo wenn du mir dies vollbringst. — ea^ejii toto
sepiio 3Öepein wenn du dieses Getreide sammeln wirst.
425
De (luelques deplacemeuts d'accent (laus les dialectes
slayes.
ij. J/l.i//^
M. F. de Saussure a reconnu
que »Taccent lituanien sest re-
gulierement port^ d'une syllabe
en avant quand, reposant origi-
nairemeut sur une syllabe douce
(geschliffen), il avait immödiate-
ment devant lui une syllabe rüde
(gestossen)« (Indo-ger manische
Forschungen, vol. VI, Anzei-
ger, p. 157); il a öte indique ix.
diverses repvises que pareille loi
etait valable pour ceux des dia-
lectes slaves qui n'ont pas un
accent ä place fixe (voir, en der-
nier lieu, Memoires de la So-
ciety de linguistique, XI, 345
et suiv.), et M. R. Gauthiot a in-
dique (1. c, p. 344 et suiv. : cf. maintenant Pedersen, K.-Z. XXXVIII,
332 et suiv.) comment s'explique en slave ce glisseroent d'accent (pareille
loi est aussi enseign^e independamment par M. Fortunatov, malheureuse-
ment Sans aucun detail, KpiiTiniecKiii pasöopTt . . . y.itflHOBa, p. 62 .
L'importance de la loi est teile et les exemples en sont, en partie au
moins, si obscurs quil ne sera pas inutile de discuter ici certains faits
dialectaux qui tendent ä la confirmer.
M. 0. Broch a observö dans le russe d'üblya (en Hongrie) la flexion
suivante des verbes en -aje-\ 1"® pers. sing, hyväuu, S'""^ pers. plur.
byvcmut, mais 2^™® pers. sing, byvas , et de meme avec accent sur bij-
\k toutes les formes qui, ayant -aj'e- en slave commun, ont subi la con-
traction en -a- (Archiv, XVII, p, 404, et YrpopyccKoe iiapiyie ccjia
^Y6äii, p. 106): cette accentuation rdpond exactement ä celle du serbe:
'^bivaju, mais biväs, k ceci pres que le serbe a remplac^ l'ancienne
1"* personne *bwaju par bwäm\ l'explication du fait russe dialectal
et Celle du fait serbe sont exactement les memes (v. M^m. Soc. ling.,
426 0. Meillet,
1. c, p. 351). Le contraste entre le russe d'üblya clrimmmt et le Serbe
drljhnajü indique simplement une difförence de l'intonalion radicale,
douce dans s. drtjemäm , rüde dans ce dialecte russe ; des differences
de ce genre se rencontrent par ailleurs , ainsi s. klänjaii avec a rüde,
en regard de -lägati, avec a donx.
M. Pedersen (K.-Z., XXXVIII, 335) eonteste la port^e de rargument
tirc de l'opposition de s. ^Igrü's : igrajü; il lui parait )' surprenant et
invraisemblabletf que le deplacement d'acceut d'une syllabe douce sur
une rüde suivante ait eu lieu independamment dans les divers dialectes
slaves; et ilpr^fere poser une loi en vertu de laquelle une tranche rüde
devenue douce secondairement perdrait son accent au profit de la syllabe
pr^cedente; il explique ainsi un genitif pluriel tel que s. jezikä en
regard ÖlQ Jezik^ jezika\ mais pareille loi ne trouve quelque appui dans
les faits que pour le serbe, tandis que le type \grajü est attest^ en kasub
et dialectalement en russe; de plus, en serbe meme, eile est fort incer-~
taine; en efifet eile n'explique pas ioiwi: £elenü doit en tout cas etre tenu
pour analogique, et aussi le type dialectical lüpezä (Resetar, Stidslav.
Dialektstudien, I, p. 79); d'une maniere generale, il n'est pas
douteux que, dans le ddplacement de l'accent au genitif pluriel serbe,
lanalogie ajouö un grandrole; des lors il est legitime de supposer que
koritä^ orähä par exemple ont conserve l'ancienne place de l'accent et
que korito, brali ont l'accent sur i et sur a eu vertu de la loi de M, F.
de Saussure ; tous les mots qui n'ont pas l'initiale douce et la seconde
syllabe rüde devraient ä. ranalogie le recul de l'accent du genitif plurie'.
— Au surpius, le caractere dialectal du deplacement d'accent d'une
tranche douce sur une rüde suivante n'a rien de surprenant ni d'invrai-
semblable ; car de ce qu'une innovation est commune ä plusieurs dia-
lectes, il ne suit nuUement que, comme le croient encore beaucoup de
linguistes, eile soit anterieure ä la Separation de ces dialectes; les inno-
vations se produisent independamment dans chaque localite, ehez chaque
individu, et l'identite des innovations n'est qu'une consequence naturelle
de l'identite des conditions dans lesquelles se transmet le langage d'une
generation ä l'autre dans des dialectes ayant une meme structure.
Sans etre aussi lumineusement clair que celui des verbes en -aje-,
le fait suivant emprunte aux dialectes serbes vient aussi apporter ä 1;*
loi une pr^cieuse confirmation. Dans ses Südslavisebe Dialekt-
studien, I, p. 108, M. Resetar etablit l'existence d'une accentuation
vrijeme qui lui semble difficile ä expliquer, et qu'il est en efFet malaiso
De quelques deplaceruents d'aecent dans las dialectes slaves. 427
de justifier sans admettre la loi proposce ci-dessus, niais qui Irouve ä
l'aide de celle-ci une explication tres naturelle, sinon tres simple. Le
finale -c suppose, comme on le sait, une anciennc finale *-en^ ä voyelle
longue, et dont l'intonation, ä en juger par les finales -?}r, -lov, -iqQ,
-vjQ du grec, devait etre rüde. D'autre part la syllabe radicale de v.
sl. hremq etait rüde, cf. hieme (d'apres Vuk), lusse öepeMH, tch. hrime
et v6d. bhärlmafi-, bharifj-am, gr. (fagirga, lat. praefericulum\ au
contraire la syllabe radicale de creme devait etre douce, car il s'agit
d'un representant de la racine *wert- {yii.verczia, vaPfo], et en effet le
petit russe a veremja (v. Hanusz, Archiv, VII, 301, p. 71 du tirage
ä part). Des lors les deux themes paralleles *berme et *vermq avaient,
apres application de la loi, les formes suivantes :
Xom. *berme. *verme
Gen. ^bermene *cerme7ie
(en attribuant, pour plus de simplicit^, le d^placement d'aecent ä la
forme slave commune, bien qu'il soit seulement dialectal); il est r^sulte
de lä des actions analogiques; le russe a npeMH (qui d'ailleurs est une
forme savante) d'apres le gönitif et d"apres les autres mots en -men-\ le
Serbe a des formes diverses suivant les dialectes : vrijeme (= bulg.
treme] a conserve la forme correcte et conforme ä ce que fait attendre
la loi ; le genitif vremena est aussi correct en ce qui concerne la place de
Taccent (la quantitö a subi une alteration dans l'explication de laquelle
il n'y a pas Heu d'entrer icij ; cak. et ikav. vrxme provient de la meme
action analogique que le russe BpeMa. La forme brijeme attestee ä
Raguse et ailleurs (v. ßesetar, 1. c.) est analogique de vrijeme. — Les
mots tels que s. sjeme., räme, vlme ont rögulierement conserv^ leur an-
cienne accentuation radicale ä tous les cas; ime et pTeme sont ana-
logiques du genitif, etc. et des autres mots en -men-. — Le petit russe
a plus de traces que le serbe meme du glissement de l'accent sur la
finale rüde -me du nominatif et, dans son travail sur l'accentuation des
substantifs en petit russe , Hanusz enseigne que plusieurs substantifs
themes en -n- du petit russe accentuent au nominatif la finale, aux autres
cas la syllabe radicale (Archiv, VII, 358 = p. GS du tirage ä part);
des trois exemples cit^s: imjä (genit. ime7n)^ vimjä et stremjä. le pre-
mier et le dernier avaient phon6ti([uement le deplacement d'aecent au
nominatif; dans vimjä^ comme dans ramjä qu'on cite aussi, le deplace-
ment est analogique de celui de imja^ etc. Le fait essentiel est que, en
petit russe comme en serbe , le deplacement a lieu seulement au nomi-
428 0. Meillet,
natif, c'est-ä-dire, l:i oü la finale avait l'intonation rüde; ce ([lü enl^ve
ä l'exemple beaucoup de clarfö, c'est que les divers mots appartenant
au type ont reagi les unes siir les autres et que partout il a tendu ä se
poser une accentuation unique du type tout entier : en fait, le grand russe
n'a conserv6 dans tous les cas sans exception d'autre accentuation que
l'accentuation radicale.
Les mots- en -qt- du type preise prdsentent trop de complications
pour qu'il soit aisö d'en rien conclure. NeanmoinS; on sait, par les formes
qui portent l'accent sur c^ que ce phoneme y est intoue rüde, ainsi s. cljh-
teta ; des lors le contraste de tele, chjete d'une part et deya(^)//ederautre
a Raguse est tres remarquable : l'aecent est reste sur la syllabe pre-
suffixale quand celle-ci (^tait rüde, et il a passe sur -et- quand la pr^-
suffixale etait douce ; chjete est d'ailleurs aussi l'accentuation de Danicie
et de Vuk. Le serbe a tendu ä gendraliser dans ces mots l'accentuation
presuffixale originairement propre aux mots ä presuffixale rüde, tandis
que le russe a gendralisö l'accentuation suffixale, originairement propre
aux mots ä presuffixale douce : s. jclgne et r. porosja representent l'etat
phonetique; v. j'agnjä %i s. j!?ra5e resultent d'innovations analogiques:
le petit russe, qui oppose zmrja, 9''fsja, hürja (cf. le feminin r. Kypa
pour l'intonation rüde de u] h. porosJä, difjd^ iß^Jf'-, a maintenu d'une
maniere tres remarquable l'etat ancien (cf. Hanusz, Archiv, VII, 35fi
= p. 66 et suiv. du tirage ä part); le bulgare oppose de meme ägne
[s. j eigne), pile [%. pile), Jure {'Si. Jure) k preise, dete, tele. Les des-
accords qu'on observe entre les divers dialectes slaves ne sauraient
d'aucune maniere s'expliquer par une accentuation une, comme semble
le vouloir M. Resetar, 1. c, p. 109, mais supposent des deplacements
dont la loi posee ci-dessus revele la cause premiere.
Enfin les pronoms personnels presentent dans certains dialectes
cakaviens une Opposition du g^n.-acc. mene, tebe, sehe et du dat. loc.
menl, teil, sehl, c'est-ä-dire accent sur l'initiale, quand la finale est
douce, et sur la finale, quand celle-ci est longue et sans doute rüde (cf.
cependant Pedersen, K.-Z., XXXVIII, 326 et suiv,); presque partout
l'une des deux accentuation s a ete g^neralisöe: mene, meni , tebe, tehi.
sehe, sehi dans la langue fix^e par Vuk, mene, nieni, tebe, tebi^ seht
^eii ä Raguse (v. Resetar, Südslavische Dialektstud. , I, 143); le
russe a de meme generalise l'accent sur la finale, mais ce n'etait sans
doute pas l'etat ancien, et M. 0. Broch a observö dans le russe d'Ublya
une hösitation entre mene et mene. tebe et tebe. L'accentuation sur l.i
De quelques deplacements d'accent dans lea dialectes slaves. 429
syllabe initiale est d'ailleurs attestee dans las feuilles de Kiev et autres
vieux textes (v. Kusskij filologiceskij vestnik, XLV, 33).
Les faits qui viennent d'etie exposes permettent d'entrevoir quel
trouble a apportä dans l'accentuation slave le glissement d'accent d'une
syllabe douce sur une rüde suivante; le slave n"a pas, comme le lituanien,
constitiie des classes de mots accentucs d une maniöre detinie qui resulte
Je Tapplication de la loi : il y a eu des actions analogiques, mais la ten-
dance ä lunification n'a pas eucore produit tous ses eflets, et les compli-
cations signalöes ici sont les consequences encore visibles d'une loi dont
lapplication remonte ä bien des siecles.
Paris, Jan vier 1903. A. Meillet.
Kiuige litterarisclie Bemerkuugen zum »Kibauje < von
Petar Hektorovic.
Die serbokroatische Littera-
turgescbichte ist durch die von
dem Jungen russischen Forscher
N. Petrovskij im vorigen Jahre
verfasste und im Archiv i) schon
angezeigte Studie über Petar Hek-
torovic und seine didaktisch-rea-
listische Idylle »Ribanje« (Fi?ch-
fang) nicht unbedeutend berei-
chert, und zwar liegt das Verdienst
dieses ausländischen Gelehrten
hauptsächlich darin, dass er zum
ersten Male die litterarischen Quel-
len vor allem »Diogenis Laertii
Vitic philosophorum«) des didak-
tischen Tlieiles systematisch un-
tersucht und dabei die von den
italienischen Egloghe pescatorie
völlig unabhängige Originalität des
1 B. XXIV, X PetrovsJa, 0 sotinenijah Tetra Hehtorovica (14S7— 1572),
azan 1901, angez. von M. Resetar.
430 Alfred Jensen.
Südslavischen Gedichtes nachgewiesen hat. Selbst wenn die Egloghe
pescatorie del Slg. Berardino liota dem Dichter des »Ribanjev nicht
bekannt gewesen, wäre die dalmatinische Fischeridylle unzweifelhaft
doch geschrieben, denn die Aehnlichkeit ist, wie auch P. hervorhebt,
eine nur äusserliche und flüchtige. Aus den Untersuchungen von Pe-
trovskij ersieht man weiter, wie die Sentenzen der griechischen Philo-
sophen (Thaies, Bias, Bion, Chilon, Solon, Sokrates, Pittakos etc.)
durch die trockene, nüchterne Vermittelung der lateinischen Sprache in
die südslavische übertragen wurden, und wie die ursprünglich heidnische
Weltweisheit von dem christlich frommen Verfasser einen streng katho-
lischen Anstrich bekam ^), nicht am mindesten durch den litterarischen
Einfluss von Marko Mariilie.
Wenn demnach der originelle und nationale Werth dieser morali-
sirenden Verse, die 670 Zeilen in Anspruch nehmen und in fast gar
keinem Zusammenhang mit slavisch volksthümlichen Redensarten stehen,
ein verschwindender ist, so kann die Litteraturgeschichte dem Dichter
doch nur dankbar sein, dass er auf die falsche, sentimentale Erotik der
italienischen Renaissance gänzlich verzichtete; und diese, für uns heut-
>) Mit Benutzung des von F. zusammengestellten Materiales führe ich
einige Beispiele an. Wenn Thaies sagt: »Antiquissimum ""eorum omniiim
qute sunt, ileus: ingenitus enim«, kann Hektorovic nicht umhin, die mono-
theistische Lehre der Kirche durch Zufügung eines kräftigen : jedini (der ein-
zige Gott), V. 885, zu betonen. Wenn bei Diog. Laertius Aristoteles
auf die Frage: »quidnam cito consenesceret?«, antwortete: »Gratia», gibt
Hektorovic den Bescheid: »Alle guten Werke, die nicht oft wiederholt wer-
den« (v. 987—990).
Nur ein einziges Mal ist Petrovskij in Verlegenheit betreffs der griechi-
schen Quelle und zwar v. 1319 — 1122:
»Tko zeli dobavit brasna se za dosti,
pocan od mladih lit do vele starosti,
dobav' se razuma, jere bo ni ina
od mudroga uma vridnia bascina«.
Das antike Vorbild dieses Spruches findet sich auch im Werke des
Diog. Laertius (1 : 5 : 88), welches den Bias sagen lässt : »Itpööiov hno i'£Öti]xo^-
£1^ yt]^ag ayccXafißaye aocpiav ßsßaiotEooi' yuQ xovxo töji' rl.XXtau xTrjf^dzo)i'<<.
Den interessanten Untersuchungen Fetrovskij's über den Ursprung di'>
Räthsels von ozuhatac — bogatac (v. 121 — 28, 142 — 52) ist zuzufügen, dass Sim-
rock in seinen »Deutschen Volksbüchern« B. VII, S, 284 gerade das Riithsel
von dem im Netz gefangenen Fische anführt, so lautend :
»Es kam ein Gast ins Wirthshaus,
Da fiel das Haus zum Fenster hinaus«.
Einige litterarische Bemerkungen zum »Ribanje« von Petar Hektorovic. 431
zutage etwas ermüdende Ethik in Versen hat einen hohen Kulturwerth,
insofern dass sie von dem Staudpunkte der damaligen Bildung und von der
zur Lebenszeit des Hektorovic beliebten Litteratur eine Andeutung geben
kann. Eine andere, nie völlig zu entscheidende Frage ist die, ob der
Fischfang in allen Punkten mit der Wirklichkeit übereinstimmt, d. h. ob
die beiden Fischer in der Tliat einen so hohen Bildungsgrad, wie diese
Räthsel und klassische Sentenzen bezeugen, haben besitzen können.
Selbstverständlich wird die Realität an sich nicht beeinträchtigt, wenn
man auch annehmen muss, der Dichter habe aus metrischen und künst-
lerischen Gründen den sachlichen Stoff, d. h. das tiefsinnige Gespräch
zwischen den beiden Fischern, verschönert und aufgeputzt,
Petrovskij stellt diese Realität in Abrede, indem er stark bezwei-
felt, dass dalmatinische Fischer so gelehrt sein könnten, und er meint,
dass dieser ganze didaktische Theil dem Gedichte als realistischem Zeit-
gemälde nur schadet. Noch strenger — in diesem Falle ausserdem etwas
oberflächlich — beurtheilt Tomo Matic ^). Wenn man auch zugeben
muss, dass dieser Wortstreit zwischen den beiden Fischern unmöglich
so glatt und litterarisch hat stattfinden können, wie es in einem Ge-
dichte dargestellt wird, und wenngleich mehrere Sprüche sowohl dem
Verfasser wie den Fischern unverständlich sein mussten (z. B. die py-
thagoräischen «r?c« hrez otvora«. v. 1045 — 64), finde ich im grossen
Ganzen die Darstellung weder unnatürlich noch wesentlich übertrieben.
Abgesehen davon, dass Hektorovic in seinem wichtigen Schreiben an
Miksa Pelegrinovic die Wahrheitstreue seiner Erzählung selbst kräftig
betont (St. p. hrv. B. VI, S. 54), wundert er sich selbst (v. 1476 — 90)
darüber, dass diese schlichten, armen Leute so gescheit sein konnten
und dass sie ihre moralischen und intellektuellen Fähigkeiten {»kripost«)
unter das grobe Gewand, wie Gold in die Erde, verstecken. Paskoje
und Nikola waren keine gewöhnlichen Fischer, sondern die besten auf
der grossen Insel [nnajbo/ja od_Hüara«, v. 4 6); Paskoj gibt ja selbst
zu, er habe viel von den Franciskanern gelernt (v. 321 — 462), und er-
kundigt sich beim Dichter, von wem er in der Stadt noch mehr erfahren
könnte. Und wenn sie thatsächlich Volkslieder auswendig kannten und
zwar von Personen und Gegenden, von denen sie sonst wohl nichts wuss-
ten (z.B. von dem Bruder Marko Kraljevic's, der Stadt Siverin, rd(b)in(a).
Sveta Gora, der Donau), weshalb sollte man dann die Möglichkeit ver-
1] Siehe »Archiv für slav. Phil.« B. XIX, S. 475 — 76, nebst den zurück-
weisenden Bemerkungen von T. J.
432 Alfred Jensen,
neinen, sie hätten Räthsel und Weislieitssprüche aus irgend einer Er-
bauungsschrift erlernen können ? Sogar diese sog. pythagoräischen Klü-
geleien (symbola), obgleich dem slavischen Volksbewusstsein gänzlich
fremd, dürften für die naive Volksphantasie einen sympathischen Reiz
gehabt haben, obgleich sie entschieden mehr für den Bildungsgrad des
Dichters als den der Fischer passen. Petrovskij bemerkt, dass diese
Räthsel und Sentenzen gesungen wurden, adpivati oder pripivati
[v. 877^ 878, 966]. Dieses Wort, das übrigens als Reim benutzt wird,
braucht wohl hier nicht als Melodie aufgefasst zu werden, sondern nur
so, dass die auswendig gelernten Sprüche rhythmisch (deklamatorisch)
vorgetragen wurden. Dagegen wird ja ausdrücklich hervorgehoben, in
welcher Weise und nach welchen Noten die drei Volkslieder gesungen
wurden. Was schliesslich die pocasnica (v. 227 — 38) betrifft, so wurde
wahrscheinlich auch sie gesungen — darauf deutet das opet {bis) v. 238
hin. Nur macht es mir den Eindruck, dass dieses Trinklied aus zwei ver-
schiedenen Liedern bestehe. Der zweite Theil von y)Majka mu je lipo
ime dila(i an scheint ziemlich volksthtimlich, der Anfang aber (»iVßs
gospodin<x etc.) mehr künstlerisch. Petrovskij bemerkt auch (S. 154)
nach Vid Vuletic Vukasovic, dass eine von Petar Kauavelovic verfasste
pocasnica auf der Insel Korcula vom Volke selbst gesungen wurde.
Ausserdem sind die beiden Theile in metrischer Hinsicht nicht gleich.
Vielleicht darf ich hier meiner Vermuthung Ausdruck geben, dass dieses
»Volkslied« ein volksthümlich verwischter Nachklang der abendländi-
schen Ritterpoesie sein könne. Wie Bogisic bemerkt, kommen in den
epischen Liedern des südlichen Dalmatien höfliche — ich möchte sagen
höfische Umgangsformen vor, und nach Vuk stammen diese Trinklieder
besonders aus den Bocche (Perasto). Mir kommt die Besehreibung von
«dem Herren zu Pferd, mit dem seidenen Hut und dem befiederten Schild
und mit dem singenden Diener voran« ganz wie ein Bild aus dem fahren-
den Ritterleben vor; man sieht vor sich den Ritter und seinen Knappen,
während seine Mutter und Frau sich von ihm bei seinem Ausritt ins
fremde Land verabschieden. Wie viele deutsche, Volkslieder verdanken
ihren Ursprung diesem mittelalterlichen, künstlerischen Stoffe (»Es war
ein Jäger wohlgemuth, der trug eine Feder auf seinem Hut« etc.)!
Wenn nun aber die beiden Fischer mit derartigen feinen poetischen
Manieren etwas vertraut waren, weshalb sollten sie denn die schlichten
Wahrheiten und Lebensregeln der Religion und der damaligen Ethik
nicht kennen?
Einige litterarische Bemerkungen zum »Ribanje« des Petar llektorovic. 433
Wenn der )^Riltanje((-Stoft' in Bezug auf die vergleichende Litte-
raturgescbicbte durch die Studie von Petrovskij griindlicli auseinander-
gesetzt worden ist, bietet er doch so viel Werth volles in realistischer
und speciell slavisch-kultnreller Hinsicht, dass es sich wohl lohnt, etwas
länger bei diesem Realismus zu verweilen. Der Hektorovic'sche »Fisch-
fang« ist, meinem Wissen nach, in technisch-sachlichem Sinne nur ein-
mal flüchtig behandelt und zwar in der werthvollen Abhandlung von
Luka Zore: »0 ribanju po Dubrovnckoj okolici sa Dodatcima iz ostalog
naseg primorja« \).
Es ist bemerkenswerth, dass der Dichter bei Erwähnung einfacher
Gegenstände, die sich auf die Schifffahrt beziehen, sich von rein slavischen
Namen bedient: plav [Boot], j)'dro (Segel), veslo (Ruder); wenn es sich
aber um technisch mehr ausgebildete Sachen handelt, treten die italieni-
schen Lehnwörter hervor: latitina (= lentenna), timun (timone), ar-
gutla (Steuerpinne) v. 107, 163. Auch für Masthaum wird das italieni-
sche arbor {= albore) benützt (v. 53), und die dalmatinische Benennung
siclro für Anker ist auch fremder (griechischer) Herkunft, und im
Gegensatz zu dem schlichten slavischen y^/ae? [laiJja] steht die grosse
venetianische galij'a (= galea, galera) v, 1135.
Ueber das Manövriren auf dem See gibt »Ribanje« viele sprachliche
Aufschlüsse, von welchen die meisten Ausdrücke in der Abhandlung
von Zore schon notirt worden sind. Die Ruder ausschieben (beim Be-
ginnen der Fahrt) heisst tesla napravitl (v. 762) oder vesla zamaknuii
(v. 1216). Das kräftige Rudern — sie sassen dabei — wird mit -oju-
nacki iiprikeii (v. 78), ))dobro napirucia (v. 694) oder mit y)Voziti na
pospih^'^ (v. 875) bezeichnet. Nach dem Ende der Fahrt wurde das
Boot entweder verankert, »jw/ay surgavliia [v. 1081) oder am Ufer ver-
teit, »plav prwezaviiff (v. 724). Beim Segeln wurden die Rahe und das
Ruder zugerichtet, y)lanfmu svrnuse^^ (drehen) und ntimun nacinivH«
> (v. 1215 — 16). Das Hissen des Segels wird mit ^^jiclro nupraviti«.
\ (v. 107) ausgedrückt. Wenn das Segel zu schwellen anfing, heisst es:
li DJidro tiapesea. (v. 1217). Gegen den Wind halten wird mit -üdrzati se
vrh vitra<.<~ (v. 511) seemannsmässig wiedergegeben, wogegen »skuta
potegniiti'i (v. 1234) mit «deinsen« gleichbedeutend ist, wenn der Wind
»läuft schulen« [padase). Den Wind im Rücken haben heisst »vitar u
skutti (v. 112), was für das sorglose Plaudern der beiden Fischer recht
vortheilhaft war. Der Gegensatz zum schwachen AVind, »vitarac mal«.
' ' i; Arkiv za poyjestnicu jugoslavensku. B. X, Zagreb 18(59.
Archiv für slavische Philologie. XXV. 28
434 Alfred Jensen,
(v. 513), war »stnoracc- (v. 105), die heftige Brise, die sich für Fisch-
fang schlecht eignete.
Ueber die Methoden des damaligen Fischfanges belehrt uns der
Dichter durch mehrere realistische Details. Ausser den gewöhnlichen,
fein gezwirnten Netzen, die während der Fahrt schwammen, aber dann
zum Meeresgrund hinuutergesendet wurden (» mrize tankoga tega^ koje
padaju der do dna morskoga i putom plwajuv.^ v. 55 — 50) vermittels
festgebundener Steine {i>kolac od kmnika'.'^, v. 83), hatten sie ein altes,
feines Netz {tnrizica, v. 72)- mitgebracht, womit Muscheln gefangen
wurden. Für das Fischen mit Schleppnetz braucht der Dichter npote-
zati tratuv- (v. 772) vom xi^.tratta (tirare). Als Köder wurden gewisse
Pflanzen, am Seil gebunden, benutzt [-»uhrana trava gorske paae licmi-
nom vezanaii. (v. 57, 58).
Gewöhnliches Angeln scheint hier nicht vorgekommen zu sein;
wenigstens wurde Nikola von dem älteren Paskoje zweimal (v. 75, 739)
gerügt, weil er vergessen hatte, eine kanjcenica mitzunehmen [gewöhn-
liche Schnur mit Angel, womit kanj'ac — siehe weiter unten — gefangen
wird] . Dagegen hatte man kopitnjak^ eine Zange, womit Muscheln ge-
nommen wurden, sowie osti^ Fischgabel, und /mc, Kienfackel (v. 59) in
svicalo (eiserne Krampe), v. 1622. Dieses Fischstechen beim Feuer-
schein, wo der eine ruderte, der andere die Fischgabel hielt, hatte für
den Dichter einen besonderen Reiz (v. 1625), und es war ihm überhaupt
ein grosses Vergnügen anzusehen, wie die aus dem Netze herausge-
flochtenen [izplitahii, V. 1123) Fische zappelten und einander zer-
drückten. Was für Zweck der von Nikola nachträglich geholte Kasten
[skrahijica^ v. 71) eigentlich hatte, erfahren wir nicht; dagegen wissen
wir, dass der schweigsame Sohn des redseligen Paskoj eigens dafür mit- 1 1
genommen wurde, um die Fische gegen die ausgespannten Netze zu
treiben {»da huca na ribeK, v, 62) und zwar mit Hülfe eines neuen
pobuk {y. 71), eines hölzernen, glockenähnlichen Instrumentes, womit!
auf das Wasser geschlagen wurde, um die Fische in eine gewünschte i
Richtung zu verscheuchen'). Während des Fischens wurde nur der'
Ausruf ))mit!« vernommeu (v. 1109), dasselbe Wort das Nikola sprach,
indem er die vergessenen Gegenstände holen wollte (v. 65). Und da-
mals wie noch heutzutage war es streng verboten, die gefangenen Fische
zu zählen (v. IUI — 12).
1) Zore. Ark. za povjestn. jugosl. B. X, S. 360. Schuchardt, Koman.
Etymologien II, S. 159 (Sitzber. der phil.-hist. Classe. Wien 1899, B. CXLI
Einige litterarische Bemerkungen zum »Bibiinje« von Petar Hektorovlc. 435
Von den erbeuteten Fischen weiden 15 verschiedene Arten er-
wähnt. Das3 die junge serbokroatische Litteraturt^prache für viele dieser
Gattungen eigene Benennungen schon in der Mitte des XVI. Jahrli.
kannte, wundert uns doch weniger als der glückliche Umstand, dass ein
Dichter, wenn er auch für Fischerwerb und Ichfylogie ein praktisches
Interesse gehabt haben dürfte, diese naturalistischen Details für die
Poesie verwerthen konnte und wollte. Hinsichtlich der Bedeutung dieser
Namen verweise ich auf zwei italienische Arbeiten, die auch für die süd-
slav. Lexicographie werthvoU sein können: P. Doderlein^ Manuale ittio-
logico, I — V, Palermo ISSI — 91, und Canestrihi, Fauna dltalia, Milano
1874, wo die dalmatinische Fauna mehrmals etymologisch berücksichtigt
wird. Nach diesen Gewährsmännern führe ich diese Fischnamen an.
V, 9."). Zubatac, Zahnbrassen, Spams dentex (»gross wie ein Kälb-
chen ^) und mit klafterbreitem Maul»). — Doderl. : subac, suhataz
natürlich zubac, zubatac auszusprechen), venet. dental.
V. 741. Kanj'ac. Serranus Scriba (Vuk: .Schriftbarsch;. Doderl.
gibt die »illyiischena Formen: katijah^ lanica und s7nokvaga und für
Spalato: Pirka und Vucic Pirgasti(?) an. Canestrini macht das venet.
cagnia gemeinsam für mehrere Arten: Heptaneus cinereu?, Triglochis
ferox, Charcarodon Rondeletii, Selache maxima, Oxyrrhina Spallanzanii
und Lamna cornubica. (Nach Krisch ist kanj'ac serr. cabrilla).
V. 742. Procipov ?
V. 742. Janjac (Lämmcheu) reimt mit kanjac. Nach Doderl. heisst
Pagellus mormyrus (Marmorbrassen) in Spalato ovcica. Zore erwähnt
sowohl occica wie occa la marmona]. Die Leute sagten nämlich von
Fischen, wie von anderen Thieren, dass sie weiden [pasti).
V. 1113. -S'X-r/» WC/, Scorpa'na porcus, Drachenkopf. Nach Doderl.
in Spalato die Benennungen: Bodeljka crljena^ Skarpoc cerveni.
Skarpina velika (eine andere Gattung : Skarpina mala oder zarna). Nach
Canastrelli in Triest und Venedig: scarpena. Auch von Zore erwähnt.
V. 1114. komarca, Chrysophorys aurata, Goldbrassen. Doderl.:
komarca. Zore: orada. (Nach Krisch lovraia-komarca).
v. 1115. Crnorep, Oblata raelanura. Vuk: ukljata, ital. ochiata.
Doderl.: crnorep, Biandbrassen (Fiume). Zore: syuon. usala.
v. 1117. Salpa, Box salpa, Goldstrich. Zore «.^ Doderlein: söpa.
Goldstriem. Nach Krisch salpa).
1) Telic. Nach Zore nennt mau doch gerade auf der Insel Hvar eine
Fiachart tele morsko.
28*
43G Alfred Jensen,
V. 1117. Vra?ia. Nach Caoastrelli und Zore = figa. Figa ist,
nach Canastv., sowohl Lampuga Doiata (Stromateos fiatola, nach Krisc'i
ömokca) wie Centrolophus pompilns.
V. 1117. Drozak: labrus festivus (Wörterbuch der Agramer Aka-
demie), wohl identisch mit dem von Zore erwähnten clroz.
V. 1117. Pic. Nach Doderl. pic = Sargus (litorale Croazia). Bei
Zore = namasteni spar (Krisch: spar).
V. ms. Pagar, Pagrus vulgaris, ital. pagro, der Pagel. Doderl..
»illyrische« Formen pagar, pagrun, fagaro.
V. 1119. Sarg^ Doderl.: Sargus vulgaris, Geissbrassen.
V. 1119. Trilja, ital. triglia, Mnllus (barbatus). Zore: barbone
Vened.). Doderl. : für Spalato trJj'a hatoglaviza^ Bradazicic [bradascic).
V. 1120. Arbmi, Sparus erythrinus (Pagellus erylhrinus). Doderl.:
«illyrisch« arhwi^ fagaro. Canastrelli: ribon (Triest), arboro (Vened.).
Von Muscheln wird/ei/wa mehrmals erwähnt, dann hopxto (v. 807) ').
Auch ein jastog ^j , ein Meereskrebs (Locnsta marina), wurde erbeutet
V. 1640). Der Fischfang wurde bei Zavala begonnen (v. 79), deren
geographische Identität S. Ljubic konstatirte. Es mag doch erwähnt
werden, dass — nach Zore — ein untiefer Meerbusen überhaupt zavala
genannt wurde.
Wenn dieser naturwissenschaftliche Realismus in der südslavischen
Dichtung des XVI. Jahrh. unser Erstaunen erwecken muss, so erfreuen,
uns nicht weniger die wahrheitstreue Naturbeschreibung und die kleinen
Genrebilder dieser »Idylle«. Ich erinnere vor allem an die köstlicbt
Erzählung des alten Paskoj von den Mönchen y>na SolinskoJ rici kon
Urmanic mlina i kastilcm (v. 267 — 3 IS), wie sie sich am Flusse
wuschen, beteten. Mittag assen und tranken, »malo govorici« und dann
wieder beteten; wie Wein »2< veloj bokari<i und Käse hervorgeholt
wurden und wie sich danu mit Gesprächen über alltägliche physikalische
Erscheinungen unterhielten (gar nicht so »wissenschaftlich«, wie Tomo
Matic sich die Sache denkt, denn um solche Experimente auszuführen,
brauchte mau nicht die Kenntnisse eines Aristoteles). — Das Landgut
1) Ist wohl mit dem slav. hopito, Huf, verwandt. Nach Canestriui notiri
ich die zufällige Aelinlichkeit mit dem ital. cohite, einem Fische (Cobitia
Nach derselben Quelle ist lupara iu Neapel gleichbedeutend mit einem Fiscli..
Merlangus communis. Im südi. Daltnatien ist lupar eine sehr verbreitete Art'
kleiner einschaliger Austern.
-) Darüber eine Notiz von M. Metlic in »Brank. Kolo« 1900, Nr. 44.
Einige litterarische Bemerkungen zum »Eibanje" von Petar Hektorovic. 137
des Dnjmo Banistrelli am Hafen von Necujam [y. 1085 — 109(): mit r/if-
ftfirna Cistern), trfalj Obstgarten; ist nur flüchtio: skizzirt; um so aus-
führlicher aber ist das reizende Bild, das der bescheidene Verfasser
durch den Mund des Kapitains der Galere von seinem eigenen Heim in
Cittavecchia uns sribt v. 1177 — MSI): Parkanlage, das im Bau be-
griftene Kastell ttrclolj\, das »zu Ehren Gottes, der Gemeinde zur
Hülfe und ihm selbst zur Erholung« (v. 37 — 38) aufgeführt wurde; die
Obstbäume, «von gescheiten Händen gepflanzt (r, Fischteich, Wasser-
leitungen und Brunnen, Pferde- und Hühnerstall, Taubenhaus, gereimte
Inskriptionen an Mauern und Steinen, steinerne Säulen unter Wein-
reben — kurzum eine vorzüglich gepflegte Landwirthschaft, die man
heutzutage so selten inDalmatien findet. Und dann der herrliche Garten
mit Cypressen, Holunderstiäuchen [bazde]^ Buchsbäumen buse), Tama-
risken, Kaperstauden, Crocus-Läuchen (Safran), indischen Feigen »mit
Blättern wie Bremsen«, Jasminen, weissen Lilien [^i^Ji], Rosmarinen und
Oleandern. Und wer hatte dem glücklichen Besitzer diese, theilweise
tropischen Pflanzen verschafft, wenn nicht sein greiser Altersgenosse
und Uichterbrudev in Ragusa. dorn Maco7\ Mavro Vetranic Cavcic, der
grösste poetische Naturfreund der damaligen slavischen Welt, den Hek-
torovic im folgenden Jahre persönlich aufsuchte.
Ebenso realistisch sind die beiden Fischer gezeichnet — es sind
wahrhaftig keine liebeskranken , vermummten Knlturgeschöpfe des
städtischen Lebens, auch keine idealisirten Typen des dalmatinischen
Fischerstandes, sondern echte Individuen, aus der schlichten Wirklich-
keit genommen und in langen Röcken, Dolmaneu [dolame, v. 1068) an-
gezogen. Paskoj, der ältere, ist ein gutherziger, biederer Kerl und, nach
dem Spitznamen Debelj zu urtheilen, robust und etwas beleibt. Geneigt
zum Philosophiren, gibt er den Anlass zu dem Rathen der Räthsel und
zu dem Dialog in Sprüchen ; er ist auch besonders wissbegierig, denn
[er will sich etwas mehr über die physikalischen Wunder erkundigen
und fragt nach dem Namen des vornehmen Herrn auf derGali're wahr-
scheinlich ist es ein venetianischer nobilis). Schliesslich hat er die Nei-
gung des Alters, etwas ,'mürrisch zu sein, denn er rügt den jüngeren,
theils weil dieser vergessen hatte, die kanjcenica mitzunehmen, wodurcli
gute Reisekost hätte geangelt werden können (v. 739 — 10), theils weil
Nikola die bukJj'a Flasche) am Ufer zurückgelassen. Der junge, präch-
tige [mlad i glzdav\ Nikola wiederum ist sehr rasch und scharfsinnig,
dabei aber auch etwas vevgesslich und bekommt zuerst das Fischen satt,
438 Alfred Jensen,
als der osmoiac« hinaufvvebt (v. 105); er ist schliesslich gegen den
Aeltercn ehrfurchtsvoll (v. 1 17 — 1 8), verlegen »wie eine Braut« (v. 203 —
208) und bescheiden, denn er begnügt sich mit einem Becher Wein, ob-
gleich Hektorovic ihm sogar drei zutheilen will. Er ist auch derjenige,
der die j)ocasnica zu Ehren ihres hohen Gastes vorsclilägt. Alle beide
aber sind gleich anspruchslos, denn nachdem Hektorovic sie wegen der
geistigen Unterhaltung gelobt hatte, antwortete Paskoj mit Verbeugung,
sie seien ihrer Armuth und Geringheit bewusst wie die meisten Leute
ihres Standes (v. 1503 — 04); dabei verleugnen sie doch ihre aufrichtige
Selbständigkeit nicht, denn sie erklären geradezu, dass sie die tbeure
Zeit bei solchem »Sonntagsa-Fischen nur verlieren (v. 1659), und sie
müssen neue Fackelstäbchen schneiden und die Netze flicken, um nach
Vis (Lissa) zu fahren.
Wenn es v. 1084 heisst. dass die beiden Fischer sammt Hektorovic
in die Kapelle gingen und das Gebet verrichteten, jeder auf seine Art,
glaubt Petrovskij, dass dieses »svakpo ohicaj suoj(( vermuthen lässt.
dass die beiden Fischer ungleicher Konfession waren, und er sucht diese
gewagte Hypothese mit der Hinweisung zu kräftigen, dass Nikola das
Singen »Si'bskim nacinom« (v. 519) vorschlägt. Meiner Ansicht nach
gibt es keinen Grund für eine derartige Vermuthung. Diese Worte, wo-
mit der Zwölfsilber ausgefüllt wird, können wohl nichts anderes bedeu-
ten, als dass die Fischer so beteten, wie sie es nach ihrer individuellen
Sitte gewohnt waren, wenn kein Priester dabei war. Wie Bogisic nach-
gewiesen hat, war in Dalmatien die heikle Nationalitätsfrage mit der
konfessionellen gar nicht identisch, und da der junge Nikola »Ze^<
hiess, darf man vielleicht annehmen, er sei ein Schwiegersohn von Pas-
koj, den er ja auch r)cacka<.< (Vater) nannte. Wie schön wäre es aber,
wenn es bewiesen werden könnte, dass schon vor mehr als 350 Jahren
ein katholischer Kroate und ein orthodoxer Serbe — beide niedrigen
Standes — sich volle drei Tage auf einer dalmatinischen Insel so schön
und einig vertragen hatten ! !
Auch über den Dichter selbst und seine litterarische Persönlichkeit
verbreitet das Gedicht Licht. Man erfährt, dass er zur Zeit dieses Aus-
fluges 70 Jahre alt war (v. 158); obgleich er sich etwas schwach fühlte
(v. 43), war der rüstige Greis doch fähig, die körperlichen Strapatzen
dieses Fischfanges mit jugendlichem Interesse mitzumachen, und da es
eine frische Reiseerinnerung war [nminutih ovih dann.^ v. 17), darf man
um so weniger die Glaubwürdigkeit seiner Schilderungen von Gesprächen
Einige litterarische Bemerkungen zum >Ribanje« von Petar Hektorovic. 439
etc. io Zweifel ziehen. Von seiner litterarischen Bildung zeugt das Lob
über das damalige Split i) und dessen Alt-Meister Marko Manilic
(v. 772 — 804), nur seine tiefe, rechtgläubige Religiosität spiegelt sich
in der langen Abschiedspredigt {v. l. '):<.') — 1619) ab, worin er die Ge-
bote der christlichen Liebe und Barmherzigkeit schön betont. Und mit
Recht hebt Petrovskij kräftig hervor, wie freundlich der geborene Aristo-
krat, Sohn eines der vornehmsten und reichsten Patricier von Hvar, mit
diesen Plebejen verkehrte; er nannte sie »ch-uzi mi//'.< (v. IT.j) und
nahm keinen Anstand daran, mit ihnen die Kost zu theilen, obgleich die
»jezine« ihm grossen Durst verursachten.
Nach der Studie von Petrovskij wird hoflfentlich kein slavischer
Litteraturkritiker zu schreiben wagen, dass Hektorovic sich »durch eine
realistische Darstellungstreue nicht auszeichnete«. Im Gegentheil: der
Verfasser des »Ribanje« war einer der am meisten realistischen Dichter
des ganzen Jahrhunderts, und wenn sein » Fischfang i' ein paar Jahrhun-
derte zu früh geschaffen wurde, um sofort gewürdigt werden zu können,
haben wir eine um so grössere Pflicht, seinem »Ribanje« den gebühren-
den Platz in der Weltlitteratur zu geben. — Freilich — mit dem Zeit-
genossen Mavro Vetranic kann Petar Hektorovic keineswegs verglichen
werden; schon der erste Thell des Vetranic'schen «Remeta« mit der
grossartigen Invokation «Staute zvieri, staute ptice . . .« genügt, um dem
»Dom Mavar« den Ehrenplatz unter den südslavischen Cinquec^ntisten
zu sichern. Aber ihm zur Seite in Bezug auf poetischen Realismus steht
?eiu Freund von Lesina, und Hektorovic konnte in den Schlusszeilen au
Brtucevic mit stolzem Selbstbewusstsein behaupten , dass sein Name
durch diese litterarische Ausbeute des Fischfanges leben werde, »dok/e
ova strana hude ctit'i slova nasega jezikav^.
V Wo Hektorovic (v.783) von Marulic sagte, dass er sich auch durch die
slavische Sprache jezih slomnski auszeichnete, macht Petrovskij (Note S. 169)
die Bemerkung, dass die pansl avistische Idee dem Dichter des »Ribanje«
nicht fremd sei. Wie kann man das beweisen? Wusste Hektorovic überhaupt
etwas von West- und Nordslaven? Der Sinn ist doch so einfach klar: Marulic
ist zu loben, weil er nicht nur lateinisch schrieb, sondern auch in seiner sla-
vischen Muttersprache. Wenn Roman Brandt sich für den Gundulic'schen
"Panslavismus" begeisterte, ist es mehr verständlich, weil die historischen
Verhältnisse im Anfang des XVII. Jahrh. anders lagen und weil die geogra-
phischen Kenntnisse dann mehr verbreitet waren. Das ewige Suchen nach
einer politisch angehauchten panslavistisehen Vorzeit sollte überhaupt den
Journalisten und den Dichtern überlassen werden.
Alfred Jensen.
440
Ilias von Keussen und Il'ja Muromec
Die im Mittelalter zwischen
den russischen u. deutschen Volks-
dichtungen bestandenen Wechsel-
beziehungen kommen in dem
Namen und Typus des Ilias von
Keussen oder jarl of Greca der
Dichtungen Ortnit und Thid-
rekssaga klar zum Ausdruck.
Schon MüUenhoff hatte an der
Identität dieser Namen mit dem
russischen Il'ja Muromec festge-
halten: «Ilias of Greca oder von
Reussen ist nemlich unzweifelhaft
derilija von Murom der russischen
SSage, der Hauptheld unter den
Wunderhelden Wladimirs« (Z. f.
D A. XII S. 353). Diese Be-
'hauptung MüUenhoffs blieb bis zur
letzten Zeit nichts weiter als eine Hypothese, die allerdings von solchen
Gelehrten wie Majkov, Jagic, Wesselofsky, Pypin angenommen wurde,
durch die jedoch einige wesentliche Thatsachen aus dem darauf bezüg-
lichen Kreise von Erscheinungen keine Erklärung fanden, wie z. B. die
Grundlage der augenscheinlichen Identität der Namen Ilias und Il'ja,
bei der gänzlichen Unbekanntschaft der russischen Annalen mit einem
Helden Il'ja, oder der Unterschied sowohl in dem Inhalt der Erzählungen
von Ilias von Reussen und von Il'ja Muromec, als auch in dem Haupt-
charakter dieser Helden, der so bedeutend ist, dass er vor Jahren den
russ. Gelehrten Kirpicnikov veranlasste, den Gedanken an die Identität
dieser Personen abzuweisen (IIoaMti jioMÖapACKaro ii,HK.iia M. 1873,
S. 109 — 111), u. s.w. Doch die in neuerer Zeit erzielten Resultate der
russischen Sprachforschung im Zusammenhang mit einer neuen Zusam-
menstellung von Daten aus der Geschichte des altrussischen Epos er-
möglichen jetzt schon die Begründung der MüllenhofF'schen Annahme
von der Identität des Ilias von Reussen mit dem Il'ja Muromec.
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Ilias von Reussen und Ilja Miiromec. 441
Die Beziehungen naher Verwandtschaft zwischen den altdeutschen
Ueberliefernngen von Ilias von Reu!>seu und den rassischen epischen
Erzählungen von Il'ja Muromec werden durcli ein tertium comparationis
vermittelt, durch die altrussischen Erzählungen von Oleg dem Weisen, in
welchen wesentliche Anklänge einerseits an die Motive in »Ortnit« und
»Thidrekssaga't, die mit Ilias von Reussen oder jarl of Greca zusammen-
hängen, anderseits an die russischen Bylinen von Volga Svjatoslavic und
Il'ja Muromec nachgewiesen werden können. Der Inhalt Ortnit's hat
unverkennbar grosse Verwandtschaft mit der auf den ersten Seiten der
altrussischeu Chronik verzeichneten Sage von Oleg dem Weisen, nament-
lich in folgenden Bestandtheilen : 1. in der Erzählung von dem Zug
Oleg's mit Igor aus Novgorod gegen Kijev, und 2. in der Schilderung der
kriegerischen Abenteuer Oleg's gegen Konstantinopel und die Griechen.
Die Verwandtschaft bezieht sich sowohl auf die Grundmotive der Er-
zählungen als auch auf einige Eigennamen der handelnden Personen
und der Oertlichkeiten.
1. Das Gedicht Ortnit erzählt von der Meerfahrt Ortnit's zum Zweck
der Brautwerbung aus dem lombardischen Garten Garda) nach Suders
inSurie, wobei alsHauptbeistaud des lombardischen Königs der russische
Fürst — von der Riuzen, der Kunic — Ilias (A. Amelung u. O.Jänicke,
Deutsches Heldenbuch III. Tb. 1. B. Ortnit) oder Eiigas (A. v. Keller,
Das deutsche Heldenbuch in der »Bibliothek des litterarischen Vereins
in Stuttgart« 1S67), sein Oheim mütterlicherseits, erscheint. Die
russischen Annaleu erzählen von dem Zug des Fürsten Igor aus Nov-
gorod auf dem grossen warägischen Wasserweg, dessen Endziel Sud
[== Sund) bei Konstantinopel bildete. Als Helfershelfer Igor s nennt ein
Theil der Annalen seinen Oheim mütterlicherseits, Oleg (»Byil«), den
»russischen« oder den »urmanischen« (d. h. normannischen) Fürsten.
2. Ortnit und Eligas-Ilias, denen das deutsche Gedicht noch den
Zwerg Alberich zugesellt, bemächtigen sich des Ortes Suders oder
Sunder mit Hilfe desselben Listanschlags, dessen sich Igor und Oleg bei
der Einnahme Kijevs bedienen, d. h. sie verstecken ihre Soldaten im
Innern der Schifife, geben sich für Kaufleute aus , führen die Stadt-
bewohner hinters Licht und werden von diesen gutwillig in den Hafen
hineingelassen.
3. Der Bewegung der Schiffe Oleg's auf dem Landwege von Sud
bis zur Stadt Konstantinopel entspricht in Ortnit der wunderbare Ueber-
gang der Krieger Ortnit's und Eligas'-Ilias' aus den Schiffen ans Ufer
442 M. Chalanaldj,
(Suders') in den Barken, die den Bewohnern Suders' angehörten , mit
Hilfe einer Zauberei Alberich's.
4. Mit der Bewegung des Heeres Ortnit's und Eligas'-Ilias' von
Suders gegen Muntabfir, unter der Anführung Alberich's, der von den
Leuten für einen Engel gehalten wurde, kann man den Zug Oleg's von
Sud gegen Konstantinopel zusammenstellen; der letztere wurde ebenfalls
von den verwunderten Griechen für den h. Demetrius gehalten.
5. Die Grausamkeiten Eligas'-Ilias' in Suders decken sich mit denen
Oleg's und Igor's in Sud.
6. Die russische Erzählung der Annalen von der Niederlage Oleg's
oder Igor's in Sud und von der Verbrennung russischer Schiffe mit Hilfe
des «griechischen Feuers« hat ihre Parallele in der Episode Ortnit's von
der Niederlage Eligas'-Ilias' in Suders, dieser war von Ortnit im Hafen
Suders' gelassen aus Angst, dass die Heiden seine Flotte »mit wildem
Fiure« niederbrennen könnten.
7. Dem Aufhängen des Schildes am Thore Konstantinopels seitens
Oleg's oder Igor's zum Zeichen des Sieges kommt gleich das Aushängen
seiner eigenen oder der Fahne Ortnit's seitens Eligas'-Ilias' auf der
kaiserlichen Zinne in Suders.
8. In Ortnit bemüht sich Eligas-Ilias um das Zustandekommen der I
Heirath Ortnit's mit der Tochter Machorel's : in der russ. Chronik führt
Oleg dem Igor die Frau zu aus Pskov (Hhkoh. Ä'It.) oder aus Izborsk
(TaTumeBt, Poe. hct. I. 372) oder aus Polovecer Pleskov (SKCKypcti bx
ovji. ÄpeBHiixi. pyROiTHceii XXI — XXIII, 1 2) .
9. Garte oder Garten, die Residenz Ortnit's in Lamparten, ist nach
der übereinstimmenden Ansicht Müllenhoff's Nogarten, Nogardeu, Nov-
gorod, associirt mit dem lombardischen Garda. In den russischen Annalen
beginnen Oleg und Igor ihren Zug von Novgorod aus. In der von mir
herausgegebenen Chronik (cf. BKCKypcti, S. 11) ist Novgorod Residenz
Ortnit's, der darnach »Fürst von Novgorod« genannt wird.
10. Die verschiedenen Redactionen Ortnit's bieten folgende Formen
des Namens des russ. Fürsten, der Ortnit's Oheim und Helfer war:
Eligas, Elygas, Elyas (A. Keller a. a. 0.), Elias, Ylias, Yljas, Ilias.
lUias. lUas (Amelung-Jänicke a. a. 0. S. 4). Die aus dem Bereich der
Geschichte der russ. Sprache gewonneneu Daten gestatten in diesen
Formen den Abklatsch und die Wiedergabe der entsprechenden alt-
russischen Volksvariationen des Namens Oleg (des Weisen) zu erblicken,
Ilias von Reussen und U'ja Muromec. 443
die in den südwestlichen und westlichen Dialekten des Russischen schon
IUI XII — XIII. Jahrh. möglich waren.
a) Eligas. Auf Grund des von Fortunatov (JeKuin no 4>0HeTHKt
crapocjaB. iistiKa 217) und JSchachmatoff (IlacJiiAOB. nt oßjiacTH pyccKoii
ipaMM. 12 u. ö."i aufgestellten Gesetzes über den russ. Lautwandel beim
anlautenden he und in der nächsten Silbe nachfolgenden v oder /, sind
wir berechtigt, in der altruss. Sprache die Existenz paralleler Formen
Ujbrx oder 0;ii>ra und *E.ir'i. oder *E.iM"t, *Ejra oder *E.ibra zur
Wiedergabe des altnordischen Helgr oder irgend einer Variante des-
selben (lloelge, Helgi, Helicho, Heiliga, lateinisch bei Saxo Grammaticus
Helgo oder Heigus) zu erwarten (Kunik, Die Berufung der schwed.
Rodsen II. 142 — 14S, Raszmann, Die deutsche Heldensage l. 7H).
Vergl. Ojbra und "Ekya (bei Konstantin Porphyrogenuitus und Ked-
reuos) neben dem altnordischen Helga, oder ojibxa und e.ixa, O.Mejiflirr.
und EMe.ibflm., Euoxx und Ühox'l (Bezsonov Ka.iiKH nepex. V. 119),
ropa E.ieoHCKaa und O.ieoHCKaa (ib. VI. 213), 03epuii;e und Eaepiiiue
^im Gouv. Witebsk), E4>peMi. und UxpiMi, ii. s. w. Betrefls des / in
Eligas vergl. .IiiBOB'b, .T^iiBOB'iaiie in der Urkunde vom Jahr 145G (Ogo-
uowski, Studien 55), O.inrapAV in einer Kaufurkunde des XIII. Jahih.
nach der Abschrift des XVII. Jahrh. ( Boctokobt., Onnc. pvK. WM. 1 1 7i.
b) Elyas oder Elias entspricht der russ. Form E.iba, die man
als eine Variante zur Form Bo.iba (Hilferding, Oaeac. ubi.i.' N. 32;
neben der üblichen Bojibra ansehen muss. Bo.iba ist entweder aus
Bo.ibra durch die Mittelstufe Bo.ibra (vergl. moskauisch O.ibra in
CßopiuiKT) CTaTeii bt, uecxb «l'opTynaTOBa 5U3) oder aus der Form des
Nominativs- Vocativs 0.ibre, Bo.ibre iWjri IlnaHOBH in der Novgor.
Chronik nach dem Archivtext s. a. 13S1, vergl. Sobolevskij, .'leKnin
S. 175, Potebnja, nsb 3aii. no pyecK. rpaMMaTHKi^ 94 — 97) hervor-
gegangen, daher O.ibie, Bo.ibre (wie Eionexb, lOpiil, lOpbie) und O.iba,
Bojibfl (wie lOpba als Nominativ sing.); ähnlich entstand E.iba entweder
aus *E.ibra. *E.ibia oder aus *E.ibre, ^Ejibie.
c Ilias, Ylias, Yljas ist Wiedergabe der russ. Form Il.iba, in
welcher das anlautende 11 (?) euphonischen Ursprungs sein kann beim
Nominativ .Ibra oder bei der nomin. -vocativischen Form.Ibre zum Nomi-
nativ .Ibri. (Ilo.in. eoup. pyccK. Ätr. IX. 21), O.ibrx (vergl. ILibroBX,
ILibroBCKÜl, lLIbTH^« u. a.) und das auf le im Worte E.iba durch die
Vermittlung der Diphthongen y?/o, yt/<^ zurückgeht, vergl. IIujiÄiiny
(Leben Vladimirs nach der Handschrift vom J. 1494 , lO.ira, ICiämut.
444 M. Cliahmskij,
(im Ovrucer Kreis des Gouv. Volliynien, vergl. Korobka, CKaaaiiia o6t>
Ypoimmaxx onpyij. y. Cnpan. kii. Ecjibiiickoh ryö. 1899), lOjibioma,
lOjhiomeiibKa (Ticlionr. Miller, Ijlliiiiili cxap. h hob. 3an. Nr. 13).
Uebrigens ist der Uebergang von e in i (Ejita-HjitH) auch unter dem
Einfluss der Weichlieit der nachfolgenden Silbe (cf. Schachmatoff a. a.
0. S. 24 u. Cap. 19) erklärlich, vergl. ILiiine "ii/A^jrt? (Hsö. 1073),
HnApiixt: Heinrich (HnaT. ji^t.), HpHniil (Vita Arcadii Novgor.
XIV. saec), IIjiBa neben 3.7i6a (Chronogr. XVII. Jahrh. bei Andr. Popov
Il3ÖopHiiKi> 49 S) u. a.
d) Illias und lllas geben die westrussische Form T/Lääe wieder.
11) Die Benennung Eligas', Ilias' als Kunic von Reussen ent-
spricht der in den russischen Annalen üblichen Bezeichnung Oleg's als
»russischer Fürst« oder » urmanischer c d. h. »murmanischer« Fürst,
gemäss der alten Synonymik dieser beiden Ausdrücke. Der Ausdruck
MypMaHCKÜl: veränderte sich unter dem Einfluss der Volksetymologie
in MypoMcidii oder MypaBCKifi: man vergl. die Benennung My-
poMCKÜl und MypMaHCKiii MOHacxLipb, MypoMCKiit, Mypivio und
MypoMCKÜl ocxpoBT. (in dem Testament des Lazar Mnrmanskij oder
Muromskij bei Barsukov, IIcto^hiikh pyccK. ariorpa*in S. 322; Am-
vrosij, IIcTop. poee. iepapxiu V. 115 ff.], oder die Bezeichnung MypaB-
CKÜI nyxb für den grossen warägischen Landweg nach Griechenland,
oder die Insel MypoBei^x am Dnjepr entsprechend dem alten Namen
Waräger- Insel. Folglich entspricht auch in der Benennung Ilias' sein
Zuname MypoMcu.x oder MypoBeu,-!) , MypaMeu,!. u. a. der Bezeichnung
desselben als Ilias von Reussen.
12. Der Name der von Ortnit und Eligas-Ilias eingenommenen
Stadt, nämlich Suders, Sunders, Suder, kommt sehr nahe der Benennung
Sud (cfhfl^T,), eines Vorortes von Konstantinopel, dessen sich Oleg und
Igor bemächtigt hatten.
13. Der Name des Königs Machahol, Nachaol, Nachael (Machorel).
dessen Tochter Ortnit heirathet, erinnert stark an den Namen des
griechischen Kaisers Michael, in dessen Zeiten einige russ. Annalen
den Zug Oleg's gegen Konstantinopel versetzen.
14. Merkwürdigerweise besteht auch zwischen den Charakteren
Machahol's oder Nachaol's in Ortnit und Kaisers Michael in der anna-
listischen Oleg-Erzählung einige Verwandtschaft : Machahol- Machorel ist
ein zügelloser, grausamer Mensch und der Kaiser Michael ist nach der
Auffassung der russischen Chronik (in Uebereinstimmung mit den griech.
Ilias von Reussen und Il'ja Muroiucc. 445
Quellen) »ue.iOB'£KX CKiiepnoaaiTe.ieni., nijiiiiiu;a 11 oöhaiuik'b, . . . iipe-
'itiBaiOLuin bt. öjiVA'Ii n iiiaiicTuL« Hiikoii. .Itr. .
Da die deutschen Varianten des Namens des russ. Fürsten, der dem
russischen Oleg Vjescij entspricht, aus den Eigenthümlichkeiten der
südwestlichen und westlichen Dialekte der altrussischen Sprache erklärt
werden können , so sind die Erzählungen über Oleg wahrscheinlich aus
westrussischen Gegenden nach Deutschland vorgedrungen. Die cultu-
rellen Beziehungen Smolensks und Polotzks mit Deutschland im XIII. bis
XIV. Jahrh. sind wohl bekannt. Das auslautende a oder an der Form
Eli gas würde auf die litauische Vermittlung in der Uebertragung der
Oleg-Erzählungen aus Russland nach Deutschland hinweisen. In der
That existirt ein interessantes Zeuguiss Tutiscev's (rocciucK. ncTopin t.
I S. 390. 553) dafür, dass die Ueberlieferung über »den Stamm Rjuiik's«
noch im XV. u. XVI. Jahrh. in Litauen, mit der Fixirung auf das
preussische Litauen . und in der Association mit der Ueberlieferung von
Kaiser Augustus, bekannt war; aus Litauen kamen »oiiLm uaciiH« (jene
Fabeln) durch Glinskij oder irgend einen andern nach Moskau
(im XVI. Jahrh.) und hier spiegelten sie sich in den entsprechenden
Vorstellungen betreffs der Abstammung lijurik's und Oleg's von dem
Pruss »aus dem Land der Prussen« und in den bekannten stolzen Ten-
denzen, die die russischen Rjurikovici (Rjurik's Abkömmlinge) mit dem
Stamm des Kaisers Augustus in Verbindung brachten , ab. Auf diese
Weise enthalten die mit Eligas- Ilias Kunic von Reussen zusammen-
häugenden Motive Ortnit's ein schätzbares Material nicht nur für die
äussere Geschichte des Epos von Oleg, sondern auch für die innere,
specitisch russische. Während sie auf der einen Seite von der Ver-
breitung der Erzählungen über den russischen Oleg jenseits der Grenzen
Russlands das Zeugniss abgeben, enthalten sie anderseits sehr schätz-
bare, einzige in ihrer Art, Hinweise auf die alten nationalrussischen
Varianten des Namens Oleg, die sich in der russischen Annalistik infolge
des starken Conservatismus der Literatursprache, die der Beeinflussung
seitens der lebendigen Volkssprache abhold war , gar nicht erhalten
haben. Die Namen ILilü und E.iba, die den Haupthelden des Wladi-
mir'schen Kreises erst seit dem Endo des XVI. Jahrh. (Ilija Murawlenin
bei Kwitka im J. 157 4, Elia Morowliu bei Erich v. Lassota im J. 1391)
zugeschrieben werden, gehörten ihm in der Wirklichkeit viel früher,
schon im XIII. Jahrh. an. Durch sein zufälliges Zusammentreffen mit
dem Namen des Propheten Elias 'Hliov) schliesst sich der Name des
446 M. Chalanskij,
Fftrsten lUas der Reihe anderer im Altrussischen anf dem Boden der
engen Beziehung mit den Normannen entstandenen Eigennamen an;
vergl. die Wiedergabe der Namen Liutr und Blundr oder Bh'itr durch
JlwTT, und IS.iyAT. (Kunik a. a. 0. II. 187) oder Fretr durch IXpiTHui.
(ib. 185) oder den Namen »des Viehgottes Volos«, entstanden aus der
Assimilation des Namens irgend einer altslavischen Gottheit des »Regens«
(vergl. varsas sanskr., nach Potebnja, Cjiobo o n. Ilr. 22) oder der »Sonm
(vergl. volsuna, volsungen, Bergmann, Die Eddagedichte Strassburg
1879. 49. 203) mit den Namen des griech. heil. Blasius, des Beschützers
der Herden, oder wie er von loannes Geometros genannt wird dBoiov
hdx^fi'i, ßluoiE, ffQovQog ^leyag« (Vasiljevskij Griech. byz. Frag-
mente :;}CMHnp. 1876, Märzheft 177).
Die hauptsächlichsten Facteu der eigentlich-russischen Erzählungen
von OjievTy Bimiil bestehen im folgenden: 1. Auf die Zweitheilung des
poetischen Bildes Oleg's wird schon in den ältesten Annalen angespielt:
in einem Theil der Annalen ist er ein selbständiger Fürst; in anderen
ein Heerführer Igor's; 2. die Idealisation der Persönlichkeit Oleg's be-
wegte sich in den beiden schon angegebenen Richtungen.
In der ersten Gruppe von Erzählungen erscheint Oleg als Re-
präsentant des mächtigen Novgorods und des »slavischen Russenstaates«
zur Zeit der Begründung desselben; an seinen Namen sind geknüpft die
Erinnerungen an den ersten Zug der Russen gegen Konstantinopel, an
den Zug gegen Suroz ; ihm wurde die staatliche Organisation Russlands
zugeschrieben (Kx HCTopiii no3T. cKasanifi o6i>OjiertB'£uj;eM'B,>iCMHnp.
1902, Augustheft). Die auf dieses Thema Bezug nehmenden Erzählungen
gravitirten zu Novgorod, lebten hauptsächlich in seinem Gebiete und
spiegelten sich in den Bylinen von Vol'ga (= Bojitra, Bcilh, Bo.ii.Ba
— Bo.itx'L — BojIxt.) Svjatoslavic ab. In ihrem Inhalt tritt ein enger
Zusammenhang mit der annaüstischeu Tradition hervor, vielleicht sogar
eine Abhängigkeit von derselben. Die zweite Gruppe von Erzählungen
nahm ihren Ursprung und Entwickhmgsgang von den Südwest- und
westrussischen Gebieten, die zu Kijev gravitirten und lange Zeit von
den geschichtlichen Ueberlieferungen Kijevs lebten. Hier wurde Fürst
Vladimir Centralfigur der poetischen Traditionen aus der Kijever Periode
des politischen Lebens, er konzentiirte um seine Person die Erinne-
rungen au andere Fürsten und an sein ganzes Gefolge. Oleg, Igor's
Heerführer, wurde von den Igor behandelnden Traditionen getrennt, er
associirte sich mit den poetischen Erzählungen über Vladimir, und be-
Ilias von Reussen und ITja Muroinec. 447
kam die Stelle eines Heerführers dieses Fürsten. Dieses Stadium der
epischen Entwickelung von Oleg-H'ja, belegt durch die Vita d. h. Vla-
dimir (aus dem XV. Jaluh., im II. Band der UTeiiiji cum. JiiTon. He-
cTopa, KieBT. 188(i), ist in der Darstellung der Thidrekssaga durch
Ilias jarl of Greca als dem Bruder Vladimir's vertreten.
Die Erzählungen vonOleg-Erja-Ilja machten ihren Entwickelungs-
gang in Südwest-Russland ohne Zusammenhang mit der annalistischen
Geschichtsüberlieferung. Von hier ans verbreiteten sie sich in die ost-
rossischen Moskauer Gebiete. Ohne ControUe, ohne Verjüngung durch
die annalistischen Traditionen, dem Volke selbst in ihrem Entwicklungs-
gang überlassen , zogen sie unbehindert allerlei literarische und münd-
liche epische Motive an sich und erweiterten sich allmählich in ihrem
Inhalt. Im Moskauer Russland unterwarfen sich die Erzählungen von
OJieny-lEiJihsi-lljihii bedeutenden Modificationen : hier associirten sie sich
»it den Erinnerungen an die tatarische Epoche : ihr Held , der mur-
mannische Fürst und Heerführer, kunik oder jarl, verwandelte sich all-
mählich in den Bauer von Mnrom; einer solchen Verwandlung leistete
Vorschub , abgesehen von den aus Lebensbedingungen resultirenden
Factoren (vergl. die Sage von dem dänischen Tiietleif, verwandt mit
der Bylina von dem Zug Ilijas von Murom nach Kijev) auch noch die
Sprache selbst, in welcher das Wort KpecxLHHHUx seine Bedeutung
ehristianus in rnsticus verwandelt, der Name ILiba seinen etymolog.
Zusammenhang mit den Varianten Ejibh , BaJitfl, IOjiba verloren hatte ;
die Benennung Oleg's »MypMaHCKiii«, »ypMaHCKiil« wurde als MypoM-
CKin oder MypaBCKiu aufgefasst und veranlasste ihre Fixirung an Murom
oder Krakov (Rybnikov III. 13) u. s. w.
Die Vervielfachung des alten Bestandes der Erzählungen von Oleg
durch neue Motive musste im Zusammenhang mit neuen Anwendungen
und Namensveränderungen den Abstand zwischen den alten süd- und
westrussischen Erzählungen über Oleg und den Bylinen über II ja-JulJ'a
nur noch erweitern. Um so schätzbarer sind die Fälle der erhaltenen
alten epischen Ueberlieferung in dem Epos von Ilija Mnromec. Sie
können beobachtet werden in den Bylinen über den ersten Gang dieses
Helden nach Kijev und in dem Märchen von der Heirat Vladimir's mit
einer transmarinen Prinzessin Martha; das Märchen stellt ein altes, der
metrischen Form entkleidetes episches Lied dar.
In den geographischen Namen und den damit verbundenen epischen
Motiven der Bylinen vom ersten Heldengang Ilija's sind unzweideutige
448 ^1- CluilauskiJ,
Züge der Verwandtschaft mit den annalistischen Erzählungen von dem
Zug Oleg's nach Kijev nachweisbar: 1. Der Name der Stadt Murom
oder Murov, Morov muss als eine Metonymie der murom'scheu oder
murav'schen, d. h. murmann'schen, normann'sehen Gegenden oder
Gebiete aufgefasst werden. Man vergl. solche Beispiele wie die Stadt
IlpycLi, die Stadt ErimeTT,, die Stadt Kiinpi., die surische Stadt u. s. w.
Die Benennung Muv-grad (Tichouravov-Miller a. a. 0. S. 3) ist wahr-
scheinlich ebenfalls kraft der Metonymie von dem Adjectiv *murskij\
das dem norddeutschen norsk (Kunik, IIsBicTia A.ii, EeKpn I. S. 79)
entspricht, abgeleitet worden. Die Benennung HjitH MypaMei^ii
(A. Marko V, E'SjiOMopeK. ölijiiiiih Nr. 42] oder Muram (Vsev. Miller
OyepKH S. 377) bezeichnet dasselbe wie MypaBCKiü, moravicus, bohe-
micus, vergl. MypaBCKoe cyKHO und MypaM'B eymio (d. h. mährisches
oder böhmisches Tuch). Auf diese Weise entspricht die Abreise ll'ja's
aus Murom , Murov, Mur der Ankunft Oleg's nach Russland von den
murmauschen Gegenden. — 2. Oleg. auf seinem Zug aus Novgorod nach
Kijev begriffen, besetzt unterwegs die Städte Smolensk und Ljubec der
Cernigover Gegend. Die Bylinen von dem ersten Gang Iljas' erzählen
ebenfalls davon, dass er sich bei Smoljacin d. h. Smolensk und Cernigov
aufhielt und von den Bewohnern dieser Städte aufgefordert wurde da-
selbst zu herrschen. — 3. Der in verschiedenen Varianten der Bylina
von dem ersten Gang ll'ja's nach Kijev erwähnte Flussname Smoro-
dina ist ein merkwürdiger Archaismus, der von dem grossen Alter der
Fixirung dieses Motivs an die auf der Wasserscheide der Flüsse Lovat',
Dviua und Dnjepr gelegene Oertlichkeit zeugt, an jenen historischen
»votok«, den alle aus dem Waräger- in das Land der Griechen, oder,
von Deutschland auf dem Wasserwege zu den Griechen Reisenden über-
schreiten mussten (vergl. Cynpacji. pyKonHCt. M. 1836 S. 2). Noch
jetzt sind im Gouvernement Smolensk (in den Kreisen Dorogobuz, Ros-
lavsk und Duchovsciny) Flüsschen und Weiler, die den Namen Smoro-
diny, Smorodinki führen, vorhanden. — 4. Der Gefangennahme des
Räubers Solovej durch Il'ja Muromec entspricht in der annalistischen
Erzählung über Oleg die Mittheilung von der zur Zeit jener fürstlichen
Herrschaft in Novgorod durch die Novgoroder erfolgten Gefangennahme
der »grossen Räuber« Kij, Scek, Choriv und ihrer Schwester Lybed';
in einem späteren Chronograph (des XVII. Jahrh.) wurde Kij als »Fürst
der Drevljanen und Krivicen« (A. Popov IIsö. 136) bezeichnet. — 5. Den
»Brynskischen Wäldern« der Bylinen von Il'ja Muromec entspricht in
Ilias von Reussen und Il'ja Mnromec. 449
der annalistischen Erzählung von Oleg »,^eöpb BeJiiKaii« als eine auf
dem Weg zwischen Novgorod und Kijev gelegene Gegend, die man in
der Dauer von zwei Monaten durchwandern musste (vergl. meine Excurse,
5. li> und das altrussische Jjpbiin. und llpaucKT., aus .XbopancKi.). —
6. Der Gang Il'ja Muromec's nach Kijev trägt den Charakter der Be-
freiung: er vertreibt das feindliche Heer von Smoljagin und Cernigov,
macht den geraden Weg (» npa.Moinacyio ,i,oi)ory<() nach Kijev von dem
Räuber Solovej frei. Auch der Zug Oleg's nach Kijev aus Novgorod hat
nach der Darstellung der Annalen Joachims einen Befreiungszweck:
die Kijever Bewohner laden Oleg ein, sie von der Macht des gewalt-
tliJitigen Oskold zu befreien. Ein Chronograph des XVIII. Jahrh. nennt
Oskold und Dir als Neflfen des drevljanischen und krivicischen Fürsten
Kij, die den in Novgorod ansässigen Slovenen Gewalt thaten. (A. Popov
a. a. 0. 131.) — 7. Endlich wird Fürst Oleg » noyropo;i;cKiH « der spä-
teren annalistischen Erzählungen als ein barmherziger Herrscher, als
ein Gegner der Todesstrafe, als ein Vertheidiger der Bedrückten ge-
schildert, wodurch er dem epischen Bild Ilija's von Murom, der sich als
Devise für seine Wirksamkeit den Spruch seines Vaters gewählt hatte :
rtHe no^iticjH s-tomt. na TaxapHiia, iie yöeil ni. yucTMMTi nojii KpecTba-
Hnna«, sehr nahe kommt.
Das Märchen von dem Kijever Fürsten Vladimir und Iljusa dem
Matrosensohn, das im Gouv. Perm aufgezeichnet wurde (3an. reorpa<j'.
Olim. I 659 — 06 1) spricht von der Betheiligung eines Ilja, oflfenbar, des
von Murom, an der Brautfahrt Vladimirs übers Meer. In seinem Grund-
motiv erinnert dieses Märchen an das Sujet der Nibelungen von der
Heirat Günthers mit Brunhild und an die verwandten südslavischen
Volkslieder (vergl. meine IO/Kiioct. CKaa. 0 Kpa.ieBinii !MapKl Cap. XI).
Il'ja 'im Märchen: Iljuska p'janjuska, vergl. in dem serb. Volkslied von
der Hochzeit Dusan's die Rolle Milos's : naimiin ee i];pHn oyrapiiiie und
in dieser Gestalt zieht er mit Hochzeitsgästen in die Stadt Legjan), der
Vladimir bei der Erlangung der Braut, der hinterlistigen Tochter des
weisen Kaisers jenseits des Meeres, hehilflich ist. ruft den Vergleich
sowohl mit Ilias von Reussen, der Ortnit auf der Brautfahrt Beistand
leistet, als auch mit dem Fürsten Oleg, der von Vladimir um die griech.
Prinzessin Anna geschickt wurde, in Erinnerung.
Zu späteren Aufschichtungen auf dem ursprünglichen Kijever
yclns von Erzählungen über Oleg-Elja-Il'ja gehören folgende epische
Motive, deren traditioneller Charakter durch eine Reihe von Special-
Archiv für slavisclie Philologie. XXV. 29
450 M. Chalanskij,
forschungen über das russische Epos uaebgewiesen worden ist: a) das
Motiv von der wunderbaren Genesung Il'ja's Muromec von seiner
Lähmung Be.iHKop. öllihhbi Kien. i^uKJia !)5), b) von der Begegnung
Il'ja's mit Svjatogor und der Frau Svjatogors (yK.ÄaiiOB'B, Kt jiuTep.
HCTopiu 6biJienon noasiii; PobiihcküI , PyccK. iiap. KapTHUKU IV. 16);
c) von dem Heldenmut der Frau Il'ja's Savisna (vergl. IOjKiiocji. ck. (iöO);
d) von dem Conflict Il'ja's mit dem Idolisce und dem Zidovin (ib. 481);
e) vom Il'ja Muromec und Kalinin-car' (ib. 506 — 522); f) von dem Con-
flict Il'ja's mit dem Sohn (Or. Miller, ILitn MypoMeu;-!. Cap. I — III,
Wesselofsky, lOacHopyccKiH (jtiJiHHW Cap. IX); g) die Bylinen von Baty.
von Mamaj und die damit zusammenhängenden Bylinen vom Untergang
der Helden berühren sich mit den südslavischen und griechischen Er-
zählungen von dem Fall Koustantinopels und der Centren südsl. polit.
Lebens unter dem Anprall der Türken (Wesselofsky a. a. 0. VIII). Aus
der Vergleichung dieser griech.-slavischen Erzählungen mit einander
und namentlich mit den literarischen Darstellimgeu des Falls Konstan-
tinopels gewinnt man die Erklärung mancher Einzelheiten, die darir
enthalten sind, z. B. des berühmten Safatllusses, in dessen Thälern der
Ilja Muromec und andere Helden das Schicksal ereilte. In der literar,
Darstellung vom Fall Koustantinopels (IIojih. coöp. p. ji^t. VIII. 13CJ
bis 143) wird wiederholt die »grosse Kirche der göttlichen Weisheit«.!
d. h. Hagia Sofia, und »der Platz vor der grossen Kirche« als Centriin:
jeuer historischeu Ereignisse erwähnt, in welchen der Verfasser de!
Erzählung die Offenbarung des göttlichen Zornes erblickt. In einen
biilg. Volkslied, das den Fall des bulg. Reiches, unter dem Kaiser Jo
Sisman, in Bildern, die mit dem erwähnten Cyclus der griech.-slavischei
poetischen Producte zusammenhängen, beweint, wird als der Schauplat
des letzten Kampfes des Kaisers Sisman mit den Türken, der über da
Schicksal Bulgariens entschieden hat, Co^iiiCKoe nojie genannt —
offenbar als Ersatz für die Kathedrale und den Platz der h. Sofia ij
Konstantiuopel. Im bulgar. Lied lautet die Stelle: »öoil m,e'sn> ^a c.
CtneMi), MHJia MOiiMaHKa, na Cgbüicko no.ie«; in den russ. Bylinen wurd
aus »Co*iilcKoe nojie« oder njiou^aAb — das Thal des Flusses Sofa
Salfa und dann unter dem Einfluss des Josaphath-Thales das Thal de
Safat-Flusses gemacht.
Unter dem Einfluss einer andern Strömung in der Geschichte de
russ. Gedankens und der russischen Volksliteratur, die in der Auer
kennung durch das russ. Volk der lateinischen Träger der Ideen de
Ilias von Reussen und ITja Muromec. 451
Liebe, des Guten iiud Gerechten als Heilige ihren Ausdruck fand ^vergl.
den Antonius »KimjaninK. denMercurius von Smolensk, den Lazar Mur-
manskij u. a.) wurde auch der » murmannische« Held des russ. Volks-
epos 11 ja oder Elja in den Chorus der Heiligen aufgenommen.
Charkow, 211. Dec. liHi2. 31. Chalanskij.
Zusatz. In dieser combinationsreichen Abhandlung wird die allgeuaeiu
zugegebene Bezugnabme des Ilias von Riuzen auf den russ. U'Ja Muromec in
zwei so zu sagen Individualitäten gespalten. Die Form des Namens Eligas
für dieselbe Persünliclikeit, die sonst Elias oder Ilias beisst, möchte der Verf.,
statt Eligas orthographisch als Elijas zu lesen, mit dem Namen Olcg in Zusam-
menbang bringen und zwar mit einer theoretisch allerdings denkbaren, aber
thatsächlich nicht nachweisbaren Form Elig (E-iLri.;. Mit anderen Worten aus-
gesprochen würde das bedeuten, dass damals, als die Deutschen durch Han-
delsbeziehungen mit den russischen Slaven die Bekanntschaft der russischen
epischen Sage gemacht, der Held von Murom noch nicht Hja, aber auch nicht
Oleg, sondern Elig hiess. Wenn wir das zugeben, obgleich schon in den äl-
testen russischen Nachrichten die bekannte historisch-mythische Persönlich-
keit immer nur den Namen Oleg (OlBgx) führt, so möchte man wissen, warum
dann in derselben deutschen Sage neben Eligas für dieselbe Persönlichkeit
auch Ilias und Elias als Name vorkommt? Soll man sagen, was oft'enbar auch
gemeint ist, dass zu Hause auf russischem Boden aus Elig in volksetymolo-
gischer Weise schon Hja hervorgegangen war, so entsteht die Frage, wie so
in Russland selbst bis auf den heutigen Tag neben H'ja doch noch Vol'ga
sich erhalten hat? Wollte man annehmen, Vol'ga habe sich in einigen russi-
schen Gegenden erhalten, in anderen sei er als Eligas durch H'ja verdrängt
worden, wie kommt es dann aber, dass die deutsche Dichtung von dem der
Wortform Vol'ga unzweifelhaft zu Grunde liegenden Namen Oleg nichts
weiss? Sehr wenig wahrscheinlich würde die Annahme klingen, dass die
deutsche Dichtung gerade zu jener Zeit mit der russischen Sage Bekanntschaft
machte, als diese neben Elig schon Elja als Benennung eingeführt hatte, ohne
jedoch zwei verschiedene Typen entwickelt zu haben, wie sie uns heute in
H'ja und Vol'ga vorliegen und ohne noch Oleg so, als Oleg. genannt zu iiaben.
Ich finde den Versucli, zwischen dem russischen Oleg und dem Inhalt der
deutschen Volksdichtung, wo auch Ilias mitthut, einen Zusammenhang nach-
zuweisen, sehr beachtenswerth. aber die Deutung der Wortform Eligas aus
Elig (d. h. E.iBn. für O.ibfx, O.icn.) will mir nicht einleuchten. Auf diese wie
es mir scheint anfechtbare Seite in der Beweisführung des Verfassers, dessen
ausdauernder Eifer gewiss alle Achtung verdient, möchte ich mit diesem Zu-
satz seine Aufmerksamkeit lenken. T- .^.
2'.)'
452
Die typischen Zalileu in der russisclieu Yolksepik.
Im VII. Bande des von der
Südslavischen Akademie in Agram
herausgegebenen «Zbornik za na-
rodni zivot i obicaje jiiznih Sla-
vena« (Agram 1902) erschien
meine Abhandlung über die typi- 1
sehen Zahlen in der serbokroati-
schen Volksepik (»Stajaci brojevi
u nasoj narodnoj epici«). Das
Material ist der Vuk'schen Samm-
lung der serbischen Volkslieder
entnommen (Band I — IV). Zur
Ausarbeitung und Herausgabe
dieser Abhandlung bestimmte mich
die Ueberzeugung, dass die typi-
schen Zahlen in jeder Volksepik
ebenso zur Ausschmückung der
poetischen Diction gehören, wie
z.B. die Epitheta und Gleichnisse.
Nachdem mein genannter Aufsatz schon ausgearbeitet vor mir lag;
wurde in mir der Wunsch rege, mich zu orientireu, wie es sich mit den
typischen Zahlen in der russischen Volksepik verhält. Da ich aber in
der mir bekannten und zugänglichen Literatur äusserst wenig über die-
sen Gegenstand vorfand ^j, so entschloss ich mich, selbst eine Sammlung
darüber anzulegen.
Bei der grossen Einförmigkeit der serbokroatischen epischen Volks-
lieder in Bezug auf Form und Inhalt bietet nach meinem Dafürhalten
das von mir Entworfene ein im Ganzen ziemlich treffendes Bild des
Gegenstandes für die gesammte Volksepik der Serben und Kroaten im
XIX. Jahrhundert, obwohl ich mich auf die Vuk'sche Sammlung be-
^) Vgl. bei VI ad. Stasoff: IIpoucxo/Kjeuie pyccKuxi. uti.mHi. in »Bf.'.T-
HUKT. EBpoHM«, 186S, Ik).!!!., S. 309 ff., lind bei W. Wollner: Untersuchungen
über die Volksepik der Grossrussen, S. 13—14.
Die typischen Zahlen in der russischen Yolksepik. 453
schränkt Labe. Sollte Jemand den typischen Zalilen auch in anderen
Sammelwerken der serbokroatischen' Volksepik nachgehen, so glaube
ich annehmen zu können, dass das \on mir gebotene Bild im Wesent-
lichen dasselbe bliebe. — Auch die russische Volksepik zeichnet sich
durch grosse Einförmigkeit aus (die wohl noch grösser ist, als in den
serbokroatischen epischen Volksliedern ; darum war ich der Meinung,
dass ich mir betreffs der typischen Zahlen in der russischen Volksepik
dasselbe erlauben kann, was ich mir für die serbokroatischen Lieder
erlaubt habe, ohne Gefahr zu laufen, ein für die gesammte russische
Volksepik unwahres Bild zu bieten. Nach kurzer Ueberlegung entschied
ich mich für die wohl bekannte Sammlung AI. Hilferding's : ÖHeyKCKia
ÖLUnnii. Cnu. 1S73.
Wenn ich hier zu den Zahlen der Hilferding'schen Sammlung Ver-
weise auf die Zahlen der Vuk'schen Lieder hinzufüge und sich daraus
wirklich manche Uebereinstimmungen ergeben, so soll der Leser darin
keineswegs den Ausdruck meiner Meinung von der besonderen Ver-
wandtschaft der einen und der anderen Volksepik erblicken. Ich be-
tone es nachdrücklich, dass ich weit entfernt davon bin, an eine solche
Verwandtschaft und einen inneren Zusammenhang der beiderseitigen
Epik zu glauben : ich bin vielmehr der Meinung, dass die meisten die
Technik und die Darstellung betreffenden Parallelen i) rein zufällig
;ind; nur einige erkläre ich mir aus der Gemeinsamkeit der internatio-
lalen Quellen, woraus die eine und die andere Volksepik schöpfte.
3Jeser Meinung habe ich bereits vor einigen Jahren in meiner Recension
1er Dissertation »Kaciio-ciaBHUcKia CKasaiiifl o Kpa.ieBniit Mapivic
•on M. Chalanskij (in »Rad jugoslavenske akademije« Band 132) Aus-
Iruck gegeben. Zu den rein zufälligen Uebereinstimmungen zähle ich
.uch die im vorliegenden Aufsatze mitgetheilten. Auch solche Ueber-
instimmungen entbehren eines gewissen Interesses nicht, denn sie
eigen uns, wie die menschliche Natur trotz aller Unterschiede des
Raumes, der Zeit, des Milieu u.s.w. manchmal zu denselben Mitteln in
er Kunst greifen kann. Bemerken will ich noch, dass meine Verweise
' uf die typischen Zahlen bei Vuk in der möglichst knappen Form ge-
alten sind. Das konnte um so leichter geschehen, weil mein oben
jtirter Aufsatz im »Zbornik« leicht zugänglich ist, und der Leser kann
ich ohne Mühe meine Angaben vervollständigen.
j ^, Einige derartige Parallelen werde ich gelegentlieh im -Zbornik« ver-
jflfentlichen.
i
154 T. Maretic,
Aus diesen Angaben wird sich für den Leser alles ergeben, was
er über die Häufigkeit dieser oder jener Zahl bei \"uk zu wissen wünscht;
hier muss ich nur diejenigen Zahlen anführen, welche bei Vuk mehr
oder weniger häufig sind, aber bei Hilferding nicht vorkommen. Diese
Zahlen sind 34, 74, 77, GÜO, 12.000. (Es gibt noch einige, welche
aber bei Vuk sehr selten sind — nur ein- oder zweimal belegt — , auf
welche man also keine Rücksicht zu nehmen braucht.)
Die russische Volksepik weist im Gebrauche ihrer typischen Zahlen
zwei Eigenthümlichkeiten auf, welche man in den serbokroatischen
Volksliedern nicht findet. Die erstere Eigen thümlichkeit besteht darin,
dass man einer Zahl noch '/2 hinzugibt, und so finden wir Beispiele für
*1^ 2> ÖV2> 7V2i"id 12Y2- Die zweite Eigenthümlichkeit zeigt sich darin,
dass die Sänger der 6hiÄimu den runden Zahlen 30, 40, 50 manchmal
noch die Zahl 1 hinzugeben; sie sprechen z. B. von 30 Mannen mit
ihrem Anführer (30 MOjio;i,uiOBi. oder öoraTtipeil co e^miumn). In einem
solchen Falle haben wir also die Zahlen 30 -f- 1 (40+ 1, 50 + 1). Es
wäre falsch, hier von den Zahlen 31, 41, 51 zu reden, weil wir sonst
diese Zahlen deutlich und klar ausgedrückt so gut wie nirgends finden.
Wir müssen also auch in diesem Falle ohne Rücksicht auf das hinzu-
gegebene 1 die runden Zahlen 30, 40, 50 annehmen, weil sie, und nicht
das 1, das Hauptsächliche sind '). Hier ist noch zu bemerken, dass man
einige Male auch den Ausdruck 30 — 1 findet, z. B. 30 Mannen ohne
ihren Anführer (30 mo.ioäu.obt, öbs-l eAHnaro). Solche Beispiele fasse
ich natürlich nicht als 29, sondern als 30 auf.
Dieser Aufsatz zerfällt in zwei Abtheilungen ; in der ersten werden
die Belege für die einzelnen Zahlen vorgeführt, wo sie allein vorkom-
men; in der zweiten Abtheilung ist die Rede von den Fällen, wo zwei
oder mehrere Zahlen mit einander verbunden sind (gewöhnlich im
Dienste der Gradation). In der I. Abtheilung werden keine Beispiele
für die Zahlen 2, 3 vorgeführt, und der Grund dafür ist, weil 2 meiner
Ansicht nach eine typische Zahl nicht genannt werden kann, die Zahl 3
^! Vlad. Stasoff in seiner oben genannten Schrift nimmt, wo in den Öu-
JiuHhi die Rede von 40 + 1 ist, die ZahHl (und nicht 40) an. Diese Zahl 41 ist
ihm sehr willkommen, weil sie im besten Einklänge mit der Tendenz seiner
ganzen Schrift steht: sie ist ihm nämlich eine starke Stütze in seiner Beweis-
führung von der totalen Abhängigkeit der rassischen Volksepik von dem
Erzählungsstoffe der asiatischen Völker. In meinen Augen ist diese Stütze
ganz werthlos.
Die typischen Zahlen in der russischen Volksepik. 455
I ist zwar typisch, aber (wie auch in den serbokroatischen Liederni über-
i ans häufig, und da sich von dieser Häufigkeit jeder Leser leiclit über-
1 zeugen kann, wenn er nur einige öbuiihbi ganz oberflächlich durcli-
nimmt, so habe ich es (auch im Interesse der Kaumersparniss] unter-
lassen, die Belege für 3 in der I. Abtheilung zu geben. Es versteht
sich von selbst, dass die Zahlen unberücksichtigt bleiben, welche etwas
I in der Natur Gegebenes ausdrücken, wie z. B. die 4 Seiten der Welt. —
' Für die durch die Zahlen bezeichneten Gegenstände ist diese Reihen-
folge massgebend: Zeit, Geld, Masse, Male (wie viele Mal etwas ge-
j schiebt), Theile, Thiere, Menschen, Verschiedenes, — und zuletzt kom-
men die Beispiele, wo dieselbe Zahl mit sich selbst verbunden ist. —
Die Zahlen in den Klamnern bezeichnen die Seiten des Hilferding'schen
Buches.
I.
4 : 4 Theile (z. B. der Kopf springt in 4 Theile, der Schatz wird
in 4 Theile getheilt, das Herz des getödteten Feindes wird in 4 Stficke
zerhauen u. s. w., 21, 18G, 200, 233, 278); — 4 Auerochsen mit gol-
denen Hörnern (205, 1179); — 4 Zimmer (531); — 4 Sperren (sacxanM.
sind auf der Strasse von Kiev bis Galic, 1105). — Bei Vuk viel
häufiger.
4^ -2 : ein Fass von 4^2 Eimer illS2, 1270); — ein Fass von
41 . Eimer und 41/2 Pud (118).
5 : 5 Rubel 'als Geschenk oder Steuer, 574, 1129, 1238); —
5 Meilen (iionpiime, 597); — 5 Klafter (caateiii., 1228); — 5 Brüder
von 9 werden getödtet, 1228) ; — 5 Nägel (mit welchen Potyk Ivanovic
ui die Wand angenagelt wird, 65, 280). — Bei Vuk auch selten.
6 : 6 Jahre (213,352,736,1303); — 6 Wochen (188); — 6 Tage
(308, 327); — 6 Stunden (383); — 6 Meilen (eepcTt, 129, 987); —
1 Klafter (caacom,, 1236); — 6 Pud (457); — 6 Reihen Frauen (86); —
6 Kaufleute (388); — 6 Eichen (auf welchen Solovej razbojnik sitzt.
S70) 1). — Bei Vuk nicht viel häufiger.
1) Im Gouvernement Orlov besteht ein Dorf, welches JeBflTu-/työoEi.
}3der ileBflTu-^yöbi ;= neun Eichen) heisst. Es ist sehr wahrscheinlich, dass
wir da den Sitz des Solovej razbojnik d.h. eines Häuptlings aus dem Stamme
1er Vjaticen im XII. Jahrh.) zu suchen haben. Vgl. N. I. Petroff in iraB-tcxi-T
)x,li.ieuia pyccKaro nstiKa u ciOBecnocxii umu. .iKaj. iiavKx, V. 628. — Bei Hilfer-
ling ist oft die Rede von den Eichen des Solovej, aber die Sänger verbinden
456 T. Maretic,
6V2 : 6V2 Pud (1096, 1120, 1231).
7 : 7 Jahre (684): — 7 Tage (1186); — 7 Meilen (ßepcTx, 892.
1143, 1162); — 7 Mal (müsste man die Stadt Kiev verkaufen, um Tinte
und Papier anzuschaffen, wenn man die Schätze Djuk'3 beschreiben
wollte, 1011); — - 7 Söhne (149, 1237); — 7 Helden (628, 1199); —
7 Seidenstoffe (cgmh kibjikobx, woraus sehr verschiedene Gegenstände,
z. B. Peitschen, Sattelgurte, Schuhe, Segel, Gürtel u.s.w. bestehen, 33,
123, 212, 283, 367, 546, 584, 629, 682 ); — 7 Eichen (auf
welchen Solovej razbojnik sitzt, 300, 988); — 7 Brote (frisst Idolisce
poganoje auf einmal, 1037); — das Haus Solovej's ist erbaut »na cbmh
CTOjiöax'B ;i,a na ce>m BspcTaxi.« (989). — Bei Vuk überaus häufig.
71/2 : ein Stock 71/2 Pud schwer (1020).
8 : ein Balken 8 Klafter (caateHx) lang (154); — eine Schlange
mit 8 Köpfen (665). — Bei Vuk ebenfalls sehr selten.
9 : 9 Jahre (1018, 1094); — 9 Tage und Nächte (1298); — 9
Klafter (ca^eni,, 1245, 1310); — 9 Auerochsen (1117); — 9 Helden
(25); — 9 Brüder (120, 1228); — 9 Töchter (154): — 9 Weinfässer
(593); — der Türkencar will 9 russische Städte erobern und dieselben
unter seine 9 Söhne vertheilen (554). — Bei Vuk viel häufiger.
10 : 10 Jahre (112, 678); — 10 Helden (438); — die Tataren
überfallen Dobrynja »AecHTKaMH« (492); — »yjiHii;y Kasiiiuix ohi. j\eca.-
Tyio, Bt ÄecaToii KasHHjn. oh^ ^ecHTaro« (die Rede ist vom gütigen
Carevic Feodor Ivanovic, 979). — Bei Vuk auch ziemlich selten.
12 : 12 Jahre (118, 161,263,322,381,493,543,557,574 ):
— 12 Jahre (=6 + 6,8.41, 133, 162,178,486,580,753 ); —
12 Tage (133, 341, 363, 581, 591, 656, 736); — 12 Pud (292, 693,
967, 1051, 1203);— 1 2 Klafter (caaceHcn, 985); — 1 2 Meilen (Bepcxi,,
692); — 12 Pferde (306); — 12 Schlangen (321); — 12 Tataren
(werden von dem herabgestürzten Thor getödtet, 241); — 12 Helden
(450, 461, 490, 530, 636, 709, 869, 1297); — 12 Mädchen (1053); —
12 Eichen (aufweichen Solovej razbojnik sitzt, 17, 597, 652, 1220); —
12 Schweife an einer Schlange (30, 57, 79, 744, 776, 800, 1071); —
12 Sattelgurte an einem Pferde (75, 161, 109, 177, 339, 359, 449, 637,
643 ); — 12 Filzdecken an einem Pferde (707, 984); — 12
sie nicht mit der thatsächliclieu Zahl 9, sondern mit den Zahlen 6, 7, 12 und
einmal mit 3 (S. lüOO). Sie haben offenbar schon längst die wahre Bedeutung
der Eichen Solovej's vergessen.
Die typischen Zalilen in der russischen Volksepil^. 457
Facetten an einem geschlifleuen Pfeile (1104, 1140 : — 12 Schwäne
und 12 Falken als Steuer für 12^ \, Jahre (480); — 12 silberne Kettchen
und 12 dünne Zügel an einem Pferde (967). — Bei Vuk ebenfalls
sehr häufig.
I2V2 : 12 '2 Jahre (475, 4S0, Sil).
15 : 15 Jahre (33, 153): — 15 Meilen (nepcT-B, StiS, 1294:; —
die Schar von 30 Helden theilt sich in 2 Abtheilungen von je 15 Mann
(383). — Bei Vuk viel häufiger.
17 : ein Jüngling von 17 Jahren (()57 ; — 17 Jahre (025). — Bei
Vuk ebenfalls selten, und zwar nicht für 'Jahre gebraucht.
18 : ein Jüngling von IS Jahren (1184); — IS Jahre 1= 3 + :^ +
12. S. lOlS). — Bei Vuk auch sehr selten.
20 : 20 Klafter 'caa^em., 1234). — Bei Vuk nicht besonders
häufig, aber viel häufiger als bei Hilferding.
25 : 25 Rubel (als Geschenk, 1330). — Bei Vuk auch sehr
selten.
27 (ein besonderer Ausdruck für diese Zahl in den russischen Volks-
liedern — so wie in den Märchen — ist xpnjeBHTb, d. h. 3X9):
Opraksija Mikulicna sitzt geschlossen hinter 27 Riegeln und 27 Wäch-
tern (712); — Staver Godinovic besitzt 27 Stuten und ebensoviele
Füllen (S51). Merkwürdig sind die Verse: y iieil ubi.io bt. no.iii xpn-
AesHTt TypoBT., cuLi-ica B-L no.iii TpHÄecHTBiii Typ-L (S34). — Bei
Vuk kein Beispiel.
30 : 30 Jahre (241. 294. 336, 646, 731, 9S7, 1000, 1317); —
30 Meilen (ßepcTx, 300, 923, 104S); — 30 Klafter (ca/KSHt, 1119); —
30 Pferde (1079); — 30 Menschen tödtet mit dem Brunnenschwengel
die Köchin des Vasilij Buslajevic (153); — die Kriegerschar 30 Mann
stark ^157, 1169); — dieselbe Schar sammt dem Anführer (3U — 1.
8. 378, 436, 552); — dieselbe Schar ohne den Anführer (30+ 1,
S. 409. 600, 795); — 30 Töchter (097); — 30 Pilger sammt dem An-
führer (30 — 1, S. 1104); — 30 Schiffe (173, 367. 391, 739, 976). —
Bei Vuk ungemein häufig.
33 : 33 Pferde (700); — 33 Töchter (1242); — 33 Schiffe (2S3,
1132 ; — 33 Pfeile (627, 1230). — Bei Vuk seltener als bei
Hilferding,
40 : 40 Jahre (621); — 40 Tage (1177); — 40 Pud ^14, 23, 114,
159, 168. 250. 359, 437. 649 ) ; — 40 Eimer (öouKa copoKonaa,
1176, 1235); — 40 Klafter (ca«eHX, caatOHi., 663, 6S2, 1075, 1114,
45S i- Miiietic,
1155, 1177, 120;^ 1213 ); — 40 Meilen (BepcTt, 931); — 40
Stuten (614); — 40 Schützen (14); — 4<i Soldaten (68, 1226); — 40
Räuber (923, 1023, 1155, 1212 ) ; — 40 Scharfrichter (882); —
40 Mädchen (12(13) ; — 40 Helden ohne den Anführer (40+ 1, S. 621);
— 40 Pilger ohne den Anführer (40 + 1, S. 4 1 1 i), 569, 875, 1279); —
40 Mädchen ohne ihre Anführerin (40+1, S. 879); — 40 Fuhren
Schatz (263); — 40 Kanonen (964 ) ; — 40 Kaiser mit 40 Kaisersöhnen
und 40 Könige mit 40 Königssöhnen 182, 196, 585, 658, 749, 974,
1204 ...;; — 40 Kaiser und 40 Könige (556); — 40 Kaufleute mit
40 Kaufmannssöhnen und 40 andere Jünglinge (924); — 40 Bojaren
und 40 Tataren werden getödtet (931); — 40 Schützen und 40 andere
Helden (768); — 40 Jahre Dienst für 40 Fuhren Schatz (265); — 40
Kaiser aus 40 Ländern (1293). Hier erwähne icli auch die Zahl copoi.i.
eopoKOBT., d. h. 40 X 40 : copoKT) copoKOBi) ^lepiiLixT. coöcieBt, d. h.
40 X 40 schwarze Zobel (284, 361, 1063). — Bei Vuk viel weniger
gebräuchlich.
50: 50 Rubel (als Geschenic, 171, 545, 575, 678); — 50 Helden
ohne den Anführer (977); — 50 Tataren und 50 Bojaren werden ge-
tödtet (843). — Bei Vuk auch nicht häufig.
(>() : 60 Helden (567). — Bei Vuk ziemlich häufig.
70 : 70 Rubel (als Geschenk, 679); — 70 Meilen (Bepcxx, 1015/,
— 70 Hallen (TepeMOB-B hat das Haus des Curilo Plenkovic, 1062); —
70 Bilder (1074); — 70 Mündungen (hat der Wolgafluss, 1091, 1302).
— Bei Vuk ein wenig häufiger.
SO : SO Pud (599); — 80 Menschen (1135). — Bei Vuk ebenso
selten.
90 : 90 Jahre lebt der alte Buslaj oder Svjatoslav (152, 435, 593,1;
— 90 Pud (301, 519, 593, 595, 967, 97 1, 974, 1023, 1170). Hier be-
merke ich, dass ich mir den Sinn folgender Verse nicht recht erklären
kann: 'mhäi, Aa öh.i'l l)yejraBi> ;i;a AeBHUocTo .t^ttb, ;i;eBfluocTo|
.lixT. j,a 11,'S^y xticamy (215), — bt, cjraBHOMi. öbijo bo HoBiropo;ti.
acH.it EyciaBt ;i;eBaH0CT0 ji'6ti., acH.n, EyciasT. ix^-äj TticflU];y (722).
— Bei Vuk viel seltener.
1) Zu Anfang des Liedes spricht man von 30 und später von 40 Pilgern '
Ich habe mich für die letztere als die typische Zahl für die Pilger entschieden-j
Solche Fehler in der Angabe der Zahlen in einem und demselben Liede findeuj
wir manchmal auch bei Vuk, wie aus meinem Aufsatze in «Zbornik« zu er-
sehen ist. !
Die typischen Zahlen in der russischen Volksepik. 459
100 : 100 Jahre lebt der alte Biislaj (1243); — 100 Rubel ((J40;;
— 100 Pud (131, 132, 159, UT'i, 1244). — Bei Vuk viel häufiger.
270 (TpHAeBfliiocTO, d. h. 3 X 90) : 270 Pud (313). — Bei Vuk
kein Beispiel.
300 : 300 Meilen (Bspcn,, 310, G!)4;i; — 300 Soldaten (173); —
300 Novgoroder(llS5); — drei Scharen von je 300 Mädchen (397): —
300 Pfeile (322). — Bei Vuk viel häufiger.
303 : 303 Meilen (uepcTLi, ()!)9): — 303 Pferde (695); — 303
Pfeile (775, 817, 1069, 1104). — Bei Vuk 2 Beispiele.
330: 330 Meilen (BepcTx, 1005'. — Bei Vuk auch nur ein
Beispiel.
350 : 350 Jahre ist Ilja Muromee alt (946); — »neMa.iii ptuKa
Tpucxa nflTtjtecHT'Lcf (aber was? Meilen? oder Klafter? oder Schritte?
man weiss auch nicht, ob die Zahl vou der Länge oder von der Breite
zu verstehen ist, S. 584). — Bei Vuk kein Beispiel.
400 : 400 Räuber (649). — Bei Vuk 2 Beispiele.
600 : 500 Rubel (75, 106, 148, 313, 439, 798, 919 ' : —
500 Schritte (als Längemass, 509, 591); — 500 Pud (622 ; — 5o0
Räuber (1052); — 500 Soldaten (1061, 1099); — 500 Rubel an 500
Arbeiter vertheilt (837). — Bei Vuk etwas häufiger.
TOO : 700 Rubel (als Geschenk, 575,923); — 700 Meilen (uepcxi,
1202). — Auch bei Vuk selten.
1000 : 1000 Bauern erschlagen (797). In den öbi.ihhbi ist öfters
die Rede von «vielen Tausenden« (Miioro TLicameil, auch ul.itiMa tli-
camaMii) oder von «mehr als Tausend« (uo.itme od. uo.it TLieHUH od.
Tticflmn); z. B. betreffs der Rubel (533), der Soldaten 20, 22, 373.
1063, 11S7), der Bauern (159). — Bei Vuk viel häufiger.
2000 : 2000 Rubel (1134). —Auch bei Vuk sehr selten.
3000 : 3000 Meilen ist der Wolgafluss lang (1015, 1055, lOOl.
1302); — 3000 Pud (1186); — 3000 Soldaten (327). Man vgl. noch
den Ausdruck : no xpii TtMLi, no xpii TLicflimi, u. zw. betrefls der Sol-
daten (196, 975), des Schatzes (961). — Bei Vuk seltener.
30.000 : 30.000 Rubel (eigentlich: Geld, Aenerx, 390). — Bei
Vuk aucli nur ein Beispiel.
40.000 : 40.000 Rubel (geilen, oder 30jiotoii Ka3HLi, 255, 56S,
69S, 923, 1300); — 40.000 Räuber (95, 296, 310, 867, 1137, 1202);
— 40.000 Soldaten (111, 117, 17 5, 205, 255, 322, 335, 351, 358... .\ —
Bei Vuk kommt nicht vor.
460 T. Maretic,
100.000 : 100.000 Soldaten (1294). — Bei Viik ziemlich
selten.
300.000 : 200.000 Rubel (1186). — Bei Vuk kein Beispiel.
.300.000 : 300.000 Soldaten (1183). — Bei Vuk auch nur ein
Beispiel.
II.
Die meisten der im Folgenden vorkommenden Zahlen finden wir
auch in der I. Abtheilung. Dort fehlen nur die Zahlen: 13, 16, 31, 200,
800, 900, 7.000, 9.000, 10.000. — Einige von den jetzt folgenden
Verbindungen kommen auch in den Vuk'schen Volksliedern vor, und
das werde ich überall ausdrücklich bemerken ; wo der Leser keine
solche Bemerkung findet, das soll ihm ein Zeichen sein, dass sich für
die betrefifenden Verbindungen keine Beispiele bei Vuk finden.
2 — 3 — 5 : Meilen (1071); — Vergeltung (eine zweifache, eine
dreifache und eine fünffache, 1237).
3 — 4 : Tataren (»a ir HecyTi. ohii ^a Kopo^ießCKOii .lyKi., a ii xpir
HXTb ^leTBipe TaTapima«, 490); — Pferde («ci. kohh-to oh-l na Koni.
nepecKaKHBae, ^lepesi) Tpn-xo oh'l kohh ^a na ^exBepToro«, 1103); —
Jahre («oiii. jih atHJEi co KHarnnon poBno Tpn ro^M, na yerBepToil
TOAT, OH'L ry.TflTt nomoji'i«, 1166, ähnlich S. 1249) i). — - Kommt
auch bei Vuk vor, und zwar sehr oft.
3—5—6—7 : Rubel (555).
3—6 : Monate (1074); — Klafter (749); — Brüder (1311); —
Wagen (1078); — Schweife an der Schlange (340—345); — 3 Schrei-
ber beschreiben durch 6 Jahre die Schätze des Djuk Stepanovic, und
sind kaum mit dem 6'^" Theil fertig (123). — Kommt auch bei
Vuk vor.
3—6—9 : Kirchen (208, 326).
3—6—9—12 : Jahre (145, 638).
3—7 : 3 Pfund und 7 Pud (130). — Kommt auch bei Vuk vor.
3 — 9 : ein Knüttel «^eBATH caacoiix« lang und »xpn oöoiiMeHH«
dick (335).
3 — 12 : 3 Köpfe und 12 Schweife an einer Schlange (476). —
Kommt auch bei Vuk vor.
i\
Aus diesen Beispielen kann der Leser ersehen, wie manche Zahlver-
bindungen gebraucht werden; darum sind weitere wörtliche Zitate nicht
nothweudig.
Die typischen Zahlen in der russischen Volksepik. 461
3 — 30 : Jahre illl); — 30 Schreiber hätten 3 Jahre was zu
schreiben ,1114). — Kommt bei Vuk öfters vor.
5 — 7 — 12 : Jahre (552).
5—10 : Helden (797).
5 — 500 : 5 Kosaken in jedem von 500 Wagen (175).
6—9 : Jahre (.3 + 3 und 3 + 3 -|- 3, S. !J6S .
6 — 12 : 6 Schreiber könnten in 12 Jahren nicht alles beschreiben
(123): — Klafter (SOS). —Kommt auch bei Vuk vor.
7 — 9 : Jahre (1057). — Kommt auch bei Vuk vor.
7 — 70 — 700 : das Haus des Öurilo Plenkovic ist 7 Meilen breit,
über den Thoren stehen 70 Heiligenbilder und umfasst dasselbe 700
Hallen (1100).
9—10 : Jahre (1154, 1253, 1259; — die Zahl !l wird als 3 + 3 + 3
ausgedrückt, S. 115, 1088, 1205); — Jünglinge 116, 1088, 1139,
1205, 1250); — 9 Söhne und eine Tochter als die 10*« 'S44, 884,
1154, 1265, 1309); — 9 Kaiser und 10 russische Helden (113). —
Kommt bei Vuk häufig vor.
9—12 : Jahre i927, 1166).
9 — 60 : die Kappe eines Pilgers ist 6u Pud schwer und seine
Krücke ist 9 Klafter lang (1234).
10—20—40 : Klafter (11S7).
12—13 : 12 Jahre und noch eines dazu als 13'«^ '692. 1229); —
12 Tage und noch einer dazu als 13*" (346); — 12 Sattelgurte auf dem
Pferde und noch ein besonderer dazu als 13*" (40, 48, 79, 190, 203,
485, 747, 751, 776 \ Man vgl. noch: (jaiib) 3a ;iBiHaAUaTb
rojT, Aa 3a TpHna^uaTb .lixi, (193), 3a ABiiiaAnaxb roAX ^a 3a rpii-
iiaAnaTb ji^T-B, 3a TpiinaAu;aTt .lixt jLa. et no.TOBHHOH) (47, 760). —
Kommt auch bei Vuk vor, aber viel seltener.
15—20 : Meilen 1199— 120u).
16 — 17 : 16 Sattelgurte auf dem Pferde und noch ein besonderer
dazu als IT*" (1034).
20—30—10 : Klafter (707—709).
20—40 : Klafter (254, 727).
20—100 : Pud (1241).
30—31 : im Schiffe sind 30 Jünglinge und die Mutter des Solovej
Budimirovic ist als die 31^*^ unter ihnen (367).
30—40 : Klafter (219). — Kommt auch bei Vuk einmal vor.
462 T. Maretid, Die typischen Zahlen in der russischen Volksepik.
30 — 50 : ;i<» Helden und 50 Tataren werden erschlagen von
Kostrjuk (139).
40 — 100 : Pud (790). — Kommt auch bei Vuk einmal vor.
40 — 500 : 40 Könige aus 40 Ländern und noch 500 Fürsten
dazu (373).
70 — 300 — 900 : Kostrjuk hat 70 Schlachten mitgemacht, 30(i
Kämpfer hat er erschlagen und 900 Städte erobert (1191).
100—200—300 : Rubel (1060, 1207, 1313).
100—200—500 : Rubel (1073).
100—500—1.000 : Rubel (1219).
100—1.000 : Rubel (S77); — Pferde (1070). — Kommt auch
bei Vuk vor.
200—300—400 : Jünglinge (1103).
270 — 2.000 : Meilen (»xpH ÄeBanocxa Bepcxi) — ab^ TLicflu;H«|
870).
300 — 500 : «i];apL Ilßanx ^a BacHjrte.BHyi., OHt ksbo.ihji'l >KeHii-
TiiCH . . . . Aa 0H1. MHoro B-L npH^auLi öpaji'L, OH-L TpHCxa yjiaHOBefi, ^aj
naTtcoTT) yjitiBaHOBeil« (1315). — Kommt auch bei Vuk vor.
300—700 : Meilen (021).
300—3.000 : Meilen (966, 996). — Kommt auch bei Vuk vor.
500—1.000 : Rubel (15, 91, 228, 298, 311, 541, 699, 874, 946i
); — Meilen (440); — Jünglinge (1102 — 1103). '
500—1.000—9.000 : Rubel (1137).
500—2.000 : Rubel (1023, 1212).
500—2.000—3.000 : Rubel (1202).
800—1.000: Rubel (731).
1.000—2.000 : Meilen (987).
1.000—2.000—3.000 : Rubel (1071).
1.000—7.000—9.000 : Rubel (1052).
1.000—10.000 : Soldaten (658).
10.000 — 40.000 : «bosbmh tli y ^leiin chjih copoK'B TBica^ieH,j
B03LMII KasHti AecHTb TLicayeH« sagt Fürst Vladimir zu seinem Ge-
sandten (562).
40.000—300.000 : Soldaten (550).
Agram. Ende 1902. Dr. T. Maretic.
463
Jovau Malesevac als ßücherschreiber und Bücher-
corrector.
In dem vor kurzem erschie-
nenen ersten Band der »('rapH
cpncKii sannen n na'rnncn«. ge-
sammelt und herausgegeben von
dem serbischen Akademiker Lju-
bomir Stojauovic (Belgrad 1902
sind folgende, aus verschiedenen
Handschriften zusammengetra-
gene Notizen zu finden: l. Unter
Nr. 451, unter dem Jahre 1524,
in einem Menäum ist davon die
Rede, dass im J. 1524 in Trebiuje,
in der Mariahimmelfahrt-Kirche,
dieses Buch geschrieben wurde
»in den Tagen des bösen, die heil.
Dreifaltigkeit lästernden und die
Christen verfolgenden türkischen
Kaisers Sulejman«. Als sein
Schreiber wird ein Dijakon Joann
Malesevac genannt: CMepenin n :\iHororpiirHiH paöh ö/Kin luanuh ]Ma.ie-
men^Ub (jetzt ist diese Handschrift in der kais. öffentl. Bibliothek zu
St. Petersburg, woliin sie durch den gewesenen russ. Consul Hilferding
gelangte). — 2) Unter Nr. 525 und unter dem J. 1545 liest man eine
Notiz, ans dem »Glasnik« des Sarajewer Landesmuseums (Jahrg. 1902.
S. 295; wiederabgedruckt, sie steht in einem handschriftlichen Prolog,
der nach der besagten Notiz von einem leromonach Sava begonnen und
nach dessen Tode von einem Dijak Jovan vollendet wurde: Aonneaxb
ÄBa :*rLcei;a 6e3 nex p,iui rpLunni h Mtnmn na^ie ncixb /liaici. Ilunanb.
(Diese Handschrift befindet sich in dem Dreifaltigkeits-Kloster bei
Plevlje). — 3) Unter Nr. 526, von demselben Jahre, steht eine im bosn.
Glasnik 1901, S. 307 mitgetheilte Notiz, ans einer anderen Handschrift
desselben Klosters, einem Typikon. abgedruckt, deren Schreiber sich
^ <^C<:^<^c^
464 U- Ruvarac,
abermals Dijak Jovau nennt: rpimnii ii MMiuiiii na^ie Bcixb ;i,iaKi> Hw-j
BaHb. — 4) Unter Nr. 533 und unter dem J. 154G steht eine Notiz, auä
dem Nachwort eines Tetraevangeliums, das in dem vorerwähnten Drei-
faltigkeits-Kloster bei Plevlje aufbewahrt wird, entlehnt, die abermals
als den Schreiber der Handschrift den »sündhaften und kleinsten unter
allen Dijak Jovan« bezeichnet.
Auf Grund dieser vier Notizen, die vor wenigen Jahren nicht so
leicht war zusammenzustellen, wie das jetzt durch die Publication Sto-
janovic's der Fall ist, machte mir Herr Archimandrit Ilarion Ruvarac
zum 24. Dec. 1900 folgende briefliche, bisher nicht verwerthete Mit-
theilung:
»Jetzt wollen wir uns den Dijak Jovan Malesevac aus dem XVI.
Jahrhundert etwas näher ansehen. Wenn man die obenerwähnten vier
Notizen miteinander vergleicht, möchte ich wissen, ob man mir darin bei-
stimmen wird, dass ich den Diakon oder Dijak Jovan aller vier Notizen
für eine und dieselbe Person halte, also auch unter Nr. 2. 3. 4 den
Schreiber der Bücher vom Jahre 1545 und 1546 im Vrhobreznicer
Kloster bei Plevlje für denselben Iiuauiib MajreuieBLii,!, erkläre, der im
J. 1524 (nach der Notiz Nr. 1) in Trebinje das Menäum schrieb. Nun
hat aber Prof Ljuba Kovacevic in Belgrad noch auf ein fünftes Werk
hingewiesen, auf ein im Jahre 1532 geschriebenes Evangelium (vergl
r.iacHHK epn. yy. ;i;p. Band LVI, S. 33 7j, in dessen Nachwort ebenfalls
als Schreiber desselben »der sündhafte Knecht Christi Dijak Jovan« ge-
nannt wird. (Bei Stojanovic jetzt unter Nr. 471.) Will man auch noch
diesen Dijak Jovan mit den früher Genannten unter den Jahren 1545 u.
1546 identificiren, so kann auf die Vermuthung Kovacevic's verwiesen
werden, dass der in der letzten Notiz genannte Erzbischof Vasilije, in
dessen Zeit die Fertigstellung des Evangeliums fällt, Metropolit Monte-
negros (von Cetinje) gewesen. Darnach wäre derselbe Jovan Malesevac
zuerst in Trebinje, dann in Montenegro, zuletzt in Plevlje als Bücher-
schreiber thätig gewesen«.
»Jetzt will ich aber einen gewaltigen Sprang machen, so gewaltig,
dass man ihn fast einen Sprung ins Leere bezeichnen könnte. Lachen
Sie mich nicht aus, wenn ich Ihnen folgende Combination vorschlage :
Ich glaube nämlich, dass jener Dijak Jovan, der im Jahre 1524 in dem
Trebinj er Kloster das Menäum geschrieben, der im J. 1532 in einem
Kloster Montenegros das Tetraevangelium fertiggestellt, der im J. 1545
den Prolog zu Ende geführt und ein Typikon geschrieben und im nach-
Jovan Malesevac als Bücherschreiber und Büchercorrector. 455
sten Jahr 154G abermals ein Tetraevangelium zu Wege gebracht —
Niemand anderer gewesen, als der fünfzehn Jahre später als Uskoken-
pope auftretende Jovan Malesevac, dessen Wirksamkeit im Jahre 1561,
gelegentlich des protestantischen Bücherdrnckes mit cyrillischen Buch-
staben in Urach , von hafarik (Geschichte der südslavischen Literatur
III, 1. 136) nach Schnurrer erzählt wird. Für seinen Gefährten Mate
Popovic, der als tüchtiger Trinker sich den Namen gemacht, habe ich
augenblicklich kein Interesse. Dagegen fesselt meine ganze Aufmerk-
samkeit der zweite LTskokenpope, der ebengenannte Jovan Malesevac.
Soll das nicht jener früher erwähnte Dijakon Joanu Malesevac, jeuer
Dijak Jovan sein? In seinen jungen Jahren gab er sich in Hercegovina
und Montenegro mit dem Abschreiben der Kirchenbücher ab. Jetzt
sehen wir ihn als Uskokenpopen in Krain (bei Möttling, an der kroati-
schen Grenze), von wo er von dem eifrigen Trüber nach Deutschland
gebracht wurde, um dort mit seinen Erfahrungen bei dem cyrillischen
Bücherdruck Dienste zu leisten. Ist alles das nicht recht wahrschein-
lich? Ich denke mir, dass er in seinen späteren Jahren, als er das
Bücherabschreiben satt bekommen hatte, aus dem Bereich der Türken-
herrschaft nebst so vielen Anderen unter die Fittige des Kaisers Ferdi-
nand I. sich flüchtete. Mir fehlen weitere Beweise für diese von mir
vermuthete Identität der Person; ich bin von hier aus nicht in der Lage
etwas mehr als die einfache Combination in Anregung zu bringen. Ich
habe schon in dem Büchlein »0 nehiCHM naxpHJapcHMa« auf S. 24 ver-
sprochen, irgendwo über Jovan Malesevac etwas mehr zu sagen. Das
im Jahre 1SS8 gegebene Versprechen löse ich jetzt zu Beginn des neuen
Jahrhunderts ein, so gut ich es kann. Ich füge nur noch eine Bemer-
kung hinzu, nämlich dass Prof. Jirecek in dem Werke »Das christliche
Element in der topograph. Nomenklatur« auf S. 40 einen Vlach Kerak
Milosevic aus dem Katun Malesevac erwähnt. Könnte nicht auch der
Dijak Jovan Malesevac aus jenem Katun stammen und daher auch die-
sen Beinamen führen ? « //. Ruvarac.
Mein Zusatz. Dem Wunsche des hochwürdigen Herrn Archi-
mandriten II. Ruvarac, des treuen Freundes unserer Zeitschrift', möchte
ich gern nachkommen, wenn es mir möglich wäre, weitere Beweise für
^die Identität jenes vormaligen Dijakon Jovan Malesevac mit dem spä-
teren, in die protestantische Bewegung hineingezogenen Uskokenpopen
desselben Namens zu finden. Leider ist das nicht der Fall, wir bleiben
Archiv für slavische Philologie. XXV. 30
466 IJ- Ruvarac,
auf die scharfsinnige Vermuthung des Herrn Ruvarac beschränkt. Etwas
scheint mir für diese Vermuthung zu sprechen. Erstens nach Lopasic.
der ISSl eine kleine Schrift »Zumberak« herausgab, können die ältesten
Uskoken (vergl. S. 26) Sichelburgs nicht nur aus Bosnien, sondern auch
aus Hercegovina, Serbien und Rasa (Rascien) eingewandert sein. Dafür
spricht auch der südliche Dialekt. «Uniatski je Uskok stokavac najradikal-
nije jekavstine« sagt Lopasic S. 6. Ferner darf man betreffs Malesevac,
dessen sich Trüber für den cyrillischen Druck bediente, nach dem bei
Kostrencic (Urkundliche Beiträge zur Geschichte der protestantischen
Literatur der Südslaven. Wien 1874) gedruckten Brief Nr, 16 vom 1 T.Mai
1561 die Vermuthung aussprechen, dass er vielleicht aus Hercegovina
oder Montenegro nach Venedig gekommen war und vou dort weiter zu
den Uskoken, an der Grenze zwischen Kroatien und Krain. Denn Gregor
Vlachovitsch meldete am besagten Tag dem Klombner, dass ihm »der
usskokhisch pfaflf angezaigt, wie einer zu Venedig sein soll, der die
tschurnliza schreiben undt auch alle puechstuben aussschneiden undt
darzue alles in derselben SchrifFt druckhen khan undt in dem druckhen
gar wohl gbiss sein soll« ^). Alle diese Nachrichten sehen darnach aus.
dass Jovan Malesevac selbst in Venedig gewesen, dass er auch nachher
mit einem beim serb. Bücherdruck in Venedig beschäftigt gewesenen
Manne in Correspondenz stand und dass er sich anheischig machte,
abermals im Interesse der cyrillischen Drucklegung der protestantischen
Werke nach Venedig zu reisen, um von dort seinen Freund für das pro-
testantische Unternehmen zu gewinnen (Nr. 19, Brief Klombner's an
Freiherrn von Ungnad). In den Briefen Truber's, die der verstorbene
Theodor Elze im J. 1897 herausgab (in der Sammlung »Bibliothek des
litterarischen Vereins in Stuttgart«), geschieht Malesevac's in einem Briefe
Truber's an König Maximilian Erwähnung (Nr. 22). Der Brief war schon
früher bekannt. Obschon die Protestanten den Üskoken-Priester in der
Regel »Pfaö"« nennen, so scheint Malesevac doch immer Mönch geblieben
zu sein. Denn man erzählt, unter anderen Klagen, die gegen diese Us-
koken erhoben wurden, auch die, dass sie nicht Fleisch, sondern nur
Fische essen wollten (vergl. bei Elze S. 165). Trnber war mit ihren
1) Ueber die Nothwendigkeit, einen Setzer, der cyrillisch versteht, aus
Venedig zu haben, spricht Pr. Trüber in dem Brief an die steierischen Stände
vom 8. Aug. 1561 (cf. Starine XXVI, S. 167): »Man bedarflf aines setzers in
disen baiden schrifften, den muess ich mit schwären uncosten, gefar unnd
per contrebando von Venedig haben«.
Jovan Malesevac als Bücherschreiber und Büchercorrector. 467
Dienstleistungen zufrieden, wenigstens im November 1561 schrieb er an
Freiherrn von Ungnad einen Brief, worin er die beiden Uskokeu gegen den
Stefan Consul in Schutz nahm. Uebrigens hielten sich die beiden Mönche
nicht lange in Urach auf, im Febr. 1562 wurden sie nach Laibach zurück-
geschickt, ausser Bezalilung und Reisekost bekam ein Jeder noch ein
Boss auf die Reise. Was sie in Urach geleistet, darüber vergl. Elze S. 2 1 0 :
»Primus habe zwei uskokische Priester, welche die besten und geschick-
testen sein sollen, mit sich von Laibach herausgeführt, welche auch beim
Vertieren der Evangelien und der loci communes in die cyrillisclie
Sprache, bei deren Drucken und Corrigieren allhier gewesen ; er habe
sie auch oft selbst in sein Haus beschieden und mit ihnen vom Druck
geredet . .« DasUrtheil über die Arbeit begegnete auch Einwendungen,
cf. Elze 241. Wie es ihnen unten, unter den Uskoken erging, davon
spricht eine kurze Notiz bei Elze 402: Popovic wurde von einem an-
deren uskokischen Pfaffen («etliche sagen vonwegen seines Glaubens«)
zu Tod geschlagen; der andere (d. h. Jovan Malesevac) war auch »hart
verwandt« (Mai 1564). Das Ende des Mannes ist uns unbekannt.
V.J.
Anm. Die Malesevci (in den Denkmälern Maleseuze, Malliseui^e,
Malleseuaz, Male3ceua§ u. s. w.) waren ein Katun (Hirtengemeinde) der
Morolacchi« oder Vlachi in der heutigen Hercegovina und werden in
den Archivbtichern von Ragusa 1397 — 1468 oft erwähnt. Mit ihren
Saumpferden vermittelten sie, ebenso wie die Drobnjaei u. A., Waaren-
transporte aus Ragusa nach Crnica, Gorazda, Ustikolina, Onogost (Nik-
sic), in das Limthal, nach Priepolje, Praca, Borac, Visegrad, Archilia
(jetzt Arilje), Rudnik u. s. w. Die Wohnsitze lassen sich aus diesem
Material, welches nur Miethsverträge über Waarentransporte bietet,
nicht feststellen. Sicher ist es, dass sie um 1422 — 1433 Unterthanen
des Radoslav Pavlovic waren, nicht des Vojvoden Sandalj. In den Ver-
zeichnissen der Ortschaften des heutigen Bosnien wiederholt sich der
Name Malesevci zweimal, bei Livno und bei Zvornik; die Gemeinde der
alten Malesevci ist aber wahrscheinlich weiter im Süden zu suchen.
C. Jirecek.
30'
Kritischer Anzeiger.
Heinrich Geizer. Der Patriarchat von Achrida. Geschichte und
Urkunden. (Abhandl. d. phil.-hist. Classe der Königl. Sächsischen
Gesellschaft d. Wissenschaften. Bd. XX. Nr. V.) Leipzig bei B.G.
Teubner. Einzelpreis: 7 Mark 20 Pf. 1902. gr.-S». S. 231.
Prof. Geizer in Jena hat sich
seit mehreren Jahren dem Studium
der Geschichte der orientalischen
Kirche gewidmet. In dieser Be-
ziehung ist seine Abhandlung »Un-
gedruckte und wenig bekannte Bis-
thümerverzeichnisse der orientali-
schen Kirche « (Byz. Zeitschr. 1. 11)
besonders wichtig, da er hier aus
gedruckten und ungedruckten Quel-
len reiche Beiträge zur Geschichte
der Orient. Kirche geliefert hat. Hier
handelte er ausführlich über die
Schicksale der Diöcese von Achrida
bis Ende des XII. Jahrb., indem er
zwei unbekannte Verzeichnisse der
Suflfragane von Achrida aus dem XI.
und XII. Jahrb. herausgab und beide
mit den von ihm wiederholt abge-
druckten drei Erlässen des Kaisers
Basileios II. an den Erzbischof Jo-
hannes von Achrida verglich. Mit einer trefflichen Analyse und einem rei-
chen Commentar hat er das grundlegende Werk von Golubiuskij »KpaTKlÄ
o'iepK'B ncTopiii npaBocjraBm.ix'B uepKBefi. Moskau 1871« in mancher Hinsicht
vervollständigt und verbessert, und uns einen sicheren Einblick in die ältesten
Zustände der Diöcese von Achrida, besonders in Bezug ihres Umfanges und
ihrer Diözesanordnung, gewährt.
Im vorliegenden Werke will uns der Verfasser die ganze Geschichte der
autokephalen Kirche von Achrida geben und in erster Linie viele Verände-
rungen hinsichtlich der Grenzen des achridanischen Sprengeis und seiner
Diüzesanordnung in verschiedenen Epochen, wie auch das innere Leben
innerhalb der Diöcese während der türkischen Herrschaft vors Auge fuhren.
Im Werke unterscheiden wir fünf Hauptabschnitte. Im ersten wird die
älteste Geschichte des Patriarchats, im zweiten die Geschichte seit Ende des
XII. Jahrh. bis zum Untergange der griechischen Herrschaft 14.53, im dritten
<Xc
■fP'Z^'
\yJC^c.^*'Cn?
'"T^t.^t c
Gelzer's Patriarchat von Achrida. angez. von Kadonic. 469
die Schicksale der Diöcese während der Türkenzeit bis zur Aufhebung des
Patriarchats 1767 seitens der türkischen Regierung und phanariotischen
Partei in Constantinopel dargestellt. Der vierte Abschnitt belasst sich mit
der inneren Geschichte des Patriarchats, indem hier zwei Richtungen im
Klerus von Achrida (Autochthonen und Phanarioten', die Finanzen des Stuhles
von Achrida, die Patriarchen- und Bischofswahlen etc. vorgeführt werden.
Der fünfte Abschnitt enthält die Urkunden, mit dem dazugehörigen und sehr
fleissig zusammengestellten Unterabschnitte »Zur Sprache der Urkunden«.
Den grüssten Werth hat nach unserem Dafürhalten der vierte Abschnitt, wo
der Verf. auf Grund des reichen, bis jetzt unbekannten, Materials des soge-
nannten Codex des heil. Clemens das innere Leben des Stuhles von Achrida
mit sicheren Zügen plastisch dargestellt hat. Der Benutzung der Synodal-
protokolle von Achrida, vom Verf. nebst einigen Anhängen nach der Copie
vcn Anthimos und Bodlev im fünften Abschnitte herausgegeben, hat auch
die zweite Hälfte des dritten Abschnittes zu verdanken, dass in ihr die
Reihenfolge der Patriarchen von Achrida (1660 — 1767) viel vollständiger ist,
als z. B. in der ersten Hälfte des dritten und im zweiten Abschnitte, wo sich der
Verf. hauptsächlich an das vor 30 Jahren erschienene Werk von Golubinskij
stützt. Seit dieser Zeit hat man aber bei den Serben ziemlich reiches In-
Bchriftenmaterial in verschiedenen wissenschaftlichen Organen und Zeit-
schriften publicirt, welches durch die königl. Akademie in Belgrad unter der
Redaction des Akad. Lj. Stojanovic jetzt systematisch herausgegeben wird
(Crapu cpacKu sannen u nainucu. I\H.]ira I). Manche Arbeiten auf dem Ge-
biete der serb. Kirchengeschichte berühren auch einzelne Momente aus der
Vergangenheit des achridanischen Stuhles, wie z. B. die einschlägigen Ab-
handlungen des Archim. H. Ruvarac, was der Verf. des vorliegenden Werkes
nicht unberücksichtigt lassen durfte. Obgleich der Verf. bis zu einem ge-
wissen Grade als Entschuldigung anführen könnte: er sei mit der altkirchen-
slavischen und serbischen Sprache nicht vertraut, so ist es doch auffallend,
dass er einige Publicationen im Archiv f slav, Phil., Bii3. BpeMeunuKi. und Ha-
BtciiÄ d. archäolog. Instituts zu Constantinopel ausser Acht gelassen hat.
Wir werden jetzt meistens auf Grund der altserbischen Inschriften und
der vom Verf. unberücksichtigt gebliebenen Publicationen versuchen, die
Verzeichnisse der Erzbischüfe von Achrida und ihrer Suffragane im zweiten
und dritten Abschnitte [der erste, w ie erwähnt, hat zur Grundlage die treff-
lichen Vorarbeiten des Verf. selbst; zu vervollständigen, wie auch manche
Fehler zu corrigiren. Bevor wir zum zweiten Abschnitte übergehen, sei es
erwähnt, dass ein Pergamentevangelium eine griech. Inschrift aus dem J. 1368
enthält, wo ein Antonius 7iuyieQwxaios tniaxono; D.arlT^r-^-^ rjot nü.h]i er-
wähnt und dadurch die Notitia des XII. Jahrh. vervollständigt wird (IlaBtCTia
IV. 3. p. 133). Die Daten über den Erzbischof Demetrios Chomatianos im
zweiten Abschnitte sind bei Geizer äusserst dürftig, und doch hätte er in
Bezug der Zeitbestimmung von Demetrios' Kirchenregierung die treffliche
Arbeit Drinov's » 0 HtKOTopwxi. ipyitaxx ^uMUTpiii XoMaTiaua KaKx ucropu-
^ecKOMx Maiepia.ii (Bu3. BpcM. I. p. 319—340. II. p. 1—23; zu Rathe ziehen
sollen. Die vom Verf. (S. 13 und 15) nach bulgarischer Ausgabe (Sbornik Xi
470 Kritischer Anzeiger.
citirten griechischen Bauinschriften, wo die Erzbischöfe Makarios (Ende des
XIII. Jahrh.) und Gregorios (zweite Hälfte des XIV. Jahrh.) erwälmt werden,
hätte er nach der besseren Abschrift in HsBicTia IV. 1. p. 90. 95 benutzen
sollen. Die von Geizer aufgefundene wichtige Notitia in einem Codex der
Nationalbibliothek in Athen über die Organisation der Diöcese von Achrida
im XIII. und XIV. Jahrh. (8.20) wird durch eine griechische Bauinschrift aus
dem J. 1390 in der Umgebung von Korytza ergänzt. Hier wird nämlich ein
Bischof Nymphon genannt (HsBicxiH IV. 1. p. 75), nur schade, dass die Eparchie
nicht ausdrücklich erwähnt wird. Wichtig ist weiter eine altserbische In-
schrift in der Umgebung von Prilep, wo in den 60- oder 7ü-er Jahren des
XIV. Jahrh. Johannes Zografos als Metropolit genannt wird (Lj. Stojanovic,
op. cit. p. 63). Man sieht also, dass um diese Zeit Prilep mit Pelagonia ver-
einigt war. Die Notiz über den Patriarchen Dorotheos (Glasnik VII. S. 177),
welcher nicht 1468 'S. 21), sondern 1466 von Mohammed II. gefangen und nach
Constantinopel geschleppt wurde, wird durch eine ausführliche altserbische
Inschrift des Diakon Dmitar aus Kratovo ergänzt (Stojanovic, op. cit. p. 98 sqq.).
Diese Inschrift bestätigt weiter die von Papadopulos-Kerameus ausgespro-
chene Vermuthung, dass Dorotheos' Nachfolger Markos unmittelbar nach der
Gefangennahme des Dorotheos von Constantinopel nach Achrida gekommen
war. Es ist interessant, dass Markos nach der Inschrift noBejiiHieMB uapL-
CTBoyioiUcaro den Thron von Achrida eingenommen hatte.
Ueber den Patriarchen Prochoros aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh,
weiss der Verf. nur soviel zu sagen, dass er nach einer Version bei Malaxos
von Achrida nach Constantinopel kam, um vor dem Patriarchen Jeremias I,
Ansprüche auf Beröa, nach der Version bei Meletios von Athen auf Servia
(dem Erzbisthum von Thessalonike gehörig) zu machen. Hätte aber Geizer
von der Existenz einer Urkunde des ökumenischen Patriarchen Jeremias I.
aus d. J. 1531, wo auf Gesuch des Prochoros das ehemalige autokephale Erz-
bisthum von Pec mit dem Patriarchat von Achrida vereinigt wurde, gewusst,
so hätte er einsehen müssen, dass weder die erste Version bei Malaxos noch
die zweite bei Meletios richtig ist. Und diese wichtige Urkunde wurde bisher
dreimal publicirt. Zum ersten Male durch den bekannten russischen Gelehr-
ten A. S. Pavlov in "tlxenis iiuu. oöm. ucr. ii ÄpeBHOCTeü pocciMCKiix-B 1876.
Bd. 4, abgedruckt daraus in FjiaciinK Bd. 4", und von Papadopulos-Kerameus
in Bii3. BpeM, III. p. 118 — 120 wiederholt herausgegeben, dem aber Pavlov'a
Ausgabe unbekannt blieb. Die grundlegenden Arbeiten des Archim. II. Ru-
varac (rjiacHUKBd.47 0 nehcKiiM naxpujapciiMa oa r. 1557 — 1690) haben sichere
Beweise erbracht, dass mit dem endgültigen Untergange des serbischen Rei-
ches 1459 auch die Unabhängigkeit der serb. Kirche zu Grunde ging. Die-
selbe nämlich blieb dem Stuhle von Achrida bis zum J. 1557 untergeordnet,
erhielt aber ihre alte Selbständigkeit durch energische Thätigkeit des Maka-
rios, eines Bruders des Grossveziers Mehmed Sokolovic. Innerhalb dieser
Zeit der Unterjochung versuchte ein gewisser Paul um das Jahr 1530, die
alte Selbständigkeit der Diöcese von Pec herzustellen. Sein Versuch aber
blieb infolge der energischen Action seitens des Patr. Prochoros erfolglos,
wie das aus der erwähnten Urkunde des Patr. Jeremias I. ersichtlich ist.
Gelzer's Patriarchat von Achrida, angez. von Radoniö. 47 1
Dass Prochorosnach dieser Zeit die Jurisdiction auch über das Territorium der
alten selbständigen Diöcese von Pec ausgeübt hatte, sieht man klar aus einer
eigenhändigen slavischen Notiz des Patr. Prochoros selbst, geschrieben im
Orte Janjevo im J. 1548, als er den Metropoliten von Novo Brdo, Nikanor,
besuchte (Lj.Stojanovic, op. cit. p. 17t);. Ruvarac hebt mit Recht hervor, dass
Prochoros in der sogenannten historischen Skizze der serb. Erzbischöfe und
Patriarchen deswegen eingetragen ist, weil er als Patriarch von Achrida zu-
gleich die serbische Kirche unter seiner Hand hatte (FjiacuuK XLVII. 272).
Sonst wird Prochoros in altserbischen Inscriptionen 1528. 1544. 1547. 1548.
1549 erwähnt Stojanovic, op. cit. p. 147. 167. 175. 176. IIsBicxiH IV. 1. p.92).
Gestorben ist er im J. 155Ö (r.iacuuK XXXV. p. 272. HsBicTia IV. 3. p. 140).
Ueber den Erzbischof Nikanor, einen Nachfolger des Patr. Prochoros,
weiss der Verf. ebenso wie Golubinskij fast gar nichts zu sagen. Es ist leicht
müglich, dass dieser Nikanor identisch ist mit jenem in der obenerwähnten
eigenhändigen Notiz des Patr. Prochoros und dass er nach dem Tode des-
selben von seinem Metropolitansitze in Novo Brdo auf den Stuhl von Achrida
gelangt war. Soviel aber ist sicher, dass er auf dem Patriarchenthrone bis
1557 verblieb, in welchem Jahre er gestorben war (FjacuuK XXXV. p. 272).
Er ist zugleich der letzte Patriarch von Achrida, welchem die Peder Diöcese
unterstellt wurde, und hiermit wird auch der Umstand erklärt, dass sein
X:ime in der historischen Skizze unter die serbischen Erzbischöfe eingetragen
wurde.
Nach dem Patr. Sofronios setzt Geizer als seinen Nachfolger den Ma-
karij ein (S. 25). Dafür findet er einen Stützpunkt im Tagebuche Gerlach's,
welcher unter dem J. 1574 berichtet, der NeÖ'e des Grossveziers Mehmed
Sokülovic sei damals zum Erzbischof von Achrida ernannt worden. Da er
weiter in einer serbischen Chronik (F.-iacHUK V. p. 75) die Nachricht fand,
dass Makarij, Patriarch von Pec (1557 — 1574), ein Bruder des Grossveziers
Mehmed Sokolovic gewesen sei, durch dessen Einfluss er die Erlaubniss er-
halten habe, sämmtliche serbische Klöster herzustellen, kam er zu einem fal-
schen Schlüsse, dass die späte serbische Quelle den Bruder mit dem Neifen
verwechselt habe und dass Makarij im J. 1574 durch seinen Oheim von Pec
nach Achrida befördert wurde. Hätte er aber von den Arbeiten des Prof.
C. Jirecek »Der Grossvezier Mehmed Sokolovic und die serb. Patriarchen
Makarij und Antonij« (Archiv IX) und des Arch. Ruvarac «Nochmals Mehmed
Sokoloviö und die serb. Patriarchen« (Archiv X) gewusst, so hätte er nicht
an eine Verwechselung der serbischen Quelle denken können. Der serbische
Patriarch Makarij starb nämlich am 23. Oktober 1574. Ihm folgte auf dem
Patriarchenstuhle von Pec sein Nefte Antonij, welcher bald darauf im J. 1575
starb. In der Meinung, dass Makarij im J. 1573 gestorben war, hat Prof.
Jirecek die Vermuthung ausgesprochen, dass Gerlach unter dem September
1574 falsch berichtet, und dass er hier wohl den im J. 1574 erwählten Erz-
bischof von Pec Antonij gemeint habe, den er aber unter dem J. 1577 richtig
als serbischen Erzbischof nennt. Da aber im September 1574 der EB. Ma-
karij noch am Leben und der Stuhl von Pec nicht vakant war, und da weiter
Gerlach den serbischen und achridanischen Erzbischof ganz klar unterschei-
472 Kritischer Anzeiger.
det, wie das Ruvarac nachgewiesen hat (0 nehcKUM narp. 13. Archiv X. 45),
so ist die Annahme einer falschen Nachricht bei Gerlach unhaltbar. Noch :
weniger kann Gelzer's Hypothese irgend weiche Ansprüche auf Haltbarkeit i
machen. Der Name Makarij ist also aus der Liste der achridauischen Erz-
bischöfe in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh. zu streichen und statt dessen
muss man einen namenlosen Neflfen des Grossveziers einsetzen. Dieser
namenlose Patriarch war im J. 1574 nur Hieromonach, »so dass ihn der Pa-
triarch von Constantinopel Jeremias zuerst zum Jerarchen beziehungsweise
zum Erzbischof weihen (ordinäre) musste« (Archiv X. 45).
Die Lücke zwischen dem Patr. Gabriel und Nektarios (S. 26) ist mit dem
Patriarchen Barlaamos zu ergänzen, welcher von den Türken in der Stadt
Veles am 28. Mai 1598 hingerichtet wurde (HsBicTifl IV. 3. p. 139).
Die Reihenfolge der Patriarchen von Achrida 1G60 — 1767 ist viel voll-
ständiger und richtiger als bei Golubinskij, da dem Verf., wie erwähnt, rei-
ches Material aus dem Codex des heil. Clemens zur Verfügung stand. Doch
lässt sich aach in diesem Abschnitte das Verzeichniss der Erzbischöfe und
ihrer Suffragane hie und da ergänzen. Der Patr. Zosimas (S. 135) wird in
einer altserbischen Bauinschrift im Kloster des heil. Johannes bei Veles im
J. 1670 erwähnt, also im Jahre als er gestorben war (Lj. Stojanovic, op. cit.
p. 404). ^ , ,
Bei Betrachtung der chronologischen Reihe der Suffragane von Achrida i '
ist es sehr auffallend, dass der Verf. die treffliche Arbeit des gelehrten Au-
gustiners L. Petit »Le monastere de Notre-Dame de Pitie en Macödoine«
(HsBicxia VI) nicht benutzte, da dort ein Verzeichniss der Hierarchen von | ■
Strumica (Tiberiopolis) vom IX. Jahrh. bis in die Neuzeit zusammengestellt
ist. Das Verzeichniss der Bischöfe von Veles ist mit einem Bischof Josef zu
ergänzen, welcher vor Metrophanes 1670 auf dem bischöflichen Stuhle sass
(Lj. Stojanovic, op. cit. p. 404).
Die Reihenfolge der Bischöfe von Debra (Dibra) (S. 141) ist auch mit :
Joakimos zu vervollständigen, der im J. 1698 als Bischof von Debra und Ki- i
cevo (Kitzabon) genannt wird (Lj. Stojanovic, op. cit. p. 472), Vor diesem i
Joakimos, der dem Verf. unbekannt blieb, gelangte 1694 auf den bischöf-
lichen Stuhl von Debra, David, der ehemalige Protothronos von Kastoria.
Einer Bemerkung von Vaphidis folgend, glaubt der Verf., dass dieser noch
im J. 1703 am Leben war. Indessen verhält sich die Sache anders. Wenn
wir die Unterschriften des gewesenen Protothronos von Kastoria, David, in
Synodalprotokollen verfolgen, werden wir bemerken, dass er bis in das Jahr
1695 an erster oder zweiter Stelle zeichnet. So z. B. zeichnet er im J. 1694
an erster Stelle: nqMrji' Kuaxoqic.g zla^iiä (S. 60); im J. 1695 zeichnet er an
zweiter Stelle gleich nach dem gewesenen Patriarchen Germanos: nQoniP
KaaToqias TiQioTod-Qoyog v.al nqoBÖqo; Jt^qüv zJaßi& [8. 63); am 9. Juli 1695
zeichnet er gleich nach dem Protothronos von Kastoria Dionysios (S.67j, Im
J. 1699 zeichnet aber ein Bischof von Debra David unter den acht Hierarchen
'an letzter Stelle: JeßQwv y.al Kix^äßov JaßiS (S. 79). In der Meinung, dass
dieser David identisch mit jenem aus dem J. 1695 sei, sieht der Verf. in die-
sem Umstand eine priesterliche Bosheit, durch welche dem David das Recht
Porzezinskij, Conjugation in den balt. Sprachen, angez. von Berneker. 473
genommen worden ist, fernerhin den Titel Protothronos zu führen. Da aber
David im J. 1699 nicht als Protothronos zeichnet und da 1098 Joakimos als
Bischof von Debra erwähnt wird, muss jener Protothronos David vor dem
J. 169S gestorben sein. Sein Nachfolger war der erwähnte Joakim, aber nur
eine kurze Zeit. Demnach also ist jener David, der im J. 1699 an letzter
Stelle zeichnet, nicht identisch mit David aus dem J. 1695, wodurch aber die
Liste von Debra mit zwei Bischöfen Joakimos und David II. vervollständigt
wird. Das Verzeichniss der Bischöfe von Prespa wird durch zwei griechische
Inschriften ergänzt, wo ein Bischof Parthenios im J. 1741 und 1743 erwähnt
wird (Ilaiitcxi;! IV'. 1. p. 37. 54 .
Indem ich die Recension über dieses wichtige Werk schliesse, füge ich
noch folgende Bemerkung hinzu. Es ist merkwürdig, dass der Verf. in Bezug
der Aufhebung des Patriarchats von Achrida im J. 1767 sich nur auf äusserst
dürftige Notizen in r.iacHHK Bd. VIII stützt, obwohl ihm die griechischen
Schriften darüber aus dem Werke von Golubinskij (S.292) wohlbekannt waren.
Jov. Radonic.
Kl, HCTopiH ^opMt cnpÄatenin bt. öajrxificKHX'i. nsLiKax'B. Oömee bbc-
Aenie; oöpaaoBaHie <i>op>n> .aima h ochob'b BpeMenn h HaKjlOHenifl.
HscjiiAOBaHie B. K. nopa:e3HHCKaro. MocKca, 1901. YII, 166.
In schneidendem Kontrast zu
dem Bilde hoher Alterthümlichkeit,
das die baltischen Sprachen, voran
das Litauische, in ihrem Lautstand,
ihren Accentverhältnissen, ihrer De-
klination bieten, steht die verblüf-
fende Unursprünglichkeit auf dem
Gebiete ihrer Verbalfiexion : auf
Schritt und Tritt Neubildungen, kein
Stein scheint auf dem andern geblie-
ben zu sein, und Schwierigkeit häuft
sich auf Schwierigkeit. So kann man
nur freudig eine Monographie be-
grüssen, die bestrebt ist, neues Licht
in dieses Dunkel zu bringen, indem
sie in bisher noch nicht gebotener
Vollständigkeit das ganze in Be-
^_^^^ tracht kommende Material
vorbereitet tritt V. K. Porze-
zinskij an seine Aufgabe, die Geschichte der baltischen Konjugationsformeu,
heran : in glücklicher Weise verbindet er sprachwissenschaftliche Methode
474 Kritischer Anzeiger.
mit umfassenden philologischen Kenntnissen auf dem Gebiete der balti-
schen Sprachen, auf dem ihm die alten Quellen wie die heutigen Dialekte,
namentlich die noch wenig erforschten russisch-litauischen, wie selten einem
vertraut sind. Dass trotz aller Mühe und allen Scharfsinns der Ertrag des
Buches an neuen gesicherten Ergebnissen nicht gerade reich zu nennen ist,
dafür wird kein Einsichtiger dem Verfasser die Schuld beimessen. Dass wir
in vielen Punkten über vage Hypothesen nicht hinauskommen, liegt eben in
den Verhältnissen. In die Zeiten, da Schlag auf Schlag die Katastrophen er-
folgten, die den aus dem Indogermanischen ererbten Verbalbau in den balti-
schen Sprachen so von Grund aus umgestalteten, haben wir keinen Einblick
und werden ihn auch nie haben. Im XVI. Jahrb., daher unsere ältesten
Ueberlieferungen stammen, ist bereits alles fertig und bleibt, sich verhältniss-
mässig wenig ändernd, bis heute, und Theorien und Konjekturen müssen die
klaffende Lücke von Jahrhunderten der Entwickelung ausfüllen.
P. gliedert sein Werk in drei Kapitel : das erste gibt eine kurze orien-
tirende Einleitung über das Verbum und seine Formen in der indogermani-
schen Grundsprache und in den baltischen Sprachen, das zweite behandelt
die Personalendungen, das dritte bei weitem das längste, die Bildung der
Tempus- und Modusstämme, und zwar in vier Abtheilungen: 1) der Präsens-
stämme, 2) der Futurstämme, 3) der Präteritalstämme, 4) der Modusstämme.
»Von den ersten Seiten meiner Untersuchung an wird dem aufmerk-
samen Leser nicht entgehen, dass, sie aus der Feder eines Autors hervorge-
gangen ist, der zur Moskauer linguistischen Schule gehört, und dass die
blosse Möglichkeit ihres Erscheinens bedingt ist durch die Arbeiten auf dem
Gebiete der baltischen und slavischen Sprachen von Seiten des Hauptes die-
ser Schule (Philipp Fortunatov), wie auch seines Schülers, Prof. G.K.Uljanov«
sagt der Verfasser im Vorwort. Dieses Bekenntniss muss die Frage hervor-
rufen: was ist das für eine neue Schule? was unterscheidet sie von den
übrigen? welches sind ihre Principien? Mich dünkt fast, P.'s Worte beziehen
sich, wie natürlich, in erster Linie auf russische Verhältnisse und sollen seine
Zugehörigkeit zur Moskauer Schule gegenüber anderen russischen linguisti-
schen Schulen ausdrücken. Denn ich muss gestehen, dass ich Seiten und
Seiten seiner Schrift gelesen habe, ohne dass mir auch nur einmal zum Be-
wusstsein gekommen wäre, dass Freund P. zu einer anderen Schule gehört
als ich. In allem Wesentlichen, in der allgemeinen Methode und in allen
Grundanschauungen, die sich aus dem Kampf der Meinungen in den siebziger
und den achtziger Jahren entwickelt haben und jetzt allgemein anerkannt
sind, gibt es keinen Unterschied zwischen der Moskauer und den westeuro-
päischen Richtungen in der vergleichenden Sprachwissenschaft. Dass das
Haupt der Moskauer Schule, Ph. Fortunatov, dessen dreissigjähriges Jubi-
läum segensreicher Wirksamkeit an Russlands hervorragendster Universität
seine dankbaren Schüler jüngst feierlich begangen haben, in vielen wichtigen
Punkten unabhängig vom Westen zu den gleichen Resultaten gelangt ist und
sie schon früher in seinen Vorlesungen gelehrt hat, macht diese Ueberein-
stimmung um so werthvoller und erfreulicher.
Die Abweichungen (wenigstens so weit sie in Porzezinskij's Buch her-
Porzezinskij, Conjugation in den balt. Sprachen, angez. von Berneker. 475
vortreten) sind nicht so scliwerwiegend. Ein Aeusserliches — andere Be-
zeichnung gewisser für die Grundsprache anzusetzender Laute (vor allem die
M- nicht gerade nöthig und etwas unpraktisch erscheinende Bezeichnung
.1", ä'', ü°, WO wir idg. e, 0, e, ö schreiben); sodann abweichende Ansichten
über die Erklärung einiger Flexionsendungen beim Nomen und Verbum —
Jas ist so ziemlich Alles.
Und letztere kann man noch auf einen Nenner bringen; sie wurzeln
eigentlich sammt und sonders in der Neigung, für gewisse Varianten in der
Einzelsprache, die man sich sonst innerhalb dieser zu erklären bemühte, Ver-
schiedenheiten schon in der Grundsprache verantwortlich zu machen: wie
denn, um ein Beispiel zu geben, der honi. Gen. 'inzioio auf idg. -oslo, der ion.
'.tt. Innov auf idg. -ow zurückgeführt wird. P. spricht dieses Princip einmal
■ US (146/7): »Das Streben, alle Fakta der Ursprache auf ihre einfachste Ge-
stalt zurückzuführen, das auch jetzt noch nicht völlig aufgegeben ist, hat
mehr als einmal den Blick getrübt gegenüber den wirklich geschichtlich ge-
gebenen Fakten der Einzelsprache«. Gewiss ist das ein richtiger Gedanke.
Die Erkenntniss, dass die Grundsprache nicht so einfach sei, dass viele Ver-
schiedenheiten der einzelnen Sprachen schon in ursprachlichen Verschieden-
heiten wurzeln, ist ja das fruchtbare Princip gewesen, dem wir vor allem die
Portschritte der indogermanischen Sprachwissenschaft seit Schleicher danken.
Die Einsicht, dass e und 0 schon der Grundsprache eignen, die Entdeckung
der sonantischen Liquiden und Nasale, der drei Gutturalreihen, der indoger-
manischen verschiedenen Accentqualitäten u.a.m. sind die Früchte, an denen
wir die Berechtigung dieser Auffassung erkennen können. Aber keine Me-
thode verträgt ein »Mechanisirt'n«, wie es einmal Wilhelm Scherer treffend
genannt hat. Wenn wir alle DiÖ'erenzen in der lautlichen und formalen Ent-
wickelung der Einzelsprachen, wenn sie uns aus ihnen selbst nicht gleich klar
«•erden, auf Verschiedenheiten der Grundsprache zurückführen wollen (und
dazu neigt die Moskauer Schule), dann wird diese schliesslich zur grossen
Rumpelkammer, in die man getrost alles das sperrt, womit man nicht gleich
fertig wird, und zu einer ständigen Verführung, die Fakta, die unsere Ent-
scheidung heischen, einfach an die höhere Instanz zu verweisen, wo uns die
Entscheidung nicht mehr zusteht. Zu solchen unberechtigten Annahmen
grundsprachlicher Verschiedenheiten rechne ich z. B. in P.'s Buch die Unter-
scheidung von idg.j( undy im Inlaut, die Annahme zweier idg.s, die Annahme
einer Präsensendung -e-i neben -e-si in der 2. Pers. Sg. und manches andere.
Uebrigens hat sich Porzezinskij, der seiner ganzen Richtung nach seinem
Meister Fortunatov am nächsten steht, weit seltener in dieser Schlinge seiner
Schule verfangen, als man es bei anderen Gliedern derselben beobachten kann.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen, die wohl gezeigt haben, dass
jedenfalls unsere Wege nicht so weit auseinandergehen, dass man nicht auf
eine allmähliche Verständigung und Einigung hoffen dürfte, beginnen wir
mit einer Betrachtung des P.'schen Werkes im Einzelnen.
Kap. II ist den Personalendungen gewidmet. Während das Lit. und das
Le. in der \. Pers. Präs. der thematischen Verba einhellig -u zeigen, lit. vedü,
le.!cerfj<,refl. -(<-«, das allgemein auf -ö mit gestossenemTon zurückgeführt wird,
476 Kritischer Anzeiger.
weicht das Preiiss. mit seinem a aus : as imina, as polaiiiinna, ns crixtia. Und
es erhebt sich nun die Frage: was ist dieses preussische «? In meiner »Preuss.
Sprache« hatte ich seiner Zeit angenommen, dass die im Lit. und Le. als o[ä]
und u geschiedenen idg. ö, das mit e und das nicht mit e ablautende (später
als ö und n bezeichnet) im Preuss. in ä zusammengefallen seien. Inzwischen
scheint ja die von Fortunatov stets gelehrte und auch von P. in seinem Buch
vertretene Auffassung allgemein durchgedrungen zu sein, dass lit.-le. ü allein ;
die reguläre Vertretung jeglichen idg. ö sei, und dass, wo wir im Lit. o (le. ü) ■.
für zu erwartendes ü finden (wie zole, le.JTde, pr. sälin, neben zälias, ielti; so- ■■
dinü neben siisti u. s. w.) dieses eine Neubikhing nach dem Muster des Wech- !
sels a : ö{a) = uridg. a : ä, beziehungsweise e : a — uridg. e : o ist (vergl. jetzt
auch Brugmann, Kurze vgl. Gr. § 114 Anm.). Poizezinskij glaubt nicht an den
von mir behaupteten Zusammenfall von lit. u und lit. ö (le. ü] in « im Preuss.
und ich muss ihm darin völlig recht geben. Denn in peröni uuö. tickrömiskan
kann man in der That das ö kaum anders auffassen wie als eine Entsprechung
von lit.?« (vgl. etwa le.f/jv^^ewhPl.Zittern,«?^-««««« Verderben, «»Vf/ilnis Krankheit,
Leskien, Nomina 391); auch in der Präposition no = [\t.nu möchte ich jetzt ein'
solches o = z< sehen. Fortunatov und mit ihm P. nehmen an, dass idg. o mit
fallender Betonung, der lit. gestossener Accent entspricht, im Preuss. zu ü ge-
führt habe, während steigend betontes erhalten geblieben sei. Das ist nun
freilich nicht sehr sicher, da man für erstere Behauptung nur zwei Beispiele
anführen kann, nämlich noümans, noüson und poüf, initon «trinken«. Voni
diesen muss aber noümans, noüson mit grosser Wahrscheinlichkeit entfallen,
da es sein oü von joümans, j'nüson bezogen haben wird wie lit. müsü, w^«w^^
sein u von jYisü,jums (Pr. Spr. 149), und auch bei poüt gibt es Schwierigkeiten.
Wie will man z. B. poieiti »trinket« im Enchiridion erklären (Kat. I 2>ugei(t;/.
pogeitty, II liuicyti, jmiettt), wo der Wechsel von o und ti auf kurzes m deutet.'
Zubaty hat seiner Zeit auf die ai. Form agrepü- (neben agrepä-] aufmerksam
gemacht und ich möchte es nicht für ausgeschlossen halten, dass wir für das
Idg. eine Base *p5u neben *p5i »trinken« anzusetzen haben, und dass iu
Tpveuss. puietii — püton, pout dasselbe Verhältniss vorliegt Avie in slav.^jy'e^e —
jnti. Aber selbst wenn dies unannehmbar erscheint, wenn das preuss. püton
auf idg. pö- zurückgeführt werden muss, so kann an dem ü immer noch eher
das^ [\g\.müti, supüni) als der gestossene Ton Schuld sein. Denn wir finden,
ja auch scn ku »womit«, kuilgimai »je länger«, wo ku dem lit. kü-mi, iii »mit;
dem«,/u »desto« mit geschleiftem Ton entspricht, was zu Fortunatov's Regel
nicht stimmen will; hier ist preuss. ö nach dem Gutt. zu v, geworden.
So könnte ich zwar mit P. das zweimalige asmn »ich bin« [asmau sehe
ich als Fehler für asmai an) auf ein *asmö zurückführen (wie lit. dial. esmü, le.
esmu), doch könnte ich für das u nur das m verantwortlich machen. Wie das
zweimalige as dlnkama »ich danke« zu deuten ist, darüber schweigt P.
Wie erklärt nun P. die preuss. 1. Personen auf -a? Er leugnet, dass
man in dem a eine Verkürzung von ä im ixnbetonten Auslaut sehen dürfe, dal
im Preuss. an sich auslautende Längen nicht verkürzt werden. Das Für und'
Wider ist hier schwer zu discutiren, da im Preuss. nur betonte Längen das
Längezeichen tragen. Wenn man aber sem>»e »Erde«, loedde »führte«, ismigi'
Porzezinskij, Conjugation in den balt. Sprachen, angez. von Beinckcr. 477
nentschlief« gegen »lüti »Mutter«, smüni »Person«, rtki «Reich», perträukt
«verschloss« hält, so dünkt mich, ist es doch schwer, au diesem Verkürzungs-
gesetz zu zweifeln (vgl. Fr. Spr. 139;. P. sielit also in den preuss. a von 'Haus
aus kurze a und findet sich mit ihnen in folgender Weise ab: Aus dem Idg.
empfing das Urbaltische für die 1. Pers. Sg. Präs. der thematischen Verba die
Endung -ö (eine Nebenform von -ön). Als dann in der 3. Pers.Sg. die primäre
Endung -ti durch die Sekundiirendung -t verdrängt wurde, erliielt auch die
erste Person die Sekundärendung -m, so dass Formen wie *turin (aus *turim)
neben */i^nö, *cedan [■A\\s,*cedom] neben *t'«/ö, *zui(ln i'aus *£('««»() neben *zinüö
aufkamen. Als diese dann eine Zeitlang neben einander bestanden hatten,
erfolgte wieder eine Ausgleichung, und zwar verloren unter dem Einfluss der
von Hause M-losen Formen die Neubildungen ihr «, so dass wir *turi neben
Huriö, *veda neben *vedv, *zinä neben *zinäb erhalten ; erstere verdrängten im
Preuss. [polaipinna, iurri, sinna] die letzteren, während diese im Lit.-Le.
herrschend wurden. »Preuss. asmu, aus gemeinbalt. asinö entstanden, wo ö
unter dem Einfluss der 1. Pers. Sg. der thematischen Conjugation noch vor
der Epoche des Auftretens der Bildungen vom zweiten Typus existirte, stellt
begreiflicherweise einen besonderen Fall dar«. Ja, mit welchem Kecht darf
man aber aus der Existenz von preuss. asmu, lit. dial. esmü (neben esmi], le.
esmu schon von einem gemeinbaltischen *esmö sprechen? Sicherlich sind
doch diese Formen erst spät in den Einzelsprachen entstanden, und nur die
Gleichheit der Verhältnisse und das Naheliegen dieser Ausgleichung hat zu
dem gleichen Resultat geführt. Wie oft rufen gleiche Grundlagen in verschie-
deneu Sprachen gleichartige Neubildungen hervor, ohne dass man ein histo-
risches Band annehmen darf (vgl. Brugmann, Grundriss 1^ 24; auf slavische
Parallelen hat Meillet unlängst treffend aufmerksam gemacht). Wenn aber
asmii erst preussisch ist, so erhält P.'s Hypothese einen argen Stoss und sein
ganzes Gebäude geräth ins Wanken, wenn er nicht annehmen will, dass die
Ausgleichung erst im Preuss. erfolgte; und dann fragt man doch sofort, wie
kommt es, dass wir im Lit.-Le. keine Spur der ?i-Formen haben, wie kommt
es, dass im Preuss. gerade nur asmu die alte Form bewahrt hat?
Diese Theorie ist also, ganz abgesehen von ihrer inneren Unwahrschein-
lichkeit, die in der absoluten Unbeweisbarkeit der einstigen Existenz der 7i-
Formen liegt, mit den Thatsachen unvereinbar.
Wenn man den preuss. Formen (zusammengestellt Pr. Spr. 221 ff.) über-
haupt Realität zugestehen will (was mich betrifft, so könnte ich es keinem
verargen, wenn er bei dem bekannten Zustand unserer preuss. Sprachquellen
daran zweifelt und sie einfach für dritte Personen hält — einem Uebersetzer,
der kaum einmal den Gen. und Dat., vom Loc. und Instr. ganz zu schweigen,
richtig wiedergibt, dem kann man doch wohl schliesslich alles zutrauen), so
möchte ich mir ihre Entstehung so denken: die ursprüngliche Endung war -ö.
Dieses -ö wurde durch -ä ersetzt infolge jener oben besprochenen Ausgleichung
als ü z. B. in sälin aufkam), ebenso wie z. B. beim Gen. PI. gnkan, swintan,
noüsan, steisan in der Endung *-ö«, und beim Dat. Sg. in *-öi, wenn wirdai, sen-
'haugi-tveldnikai solche Formen sind. Dass hier im Lit.-Le. ti erscheint und
nicht durch ä verdrängt ist, erkläreich mir so, dass auslautendes (wenigstens
478 Kritischer Anzeiger.
absolut und mit Nasal sowie mit i) -5 in diesen beiden Sprachen, als die Aus-
gleichungeintrat, schon anders, und zwarnach ii hin, lautete als im Inlaut, daher
von dem Verdrängungsprocess nicht mehr betroffen werden konnte. In einer
Endung scheint auch im Lit.-Le. altes ö durch ä analogisch verdrängt zu sein,
nämlich im Gen. Sg. der o-Stämme, dem alten Ablativ, lit. fiUo, le. tilta —
abg. vhka aus idg. -öd, da die Annahme eines idg. Ablativsuffixes -äd wohl
ihre Bedenken hat. Die Fortunatov'sche Erklärung aus -oio neben -os^o kann
ich nicht annehmen, da nichts gegen die Herleitung von griech. -ov aus *-oaj.o
spricht, namentlich nachdem jetzt Joh. Schmidt (KZ. 3S, 34 ff.) die letzten Be-
denken weggeräumt hat; und wenn sich die Unvereinbarkeit der hom. Endung
-010 mit -ov doch einmal herausstellen sollte, so wäre immer noch Johansson's
Deutung, De derivatis verbis coutractis, Upsala 1886, 215, von -ov aus -oao
vorzuziehen, weil -so ein wohlbelegtes Genitivsuffix ist, -io aber ganz unsicher
ist. Was den geschleiften Ton betrifft, der, sehe ich recht, vor allem Fortu-
natov an der Herleitung des lit. ülto aus *-öd zweifeln lässt, so ist darauf auf-
merksam zu machen, dass der Ablativ ja auch im Griech. mit Circumflex er-
scheint: gr. kret. w, lokr. w, kret. twcFs, vgl. auch Hirt, Accent 115. Balt.
*til(dd wurde also zu *tiltüd, als *iö/e zu *züle ward, woher lit. ülto, le. tilta.
lieber die vermeintlichen Genitive oder Ablative auf -ü, -u im Lettischen vgl.
jetzt K. Mühlenbach, IF. 13, 220 ff.
Wenn diese Deutung des preuss. -ä für zu erwartendes -5 annehmbar
erscheinen sollte, so könnte mit dieser Aenderung die Pr. Sprache 221 ff. vor-
getragene Erklärung der preuss. 1. Fers. Sg. bestehen bleiben, natürlich mit
der oben angedeuteten Einschränkung, dass man nach Lage der Sache allen
diesen preuss. Formen skeptisch gegenüberstehen muss.
Im Vorübergehen verweilt Porzezinskij auch bei dem schwierigen Aus-
gang der ersten Person auf -q im Slavischen, z. B. berq. Brugmann's Erklä-
rung, dass es aus Herum entstanden sei, der »futurischen Konjunktivform,
die zunächst bei den Verba perfectiva, deren Präsens als Futurum diente, die
alte Form auf -ö verdrängte«, lehnt er ab, da wir 1) keine Spuren des idg.
Konjunktivs im Slav. vorfinden (Oblak's gegentheilige Ansicht Archiv X, 143
ist unwahrscheinlich, vgl. Leskien, Handbuch 144; Vondräk, Aksl. Gr. 201)
und 2) die Futurbedeutung des Präsens der Verba perfektiva für das Ursla-
vische zum mindesten nicht sicher beweisbar ist (vgl. Yjii.iiuoB'L, SHaieHia
rjtarojrtHMxt ochobt. II, 190 ff. und ^^opTynaTOBi., KpuTHiecKiii pasöopi. dieses
Buches, 137 ff.). Und ich muss ihm darin beistimmen. P. erklärt die slavischc
Form auf -r/ mit Fortunatov aus idg. -ön »mit nichtkurzem beweglichen n«,
woraus im slav. q, in den anderen idg. Sprachen ö- entstanden sei. Dieser
Ansicht kann ich mich nun freilich nicht anschliessen. Wie Fortunatov in
seinen lithographirten Vorlesungen vom Jahre 1892 (CpaBuuTejituaa Mop*o-
jtoriH. Cnpaacenie Et uHÄO-eBponeiicKOMi. üSbiKi), p. 101 ff. ausführt, stützt er
sich bei dieser Deutung ausser auf das Slavische vor allem auf die ai. Kon-
junktivendung -äni (wie ai. hräväni, av. mraväni neben b7'avö, mrava), wO -on
unter Einfluss der Endungen -mi, -si, -ti zu -öni umgebildet sei. Dass das -ii
dieser Formen wirklich von Haus aus ein Bestandtheil der Endung der l.Pers.
war, lässt sich aber nicht erweisen, und ist sogar höchst unwahrscheinlich.
Porzezinskij, Conjugation in den balt. Sprachen, angez. von Berneker. 479
wenn man sich an die Endung -na in der 2. Sg. Imp. im Ai. und Av. erinnert,
und an das -na in ved. -thana, -tana »besonders häufig in adhortativen For-
men« (ved. acäna, grhänä 2. Sg. Imp., 2. PI. Opt. syätana, 2. PI. Imp. Praes.
yäfdna, haniarta u. s. w.), auf dessen Zusammengehörigkeit mit dem konjunk-
tivischen-?»" Brugmann aufmerksam gemacht hat (Gruudriss II, 1357). Was
das slav. -q angeht, so möchte ich darin, nach dem Vorgang mehrerer For-
scher, ein -5>n mit angetretener Sekundärendung, oder wie man es neuerdings
nennt, »konjunkter Endung« sehen.
Die Endung -tni, der beim Keflexivum -mes entspricht, hält P. für die
echte Aktivendung, während in -tnes die Medialendung vorliege. Er spricht
sich gegen Brugmann's (Grundriss II, 1340) Meinung aus, dass -m« auch aus
-me deutbar sei, und dass ein Theil der aktiven Endung -mi auf die alte Me-
dialendung zurückgehen könne. Es lasse sich, so führt P. aus, nicht erweisen,
dass -??j<' gestossen betont gewesen sei.
Bei der zweiten Person wendet sich P. gegen die landläufige Erklärung,
dass veiU sein i von est bezogen habe (wie pr. tühnnai sein -ai von assai). Ihm
(^■1 scheint diese Erklärung unüberzeugend, weil es schwer begreiflich sei, wie
das einzige est die Uebertragung der Endung -i auf alle übrigen Verba habe
bewirken können; er schliesst sich daher der Ansicht Fortunatov's an, dass
es im Idg. bei den thematischen Verben eine Endung -ei neben -esi gab.
Ebenso hätten die abstufenden /o-Verba im Idg. die Endung -ii gehabt: tun
gehe aber auf eine Neubildung mit -ai zurück, wo das -a zu erklären sei wie
überhaupt in den Präsensendungen, d. h. durch Verallgemeinerung des o(a)
der 1. und 3 PI.
Welche Stützen hat nun die Aufstellung einer idg. Endung -ei neben
-csi? Fortunatov beruft sich dafür (a. a. 0. S. 11") auf das griech. q^igeis, um-
gebildet aus cpinec. »Was die Ansicht einiger Linguisten betrifft, gr. qyiqcis
stelle eine Anfügung von -»■ an eine Form qpf^f / = ai. hhärasi dar, so spricht
gegen eine solche Erklärung schon der Umstand, dass wir im homerischen
Dialekt die Form mit dem Diphthongen et finden, und nicht die Formen mit
-f(V, die wir in diesem Falle im homerischen Dialekt erwarten müssen«. Nun
begegnet doch aber auch nie ti, ti? »du bist« für tl, hom. herod. el;, das doch
auch Fortunatov aus idg. *esi herleitet ; es steht daher nichts im Wege, mit
Brugmann {Gr. Gr. 59) schon urgriechische Kontraktion von ft (aus *c<r<) an-
zunehmen, und hom. f^ivü als Neubildung nach fiiveoi; zu erklären. Im Sla-
vischen soll diese idg. Endung -ei (S. 120 flf.) bei abg. chosti (russ. xouib für
*xoii.) und bei russ. dial. MoacB (neben Moaceiui.) repräsentirt sein. Die alte
Erklärung als Optativ (vgl. Leskien, Handbuch 149, Vondräk, Aksl. Gr. 240),
die ja wegen des got. wiljau, wo der Optativ ganz an die Stelle des Indikativs
getreten ist, so sehr wahrscheinlich ist, und die auch für mo>ki. zutreffen
könnte, lehnt Fortunatov nicht gerade ab, nur meint er, dass diese Optativ-
formen sich gerade nur in der 2. Sg. Praes. erhalten hätten, das läge daran,
■dass sie mit jenen alten Präsensformen *cÄos<t,*;noiVaus*cAo(yet,*;no(7ei lautlich
zusammenfielen. Ich glaube, das aste chosti des Supr. erklärt sich einfach so, dass
in dieser formelhaft gewordenen Wendung »si vis« die Optativform bewahrt
blieb; was moske anbetrifi't, so ist es höchst unwahrscheinlich, dass es eine
480 Kritischer Anzeiger.
alte Form ist, und nicht vielmehr als eine jener, ich müchte sagen, »unorga-
nischer Kurzformen« aufzufassen ist, die wir bei häufig gebrauchten Wörtern
gerade im Slavischen in grosser Ausdehnung finden, wofür Zubaty IF. 6,
294 Anm. auch aus dem Baltischen schöne Belege beigebracht hat. Aus mei-
nen Notaten gebe ich ein paar Beispiele : Aus dem Russ. ueia (für ne^ero)
CKasaTB, Afanasjev V, 41 ; ou-l roBopuii öosuaiL (Eorx sHaeii.) ito, Af. II, 40
(Tambow); rtiit »er sagt« aus roBopiiit oder eher ry-ropHTt, Af. I, 42; II, 30
u. ö. ; Mo^iTb (kir. mobi) aus MOjiBajiTy; im Kleinruss. begegnet z. B. mo xoite
(xoieie), Kaace, spoöjno »was ihr wollt, sagt er, werde ich thun« (Tpyati axitorp.'
CTaiHCT. KOM. II, 132); xpa (poln. trza) für ipeöa [trzeba]; im Weissrussischen
(Federowski, Lud bialoruski, ungemein häufig) kä für naace, mö für Moace; im
Voln. pada, peda üu potviada »sagt«; im Slovakischen (Dobsinsky I, 38) vraj
aus vravi »man sagt«, wie cech. pry ans pi-avi; im Bulgarischen (CöopmiKi. 3,
209) ÄGKa ie na moiu (= mohcciu) Äa CBipmem? »wirst du es auch fertig macheu
können?« ebenso wie (ebenda 213) inxo Kam, ateno, inio Kam? »was sagst du,
Frau, was sagst du?« (nam für KajKem); na' für HesHaMi«, z. B. nä' mo ch »ich
weiss nicht, was du bist« (/lioBepHya, CjioBapi., 1268). Mir ist sogar zweifel-
haft, ob angesichts aller dieser Fälle das russ. xomB (klr. xo^ix, z. B. TpyÄBi II,
328 iiy, iioro-acT, tli xo^t?) wirklich unbedingt mit aksl. chosti zu vereinigen
ist. Jedenfalls beweisen weder chosti noch mozb etwas für eine idg. En-
dung -ei.
Aus allem angeführten kann ich natürlich auch nicht vedl für aus altem
*vedei entstanden betrachten. Andererseits muss ich Forzezinskij Recht
geben, dass die Uebertragung des -i von esi auf alle Verba etwas auffällig ist,
weniger aus der Erwägung, dass est ganz allein der Ursprung sein würde, als
dass eigentlich der Ausgangspunkt fehlt, von dem aus die charakteristische
Endung -sim einem *i;efZesi oder *feJasi (vgl. pr.^t^oass^ »du lebst«) verdrängt
sein sollte. Brugmann weist daher auch darauf hin, dass der Uebergang von
* dies i zu diidi dadurch begünstigt sein mag, dass jenes zugleich 2. Sg. Futuri
war und dass auch eine Präsensform wie Hlndösi durch *lind5i ersetzt worden
sei, weil sie mit der 2. Sg. Fut. zusammengefallen war (Grundriss II, 1345).
Diese Auffassung involviert aber die Annahme, dass die Endung -si (neben
l.Pers. -siu) im Futurum früher dagewesen sei, als im Präsens, worüber Brug-
mann nichts bemerkt. Ich möchte daher folgenden Weg annehmen. Wie man
lit. büs ris gaiis aus *Inist *rist *gmtst als athematische Formen, Injunktiv-
formen des s-Aorists, erklärt (Brugmann, a.a.O. 1187, so auch die Pluralformen
vestne, büsme, esme neben vesime, büsime, esime *), so gab es einst eine zweite
1) Ohne hier auf Bezzenberger's neue Behandlung des lit. Futurums ein-
gehen zu können (BB. 26, 169), wo er es mit dem dorischen Futurum zusam-
menbringen will, muss ich hier doch ein paar Worte über seinen Versuch
bemerken, auch Formen wie diisme an das gewöhnliche Futurum anzuschlies-
sen. Er scheint mir nicht gelungen, und nach wie vor scheint mir Job.
Schmidt's Wort in Gültigkeit zu bleiben : » So wenig wie gedimes sein / ver-
liert, konnte diisime zu düsme werden«. Bezzenberger meint nun, die Mög-
lichkeit dieses Verlustes sei nicht zu bestreiten, wobei er sich 1) auf die alt-
litauischen Imperativformen mokiktes, ivalgikt beruft, 2) auf die Formen wie
Porzezinskij, Conjugation in den balt, Sprachen, angez. von Berneker. 481
Person *büss ,'solche liegen im Preuss. als Imperative vor: teU-^ stelle, yerdaus
sage, engerdaus erzähle, die auch P. als Fiiturlbrmeu auffasst). Als nun nach
Abtall des -t, den sehr früh anzusetzen nichts im Wege steht, die 3. Sg. der
2. Sg. gleicli wurde, trat au die 2.Pers. zur Kenntlichmachung die Endung -si
i-sai) vom Präsens her an; eine solche Form liegt in pr.postäsei vor (Pr. Spr.
220, Porzezinskij 20'; bei den im Preussischen Imperativisch fungirenden
Formen auf -s unterblieb diese Neubildung, weil sie genügend deutlich waren.
Oder man könnte wohl auch annehmen, dass von Haus aus Formen wie
stöicmi neben stöwiu, die nicht ursprünglich sind, sondern einen späten An-
tritt von -mi darstellen; »ich weiss nicht, wie dies anders hätte geschehen
können, als dass stoicime, stöwite u. 8. w. zu *st6tcme, *stnicte wurden und da-
durch das Präsens von stotceti in die ?ni-Konjugation überführten«. Beide
Punkte sind nicht stichhaltig. Die Imperative stellen keine lautliche Ent-
wickelung dar, sondern, als altes mokikt, walgiki das auslautende i verlor,
wurden nach mokik, walgik für und neben mokikite, tcalgikite die Formen mo-
ki'kfe, tcalgikt neugebildet, gerade wie im Russ. Bipt, sipLie »glaube, glaubet«
neben Kynii, KyniiTc »kaufe, kaufet« steht für slpi,, *EipHTe, denn nur im ab-
soluten Auslaut ist u zu L verkürzt worden, BiptTO ist also Neubildung nach
Bipi. ; ebenso bildete man zu imi, »iss«, phonetische Schreibung für iaci, =
abg.ya:f/&, eine 2. PI. imBie für altes iaiiie ^ vtk^X.jadite. Und was den zwei-
ten Punkt betrifft, so kommt man hier leicht ohne Bezzenberger's Annahme
aus, denn bei dem Verbum stV/eYi »sitzen« lag im Litauischen aus alter Zeit
ererbt die 7Ht-Flexion neben der fo-Flexion, wie gr. rjaxai : lit. si-^t und abg.
stzdq: Wi.sedziu zeigen, und nach dem Muster südziu zu st;V/»u' konnte zu stöiciu
ein stöicmi gebildet werden. B. selbst legt auch kein grosses Gewicht auf
diese lautliche Erklärung und sagt: »bei der Beurtheilung des Verhältnisses
von ddsme zu dusime kann die Lautlehre ganz aus dem Spiele bleiben, da
düsme eine aus dem gewöhnlichen Futurum erwachsene Neubildung sein
kann, und zwar eine Neubildung auf Grund der III. c/«'««. Die Möglichkeit
dieser Neubildung will ich, zumal B. treffende Beispiele für solche unorga-
nische Neubildungen anzuführen weiss, an sich nicht bestreiten. Doch was
istf/«'s? Bezzenberger selbst macht auf die merkwürdige Erscheinung auf-
merksam, dass selbst die Mundarten, welche ein türi, güli in der 3. Pers. er-
halten haben, ein diisi 3. Pers. Fut. an sich nicht kennen; z. B. die Mundart
Szyrwid's. Warum soll nun aber ein *düsi früher sein i verloren haben als
turi, guli? Diese Thatsache ist doch ein deutlicher Beweis dafür, dass eben
dus nicht aus *di(si entstanden sein kann. B. meint freilich, »da aber die III.
Fut. im Medium auf-.s/« endigt, so ergibt sich hieraus, dass dus früher düst
gelautet hat und nicht eine Injunktivform des sigmatischen Aorists ist«.
Dieser Schluss ist nicht zwingend; denn wenn man an die Form *di<s aus
*di>st das Reflexivpronomen -s gefügt hätte, so wäre die Form nicht kenntlich
gewesen, infolgedessen wurde vor dem Reflexivpronomen die Nebenform
düsi verallgemeinert. Wenn man aber das aus *dusf erklären muss (und dafür
spricht doch das Nebeneinander der unverkürzten turi, guli neben diisl), so
kann man auch düsme, duste als Inj unktivformen auffassen, zumal man doch
auch fragen muss, warum die von B. angenommene Neubildung gerade im
Futurum eingetreten ist und in den Dialekten die 'infolge späteren Abfalles
des i; tur neben altem dds bieten, nicht auch Formen wie *turme, *turte auf-
treten wie düsme, düste.
Archiv für slavische Philologie. XXV. 31
482 Kritischer Anzeiger.
*siäs-5 und *stäs-si (beziehungsweise *stüs-sai) neben einander lagen; dass
die Vertheilung aber so vor sich ging wie ira Preuss., die Form mit -s Impe-
rativ, die mit -si Futurum, dürfte auf dem angegebenen Grunde beruhen.
Jedenfalls aber lieferte so das balt. Futurum *stdsiu 1. P. : *stäst 2. P. das
Muster für das Verhältniss -u : -i und danach konnte dann zu turiü ein tun
für *turisi. zu i-edü ein ved'i für *vedesi gebildet werden, wobei erstens ein ge-
wisses rhythmisches Princip — zweisilbige Formen im Singular, dreisilbige
im Plural — mitgewirkt haben mag, und zweitens der von Brugmann ange-
führte Umstand. Diese ganze Annahme wäre nicht nöthig, wenn wir die von
Kurschat Gramm. 304 ff. angeführten -mi-Yerhn für sehr alt halten dürften,
weil man dann annehmen dürfte, nach dem Verhältniss esmj : esl wäre einfach
ein dec/i zu degm'i, megi zu megnn u. s. w. gebildet worden. Doch sprechen
viele Gründe dafür, dass wir in der überwältigenden Mehrzahl der hier ange-
führten -»n'-Verba verhältnissmässig junge Neubildungen zu sehen haben.
S. 21 ff. erfährt, gestützt auf ungemein reiches Material, die 2. Pers. Sg.
Imp. eine eingehende Erörterung, sowohl die Form mit der /c-Partikel, als die
ohne dieselbe: red, aileid, vedi, klausai, sähay in den alten litauischen Texten,
die im Le. noch heute als einzige vorliegt: meW neben metti, dur neben duri.
Bei der Erklärung schliesst er sich ganz der ebenso einfachen wie einleuch-
tenden Deutung Fortunatov's an: ved ist aus *veda entstanden, einer Form
wie ai. bhdra, gr. g)iQe, während redt aus *cede entstanden ist und pr. weddais
gr. (piQois entspricht bis auf den Schwund des -s, der zu der Zeit analogisch
erfolgte, als die Sekundärendung -s in der 2. Pers. Sg. überhaupt verdrängt
wurde; bei den Verben vom Typus turiü fielen beide Bildungen, *turi und
Huriois, im Laufe der Zeit in eine lautlich zusammen. Ebenso entspricht
altes klausai, säkay dem pr. ettrais, atträiti »antworte, antwortet« bis auf den j
oben erklärten Schwund des s.
Bei der 3. Pers. greift P. natürlich vor allem das alte Problem von dem i
Zusammenfall der dritten Personen aller Numeri in der 3. Pers. Sg. von neuem
an. Joh. Schmidt's Hypothese, dass diese merkwürdige Erscheinung von yra
ausgegangen sei, das für alle drei Numeri gebraucht werden konnte, weil es
eigentlich ein Instrumental Sg. Fem. »existentiä« bedeutend sei, weist er
durch den richtigen Einwand zurück, dass der Zusammenfall schon urbal-
tisch, yrä le. ira im Preuss. aber nicht vorhanden sei. Doch stimmt er eben-
sowenig Brugmann's Deutungsversuch bei (Grundriss II, § 999), der von der
Thatsache ausgeht, dass im Uridg. neutrales Subjekt im Plural und im Dual
mit der 3. Pers. Sg. des Verbums verbunden wurde. »B.'s Ansicht kann nicht
angenommen werden schon aus dem Grunde, weil die baltischen Sprachen,
wie bekannt, fast vollständig das Neutrum verloren haben, und ausserdem
das von Brugmann und einigen anderen Linguisten für die idg. Grundsprache
angenommene Kongruenzgesetz unerwiesen ist«. Das scheint doch etwas zu
kurz und zu hart geurtheilt. Das preuss. Vocabular bietet eine ganze Anzahl
Neutra: assaran : abg. jezero; pedan Pflugschar : gr. nridöv Ruderschaufel;;
creslan »Lehnstuhl« : abg. krhlo; kelan »Rad« : abg. kolo; prassan »Hirse«
Sibg.proso; mestan Stadt : abg. mesto; hmkan Bast : abg. lyko, dalptan »Meis-
sel« : abg. dlato, von den Thierjungennamen : maldiati, eristian, wosistian u. a.
Porzezinskij, Conjugation in den balt. Sprachen, angez. von Bernsker. 483
ganz zu schweigen. So darf es doch für ausgemacht gelten, dass das Baltische
in früher Zeit — und der Zusammenfall der drei Personen ist ja sicher urbal-
tiseh — noch Neutra besass. Und warum ist die Kongruenzregel, dass das
Neutrum sich im Nom. PI. und Du. mit singularischem Verb verband, für das
Uridg. uubeweisbar? Warum soll hier die üebereinstimmuug des ältesten
Griechischen, Vedischen, Avestischen mit leichter Hand beiseite geschoben
werden [Joh. Schmidt, Pluralbildungen S. 4 ff.; Delbrück, Vgl.Synt.IIl,2iO)?
Diese Erscheinung macht doch wahrlich nicht den Eindruck, als ob sie eine
Neubildung der Einzelsprachen wäre, wenn eine, so erscheint doch sie vom
Hauch fernster Vorzeit umweht.
Porzezinskij's eigene Erklärung ist folgende. Allgemein wird die 3. Pers.
urbalt. *ce(Ia aus *cedet erklärt; die entsprechende 3. PI. lautete dann *cedan
aus *ve(lonf, ebenfalls mit Sekundärendung. Nun gab es ja (nach P.'s oben
skizzirter Ansicht) neben der 1. Pers. Sg. *cedö eine Neubildung *cedan, die
dann unter Ausgleichung von Seiten der ersteren ihr -n verlor und zu veda
wurde. »Dem endgültigen Verlust des Lautes >i musste eine Epoche voraus-
gehen, als dieses « sozusagen beweglich war, und ich denke, diese Beweg-
lichkeit des /; wurde auch auf die Endung der Form der 3. PI. übertragen.
Die Bildungen ohne n fielen hier lautlich mit den Bildungen der 3. Pers. Sg.
zusammen, und das Resultat war das, dass auch hier die Bildungen mit n
verdrängt wurden«. Diese Deutung ist natürlich schon deshalb ganz unan-
nehmbar, weil die Existenz von Formen der 1. Pers. mit n, wie oben gezeigt,
absolut unbeweisbar und unwahrscheinlich ist. Aber sie ist auch an sich an-
fechtbar, denn, das Bestehen jener -?i-Formen einmal vorausgesetzt, warum
sollte nach dieser schwachen Parallele *cedan, *ceda in der 1. Pers. Sg. auch
eine 3. PI. *cedan durch Tilgung des -yi ganz ohne Noth der 3. Sg. gleich ge-
iij icht worden sein? Sonst beobachtet man immer gerade den Zug in der
Sprachentwickelung, Menn lautlicher Zusammenfall verschiedener Formen
eintritt, diese Gleichheit durch Umbildung der einen oder gar beider Formen
wieder aus der Welt zu schaffen, und hier sollte das Umgekehrte stattgefun-
den haben, und das Urbalt. dereinst ein *veda für die 1. Pers. Sg. und 3. Pers.
Sg. und 3. Pers. PI. durch allerhand Neubildungen künstlich gezüchtet haben?
Das ist doch wohl schwer zu glauben.
So wird man wohl nach wie vor die Gründe für die betrachtete Erschei-
nung auf syntaktischem Gebiet suchen müssen. Man wird jenes Kongruenz-
gesetz beim Plural der Neutra vor allem heranziehen müssen; man wird
ferner annehmen dürfen, dass, wenn auch vielleicht nicht bei allen, so doch
bei einer Anzahl von o-Stämmen in dem -ui des Nom. pl. das alte -«j-Sufäx
des Nom. pl. der Neutra vorliegt, wie es Joh. Schmidt (Pluralbildungen 231)
g lehrt hat, bei denen dann auch das Prädikat im Sg. stehen konnte ; man
wird endlich an jene Eigenthümlichkeit des Verbums »sein« denken können,
dessen 3. Sg. mit Vorliebe bei pluralischem Subjekt steht, die aus dem Päli,
dem Griechischen, dem Germanischen und in ganz besonderer Ausdehnung
aus dem Slavischen zu belegen ist (Einzelheiten bei Delbrück, Vgl. Synt. III,
- >"2 ; und vielleicht noch an manches andere, denn die komplicirten Erschei-
nungen desSprachlebensbrauchen ja nicht immer nur eine Ursache zu haben.
31*
484 Kritischer Anzeiger.
Die Form yrä (le. ira) »ist« erklärt P. als 3. Pers. Sg. eines Verbalstam-
mes ira- zu ai. irie, gr. oquvjui. Die ursprüngliche Form sei h'a (so le. und in
Dauksa's Katechismus) ; die Länge des t soll nach Analogie von Bildungen
wie bTra aufgekommen sein, die ihrerseits das Nasalinfix durch Neubildung
erhalten haben. Aber das muss dann eine späte und rein lautliche Analogie
gewesen sein. Denn als im Urlit. das Nasalinfix in birü aufkam, »gab es bei
*ira noch keine solche Neubildung, weil *tra in das Konjugationssystem des
Verbums »sein« einbezogen worden war und nicht die Bedeutung des inchoa-
tiven Zustandes (Haiuuaxe.itHoe cocTOHHie) hatte. Ira Laufe der Zeit trat dann
auch hier i auf nach Analogie des { in blra, und diese Uebertragung des i er-
klärt sich durch Einfluss von Lautanalogie; .... nicht überall indess vollzog
sich diese uebertragung in ein und derselben Epoche, und die ständige Nicht-
bezeichnung der Nasalität in ira bei Dauksa deutet augenscheinlich darauf
hin, dass hier in der Sprache ira galt«.
Diese Deutung von ira erweckt Bedenken. 1) ist in den baltischen
Sprachen keine Spur von einem dem griech. oqi'v/ui, ai. irte (welch letzteres
man jetzt beiläufig mit gr. it/XAco, ahd. tien, tllen «eilen« verbindet, Uhlen-
beck, Etym.Wb. d. ai. Spr. 25) entsprechenden Verbum bezeugt. 2) ist die
Annahme der rein lautlichen Analogie nicht überzeugend, die die Längung
des i erklären soll. Die Nasalirung des i in birü, blra ist ja, wie P. selbst her-
vorhebt, eine sehr späte Erscheinung; und von da aus hätte ^ auf i/ni wohl
nur übertragen werden können, wenn noch andere Personen zu ira existirten,
wie *iri), *iri u. s. w., wofür man keinen Anhalt hat. Dass einfach des laut-
lichen Gleichklangs wegen, als b)ra über *binra zu b\ra wurde, von diesem
einzelnen und gewiss nicht häufigen Verbum aus eine so vielgebrauchte Form
wie ira, die sich noch dazu durch ihren Accent unterschied, zu irä umgebildet
werden konnte, kann ich nicht glauben. Gerade dass yra von der allgemeinen
Zurückziehung des Accents in der 3. Pers. verschont blieb, zeigt doch wohl,
dass es — wenn es je eine 3. Pers. Praes. eines Verbums war — zu der frühen
Zeit als diese erfolgte, nicht mehr als solche empfunden wurde, und deswegen
konnte auch das späte blra sicher nicht eine Beeinflussung auf yrä ausüben.
Ausserdem macht P. in seiner umsichtigen Art selbst noch darauf aufmerksam,
dass in den iemaitischen Dialekten, wo Bildungen wie blra nicht existiren, yrä
erscheint, und nimmt deshalb Entlehnung aus anderen Dialekten an (ebenso
bei Juszkiewicz, der nach seiner sonstigen Bezeichnung inra schreiben müsste,
aber yra bietet) ; eine Annahme, bei der ich ihm für ein Wort wie yrä nicht
folgen kann. Ich selbst vermag ira nicht zu erklären; was aber das Neben-
einander von ira und yrä betrifft, so möchte ich annehmen, dass die Länge in
yrä unter Einfluss der negirten Form entstanden ist; ein *ne ira ergab durch
Kontraktion *neira, nerä, nerä und nach diesem Muster kam die Länge in das
positive ira. Das Le. hat ira [ir) mit der Kürze bis auf den heutigen Tag;
doch hier gab es auch nicht die Verschmelzung mit ne, ne ir kommt nicht vor
sondern mau braucht für »ist nicht, ist nicht vorhanden« näw [iniu], naica, nevc
aus newaid; newaidäs (zu wäidu wäist »sich wo aufhalten«) und danach hat
man dann ira zu den von Bielenstein (Le. Spr. II, 130) als dunkel bezeichneten
Formen irdid, iräidds umgebildet.
Porzezinskij, Conjugation in den halt. Sprachen, angez. von Berneker. 485
Das preuss. -ts bei Verbalformen in der dritten Person, wie astits, däts
erklärt P. im Einklang mit Fortunatov aus -tas und zwar als identisch mit
dem -tz, das im Aksl. in der 3. und •2.Pers.) Sg. des Aoristes auf -cho bei den
primären Verben thematischer Flexion, z. B. bäz, petz, joto erscheint. Die
Identität mit dem -tz der altbulgarischen Aoriste möchte ich aber doch bezwei-
feln und an der alten Erklärung festhalten, dass hier die Endung des Präsens
angetreten ist, wie es hystz {sir.b)/stb) und dasiz, jastz aY.dastb,jastb] gegenüber
Fr'is.Jestz iiiT.jestb] u. s. w, darthun. Dass in den aksl. Quellen russ. Redaktion
die Formen wie bitz, petz, jatz mit z erscheinen (während doch bystb wiejes<6
1. hat;, wird so zu erklären sein, dass diese Formen im lebenden Altrussischen
nicht existirten und der Schreiber sie nur aus seiner altkirchenslavischen
Vorlage übernahm. Die bei der Fortunatov-Porzezinskij'schen Auffassung
nüthige Annahme, dass -tz erstarrt sei (denn für das Fem. müssten wir ja
*bi-ta, '^pe-ta, *jp-ta erwarten, ist auch nicht dazu angethan, sie annehmlicher
erscheinen zu lassen.
Bei der 2.Pers.Pl. lehnt P. mit Recht meine unüberlegte Erklärung der
preuss. Form auf -ti [turriti, ersinnati) aus *(e = lit. -tes ab, da dieses ja eine
Neubildung ist; sehr ansprechend erklärt er die pr. -tei-, -ti, -tai (dieselben
Endungen, wie sie in der 2, Sg. vorkommen) als Nachbildung nach der
2. Pers. Sg.
Auf S. 56 ff. unterzieht sich P. der schwierigen Aufgabe, Ordnung in die
verwickelten Verhältnisse des lit. Optativs und le. Konditionals, dieser eigen-
thümlichen, durch Zusammenrückung des alten Supinums mit einem Optativ
von Inti »sein« (slav. bimb] gebildeten Form, zu bringen; er macht es sich
nicht leicht und hat wohl mehr Material dazu zusammengebracht, als irgend
ein Forscher vor ihm.
Für das ürbaltische ist auszugehen von zwei Haupttypen; 1) eine Form
auf -tum, vereint mit der entsprechenden Form des Stammes be, bi, und 2; eine
Form 2i\\i -tum ohne eine solche Anfügung; doch gab es auch bei 1) in der
dritten Person eine Form ohne das angeführte Element vom Stamme bi-. Die
Formen des ersten Typus überkam das Litauische [süktumbei, suktumbime,
süktumbite), die des zweiten das Lettische [suktu für alle Singularpersonen) ;
die Nebenform des Typus 1) liegt in der 3. Pers. des Lit. süktu vor (vgl. -tun
bei Bretkun. -tt{ bei Dauksa). Zu diesen beiden alten Typen bildete sich nun
in der lit.-le. Gemeinsprache noch ein dritter Typus: nach Analogie des
zweiten Typus kamen Formen auf -tu7n auf, losgelöst aus den A^erbindungen
mit dem Hülfsverbum, zu einer Zeit, als die alten Verbindungen Vok. + Nas.
im Wortauslaut schon nicht mehr existirten. Dieser dritte Typus ging in
Dialekte der lit. Sprache über: 2. Sg. süktum, 1. PI. süktum, 2. PI. süktum,
1. 2. Du. süktum. Endlich kam noch ein vierter Typus auf im Lit.-Le., indem
1) und 3) sich ausglichen; so entstanden die konjugirten Formen ohne b, die
in lit. Dialekten erscheinen: 2. Sg. süktumei, 1. PI. süktumim, 2. PI. sükiumit.
Dann bleiben nur noch Einzelheiten zu erklären übrig: in den bei
Dressel überlieferten le. Formen sarrgahtubam, sarrgahtubaht ist « eine Neu-
bildung nach Analogie der abgeleiteten Stämme ; im le. Reflexivum suktus
486 Kritischer Anzeiger.
zu suktu ist ü entstanden nach dem Verhältniss von suku zu sukus in der
1. Pers. Sg. Praes.; die le. Pluralformen auf -fum, -tut sind begreifliche Neu-
schöpfungon nach den sonstigen Endungen dieser Personen; in der lit.2.Per8.
Sg. suktumhi, süktumi ist das i für ei [süktumhei) durch die Präsensendungen
auf -t veranlasst; die lit. dial. (Memel) Bildungen auf -tai [2. Pers. Sg.) und
-tot (2. Pers. PI.) sind Ausgleichungen nach der 1. Pers. Sg. -<a?< nach dem
Muster von zinaü, u. a. m. In den Formen des Lit. auf -<m' neben -ti{ in der
3. Pers. Sg. (in alten Texten und im Kreis Heydekrug) sieht P. mit Bezzen-
berger den Dat. des Supinums neben dem gewöhnlichen Accusativ auf -^mw.
So bleiben nur noch die 1. Pers. Sg. auf -cza, -czo, -czau Erklärung hei-
schend übrig.
Im Allgemeinen kann ich mich bis hierher den Ausführungen P.'s nur
anschliessen. Bis auf den einen Punkt: die Bildung des zweiten Typus, der
in Formen wie *sHktum, le. Sg. suktu, suktü-s und in der 3. Pers. Sg. des Lit,
suktu, vorliegt. Ich kann nämlich nicht verstehen, wie das blosse Supinum
zu optativischer Funktion gekommen sein sollte, denn die S. 65 Anm. beige-
brachte Analogie aus dem Slavischen, die russ. Prüterita wie bcji^, höci
U.S.W, (»wie auf dem Gebiet der slavischen Sprachen die Auslassung des
Hülfsverbums zuerst bei der Form der 3. Pers. erfolgte, und dann im Russi-
schen im Laufe der Zeit durch alle Personen durchgeführt wurde,, so erschien
auch im Gemeinbaltischen butun ohne Hülfsverbum zuerst in der 3. Pers. und
wurde dann auf alle übrigen Personen überführt«) scheint mir doch ihrer
ganzen Art nach sehr verschieden zu sein. Im Russischen wurden doch nur
die Präsensformen des Hülfsverbums ausgelassen, nie finden wir im Aruss.,
so lange es noch vorkommt, beim Plusquamperfectum, dem ^-Part. mit heachi,
die Auslassung von öauiexi. ; und das ecxi, der 3. Pers. in bg.i'l ecii. ist sicher
nur deshalb allmählich ausgelassen worden, weil im Russ. von allem Anfang
her copulalose Sätze vom Typus ycioBiKi öoraxt existirt haben. Wie konnte
aber in einem balt. vorauszusetzenden *suktumbit das *bit, die Form, die das
Wesentliche in der ganzen Verbindung war, die ihr allein das optativische
Gepräge aufdrückte, plötzlich ausfallen, und das Supinum allein der Aus-
druck für den Optativ werden, obwohl es in jenen alten Zeiten doch sicherlich
noch in vollem supinalen Gebrauch üblich war?
Ich möchte daher die Vermuthung aussprechen, dass es dereinst im
Baltischen Imperativische Formen tmi^töd gegeben hat (ai. -täd, gr. -tw, lat.
-töd, -tö), die in der 2. und 3. Pers. in das System des baltischen Optativs
traten zu der Zeit, als der alte aus dem Idg. ererbte Optativ Imperativische
Funktionen auszuüben begann. Wie das Ä-Suffix von den vokalischen Stäm-
men aus an den Infinitivstamm auch der nichtvokalischen gefügt wurde, so
auch -töd, also *suktöd nach *ettöd (alat. eifö). Diese Form liegt dem \e.sukta-i.
suktu, lit. 3. Pers. suktu zu Grunde; bei Bretkun liegt -tun neben -tu, ebenso
bei Dauksa -tu, neben -tu, und Kurschat berichtet (Gramm. § 1098), dass im
Zemai tischen neben dem Supinum aui -tu (= -tu^) die diesem gleichgestaltete
Form der 3. Pers. Opt. kurzes -u, also -tu, habe. So glaube ich also, es lag einst
"neben 2. Pers. suktumbei, 3. Pers. suktumbi ein suktu, suktu (aus *suktöd), und
erst diese Form konnte bewirken, dass das 5-Element als etwas Entbehrliches
Porzezinskij, Conjugatiou in den balt. Sprachen, angez. von Berneker. 487
.mpfunden wurde und so Formen wie *süktu7n aufkommen konnten, das .iuktt{
irgab; die einen Dialekte haben suklu, die anderen suldu verallgemeinert,
anfangs bestanden wohl beide neben einander. Nach diesem süktu, suktn er-
folgte schon spät, als schon das Lautgesetz, das Vok. -t- Nas. im Auslaut zu
Nasalvokal werden Hess, zu wirken aufgehört hatte, die Loslüsung der For-
men suktum für die 2. ög., die 1. u. 2. PI. und Du. aus den Bildungen mit dem
6-Element.
Sehr spät sind offenbar die Bildungen wie 2. Pers. suktai, die vor allem
im Mittellitauischen Preussens begegnen. Vielleicht sind sie vorzugsweise
den Gegenden dieses Gebietes eigen, die auslautendes -o zu -u verkürzen
(vgl. Bezzenberger, BB. 9, 273 ff.; mir z. B. aus Lasdehnen, Kreis Pillkallen,
bekannt], wo süko als suku erscheint; nach dem Muster sukdi, suku (aus süko)
■bildete man ein sitkiai zu süktu, und danach auch eine 2. PI. snklot (Kurschat
Gr. § 1158).
Mit diesen Modifikationen möchte ich P.'s Erklärungen in allem Sonsti-
gen zustimmen. ...
So bleibt also nur noch die schwierigste aller Formen, die 1. Pers. Sg.,
stikczau, sukcza, sükczo übrig; die oft citirte Form süktitmhiau ist, wie P. her-
vorhebt, nirgends belegt. P.'s Ausgangspunkt ist der alte idg. oj-Optativ ;
■das Balt. habe einst eine 1. Sg. Opt. auf -cfif^m besessen [oder wie wir an-
setzen -oi-m, vgl. ai. bhäreijam], woraus dann im Balt.-Slav. -a"u)} entstehen
musste. Doch noch zur Zeit der lit.-slav. Spracheinheit wurde diese Endung
.-un aus idg. -am ersetzt durch den Ausgang -a°n nach Analogie der Bildungen,
wo diese Endung aus idg. -a"m entstanden war. So überkam das Gemein-
baltische eine Endung -ü"n als 1. Pers. Opt. der thematischen Konjugation
mit »unterbrochener Länge« (d. h. der im Lit. geschleifter Accent entspricht].
Als dann das /; in den Endungen der 1. Pers. bei den sonstigen Verbalbildun-
gen schwand,. erschien auch hier als Endung einfaches ■iiP. Unter dem Ein-
fluss der Endung -ö mit »dauernder« Länge (der im Lit. gestossener Ton ent-
spricht) empfing auch diese Optativform -«" mit dauernder Länge.
So stand ein *sukä'^' (das Eesultat allerhand Umbildungen eines alten
*sukoi-in] neben *sitJctumhiau. Beide wirkten auf einander, und es entstanden
sukczau, sükczu, sitkczo; von letzteren ist sukcza die allein lautliche Entwicke-
lung; sükczo stammt aus dem Reflexiv sükczo-s, wo die Länge berechtigt.
Dieser Analogie der thematischen Verba folgten dann auch die wenigen
athematischen, und es kamen Formen wie diiczau, diicza, deczau, deczä
u. s. w. auf.
Dieser Deutungsversuch beruht auf mehreren Voraussetzungen, denen
ich nicht zustimmen kann : 1) auf der Annahme, dass / zwischen Vokalen ge-
schwunden ist, was unbeweisbar ist, 2). auf der Annahme der Existenz von
•Verbalformen wie *cedan, die, wie oben gezeigt, ganz haltlos ist, 3; ist wohl
höchst unwahrscheinlich, dass das vorausgesetzte Kontraktionsprodukt
*sukä^ einfach analogisch nach *sukö seine unterbrochene Länge d.h. lit. ge-
schleifte Betonung; in dauernde (d. h. lit. gestossene Betonung) gewandelt
habe, wenn man bedenkt, wie treu das Lit. sonst die Accentqualitäten be-
wahrt hat. Was mich betrifft, so kann ich nur allenfalls noch eine Form wie
488 Kritischer Anzeiger.
sükczau als Kreuzung eines *suJitumbiuu mit einer Form wie le. suktu für alle
Singularpersonen verstehen; vor sükcza und sükczo muss ich die Waffen
strecken; mit denen von Porzezinskij gebotenen ist ihnen jedenfalls nicht
beizukommen.
Hiermit verlassen wir das Gebiet der Personalendungen und kommen
zum dritten Kapitel, der Bildung der Tempus- und Modusstämme, und ver-
weilen zunächst bei seiner ersten und bei weitem längsten Abtheilung, der
Bildung der Präsensstämme. P. bietet folgende zweckmässige Eintheilung :
Zwei Hauptgruppen — 1 ) als Infinitivstamm erscheint ein unabgeleiteter
Verbalstamm, 2) als solcher erscheint ein abgeleiteter Verbalstamm. Die
Präsensstämme der ersten Gruppe zerfallen wiederum in zwei Unterabthei-
lungen: a) thematische, b) athematische Bildungen. Unter 1) a) werden zu-
nächst behandelt die Stämme auf idg. e/o, das im Lit. als a erscheint, also
Typus vedü, veät, veda, vedame. P. erörtert eingehend das Verhältniss der idg.
wurzelbetonten (mit hochstufiger Wurzel) und der suffixbetonten (mit tief-
stufiger Wurzel), also der ind. I. und VI. Klasse. Er nimmt an, dass sich im
Uridg. die beiden Klassen von Haus aus ihrer Aktionsart nach unterschieden :
die erstere bezeichnete die durative {bum> RxuTeÄhuhiii), die zweite die nicht
durative Aktionsart (buä'b iiex^iaTeji-huhm]. »Als dann imUridg. nach Analogie
des Verhältnisses, das zwischen den Präsentien und Imperfekten bei den Stäm-
men der I. Klasse bestand, auch Stämme der II. Klasse in das Präsenssystem
überführt wurden, behielten diese letzteren im Resultat ihre alte Aktionsart
nur in den Fällen, wo eine solche Ueberführung nicht stattgefunden hatte,
wo mit der Bedeutung der imperfektiven Aktionsart entweder Stämme der
I. Klasse oder andere abgeleitete Stämme vorlagen«. D. h. also, wenn ich
recht interpretire, P. nimmt an, dass die Präsentia der II. Klasse im Uridg.
entstanden sind, wie etwa in der Einzelsprache gr. dor. tqcctio) (für *rqcf.no)] zu
izQKTioy. Die balt. Stämme auf e/o zeigen keinen Unterschied der Aktions-
art mehr (ob sie hochstufige oder tiefstufige Wurzel haben; der Accent-
unterschied ist ja bei beiden ausgeglichen), und zwar ist dieser Verlust aus
der Fortdauer jenes oben angenommenen Processes, der schon in der Grund-
sprache begann, in der Einzelsprache, speciell im Balt.-Slav., zu erklären,
wonach immer mehr Präsentia vom Typus ai. girdti, sl. hret-o aufkamen, bis
schliesslich die alten Verhältnisse völlig zerstört wurden; so dass man heute
im Balt. wie im Slav. zwar Präsentia mit hochstufiger Wurzelsilbe neben sol-
chen mit tiefstufiger findet, aber ohne Bedeutungsunterschied.
S. 79 ff. wird über die Verba gehandelt, deren Wurzel den Diphthong
eu gehabt hat. Auch P. nimmt an, dass eu im Balt.-Slav. von ou geschieden
war: im Slav. wurde es zu iu, im Balt. blieb es als eu und wurde im Lit.-Le.
zu tau (vgl. auch Zupitza, Germ. Gutt. 145, und Rec.IF. X, 145 ff.). Wie kommt
es nun, dass wir doch in so vielen Fällen au finden? P. stellt sich diesen Vor-
gang so vor: schon im Balt.-Slav. begann der Process, dass sich e in dem
Diphthongen eu dem ti in Bezug auf den Grad der Zungenhebung zu nähern
begann, d. h. ein mehr »hoher« Vokal wurde; und dieser neue Vokal wirkte
auf den vorhergehenden Konsonanten etwas erweichend, früher noch, als
sonst die palatalen Vokale diesen erweichenden Einfluss ausübten. So ent-
Porzezinskij, Coojugation in den balt. Sprachen, angez. von Beineker. 489
stand das slav. im. In der gemeinbaltischen Epoche wurden, noch ehe die Er-
weichung gewisser Konsonanten vor palatalen Vokalen eintrat, die erweichten
Konsonanten vor dem Diphthong eii zum Theil auf nicht lautlichem Wege
verdrängt durch nicht erweichte Konsonanten unter dem Einfluss verwandter
Bildungen, wo der Diphthong eu nicht vorlag. So ergab die Gruppe »er-
weichter Kons. 4- Diphth. ew« im Resultat die lit.-le. Gruppe »weicher Kons.
4-Diphth. au«, die preuss. Gruppe »weicher Kons.+ Diphth. ew«; während
sich die Gruppe »unerweichter Kons. + Diphth. e«« zuletzt in die Gruppe
»unerweichter Kons. + Diphth. au» wandelte.
Ich glaube, dass P. hier im Wesentlichen das Richtige trifft, und damit
eine Reihe von Ausnahmen erklärt, wo man au an Stelle des zu erwartenden
tau findet. Leider habe ich in meiner Behandlung dieses Gegenstandes a.a.O.
im Uebereifer wohl manches falsche und manches unsichere Beispiel beige-
bracht, und es wäre schade, wenn dadurch die ganze Annahme, dass eu im
ürbalt.-Slav. noch von ou verschieden gewesen, wie es jetzt fast scheint, in
Misskredit kommen sollte. Beispiele wie abg. IJud^ Volk, le. laudis »Leute,
Volk« : ahd. /m^; aXig.ljuho »lieb«, lit. Iiäu2isinti loben : got. Hufs; nhg.bl/udq :
ur. TiEvO^eTcci; r. cur^ »Mass, Grenze« : mhd. gehiure sanft, anmuthig; ahd. mm-
(jihiuri »unheimlich, schrecklich«; p.ihiub Höhlung in einem Baum : got.diups
tief; c. kliditi reinigen (aus Jdiuditi] : got. hlütrs rein; s. Ijuljati, p. lulac vf'xQ-
gen : ai. lölati, abg. pljusta Lunge : gr.n'Aevfxojv, ahg.sujb link : ai. savi/u; abg.
zuzeh »Käfer«; ai. gunjati summt, brummt; abg. zupa »Bezirk« zu ai. göpu-
u. s. w. (Brugmann IF. XI, 11); lit. dziduti, le./chaut »trocknen, räuchern« :
mI. dunöti »brennt im Feuer«; lit. kiaüszis Ei, alt kiauszia Hirnschädel : ai.
hisas Behälter, Vorrathskammer; lit. spriäudzu »klemmen, drängen« : mhd.
spriezen, 2Lg%. spryttan »sprossen, keimen«; skiaudzu niesen, \e. schMut : ai.
J.-säuti; lit. sriautas, sriaujas »schnell fliessend« : ai. srdcati, gr. (liu); le.kr'aupa
»Grind der Pferde« : an. hriüfr, ahd. riob »rauh, grindig«, u. a. mehr. Ich
glaube diese Fälle sollten wohl genügen, das Gesetz von der Vertretung des
eu im Balt.-Slav. sicherzustellen; nur muss man zugeben, dass die Verhält-
nisse, namentlich im Baltischen mit seinem lebendigeren Ablautssystem, sich
nicht ganz rein erhalten haben, dass öfters au für iau erscheint, hervorgerufen
wohl vor allem durch die Tiefstufe u, lu die eu mit T)u, au theilt, wie auch
umgekehrt bisweilen die Erweichung unorganisch in die Tiefstufe einge-
drungen ist.
S. 81 behandelt P. die Verba, die im Präs. a haben, obwohl ihre Wurzel
zur Ablautsreihe e : o gehört: lit. käst), le. kasu : abg. cesq; lit. barü, le. baru :
lat./enö; lit. malü : got. mala, abg. 7neljq, eine Erscheinung, die aus dem
Slavischen kaum, aus dem Germ, dagegen häufig zu belegen ist (vgl. Streit-
berg, Urgerm. Gr. 293). P. lehnt die Erklärung aus idg.r, /für die beiden letz-
teren mit Recht ab, und sieht hier vielmehr ein Eindringen der Perfektstufe,
die im Germ, auf Präsensstämme mit tiefstufiger, im Baltischen aber mit hoch-
smfiger Wurzel übertragen wurde, kasü ist also umgebildet aus*kestt, sl. cesq
nach dem Perfektstamm, wo a (= idg. o) heimisch war. Das idg. Perfekt em-
pfing noch in balt.-slav. Zeit die Bedeutung des Präteritums und ging schliess-
lich verloren, indem es sich mit den Bildungen dieses letzteren vermischte.
490 Kritischer Anzeiger.
Den endgültigen Verlust des idg. Perfekts verlegt P. noch in die Zeit der
balt.-slav. Sprachgemeinschaft; die Bewahrung des slav. vedii erklärt sich
aus ähnlichen Ursachen, wie sie bei der Entstehung der germanischen
Präteritopräsentia wirkten. Dass dem lit. kasü einst ein hochstufiges *kesü
zu Grunde lag, dafür spricht das Präteritum kasiuü mit seinem e-Stamm, wie
weiter bei der Bildung des Präteritums auseinandergesetzt wird.
S. 90 ff. bespricht P. die Präsentia mit Nasalinfix: 1) Typus m>, krintü,
grixjcü; 2) Typus kimbit, stimpü; 3) Typus pra7itt(, randü; endlich die weit
selteneren Fälle, wo das Nasalinfix bei hochstufiger Wurzel erscheint:
tenkü, hrendü.
Ursprünglich war das Nasalinfix nur bei Stämmen mit tiefstufiger Wurzel
heimisch ; doch nimmt P. an, dass nach Analogie dieser Klasse schon im Uridg.
Bildungen mit Nasalinfix auch bei nichttiefstufiger Wurzel aufkamen. Doch
sind natürlich nicht alle heute in den baltischen Sprachen begegnenden Bil-
dungen mit Nasalinfix ein ursprachliches Erbstück; sicher spät sind die lit.
Bildungen wie liru, szqlu, pi/vu,- gijü (d. h. also bei den Wurzeln auf Vok. +
Liqu. oder Nas. oder auf Diphthong in ihrer hochstufigen Gestalt), denn das
Le. kennt diese Bildung nicht, ebensowenig die ^emaitischen Dialekte, 'wo
k\lstu hhstii szälstu, pünii yinic dafür erscheinen. Man hat mehrfach die Na-
salirung bei diesen Verben überhaupt geleugnet und die Schreibungen wie
binra bei den Juszkiewicz und szqiü bei Kurschat für Missverständriisse ge-
halten, weil im Ostlit. und bei Szyrwid szaiu erscheine. Doch wendet P. tref-
fend dagegen ein, dass sich szalu von szqlu in der Bedeutung unterscheide
(nur letzteres, nicht ersteres ist inchoativ}, ausserdem macht er darauf auf-
merksam, dass in der ersten Ausgabe des defekten Exemplars von Szyrwid's
Dictionarium auf der Moskauer typographischen Bibliothek, dessen Ausgabe
er in Gemeinschaft mit Fortunatov verheisst, s. v. marzn§ \ cornjetasco, conu-
resco thatsächlich steht szulu, suszalu.' Ferner sind' sicher litauische Neubil-
dung Fälle wie lempü (neben lepas), rentü (neben retas).
Eine schöne und überzeugende Deutung finden S. 97 ff. die Fälle, wo
Uebertritt der Verba mit n-Infix in die io- und in die io-Klasse erfolgt ist;
diese Erscheinungen sind nicht gleichartig, sondern beruhen auf verschiede-
nen Gründen. Das Suffix -sta finden wir vor allem im Le., weil hier durch die
lautlichen Wandlungen, die die Verbindungen Vok. + Nas. vor Konsonant
erfuhren, der Nasal schwand: einem litbiindtc büsti müsste hier ein *büdu bust
entsprechen. Thatsächlich finden wir aber ein büstu bust, d. h. das Suffix -sta
ist hier angetreten, um die inchoative Bedeutung festzuhalten, die sich vor-
dem mit dem Nasalinfix verband, und nach Verlust des Nasals nicht mehr
deutlich genug formell ausgedrückt war. Ganz ähnlich sind die lit, Fälle
jünksiu, sünkstu, sklißtic, linksiü aufzufassen, deren Vorbild Brugmann(Grund-
riss II, 1004) in Präsentien wie bllsta »es dunkelt« neben blindo W. bhlendli-
sehen will, was P. ablehnt. Vielmehr liegt die Sache hier so, dass dies Verba
sind, in denen in der lit.-le. Epoche der Nasal über das Präsens hinaus durch-
geführt wurde (wofür Beispiele aus anderen Sprachzweigen Brugmann,Grun'i-
riss II, 994). Dadurch musste sich natürlich die inchoative Bedeutung dieser
Porzezinskij, Conjugation in den balt. Sprachen, angez. von Berneker. 491
Präsentia verdunkeln und es trat, um die Öiichtige formell festzuhalten, this
Suffix -sta an.
Ganz anders der YaW Jutujiu «spanne ins Joch«; hier war die Durch-
führung des Nasals schon vorbaltisch wie Vdt.jungo.Junxi zeigt, infolgedessen
hatte das Präsens dieses Verbums schon im Urbaltischen nicht mehr inchoative
Bedeutung, sondern drückt einfach die Handlung aus; deswegen konnte es
in die /o-Klasse überführt werden, die vorwiegend diese Bedeutung der ein-
fachen Handlung zeigt gegenüber der durch Infix uder -ata bezeichneten in-
choativen Bedeutung.
Zu diesen letzteren wendet sich nun P. auf S. 99 ff. Die Stämme auf
-sta-, -tzta-, le. -sta- sind nur aus dem Lit. und Le., nicht aus dem Preuss. be-
zeugt. In der Erklärung dieses Suffixes geht er mit Schleicher, Brugmann,
üljanov gegen Bezzenberger und Wiedemann, d. h. auch er nimmt an, dass
das ite-Suffix eng mit dem ^a-Suffix zusamracngehürt, aus diesem entstanden
ist zunächst bei den Stämmen mit t, d, s im Wurzelauslaut und dann in der
Form -sta- auch auf andere Verba übertragen worden ist ; ebenso sei -szta-
aufgekommen zunächst bei den Wurzeln auf sz und £ und dann verallgemei-
nert. Doch auch sonst ist -szt- lautlicher Entstehung, nämlich in der Verbin-
dung -kszta-, die durch Umstellung aus -szkta- entstanden ist, z.B. in tyksztu,
trökszfu aus *t>/szktti, *tioizktii wie die Prät. tiszkaü, tröszkau erweisen ;die
gleiche Umstellung auch im Inf. tlkszti, trökszti); so auch -sta- in hl'igstu,
tvi/kstu Prät. bDzgau, tvyslejau).
Es folgt die Besprechung der Suffixe -na- [no\c] und -da- doe und dho\e] ;
endlich S. 110 das Suffix -skoe und -sqo'e-. Hier erregt namentlich das -szk-
in lit. j'iszkau, le. eskät (slav. iskati, ai. icchati, ahd. eiscön) Aufmerksamkeit,
das Brugmann aus dem Germ, entlehnt sein lassen möchte, ebenso wie das
slav. iskati: es handelt sich hier um die Frage, wie im Lit. und Slav. sk ver-
treten ist. Brugmann nimmt die Vertretung lit.ss, sl. s als die lautgesetzliche
an. P. hält alle Beispiele nicht für beweisend, da in lit. szütiju, sl. sujq : ahd.
sciujU, in lit. szöku : got. skeicjan, av. sacäHe die bekannte Erscheinung der
Wurzelvarianten ohne s vorliegen könnte; ebenso in abg. scnb »Schatten«: :
ai. chüyü, und da endlich in triszii auch das idg. Suffix ke\o argenommen wer-
den könnte. Das wichtigste und sicherste Beispiel, nämlich &\.pasq : lat.;j«seö,
ist ihm aber entgangen. Diese beiden Wörter wird man doch nur sehr ungern
auseinanderreissen wollen. Deswegen meine ich, wird man doch annehmen
müssen, dass sk im Lit. durch sz, le. *•, sl. s vertreten ist. Die Entlehnung
von Jeszkoti, sl. iskati erscheint mir aber trotzdem unwahrscheinlich, weil ahd.
eiscön nur »fragen« bedeutet, Wt.jtszkoti, sl. iskati aber nur »suchen« \im Balt.
wie im Slav. hat sich daraus oft sogar die prägnante Bedeutung »suchen =
Läuse suchen, lausen« entwickelt, so le. eskdt »lausen«, klr. skati aus iskati
»lausen«). Ausserdem müsste man die Entlehnung schon urslavisch aus dem
ürgerm. ansetzen: dann forderte man aber ein *eskati ü.\\% *aiskön, da in allen
sicheren Fällen nur e der Vetreter vonot im Anlaut ist und nicht *'; im »ein«
geht auf *6«c. zurück wie jed-htio neben jedim, wo die absolut anlautende
Form im wieder eingesetzt ist, deutlich zeigt; *h)to ist die Tiefstufe *inos zu
\^g.*oinos. So möchte ich, was auch P. meint, injeszkoti, iskati die Nebeu-
492 Kritischer Anzeiger.
form -sqo- zu -sko- suchen; zur Erklärung des sz vgl. Pederaen IF. 5, 80. Ein
doppeltes idg. s, von denen das eine im Slav. (ausser vor Kons.) immer cA, im
Lit. sz ergab, das andere im Lit. s blieb und im Slav. zu ch wurde nur nach »,
u und den i und u enthaltenden Diphthongen, vermag ich aus denselben
Gründen nicht anzuerkennen, wie Pedersen a. a. 0. 87.
Wir kommen nunmehr auf S. 112 flf. zu der eingehenden Besprechung
der JaV^'Verba. P. hält es für nöthig, hier streng zwischen JaV" und ^a'/" zu
scheiden. Dies3S letztere hatte im Idg. neben sich die Tiefstufe -i-, während
ersteres eine solche nicht haben konnte, weil es nur in der Verbindung mit
hochstufigen Wurzeln gebraucht wurde, wo der Ton auf der Wurzel lag. Für
diese Auffassung vermisse ich jeden Beweis, zumal P. selbst zugeben muss,
dass schon in der idg. Ursprache »zur Zeit ihres Zerfalls« die ursprüngliche
Vertheilung verwischt worden sein muss; von der Unmöglichkeit, im Inlaut
i von J zu scheiden, weiter unten. So ist P. natürlich genöthigt, eine Erklä-
rung für die Fälle zu geben, in denen nicht abstufendes -ja- im Lit. (d. h. sein
idg. jo im Gegensatz zvxio] bei tiefstufiger Wurzel erscheint: szvilpiu, giriü,
buriü u. s. w. (S. 115/116), die mir nicht einleuchtet.
Im Folgenden bespricht der Verf dann noch einige Einzelheiten, z. B.
die ya-Verba, in denen im Präs. e, in den andern Formen e erscheint: lekiü
Ukiaü lekti, kvepiü kvepiaü kvipti. Er nimmt an, dass hier altes e, das mit ö
und a ablautet, vorliegt. Das e des Präs. muss eine Neubildung sein. Von
Haus aus kann e nicht im Präs. berechtigt gewesen sein, denn dann wäre keia
Grund einzusehen, warum ea daraus — angesichts plekiu, plekiau, edu, edzau —
verdrängt sein sollte, e ist vielmehr an die Stelle von a (= idg. &) getreten,
weil der Ablaut a : e sonst keine Analogien hatte (vgl. auch Wiedemann, Lit.
Prät. 130). Nicht alle j/b-Verba natürlich sind aus dem Idg. überkommen :
Neubildungen liegen vor z. B. auf Kosten der na-Verba in lit. leju neben dial.
lenu, \e.auju neben aunu, szauju neben szaunu; ferner in den oben besproche-
nen Fällen -wiejungiu, endlich in lit. Uidzu, Leidau, leisti, wo das Prät. Uidau
auf ein ursprüngliches a-Verbum weist und etliche andere Fälle. Beachtung
verdient, dass nach den Beobachtungen von Jaunis der i^emaitische Dialekt
des Kreises Rossieny diekonsonantischen^a-Stämme überhaupt (bis auf ganz
geringe Reste) aufgegeben hat: es heisst hier vertu, verü, vert, vertatn, vertat;
ausgegangen ist diese Neubildung von der 2. Pers. Sg. vertl (zu verczu).
Aufs. 124 geht dann P. zu der Betrachtung der Präsensstämme über,
denen ein abgeleiteter Infinitivstamm zur Seite steht; und zwar zunächst der
Verba mit -jm, -i- im Präsens und e im Infinitiv: mijliu — tnyleti. Das i in
mylime u. s.w. fasst P. als Tiefstufe auf. Die Bemerkung: »In den baltischen
Sprachen finden wir bei den betrachteten Stämmen nicht die Neubildung, die
in den Nominalstämmen vom Typus \\t.gaidj)s erscheint und in den slav. Prä-
sensstämmen auf asl. ij gemeinsl.7, das aus Kontraktion von vi entstanden ist,
wobei das erste i hier nach Analogie der Formen von den Stämmen einge-
drungen ist, wo schon in der idg. Ursprache die Verbindung existirte
»^'-j- Langer Vokal« aus Kontraktion von a" in der Endung des Stammes-
suffixes mit a°, das in den Bestand der Personal- oder Kasusendung trat« ist
mir in ihrem zweiten Theil völlig dunkel geblieben. Ich vermisse bei der Be-
Porzezinskij, Conjugation in den balt. Sprachen, angez. von Berneker. 493
Handlung dieser Verba ganz ein Eingi'hen auf das VerhUltniss des Präsens-
zum Infinitivstamm; der Verf. hätte wohl auf die Ansicht eingehen sollen,
die in diesen Verben Stämme auf ei sieht, zu dem i (i) die Schwundstufe ist
(wogegen jetzt Bezzenberger BB. 26, 172 aufgetreten istV
Nach Erörterung einiger Einzelheiten, der Neubildungen im Le. und
Preuss., der Entstehung der Verba mit starkstufiger Wurzel S. 126/27), der
Verba, die eine «Handlung« und nicht einen »Zustand« bedeuten (wie />er(M
regiü), wobei sich der Verf. im allgemeinen Uljanov, Znacenije I, 35 an-
schliesst, bespricht er die Verba mit -a- im Präsensstamm und -c- im Infinitiv
wie kiibii, kabefi; und lit. ntunü neben jitiirti : niureti. Die ersteren, eine Neu-
bildung der baltischen Sprache, kamen hauptsächlich auf an Seite von Stäm-
men, die den inchoativen Zustand bedeuten, und bezeichnen alsdann den
nichtinchoativen Zustand: so Tiabii Aabefi »hangen« neben Aimbü »hängen
bleiben«. »Die verwandten Sprachen kennen diese Bildung nicht«. Ich
möchte hier aber doch auf einen Rost ira Slavischen aufmerksam machen.
Hier weist nämlich die eigentbümliche Participialbildung gorqt — (aksl. go-
rqste Zogr. Mar. Luc. 12, 35; gorqsff. Supr. 9, 29; gorqstimi Psalt. 119. 4, vgl.
Leskien, Handbuch 149, Vondräk, Aksl. Gr. 241) zu gorHi »brennen«, die auch
im c. horouci und p. gorqcy — im Kuss. dürfte ropio^iii eine Mischbildung von
*ropyqiii und ropHiiii darstellen — vorliegt, auf die Existenz eines Präsens-
stammes ohne -J-, bietet also im Rest ein Gegenstück zu den besprochenen
baltischen Verba.
Es folgen die Verba mit dem Suffix -ina-, wie WtJdikinu, tukinü, gaminü
u. s. w. Betreffs ihrer Entstehung schliesst sich P. der Ansicht Osthoff's,
Brugmann's und Fortunatov's an, betrachtet sie also als eine aus der idg.
Grundsprache überkommene Bildung, zu vergleichen mit den gr. Verben auf
-uvio und den armen. ?i\xi-anem. Ihre Grundbedeutung war die des »Zustandes«
und die faktitive; die iterative ist unursprünglich und kam erst auf unter
Einfluss der Verba auf -inü-, •t7ie-, die diese ihrerseits wieder von den Stäm-
men auf -ä-, -e- erhielten. Diese Ansicht ist an sich nicht unwahrscheinlich,
aber doch auch nicht strikt zu erweisen.
Nun kommen S. 132 die ihrer Entstehung nach abgeleiteten Stämme
mit den Suffixen ä", ö, «", 1, au an die Reihe. Zwei Ansichten stehen sich hier
gegenüber: die einen nehmen bei ihnen athematische Flexion für das Präsens
im Idg. an, die andern halten dieses nicht für richtig und setzen die thema-
tische Flexion an. P. ist der Ansicht, dass alle Fakta der Einzelsprachen
sich vortrefflich bei der zweiten Ansicht erklären, und dass die Fakta der
baltischen Sprachen nur bei der zweiten deutbar sind. Diese zweite An-
sicht, die Fortunatov's und Porzezinskij's, erfordert aber die Annahme eines
idg. y neben j auch im Inlaut; y blieb im Balt.-Slav. intervokalisch, während
% in dieser Stellung schwand; d. h. also z. B. laikaü ist aus *laikä-i-ö zu er-
klären, während etwa inazgnju auf *mazgü-J-ö zurückgeht. P. meint, wie die
meisten Indogermanisten im Anlaut ein idg. j vom idg. i scheiden, so müsste
man es auch im Inlaut thun; »freilich sprechen die Fakta im Anlaut auch
allzu laut dafür«. Ich kann selbst aus den Anlautsverhältnissen für ein von i
geschiedenes j nur sehr schüchterne Stimmen heraushören. Im Ai. steht zwar
494 Kritischer Anzeiger.
yastäs, gr. feffroi- neben iküs zu yäjati, gr. aCexai, aber das reduplicirte yesati,
av. yaehjehi ruft ans ein deutliches memento zu (vgl. Brugmann, Grundr. I,
794), so dass eigentlich selbst für den Anlaut das Griech. ganz allein übrig
bleibt, und schon mehren sich die Stimmen derer, die in dem gr. f eine speciell
griechische Erscheinung sehen wollen, zum mindesten aber keinen voUgiltigen
Zeugen für idg./ (Pedersen KZ. 36, 103 ff., Hirt, Handbuch der gr. Laut- und
Formenlehre, 151). Für die Unterscheidung von / undj im Inlaut beruft sich
P. auf den Aufsatz von Th.E. Korsch: »HicKo.jtKo saMiiaHiö kt. rpeiecKOÖ
^oiicTUKi EpyrMana« im C6. XapKoucKcaro iict.-i>uji. oöm. 3a 1895 r. und auf die
nur zum Theil veröffentlichten Ansichten Fortunatov's. Ich meinerseits habe
den Eindruck, dass es selbst dem Scharfsinn Korseh's nicht gelungen ist, die
Scheidung eines idg.y von i im Inlaut aus dem Griechischen zu erweisen.
Er leitet ^wiQiSog aus *Iqi-j-o5 her (was beiläufig schon Curtius, Grundzüge^
640 gethan hat), während man in diesem Wort doch nichts anderes als einen
tf-Stamm suchen darf, und was die Differenz xrciQw, fuoloa einerseits und Jon.
att. xTduü), q)d-eio(!} lesb. -/.lifvoi, cpO^ioooi andererseits anbetrifft, so verweise
ich auf die Darlegungen in den griechischen Grammatiken von G. Meyer,
Brugmann und Hirt. Das Griechische gibt keinen Anhalt für die erstrebte
Scheidung, für die also nur das Baltische und das Slavische allein übrig
bleiben. Und hier ist doch sehr auffällig, dass diese Sprachen, die j und i im
Inlaut so streng scheiden sollen, im Anlaut diesen Unterschied so ganz ver-
wischt haben: es heissty«s2M, po-jas'b : gr. Cf^airiq und Jimgas, igo : gr. Cvyov
genau so wie Ja, Jdni, Jame, s].Jego,jemu,jemb : gr. o;. Aus dem Slav. werden
für idg. i namentlich angaführt die Fälle wie abg. byvaasi, s^hiraat^, razumeaH
neben byvajesi, s^hirajet^, razumejeH. Ja, soll man denn wirklich annehmen,
dass bei diesen Verben noch im Altbulgarischen die Formation mit idg. t
neben der mit idg.j herlief? Sind denn wirklich die Fälle wie i>%hiraaU sicher
urslavisch? Die weitaus grössere Wahrscheinlichkeit ist doch wohl, dass
s^hlraati, auf abg. Boden aus szhirajei^ entstanden ist, ebenso wie der gleiche
Vorgang sich im Laufe der Geschichte in mehr oder weniger grosser
Ausdehnung auf einzelsprachlichem Boden abspielt: so in grr. Dialekten
z. B. im Bezirk Kasimov (Gouv. Rjazan) aÖMipaiu'B, CKynä, paööiyTi., TpcöyT-B
aus gemeinr. grr. oÖMipaeiuB, cKy^äext, paööraiOTi., TpioyioTX (Budde, Kt> ^ia-
jieKTOjroriH BejuKopyccKHxt Hapiiiii, Bapuiaca 1892, 125) und in den klr. Berg-
dialekten; cniBaiuB, cniBaTt, cniBaMe aus gemeinklr. cniBaeuiL, cniBa6(T'i.),
cnieaeMO u. s.w. Die gleiche Erscheinung findet sich auch, wie bekannt, im
aksl. bestimmten Adjektivum dohraago neben äohrajegn, dobruumu neben
dobrujemu u. s.w. Iin Baltischen aber fehlt in diesen Formen nie dasj, es heisst
immer lit. büHoJo, geraijai u. s. w., so dass man also annehmen müsste, dass
das Slav. hier die i-Formen, das Balt. die /-Formen überkommen habe.
Aus allen diesen Gründen kann ich nicht zugeben, dass die Anhänger
der Hypothese von der verschiedenen Behandlung des idg. i und / im Inlaut
diese ihre Ansicht wahrscheinlich gemacht, geschweige denn bewiesen haben;
und ehe dies nicht mit ausführlicher und überzeugender Begründung ge-
schehen ist, kann ich die lit. Formen wie laikaü, sitkau, ariaü nur auf *laikä-u,
*sukä-u, *are-u, nicht aber nui *laikäiu, *sukäi>i, *arcj^u zurückführen. Was die
PorzczlnskiJ, Conjugation in den balt. Sprachen, angez. von Berneker. 495
geschleifte Betonung des o und e von läiko, sitho, an' betrifft, so erklärt sie
sich ebenso befriedigend aus dem Ansatz eines *laikä-a, *sulü-a, *are-a wie
aus dem eines *laikä-xa, sukä-^a, *are-ia.
Gehen wir nun auf P.'s weitere Darlegungen ein, S. 136 fF. Die Stämme
auf ä" zerfallen in zwei Klassen : die eine hat im Inf. ä", die andere l [züiaü,
zinöti — sakaü, saki'/ti]. Beide unterscheiden sich auch der Bedeutung nach ;
erstere hat im Lit. »intensiv-durative« Bedeutung, während im Le. die Verba
auf-2< : -dt als iterative und denominative erscheinen; die zweite tritt theils
in iterativer, theils in kausativer Bedeutung auf. Die Yerba mit intensiv-
durativer Bedeutung erscheinen P. als eine Neubildung des Lit., da wir weder
im Le. noch im Preuss. diese Stämme finden; auf eine Neubildung weise auch
die Längung des Wurzelvokals in diesen Bildungen: kyhau neben k'ihti, rymati
neben rimti, Ihiduu neben /?s<i. Und zwar sei diese Neubildung so entstanden :
>als die Stämme auf -ä"a in der Form der Vergangenheit die alten Bildungen
dieser Form bei einem Theil der nichtabgeleiteten Stämme verdrängten, und
als im Gemeinbaltischen die völlige Vermischung der Personalendungen des
Präsens und des Präteritums vor sich ging, da konnten natürlich die Stämme
auf ä°a sich nicht länger in der Eigenschaft von Präsensstämmen halten, mit
Ausnahme der Fälle, wo ein solcher Stamm nicht als Präteritum zu einem
unabgeleiteten Verbum gebraucht wurde (hierher gehört z. B. balt. *zinä-,
lit. zino-, \e. /inä-, pr. zinä-]. Was geschah nun mit den übrigen Stämmen?
Sie erhielten sich mit einer gewissen Neubildung in der Lautgestalt der
Wurzel, sie empfingen nämlich »fortdauernde« Länge anstatt alter »nicht-
dauernder« oder alter Kürze (lindau neben lindaü, Prät. zu letidu, und kybau
neben kibaü). Sie blieben erhalten schon aus dem Grunde, weil die Stammes-
form an sich die besondere Bedeutung der Daner hineintrug«.
Ich kann dieser Erklärung deswegen nicht beistimmen, weil ich Neu-
bildung bei diesen Verben im Litauischen nicht zugeben kann. Das Bildungs-
princip dieser »intensiv-durativen« Verba deckt sich vielmehr so auffällig
mit dem der slavischen Iterativa, wie dies Joh. von Rozwadowski, IF. 4, 405,
scharfsinnig ausgeführt hat, noch dazu unter Heranziehung von Parallelen
aus anderen idg. Sprachen, dass man diese Fakta nicht auseinanderreissen
darf und die Bildungen wie kyba>i, kijboti bei diesem Licht betrachtet viel-
mehr einen sehr alten Eindruck machen. P. geht auf Rozwadowski's Aufsatz
nicht ein, so dass nicht ersichtlich wird, was er dagegen einzuwenden hat.
Wir kommen nun zu den Verben auf -a!<, -yti: badaü, badf/ti »mehrfach
stechen«; daraü, daryti »thun«; ganaü, ganyti »hüten, weiden« — mit iterativer
Bedeutung; und maiszaü, maiszyli »mischen«, guldaü, guldyti »Viegeu machen«
mit faktitiver und kausativer Bedeutung.
Wie sind diese Stämme auf u' — l zu erklären? Leskien fasst sie in
seinem Ablaut 442 ff. als denominative auf; P. leugnet dies nicht für gewisse
Fälle, doch sei so die ganze Masse nicht zu begreifen. Er schliesst sich viel-
mehr im Wesentlichen der Ansicht Uljanov's (Bna^cHie II, 236ff.) an, der diese
Verba von idg. Iterativstämmen auf ä"/ : t herleitet. (Hier hätte auch wohl
Joh. Schmidt, Festgruss an Roth, 184, eine Erwähnung verdient). Uljanov's
Ansicht ist in Kürze folgende: er nimmt nach Bartholomae für die idg. Ur-
496 Kritischer Anzeiger.
spräche einen Ablaut der Affixe ä"j, ä''i, l und ebenso ü''i, u'i, i bei den itera-
tiven Stämmen an. Weil nun die alten Kausativa vermittels des Affixes
ä^ja^je gebildet wurden, trat eine gewisse Vermischung beider Klassen ein,
die dazu führte, dass Kausativa mit solchen Affixen aufkamen, die ursprüng-
lich nur Iterativstämmen gebührten. »Indess auch bei den Stämmen mit den
Affixen ü"i : a^i : i waren zwei Klassen zu unterscheiden : Stämme mit itera-
tiver Bedeutung und Stämme ohne solche. Der formale Unterschied zwischen
diesen beiden Stämmen bestand darin, dass die iterativen die hochstufige
Verbalwurzel zeigen. Die Stämme mit Tiefstufe erscheinen in den Formen
des baltischen Präteritums, die Stämme mit Hochstufe existiren fort in den
iterativen und kausativen Stämmen der baltischen Sprachen. Dieser Theil
der Hypothese Uljanov's gründet sich auf die Vergleiehung der Fakta des
Balt. und Slav. mit denen des Griech., wie die Stämme noxü-, nunä-, 'Arjxtt- . . .
Weiter spricht er folgenden Gedanken aus: in der balt.-slav. Sprachgemein-
schaft verloren die Kausativa ihre Bildung mit dem Affix a^'ja"le und ersetzten
es durch die Affixe, die die iterativen Stämme bildeten; alsdann erfolgte eine
gewisse regelrechte Vertheilung der verschiedenen Affixe, anstatt ihres alten
Wechsels, woher im Resultat die balt. Präsensstämme auf -« und die Prä-
teritalstämme auf -e-«.
P. steht principiell auf dem Boden der Uljanov'schen Theorie, von der
er nur in Einzelheiten abweicht; ich lasse seine Ausführungen hier folgen :
»Erstens, was Bartholomae's Hypothese anbetrifft, so nehme ich unter Zu-
stimmung zu seiner Erklärung des Wechsels der Affixe ü"i : ii'^i : l und
ä^i : iiH : i an, dass wir zwei Affixe scheiden müssen, und zwar die Diphthonge
«"i und ä'^i in voller Lautgestalt und die langen Vokale ä" und ü'^ . . . Wenn
wir beachten, dass die baltischen Affixe ä" und e, da, wo sie nicht ans Kon-
traktion zweier Vokale entstanden sind, auf idg. »fortdauernde« Länge
weisen, und dass die gleiche Längenqualität auch in den Affixen ä" und ä*
bei den fem. Nomina existirte, so gewinnt der Gedanke an die Identität dieser
Affixe bei den Nomina und den Verba in unseren Augen um so grössere
Wahrscheinlichlceit. Weiter, scheint mir, sind die Linguisten völlig im Recht,
die für die idg. Ursprache einen Wechsel der Suffixe ä und ät bei den Nomina
annehmen. Die Beziehung zwischen äi und ä stelle ich mir so vor, dass ä eine
Lautvariante des Diphthonges äi ist, und zwar verloren Diphthonge mit
langem Nasal- (sie! hocoboö vÄSLcnoii, soll aber wohl czioroBofi, d.h. »sylbischen«
heissen) Vokal unter gewissen, für uns nicht ganz klaren Bedingungen in der
Stellung vor Konsonant in der idg. Ursprache ihren unsylbischen Bestand-
theil; so kam neben dem Diphthong äi im Präsensstamm in der Stellung vor
«thematischem« Vokal a"/e im Infinitivstamm (und in etlichen anderen For-
men] in starker Lautgestalt ä auf. Was den Präsensstamm betrifft, so existirte
hier im Stammauslaut eben der alte Diphthong äi, der vor Vokal a"/^ in die
Gruppe ä + j, überging, welch letzteres zur Folgesilbe gezogen wurde, d. h.
mit anderen Worten, es existirte hier die Lautgruppe äia'^f. Die Wurzel
zeigte begreiflicher Weise Tiefstufe. So stelle ich mir die Frage nach den
idg. Stämmen des betrachteten Typus vor, die nicht die Bedeutung der
Iterativität hatten. Was die zweite Klasse der betrachteten Stämme angeht,
Porzezinskij, Conjugation in den balt. Sprachen, augez. von Berneker. 497
nämlich die Stämme mit hochstufiger Wurzel und iterativer Bedeutung, so
sehe ich darin eine bestimmte Neubildung schon der idg. Grundsprache, die
hier durch Vermischung der Stämme mit bochstufigerWurzel und tiefstufiger
Gestalt des Suffixes (d. h. t) und der Stämme mit tiefstufiger Wurzel und
hochstufiger Suffixgestalt (d. h. äi und ä] entstand. Alsdann empfingen diese
Neubildungen eine besondere Bedeutung und trennten sich schliesslich von
den Stämmen des ersten Typus, die überall die Tiefstufengestalt durchgeführt
hatten. So bleibt noch übrig zu erklären, warum bei den betrachteten Stäm-
men wir in der hochstufigen Gestalt den Vokal a" der Reihe a*" : o", und theils
auch die sogenannte Dehnstufe finden. Die Antwort auf diese Frage kann
ich einstweilen nicht geben, da für mich überhaupt die Bedingungen für die
Entstehung des Ablautes a° : a" sowie auch der Dehnstufe vorläufig unklar
sind. — Nun bleibt mir noch übrig zu sagen, wie ich mir die Entstehung der
kausativen Stämme des betrachteten Typus in den baltischen Sprachen vor-
stelle. Die Meinung Uljanov's kann ich in ihrem Ganzen nicht annehmen, da
mir die Möglichkeit einer Vermischung der beiden Stammestypen, wobei die
Aehnlichkeit der Suffixe a''ia°/'^ und ä'ja"/'' (alte Kausative) die vermittelnde
Rolle spielte, wenig wahrscheinlich vorkommt. Mir scheint, die Sache ging
so vor sich: das Bindeglied, welches die Vermischung der iterativen und der
alten kausativen Stämme hervorrief, und sodann die völlige Verdrängung der
letzteren in der gemeinbaltischen Sprache, war die Aehnlichkeit in der Be-
ziehung, dass die eine wie die andere Klasse der Stämme als tiefstufige Laut-
gestalt des Suffixes den Vokal i besass (kurz und lang bei den Kausativen).
Dadurch erklärt sich auch die Beziehung der Kausativa zu den Bildungen
auf -t/Jii, vgl. Grdr. II, 1143 ff.<..
Ich habe geglaubt, die Ausführungen P.'s über die Verba -au : -yti ver-
botenus geben zu müssen, da sie schon an sich so knapp gehalten sind, dasa
sie einen Auszug nicht mehr vertragen hätten. Ich muss gestehen, dass mir,
wohl infolge dieser Knappheit, in der dargelegten Entwickelung vieles nicht
klar geworden ist. Vor allem vermisse ich jegliches Eingehen auf die. sla-
vischen Verhältnisse. Es ist doch unmöglich, die Geschichte eines lit. vartaü,
carti'/ti, le. tcar'tit von der des slav. vrastq, vratiti zu trennen I
Sodann ist es P. entgangen, dass im Altlitauischen (und noch heute in
ostlitauischen Dialekten) bei den Verben auf -au, -ijti eine Flexion vorkommt,
die mit der slav../o-Flexion der entsprechenden Verba zu vergleichen ist (er
kommt nur im Vorübergehen an anderer Stelle, S. 121, mit sehr unwahr-
scheinlicher Erklärung darauf zu sprechen). Beispiele bei Uljanov (SuaieHie
I. 57): bei Szyrwid pudziu üir püdau, zudzia für zudaü, ziido; giesiu für gesaü,
rndziu für rödau u.a.m. Zubaty, der mich in gewohnter Güte darauf hinweist,
hat noch weit mehr Material ; hoffentlich enthält er es uns nicht lange Vor.
Diese Erscheinung ist doch kaum anders zu deuten, als dass hier im älteren
Litauischen noch eine der alten idg. Iterativ-Kausativflexion auf -4j,ö wenig-
stens relativ genauer entsprechende Konjugationsart vorliegt, rodzu, r6dyti =
sl. razdq, raditi, wofür heute rödau, rödyti erscheint.
So möchte ich doch stark daran zweifeln, dass der Typus -au, -yti ein
Erbstück aus dem Idg. darstellt. Man vergleiche le. bradät hin und her wa-
Archiv für slavische Philologie. XXV. 32
498 Kritischer Anzeiger.
tan : sl. hroditi; wadät liin und her führen : sl. voditi, icafät schleppen : sl. vo-
ziii^ nesiit hin und her tragen : sl. nositi einerseits, und le. dirdt schinden : sl.
diraii, tekät »laufen, fliessen« : sl. tckati andererseits. Und wenn nun einem
slav. metati in gleicher Bedeutung im Le. metät, im Lit. aber mütau, metyti
entspricht, soll man dann wirklich nicht auf den Gedanken kommen, dass wir
in der Flexion von metau, metyti eine Verschmelzung der ä- und der ?-For-
mation erst auf baltischem Boden vor uns haben ? Ich kann diese Vermuthung
im Rahmen dieser Recension leider nicht so ausbauen, dass sie überzeugende
Kraft ererhält; natürlich müssten alle Kausativ- und Iterativbildungen und
-flexionen der idg. Sprachen dazu herangezogen werden (wichtig scheinen mir
namentlich die gr. Verba vwfxäw, Tgionono, to^xcoo, ncoTccof^ai, Hirt, Gr.
Gr. 387). Jedenfalls muss ich nochmals betonen, dass mich die Ausführungen
P.'s zur Erklärung der «w-y- Verba aus idg. Stämmen auf äi : l nicht über-
zeugt haben.
Im Folgenden bespricht P. (S. 142) die Verba auf äja, 5Ja, ej'a, ija, auj'a
u. a., in denen er, wie oben auseinandergesetzt, Bildungen mit idg. j sucht.
Bei den Verben auf -äja (wie päsakoju'} bemerkt er, dass nicht alle diese Bil-
dungen denominativ seien. »Was die Bedeutung der Iterativität betrifft, so
berühren sich diese Bildungen (wie z. B. lit. globoti fortgesetzt umarmen) mit
den behandelten Stämmen auf äa : j, und, mir scheint, sie stehen mit ihnen
auch ihrer Herkunft nach in Verbindung, und zwar sehe ich in ihnen Stämme
auf idg. ä'l^'a°r, welches eine Lautvariante zu idg. rfiaPj'' darstellt, d. h. ich
glaube, dass idg.j hier aus i unter gewissen phonetischen Bedingungen ent-
standen ist, und nach meiner Meinung besteht überhaupt ein unleugbarer
Zusammenhang in der Entstehung dieser Laute in gewissen Fällen«. Ja,
wenn das so ist, dann verlieren, wir doch, scheint mir, vollends allen Boden
unter den Füssen bei der Unterscheidung von idg.y und i im Inlaut! Da ist
es doch wirklich einleuchtender, in den Verben auf -au von Haus aus athe-
matische, und in den Verben wie glohöju von Haus aus -^o-Flexion anzuneh-
men, wie es bisher ein grosser Theil der Sprachforscher gethan hat, derart,
dass, ursprünglich promiscue gebraucht, hier die eine, dort die andere durch-
geführt worden ist.
Auch bei den Verben auf -m/m, -üti und -eju, -Hi erschwert die Annahme
eines Suffixes -jo- neben -io- die Verständigung mit F. ; einleuchtend dagegen
ist, was S. 147 ff. über die Verba auf -ineti, -inöti, le. -inät gelehrt wird;
ebenso über die Verba auf -ya (da nach i nach Fortunatov's und P.'s Ansicht
i überhaupt zuj werden musste) ; bei den Verben auf -auju stimmt er im All-
gemeinen Brugmann (Grdr. II, 1133) zu.
Die Verba auf -tereti, -teleti sind jetzt durch Leskien's Abhandlung
»Schallnachahmungen und Schallverba im Litauischen«, IF. 13, 165, in ein
neues Licht gerückt.
Eine kurze Uebersicht über die athematischen Verba im Baltischen
S. 156 — 159) beschliesst den langen ersten Theil des dritten Kapitels.
Der zweite Theil bringt eine kurze Rekapitulation über die im Wesent-
lichen schon bei den Personalendungen abgehandelte Bildung des Futurums.
Der dritte Abtheil bringt auf drei Seiten etwas summarisch die Bildung der
Porzezinskij, Conjiigation in den balt. Sprachen, angcz. von Beineker. 499
Präteritalstämme, über die man trotz Wiedemanns trefflicher Monographie
gern noch mehr hören würde.
Wichtig ist hier die Ansicht Fortunatov'a von der ursprünglichen Ver-
theilung der Suffixe r und ri" im Präteritum der Stämme mit dem Präsens-
suffix «7": starkstufige Wurzel hat <", tiefstufige ä"; und zwar ist diese Ver-
theilung schon urbaltischslavisch. Xg].\\t.nesze, vedc, käsr mit ahg. nese-achz,
vede-acho, moza-acho, und lit. lipo, hüvo mit abg. zbda-acho. susa-acho.
Der vierte Theil. die Bildung der Modusstämme, verheisst die Behand-
lung des lit.-le. Optativ-Kouditionals in der Fortsetzung des Werkes, wo über
die Herkunft der zusammengesetzten Stämme im Baltischen gehandelt wer-
den wird.
Und so stehen wir am Ende unserer Wanderung durch das Gebiet des
baltischen Verbalbaues unter Porzezinskij's sachkundiger Führung. Wenn
es uns auch manchmal scheinen will, als hätte er uns hier einen Irrweg, dort
nicht den geradesten Weg geführt, im Ganzen können wir doch sagen, wir
sind weitergekommen, als wir am Anfang waren, und das bedeutet auf diesem
schwierigen Gelände nicht wenig. Ich scheide von dem Buche meines lieben
Freundes mit dem Wunsche, er möge uns bald den zweiten Theil, den er in
der Vorrede in Aussicht stellt, schenken!
Smichow bei Prag, December 1902. E. Bemeker.
Zusatz zu S. 4S2.
Mikkola kommt jetzt in einem Aufsatz »Baltisches und Slavisches«
(Finska Vetenskaps-Societetens Förhandlingar XLV. 1902 — 3. Nr. 4) zu dem
Ergebniss: »So finden wir überhaupt kein sicheres Beispiel von den vermeint-
lichen Neutra auf -n» im Preussischen«. Und zwar hält er lahhan im Enchiri-
dion für ein Instrumentaladverbium, die Nom. Sg. auf -an im Elbinger Voca-
bular für Accusative Sg. msc. oder fem. und die Diminutiva von Thiernamen
auf -ian für Entlehnungen aus dem Ostseewer.dischen. Gern will ich ihm zu-
geben, dass unter den Formen auf -an im Vocabular auch Accusativformen
vorliegen. Doch darf man nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten.
Es wäre doch höchst sonderbar, wenn wir nur zufällig in der überwiegenden
Mehrzahl von Fällen, wo wir in üebereinstimmung mit anderen Sprachen das
Neutrum erwarten, die -a«- Formen fänden. So zu den oben gegebenen Bei-
spielen Voc. 295 kelan »Rad« (und 321 malunakelan (sollte das Zufall sein!)
»Mühlrad« : an. huel n. ; 288 pamiean »Moosbruch« (i. e. paniaii] : got. fani n.
Koth; 384 piicatnaltan »Malz« : p. 7nMo; weiter das idg. Suffix -tlom in 150
spertlan »Zehballe«, 547 piicdan »Sichel«. 687 «fat/a« »Milch« entspricht ai.
dädkin., 695 »Kobilmileh« wird durch das darauf bezügliche Neutrum des
Adj. aswinan gegeben. Und was sollen endlich die Farbenbezeichnungen
460 — 68 kirsnan, syican, golimhan, wormyan, gelati/nan, cucan, maysotan, roahan,
saligan anderes sein als Neutra? Ich muss daher nach wie vor an der Ansicht
festhalten, dass das Preussische des Elbinger Vocabulars noch Neutra auf -an
besessen hat.
Mai 1903. E. B.
500
Kleine Mittheilungen.
Wilhelm Wollner f.
4fri:iin-<^
Am H.Dezember 1902 starb in Leipzig
Wilhelm Wollner nach kurzer heftiger
Krankheit. Wollner ist 1851 in Moskau ge-
boren, kam mit elf Jahren nach Deutsch-
land, besuchte das Wilhelmsgymnasium in
Berlin und studirte von 1874 — 1879 in
Leipzig, wo er 1879 promovirte und sich
1886 an der Universität als Privatdozent
habilitirte; 1890 wurde er ausserordent-
licher Professor. Seine erste grössere
Schrift: »Untersuchungen über die Volks-
epik der Grossrussen« (Leipzig 1879) wurde
mit Beifall aufgenommen. Wollner zeigte
schon darin seine grosse Kenntniss der
Volkspoesie und seine Befähigung zur Be-
handlung der in ihr liegenden Probleme.
Eine Reihe von Jahren beschäftigte er sich
mit der Volksliteratur nicht bloss aller
slavischen, sondern in umfassender Weise auch vieler anderer Völker. Ein
Resultat dieser Studien war die vortreffliche Abhandlung: »Der Leonoren-
stoff in der slav. Volkspoesie« (Arch. VI). Vielfach wurde seine Beherrschung
dieses Gebietes von anderen Gelehrten in Anspruch genommen; so schrieb
er zu den »Litauischen Volksliedern und Märchen, gesammelt von Leskien
und Brugmann« (Strassburg 1882) die umfangreichen und werthvollen ver-
gleichenden Anmerkungen, begleitete »The English and Scottish Ballads ed.
by Fr. J. Child« (Boston 1882) ebenfalls mit solchen, und schrieb die Einlei-
tung zu »The Vision of Mac Cougliaue ed. by Kuno Meyer« (London 1892).
Wollner's Neigung ging nicht nach der grammatischen, sondern nach der
literarhistorischen Seite der Philologie, und so fasste er vor Jahren den Plan
einer Geschichte der russischen Litteratur. Zu deren Bearbeitung war er be-
sonders befähigt durch eindringendes Studium der russischen Geschichte
und Kultur, durch eine bewundernswerthe Kenntniss der deutschen, englischen
und französischen Litteratur, durch feinen Geschmack und kritisches Urtheil.
Aus den umfangreichen Vorarbeiten hat ihn der Tod hin weggenommen.
A. Leshien.
Die niittelalterUclie Kanzlei der Kagusauer.
hatten ,
bildeten
In den Städten Dalmatiens.
^ß"^!^.,^ welche römischen oder spätrömi-
j^ ^\ sehen Ursprungs waren, bedienten
m ^^i^tS ^^^^ ^^^ Gemeinden im Mittelalter
W *^^^l^ bei der Abfassung ihrer Urkunden
und öffentlichen Bücher der latei-
nischen Sprache und ihrer jünge-
ren I'ormen. So war es auch in
Ragusa. Die Aufnahme slavischer
Elemente erfolgte zu allmählich,
um eine Strömung gegen das La-
tein im ürkundenwesen herbei-
führen zu können 2j. Die Ansiede-
lung von zahlreichen Neubürgern
im XIV. und XV. Jahrh. während
des grössten Aufschwunges der
^^CCß^KL^ Stadt fällt in eine Periode, wo die
Altbürger, welche alle Regierangs-
gewalt in den Händen behalten
als Nobilität bereits eine abgeschlossene, herrschende Classe
Amtliche Schriftstücke in slavischer Sprache aus dem Mittel-
1) Diese Abhandlung ist im Anfang des J. 1892 geschrieben worden und
•either durch zehn Jahre ungedruckt geblieben, da sich das Material bei jeder
späteren archivalischen Arbeit in Ragusa vermehrte. Ich Übergebe sie der
Oeflfentlichkeit, obwohl Ich ihre Lücken gut kenne. Die Serie der slavischen
Kanzler ist bis 15.50 vollständig; weiter habe ich sie bisher nicht verfolgen
können. Die Serie der lateinischen Kanzler ist vollständig bis ca. 1400; weiter
gebe ich nur das, was Ich bisher gesammelt habe.
2) Ueber diese ethnographischen Fragen vgl, meine Abhandlung: Die
Romanen in den Städten Dalmatiens während des Mittelalters, L Theil, Denk-
schriften der phil. -bist. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften, Bd. 48
(Wien 1902;.
Archiv für slavische Philologie. XS.V. 33
502 C. Jirecek,
alter bilden gegenüber der Masse der anderen in dem gewaltigen erhal-
tenen Material der Archive stets nur eine Ausnahme. Man machte diese
Ausnahme zur Erleichterung des Verkehrs mit den Nachbarn und für
den Gebrauch der weniger Gebildeten unter den nichtadeligen Bürgern
»de populo«. Auch die wachsende Slavisirung seit 1500 änderte nichts
an den traditionellen Institutionen.
In Ragusa blieben die Verhältnisse in diesem Zustande bis zum
Fall der Republik im J. 1808. Die Rathscollegien berathschlagten im
localen romanischen Patois oder später in einem reinen Italienisch; die
Kanzler schrieben die Instructionen und diplomatischen Correspondenzen
italienisch, die Rathsprotokolle und die Verträge lateinisch. Die Proto-
kolle des Consilium Rogatorum sehliessen lateinisch am ll.October 1807
»indictione romana Xma«, die »Libri Maioris Consilii« am 28. Jänner
1808 mit der »Electio Illustrissimi et Eccmi Rectoris« Math. Nie. de
Ghetaldis für den Februar, der aber nicht mehr antrat, die »Libri Mi-
noris Consilii« unter der französischen Herrschaft am 22. August 1809
gleichfalls in lateinischer Sprache i).
Die Jahrhunderte lange Oberhoheit des byzantinischen Reiches
über die Städte Dalmatiens hat nicht zur Abfassung von Documenten in
griechischer Sprache geführt. Die erhaltenen Urkunden der byzantini-
schen Periode sind lateinisch verfasst; spätgriechische Documente und
Inschriften, etwas Analoges den unteritalischen und sicilischen Denk-
mälern, hat man in Dalmatien bis jetzt nicht gefunden. Es fehlten in
den dalmatinischen Stadtbevölkerungen aber auch die griechischen
Volkselemente, welche in den Dialecten von Unteritalien und Sicilien
zahlreiche Spuren hinterlassen haben, abgesehen von einigen heute noch
von Griechen bewohnten Dörfern bei Otranto.
Die griechische Schrift war aber in Dalmatien einmal wohlbekannt.
In Neapel, Bari und anderen Städten des südlichen Italien haben sich in
diesen Jahrhunderten viele Zeugen auf lateinischen Urkunden griechisch
oder wenigstens mit griechischen Schriftzeichen unterschrieben. Etwas
Aehnliches mag auch in Dalmatien mitunter vorgekommen sein. Die
älteste Urkunde von Ragusa ist die Stiftungsurkunde der Benediktiner-
abtei auf der Insel Lacroma, datirt »temporibus sanctorum imperatornm
ij Ueber die Aufhebung der Republik Ragusa durch den französischen
Marschall Marraont am 31. Jänner 1808 vgl. meine Studie: Poselstvi republiky
dubrcynicke k cisaiovne Katerine II. v 1. 1771 — 1775, Frag 1893, S. 92 (Roz-
pravy ceske akademie, tiida I, rocnik II, cislo 2).
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner. 503
Basilii et Constantinitf, ind. VI^ unter der langen Regierung Basillos II.
976 — 1025 wiederholt sich die Vl.Indiction viermal, in den Jahren OTS,
993, 1008, 1023. Die Urkunde ist nur in Copien erhalten, darunter eine,
die vor dem Comes, dem Erzbischof und anderen Zeugen vom Notar
Presbyter Pascalis im J. 1229 geschrieben wurde. Pascalis copirte eine
der Unterschriften in folgender Art : »f i\aHiipf3H fil. Andree Saraca« ^).
Die Schrift ist ohne die zwei vorletzten Buchstaben eine Unciale, die
man für cyrillisch halten könnte. Der sechste Buchstabe sieht aus
wie ein russisches rechts umgewendetes n, wohl nur ein verstümmeltes
e der griechischen Minuskel. Der siebente Buchstabe sieht einem arabi-
schen Neuner ähnlich ; es ist wohl ein 'C der Minuskel, dessen abgerun-
deter oberer Theil sich links geschlossen hat. Lautlich ist die Form
Lanprezi nicht ungewöhnlich; vgl. «domus que fuit Lampresij de Ba-
lisclauatf in den Diversa Cancellarie 1313 von Ragusa und die Familie
Lamprezo (de Lampredio) in Zara^). Eine zweite, nicht datirte Copie
der Urkunde von Lacroma im Archiv von Ragusa, geschrieben auf Per-
gament in langobardischer Schrift, hat an dieser Stelle die Unterschrift:
»Ego lampredi fil. dni andre testis sum«. Den vor diesem Lampridius
unmittelbar vorangehenden Namen hat Notar Pascalis 1229 nicht mehr
entziffern können und ihn nur mit zusammenhangslosen Buchstaben
wiedergegeben: »f Ego kpbnfulkxfdpupxpfb tts fx (testis sum)«. Man
könnte an lyvj y.vQ und bei dem xp zu Ende an leiqi denken, nach der
in Unteritalien mitunter üblichen Formel: (.laQTVQÜv VTviyqaipa löia
'/itül oder oiyieia %ELqi. Die erwähnte zweite Copie hat an dieser
Stelle: »Ego buzini fil. dom. sisinni testis sum« 3].
Die von den byzantinischen Kaisern den einzelnen Städten Dal-
matiens gegebenen Privilegien waren natürlich in griechischer Sprache
verfasst. In Ragusa sind die Kaiserurkunden des XII. Jahrb. nur mehr
aus den Auszügen in den Chroniken des Gondola und Resti bekannt.
Erhalten haben sich die Urkunden der Despoten von Epirus aus dem
XIII, Jahrh. und einige Privilegien aus den letzten Jahren des christ-
1) Kukuljevic, Codex diplomaticus regni Croatiae, Dalmatiae et Slavo-
[niae I (Agram 1874) 103 hat /\aMnpE3H.
2) Vgl. meine Romanen in Dalmatien II, 41 — 52 (Artikel Lampridius).
3) Merkwürdiger Weise haben nur 3 — i Unterschriften der Urkunde in
ider Mitte der Reihe diese Formel: »Ego .... testis sum«; alle anderen be-
ginnen mit den Worten: »Signum manus ».
33*
504 C. Jirecek,
liehen Kaiserthums von Constantinopel ^). In Spalato ist eine Urkunde
des Kaisers Manuel Komnenos von 1180 über die Besitzungen des dor-
tigen Erzbisthums bekannt, aber nur aus einer lateinischen Uebersetzung,
gedruckt bei Lucius, Farlati und Kukuljevic. Die Unterschrift des
Kaisers auf dem jetzt verschollenen Original oder auf einer anderen Ur-
kunde desselben ist in einer Copie auf uns gekommen. In einem Perga-
mentcodex der Chronik des Archidiaconus Thomas von Spalato (7 1268),
geschrieben in langobardischer Schrift und verwahrt im Archiv des
Domkapitels von Spalato 2], ist sie auf der Vorderseite des letzten Blattes
abgezeichnet in Uncialschrift : MaHoy"'^ *H X'W tw *w | mcTOC
(Ligatur für ar) KacHAfirc nop(J>rporfHH|TOC [vr] als Ligatur) 0 ko-
MHHHOC i Kai ai'TOKpaTlVp piUMailVH 1 0 KOMHHHOC. Es ist die
bekannte Formel: MavovrjX tv XQiorip tco S-ei;} niarbg ßaotXBvq
•/.al avTOvtQdrcoQ 'Pcof^iaitov b Ko^uvrjvög, nur ist der Name 6 Kofivi]'
v6g vom Abschreiber irrthttmlich zweimal wiederholt worden, das erste
Mal an unrichtiger Stelle ^).
Seit dem XIII. Jahrh. wurden bei dem Aufschwung der Handels-
verbindungen mit dem Binnenlande eigene Kanzler für slavische Corre-
spondenz unentbehrlich. Es gab solche Schreiber, Notare, Kanzler und
Dolmetscher in allen Städten, aber am vollständigsten war dieses Amt
entwickelt in Ragusa, wo sich auch seine Geschichte am besten ver-
folgen lässt.
Es sind also in Ragusa zwei Kanzleien näher zn untersuchen, die
lateinische und die slavische.
1) Ueber die Beziehungen zwischen Byzanz und Ragusa vgl. einige Be-
merkungen in meiner Abhandlung: Die Bedeutung von Ragusa in der Han-
delsgeschichte des Mittelalters, Wien 1899, S. 31—33 und Ann). 83—88 (SA.
aus dem Almanach der kais. Akademie der Wissenschaften, 49. Jahrg., 1899).
2) Dr. Isidor Krsujavi, Zur Historia Salonitana des Thomas Archidiaco-
nus von Spalato, Agram 1900 (kroatisch im : »Vjestnik kr. hrvatsko-slavonsko-
dalmatinskog zemaljskog arkiva«, Bd. II, Agrara 1900), S. 4 hält diese Hand-
schrift für ein Autograph des Thomas selbst oder wenigstens für einen unter
seinem Dictat entstandenen Codex.
3) Vgl.Zachariae von Lingentha), Jus graeco-romanum III, 497: derselbe
Titel Kaiser Manuel's copirt in lateinischer Schrift als »subscriptio proprie
manus imperatoris« auf der Uebersetzung seines Privilegiums an die Genuesen
1169 (über das Jahr, gewöhnlich irrig mit 1170 angegeben, vgl. Heyd, Ge-
schichte des Levantehandels im Mittelalter I, 224).
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner. 505
I. Die lateinische Kanzlei.
Die erhaltenen Urkunden der dalraatinisclien Stadtgemeinden be-
ginnen erst mit dem X. Jahrli. (Zara 9 1 S). Viele der ältesten sind nur
mehr in alten Copien vorhanden. Das Material wird reichhaltiger seit
dem XI. Jahrb., in Ragusa erst seit der Mitte des XII. Jahrb. Es ist
ausdrücklich zu bemerken, dass alle diese erhaltenen Urkunden bis zum
XIII. Jahrb. nur Fragen des bürgerlichen Rechtes berühren: Kaufund
Verkauf, Schenkungen, Stiftungen und dgl., höchstens kirchliche Fragen
oder Verträge zwischen Stadtgemeinden. Urkunden strafrechtlichen In-
halts fehlen vollständig.
Die Stadtschveiber in Dalmatien waren in dieser Zeit, bis ins
XIII. Jahrb., einheimische Geistliche: Subdiaconi, Diaconi, Presbyteri,
Canonici, ausnahmsweise Avchipresbyteri oder Abbates, Es gibt auch
einige Urkunden, als deren Schreiber ausdrücklich die Bischöfe der
Städte selbst angegeben sind, so in Zara 986, Arbe 1018, Cattaro 1124
u. s. w. Als weltliche Schreiber sind im XI. — XII, Jahrb. bezeugt nur
ein «magister Gregorius gramaticus« in Arbe 107 0 und ein »magister
Gualterius, communis notarius« in Spalato 1176 — 11841).
Es ist dieselbe Erscheinung, wie zur selben Zeit in Italien, wo das
ganze Notariat in den Besitz der Geistlichkeit kam, gegen den Willen
der weltlichen Fürsten 2). Auch in Venedig wurden bis ins XIII. Jahrb.
die ötfentlichen Acten von Subdiaconi, Diaconi, Presbyteri, Plebani,
domini ducis capellani u. A. verfasst und geschrieben; erst z. B. 1234
finden wir einen Bartholomeus sacri palatii notarius, 1246 einen Gabriel
Paulinus, notarius et ducalis aule eaucellarius u. A. Ebenso war in der-
selben Zeit das geistliche Element unter den Urkundenschreibern von
Apulien überwiegend. In den Stadturkuuden von Bari wird der Schreiber
im X. — XI. Jahrb. in der Regel bezeichnet als ))Subdiaconus et notarius«,
»diaconus et notarius«, »clericus et notarius(f. Ausnahmen sind selten.
1) Racki, Documenta historiae chroaticae periodum antiquam illustrantia
'=Monumenta spectantia historiam Slavorum meridionalium, vol. VII), Agram
1877, p. SO. Kukuljevic, Codex diplomaticus II, 97 fF.
- Eine auch in Italien eingeführte Verordnung Karl's des Grossen hat
den Presbytern das Schreiben von Urkunden untersagt, um sie von dem Amt
der Grafschaftsnotare auszuschliessen, jedoch vergeblich; darüber Harry
Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, I (Leip-
zig 1889) 464. Noch mehr kam das Notariat in jfeistliche Hände in Nordeuropa ;
vgl. das engl, clerk aus clericus) Schreiber, Secretär.
506 C. Jirecek,
z. B. 939 Sikenolfus notarius f. qd. Ursi, Adelchis notarius, Ursengaräo
notarius, 957 Nikiforus protocancellarius f. q. Johanni de civitate Vari,
1039 Rodostomus notarius, 1089 Nikiforus protonotarius u. A. i). Erat
im XII. Jahrh. wächst in den apulischen Städten die Zahl weltlicher
Notare. Dasselbe Ueberwiegen geistlicher Elemente ist auch im byzan-
tinischen Reiche zu beobachten, sowohl bei den zunftmässig organisirten
TaßovXccQiOL (tabelliones), als bei den von der Staatsbehörde ernannten,
höher stehenden rof-iiy-ol. Sie bezeichnen sich meist selbst als leQelg
oder KlrjQizol, obwohl diese nichtkirchliche Beschäftigung von Geist-
lichen, wie Zachariae von Lingenthal bemerkt 2), mit den Vorschriften
des kanonischen Rechtes kaum harmonirt. Der Zusatz Tfjg ETtta^OTtrjg
oder rfjg (.trirgoTtölscog bei Vielen zeigt, dass sie zum Theil von den
Bischöfen oder Metropoliten abhängig wurden. Ein Bischof von Joanninai
in Epirus fragte in der That den Erzbischof Demetrios Chomatianos von
Ochrid (c. 1219 — 1234) nach einem Process zwischen einem Diakon und
zugleich raßovXccQiog und einem Laien, in welchem das vom Archonten
des Ortes verordnete Gottesgericht gegen den ersteren ausfiel, ob der
Diakon nicht seiner kirchlichen Würde und auch rfjg TaßovlaQi-/.fjg
araTLOivog verlustig werden soll. Der Erzbischof verneinte dies und
bezeichnete das Gottesgericht als eine fremde, dem einheimischen Rechte
widersprechende Neuerung 3).
Die dalmatinischen Städte waren zu klein, um die Bildung einer
eigenen Corporation (schola) der Notare zu ermöglichen, wie es in Italien
und im byzantinischen Reiche üblich war. Es fehlt demnach auch die
in Dyrrhachion und in Bari vorkommende Würde eines »protonotarius(f.
Sicher ist es aber, dass es unter den geistlichen Stadtnotaren Dalmatiens
vereinzelt auch Fremde aus Italien gab. Man erkennt sie, ebenso wie
unter den Aebten der Stadtklöster , an den langobardischen Personen-
namen, so einen Anfredus presbiter et notarius in Zara 1034 — 1036.
In welchem Verhältniss die geistlichen Notare zu der in Ragusa seit
1247 urkundlich nachweisbaren »fraternitas (fratilia, societas) presbitero-
1) Codice diplomatico Barese, vol. I (Bari 1897), p. 5, 65, vol. IV (Bari
1900), p. 3—4, 60.
2) Zachariae von Lingenthal, Beiträge zur Geschichte des byzantinischen
Urkundenwesens, Byz.Zeitschrift 11(1893), 181. Auch KvayvöjaTrjs (kirchensl.
HKTliU,k) xcu voixixös, Acta graeca VI, 176, 185.
3) Demetrios Chomatianos ed.Pitra, Analecta sacra et classica splcilegio
Solesmensi parata, vol. VII (1891), col. 389 f.
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner. 507
rum« standen, auch wfraternitas S. Stephanie genannt, nach der ursprüng-
lichen, schon bei Kaiser Konstantin Porphyrogennetos genannten Haupt-
kirche der Stadt, ist nicht bekannt').
Wir wissen auch nicht, in welcher Art diese Notare ihre Vorbildung
erlangten und wer sie zu prüfen und zu controliren hatte. Ein Fall ist
bekannt, wo in Ragusa 1282 der dort auf der Durchreise befindliche
venetianische Bailo von Tyrus im Namen des Dogen feierlich einen vene-
tianischen Geistlichen zum xpublicus tabellio« ernannte-).
Die älteren Notare führen keine Bezeichnung als Functionäre einer
Stadt, Gemeinde oder Behörde. Dies beginnt erst seit der Mitte des
XII. Jahrb.: Johannes ladertinus notarius = Johannes S. Anastasie
subdiaconus atque notarius 1164 — 1107, Marcus diaconus et communis
notarius in Ragusa IHiS, Mattheus S. Anastasie subdiaconus et ladrensis
curie notarius llSl f. u. A. Der Amtsantritt eines neuen »communis
notarius« erfolgte mit Eidesleistung vor den versammelten Stadtbehörden.
\yir kennen noch den Eid, den ein Ragusaner Kanzler, der oben er-
wähnte Presbyter und später Canonicus der St. Marienkathedrale Pas-
calis aus dem einheimischen Geschlechte der Capalu (1228 — 1262) bei
seinem Antritt leistete, «in curia cum sonitu campane secundum usum
nostre ciuitatis« vor den Comes, dem Rath und dem Volk. Er versprach:
»cartas tabelii fideliter scribere, nee amicum iuuare nee inimicum ledere,
nee pro aliquo muuere tollendo nee pro aliqua minatione; et secretum
domini comitis et consiüariorum mihi creditum secretum illud tenebo;
1) Es ist die spätere «confraternitas sacerdotum Ragusinorum sub invo-
catione S.Petri in cathedra«, deren Statut vom J. 1391 Conte Dr. K.Vojnovic
in den Monumenta bist, jurid. Siavorum meridionalium VII (1899J, 1, 1(3 ff.
herausgegeben hat.
-) Am 3. September 1282 ernannte der in Ragusa auf der Durchreise be-
findliche Bailo von Tyrus Marcus Geno in Anwesenheit des Leouardus Ve-
nerio, Bailo von Accod, »in publica concione ciuitatis Ragusiue, congregata
per sonitum campanarum, ut moris est« den Presbyter Johannes S. Johannis
Crisostomi nach der Ablegung eines Eides über dem Evangelium »de obser-
uanda domini ducis fidelitate« und »de exercendo bona tide sine fraude se-
cundum formam capitularis tabelionum de Veneciis tabelionatus officio« zum
»publicus tabellio'. Es geschah auf Grund eines an Geno gerichteten und
öffentlich vorgelesenen Ducales des Dogen Johannes Dandolo vom IS. Aug.
d. J., nach welchem der genannte Geistliche, »per canceliarios nostros dili-
genter examinatus, fuit repertus sufficiens ad tabelionatus officium exercen-
dum« (Div. Notarie 1282—1284 im Archiv von Ragusa).
508 C- Jirecek,
et nullam cartam tabelii faciam sine iudice iurato, qui et testis sit« u. s. w. ^).
Das Formular dieses »capitulare« von 1228 mag wohl öfters bei der Be-
eidigung neuer Notare wiederholt worden sein.
Aber die Schreibekunst befand sich nicht nur im Besitze der Geist-
lichen. Es gab im XIII. Jahrh. auch weltliche Dalmatiner, welche eine
lateinische Urkunde abzufassen verstanden. Bei dem Abschluss eines
Vertrags zwischen den Ragusanern und Almissanern war in Almissa
1262 kein Notar zugegen und da schrieb die Urkunde lateinisch in guter
Rundschrift der Zupan Peter von Almissa ^j. Warum eben diese Ur-
kunde von keinem Kleriker geschrieben wurde, geht aus ihrem Inhalt
hervor. Sie betrifft einen Ausgleich wegen der Ermordung einiger Al-
missaner, also ein »homicidium«, einen strafrechtlichen Fall. Wertiber-
haupt die strafrechtlichen Acten geschrieben hat, ob einer der Richter
oder ein weltlicher Schreiber, ist bei dem Mangel an Material nicht be-
kannt. Dass es nicht Geistliche waren, scheint aus den Bestimmungea
für Stagno im XV. Jahrh. klar hervorzugehen.
Diese älteren Zustände haben im XIII. Jahrh. eine grosse und
bleibende Veränderung durchgemacht. An Stelle der einheimischen
Geistlichen traten gelehrte weltliche Notare, studirte Juristen aus Italien.
Die oft wenig geschulten alten Urkundenschreiber waren den sich meh-
renden Aufgaben ihres Berufes nicht mehr gewachsen. Die Städte ver-
grösserten sich, gewannen neue Bewohner und neue Territorien, der
Handel zu Land und zur See steigerte sich, und bald wurde eine Ver-
besserung und Vermehrung des städtischen Kanzleipersonals nothwendig.
Alle Geschäfte mussten genau beurkundet werden. Dazu war eine juri-
dische Vorbildung der Beamten nothwendig. Die Genauigkeit der schrift-
lichen Acten wurde auch in den Handelsverträgen ausdrücklich gefordert,
wie dies z. B. ans einer Stelle über die »quaterni curie« und »quaterni
communis« von Cattaro in einem Vertrage zwischen dieser Stadt und
Venedig 1335 ersichtlich ist 3). Die einheimischen intelligenten Leute
beschäftigten sich fast alle mit Handel und Schifffahrt; die geistliche
1; Orig. in den Pergamenturkunden des Rag. Archivs 1200 — 1300 fasc.
II, Nr. 127. S. die Beilagen.
-) »Ego iupanus Petrus, cives (sie) Almisiensis, quia carente notario in
nostra ciuitate rogatus ab utraque parte, scriptor sum et testis«, Aliuisii 29.
Sept. 1262. Orig. im k. k. Hof- und Staatsarchiv in Wien. Bei Ljubiö, Listine
I, 99 nur im Auszug.
3) Ljubic, Listine I, 464.
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner. 509
Laufbahn hatte wenig Anziehungskraft mehr. In Ragusa wird im XIV.
und XV. Jahrh. sogar ein Mangel an einheimischen Klerikern bemerk-
bar; in Klöstern und Kirchen begegnen wirdesshalb zahlreichen Priestern
und Mönchen aus dem katholischen Nordalbanien.
Die rechtskundigen welllichen Notare aus Italien beriefen sich in
ihren oft prunkhaften Titeln meist auf eine kaiserliche Autorisirung
(imperiali auctoritate), seltener auf eine päpstliche (notarius sacri [Late-
ranensis] palatii) ^). Sie stammten meist aus Nord-Italieu, besonders aus
der Umgebung von Bologna, wo die »ars notaria« an der Universität ge-
pflegt wurdet), aus der Lombardei, Toscana, der Anconitanischen Mark;
selten kommt ein Istrianer vor, sehr selten ein Dalmatiner. Im Archiv-
wesen der Städte ist diese Veränderung mit einer Neuerung verbunden.
Mit den geschulten Notaren treten an die Stelle loser Urkundenblätter
regelmässig geführte Bücher. Die bis auf den heutigen Tag erhaltenen
Archivbücher beginnen in Ragusa 12 7 S, in Zara 1288, jedoch hat das
Schreiben von Quaternionen schon mehrere Jahre früher begonnen ^J.
Seit dem XIII. Jahrh. ging man daran auch die Stadtrechte in eigenen
Gesetzbüchern (Statuten) zu sammeln. Neben der Gemeindekanzlei be-
liess man die Geistlichen noch in der eigentlichen Notaria, doch nahm
auch dies zu Anfang des XIV. Jahrh. ein Ende. Im Statut von Cattaro
finden wir aus der Zeit um 1:522 sogar einen strengen Beschluss, in der
Stadt dürfe fortan kein Kleriker mehr Notar werden^). Auch in Ragusa
hatte die Regierung nach dem Rücktritt des letzten geistlichen Notars,
des Canonicus Andreas de Benessa, in den J. 1326 — 1327 die grössten
1) Ueber den Ursprung dieser Titel vgl. Bresslau, Handbuch der Ur-
kundenlehre I, 460 f., 469 f.
-) Ueber die Lehrer der »ars notaria« in Bologna, Rainerius Perusinus
1219, Salathiel 1237, Rolandinus Passagerii 1256 u. A. und ihre Lehrbücher
tSumma artis notariei vgl. Bresslau op. cit. I. 631 f.
3) Luccari, Copioso ristretto degli annali di Rausa (Venedig 1605 p. 44,
2. Ausg. Ragusa 1790 p. 67) citirt ein »libro de' Diuersi di Notaria dell' anno
1268«.
*] Statut von Cattaro § 294: «Ut clericus non possit esse notarius. Quia
diuersa genera scandali nobis oriebantur propter ofticium tabellionatus (Cod.
talleonatus;, quod erat in manu clericorum, et multa iura nostra amisimus
propter ipsorum arogantiara, idcircho statuimus et ordinamus, ut uullus cleri-
chus possit esse notarius. Quod statutum proposuimus inuiolabiliter obseruari
in pena ypp.quingentorum« (Codex der St. Marcusbibliothek f. 67', vgl. Archiv
XXII, 184 . Steht zwischen einigen datirten §§ vom J. 1322.
510 C. Jirecek,
Schwierigkeiten, um von ihm seine Conceptbücher (catasticha) heraus-
zubekommen. Die Berufung von Fremden hatte, ähnlich wie die Be-
rufung von italienischen Comites oder Potestates in Spalato und Trau,
auch den Grund, damit das Amt dem Einfluss einheimischer Familien
oder Parteien entrückt werde ^j.
Wie diese Veränderungen in den einzelnen Städten Dalmatiens vor.
sich gingen, lässt sich in den Urkundensammlungen von Lucius, Farlati,
Kukuljevic und Ljnbic ziemlich gut verfolgen.
Auf den Quaruerischen Inseln finden wir, neben einheimischen
geistlichen Notaren, auf Che r so 1276 einen Compagnus Filippi de
Montesco, aule imperialis notarius^), in Veglia 1248 einen Joannes
Matei de Cerdano de Padua, imperiali auctoritate notarius^), in Arbe
1243 einen Lanfrancus, Arbi notarius*). In Zara blieb die Notaria
noch lange im Besitz der Diacone von S. Anastasia, der Presbyter! von
S. ApoUinaris oder S. Stephanus, der Plebani S. Petri veteris. Auch^
der Schreiber des ältesten erhaltenen Notarialbuches von 1289, Creste
de Tarallo, war nach seinem Vornamen (Creste sL Erste, von Christo-
phorus) ein Einheimischer, wie er sich auch als »civis et publicus notarius
Jadrensis« bezeichnet^). Unbekannt ist das Vaterland des Rainerius,
Jadrensis notarius 1229 — 1233 und des magister Gregorius, Jadrensis
notarius 1236 — 12406). Erst zum Schluss des Jahrhunderts erscheinen
in Zara fremde Notare: Rolandus f. q. Thomasini mercatoris, sacri palatii
notarius publicus ac ipsius egregii comitis Jadre 1274, Nicolaus Fel-
trensis, sacri palatii et Jadrensis notarius 1275 — 1277, Kogerius de
Giberto Apulus, nunc notarius Jadre 1282 ^j, 1294 Antonius quondam
Rolanduci de Bononia, judex et notarius^).
1) Vgl. im Statut von Budua (XIV. Jahrh.) cap. LXV: »Ordinemo, che
dopo la morte d' Ascanio noa possa esser notaro nissuno nostro cittadino. se
non forestier, buoa homo e con buona scientia« (Mon. bist. jur. Slavorum
merid. III, p. 17).
-) Ljubic, Listine I, 112.
3) Starine, Bd. 20, S. 5.
4) Starine, Bd. 24, S. 224.
5) Herausgegeben von Professor Dr. L. Jelic im Vjestnik kr. hrvatsko-
slavonsko-dalmatinskog- zemaljskog arkiva, Bd. I — III (1899 — 1901). Ib. 1,
162 — 165 ein Verzeichniss der Notare von Zara.
f) Starine 19, 98 f.; 21, 293 f.; 23, 196.
7) Ljubic III, 413, Starine 19, 104 und 23, 213.
«) Starine 28, S. 165.
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner. 511
Einen grösseren Fortschritt als in dem seit 1202 mehr oder weniger
stets von Venedig abhängigen Zara finden wir in zwei Städten, die da-
mals unter ungarischer Hoheit standen, in Spalato und Trau. Die Po-
destä's, meist aus Ancona und den Marken berufen, brachten Kanzlei-
beamte von dort mit. In Spalato berichtet Thomas Archidiaconus, ein
Zeitgenosse, wie der »potestas de geute latina« Garganus de Arscindis
aus Ancona (1239 — 1242) gleich mit einem «notarius« ankam^). Sein
Name ist aus den Urkunden bekannt: 1239 — 1240 Petrus de Trans-
mundo, Anconitanus civis et nunc communis Spalati notarius; sein Sohn
Karlettus domini Petri Transmundi, imperiali auctoritate notarius, er-
scheint 1292 als Notar in Ancona -j. Später werden in Spalato genannt
1243 Joannes Desa Marci de Capodistria, notarius marchionis Istriae et
cancellarius Spalatensis, 1261 — 1289 magister Franciscus Anconitanus,
imperiali auctoritate notarius et nunc communis Spalati iuratus, neben
dem 1255 — 1282 genannten einheimischen Notar Canonicus Lucas.
Ebenso finden wir in Trau neben den Podestä's aus Ancona und Fermo:
1264 Bonaventura Petri, civis Anconitanus, notarius communis Tragurii,
1274 Franciscus Benvenuti de Cingulo, 1281 Bonaventura Coradini de
Ancona, 1285 Jacobus de Firmo u. A. Zu Anfang des XV. Jahrh. gab
es in Spalato und Trau je einen Cancellarius und einen Notarius; die
Venetianer haben 1421 nach Uebernahme der Städte der Ersparung
wegen in beiden Städten den Notar der Gemeinde abgeschafi"t^).
Ragusa war conservativer als Spalato. Der Umschwung vollzog
sich später. Der erste italienische Notar der Stadtgemeinde war der
Magister Thomasinus de Savere aus Reggio d'Emilia 12 7 S — 1286, mit
dessen schöner, zierlicher Schrift auch die ältesten erhaltenen Bücher
geschrieben sind. Die Kanzlei wurde damals getrennt von der eigent-
lichen Notaria, die 1285— 1292 ein Presbyter Johannes, 1292—1324
der Canonicus Andreas aus dem Patriciergeschlechte der Benessa führte;
die erhaltenen Bücher des Benessa, in einer Schrift noch mit Elementen
langobardischen Ductus, sind im Bezug auf Lesbarkeit der gerade Gegen-
satz zu deren des Magister Thomasinus. Später wurde die ganze Kanzlei
mit Italienern besetzt, mit Ausnahme der Stelle des slavischen Kanzlers.
>) Thomas archidiaconus cap. 33, ed. Racki (Monumenta spectantia
historiam Slavorum merid., vol. 26), p. 120.
2j Starine 23, 251 und 24, 204, aus Lucius. Vgl.Ljubic 1, 153 und Matko-
vic, Rad Bd. 15, S. 57 (ürk. 1292,.
3) Ljubic, Listine VIII, 94.
512 C. Jirecek,
Das Personal der Stadtkanzlei von Ragusa wurde vermehrt. An-
fangs kam man mit einem Cancellarius und einem Notarius aus. Seit
1331 hatte der Kanzler einen »socius« oder »vicecancellarius« zur Seite.
Ein neuer »Ordo cancellarie« wurde vom Consilium Mains am 20. März
142S erlassen, in dem die Rechte und Pflichten der nunmehr 4 Notare
oder Kanzler geregelt wurden. j)Alli consigli pizolo e de pregadi et alla
notaria di Ragusa« wurden »duo secretari« bestellt, »che siano notari e
caucellierj delli consigli dil comun di Ragusa(f. Zwei andere Kanzler
waren dem »consiglo grande« zugetheilt, zugleich aber auch der »corte
civile et criminale«, »al canciel di fuora«; sonst sollten sie den beiden
erstgenannten Secretären aushelfen, aber nur in Angelegenheiten, die
nicht geheim waren. »Ma librj deli consigli et registri di carte e di
lettere e commessiou et per simile la notaria debia stare in man et sotto
chiaue delli secretarj« ^). Eine nähere Beschreibung der Kanzlei zu der-
selben Zeit gibt (um 1440) Philippus de Diversis aus Lucca, Rector der
Stadtschule: »Quattuor primum sunt librorum contractuum, judiciorum,
statutorum et electionum diversorum principatuum scribani, litterati
quidem, docti grammaticam et alia, qui et conservatores illorum sunt.
Istorum quattuor nuUus est aut potest esse Ragusinus« ^j . Der Wirkungs-
kreis der beiden Paare der Kanzleibeamten wird von Philipp mit allem
Detail. geschildert. Ein fünfter Beamter war der Buchhalter oder »ra-
tionatus«, auch ein Fremder ^j. »Hi quinque Italici continuo fuerunt et
sunt.« Dazu kommt ein Ragusaner als slavischer Kanzler *). Im Laufe
des XV. Jahrh. kam dazu ein eigener »cancellarius judicum de criminali«.
1) Liber Maioris Cons. 1424—1428.
'-) Dass es wirklich ein solches Verbot gegeben habe, wird nirgends
ausdrücklich bezeugt.
3) Die Rationati waren in dieser Zeit in derThat Italiener, wie z.B. 1387
Ser Petrucius de Corado de Plorentia. Später finden wir Dalmatiner als
»scribani officii rationum«, wie 1511 — 1512 Nicolaus Nichse Marini de Nale
aus Antivari und 1512 — 1523 Stephanus Nicolai Stephani de Nale aus Ea-
gusa, den Vater des Dichters Naljeskovic (Archiv XXI, 478, 480). »Razunat«
kommt auch als Personenname vor: ein Ragusaner Giuchus (Zivko) dictus
Racionello, auch Giuchus Razunat, Giuchus Braicouich dictus Raclouelo war
Kaufmann in Serbien, in Rudnik und Zajaca, 1444 — 1447 Gabellot oder Doa-
nerius von Srebrnica.
4) Philippus de Diversis de Quartigianis Lucensis, Situs aedificionim,
politiae et laudabilium consuetudinum civitatis Ragusij. Pubbl. da V. Bru-
nelli, Zarä 1882, S. 75 — 76 (SA. aus den Programmen des Gymnasiums von Zara
1880—1882].
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner. 513
Hie und da hat man dann «coadiutores cancellaiiae« aufgenommen , bei
Vacanzen, Beurlaubungen, Krankheiten, hohem Alter der Kanzlei-
beamten. Noch zu Anfang des XVI. Jahrh. wurden alle diese Beamten
nicht lebenslänglich, sondern alljährlich oder in selteneren Fällen für
je zwei Jahre neu bestätigt (iirma). Luccari (1605 erwähnt in seiner
Darstellung der Verfassung der Republik in der Regierungskanzlei zwei
Notare oder Secretäre, mit einem »sostituto«, und bei Gericht »tre can-
cellieri pubblici e un coadiutore« ^).
Diese schriftkundigen Männer, meist Patricier italienischer Stadt-
gemeinden, waren sehr geachtet und wurden von den Ragusanern oft
auch zu Gesandschaftsreisen verwendet. Im XIV. Jahrh. war es meist
ein fahrendes Volk, das nirgends lange aushielt. Aber die Zahl der-
jenigen italienischen Notare, die in Ragusa heiratheten, liegende Güter
erwarben und Nachkommen hinterliessen, ist im Wachsen. Im XV. Jahrh.
finden wir auch eine längere Dienstzeit, ja nach 1490 sogar den Fall,
dass auch die Söhne von Kanzlern wieder in der Kanzlei der Ragusaner
Anstellung fanden 2). Entlassung und schwere Strafen drohten dem
Secretarius, wenn er sich insgeheim in Correspondenz mit ausländischen
Herrschern oder Staaten einliess. Wir wissen nicht, warum der Kanzler
Marquardiis 1303 so plötzlich entlassen wurde. Articucius von Rivignano
aus der Diöcese von Aquileja wurde, wie es scheint, wegen einer ge-
heimen Correspondenz mit König Stephan Tvrtko I. von Bosnien 13S3
eingekerkert und weggeschickt, fand aber bald wieder für viele Jahre
eine Anstellung in Zava. Am schlimmsten erging es dem Franciscus
Sylvanus aus Macerata im J. 1529. Man hat ihm nachgewiesen, dass
er insgeheim mit den Venetianern correspondire und ihn im Kerker als
Hochverräther geköpft. Und das war ein Kanzler, dessen Vater bereits
Jahre lang den Ragusanern Dienste geleistet hat, auch auf Gesandt-
schaftsreisen nach Italien.
' Die Schüler der damaligen Universitäten Italiens schrieben ein
fliessendes Latein, dem man es ansieht, dass es von den Gebildeten auch
gesprochen wurde. Im XV. Jahrh. tauchen classische Brocken auf,
meist aus Vergil, oft an recht ungeeigneter Stelle angebracht. So wird
1) Luccari, Copioso ristretto degli annali di Ragusa, 2. Ausg. Ragusa
1790, p, 270, 285.
2) Ueber die Nachkommen italienischer Kanzler in Ragusa vgl. Professor
Giuseppe Gelcich, Dello sviluppo civile di Ragusa, Ragusa 1884, p. 93 — 94.
514 C. Jirecek,
1429 der Diebstahl von »duo equi quadrupedantts cum sellis et frenis'<
verzeichnet; die Orangen, die man bisher als arangie, narancie bezeichnete,
heissen um 1112 volema. Byzantinische Archonten aus Morea hat man
1427 als domini Grai eingetragen. Ebenso werden die Türken unter
dem aus Vergil und Ovid bekannten Namen der Trojaner als Teucri be-
zeichnet. Das Latein wurde durch diese Zuthaten vielleicht eleganter,
aber sicher unverständlicher.
Der »vulgaris sermo« erscheint zuerst in Briefen von Privatleuten.
Noch um 1285 — 1303 bemühte man sich lateinische Briefe zu schreiben,
dies pflegte aber, wie die erhaltenen Beispiele zeigen, oft recht plump
auszufallen. Mit 1302 beginnen die erhaltenen italienischen Privatbriefe
von Ragusanern, Zaratinern und Anderen, mit Spuren venetianischen
Einflusses, aber auch mit deutlichen Resten des Altdalmatinischen, des
einheimischen romanischen Dialektes der Städte ^j. Die Commissiones
an Beamte und die Instruktionen an Gesandte wurden seit dem XIV. Jahrh.
nur italienisch geschrieben, ebenso auch deren Berichte an die Regierung
von Ragusa. Die Testamente redigirten die Notare lateinisch, bis die
furchtbare Pest 1348 es nothwendig machte sie in aller Eile nieder-
zuschreiben, was mit dem Latein nicht so leicht ging. Der Codex der
Testamente von 1348 ist italienisch verfasst, geschrieben von dem »scri-
banus« einer eigenen Commission, wohl einem ragusanischen Kleriker,
mit vielen Spuren des localen Dialectes, wie z. B. fechi für fecit. Der-
selbe Codex enthält auch die italienisch abgefassten Testamente des
folgenden Pestjahres 1363, copirt vom Kanzler Theodorus Scolmafogia
aus Brindisi^). Der Pergamentcodex der »Testamenta Notarie 1365 —
1378« ist aber wieder vorwiegend lateinisch. Dagegen finden wir in
dem Band 1391 — 1402 abermals fast nur italienisch verfasste Testa-
mente, mit wenigen lateinischen Stücken; dasselbe gilt auch für alle
folgenden Bände der Testamenta Notarie bis ins XVI. Jahrh. In den
»Lamentatf, den Gerichtsbüchern hielt sich das Latein bis 1487 ; italienisch
sind die Bände 1454 und 1487 f. 3). Die Protocolle der RathscoUegien,
die Diversa Cancellarie, Diversa Notarie u. s. w. blieben lateinisch bis
*) Vgl. die kleine Sammlung in meinen Romanen in den Städten Dal-
matiens, II. Theil (Denkschriften der kais. Akademie Bd. 49), S. 1 — 19.
-) Ein Auszug aus dieser Handschrift in meinen Romanen in Dalmatien
II, 6—15.
3) Vgl. Archiv XIX, 54.
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner. 515
in die Neuzelt; eine Ausnahme bilden einzelne in diese Bücher ein-
getragene italienische, in den Diversa auch slavische Acteustücke.
Den Geburtsort der einzelnen Notare und Kanzler kennen wir recht
gut. In den J. 1300 — 1400 werden ihrer 20 genannt. Davon stammten
aus Pistoja 3, Bergamo 2, je einer aus Bologna, Parma, Piacenza, Cre-
mona, Ravenna, Ferrara, aus dem jetzigen Kurort Arco nördlich vom
Gardasee, aus Belluno, Cividale (Forum Julii) und der Dioecese von
Aquileja. Süditalien ist durch einen einzigen Notar aus Brindisi ver-
treten. Unbekannt ist die Heimath von vier Notaren. Eine literarisch
denkwürdige Persönlichkeit war darunter Johannes von Ravenna
(13S4 — 1387) oder mit vollem Namen Ser Johannes quondam magistri
Conversini de Fregnano. ein Schüler Petrarca's', nach seinen interes-
santen Briefen aus Ragusa ein wehleidiger, für das klassische Latein
begeisteter Schwärmer, welchem der rastlose Geschäftsgang in der da-
mals blühenden Handelsstadt an der Grenze zwischen der occidentalischen
und orientalischen Kultur nicht gefiel ^).
Aus den J. 1400 — 1500 sind mir 24 Namen neu eingetretener
Notare bekannt. Aus Süditalien stammte kein einziger. Je einer war
gebürtig aus Florenz, Bologna, Reggio, Faenza, Rimini, Macerata, Fermo,
ebenso aus Padua, Feltre (bei Belluno), Piacenza, Soncino (zwischen
Cremona und Bergamo). Der Norden ist vertreten durch zwei Notare
aus Muggia bei Triest und einen aus Marano in Friaul. Aber das voll-
ständige üebergewicht hatten die Cremonesen, seit ungefähr 1425 ver-
treten durch nicht weniger als zehn ihrer Landsleute-). Der hervor-
ragendste dieser Patricier von Cremona war Ser Bartholomeus de
Sfondratis, der über ein halbes Jahrhundert (1449 — 1504) der Republik
diente. Er wurde vom Kaiser Friedrich III. 147S durch den Titel eines
Pfalzgrafen ausgezeichnet, mit dem Recht Notare zu ernennen und nicht-
adelige Bastarde zu legitimiren 3). Ser Bartholomeus sorgte auch um
die Vermehrung der Bevölkerung von Ragusa ; man berichtet von ihm,
1) Vgl. die von Eacki gedruckten Stücke im Rad, Bd. 74 (1885), S. 164 ff.,
welche das ganze Amtsgeschäft der Kaczlei anschaulich schildern.
-) In Venedig waren im XIV. Jahrh. die meisten Aerzte gebürtig aus
Cremona, nach Cecchetti, Archivio Veneto, Bd. 26 (1883), S. 85.
3) Seit dem XIV. Jahrh. wurden die Ernennungen zu »lateranensischen
! Pfalzgrafen« sehr häufig; seit 1360 ernannte man dazu nicht nur Edelleute,
sondern auch einfache Ritter, Bürger und namentlich Rechtsgelehrte (Bress-
lau, Handbuch der Urkundenlehre I, 471}.
516 C. Jirecek,
dass er von seinen zwei Frauen'nicht weniger als 28 Kinder hatte. Er
gründete eine förmliche Dynastie von Kanzlern; die Sfondrati sind nach
ihm noch durch drei Mitglieder ihres Geschlechts in der Serie der Ragu-
saner Kanzleibeamten vertreten. Die Familie wurde in Ragusa so
heimisch, dass die Ragusaner, als der Cardinal Niccolö Sfondrato aus
der Cremonenser Linie des Hauses zum Papst als Gregor XIV. (1590 —
1591) gewählt wurde, eine Freude empfanden, als ob es ein Lands-
mann wäre.
Es kam die Zeit des Wiedererwachens der klassischen Studien und
der grossen Umwälzung, welche durch die Erfindung der Buchdrucker-
kunst herbeigeführt wurde. Vertreter der italienischen gebildeten Ge-
sellschaft der Renaissance waren in Ragusa die drei Gruppen der Notare,
der Rectoren der Stadtschule und der städtischen Aerzte. Sie fanden
Anschluss bei den begabteren Ragusanern, wissbegierigen und Bücher
liebenden Mitgliedern des Stadtadels, der Kaufmannschaft und des Clerus.
Die Notaria und die Stadtschule standen einander nahe und die darin
beschäftigten Männer konnten einander leicht ablösen. Es gab auch
Aerzte, die nur »faut de mieux« in der Schule dienten. Magister Jacobiis
de Ferraria, »rector scolarum« 1419 — 1430, wollte schon 1425 lieber
Stadtarzt werden und wurde durch Beschluss des Consilium Mains vom
24. Juli 1430 wirklich »pro fisicho nostro medico« aufgenommen, mit
der Vollmacht seinerseits einen «magister scolarum« aufzufinden. Stepha-
nus Flischus, aus Soncino an den Ufern des Oglio in den Ebenen der
Lombardei, verliess 1444 die Kanzlei, um Rector der Stadtschule zu
werden. Umgekehrt wurde der Rector der Schule Daniel Clarius aus
Parma, ein gelehrter Maun, welchem Aldus Manutius die Editio princeps
des Aristophanes (1498) gewidmet hatte, 1505 zum Notarius und Can-
cellarius ernannt i). Die Pflege der klassischen Literaturen äusserte sich
in Gedichten, in denen sich die Mitglieder dieses kleinen Kreises gegen-
seitig verherrlichten. Man darf an die erhaltenen Reste dieser Gelegen-
heitspoesie kein allzu strenges Mass anlegen; für die Kenntniss der An-
fänge der Literatur in Ragusa sind sie werthvoU genug. Der Kanzler
Ser Nicolaus de la Ciria aus Cremona begrüsste 1440 das Werk des
Philippus de Diversis aus Lucca über Ragusa, das uns ein so werthvolles
Bild der Stadt in ihrer schönsten Zeit erhalten hat, mit einem lateinischen
Carmen. Um 1451 besangen einander lateinisch und italienisch die drei
*) Vgl. Archiv XIX, 35 f. und die Beilagen zur gegenwärtigen Abhandlung.
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner. 517
Kanzler Joannes Laurentius Keginus aus Feltre bei Belluno, die Brüder
Bartholomeus und Jobannes Sfondrati aus Cremona, der ScLulrector
Stephanus Fliscus Soncinensis und ihre ragusanischen Freunde. Unter
den Kanzlern war auch eine der vornehmsten Humanistenfamilien dieser
Zeit vertreten durch Xenophon Philelphus (1460 — 1470), Sohn des
Franciscus Philelphus aus Tolentino und einer edlen Byzantinerin,
Xenophon hatte in Eagusa geheirathet, ist aber dort noch jung an
Jahren gestorben.
Ueber den Papierverbrauch in den Kanzleien der Republik Ragusa
gibt ein Beschluss des Consilium Rogatorum vom 11. Mai 1501 Auf-
schluss, über die »carta, que expeditur et consumitur in notaria et can-
cellariis nostris«: »ad chadauno deli notarj et cancellieri, tanto dela can-
cellaria grande, quanto dela cancellaria schiaua et dela cancellaria del
criminal se debia dar del comun uua risma per capo et non piii«. Ebenso
nach Stagno «risma una«, nach Tersteniza (auf der Halbinsel Sabbion-
cello), Slano, Zupana, Isola di Mezzo, Canal «meza risma«. Jeder Beamte
zahlt einen Perper Strafe, wenn er davon Papier «ad alguna special et
priuata persona« abgibt.
In den J. 1500 — 1550 bemerken wir eine Veränderung, In die
Ivanzlei kommen einzelne Ragusaner, zuerst als Coadiutoren, Neben
der italienischen Kanzlerdynastie der Sfondrati entsteht eine ragusanische
Kauzlerfamilie der Primojevic, lat. Primi oder de Primo, in der latei-
nischen Kanzlei vertreten ( 1504 — 1524 durch Lucas Pasqualis de Primo,
lU'uselbeu, der die erste Buchdruckerei in der Stadt gründen wollte.
Aus Albanien stammte der Kanzler Hieronymus Proculianus (1523 —
1 .")26), ein Patricier von Atitivari. Die übrigen sind noch immer Italiener.
Neben Cremona und später Lucca, welche die stärkste Vertretung fanden,
ist Mittelitalien bevorzugt: Macerata, Pesaro, Reggio, Parma, in den
Abruzzeu Aquila und Solmona, im Norden Mailand, Vicenza und aber-
mals Feltre.
Die Darstellung der Verhältnisse nach 1550 ist nicht mehr unsere
Aufgabe, Zu erwähnen ist, dass Luccari (1605) keine Ausländer als
Notare oder Secretäre mehr kennt ; es waren in seiner Zeit nichtadelige
Bürger von Ragusa, »dal popolo(f.
Die geistlichen Notare waren während dieser Zeit nicht ganz ver-
schwunden ; nur der Umfang ihres Wirkungskreises hatte sich verschoben.
Wir wissen auch, wie sie zu Notaren ernannt wurden: von den Männern,
die den Titel kaiserlicher Pfalzgrafen oder päpstlicher Vicecomites er-
Archiv für slavische Philologie. XXV. 34
518 C. Jirecek,
halten hatten. Ser Bartholomeus de Sfondratis, Kanzler der Republik,
ernannte als vom Kaiser bestellter »sacri Late.ranensis palatii comes pa-
latinns« 1 199 im Palast des Erzbiscliofs von Ragusa zum »notarius seu
tabellioc den Geistlichen Johannes Simonis de Zupana, den wir bald
darauf als »imperiali auetoritate notarius publicus« und als Kanzler und
Archivar des Erzbischofs vorfinden i). Genauer ist das Ceremoniell ge-
schildert in einer Aufzeichnung vom S.Juni 1524, Vor dem »presbyter
Andreas Nicolai Radulich, sacerdos Ragusinus, sacri palatii apostolici
Lateranensis vicecomes, in quem de apostolica pleuitudine potestatis
ereandorum notariorum et judicum ordinariorum emanauit auctoritas«
erschien »in officio notarie palatii communis« in Begleitung geistlicher
Zeugen der Diaconus Hieronymus Nicolai spatarii, Bürger von Ragusa.
Er bat, »flesis genibus humiliter constitutus et deuotustt, um die Ver-
leihung des »notariatus sive tabellionatus et judicatus ordinarii officium
et dignitas«. Die Bitte wurde »inspecta habilitate et fidei puritate« des
Bittstellers erfüllt. Die Investitur erfolgte durch Feder und Tintenfass,
sowie mit einem Ring, unter Verabreichung eines wohl gelinden Backen-
streiches: »per pennam et calamarium, que in ipsius manibus posuit, et
per impositionem anuli ad digitum eius manus legitime et soUemniter
inuestiuit, alape percussione secuta in Signum humilitatis et tolerantie«^).
Der neubestellte Notar hatte das Recht, «quod possit per totum Romanum
Imperium facere, conscribere et publicare contractus, instrumenta, ju-
dicia, testamenta et ultimas uoluntates« etc. Die Urkunde über den
ganzen Akt wurde von Franciscus Sylvanus, Notar der Republik, aus-
gefertigt 3).
Die Aemter, die den Geistlichen zum Theil blieben, waren die
Kanzleien der ragusanischen Comites auf dem Lande, in Canale, Slano,
Stagno, auf den Inseln Isola di Mezzo (Lopud), Giupaua, Lagosta und
Meleda. Als »cancelliere del maleficioa war aber in Stagno (1436) neben
dem geistlichen Notar der weltliche Befehlshaber der Burgwache ange-
stellt 4). Aber auch da beginnt im XV. Jahrh. das weltliche Element
vorzudringen; es occiipirte besonders die drei wichtigeren Kanzleien
1) Siehe die Beilagen, unter Ser Baitholomeus de Sfondratis.
~) Als Investitursymbol dienen auch in Italien regelmässig Tintenfass
und Feder; vgl. Bresslau, op. cit. I, 468.
3) Diversa Notarie 1524, f. 5.5' sq.
*) Vgl. Conte Constantin Vojnovic, Sudbeno ustrojstvo republike dubro-
vacke, Rad jugoslav. akaderaije isd. 108 (1892), S. 166.
Die mittelalterliche Kauzlei der Ragusaner. 519
von Canale, Slano und Stagno. Diese Kanzler waren Kagusaner »de
populo«; einige von ihnen stiegen dann in die slavische Kanzlei der
Republik empor. Für Lagosta war 1 193 bestimmt »per cancelliero della
isola .... che sia et esser debbia seculare et non sacerdote«, jedoch
der Beschluss wurde bald darauf rückgängig gemacht; eine Gesandscliaft
der Inselgemeinde (universitä della isola) bat um dessen Aufhebung,
»perö che dicono esser impotenti ad far la spesa per el salario de can-
giliero seculare« i).
Ganz abseits steht naturlich die Kanzlei des Erzbischofs, stets von
Geistlichen verwaltet.
In C at t aro 2) folgt auf einheimische Diaconi und Presbyter! Magister
Thomas de Firmo 1285 — 1294 als erster italienischer Notar. Aber
dessen Nachfolger, zwei weltliche Cattarenser aus dem Geschlechte Vito,
waren bis 13H0 wieder Einheimische. Dann folgt eine Serie italienischer
Beamten, wir kennen sie aber nur unvollständig, meist aus den in den
Büchern von Ragusa registrirten Docuraenten, nachdem sich im Archiv des
k. k. Kreisgerichtes von Cattaro aus der Zeit vor der venetianischen Be-
sitzergreifung (1420) nur drei Stadtbücher erhalten haben und von diesen
ist eins durch Nässe fast zerstört. Wie Ragusa für die Cvemonesen eine
besondere Anziehungskraft hatte, so ist unter den Notaren von Cattaro
die Ankonitanische Mark besonders durch die Bürger von Auximum
(Ossirao) und von Fermo stärker vertreten. Man sieht, dass diese Notare
nie lange blieben; es ist erklärlich, da die Stadt 1371 — 1420 oft sehr
bedrängt und in politisch recht misslicher Lage war. Mit der venetia-
nischen Herrschaft (142o) kamen auch venetianische Notare.
Von den Städten Dalmatiens sind nicht zu trennen die Städte Nord-
Albaniens im Erzbisthum von Antivari. Alle erhaltenen mittelalterlichen
Urkunden der Stadtkanzleien von Antivari, Dulcigno, Scutari
und Drivasto sind lateinisch oder italienisch geschrieben, keine einzige
slavisch. An den Namen der Einwohner und an den Flurnamen der
Umgebung erkennt man die ursprüngliche romanische Bevölkerung, die
im Laufe der Zeiten immer mehr albanisirt, zum Theil auch slavisirt
wurde ^). Die Städte waren finanziell zu schwach , um sich bessere
1) Libro delli ordinamenti e delle usange della uniuersitade et dello com-
mun della isola de Lagusta, herausg. von F. lladic, Monumenta bist, jurid.
Slavorum meridionaliuin VIII (1901), cap. 9S, p. 55. -) S. die Beilagen.
3) Vgl. darüber meine Romanen in den Städten Dalmatiens, I, 5, 58— 5'J,
97—98.
34*
520 ^- Jii'ßcek,
Kauzler zu halten, obwohl es an Versuchen dazu nicht fehlte. Dass ihr
Urkundenwesen iu Folge dessen nicht den Erwartungen entsprach, sehen
wir aus einem Gesetz von Cattaro aus dem J. 13221).
Antivari hatte eine lateinische Stadtkanzlei mit einheimischen
Priestern und Domherren, nur selten mit italienischen Notaren ; aus der
Periode 1252 — 1445 sind neun Namen bekannt, unter ihnen der eines
Neapolitaners.
Aus Dulcigno kennen wir die Namen von sechs Urkundenschreibern ;
drei davon sind einheimische Geistliche, zwei aber sicher diplomirte Ita-
liener aus Padua und Ferrara.
Aus Scutari in serbischer Zeit ist eine einzige lateinische Urkunde
von 1330 bekannt, geschrieben von einem einheimischen Weltlichen,
»manu Climenti filii Gini, notarii communis Scutari«. Unter den Vene-
tianern pflegten die Comites aller dieser Städte natttrlich venetianische
Notare mitzunehmen.
Das kleine Drivasto blieb bis ins XV. Jahrh. bei dem Notariat der
städtischen Geistlichen, die auch in der Fremde Erwerb suchten; z. B.
ein Presbyter Andreas de Drivasto schrieb alsNotarius der Insel Lagosta
1317 eine Urkunde in schlechtem Latein und primitiver Schrift, die man
dem Aeusseren nach für viel älter halten würde.
Diese Städte sind im XV. — XVI. Jahrh. alle von den Türken er-
obert worden, wodurch sich auch ihre Bevölkerung ganz veränderte.
Drivasto liegt seit der Eroberung 1478 in Ruinen. Scutari besetzten die
Türken 1479, Dulcigno und Antivari 1571.
Die südlichste Stadt mit lateinischen, zum Theil geistlichen Ur-
kundenscbreibern noch unter den griechischen Despoten von Epirus und
mit italienischen Notaren unter den Anjou's und den Venetianern war
Durazzo. In dieser Gegend grenzten im XIV. — XV. Jahrh. die drei
1) »De cartis notariorum alterius civitatis. Anno domini MCCCoXXII,
mensls octobris die VI. Nos communitas Cathari, attendentes negligentiam
notariorum quorundam ciuitatum, que sunt sab domini regis nostri dominio
constitute (unter dem König der Serben), quod in faciendis instrumentis pu-
blicis modum et formam iuris nullam penitus obseruabant, propter quod
nostre coramunitati multa daiupna euenire poterant et deffectus, ideo statui-
mus: quod nulkuu instruraentum notaiii publici, cuiuscunque modi, forme
aut coüditionis existat, preterquam de perchiuo, factum uel faciendum super
aliquem ciuem uostrum ab aliquo notario publice ciuitatum, que sunt sab do-
mino nostro rege constitute, incipiendo a ciuitate Anthibari usque Dura-
chium, valeat aut teneat aliquo modo in curia ciuitatis" (Statuta Catari § 296).
Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner. 52]
grossen Gebiete der mittelalterlichen Urkundenspracheu an einander,
das lateinische, griechische und slavische. Seit ir)01 befindet sich auch
Durazzo im Besitz der Türken i).
1) Kanzlei von Durazzo. Griechische Stadtiirknndeii : unter König Man-
fred 1258, geschrieben von Ffiönyios noMTOfOTäniOi- x«} dKc/.ni'o; t/;» ayiioKl-
jr^S /LirjTQonoXew^ .Jvooce/tov xai xa^iov'O.t'cQio; Hnyai'o^ o yixiovQio^, Acta
graeca medii aevi III, 239—242 ; 1359 geschrieben von 'IwäwriS o evTt).T;s «>'«-
yi'üaxrjg, nowToyordoio^ tt;s ayiioTaiTj^ ^rjxoonö'k£(as ^vQoayiov xtd Taßov').7.t(-
Qioi o KooiaXvTr,;. herausgeg. von Sakellion im Je^Tioy der bist. Gesellschaft
von Athen Bd. II (1S8.5). S. 471—475.
Lateinisclie Notare unter griechischer Herrschaft: »Dominicus sacerdos
et Dirrachii notarius autenticus« 1215 (Text enthalten in einer Urkunde vom
15. Nov. 1215 im Archiv von Ragusa:. »Magister Jacobus imp. et puplicus
Dirrachii notarius« 1243 in zwei Urk. des Rag. Archivs. »Nicoluus diaconus,
iniperialis et puplicus Dirrachii) notarius« 1248 — 1256 (ebenda in drei ürk. .
Unter den Angiovinen und Venetianern: Mag. Xpoforus de Cerrefo, pu-
blicus terre Durachii notarius 1335 (Diversa von Ragusa). Nie. Lupi de
Briüidusio 1379 (Ib.). Johannes ßlhcs quondam Pisarini de Arimino, imperiali
auctoritate notarius et iudex 1392 (Ljubic IV, 295). Johannes de 3Iorigiis quon-
dam Anthonii de Mediolafio, imperiali auctoritate notarius ac domini baiuli et
capitanei ciuitatis Durachii cancelarius 1393 (Ljubic IV, 314; derselbe 1395 in
Alessio ib. 351). Manfredinus quondam Ser Gutberti de 3fonte Claro, vice-
cancollarius Durachii 1437 (Diversa von Ragusa\
«Notarii greci autentici et alii notariiboni latini« in Durazzo 1401 neben
dem Notar des venetianischen Statthalters. Makusev, IIcTopuiecKia paaucKa-
Hia 0 CjLaBiiHaxx et. A.iöauiu, Warschau 1S71, S. 118.
(Fortsetzung folgt.)
522
Ueber die rumänischen Knesen.
Das rumänische Wort cnez oder
cneaz (pl. cnej\ slav. K'kH/ÄSk,
K'kH/^aii, das sich heute in der
rumänischen Volkssprache bloss in
der Form chinez (ung. kenez, ki-
■nez, bei Rogerius canesius) im
Banat, woselbst es Dorfschulze
bedeutet, erhalten hat, hatte in
der' Vergangenheit bei den Ru-
mänen zwei Hauptbedeutungen:
Dorfrichter und freier oder grund-
besitzender Bauer. Nie hat es die
Bedeutung des Oberhauptes der
rumänischen Fürstenthümer ge-
habt, wie dies Miklosich irrthüra-
lich im Etym. Wörterb. S. 155
»rm. knez^ ehedem der regierende
Fürst der Moldau und Walachei«
angenommen hat.^ Diese Fürsten nannten sich stets Woewoden (koi€-
KC»,l,a, ßfAHK'KiH].BOl€BOAa, volksthümlich vodä), und wenn sie das
XVII. Jahrh. hindurch zuweilen cnej't genannt werden, so muss diese
Bezeichnung als eine litterarische Entlehnung aus den russischen Bü-
chern erklärt werden, welche um jene Zeit in die rumänischen Lande
eingeführt wurden und zum Theil die alten Kirchenbücher bulgarischer
Redaktion ersetzten ^).
f^J^ li^^J^JU'^L
1) J. Bogdan, Originea voevudatului la Romini, Bucuresti 1902, S. 1". —
Wickenhauser, Geschichte und Urkunden des Klosters Solka,Czernowitz 1877,
S. 205, behauptet, dass die Inschrift der Kirche zu Rädäuti vom J. 1559 den
Alexander Läpusneanu »khab« nennt; der Text (siehe Melchisedek in der
Revista p. istorie, archeologie si filologie v. Gr. G. Tocilescu II, S. 55) hat je-
doch »BoeBoaa«. — Zur Zeit des Matei Basaraba treffen wir auch in Urkunden
das Wort kuasb statt BoeBoja an ; in einer Urk. vom 13. Jan. 1634 (Staatsarchiv)
Ueber die rinuänisclien Knesen. 523
Ich will im Nachstehenden ein Kesume der Forschungen, die bisher
über die rumänischen Knesen gemacht worden sind, geben — eine
Frage, die von gleicher Wichtigkeit für die Geschichte der alten rumä-
nischen Institutionen, wie für die Natur unserer Beziehungen zu den
slavischen Völkern ist, und werde zu gleicher ^cit einige neue Daten
über die Knesen in den rumänischen Fürstenthümern beifügen, denen
noch Niemand bisher ein spezielles Studium gewidmet und über welche
die rumänische Geschichtsschreibung noch ungenaue Begriffe hat.
unsere Historiker und die Fremden, die sich mit der rumänischen Ge-
schichte befasst haben, insbesondere die Ungarn, beschränkten sich
bisher fast ausschliesslich auf das Studium der rumänischen Knesen in
Ungarn und Siebenbürgen, die unbestreitbar eine wichtige Rolle in der
Geschichte dieser beiden Länder das XIV. und XV. Jahrh, hindurch
gespielt haben. Da sich in den Fürstenthümern die Knesen zu keiner
militärischen Bedeutung emporschwangen, wie in Ungarn, sondern
die ganze Zeit hindurch Dorfbeamte und einfache Bauerngrundbesitzer
verblieben, so sprechen die Urkunden anfänglich sehr selten von ihnen,
und beginnen sie erst in der Epoche ihres Verfalles, vom Ende des
XVI. Jahrh. an, öfters zu erwähnen.
Die ersten rumänischen Knesen, von denen in der Geschiclite Er-
wähnung geschieht, sind meiner Ansicht nach die beiden Wlachenhäupt-
linge, deren Gebiet Stefan Nemanja, sammt mehreren Dörfern von na-
pHi^H, zu Ende des XII. Jahrh. dem Kloster Chilandar verschenkt:
W,V,U ßAa\-k pa^OKO COVWkCTKO H t^öpKTtKO, i\ ßCfrf ßi\a\-k pct-i).
Wiewohl Rad und Durd nicht Knesen genannt werden, so ist es offen-
ist das Fürstenthum Walachei KHA>KecTBO, khascteo genannt, die Landesherren
KHAsu, die fürstliche Weinsteuer qacrt kuasctbo wt Buuapui, der fürstliche Zoll
Bama KHASCTsa; all dies jedoch sind, wie die aanjaHencKia BJiaxiÄ, litterariscbe
WillkUhrlichkeiten des Schreibers. Uebrigens bemerkt man z. Z. des Matei
Basaraba bei mehreren Schreibern die Tendenz, einige Neuerungen in die
alten Formeln hineinzubringen; so z. B. naut statt Hcsiiaut in einer Urkunde
aus dem J. 1635 für den Logotheten Sima, naut und JKsnani. in einer vom
;<. April 1640 für den Vornik Hrizea, kohioiuiu, lauiutiK, äoms cTpoiiicji in
einer aus dem J. 1631, März 10, statt ko-muc-b, nexapuuKt, nocTCiuuKi.; csXi-
iciiu Bceä CTpaHU ccBcpuHCKU (=6au'b) und äoms cipoHieji in einer vom lö.Mai
1641 u. s. w. (alle im Bukarester Staatsarchiv).
1) Miklosich, Monumenta Serbica S. 5; E. Kaluzniacki, bei Hurmuzaki,
Documente privitoare la istoria Rominilor I. 2, S. 772. Die Urkunde wird
gewöhnlich 1198—1199 datirt.
524 J- Bogdan,
bar, dass sie unter den 170 Wlachen das Amt von Knesen oder Pre-
mikjuren hatten, deren in den späteren Schenkungen der serbischen Kö-
nige und Dynasten als Obrigkeiten der Weiler oder Dörfer der Wlachen
Erwähnung geschieht. So im Diplom des Stefan Prvovencani mit Bezug
auf das Kloster Zica (1222 — 1228): a Cf ß/\acn : rpk^k KH63k u.s.w.i);
in dem des Stefan Uros II. für Chilandar (1293 — 1302): a C( ßaaCH :
KHE3b KOHyHa u. s. w. 2) ; im Diplom desselben für das Kloster Banja
(c. 1318): Karov'Hk Bap1iA»€KCKHH : KOCTa,\HHk np'kiuiHKiopk,
KaTOXfHk KOROieß'n": np'kiuinKwp ßOHCHAk, KaToyHk ßOHCHAki^k:
np'klllMKIOpk ßOllCHAk U. S. W.3).
Unter den Weilern, die von Stefan Dusan der Kirche zum Heil.
Erzengel von Prizren (c. 1348) geschenkt wurden, werden die ßaacH
KaaT^MaHf mit ßancaaßk npIviuiHKiopk an der Spitze erwähnt, der
Weiler raHMHiiJa mit dem np-feiiiiHKKtpk ßCHyua, der Weiler KOCTpk-
MaHk mit dem nplj!UiHKiopk KOi'AaHk und der Weiler rOAC^'^'^ßUH
mit dem KHfSk rK^prk^).
Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige von den Wlachen, die im
XIV. u.XV. Jahrh. den Klöstern oder den serb. Adeligen geschenkt und
nach je einem Personennamen benannt wurden, nach ihren Knesen oder
Premikjuren benannt worden sind : so Ursulovci, Sisatovci des Klosters
Banja, nach ürsul, Sisat (ed. Jagic, 28, 33; cf. lUHUiaTk in dem Diplom
für Decani S. 54) ^). So Lepcinovci, Tudoricevci, Katisevci des Klosters
Decani, nach Lepcin, Tudoric, Ratis : Lepcin und Tudoric sind an der
Spitze ihrer Mitbewohner aus demselben Dorf genannt, unter den Ka-
tisevci aber wird als Grossvater (,A,1J/I,k) zweier anderen Wlachen Ratis
genannt 6); so Vlasi Voichnici, geschenkt im J. 1434 vom Woewoden
Juraj den drei Brüdern Jurjeviei, oder Vlasi Radivojevci und Vlasi
Vojkovci, geschenkt von Georg Brankovic im J. 142 8 dem Radic Cel-
nik, — nach Voichna, Radivoj und Vojko^j.
i] Mon. Serb. S. 12; Hurmuzaki I, 2, S. 775.
2) Mon. Serb. S. 59; Hurmuzaki I, 2, S. 797.
3) V. Jagic, Svetostefanski chrisovulj kralja Stefana Urosa II. Milutina,
uBecu 1890, S. 32, 33, 35.
4) Glasnik XV, S. 288, 291, 292, 294; cf. ibid. S. 295, 297 und Hasdeü,
Archiva istoricä a Eominiei III, S. 136 — 137.
5) Decanske chrisovulje, im Glasnik, od. II, kn. XII (1880).
6) Ibid. S. 49, 51; vgl. Mon. Serb. S. 96.
") Mon. Serb. S. 378; Spomenik III, S. 3. Darüber näheres bei St. Nova-
kovic, Selo (Gks XXIV), S. 41 sq.
lieber die ruiuänischen Knesen. 525
Die Hauptattributionen dieser Knesen waren aller Wahrscheinlichkeit
nach nachstehende: a) sie sammelten von den wlachischen den Klöstern
oder Adeligen unterthänigen Hirten die ihnen auferlegten Abgaben,
unter welchen die »quinquagesima« von den Schafen den ersten Kang
einnahm, gerade so wie bei den Rumänen in Ungarn und Siebenbürgen i) ;
b) sie garautirten die Leistung der Frohnarbeiten in den Dörfern der
wlachischen Landbauern: c) sie übten die Dorfpolizei aus, wofür sie
ein Artikel aus dem Zakonik des Stefan Dnsan verantwortlich macht^);
d) sie uitheilten die kleinen Processe der Inwohner ab. Diese letzte
Attribution, welche mir die älteste zu sein scheint, spiegelt sich in dem
Worte cc>V',VtvCTKO »terra iudicis« aus dem Diplom des Stefan Nemanja
ab, welches genau dem rumänischen Worte ))judecie« (JKOV',\,fM"if) aus
den moldauischen Urkunden entspricht und welches, wie wir weiter
unten sehen werden, den Sinn eines Bezirkes hatte, innerhalb dessen
der »cneaz« oder Richter «Jude« sein Richteramtsbefugniss ausübte. Es
ist möglich, dass die Knesen der Wlachen in Serbien in ihrer eigenen
Sprache »judeci« oder »juzi« (sg. judec, Jude) genannt wurden, gerade
so wie die aus der Walachei oder der ^loldau 3).
Ungefähr mit den gleichen Attributen ausgestattet erscheinen die
ersten rumänischen Knesen auf den rumänischen Territorien im Norden
der Donau und in Ungarn. Die Knesen Joan und Farcas aus dem
Severinerlande, die der König von Ungarn den Johannitern im J. 1247
unterstellte, hatten für diese die Hälfte aller königlichen Einkünfte die
ihnen cedirt wurden-^) einzusammeln; dieselben bestanden, wie aus den
späteren ungarischen Quellen zu entnehmen ist, vorzüglich aus der quin-
quagesima ovium, aus dem Zehent der Schweine und Bienen und aus
< iner Steuer census für die benützten Grundstücke^). Sie hatten ferner
') V. Jaglc, Svetostef. chris. S. 36: a ce saKoa^ ujaxoMt, aa aaio na BcaKO
.itro wT -H- u'Buoy ch larHKTeMB a jpoyroy M.!ioEoy. Vgl. Decanske chrisovulje
S. 309.
2; Ed. Novakovic. 1S98, S. 113, § 146.
3; Nach Novakovic war der Ausdruck Icnez gebräuchlicher in den nord-
westlichen Theilen des serbischen Gebietes, während premiljur in jenen
Theilen vorherrschte, die dem griechischen Einflüsse ausgesetzt waren. Selo,
S. 233; vgl. ibid. S. 108—109.
4) »Medietatem omuium utilitatum et reddituum«; Hurmiizakil, 1, S.250.
5) »Medietas collectarum quinquagesimaruni« 1383; J. Mihälyi, Diplome
maramuresene din secolul XIV si XV, Maramures-Sziget 1900, S. 77; »quin-
quagesima« 1387; Hurmuzaki I, 2, S. 301. — »Praestatio ovium, porcorum«
526 J- Bogdan,
die Dienste (servitia), die die Einwohner dem Könige zu leisten hatten,
die Instandhaltung und die Vertheidigung der Burgen zu überwachen
und Kriegsdienste zu leisten (»defensio terrae cum apparatu suo bel-
licotc in dem Diplom von 1247).
Auf den königlichen praediis und Burgländereien, auf den Gütern
des Klerus, des Adels und der Stadtgemeinden waren die Kuesen (kenezii)
Verwalter der Dörfer, im Namen der Grundherren, und Richter der In-
sassen. So erscheinen sie in den ersten Urkunden nach dem Diplom
Belas IV., um 1301 auf dem Gebiete der Szekler in Siebenbürgen i), im
Jahre 1319, 1326, 1343, 1344 im Banat und Marmarosch2). Mit Be-
ginn der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh. werden die Nachrichten über
die rumänischen Knesen in Ungarn sehr zahlreich und präzise; sie lassen
gar keinen Zweifel über die Natur der Attribute und der juridischen
Situation derselben zu.
Von der alten Organisation der Knesen in den rumänischen Dörfern
Gebrauch machend, bedienten sich die Könige Ungarns und in deren
Namen die Woewoden oder Vice-Woewoden Siebenbürgens, die Comites
der Comitate und die Kastellane der königl. Burgen der Knesen für ihre
Kolonisationszwecke, indem sie ihnen für die Einkünfte, die sie von den
Kolonisten von Alters her bezogen, Gewähr leisteten oder sie erhöhten.
Indem sie aiif einen Theil ihrer Einkünfte zu ihren Gunsten Verzicht
leisteten, gewährten die Könige und nach ihnen die übrigen Grundeigen-
thümer den Knesen das Kenezialrecht (jus kenezatus, keneziatus, jus
1370; Keiueny, Ueber die ehemaligen Knesen und Kenesiate derWalachen in
Siebenbürgen, Kurz, Magazin II (1846), S. 309. »Decima ovium, porcorum«
1506 — 1512; Rethy L., Az oläh nyelv es nemzet megalakuläsa 1887, S. 159.
»Redemptio porcorum et apum« 1553; Kemeny, 1. c, S.316. — »Tres grosses
de qualibet sessione« 1387; Hurmuzaki J, 2, S.301 ; »dicam secundum sortem
levatam, secundum sortem suam« 1553 (zu je 8, 16, 20, 50 Denaren); Kemeny,
1. c, S. 316.
1) Die Szekler aus dem zur Burg Udvord (Udvarhely) gehörigen Dorfe
»Olähtelek« (villa olachalis) werden der Jurisdiction der Knesen (a iuvisdic-
tione knesij) entzogen; die Rumänen aber »prestent knesio ipsorum pre-
standa«; Hurm. I, 1, S. 553—554. Vgl. das Privilegium der Bereczkafalvaer
Rumänen aus dem J.1426: die niedere Gerichtsbarkeit wird unter ihnen vom
»ipse kenesius predictus pro tempore constilutus cum villanis dicte ville« ge-
handhabt; Hurm. I, 2, S. 535—536.
2) Hurm. I, 1, S. 579, 596, 687 ; Mihälyi, 1. c, S. 8.
Ueber die rumänischen Knesen. 527
keneziale) und zwar für eine unbegreuzte Zeit^) oder auf Lebenszeit und
mit dem Verfiigungsrechte dasselbe auf die direkten Erben zu über- ■
tragen 2j, welche zur gesammten Hand an den Beuefizien des kenezatus
Theil hatten ^j . Diese Verleihungen wurden entweder durch die Bestäti-
gung der bestehenden Knesen in ihrer Funktion bewerkstelligt oder durch
die Bevollmächtigung neue Dörfer (villas) auf friscbgerodeteu Waldboden
oder auf von Bewohnern verlassenen Gründen zu bauen (novae planta-
tiones)-*). In diesem Falle hatte der Knese eine mit dem «scultetus«
oder »iudex« der deutschen Kolonien aus dem Norden Ungarns analoge
Situation ; er glich einem deutschen » Lehnschulzen «s). Nebst dem Rechte
einen Antheil an Grund und Boden zu besitzen, welcher für gewöhnlich
grösser als der der übrigen Inwohner war (mansio, mansus) und welcher
vom jjceusus« und der «quinquagesima« frei war ^), und nebst dem Rechte
eine Mühle zu haben") und sich der Arbeitsleistung der Dorfinsassen
zum Zwecke der Bebauung seines Antheiles an Grund und Boden zu be-
dienen S), hatte er auch gewisse Einkünfte von den Rechtssprüchen »in
causis minoribusft'j).
1) »Nostro durante placito« 1409; Hurm. 1, 2, S.464; »usque ad nostrum
beneplacitum«; Rev. p. ist., arch. si filolog. V, S. 137.
-1 »Titulo perpetuae kenesiatus donacionis« 1445; Hurm. I, 2, S. 721 —
722, Von Nachkommen ist fast in allen Urkunden die Rede.
3) Sie waren »condivisionales«; Urk. a. d. J. 1412, Rev. p. ist., arch. si
filolog. V, S. 135—137.
•*) Sehr wichtig sind in dieser Hinsicht folgende Urkunden : 1360 Solyom-
Fekete Ferencz, A niagyarsäg es az oläh incolatus Hunyadban, in den Jahr-
büchern der histor. u. archäolog. Gesellschaft aus Hunyad, Budapest 1882,
S. 60 sq.; 1363 Hurm. I, 2, S. 73; 1380 Sölyom-Fekete, 1. c.
5) »Kenezii seu sculteti« 1555, ap. Hunfalvy, Neuere Erscheinungen der
rumänischen Geschichtsschreibung 18S6, S. 1 19. Vgl. sculteti seu kniaziones,
advocati sive sculteti kniaziones in den galizischen Dörfern iure valachico,
ap. Stadnicki, 0 wsiach tak zwanych woloskich na polnocuym stoku Karpat,
w Lwowie 1848, S. 35, 44.
6) Die »antiqua libertatis praerogativa« der Knesen in Hunyad bestan-
den darin, dass sie keine »taxas, census et contributiones« zahlen mussten.
Urk.a.d. J. 1482. In einer wichtigen Quelle aus d. J. 1552 heisst es: kenezii
non solvunt quinquagesimam ; ap. Kemeny, 1. c, S. 311 — 312.
") Vgl. die Urk. v. J. 1326, Hurm. I, 1, S. 528 und Hunfalvy, Az Olähok
törtenete I, S. 408.
8; Obgleich dies in den ung. Quellen nicht ausdrücklich gesagt wird,
kann man für die ung. Knesen dasselbe annehmen, was für die galizischen
bewiesen ist. Stadnicki, 1. c, S. 15 — 16.
9) »Ipsi autem sc. kenezii Juga und Bogdan im Comitate Krassö) po-
528 J- Bogdan,
Die Knesen, die sich auf den Gütern der Adeligen, des Klerus
oder der Gemeinden befanden, hatten eine niedrigere Stellung; sie hatten
kein erbliches Kenezialrecht und waren von dem «onus terrestralis« nicht
befreit, von welchem nicht einmal die vom Könige bestätigten Knesen
immer befreit waren i). Daher der Unterschied, welchen König Lud-
wig I. im J. 1366 zwischen einem »kenezus per nostras litteras regales
in suo kenezatu roboratustf und einem »communis kenezus« mit Bezug
auf das »homagium« macht; der erstere ist einem «nobilis«, der zweite
einem »villicus fidei unius fertonis« gleichgestellt; weder der Eine noch
der Andere war ein wahrer »nobilis«'^).
Und bei alledem war ein Theil der rumänischen Knesen in den
Adelstand des Königreiches vor 1366 erhoben worden; sehr viele wurden
gegen Ende des XIV. und im XV. Jahrb. geadelt. Der erste mir bekannte
Fall ist vom J. 1326: Karl Robert gibt einem Stanislaus kenezius aus
Marmarosch, für dessen Dienste, »terram Zurduky (heute Szurduk, rum.
Strimtura) iure perpetuo ac hereditarie possidendam«, dieselbe von
jeder Jurisdiktion und von allen Abgaben eximirend, wobei er dem
Stanislaus »omne ipsius terre debitum et coUectam, niore et lege nobi-
lium regni percipiendam.c verlieh 3). Durch eine derartige Schenkung
wurde der Knese adelig, er war kein »jobbagio regalis«^) mehr, sein
Kenezat kein »officiolatus«^); das Eigenthum besass er nicht mehr »sub
Servitute keneziatus« ^j , er schuldete dem König nicht mehr gewisse
»obsequia, servicia ac solutiones«'), wie die übrigen Knesen. Den
Besitz oder die Besitzungen die er bis dahin »sub nomine keneziatus«
terunt iudicare preter tres causas, scilicet latrocinium, furtum et incendarium«
1352 (Hurm. I, 2, S. 28—29). Vgl. die Privilegien, die Elisabeth in den J. 1366
und 1370 den Knesen aus Beregh ertheilt: »Olachi et jobagiones ipsorum«
sollen nur der Gerichtsbarkeit ihrer »doraini« unterstellt sein, »exceptis furto,
latrocinio et aliis publicis criminalibus« (Mihälyi, 1. c, S. 59, 63). Dasselbe
Hecht hatten die deutschen »villici« in der Zips und in der Marmarosch ; Urk. aus
d. J. 1303 und 1315 bei Schwardtner, De scultetiis, Bndae 1S15, S. 148 sq.,
]329 bei Mihälyi, 1. c, S. 8—10.
1) Kemeny, 1. c, S. 297, 306; Hurm. I, 2, S. 241—242.
2) Hurm. I, 2, S. 120; vgl. Kemeny, 1. c, S. 294 sq.
3) Mihälyi, 1. c, S. 6.
4) Urk. aus d. J. 1370; Hurm. I, 2, 165.
5) Urk. aus d. J. 1387; ibid. S. 300.
6) Urk. aus d. J. 1394; ibid. S. 356.
^) Urk. aus d. J. 1394; ibid. S. 354.
Ueber die rumänischen Knesen. 529
inne hatte und die er »nomine regio« verwaltete, erhielt er nunmehr »per-
petuo et irrevocabiliter«, ;)omni eo jure et titulo quo eedem ad nostram
(sc. regiam) collationem pertinere dinoscuntur« ^i. Im Verhältuiss zur
ersten Kenezatssc henkung, wird diese stets »nova donatio« genannt 2^.
Die unter Karl Robert begonnene Verleihung des Adelstandes an
die rumänischen Kuesen setzt sich unter Ludwig I, und Sigismund fort
und nimmt in Folge der wichtigen Dienste, die die Knesen dem König-
reiche in den Türkenkriegeu, hauptsächlich in den südlichen Comitaten
Ungarns: Krassü, Szöreny und in Huuyad leisten, unter den Königen
Albert und Wladislaw und unter Hunyadi als Woewoden von Sieben-
bürgen und Gubernator Ungarns, einen grossen Aufschwung. Unter
Matthias Corvinus wird dieselbe spärlicher. In der zweiten Hälfte des
XV. und zu Ende dieses Jahrhunderts sind die «Valachi nobiles« im
Banat und im Hunyader Comitate äusserst zahlreich 3). Adelig geworden,
pflegten die Knesen aufzuhören Itumänea zu sein; theils freiwillig, theils
gezwungen durch die seitens Ludwig I. getroflenen und von Sigismund
imJ. 142S bestätigten Massregeln, gehen sie, um sich auch fernerhin ihre
Güter zu erhalten, zum Katholizismus über 4). Den Rumänen verbleiben
blos die »kenezii commuueso, die, sei es dass sie den königlichen Burgen,
sei es dass sie den Kapiteln, den Adeligen oder den Stadtgemeinden zu-
gehörten, nun nichts Anderes als Doifiichter sind, »villici seu kene-
zii«^;, "judices vel keneziia^jj »pro tempore constituti«, dem Grundherrn
wie auch ihre Mitbewohner unterthänig, unfrei, da sie jenen ohne seine
Erlaubniss uud ohne vorher das »terragium justum« ^) bezahlt zu haben,
nicht verlassen konnten; sie zahlten einen »census«; für ihre Dienst-
1; Urk. aus d. J. 1370; ibid. S. 167—168. Vgl. »pleno iure« 1387; ibid.
S. 300.
-) Urkunden aus d. J. 1387, 1394, 1439, 1445, 1446, 1447: totum et omne
\ ius regium, totum et omne ins regni ; ibid. S. 300, 356 — 357, 649 — 650, 653 —
' 654, 721 — 722. 727, 731. Vgl. die Schenkungsurkunde an Karapch Olachus
1365, der kein Knese war; ibid. S. 98 — 100.
3) Siehe z. B. die Urkunde aus d. J. 1496 bei Sulyom-Fekete, 1. c.
*) Das Decret Sigismund's aus d. J. 1428 verlaugt, dass die Adeligen
und Knesen in den Comitaten Szüreny und Hunyad (Distrikte Sebes, Mihäld,
Hätzeg) keine Popen mehr auf ihren Gütern unterhalten und dass sie ihre
Kinder katholisch taufen sollen. Hunfalvy, Az Olähok törtenete I, S. 480 —
481 ; II, S. 65.
5) Urk. aus d. J. 1447; Hurra. I, 2, S. 739.
6) Urk. aus d. J. 1543, 1552; ap. Kenieny, 1. c, S. 312.
') Urk. aus d. J. 1407 ; Hurm. I, 2, S. 454—455.
530 J- Bogdan,
leistiing aber hatten sie ein jährliches Entgelt, nach Uebeieinkommen.
Diese Knesen sind identisch mit den »villici« der ungarischen und sächsi-
schen Dörfer (ung, birö^ sächs. Hann) und unterscheidet sich ihre
Rechtsstellung in Nichts von der der übrigen »iobbagiones«!).
Ihr Name (unter der Form cnez oder cJiinez) erhält sich in dieser
Bedeutung bis an das Ende des XVI. Jahrb.; im XVII. Jahrb. ist er j
durchaus, ausser im Banat, wo er sich auch bei den dortigen Serben er- |i
halten hat, mit dem Terminus jade^ Jiidet^ gnide, giudet (iudex) oder
hiruu (ung. birö) ersetzt 2).
Derart werden die Knesen in Ungarn und Siebenbürgen, nachdem
sie anfänglich Dorfbegründer und Dorfhäuptlinge, hierauf erbberech-
tigte Schulzen der Könige und der Grossgrundbesitzer und zuletzt Land-
adelige gewesen, blos Verwalter adeliger Domänen und Dorfgemeindeu.
die im Abhängigkeitsverhältniss von Städten standen ; in den ersteren
verlieren sie sich unter den Hörigen 3).
1) Kemeny, 1. c, S. 297—298, 306. Die Urkunde aus d. J. 1377, auch bei
Hurmuzaki I, 2, S. 241 — 242, ist sehr wichtig für die Stellung der gemeinen
Knesen. Vgl. das Statut des Värader Kapitels 1506 — 1512: kenezii vero tarn
ad ovium quam porcorum praestationeiu astriuguntur iuxta conventionem
factam (Rethy, 1. c, S. 159) und die Resolution des Siebenbürgischen Land-
tages vom J. 1538: villici, kenezii, Valachi presbiteri solvant (sc. tributum ;
Kemeny, 1. c, S. 311—312.
2) Kemeny, 1. c, S. 327 sq.; N. Jorga, Säte si preoti din Ardeal, Bucu-
resti 1902, S. 109, 112, 116, 121, 122, 128, 132, 138, 165; Derselbe, Documente
romtnesti din archivele Bistritei, Bucuresti 1899—1900, I, S. XVI, 24, 29, 91.
96; n.k 64, 76—79, 90, 91, 99, 108, 113. In den Rechnungen der Stadt Her-
mannstadt aus dem XV. u. XVI. Jahrh. kommt, neben der ungarischen Form
kenesio, auch die rumänische: knesio, knesius, knysio, knyes vor; Rechnungen
aus dem Archiv der Stadt Hermannstadt I (1880), S. 131, 182, 207, 208, 215,
221, 222, 233—234 sq.
3) Diese Darstellung stimmt nicht mit der Meinung einiger rumäni-
schen Historiker überein, die geneigt sind, die rumänischen Knesen in Un-
garn und Siebenbürgen als »Distriktskapitäne« oder »Militärpräfekten« mit
adeligem Range und politischen Functionen aufzufassen. N. Densusianu,
Chinesiatul familiei Bäsärabä din tara Hategulni, in der Revista p. istorie,
archeol. si filolog., Bucuresti 1902, S. 50 sq. Vgl. desselben Revolutiuuea hu
Horia in Transilvania si Ungaria, Bucuresti 1884, S. 45 sq. Besser hat die
Natur des Kenezats Xenopol verstanden, Istoria Rominilor I (1888), S. 503 —
505. Unter den ungarischen Historikern hat sich, nach Kemeny, mit dieser
Frage am eingehendsten P. Hunfalvy befasst: die Rumänen und ihre An-
sprüche 1883; Neuere Erscheinungen der rumänischen Geschichtsschreibung
Ueber die rnmänischen Knesen. 531
Eia ganz anderes Loos hatten die Knesen in den rumänischen
Fürstenthümern. Mit diesen, unter den rumänischen am wenigsten be-
kannten Knesen werden wir uns auf Grund eines neuen Urkundenmate-
rials eindringlicher befassen müssen.
Man hat vermuthet, dass die alte rumänische Institution des Kene-
zats auch in den beiden rumänischen Fürstenthümern im Süden und Osten
der Karpathen bestanden haben müsse und dass dieselbe in der Wa-
lachei und der Moldau eine von den Gründern der Fürsteuthümer aus
Ungarn mitgebrachte Einrichtung sei ^). Diese Vorstellung ist eine nur
zum Theil richtige. Sie sind in den beiden Fürstenthümern südlich und
östlich der Karpathen ebenso alt, als auf den nördlich gelegenen Ge-
bieten: hier wird jedoch ihrer selten Erwähnung gethan, wie von
Allem was das Dorf leben anlangt; die meisten fürstlichen und Privat-Ür-
kunden, vom XV. Jahrh. angefangen 2), beziehen sich auf die den Bo-
1S86; Az Olähok törtenete I--II, 1894. Letzteres Werk, worin auch die Stu-
dien Solyom-Fekete's resumirt sind, — ausser der oben citirten über das wa-
lachische Incolat iu Hunyad ist noch besonders hervorzuheben: Väzlatok az
oläh-kenezi inteziuen}- t<>rtenete s ismertetesehez, in denselben Jahrbüchern
A huuyaclmegyei törtenelmi es regeszeti tärsulat Ovkünyve), II. Heft, Arad
1SS4, S. 14 — 37 — enthält ein sehr reichhaltiges Material. Ilunfnlvy's und
Solyom-Fekete's Ansicht, dass die Knesen einfache Kolonisationsunterneh-
nier waren, die Wlachen vom Süden nach Norden mit sich brachten, ist als
£ranz verfehlt zu verwerfen. Ein Auszug aus Hunfalvy's Werken gibt Jancsö
Henedek, A romän nemzetisegi törekvusek törtenete es jelenlegi ällapota,
Budapest 1896, I, S. 225 — 2.53. Mehr oder weniger werden die rumänischen
Knesen in den Schriften über die sogenannte rumänische Frage oder die
Siüzer-Roesslersche Theorie berücksichtigt. Die Bibliographie dieser Frage
wurde zuletzt vollständig von D. Onciul in seiner Broschüre: Kominii din
DaciaTraianä pänä la intemeiarea principatelor (Chestiunea rominä), Bucure§ti
1902, gegeben.
1) L. Pic, Die rumänischen Gesetze und ihr Nexus mit dem byz. und
slav. Recht, 1886, S. 17—19. — A. D. Xenopol, Istoria Rominilor I '1888],
S. 503 sq., II ;1S89), S. 229 sq. — D. Onciul, Originele principatelor romine,
Bucuresti 1899, S. 86 sq., 134 sq. — Vom juridischen Standpunkte, ver-
ständnissvoll aber ohne neue Daten, J. Nädejde, Din dreptul vechiü romin,
Bucuresti 1898, S. 102 sq. — Speciell über die moldauischen Knesen, R. Ro-
setti, Despre clasele agricole in Moldova, in der Rcvista nouä, I. und II. Jahr-
gang (1888— 1S89): eine sehr gute Arbeit. Ich übergehe die minder wichtige
oder werthlose Litteratur, wie z. B. Zanetov, Bi-lgarskoto naselenie v-b sred-
nite vekove, Ruse 191)2.
2; Urkunden aus dem Ende des XIV. Jahrh. gibt es sehr wenige und in
denselben wird kein einziger Knese genannt.
532 J- Bogdan,
jaren gehörigen Liegenschaften, auf Schenkungen, Käufe und Tausch-
fälle. Wenn aber dennoch von ihnen in den Urkunden eine Erwähnung
geschieht, so wird fast nichts über ihre Attributionen gesagt, auch wird
ihre juridische Situation den anderen Klassen der Bevölkerung gegen-
über nicht präcisirt, wie wir dies in Ungarn gesehen haben. Eines er-
gibt sich jedoch mit Sicherheit aus den moldauischen und walachischen
Urkunden: die Knesen können hier nichts als Dorfrichter sein. Dies
zeigt 1) der Name Jude in der Moldau, judec in der Walachei, 2) der
Ausdruck y«<c/ec?V, gebraucht in der Moldau, um den Kreis zu bezeich-
nen in welchem der Richter (rum. Jude) seine richterlichen und admini-
strativen Befugnisse ausübte; 3] der Ausdruck vatatnan^ der sich seit den
ältesten Zeiten, ebenfalls in der Moldau, im gleichen Sinne mit dem
cneaz und dem jW/e vorfindet, und von dem wir aus den späteren Ur-
kunden mit Sicherheit wissen, dass er den Richter und den Verwalter
des Dorfes bezeichnet, wie der der nvorniceitn oder »vornicu'i der spä-
teren Zeiti).
*) Das Wort vataman scheint von den galizischen und podolischen Klein-
russen entlehnt zu sein, bei denen es sich unter den Formen ataman, otaman,
vatamcDt, votaman vorfindet und nicht nur »Kosakenhäuptling, Kosakenober-
haupt» (Miklosich, Freuadwörter S. 75, Etymologisches Wörterbuch S. 5) be-
deutet, sondern auch »Dorfschulze« : villicus alias cywan seu watman [watta-
man] z. J. 1456 inPodolien; Bantkie, Juspolouicum, Varsaviae 1831,8.293. Für
das XVI. Jahrh. sehr oft belegt, z. B. in dem Vertrage Sigismund's I. mit dem
moldauischen Fürsten Stefänitä vom Dez. 1519: pan ktori, abo ziemianin, yle
urzednik loataman; pan ziemianin, abo urzednik icataman u gymieniu; urzed-
nici, voitowie y watamanotvie gdzie pan swa glowa nie mieszka w gimieniu ;
ma pan sam przisiadz, a wata77ian samotrzec (Archiva istoricä a Rominiei II,
S. 2sq., aus den Acta Tomiciana V, S.90— 93). Vgl. »wöjtowie, watamani alho
tywonowie przysiegac beda na sprawiedliwe oddanie poboru z dom6w i phi-
gow« in den Volumina legum, ap. Linde, Slownik, s. v. wataman. Man findet
das Wort auch bei den Grossrussen. Sreznevskij citirt es unter der Form
BaTaMMaHt, BOTaMani. aus einer Dvinaer Urk. vom J. 1294 und aus zwei Ur-
kunden des Klosters Troickij Sergijevi von den J. 1448 und 1477: a hg
csAUTH uxt cxapuoBi. ceprieBCKHXi, hii hxx BoraMaHOBX, hh hxt. ocHaiCBt; Ma-
terialy dlja slovarja dr.-russk. jazyka. St.Peterburg 1893, col. 231. Linde
und Sreznevskij bringen es in Verbindung mit vataha, vataga, das auch bei
den Rumänen vorkommt (Ipat. letopis) und sich aus Urkunden von 1294, 1340,
1446 belegen lässt: ein Wort tatarischen Ursprungs (tat. vataha »Menge,
Fischergenossenschaft», Miklosich, Etym. Wörtb.;. Nach Miklosich ist wata-
man aus dem deutschen Hauptmann herzuleiten, »woraus zunächst hetman«:
eine Etymologie, die auch Cihac, Dictionnaire d'etymologie dacoromaine,
lieber die rumänischen Knesen. 533
Die Knesen werden fast ausschliesslich in den Dörfern, die zum
Krongute gehörten, erwähnt, es sind dies jene, welche der Fürst den
Bojaren oder den Klöstern, mittelst der Formel »wo cneaz, Jude, vataman
der und der gewesen« oder «ist«, »wo der und der wohnt (haust)« oder
»lebt«, »wo der und der gewohnt hat« oder »gelebt hat«, «wo der und
der eine Dorfniederlassung errichtet hat«. Die Klöster oder die Bojaren
behielten zuweilen die »cnejii, juzii und vatamanii« auch fernerhin als
ihre Vögte; in den allermeisten Fällen jedoch verschwinden sie nach er-
folgter Schenkung seitens des Fürsten, zuerst in den Dörfern, woselbst
die Bojaren ihre Häuser oder Höfe (^VOM'Kl, ^Kopivi) hatten, hierauf in
den übrigen: darum wird ihre Erwähnung immer seltener, gleichzeitig
mit der Verminderung der Krongüter.
Als Krongutsbeamte geschieht der cnejit schon im XV. Jahrh.
äusserst selten Erwähnung — der letzte mir bekannte Fall ist aus dem
J. 1502. Vom XVI. Jahrh. an treffen wir in den Urkunden nur «juzi,
vatamani, vornici und vornicei«^).
Ich werde im Nachstehenden die Hauptbelege vorführen, auf die
sich die obige Meinung gründet, und zwar zuerst für die Moldau und
dann für die Walachei. Dieses Material hat nicht den Anspruch voll-
ständig zu sein, da wir edirte Urkunden wenige besitzen, während die
unedirten sehr zahlreich sind und ich nur einen kleinen Theil derselben
(in dem Bukarester Staatsarchiv und in der Bibliothek der rumänischen
Akademie) zu Rathe ziehen konnte.
1. KH/ft3K. 1414, Aug. 2: DerWoewode Alexander schenkt seinem
treuen Vasallen, dem Bojaren (naH Toader Pitic, drei Dörfer: 6^\nno
CfAO \\\ KOBklA'k r,V,f Mi> «CT A'''*f-"^, ''A* fCTk KKIAk K'kpHUJk
CTaMHCAaBk, a ,\.P^roe ctAO na ov'ctih JKfpaKH'K, r^f ^na^atTk
Elements slaves etc. 1879, S. 137, angenommen hat. Die Betonung wider-
Bpricht aber dieser Erklärung: im Klcinruss. wird oTaMäui. (wie im Rumäni-
schen), im Weissruss. aiaMaHt betont Zelechowskij, Nosovic).
1 Vgl. z.B.N.Jorga, Studii si documente cu privire la istoria Rominilor
V, S. 84 (c. 1650). 225 ;1699 \ 396 fl5S6;: vatamani; S. 111 (1788), 423 :1783):
vornlcei; S. 109 (1757) : giuzi domnesti Ri boiare^ti. — Melchisedek, Chronica
Husilor, Bucuresti 1869, S.33 4629, 1676), 44 (1747), 54—55 (1676). — Wicken-
hauser, Molda II, S.6 (1747). — Uricariul XVIII, S.3Ö3— 364 (1805). Vgl. ibid.
IV, S. 2 : .si vornicii si vatamanii satilor sä fie scutiti, si ei sä stringä banii §i
sä-i deie la zapciul ce va fi riuduit (1752) und Neculcea (Chronist aus dem
XVIII. Jahrh.) bei Kogalniceanu, Cronicele Rominiei, II. Ausg., S. 281 : »vor-
nicii. vorniceii, vatamanii« der Dörfer.
Archiv für slavische Philologie. XXV. 35
534 J- Bogdan,
Ha Kp'kAa^, Ha hm£ r^\e KUAh. ahe h i],HraHci|i'iH kh/ABOkc, a
Tprn'f c(ao na Kp'kaaA'li rA« ^^ «ct aP^''"^ A*''*Mk, r^e «CT
TaMaiiiK H HKaHk KHiÄSOKf (Im Privatbesitze). Aus demselben Jahre
und vom selben Tage haben wir eine Schenkung des Alexander an
Sandrnl, betreffend das Dorf »Muntenii scutasi, unde laste cneaz Litu
si f^erban« (rumänische üebersetzung aus d. J. 1793, in der Bibl. der
Rum. Akademie). — 1427: Alexander schenkt dem Kloster Homer
»ceao r,\( kkia KH/ftSk craH'K« (Pic, Die rumänischen Gesetze, S. 19;
vgl. Wickenhauser, Geschichte der Klöster Homor, St. Onufri, Horodnik
und Petrautz, S. 83 ; R. Rosetti, Revista nouä II, S. 71). — 1428, Juli 24 :
Alexander schenkt dem Sinata drei Dörfer, »eines auf dem Zeletin, wo
sich sein Haus befindet, und auf dem Frumusel, wo Dragos gewesen, und
an der Tiitova, wo Orsat cneaz ist (Th. Codrescu, Uricariul II (2. Aufl.),
S. 252: Cneagorsat, zu lesen »cneaz Orsat«, nach der Vermuthung des
Herrn Dr. G. Popovici). — 1436, Dez. 20: Unter den vielen Dörfern,
die die Woewodeu llie und Stefan dem Bojaren Mihail aus Dorohoiü
schenken, befindet sich auch »ceao noA KapajKHHOM'K, rjK,( chM'Kwh
KH'kS o\f Kfp\"K A^^KpSuJH« (Rum.Akad.). — 1438, Juni 20: Hie und
Stefan schenken dem Vornik Hudici »ein Dorf am Wege an der Mün-
dung des Baches Borodak, wo der Königsrichter (knjas) Michael ge-
wesen« (Wickenhauser, Bochotin, Wien 1874, S. 65; cf.Solkall, S.205;
Wickenhauser übersetzt das Wort kH/ä.3Ii fehlerhaft mit »Königsrich-
tera). — 1487, Okt. 15: Stefan schenkt der Metropolie von Roman
»Aß'S CfA-K Ha HMA nOAlvHa, TAE KHAH KH'kSOBC B'kACtill H
A<»HHiCiA«, beide von einer Nichte des Bojaren Coste Andronic gekauft,
der sie von Alexander dem Guten erhalten hatte. Im J. 1471 spricht
man von einem Dorfe »PA't KHAH kh»3CBE K'KAOQj h a**"^!^'^«
(Melchisedek, Chronica Romanului, Bucuresti 1874, I, S. 134 sq.). —
1502, Febr. 17: Stefan schenkt den Söhnen des Coste Murgoci,
Neffen des Urkundenschreibers (rpaniiaTHK'k) Mihail, »Murgocenii, wo
cneaz Ivan gewesen ist, und mit dem hierzu gehörigen Weiler *), wo
Torontäi war, und in der Turia Bäsenii, wo Basa gewesen, und an der
Jijia Träjoaca, wo lacob vataman gewesen« (rum.Uebers. a. d. J. 1799,
im Staatsarchiv; vgl. Foaia Societätii Rominismului I, S. 395) 2|.
1) Rum. »cu cotunul lor«, im Orig. wahrscheinlich Royii..
^) Auch die Zigeuner hatten ihre Knesen. Alexander schenkt i. J. 1428,
Juli 8, dem Kloster Bistrita 31 qejiiÄi» iiHraHt, an der Spitze mit khäsb KOMaiTB
(Arch.ist.1, 1,S. 121). Vgl. in einer Urkunde vom S.März 1458 von VladTepes
Ueber die ruDiUnischen Knesen. 535
2. /KS,Vf. 140!», Jan. 28: Alexander bestätigt dem Jurj Ungu-
reanul unter anderen Dörfern eines >i\\t «er Hlcr'Kiii'K HiS.Vk« (Rum.
Akad.). — 14 25, Jän.liO: Alexander schenl^t dem Kirclienmaler Stefan
die Dörfer: >>RfpKMiiin|iii 11 (pcMüipH 11 iic>riE(|iH h r,\,f (ctk ;K8,\e
iiauiKO« llurmuzaki, Doe. I, 2, S. 8;{ü; Kahizniacki übersetzt fehler-
haft »ubi Zude Pasco habitat« ibidem S. 837). — 1434, April 24 :
Stefan schenkt an Juga, nnter anderen Dörfern, «MTfi|JH r,\f tCT MH-
KO\'/\a /K©v%i,r' und »Ha Rtpy crpajKHUn'k r,v,f «ctk /k8,\,( mh^^-
HAO« (Uljanickij, Material}' dlja istorii liossii, Polbsi, Moldavii, Valachii
i Tnrcii, Moskva 1887, S. 42; Hurmuzaki, Doe. I, 2, S. 853, woselbst
TOpMHTfi|iM fehlerhaft ist . — 1447, Febr. 11: Stefan bestätigt dem
Kloster Moldovita einige Schenkungen Alexander's des Guten, unter
welchen auch das Dorf »r,V< kwa /KS,\,t Kp'kCTi;« (wo der Pächter
Kirste gewesen ; Wickenhauser, Die Urkunden des Klosters Moldowitza,
8. 02; vgl.Solka, S.205). — 1455, Juli 2: Peter schenkt dem Logotheten
Mihail, unter Anderen, das Dorf »na ov'CTi« ncKparli r^\( icr jk8^\(
KKipcTli H ^xaHHya'k« (Uljanickij, Materialy, S.84). — 1487, Dez. 13:
Stefan bestätigt den Verkauf eines Dorfes, das Stibor von Alexander
dem Guten erhalten: )>f,A,HO c«ao Ha Kp'kAa,v, r,\( kha '^^,\( köA<*
H ,i,p'hrc>K', wea }K8,i,fMmaf « (Kevista p. istorie, archeologie si filolo-
gie I, S. 369 — 370). — 1517, Nov. 9: Stefanitü bestätigt dem Vistiernik
Gavriil neben anderen zwei Dörfern ))MH\'aHAOiiU,M r,v,f kkiak iKS,\t
fiiTpHHKa« wahrscheinlich nfTpHKa zu lesen; Dr. Orest Popescul,
Citeva documente moldovene, Cernäuti 1895, S. 23; vgl. Wickenhauser,
Woronetz und Pntna, S. 191. Ein solcher »Jude« scheint auch »Kp'kCTli
ytJ^VfH . . . WT KaAOMHpfijiia zu sein, der als Zeuge in einem Akte
der Metropolie von Roman aus d. J. 1586, Jan. I 3, fungirt (Archiva isto-
ricä a Rominiei I, 1, S. 134) ^).
3. BaraMaH'K. 1421, Dez. 25: Alexander schenkt dem Bogus
das Dorf ))K\'H\'pOB'K r^\( kkia BaraMaH repMAHu (Uljanickij, Mate-
rialy, S. 27). — Im J. 1423, Apr. 15, ist ein KtpHra KaxaMaH in einem
herrührend: KHesb auuraHCKu (Venelin, Vlachobolgarskija gramaty, St. Peter-
burg 1840, S. 91).
ij Richter (juzi hatten auch die Zigeuner. Im J. 1448, ,Iuli 13, schenkt
derWoewode Peter dem Ivan Porca »mirauu ua umI; ciiuan. 11 iiuKs.ia ;ksä6 u
iiaHx H ^p^ÄIO H KocTf.« und noch einige andere Zigeuner (Rum. Akad.}. Sie
trieben die Abgaben von den Zigeunern ein (Melchisedek, Chronica Husilor,
Bucuresti 1869, S. 80: Urk. von 1711;.
35*
536 .!• Bogdan,
Dorfe neben Baia erwähnt, der Grenzstreitigkeiten mit den Söhnen des
Bojaren Rotiimpan hat (Hurmuzaki I, 2, S. 835 — S3ß; Kaiuzniacki
übersetzt fehlerhaft «capitaneus«); der Vataman verwaltete gewiss ein
Krongut. — 1436, Juli 17: Ilie schenkt dem Logotheten Oancea
das Dorf »npoKOiiHHU,!!, r,\f bkia'k npoKcni». h BacHAk ßa-
TayaH H CK MAHHOM'K« (Hurm. I, 2, S. S70). — 1455, Juli 15:
Stefan schenkt dem Logotheten Oancea unter anderen Dörfern »Ha
KOMHaBli no/iOKHHa cfACt rj\,( ecT naujKO KaraMaH'K« (Uljanickij
S. ()7). — 1473, Jan. 8: Stefan bestätigt dem Kloster Moldovita die
Hälfte vom Dorfe Ostäpceanii in dem Distrikte lasi, nämlich den unteren
Theil, »wo Ostapek der Vataman von Turia gewesen ist« (Wicken-
hauser, Moldowitza, S. 68; vgl. ibid. S. 77, eine Urkunde vom 4. Febr.
1522, publizirt im Original im Uricariul XVIII, S. 91: »OCT'knMaHH
C»Y TOlfP'" ^A^ KWAI». KATAMaH WCTaRKO«). — 1519, Juiii 30:
»Stefänita bestätigt einen Dörfertausch; darunter wird erwähnt: »t^HO
cfAW 3a npSTCM noA ,\eß\Mii\un, r^f bkiah ßaTaimaHOKE KaAH-
yan H lüKHM H aSkam« (Arch. ist. I, 1, S. 86). Dieselben Vatamane
sind in einer Urkunde vom J. 1517, Jan. 17, resumirt von N. Jorga.
Studii si documente V, S. 550, erwähnt. — 1603, März 27: Eremia
Movilä bewilligt dem Kloster Pobrata und »B'kT'kMaHOKfMi wt C(A0
KTvAlvHH WT KOAOCT Knr'kHCKOrjlS(f, dass sie aus fremden Ländern
Leute ins Dorf zusammenbringen und befreit dieselben durch 3 Jahre
von Steuerleistudgen (Arch. ist. I, 1, S. 117). — 1631, Aug. 9: Moise
Movilä schreibt an den Vataman und die Dorfinsassen von Losna, dass
er das Dorf dem Kloster Solka geschenkt habe (Wickenhauser, Solka,
S. 96). Vatamanen im XVL — ^XVIIL Jahrh. sind in fast allen moldaui-
schen ürkundensammlungen erwähnt: z. B. Wickenhauser, Moldowitza.
S. 86, 99, 140 (aus 1570, 1608, 1755); Jorga, Studii si Documente Y,
S. 84, 225, 396 (aus c. 1650, 1699, 1586); von ihnen ist auch in den
Chroniken die Rede^).
4. Bedeutend häufiger sind im XV. u. XVL Jahrh. die Fälle, wo
der Dorf Verwalter bloss dem Namen nach erwähnt wird, ohne einen der
drei Attribute cneaz, Jude oder vataman; es versteht sich von selbst,
dass in allen diesen Fällen auch von Bojaren die Rede sein kann, die die
1) Vatamanen hatten auch die in der Moldau ansässigen Tataren. Im
J. 1442, Mai 8, befand sich unter 9 Tatarenhäusern, die dem Kloster Pobrata
geschenkt wurden, ein tma BaxaMaH (Arch. ist. I, 1, S. 123).
»
Ueber die rumänischen Knesen. 537
betreftenden Dörfer vor der neuen Schenkung zu eigen halten: die
Knesen werden uns am sichersten durch die bei Bojareii nicht üblichen
Nameu angedeutet.
14U0, Febr. 11: Alexander gibt Dan, dem Zöllner (uhthukk),
0 Dörfer, unter denen )>rJKOK(i|riH r,vf u'H^iiKaAH läKCKk CA'kiiaro <
(nach einer Photographie der Kum. Akad.). — 1 loS, Sept. lü: Alexan-
der schenkt der Kirche der heiligen Paraskewa (Sf. Vineri) in Roman
zwei Dörfer, von denen das zweite »fCT'K 3a MOA,v,aKOK> r^\( kkia'K
Kpa'ryA'K« (Rum. Akad.). — 111.'), April l'A: Alexander schenkt dem
Kloster Homor ein Dorf )) HA Kp'K\-k coaohh/A i\\( (cv kkiak ta-
TCMHp'K H ii(i'KT/Ä" und auferlegt eine Strafe SAK/ACKÖ) von iid Silber-
rubeln ) rkuk i|ic> TOf cfAO ^vp'kikaah h ,\,kT«r.r it k-kccmS po,v^
HY«, sobald sie um des geschenkten Dorfes wegen einen Rechtsstreit an-
strengen (Rum. Akad.). — 1423, März 12: Alexander schenkt dem Batin
drei Dörfer an der Putna, eines »r^e füS fCT .V, '''''■••*> Api»'''^« ''A«
KKiAk ASnuj{. Tprr«f r,i,e fCTk Kpo.v, ha iiSthoh < (Rum. Akad.). —
1427, Sept. 16: Alexander schenkt den Söhnen des Protopopen Simion
»[rpiM I.VfHIH HA Ki>ll,HTHOH r,\( RhJA'k KpAT^A'k« (Rum. Akad. :
auf der Rückseite der Urkunde befindet sich die Anmerkung: );Tri-
midicii pe Cutätna la Vasluiü«). — 1429, Juni 1: Alexander schenkt
dem Onica ein Dorf an der Jijia «unde este casa lui« (Uebers. aus dem
J. 17S7, bei der Rum. Akad., mit der Anmerkung, dass die Urkunde
das Dorf Oniceanii betrifft; Onica scheint ein Knese gewesen zu sein).
— ■ 1 129, Juni 19: Alexander schenkt dem Dan üncleata sechs Dörfer,
unter denen eines >r^( KUtX'K bahi^Ac (Rum. Akad.). — 1431, Febr. ü:
Alexander schenkt dem Kloster z. heil. Nicolai (Pobrata) den Ort y>rji,(
BklAli, Y^KA H CTv CfAWM'k H CK MAHH H C(AHl|IEM'k WT HHKH.V,^»
(Staatsarchiv). — 1431, Juni 15: Alexander schenkt dem VornikCupcici,
unter anderen Dörfern «noA'kHÖ rj\,( RkiAiv ^VAH'ktf (Rum. Akad.). —
1432, April 2S: Ilie .schenkt der Matusita ein Dorf an der Plotunita »HA
HM<A r^e KkiA H'fero« r'kHfCKOV'A« (Rum. Akad.). — 1433, Febr. 26:
Ilie gibt dem Vornik Dan das Dorf Tama.swr.Vf Ki'kiA'k] nerpHi^Ti« (Rum.
Akad.). — 1434, April 24: Stefan bestätigt dem Popen Inga »HA T\,--
TOBt Aß1^ CfAA. r,\( KTk MHKA/A WT KAyHV,' H TA« «CTk KA-
AAnik U'T CTpkiMKA«. hierauf Buciumenii >)r,\( uy i ,\^i\'h.i', eine
<Jde Stätte am Baseü und »ceahi)JE ivi^fAOBo; a yoT'^P'K cjah^jh h
nOl'CTHHH KOAKO EkSMOryT-k WIKHBATH .Vß**- CfAA A'^'^WT'ka
(Hurrauzaki I, 2, S. S52]. Die zwei Dörfer wurden dem luga seitens
538 J- Bogdan,
Alexander's des Guten am 1 I.April 1431 als Erbgut geschenkt: »\ea
CtAA Ma HM/A MHKA/A WT Ha^HV "^* T\-TOR'lv II RaAaH'k WT
CTpKIMKa, IIIOKkl <M\- ICCT OlfpHK'K Hf IIOpyilltHO H llO^l, O^pUKTk
,\a C/Ä H( Ji,A^\\f'r'W HHOM\* HHKOAHJKt Ha ß'kKH, H ^\A Ct\\')(A-
fCT-K Hac, a HMTv c^^fH'!». ,\i\ Hi HMai<M"K(( ibid., S. S38). Im
J. 1 435, Dez. 7, bestätigen die Söhne Alexander's, Ilie und Stefan, dem
luga, jetzt Protopope, unter Anderen, die Dörfer: »na o\fCT"ü CTy-
.A.fHU'K rj\,i KKIAH TfU(lUH\lH WKlv MaCTH KSTKI, H Ha 'i'YTOK'fe
rj\,t fCTk MHKa/A WTK Ka\'Ha, h mokkiluc na oycTÜ cip'KMK'k
rj{,( fCTh, caaaH'K, h rjs,( tcTh Kaps'h, CTaH'k h cTaHMica Ha
ßp'kX"K CTp'kMK-k U'K'K JKi^A*^'*) ... H Ha KOHOßHUSy P^,« fCTk
MHyaHao KOAHMk« (ibid., 8. 86S). Im J. 1439, Juli 2, bestätigt
Ilie dem Protopopen luga die Dörfer vrjk,( RkiA'k rjiHyaHAO KCtAHMTi,
H Ha CTpklMKlv r,\,( KklATv RapC'k, CTaH'k ORA MaCTH, . . . H
r^f ecTk RaaaHiv h mhyhIv wt Ka\'H'k, m na oi'cth CTi>,A,fHna
TCMElJJEljJH r^\( RklAH C»Ra K\|-Tkl, . . . H r;V,f ICTk TOA^pi»^ IHWK-
3an,H (ibid., S. 876). Stanciul, der in der Urkunde vom J. 1435 der dritte
»Jude« in den beiden »judeeie« an der Strimba ist, fehlt hier, in der L,
»judecia« des Balan hingegen findet sich Mihnea statt Miclea vor. — 1
Vgl. noch: ein Dorf an der Bogdaua «r,!,« fCT RaaaH'k h cwh'K ^pa-
JKaHOß'k(( und eines auf dem Chigheciü »Ha noTOKTv Kp'kHHi|,aM'k ji
rjK,( RkiA'k wana aARÖA'k« 1436, Juni 13 (Rum. Akad.); »CkCkHH '
r^f HiHßfTk AaO^P'k« und ))AO\fKaHH na HM/AT^I,« RkiA'k HtpMHklH
lora« 1443, März 6 (Hurmuzaki I, 2, S. 880): das Dorf Säseanii wird j;
von dem Bojaren Boldur verkauft, Laur war somit »jude'f oder »vata- '
man« desselben; »ctAHLjJE r/k,e RkiAk KAHa RfpRHMf, h r,\( RkiA'k
iptMfH, . . . H r,,\,f RkiA'k RtipKHUJ'k, H HOHH^KC rj\,( RkiA'k \'0;i,C»p
Ri>pHi>K'k(( 1443, Mai 30 (ibid., S. 884); »CfAa Ha Rp'k.SfTli na HM-k
r^f «CT M\'HKa CTaH'k h rj^i RkiA'k H\*HKa ;K\'p;K'ku 1445, Apr. 5
(Uljauickij, S. 66); zwei Dörfer »na Hiufk r^( RkiA'k ;\p'kr\-urk
TAMeUJ'k HA OyCTH« CT^'^i.fHUa, H T^f RkiA'k CTAp'klH T/AMflll
nn'p'k noKkiiu« 1447, Sept. 22 (ibid., S. 71); ein Dorf »r^e «er
non A^Ma« 1451, Dez. 21 (Rum. Akad.; Original und Uebers. aus dem | j
J. 1775): der Pope Duma verwaltete das Dorf als »Jude«; zwei zum
Krongut gehörige Dörfer: »WT HaiiiHY CfAa\' (sagt der Woewode) . .
Ha HLi'k r,\t RHA i\)(T( HA Ror^\,aHa, h e,\,iic\ ccAHi|ja ... na Hyk
rj{,i RHA wanajVT MC«Hiua(( 1448, Apr. 5 (Archiva Societätii stiiu-
tifice si literare din lasi I, S. 375; tibersetzt fehlerhaft »wo der Brunnen
Ueber die lumUnischen Knesen. 539
des Bogdan gewesen ist«/; «HriRpK'ryiC' m^ct ct,\a Hi\ Tyrou'k Ha
HM'k (j>a8p(l|IH r,Vlv KHA craUKO i> HIKKHSK» C'l'OpOHi>> 1492,
März 14 (Uricariul XVIII, S. 439); nf,\,iiHO cfAMi|i{ na noyTHOH Ha
MMlv K'kaiv r\( KM,V MKiKiX'KCV'ink KaTHHa« 1498, Nov. 26 (Re-
vista p. ist., arch. .^i tilolog. V, S. 393;; »Ha <I)pSMOmHi|,'k cfao r;i,(
Bkia <I>aaHHH hhh;« an^vpiMiiiaa 1503, Febr. 2 (Sammlung i.ukasie-
wicz im Musenm Rumjancov, Moskau); wnoaoKHHa c(i\Mi|i£ na ck-
paTH noR'Kiujc iii8p,\,fipH r,\( kkiak MtKura h iia^aku ir>h),
Mai 27 iUncavinl XVIII, S. 124); «ctao Ha iipS'rk r,\k kkia i|if4])aH
HOpHiH« 1554, Apr. 30 (Zapiski Odesskago obscestvall, S.5G4); »j!^E'k
cfA-k Ha raaaH-k r,v« kha poMan KA'kH.vi>A na ckpar-K, h ,\,P^'''>«
CfAO i\\f KHA \-ÜcSA(( 15G1, Juni23 (Uricariul XMII, S. 159,.
Von gi-ossem Interesse ist die Urkunde aus dem J. 1430, Dez, 2<),
mittelst welcher die Woewoden Ilie und Stefan dem Bojaren Mihail aus
Doroboiü eine Anzabl von Dörfern bestätigen, die dieser durch die
ihnen und ihrem Vater Alexander geleisteten Dienste erworben hatte ;
unter diesen: y>c(,\(^ r,\( kha .vparoMHp MkH^vpHHHH'k, . . . cfAO
r^€ mH3K0 KHA, . . . CfAC» l\\( KHA MAAHM OV •a;i>p:KHKH , . . .
CfAO r,\e HfTpHUJOp'k CH,V,HA, . . . CtAO HCt^V, AkH^KOM l\V,* AP*»"
rOMHp-K CH^HT, . . . CfAO r,\( KOX'C'kp'k KHA, . . . CfAC» r,\( KApa-
r\|-HHHfßf. . . . CfAO r,\t HOr^HKOH H CtAO r,\( KHA K-V'kUHH'K, . . .
ctAO r,i,f pocnon, . . . c«ao r,\,f npKHH, . . . c«ao no,v, Kapa^iH-
HOM'K, rj^i CHM'kWH KHk.3 Ol' R<p\"k A*>Kp^'"H- ^^'^^ H^»
ßfp\"k pf3HHkI l\\,( UHraH'K CH^HT, . . . CtAO OV' HHJKHIH MOia-
THH r,V« HHKHTA, H CfAO r,V,6 rpaKOKH,H CH,V,/AT, Ol' KHHIHIH
KOHHI,!! K^AHCEKA, r,\t pa,l,8A CH^HA, fljl« C(,\\il\ll l\\( CTAß HO
EaroiikJM pwroM, r,\i chah khah hockokh c(ki HOKf, n|i£ ceahl||{
noivv M'krdTHHaMH i\\i pov':khh cH;k,HT, h ov; ßHUJHiH momthh
ccAa i|JO KH-krHHHHa Kkiaa, h oy rpaKOßH ceao rj\,e cran ch^ht,
H Ol' ßHUJHIH KOHfU'k PpaKOß Ha KaHIH r,\( Ma*«H CH,V,HT, H
no^V BHCOKOW ^voKpoßOK» r,v,f MHKAoyuj'k CH,\,HT( Rum. Akad.).
üragomir Miindricin, Sizko, Malici, Cusear und alle anderen, mit deren
Namen die Seitens der Fürsten geschenkten Dörfer bezeichnet erscheinen,
sind gewesene oder gegenwärtige Knesen, Richter (juzi) oder Vatama-
nen, die Krondörfer verwalteten, und die zum Theil diese Dörfer auch
nach der an den Bojaren Mihail erfolgten Schenkung zu verwalten fort-
fuhren; einige sind der Apanage der Fürstin entnommen oipo KHl^rH-
HHHa KkiAAn); in allen ist nur ein »Jude« angeführt, mit Ausnalime
540 J- Bogdan,
der Dörfer, wo Grabovci, Karaguniceve und die Söhne des Nosco
sich befanden '). Derselbe Sachverhalt lässt sich auch aus den oben
angeführten Urkunden des Protopopen luga feststellen.
Aus alledem ist zu entnehmen, dass die Dörfer zu je einen oder
zwei »juzi«, selten mehrere hatten: die meisten unter denselben schei-
nen in zwei Theile getheilt gewesen zu sein, die man r,judecüii (h;ov'-
/l,fHiH pl.) nannte: ein Ausdruck, der ab und zu bald mit MacTk, bald
mit KOifT'k abwechselt ; letzteres hat sich bis heute in einigen
Gegenden [cut^ pl. cuturi in der Bucovina) erhalten, und hat mit »ca-
tun« (KaTorHii) nichts zu schaffen. Vgl. TfMfLueqiH wk'6 nacTH
iKSA^^if 1434, Apr. 24; TtMfmtijiH wk1v sacTH kStki 1435,
Dez. 7 ; bca'KMCLijh WKd :ko1|'a*^'h 1436, Juli 24 (Columua lui Traian
VII, S. 501 — 503; vgl. Jorga, Studii si documente V, S. 3); kutclijh
rj^i «er MHKnbk h iiAirauik WKli HiS^i,fMif 1435/36, Aug. 20 (Rum.
Akad.); 3a npSTCMk npOTHRTv noAOA'RH'K OK't Korrki, h iio,v
KOlfKOKHHOK» "/iiHr'kpliHIH OB'S H;i>Af^'"; »'^^ CTpkIMKiv l'^k.« BklAlv
KapETv, craHTk ok/sv nacTH 1439, Juli 2; Ha KpaKOKt: r^t kwa
cac ^AW H ^i\y\ ... vvRlv jkSa*^'" (Arch. ist. I, 1, S. 74); H\-iui'kA«qiH
OKA K\'Tki H CK lUlAHHOM'k 1445, Febr. 18 (Uljanickij, S. 65); Ha
oycTie noKpaTli r,A,f «ct 'iW'Sj^i KkipcT-fe h ^annyAT». 0K15 Hcy-
^«mYh 1455, Juli 2 (ibid., S. 84). Ein seltener Fall sind drei «judecii'',
wie in der Urk. aus d. J. 1453, Juli 20: C£AO KtpH^KAHt 0\"CH TpH
K^fTkl (ibid., S. 81), oder in jener vom J. 1519, Juni 30, wo ein Dorf
mit drei Vatamanen vorkommt (siehe oben).
Das Wort «judecie« (/KO\f^eM"if, mit Artikel >KO\|%l,fH"i/A, -s'ia) in
den moldauischen Urkunden entspricht genau dem C0\f^l,kCTB0 in dem
Diplom des Stefan Nemanja, dem »kenezatus« der ungarischen, dem
»knjaztwo« der galizischen, dem »Judicium« oder «judicatus« der nord-
ungarischen Urkunden 2). Es bedeutete anfänglich «das Amt, das Kecht
1) In einer Schenkung Stefan's aus d. J. 1491, Febr. 26, wird das Dorf
»TAe 6hj[ hocko« erwähnt (Staatsarchiv).
2) »Ville regalis dicte Macowa scultetia alias knijasztwon in einem Diplom
aus d. J. 1464, Mai 2 (Akta grodzkie i ziemskie VI, S. 86). Cf. Stadnicki, 0
wsiach woloskich, S. 8, 25, 35,63. — »Judicium seu villicatus« einer »villa« im
J, 1297 (Schwardtner, De scultetiis, S. 28); »scultetia aeujudicatus» i. J. 1459
(ibid., S. 156), was anderwärts »officium judicis« genannt wird (ibid., S. 39,
1465). Im J. 1393 wird einem »scultetus«, auch iudex genannt, ein »iudicium
cum duobus laneis et libera curia et una taberna, tria molendina« verliehen
(ibid., S. 37). »Villicatio« wird in demselben Sinnegebraucht(ibid.,S. 148, 1303).
Ueber die rumänischen Knesen. 541
zu richten«, »das Recht ein Dorf als .judec' zu verwalten«, späterhin
hat es den Sinn «terra iudicis« angenommen. Es ist dies eine alte ru-
mänische Wortbildung aus »/W/^'c«, die Dublette des )>/wf/e«, mit dem
Suffix -ie (lat. -m), gerade so wie aus domn-domnie, impärat-impärätie,
cneaz-cnejie, staroste-stärostie, baciü-bacie u. s. w. In allen diesen
Wörtern ist der Sinn der Amtsthätigkeit, der Funktion der primäre, der
der territoriellen Ausdehnung der secundäre ^).
Diese ursprüngliche Bedeutung des Wortes beglaubigt uns wohl,
allem Anscheine nach, nachstehende moldauische Urkunde de dtto Su-
ceava, S. Okt. 1434, die Einzige, in welcher r>judecie^( im Sinne eines
Amtes, einer Funktion gebraucht erscheint. Mittelst dieser Urkunde
schenkt der Woewode Stefan dem Jurj Atoc auf Lebenszeit die »judecia«
eines Dorfes , woselbst vor ihm Fat und Ilie Richter gewesen waren :
das Dorf lag aller Wahrscheinlichkeit nach im Jassyer Distrikte :
)). . . UKI CTf<I)iVH'K KOfKO.Va . . . HHHHMO 3Hi\MfHHT0 . . . OJKt
TOTKI HCTHHHIH ;KOyp:KK aTOKK .yaAH «CMH [fUS f,V,HO Cf AOl 2)
Ha RKpY'K capaT'k r,A,'k ec[T] /KOi;,\,f (IrkTT^ h hau, ,\,a KC»v',\n"K
HM'I». HiOyAf Hl/Ä OrpHKTv H MO,V OV'pHK'K \\ C/A Hf A**^ '•'
HHKOMOV', a HH'K C Oy ,1, « H, '"^ '^j A'* "* MLiaK-T, paSlilv \A AP'"^"
jKar'K WT Hauiero a^'^P'* wt /äck^). TaKOH^V« A'» Kov'AfT'k
H A'^Tf'-''»^ HV»^ " KpaTiaü H\-'K 11 ov'HO\'MaTC»LrK MyTv H iipaov;-
HoysaTor-rk h\"k m KkCfMov; pOAOv; h\-'k na irkKKi ii MfiiopS-
iu[e]Ho; a yoTapiv a^^ '-'*>V KoyAfT'i^ "«^ crapony* \-ctTap\*«
(Zapiski Odesskago obscestva II [184S], S. 562). Diese Urkunde beweist
1) Cf.Hasdeü, ColumnaluiTraianVII, S. 501— 503: »acoyÄeiTa-judecia =
Weiler, in welchem ein »judece« oder »judec« amtet. — Die ganz verfehlte
Behauptung des verstorbenen Bischofs Melchisedek will ich übergehen, der der
Ansicht war, »judecie« bedeute »judet, tinut« (= Bezirk, Distrikt) und dass
der »Jude« der Verwalter des Bezirkes, wie der »pärcalab« oder »ispravnic«
der späteren Zeit, wäre (Chronica Romanului I, S. 144 und Revista p. istorie.
archeol. si filolog. I. S. 374— 375). ein Irrthum. der bereits von Gr.G.Tocilescu
in seiner »Revista« richtiggestellt wurde.
2] An Stelle dieser drei Worte hat die Ausgabe der Odessaer Denk-
schriften Punkte; unsere Ergänzung ist jedoch keine sichere, da der Raum
der fehlenden Worte dort nicht genau angegeben wird.
3) Vgl. die S. 538 citirte Urkunde aus d. J. 1431.
4j Die Uebersetzung des Herrn Hasdeü: »ich habe ihm ein ,uric' mit
dem Rechte der eigenen Lokalgerichtsbarkeit, jedoch in Abhängigkeit von
unserem Hofe zu lasi gegeben« Arch. ist. 1, 1, S. 81) ist nicht genau.
542 J- Bogdan,
uns, dass die »judecia« auch in der Moldau auf Lebenszeit verliehen
wurde, wie dies mit dem »Kenezat« in Ungarn vor sich ging; ähnliche
Fälle werden wohl im XIV. — XV. Jahrh. häufiger vorgekommen sein,
dieselben sind jedoch in geschriebenen Privilegien nicht verzeichnet
worden, oder sie wurden uns nicht aufbewahrt ^).
Es ist anzunehmen, dass ein grosser Theil der moldauischen Dörfer
von diesen Knesen, Richtern (juzi) oder Vatamanen gegründet wurde,
die vom Landesherrn das Recht erhielten, Leute aus dem Lande und
aus der Fremde zusammenzubringen, um neue Dörfer anzusiedeln
»oca^i,H'rH cfAa«2). So Tigänestu, hergeleitet von Tigan (1414: vgl.
r^f U,Hi\\H'K cn,A,HT 1436), Tamasenü YoiiTavcL^s (vgl. TaMaitik h
HBaHK KH/ÄS0K6 1414), Pascanit von Pasco (vgl. i\\e tCTk M;i>,\e
naiUKO 1425), Oniceanvi von Onica (1429), Balanesth von Balan
(1434, 1443), Z/es^n von Lie (1414, 1443), Procopew/^«« von Procop
(1436), Stanijestu von Stuniga (1445, Apr. 5 : CT'kHHHCEljJH r^\e
KklA'h. CT'KHHra Uljau. S. 66), isVew^V.s^^? von Eremie, Betr'hisestn won
Berchis (fpfMÜipH und REpKHmEL|JH aus d. J. 1425 werden im J. 1443
unter »T,\i ukian». iptiuieft, r,i,f KkiA'k R-kpKHUJk« angeführt), Te-
mesesfn von Teames (1435, 1 447), Verijann von Veriga (1453, Juli 20 ;
Uljan. S. 81), Fäurestn von Faur (1492, März 14; üricariul XVIU,
S. 439); HMaraestH\ovL'S.iiA.(\x{\Vi (1497, März 19; ibid., S. 76), Basemi
von Basa (1502), lacobcstü oder lacohenii von lacob (1400, 1502),
Ostäpceatiit von Ostapeo (1473, 1522), Päncestii von Panca (1529:
Chronica Romanului I, S. 160); Piscann von Pisc (1533, März 13: C«/\0
IVT HHCK^iHH r,\f KkiA nucK'k; Uric. XVIII, S. 120), Piiiceann von
Pitic (1548, März 23: cfAO . . . nuTHManiH . . . r,i,e KkiAk ^ßOp
ncTpiiKii niiTHKa; ibid., S. 135) u. s. w.
Diese Dörfer waren einen bestimmten Zeitraum hindurch von
Abgaben befreit, welcher nach der Willkür des Herrschers oder nach
althergebrachter Sitte zwischen zwei, drei oder mehreren Jahren
variirte; der Boden wurde in gleichen Loosen unter den Bewohnern auf-
1) Derselben Meinung, in Bezug auf das Wort »judecie«, ist Herr Dr.
Georg Popovici, ein ausgezeichneter Kenner des älteren rumänischen Rechts,
dem ich hier für manche werthvoUe Winke meinen verbindlichsten Dank
ausspreche.
2) "Cf. »caÄHTH ce.io oy BOJiociKoe npaßo« im Privilegium, das im J. 1377
von Wladislaw von Oppeln dem Moldauer Ladomir für ein Dorf im Distrikte
Przemysl verliehen wurde. Akta grodzkie VII, S. 22. In den moldauischea
Urkunden wird gewöhnlich ocaanTH, o;KUBarH gebraucht.
lieber die rumiinischen Knesen. 543
getbeilt; der »cneaz« oder »jnde« behielt sich einen grösseren Antheil
vor, bei dessen Bearbeitung ihm die Dorfinsassen behilflich waren i);
er hatte auch noch das Recht eine Mühle zu halten 2), und bezog von
den Gerichtstaxen den dritten Theil, die sogenannte TpiTHHJ^]: eine
Gepflogenheit, die wir bei den rumänischen Knesen Galiziens (Stadnicki.
1. c, S. 17), bei den deutsehen sculteti oder sächsischen villici Nord-
Ungarns und Siebenbürgens antreffen (Schwardtner, 1. c, S. 51, 148;
Dr. G. A. Schuller. Bilder aus der vaterländischen Geschichte, Her-
mannstadt lS9y, S. 15) und die ganz gewiss auch bei den rumänischen
Knesen dieser beiden Länder bestand. Es ist dies eine Gepflogen-
heit, der man im Mittelalter in Deutschland durchgehends begegnet
(H. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte, II, 8. 3<i9) und welche bei den
Rumänen wohl nicht älter als das XIII. Jahrh. ist; zu dieser Zeit scheint
dieselbe nach Ungarn aus Deutschland eingeführt worden zu sein. »Der
dritte Groschen« («al treilea ban din judecata satelor«), welchen die
Fürsten der Walachei den Klöstern sehr häutig das XVII. und XVIII.
Jahrb. hindurch abtraten^), dürfte gleichen Ursprungs sein: die Klöster
nahmen denselben an Stelle der Knesen oder Paikalaben (wegen Parka-
laben siehe weiter unten;.
(Öchhiss folgt.)
1) In den rumänischen Dürfern Galiziens hatte der kujaz zwei oder vier
Hufen Landes 'areas, mansos, portiones, poln. obszary, dworziszcza;; Stad-
nicki, I.e., 8.20,38.04,91. Die Bauern leisteten für ihn mindestens 3 — 6 Tage
im Jahre Frohndienste; ibid.. S. 18.
2) Sehr oft in den Urkunden erwähnt; vgl. z.B. oben zu d. J. 1431, 1445.
3] Urk. a. d. J. 1448, Apr. 5: Peter befreit drei dem Kloster Pobrata ge-
hörige Dürfer von Abgaben und Dienstleistungen, und fügt hinzu: »a xaKo^K
cnami TOT Hcox u wt xpi-iOBa u r.ioouimu ux, mi npunauiapu, moÖBi ue HMaJH au-ia
C8;iiiTU Tbix Jiwj, uu rpa6ii.iu ux, im r.ioo hu Tperiiiis oysixii wt tmx .iK>Xi (Arch.
ist. I. 1, S. 153). Im J. 1458 befiehlt Stefan der Grosse mit Bezug auf zwei
Dörfer der Metropolie von Eoman »im r.io6s uc oparii uc imxi. ii im Tpetuus, a
He UHoe HHiuo, iiu aa BO.iuKoe ;;i.io im sa Majioe« (Chronica Romanului I, S. 118,'.
4) Akten des Klosters Arnota, Urk. v. IS. Apr. 1666 und 10. Jänner 1715
(Staatsarchiv).
544
Vita Cyrilli.
Kritische Bemerkungen.
I.
Seit der Schrift Dobrovsky's
»Cyrill und Method« (1823) bis
zur Mouograpliie Gorskij's in
MocKBHTfliiHH^ (1 843) galt die so-
genannte italische Legende des
Bischofs Gauderich, von den offi-
ciellen Documenten und einer
kurzen Erwähnung des Bibliothe-
kars Anastasius abgesehen, als
die hauptsächlichste Quelle über
das Leben und die Wirksamkeit
der beiden Slavenapostel, zumal
Konstantin's. Nach jener Mono-
graphie Gorskij's und nach der
Pnblication der ihren Ausgangs-
punkt bildenden pannonischeu Le-
gende, wozu noch die lateinische
Uebersetzung dieser letzteren
durch Miklosich hinzukam, betrachteten sowohl die slavischen als auch
die westeuropäischen Gelehrten diese sogenannte pannonische Legende
als die hauptsächlichste Quelle unserer Kenntnisse über Konstantin den
Philosophen . . Gegenwärtig gilt gleichsam als ausgemacht, dass diese
Vita Cyrilli von einem der Schüler der beiden Slavenapostel in Mähren
oder Pannonien, gewissermassen nach dem Dictat des Methodius, ge-
schrieben wurde. Einige russ. Gelehrte, z. B. Hilferding, Kunik und
unter seinem EinHiiss stehend Bilbasov, machten allerdings dagegen
allerlei Einwendungen; Viktorov trachtete nachzuweisen, dass die itali-
sche Legende oder die Skizze Gauderich's (f 898) auf der slavischen
Legende beruhe (KiipiiJiJi'E h Meeo^iu, A. BiiKTopOBa M. 1865). Golu-
binskij wollte sie nicht Gauderich, sondern dem Bischof von Ostiae, Leo
Marsicanus, der zu Ende des XL und Anfang des XIL Jahrh. lebte, zu-
schreiben (rciyöuncKÜl, Ku^UÄÄT, ii ]\Ieeo;i,in, MocKBa 1865, 53). Vo-
^.A
^CUMMt^
y
Vita Cyrilli. f,45
ronov ging noch weiter und behauptete, der Verfasser der ital. Legende
habe das Werk des Dominikaners Jacobus de Voragine, Bischofs von
Genua (1292 — r29S) benutzt und seine Schrift erst in dem ersten Viertel
des XIV. Jahrh. abgefasst (RoponoBT>, Kiip. h Mee. KiecT. 1S77). Lav-
rovskij wollte die italische Legende selbst hinter die mährische setzen
(>01inii). IS8G, iio.ib — anr.). Diesen Anfechtungen gegen die italische
Legende machte der vor längerer Zeit entdeckte, aber erst unlängst
herausgegebene Brief des Bibliothekars Anastasius an den Bischof Gau-
derich ein Ende: ihre hervorragende Bedeutung als Quelle für die Bio-
graphie des grossen Slavenapostels unterliegt jetzt keinem Zweifel mehr
(vergl.n.P). Jlnnii. im Coopii. Ak.H. 1 893 und A. ITeTpoBT, im /K^IIIITp.
1S93). Dabei bleibt allerdings auch die grosse Tragweite der pannoni-
schen Legende, auf die zuerst Gorskij aufmerksam machte, aufrecht-
erhalten, doch mit einigen nicht unbedeuteudeu Einschränkungen. Man
darf nämlich nie ausser Acht lassen, dass wir nicht eine Chronik oder
annalistische Erzählung, sondern ein halb künstlerisch, halb didactisch
abgefasstes Literaturdenkmal vor uns haben, eine Heiligenlegende, die
in den Kirchen und Klöstern als Erbauungslectüre gelesen wurde. Wie
es religiöse Lyrik und religiöse Dramen (Mysterien) gibt, so gibt es auch
religiöse epische Dichtung. Dazu gehören Erzählungen und Romane
religiösen Inhaltes — die Vitae Sanctorum. Dem Verfasser einer solchen
Vita schwebt ein ganz anderes Ziel vor als dem Annalisten. Das Ver-
hältniss hat viel Aehnlichkeit mit Jenem der Romanschreiber und Dra-
maturgen gegenüber den Historikern. An die Verfasser der historischen
Romane und Dramen kann der Leser nicht die gleichen Forderungen
stellen, wie an die Historiker. Ebenso darf man an den einst sehr üb-
lich gewesenen Typus der literarischen Production, an die Vitae Sancto-
rum, nicht mit gleichen Forderungen herantreten, wie an die Annalistik
oder Chronographie. Ein gewissenhafter Annalist bemüht sich mit mög-
lichster Genauigkeit die Zeit- und Ortsangaben der behandelten Ereig-
nisse beizusteuern. Der Verfasser der Legende weicht oft absichtlich
solchen Einzelheiten, mögen sie auch ihm bekannt gewesen sein, aus,
um nicht die Aufmerksamkeit des Lesers oder Zuhörers von der Haupt-
person und der Verehrung des in ihr gegebenen moralischen Vorbildes
abzulenken. Der Held der Legende soll auch beim Leser oder Zuhörer
dieselben Gefühle der Begeisterung und Verehrung erwecken, wie beim
Verfasser. Das war die Hauptaufgabe und das Hauptziel der Verfasser
der Vitae Sanctorum, darum darf man genaue Ortsangaben und wahre
546 ^ • Lamanskij.
Folgerichtigkeit der erzälilten Ereignisse in den Heiligenlegenden eben-
sowenig suchen wie in den historischen Romanen und Dramen.
Mag nun sein, dass die Vita Cyrilli, in Mähren oder Pannonien bei
Lebzeiten des Bruders Methodius geschrieben (oder bald nach seinem
Tode), ein Denkmal aus dem Ende des IX. Jahrb. darstellt, allein sie
ist nur in den Abschriften, nicht älter als aus der zweiten Hälfte des
XV. — XVI. Jahrb., auf uus gekommen. Wer wird es aber behaupten
wollen, dass die Legende in den ihrer ersten Abfassung nächstnach-
folgenden Zeiten, z.B. im X. — XII. Jahrb., oder auch später, nicht habe
geändert oder erweitert werden können, oder dass allen jetzt bekannten
Abschriften die genau erhaltene Vorlage des IX. Jahrb. zu Grunde liege
und nicht eine spätere Berichtigung oder Ergänzung, also ein im Laufe
des XI. — XV. Jahrb. modificirtes Denkmal, das bei den Bulgaren, Serben,
Kroaten und Russen durch Abschriften und eventuell auch durch Ein-
schaltungen fortgesetzt wurde ? Die Darstellung in der russ. älteren
Chronik setzt schon eine etwas andere Version voraus, als wir sie in der
uns bekannten Legende haben. Mit einem Worte, es ist hoch an der
Zeit, die einzelnen Angaben der sogenannten pannonischen Legende
über Konstantin Philosoph einer Kritik zu unterwerfen.
IL
Beginnen wir mit der Gesandtschaft Konstantin's zu den
Sarazenen. Nach der Darstellung der Legende sollen die Sarazenen
die heil. Dreifaltigkeit beschimpft haben, indem sie sagten, dass die
Christen den einen Gott in drei theilen; sie wünschten widerlegt zu
werden. Der byzantinische Kaiser wandte sich in einer Versammlung
an Konstantin mit den Worten : du hörst die Beschimpfung, gehe hin
und bekämpfe sie. Konstantin willigte freudig ein, man gab ihm als
Geleite den Asikrit (a secretis = do)]/.QfiTig = Staatssecretär) und
Georgius Polassa. Die Vita sagt nichts von dem eigentlichen End-
ziel dieser Mission. Gorskij glaubte, Konstantin sei beim Emir v. Meli-
tene gewesen. Golubinskij und Malysevskij wollten aus der Nennung
»aiviepMHHHUo« (amermumnis) folgern, dass er beim Khalifen in Baghdäd
gewesen. Konstantin zählte damals nach der Legende 24 Jahre und da
er 869 im 42. Jahre starb, so war er S27 geboren, folglich stand er im
24. Lebensjahr im Jahre 851. Hier fällt auf (und diese Einwendung
beschäftigt mich jetzt nicht das erste Mal), 1) der rein theologische
Zweck der Gesandtschaft, und 2) die Wahl eines so jungen Mannes zur
Vita Cyrilli. 547
Disputation mit deu Sarazenen. Gab es denn damals in Byzanz nicht
auch ältere Männer mit tüchtiger theologischer Bildung, die mit der
Lehre des Korans und mit einer der verbreitetsten Sprachen am Hofe
des Khalifen vertraut waren ? Unter demselben Kaiser Michael waren
ja von einem so gut wie Altersgenossen Konstantin's, dem Nicetas von
Byzanz, drei Werke gegen den Islam abgefasst, zwei davon durch sara-
zenische Sendschreiben an den Kaiser Michael über die heil. Dreifaltig-
keit (Migne V. 55 verursacht. Warum wurde also nicht dieser Nicetas,
der ebenfalls Philosophos und Didaskolos hiess, statt des Konstantin
hingeschickt? Ich dachte einst, ob nicht vielleicht die Kenntniss der
slavischen Sprache für ihn ausschlaggebend war, weil die Eunuchen
slavischer Nationalität und überhaupt die slavisciien Muselmänner beim
Khalifen in Baghdad keine geringe Rolle spielten. Nach dem Zeugniss
des Baghdäder Postdirectors Ibn Chordad-bey (der sein wichtiges Werk
im J. 840 7 u. 877 schrieb) liest man im Itin^raire des marchands russes
folgendes: Les Russes qui appartiennent aux peuples slaves, se rendent
des regions les plus eloiguees de Taklaba (le pays des Slaves) vers la
mer romaine, et y vendent des peaux de castor et de renard noir, ainsi
que des epees. Le prince des Romains preleve un dixieme sur lenrs
marchandises. Ou bien, ils descendent le Tanais (Don), le fleuve des
Slaves, et passent par Khamlydj, la capitale des Khazares, oü le souve-
rain du pays preleve sur eux un dixieme. La ils s'embarquent sur la
mer de Djordjän (la Caspienne) et se dirigent sur tel point de la cöte
qu'ils ont en vue. Cette mer a 500 parasanges de diametre. Qiielque-
fois ils transportent leurs marchandises, a dos de chameau. de la ville
de Djordjän ä Bagdad. Ici les eunuques slaves leur servent d'inter-
pretes. Ils pretendent etre chretiens et payent la capitation comme tels<'
'De Goeje Bibl. Geogr. Arab. VI, p. 1 1 5).
Doch nicht so sehr die auf Konstantin gefallene Wahl der Persön-
lichkeit, als vielmehr die Absendung der Gesandtschaft im J. 851 und
ihr angeblich rein theologischer Zweck erwecken Bedenken. Ich schil-
dere hier in meiner russischen Ausführung nach Weil (Gesch. der islam.
Völker) die Lage des Khalifats seit dem Tode Almutassim's (■;- 5. Jänner
842) bis 862 und setze dann fort so: Die von einem Gelehrten des XIX.
Jahrh. (Weil) gegebene Schilderung der Lage des Khalifats in den 50er
und 60er Jahren des IX. Jahrh. muss zweifellos auch der Regierung
der Kaiserin Theodora und ihres minderjährigen Sohnes, des Kaisers
Michael, die über sehr vernünftige und fähige Staatsmänner, wie deu
548 ^^- Lanianskij,
Logothet Theoktistos, den Magister Manuel und den Bruder der Kai-
serin den Patricier Bardas verfügte, genau bekannt gewesen sein. Ueber
die Persönlichkeit Mutabakill's und die äussere und innere Lage seines
Reiches werden die byzant. Minister gut unterrichtet gewesen sein.
Was sollte sie nun veranlassen, im J. 851 einen 24jährigen Priester-
Philosophen und Lehrer als Gesandten zu MutabakiU zu schicken be-
hufs der Bekehrung desselben zum Christenthum oder der Vertheidigung
der christl. Lehre von der heil. Dreifaltigkeit? Die klugen byzant.
Minister hätten von einer solchen Mission, von der so naiv die panuonische
Legende erzählt, gewiss selbst nichts anderes erwarten können, als
Schimpf und Spott, ja selbst irgendwelchen wilden Ausbruch der Leiden-
schaft oder Gewaltthätigkeit. Nach der Legende soll der zwölfjährige
Knabe, Kaiser Michael, eine Rathsversammlung zusammenberufen und
in derselben mit einer Rede an Konstantin sich gewendet haben, deren
Wortlaut (nach der Miklosich'schen Uebersetzung) so lautet: »audisne
philosophe quae dicunt Agaren! impii contra fidem nostram ? tu vero
quoniam sanctae trinitatis servus et discipulus es proficiscere et disputa
cum eis, et deus qui omnes res perfecit, qui laudatur in trinitate, pater
et filius et Spiritus sanctus, det tibi gratiam et vim sermonis et velut
alterum Davidem novum contra Goliath quem tribus lapidibus vicit,
te faciat et reducat ad nos, dignum iudicatum regno coelesti. Quibus
auditis respondit: cum gaudio proficiscar pro fide christiana, quid enim
mihi est dulcius in hoc mundo quam pro sancta trinitate vivere et mori.
Adiunxeriint vero ei secretarium Georgium et dimiserunt eos« i). Kein
ordentlicher Annalist würde eine so einfältige Argumentation führen.
Der Verfasser der Legende war selbstverständlich kein Augenzeuge der
Scene, er legte seine Worte einmal in den Mund eines zwölfjährigen
Knaben, dann in den des Helden seiner Legende. Kann nun so was von
dem Dictat des Methodius herrühren? In der Erzählung ist von Asikrit
und Georgius Polassa die Rede. Diese Notiz setzt doch eine gewisse
Bekanntschaft mit historischen Thatsachen voraus, sie spricht von einem
Asikrit, der Photius war, der nachmalige berühmte Patriarch, und von
einem Georgius . . . Die byzantinischen Quellen, die für diese Zeit sehr
karg sind, können durch die arabischen, im gegebenen Falle durch Ta-
bari (geb. 839, f 923) ergänzt werden. Darüber besitzt jetzt die russ.
1) Der Verfasser zieht hier die Lesart, die ÄafaMkgibt, vor, darnach
müsste man übersetzen: »adiunxerunt vero ei Secretarium (asecretis) et Geor-
gium Polassam«. V. J.
Vita Cyrilli. 549
Literatur eine hübsche selbständige Forschung von A. A. Vasiljev (Bh-
3aHTia n Apaoti. IIo.iiiTiniecKifi OTiiomenifl Bnsauxiii 11 ApaoonT. 3a
BpeM>i AMopiilcKoü ;iiiuacTin. cnun, 1900). Mit Hilfe dieses Werkes
können wir jetzt die Nachrichten über die Beziehungen der Araber zu
den Byzantinern zur Zeit der Regierung Mutabakill's (S51 — 80 1) er-
gänzen. »Seit dem letzten Austausch der Gefangenen im J. S45 finden
wir keine Nachrichten über die arabisch-byzantinischen Conflicte bis
Sol. Von diesem Jahre angefangen hat Ali Ibn Jacliia al Armeni, der
Anführer des Grenzobservationscorps, durch drei Jahre (S.'Jl. 852. S5:i)
in die byzantinischen Grenzgebiete Einfälle gemacht. Nähere Nach-
richten darüber fehlen. Im J. S53 erschien die byzantinische Flotte vor
Damiettatf. So lesen wir bei A. A. Vasiljev. Weder Tabari noch Mas-
sudi (t 956 — 95S) erwähnen irgend eine byzantinische Gesandtschaft
zu den Arbarn oder irgend einen W^aftenstillstand mit denselben zur
Auswechselung der Gefangenen in dem J. 8.51 und den nächst darauf-
folgenden. Vor 851 ist bei Tabari und Massudi nur von dem Waffen-
stillstand im J. 845 eine Nachricht zu finden, und vor diesem Jahre
gab es keine derartige Negociation seit den Jahren 809 — 811, nach
dem Waffenstillstand aber vom J. S15 geschah der nächste ähnliche
Waffenstillstand nach Tabari und Massudi zu Ende des Jahres 855 und
Beginn 550.
Die nach der pannonischen Legende erzählte saracenische Mission
Konstantins des Philosophen war also nichts anderes, als eine byzanti-
nische Gesandtschaft, abgeschickt zu den Saracenen behufs eines Waffen-
stillstandes und des Austausches der Gefangenen. Unter dem J. 241
der Hedschra (22. Mai 855 — 9, Mai 856) liest man bei Tabari (nach
der Cebersetziing Vasiljev's;: »In diesem Jahre überfielen die Griechen
Anazarba und nahmen gefangen die darin befindlichen Sutiten mit ihren
Weibern und Kindern, Büffeln und Heerden von Ochsen und Kühen. In
diesem Jahre fand ein Austausch der Gefangenen zwischen den Musel-
männern und Griechen statt. Man erzählt, dass die Kaiserin Theodora,
die Mutter Michaels, einen Mann Namens Georgios, den Sohn . . . 'i ge-
schickt habe, um den Austausch der Muselmänner, die sich in den
Händen der Griechen befanden, zu erbitten. Und Mutabakill schickte
1 »Nach dem Worte Sohn geben bei Tabari die arabischen Buchstaben
ohne ausreichende Anzahl von Punkten keine Möglichkeit, den Namen des
Vaters genau zu bestimmen. Vielleicht Karbeasa?« so Vasiljev. Jedenfalls
steckt darin der »Polasa- der slav. Legende.
Archiv für slavische Philologie. XXV. 36
550 V. Laraanskij,
einen Boten aus der Zahl der Poeten, Namens Nasr-ib-al Asliar ibn-
Faradja, um genau zu erfahren, welche muselmüunischen Gefangenen sich
in griechisclieu Händen befinden, und um deren Loskauf anzubefehlen.
Das geschah im Monat Schaban dieses Jahres (15.Dec.855 — 12. Jänner
856). (Und Nasr ging von dannen), nachdem er einige Zeit bei ihnen
(den Griechen) zugebracht«. — Weiter wird des bei den Muselmännern
verbreitet gewesenen Gerüchtes Erwähnung gethan, wonach die Griechen
nach der Abreise Nasr's bei 12 Tausend Gefangene, die sich weigerten
Christen zu werden, hingerichtet hätten. Die Nachricht klingt recht
unwahrscheinlich. »Und es kam das Schreiben Mutabakill's zu den
Gouverneuren des syrischen und mesopotamischen Grenzgebietes mit
der Nachricht, dass der Eunuch Schenif schon in die Verhandlungen
getreten mit Georgios, dem Gross-Gesandten der Griechen, bezüglich
des Austausches, und dass sie schon ein Uebereinkommen getroffen.
Georgios bat um Waffenstillstand vom 5. des Monats Hedscheb 241
bis zum 22. des Monats Schevval desselben Jahres (vom 19. Nov. 855
bis 5. März 856), um Zeit zu haben die Gefangenen zu sammeln und in
gefahrlosen Orten unterzubringen. Das Schreiben darüber kam am Mitt-
woch den 5. des Monats Redscheb (19. Nov. 855j. Und Georgios, der
Bote der griechischen Kaiserin, trat die Reise in der Richtung gegen
das Grenzgebiet am Samstag den 22. des Monats Redscheb (6.Dec.855j
auf 70 Maulthieren, die für ihn bestellt waren, an. Mit ihm zugleich
brach auf Abu-Kachtab, Magribier aus Tortosa . . . Mit Georgios
waren viele Patricier und Diener, bei fünfzig Mann, an-
gekommen. — Beim Austausch waren viele Neugierige anwesend, so
der Oberrichter und viele reiche Leute aus Baghdäd. Man erzählt,
dass der Austausch auf dem griech. Gebiet am Flusse Allamis (Lamus;
stattfand, Sonntag am 12. des Monats Schevval 241 (23. Febr. 856); es
gab 785 gefangene Muselmänner, darunter 125 Frauen«.
»Georgios der Grossgesandte der Griechen« wird wohl mit dem in
der pannonischen Legende erwähnten Georgios (Polassa) identisch sein.
Die Richtigkeit des zweiten Namens ist allerdings zweifelhaft, doch die
Uebereinstimmung in dem Namen des Georgios ist gewiss mehr als ein
blosser Zufall. Die Legende erwähnt noch den Asikrit. Dadurch
wird die Vermuthung Hergenröther's ij, dass Photius als Secretär an der
ij Hergenröther Photius L342 — 343. »Um 855 — S56 fand wiederum eine
Auswechselung der Gefangenen statt. Wohl bei dieser Gelegenheit, wenn
Vita Cyrllli. 55I
Gesandtscliaft zu den Arabern im J. 856 oder schon 84G betbeiligt war.
bestätigt. Hergenröther gab schon zu, dass es richtiger sei, an dem
J. S50, als an dem J. S 15 festzuhalten. Denn für die vierziger Jährt-
war Photius zu jung, um Asikrit zu sein. Aus der ganzen Erzäliluns
der Legende von der sogenannten Saracenen-.Mission ist somit sicliev
nur die Erwähnung von Georgios und Asikrit. Doch was hatte Kon-
stantin dabei zu thun ? Nach meinem Defürhalten bekam er eine ge-
heime und genug gefährliche Mission. Als Kenner der slavischen
Sprache, der zu dieser Zeit (S55) schon einen grossen Theil seines
grossen Werkes vollbracht hatte (z. B. die Uebersetzung des Evangelia-
riums, des Apostels, des Psalters), war Konstantin zu der Gesandtschaft
zugezogen wegen der Slaven, die in den Kriegen zwischen den Arabern
und Byzantinern keine geringe Rolle spielten .... Ich mache hier einen
Excnrs über die slav. Militärcolonien in Kleinasien unter Justinian II..
über ihre Ansiedelungen in Bithynien, Cilicien, worüber ich kurz auf
mein Werk «0 c.iaBjiiiaxi. bt. Ma.ion Aain« (CIIörT, 1859), auf Harkavi's
Werk und zuletzt auf die Abhandlung Pancenko's (XlaMHTHHKx ciaBHUi.
BT. BuHnnin VII b. in den IIsBicxin des Konstantinopler Archäol. In-
stituts B. VIII. 1 — 2) verweise . . . Dann setze ich so fort: Möglicher-
weise war Konstantin bestimmt, sich der Gesandtschaft des J.855 nicht
bloss darum anzuschliessen, weil er einer der Hauptpersonen der Ge-
sandtschaft, dem Asikrit Photius. und dem beim Hofe einfiiissreichen
Logotheten Theoktist sehr nahe stand. Die Regierung, die ja über ge-
bildete Männer, die als gewesene Gefangene Gelegenheit hatten, arabisch
und persisch zu erlernen, in hinreichender Anzahl verfügte, während
Konstantin keiner dieser Sprachen mächtig war, muss doch ihre be-
stimmten Gründe gehabt haben, wenn sie diesen jungen Mann, dessen
Gesundiieit keineswegs kräftig war, bestimmte, der Gesandtschaft sich
anzuschliessen. Ich suche diese Gründe in seiner Kenntniss der slav.
Sprache. Die Regierung Wollte es auf den Versuch ankommen lassen,
ob sie die bei den Arabern im Dienste gewesenen und bis zu einem ge-
wissen Grade muhammedanisirten Slaven nicht zum Christenlhum be-
kehren könnte. Der Weg, der zu dem Ort der Verhandlungen am Flusse
Lamus führte, berülirte nahe die Festung Lulu (Faustinopolis) und
durchschnitt die dahinter gewesene slavische Ansiedelung. Ob nicht
infolge des Aufenthaltes und des Verkehrs des Philosophen Konstantin
nicht schon bei einer früheren (845, kam unser Photius als Gesandter des
kais. Hofes in den muhammedanischen Orient".
36»
552 V. Lamanskij,
mit ihnen seit dem J. 856 sich in Lulu ein Kreis von Männern bildete,
die zum Christenthum und zu den Repräsentanten desselben zu Byzanz
Neigung fühlten und von Baglidäd sich losreissen wollten? Im J. 659
und vielleicht schon früher (in den Jahren 856 — 858) war die Festung
Lulu, wie mau aus den arabischen Quellen ersieht, bereits in den Hän-
den der Griechen uud der Commandant derselben war ein Patricier aus
Byzanz. Doch im J. 859 nahm die muselmännische Partei wieder die
Oberhand, der Patricier war den Arabern ausgeliefert und an seine
Stelle kam ein muselmännischer Commandant. Vielleicht ist die Mit-
theilung von dem Attentat der Saracenen auf das Leben Konstantin's
durch Vergiftung nicht ganz unbegründet.
Auf jeden Fall also bekam der Verfasser der Legende einige No-
tizen über die Gesandtschaft, an der sich Konstantin betheiligte, von
dem Bruder desselben Methodius. Da die Mission Konstantin's, wie ich
glaube, geheim war, so durfte auch Methodius die Details derselben
nicht erzählen. Nur die Namen theilte er mit. Die in Pannonien ab-
gefasste Vita mag den Namen des Asikrits absichtlich verschwiegen
haben, da der Name Photius in den römischen Diöcesen des Endes des
IX. und Anfangs des X. Jahrh. schon missliebig war. In dem Datum
der Gesandtschaft kann Methodius keinen Fehler gemacht haben, da
ihm sein jüngerer Bruder gewiss davon manches erzählt haben wird,
z. B. während ihrer gemeinsamen Reise zu den Chazaren. Der Fehler
also, d. h. die Versetzung der Mission in das 24. Lebensjahr des Philo-
sophen, mag eher beweisen, dass die Vita Constantini nicht nach dem
Dictate des Methodius geschrieben und nicht von ihm durchgesehen
wurde, oder dass die Stelle, die vom 24. Lebensjahre Konstantin's
spricht, in dem ursprünglichen Text nicht enthalten war.
Was die in der Vita angeführten Reden Konstantin's mit den Sara-
cenen anbelangt, so kann man fragen, ob der bekanntlich äusserst be-
scheidene Konstantin, der nie von sich selbst und seiner Wirksamkeit
zu reden liebte, es für nöthig gehalten hätte, seine Reden, seiue"Wider-
legung der muselmännischen Ansichten niederzuschreiben, um sie für
die Obrigkeit oder die Nachwelt zu retten? Ich glaube nein, das alles
ist vielmehr eine Zuthat des Verfassers der Legende, ganz so wie die
oben erwähnte Rede des zwölf- oder dreizehnjährigen Kaisers Michael III.
üebrigens die saracenischen Reden der Legende konnten auch erst später
(im XII. — XIII. Jahrh.) aus verschiedenen Abhandlungen, die gegen den
Mohammedauismus gerichtet iiud in der altkirchenslavischen Literatur
Vita Cyrilli. 553
populär waren, excerpirt worden sein. Das Bedürfniss solclier Abhand-
lungen war bei den Slaven sehr früh vorhanden, da sie als die ersten unter
den europäischen Völkern mit den Mohammedanern in Berührung und
in Gefahr kamen, zum Islam überzutreten. Wenn aber diese Reden
nicht den Heften Konstantins entnommen wurden, wenn iiinen die do-
cumentale Bedeutung nicht zukommt, so fragt es sich, ob sie dem Ver-
fasser der sogenannten pannonischen Legende angehören? Bei den
mährischen Slaven gab es keine Muselmänner, ja im IX. .lahrh. werden
sie überhaupt kaum etwas vom Islam gehört haben. Wozu sollte sich
also ein mährischer Slave so ausführlich darüber auslassen, woher hätte
er die entsprechenden griech. polemischen Abhandlungen bezogen ? In
den neueren Abschriften der alten pannonisch-slovenischen Denkmäler
des X. — XI. Jahrb. finden wir keine solche polemische Schrift. Grie-
chische Originale derselben sind für den Ausgang des IX. Jabrh. im
Bereich Pannoniens gewiss ausgeschlossen. Soll man nicht annehmen,
dass auch diese Saracenenreden, die in der pannonischen Legende dem
Konstantin in den Mund gelegt werden, in den ursprünglichen Text be-
deutend später eingeschaltet wurden und auch anderswo, sei es im Nor-
den in Russland, sei es, was noch wahrscheinlicher klingt, im Süden,
jenseits der Donau.
In der Vita steht es: j)pinxerant enim formas daemonum extrinse-
cus in iauuis omnium christianorum, res deformes facientes atque illu-
dentes eis«. Konstantin konnte sehen und sah auch wahrscheinlich
nicht gezeichnete oder gemalte, sondern aus Holz gemachte Figuren
der Teufel, und auf diese konnten die Muselmänner seine Aufmerksam-
keit lenken. Kann also diese Fassung der Erzählung von Konstantin
herrühren? Die ihm in den Mund gelegte Antwort gehört unzweifelhaft
dem Volkswitz der christlichen Unterthanen des boshaften und be-
schränkten Khalifen an: »daemonum formas video, qui daemones cum
non possint vivere intus cum iis fugiant foras«. Konnte der kluge und
reine Idealist Konstantin einen solchen vulgären Witz in den Mund
nehmen? Gewiss hat die christliche und hebräische Bevölkerung aus
Rache dafür, dass der Khalife eine solche verletzende und dumme Ver-
ordnung erlassen, über jene Holzstatuen ihren Witz und Spott ergehen
lassen. Den AVitz mag auch Methodius gehört haben, vielleicht nicht
gerade vom Bruder, doch hätte er kaum zugegeben, dass er dem Kon-
stantin in den Mund gelegt werde. V. Lamannkij .
Fortsetzung folgt.)
554
Zum Gebrauche der Verba perfectiva und imperl'ectiva
im Slovenischeu.
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Vor etlichen Jahren hatten
bei uns einige eifrige Dilettanten
eine Agitation gegen das Futurum
der Verba perfectiva eröffnet, das
sie als Germanismus beseitigen
und durch das Praesens dieser
Verba ersetzen wollten. Es sollte
nicht mehr heissen «bom dal«,
sondern nur »dam(f, und in der
That hörte man schon sogar von
Vereinen, deren Mitglieder sich
verpflichteten, für jedes »bom«.
das ihnen entschlüpfen würde,
eine bestimmte Strafe zu zahlen.
Die Agitation hatte demnach nicht
geringe Aussicht auf Erfolg. Ich
glaubte mich jedoch des alten,
allgemein gebräuchlichen Futu-
rums annehmen zu müssen, und nach einem ziemlich langwierigen
Kampfe scheint gegenwärtig von den meisten die Berechtigung und
Slavicität der fraglichen Futurform als erwiesen betrachtet zu werden.
In der betreffenden Polemik wurden aber meinerseits nebenbei auch
einige andere den Gebrauch der perfectiven Verba im Slovenischeu be-
treffende Fragen gestreift, auf die hier etwas näher einzugehen von
einigem Interesse sein dürfte, da es eben Fragen sind, in Betreff deren
der gegenwärtige Sprachgebrauch noch melir oder weniger schwankend,
die Theorie noch ziemlich mangelhaft und unbefriedigend zu sein
scheint.
Die griechische Syntax weiss von einer »effectiven« oder »resulta-
tiven« Funktion der Aoristformen, also vom Gebrauche des Aoristes zur
Bezeichnung des Endpunktes oder liesultates einer Handlung zu be-
^- ^o_^^^*^ ',Ayt^J>^^
Zum Gebi-iuicho der Verba perfectiva und imperfectiva im Slovenischen. 555
licliten. Icli habe in meiner eben erwähnten Polemik das Wort »effec=
tivum« in einem etwas verschiedenen Sinne gebraucht, nämlich von einem
Praesens, das die Handlung nicht nur bezeiclinet, sondern eben durch
(las Aussprechen des betreftenden Verburas zugleich vollzieht. An die
Eigenthümlichkeit dieses Falles scheinen die Forscher, die über den
Gebrauch der Verba perfectiva und imperfectiva im Slavischen geschrie-
ben, soweit mir ihre Schriften zu Gesichte gekommen sind, nicht gedacht
zu haben; und doch ist der Fall kein seltener. Durch das Aussprechen
der Worte: »ich danke, verspreche, gelobe, empfehle mich« sind die be-
treflfenden Akte vollzogen. Das Aussprechen des Wortes mag zwar eine
gewisse, wenn auch noch so kurze Zeitdauer erfordern, aber daran denkt
der Sprechende nicht und es kommt darauf auch gar nicht an, der Akt
ist als momentan aufzufassen. Es ist nun sonderbar, dass diesen mo-
mentanen Akt die meisten slavischen Sprachen durch Aussprechen des
Praesens eines imperfectiveu Verbums vollziehen, so namentlich das
Altslovenische, vgl. Euchol. Sin. G7b: HcnoKli^V^*'*? '>Sb: orpimai*.
72b: iiplv^yai* u. s. w. Desgleichen das Kroatische, Rimski Ritual
(u Rimu lS93j pag. 5S: »ja te odrjesujem od tvojih grieha« u. s. w.
Eine Ausnahme macht das Slovenische; es scheint in demselben
nämlich bei den imperfectiveu Verben das Gefühl für das Unvollendete
der Handlung zu lebhaft zu sein, als dass man ohne weiteres sich eben-
falls so ausdrücken dürfte. Wer z. B. nur behauptet, dass er mit dem
Absolviren beschäftigt ist, von dem kann man es nicht wissen, ob er je
damit fertig wird. Die Vorfahren der heutigen Slovenen gebrauchten
also schon vor 800 — 900 Jahren in solchen Fällen Verba perfectiva.
Das bezeugen die Freisinger Formeln mit ihrem ispovede, porqcq^
zoglagoJJq. Miklosich, Synt. 777, nennt dies allerdings ein uraltes
Verderbniss; es ist aber schwer zu begreifen, warum das logisch richtige
gegenüber dem logisch falschen ein Verderbniss sein sollte. Sagt ein
Kaufmann zum erschienenen Kauflustigen den Preis einer Waare und
der Kauflustige antwortet: ))kupim<'- ich kaufe, so ist der Kauf abge-
schlossen. «Kupujem« dagegen wäre nur entweder vor Abschluss des
Kaufes als referirendes Praesens: »ich bin bestrebt zu kaufen«, oder
vom öfteren Kaufen zu brauchen. So sagt man auch ganz gewöhnlich:
»Nä, to ti dam za spomin«, das gebe ich dir zum Andenken, wenn das
Geben mit diesen Worten tollzogen wird; »dajem« wäre ein referiren-
des Praesens: »Vidite, kaj mu dajem^ pa se brani«. Ebenso: Se kesal
se bos, to tipovemu, dagegen: »Jaz ma. pravim, da se bo se kesal'f.
556 Stanislav Skrabec,
Nach diesen ganz gewöbnlicljen alltäglichen Fällen zu schliessen,
dürfte wohl auch in anderen weniger häufigen nicht an ein Verderbniss
zu denken sein, so namentlich in den in religiösen und gerichtlichen
Formeln gebräuchlichen: «izpovem, odpovem, dolzan se dam, prisezem^i.
Die Formeln bestehen allerdings aus mehr Worten, die entsprechenden
Akte nehmen somit eine merkliche Zeit in Anspruch; allein es handelt
sich dabei nicht um die Zeitdauer, sondern um die Vollziehung des Aktes,
die mit dem betreuenden Verbum ausgesprochen, also gleichsam in dem-
selbem concentrirt ist. Wenn es sich um die Zeitdauer handelt, wenn
z. B. im Verlaufe des Aktes der denselben Vollziehende von Jemandem
gestört wird etwa mit der Frage, was er thue, wird die Antwort sicher-
lich mit einem Verbum imperfectivum erfolgen: »spovedujem se, odpove-
dujem se, prisezam«.
Es wurde mir eingewendet, «spovem se« sei ein Futurum, mit dem
das folgende Sündenbekenntniss angekündigt wird. Dies war mit Leich-
tigkeit zurückzuweisen; es hat es übrigens bereits Miklosich gethan.
»Spovem se« (in den Freis. Formeln noch in archaistischer Form »ispo-
vede«) ist eine Uebersetzung des lat.[«confiteor((, keineswegs eines »con-
fitebor«, es entspricht einem altslov. »ispovßdaja«. einem kroat. »ispo-
vijedam« ; mithin kann es kein Futurum sein. Es ist auch keine Ankün-
digung eines folgenden Sündenbekenntnisses, da es ja nicht allein bei
der Beichte recitirt wird, sondern auch bei jeder Messe, vor jeder
Communionspendung u. s. w. ; es ist also nur ein allgemeines Bekennt-
niss der Sündhaftigkeit.
Viel eher als diesen Einwand hätte ich in der That den anderen
erwartet, es seien alle diese Fälle nach Miklosich eben ein »uraltes
Verderbniss«, wie ja auch wirklich gegenwärtig die allgemeine Strömung
unter unseren »Schriftgelehrten« dahin geht, möglichst viele Perfectiva
durch Imperfectiva zu ersetzen. Während das Volk im Ktistenlande
z. B. ganz gewöhnlich sagt: «jih lepö pozdravim, jih lepo zahvalim, to
Jim obljubim, jih pustim z ßogom« u. s. w., hört man unter Gebildeten
überall schon vorwiegend : «pozdravljam, zahvaljujem se, obljubujem,
dovoljujem sl naznanjati« (mit dem imperfectiven Infinitiv in letzterer
Formel sind wir, wie es scheint, schon allen übrigen Slaven voraus) u. s. w.
Sogar in liturgische Formeln scheint die vermeintliche Correctur dringen
zu wollen ; so heisst es in einem neueren Schulbuch auf die Frage des
Taufritus: »Ali se odpoves hudicu?« — »Odpovedujem se«, wo es in
der Weise der slovenischen Volkssprache heissen müsste: «Odpovem«
Zum Gebrauche der Verba perfectiva und imperfectiva im Ölovenischen. 557
(ohne »se«, oder auch «sec«, ohne »odpovem«). Die «Schriftgelehrten'
betrachten sonach das Praesens der Perfectiva in solchen Fällen mit
Miklosich als Verderbniss, auf dem EiuHusse des Deutschen beruhend.
Nun, fremder Einfluss soll auch meinerseits nicht durchaus ge-
leugnet werden. Das Vollziehen eines Aktes durch Aussprechen des
denselben bezeichnenden Wortes ist ja allerdings ein Vorgang, der eine
Kulturstufe vorauszusetzen scheint, zu der die Slaven erst durch das
Christenthum gehoben worden sein mögen. Da diese Fälle auch nament-
lich in Bibelstellen und religiösen Formeln vorkommen, so muss sicher-
lich zugegeben werden, dass die Sache selbst nicht etwas ursprünglich
slavisches ist, mag dabei nun ein perfectives oder ein imperfectives Ver-
bum zur Anwendung kommen. Ob aber dieses oder jenes, das scheint
mir doch nicht von einer fremden Sprache abzuhängen, am wenigsten
von einer, die den Unterschied der Verba perfectiva und imperfectiva
nicht kennt, wie es die lateinische oder deutsche ist. Eher dürfte es
denkbar sein, dass das Griechische, dessen Praesens nur eine dauernde
Handlung bezeichnen kann, das Altslovenische in diesem Falle zur An-
wendung imperfectiver Verba gebracht habe, als das Lateinische oder
Deutsche das Neuslovenische zur Anwendung perfectiver. Nothwendig
scheint mir jedoch auch fürs Altslovenische diese Annahme gerade nicht:
es kann der Grund in dem Gebrauche des Praes. perfectiver Verba zur
Bezeichnung des Futurums liegen. Da im Neuslovenischen diese Be-
deutung des Praesens perfectiver Verba nicht so durchgedrungen ist,
blieb die Verwendung als eflfectives Praesens möglich und wurde vom
Sprachgefühl des slovenischen Volkes auch immer entschiedener gefor-
dert. So würde es sich erklären, warum im ungarischen Slovenisch wie
im Altslov. das effective Praesens in der Regel durch Verba imperfectiva
bezeichnet wird, so bei Küzmic Mat. 26, 63: y^primurjam te na zivoga
Bogä, naj näm poves, ci si ti Kristus, Sin Bozi?« Mark. 9, 24: «jas
tebi zapovedam ; Luk. 23, 46 : »Oca, vu roke tvoje poräiam düso mojo «.
— Dagegen Joan. 20, 21 : »Liki je mene poslao Oca, i jas vas po'demv.
Luk. 23, 46 hat nach Miklosich auch Trüber rtporocam^ bei Dalm. steht
hingegen ))porocim(', wie auch Mark, i), 24: ytzapocetnc — Mat. 26, 63
hat sogar Dalm. y)zaJdinanm : Japelj und die auf Kosten des Fürstbischofs
Wolf gedruckte Uebersetzung dagegen y^zarotimn. Sonderbarerweise
finden wir Luk. 2, 10 nicht blos bei Dalm., sondern auch bei Japelj:
»jest vam oznaniijemv^ erst in der nach Wolf genannten Ausgabe: >>ozna-
nim vam veliko vese'je^i. Dass letzteres das richtige, d. i. dem heutigen
558 Stanialav Skrabec,
Sprachgefühl des slovenischen Volkes entsprechende ist, kann man sich
überzeugen, wenn man das Imperfectivum »oznanujem« oder das noch
gewöhnlicliere jjpripovedujem« in einem Falle des gewöhnlichen Lebens
anzuwenden versucht. Würde ein Lehrer z. B. einen Ferialtag mit den
Worten ankündigen: «Otroci, pripovedujem vam, da jutri ne bo sole«,
so würde man das lächerlich finden, dagegen klingt es ganz natürlich
z. B.: »Otroci, najprej vam povem, da jutri ne bo soletf.
Nach alledem wäre es zu billigen, dass in der Uebersetzung des
neuen österreichischen Katechismus unser Praesens effectivum meist
beibehalten wurde: »se spovem, se obtozim, trdno sklenem, odvezem te«
u. s. w. Auch statt der knorrigen Neuheiten »zdruzujem«, »zahvaljujeni«
würde es wohl besser klingen: j)zdruzim«, »zahvalim«, obwohl hier allen-
falls an dauernde oder wiederholte Akte gedacht werden könnte.
Als Praesens effectivum muss auch dasjenige betrachtet werden,
das einen entsprechenden materiellen Akt begleitet und formell als sol-
chen erklärt, wie das bereits angeführte »dam a und wohl auch «povem«.
Die hiebei erforderliche materielle Handlung mag längere Zeit in An-
spruch nehmen; es wird aber daran nicht gedacht, da es darauf gar
nicht, sondern lediglich auf den Vollzug des Aktes ankommt. Wie man
also richtig sagt: »to ti danm^ so schreibt man richtig auch: »to ti />06-
Ijenm^ wobei auch gar nicht daran gedacht wird, wie ich irrthümlich
ehedem meinte (»Cvetje« XVI., 9, Fussnote am Ende), dass während des
Schreibens nur erst die Absicht besteht und das Schicken selbst noch
in der Zukunft liegt. In demselben Sinne sagt auch der Ueberbringer
z. B. : «to i\ posljejo mati«, indem erst durch die Uebergabe der Akt
des Schickens vollbracht ist.
Dagegen wäre es wohl nicht richtig ein gerichtliches Urtheil etwa
mit den Worten: »sodisce te obsodi na 2 leti v zapor« zu verkünden,
da ja das Urtheil vor der Verkündigung desselben gefällt werden musste:
es muss somit die Verkündigung mit den Worten: »sodisce te je obso-
dilo« geschehen.
Um so mehr ist es verfehlt, wenn Zeitungen schreiben : « Vsi vcerajsni
listi ostro obsodijo tako grozovito zlocinstvoc Richtig müsste es heissen :
«so obsodili«, oder, solange die Blätter noch gelesen werden können:
»obsojajo«.
In der Sprache des Volkes kommt der hier gerügte Fehler wohl
kaum vor ; hingegen ist er aus Büchern und Zeitungen nicht auszumerzen.
Man liest noch fortwährend z. B. : «0 poslanski zbornici vlq pove ta list
Zum Gebrauche der Verba perfectiva und imperfectiva im Slovenischen. 559
uic pozitivnegaw . . richtig nuisste es heissen : «ne ve pocedafi(() —
"Kouecno ta list se ocetovsko poscari graski Senat« . . (richtig: »scari«)
— »Pismo grofa Fr. C. v katerem obrazlozi svoje nazore o dezelnem
solskem zalogu« . . riclitig: ^Jc razlozlln oder »raziagaa) — »Izbesed grofa
Th . . . posnamemo toliko, da morarao smatrati« . . . (richtig: »smemo
posneti« oder »se da posneti») — »Cetrti evangelj pa n&s pouci o ne-
posrednih govorih . . . richtig: »uci« oder jjpoiiruje«) — »Spise, na
katere nanrigne vpredgovoru . . . (richtig: »je namignil« oder »na ketere
misli V predgovoru«) — Obcno izrocilo sv. cerkve postavi sestavo prvega
evangelja luej letora 33. in 40« . . . (richtig: »stavi« oder «si misli«) —
»Globoke doline ga osamijo od vseh strani« . . . 'richtig: »so ga osa-
mile« oder »delajo osamljenega«; n. s. w.
Bei solcher Abgestumpftheit des Sprachgefühls ist es nicht zu ver-
wundern, wenn sich auch Abirrungen in entgegengesetzter Richtung
finden, namentlich bei Leuten, die selbst alles am besten zu wissen
glauben: «Imenom poljskega kluba je vitez A. predlagal^ naj bi se
vrkila seja naceluikov klubovcr . . (richtig müsste es vermuthlich heissen:
»predlozil« und »sklicala«) — »Zato se ga lotujemo danes v tako kratki
obliki« . . . (richtig entweder: »smo se ga lotili« oder »se ga lotimoi' im
Sinne von »hocemo lotiti« oder »bomo lotili«; die Bedeutung des Wortes
schiiesst ein Imperfektivum aus, »lotujemo« ist eine in der Volkssprache
unerhörte Missbildung, leider doch von Pletersnik ins Lexikon aufge-
nommen) — nPoziiaval je Koseski dobro mili jezik slovenski« . . .
(richtig: »poznal«) — »Njena pulitika obstoja v tem« ^richtig: »obstoji«)
— »Tak clovek zasluzuje najostrejso kazen« . . . richtig: »je zasluzil«
oder ).zasluzi«). — Die Worte »poznavati, obstojati, zasluzevati« sind
der slovenischen Volkssprache unbekannt: »pozna, obstoji, zasluzi«
sind gegenwärtig selbst Imperfectiva, brauchen also keine neuen Imper-
fectivbildungen. Wenn man meint, dass sie zu dieser Bedeutung durch
fremden Einfluss gekommen sind, so mag dies richtig sein; es ist aber
kein Grund, sie deshalb als solche nicht anerkennen zu wollen. Wollte
man allea beseitigen, was in einer Sprache durch fremden Einfluss auf-
gekommen ist, so müssten sich nicht nur alle slavischen, sondern wohl
auch die meisten anderen gebildeten Völker auf Erden ein sehr strenges
Silentium auferlegen.
Uebrigens so ganz ausschliesslich massgebend dürfte in unserem
Falle der fremde Einfluss doch nicht gewesen sein. Nehmen wir das so
häufige Verbum »zdi se mi«, es scheint mir, so ist dies eben auch einst
560 Stanislav Skrabec,
ein Perfectivum gewesen: ck^^IvTH, Ck^^fH^A^'^; es dürfte sich aber
kaum ein deiitsclies oder sonst fremdes Wort finden, das den Ueber-
gang desselben in ein Imperfectivum, was es gegenwärtig ist, veranlasst
haben könnte; es war nach Verdunkelung der Etymologie wohl die
Analogie mit anderen Verben auf-'RTH, sowie das Bedürfniss eines Im-
perfectivums für den betreffenden Begriff, was die Aenderung herbei-
führte. Aehnlich mag es sich verhalten mit: domisliti se (sich erinnern),
dopasti (gefallen), obstati, obstoji (bestehen), poznati (kennen), podati se
(wohl anstehen), pustiti (zulassen), razlociti se (sich unterscheiden), smili
se mi (erbarmt mir), spodobi se (schickt sich), sprevideti (einsehen), spri-
sta se (steht gut, von Kleidern), stane (kostet: man schreibt jetzt dafür
vielfach »velja«, als ob es besser slovenisch wäre; leider ist es nur das
italienische «vagliaw, lat. »valetff, und hat eben auch nur die Bedeutung
dieses, also «gilt«', nicht «kostet«), vtegnem (habe Zeit, dürfte), vterpim
(kann erübrigen), zadrzati se (sich verhalten), zameriti ^vermessen], za-
nesti se (sich verlassen), zasluzi (verdient), zastopiti (verstehen, Irci-
araad-ai], zaupati (vertrauen) u. s. w. Manche von diesen Verben
haben zum Theil noch die ursprüngliche perfektive Funktion bewahrt,
so namentlich : domisliti se, pustiti, razlociti, zameriti, zanesti se, zaslu-
ziti. Dass auch ein Imperfectivum zum Perfectivum werden kann, zeigt
»obhajati(( (Communion spenden), das ebenfalls in beiden Bedeutungen
gebraucht wird.
Nach alledem finde ich es lächerlich, Imperfectiva wie »poznati«.
»obstati«, »zasluziti« durch andere Imperfectiva, wie die vorne ange-
führten Neubildungen, ersetzen zu wollen. Indessen sind dies vereinzelte
Fälle. Aerger, weil viel häufiger vorkommend, ist der Gebrauch von
gewöhnlichen Imperfectiven, wo der Sinn Perfectiva oder das Futurum
erheischt. Das ist der Fall in Absichtssätzen, wie solche namentlich in
Gebetsformeln ungemein häufig vorkommen: »0 velika Gospa, sprosi
mi to milost, da noc in dan zalujem uad svojimi grehi . . .« (richtig:
»da bom noc in dan zaloval«; dagegen hiesse es in einem Folgesatz
richtig: »sprosila si mi to milost, da noc in dan zalujem«.) — »Daj mi
tako Ijubezen do kriza, da vselej s tvojo sluzabnico, sv. Terezijo, iscem
in zelim . . .« (richtig: »da bom iskal in zelel«; dagegen Folgesatz:
»dal si mi tako Ijubezen, da iscem in zelim^') — "Stori, o Jezus, da tu-
kaj s teboj jokam in trpim, potlej pa s teboj v nebesih gospodujem . . .«
(richtig: «da bom s teboj jokal in trpel . . . gospodaval«; Folgesatz:
»Jezus hoce, da clovek tukaj z njim joka in trpi, potlej pa z njim v
Zum Gebrauche der Veiba perfectiva und imperfectiva im Slovenischen. 561
nebesih gospoduje«). Die lateinischen oder deutschen Originale haben
allerdings auch in Absichtssätzen das Präsens, es ist aber, wenigstens
im Latein, nur Conjunctiv, und dieser lässt sich eben nicht immer ohne
weiteres durch den Indicativ desselben Tempus wiedergeben ; das wissen
leider unsere Gebetbücherübersetzer nicht.
Doch linden sicii auch sonst in Büchern und Zeitungen ähnliche
Fehler: «P. general usmiljenih bratov je odpotoval danes v Kandijo, da
nadzorujc bolnico tc. usm. bratov« (richtig: > odpotoval nadzorovat«) —
»Zeli se, da bi se duhovniki za delavce zdruzili v kako druzbo, da zdru-
zeni toliko lozje delujejo za njih blagor . . .« (richtig: »da bodo« oder
»da bi zdruzeni delovali«) — «Upamo, da se take zupnije vendar en-
krat vzdramijo ter tchmujejo s svojimi sestrami . . .« [richtig: «ter
zacno tekmovati«) — «Kardinal V. se je zadovoljil z odgovorom s pri-
pombo, da vlada o tem zbornici nemudoma poroia . . .« (richtig: »da
naj vlada sporoci«) — «... ki je zabical Slovencem, da mirujejo . . .«
(richtig : »da naj mirujejo«) — «Previdni profesor je predlagal., naj tako
sedeva, da se s hrbtoma tiUva . . .« (richtig: »je predloziltf . . . »da se
bova tiscala«) — Mat. 5, IG : »Tako naj sveti vasa lue pred Ijudmi, da
cidijo vase dobre dela in castijo vasega oceta . . .« (richtig: »da bodo
videli in castili«).
Es könnte aber eingewendet werden, auch das Altslovenische ge-
brauche vielfach das Präsens imperfectiver Yeiba statt des Futurums,
wie die von Dr. A. Music im XXIV. Bd. des Arch. 8. 484 — 4S6 ange-
führten Stellen beweisen ; es kommt dies sogar in einem Finalsatze vor
(1. c. S. 504). Dagegen wäre zu erinnern, dass die Thatsächlichkeit
dieser Fälle im Altslovenischen ebensowenig die Berechtigung derselben
beweist, wie das in unserem Slovenischen der Fall ist. Die altsloveni-
schen Uebersetzer werden nicht immer bessere Meister der Sprache ge-
wesen sein, als es unsere gegenwärtigen Uebersetzer sind. Jedoch auch
zugegeben, dass die Sache im Altslovenischen ganz sicher in der Ord-
nung ist, so folgt daraus noch nicht, dass es auch bei uns so sein muss.
Manche schöne Vorzüge des Altslovenischen hat unsere neuslovenische
Sprache leider verloren, vielleicht hat sie einige Schwächen und ün-
voUkommenheiten des Altslovenischen dafür ausgebessert. Als eine
solche Schwäche müsste, wenn sie als wirklich zulässig erwiesen werden
könnte, die Anwendung des Präsens imperfectiver Verba für die in der
Zukunft dauernde Handlung im Allgemeinen sicherlich angesehen wer-
den, isehmen wir gleich das erste von Music angeführte Beispiel: »Hf
5t)2 Stanislav Skrabec,
n'n't're C/ä ,v,ov'iiJfi7R cßCtKi^, hkto IvCTf nah mkto iiiirrf«. Das
niüsste doch wohl vor allem bedeuten : »Sorget nicht, was ihr esset oder
trinket«, d. i. «was ihr gegenwärtig esset oder trinket c, also »was das
ist, was ihr in Wirklichkeit schon esset oder trinket«. Und doch soll
man diese Worte in einem andern Sinne verstehen, einem, den sie an
und für sich eigentlich nicht haben können ! Ist dies nicht eine fühlbare
Schwäche der Sprache ? Leider sind aber unsere Sprachverbesserer schnell
bereit, auch oflfenbare Mängel namentlich des Altsloven. nachzuahmen.
Es ist gewiss eine Mangelhaftigkeit, wenn das Altslovenische zwi-
schen dem Conditional des Präsens und des Perfectums keinen Unter-
schied macht. Freilich zeigen unsere Freisinger Formeln sowie auch
das ungarische Slovenisch dieselbe Mangelhaftigkeit: »ecce bi detd nas
nezegresil«; »Gospodne, da bi eli bio, brat moj ne bi mr'u« (Küzm. Jo.
11, 21); allein, da schon Dalm. in diesem und andern Fällen, die ihn
erheischen, den Conditional des Perfekts hat: oGofpud, de bi ti bil tu-
kaj, moj brat bi ne bil vmerlw, da derselbe ferner unter dem sloveni-
schen Volke gegenwärtig allgemein tiblich ist und da endlich andere
slavische Sprachen denselben auch kennen, so ist das in den letzten
Jahren, wie es scheint, modern gewordene Meiden dieses Conditionals
als Schädigung der slovenischen Schriftsprache wohl mit Recht zu ta-
deln. Es ist unzweifelhaft eine auf der mangelhaften Darstellung bei
Miklosich beruhende Furcht vor deutschem Einflüsse, die der Sache zu
Grunde liegt. Meines Erachtens ist diese Furcht im vorliegenden Falle
unbegründet. Dagegen wäre sie in manchem andern Falle nur zu be-
rechtigt, wo man sie doch nicht zu fühlen scheint. Ich will hier nur
noch einen solchen Fall, wo es sich eben auch um den richtigen Ge-
brauch perfectiver und imperfectiver Verba handelt, kurz besprechen:
ich meine die Zulassung der Imperfectiva im Plusquamperfectum.
Man trifft gegenwärtig sehr häufig auf Fälle, wie die folgenden
»Sedaj sem zvedel, kar nem bil ztleh( . . . (richtig- hiesse es: »kar sem
zelel») — »Ravno kar je bil zagotavljal^ kako visoko Ijubi in spostuje
Kristusa« . . . (richtig: »ravno kar je zagotavljal«) — »Prej^e bil pi-
sal ,Narod', da je sploh vse krscanstvo le neka zmes iz . . ., v vabilu
na naroebo pa se huduje nad katolieani, ker so oni zatajili ,zlahtno ro-
zico' Jezusove religije« . . . (richtig: »prej je pisal«) — »Ze H.Taineye
bil 1. 1894 povdarjal veliko korist, katero ima javnost od kongrega-
cij« . . . (richtig: »je povdarjal«) — »Najde jib, kakor so niuj'ih bili
popisovali'.^ . . . (richtig: »so mu jih bili popisali«) u. s. w.
Zum Gebrauche der Verba perfectiva und imperfectiva iiri Slovenischen. 563
Aber auch ein Plusquamperfect eines perfectiven Verbs trifft man
hie und da, wo es nicht hingeluirt : »Listi pravijo, da se bo po novem
letu nadskof umakuii nazaj v franciskanski samostan, iz kateregay^^ hil
izselu . . . (richtig: »iz katerega je (ob svojem casu) izesel«).
Den richtigen Gebrauch des Pluscjuamperfects hat schon Metelko
in seiner noch immer nicht genug ausgebeuteten Grammatik S. 22() sehr
fein präcisirt. Die Stelle verdient hier wörtlich angeführt zu werden :
sie lautet:
»Das Plusquamperfectum im ludicativ haben die Iterativa aus dem
Grunde nicht, weil hier die Handlung als ganz vollendet gedacht werden
muss, als die zweite, auch schon vergangene Handlung erfolgte, die
Iterativa oder Frequentativa aber immer nur die Wiederholung ohne
Rücksicht auf die Vollendung der Handlung bezeichnen, und den Be-
grift" der vollendeten Handlung nur die perfective Form angibt. Man'
kann z. B. nicht sagen: .kaj si mu bil dajal. kaj si mu bil delal, de te
ne mogel pozabiti?' sondern ,kaj si mu bil dal, storil, de te ne mogel
pozabiti?* So auch nicht ,sem bil gonil', sondern ,sem bil gnal', nicht
,sem bil klical', sondern ,sem bil pokücal', nicht ,sem bil nosil', sondern
,sem bil nesel' u. s. w. ,nesel" ist zwar imperfectiv, aber nicht iterativ,
und wird im Plusquamperfectum ,sem bil nesel' als perfectiv betrachtete.
Das oben gerügte «sem bil zelel« ist nicht möglich, weil man sich
einen Wunsch nicht vollendet denken kann, bevor die Erfüllung erfolgt,
der Wunsch besteht auch dann, wenn auch befriedigt, weiter. »Prej je
bil pisal« könnte man sagen von einem vollendeten Schreiben (z. B.
»prej je bil plsul, kedaj pride, tisti dan je pa se berzojavil"); an ein
solches Schreiben denkt man aber bei einer Zeitung nicht, es kommt da
nicht auf die Vollendung, sondern auf die Dauer in der Vergangenheit
an. Richtig wäre : »Ko ste k nam prisli, smo bili ze molili« (d. h. »waren
wir mit dem Beten schon fertig«, dagegen: »smo ze moliii" hiesse
»beteten wir schon, hatten schon angefangen zu beten«). Richtig heisst
es auch bei Dalm. I. buque teh krajleu 19: »Inu kadar je on bil jedil
inu pyl, je on l'pet legal rpat(f. Dagegen ist der in Janezic Gramm.
^. Aufl. angeführte Satz : »Ko je bil trideset let kraljeval, je umrl» nicht
befriedigend, da das Herrschen nicht als vor dem Tode vollendet ge-
dacht werden kann; richtig würde es heissen: »ko je bil trideset let
kralj, je vmerl«. Unzweifelhaft falsch ist auch das Plusquamperfectum
in dem bei Marko (Slov. Sprachlehre für Deutsche, 1. Aufl. S. 142) an-
'-'t'führten Beispiele: »oce so z njima sli in jima pokazali, kakor so pred
564 Stanislav bkrabec, Zum Gebrauche der Verba perfectiva etc.
treh letih (1) bili vzdigali in zadnjic tud vzdignili « . . . Richtig müsste
es heissen: «kako so pred tremi leti vzdigovali in naposled tudi
vzdignili '.
Görz, 31. I. 1903. Stanislav Skrahec.
Die Ursache des Schwundes des prädikativen Instru-
mentals im Slovenischen und Sorbischen.
Bekanntlich ist der Gebrauch
des prädikativen Instrumentals in
den einzelnen slavischen Sprachen
keinesfalls gleichmässig verbrei-
tet. Am weitesten geht in der
Anwendung dieser Consfcruction
das Polnische und Russische; die-
sen kommt zunächst das Cechi-
sche, darauf erst folgt das Serbo-
kroatische und Altkirchenslavi-
sche, in welch letzteren Sprachen
der ursprüngliche Besitzstand des
prädikativen Instrumentals am
treuesten bewahrt zu sein, während
er in den zuerst genannten zuge-
nommen zu haben scheint, wie dies
Jagic in seinen »Beiträgen zur
slavischen Syntax I« (Denkschrif-
ten der k. Akad. d. W. in Wien, Bd. XLVI, Abh. V, pg. 49—54) dar-
gelegt hat. In zwei slavischen Sprachen (vom Bulgarischen natürlich
abesehen) ist indess diese Constrnction ganz geschwunden, jetzt nur in
spärlichen Ueberresten vorhanden: nämlich im Slovenischen und Sor-
bischen, was gleichfalls schon von Jagic (o. c. pg. 55) hervorgehoben
ward. Wie lässt sich nun diese Thatsache erklären?
Der prädikative Instrumental war vor allem am Platze in der Fügung
%. ^^r£^^Ce^
Die Ursache des Schwuudes des prädikativen Instr. im Sloven. ii. Sorb. 565
•in einen Zustand versetzt werden' (zunächst im passiven und medialen
Sinn: zu etwas werden, zu etwas gemacht oder ernannt werden, in
etwas verwandelt werden u. s. w., dann auch im activen Sinn: zu etwas
machen, ernennen, in etwas verwandeln u. s. w.) und dann, nach Ana-
logie von diesen Constructlonen, auch in der Fügung 'sich in einem Zu-
stande befinden" (etwas sein, etwas scheinen, als etwas erscheinen, als
etwas erkannt werden, im Rufe von etwas stehen u. s. w.). Dass diese
beiden Hauptarten des prädikativen Instrumentals einst auch im Slove-
nischen und Sorbischen üblich waren, lässt sich nicht blos aus deren
Vorhandensein in den übrigen Slavinen, sondern auch aus deren Ueber-
resten schliessen, die sich noch erhalten haben. Es beweist uns dies für
das Slovenische zunächst der Dialekt der ungarischen Slovenen (die
prekmurscina), dann der Uebergangsdialekt zum Kroatischen, die soge-
nannte kajkavscina. Aus der letzteren, wo diese Construction noch
ziemlich lebendig ist, citirt Miklosieh in der VG. IV. 731 Bildungen wie
detetom postajem 'puerasco' (Habdelic'i, kakur (möz) iz enega praseta
jelenom postane "wie er aus einem Ferkel ein Hirsch wird' (Frankopan
XIII), dospel herbom posle izmrtja staresev 'heres factus est' iPripov.
83) und mit biti: dicno je biti kotrigom (auch kotrig) vucenoga drustva,
ja takaj buduci pastirom i biskupom cirkve zagrebecke (Kristijanovic
192); andere Beispiele aus der kajkavscina siehe bei Jagic (o.c.pg. 55).
Aus der prekmurscina citirt Miklosieh Beispiele mit i>^^. dao je njim
oblast z bozimi sinmi postanoti (Joann. 1. 12), naj eto kamenje s krühom
postaue (Matth.4,3), gde tejlo s prahom postane; merke auch: spoumni
se, da si präh i z prahom postanes (Zobrisani Sloven 97). Für das Sor-
bische führt Miklosieh (o. c. 732; an: z hospodarom, z knezom, z kral'om,
z wudowu, z hospozu byc 'Hauswirth, Herr, König, Wittwe, Hauswirthin
sein" ^Seiller); dyz möj wujk mi z krawcom bese *da mein Oheim Schnei-
der war' (Smoler Volksl. 1.212), Wilem je z kral'om 'Wilhelm ist König'
(Schneid. 229). Liebsch, Syntax der wendischen Sprache 21 f., hat noch
folgende Verbindungen: hdyz je to, luby, ztej twojej wolu 'nachdem
es dein Wille ist', budz nam w nuzy z pomocu 'sei unsre Hilfe in der
Noth', budz nam z trostom 'sei unser Trost', njej' to mi ze skodu 'das
ist nicht mein Schade', by dze z hrechom bylo 'es wäre eine Sünde', to
je z hrechom 'das ist eine Sünde', z knezom uad nekim byc 'über jeman-
den Herr sein'. (Bei Liebsch ist natürlich p. 22 das Beispiel Jan be
za wotrocka zu streichen, da es ja keinen prädikativen Instrumental
enthält.) Aus den hier augeführten Beispielen ist demnach die ehemalige
Archiv für slavische Philologie. XXY. 37
566 K. strekelj,
Existenz eines prädikativen Instrumentals im Slovenischen und Sorbi-
sclien zur Evidenz erwiesen.
Liebsch meint (o. c. pg. 21), der prädikative Insrumental sei im
Sorbischen aus demselben Grunde gescliwundeu, wie der Genitiv des
Subjekts, wo die sorbische Sprache »vielfach ihr slavisches Gewand
durch den Einfluss des Deutschen und die Nachlässigkeit und Unkennt-
niss der älteren Schriftsteller verloren (hat), denen eine derartige Con-
struction als ein wahrer Barbarismus vorkommen musste, da sie in den
klassischen Sprachen vergeblich nach einer Analogie suchten«. Dieser
Grund ist bezüglich des prädikativen Instrumentals kaum zutreffend, ja
ich glaube mit Jagic (o. c. pg. 52), dass auf die Anwendung oder Nicht-
anwendung des prädikativen Instrumentals die fremde Beeinflussung
sich nicht erstreckt, ganz sicher nicht in dem Masse, dass deren Auf-
geben direct darauf zurückfiihrbar wäre. Der eigentliche Grund für den
Schwund der in Rede stehenden Construction in den beiden genannten
Sprachen liegt vielmehr in dem Umstände, dass beide den präpositions-
losen Instrumental überhaupt verloren haben.
Im Slovenischen kommt der Instrumental, ähnlich dem Local, ohne
Präposition gar nicht vor, ausser in adverbieller Function, in welchem
Falle er aber gar nicht mehr als Casus gefühlt wird, wie das gleiche
vom Local (z. B. sredi-sred, glihi vizi 'gleicherweise') gilt; derartige
adverbiale Instrumentale sind krizem, maJiom^ cim-tem^ ceno, dann die
Bildungen auf ma, wo a an altes im durch Uebertragung von Adverbien
auf a sich festgesetzt hat und nicht etwa ein Instrumental dualis ist
[vekoJna aus veköma-veköm [viküm], popolnoma ist gar ein Local po-
polnom, u. s. w.); bei den Prekmurci kommt auch prispodobnim tälom
'gleicherweise' (kn. mol. 30) noch vor. Die bei Miklosich in der Syntax
(passim beim Instrumental) ohne cS^ erwähnten Beispiele sind kajkavisch.
Das gleiche wie vom Slovenischen gilt vom Sorbischen : auch dieses
kennt den Instrumental ohne Präposition jetzt nur in Adverbien auf y.
wo ihn eigentlich nur der gelehrte Philologe herausschälen kann; es ist
demnach im Sorbischen vom präpositionslosen Instrumental nicht ein-
mal soviel übrig geblieben wie im Slovenischen. Es rechnet zwar Liebsch
0. c. pg. 147) auch Beispiele wie sobu (cech. sebou, 'mit'), sfronu 'zur
Seite' (swoju stronu hie, cech. stranou) dazu, allein dies sind zumindest
höchst unsichere Beispiele, da ja im anlautenden s wie im slov. sul"
[sehöj) die Präposition s^ stecken kann : sobu = z sobu, stronu = z
stronu, swoju stronu = z swoju stronu. Aus demselben Grunde kann
Die Ursaclie des Schwundes des prädikativen Instr. im Sloven. u. Sorb. 5G7
ich auch an die präpositionslosen Instrumentale bei AVarichius (1597),
welche Liebsch aus einem mir nicht zugänglichen Aufsatz Hörnik's auf
S. 147, Anmkg., anführt, nicht recht glauben, weil alle angeführten
Beispiele mit s oder z beginnen : slowami a skutkami, ztotom ale sle-
borom, swojimi darami, swojeju hnadu. Ist es möglich, sollte es denn
nur ein Zufall sein, dass nur Wörter mit s, z im Anlaute den Instru-
mental ohne Präposition gebildet hätten, während sonst die Präposition
zur Anwendung kam ? Kaum. Aber Miklosich führt ja gleichfalls
pg. 732 seiner Syntax ein bud/. kuezom na swojich bratrach (aus Genesis
27, 29 bei Novik. 127) an! Gegen diesen Einwand erwidere ich, dass
hier dem Instrumental ein mit dz auslautendes Wort vorausgeht, so dass
auch hier eigentlich budz z knezom damit ausgedrückt sein konnte.
Das einzige Wort, welches, abgesehen von y -Adverbien, als prä-
positionsloser Instrumental im Sorbischen aufgefasst werden könnte,
wäre siceru 'treu, mit Treue', wenn es wirklich von einem alten *s^vcra
stammt; dann müsste nämlich ein S'B stveraja im Sorbischen ze sweru
ergeben. Nun kommt aber dieses Substantiv im Slavischen sonst nicht
vor, sondern nur rera (eech. düvera ist wie russ. cBlipKa, cuipoK-B ein
Deverbativum), und mir scheint es nicht unmöglich, dass sorb. nvera
Treue' erst aus dem Instrumental S'l veraja (sweru) 'mit Treue' ab-
strahirt ward, um für 'Treue' ein W^ort zu gewinnen, welches nicht mit
wera 'Glaube, Religion, Konfession' zusammenfiele. Sei indess die
Sache mit stveru welche immer, eines ist sicher, dass das Sorbische den
präpositionslosen Instrumental noch viel gründlicher und allem An-
scheine nach auch früher abgestreift hat als das Slovenische.
Die unmittelbare Folge dieser Abneigung gegen den präpositions-
losen Instrumental war nuu die Einführung einer Präposition auch bei
dessen prädikativer Anwendung. Gewählt ward dazu natürlich jene,
von welcher man fand, dass sie schon in der vorhandenen Sprache zur
Bezeichnung desjenigen, mit dem ein anderes verbunden ist, oder zur
Bezeichnung der eine Handlung begleitenden Umstände (cf. Miklosich.
Syntax 723 — 725, Punkt IG und 17) bald gesetzt werden, bald fehlen
konnte, nämlich die Präposition s^, wobei zum Ausdruck des Mittels
vielleicht auch fremde Sprachen (deutsch 7nif, Italien, cofi] theihveise
einen Einfluss ausüben konnten. So bildete man denn auch den prädi-
kativen Instrumental mit *7j, z. B.: s prahom postanes, z bozimi sini
postati, naj eto kamen je s krühom postane; aus dem biti kotrigom vu-
cenoga drustva kann man einen sicheren .Schluss ziehen auf ein biti s
37*
568 K. Strekelj,
kotrigom viic. drustva, ebenso auf Constructionen wie bil je s pastirjem,
bil je s hlapcem, izbran je bil s cesarjem, bil je s kvuljem; aus sorb.
moj wujk z kraAvcom bese kann man auch schliesseu auf ein Jan b<' z
wotrockom und ähuliches. War aber dies einmal eingetreten, so mussten
die Constructionen bil je s kraljem, bil je s pastirjem, izbran je bil s
kraljem (er war König, er war Hirt, er ward zum König gewählt) mit
logischer Nothwendigkeit mit jenen vermischt und verwechselt werden,
wo die Präposition s^ zur Bezeichnung einer Verbindung, des sogenann-
ten Sociativs, gebraucht wird, wo also bil je s kraljem, bil je s pastirjem,
izbran je bil s kraljem so viel bedeutete wie: er war mit dem König
zusammen in Gesellschaft des Königs), er war in Gesellschaft des
Hirten, er ward zugleich mit dem König gewählt. Dadurch war aber
die Sprache in das Dilemma der Zweideutigkeit gerathen, aus welchem
sie sich nur dadurch retten konnte, dass sie den prädikativen Instru-
mental ganz aufgab, indem sie theils zum Nominativ zurückkehrte (bil
je kralj, bil je pastir, postal je kralj, Jan be wotrock), theils zur Con-
struction mit za mit dem Accusativ ihre Zuflucht nahm: bil je za kralja.
bil je za pastirja, bil je izbran za kralja, Jan be za wotrocka. In dieser
letzteren Construction deutschen Einfluss zu suchen, geht nicht an, weil
ja das Deutsche zu gebraucht, welches beim Ausdruck der Bewegung
mit h) wiedergegeben werden müsste.
Das Aufgeben des prädikativen Instrumentals im Slovenischen und
Sorbischem beruht demnach nicht auf fremdem Einfluss, sondern auf der
logischen Nothwendigkeit einer Auseinanderhaltung des Sociativs von
dem prädikativen Instrumental, der in diesen Sprachen die Präposition
sh zu sich genommen hatte; der Sociativ konnte wegen der durchaus
nothwendigen Setzung der Präposition s^ aus seiner Stellung nicht wei-
chen, deswegen musste der prädikative Instrumental elimiuirt werden.
Zu Beginn der neueren sorbischen Literatur versuchte man, wie
Liebsch bemerkt, die Construction des prädikativen Instrumentals wieder
in Aufnahme zu bringen; »nachdem sie aber als eine dem Sprachbe-
wnsstsein fast ganz entfremdete Erscheinung wenig Anklang fand, Hess
man sie fallen«. Auch die slovenischen Schriftsteller legen seit etwa
20 — 25 Jahren das Bestreben an den Tag, die abgestorbene Construc-
tion zu neuem Leben zu erwecken ; leider sind sie nicht so gescheit wie
die sorbischen, um das Vergebliche ihres Bemühens einzusehen und ihre
Sorgen lieber auf Besseres und Nothwendigeres zu richten. Wie wenig
übrigens diese Construction ihnen selbst ins Fleisch und Blut überge-
Die Ursache des Schwundes des i)rädikativen Instr. im Sloven. u. Soib. 569
gangen ist, d. L., wie gering bei ihnen die Kenntniss von deren Anwen-
dung in den verwandten sluvischen Sprachen ist, welche sie nachahmen
wollen, ersieht man am besten daraus, dass von ihnen Tag für Tag Sätze
verbrochen werden wie der folgende: Gospodje x, y in z so bili izbrani
poslancem (instr. singularis 1 ; ja ein Blatt schrieb vor nicht langer Zeit
Gospode in drustva, ki si ne mislijo narociti lista, prosimo uljudno, da
nam takoj vrnejo prvi zvezek, ker bi jih sicer smatrali narocnikom
(instr. singularis I). Ob es wohl dem \'erleger recht wäre, wenn die
Herreu, denen er sein Blatt zugeschickt hatte, alle zusammen nur einen
einzigen Abnehmer abgeben würden? K. Strekelj.
Ein Stück Yolksetymologie.
1. Bulg. 3;^i^iVACi^'K, böhm. slovak. zuhadlo\ 2. Bulg. n;siTeKa).
1.
Es gibt Wörter, deren Ur-
sprung auf den ersten Augenblick
so klar scheint, dass der Forscher
gewöhnlich an ihnen vorübergeht,
als verdienten sie keine weitere
Beachtung. Ein solches Wort ist
bulg. 3A^KäAEiVK, böhm. slovak.
zubadlo. Dass es mit sa^K'K
böhm. slovak. zub) »Zahn« zu-
sammenhängt, scheint ja so zwei-
fellos — vgl. Miklosich EW. unter
zemb-i.: «Mit zotnbu ist zu ver-
binden c.-wößfZ/oGebissff — .^ dass
man über alles andere leicht hin-
weggeht, zwingt aber Einen der
Zusammenhang dazu, dem Worte
schärfer ins Gesicht zu sehen, so
wird man leicht durch die vorge-
fasste Meinung, der Stamm könne
nun einmal nichts anderes als 3;i^K- sein, irregeführt und man hilft sich
^ -^^
570 Oskar Asboth,
eben, wie man kann — in Miklosich, Stammbildungblelire lesen wir:
»SecündsLY zuljudlo frenum« Vergl. Gr. II, 8. 100; das bulgarische Wort
scheint Miklosicli unbekannt geblieben zu sein. Mich hat zuerst das
ungarische zabola, zahla stutzig gemacht, das bei vollkommen gleicher
Bedeutung auch lautlich nahe genug liegt, um uns an der Identität
desselben mit dem slavischen Worte keinen Augenblick zweifeln zu
lassen. Dieses ung. zabola^ zahla wollen wir nun einmal näher
untersuchen.
Vergleichen wir das böhm. slovak. zuhadlo mit dem bulg. 3;^Ka-
(\6iJt'K, so ergibt sich uns, auch ohne dass wir weiter ah irgend einen
Zusammenhang mit zub-^7i^Ki^ »Zahn« denken, mit grosser Bestimmt-
heit ein altbulg. *3A\RaA0 als ursprünglicher Mame des Gebisses. Es
fragt sich nun, lässt sich das ung. Wort aus diesem *3;i^Ki\i\c» erklären?
Das ganze Gewicht der Frage fällt darauf, ob sich das betonte a der
ersten Silbe aus slav. ^ entwickeln konnte; denn dass dem slav. Wort-
auslaut -a/\0 im Ungarischen -ola, -la sehr wohl entsprechen kann, be-
darf keines weiteren Beweises. Nur für den Fernstehenden bemerke
ich, dass jedes schliessende -0 der slavischen Wörter im Ungarischen
regelrecht in -a übergeht, und verweise im Uebrigen auf meine Aus-
führungen im Arch. XXII, S. 464 — 466 i), wo ich nachgewiesen habe,
dass dem slav. a in alten Lehnwöi teru im Ungarischen nur in der be-
tonten ersten Silbe ä entspricht, während dasselbe in der ursprünglich
am schwächsten betonten zweiten Silbe zu a und o geschwächt werden,
ja ganz schwinden kann. Aus dem Wortauslaut -a/XO konnte also sehr
wohl ung. -o/a, -la werden, wie dies z. B. auch das aus altbulg. T/ä-
iKaao^^ gewordene mi^.tezsola, tezsla «Vordeichsel« anschaulich macht
s. meinen Aufsatz Tezsola im Magyar Nyelvör XXXI, S. 379 ff. 1902).
Das, was bei der Erklärung Schwierigkeit macht und was mich schliess-
lich darauf geführt liat, dass wir überhaupt nicht von *3;RKaAC» aus-
gehen dürfen, ist der Stammvokal a ; denn ein ung. «, welches einem
altbulg. ^ gegenübersteht, ist im allerhöchsten Grade auffallend. Dem
altbulgar. ;si gegenüber haben wir im Ungarischen in erster Linie on
oder om zu erwarten, wie dies eine Reihe von Fällen zeigt: EaA;,.v,'i\^
1) Ich bitte gleichzeitig 2 Druckfehler an den angeführten Stellen zu
berichtigen: S. 465, Z. 5 ist »papräd neben papräd« zu lesen und S. 406, Z. 16
Drttga statt Draga.
~) Vgl. poln. cjfzW/o, Vöhm.tezadlo, slovak. föi'a«7/o, rum. thijala {\-J = -!)•
Ein Stück Volksetymologie. 571
holond dumm, thöricbt^j, rp^iK'K, -a, -0 ^^orowAa grob, i'AiKa^
(jomba Pilz, \i^h^V'}\~^doroit(j Knüttel, \2ixVA~l>donya Fassdiiube,
Kp;^(ir'k^/torow/7 Scheibe, *Vi.K^\^w~^kondor kraus ^j, K^iKOAk^»
konkoly Kornraden, Lolch, K;S\C'k^/i;owc Bissen, Stück Fleisch, Kno-
chen u. g. w., OKpA^Hk;>a/>';-o//c6', n\^X*\'\'^porond sandige Stelle,
Ci\?i\W&^ szaloNka Schnepfe, c?i\\i'i>'\\\^ szomhaf Sonnabend, c^-
z^X^^^^omszed Nachbar, 'V \)Xs.x^'^ torongy (veraltet) eine Krank-
heit, T;Rn'k, -a, -^'^tompa stumpf, *H?ix^\)w'^cs(>mbor Polei, Flöh-
kraut, A^TCp'k ^oy/Yora die Kimme am Fass, ?t^'\"Vs.\\'W 2> onto/c Ein-
schlag beim Weben. Zu diesen 19 Fällen kommt als 20ater das in
2 alten Quellen belegte ronc^ika »Gefäss«<^p;ii;MkKa; ich erwähne es
besonders, weil es neuerdings zu manchen Missverständnissen Veran-
lassung gegeben hat, die ich in IIsBi&cTifl Ot^. pyccK. h3. o.iob. t. VII,
KU. 4-fl, S. 264 — 26G, 1903 beleuchte. Ausdrücklich muss davor gewarnt
werden, in diesem o/i-om, dem gewöhnlichen Reflex von altbulg. ?if^.
irgend etwas Slovenisches zu sehen. So wie es mir überhaupt nicht ge-
lungen ist, auch nur in einem einzigen allgemein verbreiteten slavisclien
Lehnwort der ungarischen Sprache etwas speziell Slovenisches zu ent-
decken, so haben wir hier am allerwenigsten Grund, gerade vom Slove-
nischen auszugehen. Zunächst entspricht dem reinen, nicht nasalirten
slav. 0 im Ungarischen in der Regel a, und nicht o, ein entsprechender
o-Laut mit nasaler Ausströmung dsr Luft hätte also an-am, ergeben,
nimmt man aber auch eine geschlossenere Aussprache des <> in dem
Nasalvokal an, so kommt man doch nicht weit damit, eiit.-pricht doch
das ung. 0 oft geradezu einem slavischen oy: K'kHOV'K'k u. H'kHOV'Ka^
unoka Enkel, Enkelin, rnov'CTv>^owo«2 (adj.) böse, KOi'M'k u. ko\'-
Ma^/to/^m Gevatter, komasszomj [kotnn -{- asszony »Frau«) Gevatterin,
*KC»\'\'Hrd>>Z;ow////a Küche, OKpov'Ck^ ai^^-osr Tischtuch, caoy'''*^
szolga (aus *szoloya] Diener, H^y^^'^csoda (seltener csudu) Wunder
u. s. w. In diesen Zusammenhang liesse sich U7i^\\A^ inunka »Arbeit«
anführen, sowie die Thatsache, dass die ältesten lateinisch geschriebenen
Urkunden statt szombat »Sonnabend« in Ortsnamen vielfach Zumbot
u. Aehnliches bieten. Doch ist die Wiedergabe der ungarischen Laute
in der ersten Zeit eine schwankende und die Frage eine strittige, wie
wir dies Zumbot zu lesen haben, und munka lässt sich sehr wohl aus
1) Im Ungarischen sind mehrere slavische Substsintiva zu Adjektiven
geworden.
572 Oskar Asboth,
älterem *monka als jüngere Form erklären. Auch szüszek »Kornkam-
mer« <^c;S\C'kK'k und güzs «Wiede, Weidenband« -cT^^rA^/Kk mit vor
Zischlauten auch sonst in slavischen Lehnwörtern häutigem Verlust des
Nasalen entscheiden nichts, da das lange ü im Ungarischen oft erst
aus älterem langen 6 entstanden ist; szüszek u. güzs hätten demnach
ebensogut aus einem alteii *szomszek u. *gonzs als aus einem *szum-
szek u. *gunzs werden können. Ebensowenig lässt sich aus pok »Spinne«
<^iiä;i^K'K und dem gewiss aus *na;R,.3HHa zu evklsn-enden p6z?ia «grosse
Stange, Wiesenbaum« (s. IIsBicTia a.a.O. S. 227 f.) etwas Sicheres ent-
nehmen. Die Entscheidung macht nur noch schwieriger, dass das ung. o
auch einem altbulg. T\ entsprechen kann: M'K^'k'^ moh Moos, pTxJKK
'^rozs »Roggen« u. s. w., wonach also on-om vortrefflich zu einem alt-
bulg. ;^ = 'k" (vgl. den Reflex von ^ im Rumänischen fn-tm mit dem
dumpfen Vokal vor n-m !) stimmen würde, wie dies schon Oblak richtig,
bemerkt hat (CöopnHKT, Mim. XI, S. 547), wobei er freilich manches
Nichthergehörige mit hineingemengt hat, so stammt, um nur ein Beispiel
zu nennen, ros^ das nach Miklosich »rufiis« bedeutet, wenn es überhaupt
im Ungarischen ein solches Wort gibt, was durchaus nicht ganz sicher
ist, nicht aus altbulg. p'K/K4,k, sondern aus rum. ros (1. s = s) »roth«!].
Wir haben aus dem Bisherigen gesehen, wie misslich es ist, aus
dem Reflex des altbulg. ^ in den ungarischen Lehnwörtern auf den
Lftutwerth desselben schliessen zu wollen. Eines jedoch ist gewiss, dass
die Ungarn in diesem Laute weder ein a vor der nasalen Ausströmung
gehört haben, noch ohne andere Einflüsse je zu einem a in dem Reflex
des ;?» gelangt sind. Es war also ein Missgriff von Potebnja, wenn er
sich auf ung. galamh »Taube« u. pisztrang «Forelle« berief, um wahr-
scheinlich .zu machen, dass in Nx ursprünglich ein a-Laut ertönt habe
(Arch.III, 616 f.). Pisztrang^ in der Schriftsprache pisztrang, ist noch
immer nicht recht erklärt — einem *nkC'i'p;»;r''k gegenüber hätten wir
^pisztrong zu erwarten, doch ist zu beachten, dass wir es hier mit dem
Wortauslaut zu thun haben, der durch Anlehnung an ähnlich auslautende
Wörter leichter eine sonst ungewohnte Vokalisation erhalten konnte.
Dass aber galamh nichts für einen ursprünglichen «-Laut in Jt^ beweisen
i) Oblak's Aufsatz ist nach meiner Abhandlung A szläv szök a magyar
nyelvben Budapest 1893 erschienen, wo ich zu dem Resultat gekommen bin,
dass die Ungarn bei den in ihrer neuen Heimat angetroffenen Slaven das a
mit einem nasalirten ü['h)- oder i<(oy)-Laut gehört haben müssen, s. S. 26.
Ein Stück Volksetymologie. 573
kann, musste doch Potebnja schon daraus ersehen, dass in der ersten
Silbe, also dem slav. o gegenüber, ebenfalls a steht, wie ja das kurze
ung. a sehr geschlossen, stark gegen o zu gesprochen wird und in den
slavischen Lehnwörtern thatsächlich in der Regel aus älterem o gewor-
den ist. Nur so ist es ja zu begreifen, dass Oblak ung. rjalamh^ lanha u.
parancsol aus dem üngarisch-Sloveuischen erklären wollte (CöopnnKi,
Mhh. a.a. 0. S.541). Das schwierige lanka, dessen slavischer Ursprung
vielfach bestritten worden ist, lasse ich bei Seite, da ich keine sichere
Lösung zu bieten vermag, bemerke jedoch, dass schon die Verbreituug
des Wortes — es ist nur im Osten des Landes bekannt — gegen Oblaks
Annahme spricht und dass überdies lonka daneben vorkommt. Galamb
»Taube« \\. parancsol «befehlen« lassen sich viel einfacher erklären und
brauchen durchaus nicht von den übrigen Fällen losgerissen zu werden :
wir haben in denselben gewiss nichts anderes zu suchen, als eine voll-
kommene Ausgleichung der aufeinander folgenden Vokale, (jalamh und
parancsol ist also aus älterem *galomh und *paroncsol zu erklären.
Bei der erwähnten nahen Verwandtschaft des ung. a mit o ist diese
Ausgleichung doppelt leicht zu begreifen, kommt sie doch auch in Fällen
vor, wo die Laute ungleich weiter von einander abstehen, wie in äbräz
(jetzt nur mit Weiterbildung: ährüzat »Antlitz«) aus OKpaS'k und zä-
vär »Kiegel« aus aaiiopTk, statt deren man *abrdz und *zärar zu er-
warten hätte, da dem slav. o kurzes mit Lippenrundung gesprochenes a
zu entsprechen pflegt und nicht das lautlich weit abliegende, ohne Run-
dung gesprochene lange «, das sonst dem slav. a gegenübersteht. Ein
besonders interessanter Fall einer derartigen Ausgleichung ist mostoha
<CMaujTtYa, s. meine Ausführungen in IhBt.cTia a. a. 0. S. 310. Die
vollkommene Ausgleichung zweier in unmittelbar aufeinander folgenden
Silben stehenden Vokale ist ja auch im Slavischen nicht unbekannt, vgl.
bulg. r'KA;RB'K, was natürlich ebensogut r;i^AA^KTv geschrieben werden
könnte, ja thatsächlich zuweilen so geschrieben wird für altbulg. r<>/\;^Bk
und noT'KH;iKA'K (= noT;fxH;*iA'K) für altbulg. noTOn;s\<\'K, serb.
cTajaTii, Inf. zu cxojnM, vgl. altsl. ctohth ctc»;r, MaHacTHp vgl.
altsl. MOHacTKiph. gr. uovaarrjQiov.
Ich erwähne nur noch, dass es neben piszfräng »Forelle« mit sei-
nem auffallenden än=^ ^ kein zweites Wort gibt, in dem slav, lu gegen-
über ung. cm stünde; denn läncsa ist ital. lancia und hat mit a;iiUJTa
gar nichts zu thun, ein ung. *ängor aber, das Miklosich aus ^^ropk er-
klärt, gibt es nicht, s. Il3BtcTi;i a. a. 0. S. 257.
574 Oskar x\sbüth,
Nach dem Gesagten hätten wir einem altbulg. 3;f^ca/\0 gegenüber
ein *zo)7iho1a zu erwarten und nicht zahola\ sowohl der Verlust des
Nasalen, der sonst bloss vor Zischlauten, vereinzelt auch vor k [pok
Spinne <C naA^K'k) schwindet, als auch a statt o überrascht uns. Ich
kenne allerdings noch Einen Fall, wo dem altbulg. Tf*. ein reines a gegen-
übersteht, doch bedarf dieser Fall selbst gar sehr noch der Erklärung ;
ich meine das Wort rakonca Aufhaltegabel, Spreize am Wagen. Mi-
klosich stellt es neben serb. pyicyiiima, das altbulg. *p;^KO\fHHU,a lauten
würde; diesem entspräche zunächst ein ung. "^ronkonca^ woraus sich
die bei den Szeklern in Siebenbürgen übliche Form röko7ica, mit ähn-
lichem Verlust des Nasals wie in />ö^' aus naÄ^K'K, leicht erklären Hesse,
wobei zugleich die Dehnung des Vokals vermuthen lässt, dass früher
thatsächlich *ronkonca mit einem Nasal nach dem ersten o gesprochen
wurde. Wie aber rakonca^ die allgemein gangbare und auch aus der
alten Sprache reichlich belegte Form, zu erklären ist, weiss ich nicht ;
nur der Verlust des Nasals in Folge von Dissimilation ist mir verständ-
lich, die Entstehung von a aus dem zu erwartenden o nicht. Immerhin
wiegt dieser Eine Fall, der überdies den Schwund des Nasals in zahola
aus dem etwa vorauszusetzenden '^'zomhola unerklärt lässt, nicht schwer
genug, um den Wunsch nach einer anderen, befriedigenderen Erklärung
zurückdrängen zu können.
Da uns die slavischen Wörter zu keiner eigentlichen Lösung geführt
haben, so wollen wir einmal den umgekehrten Weg versuchen und von
ung. zahola ausgehen. Da ung. a regelmässig einem slav. o entspricht,
so lässt sich ung. zahola anstandslos aus einem slav. *30Ka/\0 erklären.
Dass wir in dem slovenischen Wörterbuch von Pletersnik in der That
eine solche Form finden (»2. zohälo das Pferdegebiss ogr. — C«), fördert
die Frage um keinen Schritt; einmal ist die slovenische Form zweideutig
und kann ebensowohl einem altbulg. *30RaA0 als einem *3/TxBa/\o ent-
sprechen, dann aber kann von einem speciell slovenischen Einfluss auf
das Ungarische, so weit meine bisherigen Forschungen mich belehren,
überhaupt nicht geredet werden. Ein jüngerer Mitforscher, Dr. Melich,
scheint allerdings zu ganz anderen Resultaten gekommen zu sein, doch
da er rocska, die Nebenform des oben erv/ähnten alten roncsika (<[ ^ü^-
HkKa), allerdings ganz unbegründeter Weise (s.IIsBicTia a.a.O. S. 265)
für slovenisch hält, so würde er selbst wohl einem slovenischen zobalo
= altbulg. *3;ii^Ka/\0 gegenüber im Ungarischen kein zahola mit a in
der betonten ersten Silbe erwarten. Ich lasse also das slovenische Wort,
Ein Stück Volksetymologie. 575
iils für unsere Zwecke werthlos, bei Seite und untersuche, was wir mit
der Annahme eines allgemein slavischen *30Ki»A0 gewinnen.
Im ersten Augenblick scheint es allerdings geradezu verwegen,
Angesichts des deutlichen Zeugnisses, das zwei so weit von einander
abliegende Sprachen, wie das Bühmisch-Slovakische einerseits und das
Bulgarische andererseits, abgegeben haben, zu behaupten, dass die
Slaven das Pferdegebiss ursprünglich nicht *3;>^KaAC» genannt haben,
dass der Name desselben mit 3AiK'k ))Zahn« auch gar nichts zu thun
hat, sondern anfangs" *3C>Kai\c> gelautet hat. Wenn wir uns aber da-
rüber hinwegsetzen und auf die Einzelheiten eingehen, so stellt sich
heraus, dass uns die Bildung des Wortes und die Bedeutungsentwickelung
desselben plötzlich ganz merkwürdig klar wird, wenn wir von *.^OKi\AO
ausgehen. Denn das wii-d doch wohl Jedermann gestehen, dass das
Verhältniss von *3;i^KaACt zu 3ÄiK'K, sowohl was die Ableitung des
Wortes, als auch was die ursprüngliche Bedeutung anbelangt, nichts
weniger als klar ist. 3oKaAO dagegen stellt sich ganz von selbst zu
30KaTH und bezeichnet etwas, hktc» kohk 30KAn"k: ein Werkzeug,
eine Vorrichtung zum Nagen, genau so wie lans-serh. /tryzadlo »Gebiss
für Pferde« aus Itrijzac «nagen, benagen«. Diesem laus. -serb. //;'y2rtf//y
entspricht vollkommen das sloven. ^risa/o, das Janezic mit »Beisswerk-
zeugc, Pletersnik mit »Gebiss« übersetzt, und ganz eben dieselbe An-
schauung liegt auch dem sloven. zvala^ serb. zvale zu Grunde (vgl. alt-
slov. >KkBaTii »kauen«). An der Thatsache also, dass die Bezeichnung
für das Gebiss der Pferde aus einem Zeitwort, das »nagen, kauen« be-
deutet, stammen kann, ist gar nicht zu zweifeln, und wie nahe eine der-
artige Grundanschauung liegt, zeigt auch das deutsche Gebiss, engl, hit,
ital. fnorso, franz. mors. Die sachliche Erklärung dafür muss ich den
Hippologen überlassen, will aber hier wenigstens noch das mittheilen,
was bei uns Frecskay darüber sagt, ein Mann, der sich auf solche
Sachen versteht. Frecskay setzt, nachdem er einen alten ung. Ausdruck
für »Trense« ejnlö aus emlejii »saugen« erklärt hat, also fort: »Mit
dieser emlö genannten Vorrichtung veranlasst man das Pferd den Kopf
zu neigen und vertreibt die Hartmäuligkeit des Pferdes, was eine Be-
dingung der Lenkbarkeit desselben ist. Zu diesem Zwecke muss man
aber das Pferd daran gewöhnen, am Mundeisen zu nagen. Diesbezüg-
lich schreibt das für die Honvedkavallerie 1900 herausgegebene Regle-
ment S. 158: Besondere Aufmerksamkeit ist darauf zu wenden, dass
das Pferd an der Trense nage. Und in einem deutschen Werke lese
576 Oskar Asböth,
ich folgendes: ,Mau muss das Pferd zu fortwährendem Kauen und
Saugen der Trense veranlassen'. Das Pferd muss also an der Trense
fortwährend nagen, saugen «, s. Magyar Nyelvör XXX, S. 192.
Die Ueberraschung, mit der Mancher meine Behauptung gelesen
haben mag, böhm.-slovak. zuhadlo und bulg. .'iA\Ka/\ni,'K seien nicht
auf ein *3;^KaAC», sondern auf *30Kai\0 zurückzuführen, dürfte im
Laufe meiner Auseinandersetzungen einer ruhigen Erwägung Raum ge-
macht haben. Die Spur, aufweiche uns das ung. zahola geführt, hat
uns eine Perspektive eröffnet, die uns die Entstehung des entsprechen-
den slavischen Wortes auf einmal vollkommen klar gelegt hat und im
schönsten Einklang mit anderen Bezeichnungen für denselben Gegen-
stand erscheinen liess. Was Bedenken erregen könnte, was mich selbst
bestimmt hat, mit der allergrössten Vorsicht zu Werke zu gehen und
mit der Veröffentlichung des gewonnenen Resultates zu zögern, ist die
immerhin auffallende Thatsache, dass auf zwei von einander weit ab-
liegenden Gebieten die gleiche Anlehnung von ursprünglichem *30KaA0
an die Bezeichnung für ))Zahn« [^7i^^'\s.-zub] stattgefunden haben soll.
Doch muss man zugeben, dass diese Anlehnung weder lautlich noch be-
grifflich gar zu ferne lag. Ich wundere mich daher gar nicht, dass sich
im Grunde genommen genau dieselbe Anlehnung vereinzelt auch im
Kroato-Serbischen wiederfindet; denn es zweifelt wohl Niemand daran,
dass, wenn man bloss in Risan (Risano) syöaTH »kauen« sagt, es sonst
aber auf dem ganz grossen Sprachgebiet überall sböaxH heisst, wir es
mit demselben Hineinspielen des in jeder Beziehung nahe liegenden
3y6 »Zahn« zu thun haben.
Ich schliesse der Besprechung von ^^^am\s,'\>.- zuhadlo einige
Worte über das bulg. n;siTe'Ka an, verbindet doch auch eine gewisse
äusserliche Aehnlichkeit diesen Fall mit dem vorigen: in n;RTeKa steht
ganz ebenso ;r^ für älteres o, wie in 3;i^BaA£i^'h., und auch hier führt
uns eine fremde Sprache am leichtesten zu dem richtigen Verständniss
des slavischen Wortes.
Duvernois erklärt das bulg. n;fkTfKa mit russ. xponHHKa, Tponu-
HOyKa und führt folgende Belegstellen an: ÜKopo ropa sanapAiTe,
n-LTCKH npeciqiTs; TaMx rfsra hh n&TB hh n&TeKa; Kim% öpirxx'B,
MOMyexal cjiasfliiTe no ii/üTs^iKaTa noji;x cjoriTi, na-i^Bo; XyMÖojrATi.
cjiiABame iieroBLi-TLi ndiTeKti eu^e ot^b öammio-xo cii orHHUj;e. Die
Ein Stück Volksetymologie. 577
Bedeutung von nhxTh (»Weg^ und n;t^TEKa («Pfad«) liegt so nahe,
dass eine Anlehnung des letzteren an das erstere sehr leicht statt liuden
konnte, eine direkte Ableitung des Wortes ii^^TEKa aus n;^Th, wie sie
Miklosich EW. unter potitu annimmt, ist dagegen geradezu ausgeschlos-
sen ; auch Duvernois denkt nicht daran, sondern macht den verzweifel-
ten Versuch, das bnlg. iiA^TCKa aus einem peis.-türk./^ä/X/ä »le sentier«
zu erklären.
Das Wort wird uus sofort klar, wenn wir uns in einer Nachbar-
sprache umsehen, auf welche das Bulgarische einen mächtigen Eintluss
gehabt hat, ich meine das Rumänische. Dort wird derselbe Begriff
m\tXe\^i potecu '" ausgedrückt, ja das Wort oder besser gesagt das daraus
gebildete potecasi hat eine historische Bedeutung erlangt, so hiessen
nämlich eine Zeit lang die Grenzwächter, welche die Gebirgsübergänge
bewachten 2). \)\q^ potecafi ist wieder vergessen, aber weit und breit
kennt man das Wort, aus dem es gebildet worden ist, potecü^ resp.
dessen Umgestaltung joo^ira. Das jüngere ^0^20« ist eine Rumänisirung
des fremdartig klingenden potecif. im Rumänischen ist nämlich betontes
e vor ü der folgenden Silbe ein ganz ungewohnter Laut, in einheimischen
Wörtern wird das e in derartiger Stellung regelmässig zu ea. Ganz ver-
einzelt scheint auch das fremde poteca zu einem den rumänischen Laut-
gesetzen vollkommen entsprechenden poteaca ausgewichen zu sein, mir
wird es von einem meiner Hörer aus Seliste in Siebenbürgen mitgetheilt,
daneben gebraucht man dort poteca und ein auch sonst belegtes mascu-
lines potec. Dass sich in dem soeben erwähnten masc. pofrc ein slav.
iiOTfK'k spiegele, wie in poteca das fem. no'i'tKa, lässt sich durchaus
nicht mit Sicherheit annehmen, da bei der ungewohnten Lautgestalt
von poteca jenes potec sehr wohl eine Neubildung sein kann : ein regel-
rechter masc. Singular zu dem ursprünglich fem. Plural poteci, etwa
wie das bulg. KOAaMk, dem im Rumänischen colaci (spr. kolac] ent-
sprechen würde, als Mehrzahl empfunden zu einem Sing, coläc (spr.
kolak) führte-^). Der Nom. Flur, endigt nämlich bei einem Theil der
1) Ich bezeichne absichtlich den Accent mit dem Gravis, weil poteca
nach einer weit verbreiteten orthographischen Gepflogenheit leicht missver-
standen werden konnte : Viele schreiben e für ea.
-\ S. in Dames Wörterbuch poteca{i (anc.j corps de troupe organis^e en
1834 pour garder les sentiers des frontiei'es.
3i Das bulg. Ko.iaKT., welches neben Ko.iaqt vorkommt, erklärt sich wohl
auch am einfachsten, wenn wir darin einen auch sonst nachweisbaren rum.
578 Oskar Asbotb,
weiblichen Hauptwörter auf -ä genau so in -i aus, wie bei den konso-
nantisch schliessenden männlichen Hauptwörtern. Ich bin daher geneigt
das mm. mac. potec als eine Abstraktion aus dem Plural zu betrachten und
poteca als älteste Form anzunehmen, aus der poficä und das vereinzelte
Yum. pofcaca sich lautlich, pofec morphologisch entwickelt hat; mich be-
stärken darin die grössere Häufigkeit der femininen Formen und der Um-
stand, dass ich aus dem Bulgarischen ebenfalls nur ein fem. Wort kenne.
Miklosich, der viele Jahre vor Erscheinen seines Etym. Wörterbuches viel
klarer in der Sache gesehen hat, als später, und das bulg. n;i^TfKa
, ganz richtig erfasst hat, ist in seinen Rumän. Elementen 1860 von dem
msc. nOTfK'K ausgegangen: »nOTfK'k : bulg. p-tteki,. — riOTiK m.
nOTeuTv, noTHK'K f. semita« i). Später hat Miklosich, wie schon die
Stelle im EW. zeigt, den richtigen Faden gänzlich verlasen und bringt
das rumänische Wort ebenso wie das bulgarische mit n;i^Tk in Verbin-
dung: r)hxi\g. pefeke Fusssteig Jir. 212, mm. poteke, aslov. pqfh u.s. w.«,
s. Die slav., magy. u. rum. Elem. im Türk. 18S9 unter patHa S. 17.
Wenn ich, weil die fem. Form im Rumänischen die weiter verbrei-
tete ist und ich aus dem Bulgarischen nur eine solche kenne, auch ge-
neigt bin von *noTfKa auszugehen, so fällt es mir natürlich nicht ein
zu läugnen, dass im Bulgarischen einst auch ein masc. *nc>T£K'K hat
existiren können, etwa wie im Russischen das masc. und fem. neben
einander vorkommt. Daran ist nämlich gar nicht zu zweifeln, dass russ.
noxeKt, noTBKa (auch iioTeuKa kommt vor, ganz wie im Bulgarischen
n;i^TfMKa neben n;^TeKa) dasselbe Wort ist und dass wir auch für die
Bedeutung »Pfada von der Vorstellung des »Rinnens« auszugehen
haben. Beachten wir, dass im Rumänischen in der Nähe des Gebirges
potecä-poticä auch heute noch speciell den Alpensteg, Gebirgspfad be-
deutet, z. B. in Also Porumbäk (Komitat Fogaraschl unweit der Foga-
rascher Gebirge, so macht es nicht die geringste Schwierigkeit, die Be-
Eiufluss anueliinen. Ein türk. kolak, von dem Miklosich im EW. S. 124
spricht, kenne ich nicht; in seinen Türk. Elementen hat er nur ein türk.
»Kulac'i [?], unter das er ganz willkürlich das bulg. KOjiaK-B stellt.
1) Das an der Spitze des Artikels stehende noTCKt ist als ein voraus-
gesetztes altslov. Wort zu nehmen und das schliessende -t danach zu lesen;
im bulg. p-Ltekt ist das schliessende --h genau so zu sprechen, wie das i. im
Wortinuern, pttekt deckt sich also dem Lautwerthe nach genau mit nAieKa
der Schriftsprache, die rum. Formen entsprechen den oben erwähnten: ^>o^t'c,
j)oteca, potiva.
Ein Stück Volksetymologie. 579
dentung ))Pfad.< aus der des «Rinnsals, Wasserabflusses« zu erklären
(vgl. auch sloven. />o^f/?,- »Ablauf«, pol. ^^ociV/»- »Abfluss«). Hatte sich
aber erst aus der ursprünglichen Bedeutung des «Rinnsals« die des
Pfades« entwickelt, so lag im Bulgarischen die Anlelinung von 110-
'i'fKa an iiAiTK nahe genug und so entstand das heutige n;s;TfK»\ mit
genau demselben Lautwandel, wie *:-JOKi\i\C' zu *3A^Kai\o ^bulg. :-JA^Ka-
AfH'K wurde.
Ich habe gleich Anfangs darauf hingewiesen, dass sich zwischen
den 2 Fällen auch insofern eine gewisse Verwandtschaft zeigt, dass uns
den Schlüssel zum richtigen Verständniss auch bei n;i\Tf Ka eine fremde
Sprache in die Hand gibt, wo allein genau dieselbe Bedeutung wie im
Bulgarischen zu linden ist, bei treuer Bewahrung der älteren Lautgestalt.
Ich glaube also, dass dieser zweite, einfachere Fall immerhin ein ge-
wisses Licht auf jenen ersten komplicirteren zu werfen geeignet ist.
zeigt er doch auf's Neue, dass die Volksetymologie eben gar nicht selten
ihr Spiel treibt und Wörter, die ursprünglich nichts mit einander zu thun
haben, manchmal in einer Weise aneinander knüpft, dass der Forscher
oft seine liebe Noth hat, die Fäden wieder auseinanderzuwirren, um das
ursprüngliche Gebilde von späterer Zuthat zu säubern. Wir haben es
als einen seltenen Glücksfall zu betrachten, wenn sich die ursprüngliche
Form gleichsam wie ein Petrefakt in einer benachbarten Sprache er-
halten hat; denn wir bekommen dadurch neuen Aufschluss über das
Leben und Weben der Sprache.
OsJcar Ashöth.
580
(jlück und Ende einer berühmten literarischen Mystifi-
cation: Be/i,a CjiOBeHa.^)
(Capitel aus der Geschichte der bulgarischen Ethnographie.)
I.
Es ist vielleicht noch man-
chen in Erinnerung, die genau
vor 35 Jahren (1867) zur Zeit der
Moskauer Ethnographischen Aus-
stellung am Slavencougress theil-
nahmen. welch' freudige üeber-
raschung ein den 21. Mai aus den
Tiefen Makedoniens eingelangtes
Telegramm folgenden Inhalts ver-
ursachte: »Seres, Professor Po-
pov. BegTüsse die slavischen Brü-
der vereint im heiligen Moskau
und benachrichtige sie von der
Entdeckung des sehr alten Epos
in bulgarischer Sprache Orpheus'
Heirat. Bulgarischer und serbi-
scher Archäologe Stefan Verko-
vic« 2].
Der Name des glücklichen
Entdeckers war der slavischen
Welt nicht ganz unbekannt. Herr
1) Eine bibliographische Vollständigkeit ist hier selbstverständlich
weder beabsichtigt, noch möglich. (Die Literatur bis zum Jahre 1888 führte
ich an im Sbornik des bulg. Unterrichtsministeriums, Bd. I, p. 2 Anm.) Es
sollen nur die Hauptmomente in der Entwickelung einer einst recht heissen
Frage gezeigt und vorzüglich die Resultate meiner persönlichen Unter-
suchungen in der Materie kurz angegeben werden. In einer grösseren Studie
werde ich das Thema erschöpfender behandeln, wobei hauptsächlich die
Einzel-Beweise, bestehend aus einer grossen Anzahl ungedruckter Docu-
mente, vorgelegt werden sollen.
-": BcepoccificKaa 9THorpa*iiiecKaH BticxaEKa. CiaBHUCKlü ctisÄt b-b Ma'fe
1867 r. M. 1S67, p. 419.
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystification: Bcja CioBciia. 58 1
Verkovic. ein Bosnier aus der Posavina ^), hatte sich ein gewisses Ver-
dienst erworben durch eine Sammlung makedonisch-bulgarischer Frauen-
lieder, die in Belgrad ISOO) unter dem Titel «IhipoAHc necMe Ma-
KeAOHCKii 6yrapa. Kit. I. yKeiicKe necMe« erschienen war.
Diese Sammlung, im Grossen und Ganzen, trotz ihrer nicht unbe-
deutenden Mängel, ein Werk objectiven Wahrheitsstrebens, war ge-
wissermassen a priori eine Gewähr für die Authenticität der feierlich
1) Eine leidlich gute Biographie des Mannes (mit Porträt) findet der
Leser in der bulg. illustrirtcn Ztschr. »CBiuiiua«, herausgegeben in Philippo-
pel, Bd. II, Heft 9. Zu vergl. die Zeitung »CBouoaa", Sofia 1894, 4. Jänner.
Nr. 1287. Nach dem Tode Verkovie's entdeckte ich unter seinen Papieren das
Bruchstück einer brcitangelegten Autobiographie, die jedoch nicht über die
Kiudcrjahre reicht. Das Leben des einst vielgenannten und vielgesehmähteu
Mannes lässt sich (theilweise nach unedirten Briefen und Berichten; kurz
folgenderuiassen resurairen : Geboren im Dorfe Ugljara in der Posavina im
J. 1827. machte er seine Studien im Sutinerkloster und sodann am Agramer
theol. Seminar, wo er Gelegenheit hatte, sich mit den politischen Idealen und
Plänen eines Ludevit Gaj vertraut zu machen. Bald kehrte er dem geistlichen
Stande den Rücken, kam 1848 nach Belgrad und machte Garasanin's Bekannt-
schaft. Der kluge Staatsmann wollte ihn für seine geheime politische Propa-
ganda gewinnen, doch Verkovic schlug das verlockende Anerbieten aus, um
sich seinem Lieblingsstudium, der Archäologie, praktisch widmen zu können.
Er überschritt den 6. Dez. 1850 die Grenzen Makedoniens, das sein zweites
Vaterland werden sollte, und bereiste im Laufe von 10 Jahren (1850 — 1860'
das ganze Land, Avobei er nicht allein viele seltene antike Münzen, Kunst-
gegenstände und Manuscripte fand, sondern auch eine grosse Anzahl von
Volksliedern sammelte das erste zeichnete er noch im J. 1856 auf. Im Jahre
1857 siedelte er sich ständig in Seres an, wo er auch heiratete. 1862 gab er
doch dem Andrängen Garasanin's nach und wurde Chef und Leiter der ge-
heimen serbischen Mission in Makedonien, eine Stelle, die er bis zum J. 1875
bekleidete. Diese Seite der Verkoviöschen Thätigkeit, die ich nur aus eini-
gen confidentiellen Briefen des Mannes an Stambulov und andere Staats-
männer kenne, verdient gewiss eine eingehendere Würdigung. Es sei hier
nur bemerkt, dass wer den Ethnographen Verkovic studiren will, Einsicht in
seine politischen Bestrebungen, die den Idealen eines Ludevit Gaj treu blie-
ben, nehmen muss. (Verkoviö sagt gelegentlich einmal: »Ich bin kein Suma-
dinac, sondern ein Agramer«. Er stemmte sich mit allen Kräften gegen eine
Serbisirung des Landes). Im verhängnissvollen Jahre 1865 entdeckte Verko-
viO das erste Specimen aus der Reihe der Vedalieder und hiermit war sein
Schicksal besiegelt. Seit diesem Momente lebte er nur für seine »epochale«
Entdeckung. Das weitere findet der Leser bei der Geschichte der Veden
selbst. Nachdem Verkovic 14 Jahre in Russlaud verbrachte, kehrte er Ibül
nach Bulgarien zurück, wo er den 30. Dez. 1S93 im Alter von 66 Jahren starb.
Archiv für slavische Philologie. XXV. 38
582 I- t^ismanov,
ausposaunten Entdeckung, und so konnte es nicht fehlen, dass im all-
gemeinen Rausch des Momentes, wo man eher mit dem Gefühl, als mit
der Urtheilskvaft lebte, die Existenz des bulgarischen Epos von der
Heirat des thrakischen Orpheus von Niemandem ernstlich bezweifelt
wurde. Ad majorem Slaviae gloriam kam zwei Tage nach dem Tele-
gramm, wie das schön in einer kleinen Broschüre aus jener Zeit erzählt
wird *), das 852 Zeilen lange Epos selbst an mit einem an Professor
NilA.Popov, Mitglied des Organisationscomit^s der Ausstellung, adres-
sirten Brief, worin Verkovic nicht allein nähere Orts- und Zeitangaben
über seine »epochemachende« Entdeckung macht 2|, sondern es auch in
schwungvollen Ausdrücken versucht, den überaus seltenen Werth des
angeblich von ihm in der Macva von einem 105 Jahre alten Pomaken
aufgezeichneten Epos zu bestimmen 3). Charakteristisch ist es, dass
schon hier die wagehalsigsten Hypothesen aufgestellt werden (so bei-
spielsweise die Hypothese von der Urverwandtschaft der jetzigen Bul-
garen mit den alten Thrakern), auf Grund einer Bemerkung Emile Bur-
nouf's (Essai sur le Veda) wird weiter ausgeführt, dass Thraker
Makedonier, Illyrier wie alle Slaven dem »Sanscritstammetf angehören,
was den hämischen Deutscheu und vorzüglich Max Müllern (!; nicht
ganz angenehm sein dürfte und dergleichen mehr. In normalen Zeiten
hätten diese Fantasien eines Dilettanten vielleicht genügt, um die Pro-
venienz des Epos selbst zu verdächtigen, allein man war, wie gesagt, iu
besonders gehobener Stimmung, deshalb, weit davon entfernt, Verkovit
der Mystification zu zeihen, billigte man den Vorschlag des Präsidenten
des Organisationscomites der ethnographischen Ausstellung, des späte-
ren Directors des Oeffentlichen und Rumjaucov'schen Museums in Mos-
kau, V. A. Daskov, das eingesandte Epos von Orpheus' Heirat im
1) ^pcBHKfl öojirapcKaH 9nonea oöt Op*e4. MocKBa 1867. Abdruck aus
eiuem Artikel Nil Popov's in der Zeitung »MocKBa«, Nr. 130, 1867.
2) Die wunderbare Geschichte seines Fundes hat Verkovic später oft
bebandelt, so vor allem in zwei Briefen, veröffentlicht in einer langen Reihe
von Feuilletons der Agramer Zeitung »Narodne Novine« (der 2. Brief allein
zieht sich durch 25 Feuilletons, vom 29. Nov. 1869, Nr. 270 bis 24. Januar 1870,
Nr. 18). Wichtig iu dieser Beziehung ist auch das Vorwort zum ersten Bande
des »Besä CioBeaa«. Beide Quellen haben jedoch mehr eine Bedeutung für
die Geschichte der Entstehung der Veden. Es sind vorzüglich Documente
zur Kenntniss der psychologischen Voraussetzungen der Entdeckung.
3) Später berichtigte Verkovic selbst (BeÄa CjoBCHa I, p. XV), dass der
Sänger nicht 105, sondern nur 70—80 Jahre alt gewesen sei.
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystification: Beja CtoBena. 583
Original mit russischer Uebersetzung unverzüglich drucken zu lassen,
was auch im selben Jahre nach Schluss der Ausstellung geschah ').
Allein dabei liess man es in Kussland im Grossen und Ganzen be-
wenden. Obwohl Verkovic zum wirklichen Mitgliede der Moskauer
Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaft, Anthropologie und
Ethnographie ernannt wurde und die Petersburger Geographische Ge-
sellschaft sich mit Vergnügen Bruchstücke aus dem Orpheuslied vor-
lesen liess, that man nichts weiter, um die Entdeckung zu popularisiren,
oder gar weitere Forschungen nach ähnlichen Schätzen in Makedonien
anzuregen. Das Interesse für den slavischen Veda schien mit dem
Rausch der slavischen Verbrüderung verflogen zu sein.
Verkovic's «wissenschaftlicher« Fund war gar der Gefahr ausge-
setzt, in Vergessenheit zu gerathen, wenn der begeisterte Archäologe
nicht rechtzeitig vorgesorgt hätte, dass seine Entdeckung auch den
westeuropäischen Gelehrten bekannt werde. Verkovic hatte sich
nämlich in seinem Jubel nicht allein an die im heiligen Moskau verein-
ten Brüder gewendet, sondern auch an einen Mann, von dem er sich
nicht umsonst reges Interesse für seinen Fund versprach, den damaligen
Director der Französischen Schule in Athen, Emile Burnouf, den
Verfasser des obencitirten Essai sur le Veda 2), und diesmal hatte Ver-
kovic Glück, nicht allein gepriesen, sondern auch wirklich ernst genom-
men zu werden, und zwar von einem einflussreichen Gelehrten, dessen
Wort im französischen Unterrichtsministerium schwer wog. Wie ich
weiter ausführen werde, hat sich die ganze Correspondenz Verkovic's
aus jener Zeit erhalten. Aus den zahlreichen, sehr interessanten Briefen,
die jetzt in meinem Besitze sind, und vorzüglich aus den Briefen des
Consnls Dozon. lässt sich mit Genauigkeit feststellen, dass es niemand
1, ^pCBiiaa öoJirapcKafl nicii/i o6t> Op*ei. OrKpuraa Creo-aiiOM-L BepKOBU-
^CMT), cepICKUMt u öojirapcKUMT. apxeojioroMX. M. 1867. Das Büchlein ist mit
einem Vorwort versehen, in dem auf die grosse nationale Bedeutung des
entdeckten Epos für das ganze Bulgarenthum hingewiesen wird. Nach allem
zu urtheilen, ist dasselbe von dem als bulgarisch-makedonischen Dichter be-
kannten Zinzifov verfasst.
-) Emile Burnouf, ein Neffe Jean Louis Burnouf 's. geb. 1821, 1854 Pro-
fessor der alten Literatur in Nancy, 1867 Director der Ecole fran^aise d'Athe-
nes. Von seinen Werken sind hauptsächlich zu nennen: Methode pour etudier
la langue sanscrite. 1S59; Essai sur le Veda ou introduction ä la counaissance
de i'Inde, 1863; Dictionnaire class. sanscrit-fran^^is, 1S63— 1865.
38*
584 I- '^isDaanov,
anders als Burnouf selbst war, der die ganze Action in der westeuro-
päischen Literatur zu Gunsten des Slavischen Veda einleitete^).
Er war es, der vor allem den bekannten Archäologen Albert
Dumont bestimmte, auf einer Durchreise durch Belgrad in die Verko-
vic'schen Manuscripte, die damals (1868) in der Serbischen Literari-
schen Gesellschaft verwahrt wurden, Einsicht zu nehmen. Obwohl
Dumont kein Wort slavisch verstand und sich deshalb ein Urtheil über
die in Belgrad deponirten Lieder (im Ganzen 34 mit 13817 Versen) nur
mit Hilfe Janko Safarlk's, des damaligen Directors des serbischen
Nationalmuseums und wissenschaftlichen Berathers Verkovic's ^), bilden
konnte, unterliess er nichts, um Burnouf 's Wunsch zu erfüllen. Das
Ergebniss seiner Untersuchung legte er in einem Briefe an seinen Di-
rector nieder, der in dem »Bulletin de l'Ecole frangaise d'Athenes«
(Heft UI— IV, Sept.— Oct. 1868, p. 68—73)3) erschien und haupt-
sächlich feststellt, dass die Authenticität der Lieder keinem Zweifel
unterliegen könne, denn: 1) entspreche das Ganze einer sehr kennt-
lichen Einheit (ä une unite tres reconnaissable) ; 2) sei der Werth der
Lieder nicht derart, dass ihn ein Fälscher leicht begreifen könne:
3) sei die Ursprünglichkeit der Lieder eine solche, dass sie absolut an
nichts Aehnliches erinnern (ne ressemblent absolumeut ä rien, or un
pastiche ressemble ä quelquechose); 4) zeichnen sich diese Fragmente
1) Verkovic dürfte sich zum erstenmale an Burnouf, der damals noch in
Frankreich weilte und eben erst zum Director der französischen Schule in
Athen ernannt worden war, im Jahre 1867 gewendet haben. Den 21. Juli des-
selben Jahres antwortet ihm Burnouf in einem italienisch geschriebenen
Briefe, dass er einen jungen Professor der Athener Schule, der sich mit der
Archäologie Thrakiens und Makedoniens befasst, nach Seres senden werde,
um seine Entdeckung zu prüfen. (Davon ist die Rede noch in einem Briefe
vom 26. Mai 1868. Dumont war jedoch verhindert, sich direct nach Seres zu
begeben). »Ho gia parlato, signore«, theilt er gleichzeitig mit, »della vostro
discoperta et del vostro utilissimo lavoro a qualcuni dotti uomini fra i miei
amici«. Aber der erste Eindruck, den er von dem angeblichen Orpheuslied
empfing, schien nicht Verkovic's Hypothesen zu bestätigen: »Dunque pare«,
schreibt er, »che la sopradetta canzone suH' Orfeo non sia molto antica. Se
non fu fahricata 'per }7ioderno poeta del vostro paese, non mi pare esser piü an-
tica che la mezza etä : e affatto simile alle canzoni di questo tempo ; che souo
numeiose in Europa et sono chiamate Romans de chevalerie«.
2j Ueber Safarik vgl. den werthvollen Nachruf Novakovic's im Agramer
Rad XLI, 1877, p. 190—226. Cf. auch }KMHnp. 1878, Heft XIL
3) Abgedruckt in Bd. VI der »Archives des missions scieutifiques«.
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystitication: Be;ia CioBeiia. 585
durch Jugend. Einbildungskraft und dichterische Eigenschaften aus,
was der beste Grund sei, an ihre Authenticität zu glauben; 5) nach den
Referenzen, die er (selbstverständlich von Janko Safarik) gesammelt
habe, könne man an der Ehrlichkeit Verkovic's nicht zweifeln. »Die
Eintdeckuug der slavobulgarischen Rhodopelieder scheint demnach ein
Ereigniss (evenement) ersten Ranges zu sein«, schliesst Dumont. »Man
kann zwar nicht genau vorhersagen, welche Wiclitigkeit sie für die
Wissenschaft gewinnen werden, aber dieselbe dürfte bedeutend sein« i).
Dumont's Mission konnte begreiflicherweise, trotz des besten
Willens des Forschers, keine besseren Resultate liefern, deshalb musste
sich Burnouf nach einer anderen Kraft umsehen, die geeigneter zu einer
Verification des Verkovic'schen Veda wäre. Der richtige Mann fand
sich auch bald in der Person des damaligen französischen Consuls in
Philippopel, Auguste Dozon, der wenigstens des Serbischen mächtig
war, reges Interesse für die südslavische Volkspoesie bewiesen und be-
reits auf Verkovic's Bitte das »Orpheus-Epos« ins Französische über-
setzt hattet). Aus den mir vorliegenden Briefen Dozon's ersehe ich.
dass spätestens zu Anfang des Jahres 1S()9 Buruouf seinem
Unterrichtsministerium den Vorschlag gemacht hatte, den französischen
Consul in Philippopel mit der Mission zu betrauen, die Authenticität
der Verkovic'schen Lieder zu prüfen. In einem Briefe Dozon's vom
22. Januar 1S69 heisst es: »Mr. Burnouf qui attache beaucoup de prix
ä votre decouverte. a pense que, vu mes etudes ant^rieures, je pourrais
avec fruit etudier les origiuaux sur place et il a demande en conse-
quence au Ministere de l'Instruction Publique de me charger d'une mis-
sion speciale ä cet eflfet«.
Kurz vorher war von Dozon im y Bulletin de l'Ecole Francaise
d'Athenes« (Heft V— VI, Nov.— Dec. ISGS, p. 94 — lOa; eine ausführ-
liche Analyse des Liedes »Orpheus' Heirat« erschienen 3). Inzwischen
1) Später kam Dumont auf die Frage von der Authenticität des Slavi-
8chen Veda noch einmal zurück in seinem Buche »Le Balkan et TAdriatique«.
Paris 1873, p. 165—170 'zuerst erschienen in einer Serie von Artikeln in der
Revue des deux Mondes . Hier ist er zwar reservirter, doch meint er immer-
hin, dass die Frage viel zu wichtig sei, als dass sie nicht von Gelehrten
untersucht werden sollte, ohne Rücksicht auf Panslavismus oder Hellenismus.
-) Die Uebersetzung war für Burnouf bestimmt.
3) Später veröffentlichte er im Heft VII (Januar, 1870) u. VIII (Februar
d. J.) noch einige UebersetzungenVerkovic'scher Lieder und Sagen. Bekannt
ist es, dass Dozon einiges aus dem Verkovic'schen Schatz auch in seine
586 I- Sismanov,
hatte ihn aber seine Regierung nach Epirus versetzt. Aus Janina mel-
det er den 14. Februar 1870, dass er sich vermählt habe, und dass in-
folgedessen Burnouf's Project sehr problematisch geworden sei. »Quant
ä la mission que je devais avoir pour vos contrces l'ann^e derniere, mon
mariage m'a force de renoncer ä ce projet, qu'il n'est probable que je
pourrais Jamals executer. Esperons toujours cependant«. Die Hoffnung
war auch nicht ganz eitel, denn schon den 15. Mai desselben Jahres
erfreut Dozon den mit Ungeduld harrenden Verkovic, dass er denn doch
gegen Ende des Monats Juni vom Ministerium mit der bekannten Mission
betraut werde. Allein das Schicksal wollte es anders. Inzwischen bricht
der deutsch-französische Krieg aus, und Burnouf's Plan zerschlägt sich
diesmal, wie es scheint, auf immer. Auch dem Consul Dozon ist selbst-
verständlich alle Lust vergangen, in den Momenten der schwersten
Prüfung für sein Volk sich mit dem Slavischen Veda zu befassen. Er
schreibt aus Janina, den 31. August 1870: »En attendant et quand la
Situation sera devenu un peu plus favorable et me permettra de re-
prendre mes etudes je recevrai avec reconnaissance tous les renseigne-
ments que vous voudrez bien me donner sur vos decouvertes les te-
7iant, il est inutile de le dire, pour parfaitement authentiques (also
noch vor der Untersuchung!) et nous pourrons nous concerter et cher-
cher moyen de leur donner de la publicitec — Es vergehen volle zwei
Jahre, bezeichnet auch in der Correspondenz durch eine entsprechende
Lücke. Erst den 15. Januar 1872 gibt Dozon wieder ein Lebenszeichen
von sich. Bemerkenswerth ist es jedoch, dass inzwischen sich in ihm
Zweifel über die Echtheit des »Veda Slovena« geregt haben. Verkovic
hat dem Consul ein Lied von der Entdeckung des Alphabets mit der
Bitte zugeschickt, dasselbe ins Französische zu übersetzen.' Er wolle
ihm gerne ein entsprechendes Honorar für die Mühe zahlen. »Mais la
question de la remuneration de mon travail«, schreibt Dozon, »est bien
moins ce qui me preoccupe que celle de l'anthenticite, et ici il faut que
je sois d'une entiere franchise avec vous. Des doutes se sont eleves
ä ce stijet, comme jadis ä propos de Kraledvorski Rukopis Non
pas, cela va sans dire, que je suppose un instant que vous ayez pu fa-
briquer ces pesme, mais d'autres pourraient avoir abuse de votre bonne
Sammlung bulgarischer Volkslieder aufnahm. 'E-hJir. Hap. nicHir. Chans, pop.
bulgares inedites, Paris 1875, p. 123 — 143. Chants mythologiques de la Macc-
doine Orientale.
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystification: Beaa C.ioBCHa. 587
foi (il y a plusieurs exemples de ce genre dans l'histoire littöraire)(f.
Aber zwei Monate später erfreut Dozon unerwartet seinen Freund Ver-
kovic mit der Nachricht, dass der Krieg denn doch nichts am Plane
Burnouf's geändert habe, denn er Dozon] habe den 3(i. März ein Tele-
gramm von seinem Unterrichtsministerium erhalten, sich unverzüglich
nach Seres zu begeben »de veritier l'authenlicitö des chants bulgares
d^couvert par M. Verkovitch«. Diesmal war das Schicksal gnädiger.
Dozon langt glücklich in Seres an, nimmt die Gastfreundschaft Verko-
vic's an*;, und nach sechs Wochen 25. Mai — <j. Juli 1872) kehrt er
auf seinen Posten zurück, vollkommen von der Authenticität des damals
177 Lieder (im Ganzen S.").')r)2 Verse) enthaltenden Veda überzeugt. Wie
er zu dieser Ueberzeugung kam, ist ausführlich in seinen zwei officiellen
Berichten zu lesen, die er an das Ministerium sandte und vorerst im
Journal officiel (I. Bericht 4. u. S.Nov. 1S72, II. Bericht 17. u.2u.Febr.).
alsdann mit Anmerkungen bereichert in den »Archives des missions
scientifiques« erschienen 2). Bekanntlich hielt es Dozon für seine Haupt-
aufgabe, nachzuweisen, dass weder Verkovic, noch sein Schreiber
(scribe) in Krusovo, Gologanov, der Fälschung geziehen werden
können. Eine Viertelstunde genügte ihm, um sich von der Offenherzig-
keit des ersteren zu überzeugen. Verkovic könne nur beschuldigt wer-
den, eine exaltirte Interpretation seiner Texte versucht zu haben 3).
Gologanov aber sei, sozusagen, ein lebender, impassibler Phonograph,
ein jedes Verstandes barer Mechanismus. Wie hätte auch ein ganz
simpler Mensch, der kaum des Schreibens kundig, eine solche Masse
liochpoetischer Lieder fabriciren können *), — ergo muss der Veda der
1) Wie zufrieden Dozon aus dem Hause V.'s schied, sieht man gleich aus
seinem kroatisch geschriebenen Dankbrief, worin er seineu Freund ver-
sichert, dass er niemals seine Gastfreundschaft vergessen werde. »Ja cu tu
nikad zaboraviti«. Brief vom 9. Juli 1872.
'-) Archives des missions scientifiques et litteraires, choix de rapports
et Instructions publies sous les auspices du Ministere de ITnstruction publique
des cultes et des beaux arts. Troisieme serie. Tome premier. Paris 1873.
Premier rapport sur une mission litteraire en ilacedoine par M. Auguste
Dozon, p. 51 — 75. Appendice 76 — 79. Second rapport in dem nämlichen
Bande p. 193 — 235, Appendice 236 — 246. Als Separatabdruck: »Les chants
populaires bulgares. Rapport sur une mission litteraire en Macedoine«. Paris
1874, p. 84.
■') »Je suis loin d'etre d'accord avec lui sur la valeur des textes d^cou-
verts et sur les conclusions qu'il en tire«. Kapport, Sep.-Abdr. p. 54.
^) lieber Gologanov spricht sich Dozon folgendermassen aus: »Yovan
588 I- i>i8manov,
Slaven echt sein. Der Schluss konnte natürlich eine strengere Logik
kaum befriedigen, dazu ist es aus den Berichten nicht ganz klar, ob
Dozon die incriminirten Lieder aus dem Munde der angeblichen Volks-
sänger hörte i), allein wir üben hier keine strenge Kritik, sondern ver-
suchen hauptsächlich den Lauf einer literaturgeschichtlichen Begeben-
heit zu skizziren und verweisen den Leser auf die diesbezüglichen
Rapporte des Consuls, sowie an die sicli daran knüpfenden Erörterungen
der Freunde und Widersacher. Wenn wir uns mit Dozon etwas länger
befassten, thaten wir es aus dem Grunde, weil er in der Geschichte des
Slavischen Veda eine überaus wichtige Rolle spielt, und weil ohne ihn
manche bedauerlichen Verirrungen hintangehalten worden wären ^j.
So sind zunächst die phantastischen Conjecturen eines Chodzko
avait 6te maitre d'ecole, mais son savoir etait des phis bornes; il le devait
entier ä un pope de village et dans les ecoles rurales grecques de la Turquie
renseignement est on ne peut pas plus elementaire« (p. 62). »II n'avait d'ail-
leurs, comme je m'en suis convaincu dans mes conversations avec lui, ancmi
goüt pour la poesie, ni pour le metier de collecteur« (16}.
'). Dozon gesteht selbst: »L'examen auquel je me suis livre ä Seres n'a
pu ctre lui menie que tres rapide«. Zwar lesen wir, dass er in Begleitung von
Verkovic mehrere Ausflüge (wahrscheinlich nach Krasovo) unternahm »desti-
nees ä m'eclairer par mes propres yeux sur Vorigine de ces manuscritsf, aber
ob er bei diesen Excursionen die Lieder selbst singen hörte, das ist sehr
zweifelhaft. Prof. Leger schreibt mir in dieser Frage: »En 1874 ou 1875
Dozon vint ä Paris; il vint me voir: je fus stupefait de son ignorance. II
avait appris les langues comme un droginan, mais il ne savait pas un mot de
Philologie slave. Je lui demandai s'il avait entendti chanter par quelquun les
chants du Veda. 11 me repondtt que non, mais que Verkovitch lui avait montre
des manuscrits«. Gologanov's Sohn schrieb mir einmal, dass sein Vater und
Dozon sich nicht verständigen konnten, denn letzterer sprach sehr
schlecht bulgarisch. Zur Geschichte der Dozon'schen Mission gehören auch
folgende sehr interessante Stellen aus zwei Briefen Gologanov's: »Wenn
jener Franzose nach Seres kommt, müssen Sie mich vorher benachrichtigen,
bevor Sie nach Kruaovo kommen« (Brief vom 10. Juni 1868). »Wenn der fran-
zösische Consul aus Philippopel nach Seres kommt, sagen Sie ihm nichts
von den Pomaken, sondern (sagen Sie ihm), dass Sie die Lieder aus dem
hiesigen Kreise erhalten haben. Auch von mir bitte ich nichts sprechen zu
wollen« (Brief vom 21. October desselben Jahres). Später (1872) hatte Golo-
ganov alle diese Bedenken überwunden. Er fühlte sich sicherer.
2) Es mag gleich bemerkt werden, dass eines der ersten Opfer Dozon's
Burnouf selbst war, der verleitet wurde, zu behaupten, dass die Verkovic'-
schen Sammlungen das Speciraen einer arischen Sprache aufweisen, die viel-
leicht älter sei, als das Griechische.
Glück und Ende einer beiühmteu literar. Mystification : Beja Cioneiia. 5S9
(wie später eines Geitler) ohne Dozon's Rapporte schwer denkbar.
Chodzko, Professor der Slavistik am Pariser Colh'ge de France, war
seiner angeborenen Naivetät halber, sozusagen, praedisponirt, an die
Echtheit des slavischen Veda zu glauben i). Nun kam Dozon und deckte
mit seiner ganzen Autorität den verdächtigen Fund. Wie wäre es auch
möglich, dass ein officieller Regierungscommissär, der an Ort und Stelle
seine Untersuchung durchgeführt hatte, sich so arg täuschen konnte-).
Und nun liess Chod/.ko seiner Phantasie die Zügel schiessen. Er kün-
dete zunächst für das Wintersemester (1873 — 1S74) eine Vorlesung
über den Slavischen Veda an. Das Jahr darauf rückte er eine kurze,
aber begeisterte Kecension des ersten Bandes des «BeAa CioneHii« ein
in die »Revue bibliographique de phiiologie et d'histoire< (Nr. 4, 5,
14. Juli 1S74, p.53 — 57), worin er Verkovic auf Grund des Dozon'schen
Rapportes von jedem Verdacht reinwäscht und den tiefen geschichts-
philosophischen Satz aufstellt, dass das Ideal der Urslaven nach dem
Slavischen Veda der Ackerbauer (rhomme cultivateur) gewesen sei.
Recht idyllisch! Allein als er zur theoretischen Verwerthuug der )) über-
aus wichtigen« Entdeckung schreiten wollte, erwuchsen ihm plötzlich,
wie aus der Erde gestampft, zwei gefährliche Gegner. Zuerst in Frank-
reich selbst. Ein angehender Slavist, der später seine Stelle einnehmen
sollte, Louis Leger, liess, um die angesetzte Vorlesung Chod/'ko"s
wenn möglich zu vereiteln, einen Aufsatz in der «Revue politique et
litteraire« vom 22. Nov. 1S73 erscheinen unter der Aufschrift: »Les
Chants bulgares du Rhodope d'apres un travail de M. Dozon« mit dem
bezeichnenden spanischen Motto: »De todas las cosas seguras, La mas
segura es dudar«, worin sich schon, nebenbei bemerkt, der ganze Gegen-
satz zwischen der neuen kritischen Schule der Slavistik, vertreten durch
Leger, und der alten Offenbarungstheorie eines Mickiewicz scharf
zeichnet ^].
1] Er war in Beziehungen zu Verkovic im Jahre 1873 getreten. Sein
erster Brief ist vom 7. Sept. desselben Jahres datirt. Durch ihn wurde Bus-
lajev mit dem Slav. Veda bekannt. »Je vais chez Buslaev lire ensemble vos
pesmas« lesen wir in einem Briefe vom 16. Juli 1S74.
2; »L'authenticite des pesmas anuoncees par M. Verkovicz a ete recon-
nue incontestable ; des lors ces nouveaux poi-mes bulgares ont definitivement
pris rang dans les cbansons slaves« schreibt er im Bulletin de la socit-tc de
linguistique de Paris, Nr. 12, p. clxij.
3, Ein Beispiel gerade aus seinen Studien über den »Veda slave« mag
genügen, um die wissenschaftliche Methode Chodzko's zu iilustriren: Der
590 I- Sismanov,
Chodzko war über die pietätslose Behandlung der Vedenfrage auf-
gebracht ^) und sah sich veranlasst, die schönen Sachen, die er seinem
voraussichtlich nicht sonderlich zahlreichen Auditorium über den slavi-
schen Gott Visnu und seine Mutter Zlata Majka, über die bulgarische
Trinität, die an die indische Trimurti erinnere und dergl. mehr, vor-
gelesen hatte, auch der Pariser Sprachgesellschaft vorzulegen. Diese
bestimmte aber, dass Chodzko's Studien nicht in den Memoiren, sondern
in dem »Bulletin de la Societe de linguistique de Paris« (Nrn. 12, 13,
14, 1875) gedruckt werde unter dem Titel »Chants du Rhodope au
point de vue de leurs reminiscences mythiques et historiques (d'apres
les documents pour la plupart ineditsjc Später fasste Chodzko seine
Studien zusammen unter der einfacheren Aufschrift »Etudes Bulgares«
(Paris, Ernest Leroux, 1875). Allein Leger Hess sich mit seinem ersten
Erfolg nicht zufriedenstellen. Unterdessen war (1874) der erste Band
des »Be^a CaoBeiia« in Belgrad mit einem langen serbischen Vorwort
vom Herausgeber und einem kurzen französischen Avant-propos von
Dr. J. S. (Dr. Janko Safarik) erschienen unter dem hochtönenden Titel
»Der Veda der Slaven, Bulgarische Volkslieder aus prähistorischer und
vorchristlicher Zeit, entdeckt in Thrakien und Makedonien von Stefan
Verkovic« 2),
Leger's kritische Zweifel, die ersten überhaupt in der mir bekann-
ten europäischen Literatur 3] ^ fanden unvermuthet eine Bekräftigung
in der sehr abfälligen Beurtheilung des L Bandes des »Be/ta CjiOBeHacf
durch Josef Jirecek. In einer Sitzung der königl. böhm. Gesellschaft
der Wissenschaft in Prag hatte dieser am 17. December 1874 einen
Name Pomak, über den schon viel etymologisirt wurde, ist ihm einfach »wne
corrtiption de momak « (Bulletin de la Soc. de linguistique. Nr. 12, p. clxij note).
1) »II etait furieux« schreibt mir Prof. I^eger, dem ich die Kenntniss
dieses intimen wissenschaftlichen Duells verdanke.
2) Besä CjiOBeHa, ötjfrapcKii h HapoÄHii necHH ott. npejiHCTopn'iHO h xpucTu-
ähcko Äoöa. OiKpHjn. bi> TpaKiia u Mane^ioHiia ii usja^ti. CTe*aHi. H. BepKOBH^i,
KH. I. Le Veda Slave, chants populaires des Bulgares de Thrace et de Mace-
doine de Tepoque prehistorique et prechretienne, decouverts et edites par
Etienne J. Verkovitch. Volume L Eeorpa^t 1874, XVI + II (avant-propos) +
545. Enthält 15 Lieder mit rund 7800 Versen.
3) Nach Verkovic waren es vor allem »griechische Gelehrte«, die
über seine Entdeckung in Tagesblättern und Broschüren spotteten. Sie sollen
ihn oft »Neuen Columbus" genannt haben. Mir ist diese polemische Litera-
tur, die kaum etwas mit der Wissenschaft gemein haben dürfte, nicht bekannt.
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystification: Beja OaoBeua. 591
Vortrag über einige problematische slavische Volksliederausgaben ge-
halten und gestützt auf folgende formale und inhaltliche Gründe die
Behauptung aufgestellt, dass der Slavische Veda das Brandmal der
Fälschung an der Stirne trage, denn: 1) sei das Metrum der Lieder
ganz unregelmässig, was bei echten Volksliedern unstatthaft sei; 2) sei
es absolut unmöglich, dass sich unter den Pomaken Erinnerungen an
die Einwanderung der Slaven aus Indien erhalten hätten ; 3) sei es
ebenso undenkbar, dass die Pomaken die Namen eines Visnu-Boga,
Ogne-Boga kannten. Dies beweise zur Genüge, dass der Slavische Veda,
ebenso wie die bekannten Lieder von Milqjevic [falsa nejhrubsiho zrna)
als directe Nachahmungen der Kakovski sehen quasihistorischen Lieder,
die er in »H'£kojko PtuH 0 Acinio L« (Belgrad ISüO, p. 68, 121)
publizirte, entstanden sein müssen ^).
Diese scharfe Kritik gegen den «Be^a Cioßena« liess sich Leger
nicht entgehen. Er übersetzte sie eilig und rückte sie in die »Revue
critique« vom 3. April 1875 ein. Chodzko verstand wohl die Absicht
seines Gegners und sah sich gezwungen, zur Abwehr eine kleine Bro-
schüre zu verfassen: »L'authenticite des chants du Rhodope d^couverts
et ddits par Etienne Jules Verkovitch, defendue et prouvee par A.
Chodzko« (Paris, Leroux lS7ö), worin er sich hauptsächlich Mühe
gibt, die Gründe zu entkräften, die Josef Jirecek gegen die Echtheit des
»Be^a C.iOBeHatf vorführt. Dies war aber auch der letzte Versuch
Chodzko's, die Verkovic'sche Sammlung vor einem gelehrten Publicum
zu vertheidigen. Nach der letztgenannten Broschüre legte er sich
Schweigen auf, und nur aus seinen Briefen ersehe ich, dass er doch ge-
brochenen Herzens capituliren musste -). Seine immer und immer
wiederholten Ermahnungen, Verkovic möge sich vom Verdachte der
Fälschung reinwaschen, beweisen, dass er selbst an die Autorität Do-
zon's zu glauben aufgehört, ja dass er sich sogar mit dem Gedanken
vertraut gemacht hatte, von einem Fälscher dupirt worden zu sein ^j.
1) Sitzungsberichte der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaft in
Prag. Zprävy 0 zasedäni Kralovske ceske spolecnosti nauk v Praze. Jahrg.
1874, Nr. 8, p, 248. "0 nekterych zähadnych vydanich närodnich pisni jiho-
slovanskych«.
-) Der gefährlichste Feind der Veden war ihm C. Jirecek. »Je viens de
recevoir les dernieres livraisons de Dejiny Näroda Bulbarskeho par C. J. Ji-
recek. C'est le plus dangereux de tous les adversaires de TAuthenticite de
vos Vedas« lesen v/ir in einem Briefe Chodzko's vom Februar 1S76.
3j »Le Dr. Safatik, M. Dozon et moi qui avons eru qua les Vedas sont
592 I- ^ismanov,
Leger hatte gesiegt. In demselben Jahre, da Chodzko seine letzte Ver-
theidignngsschrift piiblizirt hatte, erschien in der xBibliotheque Univer-
selle« von Lausanne (1875) sein Artikel «Un essai de mystification
littöraire« (abgedruckt ohne Aenderung in seinen »Nouvelles etudes
slaves«, Paris 1880, p. 49 — 74), in dem er beweist, «dass der Slavische
Veda nicht gar so vedisch sei, als man es glauben machen wollte"
(a beau mentir, qui vient de loin), dass Verkovic, » un ignorant de primo
cartelo, un marchand d'antiquites, un slave fanatique« möglicherweise
»tout ensemble trompeur et trompe« sei. Seine Gründe sind im Allge-
meinen die eines Josef Jirecek. Als Franzose hat er natürlich ein be-
sonders feines Gefühl für die Mängel der quasi-französischen Ueber-
setzung des bulgarischen Textes, die thatsächlich von elementaren
Fehlern wimmelt.
Leger's Artikel ist jedoch nicht allein deshalb interessant, weil er
resolut mit dem Fetischglauben eines Chodzko bricht, sondern weil er in
einem persönlichen Briefe au den Verfasser uns die früheste Meinung
Constantin Jirecek's über den Slavischen Veda wissen lässt. »Je
suis curieux de savoir d'apres quel manuel d'histoire bulgare ils ont ete
fabriques« schreibt der junge Gelehrte (p. 73, n, 1), der später einige-
male die Gelegenheit ergreift, um sich sehr abfällig über den Be^a Cjio-
BCHa zu äussern. So zunächst in seiner Geschichte der Bulgaren, wo
wir auf S. 568 (D^jiny p. 516) folgendes lesen: »Schon der völlige
Mangel jeglichen Versmasses zeigt, dass diese Veda's vom Volke nie
gesungen wurden und berechtigt diese Entdeckung für eine literarische
Mystification zu halten«. Jirecek's Meinung ist kurz folgende: »Dass
in der Rhodope, die von Melnik bis Cepina und Dimotika durch so viele
Feldzüge der Byzantiner, Bulgaren, Serben und Türken unaufhörlich
erschüttert wurde, im Volksgedächtnisse so alte Epen sich erhalten
hätten, muss a priori gegründeten Zweifel erregen. Ausserdem ist die
Rhodope allzugut bekannt, als dass so merkwürdige und angeblich so
verbreitete Lieder unbekannt hätten bleiben können. Die Mythologie
der Veda-Lieder weist sonst unerhörte Götter, einen Visnu, ja einen
Koleda auf. Ein metrisches Gefüge geht diesen Liedern vollkommen
ab«. Jirecek prophezeit, dass über die Veda-Frage »unnöthigerweise
eine ganze Literatur entstehen werde«. Was jedoch wichtiger, ist die
authentiques, nous n'aurons que le reglet d'etre dupes d'un imposteur«
(ibidem; .
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystitication: Eeja CiOBcua. 593
auf S. 5()9 ausgesprochene Vermuthung, dass allem Anscheine nach
Verkovic selbst an der Fälschung unschuldig sei. »Nach der Schilde-
rung des Herrn Dozon, eines Vertheidigers der Veda, dürfte«, schreibt
Jirecek, «der ehemalige Lehrer von Krusovo, welcher die Veda's um
schweres Geld dem Verkovic verschaffte, Aufschluss darüber geben
können«. Später in seinen Cesty po Bulharsko (ISSS, p. 344, Anm. 7U;
und im Fürstenthum Bulgarien (1S91, p. I<i7, Anm. 1) kam er, von Sla-
vejkov, dem besten damaligen Kenner des bulgarischen Volkslebens,
verleitet, auf eine andere Vermuthung, dass nämlich die Veda's das
Fabrikat einer ganzen Gesellschaft von Lehrern in der
Landschaft von Seres und Melnik seien. Ob diese complicirtere
Hypothese eher der Wahrheit entspricht, als jene in der Geschichte der
Bulgaren angedeutete einfache Conjectur, wollen wir später sehen. Hier
gentigt es darauf hinzuweisen, dass mit dem Anschluss Constantin Jire-
cek's an die Skeptiker, wie Louis Leger, Josef Jirecek, sich nothwen-
digerweise eine sehr starke Coalition gegen den Verkovic'schen »Hum-
bag« bilden musste. gar als sich auch Jagic, Pypin und Drinov auf
die Seite der Zweifler stellten ^j.
Jagic sprach sich sehr scharf gegen die Echtheit des Slavischen
Veda aus zunächst in seiner Bibliographischen üebersicht( Archiv I, 57 G,
Anm. (35.") auf derselben Seite). Es ist keine grosse Kunst, Volkslieder
zu fälschen«, lesen wir hier, «aber auch die Fälschungen nachzuweisen
dürfte weniger schwierig sein, als es viele wähnen. Dies hätten ein
Milojevic bei den Serben und ein Verkovic bei den Bulgaren bedenken
sollen, bevor sie sich dazu hergaben, offenbare Fälschungen unter
ihrem Namen herauszugeben und sich zu Mitschuldigen solcher Atten-
tate au der slavischen Volkspoesie zu machen«'. Ausführlicher sprach
Jagic später seine Meinung über den »BeAa CiOBena« in seiner Kecen-
sion von Geitlers )>Poeticke tradice etc.« (Archiv IH, p. 742 — 744), in
der sehr abfälligen Kritik des 11. Bandes der Veden (Archiv VI, p. 144,
Kleine Mittheil.) und zuletzt noch in einem Artikel in der Neuen freien
Presse vom 20. Mai 1S92, Nr. 9963 (Die verlorene Handschrift.
Pypin war in seiner Geschichte der slavischen Literaturen ge-
1, Ihnen schlössen sich Makusev und Sreznevskij an, wenn auch nicht
öffentlich. Verkovic klagt oft. dass letzterer ihn in Petersburg sehr wohl-
wollend empfangen habe, doch hätte er geäussert: «Wie kann ich mehr Bul-
gare als die Bulgaren selbst sein. Ihre erste Autorität, Drinov, verachtet
diese Lieder«.
594 I« Sismanov,
Wissermassen gezwungen, Stellung zu derVedafrage zu nehmen, und er
that es beherzt im Sinne der Skepsis. Seine Meinung war und blieb,
»dass solange noch nicht neue Proben herausgegeben sind und weitere
Forschungen angestellt werden, sich der Charakter der ganzen Sache
nicht definitiv bestimmen lasse. Eine Mystification liege ohne
Zweifel vor, die Frage sei nur, inwieweit sich die Lieder vielleicht
doch auf wirkliche Volksüberlieferungen gründen, was ja nicht unmög-
lich wäre« (IIcTopifl CjiaB. .iHTepaTyi^-B, CIlö. II. Ausg. 1S79, p. 134.
Deutsche Uebers. p. 177 — 180). Es sei weiter klar, dass Verkovic's
Entdeckung nichts anderes als eine Erfüllung des im »IIoKasa.iei^'B«
(1859) und in der »Ejn.rapcKa CTapima« von Rakovski aufgestellten
Programms sei. Diesen Standpunkt vertheidigte Pypin in Hauptstücken
auch später, sowohl in einer noch zu erwähnenden Notiz im BicTHHK'B
EnponLi (Juli 1877, p. 378 — 381), als auch in seiner ausführlichen Re-
cension von Jirecek's »Fürstenthum Bulgarien« (B. EeponH, 1891, No-
vember, 302 fg. »HoBaa Kunra o Bojirapin«).
Aehnlich wie Jirecek, Jagic und Pypin war auch Drinov gleich
anfangs der Meinung, dass Verkovic' Be^a CjiCBeiia keinen besonders
guten Eindruck mache. Zwar zweifelt er nicht, dass die in ihnen er-
wähnten Gebräuche und Lieder echt sind (gemeint ist nur der Fond
derselben), allein sie seien unrichtig aufgeschrieben und dazu von den
Aufzeichnern umgearbeitet und vervollständigt worden (Bp. IlepHOii.
CnncaHHe, XI— XII, 152—157).
Welchen geradezu panischen Schrecken die Urtheile der Skeptiker
im Lager der orthodoxen Gläubigen hervorriefen, kann man erst jetzt
aus der Correspondenz Verkovic's mit Janko Safarik und Chodzko
sehen. Verkovic suchte sich zunächst auf Andrängen seiner Berather in
Belgrad und Paris in den kroatischen Zeitungen Obzor und Nar. Novine
zu rechtfertigen, doch der Effect war nichtig. Was Verkovic besonders
schmerzen musste war, dass nicht allein der moralische, sondern auch
der materielle Erfolg seines Buches compromittirt war. Der slavische
Veda war so gewisserraassen geächtet und fand keinen Absatz. Der
Herausgeber contrahirte Schulden, um den Druck bezahlen zu können
— eine recht missiiche Lage! Ein Jeder an Stelle Verkovic's wäre ver-
zweifelt, er aber hielt ziemlich wacker aus. Er schien, trotz der wuch-
tigen Schläge gegen seine Veden, an eine bessere Zukunft, an eine Ver-
geltung zu glauben, und er behielt- — Recht! Es geschah das Unglaub-
liche. Trotz Josef und Constantin Jirecek, trotz Jagic und Pypin, Leger
Glück und Ende einer berübuiten literar. Mystiücation: BcÄa O.ioBcua. 595
und Drinov, schlug die Meinung eines Theiles der europäischen (lelehr-
ten über den Slavischen Veda um die Wende der 70 er Jahre unver-
sehens um. Der Streit über die Echtheit der ganzen Sammlung loderte,
wenn auch für kurze Zeit, von neuem auf.
Chodzko fand zunächst einen würdigen Nachfolger in G eitler,
der in seinem ganz unkritischen Werke i» Poeticke tradice Thrakü a
Bulharü (Prag 187S) *) mit allem Ernst die alten Dozon'schen Gründe
für die Echtheit der Veden vorbrachte. Er hatte im Jahre 1S75 Mittel-
und Westmakedonien bereist, doch ein tückisches Fieber verhinderte
ihn , sich nach Seres zu begeben . um sich von der Authenticität des
Verkovic'schen Schatzes zn überzeugen. Er bekennt oflenherzig, zu der
Zeit noch gewisse Zweifel gehegt zu haben. Erst später, als er Gelegen-
heit hatte, ein grosses Heft von nicht weniger als 16000 Versen my-
thologischer Lieder durchzusehen, die Verkovic der Agramer Akademie
behufs Kecension gesandt hatte, wurde sein Skepticismus wankend.
Zwar war er anfangs in grosser Verlegenheit, lange konnte er sich keine
wissenschaftliche Rechenschaft über den ungeheuren Schatz geben; mit
Ausnahme der Sprache und des Metrums fand er ja in der ganzen sla-
vischen Volkspoesie nichts, das sich annähernd mit dem Veda verglei-
chen Hesse: vor allem die Mythologie der Lieder! Welch' Reichthum
an Hymnen, die ohne jegliches Bedenken mit den altindischen verglichen
werden könnten, sowohl nach Umfang und Zahl, als auch nach ihrem
poetischen Werth 1 Aber auch andere Bedenken plagten ihn. Der Sla-
vische Veda machte ihn mit einer Cultur bekannt, der nichts Analoges
in der übrigen slavischen Welt entgegenstand. Endgiltig wurden seine
Zweifel besiegt, erst als er das seltene Glück hatte, die ganze Verkovic-
sche Sammlung (von 200 — 250i»0(i Versen durchzusehen. Nun war er
vollkommen von der Authenticität der Sammlung überzeugt. Er musste
zwar bekennen, dass der schreiende Titel »Be^a CiOBena« ganz unpas-
send sei, naiv sei auch Verkovic's Bekenntniss, seine grosse Entdeckung
vorgeahnt zu haben, nicht wenig haben die Bedenken der wissenschaft-
lichen Kritik sowohl die gefälschten Lieder des Serben Milojevic, als
auch die indischen Phantasien des Bulgaren Rakovski und die unwissen-
schaftliche Vertheidigung Chodzko's, bestärkt, allein darin besteht eben
1; Es sind noch zu vergleichen seine zwei Studien im Bd. X (1881, der
Wiener Anthropol. Ges.: »Die Sage von Orpheus-Orfen der Rhodope-Bulga-
ren, p.l65— 196 und »Die Juda in den Mythen der Balkanvölkern, p. 197— 2o2.
596 I- i^ismanov,
das grosse Unrecht, das dem Sammler widerfahren sei. Man habe zu
sehr den Schein der Analogien gegen ihn sprechen lassen. Hätten die
Kritiker Verkovic persönlich gekannt, nie wären sie auf den Gedanken
gefallen, ihn der Fälschung zu zeihen. Verkovic sei kein Fälscher: er
sei weder Dichter noch Gelehrter, er verstehe seine eigenen Lieder
nicht 1). Wer seine wissenschaftliche Methode beurtheilen will, der möge
die Feuilletons der Agramer Nar. Novine aus den Jahren 1869 — 1870
lesen, wo er selbst über Zeit und Umstände seiner Entdeckung referirt.
Nichtsdestoweniger schulden wir Verkovic grösstes Lob und Bewunde-
rung, sein Patriotismus verdient grösseren Lohn, als den ihm die Feder
des Schriftstellers geben kann. Geitler möchte gewiss den sehen, der
ohne jegliche Hoffnung auf materielle Belohnung durch volle 15 Jahre
unermüdlich unter ungünstigsten socialen und politischen Bedingungen,
ohne Verkehr mit Gelehrten, ohne Geldunterstützung, wohl wissend, dass
das erste Mütterchen aus dem Pomakenlande den ersten besten Reisen-
den über den Werth der Sammlung belehren könne, ein solch' giganti-
sches Werk zu Ende führen könnte ! Nein, Verkovic war kein Fälscher.
Höchstens könnte dieser Verdacht seinen Hav^ptagenten, Gologanov,
treffen, doch der Consul Dozon habe ja bewiesen, dass der armselige,
ungebildete ehemalige Dorfschullehrer nie im Stande gewesen wäre, eine
so grossartige Masse von Liedern zu fabriciren : » Die Phantasie eines
Einzelnen«, schliesst Geitler, »selbst die Phantasie eines sehr begabten
Menschen, wäre nicht fähig, alle diese Lieder zu erdichten (f. Vielleicht
könnte man schliesslich behaupten, dass an dem Werke mehrere Hände
theilgenommen haben, vielleicht eine ganze Gesellschaft? Aber Geitler
verwirft auch diese Hypothese, denn aus der ganzen Sammlung weht
ein Geist, sie ist wie aus einem Stück gegossen und ist, trotz ihrer Arier
und Orpheus', volksthümlich. Sie hat auch den Charakter von etwas
Unvollendetem. Man sieht, dass sie nicht ganz ist, dass vieles verloren
gegangen und vieles noch ungesammelt sei ; sie macht, mit einem Worte,
denselben Eindruck wie jede Volksliedersammlung im Vergleich mit
einem Kunstepos. Doch selbst an sich, von rein ästhetischem Stand-
1) Dieses nicht sehr schmeichelhafte Urtheil scheint Verkovid, wie aus
der vorliegenden Correspondenz erhellt, sehr verstimmt zu haben. Dasselbe
gab den Anlass zum endgiltigen Bruch zwischen ihm und dem gelehrten Com-
mentator, der einige Zeit sich mit dem Gedanken trug, eine wissenschaftliche
Ausgabe der Veden zu wagen. Geitler hatte viele Unannehmlichkeiten mit
der Sache.
Glück und Ende einer berühmten litenir. Mystitication: Beja C.ioBeua. 597
punkte beurtheilt, ist » Be,T;a C.iOBeiia « eine seltene literarische Erschei-
nung, deren Vater ein Genie sein müsste, wie es unter den neubulgari-
schen Schriftstellern nicht anzutreften ist.
Von Geitler direct beeinflusst und angeregt, versuchte der Ethno-
loge Fl i gier in zwei Artikeln, erschienen in den Mittheilungen der
Wiener Anthrop. Gesellschaft (»Ethnologische Entdeckungen im ,Rho-
dope-Gebirge«, Bd. IX, Nr. 7 u. S, Wien 1879, und »Neuere ethnologische
Entdeckung auf der Balkanhalbinseh«, Bd.X, 1S81) den slavischen Veda
für seine thrakische Theorie zu verwerthen, wobei er die wunderlich-
sten Combinationen wagte ^), Der zur Eiklärung einzelner Stellen auf-
gewendete grosse wissenschaftliche Apparat wirkt leider um so komischer,
als das Object an sich nichtig ist. Da wir bei Fligier sind, möge er-
wähnt werden, dass der Veda der Slaven fast um dieselbe Zeit die Ehre
liatte, noch von einem anderen Ethnologen commentirt zu werden. Der
Mann hiess L. Podhorszky und liess in den Klausenburger »Acta
comparationis litterarum universarum« (herausgeg. von Brassal und
Hugo V. Meltzl, neue Serie 1879, Nr. IV, col. 55, 58) einen Aufsatz ein-
rücken (»Ein Volksepos aus der Steinzeit. Erhalten in dem bulgari-
schen Epos von des Sonnengottes Ehe mit der Wylkana. Aus der
Höhlenperiode [Troglodytenleben^ der jetzigen Slaven«), worin er
Fligier übertrumpft: denn Herr Podhorszky will allen Ernstes darthun.
dass 'lals genanntes Epos gedichtet wurde, die Südslaven sammt Kind
und Habe, Könige und Pöbel, in Höhlen gelebt haben« ^}. Dieser geist-
reichen Hypothese setzt aber einer der Herausgeber, Hugo Meltzl, noch
die Krone auf, indem er in einer Anmerkung ausführt, dass das Lied
von des Sonnengottes Ehe mit der W)'lkana »Reminiscenzen aus der
alten Siutfluthsage« enthalte. «In diesem Falle dürfte, nach Meltzl.
dieser turanisch-bulgariscbe Mythus älterer Bestandtheile sich rühmen
können, als selbst der mosaische Bericht«. Der Aufsatz Podhorszky's
sei aber besonders bedeutend, »weil er den Horizont unserer verglei-
chenden Literatur (!) mit einem Schlage bis zur Tertiärzeit erweitere«.
V> Fligier findet in dem Veda der Slaven eine glänzende Bestätigung
seiner Theorie, dass die zahlreichen thrakischen Stämme nicht spurlos ver-
schwunden sind. Geitler's Buch »Poeticke tradice etc.« hatte er mit grosser
Freude gelesen und besonders war er frappirt von der grossen Anzahl von
Fremdwörtern in den Veden, die er mit Geitler unbedingt für thrakisch hielt.
-) Noch curioser ist des Verfassers Untersuchung in Nr. V desselben
Bandes: »Symmikta zum Volksepos aus der Steinzeit», p. 55 fg.
Archiv für slavische Philologie. XXV. 39
598 !• üisraanov,
Aber genug des Spasshaften, denn Verkovic Latte das Glück, noch
einen sonst vorsichtigen Vertheidiger in der Person des russischen Ge-
lehrten Vsevolod Miller zu gewinnen. Wie dies geschah, ist schwer
zu errathen. Aus den Briefen kann man nur so viel schliessen, dass
der Herausgeber des Slavischen Vedas Miliern von Nil Popov empfohlen
wurde. Kurz vor dem Ausbruch des russisch- türkischen Krieges hatte
sich nämlich Verkovic aus Furcht vor den Basibozuks und der türkischen
Polizei nach Russland geflüchtet, wo er mit Jubel aufgenommen zu wer-
den sich versprach. Den 7. Februar 1877 verliess er Seres, reiste über
Salonichi, Corfu, Triest, Agram und Belgrad und kam in Russland um
Mitte Mai an i). Um diese Zeit dürfte er auch in Moskau die Bekannt-
schaft Miller's gemacht und ihm seine Sammlungen vorgelegt haben.
Bald erschien auch im B'Scthhk'l EßponBi (1877, Juli, p. 364— 378) ein
längerer Aufsatz des russischen Gelehrten unter dem Titel »0 nicHHX'B
MaKeAOHCKHxi. öcjirapt coöpaHHtix'L BepKOBnqeMi.« ^), worin der Verf.
zum erstenmale in Russland die Frage ernstlich aufwirft: »Sollen wir
Verkovic's Sammlung für eine jeder Bedeutung baren Fälschung halten,
oder sind diese Lieder wirklich Erzeugnisse des Volkes, und, in diesem
Falle, welchen Werth haben sie für die slavische Wissenschaft? ^( Indem
Miller Dozon's Autorität unangetastet wissen will (niemand könne dem
französischen Forscher bulgarenfreundliche Gefühle zuschreiben!), be-
sieht er sich das weit wichtigere Zeugniss der Lieder selbst und kommt
zu dem Schluss, »dass nach ihrgr Lecttire kaum jemand zweifeln dürfte,
dass sie wirklich das Eigenthum der makedonischen Bulgaren sind«
(p. 368). Die Lieder sind unbedingt echt, nur die Interpretation, die
ihnen Verkovic gibt, sei falsch (was noch Dumont, Dozon, Chodzko und
Geitler behauptet hatten). Orfen hat nichts gemein mit Orpheus. Er
hat nichts Slaviscbes an sich. Orfen ist eher mit dem finnischen
Wäinamöinen zu vergleichen (folgen Belege), wie ja der ganze slavische
Veda vielmehr an Kalevala als an Rigveda erinnert s).
1) Hier verblieb er bis zum Jahre 1S91. Nur den Winter 1877 verbrachte
er in Agram, wo er in nähere Beziehungen zu Geitler trat. Er war nach dem
Ka'zaner Archäolog.Congress nach Belgrad gereist, um seine Manuscripte ab-
zuholen, und befand sich, als er sich entschloss, in der kroatischen Haupt-
stadt zu überwintern, wieder auf dem Rückwege nach Petersburg.
2) Vgl. JK.M.H.Üp. 1877, CXCIII: «SaiiiTfiK no nonojüy CöopHUKa Bep-
KOBHia«.
3) Dass Miller noch ein Jahr später an die Authenticität der Veden
Glück und Ende einer berühmten literar. Mj^stification : Bc;i;i CjoBena. 599
Miller's Aufsatz war gewiss eiu ehrlich gemeinter Versuch einer
theilweisen Rehabilitation des vermeintlichen Fälschers (obwohl mit
vollständiger Aufopferung seiner wissenschaftlichen Prätensionen , allein
dieser Versuch bezeichnet gleichzeitig auch das Ende der neuentfachten
Campagne zu Gunsten der Veden. Wie wenig eigentlich Miller's Aus-
führungen in Russland selbst Anklang fanden, sieht man am besten aus
Pypins kurzer Notiz zu seinem Aufsatz (in demselben Hefte des B. E.
»0 TOMT, ace« p. M78 — 381). Pypin ist wohl geneigt, Dozon's Autorität
anzuerkennen, er ist sogar der Meinung, dass die Rhodope noch nicht
in jeder Beziehung erschlossen sei, allein er erwartet von neueren Nach-
forschungen nur soviel, dass sich möglicherweise dabei auch einige
Aufklärungen über den slavischen Veda fänden, der wohl einiges auch
dem wirklich bestehenden Sagenmotive entlehnt haben könnte. Diese
Ansicht ist aber gewiss weit entfernt von Miller's Glauben an die unbe-
dingte Echtheit der Vedalieder. Uebrigens musste Verkovic selbst sehr
bald erfahren, dass ihm Miller's Vertheidigung wenig genützt habe. Er
war nach Russland gekommen in der Hoffnung, in allen Kreisen be-
geisterte Aufnahme zu finden ; es stellte sich aber heraus, dass seine
Widersacher überall die Oberhand hatten. So gleich in Petersburg, w^o
er goldene Berge erwartete, musste er von dem Geheimrath Kornilov
hören, dass er nichts für ilm thun könne, denn Lamanskij und der
Fürst Vasilcikov hätten ihn überall als einen geraeinen Charlatan und
Fälscher verschrieen. Eine kleine moralische Befriedigung hatte wohl
Verkovic, als er zum IV. Archäologischen Congress in Kazan eingeladen
wurde, wo er in einem bulgarisch verfassten Referat die Mitglieder mit
seiner Entdeckung bekannt zu machen versuchte ^). Allein schon aus
der von Sreznevskij versuchten, leicht ironischen Wiedergabe seiner
von niemandem verstandenen Worte, hätte er begreifen können, wenn
er weniger naiv gewesen wäre, dass seit dem Moskauer Congresse
manches sich zu seinen Ungunsten in den russischen Gelehrtenkreisen
geändert hatte. Da er aber dies nicht verstand, bildete er sich nach
und nach ein, das Opfer einer fürchterlichen Verschwörung zu sein, an
deren Spitze bald Lamanskij, bald Drinov stand. In den langen Jahren,
glaubte, siebt man aus seinem Aufsatz »IIo noBOÄy TpoaHa h Eoana u Cjiovo 0
Ho^iKV HropeBi«. :;iC.:M.H.np. 1878, H. 12, p. 239—269.
1, Abgedruckt im II. Bande der Tpyju des Congresses im Original mit
russ. Uebersetzung von M. 0. l'etrovskij. Vgl. HaBtciiff 0 aaiuiTiHxt leiBcp-
Taro apxco.i. chisxsi Bt Kasauii. Nr. 10, 21. Sept. 1877.
39*
600 I- ^israanov,
die er, oft unter unsäglichen Qualen, in Petersburg unwillkürlich ver-
bringen musste, gestaltete sich diese Idee zu wahrem Verfolgungswahn.
Neben ihr bestand nur noch der Gedanke: die Mittel, woher es auch
sei. zu erlangen, um die Authenticität seiner Veden zu beweisen, auf
dass seine zahlreichen Feinde endlich zerschmettert werden. Es würde
mich zu weit führen, wollte ich alle Schritte schildern, die er in dieser
Richtung unternahm. Einige darunter wären geradezu komisch zu
nennen, wenn zie, leider, nicht gar zu traurig wären. Als Verkovic
z. B. an alle Thüren von Russland und Bulgarien vergeblich gepocht
hatte, entschloss er sich, seine Sache einem Amerikaner, dem bekannten
Herausgeber des New York Herald, James Gordon Benett, anzu-
vertrruen mit dem Vorschlag, Benett möge ihn au der erstbesten Esche
oder Buche aufhängen, sollte eine officielle wissenschaftliche Commission
eonstatiren, dass der Slavische Veda pure Fälschung sei i). Nachdem
aber der praktische Amerikaner die ihm zugedachte ehrenvolle Mission
barsch abgewiesen hatte "^j, wendete sich A'erkovic nun au Kaiser Wil-
helm, an Bismarck, an einen österreichischen Erzherzog, doch wurde er
auch von dieser Seite abgefertigt. Eine kleine Besserung in seiner
materiellen Lage trat erst ein, als er den H. Band seines Veda in Peters-
burg zum Drucke vorbereitete ^). Er hatte diesmal das Glück, namhaftere
Unterstützungen in Form von Subscriptionen von der Kaiserlichen Fa-
milie und von anderen hohen Gönnern zu gemessen. Aber der mora-
lische Erfolg des Buches war noch geringer, als der des ersten
Bandes. Selbst in Russland schwieg man die Ausgabe todt. Nur
ij » Appicarmi solennemente al 11 primo faggio o frassino che si trovasse
presse il luogo ove la commissione scientifica terra le sue adunanze veri-
ficatorie alla presenza dl tutta la popolazione della cittä di Nevrocopo non
che dei villagj circonvicini« etc. heisst ea textuell in einer mir vorliegenden
»Copia della memoria scritta a un americano, James Gordou Benett« , vom
26. August 1883.
2) Er Hess kurz antworten: »II signor Benett non . . puo sviarsi dalla
strada battuta sino ad oggi «.
3) Dieser zweite Band erschien mit einem 1 1 Seiten langen russischen
Vorwort von Verkovic und 2 Seiten franz. avant-propos im Jahre 1881 unter
dem Titel: »BeÄaC^roBenaxT., oöphähu necHii otb nsuiecKO sp-feMH ynasemi covctho
npe^aHHe npu MaKeÄOHO-PoÄOncKii-Te ExjTrapo-IIoMauH. Coöpanii h iissaHU Cre^a-
HOMtHji.BepKOBHqeME. Kaaraspyra. Beaa C-iaBflHi>. OöpHAHwa niCHM jisu^ecKaro
BpeMeHH coxpaHHBmifl cn jcTHuwh npeÄaHieMx y MaKcsoHCKuxt ii öpaKiiicKHxi.
BojirapT.-noMaKOB%. Co6pa.3i> ii iiSÄajix CTC^aHt H-i. BepKOEHqx. Tomt. II. Clle-
lepöyprt. XIV + 583. Enthält gegen 15000 Verse.
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystification: Beja O-iOBCua. 601
A. Bykov wagte, soviel mir bekannt, eine längere lobende Recension
in den C.IIeTepuYpreKia BiAOMOCTii (Nr. 230, 22. Sept. 1S81]. Die
ernsten westeuropäischen Gelehrten waren der Meinung Jagic's, der im
Archiv (VI, p. 144, Kleine Mittheil.' sieh nur mit der Hoffnung tröstet,
»dass man doch nach und nach herausfinden wird, was alles in dem
Buche erlogen (man muss geradezu diesen harten Ausdruck gebrau-
chen) und was echt sei«. Verkovic aber 6el bald in die frühere Misere.
Wenn man seinen herben Klagen aus jener Zeit (18S4) glaubt, wäre er
oft dem Hungertode nahe gewesen '). Aber es war ihm beschieden,
noch volle sieben Jahre in Russland zu verleben, so dass seine freiwillige
Verbannung fast 14 Jahre dauerte (von 187 7 — 1891)2]. Während der
Zeit arbeitete er an seinem topographisch-ethnographischen Werke über
Makedonien '^], das vom russischen Generalstabe herausgegeben wurde.
Nun fühlten auch die Bulgaren ein menschlich Rühren. Man erinnerte
sich des Armen, Verlassenen und rief ihn als Staatspensionär zurück,
wovon weiter unten.
II.
So etwa steht die Slavische Vedafrage heutzutage. So stand sie
im Grossen und Ganzen auch, als ich mich mit ihr zu befassen anfing.
Und ich muss bekennen, dass sie mich sehr früh anlockte, sowohl durch
ihr wechselvolles Schicksal, als auch durch ihr specielles Interesse für
die Geschichte unserer Ethnographie und Folklores. Das Problem, das
so viele hervorragende Geister beschäftigt hatte, schien auch mir einer
Untersuchung werth, umsomehr als Männer wie Jagic, Pypin, Drinov,
trotz ihrer scharfen Negirung der Veden als Ganzes, bedingungsweise
1) Vgl. besonders seine Broschüre »CeMii.!iIiTuia CTpaaaHifl: (1 II. BepKOBu>ia
Et PoccIh 1877 — 1884«. »Alquante volte correvammo il pericolo dl morire
da fame« klagt er auch dem Amerikaner Benett.
-) Er soll während dieser Zeit sich und seine Familie durch den Detail-
verkauf seiner slavischen Manuscripte erhalten haben. Hie und da erschienen
in einzelnen russischen Zeitschriften Fragmente aus seinem ungedruckten
Vedaschatz, so z. B. finden wir drei lange Lieder »aus dem Trojacyclus« in
der Ztschr. »Jl^yv-h Ccmbu« (1891, Januar, Nr. 1, p. 62—90). Dem Text geht
eine recht langweilige Studie von einem gewissen Herrn A. Almazov unter
dem vielsagenden Titel »CiOBAHCKaa Hiifija«, worin lustig auf die «patentir-
ten Gelehrten« und »stumpfsinnigen Pedanten« geschimpft wird, die die Echt-
heit der Veden bezweifeln. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass auch
ein Herr M. Filippov im Feuilleton der Zeitung »>IeuB« (1889, Nr. 534, 535)
ähnliche Ansichten über Verkovic's Entdeckung vorbringt.
3 Tonorpa*.-3iuorpa'i'. o^eput MaKcjouiu. CIIö. 1889.
{)02 I- Sismanov,
anerkannten, dass die Mystification vielleicht auf einzelnen Elementen
echter Volkspoesie beruhe. Aber selbst das Factum der Fälschung zu-
gegeben, blieben noch immer zwei wichtige Fragen offen: Wer ist der
Fälscher und von welchen Motiven liess er sich wohl in
seinem Werke bestimmen? Wie aus der obenskizzirten Evolution
des Processes erhellt, findet man gerade auf diese zwei Fragen keine
bestimmte Antwort. Als Fälscher hat man zu verschiedenen Zeiten bald
Verkovic, bald Gologauov, bald ein Consortium von Lehrern bezeichnet.
Noch unklarer ist man sich über die Motive der Mystification. Und so
war denn auch für mich so manches zu thun übrig. Natürlich theilte
auch ich gleich anfangs, wie so viele, die Meinung, dass man der Sache
nicht anders beikommen könne, als durch eine Prüfung an Ort und
Stelle. Der Gedanke an eine solche Untersuchung drängte sich mir
förmlich auf, zumal die günstige Stellung, die ich damals einnahm, mir
einen Eingriff in die baldige Entscheidung der Frage zu gestatten
schien. Ich war erst vor kurzem zum Sectionsehef im Unterrichts-
ministerium ernannt und hatte das Glück, in der Person des seither
verstorbenen Georg Zivkov einen für bulgarische Ethnographie sich
recht warm interessirenden Minister zu entdecken. Es mag in dieser
Beziehung nur darauf hingewiesen werden, dass der auch in dieser
Zeitschrift oft wohlwollend besprochene «CöopmiK'L sa napo^ini yMOTBO-
pemifl« ohne das verständnissvolle Entgegenkommen dieses Mannes
kaum hätte ins Leben gerufen werden können. Einer so thatkräftigen
Unterstützung sicher, schien es mir ein Leichtes, den Gedanken an eine
Verification des Slavischen Yeda zu realisireu. Es fragte sich nur: auf
welche Weise und durch Aven das beabsichtigte Experiment
auszuführen sei? Es waren zur Zeit zwei Lösungen möglich: ent-
weder den schwer beschuldigten Verkovic selbst mit der Führuug einer
von ihm unabhängig orgauisirten wissenschaftlichen Expedition zu be-
trauen, oder fürs erste von dem hauptsächlichen Interessenten in der
Frage gänzlich abzusehen und die Untersuchung in die Hände intelli-
genter Pomaken zu legen. Ersteres entsprach nicht allein dem heissen
Begehren des Petersburger Märtyrers selbst, sondern auch dem kate-
gorischen Verlangen einer ihm gutgesinnten einheimischen Presse, die
es plötzlich geradezu für eine nationale Schmach ansah, dass mau noch
immer zögere, durch die Erfüllung eines berechtigten Wunsches Licht
in die ganze Frage zu werfen. Und so wurde denn beschlossen, Ver-
kovic durch eine lebenslängliche Pension baldigst in die Lage zu setzen.
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystification: Beja CjioBeua. (J03
selbst die Sache seiner Vertheidigiing- in die Hand zu nehmen. Eine
diesbezügliche ministerielle Vorlage wurde von der Nationalversammlung
mit Wohlwollen aufgenommen, und dem mit dem Stigma einer Fälschung
behafteten Verkovic wurde am S. Dec. IS90, in Betracht seiner hohen
Verdienste für die bulgarische nationale Sache überhaupt eine jährliche
Pension von 3000 Francs votirt.
Allein so berechtigt und edel der Beschluss des Sobrauije auch
war, es konnte mir nicht entgehen, dass diese Lösung der Frage nicht
gerade die praktischeste war. Einen Angeklagten mit der Untersuchung
seiner eigenen Aftaire zu betrauen, war ja schon an sich misslich, noch
schwerer wogen aber die Gründe, dass eine officiell ausgerüstete Expe-
dition kaum etwas auszurichten im Stande wäre in Betracht der äusserst
ungünstigen localen Verhältnisse gerade in jenem Tl.eile der Rhodope,
die uns interessirt. So schien mir denn die zweite oben angedeutete
Lösung bessere Gewähr für das Gelingen der Untersuchung zu leisten.
Noch bevor Verkovic in Bulgarien eintraf, wurden denn zwei muhamme-
danische Bulgaren aus Ccpinska Banja in der Rhodope, zwei intelligente
Pomaken, die dem Ministerium von früher bekannt waren, Mehmed
Tumbev und Jusuf Sinapov, mit der geheimen Mission betraut, sich
in einige von Verkovic namentlich angegebene Ortschaften jenseits der
bulgarischen Grenze zu begeben, Bekanntschaft mit einigeu der hypo-
thetischen Sänger der Vedalieder anzuknüpfen und durch geschickte
Fragen, resp. Vortragenlassen der Lieder, festzustellen, inwiefern den
Gewährsmännern Verkovic's Glauben zu schenken sei.
Die jungen Leute nahmen die vertrauliche Mission gerne an. Nach
etlicher Zeit erschienen sie jedoch im Ministerium, um über das, leider,
sehr negative Resultat ihrer Untersuchung zu berichten. Sie hatten
sich den 24. Sept. 1SS8 über die Grenze begeben und fast mit Lebens-
gefahr die in den Veden bezeichneten Ortschaften Elesnica, Ribnovo.
Skrebatno und einige andere besucht. Nach IS Tagen kehrten sie je-
doch unverrichteter Dinge zurück. Nur in Ribnovo (BcAa U^iOBena, II,
Vorwort p. X: PnÖHHi^a) trafen sie einen gewissen Said Aga, der er-
schrocken schien, als sie ihn über gewisse Lieder befragten, sonst
aber war nirg-ends eine Spur zu finden von den Verkovic'-
schen Sänge ru. Nach diesem, trotz seines fragmentarischen Ergeb-
nisses, überzeugenden Versuch verliess mich der Gedanke au die Mysti-
fication des Slavi sehen Veda nicht mehr, und ich setzte mir nun fest
vor, den Fälscher zu eruiren. Dies führte mich natürlich zunächst
604 I- feismanov,
zum Text des Veda selbst zurück, den ich etwas vernachlässigt und eher
durch die Brillen seiner nicht immer competenten Kritiker angesehen
und beurtheilt hatte. Eine nähere philologische, folkloristische und
ästhetische Analyse der Vedalieder überzeugte mich bald, dass die be-
geisterten Exclamationen eines Geitler über den sprachlichen, cultur-
geschichtlichen und ästhetischen Werth derselben rein grundlos sind,
und dass wir es mit einem in jeder Beziehung überaus plumpen Mach-
werk zu thun haben, jedenfalls mit dem Erzeugniss einer poetisch sehr
mittelmässig beanlagten Seele. Dies einmal erkannt, konnte ich natür-
lich mich, trotz der entgegengesetzten Behauptung Dozon's und Geitler's.
nicht des Gedankens erwehren, dass der bulgarische Mac Pherson, Hanka
oder Sulakadzev (vgl. IlaMHTHHKH ^tpesHeä nHCbMeHHOCTii, CXXVII) ^]
recht wohl ein halbwegs gebildeter Dorfschullehrer sein könnte, dass
also das Signalement ganz gut auf den einzigen Lieferanten des Verko-
vic, den von Dozon und Geitler als geradezu blöd und ganz ungebildet
hingestellten Gologanov, passen könnte. Wer ist also Gologanov.
was ist zunächst wahr an den Aussagen über seine Person.
Ist er wirklich so geistesarm und ungebildet, dass er nicht
im Stande gewesen wäre, geleitet von patriotischen, eigennützigen oder
sonst von einem der Motive, die Pypin in seiner interessanten Studie
i)Jlofl,fl,i,Jimi pyiconiiceu h napcAHtixT, n-ieoHtK (üaivmTHHKii ^pesH.
.micLM. CXXVII, 1S9S, p. 98: Mothbh noAA^-ioKnb) zusammengestellt
hat, den Slavischeu Veda zu erdichten oder zu compiliren, selbst
wenn er an Zahl der Verse die grössten bisher bekannten Volks- und
Kunstepen überstiege -) ? Diese Fragen zwangen mich, in persönliche
Beziehungen zu dem interessanten Manne zu treten. Bevor ich jedoch
die weiteren Ergebnisse meiner Nachforschung mittheile, seien mir einige
1) Der Vergleich mit dem letzteren, der die slavischeu Runen erfand,
passt wohl besser. Die Fälschungen eines Mac Pherson, Hanka oder de la
Villemarque (Barzaz-Breiz) stehen denn doch formal und inhaltlich weit über
den Veden !
2) Dozon und Geitler und viele Andere haben viel Gewicht gerade auf
dieses Criteriuui gelegt. Die ungeheuere Quantität des Materials hat sie voll-
ständig irregemacht über die Qualität desselben. Man braucht aber nur den
ersten Band der Veden durchzusehen, um sich gleich zu überzeugen, dass alle
darin enthaltenen Lieder Varianten zweier oder dreier Grundmotive sind.
Mit einer solchen bequemen Technik war es gewiss nicht schwierig, die Veden
bis zu 300,000 Versen zu bringen, welche Zahl sie schon im Jahre 1877 erreicht
haben sollen !
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystification: Bew CioucHa. 605
Worte gestattet über die mittlerweile versuchten persönlichen Be-
mühungen Verkovic's, um den Wahrheitsbeweis in seinem Processe
zu erbringen.
Der «Petersburger Märtyrer« hatte die ihm von der Nationalvor-
sammlung bewilligte jährliche Pension mit Dank angenommen und hatte
sich im Mai 1891 in Philippopel niedergelassen, wohin seine Familie
noch im Jahre ISSl gezogen war. Lange litt es ihn jedoch hier nicht
und er unternahm einen Ausflug auf eigene Gefahr und Kosten »ins
dunkle Gebiet der Rhodopei (allenfalls hütete er sich, die Grenze zu
tiberschreiten). Aber das gehofi'te Resultat blieb aus. Da übersiedelte
er nach Sofia und wandte sich nun an das Ministerium mit der Bitte, er
möge ofticiell beauftragt werden, nach den Quellen seiner Veden zu
forschen, und man willfahrte seiner Bitte (war er doch zurückberufen
worden unter anderem, um die Existenz seiner Lieder zu beweisen'. Er
wurde zweimal mit einer solchen Mission betraut (während der Jahre
1S91 und 1892). Das zweitemal reiste er in Begleitung eines der besten
Kenner der Rhodope, des seither verstorbenen Christo Konstanti-
no v. und hielt sich volle 20 Tage im Cepiuothal auf. Aber auch dies-
mal — vergebens. In den zwei ihm von Gologanov bezeichneten Dör-
fern, Korovo und Dorkovo, fand er keine Spur von Sängern, Namens
Sülüman Aga und Sali Hasüv. Ja, er musste zu seinem grossen Leide
erfahren, dass der Name Sülüman im Cepiuothal überhaupt ungebräuch-
lich und unbekannt sei ^j. Andere Sänger, die er aus der Gegend von
Nevrokop erwartete, kamen nicht, obwohl er jedem — im Namen des
Ministeriums — 1000 Francs versprach, der ihm mythologische Lieder
verschaffte! Auf der Rückreise passirte ihm noch das Unglück, aus
dem Wagen herauszufallen, wobei er sich ernste Verletzungen zuzog.
Konstantinov aber bekam den bestimmten Eindruck, von dem er mir
kein Hehl machte, dass Verkovic's Bemühen ganz aussichtslos sei, und
dass die Regierung gut thäte, nicht weiter ein fruchtloses Unternehmen
zu unterstützen. Nach einem Jahre war Verkovic todt. Er starb den
30. Dec. 1893 und wurde auf Staatskosten begraben. Das Unterrichts-
ministerium kaufte alle seine Papiere. Einen grossen Theil seiner
Correspondenz aber, die sich hauptsächlich auf die Veden bezog,
hatte er mir noch während seines Lebens anvertraut 2). Er wusste, dass
1, Selbstbekenntniss aus einem Brief vom 23. Juli 1S92.
-] Darunter tindea sich hauptsächlich eine grosse Anzahl sehr interes-
GOß I- Sismanov,
ich mich mit der Geschichte seiner Entdeckung befasse und wollte mir
die Aufgabe in jeglicher Beziehung erleichtern, obwohl ich ihm nicht
verhehlte, dass auch ich zu den Zweiflern gehöre. Ich habe oben ein-
zelne Stellen aus dieser Correspondenz citirt, aus denen man sehen
kann, wie wichtig dieselbe für die Geschichte der Veden ist. Doch den
grössten Werth bekamen für mich die Briefe Gologanov's, die sich in
grosser Anzahl (gegen 400) vorfanden '). Das sind, wie man sich nach
ihrer theilweisen Publication überzeugen wird, keine Briefe, das sind
wahre Anklageacte ! Aus ihrer Leetüre gewinnt man nach und nach
den Eindruck, einen der durchtriebensten Erpressungskünstler vor sich
zu haben. Und was diesen Eindruck bis zur Verblüffung steigert, ist
der Umstand, dass der unerhörte »Schwindel volle Decennien vor sich
gehen konnte, ohne dass der Beschwindelte auch den leisesten Verdacht
schöpfte 2). Man fragt sich, wie ist eine solche Verblendung möglich?
Nun, man ist hier auf einem rein psychopathologischen Gebiete. Ver-
kovic wollte unbedingt betrogen werden und der Betrüger Hess nicht
lange auf sich warten. Der Armselige hatte bald nach seiner Etablirung
in Seres die unglückliche Idee gefasst, die Spuren der Thraker und
Makedonier, koste es, was es auch wolle, aufzufinden. Er hatte nach
seiner Art theoretische Studien getrieben, wie man aus seiner hinter-
lassenen Bibliothek sehen kann, die übrigens nichts von einer directen
Einwirkung unseres Rakovski auf ihn verräth. Verkovic war eine con-
geniale Natur und konnte deshalb ganz wohl selbständig auf die ver-
schrobenen Ideen verfallen, die man sonst dem Rakovski zuschreibt,
dass nämlich die alten Thrako-IUyrer Slaven waren und füglich auch
Orpheus und Alexander der Grosse Slaven gewesen sein müssen und
dgl, mehr 3). .Jeglicher kritischen Fähigkeit bar, hatte Verkovic manches
santer Briefe von Janko SafaMk (gegen 160), die auch eine gewisse Bedeutung
sowohl für die politische und Culturgeschichte Serbiens, als auch für die Ge-
schichte der Slavistik besitzen, Briefe von Burnouf, Dumont, Dozon, Chodzko.
Geitler, Hilferding, Miklosich, Racki, Ljubic, Velimir Gaj, Nil Popov u. and.
1) Es ist Schade, dass wir nicht auch die entsprechenden Briefe Verko-
vic's besitzen. Gologanov soll sie alle, 1876, aus Furcht vor der türkischen
Polizei vernichtet haben. Sonst wäre es interessant zu sehen, wie Verkovic
nach und nach den Fälscher indirect zum traurigen, aber lucrativen Geschäfte
förmlich trieb und erzog.
-) Erst kurz vor seinem Tode schien er in seinem Glauben an Gologanov
wankend geworden zu sein. In einem Briefe nennt er ihn geradezu »Judas
Ischariot« und wirft ihm Treulosigkeit vor.
3) Dies schliesst jedoch nicht die Möglichkeit aus, dass Verkovic mit
Glück und Ende einer berühmten literar. ^fy8tification : Bcaa CjoBcua. 6()7
gelesen, ohne es recht zu assimiliren. Da kam er eines Tages auf den
verhängnissvollen Gedanken, hohe Geldprämien für gewisse ethnogra-
phische Materialien auszuschreiben. Man sollte zunächst nach Liedern
von Alexander dem Grossen und Philipp nachforschen. P'iir ein Orphens-
lied versprach er sogar 10 Dukaten 'j. Zehn Golddukaten I Bedenkt
man, dass diese Summe zu jener Zeit ein Capital darstellte, so kann es
niemanden verwundern, dass die gewünschten Lieder nicht lange auf
sich warten Hessen. Gelegenheit macht Fälscher, wie Diebe. Es fand
sich auch bald ein Schlaumeier, der die Exploitation einer so reichen
Mine in die Hand nahm, und nun ging das Geschäft flott. Es wurde
losfabricirt. Was sich auch Verkovic wünschte, war da. Dank der my-
steriösen, meist steinalten, lichtscheuen und fürchterlich fanatischen
Pomaken, die merkwürdigerweise nur vor Gologanov, nie vor Verkovic
singen, resp. recitiren wollten 2]. Mit der Nachfrage wuchs natürlich
das Angebot — und welches Angebot ! Zur Entschuldigung Gologanov's
muss man jedoch anerkennen, dass die Absurdität seiner Fabrikate
ohne den Köhlerglauben eines Verkovic undenkbar wäre. Selbst das
Rakovski's Fantasien gut bekannt war. Er muss jedenfalls dies oder jenes
seiner Werke besessen haben, wie aus gewissen Briefen Gologanov's erhellte.
So bittet dieser im März ISTl: »Schicken Sie mir wieder eine Zeitung und
jenes Buch von Rakovski«. Er wiederholt vergeblich die Bitte noch den
10. Mai, 18. u. 27. Oktober desselben Jahres und den 30. Januar 1872. Den
2S. Febr. d. J. berichtet er endlich, das gewünschte Buch erhalten zu haben.
1) Vgl. das Vorwort zum I. Bd. des Veda. Noch ausführlicher in den
obencitirten Feuilletons der Agramer Narodne Novine, N.N. 295, 296, 297 u.
299. Als grössten und glänzendsten Tag in seinem Leben bezeichnet Verko-
vic den S.August 1865. da ihm ein kleines Lied '22 Verse) von Philipp von
Makedonien gebracht wurde (den I.März desselben Jahres hatte er nota bene
die Bekanntschaft Gologanov's gemacht!). Später bekam er ein ganzes Epos
über die Wanderung der Slaven. was eine Bestätigung einer von ihm 5 Monate
früher ausgesprochenen Conjectur war. Gar als das »Orpheuslied« entdeckt
wurde, war er überglücklich. Als Gologanov mit der Einsendung desselben
etwas säumte, fühlte er sich nniedergeschlagener als Napoleon bei Waterloo».
Das merkwürdigste an der Sache war natürlich, dass sich alle seine Ahnungen
bewahrheiteten.
2) Ausser den Andeutungen Verkovic's, seinen eigenen Inspirationen
und Schulreminiscenzen, folgte Gologanov den theoretischen Ausführungen
eines Rakovski und scheint sich daneben mit der Geschichte Venelin s be-
fasst zu haben. Es findet sich ein Brief von Gologanov vom 8. Nov. 1870,
worin es heisst : »Ein Werk von Rakovski habe ich nicht, mir haben sie die
Geschichte Venelin's BcHO-iiieBa ucTopua, gegeben«.
608 !• ^ismanov,
verlockende Gold hätte den Fälscher wenigstens vor der Erfindung der
vermeintlichen thrakischen Sprachreste (wie nina, unal, veta, vetisa,
chruj, sefita, udita, sanita, dia, prena etc.) abgehalten, wenn sich Ver-
kovic einen Moment besonnen hätte. Aber der naive Mann, der an
Offenbarung und Eingebungen, an innere Stimmen und Träume glaubte
(in seinen hiuterlassenen Papieren finde ich eine grosse Anzahl von
Traumdeutungen und prophetischen Träumen ^], konnte nicht an seiner
hohen Mission zweifeln, die ihm von Gott auferlegt war und an die ihn
besonders Janko Safarik lange Zeit glauben machte: der slavischen
Welt ein monumentum aere perennius, eine Iliade, einen Rigveda zu
schenken, umsomehr, als ja alles nach seiner vorgefassten Idee ging 2).
Dafür sorgte schon Gologanov, der sowohl nach seiner Correspondenz,
als auch nach dem Curriculum vitae, das ich von ihm erhielt, bei weitem
nicht so harmlos zu nehmen war, als es Dozon wollte. Ich habe oben an-
gedeutet, dass ich mich eines Tages an ihn wandte und zwar mit einer
Reihe von Fragen, die ohne meine Absicht zu verrathen, hauptsächlich
Dozon's Meinung über seine Person berichtigen sollte. Dies war zur
Zeit, als mir seine Briefe noch nicht vorlagen. Wie gross war meine
Ueberraschung, als ich bald von Gologanov selbst erfuhr (er schrieb mir
einen langen, recht interessanten und in sprachlicher Beziehung correc-
ten Brief), dass er einen verhältnissmässig sorgfältigen Unter-
richt in einer griechischen Schule genossen habe, und man
weiss, welcher Werth in diesen Schulen auf Mythologie gelegt wurde ^) !
1) Auch in dieser Beziehung scheint ihn Gologanov exploitirt zu haben.
Er kannte die Schwächen seines Freundes und theilte ihm seinerseits öfters
solche Träume mit.
-) Die Vermuthung, dass Verkovic mit seinen Veden rein geschäftliche
Zwecke verfolgt habe, ist abzuweisen. »Die Ehre ist theuerer als das Leben«
heisst es in einer Denkschrift an den Director des asiatischen Departements
in Petersburg, Lisovskij, v. 17. Oct. 1S89, worin Verkovic erklärt, warum er
mit solchem Ungestüm eine Revision seines Processes betreibt. In einem
Briefe klagt er einmal bitter, dass ihm seine Frau unausgesetzt vorwerfe,
sein ganzes Vermögen für seine Entdeckung ausgegeben zu haben. »Wo
sind", fuhr sie ihn an, »die 60,000 Francs, die du dir mit den Antiquitäten er-
worben hast, und die 6000 Golddukaten, die du von der serbischen Regierung
erhieltest? . . . Diese ganze ungeheuere Summe hast du dem Golo-
ganov und den Pomaken gegeben«, was auch die pure Wahrheit war.
3; Jovan pop Ilijev, genannt Gologanov (diesen Namen gab ihm Verko-
vic), warinTrlis bei Nevrokop lSä9 geboren, lernte zuerst in seinem Ge-
burtsorte, sodann 1853 inProsocen [Kreis vonDrammaj und 1856 in Alistratik,
Glück und Ende einer berühmten literar. Mystification : Boja CjioBcaa. 609
Weiter wurde mir klar, dass der zweifelhafte Ruhm, die Veden vom
Munde des Volkes gesammelt zu iiabeu, ausschliesslich ihm gehtire'j.
Zum Beweise dafür schickte er mir einige Lieder, die er nach Verkovic's
Uebersiedelung- nach Russland ))gesammelti( hatte. Man muss dem
Manne auch Recht geben. Alle diese Proben tragen nach Form und
Inhalt den Charakter seiner übrigen Fälschungen. Uebrigens bedurfte
es für mich dieses Beweises nicht, denn auch aus den Manuscripten, die
mir vorliegen,- überzeugte ich mich, dass Verkovic sich stets begnügt
hat, Gologanov's Texte ohne die geringste Aendernng abzudrucken.
Selbst die Commentare und einzelnen Erklärungen gehören nicht ihm,
sondern seinem Famulus.
Aber aus den Verkovic'schen Papieren, zu denen ich zurückkehre,
erfuhr ich noch Besseres". Gologanov entpuppte sich mir unvermuthet
aucli als — Originaldichter! Ich fand nämlich ein altes Heft aus
der ersten Entwickelungsperiode des Fälschers, worin, ausser verschie-
denen authentischen Volksliedern, auch ein »mythologisches« Gedicht
von ihm erhalten ist. Zwar hat dieses Kind der sehr nüchternen Muse
Gologanov's nicht den geringsten poetischen Werth, aber schlechter ist
es gewiss nicht, als die gesammten Vedalieder, die ja im Grossen und
Ganzen aueh ein Erzeugniss der Gologanov'schen Dichtkunst sind -).
wo er die für jene Zeit blühende griechische Centralschule besuchte. Bis 1868
war er Lehrer in Krusovo, von 1868 — 1S78 hielt er hier einen Krämerladen
f Schreiber, scribe, Verkovic's war er aber nie). Von 1879 — 188.'i lelirte er
wieder. Nach 1883 zog er sich von der Schule zurück. Seine Lieblingsbe-
schäftigung war jetzt die Leetüre der altgriechischen Classiker und vor-
züglich Homer's. Gologanov starb im Rufe eines ausgezeichneten Kenners
des Altgriechischen. Einem solchen Manne konnte die Gestalt eines Orpheus
gewiss nicht fremd sein. In einem Briefe vom 18. März 1868 schreibt er: »Das
Lied von Orpheus' Tod ist auch nach meiner Meinung vor die Alexanderlieder
zu setzen, weil man nicht weiss, wann Orpheus gestorben ist; nach der grie-
chischen Mythologie hat er lange auf Erden gelebt«. —
1) Auch in dieser Beziehung straft Gologanov Dozon Lügen, denn ihm
war es doch nicht ganz uninteressant, was mit seinen Materialien geschieht.
Noch im Jahre 186S schreibt er: »Der Redacteur des ,Svetovid* wird das
Orpheuslied drucken: ich bitte daher, wenn es erscheint, es mir zuschicken
zu wollen«. Dies scheint denn doch nicht einem »blöden« Phonographen
ähnlich !
■-) Von diesem Gedicht ist schon in den ersten Briefen Gologanov's an
Verkovic die Rede: »Ein mythologisches Gedicht habe ich verfasst,
wenn es Ihnen «rut scheint, schreiben Sie mir. ich habe noch 3—4 solche«
610 I- Öismanov,
Und damit wollen wir abscbliessen. Die Einzelbeweise für die hier
vorgebrachten Behauptungen, die besonders in der Correspondenz des
Mystificators enthalten sind, kann ich, wie schon oben erwähnt, hier
nicht liefern. Sie werden andernorts und in ergiebiger Anzahl vorge-
legt. Aber auch aus den bisherigen Ausführungen kann Jeder den
Schluss ziehen, dass die Vedafrage an sich nur mehr als Object des
Literarhistorikers bestehen kann, folglich müssen auch die Rufe nach
einer speciellen Durchforschung der Rhodope behufs einer Verification
der Veden aufhören. Es mögen auch die bisherigen fruchtlosen Ver-
suche in dieser Richtung genügen i). Der Streit über die Echtheit des
Slavischen Veda kann füglich als abgethau gelten. — selbst wenn es sich
herausstellen sollte, dass dies oder jenes kleinere Lied aus Gologanov's
Officine (dem Hinterstübchen seines Krämerladens und Weinschanks in
Krusovo) »ins Volk« geschmuggelt wurde, was ja nicht ganz un-
denkbar ist. Möglicherweise war der schlaue Mystificator doch so vor-
sichtig, seine Missethat wenigstens vor Fremden (vor Verkovic brauchte
er nicht zu fürchten!) durch ein paar falsche Zeugen halbwegs decken
zu können 2) !
(Brief vom 26. April 1865). »Ich schicke Ihnen noch ein Lehrgedicht,
wie auch ein mythologisches Lied mit der Bitte, sie baldigst in einer
Zeitung veröffentlichen zu wollen« (10. Mai 1865).
1) Soviel mir bekannt, haben bisher, ausser Dozon, Verkovic selbst und
meine Pomaken, folgende Personen versucht, das »Mysterium« der Veden an
Ort und Stelle zu lüften • Syrku, der unlängst verstorbene Prof. Kacanovskij
und der ehemalige russische Viceconsul in Adriauopel, Lisin.
2) Hoffentlich wird man sich auch in Bulgarien, wo es begreiflich noch
recht Viele gibt, die an die Existenz der Veden glauben, resignirt beruhigen.
Als ich eines Tages die Resultate meiner Recherchen dem Dichter Vazov
mittheilte und er sich beeilte, dieselben in einer poetischen Beschreibung der
Rhodope zu verwerthen (CöopHUKx sa nap. yivioTBop. VIII, p. 71 — 75) regte sich
gleich das Gefühl mancher Patrioten, die es nicht fassen konnten, dass die
rühmlichen Veden das Werk eines gemeinen Fälschers seien. Vollends als
man den Namen des Mannes erfuhr, geriethen Manche ausser Rand und Band.
Das Organ des Exarchats in Constantinopel, »Hobhhh», öffnete (1893) seine
Colonnen einem Jeden, der etwas über die Vedalieder auszusagen hatte. Es
wurde eine regelrechte Enquete organisirt, aber auch diesmal war das Re-
sultat nichtig. Gologanov sah sich gezwungen, sich in einem laugen Briefe
zu rechtfertigen, doch überzeugte er Niemand. Selbst die wohlwollende Re-
daction war ganz enttäuscht. Alles was man fand, war, dass ein kurzes Lied
von «Jurfen Junak« in Krcovo und in einem von Gologanov bezeichneten
Rhodopedorfe fSkrebatno) gesungen wird, allein bei näherer Nachforschung
Glück und Ende einer berühmten liteiar. Mystification : Be;ia Cioneiia. (511
ergab es sich, dass der einzige Sänger und Imi>ortenr des Liedes in Ökrebatno,
der weitgereiste und schriftkundige DimoTaskov, dasselbe irgendwo und
von irgendwem abgeschrieben hatte. Ein gewisser I. S. in Nevrokop be-
hauptete (IIonuiiii '2(t. Juli 1893), ilas Lied sei in Skrebatno erst mit dem ersten
Bande der Veden erschienen. Dieser Meinung war auch der OrtsschuUelirer.
Da jedoch die Abschrift aus dem Jahre 1869 sein soll, so ist es möglich, dass
ihr die Moskauer Ausgabe des Orfenliedes vorlag, wenn wir es nicht mit
einem der hypothetischen falschen Zeugnisse Gologanov's zu thun haben.
Wundern würde es mich jedenfalls nicht, wenn selbst einzelne Pomaken für
nicht allzu theueres Geld von Gologanov in diesem Sinne gedrillt wurden.
/. iSihyianov.
Zur Literatur der «Fragen und Antworten«.
In der letzten Zeit bat die
Bearbeitung der in der alten kir-
chenslavischen Literatur sehr po-
pulär gewesenen Form von Ab-
handlungen unter dem Titel »Fra-
gen und Antworten (f eine neue,
viel Erfolg versprechende Rich-
tung genommen, Dank den Be-
mühungen des verstorbenen Kras-
noselcov und jetzt Dr. Nach-
tigall's. Jetzt gibt man sich damit
ab, um die Eintheilung der »Fra-
gen und Antworten« in einzelne
Kategorien zu bestimmen und um
die ursprüngliche Form dieser Ka-
tegorien auf Grund der Verglei-
chung der verschiedenen Texte
unter eiuauder und mit den grie-
chischen Vorlagen herauszufinden. Alles das halte ich zwar für sehr
nothwendig, doch sollte man dabei nach meinem Dafürhalten auch die
andere Seite der Sache nicht ausser Acht lassen, nämlich die culturelle
Bedeutung dieser Producte, mögen sie nun in ursprüngliclier Form oder
{A^w<-
'c-c^i^y^
012 K. Radcenko,
in späterer Umaibeitung- und Erweiterung vorliegen. Diese Producte
kennzeichnen im merkwürdigen Grade das Culturniveau des Publicums,
bei dem sie populär waren. Doch nicht genug an dem. Es unterliegt
keinem Zweifel, dass auch die Bogomilen sich dieser Form der literari-
schen Behandlung des Stoffes zur Verbreitung ihrer religiösen Lehren
bedient haben. Allerdings sind in den bisher bekannten Texten der
»Fragen und Antworten« nur schwache Spuren der bogomilschen Pro-
venienz nachzuweisen, allein bei der hartnäckigen Bekämpfung der
Bogomilen seitens der orthodoxen Geistlichkeit, der auch die weltliche
Macht zur Seite stand, die die Ausrottung ihrer Werke, des haeretischen
Inhalts wegen, zur Folge hatte, müsste man sich eigentlich wundern,
wenn sich viel davon erhalten hätte. Besonders hat es den Anschein,
dass die Bogomilen für ihre religiösen Zwecke sich der, die einzelnen
Stellen der heil. Schrift allegorisch deutenden Fragen gerne bedient
haben, um diese in ihrem Sinne auszubeuten und auch eigene Fragen
hinzuzufügen. Von der Neigung der Bogomilen zur Erklärung der
heil. Schrift im allegorischen Sinne im Geiste ihrer Lehre spricht Pres-
byter Kosmas ^) und Euthymius Zigabenus, Darum verdienen nach
meinem Dafürhalten die eine allegorische Deutung der heil. Schrift ent-
lialtenden «Fragen — Antworten« besondere Beachtung seitens der For-
scher, auch ganz unabhängig von der Entstehungszeit der einzelnen
Texte. Ja es ist die Hoffnung nicht ausgeschlossen, dass nach der Zeit
neue, mehr Bogomilisches enthaltende Texte aufgefunden werden. Das
kann man, wie es mir scheint, von zwei Reihen der Fragen und Ant-
1) .... cjtsimame 60 CBaHrejuCTbi BCJier.TacHO nponoBtAaioma ^iiOAeca roc-
noÄHH, pasEpamaioxt h , rjiarojiiome : »Hicib XpiiCTOCT> cjiina npocBii'KJi'b, hu
xpoiia He iicuijni.iT) . . . . uo npiiitia to cyxt . . . . rpixbi 60, piuia, ui^eHLui
k;iochi.mh 60 CBaHrejiHcni no.io-,Kiima; weiter führtKosmas die allegorische Deu-
tung des Wunders mit 5 Broten seitens der Bogomilen an (S. 108, vergl. noch
S. 83, 95, 97, 99, lüO). Aus den von Zigabenus mitgetheilten bogomilischen
Deutungen der heil. Schrift (vergl. S. 35— 44 ed.Gieselerj führe ich eine Stelle
an, die in einer Belgrader Handschrift der Fragen und Antworten eine Pa-
rallele hat: M?! (fwTf, (prjixi, to ayiov toi; xvai etc. . . . Z4yiov fxif Xiyovai
ZTjy xai' ttvTohg unlovart^av niffiii', /nagyaonas &£ tu fAvaziy.ansQa y.ui no-
kvieXiaTSQa &6y/uaTc< T^<r n'kuvrig avxiav xivag St y.cd y^o'iQovs .... To'vg xctit'
C 3 C j / CM 'C 'C' "■
7,fjc(g svasßeh, wi- aiöwloXcnQccg .... (S. 41), vergl.: Btnpo: qip e iie aasuie Crro
XU T
n^coM , Hii oHCCpB BäuiH n^A CBUHiaMU. wBi. neu iiapuqeTt HCEip^uLie, cbThTc
jKe BipuH, HB uMsutiu CKEpBHo aciTio, a eace hg «aauie cxro, lauHBi 6roc;ioBia
pe fla He peuiu HCBipiis, öucep Hce oyicHie ctmu nucauiu.
Zur Literatur der »Fragen und Antworten«. (3 j 3
Worten behaupten, die in der Handschrift Nr. 188 des Zographos-
Klosters enthalten sind. In keiner von diesen Reihen kann man irgend-
welche von den von Dr. Nachtigall auscinandergehaltenen Kategorien,
also Adamfragen, Ephraim's Paränesen oder das Gespräch der drei
Heiligen in ursprünglicher Fassung entdecken. In der ersten Reihe
stellen die Fragen 1 — 3, 5 — 8 eine gemischte Redactiou der Adam-
fragen dar, 13 und vielleicht 19 sind ans dem Gespräch; 4. 12. 14 —
18 und 20 begegnen in den bekannten Texten der Fragen und Ant-
worten nicht. Einige von diesen Fragen sind durch ihre demokratischen
Tendenzen, ihre Ausfälle gegen die Geistlichkeit, durch die besondere
Art der Erklärung der heil. Schrift so bezeichnend, dass man unwill-
kürlich an die Betheiligung der Bogoniilischen Haeresie bei ihrer Ent-
stehung denken muss. In der zweiten Reihe der Fragen und Antworten
sind die Fragen 3, 5. 6 — 9. 11. 13. 14. 19. 23. 24 aus der zweiten
Redaction der »Beseda« entlehnt; 15. 16. 18. 22 enthalten Adamfragen
der gemischten Redaction : 17. 20. 27 — 32 begegnen in anderen Texten
nicht, die Fragen 12 u. 22 bieten eine so eigenartige Umarbeitung der
nach anderen Texten bekannten Fragen, dass auch hier die Annahme
von der Beeinflussung seitens einer Sekte, vor allem der bogomilischen,
sehr nahe liegt.
Weiter unten fahre ich den Text der beiden Reihen dieser Fragen und
Antworten mit einigen erklärenden Bemerkungen an. Gelegentlich wird
auf den Inhalt des übrigen Theils der Handschrift hingewiesen. Fügt
man zu dem bereits Gesagten noch die Bemerkung hinzu, da.ss auch die
sonst nachweisbaren Fragen merkwürdige Varianten zeigen, so wird
dadurch das Interesse für unseren Text noch erhöht, zugleich aber muss
zugestanden werden, dass in den Handschriften noch allerlei Texte der
»Fragen und Antworten (f, bisher unbekannt, stecken können, die mög-
licher Weise die bisherigen, auf Grund des bekannten Materials gewon-
nenen Resultate stark modifieiren oder ergänzen werden.
Die Handschrift des Zographosklosters aus dem XVH. Jahrb. ist in
16"-Format geschrieben, in bulgar. Orthographie, rumänischer Redaction,
und enthält bis zum Blatt 238 ein Gebetbuch, aber auf Bl. 238 findet
man den Aufsatz: »^licioi) rpOiMOBiuiKoy ii /Khbothh'' (f .
fol. 240: cKasaHie o rpoMouniiu'fe. Anfang: A^e d-l iiiicio xiime
norpbMHTb uTb BXCTOKa nji^iienie Kii/KCTf. h parii u iiarjtdH 6/i.AeTh n
vh cTpuEa MHora BJii)ii;H ö/h;i;<i.Tb . . .
») Ich habe die Abbreviaturen aufgelöst, doch die Betonung bewahrt.
Archiv für slavische Philologie. XXV. 40
614 K. Radcenko,
fol. 244: er. öoroMb no^iHiiaeMt jioymioe Teienie.
fol. 269^: 3^6 Bi KiiMeHt; darauf xpoiiojiorifl.
fol. 271: CKaaaHie o wciiOBaHiH aeMjii. 3a s ;i;bHH CLTiiopH ßorT.
iieöo H 3eM;iÄ h Mopi h p'j^Kti h b-bc^ aate coyxt b-l hhxb, b-l ceAMtm
^Mlb noyil WTb BtCiXB Ä^JIh CBOHXb H ÖJiarOCJOBH 6orX ^bllb CeAMHH
H iiape^ie öori. ai»hi> TtH He^'S-^e. noiieate cxTBÖpH öonb yjTOBtKa a^a^a
MicAi^a Mapxa b^ Ke bt> s qacb ahb.
Jetzt beginnen die Fragen: 1) wti. Tjii,Ka ^i6cth cLTBopenb ÖLicit
a^aivii.. Im Vergleich mit den bekannten Texten zeigt die Antwort auf
diese Frage beachtenswerthe Abweichungen, ich führe sie wörtlich an :
wTb wcMbiH TiecTH: a. Tijio WTB nphCTH, B cpAbi^e u'Tb KaMBne 1), r. k6-
CTH wTb wöjaKa 2), A n.!ibTb w Mxrjibi 3), e Kpf.Bb WTb ^ipiiMHaro Mopi ^ .
s T6nJo(fol.271)Ta wTb wrirä, C O^h uxb cjibHUia, h cawb rocnOÄb
ÄSXb B'bA'iXHAJIb, a KOCTH BbCiXb B1. MJrii;^, TM CtCTaBUBb 5).
2) B^npocb Ha yiiMb sbmjiI cTOHTb. u TB'iTb* Ha BOAa ; a BÖAa —
Ha KaMBHb (?); a KaMSHb — na u/fha; a wrnb — na 'lexHpn CTJibnn:
^exHpH cTJibHH coyTb evarrejHCTH, na^e 3Ke na CBexiH floaiiH clb^cxii
— diese Frage und Antwort stellt eine ganz abweichende Redaction
dar im Vergleich zu der entsprechenden Frage und Antwort nach den
übrigen bekannten Texten ^j :
Bt neA^JTA CBTBopH öorb Heöo h aeniJiA Atiib n HOiii,b h B^ce Bt-
CBJieHHAA, B-L HOHBABJIHHKb CI-XBOpH CJIbHI],e H MiCBU,b H SBi3AH H Btct
HBÖecHaa, ßt BXopHHKb HacäAH päH, b'b cpliAa oyexaBH boaa b-b MipA
(sie !), BT, qexBpbXT>Kb CT>xß6pH CKOxk H niAbi H Btce nxHi],6 nepHaxH,
bx nexxKb (fol. 27 T) cbXBopH a^äiwa, wxb mhcxhb rjiHHbi, bt> caöoXiIi
Aajib BMs AsuiÄ '^)-
1) In allen bisher bekannten Texten der »Adamfragen« — sind Knochen
— von Stein, vom Herzen ist überhaupt keine Rede. Vergl. Moculskij, »Hcxo-
puKO-JiHTepaTypHbiii aHa^iHSi. cmxa o rojiyÖHHOH KHuri« 87.
2) Kommt sonst nicht vor.
3) Fehlt ebenfalls.
*J Eine solche Entstehung des Blutes wird erwähnt in der apokryphen
»Genesis« Victor Grigorovic's, und in der Golubinaja kniga wird das Blut
abgeleitet vom Schwarzen Meer, Moculskij 88.
^) Vergl. die 14. Frage des »Gesprächs der 3 Heiligen« der 1. Redaction
nach Nachtigall (Arch. f. sl. Phil. Bd. XXIV, 358).
f») Vergl. Moculskij, op. c. 72, id. in »Cjiiab: HapoÄHoii öaöjiiu« 69; Nach-
tigall (Arch. XXIV, 324, Frage 8 (Adamfrag. 1. Red.).
') Vergl. den bulgarischen Ministerial-Sbornik VII, 402.
Zur Literatur der «fragen und Antworten«. 615
3) Ha KOjiiKO yecTH pa3,T,t.iH 6orb yecTb a^aMOBA — dieselbe Re-
daction, die in der Ausgabe NaSov's enthalten ist^).
4) KO.iHKO Jiioö.Tfciiie uorh a,iaMa — ko.tuko Jii66tiTfc utbux cuiia
CBoero — nur so viel in unserer Handschrift.
5) KTo ci^e BBiiiibiue rocno^a na nptcTü.ai — a,T,aMb, er^a ASJib
eM8 6orh AsniA 2) (fol. 272).
6) uTKAAs 3aiece Ä'im.Si, 3Ji66a, K^reneTa, xoyjia, saBucTh, neiia-
BHCTb, TUTÖa H CH.iOBaHia — er^a aacTpt.iii .laMexi. Kaiiia Tor,ia peue
eMs roenoAb : 3.iih 3.it ,'ta oy.MpeTb — am nächsten verwandt ist Tichonr.
A III a b 3).
7) rio^To iiocTaBH rociioAH KUHHa ci. .;ioyiio/i. — am nächsten steht
der Text Tichonr. IH a 7 (II, 44S)4).
8) jiaMexb 6o 6i cjiinb etc. — ohne Ende^).
Die Fragen 9 — 11 stimmen ganz mit den Fragen des Sbornik vom
Jahre 134S tiberein: ä er^a noK.ioHHui<i.cA TejiquH rjiaut u. s. w. ö^.
Weiter folgt eine Abhandlung vom Abendmahl Christi.
fol. 274: oyysHi'mH xpiicTOBH, HKO KHesH nocTaB.ieiiH öiiuie no
BT&ceMs MHps H nponoßtAame cjiobo roenoAne, no Bxcixb e3i'mix'b cb-
öpaBmece et BipouäBmHMH ^lOBOJiHbiMH cxmbAuie ee bt, aHTiuxiH ct-
6wpb Bt Heu CLTBopiime (fol. 274^) h B'fepsAu^HXb b-b xpHcxa xpHCTiane
HapsKome ce, iis-io^iime yKe ii iiamicäme npÜBHJia upbKOBbiiaa, a^e
p/iiKOÄ Hannca K.?iHMeHTb: toh ö'i nana pHMCKbin, ero a^e nocraBH b-l
piIMi CBBTblH nexpb BpbXOBHMH anOCT0.3b, H H3J02CMme .MOJIHTBH ÖOSKIA
CBexbiÄ cjibacdbi n Kpbmenia cBeToro Mvpa cbTEopenia n noMasania n
nocTaB.ieHie CBemeniiybCKaro yniia h o B'Bctxb Hiibinxb neinexb i^pb-
KOBHbixb ctTBOpiime H noTOMb nocxaBHme enncKonn no BtceJieniH h
Exet oyueHiiKLi, npbBHii naxpiapxb u,pbKBbT Bi.ce.ieH^cKOH b-b iepsca-
.iHMi caMb rocnoAb noexaniub uiKUBa öpäxa (fol. 275) CBOero, Bxopoe
2ce nexpb nocxaB.itexb b'b Apoyron upbKBbi B-BcejeHCKon, b-b aHXHiixiH
HMBHeMb BBBO^ia, XpeXlH jK.e naBB.lb B'B pHMCKOH U;pbKBbI B'BCBJienCKOH
nocxaBJiiBXb KJiaBA'ia BnncKona, yßXBpbXbi ys.e MapKO b-b a-iB^auApin
i;pbKBbi BxcBJieHCKOH HOcxaBJitBXb aii^ponia enncKona, hbxoc /Kb bt.
i^pbKBBi BBJiHi^tn B-BCBJtBHCTiH BH3aHXiHCKaro rpa^a natB HBiHt napnuaex
1) Vergl. Nachtigall 1. c, 326, Frage 13.
2) Nacht. 334, Frage 7 (Adam fr. 2. Red.;.
3) Vergl. Nacht., 334, 14. Frage (Adamfr. 2. Red. .
*) Ibid. 335, 17. 5) Ibid. 335, 18 (Tichonr. A III a 8,
6) Vergl. meinen Bericht nOiiex^« 72.
40»
ßlg K. Radcenko,
ce KOHCTaHTHHb rpaAb anocTOJib aiupew noeTaB.iieTb enHCKona wHHclMa
H noTOMb no BiiCixb rpä^feb h bx cejiixb nocTaBUiiie eniiCKonH.
Darauf folgen wieder Fragen :
12) ybco pa,T;H peye rocno^b nexpoBH xpiiiKAH: chmohc i'uHHHb,
ji}o6hiuin .in mb? — none/Ke h tt.h xpiiac^iii wTBpbmi ce ero.
13) pe'ie roenoAb: ne Bt.iHBauTe biiho hobo b-l Mtxbi Bixxbi, wh
Bt.iHBaHTe Biiiio iioBO B'L M^xii iioBbi II wöoe c'bö.iiOAeTce, ame .in /ae hh,
npocA;;eTce m^ch, h biiiio npo.i'iexce — MicH CÄTb BixcH >Kii;i;oBe a
iiOBiH xpHcxiaHH, a BHHO HOBoe KpbmeHie, ßipa ii oyyeiiie — vergl.
Nacht, op. c. 384, Frage 15.
14) BMsate ;!;äH0 öiaexb MHoro, mhopo BT>3Lmi,exce wxb Hero —
ce 5Ke rjiaro.iexb naxpiäpxuMb ii eniicKoniiMb h oyyiixe.ieMi, iiace npn-
eMuie BJiaexb oyuiixe.icxBa, a .116X111 ne npaBexb ;i,o6pi. — Diese Frage
und Antwort begegnet sonst nirgends.
15) peue rocnojb : rope BaMb «tapHceii (fol. 276 11 ciiniH .ii'me-
Mipii, MKO npoi^i'/KAaexe KOMapH, a Be.iösAa noacHpäexe — ce r.iaro-
jiexb 0 Bjiacxejiexb, hko coy^exb no KpuBA, MTba^u npHeMjAme, a npä-
Baaro norsß.iiioxb, xaKc^^e 11 nonoBe iia Aaps npaiu,äioxb h mo.ihxba
XBopAXb no :si4,3jii. xaKOiK^e n enncKonn no 31x3;!,^ nonti cxaBexL ne-
;twcxoHHn — der bogomilische Ursprung dieser Frage kann keinem
Zweifel unterliegen \).
16] rope BaMb bü2c;i,li ciinin, hko B-LHiuiHie ex-bKiinni^/ii 11 6äwjl'S
uMHU^aexe, a Btnoyxpbio^is oipa^a n.ibnn CAXb — ce ate r.iarojrexb,
H2ce Kxo nöcxHXbce .ini^eMipieMb Btct XBopnxb, BeJinyäece h XBajH
HU^e üjxb q.ioBiKb, a Bx. xaniii öesaKonie XBopnxb (fol. 276^). ce ate
r.iaro.iexb h noxoMb, nate He^ocxoriniixb öoraxiHMb npnHomeHia npin-
Mciioxb B'L itpbKOBb, a ;i;ocxoHHbixb HHiii,iHxb wp^Baicxb — auch eine
Frage bogomilischen Ursprungs. Die Bogomilen zeichneten sich durch
demokratische Tendenzen aus -].
17) Majib KBacb Btce xicxo KBacnxb — cböpanie HenpäBCAHoe
Btce HMiHia noxonnxb, ne xX)Kmo HMiHia, H'l h Asui/ti: rpa6.ieHie,
HenpaBe^Hoe .iiixonMame , Kpb^ibMHoe ciöpäiiie n Kprisaro caaih ct-
öpaHie — auch diese Frage, ebenso wie die nachfolgenden, ist aller
Wahrscheinlichkeit nach bogomilischen Ursprungs.
18) Oben steht aufgeschrieben: s.iaxooycxb — anocxo.ib naße.ib
ii Vergl. bei Presbyter Kosmas: »xy.iuxe iepen h eck caHti uepKOBHWK,
*apuceH c.iiabiH soBvme npaBOBipHtia nonti h mhofo Ha ha jiaiome — ITpaB. C06.
1864, 83 ; Döllinger, Beiträge I, 46. 2) Vergl. bei Kosmas S. 202.
Zur Literatur der "Fragen und Antworten«. Q\ 7
rjiarojieTi.: öpäxie! nejitno ecTi. 'i.iout.us noKpiint'iioMi. r.i;ii;nMh mo-
jiiTHce — ce ecTF. noKptBeHHtiA imubli MO.ioHie, HÄCe irr. Taiiiit K.ie-
Bemexb öpiira ii CiMiiTh ii s-iocjobiitk ii npo'iaa, m> ame xomexi. i'j);iTa
CBoero HJiM ^ipoyra iicnpauuTn. th bt> raunt fol. 277) 3.ia ne r.iaiojiii.
eate eexh iioKpuTO, ni. MO.Tiice 3a iiero ki> uofn xuxeii Tpbrsßo no-
KpwBce: eroHte 6o bt. Taiini mcihth ce Ciorv; ii nooyiiiiTii öpdra h ut-
BecTH uTh 3.ia, To TU ecTb r.TUBa ne noKpi.Eeinia, AHve luiBe.ii. rjiaro-
jieTh: HeKpbBcnHOA r.iiiBOA 6ora mo.iii. anocTOJib Äor)pi rjaro.ieTK iii.
passMiioiUHMb BiHoyxpbnta, a ne BT.HtmHta, HKO>Ke .iiaxiiHii (Jea" k.io-
ßoKUBb .ie>Kemii dora Mo.iexb — diese Phrase ist möglicherweise eine
grössere Einschaltung — ii kx iepeuMi. pe'ie, ame uMiiie paasMt.in
nHcaHHiiiiMh.
19) (3Jiaxooycxb) npiiniexb .in nonb rpixbi iioiioBiAniiKa CBoero
H.Tu IUI — c.iLimn jiaBHja r.iarojioma: cb inßpaiiHbiMb möpaiib ö.iiÄeuiii
II CT. 3.ibiMb pa3BpaxHUiHce: na 3eMJiii ^liBJimnxb (fol. 27 7*) äme cbiiii.
oyKpäjexb h kt> uu;s npHHeeexb, xo ne cBeaiihXb .iii cbma et wueMb.
npiiBejuxb iixb u'6a ? ii ne u"5a jiii xax6<i. Bxcn.iaxiixii, n6ji,o u"6ii;e rp'txb
ecxb ivÖiMa: nop<i^iiiiiKb 6o ecxb 3a Hb ii npiieMjiexb rptxbi ero ^ .
20) MAApoMj; Omi Bt maBi erb, a öessMUbiii b-l xi.Mt xo,inxb —
xjbKb: r.iaBa Bbim'me Btcero xi.ia eexb, iios-i /Ke iui3K0 Kt seM.iu iipn-
Kaeaexa ce: x^Mace erAa Bjia^biKa oyjib Miicxb uiiUexb, xo Bumiibixb
CLMaxpiexb, a hb nace na 3eM.iH, xo xaKOBLiii Bt rjiaßt onii iniaxb. a
erjia ace .iii o 3eMJrbHbixb no Mbic.iii iiMaxb. xo bx Hors onii UMaxi. ii
seM.ibHbiiiMb npn.iimae.
Nun folgt die Aufzählung der Tugenden und Laster :
fol. 279: 0 6oaK.ecxB§. — fol. 279^^^: CBexaro rpiiropia doroc;i6Ba
^^o ecxb xpHcxocb. — fol. 280: CBexaro Ma^uMa ii3jio>Kenie o Bipf.
B-b Kpaxut. — fol. 282: cBexaro iiiaHiia sjaxooycxaro o eKOiiyaniii
/KHXia qjioBiibCKaro. Anfang: yxo ecxb ea:e pö'ie iiiicauie: erja
wnoycxiexb 3eM.TA ....
fol. 2S3: abermals Fragen unter dem allgemeinen Titel : uxnpo-
meHie CBexbixb cxesaniH passMHO.
1) Kxo ÄBa exoiixa, jma. ubxexa, Aßa pas.isyaexa ce — j\unh n uuui,b
cxoHxa, cjiHbue ii Miceub cBixiixa, iieoo ii 3eM.TA pas.is'iaexa ji^sma.
uxb xijiecb npiBe;iHbixb q.iOBibb '-).
2) KXO npbßie norpeoeHb ubicxb na seM.iii — er^a uocu a^aMb
', Vergl. Archangelskij S. 122. - Vergl. Moculskij, Cstati S. 158. 8.
(jl8 K. Radcenko,
etina CBoero iiBe^ia r ahh h bha'£ rpb.iiuvi» norpeöui/i.A (fol.2S3^) nTHi^A
BT> nieiti, xor^a a^aMt norpeöe etiiia CBoera bt, 3eM.iÄ i).
3) Kaa Asa öopexa ce ;io npHuif^CTBia xpiicTOBa — jifi npHiiri>CTBia
XpHCTOBa /KIIBOTI. H C^MpLTh ; BT. XpHCTOBO JKe npHUlBCTBie WfifiÄ'iaBTh
acHBaTb B-BCKpLceHia 2).
Frage 4 ist identisch mit der 25. Frage nach dem Text Tichonra-
vov's (II, 435).
5) KTO licTHiiHA pBKb ctc. entspricht der 21. und 22. Frage der
»Beseda« der 2. Redaction nach der Eintheilung Nachtigall's ^j, doch
zeigt die Antwort Abweichungen im Vergleich zu den übrigen bisher
bekannten Texten, desswegen führe ich sie im vollen Umfang an:
ioy;i;a jictiiiiha peKi> nofi'iöe h peKt: »tbi cch hcthhhlth xpnc-
Tocfc ! HMixe Toro ; neTpK w6iu],ace et xpHCTOMt oyivipiTii h ci^räjib
11 3aT0 KopKO (sie) n.iaKä.ib ii cnaesHt ÖLicxb.
6) = 21 Bes. der 2. Redaction (Nacht. 394).
7) = 40 Bes. 2. Red. (ib. 397).
S) = 28 nach dem Text Archangelskij's (S. 30)'*), nur statt iire-
saBe.ib steht h eiicixb.
9) r^e UTHb CB MpaswMb ci>6bipaiOTce — bi, coa6m'£ h roMÖpi,
vergl. Nacht. 395, Frage 29.
10) lUTbU,!. MB pÖAH, aSL atB pOAHXb MaTBpb ;i,iTeMb CBOHMb II
sKeHÄ ceöi, jKena kb Moa po^H wti];s MOBMb' MaxBpb — öort exs^ä
a^awa, a ö; a^ania esBiffi, h öticxb öoropo^ima uxb cfMBHB nxb no
n.ibxii — vergl. Moculskij, Cii^w etc. S. l04, Frage 48. In ähnlicher
Gestalt kommt die Frage in einer türkischen Handschrift vor : KpacHO-
CBJIb^6B^, (1898) 131, Frage 30.
11) Kxo poAiicB ujxb MpbXBbi MaxepB n naKbi exhuab Bt oyxpö6&
MaxBpHA — vergl. Nacht. 396, Fr. 35.
12) KoxoptiH npäBB(fol. 284)ÄHnKb hb norpeöeHb öbicxb h xpexin
AbHb B-bCKpLce — luaHHb öorocioBi, — vergl. Vjazemskij 116, Fr. 13,
1) Aehnlich die Frage einer türkischen Handschrift — Krasnoselcev
1898, 32. — Nachtig. 334, Frage 10 hat in der Hauptsache nichts gemein-
sames mit unserer Frage.
-) Nacht. 394, Frage 19 (Beseda 2. Red.), doch in unserem Text enthält
die Antwort einige Einzelheiten, die sonst nicht vorkommen.
3j Doch begegnet sie auch in der sogenannten »Rede des h. Ephraem«,
vergl. Nacht. 347, Frage 4 u. 5. In unserem Texte sind beide Fragen in eine
verbunden, so wie z. B. in dem Texte Sreckovic's.
4) Nacht. 395.
Zur Literatur der »Fragen und Antworten". (jjg
6
doch nur: KOTopti anTo.ii. iienorpeuein. — HoaHii'B Öroo.io i). Rührt
nicht diese Ergänzung der Frage von einem Bogomilen her ? Es ist be-
kannt, welcher Popularität sich bei den Bogomilen gerade Jobannes
Theologus erfreute-).
13) KTo B-BStue }ia iie^o c"* n.ihxiA — vergl. Nacht. 3S5, Fr. 41,
351, Fr. 19.
14) = Syn. C. 25 — vergl. Nacht. 395, Fr. 20.
15) KOTopLiu nonb uti.ib npiiBie iio noxoni — Me.i''xHceAeKb, vergl.
KpacHOcejbucBT. (1S9S) Nr. 4, Fr. Id: Tlg TCQwxog UQSvg tyivero
1:tI zf^g yf^g] ^n:. \) 31ü.yiatdr/. S. 124).
16) = 32 Adamfragen 1. Red. Nacht. 327.
17) uTO e2Tb uTbUb 11 CLiHb II CBexbiii A>>xb — iLTbUb ecTb norb,
CblHb eCTb yKHBUTb, R CBCTblll A^iXb BCTb UTllb.
IS) uTb yxo ecTb c.iiibi;e — axb pusb rocnoAbiib axpacib —
vergl. Nacht. 324, Fr. 6 (Adamfr. 1. Red.).
19) = Bes. der 2. Red. Nacht. 399) — (caTaHau.ii. in unserem
Texte) fol. 28 4 ^
20) Kor^a iie ut iieöo im aeji-iA. r;ie 6i xpHCTocb — iia aepbi, iia
Kpii.ix B^TpbHio II niiKbi 3:e na CBeTiii ero cbb^cth.
21) uTK/ias saueme ce bi anocTOjib — uTb ;ij;xa uoaci'a — auch
eine Frage bogomilischen Ursprungs. Irgend ein Bogomile mag die
Engel mit den Aposteln verwechselt haben — vergl. Nacht. 332, 2
Syn. C. 8 — Adamfr. 2. Red. 3 .
22) iia yiiMb 3eM.i.\ cTonxb — iia Bo^a; a B6;i,a — iia KaMeubi; a
KUMSHb — Ha Üthh; a wrnb — Ha yerbipexb cxjibnexb, näye a:e na
CBBxiH öoacin ctBicxbi — vergl. Nacht. 324, Fr. 8 Adamfr. 1. Red.)
und Moculskij, Cit^w etc. 69, Fr. 7 — unsere Frage zeigt eine ganz
eigenthümliche Redaction.
23) = 53 Bes. 2. Red., 24) = 54 Bes., doch in der gekürzten
Redaction.^).
1) Vergl. ausserdem Karpov's AsöyKOBuuKu 120.
-) Vergl. unter anderem Döllinger, Beiträge II. 34, 277; I. 119, 151, 154.
3; EinKatharer Wilhelm Belibast behauptete: »quod duodecim apostoli,
qui descenderunt de coelo cum Christo, erant spirituales < — Düllinger,
Beiträge 11,179. Nach den Worten eines anderen Häretikers: "per duodecim
apostolos spirituales. qui venerunt cum eo Filio Dei,, intellexit duodecim
angelos, qui non acceperunt carnem, nee corpus terrenum« ibid. 192.
*) Vergl. Nacht. 400— 401.
620 ^- Radceiiko,
25) no'iTO xpHCTOci. rjiaBA cnoA npHKJioiiujii, gctb na ;i;ecuo na
pacnexiH cüoeMb — Aa utAexb HeiitpsAu;jH h iiOKJiOHAXce e.Ms.
26) no^iTO xpucTOCi. iiorA cboa ji'feBA npiKjroiiHJib na ÄeciiiJ» — Aa
B'ipsiomui u ^.ler^'iaiOTce iT rpixa — diesen beiden Fragen Entsprechen-
des findet man in der Frage bei Moculskij unter Nr. 13 in seinen «( 'jitAti«
S. 169. Unser Text stellt eine theilweise gekürzte Redaction dar.
2 7) KTo MptTBb acHBaro KpimäeTT. — pi.Ka iwpbXBa asuia khba —
ist nicht auch diese Frage mit der Gegenüberstellung der todten Hand
der lebendigen Seele bogorailischen Ursprungs ?
28) TAB ce xüöpixaexb AbHb BbicoKÖexHbiH — erAa HStiAe fol. 285^)
Hieoycb HaBbiHHb npoxiiBA njibKs ervnexeKOMs h npiiÖJrHatHce CAHbue
KT, Beyeps, H noMOAHce 6ors, Aa ee BtSBpiixHXb e.ibuue, Aa noöiAHXb
CBnoexaxa, h nocxonxb cjibime r yacH ; h ci.ÖHpaxb ace ce W roAHma
r yacH, H xj; naxoAATb sa a -i^xa bi yäciuBb, ii xuko öbiBaexb AtHb blt-
COKOeXHblH.
29) KO.JIHKIÜ ecxb arrejEb oy npbßaro npicxo^ia rocnoAUA — p xbMb ;
a Ha ceAMWMb hgöo ecxb öes"" ^iHCJa arre.ib — diese Frage ist wahr-
scheinlich aus der Visio Isaiae entlehnt.
30) KorAa yjiOBiKb KpbmeHb — ü; Bpbxa ao noaca Kpbii^eHb aAä>ib
3a CbSAanie, aBpaaMb sa nosnaHie, HÖe sa ciixpaHeHie.
31) H KoxopbiH wxb HHXb öors oyroAH — hob npaBBAHbiH fol. 286.
32) ^ixo Bcxb xpHcxiaHHHb — nacB bi 6o3i acHBexb ÖAaroyecxHO
H uorojiH).ie3Hu; npiöbiBäexb.
Hiermit endigt die zweite Serie der Fragen.
Ich will noch den weiteren Inhalt der Handschrift angeben:
fol. 286^: np^MAApwcxb h nosueHiB CBexbixb iuxbu;b — Melissa —
Anf. : oyHB BCXb oyivipixn xijiOMb neacejiii 3KHBb rpixs paöoxaxH ....
fol. 294: U'XKAAs naiexb nana pioicKbin et jraxiiHCKHMb ASbiKU'Mb
onpiCHO^iHaa cioyaciixK h wxkaas npHHBJii cia. «
fol. 300^: 0 royrHHBOMb nexpli h o jraxiiH'txb.
fol. 302^': KoyBHHuiB aA'SH^iii — Worterklärung.
fol. 306: o eate ^ixo ecxb aA.iHjibTa — öoacecxBHSH) ntcBiib uasna-
MBHjexb, eate 6o aji-ib Api>:«^äBeHb pe^iB, a liacB lijib öorb (fol. 306), a
e^e oyi'a BAiiHb. h ihiaKO hcb* ajiJib rpiABXb, Mb — u'XbUib, oyia mbhcb;
H iiHaKO 2CB (lÄÄh ujxbu;b, H.ib — cbiHb, oyia — ji,}ixh CBexbiii.
Weiter folgt ein Aufsatz von den hebräischen Massen. Fragen: yeco
Zur Literatur der »Fragen und Autworten".
621
pa^H nscTU C)orb i Ka3iiii etc. n 'ito öuuie Kibim tTh *), Aufzählung von
Tugenden und Leidenschaften.
fol. 307: 0 eyRe 'iro ec-xb u'ie naiiih.
fol. 309: 0 cMMpiit, .la^oiit ii jini'.aiit.
Im Ganzen enthält die Handschrift 347 B., sie verdient in hohem
Grade beachtet und genau studirt zu werden, ungeachtet ihrer verhält-
nissmässig späten Entstehungszeit, in der sogenannten rumänischen
Periode. K. liadicnko.
1) Vergl. meinen Bericht »OTq(;n>«, S. 72.
Miklosieli imd Safaiik.
Ein Beitrag zu ihren wechselseitigen Beziehungen.*)
Kopitav und Dobrovsky, 8a-
farik und Vostokov, zuletzt Mi-
klosich und Safah'k, diese bedeut-
samen Namen, zumal in der an-
geführten Reihenfolge, besagen
für einen Historiker derslavischen
Philologie sehr viel. Damit sind
die drei aufeinanderfolgenden
Etappen bezeichnet, welche das
Studium der slavischen Philologie
bei den Westslaven in dem ersten
halben Säculum des vorigen Jahr-
hunderts, der Reihe nach, durch-
gemacht hat. Der erste Name in
einem jeden der drei Paare re-
präsentirt zugleich den Bahn-
brecher in der slavischen Philolo-
gie nach ihrer stufenweise vor sich
gehenden Entwickelung — alle zusammen bilden die Summe der Ab-
*) Gewidmet dem Andenken des verstorbenen Vojtech Safaiik.
622 AI. Kotschubinsky,
schnitte oder Kapitel ihrer Geschichte. Die wechselseitigen Beziehungen
der beiden Namen des erstgenannten Paares sind uns sehr gut bekannt,
dank sei es der Publication ihres Briefwechsels im Sbornik der kais.
Petersburger Akademie (Band XXXIX u. LXiri, durch den Herausgeber
dieser Zeitschrift. Das in dem Briefwechsel zwischen Dobrovsky und
Kopitar enthaltene reichhaltige Material wurde seiner Zeit von verschie-
denen Gelehrten in verschiedener Weise verwerthet. Die Beziehungen
Safaiik's zu Vostokov waren nicht so eng, traten auch weniger hervor,
doch gekennzeichnet durch die Offenherzigkeit bekamen sie ausreichende
Beleuchtung in einigen Briefen der vor 30 Jahren publicirten Correspon-
denz Vostokov's CöopHiiKi. V, Heft Hj. Eine nothwendige Ergänzung
dazu lieferte der Unterzeichnete erst unlängst in dem in JldBicria.
für 1S99, S. 126 — 136 mitgetheilten Beitrag : »^.ih HCTopia pyccKOH
MBiciii. Tpii niiCMia A.X.BocTOKOBacf. Weniger bekannt sind dagegen
y
die wechselseitigen Beziehungen Miklosich's zu Safank, die anfänglich
in gewisser Hinsicht als Beziehungen des Schülers zum Lehrer bezeich-
net werden könnten, doch bald war es dem Schüler beschieden, mit
seinem Namen einem langen Zeitraum in der weiteren Entwickelungs-
geschichte der Siavistik den Stempel aufzudrücken, der die ganze zweite
Hälfte des vorigen Jahrhunderts umspannte.
Schon aus der bisher herausgegebenen Correspondenz Safai-ik's
mit seinen Freunden in Russland (Pogodin, Bodjanskij) ersieht man
deutlich das eine — - das lebhafte, selbstlose Interesse, das der berühmte
böhmische Gelehrte in Prag jeder Kundgebung der wissenschaftlichen
Thätigkeit des jungen Slovenen, der um die Mitte der 40er Jahre aus
dem Juristen in den Slavisten sich verwandelte, entgegenbrachte, und
wie nahe sie sich standen selbst in kleinen Dingen von geringem Belang.
Ich gehe noch weiter und sage : wahrscheinlich fühlte der alternde
Safaiik geradezu Freude über die Erfolge Miklosich's in der Siavistik
und mit erleichtertem Herzen blickte er auf ihn als seinen Nachfolger
und Ersatzmann unter den Westslaven. Ich erinnere mich jetzt noch
lebhaft einer Erzählung meines verstorbenen Freundes, Prof. Vojtech
Safank (1S29 — 1902), aus dem Anfang der neunziger Jahre des vorigen
Jahrhunderts, während unseres üblichen Verkehrs in den Sommer-
monaten in Prag, in seiner gastfreundlichen und merkwürdigen astro-
nomischen Villa, Orlovka. Die Erzählung betraf seinen Vater,
'Beim Nahen seines fünfzigsten Lebensjahres (folglich um das
J. 1845) gestand einmal mein Vater (so erzählte mir sein Sohn Vojtech)
Miklosich und ^afafik. (323
meiner Mutter, dass er bis zum 50. Lebensjahre bauptsäcblicli mit dem
Sammeln des Materials sieb abzugeben beabsichtigt hatte, dann erst an
das eigentliche Werk sich machen wollte ; doch jetzt, wo dieser Termin
nahe war, sehe er, dass alles was er tüchtiges geleistet, schon früher
geschehen war, und dass er jetzt nicht mehr etwas gleich bedeutendes
zu schaffen hoffe, da seine Kräfte nachlassen«. Zur Ablösung des
Alternden trat nun Miklosich auf, der angeblich nach einer schnell er-
loschenen Neigung zu einer Russin, aus dem Juristen ein für den armen
Idealisten, den alternden Safaiik, nicht gleichgiltiger, energischer Sla-
vist wurde.
Derselbe Prof. Vojtech Safarik erzählte mir auch während eines
Gesprächs mit ihm, dass sein Vater einst seine volle Zufriedenheit da-
rüber äusserte, dass der Sohn nicht Philologe geworden: »Du siehst es
an mir, was für Resultate fürs Leben mir meine Philologie gebracht —
kaum gab sie mir ein Stück Brot« ^).
Ja, äafafik beobachtete mit Sympathie die ihm theueren Neuig-
keiten in Slavicis, die aus Wien kamen, und angesichts derselben sah
er die Bedeutung des Namens Miklosich voraus. »Dr. Miklosic in Wien,
schrieb er am IS. Sept. 1S44 an Freund Bodjanskij, absichtlich deutsch,
damit es auch Pogodin lesen könnte, ein Krainer, druckt soeben, wie
ich höre, Radices linguae slavicae, mit dem Sanskrit verglichen. Also
die höhere Philologie ist bei uns nicht ganz eingeschlafen«. Man kann
selbst vermuthen, dass unter dem Einfluss der Empfehlung Safarik's im
russ. Journal des Ministeriums der Volksaufklärung 1S4G eine sehr
lobende Besprechung des Werkes des jungen Miklosich erschien. Kaum
werden wir fehlgehen, wenn wir die Behauptung aufstellen, dass Safaiik
hauptsächlich an Miklosich dachte, als er in einer der ersten Sitzungen
der neu gegründeten kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien
(Anfang des J. 1848) als ein Thema für eine Preisaufgabe die verglei-
chende Grammatik der slavischen Sprachen in Vorschlag brachte. Am
13. März 1S4S schrieb Safaiik dem Pogodin: ». . . wollen sehen, ob die
1 Ich will noch eine Erzählung desselben Vojtech, die auf die 40er Jahre
Bezug nimmt, inittheilen. Einst besuchte den Safaiik im Clementinum der
bekannte Byzantinist Tafel, ein Greis von kleinem Wuchs. Ich sass, so er-
zählte Vojtech, in meinem Stüblein ganz vertieft in die Bücher, als der Vater
mit Tafel eintrat. »Es ist ihr Sohn?« Ja. "Was macht er da?« Die Astro-
nomie studirt er. »Ja, die Sterne sind gut, aber nicht da. sondern hier«.
Dabei zeigte er mit der Hand auf die Brust-.
(j24 AI. Kotschubinsky,
Herren Celakowskij und Miklosic' etwas leisten c Man weiss, dass die
Preisaufgabe Miklosich gelöst hat. Soweit man aus derselben Correspon-
denz äafafik's mit seinen russ. Freunden schliessen kann, stand Miklo-
sich, während er selbst Hofbibliotlieksbeamter und Censor in Wien
war, zu Safaiik fortwährend in Beziehung eines dienstfertigen Helfers
bei verschiedenen Anlässen, sowohl kleinen, als auch bedeutenderen,
soweit dabei Wien in Betracht kam. So z.B. aus dem Brief an Bodjan-
skij vom 22. Aug. 1S45 ersehen wir, dass Miklosich, obwohl er selbst
nicht ganz gesund war, nicht zögerte, auf die Bitte .Safarik's ein Fäss-
chen mit Büchern des Moskauer Slavisten (Bodjanskij) bei dem Wiener
Zollamt frei zu machen »o wasi bedne s knihami jedna Miklosic we
Widni s auiadem. Ted', churaw jsa, odesel uekam na mesic. Po nawra-
ceni jeho budeme jednat znowa horliwev. Im Brief vom 20. Juli (?) 1845
wird eine neue (oder dieselbe?) Beschwerde Bodjanskij's abermals in
die Hände Miklosich's gelegt — nämlich einen Bücherkoflfer aus Kroatien
frei zu machen ^].
Dasselbe aufrichtige, vertrauensvolle, mit dem Gefühl der Hoch-
schätzung für Miklosich als Gelehrten verknüpfte Verhältniss tritt auch
in der Bodjanskij gegebenen Auskunft entgegen, in welcher Weise man
den Wunsch des Fürsten Obolenskij, des damaligen Directors des Ar-
chivs des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten in Moskau, in
Erfüllung bringen könnte, der eine diplomatische Kopie der Wiener
»Acta synodalia«, die vor kurzem von V. J. Grigorovic entdeckt worden
waren, zu erlangen wünschte. Nach Safarik war die einzige Möglich-
keit, diese schwierige Angelegenheit, nämlich die Abschrift zweier um-
fangreicher griechischer Handschriften zu erzielen, die, dass man sie —
Miklosich, »unserem berühmten slavischen Philologen in Wien«, anver-
traue. »Ich schrieb ihm, sagt Safank im J. 1847, bereits davon, und er
1) üiiCBMa n. I. IIIa*apuKa kx O.M.EoÄaHCKOMoy. MocKBa 1895, Nr. 46. In
der Ausgabe ist das Schreiben vom 20. Juli jenem vom 22. August nachge-
setzt. Warum? Ueberhaupt ist diese so werth volle Ausgabe weit entfernt
von der diplomatischen Genauigkeit. Kaum gibt es ein Schreiben mit böhm.
Text ohne grobe Fehler. Besonders ist das Schreiben Safarik's an Grigorovic
vom 23. Dec. 1855 voll von üngeuauigkeiten. Mag es auch sehr schlecht ge-
schrieben sein, wie es der Herausgeber bemerkt, so hätte man doch (S. 122
die Worte »pieje Väs stäleho zdravä« leicht in die richtige Lesart »preje
Väm stäleho zdravi« corrigiren können. Die Uebersetzung dieser Stelle fehlt
(S. 225)!
Mikiosich und ^afaiik. 625
ist der einzige Mann, der diese Angelegenheit im Stande wäre zu Ende
zu führen K. Safarik theilte auch für den wissbegierigen Fürsten die
Wiener Adresse Miklosich's mit.
In dieser Weise gestalteten sich im Verlaufe von wenigen Jahren
die Beziehungen zwischen dem jungen Mikiosich und dem alternden
Safarik fest, aufrichtig und vertrauensvoll. In den Augen Safarik's ist
Mikiosich »unser berühmter Philologe«. Allein diese Hochschätzung
hinderte ihn nicht, auch scharf gegen Mikiosich aufzutreten, wo er
glaubte, dass sich dieser stark von den Ideen Kopitar's beeinflussen
Hess, wie z.B. in der unglücklichen Frage über die Heimath der kirchen-
slavischen Sprache. »Er ist, sprach er mit Bedauern zu Pogodin, durch
und durch von K. (= Kopitar's) Phantasien imprägnirt und verschliesst
mordaciter der Wahrheit die Augenii.
Der berühmte junge Slavist hat schnell, zur Freude Safaiik's, seinen
Ruf in der W^issenschaft begründet. Doch auch diese Veränderung sei-
ner Stellung in der Gelehrtenrepublik hat der mit den Jahren der Arbeit
grossgezogenen Bescheidenheit des hochbegabten Slovenen aus Steier-
mark keinen Abbruch gethan, er blieb wie früher gegenüber dem alten
Mentor in Prag ein Schüler. Die bekannte Suprasler Handschrift, das
lexikographische Material der kirchenslavischen Sprache — Kachlass
Kopitar's — diese Aufgaben nahmen die ganze Aufmerksamkeit Miklo-
sich's um die Mitte der -10er Jahre in Anspruch. Er fasste den Plan,
das Vermächtniss Kopitar's auszuführen, ein kirchenslav. Wörterbuch
herauszugeben. Einige zufällige äussere Umstände begünstigten dieses
immerhin gewagte Unternehmen. In Wien lebte damals ein vermögen-
der Serbe, der junge Fürst Michael Obrenovic, der gern für die süd-
slavischen wissenschaftlichen Publicationen den Mivcenas spielte. Er
trug Mikiosich an, die Druckkosten eines kirchenslavischen Wörter-
buches zu decken. Wahrscheinlich spielte in diesem Falle Vuk Karadzic
die Vermittlerrolle, der, ein alter Freund Kopitar's, durch ihn auch Mi-
klosich's Freund geworden war.
Mit der Drucklegung der neuen Arbeit beschäftigt, benachrichtigte
Mikiosich vertraulich seinen Freund und Lehrer in Prag von dem Vor-
haben. Er erkundigte sich bei ihm über einige Vorbedingungen des
geplanten Unternehmens, wünschte von ihm Auskunft über die Auf-
nahme einer ganzen Partie von Wörtern ins Wörterbuch zu erfahren
und bat ihn, sein Material zu bereichern durch Zusendung von Aus-
zügen, die für Safaiik sein früh verstorbener Freund Preiss aus der
626 AI. Kotschubinsky,
Handschrift des Georgius Hamartolus gemacht hatte. Diese merkwür-
dige Bitte und Anfrage, die so schön die gegenseitigen Beziehungen
eines aufsteigenden und eines untergehenden Sternes illustrirt, fand im
Herbst des Jahres 1848 statt: das Schreiben Miklosich's ist vom 2. Okt.
datirt. Noch in den achtziger Jahren fand ich dieses Schreiben in der
Bibliothek des königl. böhmischen Museums in Prag, in der Abtheilung
Safai'ik's, hineingelegt in das prachtvoll eingebundene Exemplar der
ersten Ausgabe des kirchenslavischen Wörterbuchs Miklosich's, das be-
kanntlich im J. 1850 in Wien erschien mit der Widmung: lUustrissimo
principi Michaeli M. Obrenovic. Ich schrieb es damals mir ab und wenn
mir in der Publication dieses interessanten Documentes aus früheren
Jahren unserer Wissenschaft niemand zuvorkam, so wird die Veröffent-
lichung desselben in dieser Zeitschrift am besten die Wechselbeziehungen
der beiden bedeutendsten Repräsentanten der slavischen Philologie in
ihren zwei aufeinanderfolgenden Etappen beleuchten. Das Schreiben
lautet:
»Hochverehrter Freund!
Ich übersende Ihnen anliegend eine Probe meines altslovenischen
Wörterbuchs, dessen Druck, so Gott will, in einigen Tagen in Angriff
genommen werden wird. Ich fühle die Mangel meines Werkes in mehr-
facher Hinsicht, und haette es sicher nicht gewagt, damit vor die
Welt zu treten, wenn nicht theils die Betrachtung, wie leicht aehnliche
Sammlungen, die Frucht anhaltenden Fleisses, verloren gehen, theils
der Umstand, dass Fürst Michael Obrenovic die Kosten entweder ganz
oder theilweise übernimmt, mich zur Veröffentlichung desselben bewogen
haetten. TheilenSie mir gefaelligst Ihre Bemerkungen mit, und seien Sie
versichert, dass ich dieselben mir nach Möglichkeit zu Nutze machen
werde.
Zugleich überschickte ich Ihnen ein kleines Verzeichniss von dunk-
len Wörtern mit der Bitte, mir darüber Ihre Meinung mitttheilen zu
wollen: KopeiiibCTßo cod. sup. KO-peMkCTßC» (ars)? — KpaMHHa
bell. troj. — Kp'KCfAHie cod. sup. cf. brslen (epheu) ? — Kp'KHHH'K
prol. vestis? — BOVKapHm grom. seditio ? — BkiA» cod. sup. —
Klv;k,ki€ cod. sup. — K-kAacT». prol. — R\-Tßapk cod. sup. — ßana
pat. MkraHHie noBA'kK'KLue ßanoü^ ot MfAa y\,o Hoca. — ßHH'k
pat. ßkCk^T^ A'^GP'^'HV'**^ ßHHOß'k MO/KELUH B'kCT;PinHTH Ha Ck-
ßpikUJCMHie. — ßaacH pat. a'Shhiijh C/Sv ßaacH ta no KOHki^or
^a OGAHM/ftTk. — BAaiUTkCTBHie ant. hora. — ßpivAMMa tviod. —
Mikloslch und Safarik. 627
Bp'KT(^Kk prol. — Waere es Ihnen, Verehrter Freund, nicht möglich,
die von Preiss gemachten Auszüge aus Georgios Hamartolos zum Ge-
brauche auf einige Tage mitzutheilen ?
Mit wahrer Hochachtung
2. okt. 1S48. Ihr Freund Miklosich.«
Was Safai'ik seinem Freund in Wien geantwortet, das wissen wir
nicht \\ Die aufgezählten «dunklen« Wörter begegnen in der 2. Aufl.
des Wörterbuchs unter peMbcxBO, 6i>i;ib, öiAtut, Bjaxt, HaBJiamtcxBure
u. s. w. , unklar bleiben öijacB, öyTBapb, BpiAHua. Eins ist gewiss,
dass die Auszüge Preiss' Miklosich überlassen wurden. Davon gibt er
selbst Nachricht bei der zweiten Auflage des Lexicon palaeosloveuico-
graeco-latinum, S. X unter dem Stichwort Georg ISaf.
So beschaffen waren die Beziehungen Miklosich's zu Safarfk — auf-
richtig, vertrauensvoll. Unwillkürlich fallen uns dabei die Beziehungen
eines russischen Slavisten, eines Altersgenossen Miklosich's, I. I. Srez-
nevskij's, aus derselben Zeit und noch früher, zu demselben Prager
Lehrer ein. Am 18. Februar 1842 schrieb er aus Wien ein vom leb-
haftesten Interesse für die »Entdeckung« der Reimser Fragmente Hanka's
erfülltes Schreiben an den letzteren, das er so abschliesst: »IIokjiohh-
Tect ^e.iaKOBCKOMy, lIIa<tapHKy (eoönpaioct kx iioiy nncaTt, ^a Bce
ew,e He snaio o ^bm'b), lOHrMany«. Wahrlich ein sehr charakteristi-
sches Geständniss!
Noch vor dem Schreiben vom 2. Oktober forderte Safaiik seinen
Freund auf, eine glagolitische Chrestomathie und eine neue glagolitische
Schrift herzustellen. Als aber im Jahre 1850 (eig. 1849) das kirchen-
slavische Wörterbuch Miklosich's erschien, begrüsste es Safaiik mit
freundlichen Worten: «von ersterem (= Miklosic) ist (so schreibt er an
Pogodin am 15. März 1850) ein altslaw. Lexikon erschienen, eigentlich
'Vocabular, aber sehr reichhaltig« (ÜHCtMa IIoroÄHHy Nr. 101). Einen
Rivalen hatte Miklosich in Russland in Davydov und seinem Wörter-
buch vom J. 1847 . . .
Odessa, 10. Juni 1903. AI. Kotschubinskij.
1) In der Sammlung der Briefe ^afalik's an Miklosich. die sicli im Nach-
lass Miklosich's finden, kommt das Antwortschreiben Safaiik's nicht vor, wie
ich davon durch die Güte des Herrn Landesgerichtsrath Moriz v. Miklosich
benachrichtigt worden bin. V.J.
628
Ein Nachtrag zum «ersten Cetinjer Kirchendruck
vom J. 1494«.
I.
Ich gab im J. 1894, in dem 43. Band der Denkschriften der kaiser-
lichen Akademie der Wissenschaften in Wien (philos.-histor. Classe),
zwei ausführliche Abhandlungen über den Cetinjer jjOctoechos« vom
J. 1494 heraus, deren Aufgabe nicht so sehr in der äusserlich-biblio-
graphischen Beschreibung des alten Druckes nach einem in der Wiener
Hof bibliothek befindlichen gut erhaltenen Exemplar bestand , vielmehr
die genaue Analyse des Inhaltes, im Verhältniss zum griech. Original
und auch der Uebersetzung in lexicalischer Beziehung bezweckte. Ich
ging von der seit der Behauptung Safariks allgemein geglaubten An-
nahme aus, dass nur der erste Theil des Buches, die ersten vier Stimmen
enthaltend, im besagten Jahre gedruckt wurde. Die Vermuthung, als
ob im nächstfolgenden Jahre (also 1495) auch der zweite Theil des
Octoechos im Druck erschienen wäre, erklärte ich für einen Irrthum
(S. 10 der ersten Abhandlung). Das war aber meinerseits ein grosser
Y
Irrthum, den ich Safaiik nachschrieb, und diesen möchte ich jetzt
mit diesen Zeilen berichtigen auf Grund einer vor kurzem erschienenen
Abhandlung des serbischen Akademikers Ljub. Stojanovic: »Ilpii.iosn
Ka 6H6.3Horpa<wijn CTapnx cpncKiix lUTaMnaHHx Kitiira« (r.iac,Bd. LXVI).
Es war allerdings bereits in den ersten Decennien des vorigen (19.)
Jahrh. durch die Angaben Lucian Musicki's (in seiner handschriftlichen
Bibliographie) auch der zweite Theil des Cetinjer «Octoechos« als im
J. 1494 gedruckt hingestellt, man sprach sogar von 34 Bogen als dem
äusseren Umfang des Buches. Diese Angabe wurde jedoch, da man
kein Exemplar mehr auffinden konnte, durch Safarik zum Schweigen
gebracht. (Geschichte der südslav. Litter. III. 253, Nr. 210.) Jetzt erst
hat Herr Stojanovic einen wichtigen und ausschlaggebenden Fund ge-
macht, und zwar in der Belgrader Nationalbibliothek. Es gelang ihm
allerdings nicht, jenes von L. Musicki erwähnte vollständige Exemplar
wieder zu finden — dieses wird irgendwo verlegt oder verschleppt sein,
eine Vernichtung des Buches ist kaum anzunehmen — dafür aber fand
er von einem anderen Exemplar acht Blätter, die unzweifelhaft dem
Ein Nachtrag zum »ersten Cetinjer Kirchendruck vom J. 1494«. 629
zweiten Theil des Octoechos. der die Stimmeu fünf bis acht enthielt,
angehören , wofür ja schon der Inhalt spricht. Und zwar bilden sechs
Blätter davon einen zusammenhängenden Text der fünften Stimme, an-
gefangen von der grossen Vesper des Samstags und ohne Unterbrechung
fortsetzend bis in die •'?. Ode eines Sonntagskanons. Da ich durch die
Güte Stojanovi(.*s alle acht Blätter benutzen kann, so will ich zuerst die
von ihm constatierte Thatsache hervorheben, dass die Boiidar Vuko-
vic'sche Ausgabe des Octoechos vom .1. 1537 auf diesem ältesten
Cetinjer Druck beruht als ein Wiederabdruck. In der That ein Stück
des Bozidar'schenOktoichs, das mir durch die Freundlichkeit des Akade-
mikers Stojanovic zur Collation mit diesem Text zugeschickt wurde, zeigt
beinahe buchstäbliche Uebereinstimmung. Ich fand auf der ersten Seite
der 6*^" Stimme nur wenige Abweichungen, z.B. Ha MaAEHc. : na MaalCH
b., KfMfpHH c. : KtHfpHKi b., o^'a;« c. : K>}K( b., cncf c. : Cum« b.,
MKpOKH c: MHpS b., nach lix^ fehlt in b. 'Akt, nach Mcraa steht in
boz. H vor KkCf Baa^Kenaa, nach nacK folgt in c. H/K« vor Ha 3CMaH
— das sind aber auch alle Abweichungen einer Seite. Dagegen weicht die
Ausgabe des Oktoich von Gracanica aus d. J. 1539, die auf der Bozidar'-
schen Redaction zu beruhen scheint, bedeutender ab. Im Vergleich mit der
mir zugänglichen russischen (Moskauer Synodal-jAusgabe (vom J. 1880)
des »Oktoich'c will ich folgende Analyse des Inhaltes der erhaltenen
Blätter geben:
Die ersten sieben Sticheren stimmen mit der heutigen Textanordnung
überein. Die auf Blatt r'" der neuen Ausgabe befimdlichen drei Sticheren
fehlen in dem alten Druck, es folgt gleich das Tbeotokion Fik npKM-
HlvMk MVÜpKi, alles nachfolgende enthält der noch heute übliche Text.
Der auf Blatt ^V bis zu Ende s"" der vorerwähnten Moskauer Ausgabe
befindliche Kanon auf die Nachvesper fehlt im alten Text, es folgt viel-
mehr gleich der für Sonntag früh bestimmte Kanon, dessen Akrostichon
in der Uebersetzung lautet: llpäßHao nn'O« CKkrov; TpHcakHMHÖ-
uov' (so auch heute). Im neuen Abdruck wird dieser Kanon als Tkc»-
pfHJ« A\HTpCßaHOBC» bezeichnet, der Cetinjer Druck nennt den Ver-
fasser nicht. Im Kanon selbst fehlt bei sonstiger Uebereinstimmung in der
vierten Ode die dritte Strophe, die in der Moskauer Ausgabe so beginnt :
0,\hhS RaacTK. In gleicher Weise ist in der sechsten Ode die heutige
dritte Strophe: IhcocTaBHO ci>i|iKTBC> im alten Druck ausgelassen.
Das auf die sechste Ode folgende Kathisma bietet im alten Druck einen
.Vrchiv für sl.ivische Philologie. XXV. 41
630 V. Jagic,
anderen Text, nämlich noMAOifH ME cncf MCH iiomaoIj'h luie u. s. w.
(jetzt: TpHCOAHtMHKiii CRlJT'K U.S.W.), doch das darauffolgende Theo-
tokion ist dasselbe. In der siebenten Ode fehlt abermals die dritte
Strophe: FäßHiv ynoiCTacc u. s. w., ebenso in der achten Ode die
dritte Strophe: CT'K oii,!». Kr'k npfß-kMHKiH, und in der neunten Ode
die dritte Strophe: lica'ia T/ä kh^v,''^ u. s. w. Die dritte Strophe der
angeführten Oden fehlt auch in der griech. Ausgabe vom J. 1523. Von
den nun sich anschliessenden Kathismen (auf die erste Stiehologie) stimmt
das erste mit dem heutigen überein, dann folgt aber im alten Druck als
Einschaltung das Theotokion: 0\-/KäcHCtE Mio^i,o saMcVia u. s. w., das
im heutigen Text nicht vorkommt, und auf die zweite Stiehologie bezieht
sich das im heutigen Text noch zur ersten Stiehologie gerechnete Kathisma :
r»! lUipbTKKK UAßmict nebst dem Theotokion Pa\'HC£ craa ropo.
Die im heutigen Text folgenden Zwei Kathismen der zweiten Stiehologie
(auf Bl. ■fr'^) fehlen im alten Druck. Der griech. Text des Jahres 1523
befolgt in allen diesen Dingen schon die heutige Anordnung der Synodal-
ausgabe. Dagegen die l'/ra/ojj und die dreimal drei Anabathmen stim-
men überein. Gleich darauf enthält der alte Druck (nach dem Prokei-
menon und den Sticheren) zwei Canones anastasimi, und ebenso den
dritten Kanon auf Muttergottes, alle drei parallel nebeneinander nach
einzelnen Oden, die auch im heutigen Oktoich vorkommen. Auf dem
letzten erhaltenen (sechsten) Blatt bricht der Text im Theotokion der
dritten Ode des zweiten Kanons ab.
Den Schlusä der fünften Stimme und den Beginn der sechsten bildet
in dem alten Druck das siebente von den neu gefundenen acht Blättern.
Auf seiner rechten Seite nimmt den ganzen Raum eine Illustration ein,
die wir in genauer, nur etwas verkleinerter Reproduction hier wieder-
geben (s. S. 631). Auf dieser Zeichnung, die eine Mischung der Vene-
zianischen Illustrations- oder Vignettenmotive mit dem byzantinischen
Inhalt des in der Mitte stehenden Bildes darstellt, lenkt die Aufmerk-
samkeit auf sich zunächst das Wappen des Georg Crnojevic, das mit
dem auf fol. 2 des ersten Theils des Oktoichs befindlichen (bei meiner
Ausgabe des »ersten Cetinjer Kirchendrucks« in der Beilage zur ersten
Hälfte reproducirt) ziemlich genau übereinstimmt, dann die drei in der
Mitte der ganzen Zeichnung vor einer Kirche sitzenden Hymnologen
(Joseph, Joannes Damascenus und Theophanes): jeder von ihnen hält als
Hymnolog einen Griffel in der rechten Hand, mit welchem er in dem auf
den Knieen liegenden und von der linken Hand gehaltenen Buch schreibt.
Ein Nachtrag zum »ersten Cetinjer Kirchendruck vom J. 1494«. 631
41
032 V. Jagic,
Auf der Rückseite dieses Blattes beginnt das Vesperofficiura des
Samstags der sechsten Stimme mit drei rotli gedruckten Zeilen, deren
erste ligaturartijr folgende Worte enthält: Iik GsIioTS lifHCiFb Hä
A\fh\{ll lifHflpHH n. s. w. Die drei Stichereu stimmen mit dem
heutigen Text (fol. OS^) überein, das Theotokion weicht jedoch ab, es
beginnt Kto TfKf Hf RAa^KHTk np-kcraa j\,k.q> u. s. av. (heute:
^^OCroHHO (CTK raKW KOHCTHHö u. s. w.j. Der Text schliesst mit
flg TOP arlyop: BkCKpcfHJj TßO« \'e cnc( u. s. w. In der griech.
Ausgabe des Jahres 1523 steht das Theotokion Tig urj f.ia/.aQioei oe
Tcavuyia nach den vier avaTolLv.ä.
Es hat sich noch ein achtes Blatt erhalten, dessen linke Seite mit
einer der vorerwähnten sonst ganz gleichen Zeichnung versehen ist (vgl.
S. 633), nur in der Mitte stellt hier statt der drei Hymnologen Christus,
der auferstandene, mit den ihn umgebenden elf Figuren. Diese Seite des
Blattes wird man sich als die umgekehrte, d. h. rechte, zu denken haben,
da die andere, d. h. die vordere, linke, den Abschluss eines Textes bildet,
den ich nicht näher zu bestimmen vermag. Um die Lage dieses Blattes,
d. h. seine Stellung im Oktoechos leichter ausfindig zu machen, soll hier
der ganze Text genau abgedruckt werden (das gesperrte ist roth ge-
druckt) — KHKI. np-KCT-KH KUH. nO,\WKHC>. TpH ^ H 6 ß H 0 j
CTH^i^, G/\kiuiH ^\k'uiH (sie pro ,\ki|in) H ß H JK A •* " npH-
KA0HI1. •:• I npHCTaHHl|Jt HfGO\'pHOe. H CTliHOy HfllOßlOpH-
lUlOyK», I KU,f Tf Hyaykl ß-kpHklH. H CTAk'rik CyTßpk JK,^,*i"''^•
H A'^^P*^ noKaänia. h cnceHie au^^^i^t^ HamHJPiik •:• CTH\-k,
noMfHoy- HM6 TBOf ßk ßcaKivuik •:• ] llcsaßH^lißi»^ coy'--
rikpHkiKk paBoij' TßOffJioy iip'feHCTaa. | Ha ßkcaKk^Hk paroytTk
aC»\'KaßklH. GkHliAl* CI^'^ß'^pHTH CfB-K. Hk Tkl Kl^f CfVlV ßp-^A»*
Ut H3Ka|ßH •:• CTH^'k, /\HHO\' TßOfMOy nOLlAfTCf. •:• |
3aHmf Kfsc'^yfHHO. h pivjKAkCTßo K63MO\'H^HC>e i ckMarpa-
I04JH. oy-JKacahJce S'kAH'fe. KaKO | chi;« raßo baoaI^h hsboah
OYiuip'^TH cHf. Bkce I Mcraa ßkSkißauJE •:• Gaaßa, h hhw.
Ko. •:■ I Gaobo ckßfSHaHeaHOf wi^oy h AX^V- Ap\'arrAOß'R|iiiik
BL^e rAacvOnik. Gk AÖ>KfCHa Aßi^CTBuaa th ßk ceah ct. \'<-
pOlj'BHlUIk I rä'ßH H Cfpa^lMk 1 M RpliCTOAk { fip'KBHJlUk-
UlOy .;. .;. .;. .;.
Die ersten zwei von diesen Sticheren findet man allerdings in der
sechsten Stimme des Oktoichs auf Mittwoch abends (in der Moskauer
Ein Nachtrag zum 'ersten Cetinjer Kirchendnuk vom J. 1494«. 633
634 V. Jagic,
Ausgabe auf Bl. paT), doch ist dort das erste Sticheron nicht an die
Mutter Gottes gerichtet, sondern an einen Heiligen ^cthtcaio) und das
zweite steht als Theotokion dazu. Die übrigen zwei fehlen dort gänz-
lich und darnach scheint der Text unserer Blattseite nicht auf diesen
Zusammenhang hinzuweisen.
II.
Was die Uebersetzung als solche anbelangt, sie ist noch in der
neuesten Moskauer Ausgabe im Grunde dieselbe. Ich fand im Ganzen
nur wenige Abweichungen, die ich auch aufzählen will (wobei selbst-
verständlich die grammatischen oder orthographischen Abweichungen
nicht in Betracht gezogen werden) :
Im zweiten Sticheron: c»\-;Kacoujf a : heute oycTpaiUHUid CA,
— Im dritten: MAOcpkXif'^ : heute KAaroSTpÖKÜMTk, vC akcth :
ö) npt/\fCTH, BK Tpe\'b ckC'i'aBlv\'K : rt». Tpie^T^ rnocrackiCK.
— Im ersten Anatolikon : na KOHMHHii KlvKcyh. : Ha KO-
Hj'i^'K ß'SKVVKTk, CbUJKAiuo\j' : HH3iuf.A,iUf M S ; im zweiten: iC ak-
CTH : CC iipfAfCTH, KlJCOßCKaa AkCTk : ajiuiohwkt». npeafCTK; im
dritten: ßbCKpcfHif : ßOcraHie , luipbTßbi^k : niiepTßKiH, sOHpuow
fehlt heute, nctrpHKareAHaa : norpfßaakHaA cboa, HfAkCTHTf er
H£ npfAki|jaHTf C/Ä. — Im Theotokion: npoiiHca C( ;i,p1ißAi€ : Ha-
IIHCaC/A HHOr;i,a. Im dva OriyÖV. BkSßCAHMHMk : BeAHMaEU'K.
Für die Sticheren no aA<I)aBHTOi|' verwendet der alte Druck den
Ausdruck: CH'Ypki nc» a3k B'fe;^i,'k. Im zweiten: oy/KHHKki : heute
K>3HHKH, HaCAd,i,HTH Cf CtVc» : BOCnpl/ATH CfPO, pAEßkl JKHTtAI€
ckTBapa« : pa^ ^khtiah cho^okaa/A. Im Theotokion: h3 hi€Ih«i
. . Bkcia : heute ewH^f . . raßHC/A, HMCtyiiim : cTA/KaBUiaA. Im
Theotokion des nächsten Anastisimos-Tropars : ;i,B£pki : Ai^'P* (dieser
unsinnige Vocativ wird noch in den heutigen Ausgaben immer so an-
gewendet!), HC np'k3pH : HJ WCKÖ^V.'l^ß^"-
Im Kanon auf Sonntag früh steht KpafrpaHfdf : heute KpaecTpö-
Hi«. InderOde a, zweite Strophe: arrACKkiHi npacoTH MHCAkHkiie:
arrAkCKA/ft oyA'^KpeHiA oyrJlHA/Ä, in der zweiten Strophe: nHßO:
OHTif, CAA^KOE : CAa^MaHiu«; im Theotokion: Ke3 nioyKa : Bf3'
m^iuia. In der Ode /, erste Strophe: noükiCAHßk : ct\,-iuikicAHß'k.
TpkCTt ülKf : TpHCß-^TAklH KJKf, \-ßaAOY H MOAKOV : MOAfHIf H
Ein Nachtrag zum «ersten Cetinjer Kirchendruck vom J. I-1'J4<'. 635
moakkS, M<\ocp,v,k : K,\.\roi>i'pÖKfH'K; zweite Strophe: npl^Kpäiiie-
Hia : iiptU'kHfHi'Ä, iipkrpkiiifHifUK : corpIviiifHJn, das Eude an-
ders: CAKHUe CxäKKI TpHCAHHHC : H CliaCfHU MKW Ki\aroi>Tp«?-
KtH'K. Im Kathisma: KC6i|if,Vpi^i>i kpk h MHOroMACTHKk : heute
KCfl|l£,VP'* COCTp.»AiiTf,\KIK» H MHOrOMATHKa. CkTpIvlllf HIH ;
rp'kyMH, KKcäKoru' mo\;m«hu\ : kcäki^ m^kh. Im Tlieotokion
dazu: npHTlvKaKMIIlHYK : llpHK'kl\\IOqiH\"K, MTtpHKiMII TH M*?<\-
KiW.lM llpMCHO UKk(MAK«l|IH : MTpHI/A T K 0 /S MATKkl llpHCHW
o\|-|iOTpfKA/Äioi|iH. — lu der Ode d', erste Strophe: das erste Wort
TÄHHiv fehlt im alten Text, TpHcuinHOf : TpHCK-k'i'AOMoy; in der
zweiten Strophe : rpoHMHaa CkCTaKMH : TpsHa rnocTackMu. Im
Theotokion: CKÄHAUif : WKA^mr In der Ode t\ dritte Strophe:
HfpaSAlv'^HKiM ap'kTH : Htpas.V'kAkHkiH (ohne Hp'k'rn); im Theo-
tokion: iiplvciwa : iip<H«nopOMHa/Ä, ;ipfi|iov'K< A'^fpi» : 3p/Äi|ia/!v
Bpara. In der Ode g\ erste Strophe: ckcraKH'k : riiocracH'k:
zweite Strophe: CKasa : hs^/äkh : im Theotokion: HaiiäcrcMk :
K'k;i,'k. Das nach der seelisten Ode eingeschaltete Kathisma lautet
so : IIOMAOV'H ME CflCE MOH IIOMAO\'H ME. H HE IVEAkiHH MEHE
MACTHßE TH-kßU'Mk TKOMMk. HH >KE BkHH^H Kk CC\,'-AI* CK
paKOMk TKOHMk. a3 KO KlvMk Kk HCTHHOV* tilKO HA ME
raiOTk Mora KE.SMHcakHaa ckrp-kiiiEHia. iip'k,\,k tökoio i|ie-
;i,pkiH. T-kM >Ki TH SOKOr iiOMAOyH ME. Das Theotokion stimmt mit
einigen unbedeutenden Abweichungen. In der Ode T, erste Strophe:
ijjEApH : qiE,\,pOT'k, TpHCUHHa Rra Kkclcyk : rpHCK-k-raarc» Kra
BckY'k; zweite Strophe: wh1vI|iehie ckrp'kiiiEHiEMk : u'Miii|iEHiE
rpIvYU'ß'k. Im Theotokion: CTkK.Xk : (l>päc/\k. In der Ode //, erste
Strophe: CkcraKk : i'iiocrack ; zweite Strophe : spliTH : K.^HpärH,
RkCE^vpKiKHTEaio : i|iE',v,pkiM. Im Theotokion : /\c»\-me : caäuki, nao\,'-'-
HaiöL{ia : TaftHO HaSHäioL|ia. In der Ode ^', erste Strophe: tahte
HABMkCiVi" : rAaruAani/A MEAORlvMECKa/A, Kkcii'kKaTH : n-krii T/A:
zweite Strophe: paRHOCToraTEAkua caärmt te: paRMOCTÄTHOM' caa-
roiot/A; imTheotokion: CV» HCTA'kMia : CP hckSiiiehjh, HMCiiC'Ci\a'rH
MAH ce: A'^T" c^ro MOAH. In der ersten Stichologie das Kathisma:
CkRk3,V,i^KiH^E : COKOSCTÄRH. Das Theotokion dazu anders: Oy'/Kac-
HOE MIO,\,C> aaHETia H HECKa.^aHHklH VVRpä3k pCiH^,V,EHia. Kk
TER-k iioanacE Mcraa iipHCHO ,\ii<^. oyV\HRAratT mki oyMk. h
636 V. Jagiö,
oy->Ki\Ci\trK nÖMkicAK, c,\MW\ TKcra Kii,f. KhCA iipocTpkTaä
liK CIICfHie ,\,"'**'-'*» HälUMMh.
In der zweiten Stichologie stimmt der Text mit dem zweiten Stiche-
rou der heutigen Ausgabe : c»\-ypKi(JBAi€H ckMpKTk : c»\,'rj|fpTKHKijJH
CLifpTk. Im Theotokion dazu: KroRk\'o;k,Haa : Ki'onpc>\'ö,\,Hi\/A, Kk
K'kHHlvH ;KH3Hkl : KK KliHHOlUIÖ JKHKOTS, HtHCKO\-CORpäHHO :
HfHCKScomSHUio. D'iG '^YTta-KOTj stimmt übereiu : oy,\,HKi\raici(jf :
ciiiSi|jäKM|iki/A, nocn'kiiikCTKOi'iciiJOij' : co^'RhctkökmiiS. In den
Anabathmen herrscht Uebereinstimmung: Ib KJKCTkKHkiHMk T^itXA-
HULlk Bk3KHIUaK»ipHIUI d : UTK. paHfHIEIUI'k BOCKpHA AIOHJHMC/Ä.
2a: npiH^fTk : H,\mv, 2b: npocTHpa« luia : KacaioqjaA ca, nplc-
AkCTH : CD AfCTH, 2c: TKiAAHit : paMCHif, pa30\-iiik : oyiui'k; 3a:
Bir.3CH/\a(Mk : Kosckiaafo; 3b: cKßpkHkHk : cpaMHkiH.
Der Kanon anastasimos stimmt in beiden überein : Ode a in der
zweiten Strophe: HeHCKO^CHO : HtHSKSmtHHW, im Theotokion dazu:
iip'Kpa^VÖKaHHaa : KAro,\aTHaw\. Kanon stauroanastasimos Ode a' ,
erste Strophe : vUpfMtHia : CD HSpfneHiA; im Theotokion : HBBaKHTH:
CiiCTH. Der Muttergotteskanon Ode«', zweite Strophe: iVBpa^VÖBaH-
Haa : BaaroA^THa/ft. Im Theotokion: BrOHiß-kcTO : mth ,\,bo.
In der 3. Ode, erste Strophe: OY''TKpk>K^fH : BO.vpy.SHBkiH, pacnpö-
Crpk : nOB-kCHRKIH, HeUt\pkIKHMC>\j''K> Tf'rOTÖ : HfU'AtpHIHIllW
T/SsrOT'ki<M|JÖK>; in der zweiten Strophe: Hfpaso^'iUHBÜ : HfEAaro-
;i,apHiH. Im Theotokion: HtckMSTaHHO BkicTk : HfcoMfTaHHW pc-
^i,HAa tCH. In der 3. Ode des zweiten Kanons: TpH^\,HfBHO« TBOf Bk-
craHie : BOAkHO« tbo« pacnATif ; in der zweiten Strophe: noua-
3aTH ohne den Zusatz lUli/'pcM'k. Im Theotokion: H3 Mp'fecAk TBOH\'k:
H3' BOKÖ TBOtK».
Auf dem 7. Blatt, wo auf der Vorderseite die erste Illustration
mit den drei Hymnologen enthalten ist, beginnt auf der Rückseite der
Anfang der sechsten Stimme, die Sticheren stimmen mit dem heute üb-
lichen Texte im Ganzen überein, mit einzelnen kleinen Abweichungen.
In dem zweiten Sticheron : alt HcnpHKOCHOBEHMkiH : neu HfnpHCTÖn-
HkiH. Das auf die drei Sticheren folgende Theotokion stimmt zu den
heute an dieser Stelle befindlichen nicht, wohl aber liest man das Theo-
tokion der Cetinjer Ausgabe: Kto t«b« H( BAÄJKHTk np'kcraa ^\R0
in der Moskauer Synodal-Ausgabe auf Bl. OH^, in dem Officium der
Ein Nachtrag zum »ersten Cetinjer Kirchendruck vom J. Um«. 637
grossen Vesper des Samstags der sechsten Stimme mit folgenden Ab-
weichungen: Hf KAJJKHTK : jetzt H( OyKAATKHT'h., Kk ,\,K'|C AMIJ,H :
ßO ^ROIO i\Hi;Ö. Bk ,V,»'»'''*"U" »€CTBk : KC» ;k,ßOIC fCTKTKi>, Hf-
Ck/\li\HMO : HKAHTHU'.
1/14. Jänner 1903. V. Jagic.
Kritischer Anzeiger.
Presernove poezije. Uredil A. Askerc. V Ljubljani 10()2. Zalozil
Lavoslav Scliwentner.
Diese geschmackvolle Ausgabe
Preseren's ist vor allem für das
grosse Publicum bestimmt; nichts-
destoweniger nimmt sie in der Er-
forschung der Preseren'schen Poesie
einen wichtigen Platz schon dadurch
ein, dass sie die erste vollständige
Sammlung sowohl origineller als
auch übersetzter Producte des Dich-
ters ist. Zu Grunde liegen ihr die
drei früheren Ausgaben (des Dich-
ters-selbst aus dem Jahre lb4T, Jur-
cic's undStritars 1SG6, Pintar's litOO)
und das Material, das durch verschie-
dene Gelehrte im »Presernov Album«
publicirt wurde. Eine solche slove-
nische Gesammtausgabe that umso-
mehr noth , als eine Sammlung
sämmtlicher deutscher Gedichte Pre-
seren's bereits erschienen ist V'.
Der Herausgeber hat dem Texte
eine ziemlich umfangreiche Einlei-
tung vorausgeschickt (XI— LIV), die wie alles, was aus der Feder Askerc's
kommt, lebhaft und interessant geschrieben ist. Vielleicht wird darin mit
Recht Preieren mit Trubar verglichen, nur scheinen mir dabei die Verdienste
Vodnik's zu sehr in den Hintergrund gestellt zu sein. Es ist zwar wahr, dass
■ J^^ly^Co^^JL/
^■K
1; Dr. Franz Preseren's Deutsche Gedichte. Laibach 1901. Kleinmayr
und Bamberg.
638 Kritischer Anzeiger.
Voduik kein origineller Bahnbrecher gewesen ist, aber dichterisches Talent
kann und darf ihm nicht abgesprochen werden. Er lebte in einer der Muse
nicht günstigen Zeit und musste sich die Literatursprache selber schaffen.
Kein Wunder also, dass ihm viele Formfehler unterliefen. Aber eines darf
ihm auch in formeller Hinsicht nicht abgesprochen werden, und zwar Jenes,
was er selbst betont in seiner bekannten Strophe:
Naj pesem umetna.
Naj merjena bo;
Nikdär ni prijetna, '
Ak' ziili uho.
Er bewies nicht nur die Möglichkeit slovenischer künstlerischer Verse,
er zeigte auch, wie man sie schreiben soll. In dieser Beziehung erinnert er
an Tredjakovskij und Lomonosov. Doch war er mehr Dichter als jene, denn
er verpflanzte die Poesie schon in seinen ersten Versuchen auf den helmath-
lichen Boden, obwohl er fremde Muster nie verschmähte. Preseren hielt sich
nicht für seinen Schüler (vgl. Gazelle 71, er machte sich sogar über seinen
praktischen Anacreontismus lustig (Epigr. 12), dennoch wusste er seine Ver-
dienste hochzuschätzen, was er im Gedichte Vspomin Valentina Vodnika be-
wies, worin er ihn in demselben Sinne verherrlicht, in welchem Vodnik von
sich selbst sang (Moj spominek) :
Zivi se brez pleuka
0 petju, ko ptlc,
und weiter:
Ne beere, ne sina
Po meni ne bo;
Dovölj je spomina:
Me pesmi pojö.
Der Biographie des Dichters fügte Askerc auch eine kritisch-ästhetische
Würdigung Preseren's bei, in welcher er ausführlicher bei der Satire Nova
pisarija und dem Poem Krst pri Savici verweilt, beim letzteren sich augen-
scheinlich auf die Abhandlung des Agramer Professors Music stützend. Ge-
dichte, die vom Dichter in dessen Ausgabe von 1847 nicht aufgenommen wur-
den, führt Askerc nicht im Anhang an, wie es in der zweiten Auflage ge-
schab, sondern versetzt sie unter die Abtheilungen, in welche Preseren selber
seine Sammlung eingetheilt hat. Niemand wird leugnen, dass sich für eine
populäre Ausgabe die Reihenfolge auf Grund der Dichtungsarten am meisten
eignet; nur möchte man den Herausgeber fragen, warum er die von Preseren
nicht aufgenommenen Gedichte an verschiedenen Stellen einfügte und sie
nicht konsequent am Schlüsse einer jeden Abtheilung folgen Hess. So kommt
Zdravica am Schlüsse der Pesmi vor (S. 33 — 3.5), während die ebenfalls neuen
Svarllo und Vsö sreco ti zelim (20—23) zwischen Soldaska und Vspomin Va-
lentina Vödnika eingeschoben wurden. Leichter würde man sich einverstan-
den erklären mit der Einfügung der Gedichte Nüna in kanärcek, Zarjavela
devica, Sveti Senän, Od zidanja cerkve na .Smärni göri, Smärna gora und Ne-
beska procesija (72— 8Si zwischen der Originalballade Örglar und der über-
setzten Bürger's Lenora, zu welcher Askerc die übrigen üebersetzungen —
Preseren's Dichtungen, herauag. von Askerc, angez. von Korsch. 639
Licova strelci Körncr's, Tri zcije (Grün's;, Parizina Hyron's hinzufügte.
Begreiflich ist auch die Einscliiebuugdes lialbofriciellen Gelegenheitsgedich-
tes Janezu N. Ilradeckeiuu llS— 121, zwischen die Elegie V spoiuiu Matija
Cöpa und die Satire Nüva pisarija, weil sich nach dem letzten Gedichte
dieser Abtheilung Razlicne poezije', nach der hochpoetischen Glosa, die
etwas prosaische Verherrlichung der ötfentlichen Verdienste des Laibacher
Bürgermeisters wie eine arge Dissonanz ausnehmen würde. Auch gegen die
Versetzung der Epigramme: Abecedärju nach dem Rävnikarju. Izdajävcu
Völkmerovih fäbul in pi'sem und Novicarjem 138; zwischen Kn''iui)eljnu und
Kopitar und des Sonettes Vi ki vam je Ijnbezni tiranija hinter dem (3dprlo
bo nebö po sudnem dnevi lässt sich nichts einwenden; solche Kleinigkeiten
gruppirte der Dichter selbst nach den metrischen Merkmalen. Nicht ohne
Bedenken wird man dagegen der Einschiebung des Sonettes Mihu Kastelcu
(195 — 196; zwischen die satirischen Sonette zustimmen können, weil es eben
alles eher als satirisch ist. Aber in der Reihenfolge der übrigen IT neuen
Sinnsprüche und Aufschriften (140—146) ist schon gar kein leitendes Gesetz
zu bemerken: die Albumverse Gospödu Izmäjlu Sreznjevskemu und Prijätlu
Ferdinäudu Schmidu befinden sich unter den genug bissigen Epigrammen, so
wie auch der endlich als Dreizeiler gedruckte gnomische Bog. Auf diese
Weise geschah es, dass das Epigramm Bözje in hudiceve hi.se v Ljubijäni von
den anderen sinn- und formverwandten Epigrammen fast über drei Seiten
weit verschoben wurde. Bei dieser Einfügung der neuen Gedichte in die
alten Abtheilungen passirte dem Herausgeber ein unangenehmes Missver-
ständniss mit der metrischen Anmerkung Preseren's zwischen den Epigram-
men Ahacelnovim pesmam und Nekim pevcam duhovnih pesem, nach welcher
die nachfolgenden Epigramme alle quantitativ zu lesen sind, was aber jetzt
für die vom Verfasser eingeschobenen, auf dem accentuirenden Gesetze be-
ruhenden nicht stimmt. Darum, glaube ich, wäre es mehr am Platze gewesen,
wenn der Harausgeber die Zabavljivi napisi Preseren's stehen gelassen und
für die Drugi napisi eine neue Abtheilung eingeführt hätte.
Bei der Redaction des Textes hielt sich Askerc. wie es zu erwarten
war, meistentheils an Pintar. Entsprechend dem Zwecke der Ausgabe ist
nicht nur die alte Orthographie durch die jetzige ersetzt, sondern auch die
Sprache der heutigen Literatursprache angepasst. Ich habe schon darauf hin-
gewiesen, dass die neue Schreibweise »prijateij« für das alte »perjatel« einen
metrischen Fehler im ersten Verse des Epigramms Danicarjem verursacht hat
(vgl. meinen Aufsatz »Nekaj o tekstu Presernovili pesmi« im Presernov Al-
bum S. 809; nur ist dort die Stelle theilweise fehlerhaft gedruckt, es sollte
heissen: in tako je tudi o besedi »prijateij», kjer je ta zlog del korenincj.
Uebrigens gab sich schon Levstik in seiner vielumgearbeiteten Ausgabe
Preseren's wenig Mühe, um eine richtige und deutliche Wiedergabe die.ser
»griechischen« Hexameter und Pentameter zu erzielen. Darum schrieb er
ruhig nieder: Prijatel, und dachte auch nicht an die Anwendung des Apo-
strophes, um im Verse
Düh praznöte kfi) imä. bOzjega präzna duhä
(540 Kritischer Anzeiger.
den Hiatus nebst der übertiüssigen Silbe zu entfernen. Ebenso wäre der Apo-
stroph durch die Schreibweise 'zdä im folgenden Verse anzuwenden:
_i^'v^|_i_l _1_| — ^ \y \ J- ^ \^\ J. \^
Sh'ivo sraraöti (i)zdä cenc Volkmera Murko 'zdajävec
In diesem Versmasse erlaubte sich Preseren augenscheinlich nach dem Bei-
spiele der Griechen und Römer noch kühnere Elisionen. Z. B. :
I 1^ 11 I I
Ako rokovnjäske^in mänj bi kraetävske bile
J. _|_i<^\^|_i _l -1 — I J. \^ \y \ — ^
AI Dubrövnicanov, serpski, al mär verli hrovaski
Od drügih mänjsi^in casten mänj rod je slovenski.
Uebrigens schreckte er auch in accentuirenden Versen vor Elisionen
nicht zurück:
Isces oküli me s plasnim' ocmi (14),
Jezik ji laznjiv' obeta (30),
Pravljica po Ezop' od väs zapeta (135),
Das' od Ijubezni üsta so molcäle (169),
Das' üpa tvöj pogled v srce ne vlije (ibid.).
Konnte in den angeführten Fällen der Endvokal ausgefallen sein wie in
dem dialektischen Liedchen Svarilo (20):
Das' vincek je kisel,
so weisen folgende Verse zweifelsohne auf die an die italienischen und ragu-
säischen Dichter erinnernden Elisionen hin:
Bog te obvar' (viermal in Zapuscena S. 30),
In kär mu obetate_ocesa nje (62);
in der zweiten Ausgabe 109: obetati ocesi, in der dritten (TS) und vierten:
obetajo ocesi, in allen also mit Beibehaltung der Elision;
Srce bridko zdihüje. Bog te_obvärji (131),
Emone bödo letopisi^oteli —
eine Elision, die viel riskirter ist, als die zwischen den beiden lateinischen
Wörtern in Nova pisarija (127):
Horaci »dulce_et utile« veleva.
Auf ähnliche Weise wie im oben erwähnten Epigramm die metrische
Kichtigkeit in allen nachpreseren'schen Redactionen der neuen Orthographie
zum Opfer fiel, wurde auch das Metrum des von Levstik nicht angetasteten
Pentameters
— \^^\-L \y \y \ J. \\ J. -^ -^ \ J.\^ "^1 —
Läkota släve, blagä vlece pisärja drugäm
durch die metrisch unrichtige, aus der »Censurhandschrift« herrührende
Variante Läkota d'narja, casti ....
verdorben. Ob die letztere Lesart um so viel besser ist, dass ihr zu Liebe die
rubere metrisch richtige fallen musste, ist zu bezweifeln *). Endlich wurde
•) Ich bin noch immer der Meinung, dass der erste Vers des Epigrammes
Proseren's Dichtungen, herausg. von Askerc, angez. von Korsch. 641
dnrch die neue Orthographie auch das Akrostichon im Sonette Mars'kteri
roinar gre v Kim, v Kouipostelje IsT] verdorben, so dass es jetzt durch die
Schreibweise »Onstranske« für das Preseren'ache »Unstranskc" — »Matevzo
Langusu« lautet. In den zwei letzten Fällen gingen also die neuesten Heraus-
geber, die sich sonst luügliciist an Preseren zu halten bemühten, sogar weiter
als Levstik, der sich noch an einigen Stellen conservativer erwies. So corri-
girte zwar auch er in den Preseren'schen Nominativen und Accusativen pl.
der Neutra auf-o das -e in -a entsprechend der neueren Literatursprache,
ausgenommen wo es der Reim nicht zuliess. In K slove8U(13) und Lenora(9S,
half er sich durch leichte Textcorrecturen, indem er im ersten Falle statt
pöta temötne — poti temötne setzte, im zweiten aber auf cudesa neznana
(Preseren: cudeza neznäne das Singular capica sezgana Preseren PI.: cäpice
sezgäne) reimte. Die neuen Redactoren behielten cudesa iweil cudez Masc.
ist, auch bei Preseren im Sonett Na jäsnem nebi uiila h'ina sveti , sonst aber
Hessen sie alles unverändert, trotz der jetzt unliterarischen Form cudesa
neznane. Au anderen Stellen war aber auch Levstik nicht im Stande, die
Form auf -a consequent durchzuführen. So in Nebeska procesija (S6; :
Bahäci cvetero bölj mnöznih Släve rodöv: Ceh, Poljäk in Ilir, Rus svöj 'zo-
bräziti jezik durch die Einschiebuug einer ausgefallenen Silbe corrigirt wer-
den muss vgl. Presernov Album, S. SOI»), nur halte ich nicht mehr an der da-
selbst vorgeschlagenen Copula »in« trotz der Parallele in dem accentuirenden
Hexameter Ceh in Poljäk, kar Ri'is in Ilir, kar röd nas slovenski
(V spomin Matija Cöpa fest, da Preseren die Position aus dem Schlussconso-
nanteu des ersten und dem Anfangsconsonanten des zweiten Wortes beach-
tete, im Verse des Epigramme» Nekim pi'vcam duhuvnih pesem, auf welche
ich mich damals berief, aber folgende Elision möglich ist:
Res je duh6vna_in res pesem ni väsa duhovna.
Darum ziehe ich jetzt vor, den Ausfall der Partikel «le« anzunehmen, die
auch im zweiten Vers vorkommt:
.- - -I- --7 - I -, -I --1--1
Ceh le, Poljäk in Ilir, Rüs svoj 'zobräziti jezik,
— \J ^U 1. \J s^ \ — \ 1. ^ ^ \ — '^ \-/\l.
Njlh le mogöcni ga röd' ima pravico pisät'.
Wenn auch das Ij, rj von den Slovenen nicht wie einfache weiche 1, r, son-
dern fast getrennt ausgesprochen werden, ist es dennoch zweifelhaft, dass
Preseren den accentloscn Vocal auf solche Weise verlängert hätte, zumal der
Vers in Danicarjem
- ^^r -i- I - ,"- -----i-
Dobrovius modröst" prasa Kopitarjevo
für das Gegentlieil spricht. Man könnte auch fragen, ob im Verse
Bell Hrovät, Rusnjäk ne', Sloväk ne, a Slovenci ne drugi
das z nicht überflüssig ist. Die Auslassung der Präposition würde den Sinn
drugi Slovenci = andere Slaven geben.
(542 Kritischer Anzeiger.
Veuja mesta so krscanske (Reim Ijubljanske),
in Nova pisarija (123):
Peccne, Ijübcek, pisceta na sveti
Nikömur niso v gMo prilet61e (R. zrele und viscle; nach prile-
tele behielt er auch die sich nicht unter dem Reime befindende Form pecene
bei), daselbst ( 1 27) :
Kaj prida slis'jo vsesa näse räde (R. baläde und mläde, dar-
nach auch nase bei allen), in Prva Ijubezen (129):
Ze rairu sfcnemu nevarne leta,
Mladösti leta so slovö jemäle (R. zäle und vstajäle, im Adjektiv
behielt Levstik das -e, die neuen Redaktoren vertauschten es inconsequent
mit -a), daselbst (130) :
Ne oraece je lica obledene (R. zapuscene und mene;, in Slovö
od mladosti (131):
Mad6sti leta, kmälo ste minüle (R. osüle und rjule), im Sonett
Kupido, ti in tvoja lepa starka (165) :
Ta leta, ki so meni se ostäle*) (R. säle und bokäle, das Pron.
dem. bei Levstik te, bei den neuen ta), im Sonetni venec, Son. 2 (168):
Vremöna bodo Kränjcem se zjasnile (R. glasile und raile),
Son. 3 (169) :
Das' od Ijubezni üsta so molcäle (R. pognäle, hväle und razo-
deväle), Son. 7 (173):
Ki so Jim Iji'idstva Träcije siröve
Krog Hema, Rudope bile se odäle.
Da bi nebesa milost nara skazäle,
Z domäc'mi pesmam' Örfeja posläle ! (R. skäle, bile von allen
beibehalten), Son. 8 (174):
Ker vredne dela niso jih budile (R. sile und redile, das Adjek-
tivum sowohl bei Levstik, wie bei Pintar und Askerc vredna), Son. 10 (177):
Vmirileprsi, lica se zjasnile (R. sile, polastile und mile), im
Krst pri Savici (214):
Orözja, ki so nam nepremagljive (R. zive und Ijubeznjive),
daselbst (217):
Leze sovräznikov truplä krväve (R. präve und trdnjäve) ,
daselbst (222): Da so nas döm visoke
Nebesa (R. otröke und röke). Der Correctur Askerc's entzog
sich die nicht durch den Reim geschützte Stelle in dem neuen Grobni napis
dvema deckoma (146):
Oca, mätere ocesa
Mökre gledajo v nebesa,
1) In der ersten Ausgabe steht ostäla, wahrscheinlich nach dem Dialect
des Setzers oder Correctors. Könnte man nicht solche Spuren auch anderswo
vermuthen, z. B. im Local auf -i? vgl. unten.
Preseren s Dichtungen, hcriiusg. von Askerc. angez. von Korsch. (343
vielleicht durch die Analogie mit der Form oci. die jetzt für den Noiu. pl.
fem. gen. gehalten wird. Deshalb musste aber das -e an drei anderen Stellen
dem -a Platz machen, an welchen es durch den spanischen Reim, die A.sso-
nanz geschützt war. Sie lauten in der ersten Ausgabe (46 :
Prosen, stn'ine vbOre, pOje
Dela vitezov junäske
In deklet oci nebeske,
Sica od njih ugnja vzgäne
und 47): Brez otrök inoj zäkon büdi,
Brez veselja leta r-täre!
Weder Levstik (82, 84; noch Pintar ;49, 5ü) wagten es, durch die gramma-
tische Correctur die Assonanz zu zerstören, Ackere that es, indem er die
Formen junaska. vzgana (44) und stara 46) einführte . . .
Bei einer genaueren Durchforschung würden sich vermiithlicli noch an-
dere Fälle solcher Abweichungen ergeben ; wenn sich nun die Sache so ver-
hält, drängt sich einem unwillkürlich die Frage auf, ob es denn wirklich an-
gezeigt war, diese Aenderung des -e in -a an einigen Stellen vorzunehmen
und dadurch in die Preserensche Rede eine solche Buntheit hineinzutragen?
Das gleiche gilt für den Local der Stämme auf -o, welcher bei Preseren
grösstentheils auf -i ausgeht, in der heutigen Literatursprache jedoch auf-u
endet. Auch hier sieht man dieselbe Sucht nach der Anpassung an das Zeit-
gemässe und denselben Erfolg, wie die Beispiele zeigen. Z. B.
Od zelezne ceste 27, : DrügQ Ijübco v vsäkem m6sti !R. cesti),
Nuna in kanärcek i73, : Käk zivel bi zünaj na sveti R. trpeti),
Nebeska proc(''8ija;S4;: Bog sedi na svujem stöli (R. okoli ,
Lenüra ;90,91,: Ni milosti pri Bögi R. vbogi),
daselbst: Pri svetem obhajili R. smili ,
daselbst (93/: Sem vstäl na ceskem sveti (R. vzeti),
daselbst (96): Gel tröp po könja sledi ;R. besedi;,
daselbst (98): Lenora tarn v trepeti fR. zivetij,
Licova strelci 100 : Se vziga v krvävem plameni ,'R. pomeni ,
Nüva pisarija 122 : Ak höces käj veljäti v näsem trupi R. zastopi u. stöpi),
daselbst: Ces biti v kränjskih kläsikov stevili (R. sili und trobili),
daselbst (123,: AI se bojira, pri lüvtarju, pri kmeti (wo sogar Levstik die
Preseren'sche Form rovtarji beibehielt), daselbst ein Vers weiter:
Pecene, Ijübcek, pisceta na sveti der dritte Reim ziveti),
Pi-va Ijubezen ;130/ :
Ki je od nje na zädnji petek v posti R. gosti und sladkosti),
Glösa (133): Le zacniva pri Homeri (R. beri und Alighieri .
Gazela 5 (155 : Da zacne se leto starat' ze v srpäni (R. läni,LjubIjäni, oznäni,
vstrah'väni, räni und bräni ,
Sonett Tak, käkor hrepeni oko colnärja 163 :
Po morji, po razjäsnenem azuri R. Diosküri, üri und düri ,
Sonetni venec, Son. & (174) :
Kar raste röz na mlädem nam Parnäsi R. cäsi und gläfli ,
644 Kritischer Anzeiger.
Souett 183 dessen erster Vers: Sanjalo sc mi je, da v svetem räji iR. kräji,
mläji und väji],
Son. Velika, Togenburg, bilä je mera (184) : Da bi ne zälil je, v vednem trepeti
(R. ozreti und sveti),
Sou. Na jäsnem n(§bi mila li'ina sv6ti (186):
Da nenevärna je stvarem na sveti,
Son. Oci bile pri njl v deklet so sr^di (189):
Hodile so noge le po nje sledi
Po rök, ust in oci so se izgledi (R. sredi und pogledi),
Sonett (191), dessen erster Vers:
Odpflo bo nebo po sodnjem dnevi (R. levi, 'links, levi, Löwen, und revi),
daselbst: Mi pred ocnii je v närtemnejsem köti (R. naproti und pöti),
Son. Ne bod'mo salobärde (194): Ko ziobudräli so tarn v Babiluni (R. Emoni .
Son. Zopet izdajälcu Völkmerovih fabul in pesem (195):
Prihodnjih cäsov up v uiladen'ca deli (R. sprejeli und dezeli),
Son. Mihu Kasteien (196):
Stezice zlozne, cvet disec po medi,
Säd brez poti'i; zapIecVat so po redi (R. sredi und sledl),
daselbst: Ti si nas zbüdil, zbräl ob hüdem cäsi
Prostöre na domäcem so Parnäsi (R. gläsi),"
Krst pri Savlci(211): Mänj sträsna noc je v cfne zetnlje kriii
Strahljlvca v celeni ni iniel stevili (R. sili),
daselbst (214): Tarn v cäsih Crtomira na otöki (B. stoki und jöki;,
daselbst (215): Sloveca Hero je bilä v Abidi (R. vidi und sprfdi),
daselbst: Od tega, kar raste pri njega grädi (R. navädi und mlädi),',
daselbst (217): Premägan pri Bohinjskem säm jezeri (R. meri und veri),
daselbst (220): Ni meni mär, kär se godi na sveti (R. objeti),
daselbst: Me ti'ikaj vidis zdäj v samutnem kräji fR. näji)i),
daselbst (221): Veckrät v otöka sem samotnem kräji (R. näji und najsläji ,
daselbst (222): Käk greh prisel na svet je po Adämi (R. z väuii, z nämi;,
daselbst: Bledo lezäti na mrtväskem pfti (R. cr'ti und smrti),
daselbst (224): Po smrti näma täm v nebeskem dvöri (R. zazöri),
daselbst (225): V visävah pri Mesijesa prihodi (R. bödi und narödi),
daselbst (226): In tämkaj mlli Bog v nebeskem raji (R. narsläji und näji),
daselbst: V zeljä bridkösti, v üpa räjskem siji (R. Mariji und Mesiji),
daselbst (228): Gorela v cistem, v vecnem bo plameni (R. meni, njeni),
daselbst: Kar dni odlocenih mi bö na sveti
V uebesih cäkala bom pri oceti (R. obeti).
1,! Das im ersten Verse dieser Strophe vorkommende pocäsi, d. i. po
cäsi = langsam wird auch in der heutigen Literatursprache so geschrieben,
wie auch poleti = im Sommer (186).
Preseren's Dichtungen, herausg. von Askerc, angez. von Korsch. 645
Aber nicht nur den Local der o-Stäuuue, sondern auch den Dativ lässt
Preseren zuweilen unter dem Reim auf -i ausgehen. Z. B. Nova pisarija (123):
In pozeu vni'ik poroma k tvoj'mu gröbi R. zaröbi und otrijbi;.
Son. Ni znal molitve zlähtnic tvrde gläve (182 :
Od zöra, da se nagne dän k veceri (R. hceri und zam6ri;,
Son. Zöpet izdajälcu Volkmerovih fäbul in pesem ;195;:
Gorje, gorje, gorje mu izdajälci ! (R.priliz'välci und nemsk'väici],
Krst pri Savici (220 : Povesta mu, da slüzi Nazareni R. oblozCni, zeleni),
daselbst (221): Kakö prislä k resufce sem pogledi (R. zvedi ,
daselbst (229) : Moice podä desnico ji k slov^si;
Solze stojijo V vsäkem mu ocesi,
daselbst (230): Domü je Bogomila slä k oceti.
Nie vec se nista videla na sveti.
In den letzten zwei Beispielen haben die neuen Herausgeber, von Lev-
stik angefangen, die u-Endungen eingeführt; an zwei anderen Stellen kam
ihnen der Dichter selbst in seiner Ausgabe zuvor. Vgl. K slovesu:
Desno ruko brez skerbi
Däj k prijäznimu slovesu,
Sölz V nobunim ni o^esu,
Zal — besede v üstih ni
und Soldäska:
Säj vem, da mora vsäk umret',
In iti vsäk k poköju.
Na postlji ali v böju.
Poterta stärost, mlädi cvet.
Um die Frage ruhig lösen zu können, welchen Weg der Redactor einer
populären Ausgabe einschlagen soll, um die überflüssige grammatische Bunt-
heit ohne willkürliche Vergewaltigung des Originaltextes zu vermeiden, will
ich eine Uebersicht der Bildung dieses Falles bei Preseren auch ausserhalb
der Reime geben. Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten der ersten Aus-
gabe: V sercu 5, 15, 17, aber v serci 145, 155; ob easu T, 68, v casu 80; v goj-
zdi 10; V pölji 10, na pölji 102, po polji 171; per Bogi 21 zweimal, aber per
Bögu 75; V potöpu 22; po mörji ibid., 77, 129 (= 163 auch in der neuen Aus-
gabe — vgl. oben!, na mörji 93; v gröbu 27, 74, na zgodnjim grobu 134, na
gröbi na tvöjim 96; v obüpu 27; po sveti 34, 47, 74, 89 zweimal, na sv^ti 187,
190, aber po svetu 53 zweimal; per ökni 39; Je v sestnäjstim, mislim, leti 43 ;
V Turjäskim dvöri 45; po tergi 5o, aber na starim so tergu 69; v klöstru 54;
po pödu 70; na nebu 70, aber na nebi 77, na jäsnem nebi 152; po kuneu 70,
V prednje köncu 133, aber po könci 175; na bregu 71 fes sei bemerkt, dass
die Seiten 69, 70, 71 die Ballade PovOdnji möz einnimmt;; po p^vcu 73; per
poköpu 73; V mestu SO, aber po mesti 130, na mesti 192 zweimal (Anmer-
kungen 2 und 4 zum Krst pri Savici,; na prägu 82; v grädu 84, 85 zweimal:
per rövtarji 98 = 123 auch in der neuen Ausgabe — vgl. oben); po-nasledu
112; per kafeti 120; per Sisku 127; v Betlehemu 132; v spänji 133; v upu
135; V gledisu 136; v pogledu 137; po obräzi 137; v strähu 138; na mräzu
Archiv für slavische Philologie. XXV. 42
(j46 Kritischer Anzeiger.
142; V germovji 140; v poköji 164; v mertväskim perti 167; v dnü 174, 182;
vzräki 180; v kniji 180; per släpi 180; na krizi 184; v veselji 180; vcvetji 187;
V zaköiiil89; v imeni 191; unbestimmt 110: Pravljica po Ezöp' od väs zapeta.
Diese beiden Zusammenstellungen sind unvollständig, die letztere schon
desswegen, weil ich mich darin nur auf die erste Ausgabe beschränken
musste, welche dazu noch manches enthält, was nicht von Preseren herrühren
dürfte : so einige falsch angebrachte Accente und die in drei Versen fehlen-
den Doppelsilben (worüber unten). Wie es dem nun sei, solange dies der
einzige aus den Lebzeiten Preseren's herrührende Text ist, kann man sich
nur auf ihn stützen, wenn einem die «Censurhandschrift« nicht zur Verfügung
steht. Die obigen Zusammenstellungen haben ergeben: 39 Beispiele auf-u,
davon nur 2 unter dem Reim, und 94 auf -i (die Dative nicht mitgezählt), da-
von 51 im Reim. Also überwiegt die Zahl der Beispiele auf ~i die der Fälle
auf -u um mehr als das' Doppelte. Auf -i gehen bei Preseren im Local alle
Beispiele weicher Stämme aus. Die Ausnahme bildet nur die oben erwähnte
Form boju als Reim auf den Dat. poköju, welche mit der als hart geltenden
ebenfalls localen Form ocesu als Reim auf den Dat. slovesu bei der Möglich-
keit der Dative pokoji und slovesi allerdings befremdet. Von den Wörtern,
die bei Preseren den Local auf -u bilden, schwankt das einzige dno nicht,
10 Wörter sind dem Schwanken zwischen -u und -i unterworfen, von den
übrigen kann man nichts Bestimmtes aussagen, weil sie nur je einmal vor-
kommen. Vielleicht ist es nicht ohne Interesse, das Vorkommen beider For-
men auch nach einzelnen Gedichten zu constatiren: So weist die Ballade
Povodnji möz (69—71), wie ich schon oben dargelegt habe, 5 Beispiele mit -u
auf, wogegen in dem Poem Kr st pri Savici (174 — 191) auf zwei dnü 19 Fälle
mit -i (die 4 Dative auf -i nicht mitgezählt) kommen. Daraus könnte man
folgern, dass Preseren anfangs -u dem -i vorzog, was aber erst genauer zu
untersuchen wäre, besonders wenn man bedenkt, dass das erwähnte Gedicht
vom Dichter vor der Drucklegung noch einmal durchgesehen und umge-
arbeitet wurde. — Um die Sprache Preseren's der heutigen Literatursprache
einigermassen anzupassen, wurden, wie wir gesehen haben, 42 Beispiele nach
39 umgeändert, die übrigen, mit diesen 39 nicht übereinstimmenden 50 Fälle
mussten jedoch unangetastet gelassen werden, weil sie der Reim schützte.
Man sieht, es lohnte sich kaum der Mühe; und wenn schon eine Gleichförmig-
keit angestrebt wurde, so würde die umgekehrte Arbeit besser am Platze ge-
wesen sein.
Aehnlich verhält es sich mit einer Vokalerscheinung der Preseren'schen
Sprache. lu den Verbalstämmen vom Typus btr- (bräti) — ber- (bere) — bir-
(izbirati) bediente sich Preseren anstatt des in der heutigen Literatursprache
üblichen i gewöhnlich eines e, welches bei ihm einigemale auch in den Nomi-
nibus vorkommt!). So lesen wir S. 10 seiner Ausgabe:
*) Davon rührt auch die Verschiedenheit der Schreibweise seines Namens
her: er selber schrieb sich Prefhern, seltener Pref herin — Preserin, Levstik
sehrieb ihn Presiren, jetzt einigte man sich für Preseren.
Preseren's Dichtungen, herausg. von Askerc, angez. von Korsch. 647
Po drügih se ozeraj
Se men' oci odperaj,
Seite 1 1 : Säj nä me se ozeraj
Oci lui säj odperaj;
Seite 25: In miro nabera
Se vbäda, se vpera,
Seite 30: Zene jez ne böm zap^ral
Nje obr^sti böm poberal,
Seite 69: AI. ker se ozera, plesävca si zbera.
An allen diesen Stellen kann das -er- ohne weiteres durch -ir- ersetzt
werden. Bedenklicher erscheint es schon Seite 29 :
C6ste tebi ne zap^ram
Ti pa luene piisti znieraiu.
was von Levstik 'S. 69} beibehalten, von den neuen aber in zapiraui — z mi-
rara corrigirt wurde, was davon herrührt, dass die Herausgeber dasWürtchen
zmei'am verschieden auf fassten : Levstik als ein Wort zmörom V sonst auch
zmeraj, v eno mer) = immer, fortwährend, was hier dem Sinne kaum ent-
spricht, Pintar und Askerc aber wie zwei — z mirom = in Ruhe, was besser
passt. Darnach würde Preseren auch das Wort mir zuweilen mera, meru
u.s.w. deklinirt haben fsonst kommt bei ihm mir 56, 75. mirii 12, TS, 15". miru
104, mirni 119, mirno 161, 164, umirila 57 vor . Unmöglich ist die Aenderung
in dem schon oben citirten Sonett (150, neuer Ausgabe 184) :
Ti vsäk dan ökno celice odpera
Se se zai'ipijiv k nji pogled ozera,
weil es die beiden anderen Reime mera und vec6ra nicht zulassen. Dasselbe
gilt von den Versen im Ki-st 180 = 218:
Ker sr^cen veter nji rok6 podpera
Se ribic po sovraznikih ozera
mit dem dritten Reim jezera, und von dem im unlängst neuentdeckten
Svarilo 21:
Predölgo ne 'zberaj (R. vceraj},
wie auch von dem in Jänezu N. Hrad^ckemu 119:
Jim z jädri svöjim' piävati zavera (R. kt^ra und vecera). Doch
gebrauchte Preseren auch die andere Form, vgl. das 5. Sonett des » Sonetten-
kranzes« (171):
1) Zmeram ist nur die ältere Schreib form, welche durch die im J. 1854
erschienene Grammatik von Janezic ausser Gebrauch gesetzt wurde.
42*
ß48 Kritischer Anzeiger.
Kjer tvuje luilo se okö ozira,
Kjer vsa v pogledu tvujim skrb muira
Kjer mine jeza nötranj'ga prepira,
Kjer petje z pölniga sercä izvira.
Demnach stellen sich bei unserem Dichter die Formen oz6ra- ozira,
'zbera-'zbira als völlig gleichwerthe Varianten dar, deren er sich gänzlich
willkürlich bedienen zu können glaubte i;. Deswegen konnten sich zu diesen
Formen auch die neuen Herausgeber in ihren populären Ausgaben mit der-
selben Freiheit verhalten, wo immer es der Reim gestattete. Dasselbe gilt
von dem Wörtchen kmälo, seit der zweiten Ausgabe — kmalu (d. i. k malu =
mox, bald, bientöt) innerhalb des Verses (wie auf den Seiten 79, 83, 84, 106,
107 der ersten Ausgabe), nicht aber, selbstverständlich, am Schlüsse, z. B.
Seite b der ersten Ausg. :
Ak se ne usmili kmälo (R. hvälo),
Seite 43: Se moziti se prekmälo (in der Assonanz mit mäno, prävdo,
stäro, bogäto u. s. w.),
Seite 106: Dni mujih lepsi polovica, kmälo (R. mälo und sijälo). Der an
das kmälu gewöhnte Leser kann das kmälo als licentia poetica ansehen, ähn-
lich wie das Preseren'sche s im Sonett Komür je srece dar bilä klofüta (201) :
Mirii ne näjde revez, ak preise (R. hise u. obrise) für das rich-
tige preisce, oder in dem erst in der zweiten Ausgabe aufgenommenen Lob-
gedicht Jänezu N. Hradeckemu (121):
Naj tvöjih dni stevilo se naräsa (R. cäsa u. nasa) für narasca,
und in Nebeska procesija (87): Ko v gledise, na plesise,
und S. 88: Zidalo se bo gledise (R. beidesmal hise], neben welchen Formen
er auch das richtige liest, z. B. S. 86 :
Ker je revno nje gledisce
Ze trobljivo nje plesisce
und tiefer unten :
Nje strelisce je odröcno,
oder S. 87: Na streliscu vküp je zbräl,
in Nova pisarija (125):
Pescicico denimo na ognjisce
C'mü bö nam, präsam, präzno pogorisce?
Da 'z njega zräste novo besedisce?
1) Nur in umjrati scheint er nur i geschrieben zu haben. Vgl. umira 5,
vmiral 59; in Licova strelci (100) richtet sich izvira nach vmira:
Med trüpli sovräznikov vmira?
Prostöst säj iz smfti izvira.
Preseren's Dichtungen, herausg. von Askerc, angez. von Korsch. 649
wo der Correctur des oberkrainischen s in das literarische sc kein Reim im
Wege stand.
Anfechtbar ist dagegen die Schreibweise Askerc's: dolgega (S9 und
ubogega (91), wofür bei Preseren dulziga {91 und Ubi'iziga 60, bei Levstik
dolzega (91 und Ubözega 93; und so auch bei Pintar. Die Formen mit z
gebraucht auch die heutige Schriftsprache und der Herr Askerc selbst (vgl.
S. 8, 9, 26, 30, 103, 104;, wie auch globoc'ga (15, und sogar uboz'ga (19). Bei
Preseren ist die Erweichung die Regel, die bis jetzt alle Herausgeber aner-
kannten. Auch bei Askerc ist die Aenderung augenscheinlich nur durch ein
Versehen geschehen, das wahrscheinlich auch an dem beibehaltenen casten
(140) für cascen ^-on castiti oder cestiti; bei Levstik cesci-n und spnjstenim
(222) die Schuld trägt, da S. llfi das Preseren'sche vkroten von krotiti richtig
in vkrocen corrigirt ist. Von dem neuen Herausgeber rührt auch die Correctur
in der Romanze Heere svdt (39) her: Dökler se napoci z6r,
wo er das »se« durch »ne« ersetzte. Er kann sich dabei auf solche Stellen
bei Preseren selbst berufen, wie in Licova strelci 'lOl,:
Dezela Je prOsta, nap6cil je dän
und in Ki-st pri Savici ,228; : Vesele zmage dän nam ne napoci,
wo napoci ohne se vorkommt, und für das dokler mit neauf die Verse in
i^märna göra (81]:
Dokler zjütraj ne zapOje
V cäst Marije zvön glasän
und daselbst (83; : Dökler ne docäka dueva.
Es kommt daneben aber auch dokler da vor, oder wie Preseren es schrieb
dökler de, vgl. ürglar '72, : Dökler da bö v grobu vtihnil,
Pfva Ijubezen (130): Dokler da je src6 dobilo räno.
Unrichtig aber rechnet Askerc in seiner Selbstanzeige unter »krive
koncnice participov die Form cvetec, anstatt des heutigen cvetöc: hier han-
delt es sich nicht um das Particip, sondern um die Conjugation, da bei
Preseren neben cvesti auch cveteti vorkommt, und das letztere sogar häufiger.
Schauen wir uns die einzelnen Beispiele nach der ersten Ausgabe an:
Strunam 5 = 5 neuer Ausgabe : Käk oblicje nje cvetece R. vlece),
Dekl6tom 7 = 6 u. 7 : Rözice cvetö vesele,
daselbst: Ki cvetu ji zläte leta,
Posnja 10 = 9: Ni rözam mär cvetet' (R. pet';,
Zgubljßna vera 19 = 15: Cvetejo, ko so pred cvetle,
Turjäska Rozaniünda 46 = 45: Täk cvetece, täk slovece,
Ji'idovsko dekle 50 = 47: Vec lepih d6klic v nj6m cvete,
daselbst 51 = 48 : Tarn lepe rözice cvetö (R. pojö und pasö),
Pfva Ijubezen 105 = 131: Cvet^cih deklic näj ne ogledüje,
Gazelle (4) 120 = 154: Dökler ne cvete se röza, so v casti pri näs viöl'ce,
daselbst: AI kar ti cvetes med njimi,
Sonett Vrh sölnca sije sölncev cela ceda 128 = 162:
Räd vgledüjem väs, cvetece licne,
ß50 Kritischer Anzeiger.
Son. 3, 4 und 15 des Sonettenkranzes 135 = 169, 136 = 170, 147 = 181 :
Mokrocvet^ce röz'ce poezije,
Son. 12 daselbst 144 = 178:
AI, ak V gredice vrta jih zeiene
Kdo presadi, cvetejo k6j veselo,
Ktst pri Savici 177 = 216:
Naj pevec drüg vam sr^co popisüje,
Ki celo leto je cvetlä ob6ma,
daselbst 181 =220:
Kar gl^dam spet v oblicje ti cvetece (R. nesrece und preoblece ,
aus den uugedruckten Gedichten: Svarilo 20 neuer Ausg. :
Ondän si zacela
Otrök pred cvetet' (R. deklet],
Vso sreco ti zelim 22 :
Ko pa obräcas prec
Naläsc obraz cvet^c,
wie diese Verse von Pintar 199 gedruckt wurden. Von diesen 19 Beispielen
gehören zu cvesti : cveto (3 mal), cvetle, cvete (2 mal), cvetlä, cvetes und dazu
kann auch das 2 mal vorkommende cvetejo gehören, gebildet durch die Ana-
logie nach cvetemo, cvetete, anstatt des etymologisch richtigen cvetö (von
cveteti wäre cvetejo; vgl. in demselben Sonett rastejo, anstatt rastö, in Nova
pisarija 98 zmajejo, anst. zmajö, in Kist pri Savici 191 umrjejo anst. umrö).
Die übrigen Beispiele — zwei Infinitive cvetet' und 7 Participien cvetec —
sind nach goreti-gorec, sloveti-slovec, hrepeneti-hrepenec u. s. w. gebildet,
jedoch ohne die entsprechenden Formen in der l.Pers. sing, von der Art wie
gorim, slovim, hrepeuim; man könnte aber auch cvetejo hierher rechnen, weil
Preseren von späti-spim, zeleti-zelim in der 3. Pers. plur. nicht spijo, zelijo,
bildete, wie sehr häufig gesprochen wird anstatt des älteren spe, zele (diese
beiden Formen kommen bei unserem Dichter zwar auch vor, vgl. Povodnji
möz bei Ask. 55 und Zenska zvestoba 67), sondern spejo, zelejo (S. 11 seiner
Ausgabe) und sogar pogubejo (95) für das richtige pogubijo, oder pogube.
Es kommen also 10 Fälle richtiger Conjugation auf 9 unrichtiger, von den
letzteren sind 4 Fälle durch den Reim so gesichert, dass sie von den Heraus-
gebern nicht geändert werden konnten. Nur in einem Reim war die Aende-
rung möglich, weil das gereimte Wörtchen prec jetzt pröc geschrieben wird.
Auch entging nicht der corrigirenden Hand des neuen Redakteurs das von
Levstik (83) nicht angerührte Particip cvetece in Turjäska Rozamünda:
Täk cvetece, täk slov6ce,
wodurch der schöne, ausdrucksvolle innere Reim verloren ging. Pintar än-
derte nach dem Beispiele Levstik's überall dort, wo es ging, das -e der neu-
tralen Adjektive pl. in -a, das locale -i in -u u. s. w., Hess aber das thema-
tische -e- des Verbums cveteti sogar ausserhalb der Reime stehen und schlug
so nach meiner Meinung den richtigsten Weg ein. Er rührte auch das derecih
in Povodnji moz S. 69 fderocih bei Levstik 102, bei Askerc 55) nicht an, ver-
muthlich wegen der letzten Verse dieser Ballade :
Preseren's Dichtungen, herausg. von Askerc, angez. von Korsch. 651
Vrtinec so vid'li colnärji derec,
AI Ursike videl nobeden ni vec.
Uebrigens verschonte er auch Säve derece in der Elegie auf den Tod Cop's 94
(deroce bei Levstik 123, bei Askerc ll").
Da schon von Participien die Rede ist, mache ich noch auf den Vers in
V spomin Matija Cöpa anfiuerksam. welcher bei Preseren lautet '95 :
Komej zastiivil, rojäk, si pero pred praznuvajuce,
also mit dem falschgebildeten Particip von praznuväti, oder nach der heutigen
Schriftsprache, praznoväti. Levstik (123) änderte es nicht, Pintar f94) corri-
girte nur u in o, Askerc machte daraus popred praznujoce. Dieselbe Conju-
gation wurde von Askerc auch in Glösa (134 corrigirt:
In kupujte si gradove
für das im Original stehende :
Kupuväjte si gradove (109;.
Da keine anderen unverbesserlichen Beispiele solcher Art vorkommen, so ist
gegen eine solche Correctur in einer populären Ausgabe nichts einzuwenden.
Die Form potrt bei Askerc 14 i anstatt podprt) wird wahrscheinlich ein
Druckfehler sein, deren es in der neuen Ausgabe noch mehr gibt, als sie der
Kedactenr in seiner Selbstanzeige anführt. So fehlt im zweiten Vers des
Motto ein Beistrich, im ersten Vers des Xeiztrohnelo srce 58 steht vanga statt
vanjga, im Sonett S. 191, letzter Vers lesen wir obupu statt obupa und im
vorletzten Vers des Sonettes S. 205 trepece statt trpece. Hinsichtlich der
Interpunktion kann man hinweisen auf den überflüssigen Beistrich 134, V. 8
von oben, auf den fehlenden Beistrich 143, V. 2 von unten und 205, V. 3 von
unten, auf den felilenden Punkt 144, V. 6 von oben (nach prelije), auf das
überflüssige erste) ni 153, V. 13 von unten, auf den Punkt anstatt des Strich-
punktes oder Striches 163, V. 4 und S von oben und auf den Punkt anstatt
des Beistriches 171, V. 4 und 8 von oben. Aus Pintar ;219, 228; stammen die
Varianten kasarna 88, V. 7 von oben und kosarn 143, V. 5 von unten.
Jedoch die Fehler, die ich anführte, rühren grösstentheils vom Ueber-
sehen her, oder sind einfach Fehler, an denen die Druckerei die Schuld trügt.
Zu solchen sind augenscheinlich auch die Formen pratka 1S3 statt prat'ka)
und umgekehrt Rus'njak 139 (statt Rusnjak zu rechnen, wie auch die unge-
schickte Theilung der langen Verse S. 117, 154, 155. Von der Stropheneiu-
theilung der Terzinen in Nova pisarija 122 — 129, die nach dem Beispiel des
Dichters von Levstik und Pintar beibehalten wurde, sah offenbar der Heraus-
geber selber ab, hingegen wurde eine solche Theilung in .länezu N. Hra-
deckemu und Kist pri Savici Einleitunjr) von ihm zuerst eingeführt.
Um also den Text Preseren's dem heutigen Geschmacke anzupassen,
wurden auch in der neuesten Ausgabe manche Aenderungen vorgenommen,
deren einige sogar die Form verletzten. Trotzdem ist noch etwas geblieben,
was einen aufmerksamen Leser unangenehm berührt. Es sind dies drei
fehlende Doppelsilben im zehnten Vers der dritten Gazelle S. 153 pläha?j,
im dritten der sechsten S. 156 (mil'ga? und im vorletzten des Sonettes
652 Kritischer Anzeiger.
Sanjälo se mi je. da v svetem räji S. 183 (takö ?], ein ausgelassener Vers in der
Ballade Turjaska Kozamunda S. 46 vor dem Vers:
Eästi in podöbe räjske
und in dem Gedicht Od zidanja cerkve na Smärui guri S. 80 vor
Zapi-to zene je telö,
vgl. darüber meinen Aufsatz im Presernov-Album S. 808, auf den ich mich
nur deswegen berufe, weil ich bei keinem Erforscher und Herausgeber der
Gedichte Preseren's Hinweisungen auf diese Auslassungen gefunden habei).
Dass solche Auslassungen vorkommen können, beweist die Aufschrift Napis
na Linhartovem gröbu, deren dritter und vierter Vers zuerst von Levstik in
metrisch unzulänglicher Fassung abgedruckt wurden :
Komi'i Maticek, hei zupana,
Ki mar' mu je slovenstva, nista znana?
Dafür lesen wir jetzt bei Pintar und Askerc den rhythmisch richtigen dritten
Vers, wie folgt :
Komü Maticek, Mic'ka, hei zupana.
Zum Schlüsse muss ich noch bemerken, dass alles dies, was ich zur
Askerc'schen Ausgabe Preseren's bemerkt habe, Ansichten eines nicht unter
den Slovenen lebenden Russen und Philologen sind, der sich mit Preseren
eingehend beschäftigt hat. Davon kommt es, dass ich hie ixnd da mit dem
Herausgeber nicht übereinstimme, obwohl er im oben erwähnten Aufsatz
selber zugibt, dass er sich meine Ansichten über populäre Dichterausgaben
zur Richtschnur genommen hat. Es ist zu hoffen, dass der Ausgabe Askerc's
dieselbe grosse Bedeutung zutheil sein wird, wie der Levstik's, welche die
Kenntniss der Preseren'schen Muse unter die weitesten Volksschichten ver-
breitet hat. Sie verdient dies umsomehr, als sie einen bedeutend reineren
und zum ersten male vollständigen Text darbietet. Th. Kors.
11
; Es sei mir gestattet zu bemerken, dass sich der vom Herrn Verfasser
in der Turjaska Eozamunda vermisste Vers in dem ersten Abdruck dieser
Ballade in Kranjska Cebelica III, S. 9 wirklich vorfindet und folgender-
massen lautet: »Cerno-oko, svitlo-licuo«.
Ivan Prijatelj
(Uebersetzer dieser Anzeige aus dem Russischen}.
Kleine Mittheilungen.
Jan von Karlowicz f.
Die polnische Wissenschaft ist von einem schweren Verluste getroffen :
aus der Mitte gross angelegter Werke heraus, ist Jan von Karlowicz uns ent-
rissen worden; es war ihm nicht mehr yergünnt, die Frucht vieljährigen,
heissen Bemühens einzuheimsen.
Jan von Karlowicz entstammte einem altlitauischen Geschlechte —
freute es ihn doch, der selbst in Heidelberg studirte, seinen (protestantischen)
Vorfahren im XVII. Jahrh. in derselben Universitätsmatrikel eingetragen zu
finden. Geboren am 26. Mai 1 836 in Suborto wicze bei Merecz (Gouv. Wiino , be-
suchte er nach Absolvirung des Wilnoer Gymnasiums die Universität Moskau
(18.53 — 1857): er pflegte mir noch manches von Granovskij, von Solovjev u.a.
zu erzählen. Er studirte Geschichte und setzte seine Studien in Berlin fort,
wo er auch auf Grund der Dissertation De Boleslai I bello kijoviensi 1S65
promovirte. Von 1S67 — 1881 lebte er auf seinem Erbgut Wiszoiew Gouv.
Wilno) seinen geliebten ethnographischen, philologischen, folkloristischeu
Studien, neben denen noch Musik und Musikwissenschaft ihn dauernd fessel-
ten: seine musikalische Veranlagung vererbte er seinem jüngeren Sohne,
einem tüchtigen Componisten. 1882 — 1887 brachte er wieder im Auslande
zu, in Heidelberg (bei Cuno Fischer), Frag, Dresden u. s. w., theilnehmend an
den Orientalistencongressen, in Bibliotheken nach polonica forschend (z.B. in
Leyden), überall persönliche Beziehungen anknüpfend, so suchte er mich in
Berlin auf. 1S87 siedelte er für immer nach Warschau über, wo ihn dann der
Tod mitten in seinen Arbeiten ereilte.
Er hatte unterdessen die Beschäftigung mit der Geschichte aufgegeben
und sich ganz sprachlichen und ethnographischen Studien gewidmet. In einer
Anzahl von Aufsätzen und Abhandlungen, die im Pami^tnik fizjograficzny
und in der von ihm herausgegebenen Wisla, ausserdem in den Abhandlungen
der Krakauer Akademie, in den Prace Filologiczne, in unserem Archiv und
sonst erschienen sind, behandelte er sprachliches, namentlich onomastisches
Material, Volksetymologien u. dgl.; mythologisches auch in der Grossen
Warschauer Encyklopädie, deren eifriger Mitarbeiter er bis zuletzt verblieb;
— seine letzten, in Lemberg 1902 und 1903 gehaltenen öffentlichen Vorträge
gehörten ebenfalls diesem Gebiete an; archäologisches fz. B. Chata polska.
Studium lingwistyczno-archeologiczne 1S84,; ethnographisches (z.B. seine
654 Kleine Mittheilungen.
»Probe einer Charakteristik des polnischen Adels« 1883 u. a. — hierher ge-
hören seine eigenen üebersetzungen und die Erläuterungen, die er fremden
Uebersetzungen beifügte, Draper, Tylor u. a. ; publizirte schliesslich Texte,
polnische Frühdrucke (Korczewski rozraowy 1552 und Mleko duchowne des
Verger-Valdez 1556) und Handschriften.
Das Hauptgewicht seiner Forschungen verlegte er auf das Studium
volksthümlicher Texte und Stoffe. Eine riesige, alles bis 1890 erschienene
erschöpfende Materialsammhmg Hess ihn seinen Slownik gwar polskich un-
ternehmen, von dem ihm leider nur die zwei ersten Bände (A — K) herauszu-
geben beschieden war — über das Werk hat Prof.Nehring in dieser Zeitschrift
berichtet : die Fülle des Materials ist eine erstaunliche, für polnische Dialek-
tologie ist zum ersten Male die umfassendste Grundlage geschaffen worden.
An dem grossen Warschauer Wörterbuch der poln. Sprache (jetzt schon im
dritten Bande, 15 Hefte, bis Nieskrowity — gediehen) war er einer der eifrig-
sten Mitarbeiter. Daneben publizirte er ein besonderes Wörterbuch der pol-
nischen Fremdwörter (mit ihrer Erklärung!, das jetzt auch im Buchstaben K
unterbrochen ist.
In allen seinen Forschungen bewährte Karlowicz neben umfassendem
Wissen einen scharfen, kritischen Blick. So Hess er sich z.B. keinen Augen-
blick durch Miklosich täuschen, er vertrat immer die — wie ich heute sehe,
allein richtige — Ansicht, dass das Polnische neben ^ e ein u, neben g ein h
sein eigen nennt u. dgl. ; er Hess sich ebensowenig durch die Phantastik einer
»kaschubischen Sprache« blenden: oft habe ich mich zu seinen Anschauungen
schliesslich bekehrt, die ich anfangs ablehnte. Besonders folgenreich war
seine Thätigkeit als Herausgeber der Wisla. In meinen Aufsätzen (Polonica)
habe ich öfters hervorgehoben, wie seine Wisla Schule gemacht hat, in ihren
Spuren sich die Zivaja Starina, Cesky Lid, Lud (in Lemberg), kleinrussische
Publikationen ähnlicher Art bewegten; vor allem erhob er die polnische
Ethnographie, die bei 0. Kolberg u. a. über Dilettantismus kaum herausge-
kommen war, auf ein modernes, echt wissenschaftliches Niveau. Hier war
auch seine persönliche Anregung, das Aufwerfen von zahlreichen Fragen (im
Kwestionariusz der Wisla), das Aufsuchen undErmuntern von Lokalforschern,
denen er seine Unterstützung in jeglicher Form angedeihen Hess, die Organi-
sirung eines ethnographischen Museums u. dgl. von ausserordentlicher Bedeu-
tung. Vermögend, im Besitze einer grossen Bibliothek — was für War-
schauer Verhältnisse besonders wichtig ist; ausserordentlich liebenswürdig,
gesellig; für alles Gute sich begeisternd; unermüdlich im Aufsuchen neuer
Quellen und Beziehungen; mit Rath und That jedem uneigennützig bei-
stehend — wie oft appellirte ich an sein nie versagendes Wissen — war er
eines der wichtigsten Glieder jenes Kreises Warschauer Privatgelehrten, die
in Ermangelungjeglicher Anstalt, jeglicher Organisation, diesem drückenden,
alle wissenschaftlichen Bestrebungen entsetzlich lähmenden Mangel durch
ihre uneigennützige und rastlose Hingabe an die Sache selbst begegnen und
nach Kräften steuern. Einer der bedeutendsten und besten unter ihnen war
eben Karlowicz, den der Tod am 14. Juni 1903 plötzlich abrief. Jeder, der
seine Anregung, Unterstützung, litterarische, gelehrte, sogar materielle, ge-
Kleine Mittheilungen. (355
nossen hat, wird seiner stets dankbar gedenken; auf den Blättern polnischer
Dialektologie. Archäologie und Ethnographie wird sein Name immer ver-
zeichnet bleiben. A. Brückner.
Danksagung.
Beim Abschluss des XXV. Bandes dieser Zeitschrift fühle ich
mich zunächst dem Herrn Verleger gegenüber für die besondere
Ausstattung dieses «JubiUiumsbaudes« zu innigem Dank verpflich-
tet. Zu meiner grossen Freude war die Theilnahme der alten
Freunde und Mitarbeiter dieser Zeitschrift aus diesem Anlasse so
allgemein, dass nicht alle Beiträge, selbst in dem um einiges
erweiterten Band untergebracht werden konnten. Dies veranlasst
mich zu erklären, dass ich noch im XXVI. Band einige Abhand-
lungen, die für den Jubiläumsband bestimmt waren, aber nicht
rechtzeitig eingesendet oder aus Raummangel bisher noch nicht
gedruckt werden konnten, in gleicher Weise illustrirt nachliefera
werde. Für diese rege Betheiligung sage ich allen Freunden dieser
Zeitschrift meinen tiefgefühlten Dank.
Abbazia, 26. Juli 1903.
V. Jagic.
Sachregister.
Accentverschiebungea 425 ff.
Achrid;i,Patnarchat, Geschichte 468 ff.
Alexandreis, slavische, vom J. 1389,
157.
Alterthumskunde, slavische, 136 ff. ;
i5;afai'ik 139; Niederle 140 ff.; Ur-
heimath der Slaven 143; Methodik
der Alterthumskunde (Boguslaw-
ski) 145 ft\; südslavische ^Yande-
rungen, Geschichte 307 ff.
Amphilog's Vision, Quelle und Ver-
breitung, 101 ff'.
Anlaut, vocalischer, im Slav. 187.
Anthologie, serbokroatische, 150 f.
Apocalypse des Radosav 20 — 36.
Apokryphe, s. Protoevangelium; Am-
philog; Fragen und Antworten.
Belbogx in der Mythologie 66 ff,
Beseda trech svjatitelej s. Fragen.
Bibliographisches, vgl. Polnisch etc. ;
.Jovan Malesevac und slav. Drucke
463 ff. ; Cetinjer Oktoich von 1494,
628 ff.
Bibliomantik 239 ff.
Bogomilenbüchlein 20 ff.; allegorische
Deutungen der Schrift 612 f.
Breviarium, glagolitisches von 1379 in
Eom 7 ff.
Comparativ litau. auf esnis 362, 364.
Cyriirs Legende, kritische Bemerkun-
gen, die arabische Mission 546 ff.
Cyrillische Ligaturschrift l(i9 ff.; bei
Südslaven 112 ff., Eussen 115 ff'., in
Litauen 1 17, Pskov etc., die Pomo-
ranische 125 ff.
Dialectologie, s.Krasovaner ; aus Vrnci
in Serbien 212 ff.; s. Tobolsk; s.
Kleinrussisch; polnisch dialecti-
sches Wörterbuch 130 ff. ; von der
böhmisch-polnischen Sprachgrenze
392 ff.
Donau 142 f.
eu im Slavischen und Litauischen
488 f.
Falsificate; die Veda Siovena 580 ff.
Fragen und Antworten (Beseda,, neuer
Text ders. 611 ff.
Futurum, litauisches, 480 f.; das fut.
der verba perfectiva 554 ff.
Gaunersprachen 100.
Genetiv sing, der o- Stämme 478.
GogoFs Stellung in der russischen Li-
teratur 290 ff.
Gregorios Dekapolites und seine Le-
gende 103 ff.
Handschriften, slavische in Rom, Be-
schreibung ausgewählter 1 ff. ; Zo-
graphoshandschrift d. XVIL Jahrh.,
Beschreibung 613 ff.
Hehuold's mythologische Angaben
66 ff.
Ilja von Murom und Ilias von Reuszen
'440 ff., Oleg's Vermittelung epischer
Motive 449 f.
Illyrisraus, zur Geschichte dess. 317.
Imperfect, altböhmisehes, Bedeutung
und Gebrauch 341 ff.
Inschriften und Nachschriften, serbi-
sche, 1186—1700, Ausgabe 152 ff.
Instrumental, zum Gebrauch dess. im
Nordserb. und Sloveu. 564 ff.
Johannes von Damaskus und sein
Werk 48 ff.
Johannes der Exarch als Uebersetzer
48 ff.
Kleinrussisch, Verlust der Palatalisa-
tion vor e und i 222 ff. ; ähnlich im
Polabischen 237 f., s. Dialectologie;
Liquidametathese u. s. w.
Knäsen, rumänische, Bedeutung der-
selben 522 ff.
Krasovaner in Südungarn, Sprache u.
Herkunft 161 ff'.; keine Bulgaren;
Texte 164 ff., Familiennamen 169.
Kroatische Literatur, ihre Wieder-
geburt 315 ff., keine messianisti-
schen Elemente.
Sachregister.
657
Kurzformen im Slavischen mol, pry
etc.) 48ü.
Leo der Weise 244.
Liquidametathese im Slavischen (tort
U.S.W.) 182 ff. ; in den l^inzeispra-
chen, polabisch 197, kaszubisch 201,
nordserbisch 205, russisch 2(lS.
Litauisch, s. Futurum ; Präsensbildun-
gen ; Comparativ ; Optativ ; Neutrum.
Metrik des Gundulic 2.50 ff., Schlüsse
289.
Missale, glagolitisches, 6 f.
Moses von Chorene und seine Geogra-
phie 312 f.
Nekrologe, W. Wollner öuO; J. Karlo-
wicz 644 ff".
Neuslovenisch, s. Preseren; Syntax
u. a.
Neutrum im Litauischen 482, 499.
Oktoich, alter Druck 628 ff".
Optativ, litauischer 4S5 ff".
Peutinger's Tafel 309.
Philologie, zur Geschichte der slavi-
schen, t)21 ff.
Pluralbildung, nominale, im Serbischen
135 f.
Polnisch, Literaturbericht 74 ff. (mittel-
alterliche und neuere Texte, mo-
derne Literatur, grammatisches und
lexicalisches, bibliographisches) ;
dialektisches Wörterbuch 13ü ff.,
Nasalvocale 219 ff.
Praesensbildungen, slavische und li-
tauische, 473 ff.
Preseren, Gesammtausgabe ; seine
Sprache und Metrik 637 ff.
Protoevangelium Jacobi, Fragment,
36 ff.
Eagusa, seine mittelalterliche Kanzlei,
die lateinische 501 ff".; in Cattaro
und anderswo 519 f.
Ribanje des Ilektorovic, Sachliches
u. sprachliche Erläuterungen 429 ff.,
sein Realismus.
Russisch, S.Gogol; Cyrillische Schrift;
Dialectologie ; llja Muromec ; Volks-
epik u. s. w.
Serbokroatisch, s. Inschriften ; Metrik ;
Anthologie; Krasovaner; Biblio-
graphie; Illyrisnius; Riltauje u.s. w.;
zur Geschichte der städtischen Nie- .
derlassungen auf dem Balkan, Ver-
schiedenheit d. Entwiokelung 321 ff.
Slavische Wanderungen, zu ihrer Ge-
schichte 307 ff. ; Südslaven auf dem
Balkan 321 ff.
Slovenisch, s. Instrumental; A^erba
u. s. w.
Suffixe, -yni 355 ff., -y 356 f.
Syntax, s. Instrumental; Verba per-
fectiva; Imperfect.
Uebersetzung, dos Protoevangeliums,
Textvergleichung 40 ff.; Ueber-
setzungskunst Jobannes des Exar-
chen 48 ff". ; griechische Artikel-
constructionen in der altsloveni-
schen Uebersetzung des Psalters
366 ff.; vgl. Vulgata.
Veda Slovena, Geschichte der Ueber-
lieferung; Kritik; der Fälscher Go-
loganov 580 ff.
Venzel's officium, glagolitisches 11 —
20; Text und Bemerkungen.
Verba perfectiva und imperfectiva im
Slovenischen 554 ff.; s. Praesens-
bildungen; vgl. Litauisch.
Volkst'pik, typische Zahlen derselben
im Russischen 452 ff.
Volksetymologie, russische, bulgari-
sche und böhmische Beispiele etc.
(zubalo und p^teka) 569 ff. ; polnische
(mali) 160.
Vulgata, angeblicher Einfluss auf alt-
slov. Uebersetzung 366 ff.
Abicht 90.
Albinus 87.
Alter 3.
Araphilochius 21.
Amphilog 101 ff.
Annin skij 314.
Namenregister.
Asböth 506—579.
Askerc 638 ff.
Bartos 404 f.
Baudouin de Courtenay
201 ff.
Belcikowski 80.
Benett 600.
Bercic 5, 8.
Berneker 473-499.
Bezzenberger 480 f.
Biegeleisen 74 f.
658
Namenregister.
Birkowski 81.
Bobrov 1 58 f.
Bobrowski 1 f.
Bodjanskij 49, (')'24.
Bogdan 520 - 5-13.
Boguslawski 145 ff.
Brandt 439.
Broch 425.
Bronisch 204.
Brückner 74—101, 149,
204.
Brugmann 363, 479 f,
Buj;enhagen H9 f.
Burnouf 583 ff.
Canestrini 435.
Chalanskij 440—451.
Chmielowski 74 f.
Chodzko 589 f., 594 f.
Chrzanowski 70.
Cranzins «9.
Criegern 81.
Crncic 2, 5 ff.
Cyrill 544—553.
Czirbusz 169, 174.
Czörnig 173 f.
Czubek 8s.
Czuczyiiski 90.
Diehl 329, 333.
Dobrovsky 3, 144, 172.
Doderlein 435.
Dozon 583 ff.
Drinov 174, 593.
Dumont 584.
Eckhardt 71.
Ehrle 1.
Estreicher 76.
Federowski 99.
Fermendzin 175.
Fijalek 77, 91.
Finkel 78, 82.
Fligier 597.
Fortunat9vl87, 205, 211,
425, 474, 478 f.
Frecskay 575.
Frenzel 71 f.
Gadon 96.
Gaj 319.
Galatovskij 108.
Gauthiot 425.
Gebauer 341—354.
Geitler 360, 595 f.
Geizer 468 ff.
Gerlach 471.
Gjalski 319.
Gloger 83.
Gogol 290 ff.
Gologanov 587 ff.
Golubinskij 471 f.
Gregorios Dekapolites
103 ff.
Grozdic 172.
Gundulid 250—289.
Hanusz 427.
Hasdeu 541.
Heck 88.
Hektorovid 429 ff.
Helmold 66 ff.
Henrychowski 73.
Hirschberg 90.
Hirt 478.
Hornik 567.
Jacimirskij 32.
Jagic 1—47, 136—145,
149, 156, 159, 451, 465
—467, 564, 593, 600,
627, 628—637, 655.
Jaworski Tad. 90.
Jaworskij Jul. 100.
Jensen 4, 429—439.
JirecekC. 157 f., 467.501,
. 518, 591 ff.
Jirecek Jos. 590 f.
Johannes der Exarch
48 ff.
Johansson 478.
Kallenbach 77, 95.
Kalu^niacki 101—108.
Kanitz 175.
Karlowicz 97 f., 130 ff.,
160, 219 ff., 653 ff.
Karaman 9.
Kirpicnikov 440.
Kochanowski Piotr 78.
Kochowski 88.
Kocubinskij 621— 627.
Konstantinov 605.
Kopitar 625.
Kors 637—652.
Krasinski 77, 95, 320.
Krasnoselcow 2, 611.
Kraushar 96.
Krynski 97 f.
Kukiiljevic 4 f.
Kulakovskij 317.
Kyprian (metropolit)
115 f.
Lamanskij 544—5^3, 599.
Landau 100, 131.
Lavrov 39.
Lazecnikov 158,
Leger 591 f.
Leskien48— 66, 207, 500.
Levstik 640 ff.
Liebsch 565 ff.
Mahan 178 f.
Mai 1 ff.
Maksimovic 150 f.
Malinowski 99, 131 f.,
392.
Maretid 452—462.
Marulic 439.
Mazanowski 95.
Mazuranic 320.
Mazurkiewicz 94.
Meillet 425—429.
Melchisedek 541.
Melich 574.
Meltzl 597.
Mesic 9.
Metelko 563.
Miaskowski 89.
Mickiewicz 76, 86.
Mikkola 208 ff., 499.
Miklosichl73,555f.,558,
565 f.. 569 ff., 578, 621 ff.
Miletic 161—181.
Miller Vsev. 598 f.
Milojevic 595.
Mucke 207.
Miillenhoff 307, 440.
Music 561 f.
Musicki 628.
Nachtigall 611.
Nehring6Ö— 73,77,130—
135.
Niederle 136 ff., 145—149,
307—316.
Novakovic 321—340.
Nunzio De, 3.
Oblak 573.
Obolenskij 624.
Obrenovic Michael, Fürst
625 f.
Pachomios Logothetes
115.
Paprocki 78.
Parcic 5.
Passendorfer 98.
Pastrnek 366—391.
WoitreKister.
659
Pazdanowski 90.
Pedersen 425 f.
Pelikan 342.
Peretc 91.
Petii 472.
Petrovskij 429.
Photius 5-30 f.
Pini 94.
Pintar 638 ff.
Podhorszky 597.
Polanski 230.
Polivka 392—406.
Popov A. 49. 5S0.
Popovite 542.
Poriezinskij 473 ff.
Potebnja 572.
Preradovic 320,
Preseren 637 ff.
Prijatelj 150 f., 652.
Ptaszycki 80.
Pyczküwski 81.
Pypin 290 — 306, 593 f.,
598.
Racki 20, 30.
Radrenko 611—621.
Radonic 307, 468—473.
Rakovski 595, 607.
Ramuh 204.
Rastic 272.
Resetar 135 f., 250—289
426, 429.
Rey 80 f.
Rössler 307.
Ruvarac 463—465, 470 f.
Rydel 78.
^achmatov 115, 222—
238.
Safarik J. P. 72, 138 ff.,
385, 621 ff., 62S.
Safarik Janko 584.
Äafarik Vojtech 622 f.
Saussure 425.
Scepkin 32, 109—129.
Sclileicher 197 ff.
Schmidt Job. 361, 478,
48U, 482.
Schwicker 173.
Siraic 135 f.
^isinanov 580—611.
^krabec 554—564.
Smolenski 92.
Smolik 90.
Solmsen 211.
Speranskij 32, 152 — 156,
239—249.
Sponholz 72.
.^repel 26.
Sreznevskij 72, 627.
Stasov 20.
Ötojanovic 34, 152 ff., 212
—218, 62S ff.
ätrekelj 564—569.
Syganski 93.
Syrku 176, 610.
Szlagowski 81.
Szymonowic (Simonides)
88.
Tafel 623.
Tarnowski 75, 94.
Taskov 611.
Tetzner 406.
Thalluezy 157.
'rhuriieyseu 362.
Torbiörnsson 182 ff.
Towianski 94.
Truhlar 87.
Ujejski 94.
Uljanov 425, 474.
Valjavec 366.
Vasiljev 549 f.
Vazov 610.
Wercliiatskij 4U7 — 124.
Verkovic 580—611.
Vetranic 439.
Wiedemanu 362.
Wierzbowski 79.
Windakiewicz 89.
Vodnik 626 f.
Wollner - 500.
Vondräk4S, 182—211.
Vostokov 622 f.
Wrublewski 94.
Vyhiidal 404 ff.
Zäkrzewski 80.
Zaleski 93.
Zawilinski 98.
Zbylitowski 90.
Zdziarski 93.
Zibrt 82 f.
Zigabenus 612,
Zubaty 355—365, 476,
480.
Zupitza 488,
alnii 364.
chobot 158 f,
firieje 133.
galamb 573.
giera 134.
jeszkoti 491.
irä 482, yra 484,
iskati 491.
judecie 541.
kamy 188.
kanjac 435.
Wortregister.
kolak 577 f,
läncsa 573.
lanka 573.
mali 160.
pas^ 491.
pisztrang 572 f.
pobyt 158 f.
pck 574.
p.bteka 576 ff.
potecä 577.
rakonca 574.
ros niagy. 572.
strogij 210.
stryj 358.
svekr-B 358 f.
t^zalo 570.
truchH 41.
vataman 532.
veszne 362.
zabola zabla magy.570ff.
zmbalec 569 ff.
zubadlo 569 ff.
Druck Ton Breitkopf & Härtel in Leipzig.
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BINDING SECH
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1
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Bd. 25
Archiv für slavische Philologie
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